Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Ehe wir in die heutige Tagesordnung eintreten, beglückwünsche ich im Namen des Hohen Hauses nachträglich den Herrn Abgeordneten Kirchhoff, der am 6. Juni seinen 74. Geburtstag gefeiert hat.
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Eine amtliche Mitteilung wird ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Herr Landtagspräsident des Saarlandes hat unter dem 2. Juni 1959 neun Entschließungen, die der Landtag des Saarlandes am gleichen Tage angenommen hat, mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Die Entschließungen liegen im Archiv zur Einsichtnahme aus.
Ich rufe auf Punkt 1 der Tagesordnung:
Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1959 ({1}).
Entsprechend einer interfraktionellen Vereinbarung beginnen wir zunächst mit dem
Einzelplan 29
Geschäftsbereich des Bundesministers für Familien- und Jugendfragen ({2}).
Das Wort hat Herr Abgeordneter Stoltenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir als Berichterstatter, hier eine Berichtigung vorzunehmen. Im Mündlichen Bericht zu Einzelplan 29 auf Seite 2 ist der Vermerk „Die Mittel sind übertragbar" beim Druck aus Versehen unter Tit. 107 eingesetzt worden. Der Vermerk gehört zu Tit. 661. Im übrigen darf ich auf den vorgelegten Bericht verweisen.
In der allgemeinen Aussprache hat Herr Abgeordneter Dürr das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Haushalt des Bundesministeriums für Familien- und Jugendfragen umfaßt zwei Problemkreise, die nicht in einem Atemzug behandelt werden können.
Der Herr Minister pflegt zu sagen, die Jugend habe seit Beginn dieser Legislaturperiode ein halbes Ministerium. Wir Freien Demokraten haben leider nicht den Eindruck, daß das halbe Interesse des Herrn Ministers der Jugendabteilung seines Ministeriums gehört. Das tut uns weh, tut uns weh aus dem Grunde, weil wir uns seit dem Jahre 1950 in Sachen Bundesjugendplan als mehr denn bloße Mitläufer fühlen. Der Bundesjugendplan ist einmal unter dein Schlagwort „positiver Verfassungsschutz" geschaffen worden. Dringende Notstände haben ihn in den folgenden Jahren zeitweise zu einem Jugendsozialplan werden lassen. Heute ist es erforderlich, den Bundesjugendplan wieder mehr zu seinem ursprünglichen Zweck zurückzuführen.
Die Fragen, die im Bundesjugendplan zu lösen sind, sind keine parteipolitischen Fragen. Wir sind die letzten, die versuchen würden, aus diesen Jugendfragen parteipolitisches Kapital zu schlagen. Was notwendig ist, sind gemeinsame Bemühungen um Lösungen, wirkliche Lösungen, nicht nur Erörterungen über die Mittelbewilligung. Auf diesem Gebiet bleibt uns allen miteinander für unsere Arbeit noch ein weites Feld. Z. B. werden wir im Zuge einer nötigen Änderung der Reichshaushaltsordnung auch daran denken müssen, daß heute öffentliche Gelder nicht mehr nur von Staatsbeamten, sondern auch von Angehörigen der Jugendverbände ausgegeben werden und von diesen abgerechnet werden müssen. Die Geschäftsstellen unserer Jugendverbände haben sich unter dem Einfluß der bisherigen Abrechnungsbestimmungen weitgehend den Amtszimmern der Behörden, die Arbeitsmethoden ebenfalls denen der Behörden angeglichen. Der Jugendverbandsfunktionär ist heute in Gefahr, zum Haushaltsakrobaten zu werden.
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Das gilt zumindest für die Jugendverbände, die wegen ihrer Größe nennenswerte Zuschüsse aus dem Bundesjugendplan beziehen.
Aber das sind bei weitem nicht alle Jugendverbände. Ich mache darauf aufmerksam, daß diejenige Jugendgruppe, von der Sie letzte Woche in der Zeitung lasen - sie hatte sich irgendwo im Ruhrgebiet entschlossen, den dortigen jüdischen Friedhof zu pflegen -, zu den Jugendverbänden gehört, die wegen mangelnder Größe - der Jugendverband hat unter 4500 Mitglieder im Bundesgebiet - an den Mitteln des Bundesjugendplans so gut wie überhaupt nicht partizipieren.
Ein Zweites: Die Jugendverbände repräsentieren nicht die ganze Jugend. Große Teile unserer Jugend wollen nicht organisiert sein, sie sind ausgesprochen organisationsunwillig. Diese Tatsache gilt insbesondere für einen sehr großen Teil der jugendlichen Sowjetzonenflüchtlinge, denen man es beileibe nicht übelnehmen kann, wenn sie auf Grund der Erfahrungen, die sie gemacht haben, gegen alles, was Organisation heißt, ein starkes Vorurteil haben.
Staatsbürgerliche Schulung und Arbeit ist in unseren Augen aber das Erlebnis der Gemeinschaft, das Erlebnis der freiwilligen Übernahme von Verantwortung durch den Jugendlichen, sie stärkt das Gefühl, für den anderen Verantwortung mit zu tragen, ein Gefühl, das die Jugendgemeinschaft zu vermitteln vermag. Jugendpflege ist niemals vorbeugende Fürsorge, sondern Jugendpflege beruht auf der Idee der Selbsterziehung, ist organisierte Gruppe und nicht Einrichtung, ist Lebensform, die nicht verordnet werden kann, sondern die wachsen muß.
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Wir dürfen uns nicht damit begnügen, Mittel für die staatsbürgerliche Arbeit und andere Betreuung der nichtorganisierten Jugend zu bewilligen. Wir müssen uns etwas mehr einfallen lassen, mit anderen Worten: Die Mittel müssen möglichst gut gezielt und möglichst breit gestreut werden. Heute werden für die Jugend erhebliche Mittel ausgegeben. Sie sind nötig, dringend nötig. Sie verführen aber nicht wenige zielstrebig kalkulierende Jugendliche zu einer gewissen Nutznießerhaltung. Man erwartet, daß einem kostenlos etwas geboten wird. Das Abwarten, daß einem etwas geboten wird, ist heute bei manchen Jugendlichen leider weit verbreitet. Mancher junger Mensch wird Dauerbesucher von Veranstaltungen und Einrichtungen, die an und für sich nur dafür gedacht sind, ersten Kontakt zwischen nichtorganisierten Jugendlichen einerseits und Jugendgruppen, auch politischen Jugendgruppen, andererseits herzustellen.
Ich will damit beileibe nicht sagen, wer nicht nach dem dritten oder vierten Besuch eines Hauses der offenen Tür eine Beitrittserklärung unterschreibe, sei nichts wert. Man kann in der Jugendarbeit mitmachen, z. B. in einer Laienspielgruppe, ohne deshalb irgendeiner Jugendorganisation beizutreten. Wir wollen lediglich auf den sich da und dort bildenden Typ des sehr passiven jugendlichen Mitläufers aufmerksam machen, der zwar keinen Vereinsbeitrag zahlen will und keinen Gemeinschaftsbeitrag zu leisten bereit ist, der aber an den aus dem Bundesjugendplan ausgeschütteten öffentlichen Geldern beteligt sein will. Wir müssen sehr vorsichtig sein, daß wir es nicht dahin bringen, daß sich die nicht organisierte Jugend besser betreut fühlen kann als jene Jugendlichen, die den Weg in eine Jugendgemeinschaft gefunden haben. Die Jugend darf sich nicht an das gewöhnen, was man unter dem Schlagwort „Gratisdemokratie" zusammenfassen kann. Ziel einer Jugendförderung muß immer bleiben, der lebendigen Gemeinschaft, der funktionierenden Gruppe Chancen zu geben. Freie Jugendpflege schafft verantwortungsbewußtere Staatsbürger als gelenkte Jugendpflege.
Wir sind uns bewußt, daß es sich bei der Erfüllung dieser Aufgaben um Gratwanderungen an der Grenze der Möglichkeiten des Gesetzgebers handelt. Wir wissen alle, daß sie weit auf das Gebiet der Volkspädagogik hinüberreichen, daß die Hauptaufgabe dabei ist, dem Jugendlichen Hilfestellungen und Anregungen zu geben. Wenn der Gesetzgeber hier seine Grenze überschreitet, gerät er in die Gefahr, Paragraphen zu drechseln, die nicht mehr sind als leere Deklamationen. Wir werden uns bei den Beratungen des kommenden Jugendhilfegesetzes an diesen Satz erinnern müssen. In Jugendfragen kann es nur brauchbare Ergebnisse geben auf Grund genauer Analysen, auf Grund praktischer Erfahrungen, auf Grund guter Kenntnis der Praxis und nur zum Teil auf Grund von Versuchen. Diese Weisheit ist eine Binsenweisheit, aber sie scheint im anderen Teil des Bundesministeriums für Familien- und Jugendfragen nicht allzuviel Gegenliebe zu finden. Man hat den Eindruck, daß in Familienfragen sehr oft auf Grund vorgefaßter Meinungen etwas geplant wird. Man wird den Eindruck nicht los, daß man dort zeitweise versucht, mit dem Kopf durch die Wand zu gehen und etwas durchzusetzen, oder daß man nach dem Motto „Durch Rücktrittsdrohung zum Ziel" etwas zu erreichen versucht. Ich habe keineswegs die Absicht, heute eine neue Kindergelddebatte zu entfesseln; die kommt als Fleißaufgabe ohnehin in Bälde wieder auf uns zu.
Aber eines muß in diesem Zusammenhang gesagt werden. Herr Minister, Sie hätten es mit der Erhöhung des Kindergeldes einfacher, weit einfacher haben können. Sie haben immer erklärt, Sie würden Familienpolitik um der Gerechtigkeit willen treiben. Aber Familienpolitik um der Gerechtigkeit willen treiben kann nur der, der sich wenigstens ein bißchen darum kümmert, ob die dafür notwendigen Mittel auch einigermaßen gerecht aufgebracht werden.
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Sie haben die sehr harte Kritik des Bundes der Steuerzahler einstecken müssen. Ich habe nicht die Absicht, mich im Letzten mit dieser Kritik zu identifizieren.
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Wenn aber im Bulletin der Bundesregierung diese Kritik damit abgetan wird, daß das Bundesministerium für Familien- und Jugendfragen erklären läßt, diese Kritik sei nur Ausdruck der Verärgerung über die bisherigen familienpolitischen Fortschritte, dann halte ich das, Herr Kollege Stoltenberg, unter Leuten, die was vom Sport verstehen, gesagt, für einen Tiefschlag.
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Es geht mir hier um die immer offenkundiger werdende Tatsache, daß der Herr Bundesminister für Familien- und Jugendfragen sehr, sehr weit im ständestaatlichen Denken befangen ist. Das merkt man weniger an den Äußerungen im Parlament oder
in den Ausschüssen - da ist der Herr Minister sehr zurückhaltend -, dafür viel mehr an seinen Sonntagsreden und Pressemitteilungen.
Aus solchen Äußerungen kann man auch entnehmen, daß der Herr Minister immer noch dem Wunschtraum einer Reform des Ehescheidungsrechts nachhängt und diese Reform für sehr dringlich hält. Ob das zur Förderung der Familie unbedingt nötig ist, wage ich zu bezweifeln. Die beste Konkursordnung ist nicht imstande, eine Firma davor zu retten, daß sie Bankrott macht.
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Wir glauben nicht, daß die Änderung der letzten Alternative des § 48 des Ehegesetzes ,eine Besserung der Familienverhältnisse bringen wird. Man muß vielmehr die Sache etwas tiefer und etwas genauer anschauen. Die Äußerung des Herrn Bundesministers, unser Ehescheidungsrecht fördere den Treubruch, ist objektiv falsch. Herr Bundesminister Schäffer und sein Haus oder die Richter des Bundesgerichtshofs werden gerne bereit sein, Herrn Minister Wuermeling die Richtigkeit meiner Behauptung zu bestätigen.
Uns Freie Demokraten unterscheidet von Herrn Minister Wuermeling eine fundamentale Differenz in der Auffassung vom Staat. Ihre hierarchisch-ständestaatliche Ansicht, Herr Minister, steht im Gegensatz zu der Überzeugung von uns Liberalen. Es soll ja Liberale in ,allen Parteien geben; aber bei der Aufzählung der Liberalen in allen Parteien hat eigentlich noch niemand den Herrn Minister Wuermeling dazu gerechnet,
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und dieses mit Recht. Sie, Herr Minister, sind für uns der Inbegriff des Antiliberalen, Ihre Staatsauffassung ist nicht die unsere. Aber das ist nicht so wichtig. Wichtig ist, daß Ihre Staatsauffassung auch nicht die Staatsauffassung des Grundgesetzes ist,
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das, meine Damen und Herren, von seinen Vätern in Richtung auf ein liberales Gemeinwesen angelegt ist.
Aus diesem Grund kann niemand von uns verlangen, daß wir Freien Demokraten dem Haushalt dieses Ministers unsere Zustimmung geben.
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Das Wort hat der Abgeordnete Schild.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Etat des Familienministers gibt meinen politischen Freunden Veranlassung, doch einiges generell zu der Familienpolitik zu sagen. Die industrielle Gesellschaft hat gewisse Formen der Betreuung, der Hilfestellung, der Fürsorge entwickelt. Wir kennen die Formen der Leibfürsorge und daneben die Formen der Lebensfürsorge, die auf dem Gebiete der Organisation der Massen als solche betrieben wird, die berufliche Fürsorge, die soziale Fürsorge und demgemäß natürlich auch die Lebensfürsorge für die Familie. Uns scheint, daß die beiden Weichen für die Lebensfürsorge der Familie, die materielle und die sozialethische, im Augenblick nicht richtig aufeinander abgestimmt sind. Die materielle überwiegt bei weitem gegenüber der sozialethischen.
Wir stimmen ,dem Herrn Familienminister in vielem zu. So bejahen wir die materielle Familienpolitik hinsichtlich der Gestaltung des Familienheims, der Familienwohnungen, der Modernität dieser Familienwohnungen heute. Wir begrüßen selbstverständlich die Einrichtung des Familienferienheims, das in unserer Zeit erforderlich geworden ist. Wir begrüßen die Politik, kinderreiche Familien materiell durch Kindergeld, durch Steuerermäßigungen zu unterstützen.
Alle diese materiellen Dinge müssen aber eine Komponente in der ethischen und soziologischen Seite der Familienpolitik haben. Wenn diese Komponente nicht vorhanden ist, führen die materiellen Vergünstigungen, die durch die Familienpolitik gewährt werden, nur zu der Forderung nach der Verbürgung noch größerer Rechtsansprüche.
Das eigentliche Familienmilieu, die Familie als solche, muß auf einen Stand gebracht werden, der den heutigen Verhältnissen entspricht. Hierin sehen wir eine grundsätzliche Aufgabe des Herrn Familienministers. Wir haben den Eindruck, daß er sich in der letzten Zeit allzu stark auf die materielle Seite verlegt hat und daß für die sozial-ethische Seite der Aufgabe im Ministerium kein echtes Konzept vorhanden ist.
Noch ein Wort zu den Ausführungen meines Herrn Vorredners. Ich möchte ausdrücklich betonen, daß meine Fraktion nicht der Auffassung ist, der Familienminister arbeite im Sinne berufsständischer Ideologien.
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Im Gegenteil! Alles ,das, was im Zusammenhang mit den Familienausgleichskassen, die in Anlehnung an die Berufsgenossenschaften errichtet wurden, gemacht wird, hat mit berufsständischen Ideologien oder Praktiken überhaupt nichts zu tun. Man kann höchstens von erwerbswirtschaftlichen Leistungsgemeinschaften sprechen, an die die Institution für die Aufbringung und Auszahlung des Kindergeldes angelehnt worden ist. Mit einer berufsständischen Gesellschafts- oder Staatsideologie hat diese institutionelle Regelung aber nichts zu tun.
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Das Wort hat die Frau Abgeordnete Lüders.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist nicht meine Absicht, hier noch einmal alles das zu betonen, was die Vorredner ausgeführt haben. Ich möchte aber doch unterstreichen, was der letzte Redner - meines Erachtens mit vollem Recht - gesagt hat: daß, je länger, je mehr, das Familienministerium seine Aufgabe darin zu sehen scheint, Geld zu
geben. Mit Geld ist es nämlich nicht getan. Gerade dieses Ministerium hat die Aufgabe, die ethischen, die sittlichen, die moralischen Grundlagen unseres Volkes zu festigen. Geld von anderer Leut's Kassen auszugeben, ist sehr leicht. Es ist auch richtig, was der erste Redner gesagt hat, daß dadurch mancher Jugendliche dazu verleitet wird, in erster Linie darauf zu sehen, ob und was für ihn oder seine Organisation im Rahmen des Bundesjugendplanes sozusagen herausgeschlagen werden kann. Diese Entwicklung betrachten wir mit großer Sorge.
Ich möchte jetzt mit Erlaubnis des Herrn Ministers Wuermeling einige Fragen an ihn richten, auf die ich sehr gern eine Antwort hätte, und zwar nicht eine Antwort mit juristischen Verklausulierungen, sondern eine ganz einfache, sachliche und klare Antwort. Bisher ist es mir nicht gelungen, eine solche Antwort zu erhalten, Herr Minister, sondern Sie haben sich immer ganz geschickt - das gebe ich gern zu - um die Antwort herumgedreht, oder Sie haben die Antwort auf andere geschoben, die angeblich „zuständig" sein sollen. Wenn ich das Wort „zuständig" in solchen Zusammenhängen höre, dann wird mir schon vollkommen schwach.
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Mit dem Wort „zuständig" kann man alles und nichts machen, genauso gut wie man alles und nichts in den Behörden - meistens macht man nichts - mit dem Wort „tunlichst" machen kann.
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Wir wissen doch alle, was damit gemeint ist. „Tunlichst" heißt: nie, „tunlichst" heißt: bestenfalls dann, wenn es den zunächst interessierten Behörden paßt, etwas zu tun. Ob sie dann das tun, was das Parlament, oft uni sono, möchte, ist eine ganz andere Frage. Tun Sie mir den Gefallen und versuchen Sie nicht, die „Zuständigkeit" für die von mir gewünschten Antworten auf andere Leute abzudrehen. Ich bin alt und erfahren genug, Herr Minister, um darauf nicht hereinzufallen. Ich habe bisher meistens dazu geschwiegen, weil ich den Streit nicht liebe. Aber mal hat es ja geschnappt, auch mit meiner Geduld.
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Sagen Sie mir bitte, Herr Minister, wie es steht. Wir fanden bei der Gründung Ihres Ministeriums und finden jetzt erneut bei der Vorlage Ihres neuen Etats unter Ihren Aufgaben folgendes: Kraftvolle Förderung eines familiengerechten Wohnungsbaus unter vordringlicher Berücksichtigung größerer Familien und „insbesondere die Mitwirkung bei der Schaffung eines Ehe- und Familienrechts, das der besonderen Aufgabe von Mann und Frau in der Familie Rechnung trägt". Es kommt bloß darauf an, was man unter der „besonderen Aufgabe" versteht.
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Ich möchte gern fragen, Herr Minister: Was haben Sie für den „familiengerechten Wohnungsbau", der eigentlich nicht ihre Angelegenheit ist, getan? Ich merke davon nichts; aber darauf komme ich später noch. Es geht Ihnen da ähnlich wie Ihrem
Kollegen Lübke, der einen ganz wunderschönen Plan für die Vorratswirtschaft vorgelegt hat, uns aber nicht sagt, wo die Leute eigentlich mit den Vorräten hin sollen; denn in den Wohnungen ist kein Platz dafür. Aber diese Sache frage ich dann Herrn Lübke bei seinem Etat. Für den familiengerechten Wohnungsbau könnte man sehr viel tun, Herr Minister, wenn man einen tiefen Einblick in die Wohnungssituation und in die Lage der minderbemittelten und der noch ärmeren Bevölkerungsschichten hätte. Ich bin mir nicht ganz klar darüber, ob Sie ihn haben.
Sagen Sie bitte, was verstehen Sie eigentlich unter der „Mitwirkung bei der Schaffung eines Ehe-und Familienrechts, das der besonderen Aufgabe von Mann und Frau in der Familie Rechnung trägt"?
Sie erwähnen in ihren schriftlichen Ausführungen auch immer wieder, daß Sie eine enge Zusammenarbeit mit anderen Ministerien hätten. Hier hätten Sie z. B. jahrelang die Gelegenheit gehabt, mit dem Justizministerium und dem Rechtsausschuß sehr eng zusammenzuarbeiten. Ich habe nichts davon gemerkt. Vielleicht bin ich Alters wegen nicht mehr imstande, recht zu hören und recht zu verstehen. Aber ich brauchte gar nicht verstehen zu können; denn meistens hatten Sie eine Vertreterin Ihres Ministeriums überhaupt nicht im Unterausschuß für das Familienrecht, und wenn diese einmal dagewesen ist, dann hat sie sich als Trappistin betätigt. Sie hat kein Wort gesagt, ganz im Gegensatz zu der ausgezeichneten Vertretung des Ministeriums des Innern, dessen Referentinnen intensiv und ständig an der Arbeit teilgenommen haben. Mir scheint, Sie hätten reichlich Gelegenheit gehabt, in der Auseinandersetzung mit uns, die wir dafür zuständig sind, Ihre Auffassungen von Ehe- und Familienrecht zur Geltung zu bringen, statt sich darauf zu beschränken, sie in Versammlungen vorzutragen, in denen es nachher sehr häufig an der Diskussion fehlt. „Roma locuta causa finita" ist aber für dieses Gebiet völlig unangebracht.
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Also, vielleicht sagen Sie uns, warum Ihre Vertreterin so sehr selten dagewesen ist und, wenn sie dagewesen ist, geschwiegen hat.
Das Bundesministerium für Familienfragen - so sagen Sie - ist vor allem an der Durchführung des Art. 6 und des Art. 3 Abs. 2 des Grundgesetzes beteiligt. Ich habe nichts davon gemerkt, höchstens in Ihren Reden, in denen Sie sich zu unserer Auffassung über Art. 3 in negativem Sinne geäußert haben. Was haben Sie für die sogenannte Halbfamilie getan? Mir ist nichts bekannt. Die Kinder und Jugendlichen in solchen Halbfamilien, Herr Minister, sind bekanntlich ganz besonders gefährdet. Wenn Sie das nicht meinen, dann können Sie auch nicht gegen die Berufstätigkeit der Frau polemisieren; denn die Frau wird da ganz besonders stark eingespannt. Um die Halbfamilien .ist es meistens oder sehr häufig, sagen wir vorsichtig, materiell viel schlechter bestellt als um die Vollfamilien. Deshalb sind sie weniger zahlungskräftig, Herr Minister, nicht zahlungskräftig genug, um geFrau Dr. Dr. h. c. Lüders
nügend Wohnraum nehmen und die erforderlichen Mieten zahlen zu können.
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Aber Sie wollen doch gerade für die Familien ganz besonders in bezug auf die Wohnungen sorgen.
Wir wissen eigentlich schon lange, daß zu kleine Wohnungen die Kinder auf die Straße treiben und, wenn sie sie nicht auf die Straße treiben, ganz bestimmt den häuslichen Frieden gefährden. Auch wir sind für Kinder, und wir sind auch für viele Kinder in der Familie. Wir waren sieben, und es ist bis auf mich, die ich angeblich entgleist bin, ganz gut gegangen.
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Aber Kinder wollen Raum. haben. Wenn Kinder in solchen Wohnungen aufwachsen, wie wir sie leider häufig besitzen, dann haben Sie, Herr Minister, allen Anlaß, Ihre Behauptung, daß Sie für familiengerechte Wohnungen sorgen wollen, mit Energie in die Tat umzusetzen.
Diese Kinder sind in zu engen Wohnungen nicht nur physisch gefährdet. Sie sind auch sittlich sehr gefährdet. Ich bin in meiner Jugend mehrere Jahre Wohnungspflegerin der Stadt Charlottenburg gewesen. Ich war die erste dieses Zeichens in ganz Deutschland. Wer einmal Wohnungspflegerin oder Fürsorgerin war, was ich auch ein paar Jahre war, der, Herr Minister, weiß, welche sittliche Gefährdung die Kinder in diesen Wohnungen, in denen womöglich noch Untermieter vorhanden sind, täglich bedroht.
In welcher Weise haben Sie sich mit Ihrem besonderen Interesse bei der Ferienverschickung Berliner Kinder betätigt? Ich habe auch davon nichts bemerkt. Aber vielleicht können Sie darüber Auskunft geben.
Anfänglich sind Sie nur als Familienminister eingesetzt worden. Späterhin ist die ganze Jugendfürsorge aus dem Ministerium des Innern - „Halb zog sie ihn, halb sank er hin" - auf Sie übergegangen. Damit haben Sie eine Verantwortung für Millionen von Jugendlichen übernommen. Ich möchte noch einmal unterstreichen, was Herr Kollege Schild gesagt hat: Geld allein tut es nicht, so wichtig es auch für die Förderung der Interessen und der geistigen und seelischen Gesundheit der Jugendlichen ist.
Die große soziale Bedeutung, die das Ministerium haben könnte - ich sage ausdrücklich: haben könnte -, leugnet natürlich niemand. Aber wir merken von dieser sozialen Bedeutung in der Praxis nicht viel. Der Bundeskanzler hat im November 1957 Ihr Ministerium, Herr Minister, „das sozialste Ministerium, das ich mir denken kann", genannt. Damals ist der Herr Bundeskanzler auf diesem Gebiet bescheidener gewesen, als er heute auf manchen anderen Gebieten ist.
Diese soziale Bedeutung verlangt auch die Frage des Schutzes der Jugend gegen die zahlreichen sittlichen Gefahren, denen sie auf Schritt und Tritt ausgesetzt ist. Auch das hat der Bundeskanzler mit Nachdruck verlangt, indem er ausdrücklich erklärte:
„Ganz besonders muß die Förderung und der Schutz der heranwachsenden Jugend gelten." Nun, Herr Minister, nach Zeitungsnotizen - ich habe es nicht nachprüfen können - sollen allein in Nordrhein-Westfalen 16 000 Jugendliche in Fürsorgeerziehung sein. Im Bundesgebiet sollen es 60 000 sein. Herr Minister, versuchen Sie nicht, mir zu sagen, dafür sei das Ministerium des Innern oder das Justizministerium zuständig. Damit kommen Sie nicht weiter. Sie haben mit die Verantwortung dafür, wie 16 000 Jugendliche in Nordrhein-Westfalen und 60 000 im Bundesgebiet auf diese Weise ihr Leben oder mindestens ihre Jugend verbringen.
Unter den Fürsorgebedürftigen, die in solche Anstalten mehr oder .weniger zwangsweise eingewiesen werden, ist der Anteil der weiblichen Jugend ganz besonders groß. Der häufigste Anlaß zu dem Abrutschen weiblicher Jugendlicher liegt, das wird immer wieder festgestellt, in ihrer sexuellen Verwahrlosung. Die Knaben begehen Eigentumsdelikte - das finden die Leute heute gar nicht mehr so schlimm - oder sind Arbeitsbummler. Bei den Mädchen aber liegt nach meinen Erfahrungen die Gefahr viel tiefer, und sie ist nicht nur eine Gefahr für die Mädchen, die in jungen Jahren abrutschen, sondern es besteht die Gefahr, daß dieses Abgerutschtsein sich für das ganze Leben dieser Mädchen auswirkt, auch auf ihre Haltung zur Familie und zu Kindern überhaupt. Wer diese Mädchen kennt -ich habe bei meiner Tätigkeit bei der Zivilverwaltung in Belgien die intensivsten Erfahrungen mit diesem Kreise vonabgerutschten weiblichen Jugendlichen zu Tausenden gemacht -, weiß, wie sehr sich der Keim einer familienfeindlichen und Kinder ablehnenden Einstellung aus dem sexuell verlotterten Vorleben eines Mädchens auf ihre ganze Zukunft auswirkt. Diese Gefahr müßte Ihnen, Herr Minister, doch längst bekannt sein.
Es wird Ihnen bekannt sein, daß der Reichstag zum Schutze der Mädchen besonders gegen sexuelle Verwahrlosung immer wieder um den Erlaß eines Bewahrungsgesetzes bemüht gewesen ist. Soviel ich weiß, haben ,auch Sie in persönlichen Besprechungen Ihr großes Interesse an dem Erlaß eines solchen Gesetzes bekundet. Sagen Sie bitte: warum legen Sie es nicht vor? Warum verhandeln Sie nicht mit uns direkt über dieses Problem? Es gibt Vorbilder genug für ein solches Bewahrungsgesetz. Wo bleibt der Entwurf?
Das Familienministerium hat meines Erachtens als erstes Ministerium die Pflicht, der sittlichen Verwahrlosung und auch schon der Gefährdung vorzubeugen. Davon merken wir aber bei Ihrem Ministerium nichts. Im Gegenteil; Sie scheinen die Augen zu verschließen vor den systematisch geförderten Methoden offenkundiger Gefährdung der Jugend durch skrupellose Ausbeutung ihrer Unerfahrenheit und die materiellen Versuchungen, von denen sie umgeben ist, und zwar umgeben ist durch die Erwachsenen, durch ihre Umwelt, durch die geringe Geborgenheit, die sie in der Familie haben. Mit dem etwas rührend sentimentalen Wort „Nestwärme" ist sehr wenig getan. Nester fliegen manchmal von den Bäumen herunter.
Herr Minister, neunzig Prozent der jugendlichen Verbrecher sollen aus zerstörten Familien stammen. Das ist etwas, was jeden Menschen, der überhaupt ein Interesse an der Erhaltung von Familie und Staat hat, auf das tiefste erschrecken und zu wachsamer Abwehr aufrufen muß. Aber auch davon merke ich nichts. Sie sprechen viel über das Unglück in und aus zerstörten Familien. Aber was tun Sie dagegen? Reden allein, Herr Minister, sind wunderschön, jeder von uns kann sie mehr oder weniger gut halten - auch Sie -, jeder von uns hält sie mehr oder weniger oft - Sie sehr oft, das ist Ihr gutes Recht -; aber diese Reden nützen natürlich gar nichts. Denn die Mütter und Väter aus den zerstörten Familien pflegen ja nicht Arm in Arm in Ihre Versammlungen zu kommen. Auch mit steuerlichen Erleichterungen für kinderreiche Familien allein ist es nicht getan.
Um zu wissen, wozu der notwendige Schutz der gefährdeten Jugend verpflichtet, muß man tiefer in die Gefahrenzone einsteigen, in der sich die gesamte Jugend, auch die Jugend der sogenannten besseren Kreise, befindet. Es ist erschreckend, wie sehr die völlige moralische Apathie gegenüber der persönlich-menschlichen Verwahrlosung in den sogenannten besseren Kreisen zugenommen hat. Ich erwähnte schon vorhin meine Tätigkeit als Wohnungspflegerin. Verehrte Anwesende! Das, was wir heute in Hunderten und Tausenden von Fällen an den Jugendlichen der sogenannten besseren und gebildeten Kreise erleben, ist mir früher in der Arbeiterschaft im Nordosten und im Süden Berlins nicht vorgekommen. Da wußten der Vater und die Mutter ohne einen Familienminister sehr genau, wie man damit fertig wird.
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Vor allen Dingen hatten die Erwachsenen, hatten die Eltern selber eine ganz andere Einstellung zu dem, was sittlich erlaubt ist.
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- Nein? Was ist denn seine Sache ? - Das wissen Sie nicht. Sie sind doch seine nächsten Freunde; da müßten Sie es doch wissen! Wenn der Schutz der Jugendlichen auch vor den Gefahren, die ihnen durch die Erwachsenen und selbst durch die eigenen Eltern drohen, nicht Sache des Familienministers ist, der soviel davon redet, dann soll er spätestens morgen nach Hause gehen!
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Dann hat er weder Anspruch auf die Gelder aus dem Steuersäckel, noch hat er einen Anspruch darauf, behaupten zu können, daß er diese Aufgaben durchführen will. Aber dann soll er sich darüber mit dem Herrn Bundeskanzler auseinandersetzen, der ihm ehedem expressis verbis diese Aufgaben bestätigt und ihn dafür verpflichtet hat. Doch das ist nicht meine Angelegenheit.
Ich glaube also, wir können die Verantwortung als Eltern, als Erwachsene für die Jugendlichen nicht gut von uns abschieben und immer nur behaupten: das sind die anderen, das sind die schlecht Erzogenen. Wir sind - nehmen Sie es mir nicht übel - mindestens so schlecht erzogen.
Etwas, was nicht Ihr Ressort, Herr Minister, speziell betrifft und für die Erziehung der Kinder von großer Bedeutung ist, wenn man ihnen die berühmte „Nestwärme" geben will, ist die Frage der beruflichen Tätigkeit der Frau. Sie wissen, daß wir keine Freunde der Berufstätigkeit verheirateter oder unverheirateter Frauen mit Kindern sind. Sie wissen genausogut wie wir, daß wir sie nicht einfach mir nichts dir nichts abschaffen können. Aber haben Sie sich einmal in diesem Zusammenhang mit der Frage der Halbtagsschicht für Frauen befaßt? Da könnten Sie unendlich viel Segen stiften. Vielleicht geben Sie dem Ministerium Ihres Kollegen von der Arbeit einmal einen merkbaren Schubs, damit er sich in dieser Frage intensiv bemüht.
Zum Schluß, Herr Minister, eine sehr ernste Frage, die ich früher schon bei der Beratung des Ministeriums des Innern angeschnitten habe. Ich bin dabei zwar auf sehr weitgehende Zustimmung des Hauses gestoßen; aber leider hat kein Ministerium irgend etwas in der Angelegenheit getan. Was tun Sie, um der ständigen Zunahme von Unternehmungen zu steuern, aus denen nicht zuletzt für die heranwachsende Jugend, und zwar auch die männliche, schwerste sittliche Gefahren entstehen! Sie behaupten, mit anderen Ministern eng zusammenzuarbeiten. Ich glaube das gern, möchte aber hören, wie Sie das beim Justizministerium getan haben, um die Wiedereinführung des von den Nazis gestrichenen § 17 in das Gesetz zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten zu erreichen. Darum sollten Sie sich einmal kümmern. Ich will ja nicht, daß Sie zu tief in die Praxis einsteigen, aber mir scheint doch, daß Sie zu wenig orientiert sind und daß auch Ihre Frau Staatssekretärin - die ich sehr schätze - von den Dingen eine verhältnismäßig unklare Vorstellung hat.
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- Ich glaube das, weil sie neulich meine Frage so unter vier Augen, was sie von den Apartment-Häusern denke, ein wenig mißverstanden oder überhaupt nicht verstanden hat. Sie meinte nämlich, daß sich diese Frage auf die Wohnungen für Junggesellen beziehe und daß das doch Angelegenheit des Herrn Wohnungsbauministers sei. Ich wollte sie nun nicht aus ihren Illusionen reißen. Man soll so junge Menschen nicht in ein Gebiet einführen, das ihnen bisher vollkommen ferngelegen hat.
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Aber mir scheint doch, Frau Staatssekretärin, es ist dringend notwendig, daß auch Sie sich einmal über dieses Gebiet sehr intensiv orientieren. Ich bin gern bereit, Ihnen das Material von über 30 Jahren parlamentarischer und politischer Tätigkeit zur Verfügung zu stellen. Dann werden Ihnen die Augen übergehen, und Sie werden wissen, daß das heute benutzte Wort ,,Apartment-Häuser" nichts anderes ist als eine ganz infame Unwahrhaftigkeit in der Bezeichnung. Man soll sich doch nicht einbilden, daß wir nicht wüßten, was damit gemeint ist. Besonders müßte das eigentlich auch jemand aus dem Familienministerium wissen.
Was haben Sie in der Zusammenarbeit gegen die ständige Zunahme des gesetzwidrigen Betriebes von sogenannten Apartment-Häusern getan? Was haben Sie .getan, um der Ausbeutung in diesen Häusern zu steuern? Sie wissen, wie beide christlichen Kirchen mit aller Energie dagegen Stellung nehmen. Angeblich arbeiten Sie schon lange mit den christlichen Kirchen zusammen. Haben Sie einmal die Voten gelegentlich des Karlsruher Versuchs durchgelesen, dort ein Apartment-Haus zu bauen? Sprechen Sie einmal mit meiner Parteifreundin, der Stadträtin Schöpf in Karlsruhe, der es als einziger gelungen ist, so energisch gegen diesen Bau vorzugehen, daß ihn schließlich sämtliche Stadtvertreter, die voerst dafür waren, abgelehnt haben. Dann ist er unterblieben. Es gibt nämlich andere Mittel, dagegen vorzugehen. Sie sind nicht polizeilicher Natur, sie sind aber auch nicht eine verschleierte Kasernierung in der Weise, wie das in den Apartment-Häusern der Fall ist. Also beide christlichen Kirchen stehen auf unserem Standpunkt. Ich hoffe, Sie wissen das.
Sie wissen hoffentlich auch von den schweren Klagen der Eltern und der Lehrerschaft in dieser Frage und von den jungen Mädchen, die in das Ausland gelockt werden. Arbeiten Sie mit dem betreffenden Ministerium zusammen? Arbeiten Sie mit dem „Deutschen Nationalkomitee zur Bekämpfung des Mädchenhandels" zusammen? Ich weiß nicht, ob Sie es überhaupt kennen, aber ich will Ihnen gern dabei behilflich sein. Man kann sich nicht mit juristischen Kniffen um die Tatsache des Mädchenhandels herumdrücken. Er besteht; daran ist kein Zweifel, und wer das nicht glaubt, der kennt einfach die Tatbestände nicht oder scheint die Augen vor den Berichten verschließen zu wollen. Also das Nationalkomitee empfehle ich Ihnen sehr dringend.
Wie steht es in der Zusammenarbeit mit dem Verteidigungsministerium gegen die sittliche Gefährdung der Jugend? Die Zusammenballung deutscher und ausländischer Truppen gefährdet die Jugend sehr stark, und diese Gefährdung nimmt bekanntlich immer mehr zu. Was tun Sie im Interesse der 68 000 minderjährigen unehelichen Besatzungskinder? Sie werden mir sagen: Sache des Justizoder des Verteidigungsministeriums oder des Innenministeriums! Nein, Herr Minister, Sie haben sich auf ein sehr gefährliches Ministerium eingelassen, besonders mit der Behauptung, daß Sie mit allen zusammenarbeiten. Wollen Sie mir einmal sagen, was Sie zum Schutze dieser Besatzungskinder tun? Auch bei ihnen kann man sich nicht mit der Bezahlung von Alimenten, die ja in Zehntausenden von Fällen gar nicht beitreibbar sind, beruhigen. Wir zahlen sie dann aus unseren Taschen!
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- Sie haben ganz recht.
Sagen Sie bitte, was tun Sie für die Durchführung der internationalen Konvention von 1949, der auch Deutschland beigetreten ist? Was tun Sie gegen die auch in anderen Ländern, z. B. in Dänemark, mit Schrecken beobachtete Zunahme der männlichen
Prostitution? Mein Interesse gilt so gut den Männern wie den Frauen
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und nicht etwa nur den Mädchen, sondern auch den Jungen.
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- Zum Lachen ist das gar nicht, absolut nicht! Schon damals, als ich zum Etat des Bundesministeriums des Innern sprach, hat einer Ihrer Kollegen geglaubt, das sei eine lachhafte Angelegenheit. Da irrt er sich! Aber der Herr Minister könnte vielleicht einmal etwas tun - das ist eine Erziehungsaufgabe -, um einige Ihrer Kollegen darüber aufzuklären, wo hier das Lachhafte aufhört.
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Für mich fängt das Lachhafte gar nicht erst an. Sie sollten nicht, nur weil Sie Männer sind, glauben, diese Dinge leichtnehmen zu können. Wir werden uns dagegen wehren, und ich werde mich bis zum letzten Atemzug dagegen wehren, daß diese Zustände so bleiben, wie sie sind, daß nämlich gegen das Gesetz gehandelt wird und alle zu feige sind, es deutlich zu sagen. Ich fürchte mich gar nicht,
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weder vor einem Parlament noch vor einer Regierung, noch vor einem Spezialministerium. Ich habe mich nie gefürchtet! Wenn wir Frauen uns gefürchtet hätten, meine Damen und Herren, wäre das Gesetz zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten niemals durchgekommen; denn dann hätten alle die mit Erfolg dagegen gestimmt, die zu feige waren.
Es ist nun einmal so - nehmen Sie es mir nicht übel, meine männlichen Kollegen -: der größere moralische Mut liegt, wenn es bedenklich wird, bei den Frauen. Sie sind auch weniger interessiert daran, durch Konzessionen aller Art Mandate für sich zu erwerben oder zu erhalten.
Lesen Sie also, Herr Minister, alle diese Berichte! Vielleicht beschäftigen Sie sich dann auch einmal mit der erschreckenden Zunahme des Alkoholgenusses unter der Jugend. Wir können Ihnen auch da sehr gute Adressen geben. Setzen Sie sich mit Bremen und Hamburg in Verbindung! Da werden Sie einiges hören. Es kann doch nicht so gehen, daß man einfach Vogel Strauß spielt - ich will nichts gegen den Verteidigungsminister sagen; der ist ja keiner; der guckt nach oben und nicht nach unten -;
({17})
vielmehr muß man den Mut haben, die Dinge anzupacken, auch wenn es einem unangenehm ist, auch wenn man vielleicht auf Schwierigkeiten in der Fraktion stößt. Ob das letztere bei Ihnen der Fall ist, weiß ich nicht.
Was auf dem Gebiete der Gefährdung der weiblichen und der männlichen Jugend durch die von mir angedeuteten gesetzwidrigen Einrichtungen vorgeht, könnten Sie, glaube ich, ganz gut aus dem Prozeß erfahren, der seinerzeit in Hannover geführt worden ist, ferner aus den Zuständen in Frankfurt,
in Düsseldorf und in Essen, ja auch in den kleinen Gemeinden der Pfalz. Die Vorgänge in Karlsruhe beweisen, daß man, wenn man den nötigen Schneid und Mut hat, diese Gefahren abbiegen kann, ehe das ganze Malheur geschehen ist.
Herr Minister, ich habe unbegrenztes Vertrauen zu Ihnen, nämlich das Vertrauen, daß Sie Ihr Ministerium erhalten und in Ihrer Hand behalten wollen. Dieses Vertrauen rechtfertigen Sie aber für mich erst dann, wenn Sie mir genaue Auskunft auf meine Fragen geben.
({18})
Das Wort hat die Frau Abgeordnete Welter ({0}).
Herr Präsident Meine Herren und Damen! Ein Teil der Vorwürfe, die meine verehrte Kollegin Frau Dr. Lüders gegen den Familienminister gerichtet hat, ist an die falsche Adresse gerichtet.
({0})
Was sie z. B. über den Mädchenhandel ausgeführt hat, ist schon vor mehreren Jahren mit dem Ministerium des Innern sehr intensiv besprochen worden, und der Herr Bundesinnenminister hat auf das entschiedenste versichert, daß es keinen Mädchenhandel in der Bundesrepublik gibt. Liebe Frau Lüders, wir haben uns an die zuständige Stelle gewandt, nämlich an Herrn Dr. Schröder, und er hat uns persönlich und schriftlich diese Auskunft gegeben. Wir wollen also den Familienminister jetzt nicht damit belasten.
({1})
Die Zustände hinsichtlich der Mädchenfürsorge sind sehr bedauerlich. Aber es ist mir gesagt worden - ich weiß das auch aus eigener Erfahrung -, daß der Prozentsatz der gefährdeten Jugendlichen konstant ist. Wir können also nicht sagen, daß diese Verhältnisse jetzt, unter der Ägide des Familienministeriums, schlechter geworden sind. Außerdem ist es Sache der Länder,
({2}) sich im einzelnen um diese Dinge zu kümmern.
Es ist gesagt worden, daß die Erfolge des Familienministers in der Praxis nicht deutlich geworden seien. Ich möchte mich davor hüten, hier einen Katalog der Erfolge aufzuzählen, die von allen, die etwas von der Sache verstehen, mit großer Dankbarkeit festgestellt und die auch von den Familien selbst anerkannt worden sind.
Es ist gesagt worden: Geld allein tut es nicht! Meine lieben Kollegen, wenn kinderreiche Familien nicht genügend Geld haben, eine bessere Wohnung zu bezahlen, dann nützt ihnen die Proklamation: „Bessere Wohnungen für kinderreiche Familien" gar nichts. Hier ist vielmehr auch eine finanzielle Hilfe notwendig. Meine Kolleginnen und Kollegen, es ist verlangt worden, daß das Kindergeld gerechter aufgebracht wird. Wenn das praktisch verwirklicht worden wäre, würde bis heute noch keine Mark Kindergeld gezahlt worden sein; denn auch von den Kritikern der jetzigen Form der Aufbringung ist noch kein besserer Vorschlag gemacht worden.
({3})
Es ist sehr einfach, zu sagen, dies solle aus Bundesmitteln geschehen. Sie wissen sehr genau, daß der Bund eine solche Reform ohne Steuererhöhung gar nicht durchführen kann. Wenn ein Land wie die Schweiz gerade vor wenigen Wochen beschlossen hat, genau nach unserer Selbstverwaltungsidee Familienausgleichskassen einzurichten, so ist sie bestimmt ein unverdächtiger Zeuge dafür, daß unser System nicht so schlecht ist, wie Sie es hinstellen wollen. Wir sind mit dem Familienminister der Meinung, daß ein besseres System eingeführt werden könnte; jedoch so einfach, wie Sie glauben, ist die Sache nicht. Das System soll gerecht sein; das ist unsere Meinung und die des Ministers.
Meine Damen und Herren, den Vorwurf, daß die Familienpolitik mit dem Grundgesetz nicht übereinstimme, muß ich auf das entschiedenste zurückweisen. Es gibt keine hingebungsvollere Persönlichkeit, die imstande wäre, die Familien im Sinne des Grundgesetzes zu schützen und zu fördern, als den Familienminister.
({4})
Ich möchte nun kurz auf Einzelheiten eingehen. Frau Lüders hat den Vorwurf erhoben, im Familienministerium würden zu wenig gesellschaftspolitische Studien getrieben. Das Familienministerium ist keine moralische Erziehungsanstalt, meine Damen und Herren!
({5})
Es ist Sache der Eltern, für ihre Kinder und auch für deren ethische Erziehung zu sorgen. Und wenn soeben so sehr viel von den zerstörten Familien die Rede war, so möchte ich dazu sagen: alle Sozialpolitiker sind sich darin einig, daß die deutsche Familie stabil geblieben ist und daß das Wort von den „zerstörten Familien" ein ganz falsches Bild gibt. Es hat immer zerstörte Familien gegeben, und wir werden leider Gottes auch nicht verhindern können, daß es sie weiterhin geben wird. Aber die deutsche Familie ist gesund, und die deutsche Jugend ist gesund.
Das Familienministerium und vor allen Dingen die Staatssekretärin haben sehr eingehende Studien über die Halbfamilie und über die berufstätige Frau angestellt und ihre Ergebnisse vorgelegt. Das Familienministerium ist keineswegs der Meinung, daß die Mutter unter keinen Umständen berufstätig sein sollte. Aber es ist bemüht, die Teilzeitarbeit zu erreichen. Wenn das bisher nicht geschehen ist, so deshalb, weil die Industrie dem Gedanken nicht freundlich gegenübersteht. Daraus, daß wir die Teilzeitarbeit noch nicht erreicht haben, kann man aber auch nicht einen Vorwurf gegen das Familienministerium herleiten.
Sachliche Kritik ist gut, aber dem Familienministerium Dinge vorzuwerfen, die außerhalb seines
Bereichs liegen, ihm Funktionen zuzuschieben, die keineswegs seine Funktionen sein können, dies möchte ich entschieden zurückweisen. Im Familienministerium wird eine Arbeit in voller Übereinstimmung mit dem Grundgesetz getan.
({6})
Das Wort hat Frau Abgeordnete Lüders.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr verehrte Kollegin Welter, ich bewundere Ihr Talent, etwas herauszuhören, was keiner gesagt hat, und Ihr noch größeres Talent, daran mitzuwirken, daß weiter geschehen kann, was bisher geschehen ist, daß nämlich die ernstesten und schwierigsten Fragen auf dem Rangierbahnhof von Ministerium zu Ministerium, von Instanz zu Instanz, von Zuständigkeit zu Zuständigkeit geschoben werden.
Liebe Kollegin, damit kommen wir nicht vorwärts. Das habe ich schon im Reichstag erlebt, das habe ich an anderen Stellen und am meisten hier in Bonn erlebt.
({0})
- Setzen Sie sich doch für meine Forderung ein! Sie wissen doch, wie es in Karlsruhe zugegangen ist. Ich bin entsetzt, daß ausgerechnet Sie, die Sie eine so ausgesprochene Vertreterin unserer religiösen Auffassung sind, in dieser Frage weit hinter unseren katholischen Kolleginnen zurückstehen.
({1})
Meine Damen und Herren, in der allgemeinen Aussprache liegen mir Wortmeldungen nicht mehr vor. Nunmehr sind die Einzelanträge zu begründen. Zur Begründung des Antrags Umdruck 262 hat sich bei mir Frau Krappe angemeldet. Ich gebe ihr das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Aktionsausschuß des Kuratoriums hatte den Bundesjugendplan für das Haushaltsjahr 1959/1960 auf 55 Millionen DM errechnet. Aus dem Haushaltsplan ersehen Sie, daß nur 40 Millionen DM eingesetzt sind. Das wurde ausdrücklich damit begründet, daß es nicht möglich sein werde, in diesem Jahr mehr auszugeben. Das hatte die sozialdemokratische Fraktion schon im Haushaltsausschuß dazu veranlaßt, den Antrag zu stellen, dann die Mittel für den Bau von Studentenwohnheimen zu erhöhen. Ich möchte hiermit kurz begründen, was in unserem Antrag Umdruck 262 noch einmal gefordert wird.
Es ist bekannt, daß die Wohnungsnot der Studenten sehr groß ist. Das ist einmal damit zu begründen, daß es heute viel mehr Studierende als früher gibt, aber auch mit den allgemeinen Wohnungsverhältnissen. Es gibt heute viel weniger Familien, die in der Lage oder bereit sind, ein Zimmer zu vermieten, weil auch der neue Wohnungsbau dazu kaum eine Möglichkeit läßt.
Das Kuratorium des Deutschen Studentenwerks hat sich deshalb Sorgen gemacht und Vorschläge unterbreitet, wie diesem Notstand begegnet werden soll. Es hat errechnet, daß es zur Zeit 240 Heime mit zirka 16 000 Plätzen gibt. Dem stehen 170 000 Studierende gegenüber. In dieser Zahl sind rund 16 000 ausländische Studenten enthalten. Danach haben lediglich 9 % der Studierenden zur Zeit die Möglichkeit, in einem Studentenwohnheim Unterkunft zu finden. Die Erhebungen an allen Hochschulen haben ergeben, daß mindestens 30 % - das würden 51 000 Plätze sein --- interessiert wären, in einem solchen Heim Unterkunft zu finden. Danach fehlen also 35 000 Plätze in Wohnheimen.
Die Deckung würde folgendes erfordern. Ein Bettplatz ist mit 9000 DM errechnet. Wenn 35 000 Plätze fehlen, würde das 300 Millionen DM ausmachen. Main schlägt vor, in fünf Jahren Abhilfe zu schaffen. Dann müßten jedes Jahr 60 Millionen zur Verfügung gestellt werden. Die Träger der Wohnheime können die Mittel nicht allein aufbringen. Sie haben vorgeschlagen, die Mittel zu dritteln. Ein Drittel, also 20 Millionen DM pro Jahr, wollen die Träger selbst aufbringen. Ein Drittel sollen die Länder aufbringen und das letzte Drittel der Bund. Nach diesen Vorschlägen würde sich für den einzelnen Studenten eine Miete von 60 DM errechnen. Das Studentenwerk war der Auffassung, das sei der höchste Betrag, der zumutbar sei. Es befürwortet, daß nach diesem Plan vorgegangen wird.
Hinzu kommt, daß neben den sozialen auch gewichtige pädagogische Gründe für Studentenwohnheime sprechen. Die Studenten der unterschiedlichsten Staaten und Nationen kommen hier zu einem zwanglosen Gespräch zusammen. Außerdem ergibt sich hier ein besseres und zwangloses Verhältnis zu den Professoren. Die Studenten haben auch die Möglichkeit, sich zu einem zeitgemäßen studentischen Gemeinschaftsleben zu entwickeln.
Es ist weiter bekannt, daß man mit einer Verringerung der Zahl der Studierenden nicht rechnen kann. Dies dürfte auch gar nicht zugelassen werden. Im Gegenteil, es muß damit gerechnet werden, daß sich die Zahl der Studierienden laufend erhöht.
Die sozialdemokratische Fraktion hat deswegen den Wunsch und die Bitte, die Mittel, die in Einzelplan 25 mit 3,5 Millionen DM und in Einzelplan 29, nämlich im Bundesjugendplan, mit 4,5 Millionen DM eingesetzt sind, die zusammen also 8 Millionen DM für Studentenwohnheime ausmachen, um 12 Millionen DM zu erhöhen, und zwar bei den Mitteln des Bundesjugendplans.
In unserem Antrag Umdruck 262 sind die Zahlen genannt. Danach sollen 20 Millionen DM - das Drittel, das vorn Studentenwerk gewünscht wird - vom Bund zur Verfügung gestellt werden. Wir bitten Sie recht herzlich, unserem Antrag Umdruck 262 Ihre Zustimmung zu geben.
({0})
Dart ich fragen, wer den Antrag Umdruck 323 begründet. - Herr Stoltenberg, bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, sowohl zu dem Antrag 262 wie zu unserem Antrag 323 Stellung zu nehmen. Ich möchte eine allgemeine Vorbemerkung zum Bundesjugendplan, um den es in beiden Anträgen geht, voranschicken.
Herr Kollege Dürr hat in der allgemeinen Aussprache gesagt, es sei eine mangelnde Aufmerksamkeit des Ministers oder des Ministeriums für die Belange der Jugend zu beklagen. Ich glaube, der uns vorliegende Haushaltsentwurf beweist, daß dies nicht zutrifft. Wir haben im Entwurf eine Ausweitung des Bundesjugendplans von 50 auf 55 Millionen DM, müssen uns jetzt allerdings über die praktische Abwicklung und die Deckung unterhalten. Man kann ein Ministerium und auch einen Minister persönlich, der bei den Jugendverbänden für seine Arbeit ausdrücklich Anerkennung gefunden hat, nicht in dieser Form charakterisieren.
Mir ist bekannt, daß es bei der Umorganisation 1957 in den Reihen mancher Jugendverbände gewisse Bedenken gab, ob die Neuordnung mit der Zuständigkeit des neuen Ministeriums und des neuen Ministers sich positiv auswirken werde. Ich sage das mit allem Freimut. Aber mir ist aus einer sehr engen Verbindung mit den verschiedensten Verantwortlichen in der Jugendarbeit auch bekannt, daß heute im Bereich der Jugendarbeit anerkannt wird, in welcher Weise in dem Ministerium die Dinge des Bundesjugendplans gehandhabt werden,
({0})
nicht nur von denen anerkannt, die politisch zu uns stehen oder sich uns politisch verbunden fühlen, sondern auch von denen, die den oppositionellen Parteien dieses Hauses näherstehen. Die Art, wie der Bundesjugendplan gehandhabt wird, wie mit einer ungewöhnlich intensiven Beteiligung der Verbände die Vorgänge vorbereitet und vorentschieden werden, ist ein Musterbeispiel dafür, wie in einer freiheitlichen und toleranten Weise staatspolitische Bildungsarbeit geleistet werden kann.
Es ging bei den Debatten im Haushaltsausschuß zunächst um die Frage, in welcher Form die Ausweitung des Bundesjugendplans auf 55 Millionen DM finanziell, kassenmäßig erfolgen soll. Wir waren uns im Haushaltsausschuß interfraktionell darüber einig, daß der Haushaltsansatz von 40 Millionen DM mit einer Bindungsermächtigung von 15 Millionen DM wahrscheinlich etwas zu knapp bemessen sei, daß es unter Umständen zu gewissen Schwierigkeiten in der kassenmäßigen Abwicklung kommen könne. Für 19 Millionen DM neue Bauvorhaben stehen in der Planung des Regierungsentwurfs nur 5 Millionen DM Deckung aus neuen Ansätzen zur Verfügung. Das ist der Grund, warum meine Fraktion sich nach längeren Überlegungen entschlossen hat, den Antrag Umdruck 323 einzubringen, der den Kassenplafond um 5 Millionen auf 45 Millionen DM erhöht und dafür die Bindungsermächtigung um 5 Millionen auf 10 Millionen DM einschränkt. In diesem Punkte wissen wir uns mit den Kollegen von der Sozialdemokratie einig. Wir bedauern aber, ihrem Antrag nicht zustimmen zu können.
Wie ist die Situation im Studentenwohnheimbau? Wir haben im vergangenen Jahr, 1958, einen Ansatz von 3 Millionen DM gehabt. Durch die Verwendung von Resten sind tatsächlich 3 1/2 Millionen DM für den Studentenwohnheimbau zur Verfügung gestellt worden. Damals lag ein Antrag der SPD vor, der, wenn ich mich nicht irre, einen Betrag von 6 Millionen DM gefordert hat. Wir haben in diesem Jahr 8 Millionen DM für den Studentenwohnheimbau im Rahmen des Bundeshaushalts zur Verfügung. Das ist fast eine Verdreifachung des Betrages vom vorigen Jahr. Wir begrüßen das sehr, weil die grundsätzliche Beurteilung hier zwischen uns gleich ist. Wir messen dem Studentenwohnheimbau für die soziale Situation der Studentenschaft, aber auch für ein modernes Leben an den Universitäten, für neue Formen des studentischen Gemeinschaftslebens allergrößte Bedeutung zu. Wenn aber der Bund in diesem Jahr 8 Millionen DM aus dem Haushalt des Bundesministers für Familien- und Jugendfragen und aus dem Wohnungsbauetat zur Verfügung stellt, dann ist nach unseren Informationen jenes Ausmaß erreicht, das auch tatsächlich verkraftet werden kann. Die Planungen gehen - das hat Frau Kollegin Krappe schon gesagt - doch davon aus, daß der Bund ein Drittel der aufzubringenden Summe trägt, daß ein Drittel die Träger selber und ein Drittel die Länder leisten sollen. Wie wir die Etats der Länder und die Planungen der Träger kennen, kommen wir über ein Gesamtvolumen von 24 Millionen DM nicht hinaus, was fast eine Verdreifachung der bisherigen Leistung darstellt. Wir sind gern bereit, in der Vorbereitung des Etats 1960 zu prüfen, ob wir nicht noch auf eine geringfügige Steigerung kommen können, etwa auf 10 Millionen hin. Das hängt aber nicht allein von uns, sondern entscheidend davon ab, in welchem Maße die Träger selbst und auch die Länder ihre finanziellen Aufwendungen noch verstärken können.
Ich darf deshalb das Hohe Haus bitten, unseren Antrag Umdruck 323 anzunehmen und den Antrag Umdruck 262 abzulehnen.
({1})
Darf ich fragen, ob der interfraktionelle Antrag auf Umdruck 310 noch begründet werden soll? - Das ist nicht der Fall.
Dann gebe ich das Wort zur Begründung des Antrags auf Umdruck 266 der Frau Abgeordneten Schanzenbach.
({0})
- Ach, Frau Welter! Ich bitte um Entschuldigung.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Nach einer Statistik des Jahres 1957 konnte in der Bundesrepublik von fünf Familien mit zwei und mehr Kindern sich nur eine einen gemeinsamen Ferienaufenthalt leisten. Es ist allen klar, daß dies ein sehr bedauerlicher Tatbestand ist. Erfreulicherweise haben sich seit einer Reihe von Jahren TrägerFrau Welter
gruppen gefunden, um diesem Mißstand abzuhelfen, auf konfessioneller Ebene, auf paritätischer Ebene. Es ist heute so, daß es in allen schönen Gegenden Deutschlands, an der Nordsee, im Westerwald, in der Eifel, im Teutoburger Wald, im Harz, im Schwarzwald, an Rhein und Mosel, in Oberbayern, Familienferienmöglichkeiten gibt, und zwar teils in Heimen, teils in sogenannten Ferienhäuschen, etwa nach dem Muster der Chalets in der Schweiz.
Im Rahmen dieser verschiedenen Möglichkeiten können die Familien zu einem erstaunlich billigen Preis zusammen ihre Erholungszeit verleben. In diesen kleinen Häuschen, die vorzüglich eingerichtet sind, wo alles bis zum Kaffeesiebchen vorhanden ist, können die Familien - Vater, Mutter und vier Kinder - zu einem Tagespreis, der zwischen 6 und 10 DM schwankt, unterkommen. Sie können auch in den großen Heimen, die die konfessionellen Verbände im Gebirge und an der See errichtet haben, mit voller Verpflegung ebenfalls zu erstaunlich billigen Preisen unterkommen. In diesen Heimen ist auch die Möglichkeit gegeben, daß die Kinder von Kinderpflegerinnen und Kindergärtnerinnen betreut werden, so daß die Eltern unter einem Dach mit ihren Kindern sind, aber doch in den wirklichen Genuß recht erholsamer Wochen kommen können. Auch bei den Familienferiendörfern besteht meist die Möglichkeit, daß die Kinder stundenweise für sich beschäftigt werden.
Diese Trägergruppen brauchen natürlich Geld. Sie haben uns förderungswürdige Objekte für insgesamt 12 Millionen DM vorgelegt. Davon bringen sie selbst zwei Drittel auf - ein ungewöhnlich hoher Prozentsatz -, nämlich 8 Millionen, und 4 Millionen fehlen ihnen. Wir bitten Sie nun, den Ansatz des Haushalts um 500 000 DM von 1,5 Millionen auf 2 Millionen DM zu erhöhen. Damit geben wir etwa 15 bis 16 % zu dem Gesamthedarf.
Ich glaube, Sie alle stimmen mit mir darin überein, daß es sich hier um eine gute Sache handelt. Einmal werden einer größeren Zahl von kinderreichen Familien gemeinsame Ferien ermöglicht, und zweitens werden sie, wie Sie wissen, der Schwierigkeit enthoben, in einem einfachen Gasthaus unterzukommen, wo kaum die Möglichkeit besteht, weil kein Gastwirt gerne Familien mit drei und mehr Kindern aufnimmt.
Es gibt aber noch einen entscheidenden Grund für die ganze Familienferienerholung, auf den mit allem Nachdruck hingewiesen werden muß, nämlich die Stärkung des inneren Zusammenhangs der Familie. Stellen Sie sich vor, daß Vater und Mutter, Töchter und Söhne 14 Tage, drei Wochen, vier Wochen gemeinsam leben können. Wo können sie das in unserer heutigen Gesellschaft überhaupt noch erreichen, in unseren engen Wohnungen, bei dem zersplitterten Rhythmus der Arbeitszeit, der Schulzeit? Der Vater hat kaum noch Gelegenheit, seine Kinder wirklich zu erleben, wirklich seine Funktion als Vater echt auszuüben; denn er ist meistens abgespannt, wenn er abends nach Hause kommt. Er erlebt seine Kinder gar nicht, und hier kann er sie erleben.
Hier, meine lieben Freunde, hat er auch Zeit, mit seiner Frau ins Gespräch zu kommen. Wir hören von unseren Eheberatern und Psychologen, es sei einer der großen Nachteile unseres heutigen industriellen Lebens, daß Mann und Frau kaum noch Möglichkeit und Zeit haben, echte Gespräche zu führen. Das gilt auch für die Gespräche mit den heranwachsenden Kindern.
Hier liegen also so wichtige innere Gründe vor, die ja, wie uns soeben von mehreren Seiten gesagt worden ist, entscheidend für unsere Arbeit sind, daß ich bitte, unserem Antrag stattzugeben, nämlich diesen Titel Familienferienerholung von 1,5 Millionen auf 2 Millionen DM zu erhöhen.
Meine Damen und Herren, ich bitte die Kollegin Welter und die CDU-Fraktion um Entschuldigung, daß ich unterstellt hatte, der Antrag sollte möglicherweise von der Opposition begründet werden.
({0})
Ich darf also der Frau Abgeordneten Schanzenbach zur Diskussion über diesen Antrag das Wort geben.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind leider noch lange nicht so weit, daß ein Mitglied der Opposition den Antrag der CDU-Fraktion begründet. Es ist noch ein weiter, weiter Weg zu gehen, bis wir einander vielleicht näher gekommen sind. Die Diskussion zu dem Etat des Bundesministeriums für Familien- und Jugendfragen hat doch mit aller Deutlichkeit gezeigt, daß bei der Familienpolitik der Regierung vieles nicht in Ordnung ist und daß vieles zur Kritik Anlaß gibt. Was wir Sozialdemokraten für Vorstellungen über die Familienpolitik haben und was wir zu kritisieren haben, werden wir bei der Aussprache in der dritten Lesung sagen. Heute wollen wir nur, wie das in der zweiten Lesung üblich ist, zu den Anträgen sprechen, die hier eingereicht worden sind.
Wir sind sehr dafür, daß alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, die den Familien zur Erholung dienen. So stehen wir auch dem Antrag durchaus positiv gegenüber, der uns auf Umdruck 266 vorliegt. Aber wir bedauern es sehr, daß es die CDU-Fraktion nicht für notwendig gefunden hat, mit uns diesen Antrag vorher abzusprechen. Sie wäre bei uns durchaus auf Sympathie gestoßen. Das ist ein Beweis dafür, wie weit der Weg noch ist, der uns zu einer Gemeinsamkeit in diesem Hause in solchen selbstverständlichen Fragen führt.
Das Vorhaben, Familienferien durchzuführen, wird von uns sehr positiv beurteilt. Wir bedauern nur, daß wir noch nicht so weit sind wie andere europäische Länder, die auf dem Gebiet der Durchführung von Familienferien schon sehr viel weiter vorangekommen sind und bei denen entschieden mehr getan wird als bei uns.
Wir in der Bundesrepublik können im Rahmen des Fremdenverkehrs kaum Möglichkeiten finden, unseren Familien Ferientage zu vermitteln. Einmal fehlt es im Fremdenverkehrsgewerbe an den Möglichkeiten, einer Familie als Gesamtheit Unterkunft zu
gewähren; zum anderen wäre eine solche Unterbringung viel zu teuer. Eine Normalfamilie könnte sich das bei uns überhaupt nicht leisten.
Von den Verbänden der verschiedensten Art sind in den letzten Jahren Einrichtungen geschaffen worden, um den Familien die Möglichkeit zu geben, ihre Ferien, ihren Urlaub gemeinsam zu verbringen. Neben diesen Familienferien sollten wir natürlich alle anderen Möglichkeiten, Familienangehörige unterzubringen, fördern. In einem noch weit größeren Maße als bisher sollten wir z. B. auch dem Müttergenesungswerk unsere Aufmerksamkeit schenken.
({0})
Wir haben noch sehr viel zu tun, bis wir den ungefähr 8 Millionen Familien, die in der Bundesrepublik minderjährige Kinder haben, auch nur einen geringen Urlaub sichern können.
Wir fördern deshalb all die Maßnahmen, die vom Bundestag ergriffen werden, um den Familien Erleichterungen zu geben. Es liegt uns natürlich besonders daran, daß Familien mit geringem Einkommen in den Genuß solcher Einrichtungen kommen und daß gerade solche Familien die Möglichkeit haben, ihre Ferien gemeinsam zu verbringen.
Solange wir in der Bundesrepublik aber - von allen vergleichbaren Ländern - das schlechteste Kindergeldgesetz haben und solange unsere Mütter noch weitgehend gezwungen sind, einer Erwerbsarbeit nachzugehen, um den notwendigen Lebensbedarf ihrer Familie mit sichern zu helfen, sind Familienferien bei den meisten unserer Familien Wunschvorstellungen.
({1})
Die sozialdemokratische Fraktion unterstützt alle Maßnahmen, die der Familie wirtschaftliche Hilfen bringen. Es ist heute bei der Diskussion immer wieder zum Ausdruck gekommen, daß wir und auch der Familienminister die Hilfen zu. sehr von der wirtschaftlichen Seite aus sähen. Ich bin der Überzeugung, daß von der wirtschaftlichen Seite her viel zu wenig getan wird, um die Familien zu sanieren.
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Wir bedauern sehr, daß die Einwirkung des Familienministeriums auf die Gesamtpolitik der Regierung in allen Fragen der wirtschaftlichen Hilfe für die Familien bisher völlig unzureichend war. Deshalb sind wir dafür, überall dort, wo auch nur eine kleine Hilfemöglichkeit besteht., diese auszuschöpfen.
Wir glauben, daß der in Tit. 661 eingesetzte Betrag von 1,5 Millionen DM, der als Zuschuß für Familienferienheime gegeben werden soll, viel zu gering ist. Wir stimmen deshalb dem Antrag der Fraktion der CDU/CSU zu, der uns auf Umdruck 266 vorliegt, daß der Ansatz um 500 000 DM auf 2 Millionen DM erhöht wird. Wir hoffen und wünschen, daß n der nächsten Zeit noch viel mehr an wirtschaftlicher Hilfe für die Familie geschehen kann. Unsere Unterstützung, Herr Familienminister, werden Sie dabei immer haben; aber ich glaube, daß die CDUFraktion ihre Familienpolitik entscheidend ändern müßte, damit den deutschen Familien wirklich tatkräftig geholfen werden kann.
({3})
Das Wort zum gleichen Umdruck hat der Abgeordnete Spitzmüller.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach den sehr schwerwiegenden sachlichen Gründen, die hier vorgetragen worden sind, kann ich es mir ersparen, ausführlich zu sein; denn manches wäre nur eine Wiederholung. Wir sind mit dem, was vorgetragen wurde, weitgehend einverstanden. Es ist unbestritten, daß es für eine Familie schwer ist, in der Hauptreisezeit in einem Hotel oder Gasthaus Unterkunft zu finden. Hat man viele Kinder mitzunehmen, ist sehr schnell die Schwindsucht im Geldbeutel; hat man nur kleine Kinder mitzunehmen, hat man gleich Krach mit den Zimmernachbarn. Für diesen Fall sind also Familienferienheime eine ideale Lösung des Problems, zu Familienferien zu kommen.
Aber auf eines, meine sehr verehrten Damen und Herren, möchte ich hinweisen. Mit den Familienferienheimen ist es allein nicht getan, wenn es dem Familienminister nicht gelingt, in Besprechungen mit den Kultusministern der Länder dafür zu sorgen, die Ferien in Deutschland etwas mehr aufzugliedern, damit nicht eine Ballung in einer Zeit von sechs bis acht Wochen entsteht, wie es im Augenblick noch der Fall ist.
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Es dient, glaube ich, einer sinnvollen Verwendung der Mittel, die wir hier wieder einsetzen, wenn diese Häuschen recht lange benutzt werden können. Wenn eine Familie vier Kinder hat und nur eines davon in die Schule geht, kann man Familienferien eben nur in der Hauptferienzeit machen, wo dieses eine Kind Ferien hat; nur dann können Papa und Mama mit den andern drei in die Ferien gehen.
Noch auf etwas anderes möchte ich hinweisen, was uns und vor allem mir sehr am Herzen liegt, weil ich in dieser Beziehung in meinem Heimatland Baden-Württemberg eine bittere Erfahrung machen mußte. Das betrifft zwar nicht Familienferienheime, sondern dort handelt es sich um ein Feuerwehrheim. Ist Sicherheit dafür vorhanden, daß die öffentlichen Mittel, daß die Steuergelder - um solche handelt es sich -, die wir hier einsetzen, auch tatsächlich nur so verwendet werden, daß diese Familienferienheime dem bestimmten sozialen Zweck dienen? Ist sichergestellt, daß, wenn jemals eine Familienferienheim-Baugesellschaft diese Heime einem fremden Zweck zuführen und gewerblich ausnutzen sollte, die Staatszuschüsse zurückgezahlt werden? Ich glaube, wir wollen alle miteinander hier im Hause sehr viel für die Familie tun, vor allem für die Familie, die nicht über genügend Geld verfügt; aber wir möchten doch wohl alle nicht, daß sich solche Familienferienheime plötzlich zu einer unlauteren Konkurrenz für Hotels und Gaststätten entwickeln. Herr Minister, Sie sollten
uns hier doch kurz versichern, daß Sie von sich aus Veranlassung genommen haben, sicherzustellen, daß - in der Hauptferienzeit werden diese Familienferienheime immer für den bestimmten Zweck verwendet werden - in der Vor- und Nachsaison die Familienferienheime nicht plötzlich - so war es bei uns in dem Feuerwehrheim - alle möglichen Gäste aufnehmen, auch Ledige und andere Leute, die gar keine Kinder haben. Der Bundestag gibt doch das Geld nur dafür - und deswegen stimmen wir auch dem Erhöhungsantrag zu -, daß kinderreiche Familien ihre Ferien zusammen verbringen können. Das wollen wir gesichert wissen. Deshalb möchten wir von Ihnen, Herr Minister, eine Erklärung, daß hier keinerlei Möglichkeit besteht, daß in fünf oder zehn Jahren aus den Familienferienheimen eine Konkurrenz für den gewerblichen Fremdenverkehr entsteht.
({1})
Alle Anträge sind begründet. Wortmeldungen liegen dazu nicht mehr vor.
Das Wort hat nunmehr der Bundesminister für Familien- und Jugendfragen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Meine Wortmeldung habe ich bis zum Schluß der Begründung der Anträge zurückgestellt, um nicht zweimal Ihre Zeit in Anspruch nehmen zu müssen. In der Aussprache ist ein sehr umfassender Katalog von Themen zur Sprache gekommen. Es ist wohl nicht möglich, daß ich zu jedem einzelnen Punkt eine erschöpfende und umfassende Auskunft gebe. Ich will mich bemühen, das Wesentliche herauszugreifen und die erforderlichen Antworten zu geben.
Zunächst zum Bereich Jugend. Seitdem mir im Oktober 1957 neben den Familienfragen auch die Sorge für unsere Jugend anvertraut wurde - ein Auftrag, dem ich mich von ganzem Herzen verbunden fühle -, also seitdem ich auch Jugendminister bin, war es mein erstes und wichtigstes Anliegen, über alle parteipolitischen und weltanschaulichen Grenzen hinweg mit allen in der Jugendarbeit stehenden Persönlichkeiten um unserer Jugend willen engstens zusammenzuarbeiten, zusammenzuarbeiten unter dem Motto „Vertrauen gegen Vertrauen" und ohne irgendwelchen Vorbehalt wegen verschiedener politischer oder sonstiger Einstellung von Persönlichkeiten und Organisationen.
Es war mir wirklich eine sehr große Freude und Genugtuung, daß dieses mein Wollen vor allem von der Jugend selbst verstanden und freudig erwidert wurde und daß sich darüber hinaus im Aktionsausschuß für Jugendfragen, in dem alle in der Jugendarbeit tätigen Kräfte vereint sind, eine sachlich wie menschlich-persönlich höchst erfreuliche Zusammenarbeit entwickelt hat. Wir haben uns dort gefunden im Geiste der Toleranz und Aufgeschlossenheit für das Wollen unserer Jugend und sind in dieser Arbeit alle miteinander Freunde geworden.
Es ist also eigentlich genau das Gegenteil von dem eingetreten, was Herr Kollege Ollenhauer bei der Aussprache über die Regierungserklärung im Oktober 1957 ankündigte, daß sich die deutsche Jugend durch mich als Familienminister „provoziert" fühle. Ich habe im Gegenteil das Gefühl, daß mir Herr Ollenhauer mit seinen sehr unfreundlichen Bemerkungen damals insofern einen großen Gefallen getan hat, als ich nach dieser unfreundlichen Einführung meiner Person ,die Beteiligten nur noch angenehm enttäuschen konnte. Ich möchte der SPD für diese freundliche, wenn auch ungewollte Starthilfe bei der Übernahme meines Amtes als Jugendminister meinen Dank aussprechen.
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Am tolerantesten sind im allgemeinen diejenigen, die selber festen weltanschaulichen Boden unter den Füßen haben und sich deshalb nicht durch andere Auffassungen bedroht zu fühlen brauchen.
Gern sage ich hier vor dem Hohen Hause allen Mitgliedern des Aktionsausschusses aus allen politischen und weltanschaulichen Lagern meinen Dank für diese vertrauensvolle und harmonische Zusammenarbeit, die am besten dadurch erkennbar wird, daß wir in den verschiedenen mehrtägigen Beratungen des Aktionsausschusses meiner Erinnerung nach immer nur einmütige Beschlüsse aller Beteiligten ohne Gegenstimmen gefaßt haben.
Ich habe weder den Wunsch noch die Absicht, diese Atmosphäre vertrauensvoller Zusammenarbeit aller in der Jugendarbeit tätigen Kreise durch parteipolitische Polemik im Bundestag meinerseits zu beeinträchtigen, weil wir unsere Arbeit für die Jugend aus der Parteipolitik und der Parteipolemik heraushalten wollen und heraushalten müssen.
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Ich weiß mich darin auch absolut eins mit den dem sozialistischen und liberalen Bereich angehörenden Mitgliedern des Aktionsausschusses für Jugendfragen. Ich möchte deshalb auf polemische Ausführungen hier nicht antworten. Wer in der Jugendarbeit steht, dem steht die Jugendarbeit nun einmal höher als Parteiinteressen und Parteidoktrinen. Das weiß die Jugend aller Richtungen, und so haben wir zueinandergefenden.
Deshalb bedaure ich es eigentlich ein wenig, daß Herr Kollege Dürr hier vor allem einige Beanstandungen über den Bundesjugendplan so vorgebracht hat, als wenn hier nicht genügend aufgepaßt würde, als wenn die notwendigen Gesichtspunkte nicht genügend beachtet würden. Die Verwendung der Mittel des Jugendplans ist in vollem Einvernehmen aller beteiligten Kreise in gemeinsamer Arbeit erfolgt. Wenn eine solche Arbeit geleistet ist, sollte man meines Erachtens, wenn man sich aufbauende Kritik zum Ziel setzt, mit solcher Kritik nicht bis zur Beratung des Haushaltsplans warten und sollte sie nicht auf parteipolitischer Ebene vorbringen. Natürlich hat jeder das Recht, hier zu sagen, was er will. Diese Kritik würde viel
Bundesfamilienminister Dr. Wuermeling
aufbauender wirken, Herr Kollege Dürr, wenn Sie sie im Aktionsausschuß für Jugendfragen oder im Bundestagsausschuß für Familien- und Jugendfragen, wo wir alle diese Fragen eingehend miteinander behandeln, an uns heranbrächten. Sie dürfen sicher sein, daß ich, wenn irgendwo etwas festgestellt wird, was nach unseren - wie ich meine: gemeinsam für richtig gehaltenen - Grundsätzen geändert werden muß, bemüht sein werde, Mißstände, wo sie eintreten sollten, zu beseitigen. Machen wir doch in der Jugendpolitik Opposition nicht um der Opposition, sondern um der Sache willen!
Ich möchte auch darum bitten, wenn irgendwo Anlaß zu irgendwelchen Beanstandungen ist, mir einen Hinweis zu geben; es braucht gar nicht einmal im Aktionsausschuß oder im Bundestagsausschuß vorgebracht zu werden. Ich bin aufrichtig dankbar für jeden Hinweis, der mir in diesen Dingen gegeben wird. Da wir, soweit ich das übersehe, über die Richtlinien, über die Sie, Herr Kollege Dürr, soeben sprachen, absolut einig sind, wird es in der weiteren Handhabung der Dinge wohl keine Schwierigkeiten geben.
Sie haben das Wort von dem Verbandsfunktionär gebraucht, der zum Haushaltsakrobaten würde. Meine Damen und Herren, als ich vor eineinhalb Jahren das Amt des Jugendministers übernahm, habe ich von vornherein als besonders vordringlich die Notwendigkeit herausgestellt, die Richtlinien für den Bundesjugendplan zu überarbeiten, um möglichst weitgehend allen Bürokratismus aus der Handhabung des Bundesjugendplans herauszubringen. Wir haben in sehr, sehr mühseliger Arbeit, auch wieder zusammen mit dem Aktionsausschuß und seiner Sonderkommission, die Richtlinien überarbeitet, die am 16. Dezember vergangenen Jahres neu erlassen wurden und von denen die an der Jugendarbeit beteiligten Kreise eine wesentliche Vereinfachung der Verwaltungsarbeit erwarten. Der Vorsitzende eines der größten Jugendverbände hat erklärt, daß er mit Inkrafttreten dieser neuen Richtlinien 20 % seines Verwaltungspersonals ohne weiteres nützlicheren Zwecken werde zuführen können. Ich glaube, das ist ein gutes Zeichen dafür, welche Absichten wir mit diesen Richtlinien verfolgt haben.
Dann ein paar Bemerkungen zu einigen Einzelheiten.
Verehrte Frau Kollegin Dr. Lüders, die Geschäftsverteilung zwischen dem Gesamtdeutschen Ministerium und dem Ministerium für Familien- und Jugendfragen ist so, daß die Ferienverschickung Berliner Kinder - nach der Sie mich fragten - als Berliner Angelegenheit beim Gesamtdeutschen Ministerium liegt, während die Ferienerholung für Kinder und Jugendliche, für die 4,5 Millionen DM in meinem Haushaltsplan stehen, bei meinem Ministerium liegt.
Es wurde nach der Sorge um die Besatzungskinder gefragt. Frau Dr. Lüders tat ein wenig so, als wenn der Familienminister irgendwelche Schuld an der Existenz von Besatzungskindern trage.
Meine Damen und Herren, so weit geht ja nun die staatliche Einwirkungsmöglichkeit nicht, daß jedes Unheil in der Bundesrepublik durch die Staatsbehörde verhindert werden kann. Wir haben über die Betreuung der Besatzungskinder und die Sorge für ihre Mütter Vereinbarungen mit allen Länderverwaltungen getroffen, Vereinbarungen, durch die jetzt für jeden Fall letztlich die gebotene Betreuung gesichert ist.
Verehrte Frau Kollegin Dr. Lüders, wenn Sie mir die Tatsache von 60 000 Fürsorgezöglingen vorhalten, dann werden Sie doch selbst im Ernst nicht behaupten wollen, daß diese eine Auswirkung der Arbeit des Bundesministers für Familien- und Jugendfragen seien. Der Unterton Ihrer Ausführungen war aber so, wie er überhaupt durch Ihre Ausführungen ging: Ist irgendwo etwas nicht in Ordnung, dann ist der Wuermeling schuld; hat aber die Bundesregierung etwas Positives für Familie und Jugend getan, dann haben es die anderen Ministerien gemacht, und der Familienminister ist völlig überflüssig.
({2})
Diese einseitige Stellungnahme scheint für sich selbst zu sprechen.
Weiter wurde hier von zwei Seiten über die Berufstätigkeit der Frau und der Mutter gesprochen, und es wurde wieder diese seltsame Formel gebraucht, ich sei irgendwann und irgendwo und irgendwie gegen eine Berufstätigkeit der Frau aufgetreten. Ich stelle fest, daß das absolut unwahr ist, vor allem was die unverheiratete Frau angeht. Bezüglich der verheirateten Frau habe ich immer, schriftlich und mündlich, den Standpunkt vertreten, daß es die freie Gewissensentscheidung jeder Frau und Mutter sein und bleiben muß, ob sie berufstätig sein will. Der Staat kann und soll hier nur insoweit einwirken, als er der Frau und vor allem der Mutter den Entschluß, sich für Heim und Familie zu entscheiden, wieder möglich machen muß, um sie vor dem Gewissenskonflikt zu bewahren, gegen ihren Wunsch und Willen Heim und Familie zu verlassen und in fremden Betrieben zu arbeiten.
({3})
Das ist immer meine Stellungnahme in dieser Frage gewesen, und das ist auch die Stellungnahme unserer Frauen und Mütter draußen im Lande, wie ich sehr genau zu wissen glaube.
Im übrigen haben mich die Ausführungen von Frau Kollegin Lüders ein wenig überrascht. Seit Jahren war es doch ein leidenschaftliches Anliegen von FDP-Kreisen, den Familienminister als Moralprediger und moralinsauren und rückständigen Politiker zu ironisieren und in der Öffentlichkeit herabzusetzen. Allerdings bewirkte man damit das Gegenteil, da unsere gesund denkenden Väter und Mütter es als sehr beruhigend empfunden haben, daß man sich auch in der Bundesregierung ernste Sorgen um den sittlichen Schutz unserer Jugend macht und darüber trotz aller Anfeindungen offen zu sprechen wagt.
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Bundesfamilienminister Dr. Würmeling
Heute erlebe ich nun zu meiner Überraschung, daß die Sprecherin der FDP mich mahnen zu müssen glaubt, mich mehr um die öffentliche Moral zu kümmern. Ich kann nur sagen: o quae mutatio rerum! Ich hatte nicht zu hoffen gewagt, daß ich plötzlich in der FDP so kräftige Mitstreiter für die öffentliche Moral finden würde,
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wie Frau Kollegin Dr. Lüders hier soeben sichtbar werden ließ. Ich kann es, verehrte Frau Kollegin Dr. Lüders, nur begrüßen, wenn das Gedankengut der CDU auch in der FDP wirksam wird, und ich darf hoffen, daß sich dadurch wenigstens auf dem Gebiet des sittlichen Schutzes unserer Jugend die Gegensätze zwischen Regierung und Opposition verringern.
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Ist es doch seit Übernahme der Jugendfragen in mein Ressort, wie ich schon sagte, mein - erfreulicherweise erfolgreiches - Bestreben gewesen, über alle Parteigrenzen hinweg mit allen in der Jugendarbeit tätigen Kreisen harmonisch zusammenzuarbeiten.
Aber nun haben Sie Ihre Mahnungen, verehrte Frau Kollegin Lüders - und ich kann Ihnen auch heute diese von Ihnen im voraus abgelehnte Antwort nicht ersparen - auf einem Gebiet erhoben, auf dem ich für meine Person durchaus Ihre Empfindungen teile, das aber nun einmal als Polizeiangelegenheit der Länder - leider oder Gott sei Dank - nicht nur meiner, sondern überhaupt der Bestimmung der Bundesregierung entzogen ist. Ich kann Ihnen deshalb nur empfehlen, sich mit Ihrem Anliegen, das auch mir sehr kam Herzen liegt, an die Landesregierungen zu wenden, in denen die FDP an der Regierung beteiligt ist. Ich habe meinerseits das gleiche bereits kürzlich bei der Landesregierung in Nordrhein-Westfalen getan, indem ich mich gerade wegen der von Ihnen so genannten Apartment-Häuser
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in leinem persönlichen Schreiben an den Herrn Innenminister in Düsseldorf gewandt habe. Das hätte ich übrigens auch gerne in Niedersachsen getan, wenn meine politischen Freunde dort nicht von Ihren politischen Freunden an der Fortführung der Regierungsgeschäfte gehindert worden wären.
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In Hessen haben wir, Frau Kollegin Lüders, bekanntlich beide nichts zu sagen, aber ich meine, die Beziehungen der FDP zur SPD-Regierung in Hessen dürften doch noch ein wenig enger sein als die der Bundesregierung, so daß vielleicht auch hier die Zuständigkeit mehr bei Ihnen läge. Sie dürfen aber sicher sein, daß Sie in allen solchen Anliegen sich stets der fördernden Mithilfe des Familien- und Jugendministers erfreuen können, soweit ich im Rahmen des Grundgesetzes dazu die Möglichkeit habe.
Ich möchte mit dieser Zusicherung gleich noch eine Bitte an Sie verbinden. Wenn Sie erfreulicherweise so sehr für den sittlichen Schutz der Jugend eintreten, dann helfen Sie dem Familien- und Jugendminister auch hier im Hause einmal auf den Gebieten, die in die Bundeszuständigkeit fallen! Stimmen Sie z. B. mit Ihren Freunden künftig nicht mehr gegen das Gesetz zum Schutz der Jugend gegen Schmutz und Schund und gegen Verbesserungen dieses Gesetzes, die demnächst hier behandelt werden sollen!
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Helfen Sie mit, daß die Regierungsvorlage bald verabschiedet wird, durch welche die Jugendgefährdung durch allgemein zugängliche Automaten mit Empfängnisverhütungsmitteln auf öffentlichen Straßen und Plätzen beendet werden soll! Helfen Sie weiter mit, daß durch strengere Ehescheidungsvorschriften unschuldige Frauen und Kinder besser geschützt werden, als das bisher der Fall ist! Bisher kamen gerade aus Ihren Reihen immer die stärksten Widerstände. Ich wünsche Frau Kollegin Lüders von Herzen vollen Erfolg, wenn sie solche Bestrebungen des Familienministers bei ihren Parteifreunden unterstützt.
Noch ein Stichwort. Es ist gesagt worden, ich sei der Inbegriff des Antiliberalen. Keine lange Antwort darauf. Denken Sie bitte über dieses Wort einmal nach, wenn Sie in Kürze den Entwurf des Jugendhilfegesetzes lesen, der in absehbarer Zeit an die Öffentlichkeit gelangen wird. Dieses Jugendhilfegesetz wird - ich lege Wert darauf, das hier in aller Form zu sagen unter dem Leitgedanken der Freiheit vor behördlicher Bevormundung und behördlicher Willkür stehen: Freiheit für den jungen Menschen, Freiheit für die Familie und ihr Erziehungsziel und nicht zuletzt Freiheit für alle in der Jugendarbeit gemeinnützig tätigen Vereinigungen und Kreise. Staatliche und kommunale Jugendhilfe soll nur da eingreifen, wo die Aufgaben ohne diese Kräfte nicht ordnungsgemäß erfüllt werden können. Gerade bei dem Jugendhilfegesetz wird die Devise gelten: So viel Freiheit und so wenig Staat wie nur irgend möglich! Seien Sie sicher, im Ringen gegen die staatliche Bevormundung, im Ringen für die Freiheit unserer Menschen werden Sie den Familienminister immer auf der Seite der Freiheit finden!
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Schließlich noch einige wenige Bemerkungen zum Thema Familie. Auf das nicht neue Lied der Opposition von der Überflüssigkeit meines Ministeriums zu antworten, scheint mir eigentlich nicht meine Sache zu sein, obschon ich selbst vielleicht aus allen interministeriellen Verhandlungen am besten weiß, wie notwendig diese Institution als Anwalt aller Anliegen unserer Familien in der obersten politischen Führung ist. Daß die Arbeit meines Ministeriums sehr oft nicht ohne weiteres als spezielle Arbeit des Ministeriums sichtbar wird, liegt halt daran, daß wir in der Bundesrepublik gemeinsam Team-Arbeit leisten, die nach allen internen Verhandlungen nachher als Ganzes der Öffentlichkeit bekannt wird. Ich werde mich auch in Zukunft damit
Bundesfamilienminister Dr. Wuermeling
bescheiden, weil es ja nicht darauf ankommt, was mein und meiner Mitarbeiter Verdienst ist, sondern allein darauf, daß Schritt für Schritt und konsequent immer mehr für die Familie geschieht.
Ich darf in diesem Zusammenhang nochmals auf das Thema Ethik und Moral kommen. Mir wurde vorgeworfen, ich kümmerte mich zu sehr um die materiellen Anliegen der Familie. Ja, meine Damen und Herren, wie man's macht, ist es falsch! Spreche ich über die ethische Seite des Themas Familie, beschimpft man mich als einen Moralprediger, spreche ich über die wirtschaftliche Seite des Themas, beschimpft man mich als einen Materialisten. Ich lege immer wieder Wert darauf, festzustellen, daß das Thema Familie diese beiden Seiten hat und daß wir uns nicht dadurch von der einen Seite des Themas ablenken lassen dürfen, daß wir auf die andere verweisen. Wir müssen jede Seite dieses Themas bis zu Ende durchdenken und die Konsequenzen ziehen.
Ich glaube, ich brauche für meine Person nicht besonders zu betonen, daß die ethisch-sittliche Seite beim Thema Familie selbstverständlich die vielfach wichtigere ist. Aber der Staat kann ja ethisch-sittlich nicht in die einzelne Familie hineinregieren. Er kann einen sittlichen Schutzwall um die Familie ziehen; das kann er gesetzlich. Aber im übrigen muß er sich auf die Sicherung und Verbesserung der wirtschaftlichen Existenzgrundlagen beschränken.
Nun will ich Ihre Zeit nicht damit in Anspruch nehmen, daß ich hier noch zusammenstelle, was sich in den 5 1/2 Jahren Familienministerium alles getan hat, was alles nicht war und was heute ist. Es wurde hier besonders der familiengerechte Wohnungsbau angesprochen. Ja, wem sagen Sie das denn, verehrte Frau Kollegin Dr. Lüders, daß der familiengerechte Wohnungsbau vorrangig betrieben werden muß?! Gerade hier bin ich es doch gewesen, der immer wieder nicht nur in öffentlichen Kundgebungen, sondern auch in allen Ressortverhandlungen und überall, wo man auf die öffentliche Meinung einwirken konnte, gerungen und gekämpft hat um den familiengerechten Wohnungsbau, gegen diesen Kleinstwohnungsbau, um den Familien-Eigenheimbau, darum, daß der Familienvater die gleichen Rechte wie die großen anonymen Wohnungsbaugesellschaften hat, also darum, daß die Familie in gleicher Weise wie die anonymen Baugenossenschaften mit wenig Eigenmitteln zu einem ausreichend großen Eigentum kommt. Hier gilt auch, daß zwischen den Ministerien Teamarbeit geleistet wird und daß nicht nachher jeder einzelne Minister sagen kann: Das und das habe ich hineingebracht, und das und das haben die anderen getan.
Daß wir in all diesen Dingen noch nicht am Ziel sind, ist auch vom Herrn Bundeskanzler immer wieder gesagt worden. Ich bin doch unentwegt bemüht, den Familienlastenausgleich im Sinne der vom Herrn Bundeskanzler gegebenen politischen Richtlinien weiter voranzubringen. Was steht denn dem weiteren Fortschritt entgegen? Doch ausschließlich die Tatsache, daß kaum jemand bereit ist, für die zusätzliche Aufbringung der hierzu erforderlichen Mittel geradezustehen und den Kopf hinzuhalten.
Ich erkläre Ihnen in aller Form: Ich bin meinerseits für jede Verbesserung unseres Aufhringungssystems zu haben, für die sich eine Mehrheit hier im Hause findet. Es muß aber auch einmal gesagt werden, daß es das dauernde und alleinige Verdienst der Mehrheitsfraktion dieses Hauses ist, die Kindergeldzahlung überhaupt ermöglicht zu haben,
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da man nur hier bereit gewesen ist, trotz aller Bedenken und Anfeindungen für das Aufbringungssystem den Kopf hinzuhalten, das wir heute haben und das übrigens dem Aufbringungssystem aller Montanunion-Länder entspricht.
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Hundertprozentige Gerechtigkeit ist in einer vielschichtigen Wirtschafts- und Sozialordnung angesichts der verschiedenartigen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse schlechthin nicht erreichbar. Ich gebe Ihnen jedoch die Versicherung, daß ich meinerseits alle Bestrebungen unterstütze, die das gewünschte Höchstmaß von Gerechtigkeit in der Aufringung des Kindergeldes herbeizuführen geeignet sein können. Ich arbeite deswegen ohne jede Voreingenommenheit und ohne Dogmatismus mit allem Nachdruck daran mit, eine Regelung für die Aufbringung zu finden, die von einem möglichst breiten Kreis bejaht wird und damit zu einer allgemeinen Beruhigung führen kann, damit unser Kindergeld endlich aus dem leidigen, diskriminierenden Systemstreit herauskommt.
Ich nehme - damit bin ich am Schluß - meine Aufgabe sowohl als Familienminister wie als Jugendminister, wie wohl jeder weiß, sehr ernst. Ich fühle mich ihr aus innerster Überzeugung zutiefst verpflichtet und verbunden. Ich habe deshalb keinen dringenderen Wunsch als den, daß die Sorge um Familie und Jugend aus dem Parteienstreit herausgehoben wird und auf der Ebene der Liebe zur Sache zu gemeinsamen Entschließungen möglichst aller Fraktionen dieses Hauses führt. Ich reiche dazu auch heute wieder meine Hand und vergesse gern manche Polemik und Anfeindung aus der Vergangenheit, weil die Sorge um Familie und Jugend uns nicht trennen, sondern verbinden soll.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dürr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Den Worten des Herrn Bundesministers für Familien- und Jugendfragen muß ich entnehmen, daß er meine Ausführungen zum Bundesjugendplan so verstanden hat, als hätte ich hier parteipolitische Polemik zu treiben versucht. Er hat vermutlich zwei Sätze von mir nicht ganz angehört. Ich habe gerade das Stenogramm zur Durchsicht erhalten und erlaube mir, diese beiden Sätze wörtlich zu wiederholen:
Die Fragen, die in dem Bundesjugendplan zu
lösen sind, sind keine parteipolitischen Fragen.
Wir sind die letzten, die versuchen würden, aus
diesen Jugendfragen parteipolitisches Kapital zu schlagen. Was notwendig ist, sind gemeinsame Bemühungen um Lösungen, wirkliche Lösungen, nicht nur Erörterungen über die Mittelbewilligung. Auf diesem Gebiet bleibt uns allen miteinander für unsere Arbeit noch ein weites Feld.
Dann bin ich auf einige Beispiele dieser Arbeit eingegangen. Wer das für eine Polemik, gar eine parteipolitische Polemik hält, muß mich mißverstanden haben.
Nun noch ein weiteres, sehr ernstes Wort. In seiner Erwiderung auf die Ausführung von Frau Kollegin Dr. Lüders hat der Herr Minister seiner Verwunderung Ausdruck gegeben, daß ausgerechnet von der FDP der Ruf nach der Moral komme. Ja, meine Damen und Herren, sind denn etwa die FDP-Leute unmoralischer als andere Mitglieder dieses Hohen Hauses?! Wir müssen uns doch alle miteinander dreierlei zugestehen, erstens: keiner von uns ist ein schlechterer Deutscher, zweitens: keiner von uns ist ein schlechterer Christ, drittens: keiner von uns hat weniger Moral im Leibe ,als der andere. Wenn wir uns das gegenseitig nicht mehr zugestehen, ist die Basis für jedes Gespräch, das auch zwischen Regierung und Opposition noch möglich sein sollte, dahin.
({0})
Meine Damen und Herren, damit sind wir am Schluß der Diskussion über den Einzelplan 29.
Ich rufe nunmehr die einzelnen vorliegenden Änderungsanträge zur Abstimmung auf. Bei den Anträgen auf den Umdrucken 262 und 323 bin ich wieder vor die berühmte Frage gestellt, welcher Antrag weitergehend ist. Ich kann das in diesem Falle nur nach der Höhe der beantragten Summe entscheiden.
Ich rufe zunächst den Umdruck 262 - Antrag der Fraktion der SPD zu Kap. 29 01 - auf. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einer Enthaltung mit Mehrheit abgelehnt.
Dann rufe ich auf den Umdruck 323 - Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU - zur gleichen Materie. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Soweit ich sehe, einstimmig angenommen.
Ich bin darüber unterrichtet worden, daß der Antrag Umdruck 310 als zusätzlicher Änderungsantrag aufrechterhalten wird, so daß es also in dem Antrag jetzt heißen würde:
von 45 000 000 DM um 200 000 DM auf 45 200 000 DM erhöht.
Wer diesem interfraktionellen Antrag in der durch die vorhergehende Abstimmung geänderten Fassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Soweit ich sehe, einstimmig angenommen.
Dann haben wir noch über den Änderungsantrag Umdruck 266 der Fraktion der CDU/CSU betreffend den Zuschuß für Familien-Ferienheime abzustimmen. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei ganz wenigen Nein-Stimmen mit überwältigender Mehrheit angenommen.
Damit sind die in der zweiten Beratung zu Einzelplan 29 vorliegenden Änderungsanträge verabschiedet.
Ich darf nunmehr diejenigen Damen und Herren des Hauses, die dem Einzelplan 29 in der so geänderten Fassung in zweiter Lesung zuzustimmen wünschen, bitten, das Handzeichen zu geben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei wenigen Gegenstimmen und zahlreichen Enthaltungen mit Mehrheit angenommen.
Damit, meine Damen und Herren - das darf ich jetzt noch sagen, ehe ich den Vorsitz übergebe -, wird nach der interfraktionellen Verabredung jetzt der Einzelplan 14 - Geschäftsbereich des Bundesministers für Verteidigung - aufgerufen.
({0})
Ich rufe auf:
Einzelplan 14
Geschäftsbereich des Bundesministers für Verteidigung ({0}).
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Wortmeldungen liegen bereits vor. Bitte, Herr Kollege Vogel als Berichterstatter!
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bitte, in den Schriftlichen Berichten zu Einzelplan 14 einen Irrtum zu korrigieren. Durch ein Versehen der Druckerei ist eine Namensverwechslung eingetreten. Ich bin für den ersten Teil und Herr Kollege Lenz ({0}) ist für den zweiten Teil des Schriftlichen Berichts verantwortlich, nicht umgekehrt, wie es in der Drucksache steht. Ich bitte, das in das Protokoll aufzunehmen und entsprechend zu berichtigen.
Im übrigen verzichte ich, zugleich auch im Auftrage meines Kollegen Lenz, auf eine Verlesung der Schriftlichen Berichte.
Ichdanke dem Herrn Berichterstatter.
Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort hat der Abgeordnete Schmidt ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion hat sich die Behandlung des Verteidigungshaushalts ein wenig aufgeteilt. So wird im Laufe dieser Debatte z. B. mein Freund Dr. Schäfer die Frage nach dem Verhältnis von Aufwand und Erfolg der Wehrpolitik der Bundesregierung unter dem finanzwirtschaftlichen Aspekt aufwerfen. Ich möchte dieselbe Frage einmal unter dem Aspekt aufrollen, unter dem sie sich der Truppe selber darbietet.
Schmidt ({0})
Ich glaube, das Verteidigungsministerium weiß selber, daß die Truppe mit sehr vielen Sorgen und sehr vielen Nöten belastet ist. Es wird gut sein, wenn über diese Sorgen und Nöte auch hier im Parlament einmal offen gesprochen wird. Inzwischen sind eine ganze Menge Kolleginnen und Kollegen in diesem Hause mit Sachkenntnis ausgestattet, eine ganze Reihe von Kolleginnen und Kollegen haben sich die Bundeswehr an Ort und Stelle angeschaut. Sie werden also den Wahrheitsgehalt dessen, was ich zu sagen beabsichtige, durchaus kontrollieren können.
Ich möchte mit einer allgemeinen Feststellung vorweg beginnen, mit der Feststellung, daß in der Truppe der Bundeswehr im allgemeinen ein guter Geist herrscht. Ich sage ausdrücklich: ein der Truppe. Natürlich gibt es wie überall sonst im Leben auch dort Ausnahmen. Aber man ,muß wirklich sagen, daß vieles anders als in der vormaligen Wehrmacht isst, daß manches besser ist und daß guter Wille vorhanden ist, es noch besser zu machen; das ist an vielen Orten deutlich spürbar. Das gilt erfreulicherweise sowohl für die Masse der Kompaniechefs und der Kommandeure als auch für die Masse der Unteroffiziere.
Main kann mit Befriedigung feststellen, daß die Grundsätze der inneren Führung, wie das Parlament sie gewünscht hat, sich tatsächlich durchsetzen, wenn auch manche Truppenoffiziere und manche Kommandeure ein wenig eifersüchtig auf diese Richtlinien sind und gar zu gern sagen, das hätten sie früher auch schon immer so gemacht. Das ist aber nicht immer der Fall, meine Damen und Herren.
Natürlich - das wird niemand verkennen - ist die Erziehung der Führer und Unterführer in einer Truppe nach den Vorstellungen einer demokratischen Gesellschaftsordnung ein langdauernder Prozeß. Es wird denn auch sehr lange noch etwas zu tun sein, die Aufgabe ist noch lange nicht gelöst.
Eis gibt dort auch schwarze Schafe. Es gibt unbelehrbare „Kommißköppe", und es gibt verkrampfte Karrieristen, es gibt auch Opportunisten und Radfahrer. Alle diese Typen wird eis überall immer geben, nicht nur in der Truppe, auch sonst in der Gesellschaft, sogar in einem Parlament.
({1})
Es gibt tatsächlich auch eine kleine Minderheit intransigenter Nazis in der Truppe. Aber ebenso gibt es auch in der Wolle gefärbte Demokraten von Courage. Das möchte ich persönlich mit Dankbarkeit feststellen.
Der Aufbau einer in der Substanz demokratisch und republikanisch gesonnenen Wehr ist in Deutschland ein neuartiges und deshalb 'besonders schwieriges Unterfangen. Es ist ein langer Weg, der heute noch vor uns liegt, und das Ergebnis ist noch ungewiß. Mit einer gewissen Erleichterung kann man feststellen, daß die bisher zurückgelegte Strecke dieses Weges im großen und ganzen in einer richtigen Himmelsrichtung beschritten worden ist. Aber die Fortsetzung des Weges hängt von vielerlei Bedingungen ab, von der allgemeinen Entwicklung unserer Gesellschaft, unseres Staates, von der Entwicklung der Führung unseres Staates, der Führung der Bundeswehr. Wie groß hier überall die Gefährdungen sind, das ist uns ,allen, nehme ich an, deutlich.
Aber der Weg in die Zukunft hängt auch von Faktoren innerhalb der Bundeswehr selber ab, z. B. von der Frage, wie sich die jungen Berufssoldaten entwickeln werden, die in den letzten Jahren zum erstenmal Soldat geworden sind, um jetzt Vorgesetzte zu werden. Wenn man diese jungen neuen Vorgesetzten vor sich hat, gewinnt man den Eindruck einer erfreulichen Frische. Sie sind voller Zivilcourage, diese jungen Männer, sie sind selbständig im Denken, sie sprechen das aus, was sie denken. Auf der anderen Seite werden Sie hören, wenn Sie mit den Fähnrichsoffizieren oder den Aufsichtsoffizieren der Offiziersschulen sprechen, daß die jung ausgebildeten Nachwuchsoffiziere später, wenn sie zur Truppe versetzt worden sind, von dort her in sehr vielen Fällen schon an ihre früheren Ausbildungsoffiziere recht ,enttäuschte Briefe geschrieben haben.
Es gibt ebenso im Unteroffizierskorps eine Reihe von durchaus gutwilligen, strebsamen, tüchtigen jungen Leuten, die aus der Bundeswehr enttäuscht wieder ausscheiden, weil ihre Vorstellungen, die sie sich von der allgemeinen Entwicklung der Truppe gemacht haben, an der Stelle, wo sie eingesetzt wurden, nicht erfüllt worden sind.
Ein Hauptgrund für vielerlei Mißstände in der Bundeswehr liegt in den enormen materiellen und personellen, d. h. Ausbildungserschwernissen, unter denen die Truppe an fast allen Orten zu leiden hat. Die Ausbildung in der gegenwärtigen Bundeswehr ist in den allermeisten Fällen ein kunstvolles System von Provisorien und Aushilfen.
Ich gebe ein paar Beispiele, meine Damen und Herren, etwa unter dem Aspekt „Ausrüstung". Mir scheint, man muß einmal vor diesem Hause einige Einzelheiten ausbreiten, damit sich das Parlament der Gefahr entzieht, immer nur außenpolitisch-strategische Erörterungen zum Wehrproblem anzustellen und die Tatsachen des Alltags dabei zu übersehen oder nicht zur Kenntnis zu nehmen.
Unter dem Stichwort Ausrüstung darf ich z. B. erwähnen, daß ich erlebt habe, wie eintausend Soldaten im Pistolenschießen ausgebildet werden sollten. Aber für diese tausend Soldaten waren bei der Truppe nur zwei ganze Pistolen vorhanden. Oder ich darf erwähnen, daß ich Einheiten in der Bundeswehr kenne, die noch nicht einmal zwei Jahre existieren, die noch in der Aufstellung begriffen sind und die trotzdem während dieser kurzen Aufstellungsperiode bereits drei verschiedene Gewehre gehabt haben. Die Leute mußten also dreimal an einem anderen Gewehr ausgebildet werden: zunächst am Canadian rifle, dann am amerikanischen Gewehr M 1, nun an dem FN-Gewehr; und es steht in Aussicht, daß sie demnächst das deutsche Sturmgewehr kriegen. Dann werden sie also zum viertenmal an einem anderen Gewehr ausgebildet. Das mag für die Wehrpflichtigen ziemlich gleichgültig sein - sie scheiden ja nach einem Jahr wieder aus -, aber für die Unterführer,
Schmidt ({2})
die Ausbilder selber, ist das von ganz erheblicher Bedeutung.
Das ist nicht nur bei den Gewehren so, das gibt es auf mancherlei Gebieten. Zum Beispiel hat das Bundesverteidigungsministerium es für richtig gehalten, mich zu einer kurzen Übung bei einer Truppe einzuziehen, wo ich erlebt habe, daß die berufsmäßigen Soldaten, die späteren Unterführer also, die Ausbilder innerhalb einer Aufstellungsperiode, die noch nicht einmal zwei Jahre umfaßte, insgesamt an drei, zum Teil an vier verschiedenen Waffen ausgebildet worden sind, was immer zur Voraussetzung hatte, daß sie für vier, sechs oder acht Wochen auf einen Kursus, in eine Schule, einen Lehrgang geschickt wurden, um diese Waffen kennenzulernen. Die Folge ist in solchen Fällen natürlich, daß keine Sache richtig beherrscht wird.
Ich habe an anderer Stelle auch gesehen, daß personell voll aufgefüllte Einheiten - mit dem Einziehen sind Sie ja schnell bei der Hand gewesen - z. B. in bezug auf die Zahl ihrer Fahrzeuge unzureichend ausgestattet waren, daß sie nur ein Viertel der Kraftfahrzeuge zur Verfügung hatten, die notwendig gewesen wären, um alle Soldaten zu befördern, wenn es ins Gelände ging. Es gibt auch personell aufgefüllte Einheiten, die in bezug auf die Waffen nur zur Hälfte ausgestattet sind, Einheiten, die zwar über Kanonen verfügen, aber nicht über die Feuerleiteinrichtung, die für die Ausbildung das beinahe noch wichtigere Element ist als die Kanonen. Es gibt auch Fernmeldebautrupps, die keine Stangen haben, um daran die Strippen zu ziehen. So gibt es viele, viele Beispiele, die ich Ihnen hier noch weiter vortragen könnte.
Verständlicherweise drängen die Kompaniechefs, die Bataillonskommandeure auf die volle Ausstattung, da man die Kompanien und die Bataillone ja längst personell voll aufgefüllt hat; sie sollen die Soldaten an Waffen ausbilden, die sie nicht besitzen. Wenn sie aber auf volle Ausstattung drängen, bekommen sie von oben Befehle - auch die habe ich bei Truppenbesuchen gesehen -, in denen wörtlich steht: Die Erstausstattung wird der Truppe zugewiesen - also von oben -, und es wird der Truppe untersagt, ihrerseits Gerät anzufordern; sie soll gefälligst warten, bis es kommt.
Es gibt Tausende von Soldaten der Bundeswehr - das werden viele hier im Saal bestätigen können, und viele Soldaten draußen, die das später nachlesen, werden mir recht geben müssen -, die bis heute noch niemals eine scharfe Handgranate gesehen, geschweige denn geworfen haben.
Auf Grund all dieser Mängel bei der Ausstattung kommt es in der Ausbildung der Bundeswehr in sehr, sehr vielen Kompanien, in sehr, sehr vielen Bataillonen immer wieder zu einem schrecklichen Leerlauf. Das alte Soldatenwort: „Die Hälfte seines Lebens wartet der Soldat vergebens" gilt leider bei der Bundeswehr heute genauso wie für jede andere Wehr, die einmal vorher bei uns in Deutschland bestanden hat. Ich darf vielleicht die Damen und Herren von der Rechten darauf aufmerksam machen, daß in einem ihnen sehr nahestehenden Blatt, im ,,Rheinischen Merkur", in der letzten Woche ein
überaus intelligenter, kluger Aufsatz sich über eine ganze Seite mit diesen Schwierigkeiten beschäftigt hat, die ich nur gestreift habe.
Es gibt Beispiele, meine Damen und Herren, etwa aus der groß angelegten Lehr- und Versuchsübung 1958, die ja in der Presse - nicht nur in der deutschen Presse - ein so großes Echo gefunden hat und deren Ergebnisse dazu geführt haben, daß die ganze Bundeswehr umgerüstet und umgegliedert wurde, Beispiele, wo Truppen, die an diesem Manöver teilgenommen haben, in aller Eile drei und vier und fünf Tage vor Beginn des Manövers ihre Ausstattung aus Schwesterkompanien und aus Schwesterbataillonen zusammenklauben mußten und wo sie diese Ausstattung mit Waffen, mit Kraftfahrzeugen, mit Kraftfahrern und anderen Spezialisten unmittelbar nach der Übung wieder an die Schwestereinheiten haben abgeben müssen. Ich habe aus dem Munde von Truppenführern sarkastische Bemerkungen über den großen Türken gehört, den diese Lehr- und Versuchsübung 1958 der Öffentlichkeit vorgeführt hätte. Ich kann, falls das bezweifelt werden sollte, darüber sehr viele Beispiele im einzelnen bringen.
Die mangelhafte Ausstattung der Bundeswehr ist eigentlich erstaunlich, wenn man bedenkt, wieviel Geld das Parlament in sehr großzügiger Weise für die materielle Ausrüstung zur Verfügung gestellt hat, und wenn man betrachtet, wieviel Geld das Verteidigungsministerium per cassa schon ausgegeben hat. Das hat eine Reihe von Gründen. Im Augenblick möchte ich einmal die überaus große Schwerfälligkeit des ganzen bürokratischen Apparats innerhalb der Bundeswehr und insbesondere in ihrer Spitze, im Verteidigungsministerium, hervorheben. Ich habe neulich einmal Gelegenheit gehabt, mir von dem Hauptmann und Führer eines Feldzeugzuges den Leidensweg des Papierkrieges vorerzählen zu lassen, den der arme Mann führen muß, wenn er eine Bakelitverschraubung im Werte von 1,20 DM auf dem freien Markt kaufen muß, weil der Nachschub sie noch nicht liefern kann. Meine Damen und Herren, Sie machen sich keine Vorstellung von diesem Papierkrieg!
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Oder aber, wenn das zum Visier eines Gewehrs gehörige Korn mit dem Kornring im Gelände verlorengegangen ist! Der Papierkrieg, den der arme Kerl führen muß, um erst einmal zu beweisen, daß es verlorengegangen ist, und um es in Abgang zu stellen, und dann der Papierkrieg, den er führen muß, um das neue Korn zu beschaffen - er ist unvorstellbar.
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Ich gebe Ihnen ein anderes Beispiel, nun nicht auf dem Gebiet der Materialwirtschaft, sondern der Personalwirtschaft. Wenn ein junger Freiwilliger - ein Mann also, der als Soldat auf Zeit Unteroffizier werden möchte - eingestellt wird, dann muß die Schreibstube dieser Kompanie folgende Papiere, Dokumente, Akten, Fragebogen erledigen - ich muß das einmal vorlesen -: erstens einen dreifachen Bewerbungsbogen von insgesamt 30 Seiten
Schmidt ({5})
Umfang, zweitens eine dreimalige Anlage zum Bewerbungswogen, dann je nachdem, ob es in Frage kommt, natürlich die Einwilligung der Eltern, dann die Verpflichtungserklärung - zweifach -, dann die Schuldenerklärung des Mannes - zweifach -, dann die Erklärung über die Mitgliedschaft bei einer verfassungswidrigen Partei - dieses dreifach -, dann ein Prüfungsbericht über den Mann, dann ein Einberufungsbescheid, ein Einplanungsvermerk in bezug auf die Besoldung, dann eine Dienstantrittsmeldung, eine Mitteilung an die Kasse über den Beginn seiner Eignungsübung, ganz zu schweigen von den Urkunden wie Geburts- und Heiratsurkunde, die erforderlich sind, dann die Arbeitsbescheinigung, ein Arbeitgeberzeugnis des Mannes, wo der Freiwillige gearbeitet hat, dann das Lehrzeugnis seiner vorangegangenen Lehre - wenn Sie die Papiere, die in einer Kompanieschreibstube für einen einzigen Freiwilligen geprüft und zum Teil ausgefüllt und weitergeschickt werden müssen, einmal aufeinanderlegen, stellen Sie fest - ich habe mir das angeschaut -, daß sie zusammen den Umfang einer wohlgenährten Wochenzeitung ausmachen, meine Damen und Herren. Und alles das muß die Schreibstube auf einer einzigen Schreibmaschine erledigen. Mehr Schreibmaschinen stehen ihr nicht zu.
Es steht ihr auch nicht etwa eine Sekretärin oder Stenotypistin zu, sondern das macht ein Soldat, und zwar in aller Regel ein junger wehrpflichtiger Soldat, der eigentlich draußen auf dem Kasernenhof ausgebildet werden sollte. Da er eine kaufmännische Lehre hinter sich hat und im Zivilleben im Büro gearbeitet hat, ist nur er für diese entsetzlichen Papierkriegsarbeiten tauglich. Infolgedessen wird er in die Schreibstube geholt. Da muß man schon Verständnis für den Kompaniechef haben; das geht gar nicht anders, zumal es bei dem Papierkrieg, den ich eben erwähnt habe, gar nicht aufhört.
Nun geht die eigentliche Arbeit nämlich erst los, nachdem die ganzen Einstellungspapierchen ausgefüllt, bearbeitet, registriert und weggeschickt worden sind. Nun bekommt der Mann eine Nummer. Er bekommt eine Ausbildungs- und Tätigkeitsnummer im gegenwärtigen Militärjargon heißt das „eine ATN". Das ist eine siebenstellige Nummer. Sie gibt an, für welche Dinge dieser Mann nach dem Urteil dessen geeignet ist, der ihn eingestellt hat, er bekommt also eine siebenstellige Einstellungs-ATN. Aber er sollte sich vielleicht später einmal in einer anderen Richtung entwickeln; das prognostiziert man nun und erteilt ihm gleich eine zweite siebenstellige Nummer. Das ist die HauptATN. Nun könnte es sein, daß er zwischenzeitlich auf einem anderen Dienstposten verwendet wird. Auch darüber erteilt man ihm sogleich eine siebenstellige Nummer. Das ist die Dienst-ATN. Nun kommt man vielleicht auf die Idee, daß der Mann später einmal in einer ganz bestimmten Richtung gefördert werden soll, besonders im Hinblick darauf, daß er eine sechs- oder zwölfjährige Dienstzeit vor sich hat. Deshalb bekommt er wieder eine siebenstellige Nummer. Das ist die Leit-ATN. Dann könnte es sein, daß sich im Laufe der Zeit ergibt, daß er eben doch nicht Radarfachmann wird, sondern daß er innerhalb des Fernmeldesektors Telefoniefachmann wird. Deshalb bekommt er noch eine Neben-ATN.
Ein solcher Satz von siebenstelligen Nummern wird nun dem Mann in die Akten geschrieben, und er muß sie durch seine Unterschrift anerkennen. Er muß begriffen haben, was da über ihn verfügt wird. Wenn er unterschrieben hat und wenn auch der Kompaniechef unterschrieben hat, dann geht es nach Bonn. Dann kann kein Mensch mehr etwas ändern. Nur Bonn kann noch etwas ändern. Wenn also nun der Kompaniechef von einem solchen Mann den Eindruck hat, daß er als Kraftfahrer doch nicht taugt, weil er nach seiner Persönlichkeit nicht zuverlässig genug oder weil seine Reaktionsgeschwindigkeit nicht groß genug ist, daß der Mann also vom Bock herunter muß und nicht Kraftfahrer werden kann, sondern eine andere Ausbildung bekommen muß, dann muß dieser arme Kompaniechef nach Bonn schreiben und darum bitten, daß die ATN-Nummer dieses Mannes geändert wird. Nach drei Wochen schreibt Bonn zurück: „Ja, das kann ja sein. Aber wir möchten das noch etwas näher begründet haben." Dann schreibt der Kompaniechef einen zweiten Brief nach Bonn an die Stammdienststelle. Wenn er Glück hat, ist das Ganze nach fünf oder sechs Wochen geregelt.
Inzwischen hat natürlich der verantwortungsbewußte Kompaniechef den Mann längst von dem Kraftfahrzeug herunter genommen. Es hätte ja etwas passieren können. Also in der tatsächlichen Ausbildung ist bereits alles längst im richtigen Lot. Aber der Papierkrieg hängt hinten nach. Mit dem Papierkrieg muß sich der arme Chef abquälen.
Übrigens ist es mit diesen Nummern noch nicht zu Ende. Der Mann bekommt noch viel mehr Nummern. Bei dem Papierkrieg, den der Kompaniechef mit der Stammdienststelle in Bonn führen muß, nützen diesen fünf Nummern gar nichts, obwohl sie sieben Stellen haben, wie ich eben erwähnt habe. Hier muß der Kompaniechef den Papierkrieg für den Schützen Meier unter einer Aktennummer führen, und zwar nicht unter der Aktennummer, die die Kompanie festgelegt hat, sondern unter der Aktennummer, die die Stammdienststelle in Bonn dem Schützen Meier gegeben hat.
Nrn könnte man meinen, damit wäre es genug. Nein, außerdem hat der Schütze Meier für das maschinelle Berichtswesen noch eine andere Nummer, die nur für ihn persönlich zutrifft. Aber damit noch nicht genug! Er hat außerdem noch eine Erkennungsmarke auf der Brust zu tragen, heute ist sie vereint mit dem Strahlendosimeter. Da steht auch eine Nummer drauf. Das ist wieder eine andere Nummer. Es wäre ja schrecklich, wenn die Nummern übereinstimmten; das wäre viel zu einfach.
Nun geht es weiter. Jetzt hat der Mann noch einen Truppenausweis. Da steht wieder nicht die Nummer seiner Erkennungsmarke drauf, da steht auch nicht die Nummer für das maschinelle Berichtswesen drauf. Da steht keine der bisher erwähnten Nummern drauf, sondern da steht wieder eine ganz andere Nummer drauf. Außerdem ist der
Schmidt ({6})
Truppenausweis auch noch laufend numeriert; er hat also zwei Nummern. Damit ist es immer noch nicht genug. Außerdem trägt der Mann wieder eine andere Nummer in bezug auf die Besoldung durch die Bundeswehr, da hat er also wieder ein anderes Kennzeichen.
Wenn ich die Aufzählung vollständig machen will, muß ich noch erwähnen, daß schließlich und endlich - ich glaube, wir sind bei Nummer 12 oder 13 - der Mann auch noch persönlich eine Stärke-und Ausrüstungsnachweisnummer, eine Stan-Nummer, hat.
Das ist geradezu horrend. Über all diese vielen Nummern, die der Mann trägt, muß der arme Kompaniechef, d. h. sein Schreiber, d. h. der wehrpflichtige Soldat, der eigentlich auf dem Kasernenhof stehen und ausgebildet werden sollte, in der Schreibstube Buch führen; sonst vergißt man sie ja. Der Mann selber kann die Nummer nicht behalten. Stellen Sie sich das einmal vor! Infolgedessen sitzen die Kompaniechefs der Bundeswehr je nach den Erfahrungen, nach dem verwaltungsmäßigen Können ihrer Schreibstubenleute und ihres Spießes mindestens zwei, in aller Regel drei und in vielen Fällen vier Stunden am Tage am Schreibtisch und müssen Unterschriften leisten. Wenn die schmutzige Wäsche zur Wäscherei gegeben wird, muß ein Offizier bescheinigen, wieviel Unterhosen und wieviel Hemden da sind.
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- Natürlich hat er sie nicht selbst gezählt, sondern er unterhaut das blind, wie er ja in all diesen Fällen des Papierkriegs für Dinge, die er gar nicht mehr kontrollieren und übersehen kann, blind Unterschriften leisten muß.
Meine Damen und Herren, dabei wäre der Kompaniechef - jetzt wird es wieder etwas ernster - auf dem Kasernenhof und auf dem Ausbildungsplatz wirklich dringend notwendig. Da gehört nämlich der Kompaniechef hin; er gehört nicht in die Schreibstube. Das Verteidigungsministerium zwingt ihn, in der Schreibstube zu sitzen, um den Papierkrieg zu führen. Aber er gehört zur Ausbildung, insbesondere deshalb, weil es ihm in seiner Kompanie an einem erfahrenen Kompanieoffizier fehlt. Das ist auch ganz natürlich. Wir haben eben diese Lücke in dem Nachwuchs. Das ist ganz zwangsläufig. Er kann gar keinen erfahrenen Oberleutnant oder erfahrenen Leutnant haben. Er hat bestenfalls einen blutjungen Offizier, dem er keinswegs allein die Ausbildung anvertrauen kann, sondern den muß er ja selber erst in der Ausbildung anlernen.
Nehmen Sie einmal einen Fall wie damals das Iller-Unglück; das passierte doch deshalb, weil der Kompaniechef gezwungen war, in der Schreibstube Papierkrieg zu führen, und weil er gezwungen war, die Ausbildung von Unteroffizieren leiten und überwachen zu lassen, die dieser Aufgabe noch nicht gewachsen waren.
Der Mangel an jungen Offizieren ist natürlich zwangsläufig, nachdem so viele Jahre dazwischen fehlen. Auch die Überalterung des Offizierskorps im
allgemeinen ist zwangsläufig. Aber ich meine, man sollte die Gefahren, die in der Überalterung des Offizierskorps der Bundeswehr liegen, nicht unterschätzen, insbesondere nicht die Gefahr, die darin liegt, daß die Bundeswehr über eine allzu große Zahl von wiedereingestellten Stabsoffizieren verfügt.
Wir haben geradezu eine Inflation von Stabsoffizieren in der Bundeswehr. Nur der allergeringste Teil von ihnen wird in der Truppe verwendet, kann in der Truppe verwendet werden. Die große Masse ist in den vielerlei Stäben und Dienststellen tätig.
Ich habe einmal im Haushalt der Reichswehr nachgeblättert. Meine Damen und Herren, in Reichswehrzeiten kamen auf 1000 Soldaten 7 Stabsoffiziere. In der Bundeswehr kommen auf 1000 Soldaten 40 Stabsoffiziere, wobei, wie ich bemerke, die 40 Stabsoffiziersstellen alle besetzt sind, während die Mannschaftsstellen im Haushalt nicht alle besetzt sind, sondern erst im Laufe des auf das Haushaltsjahr folgenden Halbjahres besetzt werden. In der Reichswehr kamen auf 1 Stabsoffizier 3 Leutnante und Oberleutnante. In der Bundeswehr haben wir mehr Stabsoffiziere als Leutnante und Oberleutnante. Es ist ganz klar, daß man sich Leutnante und Oberleutnante nicht aus dem Handgelenk schütteln kann; aber mir erscheint es als durchaus fraglich, ob man diesem Mangel damit begegnen kann, daß man um so mehr Majore, Oberstleutnante und Obersten schafft. Alle diese älteren Herren können natürlich nur in den Dienststellen und in den Stäben beschäftigt werden; und wenn sie dort sitzen und ihre Stellung haben, wollen sie auch etwas tun. Was bleibt ihnen da anderes übrig, als Papierkrieg anzufangen, den die Truppe unten bewältigen muß.
Der Bundesverteidigungsminister hat neulich einmal in einer Unterhaltung, in der über dieses Problem gesprochen wurde, gesagt, er gebe zu, das sei eigentlich gar kein Personalkegel in der Bundeswehr; er hat selber den Ausdruck geprägt, es sei eigentlich mehr ein „Bundesbürger mit fettem Bauch." Es ist eine sehr lustige, aber treffende Formulierung. Diese Sache läßt sich nicht unbedingt von heute auf morgen regulieren, aber ich meine doch, daß das Ministerium nun langsam dazu kommen muß, Konsequenzen zu ziehen. Unter diesem Aspekt halte ich persönlich es für gut, daß z. B. niemand mehr zum Major befördert werden kann, der nicht eine Stabsoffiziersprüfung abgelegt hat. Ich finde das ausgezeichnet. Übrigens sollte man das auch, scheint mir, für Reserveoffiziere vorschreiben. Man sollte aber auch eine Konsequenz daraus ziehen: Wer nämlich diesen Lehrgang nicht besteht, wer die Qualifikation zum Major nicht bekommt, der muß nun aber nach einer angemessenen Zeit aus der Truppe herausgezogen werden und in die Nachschuborganisation oder sonstwohin getan werden, und nach einer angemessenen Zeit muß er überhaupt ausscheiden und den Platz für jüngere Leute frei machen. Der Begriff der Majorsecke aus dem Kaiserreich wäre, so scheint mir, ganz praktisch für die heutige Bundeswehr. Ich würde diese Ecke nicht nur beim Major, sondern auch bei den
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nächstfolgenden Stabsoffiziersdienstgraden für
durchaus zweckmäßig und angemessen halten.
Vielleicht wäre es gut, wenn die seit langer Zeit angekündigte Verordnung über die Altersgrenzen in der Bundeswehr nun wirklich bald mal in Kraft träte. Sicherlich, man kann mit solchen Maßnahmen dem Mangel an jungen Offizieren nicht begegnen. Aber man könnte auch auf diesem Gebiet etwas tun.
Weswegen klammert sich eigentlich die Bundeswehr so an die Voraussetzung des Abiturs?
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Die Luftwaffe hat einen großen Bedarf an Flugzeugführern, an jungen Offizieren als Flugzeugführer. Die Amerikaner haben es längst aufgegeben, dafür die formelle Voraussetzung des Abiturs zu verlangen. Der Mann soll sein Flugzeug führen können, darauf kommt es an. Weswegen ist das bei uns in Deutschland nicht möglich?
Zweifellos hat der Soldat Anspruch darauf, von einem gebildeten Offizier geführt zu werden. Aber ich möchte fragen: Bietet eigentlich das Zertifikat des Abiturs wirklich eine Gewähr für die Bildung dieses Vorgesetzten?
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Ich meine, es gibt auch außerhalb des gymnasialen Bildungsstandes Tausende von fähigen und geistig wohlausgerüsteten jungen Männern in Deutschland, insbesondere Männern, die in der Lage sind, ein Flugzeug zu führen.
Wenn Sie schon nicht über Ihren konservativen Schatten mit dem Abitur springen können, weswegen geben Sie dann nicht wenigstens jungen Unteroffizieren, von denen Sie das Gefühl haben, daß sie etwas taugen und fähig sind, die praktische Möglichkeit, nach kurzer Dienstzeit in die Oiffizierslaufbahn überzuspringen? Ich weiß, daß das theoretisch möglich ist. Aber ich weiß, daß die praktischen Fälle in der Bundeswehr geradezu mit der Lupe gesucht werden müssen. Es sind aus alten Zeiten eine große Zahl von Offizieren heute in der Bundeswehr, die kein Abitur haben. Die sind aber nicht unter der Federführung des gegenwärtigen Verteidigungsministers oder seines Vorgängers das erstemal Offizier geworden, sondern unter der Federfühung seines Vorvorgängers.
Ich meine also, daß diese fast lückenlose Wiederherstellung der formellen Bildungsschranke für den Zugang zur Offizierslaufbahn ein Rückschritt und daß es außerdem eine sehr unpraktische Schranke ist. Denn der Mangel an jungen Offizieren ist sehr groß. Ein 42jähriger Kompaniechef ist auf die Dauer genauso ein Unding wie ein 38jähriger Feldwebel und Zugführer. Ein 40jähriger - ich bin 40 Jahre alt, meine Damen und Herren - kann dem 19- oder 20jährigen Soldaten nicht mehr das vormachen, was ihm vorzumachen er eigentlich können müßte. Das ist ganz ausgeschlossen. Und ein Ausbilder, der dem Auszubildenden das nicht vormachen kann, was der tun soll, ist auf die Dauer nicht am richtigen Platz. Der Altersabstand der heutigen Truppenvorgesetzten gegenüber der Jugend, die
eingezogen wird, ist einfach zu groß. Es wird Zeit, daß hier Abhilfe geschaffen wird.
Es gibt einen bestimmten Teil des Offizierskorps, der nicht so überaltert ist; das sind die Generalstabsoffiziere. Das hängt damit zusammen, daß sie so schnell befördert werden.
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Ich will hier nichts Schlechtes über ,die Generalstabsausbildung sagen. Ich bedaure nur sehr, daß man gemeint hat, es sei unbedingt notwendig, denen wieder ein besonderes Abzeichen zu geben. Ich höre mit großen Bedenken, daß einige von ihnen schon wieder davon träumen, sich rote Hosen anziehen zu können. Ich wäre dankbar, wenn Herr Strauß die Gelegenheit benutzte, um einmal offiziell klarzustellen, daß diese Absicht nicht besteht. Sonst müßte man die Generalstabsoffiziere an die Tradition eines großen deutschen Generalstabschefs erinnern, der das Wort in die Welt gesetzt hat: „Mehr sein als scheinen." Das mit den roten Hosen schlägt dieser Tradition geradezu ins Gesicht.
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- Mit den roten Streifen an der Hose; aber sehr breiten Streifen, Herr Kollege Vogel.
Ich möchte noch eine Einzelbemerkung zur Personalwirtschaft machen. Uns scheint es ein ausgesprochener Mangel im Einzelhaushalt des Verteidigungsministeriums zu sein, daß für Offiziersplanstellen keine Stellenbewertung vorgenommen wird, wie das für sämtliche Beamtenstellen aller übrigen Einzelpläne selbstverständlich ist. Hier ist dem Ministerium eine sehr große Dispositionsmöglichkeit geboten, die uns nicht zweckmäßig erscheint.
Nun möchte ich einige Bemerkungen über das Unteroffizierkorps anknüpfen. Ich meine, daß wir beim Aufbau der Bundeswehr die Probleme der Unteroffiziere noch wichtiger nehmen sollten als die Probleme im Offizierkorps.
Dieser Bundestag kann, meine ich, stolz sein auf die Verdienste, die er sich bei der Einstufung der Unteroffiziersdienstgrade erworben hat, allein schon bei der rein besoldungsmäßigen Einstufung, die leider Gottes in Deutschland sehr häufig den Anhaltspunkt für die allgemeine Wertschätzung und gesellschaftliche Einstufung bildet. Das Parlament hat insbesondere bei den höheren Unteroffiziersdienstgraden die Einstufung sehr angehoben: es hat die neuen Stabsfeldwebel- und Oberstabsfeldwebelstellen geschaffen, die dem mittleren gehobenen Dienst gleichkommen. Meine Parteifreunde können hier besonders zufrieden sein, daß das geglückt ist.
Das Hauptmotiv, das das Parlament bei diesen Bemühungen gehabt hat, war, dem Unteroffizier wirkliche Entwicklungsmöglichkeiten zu geben, ihm die Möglichkeit zu geben, sein Selbstbewußtsein wachsen zu lassen, einen natürlichen Berufsstolz zu entwickeln, einen Berufsstolz, bei dem er es nicht nötig hat, sich auf die verkrampfte Machtausübung gegenüber Untergebenen .abzustützen.
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Die Himmelstoß-Typen, die Platzek-Typen, die es in Deutschland und auch in anderen Militärländern immer wieder gegeben hat, die es in Deutschland in besonders hohem Maße gegeben hat, kamen doch eigentlich immer nur dort vor, wo die Unteroffiziere durch das Offizierkorps als Pufferschicht gegenüber der Masse der Soldaten mißbraucht wurden, sie kamen dort vor, wo man dem Unteroffizierkorps, wo man dem einzelnen Unteroffizier nicht die Möglichkeit gegeben hat, sich selber frei nach seinen Fähigkeiten und Leistungen zu entwickeln. Diese Platzek-Typen sind das Symptom, das Ergebnis einer Situation, in der die Tendenz bestand, auf jeden Fall ,den Unteroffizier in seiner subordinierten Stellung zu halten.
Diese Vergangenheit, meine Damen und Herren, scheint mir allerdings in der Bundeswehr noch nicht überall überwunden zu sein, gerade was die Einstellung gegenüber dem Unteroffizierskorps angeht. Mir scheint, daß wir ein besonderes Augenmerk auf diesen Punkt richten sollten. Ich gebe Ihnen auch hier ein paar Beispiele.
Es war z. B. die Absicht bei der Hebung dieser höheren Unteroffiziersdienstgrade, wohldotierte Stellen für qualifizierte Techniker in der Bundeswehr zu schaffen, die dort etwa den Rang eines Feldwebels. oder Hauptfeldwebels haben, z. B. für einen Hauptbootsmann in der Marine, der als Fachmann zwei Dieselmotoren zu je 6000 PS zu fahren hat, oder z. B. für einen Hauptfeldwebel bei der Luftwaffe, der als Oberwerkmeister die Aufsicht, das heißt nicht die Dienstaufsicht, sondern die technische Leitung, die arbeitsmäßige Organisation in einer großen Flugzeughalle hat, wo Flugzeuge repariert werden, mit 80 bis 100 Soldaten, die da arbeiten, und mit 40 oder 50 Zivilarbeitern, Facharbeitern, die da arbeiten. Solchen Leuten wollten wir eine entsprechende Aufstiegsmöglichkeit geben. Aber was geschieht in der Praxis? In der Praxis müssen dieser Bootsmann und dieser Oberwerkmeister, wenn sie nun also Stabsfeldwebel und Oberstabsfeldwebel werden wollen, eine Verwaltungsprüfung machen; und da werden sie geödet mit Dingen, die sie nie in ihrer Praxis erlebt haben und die sie in ihrer Praxis nie brauchen werden. Bei dieser Verwaltungsprüfung sind sie dann natürlich ihren Konkurrenten, die beispielsweise aus der Rechnungsführerlaufbahn emporgestiegen sind, weitgehend unterlegen. Die Prüfungen sind völlig verwaltungsmäßig zugeschnitten. Sie sind aber auch für das Zivilleben nicht zu gebrauchen. Ein Unteroffizier oder ein Feldwebel etwa, der heute ein Patent hat, auf Grund dessen er bei der Marine bestimmte Schiffe fahren oder bestimmte Schiffe steuern darf, kann mit diesem Patent nachher draußen in der zivilen, der Handelsschiffahrt nicht ohne weiteres etwas anfangen. Ich glaube, nicht einmal ein Militärführerschein für ein Kraftfahrzeug gilt draußen etwas, und umgekehrt. Das heißt also: ein Oberwerkmeister, der in der Bundeswehr eine Prüfung zum Stabsfeldwebel macht, kann gar nicht damit rechnen, daß diese Prüfung draußen in seinem Beruf anerkannt wird. Sie wird mit Recht nicht anerkannt, kann nicht anerkannt werden,
denn sie ist auf reine Verwaltung und allgemeine militärische Kenntnisse abgestellt.
Ich glaube, hier ist sehr viel zu tun. Wenn ich einen Oberwerkmeister in seinem Beruf, in seiner Spezialfunktion fördern will und das von einer Prüfung abhängig mache, dann soll diese Prüfung so beschaffen sein und von solchen Fachleuten abgenommen werden, daß sie ihm auch später in seinem Zivilleben etwas nützt, daß er das Prüfungszeugnis dort vorzeigen kann. Außerdem wäre unter dem Stichwort „Offiziersmangel", nachdem der Verteidigungsminister sich jetzt entschlossen hat, seine Inspektoren, Oberinspektoren und Amtmänner, die bei der Truppe den Wehrsold auszahlen und die Verpflegung ausgeben, in Uniform zu stecken und ihnen militärische Dienstgrade zu verleihen, angesichts dieser Absicht vielleicht zu überlegen, ob das Verhältnis gegenüber den Stabs-und Oberstabsfeldwebeln noch in Ordnung ist, die wir ja doch in den mittleren gehobenen Dienst eingebaut haben, d. h. die den Rang eines Inspektors, Oberinspektors und Amtmannes haben sollten. Ich glaube, daß dies noch zu prüfen sein wird, ehe man zur Tat schreitet.
Da ich von der Verwertbarkeit der in der Bundeswehr erworbenen Kenntnisse bei den Feldwebeln und Unteroffizieren gesprochen habe, möchte ich darauf hinweisen, daß der berufsfördernde Unterricht, auf den diese Soldaten Anspruch haben, zwar im Gesetz steht, aber bisher praktisch an den meisten Stellen nicht verwirklicht werden konnte.
Ich will manchen anderen Aspekt des Unteroffiziersproblems beiseite lassen. Mein Freund Frenzel wird insbesondere zu der für die Unteroffiziere besonders schwierigen Wohnungsfrage sprechen. Ich persönlich möchte dem Verteidigungsminister nur empfehlen: Gehen Sie doch einmal, Herr Strauß, zu Ihrem Kollegen, dem Herrn Wohnungsbauminister! Vielleicht gelingt es Ihnen, ihm klarzumachen, daß die sogenannten sozialen Mieten völlig untragbar sind. Sie jedenfalls können es aus Ihrer Bundeswehr heraus beweisen. Was da den Unteroffizieren an Mieten zugemutet wird, ist völlig unerträglich und eigentlich unverständlich.
Meine Damen und Herren! Ich will versuchen, das zusammenzufassen, und möchte sagen: Für die auf Zeit und auf Lebenszeit dienenden Unteroffiziere und Feldwebel müssen Bedingungen geschaffen werden, unter denen sie persönlich etwas leisten können und unter denen sie auf Grund ihrer persönlichen Leistungen aufsteigen können. Es müssen Bedingungen geschaffen werden, unter denen sie das Gefühl bekommen können, einen eigenständigen Wert im Verhältnis sowohl zu den Offizieren in der Bundeswehr als auch im Verhältnis zur zivilen Umwelt zu haben.
Ich glaube nicht, daß der Herr Verteidigungsminister auf dem richtigen Wege ist, den Berufssoldaten ein eigenständiges gewachsenes Lebensgefühl zu geben, wenn ich mir z. B. die Heiratsordnung ansehe, die er jüngst erlassen hat. In dieser Heiratsordnung steht: Die Braut soll aus ehrbarer Familie stammen, sie darf keine Beziehun3918
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gen zu staatsfeindlichen Kreisen haben usw. usw. Wie ist das eigentlich, Herr Verteidigungsminister, wenn die Braut nun doch ein uneheliches Kind ist? Ist die Familie dann noch ehrbar, oder wie ist das gemeint? Und wenn der Vater der Braut ein Trinker wäre,
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was hat das mit der Braut zu tun? Und wenn der Vater einmal Kommunist gewesen wäre, was hat das mit der Braut zu tun?
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Ich möchte wissen, meine Damen und Herren, mit welchem Recht auf Grund dieses Heiratserlasses sich der Dienstvorgesetzte in die höchstpersönlichen Angelegenheiten der Soldaten einmischen soll.
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Ich möchte wissen, mit welchem Recht jemand anordnen kann, daß über die Braut des Soldaten in der die Personalsachen des Soldaten bearbeitenden Dienststelle eine Akte angelegt wird. So steht es nämlich darin. Das scheint mir mit unseren Vorstellungen von einem freiheitlichen Staat schlechterdings unvereinbar zu sein.
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Ich kann mir nicht vorstellen, daß z. B. das Ministerium oder seine Personalabteilung eine Akte über die Braut eines Ministerialrats anlegt. Das tut man offenbar nur bei Unteroffizieren.
Da ich bei den Übergriffen gegenüber der persönlichen Freiheit bin, möchte ich auch einen oder zwei Sätze über den militärischen Abwehrdienst sagen, im Militärjargon MAD genannt. Das ist auch ein Thema, das man in der Truppe häufig berührt und bei dem es viel Kritik gibt. Dieser MAD ist in der Sache sicherlich irgendwie notwendig; ich will das nicht bestreiten. Aber die Methoden, mit denen diese Einrichtung arbeitet, sind zum Teil dilettantisch. Da wird die staatspolitische Zuverlässigkeit von Soldaten, die längst Vorgesetzte, die längst Kommandeure sind, nochmals geprüft. Aber mit welchen Methoden! Da fragt man deren Nachbarn, Onkel und Tanten aus, und wer früher mal mit ihm ein Bier getrunken hat, der gibt ein Urteil über die Zuverlässigkeit des Hauptmanns oder des Feldwebels ab; und dann wird in der Stille ein Urteil darüber gefällt, ob dieser Mann geeignet ist, Träger militärischer Geheimnisse dieses oder jenes Grades zu werden. In manchen Fällen kommt man dann zu dem Ergebnis, daß er nicht geeignet ist, und das wird ihm mitgeteilt; ihm wird aber nicht mitgeteilt, auf Grund welcher Tatsachen man zu diesem Ergebnis gekommen ist. Ihm wird keine Möglichkeit gegeben, sich zu den Tatsachen zu äußern, die zu dieser Abqualifikation geführt haben, sondern er muß das hinnehmen. Er muß auch all die Laufbahnnachteile und Berufsnachteile hinnehmen, die mit dieser Abqualifikation begründet werden. Er erfährt nicht, warum und wieso, und kann sich nicht äußern. Ich meine, daß hier tatsächlich die Grenzen des Rechtsstaats angeritzt, nein, verletzt sind.
Auf der anderen Seite ist aber dieses selbe Verteidigungsministerium überaus großzügig. Durch Zufall hat ein Bonner Journalist neulich herausgebracht, daß da ein Adjutant des Inspekteurs der Luftwaffe sich unter einer Reihe von betrügerischen Manipulationen, falscher Dienstgrad angegeben und alles mögliche, in die Bundeswehr hineingemogelt hat. Er wurde sogar Adjutant von einem General. Und dann hat man das gemerkt. Man hat ihn hinausgeworfen. Man hat ihn nicht etwa beim Staatsanwalt angezeigt, man hat ihn ganz klamm-heimlich entfernt. Durch Zufall hat es jemand in die Presse gebracht. Und dann ist der Staatsanwalt von sich aus aktiv geworden. Er hat den Mann gegriffen; er hat ihn sogar verhaftet. Die Bundeswehr hat nichts getan. Wenn man gegenüber so offenkundig defraudanten Fällen, in denen der Staatsanwalt das Vergehen für so groß hält, daß er den Mann sofort einbuchtet, eine solche Großzügigkeit an den Tag legt, dann kann ich es schlechterdings nicht verstehen, daß einem Offizier die Qualifikation, Geheimnisse bewahren zu können, abgesprochen wird, weil er früher einmal mit Kommunisten oder mit Sozialdemokraten oder ähnlichem Gelichter zusammen Bier getrunken hat. Das paßt nicht zusammen.
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- Ja, ja ich habe da meine Beispiele. Ich kann Ihnen ,auch Einzelheiten bringen, wenn Sie es wünschen. Ich kann Ihnen Beispiele dafür geben, daß Leute leinfach hinausgeworfen wurden, weil sich nachträglich herausstellte, daß sie Sozialdemokraten waren.
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- Ja, es muß auch einmal einer eingestellt werden.
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- Das wäre auch sehr ungeschickt von Herrn Strauß gewesen, wenn er den Herrn Beermann nicht eingestellt hätte.
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Aber ich wollte gar nicht mit den Wehrexperten der CDU in ,einen Disput geraten, sondern ich wollte wirklich die materiellen Sorgen der Truppe vor Ihnen ausbreiten.
Ich möchte noch einmal zum Unteroffizier zurückkehren. Die Ausbildung einer Truppe steht und fällt mit den Ausbildern, cl. h. mit den Unteroffizieren. Unsere jungen Unteroffiziere sind heute noch sehr unsicher, insbesondere gegenüber dem jungen Facharbeiter, der da als Rekrut eingezogen wird, der vorher schon 350 oder 400 DM verdient hat, der in seinem Beruf etwas leistet und stolz darauf ist. Den jungen Unteroffizieren wird nicht genug Führung gegeben. Sie können sich nicht anlehnen, sie werden versetzt und verschoben, ein halbes Jahr in diese Kompanie, ein viertel Jahr auf jene Schule, dann wieder sechs Wochen auf diesen Lehrgang.
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Es ist ja keine Ruhe in der Truppe. Ich kenne ein Bataillon, das aus 1000 Soldaten besteht und voll aufgefüllt ist. Es sollte eigentlich 200 Unteroffiziere zur Ausbildung der Soldaten und für die Spezialistenstellen haben. Dieses Bataillon hatte zu einem bestimmten Zeitpunkt nur 99 Unteroffiziere; die anderen waren ,einfach persönlich, beruflich und charakterlich noch nicht so weit, daß man sie zu Unteroffizieren hätte befördern ,und mit einer entsprechenden Funktion hätte beauftragen können. Das Bataillon hatte also 1000 Soldaten, aber statt der 200 Unteroffiziere nur 99. Gleichzeitig hatte dieses Bataillon bereits den Befehl, binnen eines halben Jahres, man höre und ,staune, 170 Unteroffiziere zur Aufstellung eines zweiten Bataillons abzugeben. Das sind die Methoden, unter denen in der Bundeswehr die Ausbildung vor sich geht. Die Folge ist, daß der Kommandeur zwangsläufig Leute zur Ernennung zum Unteroffizier einreichen muß, die eigentlich nach seiner eigenen Beurteilung noch gar nicht so weit sind; die nachher ,gegenüber den Rekruten falsch auftreten, die sich durch forciertes Auftreten durchzusetzen versuchen und was derartiger Nachteile mehr sind. Hinzu kommt, daß dann auch noch die Kompaniechefs dauernd wechseln. Ich habe eine Kompanie erlebt, die innerhalb eines einzigen Kalenderjahres vier Kompaniechefs hatte. Stellen Sie sich einmal einen Industriebetrieb vor, wo im Laufe des Jahres in einer Halle der Meister viermal wechselt! Stellen Sie sich vor, was da los ist!
Als das öffentlich kritisiert wurde, hat Herr Strauß wörtlich gesagt: „Die Versetzungen und Kommandierungen der Bundeswehr sind das Ergebnis mühevoller Planung" - das glaube ich noch -, „die, soweit wie möglich, auf Truppe und Soldaten Rücksicht nimmt". Herr Verteidigungsminister, die Truppe lacht, oder wenn sie etwas taktvoller ist, zuckt sie auf diese Behauptung hin die Achseln. Auf die Truppe und auf die Soldaten wird bei dieser ganzen Personalwirtschaft nicht die Rücksicht genommen, die erforderlich wäre.
Wenn Sie, Herr Minister, unter Bezugnahme auf die Erfahrungen, die der Herr Kollege Müller-Hermann in der Öffentlichkeit dargeboten hat, gesagt haben, in der Bundeswehr gelte der Grundsatz: Qualität vor Quantität, dann müssen Sie wissen, darüber wird bei den Kommandeuren nur die Achsel gezuckt. Diese Herren sind sehr höflich und können es sich nicht leisten, öffentlich gegen das aufzutreten, was ihr ziviler Oberbefehlshaber sagt. Aber gehen Sie mal in die Truppe, fragen Sie die Kommandeure!
Sie haben z. B. einem Abgeordneten geantwortet
das war nicht ich -, er habe bei seiner öffentlichen Kritik alle diese Dinge „voreilig und im Gegensatz zu den Urteilen erfahrener Truppenkommandeure" beurteilt. So haben Sie wörtlich gesagt. Fragen Sie mal die erfahrenen Truppenkommandeure unter Umständen, wo diese es wagen, wirklich das zu sagen, was sie wissen und was sie denken! Jeder Kommandeur wird Ihnen bestätigen, daß das Tempo der Neuaufstellungen eine sorgfältige Ausbildung verhindert. Neulich hat mir ein Brigadegeneral, der Kommandeur einer Brigade oder einer Division - ich weiß es jetzt nicht genau -, wörtlich gesagt: Langsamer und weniger wäre in Wahrheit schneller und mehr. Ich glaube, der trifft den Kern der Dinge viel besser als Sie mit Ihrem offiziellen Statement.
Das liegt aber daran, daß Sie die Erfahrungsberichte der Truppe nicht lesen. Die Truppe muß alle vier Wochen einen Erfahrungsbericht einreichen. Darin bringt sie alle ihre Klagen vor. Sicher gibt es im Ministerium bestimmte Stellen, die diese Erfahrungsberichte auch abheften. Nur hat die Truppe nicht das Gefühl, daß sie zur Kenntnis genommen und daß dann auch die Sorgen behoben werden, die sie zum Ausdruck bringt.
Ich habe dem Verteidigungsminister neulich vorgeschlagen, er möchte sich doch einmal wie weiland Harun al Raschid verkleiden und als Oberleutnant bei der Bundeswehr eine Reserveübung machen, damit er sähe, wie es wirklich aussieht. Er meinte, dazu sei es zu spät, das ginge nicht mehr. Damit hat er wahrscheinlich auch recht; das geht nicht mehr.
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Aber Scherz beiseite! Warum führen Ihre Inspekteure nicht regelmäßig Konferenzen mit den Kommandeuren der Truppe durch, auf denen diese sich aussprechen, auf denen sie einmal frei von der
1 Leber weg reden können, wo ihnen nicht gleich einer übergezogen wird, wenn sie sich etwas zu freimütig äußern? Ich meine nicht solche Konferenzen - wie das jüngst auch einmal geschehen ist - mit Kommandeuren, auf denen man diese über die Anrede „Gnädige Frau", über den Handkuß und dergleichen Dinge belehrt hat. Das scheint mir ziemlich überflüssig zu sein.
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Das war nicht eine so ganz untergeordnete Stelle, an der das vorgekommen ist.
Wenn Sie diese Besprechungen mit den Kommandeuren hätten und wenn Ihre Inspekteure diese Besprechungen hätten, Herr Strauß, dann würden Sie wahrscheinlich Ähnliches zu hören bekommen
wie das, was der Abgeordnete Wehner hier in diesem Hause vor einem Jahr ausgeführt hat - das habe ich nämlich ,in der Truppe häufig zu hören bekommen -: Wenn man die unerhörten finanziellen Aufwendungen des Bundeshaushalts an dem mißt, was tatsächlich militärisch damit erzielt wird, dann scheint die Anstrengung unverhältnismäßig im Vergleich zum militärischen Effekt. Dem Sinne nach habe ich diese Bemerkung nun schon sehr häufig bei Truppenbesuchen gehört. Es wäre ganz gut, wenn Sie sich auch einmal anhörten und wenn Sie im Einzelfall versuchten, dahinterzukommen, was der Anlaß für dieses Urteil durch die Truppenvorgesetzten ist.
Das Vertrauen, das die Truppe in ihr Ministerium in Bonn hat, ist nämlich nicht sehr groß. Da gibt es böse Worte, die in der Truppe über das Verteidigungsministerium gebraucht werden. Leider, muß ich hinzufügen, hat, die Zivilcourage in Richtung
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nach oben, in Richtung Bonn, im Laufe dieser wenigen Jahre deutlich abgenommen.
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Das ist leider nicht nur eine Folge der sich festigenden militärischen Disziplin, sondern das ist eine Folge der militärischen Vorbilder, die von oben gegeben werden. Ich möchte eigentlich hinzufügen: seit der letzten Woche ist es auch eine Folge der zivilen politischen Vorbilder, die gegeben werden.
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Ich habe da neulich folgendes erlebt. Im Gespräch mit einem höheren Offizier wurde ein bestimmtes militärisches Problem behandelt. Ich sagte zu dem Herrn: Da muß aber der General XY - ich will den Namen einmal weglassen - dem Minister einen ganz klaren und deutlichen Vortrag über die Sache halten, das muß doch geregelt werden. Da sagte der Gesprächspartner: Was wollen Sie, die Helden sind müde geworden!
Wenn an diesem Stoßseufzer etwas Richtiges war, meine Damen und Herren, dann gibt er mir Anlaß zu folgender Bemerkung. Die Generalität, die hohen, führenden Offiziere im Verteidigungsministerium, sollten die Entschlossenheit dieses Hauses zur Durchsetzung dessen, was wir „Civil Control“ oder „politischen Oberbefehl" genannt haben, eine Entschlossenheit, in der wir uns nach wie vor einig wissen, nicht mißverstehen. Politischer Oberbefehl soll nicht heißen, daß der militärische Führer darauf verzichten darf, erforderlichenfalls auch seine Gegenvorstellungen zu erheben; er soll auch nicht heißen, daß der militärische Führer nicht gegebenenfalls auch Konsequenzen zieht und erträgt.
Ich verstehe z. B. heute noch nicht, daß die obersten militärischen Berater damals den Herrn Blank in seine utopischen Pläne hineinstolpern ließen, obwohl sie sehr genau wußten, daß diese horrenden Aufstellungspläne mit diesen Zahlen und in dieser kurzen Zeit nach militärischen Erfahrungen - und sie hatten Erfahrungen mit der Aufstellung deutscher Truppen z. B. aus Reichswehrzeiten; das waren Leute, die diese Erfahrungen noch selber gewonnen haben überhaupt nicht zu verwirklichen waren. Hier war ein Fall, wo der militärische Berater kraft seiner Sachkenntnis hätte sagen müssen: So geht es nicht! Ich kenne noch mehr Fälle aus den letzten Jahren, wo ich gewünscht hätte, daß jemand einmal die Konsequenzen gezogen hätte.
Täuschen Sie sich nicht, meine Herren: das Beispiel das Sie an der Spitze geben, wirkt in die Truppe hinein. Wenn ich vorhin mit Bedauern davon sprach, daß die Zivilcourage unserer uniformierten Staatsbürger deutlich im Abnehmen begriffen ist., so liegt das nicht zuletzt an dem Beispiel, das ihnen von oben gegeben wird. Das ist nämlich auch ein Gesprächsthema, das man in den Kantinen und in den Kasinos der Bundeswehr fast jede Woche berührt. Dort kann man fast jede Woche die eine oder andere Äußerung dazu in sich aufnehmen.
Es gibt noch sehr viele andere interessante Themen, die in den Kasinos und Kantinen berührt werden. Interessanter noch sind die Gespräche, wenn man sie unter vier Augen führen kann. Unter vier
Augen erfährt man, daß keineswegs alle Soldaten etwa mit der atomaren Ausrüstung einverstanden seien. Unter vier Augen erfährt man, daß keineswegs alle Soldaten für gewisse politische Reden, die ihr ziviler Oberbefehlshaber hält, auch nur Verständnis hätten. Gott sei Dank! Es hat mich sehr beruhigt, das im Gespräch mit den Soldaten zu erkennen.
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- Für mich hatten sie sehr viel Verständnis! Als ich zur Bundeswehr kam, hatte der Verteidigungsminister gerade der Presse verkündet, ich hätte die ganze Bundeswehr beleidigt. Als ich dann hinkam, habe ich davon nichts gemerkt, sondern ich wurde sehr freundlich und nett aufgenommen. Man hat mir viel mehr über die inneren Sorgen und Nöte der Bundeswehr erzählt, als dem Herrn Verteidigungsminister recht und lieb ist.
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Man hört z. B. im Kasino auch, und das hat mir Spaß gemacht, wie junge Fähnriche - das sind 22-bis 23jährige Offiziersanwärter - einen Militärpfarrer höflich haben abfahren .lassen, der ihnen etwas von der besonderen Standesehre des Offizierskorps vortragen wollte. Der Pfarrer hat mir keinen Spaß gemacht, wohl aber die jungen Leute, die das in einer glänzenden Form beantwortet haben. Das war eine befriedigende, eine beruhigende Erfahrung.
Man hört in den Kasinos auch freundlichen Spott z. B. über jene zivile Gesellschaft ehemaliger Offiziere, die heute vom Verteidigungsministerium offiziell mit der Schulung des Reserveoffiziernachwuchses betraut ist. Ich will das nicht weiter ausführen und will niemandem zu nahe treten. Was mich aber bei all diesen Gesprächen, die man dort mit anhört und selbst mit führt, immer wieder und immer noch beunruhigt, das ist das vorsichtige, allzu vorsichtige Tasten und das allzu vorsichtige Umgehen der Frage nach dem staatspolitischen Standort der Bundeswehr. Hier spielt im Gespräch der Soldaten die ungelöste Frage nach der Tradition eine große Rolle. Als neulich der Herr General a. D. R a m c k e in Freiburg der Bundeswehr zurief: „Ihr seid Fleisch von unserem Fleisch" - damit meinte er: Geist von meinem Geist -, hat der Divisionsgeneral der Bundeswehr die Tagung verlassen. Sehr gut und in Ordnung! Er hat also gewußt, daß das einfach nicht mehr geht, daß man sich davon abgrenzen muß.
Aber die eigene positive Substanz steht noch in Frage, meine Damen und Herren. Das ist mit dem bloßen Antikommunismus und mit dem NATO-Bewußtsein allein nicht zu schaffen. Ich gebe Ihnen ein Beispiel. Auf der Genfer Konferenz hat der Westen in seinem Friedensplan den Gedanken entwickelt, Deutschland innerhalb von zweieinhalb Jahren wiederzuvereinigen. Ich stelle Ihnen die Frage: ist die Bundeswehr eigentlich in der geistigen Verfassung, um innerhalb einer Periode von zweieinhalb Jahren vereinigt zu werden mit dem, was wir drüben haben? Das ist eine Frage, deren
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Beantwortung vielleicht einen guten Maßstab zur Beurteilung der geistigen Substanz unserer eigenen Soldaten abgibt.
Ist die Bundeswehr geistig stark genug, sich einem wie auch immer gearteten, wie auch immer organisierten und beaufsichtigten Verschmelzungsprozeß mit den Soldaten der DDR zu unterziehen? Wenn man diese Frage bejahen wollte - keiner von Ihnen wird sie heute bejahen können -, wenn man also zu einem Punkt in der Entwicklung kommt, wo man sagen kann: „Jawohl, das Risiko kann ich laufen, diese Frage kann ich nunmehr bejahen", dann wäre z. B. eine geistige Auseinandersetzung mit jenem Traditionsbild notwendig, das heute der Nationalen Volksarmee eingeimpft wird. Bei denen ist von den Bauernkriegen, von Gneisenau und Scharnhorst, von der 48er-Revolution - aber von der richtigen Seite dieser revolutionären Kämpfe - die Rede.
Meine Damen und Herren, gegen solche Traditionen kann man nicht antreten wollen mit der kaiserlichen Marinetradition und mit Schiffsnamen wie „Admiral Scheer" und „Admiral Hipper", - ehrenwerte Männer, gegen die ich nichts habe. Warum nennen Sie Ihre Kriegsschiffe statt dessen nicht „Graf Stauffenberg" oder „Julius Leber"?
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Es ist doch nicht damit getan, daß man immer wieder beschwichtigend von oben sagt, die auf der einen Seite und die ,auf der anderen Seite am 20. Juli seien alle honorige Leute gewesen. Es ist doch nicht damit getan, daß Sie immer wieder beschwichtigend von oben sagen, man brauche Zeit zur Bewältigung der Vergangenheit. Es fehlt auch hier bei der oberen militärischen und politischen Führung am Mut zum Beispiel.
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Herr Verteidigungsminister, wie auch immer der einzelne Offizier zum 20. Juli steht, ist denn in der Bundeswehr noch ein Zweifel daran möglich, daß der Oberst Graf Stauffenberg und daß der Sozialdemokrat Julius Leber - um bei diesen beiden Namen im Augenblick zu bleiben - für die Freiheit ihres Vaterlandes gefallen sind? Ist noch ein Zweifel daran möglich, daß sie schlechthin Vorbilder für die Zurückstellung der eigenen Person sind, daß sie schlechthin Vorbilder auch für persönliche Tapferkeit sind, auf die es beim Soldaten so besonders ankommt?
({35})
Weshalb zögern Sie? Ich weiß, daß Sie da einige tastende Versuche machen. Aber es ist mit der einen General-Beck-Kaserne in Sonthofen nicht getan.
Meine Damen und Herren, damit bin ich am Schluß. Wenn die Bundeswehr eine Armee des ganzen Volkes sein und werden soll, ist ihre Grundlage, ihre Tradition nicht allein ihre eigene, sondern unser aller Angelegenheit; mein Freund Lohmar wird dazu noch des näheren Ausführungen machen. Ich für meine Person möchte nur der Mehrheit dieses Hauses zurufen: Wenn wir nicht wollen, daß eine Militärkaste wieder entsteht, wenn wir
nicht wollen, daß die militärische Tradition eine Kastentradition wird, dann müssen wir uns alle darum bekümmern. Es ist nicht damit getan, meine Damen und Herren von der Rechten, daß Sie jedes Jahr, oder wann immer hier eine Wehrdebatte ist, mit sehr viel Beifall und sehr viel Aufmachung dafür sorgen, daß Ihre Anträge durchgehen. Kümmern Sie sich um Ihre Soldaten!
({36})
Bis jetzt stehen - ohne den Herrn Berichterstatter und ohne die Vertreter der Regierung - neun, eventuell sogar zehn Redner auf der Liste.
Ich gebe das Wort dem Herrn Abgeordneten Lohmar.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich an das Stichwort meines Freundes Helmut Schmidt: Tradition der Bundeswehr, anknüpfen. Es gehört offensichtlich zu den Eigenarten der öffentlichen Meinungsbildung in unserem Staat, daß eine problematische Sache der öffentlichen Aufmerksamkeit nur sicher sein kann, solange sie sich dem Zugriff einer Bürokratie noch entzogen hat.
Geist und Haltung der Bundeswehr sind ein typisches Beispiel dafür. Seit die deutsche Öffentlichkeit und der Deutsche Bundestag davon Kenntnis genommen haben, daß der „Staatsbürger in Uniform" das offizielle Leitbild der Bundeswehr sein soll, seit eine Reihe von Offizieren der Abteilung Innere Führung, humanistisch gebildet und mit guten Manieren, das Leitbild des Staatsbürgers in Uniform in Vorträgen, Versammlungen und Diskussionen im öffentlichen Bewußtsein verankern und dabei einigen Erfolg gehabt haben, wird über die Frage nach dem geistigen Profil der Bundeswehr kaum noch ernsthaft diskutiert.
Der deutsche Gewerkschaftsbund schickt dem Verteidigungsminister rote Nelken, weil er sich von der „Deutschen Soldatenzeitung" - dankenswerterweise - distanziert hat. Die meisten Offiziere der Bundeswehr haben vermutlich mittlerweile eingesehen, daß eine Diskussion zwischen Angehörigen der Bundeswehr und Gewerkschaftlern durchaus ihren guten Sinn für beide Seiten haben kann. Insofern ist ein Gespräch zwischen der Bundeswehr und der Öffentlichkeit in Gang gekommen.
Aber innerhalb der Bundeswehr werden heute zwei andere Fragen gestellt, die bisher aus dem Kontakt zwischen der Bundeswehr und der Öffentlichkeit ganz ausgeklammert worden sind. Die Offiziere und die Soldaten der Bundeswehr stellen die Frage - die Helmut Schmidt schon angesprochen hat - nach der Tradition, und sie stellen die zweite Frage nach den Wehrmotiven, nach den Gründen, weshalb sie eigentlich Soldat sind, wofür sie im Ernstfall einzutreten haben, kurz gesagt: welche Motive ihr Dasein als Soldat bestimmen sollen.
Die beiden Fragen können nicht von der Bundeswehr allein oder aus dem militärischen Bereich
heraus beantwortet werden. Deshalb, meinen wir, ist es an der Zeit, daß sich alle demokratischen Kräfte in diesem Staat bereit finden, die Frage nach der Tradition und die Frage nach den Wehrmotiven mit den Soldaten gemeinsam durchzusprechen.
Sie wissen, daß sich das Bundesministerium für Verteidigung einen Beirat für Innere Führung gegeben hat. Eine gute Sache! Aber vielleicht hat der Beirat für Innere Führung seine Diskussionen über Tradition, Sinn und Weg der Bundeswehr bisher gegenüber der Öffentlichkeit ein wenig zu sehr abgeschirmt, mehr jedenfalls, als es der Eigenständigkeit eines solchen Beirats wohltäte und als es der Sache entspräche. Nun, das muß nicht so bleiben.
Lassen Sie mich Ihnen die Problematik der Traditionsfrage von einem Beispiel her andeuten! Vor einigen Monaten hatte ich eine Unterhaltung mit dem Leiter einer Führungsakademie der Bundeswehr. Der Offizier suchte dem parlamentarisch interessierten Laien einen Zugang zur Traditionsfrage zu eröffnen und erzählte mir, während wir die Galerie von Generalsköpfen an den Wänden seiner Schule betrachteten, es werde niemand etwas dabei finden, wenn beispielsweise ein Arzt sich das Bild des alten Sauerbruch in sein Sprechzimmer hänge oder wenn man das Bild des Herrn von Humboldt in der Studierstube eines deutschen Philologen finde. Ebenso, meinte der General, sei es auch mit der Bundeswehr. Sie müsse sich ihre Vorbilder, also die Bestandteile ihrer Tradition, aus ihrem eigenen, aus dem militärischen Bereich suchen.
Hier liegt ein für die Demokratie und für die Streitkräfte selbst gefährlicher Trugschluß vor. Das Soldatsein ist kein Beruf, den man ,aus sich heraus rechtfertigen und irgendeiner anderen beruflichen - akademischen oder handwerklichen - Tätigkeit gleichsetzen kann. Der Soldat findet die geistige und moralische Berechtigung für sein Dasein und für sein Tun nur im Wesen der Gesellschaft, die sich ihn für ihren Schutz geschaffen hat. Deshalb können die militärischen Streitkräfte der Bundesrepublik Deutschland bei ihrer Suche nach einer Tradition, deren Gültigkeit heute unbestritten sein müßte, nicht bei Friedrich dem Großen anknüpfen, .am reaktionären Kaiserreich, dessen Ausläufern in der Reichswehr der Weimarer Republik oder bei der nationalsozialistischen Tyrannei. Die Bundeswehr und ihre Führung werden vielmehr nach solchen Traditionen Ausschau halten müssen, die eine Verbindung zwischen militärischer Pflichterfüllung und demokratischem Denken ermöglichen. Es sollte Aufgabe der Bundeswehr sein, zu verhindern, daß Namen wie Scharnhorst, Gneisenau oder vom Stein heute von der „Nationalen Volksarmee" mißbraucht werden, weil die Bundeswehreiner offenen und positiven Begegnung mit solchen Männern ausweicht.
({0})
Darüber hinaus mutet die Art, wie das Bundesministerium für Verteidigung sich der Bewältigung der Traditionsfrage nähert, einigermaßen merkwürdig an. Es gibt dazu eine Richtlinie des Verteidigungsministers, in der empfohlen wird, beispielsweise Traditionsräume einzurichten oder Kontakte mit den alten Soldaten überall da herzustellen, wo dies möglich ist, d. h. praktisch Kontakt mit den Traditionsv erb ändenaufzunehmen. Nichts wirklich die Sache Treffendes findet man aber in diesen Richtlinien über die geistige Problematik, die mit der Frage nach der Tradition aufgeworfen wird. Zudem weichen die Richtlinien in einigen wesentlichen Punkten von den Empfehlungen ab, die der Beirat für Innere Führung dem Ministerium gegeben hat. Es wäre interessant, für diese Abweichungen eine Erklärung des Ministers zu hören.
Darüber hinaus aber darf sich die Bundeswehr in ihrer Suche nach der Tradition nicht auf die soeben genannten Verbindungen von militärischer und demokratischer Tradition beschränken, sondern sie wird in ihr geistiges Konzept auch die allgemeine politische und gesellschaftliche Entwicklung einbeziehen müssen, die sich in den letzten 150 Jahren in Deutschland vollzogen hat. Es ist zu bedauern, daß wir in Deutschland im Gegensatz zu anderen Ländern keine einheitliche, keine für alle verbindliche demokratische Tradition haben. Aber ich meine, daß ein Offizierskorps, das die Vielfalt der Ideen und der Formen des Zusammenlebens in unserem Gemeinwesen als den entscheidenden Wert unserer Gesellschaft begreifen sollte, keinen Nachteil darin sehen sollte, daß wir in der Geschichte unseres Volkes der letzten 150 Jahre eine Mehrzahl solcher demokratischer Traditionen haben, die nebeneinander ihren Platz haben und die im geistigen Konzept der Bundeswehr ihren Platz finden müssen.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang noch ein paar Worte über die Art sagen, wie in der Bundeswehr die „Vergangenheit bewältigt" wird, wie man also versucht, mit dem „Dritten Reich" fertigzuwerden. In den schon erwähnten Richtlinien des Ministeriums sollte man genau auf die Formulierung achten, die da zum Problem „20. Juli" gefunden wird. Es heißt dort - ich zitiere -:
Ein Prüfstein dafür liegt in der gewissenhaften Auseinandersetzung mit dem Ereignis des 20. Juli 1944, das geistig bewältigt und gewürdigt werden muß.
So weit, so gut. Und dann geht es weiter:
Die Männer des Widerstandes wurden aus Gewissensgehorsam zu Märtyrern für die menschliche Freiheit und damit ebenso zu Vorbildern wie jene, die aus der Sicht ihres Verantwortungsbereiches in gewissenhafter Überzeugung und soldatischer Pflichterfüllung gehorchten.
Man bemerkt die leichte Akzentverschiebung, die sich hier andeutet, etwa im Vergleich zu den sehr klaren Worten, die der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Herr von Grolman, zum Problem des 20. Juli gefunden hat. Es wäre auch hier nützlich, wenn sich der Verteidigungsminister zu einem aufklärenden und vielleicht befreienden Wort entschließen könnte.
Jedenfalls sollte man nicht übersehen, wie diese Art von Bewältigung der Vergangenheit in der
Truppe ankommt. Ich habe hier vor mir eine Broschüre, in der ein von sich selbst offensichtlich überzeugter Einheitsführer die Stadt, in der seine Garnison zu Gast Ist, zu einem allgemeinen Fest einlädt. In dieser Festschrift ist die Rede von den Beziehungen zwischen den Einheiten, die in dieser Stadt seit einigen hundert Jahren Unterkunft gefunden haben, und der Bevölkerung. Seitenlang können Sie in dieser Einladung lesen, wie sich die Beziehungen zwischen Bevölkerung und Soldaten im 16., 17., 18. Jahrhundert gestaltet haben. Über die Zeit von 1933 bis 1945 lesen Sie die folgenden drei Absätze, die ich Ihnen nicht vorenthalten möchte. Ich zitiere - mit Genehmigung des Herrn Präsidenten -:
Als dann im schicksalschweren Jahre 1939 die aktiven Truppenteile am frühen Morgen des 21. August, nur von wenigen Einwohnern bemerkt, den Standort verließen, ahnte noch niemand die ganze Schwere der nun folgenden Jahre, an der Truppe und Bürgerschaft gleichermaßen zu tragen hatten.
Mit dem Einmarsch der US-Truppen im April 1945 schien die sehr zerstörte Stadt für immer aufzuhören, deutsche Garnison zu sein.
Aber 11 Jahre später, nachdem die Deutsche Bundesrepublik in die NATO einbezogen war und auf Grund vertraglicher Verpflichtung ihr Teil zur Verteidigung der freien Welt beizutragen hatte, zogen wieder deutsche Soldaten in die Stadt ein.
Das ist alles, meine Damen und Herren, was Sie in der Darstellung der Geschichte von Bevölkerung und Soldaten über das „Dritte Reich" und die nachfolgende Zeit lesen können! Auf diese Weise mogelt man sich in der Bundeswehr um eine wirkliche Bewältigung des Nationalsozialismus herum, und man tut es, weil Bundeswehrführung und Bundesregierung durch unklare und zwiespältig formulierte Erlasse dazu die Möglichkeit geben, anstatt ein Vorbild in der klaren Bestimmung dessen zu setzen, was der Bundeswehr nottut.
Ich meine deshalb, daß die Bundeswehr auf ihre Traditionsfrage eine unbefangene Antwort finden muß. Nur dann wird man auch die Frage nach den Wehrmotiven überzeugend beantworten können. Der Soldat soll eben für die Vielfalt unserer Lebensordnung einstehen, solange und soweit das in begrenztem Rahmen mit militärischen Mitteln überhaupt noch möglich ist. Und wenn er das soll, muß ihm der Wert dieser Lebensordnung und dieser Vielfalt klar sein; dann muß er verstehen, worin die Ablehnung etwa des Dritten Reiches ihren moralischen und geistigen Grund hat. Totalitäre Ideologien finden hier keinen Raum, auch nicht Vorstellungen, wie sie beispielsweise Herr Winfried Martini in der Dezember-Nummer des vergangenen Jahres der Zeitschrift „Wehrkunde" über die Wehrmotive des Bundeswehrsoldaten entwickelte. Herr Martini schloß seine Überlegungen in diesem Aufsatz sinngemäß mit der bemerkenswerten Feststellung: Es ist nicht Aufgabe des Soldaten, die Freiheit zu erkennen, sondern sie tapfer zu verteidigen.
({1})
Ich frage Sie, meine Damen und Herren, ob das etwas anderes ist als das Programm eines Landsknechthaufens, der sich heute für den und morgen für den zu schlagen hat.
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Ich erwähne diese Ansicht des Herrn Martini nicht deshalb, weil er in bestimmten katholischen Bevölkerungskreisen ein bemerkenswertes Echo findet oder weil seine Ideen besonders originell wären. Es hat immer Leute gegeben, die ihre Mitmenschen für inferiore Fehlleistungen der Schöpfung hielten, und es hat viele gegeben, die daraus eine - womöglich christliche - Ideologie gemacht haben.
Aber bemerkenswert ist, daß dieser Aufsatz des Herrn Martini in der „Wehrkunde", einer von der Bundesregierung geförderten Zeitschrift, bis heute seitens der Bundeswehrführung keine distanzierende Stellungnahme erfahren hat. Interessant war es für uns in den Ausschußberatungen auch, daß sich der Verteidigungsminister, auf den Artikel von Herrn Martini angesprochen, lediglich zu der lakonischen Bemerkung bereit fand, Herr Martini sei ein interessanter Mann, von dem man eben solche eigenwilligen Ansichten zu hören gewohnt sei. Das wissen wir auch, Herr Minister; aber uns interessiert, wie die Bundesregierung sich zu solchen Antworten auf die Frage nach der Tradition und nach den Wehrmotiven stellt und wie sie diese Problematik zu beantworten gedenkt. Wenn sich das Leitbild des Staatsbürgers in Uniform bewähren soll, muß die Frage nach der Tradition und nach den Wehrmotiven eine Antwort finden, die Soldaten und Demokraten gleichermaßen befriedigt.
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Die Aufgabe der Inneren Führung kann es in dieser Situation nicht sein, lediglich ein ehrlicher Makler zwischen den Gegnern und den Trägern des 20. Juli, zwischen Freunden und Widersachern etwa einer Friedrich-Ebert-Kaserne oder ein schweigender Zuschauer beim Streit um die Einbeziehung von Herrn Raeder oder Herrn Manstein in die Traditionsreihe der Bundeswehr zu sein. Die Innere Führung der Bundeswehr wird nur so lange und so weit führen, wie sie den Mut hat, die Soldaten und vor allem die Offiziere offen mit den Fragen zu konfrontieren, die beantwortet werden müssen und deren Beantwortung man nicht durch Kompromisse überspielen kann, sondern auf die man eine redliche Antwort finden muß.
Es wäre sicher falsch, wollte man annehmen, daß der Verteidigungsminister über diese Problematik nicht genau orientiert ist. Aber Herr Strauß hat seine eigene Art, dieser Problematik zu entgehen. Er sucht einen Ausweg beispielsweise - zusammen mit seinen Freunden aus der Riege der kalten Krieger innerhalb der Bundesregierung - in der Weise, daß er der psychologischen Rüstung in der Bundeswehr einen zivilen Ausläufer schuf: die berühmte, mittlerweile beinahe eingeschlafene Aktion „Rettet die Freiheit". Herr Strauß ging bei dieser Aktion von der nicht neuen Einsicht aus, daß man
etwas gegen den Kommunismus tun müsse. Ich möchte hier von vornherein unnötige Mißverständnisse ausräumen.
({4})
- Es ist sehr liebenswürdig, daß Sie mich darauf aufmerksam machen. Aber wir sind es seit langem gewohnt, Herr Kollege Dr. Zimmermann, daß uns die Kommunisten vorwerfen, eine „rechte" SPD-Führung verhindere die Durchsetzung des Willens der „linken" Mitglieder, und daß Sie sagen, eine „linke" SPD-Führung verhindere die Durchsetzung des Willens der „rechten" Mitglieder. Das ist keine Basis für ein ernsthaftes politisches Gespräch.
({5})
Uns ist genau bekannt, welche Anstrengungen die mitteldeutschen Kommunisten in den letzten Jahren unternommen haben, um eine halbwegs funktionsfähige und ideologisch sattelfeste Streitmacht auf die Beine zu stellen. Wir wissen, daß die SED auf vielen Wegen und mit zuweilen nicht einmal unwirksamen Methoden versucht, innerhalb und außerhalb der Bundeswehr Boden zu gewinnen. Sogar die Christlich-Demokratische Union ist jetzt Opfer eines solchen Versuchs geworden! Wir deutschen Sozialdemokraten fragen die Offiziere der Nationalen Volksarmee genauso, wie Kurt Schumacher 1951 im ersten Bundestag die Angehörigen der kasernierten Volkspolizei gefragt hat: „Wie lange wollen Sie noch den Weg unter den Fahnen des Kommunismus gegen Ihr eigenes Vaterland weitermarschieren?" Wir übersehen dabei nicht
um eine Formulierung meines Freundes Karl Mommer aufzugreifen -, daß es sich bei den Soldaten der Nationalen Volksarmee nicht nur um trojanische Pferde, sondern in vielen Fällen wahrscheinlich nur um Esel solcher Art handelt. Und wir haben uns deshalb gegen die Aktion „Rettet die Freiheit" mit aller Härte gewandt, weil wir in ihrer Zielsetzung und ihrer Methodik einen untauglichen und einen unehrlichen Versuch sahen und sehen, etwas Wirksames gegen den Kommunismus zu tun. Wer dem Kommunismus entgegentreten will, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, der darf sich nicht nur gegen ihn wenden, sondern er muß bereit sein, sich gegen das Totalitäre schlechthin zu wenden.
({6})
Wir Sozialdemokraten sehen eben nicht nur in der kommunistischen Ideologie und Politik eine Gefahr für unsere freiheitliche Verfassung, sondern auch in Ordnungen wie dem Spanien Francos, dem Portugal Salazars oder in dem „Catcher-Stil", den der Herr Bundeskanzler neuerdings in Deutschland heimisch zu machen gedenkt.
({7})
Wir sind weiter der Meinung, daß es nicht genügt, eine Aktion gegen irgend etwas zu starten, sondern daß wir eine Aktion für die Demokratie, ein Bemühen darum brauchen, deutlich werden zu lassen, worin sich denn die freiheitliche Grundordnung eines demokratischen Staates den Ideen und den Institutionen nach positiv von einer totalitären Ordnung unterscheidet. Wir wissen, daß der Widerstand gegen das Totalitäre und das Bemühen um eine solche positive Alternative nicht nur eine Sache der Regierung sein darf, sondern eine Aufgabe der gesamten demokratischen Gesellschaft sein muß. Demgegenüber sehen die Pläne der Bundesregierung zur psychologischen Verteidigung lediglich eine Art exekutiver propagandistischer Hilfestellung der Öffentlichkeit zugunsten der Pläne der Regierung vor und fördern damit geradezu die Unmündigkeit des Bürgers gegenüber einer als autoritär empfundenen Staatspolitik.
Eine solche psychologische Verteidigung brauchen wir nicht. Wir brauchen keine Manipulation der Menschen, wir brauchen keine schlauen Tricks gegen das Totalitäre, sondern wir benötigen eine großzügige politische Bildung, wir benötigen eine Toleranz im Denken und im Machtanspruch der in unserem Staat miteinander ringenden politischen Kräfte und Ideen. Das heißt für Sie, meine Damen und Herren von der gegenwärtigen Mehrheit, daß Sie sich mit der Vorstellung vertraut machen müssen, daß eines Tages in diesem Hause eine sozialdemokratische Mehrheit und eine sozialdemokratische Bundesregierung ebenso legitim das Steuer dieses Staates führen werden, wie Sie das heute für sich beanspruchen. Wir nehmen es Ihnen nicht übel, daß Sie die Macht behalten wollen. Aber wir halten es für staatspolitisch unverantwortlich, wenn Sie die Bundeswehr zu einem Instrument der Herrschaft Ihrer Partei zu machen gedenken.
({8})
Nichts anderes können Aktionen mit der Zielsetzung und im Stil wie die Aktion „Rettet die Freiheit" oder auch Veröffentlichungen wie das Hetzblatt „Mann in der Zeit",
({9})
das einer religiösen Gemeinschaft einfach unwürdig ist, im Ergebnis bewirken. - Ja, meine Damen und Herren, Sie müssen sich eben damit abfinden, daß Konrad Adenauer plus Karl Jaspers oder Franz Joseph Strauß plus Theodor Litt noch nicht das ausmachen, was die Sozialdemokraten unter einer freiheitlichen Staatsordnung verstehen.
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Die Bundeswehr soll keine „Schule der Nation" sein, aber auch kein christlich-demokratisches Parteiinternat. Sie ist die Einrichtung eines freiheitlichen Staates, dem wir alle angehören und den wir alle gemeinsam zu tragen verpflichtet sind. Vielleicht denken Sie darüber einmal gründlicher nach, als das in der bisherigen Politik des Bundesverteidigungsministeriums zum Ausdruck kommt.
({11})
Das Wort hat der Abgeordnete Kreitmeyer.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Ehe ich zu den
eigentlichen Ausführungen für meine Fraktion komme, möchte ich doch einige Bemerkungen zu dem machen, was hier bereits behandelt worden ist und was, glaube ich, einer vielleicht kleinen, aber doch wichtigen Richtigstellung bedarf.
Sehr verehrter Kollege Schmidt, es hat sicherlich in jeder Wehrmacht zu jeder Zeit Platzeks gegeben. Sie sind auch teilweise in den Filmen der Gegenwart festgehalten. Aber vielleicht war es mehr nur ein Versprechen: „eine besonders hohe Anzahl von Platzeks" hat es in keiner deutschen Armee zu keiner Zeitgegeben.
({0})
Lassen Sie mich als Beweis nur zweierlei anführen, was Sie in Ihren Reihen 'bestimmt genauso beurteilen und was auch Sie unterschreiben können. Eine Armee mit einer besonders hohen Zahl von Platzeks ist niemals zu den militärischen Leistungen in der Lage, die erwiesen worden sind,
({1})
ganz gleich, unter welchem Vorzeichen sie geschehen sind.
Es gibt aber noch einen viel untrüglicheren Maßstab. Das war die für uns ,alle leidvolle Gefangenschaft. Dort bewiesen sich Charaktere. Platzeks hätten dort wahrscheinlich eine furchtbare Abrechnung bekommen, was im umgekehrten Sinn ein interessantes amerikanisches Zeitstück, „Zeitenwende", schon für die Gegenwart festgehalten hat. Das ist eine Feststellung. Es wird von mir nichts beschönigt. Aber es ist, glaube ich, im Stil falsch, zusagen: Wir sind wieder die besonders Schlechten auf diesem Gebiet.
({2})
Die militärischen Berater, die ihre Unterschrift unter den Organisationsplan und den Aufstellungsplan von 1952 gegeben haben, muß man wohl in einem Punkte entschuldigen. Technisch gesehen ist es heute noch möglich, mit 20 000 Übergangsgehaltsempfängern - um es gleich in den Einzelplan 33 zu übersetzen - in 12 Monaten 18 Divisionen aufzustellen mit Waffen, die damals wie heute geschenkt sein müssen. Aber eines muß man doch wohl feststellen: daß die staatlichen, gesetzlichen Voraussetzungen und die noch nicht bewältigte Vergangenheit mit dazu beigetragen haben, daß man die Pläne nicht in ,die Praxis umsetzen konnte. Lassen Sie mich gleich hier zur noch zu bewältigenden Vergangenheit sagen: Die ist nur für uns Alte da. Mit der Jugend fangen wir auf dem Gebiet nichts an, es sei denn, wir beweisen durch unser Vorleben, daß wir die Vergangenheit bewältigt haben. - Und nun lassen Sie mich zu meinen eigentlichen Ausführungen kommen.
Herr Bundesverteidigungsminister, ich muß bei Ihrer Amtsbezeichnung. beginnen. Sie ist insofern etwas irreführend, als man meinen könnte, Sie würden die Verteidigung der Bundesrepublik mit Ihrer Organisation etwa decken. Ich glaube, man muß in dieser zweiten Lesung einmal ganz deutlich sagen: Sie sind zu neunzig Prozent ,der Verteidigungsminister der NATO-Streitkräfte, und zu zehn Prozent, sehr stiefmütterlich behandelt, marschiert so etwas Heimatverteidigung mit. Nachdem man nun über die ersten Runden der Aufstellungsschwierigkeiten hinweggekommen ist, wird es, meine ich, wohl Zeit - nicht zuletzt unter Iden aktuellen politischen Ereignissen -, Überlegungen anzustellen, ob nicht das Wehrsystem - das hier bereits von den Kollegen von ,der sozialdemokratischen Fraktion behandelt worden ist und wahrscheinlich nachher noch eingehend gewürdigt werden wird hinsichtlich des Verhältnisses zwischen, sagen wir es einmal kaufmännisch, Aufwand und Ertrag einer grundsätzlichen Revision bedarf.
Es gehören dazu einige Erkenntnisse, die nach meinem Dafürhalten heute nicht mehr von der Hand zu weisen sind, von denen hier bereits vor Jahresfrist die Rede war und die uns durch niemand anderen - kompetenter, glaube ich, geht es wohl nicht mehr - als den ehemaligen ersten Soldaten der Vereinigten Staaten, ,den heutigen Präsidenten der USA, in dem konkreten Falle Berlin so deutlich vor Augen geführt worden sind.
Unter Verwertung dieser Erkenntnisse und in völliger Übereinstimmung mit der Kritik, die bisher geübt worden ist und die bis in die kleinen Details hinein gegangen ist, sollte man doch folgende Überlegungen anstellen.
Das, was hier in scherzhafter Form der „Türke" genannt worden ist, ist, nun, ich möchte beinahe sagen, eine militärische Erscheinung, die zu allen Zeiten mit zum Militärwesen gehört; und der „Türke" an sich ist noch nicht das Schlechteste,
({3}),
wenn die Erkenntnisse, die, bis die letzte Schauvorführung absolviert wird, gewonnen werden, nicht untergehen unter dem Eindruck des so wunderbar gelungenen „Türken".
Eine Kritik glaube ich hier verstärken zu müssen. Meine sehr verehrten Kollegen, die Aufforderung: „Kümmern Sie sich um die Bundeswehr!" können wir gar nicht direkt genug nehmen; denn sie gibt uns die beste Möglichkeit im Gespräch, in der politischen Fragestunde. Solche Fragestunden werden jederzeit genehmigt werden; und nicht nur genehmigt: ich habe den Eindruck, die Kommandeure sind unendlich froh, wenn Abgeordnete die Wünsche mit entgegennehmen.
Aus dieser Situation heraus darf man wohl sagen: Betrachten und vergleichen Sie einmal die Zahlen der für die Verwaltung erforderlichen Menschen, der Beamten, Angestellten und Arbeiter! Dabei eine kleine Korrektur. Ich glaube Herr Kollege Schmidt, eine Schreibkraft ist jetzt überall vorhanden,
({4})
denn nur so ist die Zahl von 42 000 Arbeitskräften zu erklären. Sie soll um Gottes willen erhalten bleiben, denn durch den von Ihnen sehr richtig geschilderten Papierkrieg findet sich nur noch eine Kraft durch, die nicht etwa alle sechs Monate wechselt, sondern die bleibt. Im Hinblick auf das Prinzip der Wirksamkeit sollten wir doch überlegen, ob die hohe Zahl
von Verwaltungspersonal - die auf der einen Seite damit begründet wird, man spare damit kämpfende Truppe ein - noch am Platze ist.
Ich komme nun zu einem weiteren und viel schwerwiegenderen Argument und verbinde damit wegen der Zeitnot gleich die Begründung unseres Antrages Umdruck 281 Ziffer 1. Wir beantragen, die Friedensstärke der NATO-Kontingente der Bundeswehr um 12 v. H. zu erhöhen. Wenn wir eine sogenannte NATO-Division dem NATO-Befehlshaber unterstellen, ist die landläufige Meinung, das sei eine voll kampfkräftige, intakte Einheit. Ich will jetzt gar nicht kritisieren, daß bestimmte Waffen oder Ausrüstungsgegenstände noch nicht vorhanden sind, ich will mich nur mit einem entscheidenden Punkt befassen: dem Grad des Kampfwertes dieser Einheit. Ich stehe nach wie vor - und spreche hier besonders deutlich für meine Fraktion - zur einjährigen Dienstpflicht. Aber die einjährige Dienstpflicht setzt eine besondere Organisation voraus, und es ist nicht damit zu machen, daß man fiskalisch sagt: ein Mann ist ein Jahr da, soundso viel Einheiten gibt es, also haben wir soundso viel Leute. Wir müssen uns vielmehr dazu entschließen, nach unseren neu gewonnenen Erkenntnissen über Gefechtsstärke und Umgliederung zur Sowohl-als-auch-Division die Gegenwartsstärke der jeweiligen Einheit so frei von Wechsel zu halten, wie das nur irgend möglich ist.
Das bedingt zwei Forderungen. Die eine habe ich hier deshalb nicht aufgenommen, weil uns ihre Erfüllung bereits im vorigen Jahr zugesagt war. Inwieweit sie durchgeführt ist, kann ich nicht ganz übersehen. Es ist aber notwendig, daß die gesamte Ausbildung aus der Ist-Stärke der der NATO überstellten Einheiten etatmäßig - und deshalb sage ich das zur zweiten Lesung - herausgenommen wird. Meine Damen und Herren, das ist deshalb so wichtig, weil diese Zahl mindestens 25 °/o der jeweiligen Kampfstärke bedeutet. Ich muß Ihnen jetzt die absolute Zahl nennen. Wenn Sie von einer Panzereinheit, die eine Kriegsstärke von 82 Mann hat, ein Viertel überhaupt nicht zur Verfügung haben, wenn Sie ein weiteres Viertel in der Spezialausbildung haben, wenn Sie weiter aus ganz simplen menschlichen Gründen für Urlaub, Krankheit, Kommandierungen, Lehrgänge usw. ein weiteres Viertel rechnen müssen, dann bleibt Ihnen für das wertvolle Material - hoffentlich kommt es bald einmal - wirklich nur noch ein Viertel zur Verfügung. Das ist die gegenwärtige Präsenzstärke; das ist das, was den Kampfwert einer solchen NATO-Division darstellt. Die Forderung, wenigstens 12 % hinzuzugeben, würde in Verbindung mit der Ausklammerung der Stärke der Rekruten dazu führen, den Wert auf etwa 50 % zu heben. Ich glaube, wir sind es auch unseren Partnern schuldig, zu dieser Klarheit zu kommen. Allerdings sollten wir auch deutlich unsere Enttäuschung darüber zum Ausdruck bringen, wie es unsere Partner mit der Einhaltung ihrer Verpflichtungen halten.
Nun, Herr Kollege Schmidt, muß ich noch Lauf einen Passus eingehen, der die Reichswehr betrifft. Ihre Zahlen stimmen. Man muß aber Lauch noch das
Alter hinzusetzen. Es hat sehr ordentliche und tüchtige Kompaniechefs gegeben, die 40, 41 oder 42 Jahre alt waren. Das Dilemma, vor dem die Reichswehr stand, war dem ähnlich, mit dem wir es heute noch zu tun haben. Auf jeden kriegserfahrenen Offizier folgte in den 20er Jahren ein unerfahrener. Es war daher das natürliche Bestreben, diese Erfahrung möglichst lange zu halten und auf den nicht kriegserfahrenen Offizier zu übertragen. Hier gebe ich Ihnen völlig recht, daß eine Kopflastigkeit der Bundeswehr vorhanden ist. Es ist aber noch durchaus möglich, die Erfahrungen auszuschöpfen. Ich möchte hier vorwegnehmen, was ich dazu noch bei Punkt 3 unseres Antrags zu sagen habe. Es wäre dann die Möglichkeit, unser, sagen wir, Potential in dieser Hinsicht in einer Form auszuweiten, die, um den modernen, geläufigen Ausdruck zu gebrauchen, an Abschreckung nicht hinter dem zurückstehen würde, was man heute mit atomaren Waffen darzustellen versucht.
Ich möchte bei dieser Gelegenheit noch etwas mehr zu dem sagen, was bei der Beratung des Einzelplans 33 wegen der knappen Zeit nur sehr kurz behandelt worden ist. Für uns geht es bei der zweiten Lesung darum, daß aus dem Bundesetat Leine ganz erhebliche Summe an ehemalige Soldaten gezahlt wird, die dafür überhaupt keinen militärischen Dienst leisten, gar nicht leisten dürfen, weil wir keinen Gebrauch von ihnen machen. Ich stehe nicht an zu sagen, daß man das abschaffen sollte. Gerade der Mangel an jungen Offizieren in der Übergangszeit und die Rücksprache mit zahlreichen Truppen-und Schulkommandeuren bestätigen, daß man durchaus den Ergänzungsoffizier alter Prägung in der Truppe verwenden kann und die Truppenoffiziere daher am Schreibtisch entlastet.
Lassen Sie mich, Herr Bundesverteidigungsminister, dabei noch ein Anliegen wiederholen. Ich charakterisierte Sie als einen Minister zu 90 % der NATO-Streitkräfte und zu 10 % der Heimatverteidigung. Aus psychologischen Gründen müßte endlich von Ihnen der Schritt vollzogen werden, sich etatmäßig zu den alten Soldaten zu bekennen, wie wir ebenso der Bundesregierung den Antrag auf den Tisch legen, Lauch die Kriegsopfer aus psychologischen Gründen in Ihre verwaltungs- und etatmäßige Obhut zu nehmen. Vom Etat her gesehen sind Sie doch immer wieder der Kritik ausgesetzt. Die Voranschläge und Kalkulationen können bei weitem nicht eingehalten werden. Wesentliche andere Aufgaben werden dadurch nicht erfüllt und immer wieder von Jahr zu Jahr zurückgestellt. Aber aus Gründen der Landesverteidigung und aus staatspolitischen Überlegungen müßte die Frage der alten Soldaten zu den Aufgaben Ihres Ressorts gehören. Die Belastung durch den Kriegsopferetat wäre ohne weiteres zu ertragen, und wir würden endlich einmal den Wehretat der Etatklarheit zuführen.
Versuchen wir jetzt einmal nachzurechnen. Wir haben uns vor zwei, drei Jahren einmal bei der Frage ereifert, in kurzer Frist 55, 58 oder 60 Milliarden aufzubringen. Heute können wir feststellen, daß das Tempo der Aufstellung, sowohl vom finanziellen wie auch vom wirtschaftlichen Standpunkt, erfreulicherweise wesentlich langsamer gewesen ist.
Hier haben Sie es wieder gehört: Es ist durchaus im Sinne der Truppe und der verantwortlichen Unterführer, daß es nach wie vor langsam weitergeht. Dann wäre es doch eben aus Gründen der Bewältigung der Vergangenheit und der psychologischen Situation nicht zu viel verlangt, daß Sie den Wunsch zu dem Ihren machen und dafür sorgen, daß alles, was mit dem Soldaten und der Verteidigung unseres Vaterlandes, unserer Heimat zu tun hat, bei Ihnen ressortiert wird. Dann tragen Sie, Herr Bundesverteidigungsminister, Ihren Namen sicherlich' mehr zu Recht als bisher.
Noch ein Wort zu Ziffer 3 unseres Antrags. Vom Aufwand her gesehen ist es sicherlich nicht zu verantworten, daß wir bis heute nichts unternommen haben, um der hochqualifizierten, vollmotorisierten und teilweise mechanisierten Truppe eine entsprechende Reserve zu schaffen. Ich habe Ihnen das Zahlenmaterial betreffend Kampfstärken gegeben. In der Praxis muß man dort, wo uns geschenktes amerikanisches Material, das noch zu Übungszwecken ausgezeichnet und teilweise noch verbessert worden ist, zur Verfügung steht, mehr als die Hälfte einfach stillegen, weil daran nicht entsprechend ausgebildet werden kann. Ich glaube, es gibt keine unrationellere Verwendung dieser Waffen. Es kann nur richtig und gut sein, wenn wir hinter den vorhandenen Geräten eine mehr als einfache, möglichst eine drei- oder fünffache, ja, ich möchte in Überspitzung sogar sagen, eine zehnfache Besetzung stehen haben.
Hier erhebt sich die Frage: Ist es richtig, daß wir bisher die sogenannten weißen Jahrgänge - der Wirbel um den Jahrgang 1922 beweist, daß das nicht richtig ist - überhaupt noch nicht in Form einer Kurzausbildung erfaßt haben? Ich glaube, das ist mehr eine Frage der vorherigen Konsultierung, der vorherigen Meinungseinholung. Das Ergebnis der Debatte um den Jahrgang 1922 ist doch, daß es durchaus möglich wäre, hier die gesetzliche Grundlage für die Kurzausbildung zu schaffen, deren Fehlen vielerorts bemängelt wird.
Aus den von mir nur schwach angedeuteten Gründen, die durch die Situation bedingt sind, in der wir uns augenblicklich befinden, sollten wir nicht länger zögern, diesen Schritt zu tun. Ich bin der festen Überzeugung, daß damit eines ganz klar wird - und das ist vom psychologischen Standpunkt aus wichtig -: auch wir, die wir in der Bundesrepublik im Schutze der westlichen Freiheit leben, die wir mit unseren Verbündeten bisher völlig ungefährdet zehn Jahre lang aufbauen konnten, können nicht an der Tatsache vorbeigehen, daß es mit einem NATO-Kontingent allein nicht getan ist, sondern daß wir die Verpflichtung haben, wenn die anderen schon das große Risiko auf sich nehmen - sicherlich in der Hoffnung, daß es niemals zum Ernstfall kommt -, wenigstens dafür zu sorgen, daß wir wirklich in der Lage sind, einen nur lokal gedachten Übergriff zu lokalisieren und damit der Bundesrepublik die Sicherheit zu geben, deren Gewährleistung man von der Bundeswehr erwartet.
Heute ist diese Forderung - das darf ich abschließend bemerken - trotz dreieinhalbjährigen
Bestehens der Bundeswehr nicht erfüllt. Das ist eine sachliche Feststellung und keine Kritik an dem guten Wollen, an dem guten Geist.
Lassen Sie mich nun noch zu der Ziffer 2 unseres Antrages ein Wort sagen. Ich weiß, Sie glauben daraus die Wiedergeburt des Militäranwärters herauslesen zu müssen.
Ich komme nun auf die Versorgung der Offiziere und Unteroffiziere auf Zeit zu sprechen. Neben dem von mir geschilderten Tatbestand der Effektivstärke dürfen wir uns aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß mehr als 30 % der notwendigen Berufsunteroffiziere und Langdienenden nicht vorhanden sind und daß, wenn wir im Zuge der geplanten Aufstellung weitermachen, dieser Prozentsatz noch weiter sich steigern wird. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Ich will sie wegen der Kürze der Zeit hier nicht im einzelnen erläutern. Vielleicht ist es auch besser, sie im Ausschuß zu behandeln.
Eines darf man aber nicht verschweigen. Die Animosität, die einmal gegen den Militäranwärter bestanden hat, ist heute unter keinen Umständen mehr gerechtfertigt. Wenn hier bereits anerkennend festgestellt wurde, daß gerade der Geist des Unteroffizierkorps ein anderer geworden ist, dann kann man nicht mehr gut behaupten, daß mit diesen Männern ein der Demokratie nicht angemessener, der Verwaltung nicht zuträglicher Geist einzöge, wenn diese Versorgungsanwärter in die Beamten- oder eine andere Laufbahn des öffentlichen Dienstes übergehen sollen.
Erfreulich war der Bericht, der im Verteidigungsausschuß über die Handhabung der Disziplinarstrafgewalt gegeben wurde. Erfreulich ist die Tatsache, daß in der Bundeswehr nicht eine einzige Handlung zu verzeichnen ist, wie sie eingangs als Platzek-Methode geschildert worden ist. Ich glaube, indem wir dieser Forderung hier nachgeben, können wir am besten beweisen, daß die Bundeswehr auf dem besten Wege ist, eine Einrichtung unseres ganzen Volkes zu werden.
In diesem Sinne werden wir Freien Demokraten dem Etat trotz unserer Kritik auch in der zweiten Lesung unsere grundsätzliche Zustimmung geben.
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Darf ich den Herrn Kollegen Frenzel fragen, wie lange seine Rede etwa dauern würde.
({0})
Meine Damen und Herren, es war vorgesehen, daß von 13 Uhr bis 14.30 Uhr eine Pause gemacht wird. Wollen Sie die Rede des Herrn Kollegen Frenzel jetzt noch hören und dann die Pause entsprechend um eine Viertelstunde verlängern, oder besteht der umgekehrte Wunsch?
({1})
- Aus den Zurufen ist nicht klug zu werden. Wenn keine überwiegend gegenteilige Meinung geäußert wird, muß ich mich an die Abmachungen halten. Das heißt, wir treten jetzt in eine Pause ein.
Vizepräsident Dr. Becker
Ich unterbreche die Sitzung. Ich bitte, pünktlich um 14.30 Uhr zur Stelle zu sein. Die nächsten Redner sind Herr Frenzel und anschließend Herr Kliesing. Die weitere Rednerliste, die schon fertig ist, ist dem Büro übergeben.
Die Sitzung ist unterbrochen.
({2})
Die Sitzung ist wieder eröffnet.
Vor Eintritt in die Tagesordnung darf ich bekanntgeben, daß auf Ersuchen der Fraktion der CDU/CSU die Plenarsitzung von 17 bis 19 Uhr unterbrochen wird. In dieser Zeit findet eine Fraktionssitzung der Fraktion der CDU/CSU statt. Bisher ist einer solchen Bitte einer großen Fraktion immer entsprochen worden. - Ich danke Ihnen für Ihr Einverständnis. Ich darf aber Herrn Abgeordneten Rösing sagen, daß ich bei dieser Besetzung des Hauses bezweifle, ob seine Fraktion diese Mitteilung schon im ganzen mitbekommen hat.
({0})
- Gut.
Dann können wir in der Aussprache zu Einzelplan 14 fortfahren. Das Wort hat nach der vorliegenden Rednerliste jetzt der Abgeordnete Frenzel.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte mich jetzt beim Einzelplan 14 mit zwei Problemen beschäftigen, die für die Truppe draußen ungeheuer wichtig sind. Einmal ist es die Frage der Verpflegung und zum anderen die Frage der Unterkunft. Wenn Sie eine kampffähige Truppe schaffen wollen, müssen Sie in erster Linie dafür Sorge tragen, daß diese beiden Probleme restlos gelöst werden.
Ich darf zum ersten Problem folgendes sagen. Wie Sie wissen, habe ich bereits im vorigen Jahr darauf hingewiesen, daß man infolge der ständig steigenden Preise aller Lebens- und Genußmittel mit einem Verpflegsatz von 2,50 DM nicht mehr auskommen kann. Damals hat der Herr Verteidigungsminister gesagt, es seien keine Beschwerden gekommen. Im Laufe des letzten Jahres aber sind eine Unmenge von Beschwerden eingegangen. Auf Grund dessen habe ich bei der Behandlung des Etats im Ausschuß für Verteidigung auf dieses Problem hingewiesen und gesagt: es wird unbedingt notwendig sein, den Verpflegsatz um 30 Pf zu erhöhen. Ich habe allerdings damals keinen Antrag gestellt, weil ein von der sozialdemokratischen Fraktion gestellter Antrag von der Mehrheit des Ausschusses sowie von der Mehrheit des Hauses automatisch abgelehnt wird. Die Berechtigung gerade eines solchen Antrages hat sich in der Zwischenzeit allerdings erwiesen.
Wir haben damals im Ausschuß aber festgelegt, daß Untersuchungen angestellt werden sollen und ich von ihren Ergebnissen verständigt werden soll, damit bei den Beratungen im Haushaltsausschuß vielleicht noch auf diese Dinge hingewiesen werden kann. Ich habe nie mehr etwas davon gehört, obwohl ich nachgeforscht habe, bis ich jetzt das Schreiben
des Herrn Staatssekretärs Rust an den Voisitzenden des Verteidigungsausschusses, Herrn Dr. Jaeger, vom 2. Juni erhalten habe, aus welchem hervorging, daß nur 21 % der Truppeneinheiten mit dem Verpflegsatz von 2,50 DM auskommen. Er sagt in diesem Schreiben, es sei deshalb notwendig, den Verpflegsatz unter allen Umständen zu erhöhen, und spricht von 20 bis 30 Pf. Ich hatte schon vorher, wenn wir in der vorigen Woche zur Beratung dieses Haushalts gekommen wären, auf diese Dinge hinweisen wollen, ohne einen Antrag zu stellen, um ihn eben nicht von Ihnen ablehnen zu lassen, obwohl er wichtig gewesen wäre.
Ich habe es begrüßt, daß nun ein gemeinsamer Antrag gestellt worden ist, und finde bestätigt, was ich auch in den Beratungen des Verteidigungsausschusses die ganze Zeit immer und immer wieder gesagt habe. Allerdings glaube ich, daß man hier nicht auf nur 2,75 DM, sondern gleich auf den Satz von 2,80 DM hätte gehen sollen. Denn mir ist bekannt, daß heute schon eine Reihe von Truppeneinheiten diesen Satz benötigen, um die Truppe so verköstigen zu können, wie es notwendig ist.
Aber eines stört mich dabei ungemein. Ich habe bei der Behandlung dieser Angelegenheit immer wieder darauf hingewiesen, daß mit der Erhöhung des Verpflegsatzes für den einzelnen Mann von 2,50 DM auf 2,75 DM oder 2,80 DM keine Erhöhung der Abzüge für Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit verbunden sein soll. In dem Antrag, der Ihnen nun vorliegt, und in dem Schreiben, das Herr Staatssekretär Dr. Rust an Herrn Dr. Jaeger gerichtet hat, ist leider vorgesehen, daß ab 1. August oder 1. September von den Soldaten auf Zeit und von den Berufssoldaten erhöhte Beträge einbehalten werden sollen.
Ich stehe auf dem Standpunkt: was dem einen recht ist, muß auch dem andern billig sein. Ich habe in dem Zusammenhang immer darauf hingewiesen, daß nicht nur im Verteidigungsministerium, sondern auch in anderen Bonner Dienststellen ein Verpflegkostenzuschuß von 60 Pf gewährt wird. Ich möchte nicht so weit gehen, zu verlangen, daß man auch hier 60 Pf gewährt. Wohl aber sollte es für Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit bei den Abzügen bleiben, wie sie gegenwärtig gehandhabt werden. Die Erhöhung von 25 Pf oder, falls sie durchdringen sollte, von 30 Pf pro Tag müßte also auf Kosten des Verteidigungsministeriums gehen. Dies geht schon aus dem Gleichheitsgrundsatz für alle Dienststellen hervor.
Es gab eine lange Diskussion darüber, ob die Beiträge zur Verpflegung auch auf der mittleren Ebene gezahlt werden. Wir haben in der Zwischenzeit festgestellt - was ich ja wußte -, daß das auch dort der Fall ist.
Ich bitte die Mehrheit des Hauses, zu überlegen, ob es nicht dabei sein Bewenden haben soll, daß den Personenkreisen, die ich nannte, wie bisher nur 2,50 DM abgezogen werden, daß ihnen aber natürlich auch der erhöhte Verpflegsatz zuteil werden soll. Ich glaube, das kann ohne weiteres vertreten werden.
Wenn Sie eine zufriedene Truppe haben wollen, wie Sie sie brauchen, dann müssen Sie auch auf diesem Gebiet ein Entgegenkommen zeigen. Ich glaube, diese Maßnahme wird viel zur Zufriedenheit beitragen. Ich würde Sie deshalb bitten, sich zu überlegen, ob man nicht so verfahren und es bei den bisherigen Abzügen belassen kann.
Nun komme ich zum zweiten Problem, zur Frage der Unterbringung. Heute ist mehr denn je sichtbar geworden, daß die Auflösung der seinerzeitigen Unterausschüsse des Verteidigungsausschusses, vor allem des Unterausschusses Infrastruktur, sich sehr ungünstig ausgewirkt hat. Als der Ausschuß bestand, war die Möglichkeit gegeben, einmal in die einzelnen Truppenunterkünfte zu gehen und nach dem Rechten zu sehen. Ich glaube, während der kurzen Zeit, in der der Ausschuß bestand, ist für die Truppe sehr viel im guten Sinne geschehen. Seit der Unterausschuß aufgelöst ist, reißen die Beschwerden nicht ab. Es sind Beschwerden, die auf Grund des Aufbaues der Bundeswehr kommen. Man darf heute wohl sagen, daß die seinerzeitige Planung, die vielmals geändert worden ist, nicht zu dem Ziel geführt hat, das man ursprünglich im Auge hatte. Daß bei diesen Planungen vieles durcheinander gegangen ist, sehen wir ja jetzt, wenn wir versuchen, einzelne Dinge zurechtzubiegen. Der Zweck einer solchen Planung war doch wohl, eine Bundeswehr zu schaffen, und nicht ein derartiges Durcheinander zu haben, wie wir es später feststellen mußten. Auch heute werden noch viele Kasernen erstellt - mit Überstunden und Nachtarbeit der einzelnen Arbeiter -, in die Truppenkörper hineinkommen, obwohl die Bauten noch nicht einmal fertig sind. Da kommt es zu großen Schwierigkeiten. Die Unzulänglichkeiten werden in Beschwerden an uns immer wieder sichtbar. Das wird mir von vielen meiner Kollegen aus dem Verteidigungsausschuß bestätigt. Gerade dieser Tage war es der Kollege Eschmann, der nach einem Vortrag, den er vor Offizieren gehalten hatte, berichtete, es sei für die Truppe unmöglich, in einer solchen neuen Kaserne - wie man sie ihm gezeigt hatte - zu wohnen. Ich könnte Ihnen eine Unmenge solcher Beispiele bringen. Das könnte alles vermieden werden. Es muß in Zukunft vermieden werden, wenn die Menschen zufriedengestellt werden sollen.
Aber das größere Problem ist dabei, daß mit der Planung von Kasernen, Flugplätzen und anderen militärischen Anlagen nicht auch zugleich dafür Sorge getragen wurde, daß die militärischen Unterkünfte mit erstellt wurden. Das hat zu einem Fehlen von Wohnungen geführt und sich in einzelnen Gebieten mitunter sehr ungünstig ausgewirkt.
Es kommt noch eines hinzu, was meines Erachtens, Herr Minister, wenigstens zum Teil vermieden werden könnte. Beispielsweise werden Soldaten aus Norddeutschland - Berufssoldaten oder Soldaten auf Zeit - nach dem Süden des Landes einberufen. Es dauert eine lange Zeit, bis für die Familie dort endlich eine Wohnung gefunden wird, und ist die Wohnung da, zieht die Famille hin, wird bereits in den darauffolgenden Tagen der
Mann wieder nach dem Norden versetzt. Dasselbe wiederholt sich, manchmal sogar einige Male. Natürlich ist uns allen klar, daß Verschiebungen und Versetzungen gerade bei militärischen Truppenkörpern und Einzelpersonen notwendig sind. Aber die Frage ist, ob das in einer solchen Form geschehen muß.
Dazu darf ich noch ein Wort sagen, das wegen seiner Wichtigkeit von dieser Stelle aus auch einmal gesagt werden sollte. Wenn sich die Soldaten beschweren und auf dem Dienstwege keine Änderung solcher unzulänglichen Verhältnisse erreichen, kommt es gelegentlich vor, daß sich die Frauen dieser Soldaten einschalten. Denn unter Umständen sind Familiensituationen entstanden, in denen - nicht nur im Einzelfall, sondern das kommt in vielen, vielen Fällen heute vor - dadurch die Familien auseinandergerissen sind und nicht mehr zusammenleben. Wenn sich nun diese Frauen einschalten, wird ihnen von militärischer Seite gesagt, Frauen sollten sich um diese Dinge nicht kümmern; sie müßten als Soldatenfrauen verstehen, daß sie sich an niemanden, auch an keinen Abgeordneten, wenden dürften. Man muß die Situation einer solchen Familie verstehen. Man wird es den Frauen nicht verargen können, wenn sie, um ihre Familie zu retten, versuchen, alles, was irgend möglich ist, zu tun. Ich glaube, daß die Wohnungen, die vorgesehen sind, bis zum Jahre 1961 nicht fertiggestellt werden können. Aber man sollte versuchen, auf diesem Gebiet soviel wie möglich zu tun.
Hier spielt eine andere Frage hinein, nämlich die Frage des Mietzinses. Die Kolleginnen und Kollegen aus dem Verteidigungsausschuß werden wissen, daß ich seit Jahren bemüht bin, die Wohnbauprobleme und damit die Frage der Mieten in die Diskussion zu bringen. Heute habe ich ein Schreiben erhalten, aus dem hervorgeht, daß der Herr Verteidigungsminister gestern vor dem Bundeswehrverband gesprochen und dort gesagt hat, daß die Mieten - vor allen Dingen für Unteroffiziere, Feldwebel, aber auch allgemein - 15 % des Bruttoeinkommens nicht überschreiten dürfen. Herr Minister, ich habe seit Monaten und Jahren darauf hingewiesen und, wie meine Kollegen, gerade in dieser Frage unzähliges Material an Ihr Ministerium weitergegeben. Bis heute hat sich nichts gerührt. Nun mutet es mich sehr eigentümlich an, daß Sie ausgerechnet einen Tag vor Behandlung dieses Haushalts im Bundestag doch Zugeständnisse gemacht haben, die wir schon viel, viel früher verlangt haben und die auch schon viel früher hätten gemacht werden müssen.
Eines will ich jedoch hier auch nicht unausgesprochen lassen. Ich habe mit vielen Soldaten gesprochen, die bei mir gewesen sind und geklagt haben, daß sie ihre Mieten nicht aufbringen können. Ich habe ihnen den Rat gegeben, sie sollten um eine Mietbeihilfe ansuchen. Darauf haben mir diese Soldaten gesagt: Nein, das tun wir nicht; erstens einmal ist es ein sehr langwieriger Weg, und zweitens sieht es aus wie eine Bettelei; als Soldat, der ich meine Pflicht erfüllen muß - so sagten diese Soldaten -, will ich nichts erbettelt haben, sondern ich bin der Meinung, daß das, was ich zu meinem
Lebensunterhalt und dafür brauche, um meinen Dienst durchführen zu können, auch erhalten muß. Ich muß diesen Menschen recht geben. Ich habe festgestellt, daß teilweise 30 bis 35 % des durchschnittlichen Bruttoeinkommens dieser Soldaten für die Miete ausgegeben worden sind. Wenn es in Zukunft nur 15 % sein dürfen, würde ich mich tatsächlich sehr darüber freuen.
Aber ich glaube, man muß die Dinge von vornherein anders gestalten. Was können wir tun, damit wir für alle jene, die heute solche Bundeswehrwohnungen in Anspruch nehmen müssen, tragbare Mieten erhalten? Wir werden zwei Wege gehen müssen. Einmal werden wir bei Neubauwohnungen so viel an verlorenen Zuschüssen zur Verfügung stellen müssen, wie notwendig ist, damit die Mieten tragbar werden. Ich glaube, daß dieser Weg sehr viel besser und zweckmäßiger ist als die Gewährung von Mietbeihilfen. Ich würde also bitten, zu überlegen, ob wir nicht versuchen sollten, durch erhöhte Zuschüsse tragbare Mieten zu erhalten. Diese Mieten dürften ungefähr die angeführten 15 % des Bruttoverdienstes erreichen.
Eine zweite Frage: Was können wir bei jenen Wohnungen tun, die wir von den Besatzungsmächten freibekommen und die wir nun Bundeswehrangehörigen zur Verfügung stellen? Uns ist bekannt, daß gerade in diesen Wohnungen von seiten der Besatzungsmächte allerhand eingebaut wurde. Unter Umständen fühlt sich der Unteroffizier, der heute dort hineinkommt, gar nicht wohl darin. Aber da sind nun Kosten entstanden, diese werden auf die Miete geschlagen. Es ist gar keine Seltenheit, daß dadurch eine Miete entsteht, die, obwohl diese Wohnungen Altbauwohnungen sind, bei 35 bis 40 % des Bruttoverdienstes liegen. Ich bin der Meinung, daß man unbedingt versuchen sollte, die Mieten durch erhöhte Ablösungsbeträge so zu halten, wie sie beim Durchschnittsbürger sind. Wenn also solche Wohnungen von seiten der Besatzungsmächte freigegeben werden, sollte man versuchen, unter allen Umständen die Ablösung so zu gestalten, daß ein tragbarer Mietzins entsteht.
Dies sind meine Vorschläge. Ich stelle wie gesagt, wieder keine Anträge, die abgelehnt werden könnten. Ein Teil dessen, was wir im Ausschuß gefordert haben, wurde ja bereits gestern durch den Herrn Bundesverteidigungsminister zugesagt. Ein Teil dessen, was wir verlangten, ist in dem heutigen gemeinsamen Antrag aller Fraktionen enthalten. Aber ich glaube darauf hinweisen zu müssen, daß das allein nicht genügt, und ich würde es begrüßen, wenn sich der Verteidigungsausschuß in Kürze noch einmal mit diesen Problemen auseinandersetzte und überprüfte, ob das, was in dem Antrag enthalten ist, genügt. Wenn es aber nicht genügt, müßte der Ausschuß wohl noch weitergehen und einen Weg finden, wie diesen Soldaten geholfen werden kann.
Ich möchte mit folgender Bemerkung abschließen: Alles, was wir auf diesem Gebiet tun, muß in erster Linie geschehen, um den Soldaten zufriedenzustellen. Anderenfalls werden Sie nicht jene Truppe schaffen können, die Sie unbedingt brauchen.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Kliesing.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Laufe der bisherigen Debatte ist eine Anzahl von Problemen der Bundeswehr angeschnitten worden. Zu einigen dieser Fragen möchte ich etwas sagen.
Vorher darf ich aber eine grundsätzliche Feststellung treffen. Wer von uns die Verteidigungsdebatten in den früheren Jahren miterlebt hat und sich noch daran erinnert, in welcher Art und in welcher Schärfe manchmal die Gegensätze aufeinanderplatzten, wird feststellen, daß sich die Sache etwas geändert und der Ton gebessert hat. Wir führen heute eine Haushaltsdebatte über Verteidigungsfragen und den Verteidigungsaufwand in einer wesentlich veränderten Atmosphare. Heute haben wir eine, wenn auch kritische, so doch im großen und ganzen sachliche Auseinandersetzung. Ganz gleich, welche Gründe dafür vorhanden sein mögen, so darf ich sagen, daß meine Freunde von der CDU/CSU diese neue Sachlage mit Befriedigung zur Kenntnis nehmen und sie begrüßen.
Der Kollege Schmidt von der SPD hat eine große Anzahl kritischer Anmerkungen gemacht. Aber schließlich ist die Kritik ein Recht und eine Pflicht der Opposition. Zu der Frage, inwieweit die Kritik im einzelnen zutreffend ist, wird sich wohl der Herr Verteidigungsminister nachher noch äußern. Er ist über die Einzelheiten am besten orientiert. Ich habe bemerkt, daß er sich während der Ausführungen des Kollegen Schmidt eifrig Notizen gemacht hat.
Vielleicht schießen die kritischen Bemerkungen des Kollegen Schmidt etwas über das Ziel hinaus. Aber das soll der Feststellung keinen Abbruch tun, daß der bisherige Verlauf der heutigen Debatte sich wohltuend von früheren Auseinandersetzungen abhebt.
Möglicherweise liegt der Grund für das veränderte Verhalten der Opposition in gewissen vieldiskutierten Beschlüssen Ihrer Fraktion, meine Damen und Herren von der SPD, die ja auch in Ihren eigenen Reihen nicht ganz unwidersprochen geblieben sind. Aber was es auch immer sein mag, was Sie zu der heutigen Haltung veranlaßt hat, wir nehmen das gern zur Kenntnis und sind bereit - wie bereits früher hier angesagt -, mit Ihnen sachlich zusammenzuarbeiten und uns mit Ihrer Kritik auseinanderzusetzen.
Dabei gehen wir so weit, daß wir einen Teil der von Ihnen hier vorgebrachten Kritik als durchaus berechtigt anerkennen. Schließlich erschöpft sich die Aufgabe der Koalition nicht darin, alle vorgebrachte Kritik zurückzuweisen. In manchem, glaube ich, liegen wir auf der gleichen Linie. Es kommt nur darauf an, die kritischen Punkte festzustellen, bei ihrer Bewertung das richtige Maß anzuwenden, nach den Gründen für die Beanstandungen zu suchen und die Fehler dann in gemeinsamer Arbeit abzustellen. Wir haben uns im Verteidigungsausschuß bereits seit Jahren um eine derartige Zusammenarbeit bemüht. Ich persönlich würde es begrüßen, wenn die Atmosphäre, die in unseren Beratungen im Verteidigungsausschuß herrscht, jetzt auf das Plenum übergreifen sollte, wie es den Anschein hat.
Dr. Kliesing ({0})
Ich sprach vorhin davon, daß die heutige Debatte sachlich sei, wenigstens bis jetzt. Leider muß ich gerade von der zur Beratung ,stehenden Sache her, nämlich vom Haushalt des Verteidigungsministeriums her, hinsichtlich der Ausführungen des Kollegen Lohmar eine Ausnahme machen. Er hat sich unter anderem mit der Aktion „Rettet die Freiheit" auseinandergesetzt. Als jemand, der dieser Aktion nicht angehört und in keiner Beziehung zu ihr steht, möchte ich objektiv feststellen, daß die Aktion „Rettet die Freiheit" eine außerparlamentarische Aktion ist und an keiner Stelle im Bundeshaushalt für Verteidigung, Einzelplan 14, einen Niederschlag findet; sie hat also meines Erachtens in der heutigen Diskussion absolut nichts zu suchen.
({1})
- Verzeihen Sie, Herr Erler, Sie sprechen von einem Herrn der Bundeswehr, und ich möchte doch annehmen, Sie werden mit mir übereinstimmen, daß auch ein Soldat außerhalb seines Dienstes als Staatsbürger Recht ,auf staatsbürgerliche Betätigung hat, so wie er sie für richtig hält.
({2})
- Mir ist nicht bekannt, Herr Erler, daß die Aktion „Rettet die Freiheit" unmittelbar oder mittelbar irgendwelchen Einfluß auf die staatsbürgerliche Arbeit in der Bundeswehr hat oder darin eingebaut ist.
Die gleiche Feststellung, daß nämlich diese Erörterung nicht in eine Haushaltsdebatte gehört, gilt auch für die kritischen Anmerkungen, die der Kollege Lohmar mit Bezug auf die Zeitung „Mann in der Zeit", die er hier unfreundlicherweise als ein Hetzblatt bezeichnete - eine Feststellung, die von den an der Arbeit dieses Blattes beteiligten kirchlichen Stellen übrigens mit großem Interesse zur Kenntnis genommen werden wird -, machen zu müssen glaubte. Irgendwelche Mittel für diese Zeitung sind an keiner Stelle des Verteidigungshaushaltes eingeplant. Ich glaube, daß eine Heimatzeitung mit einer Auflage von 600 000 finanziell so gestellt ist, daß sie eine solche Unterstützung nicht nötig hat. Ich möchte annehmen, daß Herr Lohmar mit seinen etwas aus dem Gefühl der Animosität heraus vorgetragenen Anwürfen unfreiwillig Propaganda für diese Zeitung geleistet hat.
Meine Damen und Herren von der SPD, gestatten Sie mir in diesem Zusammenhang eine Feststellung zu Ihrer Grundhaltung in der Verteidigungsfrage. Ich wies vorhin schon auf Ihren bekannten Fraktionsbeschluß hin und bemerkte, daß die Haltung bei Ihnen nicht ganz einheitlich ist. Das ist mir bei den Ausführungen des Herrn Kollegen Schmidt schlagartig zum Bewußtsein gekommen. Er wies - übrigens mit vollem Recht - darauf hin, daß die Bundeswehr keine Parteibundeswehr sein oder werden dürfe, sondern ,eine Bundeswehr des ganzen Volkes sein müsse. Ich unterstreiche diesen Standpunkt voll und ganz. Der Kollege Lohmar fügte dann noch
hinzu, die Bundeswehr dürfe kein christlich-demokratisches Internat werden. Diese Sorge brauchen Sie sich nicht zu machen! Niemand in unseren Reihen denkt daran, die Bundeswehr dazu zu mißbrauchen; dafür steht uns die Sicherung von Frieden und Freiheit unseres Volkes zu turmhoch über engstirnigen parteipolitischen Erwägungen. Aber dann entschlüpfte dem Kollegen Schmidt in seinem Schlußsatz eine Meinungsäußerung, die zeigt, daß Sie wohl doch noch, vielleicht im Unterbewußtsein, andere Auffassungen mit sich herumtragen als diejenigen, die in dem Appell an uns zum Ausdruck kamen: Die Bundeswehr soll eine Armee des ganzen Volkes sein. Der Kollege Schmidt schloß nämlich, zu uns von der CDU gewandt, mit den Worten: „Kümmern Sie sich um Ihre Soldaten!" Meine Herren, diese Soldaten sind nicht unsere Soldaten, das Wort „unsere" im Sinne von „CDU" gebraucht, sondern es sind unsere Soldaten, d. h. Soldaten des ganzen Volkes.
({3})
Entweder sagen Sie: „Die Bundeswehr ist eine Einrichtung unseres ganzen Volkes",
({4})
dann ist es einfach unlogisch, an uns gewandt zu sagen: „Kümmern Sie sich um Ihre Soldaten!"
({5})
- Herr Herold, ich will mich auf keine längere Debatte über diese Sache einlassen. Ich werte es nur als Symptom für die Zwiespältigkeit der Auffassungen in Ihren eigenen Reihen.
({6})
Im übrigen, Herr Erler, brauchen Sie sich keine Sorgen darum zu machen, ob wir uns um die Soldaten kümmern. Wir haben uns bereits zu einer Zeit um das Wohl und Wehe der Soldaten der Bundeswehr gekümmert,
({7})
als andere noch nicht den Weg in die Kasernen und zu den Soldaten, zum Soldatentum schlechthin gefunden hatten.
({8})
- Nein, das ist keine Unterstellung, das ist eine historische Tatsache, die sich aus den Protokollen dieses Hohen Hauses belegen läßt.
({9})
Dr. Kliesing ({10})
- Ja, Sie waren mit Jaeger zusammen bei der ersten Wechkompanie in Andernach. Das war so eine Art Staatsakt des Verteidigungsausschusses. Darüber sind wir uns klar.
({11})
So sehr wir es begrüßen, daß Sie sich mit uns und wir uns mit Ihnen um die Bundeswehr kümmern, so möchte ich Ihnen doch eines sagen: Wenn diese Sorge echt ist, dann darf sie sich nicht in der Darstellung der geforderten geistigen Grundlagen und in platonischen Bekenntnissen zur Bundeswehr erschöpfen, sondern dann müssen Sie auch bereit sein, die finanziellen Mittel für die Bundeswehr zu bewilligen.
({12})
Damit sind wir nämlich bei einem Grundproblem angekommen. Denn was helfen alle schönen Reden, alle Versicherungen gegenüber den Soldaten, wenn man den Verteidigungshaushalt nicht bewilligt,
({13})
wenn man die Mittel nicht bewilligt, die den Soldaten ,erst in den Stand setzen, das zu tun, was man von ihm verlangt.
({14})
- Eben nicht.
({15})
Selbstverständlich können Sie hier Änderungsanträge stellen. Aber, Herr Erler, Sie werden mir doch zugestehen - das geht aus den Akten dieses Hohen Hauses eindeutig hervor -, daß Sie bis zum heutigen Tage noch keinem Verteidigungshaushalt, keiner Vorwegbewilligung, keinem Nachtragshaushalt und was es sonst an Einzelbewilligungen gegeben haben mag, die hier zur ordnungsgemäßen Verabschiedung standen, zugestimmt haben. Wenn Sie es ,auch natürlich nicht deklariert haben und wenn Sie es nicht manifestieren - im Gegenteil, Ihre Manifestationen gehen ja in eine andere Richtung -, so haben Sie doch bisher in den Beschlüssen des Hohen Hauses gewissermaßen das Motto praktiziert: Dieser Bundeswehr keinen Mann und keinen Groschen! Zeigen Sie mir einmal die Vorlage, den Beschluß des Hohen Hauses, wo Sie der Schaffung irgendwelcher Planstellen, sei es für freiwillige oder für wehrpflichtige Soldaten, zugestimmt haben!
Eine Zwischenfrage?
Bitte schön.
Herr Kollege Dr. Kliesing, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß, wenn man -wie Sie es soeben in Ihren Ausführungen im Hinblick auf das Recht der Opposition, den Haushalt eines Ministeriums abzulehnen,
({0})
getan haben - daraus, daß die Opposition aus politischen Gründen einen Haushalt ablehnt, solche Schlußfolgerungen zieht, wie Sie es getan haben, wir mit dem gleichen Recht, wenn die CDU in einem Lande, in dem sie in der Opposition ist, den Haushalt des Innen- oder des Kultusministeriums ablehnt, sagen könnten: „Wollen Sie Lehrer und Polizisten aushungern?" Sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß das zum mindesten vom demokratischen Stil her gesehen recht billig ist, wie Sie argumentieren?
({1})
Nein, dieser Meinung bin ich keineswegs. Im Gegenteil, ich finde, Herr Wienand, Ihre Frage paßt nicht ganz logisch in meine Ausführungen hinein.
({0})
Denn ich habe keineswegs dagegen polemisiert, daß Sie hier diesen oder jenen Haushalt ablehnen, sondern ich habe festgestellt, daß Sie bisher alles und in jedem Falle abgelehnt haben.
({1})
Sehen Sie, man kann nicht auf der einen Seite ein Ja zur Bundeswehr sagen und auf der anderen Seite draußen im Volke sagen: „Seht euch mal an, was die Bundesregierung, was die CDU für die Bundeswehr ausgibt. Es wäre viel besser, das Geld für Krankenhäuser und Schulen auszugeben." Selbstverständlich würden auch wir das Geld lieber für Krankenhäuser und Schulen ausgeben. Aber wenn Sie jetzt rufen: „Sehr richtig!" - ja, meine Herren, eine Bundeswehr, eine moderne Wehrmacht überhaupt kostet nun einmal Geld, darüber kommt man nicht hinweg, und es fragt sich eben, was man bereit ist dafür auszugeben und ob man überhaupt bereit ist, etwas auszugeben. Bisher haben Sie jedenfalls noch nichts dafür ausgegeben oder bewilligt.
({2})
- Nun, wir wollen die Debatte hier nicht allzusehr in die Breite gehen lassen; deshalb möchte ich mich einer anderen Frage zuwenden.
Der Herr Kollege Schmidt hat seine Ausführungen mit einer sehr begrüßenswerten Feststellung begonnen, indem er von dem guten Geist der Truppe sprach. Diese Darstellung möchte ich namens meiner Freunde nachdrücklich unterstützen und darüber hinaus der Truppe und allen, die am Zustandekommen dieses guten Geistes der Truppe beteiligt waren und sind, unseren Dank dafür aussprechen, daß sie das fertiggebracht haben und fertigbringen, trotz aller Diffamierungen und psychologischen Hemmnisse, die man ihrer Arbeit in den Weg gelegt hat.
({3})
Dr. Kliesing ({4})
In diesem Zusammenhang greife ich auch gern den Gedanken des Kollegen Kreitmeyer auf, der gesagt hat, die Abgeordneten sollten ruhig einmal den unmittelbaren Kontakt mit der Truppe suchen. Ich möchte auch meinerseits an das Hohe Haus den Appell richten, es möge doch jeder einzelne Abgeordnete, soweit es möglich ist, den Kontakt mit der Truppe suchen. Ich glaube, er wird von dort einiges an nützlichen Erfahrungen mitbringen.
Dann ist die Frage der Traditionsbildung angesprochen worden. Ich möchte dazu nur ein paar Anmerkungen machen, weil mein Freund Lenze, glaube ich, dazu nachher noch einiges zu sagen hat. Meine Damen und Herren, wir wollen uns darüber im klaren sein, daß wir es hier mit einem der schwierigsten Probleme der Bundeswehr überhaupt zu tun haben. Ein weites Feld tut sich hier auf. Wer einmal die Broschüre des Grafen Baudissin über die Tradition gelesen hat - ich kann diese Lektüre allen Interessenten nur sehr ans Herz legen -, der wird finden, wie außerordentlich komplex dieses Gebiet ist und wie sehr die einzelnen Komponenten dieses Problems der Tradition divergieren. Deshalb sollten wir uns die Lösung dieses Problems nicht zu leicht machen. Wir müssen vor allen Dingen im Auge behalten, daß Traditionsbewußtsein Geschichtsbewußtsein voraussetzt. Wenn wir einmal fragen, wie es mit dem gegenwärtigen Geschichtsbewußtsein und der Bewältigung der Vergangenheit in unserem Volke aussieht, dann wissen wir, daß es sich hier um ein Problem des ganzen Volkes und nicht um ein Sonderproblem der Bundeswehr handelt. Die gewiß sehr ernstzunehmende und entscheidende Frage des Zustandekommens einer gesunden Tradition in der Bundeswehr ist Teil eines Problems, das unser ganzes Volk angeht. Angesichts der allgemeinen Schwierigkeiten, mit denen unser Volk heute zu kämpfen hat und die bekannt sind - ich brauche hier nicht darauf hinzuweisen -, ist zu berücksichtigen, daß im Falle der Bundeswehr noch Schwierigkeiten besonderer Art hinzukommen, die dieses Problem erschweren und komplizieren. Gestatten Sie mir dazu nur ein Beispiel. Der Kollege Schmidt hat mit Recht das Jahr 1848 erwähnt. Das ist eine Frage, die nicht nur die Bundeswehr angeht. Wenn wir in der jungen deutschen Demokratie ein Geschichtsbewußtsein wecken und aufrichten wollen, geht diese Frage, wie wir 1848, dieses demokratische Erbe, in unserem Volke lebendig machen, vielmehr das ganze Volk an.
({5})
- Einschließlich .der Bundeswehr. Was soll nun aber z. B. der Soldat denken, wenn er mit der Tradition der Paulskirche konfrontiert wird, wie es heute morgen mit Recht verlangt wurde, und ihm dabei gleich die Erinnerung daran kommt, wie etwa in der Geburtsstunde der Bundeswehr gerade die Paulskirche als Stätte demokratischer Tradition in einer zum Teil demagogischen Art und Weise u. a. auch zur Diffamierung des Soldatentums schlechthin mißbraucht wurde?!
({6})
Ich möchte also sagen: Ich habe absolut nichts gegen die Benennung von Kasernen oder Kriegsschiffen nach Widerstandskämpfern, im Gegenteil. Aber es hieße doch dem Problem sehr oberflächlich entgegentreten, wenn man glaubte, man könne die Frage des rechten Traditionsbewußtseins in der Bundeswehr schon damit lösen, daß man Kriegsschiffen den Namen von Männern des 20. Juli gibt.
({7})
- Nein. Aber ich wende mich - das habe ich ja gesagt auch nicht gegen das Verlangen an sich.
Ich möchte nur davor warnen, dadurch das Problem zu verniedlichen. Es wäre in diesem Zusammenhang auch zu untersuchen, ob die junge Generation der Wirkung des Symbols gegenüber nicht allzu kritisch eingestellt ist; ich meine es jetzt nicht in diesem speziellen Fall, sondern ganz allgemein. Und was die ältere Generation angeht, so muß sie dieses Problem aus eigener Kraft bewältigen. Wenn jemand nicht von sich aus zum Nachdenken über die Vergangenheit gekommen ist oder kommt, wird, wie ich befürchte, auch eine einfache Namensgebung bei Schiffen oder Kasernen nicht dazu ausreichen, ihn zum Nachdenken zu veranlassen. Die Tradition muß allmählich wachsen.
({8})
Wir dürfen das nicht forcieren. - Ich glaube, meine Herren, wir sollten uns darüber einig sein, daß wir uns, was die Traditionsbildung in der Bundeswehr angeht, darauf beschränken sollten, etwaige Fehlentwicklungen festzustellen und abzustellen.
Die Frage des Traditionsbewußtseins steht natürlich in engem Zusammenhang mit der Frage der staatsbürgerlichen Erziehung und Bildung. Lassen Sie mich dazu ein Wort sagen. Wir haben soviel von dem Staatsbürger in Uniform gehört und gesprochen, einem Prinzip, das wir alle miteinander bejahen.
({9})
- Ganz recht, Herr Eschmann, es gibt zu wenige.
({10})
Dafür gibt es eine ganze Menge Gründe, mit denen wir uns hier nicht im einzelnen auseinandersetzen können. Aber wer einmal bei der Truppe gewesen ist, der hat gerade aus dem Munde derjenigen Offiziere, die sich um die staatsbürgerliche Erziehung bemühen, immer wieder die etwas resignierende Feststellung gehört, daß der junge Mensch, der nun als Staatsbürger in Uniform in die Kaserne komme, noch gar kein Staatsbürger sei, weil er eben kein staatsbürgerliches Bewußtsein mitbringe.
({11})
- Ganz richtig, Herr Eschmann. Vielleicht sind dafür zwei Faktoren verantwortlich zu machen. Wir wollen uns darüber einigen. In vielen Fällen liegt es am Elternhaus, in vielen Fällen an der Schule. Aber wir sollten daraus eine Konsequenz ziehen: Die Bundeswehr wäre überfordert, wenn wir von
Dr. Kliesing ({12})
ihr verlangten, in 12 Monaten neben der militärischen Ausbildung noch das zu leisten, was Elternhaus und Schule in langjähriger Arbeit - an der es vielfach fehlt - nicht fertigbekommen haben.
({13})
- Was haben Sie denn dagegen einzuwenden? Ich mache Ihnen doch keine Vorwürfe. Fühlen Sie sich doch hier nicht betroffen!
Abgesehen davon würden wir, wenn wir versuchten, die Dinge zu forcieren, mit der Bundeswehr in einen Bereich hineingeraten, in den wir alle miteinander nicht hineinwollen; wir wären nämlich dann bald weder bei der sogenannten Schule der Nation,
({14})
und dahin wollen wir nicht kommen.
Im engen Zusammenhang mit der inneren Führung steht das Problem des Wohnungsbaues, das vorhin schon angesprochen worden ist. Auf den ersten Blick mag es vielleicht etwas merkwürdig erscheinen, daß ich diese beiden Probleme zusammenbringe, aber ich finde, daß der Soldat die Aufgaben, die wir ihm auf dem Gebiet der inneren Führung stellen, nur dann wird erfüllen können, wenn dazu auch die menschlichen Voraussetzungen in ihm selbst und in seiner familiären Umgebung geschaffen werden. Das Problem des Wohnungsbaues in der Bundeswehr ist gegenwärtig das Problem Nr. 1, das uns die Bundeswehr überhaupt aufgibt. Der Bundeswehrverband hat uns vor einiger Zeit eine Denkschrift übergeben, die zum Teil ganz erschütternde Tatsachen aufweist. Herr Kollege Frenzel hat schon von den 30, 40 % gesprochen. In einem Fall - Sie erinnern sich, Kollege Frenzel -mußte ein Obergefreiter, der in eine Wohnung eingewiesen wurde, zur Bestreitung der Miete sogar ungefähr 60 % seines Einkommens aufbringen.
({15})
Wir versuchen, mit dem interfraktionellen Änderungsantrag Umdruck 332 Abhilfe zu schaffen, und wir sind sehr glücklich darüber, daß es uns nach langen, zähen Verhandlungen doch noch gelungen ist, wenigstens in etwa einen Fortschritt zu erzielen. Gerade diese Frage werden wir im Verteidigungsausschuß weiterhin im Auge behalten.
Der gegenwärtige Haushaltsplan sieht vor, daß bis zum Ende des Haushaltsjahres 60 000 Wohnungen für Soldaten entweder fertig, in Bau oder jedenfalls in fortgeschrittener Planung sein sollen. Der Endbedarf der Bundeswehr bis zum Jahre 1961/62 beläuft sich auf insgesamt 72 000 Wohnungen. Wir begrüßen es sehr, daß endlich einmal ein großer Schritt vorwärts gemacht wird. Allerdings wird es ganz entscheidend darauf ankommen, daß die Zahl von 60 000 keine Soll-Zahl bleibt, sondern zum Ende des Haushaltsjahres auch eine Ist-Zahl wird.
Der Kollege Schmidt hat den Bundesverteidigungsminister aufgefordert, einmal dem Bundeswohnungsbauminister gehörig Bescheid zu sagen. Ich habe bei Besuchen der Truppe und auch anderweitig festgestellt, daß gerade der Herr Bundeswohnungsbauminister der Frage des Wohnungsbaues für Soldaten seine besondere Aufmerksamkeit gewidmet hat, daß er die Bedeutung dieses menschlichen Problems sehr gut erkannt hat. Ihm ist es wohl auch zu verdanken, wenn wir hier jetzt endlich vorwärtskommen. Ich möchte Ihnen, Herr Minister Lücke, ganz besonders den herzlichen Dank dafür aussprechen, daß Sie an dieser Frage des Wohnungsbaus für die Soldaten so regen Anteil genommen haben.
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Wir freuen uns auch, daß es nach langem Hin und Her gelungen ist, in der Frage der Verpflegungskosten einen Schritt weiterzukommen.
Nun aber zu einem anderen Problem. Der Kollege Schmidt hat hier mit Recht die personellen, materiellen und bürokratischen Schwierigkeiten angesprochen. Zwischen ihnen besteht ja ein innerer Zusammenhang. Wir sind davon überzeugt, daß der Minister und seine Mitarbeiter sich bemühen, hier für Abhilfe zu sorgen. Zweifellos haben aber der Minister selbst und seine Mitarbeiter auch einen sehr zähen Kampf mit der Bürokratie nach unten hin zu führen. Herr Minister, wir möchten Sie bitten, dafür zu sorgen, daß der Papierkrieg, der tatsächlich weitgehend so ist, wie ihn der Herr Kollege Schmidt heute morgen hier dargestellt hat, endlich abgeschafft wird, daß diese Dinge vereinfacht werden und daß die Truppenoffiziere in die Lage versetzt werden, sich trotz ihrer notwendigen Büroarbeit in dem erforderlichen Maß um den Truppendienst zu kümmern.
Für die gegenwärtige Situation gibt es, glaube ich, verschiedene Gründe. Zu nennen sind hier die fortgesetzt neuen Aufstellungsvorhaben sowie die Schwierigkeiten der Anlaufzeit. Man muß hier wohl auch erst Erfahrungen sammeln. Dazu möchte ich eine kurze Bemerkung machen. Ich habe so den Eindruck, als ob in letzter Zeit in manchen politisch durchaus verschieden denkenden Kreisen die Neigung besteht, zu sagen: Na, so manches hat sich doch in verwaltungsmäßiger und bürokratischer Hinsicht in der früheren Wehrmacht gut bewährt! Laßt uns doch wieder dazu zurückkehren! - Ich halte diese Einstellung für sehr gefährlich, nicht so sehr aus politischen Gründen, sondern aus rein sachlichen Gründen. Denn manches, was früher ganz gut und praktisch gewesen sein mag, läßt sich in dieser Form auf die heutige Bundeswehr und auf die heutigen Verhältnisse im Rahmen einer internationalen Koalitionsarmee einfach nicht übertragen.
Für die bürokratischen, aber auch materiellen Mängel scheint mir u. a. aber auch die viel zu komplizierte Struktur der NATO mit ihren Folgeeinrichtungen mitverantwortlich zu sein. Vielleicht können wir uns darüber gleich noch etwas unterhalten.
Was die personellen Engpässe angeht, so scheinen mir, Herr Minister, selbst die Stärkenachweisungen nicht in allen Fällen ausreichend zu sein. Man müßte auch das überprüfen. Im übrigen ist dieses Problem in der Zeit der Hochkonjunktur, in
Dr. Kliesing ({17})
der Zeit der Vollbeschäftigung sowohl in quantitativer als auch insbesondere in qualitativer Hinsicht nicht so ohne weiteres zu lösen.
Vielleicht könnte man aber doch zweierlei tun. Man könnte zunächst einmal die Fluktuation in der Bundeswehr erheblich vermindern. Ich möchte hier nicht das wiederholen, was Herr Kollege Frenzel soeben ausgeführt hat; ich unterstreiche das nachdrücklich. Zum zweiten sollte man dem landsmannschaftlichen Prinzip soweit wie möglich Rechnung tragen. Herr Minister, bitte achten Sie darauf - insbesondere auch bei der Wehrverwaltung -, daß dieses landsmannschaftliche Prinzip mehr, als es bisher geschehen ist, durchgeführt wird, daß also die jungen Soldaten, wohlgemerkt, wenn sie es nicht anders wünschen, in eine Garnison einberufen werden, die nicht allzu weit von ihrem Heimatort entfernt liegt. Ich erinnere daran, daß dieses landsmannschaftliche Prinzip im Gesetz verankert ist.
Ich muß sagen, daß mich der FDP-Antrag etwas gewundert hat. Wenn wir schon personelle Schwierigkeiten bei der Aufstellung der Bundeswehr haben, dann kann man, so glaube ich, eine Erhöhung der NATO-Kontingente um 12 % des Bestandes nicht so übers Knie brechen - ganz abgesehen davon, daß dadurch der ganze Haushalt auf den Kopf gestellt würde - und dann noch gleichzeitig eine stärkere Berücksichtigung der territorialen Verteidigung verlangen. Ich meine also, wir sollten über diesen Antrag heute hier nicht abschließend entscheiden. Ich benutze die Gelegenheit, Herr Präsident, zu beantragen, daß der Entschließungsantrag der FDP dem Verteidigungsausschuß zur Beratung überwiesen wird.
Lassen Sie mich noch ein paar Worte zu den Problemen sagen, die sich aus unserer Zugehörigkeit zur NATO ergeben. Es sind vornehmlich drei Probleme. Ich erwähnte schon, daß die Struktur der NATO zu kompliziert ist. Wenn das stimmt, was wir über die Anzahl der dort bestehenden Ausschüsse gehört haben, und wenn das stimmt, was wir über die Kompliziertheit dieser ganzen Maschinerie erfahren haben, dann muß uns das hinsichtlich der Funktionsfähigkeit des ganzen Apparates doch mit gewissen Besorgnissen erfüllen. Damit will ich die Sache hier nicht etwa dramatisieren.
Das zweite ist die Frage einer NATO- oder meinetwegen einer westeuropäischen Luftverteidigung. Wir alle nehmen diese Luftverteidigung sehr ernst. Wir wissen, daß diese Aufgabe nur schwer lösbar ist, und wir wissen, in welchem Maße im Ernstfall das Schicksal unseres Volkes und der anderen Völker Westeuropas davon abhängig ist. Wir bedauern außerordentlich, daß es trotz aller Bemühungen bisher noch nicht gelungen ist, in der Frage der westeuropäischen Luftverteidigung das Prinzip der Integration durchzusetzen. Wenn auf irgendeinem Gebiet des modernen Verteidigungswesens eine Integration dringend notwendig ist, dann auf dem Gebiet der Luftverteidigung. Kooperation oder Koordinierung - wie man es nennen mag - reicht hier absolut nicht aus. Wir möchten nicht erleben, daß um politischer Prinzipienfragen willen lebenswichtige Notwendigkeiten auf dem Gebiet der Verteidigung außer acht gelassen werden.
Schließlich noch ein Wort zur Kommandostruktur der NATO. Auch hier haben mehrere Mitglieder des Hohen Hauses gestützt auf ihre Tätigkeit in der Westeuropäischen Union Gelegenheit gehabt, einige besorgniserregende Feststellungen zu treffen. Wir sind der Auffassung, daß auch die Kommandostruktur zu kompliziert und zu unübersichtlich ist. Das gilt vornehmlich ,für die Seeverteidigung. Es scheint uns, daß die Seeverteidigung durch die Parzellierung des Nordseeraumes, wie ,sie zur Zeit kommandomäßig bei NATO vorgenommen ist, nicht ausreicht, um unsere Sicherheit im notwendigen Maße zu gewährleisten. Insbesondere sind wir der Überzeugung, daß der vorgesehene Schutz der Ostseeausgänge nicht im geringsten dem entspricht, was wir da erwarten. Es wird in der nächsten Woche in Straßburg Gelegenheit sein, sich hierüber zu unterhalten.
Besonders schwer trifft uns die Feststellung, daß die für diese Dinge verantwortlichen militärischen Stellen unsere Besorgnisse teilen und daß es nach allgemeiner Auffassung keineswegs etwa militärischer Konkurrenzneid ist, der uns hindert, diese Probleme aus der Welt zu schaffen, sondern politische Schwierigkeiten. In der heutigen Zeit dürfen nationale Prestigefragen nicht so weit getrieben werden, daß darunter das gemeinsame Anliegen, die Völker zu verteidigen, zu sichern und zu schützen, in erheblichem Maße leidet.
Gestatten Sie mir noch das Wort zu ,einer abschließenden Feststellung. Wenn wir uns das Problem „Verteidigungshaushalt und Bundeswehr" ansehen, müssen wir davon ausgehen, daß entscheidend immer die Leistung ist. Wir müssen uns fragen: was ist geleistet worden? Eine Gegenüberstellung der ersten Gehübungen der Bundeswehr im Herbst 1957 bei den sogenannten Marschübungen und den Manövern des Herbstes 1958 zeigt uns, daß tatsächlich nicht nur auf dem Gebiet der inneren Führung, sondern - das eine ergänzt das andere - auch auf dem der militärischen Leistung einiges, und zwar angesichts der Schwierigkeiten ganz Erhelbliches vollbracht worden ist. In der Bundeswehr wird bei zivilen und militärischen, Stellen eine unsägliche Kleinarbeit geleistet. Es herrscht eine Arbeitsüberlastung, die zu gesundheitlichen Schäden geführt hat und nur dadurch bewältigt wird, daß in der Bundeswehr tatsächlich noch ein Maß von Idealismus gefunden wird, wie man es heute leider nicht in allen Kreisen unseres Volkes antrifft. Wir möchten daher allen in der Bundeswehr, den Soldaten, den Beamten, Angestellten und Arbeitern, unseren aufrichtigen und herzlichen Dank für diese Leistung hier aussprechen.
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Wir haben das Vertrauen zur Bundeswehr und zu dem guten Geist der Bundeswehr, den der Kollege Schmidt gerühmt hat. Wir sind ,allerdings der Auffassung, daß dieser so sehr gerühmte gute Geist der Bundeswehr nicht so gut sein könnte, wenn die politische Führung schlecht wäre. Der Geist der
Dr. Kliesing ({19})
Truppe ist für uns der beste Beweis auch für den guten Geist der Führung, sowohl der politischen wie der militärischen. Daher sprechen wir dieser Führung der Bundeswehr unser Vertrauen aus.
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,Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Schäfer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich heute einige Ausführungen zum Haushalt des Bundesverteidigungsministeriums mache, so tue ich es nicht zum Umfang der veranschlagten Mittel; dazu hat mein Freund Ritzel zu Beginn der zweiten Lesung schon gesprochen, und dazu werden wir in der dritten Lesung noch sprechen. Ich beschränke mich bei meinen Ausführungen darauf, unsere Meinung und auch unsere Sorge hinsichtlich einiger Fälle darzulegen, bei denen wir Anlaß hab en, daß das Verteidigungsministerium mit den ihm zur Verfügung gestellten Mitteln nicht so umgeht, wie man es erwarten darf.
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Es ist sehr beachtlich, daß die Haushaltsausgaben des Verteidigungsministeriums monatlich im Durchschnitt 400 Millionen DM betragen. Sie betrugen aber im Januar dieses Jahres 472 Millionen DM, im Februar stiegen sie schon auf das Doppelte, auf 808 Millionen DM, und im März war es gar das Siebenfache eines normalen Monatsbetrages, nämlich 2 685 Millionen DM. Man muß sich fragen, wie das Verteidigungsministerium dazu kommt, zum Abschluß des Haushaltsjahres seine Haushaltsausgaben in dieser enormen Weise zu steigern.
Man kann nicht umhin, festzustellen, daß man sich, wenn man keine Möglichkeiten hat, das Geld auszugeben, offensichtlich Möglichkeiten dazu schafft. Das Verteidigungsministerium ist offenbar der Auffassung, es sei es sich schuldig, das Geld auszugeben; man dürfe nicht nur jedes Jahr 10 oder 11 Milliarden DM anfordern sondern müsse - eine sehr sonderbare Vorstellung -, um glaubwürdig zu erscheinen, den Nachweis erbringen, daß man das Geld auch ausgeben könne.
Hand in Hand damit geht aber eine sehr bedenkliche Auffassung des Herrn Bundesfinanzministers. Er ist nämlich bestrebt, zum Haushaltsjahresende seine Kassen zu leeren. Daher die Vorauszahlungen auf das Auslandsschuldenabkommen mit den Vereinigten Staaten und mit England in Höhe von rund 1 Milliarde DM, und daher offensichtlich auch das Entgegenkommen des Herrn Bundesfinanzministers gegenüber dem Herrn Verteidigungsminister, in diese Ausgaben einzuwilligen.
Ich habe für das Verhalten des Herrn Bundesfinanzministers nur eine Begründung: daß er offensichtlich selbst befürchtet, die Verteidigungsausgaben könnten in den nächsten Jahren so enorm ansteigen, und deshalb jetzt durch die Vorauszahlungen schon einiges der zukünftigen Lasten abnehmen will. Aber es bleibt die Feststellung, daß Verteidigungsminister und Finanzminister - und die letztere Feststellung ist sehr schwerwiegend - gegen § 26 der
Reichshaushaltsordnung dadurch verstoßen haben, daß sie Mittel in Anspruch genommen haben, ehe man sie überhaupt brauchte.
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Das Bundesverteidigungsministerium hatte im Februar 1958 das sogenannte Dokument MC 70 erhalten, in dem eine Umorganisation der Bundeswehr unter Berücksichtigung der atomaren Bewaffnung vorgesehen war. Der Bundesverteidigungsminister hat dann - das erkennen wir an - die Beschaffungen zunächst einmal gestoppt, um unnötige Ausgaben zu vermeiden. Aber er hat auch die ganzen planerischen Arbeiten von März bis September angehalten. Erst im September 1958 hat das Verteidigungsministerium dann in einer außerordentlichen Kraftanstrengung die ganzen planerischen Arbeiten konzentriert durchgeführt, so konzentriert, daß es über die Leistungsfähigkeit der beteiligten Beamten weit hinausging. Wir haben begründeten Anlaß, Herr Minister, unserer Sorge Ausdruck zu geben, daß bei der Durchführung der Ausschreibungen, der Planungen oder gar bei der Vergabe der Aufträge nicht die notwendige Sorgfalt beobachtet werden konnte.
Einen Augenblick, Herr Abgeordneter!
Meine Damen und Herren, es ist mir eine besondere Freude, daß soeben Herr Präsident Robert Schuman in diesem Hause eingetroffen ist.
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Mein hochverehrter Herr Präsident! Dieser Beifall ist echt, und er erstreckt sich sogar auf die Tribünen, was in diesem Hause an sich nicht erlaubt ist.
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Der Präsident dieses Hauses hält es aber für richtig, einer so spontanen Kundgebung der Freude, der Dankbarkeit und des Vertrauens gegenüber Toleranz zu üben und deshalb auch den Beifall auf den Tribünen heute ausnahmsweise - gegen die Geschäftsordnung des Hauses - zuzulassen.
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Selbstverständlich, mein verehrter Herr Präsident, gilt dieser Gruß, der respektvolle Gruß dein Präsidenten der Gemeinsamen Versammlung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl, der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Europäischen Atomgemeinschaft. Sie haben es geschafft - und sind damit ein leuchtendes Beispiel für alle europäischen Parlamentspräsidenten -, am 19. März 1958 einstimmig zum Präsidenten eines supranationalen Parlaments gewählt zu werden. Nicht nur die Fraktionen, sondern auch die Nationen haben sich hier auf einen vortrefflichen Mann völlig einmütig und spontan geeinigt.
Nun, Herr Präsident, wir grüßen in Ihnen nicht nur den Präsidenten des Europäischen Parlaments, sondern wir grüßen in Ihnen einen der großen Einiger Europas, die ein großes Bild, hervorgeganPräsident D. Dr. Gerstenmaier
gen aus der Qual zweier Weltkriege und der Not der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts, vor uns hingestellt haben, ein großes Bild, das die Jugend Europas, das die Parlamentarier Europas gewonnen hat und dem wir auch gegen Widerstände und Schwierigkeiten unsererseits in diesem Hause die Treue halten möchten.
Zweitens, Herr Präsident, verneigen wir uns vor Ihnen als einem großen Staatsmann unseres Nachbarvolkes Frankreich.
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Sie haben nach einer leidvollen Geschichte der Verständigung zwischen Deutschland und Frankreich eine Bahn gebrochen. „Verständigung" sage ich. Was sagt das? Sie sind der deutschen Sprache so mächtig wie ich, und Sie werden es verstehen, wenn ich sage: „Verständigung" ist hier ein zu schwaches Wort, hier muß von Versöhnung geredet werden. Sie haben der Versöhnung zwischen Frankreich und Deutschland, Deutschland und Frankreich das Tor aufgemacht, und dafür sind wir Ihnen immer aufrichtig und von Herzen dankbar.
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Herr Präsident, nehmen Sie dieses Wort des Grußes zugleich als einen Ausdruck des Dankes für Ihr Wirken, für Ihre Person, und bleiben Sie uns und Europa noch lange im Segen erhalten.
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Der Herr Abgeordnete Dr. Schäfer hat das Wort.
Herr Bundesverteidigungsminister, die Beschaffungsmaßnahmen im Frühjahr dieses Jahres, die ich soeben dargestellt habe, erinnern allzusehr an die überstürzten Maßnahmen Ihres Amtsvorgängers im Jahre 1956. Damals ließ sich Herr Blank weitgehende finanzielle Vollmachten geben. Ich darf nur an die Angelegenheit der Schützenpanzer erinnern. Der Hauptfehler, der damals gemacht wurde - und wir fürchten, daß er auch jetzt wiederum gemacht wurde -, war doch der, daß Prototyp, Nullserie und Gesamtauftrag in zeitlich enger Reihenfolge aufeinander folgten, so daß die Erfahrungen überhaupt nicht ausgewertet werden konnten. Am Schluß ging dann alles so schief, wie es überhaupt nur schiefgehen konnte.
Angesichts der Tatsache, daß die Bundesregierung 193 Millionen DM Vorauszahlungen geleistet und 12 Millionen DM Lizenzgebühren bezahlt hatte für Unterlagen, die nahezu wertlos waren, Herr Verteidigungsminister, erwarten wir von Ihnen auch über diese Angelegenheit, wenn sie abgeschlossen ist, eine abschließende Erklärung vor diesem Hause. Wir haben im Haushaltsausschuß darüber gesprochen, es wurde im Verteidigungsausschuß darüber verhandelt. Eine befriedigende Erklärung, Herr Minister, konnten Sie bis heute nicht geben.
Bei all diesen Verträgen wurde ein neues System entwickelt, ein System von Schachtelverträgen. Man vergibt an eine Firma, die an eine Tochterfirma weiter vergibt, welche ihrerseits wieder in Unterlieferverträgen weiter vergibt. Das war nicht nur bei den
Schützenpanzern so, sondern das ist auch neuerdings so.
Ich darf statt vieler anderer Fälle nur einen besonderen Fall erwähnen. Im Oktober 1958 wurde ein Auftrag zur Beschaffung von Mörsermunition vergeben. Der Auftrag lautete auf 10 Jahre. Herr Minister, ich glaube nicht, daß Sie heute vorhersagen können, ob Sie in 10 Jahren diese Munition noch in dieser Weise brauchen. Sie haben ein Drittel zur Vorauszahlung angewiesen.
Man muß hier einmal die Verhältnisse im einzelnen darlegen, wie das so im ganzen läuft. Die unmittelbare Vertragsfirma ist eine deutsche Gesellschaft. Der Hauptinhaber dieser Gesellschaft ist gleichzeitig Mitinhaber eines internationalen Konzerns. Er gab den Auftrag an eine ausländische Firma weiter, die zu diesem Konzern gehört. Diese ausländische Firma, die letztlich in den Besitz der Vorauszahlungen kam, konnte die notwendige Sicherheitsleistung nicht geben. Daraufhin sprang ein großer deutscher Versicherungskonzern ein, aber wiederum mit der Maßgabe, daß er sich, wenn er in Anspruch genommen werde, an Leistungsverpflichtungen der Bundesrepublik gegenüber dem anderen Staat halten dürfe. Die Produktionsfirma lieferte nunmehr wiederum nicht über ihren Auftraggeber, sondern über eine dritte Firma, die wieder im Ausland liegt und in einem dritten Staat registriert ist. Herr Minister, man fragt sich: Wer alles wäscht sich darin die Hände, wer alles verdient an diesen Aufträgen? Ich habe Anlaß, Sie zu bitten, Herr Minister, auch zu untersuchen und ein aufmerksames Augenmerk dem zu widmen, wer diese Aufträge und diese Verträge vermittelt.
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Es sind uns hier Umstände bekannt, die sehr zum Nachdenken Anlaß geben.
Ein Wort zu dem Ankauf und Lizenzbau der Starfighter! Der Kaufpreis eines Starfighters beträgt 6 Millionen DM. Nach Angaben des Herrn Verteidigungsministers selbst gehört zu jedem Flugzeug eine Ersatzteilgarnitur, die ungefähr 35 % des Kaufpreises ausmacht. Dementsprechend kostet also ein Starfighter rund 8 Millionen DM. Da dieser Starfighter zu einem Mehrzweckjäger umgebaut werden soll, hat man Entwicklungskosten in Höhe von 44,3 Millionen DM bezahlt. Man ist sich darin einig, daß dadurch das zu entwickelnde Flugzeug um eine Tonne schwerer sein wird, also niemand voraussehen kann, ob es dann überhaupt noch ein flugtüchtiges Flugzeug sein wird. Und bei diesem Entwicklungsstand, Herr Bundesverteidigungsminister, betreiben Sie Maßnahmen, die den Lizenznachbau dieser Starfighter in Deutschland ermöglichen sollen!
Die Frage wurde im Haushaltsausschuß sehr eingehend diskutiert. Wir haben die Auffassung vertreten, daß es weniger eine militärische als eine wirtschaftspolitische Frage ist. Der Haushaltsausschuß hat 23 Fragen formuliert, die an das Wirtschaftsministerium gestellt wurden. Diese Fragen wurden so objektiv und nichtssagend zugleich, ohne jede Schlußfolgerung beantwortet, daß man zu der
Feststellung kommen muß, das Wirtschaftsministerium teilt die Bedenken des Haushaltsausschusses, daß hier eine reine Rüstungsindustrie entstehen soll, die nur mit Staatssubventionen aufgebaut werden kann und die nur mit laufenden Verteidigungsaufträgen existieren könnte. Dabei ist darauf hinzuweisen, daß auf diesen Gebieten im Bereich der Verbündeten Kapazitäten frei sind, die man doch zunächst in Anspruch nehmen sollte.
Aber auch auf anderem Gebiet, Herr Bundesverteidigungsminister, sind Ausgaben vorgesehen, die durch nichts motiviert sind. Ich darf an die Ausführungen des Herrn Kollegen Kliesing bezüglich der Planungen in der Ostsee anknüpfen. Man plant dort die Errichtung von Marinearsenalen für zweimal 80 Millionen DM, wobei man gleichzeitig auf der anderen Seite die Howaldtswerft verschleudern will. Man plant den Neubau von Arsenalen in einer Zeit, in der die Beschäftigungslage in der Schiffsbauindustrie sehr kritisch ist, und man plant Hafenanlagen und sonstige Marineanlagen, obwohl keinerlei umfassende Konzeption vorgelegt werden konnte. Herr Kollege Kliesing hat erklärt, daß man hier von der offenen Flanke sprechen muß. Es ist nicht nur eine offene Flanke, sondern es ist eine offene Frage in der Gesamtkonzeption. Dann kann man aber nicht einfach aufs Geratewohl 160 Millionen DM hier investieren, - nicht nur 160 Millionen für Arsenale, sondern mehrere hundert Millionen D-Mark für Hafenanlagen.
Auf dem Gebiete der Personalanforderung fühlt man sich an eine alte Karikatur aus dem „Simplicissimus" des Jahres 1904 erinnert. Dort heißt es unter der Überschrift „Nach der Reichstagssitzung":
300 brauchen wir, 600 haben wir beantragt; nun haben die Ochsen uns 500 bewilligt. Was machen wir mit den restlichen 200?
Herr Bundesverteidigungsminister, es besteht nur der Unterschied, daß Sie für die restlichen 200 nutzlose Arbeit gefunden haben, daß, wie mein Kollege Schmidt und Herr Kliesing ihrerseits kritisiert haben, ein Papierkrieg von oben angefangen hat und eine Belastung der Truppe, die durch gar nichts motiviert ist und die keinerlei praktischen Sinn hat.
Man hört heute schon, daß das Verteidigungsministerium für den nächsten Haushalt weitere 800 Bedienstete anfordern will. Es hat bereits 4000 Bedienstete. Wir meinen, daß zunächst einmal geprüft werden sollte, ob alle Aufgaben tatsächlich beim Ministerium liegen müssen oder ob das Ministerium nicht einen guten Teil der Aufgaben, die es noch hat und die es noch nicht abgegeben hat, an nachgeordnete Dienststellen abgeben könnte.
Wie leichtfertig Personalanforderungen von diesem Ministerium aus gestellt werden, hat sich bei der Anforderung der Ärzte gezeigt. Es wurden zunächst 1300 Ärzte angefordert. Erst als der Haushaltsausschuß und die Berichterstatter des Haushaltsausschusses nachgewiesen hatten, daß davon 400 Ärzte in Verwaltungsstellen verwendet werden sollen und daß diese Ärzte überhaupt nicht ärztlich tätig sein würden, hat man das vorn Verteidigungsministerium aus anerkannt und zugegeben und sehr schnell innerhalb weniger Tage eine neue Organisationsform gefunden, bei der nach Angabe des Ministeriums 400 Ärzte eingespart werden konnten und die Betreuung der Truppe noch wesentlich verbessert werden konnte. Wir glauben, Herr Minister, daß man wie auf diesem Gebiet auch auf vielen anderen, ehe man Personalanforderungen stellt, prüfen sollte, ob nicht durch Änderung der Organisation, durch Änderung des Geschäftsganges wesentliche Verbesserungen möglich sind, so daß sich das Ministerium oder die Verwaltung nicht unnötig verbreitert.
Ich sprach eingangs davon, daß Bestellungen in Höhe von 4 bis 6 Milliarden DM getätigt wurden. Sie beziehen sich auf eine Lieferzeit von zwei bis drei Jahren. Wenn man nun daran denkt, daß die Anlieferung dieser teuren Geräte in einem halben oder in einem Jahr beginnt, dann wundert man sich, daß die Bundeswehr nicht gleichzeitig eine geeignete Depotorganisation so weit vorbereitet hat, daß die Geräte aufgenommen, gepflegt und gewartet werden können. Es handelt sich hierbei immerhin um Milliardenbeträge, die aus den Steuergroschen der Bürger aufgebracht werden müssen.
Zusammenfassend läßt sich aus der Art, wie im Verteidigungsministerium mit den Mitteln umgegangen wird, feststellen, daß aus den anfänglichen Fehlern nicht viele Folgerungen gezogen wurden, daß man offensichtlich nicht willens ist, aus diesen Fehlern zu lernen und daß man verhältnismäßig leicht - ich möchte beinahe sagen: leichtfertig - mit Hunderten von Millionen umgeht, ohne sich darüber klar zu sein, daß es sich um die Steuergroschen des deutschen Steuerzahlers handelt.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Vogel.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hatte nicht die Absicht, die an sich schon sehr lange Rednerliste noch zu verlängern. Aber einige Bemerkungen meines sehr verehrten Herrn Vorredners zwingen mich, ganz kurz noch zu ein paar Problemen Stellung zu nehmen.
Lassen Sie mich, Herr Kollege Schmidt ({0}), zunächst ein Wort zu dem sagen, was Sie am Anfang Ihrer Ausführungen über den „Papierkrieg" meinten. Ob wir nicht selber durch unsere zahllosen Wünsche, die wir an die Bundeswehr herangetragen haben, ein wenig mit daran schuld sind, daß eine Unzahl neuer Verordnungen über die Bundeswehr herabgeregnet ist, möchte ich hier nicht näher untersuchen. Sicher ist weiter, daß die ungeheure Komplikation, die von vornherein über der Bundeswehr lag - gesetzgeberisch, organisatorisch, in bezug auf die Beschaffung des Landes usw. -, naturgemäß einen Papierkrieg heraufbeschwören mußte, über den wir uns heute alle gemeinsam beklagen. Aber wenn man ihn beklagt, dann sollte man sich auch über die Ursachen im klaren sein.
Daß jede Wehrmacht der Welt immer mit Papierkrieg zu kämpfen hatte und daß er beinahe unDr. Vogel
trennbar mit jeder Truppe verbunden ist, das ist eine uralte Wahrheit. Ich darf hier vielleicht einmal zur Auflockerung der Atmosphäre an eine kurze Geschichte - ich glaube, es ist eine der liebenswürdigsten Geschichten, die ich aus dem ersten Weltkrieg kenne - von Andre Maurois erinnern. In seinem Buche „Das Schweigen des Obersten Bramble" läßt er einen alten Oberst über seine Erfahrungen mit dem Papierkrieg folgendes berichten. In einem großen Magazin der englischen Armee hatte sich bei einer Inventur des Jahres soundso herausgestellt, daß statt 1000 Maschinengewehre nur 999 Maschinengewehre da waren. Alle Beteiligten befiel ein blasser Schrecken. Zunächst waren sie geneigt, diesen Verlust sofort zu melden. Aber dieser sehr kluge Oberst sagte: „Um Gottes willen, keinen solchen Verlust melden!" Er gab vielmehr 1000 Maschinengewehre an und forderte einen Ersatzlauf an. Nach zwei Monaten forderte er ein Gestell an, und dann baute er, nachdem er noch eine Reihe von Nachforderungen erhoben hatte, kunstvoll im Laufe eines Jahres das fehlende MG auf. Leider stellte sich bei der nächsten Jahresinventur heraus, daß er nicht 1000, sondern 1001 Maschinengewehre hatte, weil man sich beim erstenmal verzählt hatte.
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Er war dann aber auch nicht etwa so töricht, das überzählige MG zu melden, sondern baute auf die gleiche kunstvolle Weise im Laufe des folgenden Jahres das MG wieder ab.
Sie können aus der Erzählung dieses sehr klugen Franzosen aus dem ersten Weltkrieg entnehmen, wie es damals schon war. Und so ist es leider heute auch. Wir beklagen das alle; aber, ich glaube, wir können es schwer ändern. Wir sollten vielleicht gemeinschaftlich den Gedanken erwägen, ob man nicht zur Kontrolle und Eindämmung dieses Papierkrieges zu einer außerordentlichen Maßnahme schreiten und jemanden beauftragen sollte, einmal nachzuprüfen, was hier absolut notwendig ist und was nicht. Ich glaube, vor allem bei der Materialbeschaffung, bei der Materialausgabe und all den damit zusammenhängenden Dingen wird manchmal etwas zuviel verlangt, vor allem von den unteren Dienststellen.
Nun komme ich zu einem wichtigen Problem. Herr Kollege Dr. Schäfer, Sie haben sich über viele Dinge beklagt und dem Verteidigungsministerium unter anderem den Vorwurf gemacht, „leichtfertig" Ausgaben zu machen. Der Ausdruck „leichtfertig" mißfällt mir besonders. Ich glaube, das kann man beim besten Willen nicht akzeptieren. Es geht nicht, daß man einem Ministerium, das der Kontrolle des Bundesrechnungshofes untersteht und - das möchte ich auch einmal aussprechen - einen so ausgezeichneten Haushaltsreferenten wie den Ministerialdirektor Hopf hat, vorwirft, daß es „leichtfertig" Ausgaben mache. Ich halte das nicht für in Ordnung. Wenn man das schon behauptet, sollte man sich aber gleichfalls hüten, jede nur sich bietende Gelegenheit zu benutzen, um draußen im Lande, wenn es sich um die Landbeschaffung von den Bauern oder um andere derartige Dinge handelt, der Bundeswehr einen Knüppel zwischen die Beine zu werfen. Diese
Einstellung haben wir in den letzten .Jahren leider oft genug wahrnehmen müssen: Überall, wo man einen Flugplatz brauchte, wo man eine Batterie unterbringen wollte oder sonst etwas zu tun beabsichtigte, rührten sich dann plötzlich die Kommunalbehörden und wurden Protestversammlungen ins Werk gesetzt. Wir wissen z. B. auch, wie dieser Rummel in meinem eigenen Heimatland Baden-Württemberg kunstvoll, ohne daß die Betreffenden, die sich vorspannen ließen, es merkten, von der Sowjetzone drüben gesteuert worden ist. Diese Dinge sollten schließlich auch beachtet werden, wenn man sich anschickt, derart massive Vorwürfe zu erheben.
Eine Reihe von Fragen, die hier aufgekommen sind, bedürfen einer näheren Nachprüfung in den Ausschüssen. Herr Kollege Kreitmeyer, manches in Ihren Anträgen ist durchaus der Diskussion wert. Ich möchte allerdings für meine Freunde im voraus sagen, daß wir es nicht für gut hielten, sofort zu einer Entscheidung zu kommen. Ich bitte damit einverstanden zu sein, daß wir Ihre Entschließung dem Ausschuß überweisen. Ein solcher Antrag wie etwa der, die NATO-Stärken zu vergrößern, scheint mir durchaus einer eingehenden Diskussion in den beiden Ausschüssen wert zu sein.
Bei der Gelegenheit möchte ich dem Herrn Verteidigungsminister zu erwägen geben, ob man nicht angesichts der Weltlage heute überhaupt stärkeren Wert darauf legen sollte, die Territorialkräfte möglichst schnell oder jedenfalls schneller, als das bisher leider der Fall war, zu entwickeln. Aber das ist ein Kapitel für sich.
Nun zu dem Vorwurf des Geldausgebens um jeden Preis, von dem Herr Kollege Dr. Schäfer hier sprach. Nach den eingehenden Beratungen im Haushaltsausschuß hatten wir, glaube ich, nicht den Eindruck, daß unter der sehr energischen Geschäftsführung des Bundesverteidigungsministers Franz-Josef Strauß der Versuch gemacht wurden wäre, überflüssige Ausgaben zu machen.
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Ich glaube, die ganze sorgfältige Anlage der Vorprüfung, ehe man überhaupt an den „Starfighter" heranging, spricht doch sehr dafür, daß man sich die Sache nicht nur sehr genau überlegt hat, sondern daß man sich vielleicht sogar zuviel Zeit gelassen hat, um zu prüfen, ob das der Typ ist, den man braucht.
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- Sie haben, Herr Kollege Dr. Schäfer, denselben Vorwurf nachher auch gegenüber dem „Starfighter" erhoben. Sie haben aber nicht gesagt, was Sie an die Stelle des „Starfighter" setzten wollten. Für ein Flugzeug muß man sich schließlich einmal entscheiden. Wenn man die Entscheidung darüber solange hinausgezögert hat, dann spricht sehr vieles für die Sorgfalt des Hauses, aber nichts für Leichtfertigkeit. Das müssen Sie doch zugeben.
Zu dem, was weiter über die Ansätze und die Differenzen zwischen Ist- und Sollausgaben ausgeführt worden ist, möchte ich, wenn ich Sie richtig verstanden habe, folgendes sagen. Bei dem Aufbau eines so gewaltigen und so kostspieligen Instruments war es kaum zu vermeiden, daß man zuerst Ansätze aufgestellt hat, von denen man von vornherein wußte, daß sie in den ersten, vielleicht auch in den ersten drei Jahren sicherlich nicht in dieser Größenordnung gebraucht würden. Wir sind ,alle miteinander nicht glücklich über die Entwicklung der großen Haushaltsreste in diesem Jahr. Das haben wir offen miteinander besprochen. Wir sind sehr zufrieden, daß Bundesfinanzminister Etzel jetzt auch in diesem Haushaltsjahr mit der Neueinstellung jener vier Milliarden den ersten entscheidenden Versuch gemacht hat, entschlossen an den Abbau der Bindungsermächtigungen und dieser Reste heranzugehen. Das ist eine sehr vemünftige Politik. Ich glaube, sie wurde auch von der SPD durchaus begrüßt und genauso wie von unserer Seite gebilligt.
Kritik möchte ich daran üben, daß sehr häufig in manchen Dienststellen oder untergeordneten Stellen der Bundeswehr hier und da der Gedanke aufkreuzt: Es kommt nicht so sehr darauf an, was wir hier anfordern. Das ist eine Angelegenheit, mit der wir uns nicht nur in diesem Haushaltsjahr, sondern wahrscheinlich auch in den nächsten Jahren sehr intensiv ,auseinanderzusetzen haben werden. Aber auch Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, haben anerkannt, daß wir uns im Haushaltsausschuß die Prüfung dieser Ausgaben niemals leicht gemacht haben. Sie werden zugeben müssen, daß wir es waren, die entschlossen überall, gerade bei Personalanforderungen, den Rotstift da angesetzt haben, wo es notwendig war. Ich bitte das Hohe Haus, das Vertrauen zu uns zu haben, daß wir nichts durchgehen lassen werden, was wir nicht wirklich für absolut notwendig halten.
Wir wissen, daß der Aufbau einer solchen Bundeswehr, unseres Beitrages zur NATO, enorme Beträge erfordert. Aber das ist der Beitrag, den wir für unsere Freiheit zu leisten haben, und die Freiheit sollte sich jedes Volk etwas kosten lassen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Steinmetz.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe mich verpflichtet, nicht länger als fünf Minuten zu reden, und werde diese Verpflichtung einhalten.
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Es gibt im Haushalt des Verteidigungsministeriums in drei besonderen Titeln, 308, 309 und 310, Mittel für die technische Forschung, Entwicklung und Erprobung. Wir sind wohl alle hier im Hause der Meinung, daß es Forschungen gibt, die rein wehrtechnischen Charakter haben und ausschließlich für die Bundeswehr Nutzwert haben, daß dafür auch besondere Institute vorhanden sein müssen und daß diese Forschungen geheim betrieben werden müssen.
Wir sind uns andererseits, glaube ich, alle darüber klar, daß auch diese Forschungen auf den Grundlagen der allgemeinen naturwissenschaftlichen und technischen Forschung beruhen. Wir glauben im übrigen, daß es hier im wesentlichen nicht darauf ankommen kann, etwa Neuschöpfungen und Erfindungen auszuarbeiten. Denn auf diesem Gebiete sind uns unsere westlichen Verbündeten so weit voran, daß es keinen Zweck hat, hier etwa Ambitionen zu haben, ihnen mit erheblichen Mitteln und großem Zeitaufwand nachzulaufen. Wir können uns daher nur auf einige Sondergebiete beschränken.
Angesichts dieses Tatsache ist es, glaube ich, zweckmäßig, daß man einige Millionen - ich könnte mir denken, wenn nötig sogar einige hundert Millionen, aber vielleicht erst mal hundert Millionen - aus dem Verteidigungshaushalt für die allgemeine naturwissenschaftliche und technische Forschung an den Technischen Hochschulen und an den Universitäten zur Verfügung stellt. Denn ohne diese gibt es keine wehrtechnische Forschung. Außerdem ist es, wo solche Institute schon vorhanden sind, nach unserer Meinung leichter und billiger, etwas hinzuzufügen, und ist die wehrtechnische Forschung schneller zu verwirklichen, als wenn alles neu geschaffen wird. Ich glaube, es ist auch die allgemeine Ansicht des Hauses, daß es zweckvoller ist, unsere jungen Soldaten durch Ausbildung in solchen Instituten mit den allgemeinen technischen und naturwissenschaftlichen Grundlagen vertraut zu machen, als sie an überholten Waffen und Geräten auszubilden. Ich glaube, ein solcher Mitteleinsatz wäre eine sehr produktive Investition. Da die Wehrmacht der Zukunft die Wehrmacht der technischen Spezialisten sein wird, könnte ich mir denken, daß man auch im Verteidigungsministerium für solche Vorschläge durchaus zu haben ist.
Wir möchten deshalb - und ich möchte das im Namen meiner Freunde von der Deutschen Partei vorschlagen -, daß im künftigen Verteidigungshaushalt ein ständiger Ansatz von, sagen wir, 100 Millionen DM für die Wissenschaftsförderung vorhanden ist, und zwar speziell für die Förderung der technischen und naturwissenschaftlichen Forschung an den Technischen Hochschulen und in den technischen Instituten der Universitäten. Das liegt im Interesse der Verteidigung, das liegt aber auch im Interesse aller übrigen Bereiche unseres staatlichen Lebens. Wir werden bei der Beratung des nächsten Haushalts in der ersten Lesung einen entsprechenden Antrag einbringen und möchten Sie schon jetzt bitten, sich mit diesem Gedanken zu befassen. Ich glaube, alle Fraktionen und auch das Verteidigungsministerium können ihm zustimmen. Denn durch eine solche Maßnahme, zu der wir Sie aufrufen, würden wir sehr viele von den Zielen, die wir alle gemeinsam haben, erreichen können. Wir würden erreichen, daß unsere Institute an den Technischen Hochschulen und Universitäten endlich so ausgestattet und ausgebaut werden, daß die untragbaren
Zustände, die bis jetzt dort herrschen, beseitigt werden und wir den Anschluß an die übrigen Industriestaaten Europas - ganz zu schweigen von den USA - auf diesem Gebiet endlich gewinnen. Wir würden ferner auch den Bundeswehrsoldaten, dem technischen Personal, den Ausbildern, dem aktiven und dem Reserveoffiziernachwuchs die Möglichkeit geben können, sich an solchen Instituten eine technisch-wissenschaftliche Grundlage anzueignen. Des weiteren würden wir einem viel größeren Kreis von Studenten die Möglichkeit geben können, an diesen Instituten zu arbeiten. Wir würden auch erreichen, daß wir nicht mehr, wie bisher, ausländische Studenten, die zu uns kommen wollen, in so großer Zahl zurückweisen müssen. Sie werden sich erinnern, daß wir viele ausländische Studenten gerade aus den entwicklungsfähigen Ländern zurückweisen und damit die große Chance, Beziehungen zu diesen Ländern anzuknüpfen, aus der Hand geben mußten. Und wir würden damit erst die Möglichkeit für die spezielle wehrtechnische Forschung erhalten, die ja auf den allgemeinen Forschungen aufbauen muß.
Wir wären Ihnen also sehr dankbar, wenn Sie alle diesem Vorschlag Ihre Zustimmung gäben; und ich glaube, besonders dankbar wären Ihnen all die jungen Leute, die eines Tages an Technische Hochschulen oder Universitäten gehen wollen. Ebenso dankbar wird ein großer Kreis der jungen Leute sein, die eines Tages in die Bundeswehr kommen.
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Das Wort hat der Herr Bundesverteidigungsminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte im Hinblick auf die für alle knappe Diskussionszeit um Verständnis dafür bitten, daß ich nicht auf alle von den bisher aufgetretenen Rednern berührten Fragen eingehen und die darin enthaltene Problematik oder die dabei erhobenen Vorwürfe behandeln kann. Ich möchte aber gleichzeitig betonen, daß es mir nicht etwa unmöglich ist, darauf zu antworten, sondern daß ich Rücksicht darauf nehme, daß die zur Verfügung stehende Zeit nur kurz ist.
Zur Einleitung der zweiten Lesung des Bundeshaushalts hat gerade im Zusammenhang mit der Größe der Bundesverwaltung allgemein und sogar mit einigen nicht unliebenswürdigen Worten in bezug auf den Verteidigungshaushalt und auf die Größe des Verteidigungsministeriums der Kollege Ritzel von der Notwendigkeit gesprochen, daß die Minister im allgemeinen und der Verteidigungsminister im besonderen sich das Parkinsonsche Gesetz zu eigen machen. Ich darf dem Kollegen Ritzel auf diese individuelle Anregung hin, wenn sie auch bei mir nicht mehr notwendig war, weil dieses Buch seit einigen Jahren in meiner Bibliothek steht, die Gewißheit geben, daß das Buch „Parkinson's Law" nicht nur in meiner Bibliothek steht, sondern daß ich auch gewußt habe, wo es steht, und es sogar schon mehrmals gelesen habe. In dem „Parkinsonschen Gesetz" sind allerdings einige Zitate enthalten, die
hier zu bringen eigentlich nur die Kürze der Zeit mich hindert. Ich weiß nicht, wer sich dann davon betroffen fühlen müßte. Ich glaube, der Rahmen der Kritik ist hier sehr weit gespannt.
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Ich möchte aber im Zusammenhang damit ausführen, daß gerade die Begrenzung des Verteidigungshaushalts auf dem Gebiet des Ministeriums und der zentralen Dienststellen selbst auf einen Überrollungshaushalt seit zwei Jahren zu außerordentlich schweren Arbeitsproblemen geführt hat. Ich kann das vielleicht nicht so sehr theoretisch begründen, weil das auf wenig Glaubwürdigkeit stoßen würde. Ich möchte es vielmehr mit der allgemeinen vergleichenden Feststellung aufgreifen, daß in keinem einzigen modernen ,Staat, der über eine eigene Streitmacht, über Heer, Luftwaffe und Marine in der Größe der heutigen Bundeswehr verfügt, der personelle Führungsapparat selbst während der Zeitdauer der Unterhaltung - bei uns ist es ja die Frage des Aufbaus und ,der Unterhaltung - so gering ist wie im Bundesverteidigungsministerium und in den ihm unterstellten zentralen Dienststellen. Wer den personellen Umfang des Verteidigungsbereichs in anderen westeuropäischen Ländern sieht, die Größe der Ministerien, die Größe der unterstellten zentralen Dienststellen, die Größe der militärischen Führungsapparate nationaler Art - ich spreche nicht von den NATO-Stäben, die ein ,Problem für sich sind -, der muß bei dieser Gelegenheit zugeben, daß der Apparat bei uns, der sicherlich nicht von lauter erstklassigen Personen besetzt ist, was man ja angesichts der Vorgeschichte und der Umstände auch gar nicht erwarten und verlangen konnte, den Anforderungen, die an ihn gestellt werden, nicht mehr gerecht wird. Das trifft insbesondere zu für den Bundeswehrführungsstab. Das trifft zu für die Führungsstäbe der unterstellten Teilstreitkräfte, das trifft ohne jeden Zweifel zu für die Unterkunftsabteilung. Das trifft ohne jeden Zweifel zu für die Abteilung „Wirtschaft und Technik".
Ich erlaube mir in aller Bescheidenheit die Ankündigung, daß, wenn die gestellten Aufgaben gelöst werden sollen und wenn die zum Teil berechtigte, zum großen Teil auch unberechtigte Kritik auf das Maß einer völlig objektiven Unterhaltung soll zurückgeführt werden können, bestimmte Vermehrungen für die Dauer des Aufbaus der Bundeswehr - das ist bis zum Ende des Jahres 1963 einschließlich - nicht zu vermeiden sind, oder es müssen bestimmte Abstriche an .den Zielen vorgenommen werden. Das ist keine Kritik, die ich hier äußere. Sie steht mir auch nicht zu. Wir haben selbst einen Überrollungshaushalt vorgeschlagen, um den Rahmen auszufüllen, der uns möglich erschien. Wir werden aber angesichts der immer steigenden Aufgaben gerade auf dem Gebiet der Unterkunftsbeschaffung und der technischen Probleme mit dem, was wir haben, auf die Dauer nicht mehr zurechtkommen.
Ich darf ein anderes Problem anschneiden, das von dem Kollegen Schäfer berührt worden ist. Ich kenne seine Sorge - er hat sie im Ausschuß bei mehreren
Bundesverteidigungsminister Strauß
Gelegenheiten vorgetragen -: die Ausgaben des Verteidigungshaushalts. Zunächst darf ich einmal ein beruhigendes Wort sagen. Wir sind seit Oktober 1956 nicht mehr hinter den gesteckten Zielen zurückgeblieben; zum Teil sind sie durch die Einführung neuer Waffen und ähnliches geändert worden; das lag an der NATO-Planung, nicht an uns. Seit dem Oktober 1956 sind die Ausgaben im Verteidigungsbereich zwar gestiegen, aber in einem Ausmaß, das sich durchaus mit den insgesamt notwendigen staatlichen Leistungen in Einklang bringen läßt. Alle Befürchtungen, die geäußert worden sind, sind weder im Grundsatz noch im Ausmaß zutreffend.
Wenn ich mich recht erinnere, betragen die Verteidigungsausgaben der Jahre 1955 und 1956 zusammen etwa 4 Milliarden, des Jahres 1957 etwa 5,5 Milliarden und dies Jahres 1958 etwas über 8 Milliarden DM. Der Ansatz für das Jahr 1959 ist hier mit de facto 8,5 Milliarden bzw. 9 Milliarden bekannt. Dabei ist der Abstrich von 6 % zu berücksichtigen; der Ansatz beträgt 'also rund 8,5 Milliarden. Wenn ich auch noch nicht in der Lage bin, eine genaue Vorschätzung für unsere Vorschläge für das Haushaltsjahr 1960 zu geben, so darf ich doch sagen, daß die Zahl von 52 Milliarden, die einmal für den 1. April 1961 angesetzt worden ist, weit unterschritten werden wird und daß das obere Limit bis zu diesem Zeitpunkt von maximal 36 Milliarden, das ich vor etwa einem Jahr genannt habe, wahrscheinlich auch nicht erreicht werden wird. Damit halten sich die Verteidigungsausgaben in ihrer Gesamtheit in einem Rahmen, der angesichts der Bedeutung des Problems und der Notwendigkeit seiner Lösung durchaus verantwortet werden kann.
Ich darf nun zu den Käufen sprechen, die Herr Kollege Schäfer erwähnt hat. Er befindet sich hier in einem gewissen Gegensatz zu einem Vorredner derselben Fraktion, der meinte, wir hätten zuwenig Geld ausgegeben. Während der eine sagt, wir prüfen mit zuviel Akribie, sagt der andere, wir hätten mit zuwenig Akribie geprüft.
Ich darf dazu einige sachliche Erläuterungen geben. Herr Kollege Schäfer, Sie wissen, daß im April und Mai des Jahres 1958 eine bis zum Ende des Jahres 1963 gedachte neue strategische Konzeption der NATO mit ganz konkreten technischen Vorschlägen, Vorstellungen und Auflagen an die einzelnen Länder vorgelegt und in den zuständigen Gremien beschlossen worden ist. Wir haben uns darüber in diesem Hause und in den Ausschüssen bereits unterhalten. Die technischen Vorschläge, die dann auch Gegenstand konkreter Auflagen ,an die einzelnen Mitgliedstaaten der NATO geworden sind, mußten von der geringen Zahl der Mitarbeiter, die mir hier zur Verfügung stehen, im einzelnen auf ihre Durchführbarkeit und nach Feststellung der Durchführbarkeit auf die Art ihrer Durchführung geprüft werden. Das betrifft die Sichtung des Geräts, die Auswahl des Geräts, Einholung inländischer oder meist ausländischer Erprobungsberichte, Besichtigung des Geräts und eigene Erprobung des Geräts, alles das nach den Gesichtspunkten, die hier bei anderen Debatten schon erwähnt worden sind. Das hat dazu geführt, daß wir in den Monaten
von April bis September nur mit dieser Arbeit beschäftigt waren und, einfach gesagt, auf der Stelle getreten sind.
Ende September ist innerhalb des Ministeriums eine Reihe von Beschaffungsbeschlüssen gefaßt worden. Die Durchführung eines solchen Beschaffungsbeschluss es in Form einer Bedarfsanforderung und dann weiter einer Beschaffungsanweisung, eines Beschaffungsauftrags, dauert ,angesichts der gesetzlichen Bestimmungen und der Härte der Verhandlungen, die oft mit den betreffenden Firmen zu führen sind, ebenfalls eine Reihe von Monaten. Mit Ablauf des Monats Januar waren wir im großen und ganzen mit diesen Arbeiten fertig. Wir haben dann in den Monaten Februar und März mit der Beschaffung dieses Geräts, wie es durch die MC 70 erforderlich ist, begonnen. Das waren keine Torschluß- oder Panikkäufe, das waren keine unüberlegten Handlungen, sondern es ist dabei mit allergrößter Genauigkeit gearbeitet worden, wobei ich nie unterstellen möchte - jedenfalls für mich nicht -, daß wir völlig frei wären von Fehlern im einzelnen oder der einen oderanderen Fehlbeurteilung, die im übrigen in anderen Ländern mit einem größeren Apparat, mit mehr Spezialisten mit größerer Erfahrung in wesentlich größerem Umfang vorgekommen zu sein scheint ,als bei uns. Ich glaube sogar sagen zu dürfen, daß manches andere Land -ich möchte, wie Sie verstehen werden, keines beim Namen nennen - froh wäre, wenn es sowenig Fehlplanungen und sowenig Fehlinvestitionen bei der Durchführung seiner Planung hätte, wie es bei uns trotz mancher Mängel im einzelnen zutrifft.
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- Sicher, dann werden wir uns hoffentlich wieder in Ruhe darüber unterhalten können.
Ich möchte in diesem Zusammenhang allerdings sagen, daß wir dieselbe Entwicklung sicherlich auch in diesem Jahre haben werden. Wir arbeiten in der Planung auch nach den Vorschriften und Auflagen der NATO, nach dem sogenannten Annual Review Questionnaire - immer in Jahresabschnitten. Wir werden uns auch in diesem Jahre die Beschaffungen wieder in den ersten Monaten überlegen müssen. Wir werden technische Prüfungen vornehmen müssen. Wir werden durch Kommissionen Besichtigungen und im Inland und Ausland Erprobungen vornehmen müssen, um dann für die nächste Etappe - wahrscheinlich konzentriert in einigen Monaten, ich schätze, um das Jahresende herum - wieder zu einer größeren Zahl von Beschaffungen zu kommen.
Ich stehe aber nicht an, hier auch zu erklären, daß zu diesen Beschaffungen noch etwas anderes geführt hat. Hier darf ich gerade bei den Kritikern, die sich bisher über die mangelnde Einsatzfähigkeit der Bundeswehr besondere Sorgen gemacht und dem auch in den Ausschüssen und in der Öffentlichkeit beredt Ausdruck verliehen haben, auf ein besonderes Verständnis hoffen. Es ist sowohl anläßlich der Manöver wie bei anderen Gelegenheiten gesagt worden: Es mag ja sein, daß ihr eine Truppe aufbaut; ihr baut sie im übrigen zu schnell auf;
Bundesverteidigungsminister Strauß
ihr verlangt von der Truppe zu viel. Die Zellteilung geht zu rasch vor sich, die Einführung neuen Gerätes geht zu rasch vor sich! - Alles Dinge, auf die ich hier jetzt im einzelnen nicht zu sprechen kommen kann. - Aber, so wird gesagt, diese Bundeswehr muß ja nach drei Tagen nach Hause gehen, weil sie über keinerlei Vorräte verfügt. So kurzfristig denkt, plant und handelt die Bundesregierung!
Nun, ich habe die Maßnahmen eingeleitet, die notwendig sind, um den Vorschriften, die auch unsere Bündnispartner zu erfüllen haben, zu genii-gen, und habe dafür gesorgt, daß die Bundeswehr zum Teil schon jetzt, zum Teil in absehbarer Zeit auf allen wesentlichen Gebieten über die Mindestvorräte verfügen wird, die sie braucht, um ihre Aufgabe innerhalb der Bündnisgemeinschaft -unter Respektierung beider Seiten - erfüllen zu können.
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Ich glaube, daß damit auch ein Teil der Beschaffungen begründet ist.
Nun habe ich eine mysteriöse Sache von Ihnen gehört, Herr Kollege Schäfer. Ich meine die Frage der Mörsermunition für zehn Jahre. Sie haben sich hier sehr unbestimmt ausgedrückt. Sie haben die Firma nicht genannt, Sie haben die Größenordnung nicht genannt. Ich weiß auch nicht, was Sie hier unter zehn Jahren verstehen. Ich darf nur sagen: Es gibt keinen einzigen Vertrag mit einer Lieferfrist von zehn Jahren, es sei denn, Sie wären der Meinung, daß die Menge der beschafften Munition einem Friedensbedarf für die Übung von zehn Jahren entspricht. In dieser Beziehung gebe ich gern zu, daß Beschaffungen in diesem Umfang vorgenommen werden. Aber wie sollen wir der Kritik begegnen, daß nicht genügend Vorräte und Reserven da seien, und gleichzeitig den Vorwurf ausräumen, daß Vorräte für zehn Jahre für den normalen Friedensbedarf beschafft worden seien? Das ist doch eine contradictio in se ipso. Beides zugleich können wir nicht tun. Entweder leben wir von der Hand in den Mund, oder wir legen bestimmte Vorräte auch für den hoffentlich nie kommenden Ernstfall an. Im letzteren Falle ist selbstverständlich der normale Friedensbedarf durch diese Reserven für eine ganze Reihe von Jahren garantiert.
Aber ich wäre Ihnen dankbar, wenn hier überhaupt nicht mit so anonymen Andeutungen operiert würde. Heute morgen haben wir von dem General XY oder dem Bataillonskommandeur NN gehört. Oder Sie sprechen von dem unbekannten sozialdemokratischen Soldaten, der gefallen ist, und von dem, der wegen seiner Zugehörigkeit zur Sozialdemokratischen Partei aus der Bundeswehr entlassen worden ist. Da tauchen also lauter Schatten und Schemen auf. Man sollte die Dinge beim Namen nennen. Ich möchte wissen: welcher Vertrag ist mit welcher Firma abgeschlossen, und welcher Konzern ist es?
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Ja, aber ich meine, wenn Sie Anhaltspunkte dafür haben, daß etwas nicht in Ordnung geht, dann haben Sie als Abgeordneter nicht nur die Möglichkeit, sondern, ich darf sagen, vielleicht sogar die Pflicht, das dem Ministerium offiziell mitzuteilen und Auskunft im Ausschuß zu verlangen. Ich habe, glaube ich, mit Ausnahme ganz eng umrissener militärischer Geheimhaltungsbereiche noch nie eine Auskunft verweigert. Aber wenn Sie hier mit diesen mysteriösen Redensarten von Verträgen mit irgendwelchen anonymen Zwischenmännern, von unbekannten Generälen und unbekannten Soldaten kommen, die alle nur so auftauchen und ihre Klagen geäußert haben, dann scheint mir das nicht ganz der richtige Stil zu sein, in dem man eine Wehrdebatte in dieser Zeit führen sollte.
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Das Wort zu einer Zwischenfrage hat der Herr Abgeordnete Dr. Schäfer.
Herr Minister, glauben Sie nicht, daß Ihnen auf diese Weise die Möglichkeit gegeben wird, generell zu der Frage Stellung zu nehmen? Es handelt sich nur um einen, beinahe willkürlich herausgenommenen Fall aus den Unterlagen, die wir haben. Ich glaube, es wäre gut, wenn Sie ganz grundsätzlich zur Frage der Schachtelverträge, der Vorauszahlungen und der Gestaltung der Lieferverträge Stellung nähmen.
Ich glaube, daß die Vorauszahlung, die Schachtelverträge und die Gestaltung der Lieferverträge ein sehr umfangreiches Kapitel ist, über das ich hier kaum in allen Einzelheiten innerhalb der gebotenen Zeit referieren kann. Aber es gibt eine ganze Reihe von langfristigen Lieferverträgen. Es gibt dafür gesetzliche Vorschriften, die von uns ausnahmslos eingehalten werden. Bei Abschluß des Vertrages wird ein Drittel der voraussichtlichen Summe gezahlt. Ferner wird für die Durchführung der Lieferung eine nationale oder internationale - siehe „Hermes" - Garantie verlangt. Wir verfahren bei allen Firmen nach denselben Maßstäben. Bei den langfristigen Verträgen, die über ein Jahr hinausreichen, ist im Regelfall das Finanzministerium nach der Reichshaushaltsordnung beteiligt und muß sich dazu äußern. Die Prüfung ging ja früher sogar ins einzelne. In vielen Fällen ist auch der Rechnungshof beteiligt. Ich weiß nicht, für welchen Fall dieser Mörser-Munitionsvertrag spezifisch sein soll. Sicherlich schließen wir Lieferverträge, die sich oft über mehrere Jahre erstrecken,
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aber sicherlich auch über mehrere Firmen!
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- Dafür haben Sie bisher nicht den geringsten Beweis geliefert; das ist eine der vielen unbewiese3944
Bundesverteidigungsminister Strauß
nen Behauptungen, die im Gespräch im kleinen Kreise nicht im einzelnen geprüft werden. Sie haben auch jederzeit das Recht - gerade in Ihrer Stellung als Haushaltsobmann Ihrer Fraktion, zu den Referenten unseres Hauses zu gehen und sich dort im einzelnen zu erkundigen. Aber ich habe doch etwas den Verdacht, daß die Wirkung dieser geheimnisvollen Andeutungen hier das primäre Interesse ist, und das ist nicht gut. Ich bin auch lange genug Parlamentarier, Herr Kollege Schäfer.
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Ganz kurz, Herr Minister: Unabhängig von den Verträgen wäre es gut, daß, wenn sonst Beschwerden verschiedener Art vorgetragen werden, Sie dann Anweisung gäben, daß man sich mit der Art des Mißstandes befaßt, und nicht die Untersuchung in erster Linie auf die Frage erstreckt, durch wen der Abgeordnete über einen Mißstand aufgeklärt worden ist.
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Auch hier ist der Rede Sinn sehr dunkel;
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denn ich habe wenig Verständnis dafür - gerade in einem Rechtsstaat, in dem Zivilcourage etwas gelten sollte und wo jeder Bedienstete seine ihm von Verfassung und Gesetz verliehenen Rechte hat -, wenn er solche Wege gehen muß, um Dinge an den Dienstherrn heranzubringen.
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Das ist mit der Forderung nach Zivilcourage, die Kollege Schmidt heute morgen gestellt hat, nicht ohne weiteres vereinbar.
Ich habe aber auch in einer Reihe von Fällen erlebt, daß einfach falsche Dinge verbreitet und an Sie herangetragen worden sind. Hierzu gehört z. B. die Behauptung, die seinerzeit auch in einer Korrespondenz Ihrer politischen Richtung ihren Niederschlag gefunden hat, daß Bundestagsabgeordnete, die etwas über ihre dramatischen Erfahrungen während ihrer Reserveübungen ausgesagt hätten, nunmehr vor den Kadi zitiert werden sollten wegen Verstoßes gegen das Soldatengesetz. Das hat doch in Ihrer Korrespondenz gestanden. Diese Frage ist auch im Ausschuß aufgerührt worden. Ich weiß auch ungefähr, wer es war. Der Betreffende weiß allerdings nicht, daß ich es weiß. Ich würde auch nicht ein Wort zu ihm sagen, weil es uninteressant ist. Aber diese Mitteilung von falschen Dingen, von Halbwahrheiten, von versteckten und anonymen Andeutungen vergiftet die Atmosphäre und kann nicht zu einer vertrauensvollen Diskussion führen. Das muß doch von allen Seiten eingesehen werden.
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Aber ich darf noch einmal auf die Mörser-Munition, Herr Kollege Schäfer, die Ihnen besonders am Herzen liegt - sie wiegt allerdings viele Tonnen -, zu sprechen kommen. Zwei Verträge sind in letzter Zeit abgeschlossen worden. Ein Vertrag bezieht sich auf die Tampella-Munition, Wert 15 Millionen DM. Die Auslieferung erfolgt im Jahre 1959/ 60. Der erste Teil der Lieferung ist erfolgt. Der andere Vertrag ist ein Teil des Türken-Vertrages, dessen Gesamtsumme etwa 180 Millionen DM beträgt. In der Durchführung des Türken-Vertrages hat es wegen der zeitweise ausstehenden Lieferung der technischen Zeichnungen aus den USA vorübergehende Stockungen gegeben. Diese Dinge sind behoben. Die Lieferungen gehen jetzt mit einer gewissen Verzögerung programmgemäß vor sich.
Ich darf mich noch mit einigen anderen Punkten beschäftigen, ohne hier grundsätzliche Erörterungen anstellen zu wollen. Es ist wieder einmal der Starfighter-Vertrag angeführt worden. Ich glaube, es gibt hier eine sehr einfache Reihenfolge. Sie heißt erstens: Verteidigung durch deutsche Einheiten, ja oder nein? Wenn man darauf die Antwort „ja" gibt, muß man zweitens die Frage stellen: Luftwaffe ja oder nein? Ich glaube, wenn man zum ersten ja sagt, kann man zum zweiten auch nur ja sagen. Wenn man die Frage nach der Luftwaffe mit ja beantwortet, muß man auch sagen, welches Flugzeug genommen werden soll. Ich bin fest überzeugt: wir hätten ein Flugzeug auswählen können, welches es auch immer gibt, es hätte kein einziges zwischen Himmel und Erde in der ganzen Welt gegeben, das nicht von Ihnen kritisiert, als veraltet oder überholt oderfalsch oder nicht nachbaufähig bezeichnet worden wäre.
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- Der Fall bezog sich auf die Äußerung des Kollegen Merten.
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Ich glaube, in der Korrespondenz „Politik und Wirtschaft" ist gesagt, er habe in den USA festgestellt, daß der Starfighter bereits durch ein neues Modell überholt sei.
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- Da haben Sie ihn wahrscheinlich falsch verstanden. Ich gebe Ihnen Brief und Siegel darauf, daß es weder richtig ist, noch daß Ihnen General Kammhuber es so gesagt hat.
Der Typ F 104 ist in dem Bereich der längeren Strecken durch einen anderen Typ überholt, der aber im Augenblick außerhalb der Aufgabenstellungen und Möglichkeiten unserer Luftwaffe liegt. Ich bin fest überzeugt, wenn wir einen Typ mit strategischer Reichweite bestellten, wären Sie und Ihre Fraktion die ersten, die schwerste politische Bedenken dagegen anmelden würden.
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Ich möchte aber hier nicht auf Einzelheiten eingehen, weil das in die politische Diskussion hineinführen würde.
Bundesverteidigungsminister Strauß
Ich weiß, es ist von Ihnen, Herr Kollege Schäfer, und von Ihren Kollegen weniger gegen die Auswahl des Starfighters als gegen dessen Nachbau eine Reihe von Argumenten ins Feld geführt worden. Wir sind nach wie vor davon überzeugt - und wir haben diese Überzeugung in den letzten Wochen durch eine Reihe von ausländischen Vergleichserprobungen und Vergleichsstudien bestätigt gefunden -, daß diese Entscheidung angesichts der gestellten Aufgaben und der deutschen Möglichkeiten die richtige gewesen ist.
Bei der geringen Zahl der Flugzeuge, die wir infolge der großen Wirksamkeit, infolge der hohen Kosten und infolge des Übergangs zum Raketenzeitalter heute noch in Dienst stellen können, war es notwendig, für mindestens drei Aufgaben einen brauchbaren Typ auszusuchen: für die Aufgabe des Jagdfliegers, für die Aufgabe des Interzeptors, für die Aufgabe des Jagdbombers, auch für Erdkampfunterstützung, und für die Aufgabe der Aufklärung im taktischen Bereich. Es gibt kein Flugzeug unter denen, die zur Zeit serienmäßig hergestellt werden, und unter denen, die sich gegenwärtig in Entwicklung befinden - ich bin nicht Lobbyist dieser Firma und muß es trotzdem hier sagen, weil ich dazu gezwungen werde -, das einen Vergleich mit dem von uns ausgewählten Flugzeug aushält. Die Vergleichsstudien aller europäischen Luftwaffen führen entweder zu keinem konkreten Ergebnis oder - ich darf hier ja nicht zu viel sagen - in der Folgerung zu ähnlichen Ergebnissen wie zu unseren. Ich glaube, wir sind auf dem richtigen Weg.
Da wir hier aber in der Auswahl auf dem richtigen Wege sind, darf ich auch ein Wort zu den Konsequenzen sagen, die daraus gezogen werden müssen. Ganz gleich, welches Flugzeug es ist, wir müssen auch innerhalb der Bundesrepublik - nicht nur innerhalb der Bundesrepublik - die Möglichkeit schaffen, Zelle, Motor und die wesentlichsten Teile der Ausrüstung zu warten, instandzusetzen, zu reparieren und die nötigen Ersatzteile zu beschaffen oder Umbauten daran vorzunehmen. Ganz gleich, welches Flugzeug es wäre, in jedem anderen Fall wären wir in einem Maß vom Ausland abhängig, wie es nicht zuträglich wäre, und wären auch die Kosten zu hoch. Also sind wir geradezu gezwungen, ein Wartungswerk für Zelle, ein Wartungswerk für das Triebwerk und angesichts des hohen Standes der elektronischen Industrie in Deutschland auch eine Nachbaustätte für elektronische Geräte zu haben.
Die Investitionskosten, die sich bisher aus den Kalkulationen der Firmen ergeben haben, sind Gott sei Dank wesentlich niedriger, als wir angenommen haben. Die Stückpreise aus deutscher Fertigung werden um ein bestimmtes Maß unterhalb der Stückpreise ausländischer Fertigung liegen. Sie können überzeugt sein, Herr Kollege Schäfer, daß wir weder mit nationalem Größenwahn noch mit abenteuerlichen Vorstellungen noch mit absoluter Ignoranz an das Problem herangehen, sondern in unserem ureigensten Interesse ein Maximum an Zuverlässigkeit und Sicherheit für unsere eigenen Entscheidungen auch selber wünschen und auch dafür die nötige Vorsorge getroffen haben.
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Ich darf aber noch eines mit aller Deutlichkeit feststellen. Wer gegen den Nachbau der beiden Typen - Fiat 991 und F 104 Starfighter - ist, der steht nicht vor der Frage: Beschränkung der bereits in geringem Umfange aufgebauten deutschen Flugzeugindustrie auf ihrem bisherigen Stand oder Ausweitung in einen Mammutbetrieb, den niemand weniger wünscht als wir angesichts der ausländischen Beispiele, sondern wer nein zu dem Nachbau sagt, der sagt de facto ja zur Liquidation der mühsam erreichten Leistungsstandard halten soll, industrie. Es gibt kein einziges Argument dagegen. Es gibt keinen einzigen brauchbaren Vorschlag, wie man die deutsche Flugzeugindustrie, die jetzt wieder insgesamt etwa 12 000 Beschäftigte hat, auf dem mühsam erreichten Leistungsstand halten soll, bis eine zivile Anschlußplanung, die vom Wirtschaftsministerium vorgenommen wird, sich auswirken wird, noch mehr: wie die deutsche Technik angesichts der Verästelung der Flugzeugindustrie auf zahlreiche Gebiete, angesichts des Impulses, den sie auf zahlreichen zivilen wirtschaftlichen Gebieten ausströmt, an den Weltleistungsstand der modernen Technik herangeführt werden soll.
Hier gibt es für das Verteidigungsministerium - wie es bei Munitionsaufträgen leider nicht möglich ist - die seltene, angenehme Kombination, daß das für die Landesverteidigung Notwendige mit dem für die Zukunft der deutschen Technik und Wirtschaft Nützliche - Gott sei Dank einmal verbunden werden kann.
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Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Minister? Erler ({0}): Herr Minister, eine Frage! Zu dem Problem, ob die deutsche Flugzeugindustrie zum Untergang verurteilt wäre, wenn der Nachbau der beiden genannten Flugzeugtypen nicht in der Bundesrepublik vorgenommen würde: Sie sind also der Meinung, daß die deutsche Flugzeugindustrie überhaupt nur im Hinblick auf diesen Nachbau wieder aufgebaut worden ist?
Die Flugzeugindustrie ist mit den Programmen aufgebaut worden, die Sie genau kennen, Herr Kollege Erler. Das ist das Do-27-Programm, das FougaMagister- und das Noratlas-Programm. Dazu kommen einige Zulieferungen für Fertigungen, die im Ausland vorgenommen werden. Die Flugzeugindustrie hat das Ausmaß, das ich Ihnen soeben geschildert habe: eine Gruppe Nord und eine Gruppe Süd.
Die Programme, die von meinem Vorgänger eingeleitet worden sind, der ja damals die Planung im Auftrag des gesamten Bundeskabinetts ausgearbeitet und durchgeführt hat, laufen ab Ende dieses
Bundesverteidigungsminister Strauß
Jahres aus. An die Stelle dieser Programme muß etwas anderes treten. Bisher habe ich nur Kritik am Starfighter gehört, aber nicht, was an die Stelle des Starfighters treten soll. Bisher habe ich nur gehört, daß der Nachbau der von uns vorgeschlagenen Flugzeuge falsch ist, aber nie, was statt dessen geschehen soll.
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- Das ist die richtige Fragestellung.
Es geht auch um die 12 000 Menschen, aber nicht nur um sie. Das ist nicht das Entscheidende. Gott sei Dank haben wir trotz aller Anfechtungen eine Wirtschaftspolitik betrieben - die ich hier ja nicht zu vertreten habe -, die der Wirtschaft der Bundesrepublik auch heute noch eine hohe Auftragslage usw. im Inland und im Ausland und einen außerordentlich hohen Beschäftigungsstand sichert. Mir geht es darum, daß das technische, das handwerklich-technische Können dieser 12 000 Menschen in Entwicklung und Fertigung nicht wieder verlorengeht, nicht wieder in alle möglichen anderen Richtungen verstreut wird, daß das, was hier geschaffen ist und was ein guter Ansatzpunkt ist, auf den Hochleistungsstand in der Welt zu einer modernen Technik geführt werden kann. Davon wird die ganze Wirtschaft ihren Vorteil haben.
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Ich wundere mich wirklich - Sie haben mich kritisiert, darum erlauben Sie auch ein Wort der Kritik von meiner Seite -, warum man gerade von Ihrer Seite, die Sie für Wissenschaft und Technik und Kultur sind, große Programme haben, große Forderungen stellen und die Sie von der Rückständigkeit der Bundesregierung auf diesem Gebiet, von den Versäumnissen und Mängeln sprechen, auf einem Gebiet, wo es um konkrete wissenschaftliche, technische Möglichkeiten geht, wieder in platonischer Polemik und Kritik hängenbleibt und alles herunterreißt, was die Bundesregierung tut.
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- Herr Kollege Wienand, jeder soll sich von dem nehmen, was er für richtig hält.
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- Das ist gar keine Garantie für die Unfehlbarkeit, für die Richtigkeit dieser Bedenken.
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Sie haben noch erwähnt, daß wir gar nicht die Depots für das Milliardengerät hätten, das jetzt beschafft ist, das sich jetzt im Zulauf - um dieses Modewort zu gebrauchen - befindet, wenn sich auch die Lieferverträge auf einige Jahre erstrecken. Ich möchte hier nicht in unangenehme Einzelheiten gehen.
Es ist auch schon, ich glaube, vom Vorredner, Kollegen Vogel, gesagt worden, es ist ein neuer Stil in die Verteidigungsdebatte im großen hineingekommen angesichts der Tatsache, daß gewisse Themen zur Zeit besser nicht behandelt werden, eine Schlußfolgerung, die durchaus von beiden Seiten als richtig hingenommen werden kann. Aber angesichts der Tatsache, daß wir uns hier in sehr fruchtbarer Weise über den höchsten Nutzkoeffizienten der Verteidigung, den höchsten Nutzkoeffizienten der Ausgaben des Steuerzahlers unterhalten, wirkt sich in der Praxis, Herr Kollege Schäfer, die Propaganda, die Kampagne und die Tendenz, die jahrelang gegen die Verteidigung betrieben worden sind, heute noch auf der lokalen Ebene so aus, daß wir mit den primitivsten Schwierigkeiten zu kämpfen haben. Ich habe leider noch nie erlebt, daß Sie oder jemand von Ihrer Seite in einer solchen Frage, wo man einmal an örtlicher Stelle die Wahrheit sagen und den Mut haben muß, etwas Unpopuläres zu sagen, das Verteidigungsministerium auch nur ein einziges Mal unterstützt haben.
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- Wenn Sie darüber eine Reihe von Einzelheiten hören wollen, dann muß ich sagen, daß ich dazu jetzt nicht in der Lage bin, aber bei der dritten Lesung - das ist ja kein in der Zukunft liegender ferner Termin - einige ganz konkrete Beispiele bringen werde, wie an Ort und Stelle von Ihrer Seite die Atmosphäre gegen die Planungen der Bundeswehr vergiftet worden ist.
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Eine sachliche Begründung läßt sich immer dafür finden - das ist ganz richtig -, weil in jedem Fall andere Interessen tangiert werden. In der Bundesrepublik ist das Gelände so klein geworden, sind die Menschen so viel geworden, stoßen sich die Interessen so hart im Raum, daß jede militärische Planung - Flugplätze, Depots, Truppenübungsplätze, am wenigsten noch Kasernen, möglichst ohne Standortübungsplätze allerdings - immer und überall auf zivile und auf wirtschaftliche Interessen stößt.
({7})
Das ist nicht zu vermeiden. Wir können uns nicht einen Erdsatelliten mieten und dort den ganzen Verteidigungsapparat jenseits unserer geographischen Zone aufbauen.
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Aber der Verteidigungsminister muß darum bitten, daß ihm - ohne Rücksicht auf die parteipolitischen Unterschiede - auch dort, wo örtlich Schwierigkeiten entstehen, nicht die naturgemäß leicht erregbaren Instinkte gegen seine Planungen und gegen seine Tätigkeit mobilisiert werden, zum Teil auch für gewisse politische Zwecke.
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- Ja, es gibt ja die Methode des Hammelsprungs,
die sich manchmal über Fraktionen hinaus erstreckt.
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Herr Kollege Schmidt hat heute morgen eine Reihe von Punkten gebracht, auf die ich gern eingehen würde, aber beim besten Willen im einzelnen nicht eingehen kann. Er hat mir im übrigen geschrieben - ich muß das hier sagen -, er habe aus dringenden Gründen nach Brüssel abreisen müssen und bedauere, meine Antwort nicht hören zu können. Ich halte es auf der anderen Seite für irgendwie verfehlt, wenn ich in seiner Abwesenheit auf die Dinge im einzelnen einginge, weil da sehr leicht der Vorwurf der Unfairneß gegen einen Abwesenden gebraucht werden kann.
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Ich darf nur zwei Dinge feststellen, die mir heute aufgefallen sind, und ich glaube, nicht nur mir aufgefallen sind. Herr Kollege Schmidt hat im Sommer des letzten Jahres, als seine Absicht ruchbar wurde, als Reserve-Oberleutnant zur Bundeswehr zu gehen,
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einen Leserbrief geschrieben, ich glaube, es war in der „Welt am Sonnabend". Ich sammle die Dinge nicht, aber ich habe ein gutes Gedächtnis. Die „Welt am Sonnabend" hatte ihm vorgeworfen: Jetzt fallen auch die Treuesten um und kapitulieren vor dem Kommiß, so auch der standhafte Recke Helmut Schmidt aus Hamburg. Und er hat als Antwort geschrieben, was sich anderswo auch in der gleichen Formulierung niederschlug: Er gehe eben zur Bundeswehr, um sich da einmal an Ort und Stelle umzusehen, und im übrigen betrachte er ja die Bundeswehr als das Produkt einer verfehlten Regierungspolitik.
Es ist sehr schwer, sich über gemeinsame Grundsätze in der Frage der Landesverteidigung zu unterhalten, und sehr schwer, sich über die Richtigkeit oder Unrichtigkeit von Einzelheiten auseinanderzusetzen, wenn die Basis in diesen Dingen - und das muß auch gesagt werden - leider noch immer nicht hergestellt ist.
({13})
Im übrigen ist es - und das ist ein Vorwurf, den ich hier erheben muß; er wird ihm ja nicht verborgen bleiben - kein guter Stil, wenn ein Abgeordneter, gleichgültig von welcher Fraktion, sich in Erfüllung seiner staatsbürgerlichen Pflicht zu einer Reserveübung bereit findet, aber die Dinge, die er bei dieser Reserveübung - ich denke jetzt nicht an die Verschwiegenheitsforderung, Paragraph sowieso Soldatengesetz; das meine ich jetzt gar nicht - aus dem immerhin sehr groß gewordenen Bereich der Bundeswehr punktuell an einer oder zwei Stellen kennenlernt, dafür benutzt, um damit seine nächste Haushaltsrede materiell auszustaffieren. ({14})
Denn unter diesen Dingen leidet zwangsläufig das Niveau einer Debatte.
({15})
- Aber ohne jeden Zweifel; denn über Einzelheiten sich zu unterhalten
({16}) - darf gelegentlich ich reden? -,
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besteht im Ausschuß, besteht im Gespräch unter vier, sechs oder acht Augen genügend Möglichkeit. Wenn aber das der allgemeine Stil sein sollte, daß die Aufgalbe eines Abgeordneten während einer Reserveübung darin besteht, Anhaltspunkte für die politische Selbstproduktion für Haushaltsreden zu sammeln, so ist das die falsche Intention, da kann ich mir nicht helfen.
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Es entspricht demselben falschen Stil - und der ist uns ja schon aus ,einer Reihe von Fällen bekanntgeworden -, wenn dann der unbekannte General XY zitiert wird mit dieser Äußerung, wenn von Kantinen- und Kasinogesprächen die Rede ist. Sehen Sie sich doch einmal das Gelbbuch des Bundeswehrverbandes an, das in diesen Tagen vorgelegt worden ist und eine Fülle von Anträgen einzelner Standortkameradschaften enthält! Darin sind vernünftige Anträge, darin sind diskutable Anträge, darin sind auch indiskutable Anträge. Jeder einzelne dieser Anträge war einmal Gegenstand eines Kasino- oder Kantinengesprächs. Ich weiß nicht, Herr Kollege Schmidt ist allmählich hier zum professionellen Gerüchteerzähler oder professionellen Kantinengesprächsführer geworden.
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- Unfair ist es, wenn dauernd Behauptungen aufgestellt werden und die Urheber dieser Behauptungen mit allen möglichen Begründungen verschwiegen werden.
({20})
Da hat der General XY folgendes erzählt, ein Kommandeur hat folgendes erzählt, im Kasino oder in der Kantine habe ich folgendes gehört, von einem hohen Beamten des Bundesverteidigungsministeriums habe ich folgendes gehört - das ist doch eine Litanei, die wir seit Jahren kennen, und wenn diese Behauptungen zutreffen, wenn sie stichhaltig sind, dann besteht auch nicht der geringste Grund, diese Dinge mit Urheberschaft und Tatsache nicht auch beim Namen zu nennen. Ich wäre der letzte, der einen Fehler hier nicht zugeben würde.
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Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Erler?
Sofort! - Heute morgen ist ,auch behauptet worden, ein Soldat sei wegen seiner Zugehörigkeit zur Sozialdemokratischen Partei entlassen worden. Das ist der Vorwurf des Bruchs der Verfassung. Ich kann als Ressortminister und ,als Mitglied der Bundesregierung, das auf die Verfassung vereidigt ist, doch erwarten, daß dieser Fall mit Namen und Hintergründen genannt wird.
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Wenn der Mann deswegen ,entlassen worden isst oder auch nur der Vorwand oder ,einanderer Vorwand gebraucht worden ist, weil er in Wirklichkeit ein Sozialdemokrat war, dann können Sie Brief und Siegel darauf nehmen, daß ich diesen Dingen bis zur letzten Konsequenz nachgehen werde, weil für mich die Verfassung auch in diesem Falleine sakrosankte Institution ist.
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Herr Kollege Erler!
Herr Abgeordneter Erler zu einer Zwischenfrage.
Da die Verfassung sakrosankt ist, Herr Minister, hätte ich gern von Ihnen gewußt, ob auch für die Bundeswehr uneingeschränkt das Recht gilt, sich an Abgeordnete des Bundestages zu wenden, wobei es dann Aufgabe der Behörde ist, einen Tatbestand zu untersuchen und nicht ausdrücklich nach der Quelle zu forschen. Das steht nämlich auch in der Verfassung.
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Herr Kollege Erler, entschuldigen Sie, es soll nicht eine persönliche Zensur sein, wenn ich sage: Sie haben schon geschicktere Fragen gestellt.
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- Ich beweise es Ihnen jetzt gleich.
Heute morgen hat der Herr Kollege Schmidt gesagt: „Ich habe gehört, ich habe sogar Unterlagen oder Beweise" - ich habe es nicht mehr so genau in Erinnerung -, „daß ein Soldat aus der Bundeswehr entlassen worden ist, weil er Sozialdemokrat gewesen ist". Wie soll ich denn die Richtigkeit dieser Behauptung bei den Tausenden von Leuten nachprüfen, die bisher entlassen und abgelehnt worden sind, wie soll ich nachprüfen, ob der Grund für die Entlassung der war, daß der Mann Sozialdemokrat war?
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Was habe ich an Vorwürfen aus den Reihen meiner eigenen Parteifreunde hier einstecken müssen - ich darf das ruhig hier sagen -, weil Tausende von Empfohlenen nicht angenommen worden sind, weil
in manchen Fällen jemand rücksichtslos entfernt worden ist, obwohl eine Fülle von Abgeordneten einer oder mehrerer Parteien sich für ihn eingesetzt hat! Die Tatsache, daß jemand Mitglied der Sozialdemokratie ist, ist für uns kein Grund für die Annahme oder Ablehnung, für das Behalten oder Nichtbehalten.
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Herr Bundesminister, gestatten Sie eine weitere Frage des Herrn Abgeordneten Erler?
Ja.
Herr Minister, das war eben nicht ganz die Frage. In einem solchen Einzelfall müssen Sie natürlich unterrichtet werden, um das untersuchen zu können. Ich möchte nur wissen, ob sonst das Prinzip verfolgt wird,
({0})
daß, wenn Ihnen ein Mißstand konkret mitgeteilt wird, zunächst Anweisung gegeben wird, den Mißstand zu untersuchen, und daß nicht in dem konkreten Einzelfall erst nach den Quellen geforscht wird. Das ist es, worum es geht.
Das geschieht sowieso.
({0}) - Das geschieht sowieso!
Bei der Ausarbeitung des Gesetzes über den Wehrbeauftragten hat das Parlament selber festgelegt, daß der Wehrbeauftragte Beschwerden, die nicht mit dem Namen gedeckt werden, nicht zu beantworten und nicht zu behandeln hat.
({1})
Wenn ein General oder ein höherer Beamter oder irgendeiner der anderen zitierten, für mich noch schemenhaften Gesprächspartner nicht den Mut hat, auf dem Dienstwege und notfalls an mich persönlich - wozu jedem der Weg offensteht - die Sache heranzutragen, dann ist etwas faul im Staate Dänemark.
({2})
- Sie werden über die Schlußfolgerung nicht erfreut sein. Entweder fehlt es dem Betreffenden an der Zivilcourage - dann ist er fehl am Platze -, die Sache auf diesem Wege weiterzubringen, oder das Ganze hat eine andere Bewandtnis.
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Heute morgen ist von dem Herrn Kollegen Schmidt festgestellt worden, die Truppe lache über soundsoviel Dinge, die Gegenstand irgendeiner Untersuchung seien. An Materiellem ist hier aber sehr wenig gesagt worden.
Bundesverteidigungsminister Strauß
Natürlich haben wir drei Gewehrmuster gehabt - auf die Einzelheiten will ich jetzt nicht eingehen -, weil uns die Kanadier, Amerikaner und Engländer Gewehre geschenkt haben, damit wir überhaupt anfangen konnten. Die Ausrüstung mit dem vierten Gewehr, mit dem Einheitsgewehr - wobei FN und Sturmgewehr praktisch dasselbe ist -, geht einheitlich vor sich. Daß wir Aushilfen bringen und Improvisationen machen mußten, ist klar. Ebenso besteht kein Zweifel, daß wir zu der einschneidenden Änderung der Planung, wie sie 1956 notwendig war, aus einer Reihe von Gründen allen Anlaß hatten, um die einmal festgelegte Planung den jeweiligen, durch die NATO veranlaßten Änderungen anzupassen.
Es geht hier dem Verteidigungsminister, auch wenn er sich nicht in ein fremdes Gebiet hineinwagen will und hineinwagen darf, um die Feststellung einer ganz klaren Tatsache: daß der Aufbau der Bundeswehr, hoffentlich getragen von allen politischen Kräften unseres Volkes, die ja zu der Aufgabe und zu ihrer Durchführung sagen - über Einzelheiten kann man immer reden -, eines der wesentlichsten außenpolitischen Fakten und einer der bedeutsamsten außenpolitischen Faktoren ist, die es zur Zeit überhaupt gibt.
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Ich darf noch eines der heute morgen angeschnittenen Themen erwähnen. Es wäre keine Haushaltsdebatte, wenn man sich nicht über verschiedene Dinge die Meinung sagte. Heute morgen sind aus dem Traditionserlaß - ich glaube von Herrn Kollegen Lohmar - eine Reihe von Zitaten verlesen worden. Auch das ist in der Form, wie es geschehen ist, kein guter Vorgang. Der Traditionserlaß ist vom Beirat für innere Führung vorbereitet worden. Er ist so, wie er vom Bundeswehrführungsstab als Diskussionsentwurf abgefaßt worden ist, von mir durchgelesen worden; er entspricht nicht voll dem, was der Beirat für innere Führung empfohlen hat. Der Bundeswehrführungsstab ist auch kein Ausführungsorgan dieses Beirats, aber er hat den Beirat zu hören und seine Vorschläge ernsthaft zu prüfen. Das ist in allen Fällen geschehen. Ich habe einige Kopien dieses Traditionserlasses an den ersten und zweiten Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses - ich glaube, mit meiner Unterschrift; ich habe das Originalschreiben im Augenblick nicht finden können - mit der Bitte um Feststellung übersandt, ob darüber im Ausschuß gesprochen werden soll. Ich wollte damit die Möglichkeit zur Stellungnahme geben und wollte wie immer den guten Willen zur Zusammenarbeit mit dem zuständigen Ausschuß beweisen. Formell ist es eine Sache der Exekutive, aber praktisch ist es eine Angelegenheit von politischer Bedeutung, die das Verteidigungsministerium nicht im Alleingang durchführen sollte. Ich wollte deshalb eine Aussprache im Verteidigungsausschuß über diese Diskussionsgrundlage und will sie auch heute noch. Es ist nichts verabschiedet, nichts beschlossen, nichts entschieden worden. Wir wissen, daß Sie mit dem Haushaltsplan und mit anderen Problemen beschäftigt waren. Wir warten auf diese Debatte. Die Bundeswehr wird auch nicht zugrunde
gehen, wenn die Diskussion ein Vierteljahr später stattfindet. Auch hier kann man mit der Entscheidung der Dinge warten.
Ist es aber wirklich ein guter Stil, den Entwurf, der den beiden Ausschußvorsitzenden übersandt worden ist, für den Zweck zu verwenden, in der Haushaltsdebatte einen politischen Gebrauch davon zu machen?
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Ich würde mir diese Bemerkung selbstverständlich nicht erlauben, wenn der Traditionserlaß ohne Diskussion unterschrieben worden wäre, oder wenn er nach Diskussion unterschrieben worden wäre, ohne daß die Bedenken, die von dieser oder jener Seite kamen, von uns berücksichtigt worden wären. Das ist, meine ich, genauso unter schlechtem Stil zu verstehen wie die Äußerungen, die auf Grund von Eindrücken in einer naturgemäß verhältnismäßig kurzen Reserveübung zustande gekommen sind.
Ich wollte hier bewußt nicht die politische Gesamtproblematik anschneiden, aber an einigen wesentlichen Punkten, an einigen technischen und organisatorischen Punkten und in Fragen der Zusammenarbeit und auch an einer Frage des Stils und des Klimas der Zusammenarbeit nachweisen, daß vom Bundesverteidigungsministerium eine seriöse Arbeit geleistet wird und daß im Verteidigungsministerium und in seiner militärischen und politischen Leitung der Wille zur guten Zusammenarbeit vorhanden ist.
Ich muß mich hier auch einmal schützend vor meine Herren, seien es Militärs, seien es Zivilisten, stellen. Ich finde den Versuch bedauerlich, die Truppe, seien es Unteroffiziere, seien es Offiziere in unteren Rängen, gegen die Generalstabsoffiziere und gegen die Generalität im Bundesverteidigungsministerium aufzuwiegeln
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mit Äußerungen, wie sie heute getan worden sind.
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Das trägt nicht zur inneren Beruhigung und nicht zu einem guten Klima bei, in dem man die Fragen sachlich diskutieren könnte. Es ist doch dem General Heusinger und den Inspekteuren in der Umschreibung über das Zitat eines „unbekannten Gesprächspartners" der Vorwurf gemacht worden: Die Helden sind eben müde geworden, sie haben keine Zivilcourage mehr, die hätten schon längst zurücktreten sollen.
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- Sie brauchen bloß das Stenogramm nachzulesen; das ist zitiert worden. Angeblich hat das ein militärischer Gesprächspartner gesagt.
Ein militärischer Apparat muß - auch in einer Demokratie - etwas Homogenes, eine Einheit sein. Das heißt nicht Uniformität der politischen Meinung, heißt aber, daß hier ein stetiger Führungs- und Befehlsapparat vorhanden sein muß, der von oben Verantwortung und von unten Vertrauen und Ge3950
Bundesverteidigungsminister Strauß
horsam erfordert; sonst ist eine Armee nicht aufzubauen. Wenn dauernd der Versuch gemacht wird Gott sei Dank mit wenig Erfolg; ich sage es, bevor die Dinge überhaupt einen nennenswerten Umfang angenommen haben -, die Truppe wegen gewisser Mängel, wegen gewisser Schwierigkeiten, die zum Teil auch in der Gesetzgebung liegen - darüber kann man sehr wohl reden - systematisch gegen die zivile und militärische Führung des Verteidigungsministeriums aufzuwiegeln, statt uns zu helfen, diese Schwierigkeiten zu überwinden, dann muß ich mir allerdings erlauben, hierauf hinzuweisen, weil ich die Hoffnung immer noch nicht aufgeben kann, daß wir eines Tages zu gemeinsamer Arbeit zusammenkommen. Denn das Schicksal dieser Wehrmacht, das Schicksal dieser Armee, das Schicksal dieser Bundeswehr, die Art und Weise, wie sie aufgebaut wird, wie sie getragen wird, ist von großer Bedeutung für unseren Staat, ist von großer Bedeutung für das innere Zusammenleben, ist aber auch von einer wesentlichen Bedeutung dafür, ob wir in Freiheit als Menschen und als Nation die nächsten schwierigen Jahre überleben werden.
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Meine Damen und Herren, liegen noch Wortmeldungen vor? - Das ist nicht der Fall.
Dann kann ich abstimmen lassen. Der Änderungsantrag Umdruck 332 ist von allen Fraktionen des Hauses gestellt. Ich nehme daher Ihr Einverständnis an, daß ich über alle drei Einzelanträge gemeinsam abstimmen lasse. - Wer dem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Ohne Enthaltungen einstimmig angenommen.
Ich komme nunmehr zu der Abstimmung über Einzelplan 14 in der Fassung des Ausschusses mit den soeben angenommenen Änderungen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen.
Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen rechts gegen die Stimmen der sozialdemokratischen Fraktion mit Mehrheit angenommen.
Meine Damen und Herren, ich unterbreche die Sitzung bis 19 Uhr.
({0})
Meine Damen und Herren! Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.
Wir kommen nunmehr zum
Einzelplan 36
Zivile Notstandsplanung ({0}).
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Kreitmeyer.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als Berichterstatter möchte ich Ihnen, da von den Fraktionen der SPD und der FDP ein gemeinsamer Antrag vorliegt, den Vorschlag machen, auf eine detaillierte Berichterstattung zu verzichten, weil mit Sicherheit damit zu rechnen ist, daß alle die Dinge, die in der Berichterstattung angesprochen würden, noch einmal behandelt würden, und außerdem die verehrte Kollegin Frau Dr. Lüders bereits einige Dinge hier zur Sprache gebracht hat. Ich darf hoffen, daß Sie meinem Vorschlag zustimmen.
Ich frage das Haus, ob es bereit ist, auf die Berichterstattung zu verzichten. - Das ist der Fall.
Damit treten wir in die Aussprache ein. Ich erteile das Wort Herrn Staatssekretär von Lex.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da Frau Abgeordnete Dr. Lüders sich in der Sitzung vom 3. Juni sehr eingehend mit den Ausführungen auseinandergesetzt hat, die ich zum Problem des Zivilen Bevölkerungsschutzes in der Plenarsitzung vom 29. Oktober vorigen Jahres gemacht hatte, und da ich auch im obersten Gremium der NATO für Zivile Notstandsplanung die Bundesregierung zu vertreten habe, hat der Herr Bundesminister des Innern mich gebeten, den mit dem Einzelplan 36 zusammenhängenden Fragenkomplex in der zweiten Lesung vor dem Hohen Hause zu behandeln. Sollten Probleme offenbleiben, wird der Herr Minister in der dritten Lesung auf diese eingehen. Ich darf folgendes vortragen.
Der Einzelplan 36 trägt die Bezeichnung „Zivile Notstandsplanung". Das ist der alle zivilen Verteidigungsmaßnahmen umfassende Begriff, das eigentliche Gegenstück zur militärischen Verteidigung. Dieser Begriff umfaßt zwei sich überlagernde Kreise. Der eine, der engere Kreis, ist der Zivile Bevölkerungsschutz. Er umfaßt zunächst den ganzen Luftschutz im herkömmlichen Sinne, also die Aufklärung der Bevölkerung über die Gefahren des Luftkriegs, den Selbstschutz mit dem Luftschutzwart und dem Hausluftschutztrupp, den Schutzraum vom Keller bis zum Bunker, den Warndienst von der Sirene bis zum Warnamt, den Luftschutzhilfsdienst vom örtlichen Bergungs- und Räumungsdienst, vom Brandbekämpfungsdienst, Sanitätsdienst und Betreuungsdienst bis. hin zu den überörtlichen Verbänden, die auf Landesebene einzurichten sind. Der Zivile Bevölkerungsschutz umfaßt aber über den eigentlichen Luftschutz hinaus auch gewisse Bevorratungen, sei es der einzelnen Haushalte mit Lebensmitteln oder sonstigem lebenswichtigem Bedarf, sei es der Gesamtbevölkerung mit Arzneimitteln, Verbandsstoffen und ärztlichem Gerät. Der Zivile Bevölkerungsschutz befaßt sich auch mit den schwierigen Problemen der Evakuierung aus besonders gefährdeten Zielgebieten, sofern die Dauer einer Spannungszeit und der tatsächliche Kriegsverlauf solche Maßnahmen noch erlauben. Dem Zivilen Bevölkerungsschutz obliegt ferner die Einrichtung von Ausweichkrankenhäusern und Hilfskrankenhäusern sowie die Schaffung von BlutStaatssekretär Ritter von Lex
spendezentralen. Für diesen ganzen Aufgabenbereich ist der Bundesminister des Innern verantwortlich.
Die Zivile Notstandsplanung als der größere, der umfassende Kreis greift über diesen an sich schon großen Komplex noch weit hinaus. Sie umfaßt auch die Maßnahmen zur Sicherung der öffentlichen Versorgung mit Wasser, Strom und Gas, die Sicherung der lebenswichtigen Ernährung der Gesamtbevölkerung und die Aufrechterhaltung des lebenswichtigen Verkehrs, die Sicherung des wichtigsten Nachrichtenverkehrs über Draht und Funk, und zwar nicht nur für Führungszwecke, sondern über den Rundfunk auch für die Unterrichtung der Bevölkerung. Für diese zuletzt genannten, über den Zivilen Bevölkerungsschutz hinausgehenden Maßnahmen sind die einschlägigen Fachressorts verantwortlich.
Ich darf und muß heute vor allem über den Zivilen Bevölkerungsschutz als das Kernstück der Zivilen Notstandsplanung sprechen. Ich möchte dem Hohen Haus einen gedrängten Überblick geben über das, was auf diesem Gebiete in den verschiedenen Richtungen geplant und was tatsächlich ausgeführt worden ist. Was das letztere anlangt, werde ich präzise Zahlen, besonders über die aufgewendeten Mittel, bringen.
Lassen Sie mich in Ihre Erinnerung rufen, daß das Programm des Zivilen Bevölkerungsschutzes sechs große Kapitel umfaßt: den Selbstschutz, den Luftschutzwarndienst, den Luftschutzhilfsdienst, gewisse Bevorratungen, gewisse Evakuierungsvorbereitungen und schließlich als letztes und wohl schwierigstes Kapitel das Problem des Schutzraumbaus.
Ich beginne mit dem Selbstschutz. Der Selbstschutz ist die Zelle des zivilen Bevölkerungsschutzes. Sein Wirkungsfeld sind das Wohnhaus und die Arbeitsstätte. Die Organisation des Selbstschutzes ist Aufgabe des örtlichen Luftschutzleiters und damit der Gemeinde. Der Bund hat aber über den Bundesluftschutzverband die Initiative ergriffen.
Befürchten Sie jetzt nicht, daß ich mit Zahlen aufwarte über die Hunderttausende von Aufklärungsbroschüren, die verteilt und über die Tausende von Vorträgen, die gehalten worden sind. Das sind Zahlen, die Ihnen und auch mir nicht allzu viel besagen. Immerhin darf jedoch erwähnt werden, daß es ein großes Verdienst des Bundesluftschutzverbandes ist, gegenüber einer allgemeinen Teilnahmslosigkeit, ja Ablehnung, die Wichtigkeit des Selbstschutzes unablässig unserem Volk vor Augen geführt zu haben.
Ich darf auch berichten, daß der Bundesluftschutzverband bisher über 22 000 Selbstschutzwarte und über 5000 Betriebsluftschutzleiter ausgebildet hat und daß er 70 000 Helfer aufweist, die sich zur dauernden Mitarbeit verpflichtet haben. Der Verband hat eine Bundesluftschutzschule in Waldbröl, je eine Landesluftschutzschule in allen Bundesländern und örtliche Ausbildungsstätten in 97 sogenannten Luftschutzorten, d. h. in den Städten, in denen nach dem
Gesetz vordringliche Luftschutzmaßnahmen durchzuführen sind.
Die Zuwendungen des Bundes an den Bundesluftschutzverband haben bisher rund 44 Millionen DM betragen.
Nun aber auch ein Wort der Kritik. Ich habe bereits vor einiger Zeit der Leitung des Bundesluftschutzverbandes erklärt, daß der Verband jetzt gemeinsam mit den örtlichen Luftschutzleitern den Weg von der Werbung und der Ausbildung zur praktischen Organisation des Selbstschutzes finden müsse; ,es müsse gelingen, unter Einsatz der Zehntausende von Helfern, und zwar von oben her organisierend, in jedem Stadtviertel, in jeder Straße, in jedem Häuserblock und in jedem Haus die erforderlichen Mitarbeiter zu werben und dadurch den Selbstschutz praktisch ,aufzubauen.
Der berüchtigte „freiwillige Zwang", den die Nazis so unbefangen gehandhabt haben, steht uns im demokratischen Staat natürlich nicht zur Verfügung. Ich weiß daher, was die Forderung an den Bundesluftschutzverband und an die gemeindlichen Luftschutzleiter bedeutet, von der Werbung und Ausbildung nunmehr auf die Organisation in Straße, Block und Haus umzuschalten. Wir mußten diese Forderung aber stellen, wenn praktische Fortschritte erzielt werden sollten.
Ich komme nun zum Luftschutzwarndienst. Wir haben das Bundesgebiet in zehn Warngebiete mit je einem Luftschutzwarnamt aufgeteilt. Die Warnämter erhalten die Luftlage von den militärischen Flugmeldezentralen und geben sie an die Warnstellen weiter. An jedes der zehn Warnämter werden Hunderte von Warnstellen angeschlossen, vor allem die Luftschutzführungsstellen und hier wiederum besonders die örtlichen Luftschutzleiter. Ferner werden angeschlossen die Versorgungs-, Verkehrs- und Industriebetriebe, die Krankenhäuser und die Schulen. An die Warnämter sind auch die Sirenen in den Orten des Warngebietes angeschlossen. Vier der zehn Warnämter, Düsseldorf, Dortmund, Frankfurt am Main und München, sind betriebsbereit, die restlichen sollen his zum 1. April 1960 funktionsfähig sein.
Für den Ausbau der Warnämter haben wir bis 1958 45 Millionen DM ausgegeben oder durch Aufträge festgelegt.
Auch hier einige kritische Bemerkungen. Erste Frage: Was nützt uns eine noch so perfekte Organisation, wenn bei der modernen Raketentechnik und bei der vorgeschobenen Lage der Bundesrepublik keine Zeit zum Warnen mehr bleibt? Die Antwort lautet: Das Warnsystem erlaubt eine zentrale Alarmierung jedes Warngebietes, d. h. die Auslösung aller Sirenen eines Warngebietes, durch einen einzigen Knopfdruck. Entsprechend der Luftlage können auch sämtliche Warnämter gleichzeitig Alarm geben.
Mag es daher infolge der hohen Geschwindigkeit der Raketen auch nicht mehr möglich sein, vor einem ersten Überraschungsangriff zu warnen, so doch vor einem zweiten, auch wenn er nur wenige
Minuten danach und an einer völlig anderen Stelle des Bundesgebietes erfolgt.
Ein zweiter ernster Einwand ist der, daß wir zwar heute schon in den fertiggestellten Warnämtern Hunderte von Warnstellen alarmieren können, daß aber vielfach noch die Sirenen fehlen oder dort, wo sie vorhanden sind, noch nicht an die Warnstelle angeschlossen sind. Der Bund zahlt zwar die Beschaffung und den Einbau der Sirenen. Wir haben 6000 neue Sirenen in Auftrag gegeben und können sie demnächst ausliefern. Die technischen Voraussetzungen für den Anschluß der neuen und auch der zahlreich vorhandenen alten Sirenen an die Alarmgestelle sind für viele Luftschutzorte bereits geschaffen. Manche Städte haben aber trotz unserer dringenden Bitten bis heute die Pläne für ihr Sirenennetz noch nicht abgeschlossen. Wir haben daher die Länder am 17. April dieses Jahres erneut gebeten, den Aufbau der neuen Sirenen, aber auch die Heranziehung der alten Sirenen mit aller Beschleunigung durchzuführen.
Im übrigen haben wir durch Vereinbarung mit den Rundfunkgesellschaften sichergestellt, daß unsere Warnverbindungsstellen bei den militärischen Flugmeldezentralen über Mittelwellen und UKW-Sender Warnmeldungen unmittelbar an die Bevölkerung durchgeben können.
Jetzt bedrängt uns und auch die gesamte übrige Welt aber ein neues Problem, nämlich das der Warnung vor radioaktiven Niederschlägen. Die beste Lösung ist vermutlich eine Verflechtung der Wetterdienststellen und der Warnämter für diese Aufgabe, ferner die Aufstellung eines ABC-Dienstes im Luftschutzhilfsdienst, für den wir die Freiwilligen Feuerwehren gewinnen wollen. Vorerst müssen wir mit einer improvisierten Einrichtung von Strahlenmeßstellen in Stadt und Land weiterkommen. Wir haben bereits über tausend Strahlenmeßgeräte an die Länder ausgeliefert und im Technischen Hilfswerk das entsprechende Bedienungspersonal ausgebildet.
Nun muß ich über das so wichtige Aufgabengebiet des Luftschutzhilfsdienstes sprechen. Der Luftschutzhilfsdienst, der 260 000 Helfer umfassen soll - eine bedrückende Zahl -, ist nach dem Ersten Gesetz über den Schutz der Zivilbevölkerung durch die Länder und durch die Gemeinden auf der Grundlage der Freiwilligkeit aufzubauen. Freiwillige Helfer in solcher Zahl im Wege der Einzelwerbung zu gewinnen, wäre ein erfolgloses Unterfangen. Gottlob ist es uns gelungen, Basisorganisationen zu gewinnen, die sich für die wichtigsten Fachdienste des Luftschutzhilfsdienstes zur Verfügung gestellt haben.
Es sind das die Wohlfahrtsverbände, nämlich die Caritas, die Innere Mission, die Arbeiterwohlfahrt und der Paritätische Wohlfahrtsverband, die den Luftschutz-Betreuungsdienst organisieren helfen. Es sind die Feuerwehren, die den Luftschutz-Branddienst errichten helfen. Es sind das Rote Kreuz, der Arbeiter-Samariterbund, der Malteser- und der Johanniter-Orden, die den Luftschutz-Sanitätsdienst aufbauen helfen. Unser Technisches Hilfswerk wird weitgehend den Luftschutz-Bergungsdienst versehen. Ich darf diesen Organisationen und ihren Mitgliedern auch hier vor dem Hohen Haus für ihre selbstlose Mitarbeit danken.
Wir haben den Basisorganisationen bisher für Ausbildungszwecke 21,6 Millionen DM zur Verfügung gestellt und haben für sie im Rechnungsjahr 1959 weitere 5,2 Millionen DM vorgesehen.
Wir haben ferner die Länder durch Aufstellungsanweisungen ersucht, unter Heranziehung der Basisorganisationen zunächst den überörtlichen Luftschutzhilfsdienst aufzubauen. Die erste Aufstellungsstufe sieht bis Ende dieses Kalenderjahres rund 25 000 Helfer vor. In dieser Aufstellungsstufe sollen unter anderem folgende Einheiten aufgestellt werden: 66 Feuerwehrbereitschaften, 45 Bergungsbereitschaften, 11 Räumzüge, 65 Sanitätsbereitschaften, 12 ABC-Bereitschaften, 51 Fernmeldezüge. Die Ausrüstung für diese Einheiten ist vom Bund bereits bezahlt und an die Länder auch schon ausgeliefert. Es handelt sich um rund 1000 Kraftfahrzeuge - Löschfahrzeuge, Gerätewagen, Funkwagen, Sanitätswagen und Mannschaftswagen - bis hin zu den schwersten Typen. Es handelt sich auch um anderes Gerät und um persönliche Ausrüstungsstücke. Wir haben hierfür 53 Millionen DM verausgabt. In einem zweiten Abschnitt wird zur Zeit weitere Ausrüstung für 36 Millionen DM beschafft.
Die Werbung und Ausbildung der Helfer liegt in jedem Lande in den Händen eines Landesaufstellungsstabes, je nach Bedarf auch von Regionalaufstellungsstäben, für die der Bund die Kosten trägt. Die Länder haben zuletzt auf der Innenministerkonferenz in Bad Schwalbach am 8. und 9. Mai dieses Jahres die tatkräftige Durchführung der Aufstellung dieses überörtlichen Luftschutzhilfsdienstes zugesagt. Bayern hat bereits aus Bundesmitteln die erste Landesausbildungsstätte für den Luftschutzhilfsdienst in Wolfratshausen eingerichtet.
Aber nun, Herr Präsident und meine Damen und Herren, auch hier wieder ein kritisches Wort. Wir sind uns klar darüber, daß wir nur einen Teil der Helferzahl erreichen können, wenn Länder und Gemeinden nicht imstande sind, für den Luftschutzhilfsdienst auch Dienstverpflichtungen auszusprechen. Solange wir diese Dienstpflicht, die einen Eingriff in das Grundrecht der freien Berufswahl nach Art. 12 des Grundgesetzes bedeutet, nicht haben, kann die Gewinnung von Helfern für den Luftschutzhilfsdienst und auch für andere Aufgaben des zivilen Bevölkerungsschutzes nur dadurch erleichtert werden, daß Wehrpflichtige von der Ableistung des Wehrdienstes befreit werden, wenn sie sich für den zivilen Bevölkerungsschutz zur Verfügung stellen. Über eine solche Befreiung, die in einer Novelle zum Wehrgesetz geregelt werden soll, besteht Einigkeit mit dem Bundesverteidigungsminister.
Ein Wort jetzt zu den Bevorratungen. Hier haben wir den Vorräten für die Arzneimittelversorgung der Zivilbevölkerung unser Hauptinteresse zugewendet. Auch hier darf ich einige Zahlen bringen. Bevorratet werden rund 60 Präparate, und zwar nach einer Arzneimittelliste, die 1955 von einem ärztlichen Gremium aufgestellt worden ist. Die VorStaatssekretär Ritter von Lex
räte sind auf etwa 50 Lager im Bundesgebiet verteilt. Im Endstadium werden 100 Lager angelegt sein.
Das finanzielle Gesamtvolumen der Arzneimittelbevorratung beträgt 150 Millionen DM. Die Beschaffung wird voraussichtlich bis Ende des Rechnungsjahres 1961 abgeschlossen sein. Bisher ist ein Fünftel der Gesamtmenge für 30 Millionen DM beschafft und bereits eingelagert. Die Beschaffung eines weiteren Fünftels - Wert ebenfalls 30 Millionen DM - läuft, die eines dritten Fünftels wird gerade vorbereitet.
Die Bevorratung an Arzneimitteln wird durch Vorräte an Verbandstoffen und ärztlichem Gerät ergänzt, damit im Bedarfsfall raschestens Hilfskrankenhäuser eingerichtet werden können. Bevorratet werden zur Zeit Verbandsstoffe im Wert von über 11 Millionen DM. Für ärztliches Gerät sind insgesamt 50 Millionen DM vorgesehen. Das erste Gerät im Wert von 8,5 Millionen DM ist bereits in Auftrag gegeben. Auch ,die Bevorratung von Blutplasma ist eingeleitet. Wir bedienen uns dabei der Blutspendezentralen des Deutschen Roten Kreuzes, die aus Bundesmitteln errichtet worden sind.
Ich komme nun zu dem schwierigen Kapitel der Evakuierungsmaßnahmen. Hier erhebt sich sofort die wichtige Frage: hat eine Evakuierung angesichts der modernen Waffen denn überhaupt noch einen Sinn? Gegen ein Verlassen der Wohnstätten spricht die unabsehbare Gefahr radioaktiver Niederschläge, das sofort eintretende Chaos überfüllter Straßen, die totale Schutzlosigkeit zusammengeballter Menschenmassen gegenüber militärischen Operationen, Hunger, Kälte, Krankheit und Panik.
Das Zuhausebleiben, wenn die Räumung nicht von Amts wegen angeordnet wird, ist daher im Kriegsfall unbedingtes Gebot jedes pflichtbewußten Bürgers. Im eigensten Interesse der Bevölkerung werden wir alle Mittel einsetzen, um dieses Zuhausebleiben zu erzwingen und wilde Flüchtlingsbewegungen zu verhindern. Es gibt aber auch Fälle, in denen eine rechtzeitig organisierte Evakuierung, etwa die großer Städte oder der Umgebung von Flugplätzen, Verluste der Zivilbevölkerung ganz erheblich herabsetzen kann. Das gilt zunächst, wenn dem Ausbruch eines Krieges noch eine gewisse Spannungszeit vorausgeht und wenn Räumungsmaßnahmen noch vor Beginn der Feindseligkeiten möglich sind. Es gilt aber auch einem Überraschungsangriff, da nicht anzunehmen ist, daß sich die ersten Angriffe gleichzeitig gegen alle Großstädte oder auch nur gegen ihre Mehrzahl richten. Endlich kann auch nach erfolgtem Angriff eine Evakuierung die verschont gebliebenen Bewohner eines gefährdeten Zielgebietes vor weiteren Angriffen bewahren.
Wir befinden uns mit dieser Auffassung - das möchte ich hier ausdrücklich erwähnen - in völliger Übereinstimmung mit allen NATO-Partnern.
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-Sagen Sie ruhig „Bravo"! Ich freue mich, daß wir
da in Übereinstimmung sind. - So bilden in Großbritannien und in den USA die Evakuierungsmaßnahmen das Kernstück der Civil Defence. Man kennt dort die Schwierigkeiten, mitten im Kriege größere Bevölkerungsbewegungen durchzuführen. Aber angesichts der hohen Gefährdung der Zentren der Großstädte nimmt man sie in Kauf.
Der Stand unserer eigenen Vorbereitungen ist folgender. In jahrelanger enger Zusammenarbeit mit den militärischen Stellen hat das Bundesministerium des Innern die Räumungsbereiche, die Wege und die Aufnahmebereiche für Evakuierungsmaßnahmen in großen Zügen festgelegt. Die Länder, denen zusammen mit den Gemeinden die Einzelvorbereitung obliegt, haben bereits zu Beginn des vorigen Jahres hierüber eingehende Richtlinien des Bundesinnenministers erhalten.
Die Evakuierungsentfernung - darauf darf ich besonders aufmerksam machen - liegt im Gegensatz zu der im zweiten Weltkrieg im allgemeinen nur zwischen 20 und 60 km. Größere Entfernungen scheiden aus zeitlichen und räumlichen Gründen aus.
Evakuierungsmaßnahmen sind nur für Großstädte vorgesehen. Es sollen nur die Stadtkerne evakuiert und aus den äußeren Bezirken vor allem Mütter, Kinder, Alte und Kranke herausgebracht werden. Wichtigster Grundsatz ist, darauf darf ich ganz besonders hinweisen, daß die Familien möglichst zusammenbleiben.
Detaillierte Probeplanungen in zwei Großstädten haben gezeigt, daß diese Planungen realistisch sind und daß sich eine sorgfältig vorbereitete Evakuierung normalerweise in 48 Stunden durchführen läßt.
Nun komme ich zum vielleicht schwierigsten Problem des Zivilen Bevölkerungsschutzes, nämlich dem Schutzraumproblem. Bei der Verabschiedung des Ersten Gesetzes über Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung im Oktober 1957 ist dieses Problem lebhaft diskutiert worden. Die Vorschriften des Gesetzes, welche den Bau von Schutzräumen nur für Neubauten vorsahen, wurden schließlich aus technischen und finanziellen Erwägungen suspendiert. Man hatte damals in Aussicht genommen, spätestens Ende 1958 ein Gesetz über die Inkraftsetzung der suspendierten Vorschriften zu erlassen. Dieses Gesetz konnten wir nicht vorlegen. Wir konnten es deshalb nicht tun, weil jene suspendierten Vorschriften vom Oktober 1957 heute in der Zeit des Raketenkrieges völlig überholt sind, ein sehr eindrucksvolles Beispiel dafür, wie rasch die Erkenntnisse und Pläne von gestern veralten.
Wegen des künftigen Schutzraumprogramms kann ich für die Bundesregierung Verbindliches noch nicht mitteilen. Im Haushalt 1959 finden sich noch keine Ansätze, die eine Entscheidung auf diesem Gebiete schon heute erforderlich machen würden. Für meine Person aber darf ich folgendes sagen. Eine Zivile Notstandsplanung, die nicht wenigstens einen baulichen Schutz gegen radioaktive Niederschläge und gegen die Trümmerlasten einstürzender Gebäude vorsieht und die diesen Schutz nicht gleichzeitig für Neubauten und für Altbauten vorschreibt, würde eine Lücke aufweisen, die sich verhängnisvoll auswirken müßte. Aber
auch dieser sehr begrenzte Schutz, darauf muß ich gleichfalls hinweisen, würde bereits einen Aufwand von Milliarden erfordern. Das ist das Problem, vor dem wir stehen.
Die von den Fachressorts nach eingehenden Erhebungen erarbeiteten sonstigen Ansätze des Ihnen, meine Damen und Herren, vorliegenden Einzelplans 36 betreffen die Sicherung der öffentlichen Versorgung, die Sicherung der lebenswichtigen Ernährung, die Aufrechterhaltung des öffentlichen Verkehrs und die Sicherstellung des wichtigsten Nachrichtenverkehrs. Sie sind von den Vertretern der Fachressorts im Haushaltsausschuß eingehend begründet worden.
Ich darf nur einige ganz wichtige Punkte herausgreifen. Im Bereich des Wirtschaftsministeriums handelt es sich um Schutzanlagen für Personal und Einrichtungen der öffentlichen Versorgungsbetriebe und um die Einrichtung von zusätzlichen Versorgungsanlagen. Im Bereich des Ernährungsministerium sind die Bevorratung von Lebens- und Futtermitteln und der Bau von zusätzlichem Lagerraum vorgesehen. Im Bereich des Verkehrsministeriums sollen die vorhandenen Häfen ausgebaut, Nothäfen angelegt, Fähren und Räumgeräte beschafft werden. Ferner sollen Behelfsbrücken, Ersatzteile, Betriebsstoff, Meldeeinrichtungen usw. zur Aufrechterhaltung des Verkehrs auf Straße und Bahn beschafft werden. Das Bundespostministerium sorgt für die Einrichtung von transportablen Fernmeldeanlagen, von Umgehungs- und von Vermaschungsanlagen.
Ich weiß, meine Damen und Herren, wie lückenhaft dieser Katalog noch ist. Er hat aber den Vorzug, daß er alles aufführt, was im Augenblick in Angriff genommen werden kann, d. h. alle Vorhaben, die sich im gegenwärtigen Augenblick realisieren lassen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, ich glaube dargelegt zu haben, daß die Arbeiten der Bundesregierung insbesondere auf dem Gebiet des zivilen Bevölkerungsschutzes über die Planung hinaus bereits praktische Ergebnisse aufzuweisen haben. Ich darf aber jetzt noch einmal darauf hinweisen - und darf auch dafür um die Aufmerksamkeit des Hohen Hauses bitten -, unter welchen Schwierigkeiten die Durchführung der zivilen Notstandsplanung vor sich geht.
Ich darf zunächst die psychologischen Hemmnisse schildern. Wie schwierig es ist, den Gedanken des Selbstschutzes in unserer Bevölkerung wieder zu wecken, habe ich bereits erwähnt. Wie oft wird uns aber darüber hinaus entgegengehalten, daß die ganze Arbeit der Zivilen Notstandsplanung bei der furchtbaren Wirkung der modernen Angriffswaffen ja doch nutzlos sei und daß die dafür aufgewendeten Gelder daher vergeudet seien. Wir sind dem Flohen Hause dafür dankbar, daß wir aus seinen Reihen diesen Einwand, von ganz vereinzelten Ausnahmen abgesehen, nie gehört haben. Aber daß die Angst um die Sinnlosigkeit unseres Tuns weit verbreitet ist und als schwere Hypothek auf unserer Arbeit lastet, das läßt sich nicht bestreiten. Auch wir wissen um die schreckliche Wirkung der atomaren Waffen und wissen darum, daß im engen Umkreis des Detonationszentrums jeder Schutz versagt. Wir wissen aber auch, daß mit der Entfernung vom Detonationszentrum die Spreng- und Hitzewirkung auch der atomaren Waffen sich progressiv vermindert, daß gegen die radioaktiven Niederschläge verhältnismäßig einfache bauliche Maßnahmen schützen und daß es deshalb nach wie vor sinnvoll ist, Schutzmöglichkeiten vorzusehen.
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- Sind Sie der Meinung, daß das sinnlos ist, Herr Abgeordneter?
({2}) - Ja? Wir sind anderer Auffassung!
Wir müssen daher die Notwendigkeit von Schutzmaßnahmen unserer Bevölkerung und den Hunderttausenden von freiwilligen Helfern, auf die wir angewiesen sind, unablässig vor Augen führen. Wir sind der Volksvertretung und auch der Presse für jede Unterstützung, die wir bisher gefunden haben, aufrichtig dankbar.
Wir haben aber in unserer Bundesrepublik auf dem Gebiet der Zivilen Notstandsplanung auch staatsrechtliche Hemmnisse zu überwinden, die uns Schwierigkeiten bereiten. Bei der föderativen Gestaltung unseres Staatswesens sind ein Ziviler Bevölkerungsschutz und eine Zivile Notstandsplanung nur unter tatkräftiger Mitwirkung der Länder und der Gemeinden durchzuführen. Der Druck auf den Knopf ist nur beim Warndienst möglich und auch bei diesem erst, wenn das Warnsystem völlig ausgebaut ist. Auf allen anderen Gebieten muß der Bund sich darauf beschränken, in großen Zügen zu planen und dafür zu sorgen, daß diese Planung im Auftragsverhältnis zwischen Bund und Ländern und zwischen den Ländern und Gemeinden durchgeführt wird. Das aber bedingt die Bereitschaft der Länder und der Gemeinden, trotz der großen Sorgen, die diese Gebietskörperschaften auf so vielen anderen Gebieten haben, sich bei der Durchführung der Zivilen Notstandsplanung zur Verfügung zu stellen. Das erfordert aber dann trotz der Bereitschaft, die in der letzten Zeit zu unserer Freude gewachsen ist, mühsame und zeitraubende Umschaltungen vom Bund zu den Ländern und von den Ländern zu den Gemeinden. Wir bitten, auch diesen Faktor bei der Kritik an dem langsamen Fortschreiten der zivilen Verteidigung zu berücksichtigen.
Noch ein letzter Gesichtspunkt, vielleicht der ausschlaggebende. Die Bundesrepublik hat die Aufgabe zu bewältigen, die militärische Verteidigung und die zivile Verteidigung gleichzeitig aufzubauen. Der militärischen Verteidigung ist dabei die Aufgabe gestellt, im Verein mit den Streitkräften der verbündeten Mächte einen Angriff von vorherein zu unterbinden. Die zivile Verteidigung hat die Aufgabe, die Folgen eines trotz aller Abwehrbemühungen durchgeführten Angriffs zu mildern. Daraus ergibt sich auf dem Gebiet der gesamten Landesverteidigung zwar nicht der Primat, aber die Priorität der militärischen Verteidigung. Daß diese Priorität bei der Inanspruchnahme der nur einmal vorhandenen finanziellen und personellen Decke, aber auch
bei der Fülle der zu erlassenden Gesetze sich zuungunsten der zivilen Verteidigung auswirken muß, ist eine bittere, aber nicht zu bestreitende Tatsache. Wir bitten, auch dieses Faktum bei der Beurteilung unserer Arbeit auf dem Gebiete der so umfassenden und kostspieligen Zivilen Notstandsplanung zu würdigen.
({3})
Damit darf ich meine Darlegungen beenden. Ich glaube, die Fortschritte und die Hemmungen unserer Arbeit richtig geschildert zu haben. Die Fortschritte stellen sich gewiß nur zögernd ein, aber ich glaube, wir dürfen sagen, sie sind vorhanden. Die Hemmungen, die ichaufgezeigt habe, werden uns nicht entmutigen. Sie werden uns Anlaß sein,alles aufzubieten, um durch eine sorgfältige Planung der zivilen Notstandsmaßnahmen, durch die Anforderung erhöhter Mittel, durch die Vorbereitung einer umfassenden Gesetzgebung, durch die Aktivierung der Verwaltung in Bund, Ländern und Gemeinden und durch eine unermüdliche Aufklärung unseres Volkes das höchstmögliche Maß ,an zivilem Bevölkerungsschutz zu erzielen.
({4})
Das Wort hat der Abgeordnete Maier ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe den Änderungsantrag zum Antrag Umdruck 292 zu begründen. Der Antrag Umdruck 292 war von Mitgliedern aller Fraktionen meines Ausschusses gestellt worden, als sich bei den Beratungen herausstellte, daß für die Ausbildung von Helfern in erster Hilfe nicht genügend Mittel verfügbar waren. Mit dem Antrag wollte man erreichen, daß innerhalb eines Kapitels nur eine Verschiebung der entsprechenden Summen stattfinden sollte. Die Mittel zur Deckung für eine Erhöhung des Titels 602 sollten zunächst aus dem Titel 603 genommen werden.
Es hat sich aber herausgestellt, daß dieser Titel, wie eben der Herr Staatssekretär ausführte, für bestimmte Zwecke des Luftschutzhilfsdienstes voll in Anspruch genommen wird. Ich möchte deshalb einen Änderungsantrag zu dem Antrag Umdruck 292 stellen. Umdruck 292 soll wie folgt geändert werden:
Zu Kap. 36 04 - Notstandsmaßnahmen im Aufgabenbereich des Bundesministers des Innern
1. In Tit. 602 - Zuschüsse an zentrale Hilfsorganisationen für Mitwirkung im zivilen Luftschutz und zur Vorbereitung allgemeiner Hilfsmaßnahmen bei Katastrophen - ({0}) wird der Ansatz von 5 900 000 DM um 280 000 DM auf 6 180 000 DM erhöht und dementsprechend
- jetzt folgt die Änderung -
9. in Tit. 954 - Ausrüstung für polizeiliche Hilfsdienste - der Ansatz von 1 000 000
DM um 280 001) DM auf 720 000 DM gekürzt.
Die Mitglieder des Ausschusses aus allen Fraktionen, die diesen Antrag stellten, empfehlen Ihnen, den Änderungsantrag zum Antrag Umdruck 292 anzunehmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Kreitmeyer.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe den Eindruck, daß meine gute Absicht, Ihnen eine Berichterstattung über den Einzelplan zu ersparen, doch nicht ganz verwirklicht worden ist; denn der Herr Staatssekretär hat diese Berichterstattung übernommen. Lassen Sie mich gleich mit meiner Kritik einsetzen, Herr Staatssekretär. Ich möchte mit Ihrer Ausführung beginnen, daß dieser Einzelplan das Gegenstück zu dem ist, was wir mit dem Verteidigungshaushalt vor wenigen Stunden beschlossen haben.
Es gibt für uns keinen Zweifel, daß eine sinnvolle Landesverteidigung nur aufgebaut werden kann, wenn sie von einer Stelle aus organisiert, dirigiert und ständig überprüft werden kann. So möchte ich am Anfang meiner kritischen Ausführungen sagen: wir müssen nun endlich dazu kommen, daß auf dem Gebiet der zivilen Notstandsplanung diese eine Stelle nicht nur mit der schwachen Federführung wie augenblicklich beauftragt ist; denn schon an dem Ausmaß Ihres Berichts kann man erkennen, wo Sie innerhalb der Kompetenz Ihres Hauses gesprochen haben und wo Sie - leider! -sagen wir einmal freundlicherweise, auf gute Zusammenarbeit angewiesen sind. Das abzuändern hatten wir bereits im vergangenen Jahr im Sinn, als wir beantragten, ein Weißbuch zu erstellen. Ich glaube nicht, daß die CDU/CSU-Fraktion gut beraten war, als sie diesen Antrag auf die lange Bank schob; denn noch deutlicher, als Sie es heute erlebt haben, können wir nicht recht bekommen.
Ein ganz entscheidendes Problem, Herr Staatssekretär, ist von Ihnen überhaupt nicht angeschnitten worden. Dessen Klärung ist nun endlich erforderlich. Zu den - symbolisch gesprochen - sechs Ministern, die Ihrer Federführung hier unterstehen, gehört noch ein siebter, der Bundesverteidigungsminister, hinzu, der überhaupt die Grundlagen Ihres Planens zu geben hat. Vergessen wir bei der ungeheuren Problematik doch folgendes nicht. Es muß endlich die Spitze genannt werden, die den Vorsitz im Bundesverteidigunsrat hat und die bei der Koordinierung nicht abgrenzbarer Wünsche die entsprechenden politischen Entscheidungen zu fällen hat. Der Vorsitzende des Bundesverteidigungsrates, der Bundeskanzler, hat hier eine Funktion auszuüben. Er müßte sie endlich übernehmen.
Es kommt dabei auf folgendes an. Sie haben darauf hingewiesen, daß Sie sich die Erfahrungen der NATO-Partner zu eigen machen. In Großbritannien und in den Vereinigten Staaten ist man in dieser Hinsicht weiter. Man muß sich erst einmal die be3956
sondere deutsche Situation sehr klar vor Augen führen. Im Gegensatz zu Großbritannien und den USA sind wir Anrainer an den mutmaßlichen Gegner. Ich darf hier ein Stichwort aufgreifen, das ich aus längst vergangener Zeit in Akten gefunden habe, die mir zur Verfügung gestellt wurden. Es muß endlich einmal die Abgrenzung der Kampfzone festgelegt werden. Dabei geht es nicht um die Priorität der militärischen Dienststellen, sondern man muß bis in die regionalen Details hineingehen, wenn das, was wir aufwenden wollen, sinnvoll verwendet werden soll. Ich vermisse in der Gesamtplanung diese sinnvolle Abgrenzung. Sicher ist das Plenum nicht der Platz, wo über die Details verhandelt werden kann. Eines der erzieherischen Momente dieses Weißbuches wäre es, zu bewirken, daß diese Abgrenzung in den entsprechenden Ausschüssen stattfindet.
In diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, daß der Ausschuß für innere Verwaltung wie Sie persönlich, Herr Staatssekretär. schlechthin überfordert ist, wenn Sie diese Dinge allein behandeln wollen. Es müssen dann die Vertreter der anderen Ressorts hinzugezogen werden. Nach meinem Dafürhalten muß hier eine Wandlung eintreten. Vielleicht bekommt hier die Studienkommission, die die Fraktion der SPD beantragt hat, ein dankbares Arbeitsfeld.
Ich möchte nur noch auf einige grundsätzliche Einzelheiten eingehen und mir erlauben, zu den personellen Problemen folgendes festzustellen. Es ist sehr schön, zu hören, daß Sie neuerdings für den ABC-Schutz die freiwilligen Feuerwehren einspannen wollen. Vom psychologischen Standpunkt aus ist es sicherlich der richtige Weg, bei der zivilen Notstandsplanung möglichst freiwillige, jetzt bestehende Hilfsorganisationen heranzuziehen. Wir sollten weitestgehend davon Abstand nehmen, mit Berufsverbänden zu arbeiten, die sich zwar in der Vergangenheit hohe Verdienste um den Schutz des Volkes erworben haben, die aber in der jetzigen Lage, nicht zuletzt auf Grund des von Ihnen so oft getadelten Superföderalismus wohl kaum oder nur äußerst schwierig zu dirigieren sind. Ich wäre dankbar, Herr Staatssekretär, wenn Sie - nicht hier, aber in den einschlägigen Ausschüssen - noch einmal allen Beteiligten deutlich vor Augen führten, daß mit der jetzigen Staatskonstruktion ein so schwieriges Unterfangen, wie zivile Notstandsplanung, kaum zu bewältigen ist.
Von dem Vorwurf, einem übertriebenen Zentralismus das Wort zu reden, bin ich durch die Einleitung zu diesem Einzelplan bewahrt. Dort wird gesagt, daß er für den Kriegsfall gedacht sei. Das darf uns aber nicht hindern, bereits im Frieden die organisatorischen Vorbereitungen so zu treffen, daß die geeigneten Maßnahmen durchgeführt werden können, wenn es im Konfliktfalle einmal notwendig werden sollte.
Lassen Sie mich noch einmal kurz zurückkehren zur Frage der personellem Besetzung und der Durchführung der Aufgaben. Es ist sehr schwer für Sie, mit den vorhandenen Mitteln größte zivile Sicherheit zu erzielen, und es ist sicherlich notwendig, auf die Freiwilligkeit zurückzugreifen. Dabei müßten Sie darauf sehen, daß Sie sich durch möglichst geringe Reglementierung nicht selber um die Frucht der freiwilligen Arbeit bringen. Man darf nicht von oben her etwas aufoktroyieren, was die Freiwilligkeit schon im Keim erstickt. Wir werden dann sicher auch eine Menge Geld einsparen und außerdem Doppelarbeit vermeiden. Überdies wird uns das bei der Aufstellung der unumgänglich notwendigen Kader helfen, die rechten Fachleute zu finden und bei den praktischen Vorübungen den Rahmen zu schaffen, in dem sich, sagen wir einmal, so etwas wie ein Mannschaftsgeist entwickeln kann, der gerade die psychologischem Hindernisse mit beseitigen hilft, von denen Sie eingangs sprachen und die darin bestehen, daß man, nicht zuletzt auf Grund einer gewissen Presse, glaubt, es sei doch alles sinnlos. Wir hatten ja im zweiten Weltkrieg ähnliche Erscheinungen; auch da glaubte man, es sei zwecklos, Schutzräume aufzusuchen. Diese Gefahr ist heute noch viel größer. Da ist der Gedanke der zivilen Notstandsplanung - hier des Bevölkerungsschutzes - mit Hilfe solcher Freiwilligen-organisation das richtige Mittel; auf diese Weise wird das Verständnis für diesen Schutz in breiter Front in die Bevölkerung getragen.
Sie sollten aber nicht zögern, schon heute im Frieden die notwendigen Geräte zur Verfügung zu stellen, um sie bereits im friedensmäßigen Hilfsdienst sinnvoll zur Anwendung bringen zu können und gegebenenfalls zum Schutze von Eigentum und anderen Vermögenswerten beizutragen.
Ferner muß die Lücke in der Gesetzgebung endlich geschlossen werden. Ich weiß nicht, welche übermäßigen Schwierigkeiten es auf diesem Gebiet geben sollte. Im Grundsatz besteht doch in diesem Hause keine Meinungsverschiedenheit darüber, daß etwas Entscheidendes auf diesem Gebiet getan werden muß.
Sie haben die finanzielle Frage sehr dezent angeschnitten. Wir müssen an diese Frage denken, z. B. bei den Rationalisierungsmaßnahmen der Bundesbahn, die wir durchführen müssen, um die Wirtschaftlichkeit der Bundesbahn zu erreichen, und die im Gegensatz zu dem stehen, was wir für die Aufrechterhaltung des Verkehrs zu tun haben. Dabei müssen wir auch an die Versorgung ganz bestimmter Betriebe denken, deren Aufrechterhaltung unbedingt notwendig ist. Um hier das richtige Maß zu finden, sind Entscheidungen erforderlich, die, wie ich eingangs sagte, nur der Bundesverteidigungsrat fällen kann.
Ich möchte aus dem Gesamtplan, da Sie über den zivilen Luftschutz und die Bauten bereits gesprochen haben, auf einen anderen großen Ausgabeposten hinweisen. Ich meine die Frage der Fernmeldeverbindungen. Im Einzelplan des Jahres 1959 sieht dieser Posten mit einer Ausgabe von 25 Millionen DM noch harmlos aus; aber es handelt sich im ganzen um ein beinahe in die Milliarde gehendes Projekt, das sich auf viele Jahre erstreckt. Hier muß man sehr sorgfältig untersuchen, ob diese Maßnahmen dann noch im Rahmen einer sinnvollen zivilen Luftschutzplanung liegen.
Was ich noch einmal sehr deutlich hier herausstellen möchte, ist das Fehlen der militärischen Grundlage. Wir haben zwar in Anlehnung an die Berliner
Situation von maßgeblichen Leuten des Auslands Hinweise bekommen, wie lange ein solcher Atomkrieg etwa dauern könnte. Ich möchte hier die Dinge nicht weiter vertiefen und damit nur feststellen, wie wichtig diese Vorstudie für eine sinnvolle und rationelle Anwendung der verhältnismäßig geringen Mittel ist, die uns zur Verfügung stehen. Wenn die aktive Verteidigung, die hoffentlich so gestaltet ist, daß nicht zuviel des eigenen Territoriums von vornherein nicht verteidigt wird, bis zu einem gewissen Abschluß vielleicht 50, 55 oder 60 Milliarden kostet, dann können wir - als Faustregel - die Gesamtsumme für die zivile Notstandsplanung nicht wesentlich geringer ansetzen, wenn wir das Ausmaß :so betrachten, wie es nun einmal erforderlich erscheint. Hier kann also tatsächlich nur die militärische Planung, die militärische Grundlage einen mittleren Weg zur Lösung bieten.
Ich darf abschließend feststellen, daß die Kleine Anfrage, die wir im November 1958 gestellt haben, eine sehr lückenhafte Antwort erhalten hat. Ich erkenne an, daß die Antwort jetzt zum Teil etwas besser erteilt worden ist. Es ist aber nach wie vor dringend erforderlich, die Bevölkerung wesentlich mehr, wesentlich intensiver und wesentlich deutlicher aufzuklären als bisher. Aus diesem Grunde erheben wir erneut die Forderung nach dem Weißbuch. Diese Forderung sollte in Verbindung mit dem Antrag der sozialdemokratischen Fraktion treten. Das Weißbuch muß jedes Jahr, neu erstellt, in neuer Form die neuesten Erkenntnisse mitteilen. Die Studienkommission möge dazu dienen, diese Erkenntnisse in jedem Jahr zu vertiefen. Wir sollten uns in diesem Jahr endlich dazu durchringen, ohne jede weitere Ausschußüberweisung beide Anträge anzunehmen.
({0})
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Schmitt ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Auftrage meiner Fraktion darf ich hier ein Monitum zu den Ausführungen des Herrn Staatssekretärs anmelden. Es entspricht der Gepflogenheit und dem Ansehen des Hauses, daß politische Erklärungen grundsätzlich von dem politisch verantwortlichen Minister abgegeben werden. Der Herr Staatssekretär ist in seinen Ausführungen weit über eine sachliche Berichterstattung und auch über die übliche Beantwortung von Fragen hier im Hause hinausgegangen. Wir hoffen und wünschen, daß dieses Thema auch im Altestenrat noch einmal erörtert wird, damit an dem Grundsatz festgehalten wird, daß sich zu politischen Fragen hier auch der politisch verantwortliche Minister stellt.
({0})
Das Wort hat Frau Abgeordnete Renger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ausführungen, die der Herr
Staatssekretär gemacht hat, sind wirklich keine Antwort auf die Besorgnisse gewesen, die Frau Dr. Lüders dem Hohen Hause vorgetragen hat. Mich wundert das nicht sehr. Die Art, wie der Herr Innenminister Frau Dr. Lüders die Antwort gegeben hat, läßt darauf schließen, daß sich die Bundesregierung überhaupt nicht darüber im klaren ist, welche Sorgen die Bevölkerung draußen wirklich hat. Ich möchte Sie und vor allen Dingen den Minister - leider ist er nicht da - bitten, doch nicht zu glauben, daß die Menschen draußen, weil sie sich das Ausmaß der Katastrophe nicht richtig ausmalen können, nicht im tiefsten besorgt sind. Ich wundere mich immer wieder, daß bisher hier in diesem Hause keine Kollegin der CDU-Fraktion aufgestanden ist
({0})
und Besorgnisse angemeldet hat. Diese Besorgnisse müssen doch auch bei Ihnen vorhanden sein!
({1})
Im April 1957 hat der Innenminister mitgeteilt, daß ein Sofortprogramm das Wichtigste sei. Ich meine, die im Einzelplan 36 vorgesehenen Maßnahmen stellen überhaupt kein Programm dar, sondern sind Einzelmaßnahmen, und was wir hier von dem Herrn Staatssekretär gehört haben, war eine Aufschlüsselung dieses Einzelplans und eine Erläuterung, aber keine Antwort auf die Fragen, die uns hier wirklich bewegen.
Die Menschen draußen sollen offenbar den Eindruck vermittelt bekommen, daß die Aufrüstungsmaßnahmen ihnen nun wirklich alle Sicherheit brächten und sie deswegen ruhig schlafen könnten. Wir alle wissen aber, daß weder die NATO noch die geplante Territorialarmee im Verteidigungsfall überhaupt imstande sein könnten, das deutsche Gebiet vor den Auswirkungen des atomaren Krieges zu schützen. Im Gegenteil, meine sehr verehrten Damen und Herren: diese Truppen werden wahrscheinlich gezwungen sein, ohne Rücksicht auf die deutsche Bevölkerung aus militärischen Gründen ihre Waffen rücksichtslos einzusetzen. Der Schutz der Bevölkerung muß aber doch schon in der Planung aller Verteidigungsmaßnahmen die entscheidende Rolle spielen, und dieser Gesichtspunkt ist genauso entscheidend wie der militärische. Auch hier wieder muß ich sagen: die Antwort des Innenministers auf die Ausführungen von Frau Dr. Lüders, in denen sie Sorgen zum Ausdruck brachte, die absolut auch die Sorgen meiner Fraktion sind, lassen den Ernst und die Bereitschaft vermissen, alles zu tun, was für die Bevölkerung im Katastrophenfall möglich ist.
({2})
Bei dieser Einstellung des Herrn Innenministers wissen wir nicht, welche Rolle er im Verteidigungsrat spielt und wie er sich dort mit seinen eventuell vorhandenen Vorstellungen durchsetzen will. Aber die Gefahr ist doch, daß eines Tages vielleicht die militärische Seite diejenige ist, die aus ureigenstem Interesse alle Maßnahmen an sich reißen wird.
Wir kennen auch nicht das Gewicht des Innenministers bei den Beratungen in der NATO über diese Frage. Wir wissen ebenfalls nicht, ob dort
Planungen in Arbeit sind, die vorwiegend von militärischen Gesichtspunkten ausgehen. Vielleicht sind solche Planungen allein zwischen dem Verteidigungsminister und dem NATO-Oberbefehl ohne Hinzuziehung des Innenministers vorgesehen. Wir wissen bis heute nicht, wie die Abgrenzung zwischen militärischen und zivilen Maßnahmen ist. Wir kennen noch immer nicht die Abgrenzung zwischen den einzelnen staatlichen Stellen. Alles das ist noch offen.
Wir fürchten eines: Wenn der Innenminister weiterhin Bundestag und Öffentlichkeit über seine Absichten im unklaren läßt, dann wird ihm eines Tages die ihm so mühsam verschaffte Zuständigkeit aus der Hand genommen, und die entscheidende Stelle ist nicht mehr das Innenministerium, sondern die militärische Stelle. Daraus würden unabsehbare Gefahren erwachsen.
Meine Fraktion hat in diesem Jahre darauf verzichtet, hier noch einmal auf die Einzelmaßnahmen einzugehen und zu versuchen, sie zu korrigieren. Sie hat darauf verzichtet, weil es nicht möglich ist, auf einem so schlechten Grund etwas Vernünftiges aufzubauen. Dazu muß man eine ganze Konzeption haben. Ich möchte deswegen noch einmal sagen: Wir bedauern die Tatenlosigkeit dieser Regierung auf dem Gebiet des Bevölkerungsschutzes, die in unverantwortlichem Gegensatz zu der militärischen Aufrüstung steht. Wir halten es für dringend erforderlich, daß die Bevölkerung sachgemäß über die unmittelbaren Wirkungen moderner Vernichtungsmittel, die Möglichkeiten der radioaktiven Verseuchung, die Möglichkeiten der Behebung von Notständen und die Möglichkeiten der Schaffung von sinnvollen Schutzmaßnahmen aufgeklärt wird. Der Bundestag und die Bevölkerung vor allem erwarten endlich eine Antwort der Bundesregierung.
In diesem Zusammenhang verweise ich nochmals auf den Entschließungsantrag Umdruck 269; mein Kollege Dr. Bechert wird ihn begründen.
({3})
Wird noch das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache.
Ich komme zur Abstimmung über den einzigen Änderungsantrag Umdruck 292. Ich darf dabei wohl im allgemeinen Einverständnis die Fassung zugrunde legen, die der Abgeordnete Maier ({0}) hier vorgetragen hat, nämlich die Änderung der beiden Ansätze um 280 000 DM, zu Ziffer 1 eine Erhöhung und zu Ziffer 2 die entsprechende Kürzung. Über diese Fassung lasse ich abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Keine Enthaltungen. Angenommen.
Die Entschließungsanträge werden erst in dritter Lesung behandelt.
Ich komme damit zur Abstimmung über den Einzelplan 36 mit der bereits beschlossenen Änderung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das
Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe.Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Ich ruf auf:
Einzelplan 60
Allgemeine Finanzverwaltung ({1}) .
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Dr. Aigner als Berichterstatter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hoffe, daß ich Ihnen nicht nur ,als letzter Berichterstatter, sondern vor allem durch die Kürze meines Berichts Freude bereite. Ich konnte leider keinen Schriftlichen Bericht mehr fertigen, da sich die Beratungen im Haushaltsausschuß den Plenarberatungen in der zweiten Lesung sehr genähert haben. Da ich andererseits vom Haushaltsausschuß ,aufgefordert wurde, hier wenigstens ein paar Probleme anzuschneiden, darf ich versuchen, das in aller Kürze zu tun.
Der Einzelplan 60 umfaßt traditionsgemäß alle Einnahmen und Ausgaben, die nicht unmittelbar mit den Aufgaben der Einzelressorts verknüpft sind. Mit den großen Einnahmepositionen der Steuerabgabetitel - Kap. 60 01 - stellt dieser Einzelplan gleichsam das Dach für den gesamten Haushalt dar. Mit seinen Minderansätzen in den Tit. 300 und 699 des Kap. 60 02 stellt er ,auch den im Grundgesetz geforderten Gesamtausgleich des Etats wieder her.
Im einzelnen darf ich zu den Steuertiteln in Kap. 60 01 feststellen, daß sie errechnet wurden aus der Annahme einer Wachstumsrate des Bruttosozialprodukts zum Marktpreis von nominal 5,5 %. Diese Annahme ist real, wenn man sie in Verbindung setzt mit der Wachstumsrate der letzten Jahre, etwa des Jahres 1955 von 14,1 %, des Jahres 1956 von 10,1 %, des Jahres 1957 von 8,4 %, des Jahres 1958 von 6,1 %. Die Wachstumsrate stellt damit in ihrer sinkenden Tendenz nichts ,anderes als eine Normalisierung der Expansion unserer Wirtschaft dar. Gleichzeitig kann man aber feststellen, daß hieraus auch die bleibende Tendenz einer gesunden Wirtschaftsexpansion ersichtlich ist Sämtliche an der Schätzung beteiligten Wirtschaftsinstitute - ich glaube, es ist wichtig, das festzustellen -, auch die Deutsche Bundesbank und das Statistische Bundesamt, haben sich auf diese Schätzung geeinigt.
Da zwischen der Aufstellung des Haushalts und den jetzigen Abschlußberatungen ein Zeitraum von über einem halben Jahr liegt, mußten, auch im Einvernehmen mit dem Finanzausschuß, die ursprünglichen Steueransätze der inzwischen festgestellten Entwicklung der Steuereinnahmen angepaßt werden. Dazu werden folgende Vorschläge unterbreitet. Der Anteilsansatz des Bundes an der Einkommen-und Körperschaftsteuer wurde von 6390 Millionen DM auf 6475 Millionen DM erhöht. Weiter erhöht wurden die Einnahmeansätze aus Zöllen und aus der Mineralölsteuer. Diesen Ansätzen werden folgende Steuerschätzungen zugrunde gelegt:
Zölle 2100 Millionen statt 2050 Millionen DM im Regierungsentwurf,
Mineralölsteuer 1985 Millionen statt 1920 Millionen DM,
Lohnsteuer 6300 Millionen statt 6150 Millionen DM,
veranlagte Einkommensteuer 6100 Millionen statt 5800 Millionen DM.
Wird aber der Einnahmeansatz für die veranlagte Einkommensteuer auf Grund der veränderten Ausgangsbasis des Jahres 1958 um 300 Millionen DM erhöht, so ist man gezwungen, aus den gleichen Gründen auch eine Berichtigung bei der Körperschaftsteuer, und zwar hier nach unten, vorzunehmen. Die Körperschaftsteuer hat im Rechnungsjahr 1958 die ursprüngliche Schätzungsbasis um mehr als 200 Millionen DM unterschritten. Diese Aufkommensminderung muß sich auch im Jahre 1959 auswirken. Hier wird deshalb eine Herabsetzung um 200 Millionen DM vorgeschlagen.
Bemerkenswert bei den Steuerschätzungen ist die Tatsache, daß die ursprüngliche Befürchtung, durch die Steuergesetze 1958 einen erheblichen Lohnsteuerausfall verzeichnen zu müssen, nicht berechtigt war. Die Steuersenkung wurde praktisch kompensiert durch die erhöhten Steuereinnahmen infolge eingetretener Lohnerhöhungen. Zusammen darf für das Kap. 60 01 festgestellt werden, daß die Steuereinnahmeschätzungen des Bundes sich damit um 200 Millionen DM, und zwar von 30 160 Millionen auf 30 360 Millionen DM, erhöhen.
Die Regierungsvorlage zum Haushaltsplan 1959 schloß mit rund 39,1 Milliarden DM ab. Da in den sechs Monaten bis zum Ende der Haushaltsberatungen im Ausschuß Mehrbelastungen in Höhe von rund 2 Milliarden eingetreten sind, mußte der Ausgleich durch Minderausgaben und vor allem durch einen globalen Minderausgabenansatz wiederhergestellt werden. In Kap. 60 02 Tit. 300 wurden deshalb die Minderausgaben für den Gesamthaushalt 1959 von minus 2 Milliarden auf minus 2,5 Milliarden DM erhöht.
Da die neu hinzugekommenen Ausgaben nicht gekürzt werden konnten - es mußten z. B. aufgewendet werden: für die Berlin-Hilfe insgesamt rund 1,1 Milliarden DM, für die Rückgliederung des Saarlandes rund 900 Millionen DM, für völkerrechtliche Hilfsverträge rund 200 Millionen DM, für die vorzeitige Tilgung von Nachkriegswirtschaftshilfen rund 900 Millionen DM, für die Quotenerhöhung beim Internationalen Währungsfonds rund 500 Millionen DM -, mußte der dann trotz aller Minderausgaben noch verbleibende Abdeckungsrest in Höhe von rund 315 Millionen DM - nach dem jetzigen Stand - durch eine neue Sperrklausel im Haushaltsgesetz, das wir anschließend beraten werden, ausgeglichen werden. Zu diesem Zweck schlägt Ihnen der Haushaltsausschuß vor, in Kap. 60 02 Tit. 699 eine weitere Minderausgabe in Höhe von 315 692 700 DM einzufügen. Ich darf darauf hinweisen, daß das Ergebnis der Beratungen in der zweiten Lesung eine Mehrausgabe von etlichen Millionen erfordert. Der Minderansatz muß deshalb in der dritten Lesung wieder korrigiert werden.
Mit der letztmaligen Entnahme aus dem Rückstellungskonto, bekannt als sogenannter Juliusturm, in Höhe von 1,2 Milliarden in Tit. 98 Kap. 60 02 konnte der Haushalt wenigstens vor der zweiten Lesung abgeglichen werden. Diese 1,2 Milliarden DM sind noch einstellbar, da zum Ausgleich der Jahresrechnung 1958 aus diesem Konto in Höhe von 3 Milliarden lediglich 1,8 Milliarden DM entnommen werden mußten.
Zu der Ausgabenseite des Kap. 60 02 ist besonders hervorzuheben, daß die Mittel für das regionale Bundesförderungsprogramm gegenüber dem Regierungsentwurf in Höhe von 100 Millionen DM durch die Beschlüsse des Haushaltsausschusses, zum Teil auf Empfehlung des Bundesrats, auf insgesamt 128 Millionen DM erhöht wurden.
({0})
Ich bitte um etwas Ruhe für den Herrn Berichterstatter. Privatunterhalten könnten nach außerhalb des Saales verlegt werden.
Bei diesem Ansatz wurde berücksichtigt, daß Schleswig-Holstein an diesen Mitteln neu beteiligt wird in der Gesamthöhe von 15 Millionen DM. Der ursprüngliche Antrag Schleswig-Holsteins - ich darf das als Berichterstatter ergänzen -, unbegrenzt nach normalem Quotenanteil an den Gesamtmitteln beteiligt zu werden, wurde abgelehnt.
Der frühere Tit. 572 - Förderung der Wirtschaftskraft und der öffentlichen Investitionen im Land Schleswig-Holstein - wurde in Höhe von 22 Millionen DM nach Kap. 60 02 Tit. 579 übertragen. Er entfällt damit für diesen Einzelplan 60.
Die Mittel für Helgoland - auch das darf noch besonders aufgeführt werden - wurden im Tit. 573 auf insgesamt 6 Millionen DM erhöht.
Die durch den Bundestag beschlossenen Saargesetze haben auch haushaltsmäßig ihren Niederschlag gefunden, und zwar durch die Neueinführung des Tit. 600 in Höhe von insgesamt 100 Millionen DM für „Überbrückungsmaßnahmen aus Anlaß der Rückgliederung des Saarlandes" sowie im außerordentlichen Haushalt durch die Tit. 534, 950 und 951 in der Gesamthöhe von 824 Millionen DM. In dieser Summe sind allerdings die 3 Millionen DM, die durch den interfraktionellen Antrag auf Umdruck 297 beantragt sind, noch nicht enthalten. Ich darf hier als Berichterstatter die Meinung des Ausschusses dahingehend fixieren, daß wir keine Bedenken haben, dieser Erhöhung um 3 Millionen DM zuzustimmen. Mit dieser Neueinführung der Titel betreffend die Saar hat die Bundesregierung, glaube ich, ihr Versprechen erfüllt, daß die Rückgliederung der Saar kein finanzielles Problem sein solle.
Bezüglich Kap. 60 04 - Sonderleistungen des Bundes - und Kap. 60 05 - Bundeshilfe für Berlin - darf ich im einzelnen auf meinen Bericht auf Drucksache 1078 verweisen. Die Quote der Bundesregierung an der Erhöhung des Internationalen
Währungsfonds in Höhe von 480 375 000 DM und die Erhöhung des Kapitalanteils der Bundesrepublik an der Internationalen Bank für Wiederaufbau in Höhe von 32 760 000 DM sind im außerordentlichen Haushalt fixiert.
Die Bundeshilfe für Berlin überschreitet mit 1,13 Milliarden DM zum erstenmal die Milliardengrenze.
Zu Kap. 60 06 ist festzustellen, daß die Angelegenheiten der europäischen wirtschaftlichen Zusammenschlüsse sich in immer größeren Beträgen auch im Haushalt niederschlagen. So ist z. B. der Beitrag zum Verwaltungshaushalt der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft von 4 Millionen auf 24 Millionen DM erhöht worden. Auch der Beitrag zum Verwaltungshaushalt der Europäischen Atomgemeinschaft erhöhte sich von 4 Millionen auf 10,2 Millionen DM, der Beitrag zum Forschungs- und Investitionshaushalt der Europäischen Atomgemeinschaft von 35 auf rund 48 Millionen DM. Der Beitrag für den Europäischen Wirtschaftsrat bleibt in Höhe von 4,4 Millionen DM etwa beim vorjährigen Ansatz. Es kann damit festgestellt werden, daß die Bundesrepublik auch hier ihre Pflicht, die supranationalen Organisationen vertragsgemäß auszubauen, erfüllt hat.
Trotzdem darf ich hier, auch im besonderen Auftrage des Haushaltsausschusses, zum Ausdruck bringen, daß diese Entwicklung auf europäischer Ebene den Haushaltsausschuß mit einer gewissen Sorge erfüllt, da sich das Fehlen der politischen Kontrolle immer spürbarer in den haushaltsmäßigen Ansprüchen der supranationalen Organisationen auswirkt. Zwar haben die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft und die Europäische Atomgemeinschaft, soviel ich weiß, heuer erstmals, einen Haushaltsplan aufgestellt. Die entsprechenden Entwürfe haben aber derartig hohe Ansätze aufgewiesen, daß eine unveränderte Verabschiedung dieser Entwürfe schon auf europäischer Ebene nicht erfolgen konnte. Nach einer wenn auch nur sehr schnellen kritischen Prüfung mußten die Ansätze von vornherein schon auf supranationaler Ebene ohne eine wesentliche Änderung des Inhalts - und darauf kommt es anum 20 % gekürzt werden. Eine Überprüfung der Zahl der Beamten sowie eine Überprüfung der Dienstpostenbewertung in Verbindung mit den Auslandsbezügen sind unbedingt erforderlich. Das Besoldungswesen der europäischen Gemeinschaften muß in eine auch national tragbare Ordnung gebracht werden.
Die Bezüge der Bediensteten bei den europäischen Gemeinschaften sind, um ein Beispiel anzuführen, zur Zeit noch steuerfrei. In den europäischen Verträgen ist aber eine Selbstbesteuerung der Gemeinschaften vorgesehen. Nach einem jetzt vorliegenden Vorschlag sollen 10 % der Bezüge als Steuer einbehalten werden. Derselbe Vorschlag sieht jedoch vor, daß die bisher gezahlten Bezüge um eben diesen Steuersatz von 10 % erhöht werden sollen, so daß das Netto-Einkommen der Bediensteten unverändert bliebe. Daß eine solche Regelung nicht hingenommen werden könnte, ist selbstverständlich. Auf der einen Seite fordert man Steuern, auf der anderen Seite soll dieselbe Gemeinschaft, die diese Steuern erhebt, gleichzeitig die Bezüge um diesen Betrag erhöhen.
Der Haushaltsausschuß ist der Meinung, daß gerade dann - ich glaube, das muß besonders betont werden -, wenn man den Zusammenschluß der europäischen Staaten beschleunigen will, gleichzeitig alles getan werden muß, um Fehlentwicklungen von vornherein zu vermeiden. Eine Goldgräberatmosphäre in den supranationalen Organisationen würde zweifellos die Glaubwürdigkeit der entstehenden Organe für die einzelnen Nationen vermindern, sicher aber nicht vergrößern.
Ich darf deshalb im Auftrage des Haushaltsausschusses die Bundesregierung ersuchen, alles zu tun, um auch die supranationalen Körperschaften einer gewissen Haushaltskontrolle zu unterwerfen. Sollte dies auf dieser Ebene nicht erreichbar sein, müssen die nationalen Parlamente als Übergangsregelung dieses Problem aufgreifen und versuchen, sie durch internationale Zusammenarbeit zu lösen. Der Haushaltsausschuß hat hierzu die Bildung einer kleinen Kommission von vier bis fünf Mitgliedern, die mit den anderen nationalen Parlamenten in dieser Frage Fühlung aufnehmen sollten, vorgeschlagen. Die Aufnahme dieser Arbeit sollte sobald wie möglich auch durch Unterstützung des Herrn Bundestagspräsidenten ermöglicht werden. Nur so ist eine Fehlentwicklung schon in den Anfängen zu vermeiden.
Zusammenfassend darf ich den Einzelplan 60 unter Berücksichtigung all der vorgetragenen Beschlüsse des Haushaltsausschusses in der vorliegenden Fassung zur Annahme empfehlen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Meine Damen und Herren, wenn wir jetzt in die Aussprache eintreten, dann bitte ich, auch die Anträge zu begründen, falls das erforderlich sein sollte. Außerdem möchte ich vorsichtshalber darauf hinweisen, daß alle diejenigen, die sich vielleicht schon bei einem meiner Vorgänger gemeldet haben, diese Meldung wiederholen müssen, weil mir leider keine Liste übergeben worden ist. Zwei Redner sind vorgemerkt worden, als ich bereits hier war.
Das Wort hat der Abgeordnete Margulies.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesfinanzminister hat sich laut und ausführlich über die Beiträge zu den kleineuropäischen Gemeinschaften beklagt, wie es soeben ja auch der Herr Berichterstatter getan hat. Wenn er allerdings da Schlußfolgerungen vorgetragen hat - denen ich widersprechen muß -, dann kann ich nur sagen, daß er entweder falsch oder schlecht unterrichtet worden ist, eine Erfahrung, die wir schon früher gemacht haben.
Der Herr Bundesfinanzminister ist ja für uns weithin „unerforschtes Gebiet". Man weiß noch nicht recht, wo man auf taube Ohren stößt und wo man eine ergiebige Geldquelle anschlagen kann.
Als er seinerzeit Gelegenheit hatte, seine europäische Gesinnung unter Beweis zu stellen, nämlich bei der Frage der Umstellung der Kaffee- und Teezölle auf Verbrauchsteuern, da erwies er sich überraschenderweise als unzugänglich. Dagegen hat er bei anderen Gelegenheiten, insbesondere beim Sparprämiengesetz, doch außergewöhnlich großzügig gehandelt und z. B. den zehnfachen Betrag dessen ausgegeben, was für die bezüglich der europäischen Gesinnung immerhin nicht unwichtige Tee-und Kaffeesteuer erforderlich gewesen wäre.
Meine Damen und Herren, mir ist überhaupt nicht recht klar, worüber sich der Herr Finanzminister bei den Beiträgen zu den kleineuropäischen Gemeinschaften beschwert. Die eine dieser Gemeinschaften, die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl, die wir gewöhnlich Montan-Union nennen, finanziert sich ja aus Umlagen, die aus den entsprechenden Unternehmen aufzubringen sind. In der letzten Zeit ist an dieser Institution sehr viel Kritik geübt worden. Wir haben immerhin mit einigem Erstaunen zur Kenntnis genommen, daß diese Hohe Behörde so etwa 760 Millionen DM an Reserven angesammelt hat, von denen allerdings 100 Millionen Dollar, also 420 Millionen DM, durch eine statutarische Regelung gebunden sind. Wir wären schon der Meinung gewesen, daß man gerade in der jetzigen Situation, in der die Kohle einige Schwierigkeiten zu überstehen hat, die Umlage hätte senken können. Aber in der Sitzung, die vor acht Tagen in Brüssel stattgefunden hat, hat für die Senkung eigentlich niemand gesprochen, auch die Kollegen der CDU haben nicht gepiepst. Infolgedessen ist die Umlage unverändert geblieben. Die Hohe Behörde wird also weitere Millionen zu den vorhandenen häufen, die sie auf diese Weise der Wirtschaft entzieht. In dieser Frage hätten Sie sich also einmal unter sich beraten sollen. Die einzige Stimme, die für die Senkung der Umlage abgegeben worden ist, war die des FDP-Abgeordneten, der diesen Ausschüssen angehört. Hier sehe ich also nicht recht, wohin die Kritik des Herrn Bundesfinanzministers zielt.
Im übrigen darf ich Sie darauf hinweisen, daß es sich hier um eine Politik handelt, die aus der Zeit stammt, als der heutige Bundesfinanzminister eben dieser Hohen Behörde noch angehörte. Diese Thesaurierung, diese Hortung von Geldmitteln ist ja mit unter seiner Ägide entstanden.
Wenn wir die beiden anderen Europäischen Gemeinschaften betrachten, nämlich die, deren Beiträge in Kap. 60 ausgewiesen sind, dann haben wir zunächst festzustellen, daß es sich da doch sehr weitgehend um Beträge handelt, die durch Vertrag festgelegt sind. Wir würden uns sehr leicht tun, eine Streichung dieser Beiträge zu beantragen; denn wir haben damals die Verträge abgelehnt. Aber da sie Rechtens geworden sind, glauben wir nicht, daß das eine gute Haltung wäre. Wir verzichten deshalb darauf, einen solchen Änderungsantrag zu stellen.
Wir können natürlich nicht über die Summe klagen, die wir der Europäischen Investitionsbank geben müssen. Der Beitrag zum Anlagekapital betrug 1958 125 Millionen DM, 1959 auch, und 1960 müssen
wir noch einmal 65 Millionen DM zahlen. Das steht bereits im Vertrag. Darüber kann sich der Bundesfinanzminister ebensowenig beklagen wie über die Summen, die für den Entwicklungsfonds für die assoziierten Gebiete gegeben werden müssen. Das sind innerhalb von fünf Jahren 840 Millionen DM. Es ist nicht zweckmäßig, den Jahresdurchschnitt zu nennen, da sich die Beträge staffeln.
Weiter ist das Forschungsprogramm bei Euratom vereinbart, für das die Bundesrepublik auch noch einmal 270 Millionen DM in fünf Jahren aufzubringen hat. Diese Summen können also eigentlich gar nicht zur Diskussion stehen, denn sie entsprechen den Verträgen. Somit bleiben am Ende nur die Verwaltungskosten übrig, die mit etwa 35 Millionen DM noch nicht einmal 10 % der Kosten der Europäischen Gemeinschaften ausmachen.
Ich habe die Ehre, dem Haushaltsausschuß des Europäischen Parlaments anzugehören. Wir bemühen uns lebhaft, dort die Unterlagen beizuziehen und die Auskünfte zu erhalten, die uns die Möglichkeit geben, die Kontrolle auszuüben, welche leider im Vertrag nicht vorgesehen ist. Der Herr Berichterstatter hat soeben mit Recht beklagt, daß die politische Kontrolle dieser Gemeinschaften in den Verträgen nicht vorgesehen ist. Das haben wir vor zwei Jahren hier im Hause ausführlich erörtert, was Sie aber nicht gehindert hat, den Verträgen zuzustimmen. Wir bemühen uns trotzdem und wir begegnen auch einem gewissen Verständnis der Exekutiven. Die Schwierigkeiten, die wir bis jetzt hatten, hatten wir eigentlich immer nur mit dem Ministerrat, dem unser Herr Finanzminister angehört.
Was die Frage angeht, wie diese Gehälter, die so oft kritisiert werden, eigentlich zustande gekommen sind, muß man sich einmal den Gedankengang in Erinnerung rufen, der dabei eine Rolle gespielt hat. Man hat damals bei der Hohen Behörde der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl die Gehälter der Hohen Behörde festgesetzt. Dabei ist man von der Vorstellung ausgegangen, daß man Gehälter haben müsse, die einem Vergleich mit der Wirtschaft standhalten.
Man hat - das ist übrigens auch für die damalige Vorstellung recht interessant, an deren Folgen wir heute noch ein wenig kranken - eine Konkurrenzklausel eingebaut. Man hat festgelegt, daß ein ausscheidendes Mitglied der Hohen Behörde drei Jahre lang weiter die Hälfte seiner Bezüge erhält, damit es nicht zur Konkurrenz geht. Es darf also nicht in einen Betrieb gehen, der mit der Hohen Behörde zu tun hat. Das ist an sich durchaus berechtigt.
Immerhin hätte sich unser Finanzminister eigentlich einmal fragen können, ob die 30 000 DM, die er jedes Jahr steuerfrei von der Hohen Behörde bezieht, dieser Vorstellung entsprechen; denn er selber ist ja aus freien Stücken dort ausgeschieden. Er ist ohne jeden Zwischenaufenthalt in die Bundesrepublik übergesiedelt und hier Finanzminister geworden. Ich will nicht über die Bezüge des Finanzministers sprechen, sondern nur darüber, daß hier der Tatbestand, der mit dieser Regelung ge3962
troffen werden sollte, gar nicht gegeben ist. Er
hätte als Mitglied des Ministerrats die Pflicht gehabt,
auf eine Änderung dieser Bestimmung hinzuwirken.
Sie ist auch in anderer Beziehung recht angreifbar. Wir haben im Augenblick nicht weniger als drei Mitglieder der Hohen Behörde, an die die Übergangsgelder gezahlt werden müssen. Die Bestimmung ist aber auch auf die Direktoren ausgedehnt. Wir hatten z. B. einen hochqualifizierten Finanzexperten bei der Hohen Behörde, Herrn Dulouvier, der von Herrn de Gaulle Knall und Fall nach Algier versetzt wurde. Auch er bezieht drei Jahre lang die Hälfte seines Gehaltes weiter. Die Konkurrenzklausel bedarf also dringend der Revision. Dafür ist der Herr Bundesfinanzminister als Mitglied des Ministerrats zuständig.
({0})
Die Gehälter, die damals festgelegt wurden, wurden bis zu den kleinen Gehältern herunter einfach prozentual berechnet. Man hat also gesagt: Die Direktoren bekommen 85 °/o dessen, was das Mitglied der Hohen Behörde erhält, die Abteilungsleiter 75 % usw. Ich kann nicht die ganze Staffel aufzählen.
Diese Bezüge sind durch einen Beschluß des Ministerrats der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Europäischen Atomgemeinschaft vom 18. Januar 1958 unter dem Vorsitz unseres Herrn Bundesfinanzministers Etzel von den beiden Institutionen übernommen worden. Da wäre Gelegenheit gewesen, einmal zu kontrollieren, ob das richtig ist, ob man es so machen soll, anstatt vor der Öffentlichkeit eine laute Kritik über Verhältnisse anzustimmen, die zu ändern man selbst versäumt hat.
Der Herr Berichterstatter hat soeben mit Recht die Tatsache kritisiert, daß die Gehälter nicht der Steuerpflicht unterliegen. Auch dies beruht darauf, daß eine Entscheidung der Ministerräte hierüber bisher noch nicht getroffen worden ist. Die Ministerräte sind dazu verpflichtet. Sie hätten die Steuern längst festsetzen müssen. Die Feststellung, die soeben getroffen wurde, daß die Gehälter wahrscheinlich um denselben Betrag erhöht würden, den die Steuern ausmachten, hängt mit dem Zeitverlust zusammen. Wenn der Gehaltsempfänger sich daran gewöhnt hat, 1000 DM zu bekommen, und Sie nachher einen Abzug von ihm verlangen, wird es um so schwieriger, je länger es dauert. Das wissen wir alle. Diese Entscheidung hätte rechtzeitig getroffen werden müssen. Dazu wäre durchaus die Möglichkeit gewesen.
({1})
- Sie werden es nicht ändern können. Es ist übrigens auch bei der WEU so gegangen. Aber hier liegt wieder ein Versäumnis vor, das unser Finanzminister zu verantworten hat. Denn das fiel in seine Amtsperiode als Vorsitzender des Ministerrats, und als solcher hat er natürlich auch die etwas merkwürdige Aufbauschung des Beamtenapparats des Sekretariats der Ministerräte zu verantworten, der ja mittlerweile auf 270 angewachsen ist. Das ist im Europäischen
Parlament schon ausreichend kritisiert worden, so daß ich hier nicht näher darauf eingehen will.
Aber bedenken Sie mal, welches Nebeneinander von Behörden dort in Brüssel entstanden ist! Wir haben die Exekutiven der Europäischen Gemeinschaften. Die sind nach dem Vertrag dazu da, die Entscheidungen der Ministerräte vorzubereiten - niemand anders -, so steht es in dem Vertrag. Dann hat sich der Ministerrat ein Büro mit 270 Köpfen organisiert, die ebenfalls wieder für die Minister die Entscheidungen der Ministerräte vorbereiten. Dann gibt es eine Vertretung jedes Landes. Das Büro „des ständigen Vertreters", das deutsche, hat inzwischen 45 Köpfe erreicht, die auch wieder die Entscheidung der Ministerräte vorbereiten. Nun brauche ich Ihnen doch nicht zu sagen - Sie sind ja alle erfahrene Parlamentarier -, daß sich diese drei Behörden gegenseitig durchaus beschäftigen können, ohne daß auch nur das geringste passiert; das ist doch ganz klar.
({2})
Um den Rummel noch zu vervollständigen: es sind auch noch laufend in einer großen Zahl die Sachverständigen aus unseren Ministerien in Brüssel, die auch wieder dazu dort sind, gewisse Entscheidungen der Ministerräte vorzubereiten.
Meine Damen und Herren, ich wollte Sie auf diese Dinge aus der genauen Kenntnis der Zusammenhänge hingewiesen haben. Die Kritik des Herrn Bundesfinanzministers hätte überhaupt nur den Sinn haben können, daß wir angereizt werden, diese Posten im Haushalt zu streichen. Da aber die Verträge, die das Haus mit großer Mehrheit gegen unsere Meinung beschlossen hat, existieren und wir sie als bestehend anerkennen müssen, würden wir uns nicht in der Lage sehen, einen solchen Antrag zu stellen.
Ich möchte noch mit einem Wort zu dem Stellung nehmen, Herr Kollege, was Sie soeben als Berichterstatter vorgetragen haben. Ich habe schon gesagt, wir mühen uns im Europäischen Parlament auf der schwachen Rechtsbasis, die uns gegeben ist, die nötige parlamentarische Kontrolle durchzuführen, obwohl wir nicht gerade sagen können, daß wir eine Unterstützung des Ministerrats haben. Im Gegenteil, wir mußten bei den letzten Haushalten mehrfach feststellen, daß die Ministerräte sich über Vertragsklauseln, ohne mit der Wimper zu zucken, hinweggesetzt haben. Das ist natürlich ein unmögliches Verhalten.
Wir haben in unseren Fraktionen -ich bin sofort fertig, Herr Vogel - mit den Haushaltsexperten über die Dinge gesprochen. Aber wenn jetzt im Haushaltsausschuß des Bundestages ein Beschluß gefaßt worden ist, etwa die sehr schwachen Funktionen des Europäischen Parlaments auch noch dadurch zu mindern, daß man einen Ausschuß der Haushaltsausschüsse bildet, dann frage ich mich, wozu dieses Europäische Parlament überhaupt noch da sein soll. Wir hatten gehofft, daß uns unsere Kollegen in den Haushaltsausschüssen unterstützen und helfen würden. Wir haben es nicht leicht, uns mit der Bürokratie der verschiedenen Kategorien auseinanderzusetzen. Aber das würden wir natürlich als eine Minderung der
Möglichkeiten auffassen müssen, die wir zur Zeit im Europäischen Parlament noch zu haben glauben.
Es tut mir leid, wenn ich Sie hier aufgehalten habe. Aber ich glaube nicht, daß man, Herr Dr. Vogel, diese Dinge, ohne sie zu nennen und auszusprechen, hätte behandeln können.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Eilers.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der alte gute Grundsatz, daß öffentliche Aufgaben der verschiedenen öffentlichen Träger gleichrangig sind, scheint in der Bundesrepublik keine Geltung zu haben. Rangunterschiede beherrschen weithin das Feld, vor allem auf den verschiedenen Gebieten der öffentlichen Verwaltung. Wir alle wissen, daß es weithin als unfein gilt, den Aufgaben der Länder den gleichen Rang einzuräumen wie etwa denen des Bundes. Etwa den Aufgaben der Gemeinden den gleichen Wert zuzumessen, gilt als vermessen. Die bisherige Entwicklung der kommunalen Finanzen und ihre Behandlung läßt jedenfalls berechtigte Zweifel daran aufkommen, ob die Bundesregierung die Aufgaben der Gemeinden richtig würdigt. Das ist deshalb besonders bedauerlich, weil lebensfähige Gemeinden die Grundpfeiler jedes Staates sind und tönerne Füße im finanziellen Bereich eine schlechte Grundlage für den gesamten Staatsorganismus bedeuten.
Deshalb meine ich auch, daß diese Fragen der kommunalen Finanzen und des kommunalen Finanzsystems keine Angelegenheit der Parteipolitik sind, sondern im wohlverstandenen Sinn eine Angelegenheit der Staatspolitik. Die Entwicklung nach dem Weltkrieg hat gezeigt, daß die Gemeinden immer mehr zu finanziellen Kostgängern damals beim Reich, jetzt beim Bund und bei den deutschen Ländern geworden sind. Während der Anteil der eigenen Steuern der Gemeinden 1913/14 noch 37 % betrug, war er 1928 bereits auf 33 % gesunken; und im vergangenen Jahre machte er noch ganze 14,3 % aus. Eine umfassende eigene Finanzgebarung ist also den Gemeinden verwehrt. Die in Deutschland früher und in der ganzen Welt so sehr gerühmte deutsche kommunale Selbstverwaltung steht weithin nur noch auf dem Papier.
Wir alle wissen, daß im Kriege bis 1945 alle langfristigen Maßnahmen in den Hintergrund traten und daß bis zur Währungsreform im Jahre 1948 Investitionsmöglichkeiten nicht bestanden. Aus diesem Grunde entstand in den Gemeinden ein großer Nachholbedarf auf allen Gebieten. Dazu kamen die neuen Verpflichtungen, die durch die Aufnahme von mehr als 9 Millionen Flüchtlingen und Vertriebenen entstanden. Auf dem Gebiet der Wasserversorgung, der Wohnungen, Straßen, Schulen, Krankenanstalten, der Abwässerversorgung entstanden den Gemeinden neue und größere Aufgaben. Großstädte wurden zerstört und unzerstörte Städte wurden über Nacht zu Großstädten. - Sie werden gleich sehen, worauf ich hinaus will, lieber Herr Niederalt! Nimmt es bei diesen Aufgaben wunder, daß sich die Gemeinden überaus stark verschulden mußten? Die Gemeinden konnten nicht ausweichen; denn sie mußten unverzüglich helfen. Sie standen an der Front und konnten sich diesen Aufgaben nicht entziehen.
Die finanzielle Grundlage für die Durchführung dieser Aufgaben war aber völlig unzureichend, weil die Grundsteuer als eine wesentliche Steuereinnahme eingefroren war und weil dadurch ein sehr krasses Mißverhältnis zu der Gewerbesteuer eintrat, zur einzigen kommunalen Steuer, die der Steigerung des Sozialprodukts entsprechend gestiegen war.
Dabei sind wir uns völlig darüber klar, daß die Gemeinden ohne diese konjunkturell gestiegenen Einnahmen ihre Aufgaben hätten überhaupt nicht erfüllen können. Man kann darüber streiten, ob die Gewerbesteuer gerecht ist oder nicht, weil sie nur einen begrenzten Teil der Bevölkerung belastet. Solange aber für diese Steuer ein besserer Ersatz nicht gefunden ist, werden die Gemeinden darauf nicht verzichten können, weil - das sage ich gerade bei dem Haushalt der allgemeinen Finanzverwaltung -, die Kreditmarktverschuldung der Gemeinden schon doppelt so hoch ist wie die der deutschen Länder. Die Gesamtverschuldung beträgt gegenwärtig mehr als 11 Milliarden DM. So aber wird es nicht weitergehen können.
Es ist erfreulich, daß dieses Hohe Haus die Artikel 106 und 107 unseres Grundgesetzes mit großer Mehrheit geändert hat. Das war zwar ein verheißungsvolles Vorgehen, aber praktisch geschehen ist nichts.
Der Herr Bundesfinanzminister hat in seiner Rede am 1. Juli 1958 bei der dritten Lesung des Haushalts gesagt:
Ich will heute zu den Einzelheiten nicht Stellung nehmen, das wäre durchaus verfrüht. Das Problem der Deckungsmittel - sei es Bürgersteuer, sei es Umbau der Grundsteuer, in Zusammenhang mit einer Gewerbesteuerreform - ist ein ernstes Problem; wir werden es nach den Ferien sofort in Angriff nehmen.
Ein greifbares Ergebnis scheint aber auch jetzt, nach einem Jahr, immer noch nicht vorzuliegen. Jedenfalls hat Herr Minister Etzel keine Vorschläge gemacht. Bedeutet das etwa, daß in diesen Fragen bei der Bundesregierung ein Fatalismus besteht, oder ist das ein absichtliches Desinteresse des Bundesfinanzministeriums? Oder werden die berechtigten Wünsche der Gemeinden abgelehnt ohne Rücksicht auf die Folgen in den Grundlagen unseres vorläufigen Staatsgebildes Bundesrepublik?
Fast könnte man das letzte annehmen, wenn man einen Artikel eines Mitarbeiters des Bundesfinanzministeriums in der „Öffentlichen Verwaltung" im Heft 3 vom 3. Februar 1959 liest, der sich mit der „Verschuldung der Gemeinden" befaßt. Hier bringt Herr Oberregierungsrat Wilhelm Heckt eine Auffassung zum Ausdruck, die außerordentlich aufschlußreich ist. Sie ist nach meiner Auffassung staatspolitisch naiv und anmaßend zugleich. Wenn
Eilers ({0})
das auch die Auffassung des Bundesfinanzministers und seines Staatssekretärs sein sollte, dann wäre es allerdings um die kommunale Selbstverwaltung schlecht bestellt. Ich darf Ihnen daraus das, was er zu dieser kommunalen Selbstverwaltung sagt, mit Genehmigung des Herrn Präsidenten einmal vorlesen. Er bestätigt:
Der Investitionsbedarf der Gemeinden ist noch so groß und so dringend, daß auch mit einem Rückgang der Verschuldung infolge Befriedigung des Investitionsbedarfs in absehbarer Zeit nicht gerechnet werden darf: Die Verschuldung der Gemeinden könnte deshalb unter den gegenwärtigen Verhältnissen vor dem Erreichen der Grenze der tragbaren Schuldenlast allein durch Maßnahmen der Staatsaufsicht oder durch Sperrung oder Versiegen der Darlehensquellen gebremst werden. Es ist deshalb nötig, sich mit den Folgen des weiteren Ansteigens der Verschuldung auseinanderzusetzen.
Dann kommt er zu folgender Erkenntnis:
Die gefährlichste Folge wäre sicher eine Überschuldung, die eine Erfüllung der laufenden Verpflichtungen der Gemeinden in Frage stellen würde. Bei aller gebotenen Rücksichtnahme auf die Grundsätze der gemeindlichen Selbstverwaltung erscheint im Bereich der Darlehenspolitik eine straffe Staatsaufsicht unumgänglich.
Und nun meint er:
Unter diesen Umständen braucht mit einer Überschuldung der Gemeinden nicht gerechnet zu werden.
Für ihn gibt es also eine einfache staatsrechtliche Konstruktion, die es den Gemeinden unmöglich machen soll, weitere Darlehen aufzunehmen.
Wie sieht es nun in der Wirklichkeit aus? 1950 waren die Gemeinden neue Schulden in Höhe von 1,1 Milliarden DM eingegangen; 1957 waren es bereits 9,5 Milliarden DM, und wie ich vorhin schon sagte, beträgt die Höhe der Schulden gegenwärtig über 11 Milliarden DM. Der Bayerische Prüfungsverband - das wird Sie, Herr Staatssekretär, besonders interessieren - hat festgestellt, daß von 59 Gemeinden 25, darunter fünf Mittelstädte und zwei Großstädte, nicht mehr kreditfähig seien, da die Verschuldungsgrenze bereits erreicht oder überschritten sei.
Vor etwa 14 Tagen ging durch die deutsche Presse die Mitteilung, daß die Stadt München für ihre Krankenanstalten den Notstand erklären müsse, da sie nicht mehr in der Lage sei, für den Ausbau ihrer Krankenanstalten weitere Darlehen aufzunehmen.
Der Herr Bundesfinanzminister hat vor einiger Zeit auf einer kommunalpolitischen Tagung der CDU/CSU zum Ausdruck gebracht, die Gemeinden müßten sich in allererster Linie selber helfen. Ich dagegen bin der Meinung, daß sich die meisten Gemeinden nicht selbst helfen können, weil sie nicht mehr über ausreichende eigene Finanzquellen verfügen und auch nicht in der Lage sind, weitere
erhebliche Zins- und Tilgungsraten für Darlehen und Anleihen aufzubringen. Helfen können in der Tat auch nicht die Länder, sondern helfen kann nur der Bund. Eine grundlegende Hilfe ist nur dadurch möglich, daß bald eine grundsätzliche Neuverteilung der Steuern zwischen Bund, Ländern und Gemeinden erfolgt. Andernfalls, meine sehr verehrten Damen und Herren, wird der Tag nicht mehr ferne sein, da die deutschen Gemeinden überhaupt nicht mehr existieren können.
({1})
- Das aber, Herr Niederalt, würde bedeuten, daß Gemeinschaftsaufgaben, wie der Bau von Straßen, von Wohnungen, von Schulen und Krankenhäusern, um nur einige zu nennen, nicht mehr erfüllt werden könnten, und das würde dann allerdings den öffentlichen Notstand bei den Gemeinden bedeuten, und sie wären nicht in der Lage, ihn ohne fremde Hilfe zu überwinden. So weit darf es nach meiner Meinung nicht erst kommen, weil dadurch die deutsche kommunale Selbstverwaltung in eine ernste Gefahr geriete.
Eine solche Gefahr, wie sie hier vor uns steht, würde an die Grundfesten unseres gesamten vorläufigen Staatsgebildes rühren und könnte unseren Staat verhängnisvoll erschüttern. Die Selbstverwaltung und die Selbstverantwortung der Gemeinden kann nur durch eine breitere Grundlage ihrer eigenen Finanzhoheit gestärkt werden. Ein wohlausgewogenes Finanzsystem ist dafür die beste Voraussetzung und Gewähr. Ohne ausreichende eigene Steuerquellen ist die kommunale Selbstverwaltung weitgehend eine deklamatorische Angelegenheit. Selbst Herr Niederalt wird das eines Tages noch einsehen.
({2})
Nur finanziell gesunde Gemeinden können die Grundpfeiler des Staates bilden. Finanzzuweisungen mit Bedingungen für die Verwendung der Mittel zerstören die Selbstverwaltung.
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Meine Damen und Herren, ich darf Sie um etwas mehr Ruhe bitten. Sie erleichtern so dem Herrn Redner die Verwirklichung seines sicherlich vorhandenen Vorsatzes, noch vor 9 Uhr fertig zu werden.
Herr Präsident, ich danke Ihnen. Ich bin sicherlich bis dahin fertig. Ich glaube auch, daß die Wichtigkeit dieses Problems eine solche Erörterung in diesem Hause notwendig macht.
Das habe ich auch gar nicht bestritten.
Nein, Herr Präsident. Ich würde mir auch nicht gestatten, Ihre Maßnahme zu kritisieren.
Die Beteiligung der Gemeinden mit 10 % an dem Aufkommen der Umsatzsteuer, wie sie von den
Eilers ({0})
kommunalen Spitzenverbänden gefordert wurde, würde in der Tat für die Gemeinden eine wesentliche Verbesserung ihrer Finanzlage bedeuten. Sie wäre auch deshalb erwünscht, weil dann die Gewerbesteuer, die eine einseitige Belastung der gewerblichen Wirtschaft, vor allem des mittelständischen Handels und Gewerbes, darstellt, in ihren Grundlagen reformiert und gesenkt werden könnte. Der Bundesfinanzminister meinte zwar in seiner Rede am 9. Dezember 1959, eine Beteiligung der Gemeinden an der Umsatzsteuer scheide deshalb aus, weil der Bund auf diese Einnahme nicht ersatzlos verzichten könne. Zwei Sätze vorher hatte er aber anerkannt, daß die Gemeinden zusätzlicher Dekkungsmittel bedürften. Es scheint mir recht billig und bequem zu sein, eine Beteiligung der Gemeinden abzulehnen, weil sie eine Änderung des Grundgesetzes voraussetzen würde. Mir scheint eine angemessene Beteiligung der Gemeinden an dem Aufkommen aus den Abgaben des Kraftverkehrs, also aus der Kraftfahrzeugsteuer, der Mineralölsteuer und den Mineralölzöllen, unerläßlich zu sein. Das Aufkommen dieser Abgaben müßte uneingeschränkt für den Straßenbau und nicht, wie gegenwärtig noch, zu einem wesentlichen Teil als allgemeines Dekkungsmittel des Bundeshaushalts verwendet werden. Es geht nach meiner Ansicht nicht an, daß, wie im Jahre 1957/58, der Bund von seinem Anteil in Höhe von 2,3 Milliarden DM für den Straßenbau ganze 740 Millionen DM verwendet, also 1 560 Millionen DM den allgemeinen Haushaltszwecken zuführt.
Eine Änderung des Reichsbewertungsgesetzes vom 16. Oktober 1934, nach dem die Grundsteuer auf dem Stand vom 1. Januar 1935 erstarrt ist, müßte eine Neubewertung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens und des bebauten Grundvermögens zum Ziele haben. Eine solche einschneidende Maßnahme wäre jedoch nur im Rahmen einer umfassenden Steuerreform möglich, die eine einseitige Mehrbelastung eines Teils der Steuerpflichtigen verhindert.
Herr Bundesfinanzminister Etzel widersprach sich allerdings selbst, als er in seiner Etatrede sagte, daß die neue Einheitsbewertung eine große Bedeutung auch für die Grundsteuer der Gemeinden besitze. Kurz darauf führte er nämlich aus, daß die Meßbeträge und die Hebesätze für die Grundsteuer zu überprüfen seien, weil die neuen Einheitswerte voraussichtlich höher seien als die alten. Steuern sollten jedoch nicht durch sie erhöht werden.
Als der Bundesfinanzminister die Beteiligung der Gemeinden an der Umsatzsteuer versagen zu müssen glaubte, empfahl er im gleichen Atemzuge die Einführung der Gemeindeeinwohnersteuer oder eine allgemeine Erhöhung der Grundsteuer. Er vergaß nicht hinzuzufügen, daß diese allgemeine Erhöhung der Grundsteuer insoweit den Auswirkungen der neuen Einheitswerte vorgreifen würde; so wörtlich der Herr Minister. Ich hoffe, daß seine letzte Aussage in dieser Rede, die im Gegensatz zu der ersten Aussage steht, seine tatsächliche Auffassung wiedergibt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bedaure es sehr, daß ich hier noch einige Worte zu der Personensteuer sagen muß. Aber hätten wir nicht die Unterbrechung um zwei Stunden gehabt, wären wir sicher auch rechtzeitiger fertig geworden. Ich bitte deshalb um Entschuldigung.
({1})
- Das ist absolut kein Vorwurf gegen Sie. Sie haben triftige Gründe dafür gehabt. Ich bitte es aber auch nicht mir anzukreiden, daß ich jetzt nicht in der Lage bin, so pünktlich aufzuhören.
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- Ja, meine Damen und Herren, Sie haben den Wunsch geäußert, daß die zweite Lesung beendet wird, und ich möchte diesem Ihrem Wunsch gern Rechnung tragen.
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- Ja, wir alle miteinander.
Die Erhebung einer Personensteuer in gleicher Höhe auf den Kopf der Bevölkerung wird von mir als unsozial abgelehnt, weil dadurch eine soziale Bedrängung der kinderreichen Familien eintreten würde. Dagegen hätte ich keine Bedenken, eine Personensteuer nach dem Einkommen einzuführen, weil sie die Bürger an die Aufgaben der Gemeinde heranführen könnte. Sie würde jedoch voraussetzen - und das ist für den Herrn Bundesfinanzminister und für den Herrn Staatssekretär eine wesentliche Belastung, wie mir scheint -, daß der Bund dafür auf einen Teil seiner Einkommensteuer verzichtete, d. h. einen einkommensteuerfreien Raum schüfe.
Bei der Beratung des Etats des Herrn Innenministers ist auch schon auf die Notstände aus dem Kriege hingewiesen worden. Mir scheint, daß vor allem auf dem Gebiet der Schulen und der Krankenhäuser der Bund und die Länder den Gemeinden, vor allem den finanzschwachen Gemeinden, für die nächsten Jahre zusätzliche Finanzmittel bereitstellen müssen.
Ganz entschieden muß ich mich in diesem Zusammenhang gegen die Auffassung des Kollegen Dr. Stoltenberg wenden, der vor einigen Tagen meinte, daß der Schichtunterricht an unseren Schulen fast restlos verschwunden sei. Sie werden sich in ganz Deutschland in den zerstörten Schulen der Großstädte und der Mittelstädte darüber unterrichten können, daß wir in Deutschland weithin leider heute noch Schichtunterricht haben. Ich glaube, daß es notwendig sein wird, mit Hilfe des Bundes - Herr Stecker, Sie wissen das genauso gut wie ich - hier Abhilfe zu schaffen.
Wenn Herr Innenminister Dr. Schröder, wie er sagte, für die Jahre 1960 bis 1963 je 25 Millionen DM, insgesamt also 100 Millionen DM, für den Nachholbedarf der freien gemeinnützigen Krankenanstalten bereitstellen will, so halte ich diesen Entschluß für sehr lobenswert. Was ich jedoch nicht anerkennen kann, ist seine Meinung, für die kommunalen Krankenanstalten sei eine solche zusätzliche Hilfe nicht nötig. Er meinte, über den Etat
Eilers ({4})
seien die kommunalen Verwaltungen in der Lage, selber etwas zu tun.
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Ich glaube, das ist eine völlig falsche Beurteilung der Lage.
Aus allen diesen Gründen, meine Damen und Herren, glaube ich, daß die Bundesregierung bei allem an die gemeinsame Leistung für unsere gemeinsame Zukunft denken sollte. Ich glaube, nur so werden die staatliche Einheit und Gleichheit von Bund, Ländern und Gemeinden entwicklungsfähig und von Bestand sein können.
({6})
Liegen weitere Wortmeldungen vor? - Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung, zuerst über den Änderungsantrag der Abgeordneten Frau Dr. Brökelschen und Genossen, Umdruck 267. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen.
- Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen?
- Mit sehr großer Mehrheit abgelehnt.
Ich komme zum Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, DP, Umdruck 297. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Einzelplan 60 mit der soeben beschlossenen Änderung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Ohne Enthaltungen angenommen.
Ich rufe auf Punkt 1. e) der Tagesordnung:
Haushaltsgesetz 1959 ({0}) .
Das Wort als Berichterstatter hat der Abgeordnete Schoettle.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich erkläre mich von vornherein für nicht schuldig. Ich habe lediglich als Berichterstatter einige Nachträge zu dem Mündlichen Bericht zu machen, auf den ich mich im allgemeinen sonst beziehe.
Ich mache das Haus darauf aufmerksam, daß der Bundestag in der 71. Sitzung vom 4. Juni beschlossen hat, bei Einzelplan 11 - Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung -, Kap. 1110, entsprechend dem Änderungsantrag Umdruck 295 die Titel 652 und 653 für gegenseitig deckungsfähig zu erklären, Diese gegenseitige Deckungsfähigkeit ist noch in den § 2 des Haushaltsgesetzes aufzunehmen. Es müßte also dementsprechend beschlossen werden.
Ferner hat das Plenum zu Einzelplan 25 - Geschäftsbereich des Bundesministers für Wohnungsbau - entsprechend dem Änderungsantrag Umdruck 286 beschlossen, in Tit. 310 - Veröffentlichungen des Ministeriums - den Haushaltsvermerk: „Die Mittel dürfen bis zur Höhe von 850 000 DM der Einsparungen bei Kap. 25 03 Tit. 533 überschritten werden." zu streichen. Daraus ergibt sich, daß im Haushaltsgesetz § 2 Abs. 5 die Nr. 9 a - Drucksache 1079 Seite 4 - gestrichen werden muß. Es wäre also dementsprechend zu beschließen.
Ferner mache ich das Haus darauf aufmerksam, daß ein interfraktioneller Antrag - Umdruck 253 - vorliegt, wonach der § 14 des Haushaltsgesetzes neu gefaßt werden soll. Dieser § 14 regelt die Möglichkeit der Übertragung von Planstellen und Mitteln hierfür von einer Dienststelle auf eine andere innerhalb des Geschäftsbereichs eines Bundesministers oder vom Geschäftsbereich eines Bundesministers zu dem eines anderen sowie der Übertragung von Planstellen und Mitteln von einem Kapitel auf ein anderes Kapitel desselben oder eines anderen Einzelplans. Der Schlußsatz dieses § 14 bezieht sich auf den § 36 a der Reichshaushaltsordnung, in dem die Versetzungsklausel enthalten ist. Dieser muß ausgenommen werden, weil sonst dieser Paragraph möglicherweise Mißverständnisse hervorrufen könnte.
Ich empfehle dem Hause Annahme dieses Antrages.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich rufe in zweiter Lesung vom Haushaltsgesetz auf die §§ 1, - 2, - 3, - 4, - 5, - 6. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf § 7 mit dem Umdruck 301. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 301 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das zweite ist die Mehrheit; abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über § 7 in der Ausschußfassung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; angenommen.
Ich rufe auf die §§ 8, - 9, 9a, - 10, - 11 der Umdruck 307 ist zurückgezogen -, 12, - 13. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich komme zu § 14 und dem Änderungsantrag Umdruck 253. - Das Wort wird nicht gewünscht.
Wer dem Änderungsantrag Umdruck 253 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Ohne Gegenstimmen angenommen.
Ich komme zur Abstimmung über § 14 in der nunmehr beschlossenen Fassung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf § § 15, - 16, - 17, - 18, - 18a, -19, - 20, - 21, - 22, - 23, - 24 und 25 sowie Einleitung und Überschrift. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen.- Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Damit stehen wir am Ende der Beratung der zweiten Lesung. Ich möchte für das Protokoll noch bemerken, daß die Ausführungen des Herrn Berichterstatters Grundlage der Abstimmung waren.
Ich darf noch darauf hinweisen, daß nach interfraktioneller Vereinbarung die Punkte 24 und 25 der Tagesordnung abgesetzt sind.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages ein auf morgen, Donnerstag, den 11. Juni, 9 Uhr.
Die Sitzung ist geschlossen.