Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Wir fahren in der gestern unterbrochenen zweiten Beratung des Bundeshaushalts fort. Ich rufe auf:
Einzelplan 12
Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr ({0}) .
Wünscht der Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die allgemeine Aussprache. Das Wort hat Herr Abgeordneter Bleiß.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Rahmen der allgemeinen Haushaltsdebatte, in der 29 Einzelpläne zur Beratung anstehen, bieten sich schon wegen der vereinbarten Zeiteinteilung nur bescheidene Möglichkeiten zu einer Aussprache über die gesamte Verkehrsproblematik, obwohl diese Aussprache seit langem fällig, ja überfällig ist. Mit Rücksicht auf die Kürze der Zeit werde ich mich auf einige allgemeine Ausführungen beschränken.
Wir warten seit einiger Zeit auf das verkehrspolitische Grundsatzprogramm der Bundesregierung, so z. B. auf eine Erklärung der Bundesregierung, ob sie sich noch uneingeschränkt zur gemeinwirtschaftlichen Verkehrsbedienung bekennt, wie sie sich die Sanierung der Bundesbahn vorstellt, wann und in welcher Weise die, glaube ich, für alle Teile der Regierungskoalition peinlich gewordene Verordnung über Maße und Gewichte für Lastfahrzeuge in den Orkus wandert und wann schließlich das seit einem halben Jahr fällige Gesetz über die Straßenbaufinanzierung dem Hohen Hause vorgelegt wird.
Um alle diese Fragen wird in der CDU/CSU-Fraktion heftig gestritten. Sie müssen aber endlich entschieden werden, und die Entscheidung sollte in diesem Hause und nicht in den Kommissionen der CDU/CSU fallen.
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Wir werden uns dafür einsetzen, daß die notwendige Aussprache über die allgemeine Verkehrspolitik der Bundesregierung unmittelbar nach den Parlamentsferien erfolgt. Heute möchte ich mich in der kurzen mir zur Verfügung stehenden Redezeit nur mit einigen wenigen Fragen beschäftigen, die mit dem Einzelplan 12 unmittelbar im Zusammenhang stehen.
Allgemein ist zu dem Einzelplan 12 zunächst festzustellen, daß die Ansätze im Verkehrshaushalt seit drei Jahren nahezu unverändert sind. Man hat den Eindruck, daß die doch für jedermann deutlich spürbare Zunahme der Motorisierung an den Verkehrsexperten des Bundesfinanzministeriums unbemerkt vorübergegangen ist; denn die Ansätze für den Straßenbau liegen z. B. seit drei Jahren auffallend konstant bei 1075 Millionen DM. Auf diese Tatsache ist wiederholt sehr nachdrücklich hingewiesen worden.
In früheren Haushaltsberatungen ist unserer Kritik an den viel zu niedrigen Ansätzen für den Straßenbau entgegengehalten worden, daß die Mittel des Bundes für den Straßenbau von 315 Millionen DM im Jahre 1954 in den folgenden Jahren doch auf 1075 Millionen DM, also auf nahezu das Dreieinhalbfache gestiegen seien und daß hierin doch eine erhebliche Leistung des Bundes liege.
Wenn man diese beiden Endzahlen miteinander vergleicht, ist das zweifellos richtig. Wenn man aber nüchtern prüft, wie es zu einer solchen Entwicklung gekommen ist und welche Steuern der Kraftverkehr in der gleichen Zeit zusätzlich aufgebracht hat, dann ergibt sich hinsichtlich der Leistung des Bundes ein wesentlich anderes Bild. Nach einer mir vorliegenden Zahlenübersicht des Bundesfinanzministeriums sind die von dem Kraftverkehr aufgebrachten Mineralölsteuern, wenn ich die Mineralölzölle völlig außer Betracht lasse, in den letzten fünf Jahren von rund 700 Millionen DM auf rund 1660 Millionen DM gestiegen. Während der zweckentfremdete Betrag dieser spezifischen Verkehrssteuer 1954 bei etwa 387 Millionen DM lag, wird er 1959 auf über 600 Millionen DM anwachsen. Die zusätzliche Zweckentfremdung der vom Kraftverkehr indirekt erhobenen Mineralölsteuer beläuft sich in den letzten fünf Jahren auf über 850 Millionen DM.
Das sind nur wenige Zahlen. Mein Freund Ritzel wird nachher die Materie noch wesentlich vertiefen. Aber diese wenigen Zahlen beweisen, daß ein immer größerer Teil spezifischer Verkehrssteuern für andere Zwecke als den Straßenbau verwendet werden. Meine Damen und Herren, das ist die Kehrseite der
Medaille. Es erscheint mir zweckmäßig, auch an dieser Stelle auf den viel zuwenig bekannten Tatbestand hinzuweisen; denn die spezifischen Verkehrssteuern betreffen ja nicht nur die LKWs, sondern auch die Millionenzahl der PKWs.
Alle Fraktionen sind sich darüber einig, daß die Haushaltsansätze für den Straßenbau zu gering sind. Das ist eine Tatsache. Von früher her liegt uns noch ein durch die inzwischen gesteigerte Motorisierung überrollter Zehnjahresplan für den Straßenbau aus dem Jahre 1956 vor. Dieser Plan ist inzwischen in drei Teile, in drei Vierjahrespläne aufgespalten worden. Aber selbst für den ersten Teil dieser Pläne, für den ersten Vierjahresplan, fehlt uns bis zum heutigen Tage noch die finanzielle Grundlage.
Man liest in der Presse, daß das seit langer Zeit fällige Finanzierungsgesetz in der nächsten Zeit fertiggestellt werden soll. Ich will zu dem Inhalt des Gesetzes, soweit er bisher bekanntgeworden ist, nicht Stellung nehmen. Dazu wird in der ersten Lesung noch genügend Gelegenheit sein. Aber eines darf ich heute schon feststellen: für uns ist jede Erhöhung der spezifischen Verkehrssteuern, gleichgültig in welcher Höhe, ohne eine vorherige Zweckbindung aller spezifischen Verkehrssteuern völlig indiskutabel.
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- Ja, meine Damen und Herren, über die Billigkeit werden wir uns später in der Sachdebatte sehr ausführlich unterhalten. - Die Höcherl-Kommission hat sich, wie es heißt, dahin geeinigt, daß der Benzinpreis um einen Pfennig, der Dieselkraftstoffpreis um vier Pfennige erhöht werden soll.
Es ist das gute Recht einer jeden Fraktion, für besondere Aufgaben Arbeitsgruppen oder Kommissionen zu bilden, die eine Stellungnahme der Fraktion zu bestimmten Problemen vorzubereiten haben. Bei der Höcherl-Kommission aber Ist in der Öffentlichkeit der Eindruck entstanden, daß es sich hier nicht nur um eine Empfehlung, sondern um eine schon beschlossene und verbindliche Tatsache handelt und daß die Steuererhöhung vom 1. Januar 1960 ab in Kraft tritt. Ich hoffe, daß diese Meldung nicht so verstanden werden muß, sondern daß sie lediglich als die Meinungsäußerung einer Gruppe von Abgeordneten der CDU/CSU-Fraktion zu gelten hat und daß die Entscheidung nach einer gründlichen und sachlichen Beratung in den Ausschüssen erst hier im Parlament fällt.
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- Ja, aber die Art der Meldung hat an dieser Selbstverständlichkeit einige Zweifel aufkommen lassen. Ich wollte, um diese Zweifel auszuräumen, in diesem Zusammenhang noch einmal sagen: wenn die Diskussion in den Fachausschüssen etwa unter den Gesichtspunkten geführt wird, daß die Entscheidung schon gefallen ist und sich nachher trotz des Vorbringens sachlicher Argumente doch nichts mehr daran ändern wird, dann, meine Damen und Herren, glaube ich, haben die Fachausschüsse ihren Sinn verloren. Ich bin der Meinung, eine solche Handlungsweise, ein solcher neuer Stil der CDU
wäre einmalig in der parlamentarischen Demokratie und wäre mit den geistigen Fundamenten des Grundgesetzes nicht in Einklang zu bringen.
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Wenn man über Steuerhöhungen spricht, drängt sich uns automatisch auch die Frage der Maße und Gewichte auf. Über Länge, über Achsdruck und über Gewichte gingen - darüber ist ja sehr viel geschrieben worden - die Auffassungen in der CDU/CSU-Fraktion weit auseinander. Die HöcherlKommission hat sich erst geeinigt, als General Schnez am 24. April an den Beratungen teilgenommen
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und der Herr Minister Strauß anschließend einen Brief an Herrn Höcherl geschrieben und darin nochmals sehr nachdrücklich den Standpunkt des Verteidigungsministers klargelegt und die Einführung der Abmessungen nach der Genfer Konvention von 1949 und darüber hinausgehend die Zulässigkeit eines Achsdrucks von 10 t für die Antriebsachse verlangt hat.
Die vorher vom Verkehrsministerium so oft vorgetragenen Bedenken hinsichtlich der Straßensicherheit, die verkehrspolitischen Argumente des Bundesfinanzministeriums bezüglich des Wettbewerbs Schiene-Straße und der Streit um die Belastbarkeit des Straßennetzes sind durch militärische Erwägungen sehr schnell in den Hintergrund getreten. (E
Meine Herren von der CDU-Fraktion, Sie haben zwar angekündigt, daß die CDU/CSU-Fraktion noch die Länderminister hören will und dann erst die endgültige Entscheidung fallen soll. Aber es scheint mir heute schon ziemlich sicher zu sein, daß sich der Bundesverteidigungsminister durchsetzen wird und Sie die Maße anerkennen werden, die er verlangt. Meine Damen und Herren, es ist sicher gut, wenn die Verordnung vom März 1956 fällt.
Aber eines darf ich zu dieser Frage heute schon feststellen. Herr Bundesverkehrsminister, wenn eine 10-t-Achse für Wehrmachtfahrzeuge anerkannt wird, darf man sie der privaten Wirtschaft nicht vorenthalten. Eine Benachteiligung der privaten Wirtschaft gegenüber der Bundeswehr wäre durch nichts zu rechtfertigen.
Bei der sozialdemokratischen Fraktion hätte es eines solchen Briefes des Herrn Bundesverteidigungsministers nicht bedurft. Wir haben schon 1956 die Verordnung über Maße und Gewichte als einen wirtschaftlichen Unsinn deklariert und ihre Beseitigung verlangt. Wir haben auf unserer Verkehrskonferenz in Hamburg im Juni 1956 auch deutlich gemacht, daß wir bei einem vollen Wirksamwerden internationaler Regelungen bereit sind, unseren Kompromißvorschlag zu überprüfen, um eine Benachteiligung deutscher Interessen zu verhindern.
Eine vernünftige Regelung der Maße und Gewichte ist nicht nur an der starren Haltung des
Herrn Bundesverkehrsministers, sondern auch an bestimmten Vorstellungen gescheitert, die bis vor kurzem - wahrscheinlich bis zum Eintreffen des Briefes des Bundesverteidigungsministers - auch im Hause des Bundesfinanzministeriums vorherrschend waren.
Es ist fast tragikomisch, welche Rolle nunmehr der Herr Bundesverkehrsminister spielen wird oder spielen muß. Ich bitte Sie um Entschuldigung, wenn ich etwas aus Ihrem, der CDU/CSU Nähkörbchen plaudere. Wenn meine Informationen richtig sind, wurde Herrn Dr. Seebohm auf seinen Einwand, er werde durch die von Herrn Strauß verlangte Änderung der Maße und Gewichte sein Gesicht verlieren, erwidert, das Bundeskabinett könne Herrn Dr. Seebohm ja ermächtigen, im Plenum gegen das Gesetz zu stimmen, dann würde er doch im Plenum sein Gesicht wiedergewinnen. Wenn diese Informationen richtig sind, dann muß ich sagen, Herr Bundesverkehrsminister, Sie hätten sich diesen Zynismus ersparen können, wenn Sie damals die vernünftigen Vorschläge der SPD, die seinerzeit auch Vorschläge des ganzen Verkehrsausschusses waren, akzeptiert hätten.
Ein paar Sätze zur Deutschen Bundesbahn! Die Deutsche Bundesbahn hat z. Z. keine akuten Kassenschwierigkeiten. Die Kassenschwierigkeiten sind überbrückt durch Mittel aus einem stahlintensiven Schwerpunktprogramm, das - als eine Hilfe für den Bergbau gedacht - der Bundesbahn erlaubt, größere Materialdispositionen vorzunehmen. Abgesehen aber von dieser relativ befriedigenden Tatsache sind die Vermögens-, die Kapital- und die Wirtschaftsverhältnisse bei der Bundesbahn weiterhin besorgniserregend. Die Frage der Sanierung ist offengeblieben. Der für 1959 vorgelegte Wirtschaftsplan schließt wiederum mit einem Verlust von 450 Millionen DM ab. Die Fremdverschuldung bei der Bundesbahn nimmt weiter zu. Die für die Bundesbahn so dringend notwendige zusätzliche Kapitalausstattung ist in dem vorgelegten Haushalt noch nicht einmal mit einer bescheidenen Rate erkennbar geworden.
Wir gehen jetzt mit den vielen ungeklärten Fragen, mit den hohen Verlusten und mit einer wachsenden Verschuldung der Bundesbahn in das 11. Etatsjahr hinein. Ich muß hier schon fragen, Herr Verkehrsminister: Wie lange soll denn dieser Zustand noch anhalten? Die ausgewiesenen Bilanzverluste der einzelnen Jahre würden - addiert - in diesem Jahr insgesamt die 3-Milliarden-Grenze überschreiten, wenn nicht der Bund durch das Bundesgesetz zu einem Verlustausgleich gezwungen wäre.
Die seit 1954 gehegte Erwartung des Bundesfinanzministeriums, daß sich die Bundesbahn durch höhere Verkehrsleistungen sanieren würde, hat sich nicht erfüllt. Im Gegenteil, das Verkehrsvolumen ist zurückgegangen. Die Verhältnisse können sich vielleicht bei einer Belebung in den Grundstoffindustrien etwas bessern. Es scheint aber völlig illusionär zu sein, den ganzen Verlust durch erhöhte Frachteinnahmen decken zu wollen. Deswegen ist eine Zäsur zu Lasten des Bundeshaushalts einfach nicht zu vermeiden. Und wenn man schon Kosten übernehmen muß, dann sollte man das nicht im nachhinein durch eine Verlusttilgung, sondern im vorhinein tun, damit die Bundesbahn endlich einmal wieder mit einem ausgeglichenen Wirtschaftsplan neu beginnen kann.
Auf meine Frage, wie lange das noch so weitergehen soll, wird nachher wahrscheinlich entweder von Herrn Dr. Seebohm oder von der CDU/CSU-Fraktion ein Hinweis auf die Arbeit der Brandt-Kommission kommen. Meine Damen und Herren, der Auftrag zur Berichterstattung wurde am 12. Februar vergangenen Jahres erteilt. Das ist jetzt 16 Monate her. Diese Frist hätte es dem Bundesverkehrsminister ermöglichen sollen, wenigstens den endgültigen Termin für die Berichterstattung zu nennen. Denn die Sanierung - darüber sollten wir uns alle im klaren sein - muß mit größter Beschleunigung betrieben werden. Je länger wir diese Entscheidung hinauszögern, desto größer werden die Opfer für den Bund sein und desto schwieriger und immer schwieriger wird es auch für die Bundesbahn sein, sich im Markt als Wettbewerber zu behaupten.
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- Die Bundesbahn selbst hat eine Reihe von Vorschlägen gemacht. Die sind von Ihnen noch nicht einmal diskutiert worden.
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- Ja, die Bundesbahn hat eine Reihe von Vorschlägen gemacht, wir werden darüber sprechen müssen. Aber, Herr Conring, allein durch Rationalisierungsmaßnahmen können enorme Verluste, die durch den Strukturwandel entstanden sind, nicht ausgeglichen werden.
Nun zu einem anderen Kapitel der Verkehrspolitik, zu den Binnenwasserstraßen. Vor den letzten Sommerferien hat die Regierungskoalition einen Entschließungsantrag eingebracht, nach welchem die Bundesregierung ersucht wird, einen Vierjahresplan für den Ausbau der Binnen- und Seewasserstraßen dem Hohen Hause vorzulegen. Seitdem ist also wiederum nahezu ein Jahr vergangen. Ich muß die Frage stellen, Herr Bundesverkehrsminister: wie lange braucht eigentlich ein Fachministerium, um einen doch relativ begrenzten Vierjahresplan für einen Sektor der Verkehrswirtschaft - in diesem Fall für den Ausbau der Binnen- und Seewasserstraßen - aufzustellen? Das ist jetzt ein Jahr her, und ich möchte auch hier fragen: wie lange soll es noch dauern, bis ein solcher Plan dem Hohen Hause endlich vorgelegt wird. Ein wenig mehr Eile, Herr Bundesverkehrsminister, schiene mir im Interesse der Binnenschiffahrt geboten, um eine Klärung in bezug auf die Ordnung ihrer Fahrstraßen zu erreichen. Das scheint mir auch noch aus einem anderen Grunde wichtig zu sein. Bei der Beratung des Vierjahresplanes muß auch eine allgemeine Aussprache über die teilweise sehr schwierige Situation in der Binnenschiffahrt erfolgen, jedenfalls soweit es die Partikulierschiffahrt angeht.
Ich habe diese Fakten, die in engem Zusammenhang mit dem Haushaltsplan stehen, erwähnt, weil das gezügelte Tempo im Binnenverkehr in, wie mir scheint, sehr krassem Verhältnis zu den Vorstellungen steht, die der Herr Bundesverkehrsminister entwickelt, wenn es sich um überirdische Räume handelt. Wenn ich in der Presse richtig gelesen habe, war es dem Herrn Bundesverkehrsminister nicht möglich, an dem Deutschen Straßentag in Hannover teilzunehmen, weil er am gleichen Tage einer Einladung der Deutschen Gesellschaft für Raketentechnik und Raumfahrt zur Teilnahme der Jahreshauptversammlung in München entsprochen hatte.
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Wir halten eine solche in die Zukunft weisende Einrichtung für nützlich und zweckmäßig, und wir werden die guten Absichten dieser Einrichtung gern unterstützen. Interessant für mich aber war, in der Presse zu lesen, Herr Bundesverkehrsminister, daß Sie die Mondfahrt als eine deutsche Lebensfrage herausgestellt haben. Diese bewußt betonte Mondfahrt als deutsche Lebensfrage hinzustellen, hat mich doch etwas nachdenklich gestimmt. Ich habe mich gefragt, ob es nicht für den Herrn Bundesverkehrsminister - unabhängig von der Verfolgung der Möglichkeiten, in den Weltraum vorzustoßen - viel realistischer wäre, zunächst die deutsche Lebensfrage in der Regelung der irdischen Verkehrsverhältnisse, vorzugsweise der Verkehrsverhältnisse in der Bundesrepublik, zu sehen.
Aber die Amtsführung des Herrn Bundesverkehrsministers hat diese, wie mir scheint, zwingende Notwendigkeit nicht immer schlüssig erkennen lassen und auch der vorliegende Haushalt bietet keine ausreichenden Gesichtspunkte dafür, daß es mit der tunlichen Eile zu einer Ordnung des deutschen Verkehrs kommt. Deswegen darf ich im Namen meiner Fraktion erklären, daß wir dem Einzelplan 12 nicht zustimmen werden.
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Das Wort hat nunmehr der Abgeordnete Ritzel, allerdings nicht als Berichterstatter - dazu verweist er auf seinen Schriftlichen Bericht -, sondern in der allgemeinen Aussprache.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich denke, der Herr Bundesverkehrsminister ist sicherlich mit dem ganzen Haus der Auffassung, daß, wenn man ,schon zum Mond fliegen oder fahren will, man zuerst einmal eines guten Starts bedarf, und dieser gute Start sollten unsere Bundesstraßen sein.
Nach Unterlagen, die man in der Presse lesen konnte, ist die Zahl der Kraftfahrzeuge in den letzten zehn Jahren von 900 000 auf 6,2 Millionen gestiegen, das Straßennetz aber in der gleichen Zeit nur um etwa 3 % gewachsen.
Ich möchte die Probleme der Straßen und ihrer Finanzierung mit einigen Angaben einer Betrachtung
unterziehen. Ich glaube, das Hohe Haus ist sich in der Erkenntnis einig, daß unser Straßensystem zu dünn ist, daß wir mehr Straßen und auch breitere Straßen brauchen. Wenn wir aber unsere Straßen im Verhältnis zu dem Straßensystem in anderen Ländern, beispielsweise in Frankreich oder der Schweiz, betrachten, dann erkennen wir, daß hier ungeheuer viel nachzuholen ist.
Es wäre verkehrt, anzunehmen und behaupten zu wollen, daß die erschütternd große Zahl der Verkehrstoten im letzten Jahre 1958 - in der Bundesrepublik ohne Berlin und Saar 11 665 Verkehrstote - allein auf die nicht guten Straßenverhältnisse zurückzuführen sei. Zweifellos liegt viel menschliches Verschulden, Leichtfertigkeit, eine Verkettung von unglücklichen Tatsachen bei der Feststellung dieser ungeheuren Zahl von Verkehrstoten mit zugrunde. Aber zweifellos ist auch die Tatsache, daß wir in den letzten zwei Jahren programmgemäß etwa 400 km Straßen im Bundesgebiet neu hätten bauen sollen und nur 150 km gebaut haben, mit ein Faktor, ein entscheidender Faktor sogar für die Situation, eine Situation, die auch aus volkswirtschaftlichen Gründen einer gesteigerten Aufmerksamkeit bedarf.
Was wir heute planen, ist wie der zuletzt beschlossene Vierjahresplan eine ungenügende Sache. Darauf hat mein Freund Paul Bleiß schon hingewiesen. Wir müssen heute mit weiter Voraussicht planen. Die Planung müßte nach meiner Auffassung mindestens bis zum Jahr 1975 gehen, und auf dieser Grundlage müßten wir unsere Entschließungen treffen und auch eine entsprechend große finanzielle Planung durchführen. Man kann die Entwicklung nicht abbremsen; man kann die technische Entwicklung nicht ignorieren. Man muß ihr Rechnung tragen und muß sich danach richten.
Man muß auch in einem größeren Umfang an die Lebensinteressen der Arbeitnehmer denken. Die ständige Steigerung der Konzentration der Produktionstätten und die damit verbundene ständige Steigerung des Pendlersystems, die Gefährdung der Fußgänger unnd viele, viele andere Gesichtspunkte zwingen zu einer grundlegenderen Betrachtung des Problems, als es bis jetzt auch in diesem Hohen Hause geschah.
Wir können den Blick nicht von der Tatsache ablenken, daß wir nicht nur bessere Bundesstraßen brauchen, sondern auch bessere Landstraßen und vor allem bessere Gemeindestraßen. Ich will Sie nicht mit Zahlen plagen; aber die Tatsache, daß die Gemeinden und die Kreise mit ihren Kreisstraßen die weitaus größten und am stärksten belasteten Verkehrsträger sind, hat bis jetzt in den Planungen des Bundestages und der Bundesregierung bei weitem nicht genügende Berücksichtigung gefunden.
Dabei könnten wir ruhig einmal eine volkswirtschaftliche Rechnung aufstellen, ob wir nicht durch vermehrten Einsatz von Mitteln für Straßen in allen Teilen - in Bund, Ländern und Gemeinden - eine Situation herbeiführen würden, die infolge der damit unweigerlich verbundenen Hebung der Wirtschaft einen erheblichen Ausgleich für die notwendigerweise einzusetzenden Mittel böte. Wir können mit einer weiteren Belebung der Wirtschaft, mit einer
Dauerbelebung rechnen, wenn wir unsere Straßen systematisch und in größerem Umfang, als es bis jetzt geplant ist, in Ordnung bringen. Wir können neue Räume für Siedlungen und Industrie erschließen.
Wir müssen wissen, daß das heutige Potential der deutschen Straßenbaufirmen auch bei einer weit stärkeren Inanspruchnahme noch durchaus genügt, wie gewissenhafte Erforschungen ergeben haben. Von hier aus sind also keine Hemmungen und Schwierigkeiten zu erwarten.
Es ist interessant, feststellen zu können, daß das, was im Rahmen der Planung möglich war, im Jahre 1958 von den in Frage kommenden Baubehörden gut und gewissenhaft durchgeführt worden ist. Ich möchte die Gelegenheit benutzen, ein Wort des Dankes an die Beamten, Angestellten und vor allem auch an die Arbeiter auf den Straßen zu sagen, die oft unter sehr schwierigen Verhältnissen ihre Arbeit geleistet haben.
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Die Rechnung der Bundesregierung in bezug auf den Ausgleich fußt nicht zuletzt auf folgender Überlegung. Die Mittel im Bundeshaushalt 1959 sollen unter Einbeziehung einer Bindungsermächtigung von 200 Millionen DM - als letzte Rettung angesichts der zu erwartenden Ausfälle aus dem noch nicht vorhandenen Zweiten Straßenfinanzierungsgesetz - bereitgestellt werden. Diese 200 Millionen DM sollen nach der Vorstellung der Regierung zu einem sehr erheblichen Teil dadurch gedeckt werden, daß keine völlige Verausgabung der in diesem Haushalt bewilligten beschränkten Mittel zu erwarten sei. Mit anderen Worten: man rechnet mit erheblichen Resten.
Ich mir daraufhin einmal die Mühe gemacht, festzustellen, wie es mit den Resten für 1958 aussieht. Es ist ein Rest von 50 Millionen DM bei den Zuschüssen an Dritte für die Beseitigung höhengleicher Kreuzungen und für die Beschaffung von Ersatzwohnraum geblieben. Das sind Anforderungen, die vielfach durch Tatsachen bedingt sind, die in dieser Zeit nicht aus der Welt geschafft werden können. Die echten Haushaltsreste beim Straßenbau betragen im Rechnungsjahr 1958 nur 68 Millionen DM; das sind etwa 7 % des Haushaltssolls. Normalerweise ist man berechtigt, mit einem Rest von etwa 10 % des Haushaltsolls beim Straßenbau zu rechnen.
Nun einige Bemerkungen zu dem Problem der Finanzierung. Warnen möchte ich zunächst vor übersteigerten Hoffnungen zur Finanzierung des Straßenbaus, von der nicht nur ein Jahr, ein Jahrzehnt oder eine Generation allein profitieren, entscheidend auf den allgemeinen Kapitalmarkt verweisen zu können, so wünschenswert und begründet das an sich wäre. Es wäre eine große Illusion, wenn man das annehmen würde. Gewisse Möglichkeiten wird es geben.
Ich möchte an dieser Stelle dem Herrn Bundesfinanzminister und dem Herrn Staatssekretär Hettlage dafür danken, daß sie auf Grund von Anregungen, die im Haushaltsausschuß gegeben wurden, einen Weg gefunden haben, den Betrag von 218 Millionen DM, der ursprünglich im außerordentlichen Haushalt für Straßen vorgesehen war, in den ordentlichen Haushalt einzustellen. Das ist eine sehr erfreuliche Tatsache.
Im Rahmen der Gesamtüberlegungen spielt in der nächsten Zukunft nicht nur das Problem der Fernstraßen, sondern entscheidend auch das Problem des Stadtkernverkehrs und der Zubringerstraßen aus den Städten zu den Fernstraßen eine große Rolle. Nicht wenige Großstädte werden in den nächsten Jahren mehrere Milliarden verausgaben müssen - wenn sie sie haben -, um der fürchterlichen Enge im Straßenverkehr der Stadtkerne zu begegnen. Auch hier wird der Bundestag zu gegebener Stunde ein entscheidendes Wort zu sagen haben.
Ich habe mir einmal die Aufgabe gestellt, den Anteil des Kraftverkehrs an dem Ertrag der Mineralölsteuer in den Jahren 1950 bis 1959 festzustellen. Für die Jahre von 1950 bis 1957 nenne ich Ihnen die IstZahlen und für die Jahre 1958 und 1959 die SollZahlen nach den Etatansätzen. In dem Zeitraum von 1950 bis 1959 beträgt der Anteil des Kraftverkehrs an der Mineralölsteuer nach diesen Unterlagen - es sind amtliche Unterlagen, die dem Haushaltsausschuß zugegangen sind - 9472 Millionen DM. Die IstAusgaben auf der gleichen Grundlage, aber noch einschließlich der Kreditfinanzierung durch die Öffa und einschließlich der 200 Millionen DM Bindungsermächtigung in diesem Haushalt, betragen 5 900 300 000 DM. Das bedeutet im einzelnen: in den Jahren 1950 bis 1958 wurden aus dem Kraftverkehr 7 812 000 000 DM eingenommen und für Straßen 4 475 300 000 DM ausgegeben. Mithin wurden von 1950 bis 1958 zweckentfremdet, also nicht für die Straßen ausgegeben, von den Erträgnissen an Mineralölsteuer aus dem Kraftverkehr 3 336 700 000 DM und für den allgemeinen Haushalt beansprucht.
Nimmt man den Ansatz 1959 hinzu, ergibt sich aus der Mineralölsteuer ein Anteil des Kraftverkehrs von insgesamt, wie erwähnt, 9 472 000 000 DM, von denen für die Straßen 5 900 300 000 DM ausgegeben wurden oder werden sollen. Es sind also 3 571 700 000 DM, die nicht für den Straßenverkehr ausgegeben wurden oder werden sollen und die in den allgemeinen Haushalt fließen.
Man hat Berechnungen in bezug auf die Ertragnisse der Mineralölsteuer aufgestellt. Schätzungsweise sollen eingehen im Jahre 1959 1 970 000 000 DM, im Jahre 1960 2 120 000 000 DM, im Jahre 1961 2 280 000 000 DM. An diesen geschätzen Einnahmen ist der Kraftverkehr im Jahre 1959 mit 1 660 000 000 DM, im Jahre 1960 mit 1 790 000 000 DM und im Jahre 1961 mit 1 930 000 000 DM beteiligt. Ich glaube, wir müssen die Realität dieser Zahlen auf unsere künftigen Überlegungen, die wir demnächst aus anderem Anlaß anstellen müssen, einwirken lassen.
Ich möchte angesichts der Finanzmisere, in der sich unser Straßenwesen befindet, auf eine Äußerung zurückgreifen und sie der Überlegung der Regierung, nicht so sehr des Herrn Bundesverkehrs3858
ministers als des Herrn Bundesfinanzministers, anheimgeben. Mit der erbetenen Genehmigung des Herrn Präsidenten darf ich aus der Schweizer Zeitung „Die Tat" vom 28. Mai 1959 kurz etwas vorlesen:
Der offizielle Literpreis der drei großen Gesellschaften Shell, Esso und BP für 86-Oktan-Benzin beträgt in der Schweiz an der Grenze 45 Rappen. Jedem Automobilisten, der beispielsweise übers Wochenende von Basel in den Schwarzwald fährt, muß auffallen, daß bereits in Lörrach jenseits der Schweizer Grenze die Tankstellen der gleichen Gesellschaften einen Literpreis von 63 Pfennig verlangen. Meist wird dies wohl wie bei den Kaffeepreisunterschieden erklärt und resigniert auf die höhere fiskalische Belastung gewisser Genußmittel und eben der Treibstoffe in der Bundesrepublik hingewiesen. Wie steht es aber in Wirklichkeit mit der Benzinbesteuerung? Belastet Deutschland das Benzin, das mit dem gleichen Tanker den Rhein hinauftransportiert wird, um 18 Pfennig höher als die Schweiz? Davon ist keine Rede. Zum Literpreis von 45 Rappen, der so kalkuliert ist, daß ein anständiger Gewinn von 4 bis 6 % erzielt werden kann, erhebt Westdeutschland jedoch nur eine zusätzliche Abgabe von sieben Pfennig. Der deutsche Automobilist wird also offenbar ... durch die Benzingesèllschaften mit einem um elf Pfennig zu hohen Preis bestraft.
Die Bundesrepublik importiert jährlich rund 5 Mrd. Liter Benzin. Durch den um elf Pfennig zu hohen Literpreis erzielen die Gesellschaften deshalb einen Übergewinn von rund 550 Millionen DM im Jahr. Nicht einmal der Staat zieht den geringsten Nutzen daraus, wie man in guten Treuen glauben könnte. Diese zusätzlichen 550 Millionen sind reine Gewinne und sollten folglich der im Vergleich zur Schweiz ungleich schärferen deutschen Besteuerung unterliegen. Dem ist aber nicht so. Das Verhalten der deutschen Finanzämter kann deshalb nur Erstaunen erwecken.
- Daran sind nicht die Finanzämter schuld, sondern die Politik der Bundesregierung.
Diese Angabe ist so interessant, daß ich den wirklichen Zahlen für einen Vergleich mit der Schweiz einmal nachgegangen bin: Verkaufspreis für einen Liter in der Schweiz heute 46,5 Pf, in der Bundesrepublik erste Zone - ich habe das Billigste angenommen - 61 Pf, davon steuerliche Belastung in der Schweiz 23,7 Pf, steuerliche Belastung in der Bundesrepublik 32,8 Pf. Mithin ist bei einer Steuerdifferenz von 9,1 Pf der Verkaufspreis in der Bundesrepublik um 14,5 Pf höher.
Man macht geltend, daß die Transportkosten größer seien. Wenn ein Tanker von einem deutschen oder holländischen Hafen den Rhein hinauf bis Basel fährt, sind die Transportkosten höher, als wenn er etwa in Mannheim löscht.
Die Mineralölgesellschaften begründen den höheren Preis in der Bundesrepublik mit höheren Investitionen. Meine Damen und Herren, die Bundesrepublik führt, wie zu Recht erwähnt, jährlich fünf Milliarden Liter Benzin ein. Der Brutto-Übergewinn der Gesellschaften, Shell usw., beträgt pro Liter 14,5 Pf oder 725 Millionen DM jährlich. Ich glaube, dem Höcherl-Ausschuß wäre etwas Gutes eingefallen, wenn ,er einmal geprüft hätte, wie man, um dem Finanzminister eine Spritze zu geben, unter Vermeidung einer vermehrten Belastung der Kraftfahrer und des Kraftverkehrs an diese Gesellschaften mit ihrem riesigen Übergewinn auf Kosten des deutschen Volkes herantritt.
Mir ist, als ich diese Rechnung aufmachte, ein altes Berliner Volkslied in den Sinn gekommen. Es heißt:
Sehn Sie, das ist ein Geschäft, das bringt noch was ein;
ein jeder kann das nicht versteh'n, das muß verstanden sein.
Ich glaube, die Konsequenz für die Bundesregierung besteht darin, der Misere unserer Straßenfinanzierung dadurch ein rasches Ende zu bereiten, daß sie die Behauptungen der in Frage kommenden Gesellschaften, sie hätten so unerträglich hohe Investitionskosten, sehr rasch einmal prüft und ad absurdum führt und dafür sorgt, daß wir auf dieser Basis zu einer vernünftigen Straßenbaufinanzierung kommen.
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Das Wort hat nunmehr der Abgeordnete Rademacher.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! „Alle Jahre wieder", so lautet ein schönes deutsches Lied. Das Lied, das wir hier alljährlich über das deutsche Verkehrsgeschehen zu singen haben, ist leider nicht schön, auch in diesem Jahre nicht. Denn wir müssen feststellen, daß wie in jedem Jahr auch im abgelaufenen Etatjahr die Probleme der Deutschen Bundesbahn ungelöst geblieben sind. Wir müssen feststellen, daß es dem Straßenbau nicht gelungen ist, dem steigenden Verkehr Rechnung zu tragen. Wir müssen in diesem Jahr leider zusätzlich die betrübliche Bilanz ziehen, daß es auch der Seeschiffahrt, der Binnenschiffahrt und der Luftfahrt, insbesondere infolge des Eintritts in das Düsenzeitalter, nicht allzu gut geht.
Das ist die Situation, mit der sich die einzelnen Fraktionen bei der Behandlung des Einzelplans 12 zu befassen haben. Ich habe es für meine Freunde übernommen, über die Bundesbahn, über die Seeschiffahrt, über die Luftfahrt und einiges mehr zu sprechen, während mein Kollege Eisenmann über Straßenverkehr und Straßenbau und mein Kollege Ramms über die Binnenschiffahrt einige Bemerkungen machen wird.
Wenn ich mit dem Thema Bundesbahn beginnen darf, so möchte ich von einer Äußerung des verantwortlichen Leiters unserer Bundespolitik überhaupt ausgehen, der sich gerade gestern abend entschlossen hat, diese Verantwortung weiter zu
tragen. Anläßlich des Zusammenschlusses der elektrifizierten Bundesbahnnetze Nord und Süd sagte der Herr Bundeskanzler nämlich:
Es stürmten aber so viele andere wichtige Aufgaben auf uns ein,
- Herr Präsident, ich darf das mit Ihrer Genehmigung kurz verlesen deren Finanzierung außerordentlich schwer war, daß ich schließlich verstehe, wenn der Bundesfinanzminister den Standpunkt vertrat, die Bundesbahn müsse sich selbst helfen. Die Bundesbahn hat sich selbst geholfen, und die Männer von der Bundesbahn und vom Bundesverkehrsministerium sollten am heutigen Tage stolz darauf sein, daß ihnen dieser Wiederaufbau gelungen ,ist, obwohl sie vom Bund leider so wenig finanzielle Unterstützung bekommen haben.
Meine Damen und Herren, ohne die gewaltigen Leistungen der Eisenbahner zu unterschätzen, halte ich es doch für eine völlige Verkennung der Situation zu behaupten, es sei der Bundesbahn gelungen, sich selbst zu helfen, also so zu helfen, daß aus Eigenem der Wiederaufbau möglich gewesen sei. Die Zahlen sprechen eine viel zu deutliche Sprache: im Abschluß der Bundesbahn für das Jahr 1958 war ein Defizit von 600 Millionen DM vorhanden, und für das Jahr 1959 wird mutmaßlich - genau ist es noch nicht zu übersehen - mit einem Minus von 400 Millionen DM gerechnet.
Nun will ich Ihnen einmal sagen, was man in den Reihen der 500 000 Eisenbahner über diese Äußerung des Herrn Bundeskanzlers etwa sagt. Dort sagt man: „Das ist also das Bekenntnis zum Sündenfall, das ist das Bekenntnis des für die Regierungsgeschäfte verantwortlichen Mannes, daß in den vergangenen Jahren das größte Bundesvermögen, genannt Deutsche Bundesbahn, liederlich behandelt worden ist." So etwa die Stimmung und Einstellung dieser 500 000 Menschen zu diesen Äußerungen.
Am Anfang der Reorganisation und der Gesundung der Deutschen Bundesbahn steht nach wie vor das Bundesbahngesetz. Darüber ist in der jüngsten Vergangenheit sehr viel geredet worden. Man hat auch gesagt: „Warum ist es überhaupt zu einer solchen unzulänglichen Gestaltung des Statuts der Deutschen Bundesbahn gekommen?" Nun, wenn einer an diese Dinge erinnert, dann muß ich es wohl sein, da in dein betreffenden Jahre das Bundesbahngesetz unter meinem Vorsitz im Verkehrsausschuß zustande gekommen ist. Aber um jeder Geschichtsklitterei zu begegnen, möchte ich einmal mit aller Deutlichkeit in Erinnerung bringen, daß die erste Lesung im Verkehrsausschuß wesentlich besser war als das, was herausgekommen ist. Die erste Lesung stand sehr dicht bei einem Entwurf des Bundesrates, der, das ist auch heute noch meine Meinung, wesentlich besser war als derjenige, den die Bundesregierung eingebracht hat. Wir alle wissen ja, daß damals bei der Schaffung des Statuts der Kampf in Wirklichkeit darum ging: Wieweit soll die Regierung die Kontrolle auf möglichst allen Gebieten über die Bundesbahn behalten, oder - auf der anderen Seite - wieweit ist es möglich, die Bundesbahn in ihrer kaufmännischen Arbeit und in ihrer Verpflichtung gegenüber den gesamtwirtschaftlichen Interessen selbständig handeln zu lassen? Dieser Kampf ist heute in aller Schärfe wieder aufgebrochen. Damals, als wir im ersten Bundestag über diese Dinge sprachen, ist ein sehr nettes Wort geprägt worden. Da hieß es: „In diesem Ringen um das Statut möchte der Herr Bundesverkehrsminister gern die rote Mütze aufbehalten." So ist damals ,ein wenig scherzweise argumentiert worden.
Heute stehen wir vor der Situation, daß zunächst einmal die Zusammensetzung des Vorstandes nicht den Notwendigkeiten einer kaufmännischen Geschäftsführung entspricht. Das heißt - um es deutlich zu sagen -: meine Freunde sind nach wie vor für das Präsidialprinzip, bei dem eben der leitende Mann die Entscheidung in Händen hat und auch die Männer der Hauptverwaltung mit in den Vorstand hineingezogen werden, die, wie wir es sagen, das Geschäft der Bundesbahn in Wirklichkeit betreiben. Die Unzulänglichkeiten des § 4 Abs. 2 gehören zu all den Dingen, die den heutigen Zustand der Bundesbahn, der alles andere als befriedigend ist, herbeigeführt haben, die Bestimmungen des § 4 Abs. 2, die ja dem Bundesfinanzminister nur ein Soll auferlegen, im Rahmen der gesamten Haushaltsgestaltung der Bundesbahn die notwendige Unterstützung für rollendes Material und auch für Modernisierung zu geben.
Ebenso schlimm ist es mit dem § 28, wonach die Bundesbahn nicht in der Lage ist, sich von auferlegten Tarifen oder aus früherer Zeit übernommenen Tarifen, d. h. von den sogenannten Sozialtarifen zu befreien und den Bund zu zwingen, ihr die Differenzen zu vergüten.
Die Freie Demokratische Partei hat in diesen Debatten wiederholt die Forderung vertreten, daß auch die Rechtsform der Bundesbahn geändert wird, damit sie in der Lage ist, kaufmännisch zu arbeiten. Wir haben die Form der Aktiengesellschaft vorgeschlagen. Das ist kein Evangelium für uns; es könnte ebenso eine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts sein. Die Aktiengesellschaft hätte aber zweifelsohne den Vorteil, daß man bis zu einem bestimmten Prozentsatz - sagen wir: 25 % - privates Geld hineinnehmen könnte. Das wäre eine Kombination, die der kaufmännischen Entwicklung der Deutschen Bundesbahn nicht schaden, sondern sie im Gegenteil zu größerer Unabhängigkeit führen würde. Die Deutsche Bundesbahn ringt zur Zeit, wie ich schon ausgeführt habe, um größere Unabhängigkeit vom Staat und damit von ihren gegenwärtigen Aufsichtsorganen.
In diesem Zusammenhang möchte ich ein Mißverständnis, das über die Gedanken der Freien Demokratischen Partei in der letzten Zeit entstanden ist, mit aller Deutlichkeit aufklären. Auch eine andere Rechtsform der Deutschen Bundesbahn soll die Rechte der Beamten, Arbeiter und Angestellten auf jeden Fall wahren. Ich habe in der vorigen Woche vor einer Eisenbahnergewerkschaft gesprochen. Da hat man mir die Frage gestellt: Sind Sie denn überhaupt für die Abschaffung des Beamtenstatus bei der Deutschen
Bundesbahn? Meine Damen und Herren, ich sage ausdrücklich: nein. Aber ich habe mir die Gegenfrage erlaubt und stelle diese Frage auch hier: Sollte man nicht mit dem Begriff Beamter und mit der Übernahme in den Beamtenstand, nicht nur bei der Bundesbahn, aber besonders bei der Bundesbahn, in Zukunft etwas vorsichtiger sein? Der Beamte ist doch Hoheitsträger. Liegt es nicht auch im Interesse der Beamtenschaft selbst, wenn man mit der Übernahme in den Beamtenstand etwas vorsichtiger ist? Ich vermag jedenfalls nicht einzusehen, daß die Sekretärin eines gehobenen Beamten oder ein Kraftfahrer bei der Deutschen Bundesbahn oder bei der Bundespost Beamter sein muß. Diese Frage sollte man sich im Interesse des Beamtenstandes wirklich überlegen.
Die FDP fordert seit Jahren eine Rationalisierung der Deutschen Bundesbahn im Technischen, Organisatorischen und Personellen. Hierzu möchte ich auch ein Wort sagen. Man hat das, was wir für eine lange Entwicklung vorausgesagt haben, sehr übel ausgelegt und hat behauptet, die Freien Demokraten wollten den sofortigen und totalen Abbau von 100 000 Menschen bei der Deutschen Bundesbahn. Meine Damen und Herren, das ist niemals gesagt worden; aber jeder vernünftige Eisenbahner, der in der Verantwortung steht, gibt Ihnen ohne weiteres zu, daß am Ende einer langen Entwicklung und Rationaliiserung auch die Verminderung des Personals stehen muß, eine Feststellung, die übrigens der verstorbene Präsident der Deutschen Bundesbahn, Herr Hilpert, selbst einmal in einer Pressekonferenz zum Ausdruck gebracht hat.
Jetzt hat sich der Vorstand der Deutschen Bundesbahn Gedanken gemacht, wie man dieses Unternehmen wieder in eine erträgliche wirtschaftliche Situation bringen könne. Hierzu muß ich feststellen, daß diese Gedanken insbesondere auch von Vorwürfen hinsichtlich der Unterlassungssünden der Vergangenheit ausgehen, die z. B. darin liegen, daß es der Staat versäumt hat, zu Anfang, als wir mit diesem Instrument wieder starteten, ihm eine entsprechend große Erstausstattung zu geben, die es ihm ermöglicht hätte, schon damals zu rationalisieren und zu modernisieren, um auf diese Weise den schweren Konkurrenzkampf, der ja jetzt nicht mehr auf Grund eines Monopols, sondern gegen alle Ver kehrsträger geführt werden muß, durchzustehen.
Bei einem Vergleich mit den Zahlen anderer europäischer Bahnen werden Sie feststellen, daß die übrigen Regierungen für ihre nationalen Bahnen ein Vielfaches dessen getan haben, was die deutsche Bundesregierung getan hat. Ich möchte schon jetzt zum Ausdruck bringen: die Verzögerung von Verkehrsinvestitionen ist manchmal überhaupt nicht, auf jeden Fall aber sehr schwer wieder aufzuholen. Je später man auf allen Gebieten des Verkehrs investiert, desto höher wird der Preis, um den gesamten Verkehrsapparat in Ordnung zu bringen. Nicht anders ist es bei der Deutschen Bundesbahn.
Die Deutsche Bundesbahn will in den Vorschlägen ihres Vorstandes, die übrigens im großen und ganzen vom Verwaltungsrat gebilligt worden sind, den Weg der absoluten Tarifautonomie gehen. Ich möchte den Standpunkt der FDP dazu sehr deutlich darlegen. Der Verkehrsträger Bundesbahn braucht
in seiner Tarifgestaltung eine wesentlich größere Flexibilität. Darüber ist kein Zweifel. Aber sehr bezweifeln möchten wir, ob es richtig ist, der Deutschen Bundesbahn die Möglichkeit von Geheimabmachungen zu geben. Man kann die deutschen Verhältnisse nicht mit denen im Ausland vergleichen, wo die Frachten des Kraftwagens im allgemeinen nicht geregelt sind. In der Bundesrepublik sind sie geregelt und stehen außerdem unter der Aufsicht der Bundesanstalt für den Güterfernverkehr.
Wenn man den Weg der Tariflockerung gehen will, muß man sich darüber klar sein, daß man eines Tages bei dem Prinzip der absoluten Tariffreiheit überhaupt steht. Ob der deutsche Verkehr das durchsteht, ob es nicht zu einem ruinösen Wettbewerb kommt, ob es dann überhaupt noch möglich ist, die Wirtschaft mit einem intakten zusammenarbeitenden Verkehrsapparat zu bedienen, das ist für mich eine Frage, die schon im voraus entschieden ist.
Der Verkehr hat seine besonderen Gesetze. Wir haben uns seit 1949 zu dem Grundsatz bekannt: auf dem Gebiete des Verkehrs ist eine bestimmte Tarifordnung notwendig. Ich bin aber heute der Auffassung, daß wir einer größeren Flexibilität in der Tarifgestaltung entgegengehen müssen. Sie darf nur nicht zum ruinösen Wettbewerb führen.
Der Vorstand der Deutschen Bundesbahn hat und das sei dankbar anerkannt - unter der Ära Oeftering neue, ich möchte sagen, zumindest evolutionäre Ideen entwickelt. Er will seinen Fernkraftwagenbetrieb aufgeben. Ähnliche Betrachtungen sind über den Straßen-Nahverkehrsbetrieb angestellt worden. Er will gewisse Nebenstrecken stilllegen. Er will die Werkstättenrationalisierung, d. h. auch die Stillegung einer Reihe von Werkstätten durchführen.
Aber berechtigen diese kleinen Ansätze, die der modernen Entwicklung Rechnung tragen und auch, darüber hinausgehend, den Willen zeigen, mit den anderen Verkehrsträgern, insbesondere mit der Straße, zu einer Kooperation zu kommen, zu dem Ausspruch: Wir befinden uns im Ausverkauf der Deutschen Bundesbahn? Man kann nicht gleichzeitig im Verwaltungsrat der Deutschen Bundesbahn sitzen und an einer anderen Stelle Verkehrspolitik vertreten, man kann nicht im Verwaltungsrat der Bundesbahn bei den generellen Beschlüssen den Arm hochheben und wenige Stunden später in der Öffentlichkeit mündlich oder schriftlich erklären: Nunmehr befinden wir uns im Ausverkauf der Deutschen Bundesbahn. Das geht eben nicht.
Ich kann mir daher vorstellen, welch schwere Sorgen die Vorstandsmitglieder haben.
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- Das ist, glaube ich, eine provozierende Frage,
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aber ich will sie gern beantworten. Sie können es nachlesen in der Eisenbahner-Gewerkschaftszeitung.
Herr Brück, ich bin überrascht, daß Sie als Eisenbahner Ihre Fachzeitungen so wenig lesen. Ich lese sie alle.
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Uns kommt es beim Thema Bundesbahn immer wieder auf die Frage an: Ist es möglich, auf einer freiwilligen Ebene zu einer größeren Kooperation insbesondere mit dem Verkehrsträger Straße zu kommen? Wir sind der Meinung, die Zukunft der Deutschen Bundesbahn liegt in erster Linie im Fahren, im Fahren und nochmals im Fahren. Denn eines Tages wird sich eine solche Entscheidung, also das Abstoßen aller Nebenbeschäftigung, auch tarifarisch für die Wirtschaft entsprechend günstig auswirken.
Was die Tarife anlangt, so machen wir der Deutschen Bundesbahn den Vorwurf, daß sie ihre Tarife viel zu spät an die wirklichen Kosten angeglichen hat. Ich schätze den Ausfall, der durch diese Verzögerung verursacht worden ist, auf rund 3 Milliarden DM. Dieser Betrag hätte der Bundesbahn sehr wohlgetan, wenn er ihr für die Rationalisierung aus Eigenem zur Verfügung gestanden hätte.
Mit einem kleinen Seitenhieb auf den Herrn Bundesfamilienminister, den ich gestern schon zitieren konnte, darf ich sagen: die letzte Tariferhöhung sollte ein Mehr von 2 Millionen DM pro Tag bringen. Ich schätze den Ausfall, der durch die künstlichen Verzögerungen infolge ides Einspruchs des Familienministers entstanden ist - durch diesen
3 Einspruch wurden ja nicht nur die Sozialtarife betroffen, sondern durch ihn kam die Tariferhöhung auch viel zu spät -, auf rund 100 bis 120 Millionen DM. Diese Summe müßte eigentlich dem Etat des Familienministers zur Entlastung der Bundesbahn noch mit angerechnet werden.
Lassen Sie mich nun ein Wort über die Situation der deutschen Seeschiffahrt sagen. Wir wissen, wie wir den Aufbau mit dem Wiederaufbau-Darlehensgesetz, mit den 7d-Geldern bewältigt haben. Heute, wo sich die Reedereien im Stadium der Konsolidierung ihrer Verschuldung befinden sollten, wird diese Entwicklung leider außerordentlich gehemmt durch die inzwischen auf dem Weltmarkt eingetretene Frachtenbaisse.
Noch aber bewegt uns stärker die Tatsache, daß die deutsche Seeschiffahrt mehr und mehr in einen schweren Kampf gegen die Flaggendiskriminierung geraten ist. Das kam sehr deutlich auf dem Deutschen Seeschiffahrtstag zum Ausdruck. Das kam ebenso deutlich auf der letzten Sitzung des Seeverkehrs-Beirates zum Ausdruck, wo der Herr Bundesverkehrsminister auf diese Frage ganz besonders hingewiesen hat. Ich möchte noch einmal die alte Forderung an diejenigen wiederholen, die Handelsvertragsverhandlungen führen: Fragen der Seeschiffahrt, Fragen der Dienstleistungen dürfen nicht immer erst am Ende dieser Verhandlungen stehen! Notfalls müssen wir auch einmal den Mut haben, deswegen die Paraphierung oder gar die Ratifizierung in diesem Hause zu verweigern, wenn es nicht gelungen ist, in den Fragen der Seeschifffahrt und der Dienstleistungen eine Gleichberechtigung zu erreichen.
Ich darf nur daran erinnern, daß gegenwärtig z. B. wieder Kreditverhandlungen mit der Türkei laufen. Wir geben aus politischen Gründen große Summen in die Türkei. Wir haben jedoch wieder einmal die Frage der Flaggendiskriminierung, d. h. auch die Frage, welchen Anteil jede Flagge abfahren darf, offengelassen und es den Reedereien überlassen, hierüber irgendwo in der Türkei zu verhandeln. Können wir uns denn, wenn die Verträge abgeschlossen sind, darüber wundern, daß man drüben die kalte Schulter zeigt oder nur zu ganz geringen Konzessionen bereit ist?
Im übrigen glaube ich, daß wir die Situation der deutschen Seereedereien wesentlich verbessern und zur Konsolidierung ihrer wirtschaftlichen Lage außerordentlich beitragen könnten, wenn es sehr bald gelänge, das Entschädigungsgesetz zu verabschieden und damit den Reedereien für ihre schweren Kriegsverluste einen entsprechenden Ausgleich zu gewähren. Das alles könnte dann auf dem Wege der gegenseitigen Verrechnung mit den hergegebenen Krediten zu einer wesentlichen Verbesserung der Situation der deutschen Seeschiffahrt führen.
Wir Freien Demokraten haben auch in jedem Jahr den Versuch unternommen, dem Aufbau der deutschen Passagierschiffahrt eine Unterstützung zu geben. Wir sind so bescheiden, zu sagen: Das Wiederaufbau-Darlehensgesetz ist vorhanden; es wird praktisch nicht mehr gebraucht; lassen Sie uns einen Erweiterungsparagraphen einfügen, der es uns ermöglicht, wenn die Dinge so weit sind, auch von dort aus eine Unterstützung zu geben. Ich habe aber auch noch einen anderen Grund für diesen Antrag, den meine Freunde und ich stellen. Wir möchten nicht gern wieder solche Dinge erleben, wie sie sich um die „Pasteur" beim Norddeutschen Lloyd abgespielt haben. Wir sind sehr froh darüber, daß wieder ein stolzes Passagierschiff unter deutscher Flagge fährt. Das war ja neulich so etwas wie ein Volksfest, als auch die „Bremen" ihre Jungfernfahrt antrat! Was wir aber hier wollen, sind klare haushaltsrechtliche Verhältnisse. Wenn z. B. einmal eine andere große Reederei an uns herantritt, möchte ich sagen: Jawohl, hier ist das Gesetz, hiervon können wir ausgehen.
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- Das wird sich dann zeigen! Wir haben für viele andere Dinge Geld. Die Reeder müssen ja auch etwas aus eigenen Kräften tun.
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Wenn ich richtig unterrichtet bin, hat der Norddeutsche Lloyd auch etwas aus eigener Kraft getan. Aber ganz allein wird es nicht zu schaffen sein.
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- Ja, eben deswegen, meine Herren Zwischenrufer, möchte ich gern eine klare gesetzliche Grundlage haben.
Lassen Sie mich im letzten großen Teil meiner Rede auf die Luftfahrt eingehen. Die Lufthansa hatte
gehofft, nun allmählich aus den roten Zahlen herauszukommen, obgleich, wie Sie wissen oder wie Sie vielleicht gelesen haben, im Jahre 1958 noch ein Betriebszuschuß von 31,5 Millionen DM erforderlich war.
Was bedeutet der. Eintritt in das Zeitalter der Düsenflugzeuge? Ich weiß nicht, ob Sie die Zahlenangaben in den Fachzeitschriften gelesen haben. Man spricht davon, daß die Umstellung der Weltluftfahrt vom Kolbenflugzeug auf das Düsenflugzeug etwa 70, andere behaupten 100 Milliarden DM ausmachen soll. Dieser Betrag verteilt sich etwa im Verhältnis 50 zu 50 auf das eigentliche Fluggeschäft in der Luft und auf die Bodenorganisation.
In dieser Situation ist nun ein Kampf um die Ladung und um die Passagiere ausgebrochen. Die große Gruppe der Luftverkehrsgesellschaften in den Vereinigten Staaten glaubt, die höhere Kapazität nur ausfüllen zu können, wenn sie mit einer entsprechenden Ermäßigung der Preise sowohl für Frachten als auch für Passagiere in Erscheinung tritt. Die europäische Gruppe dagegen ist etwas anderer Meinung. Sie meint, man sollte mindestens die gegenwärtigen Sätze halten, wenn nicht vielleicht sogar eine Erhöhung notwendig sei.
Nachdem es nun zu einem ersten Zusammenschluß von Luftverkehrsgesellschaften in Europa gekommen ist - ich meine jetzt den Zusammenschluß der Swissair mit der SAS , halten wir es für außerordentlich klug, daß sich auch das Bundesverkehrsministerium mit dafür eingesetzt hat, daß es zu einer Einigung auf europäischer Ebene gekommen ist. Wir müssen mit großem Bedauern feststellen, daß es leider nicht gelungen ist - alle Gründe dafür dürften noch nicht bekannt sein -, eine große verkehrstreibende Nation - in diesem Sinne ist sie nämlich groß , die Holländer, in die EUROPAIR hineinzubringen. Wir würden es wirklich außerordentlich begrüßen, wenn das nachträglich so schnell wie möglich noch gelänge.
Die Aufgaben der neuen EUROPAIR liegen ja wesentlich darin, einen entsprechend großen Block gegen den starken Block der Luftverkehrsgesellschaften in den Vereinigten Staaten zu bilden. Nach dem, was in der Offentlichkeit bekanntgegeben worden ist, will die EUROPAIR als Hauptzweck das Ziel verfolgen, in den interkontinentalen Flügen zu kooperieren. Hier haben wir als Europäer - das Wort Europa wird ja so oft im Munde geführt - die Frage zu stellen, was auf dem zunächst einmal wichtigsten Gebiet geschehen soll, nämlich im europäischen Verkehr selbst. Können wir damit rechnen, daß endlich der Dualismus 'und das Neben- und Durcheinander der Flugpläne beendet wird? Wird es zu einem gemeinsamen Flugplan in diesem kleinen Europa kommen? Wird man sich auch über Fragen der Kabotage einigen? Dann hätte nämlich der deutsche und der ausländische Reisende endlich eine Möglichkeit, ohne große Schwierigkeiten und Verzögerungen in Deutschland und in Europa so fliegen zu können, wie es eben von dem Verkehrsträger Luftfahrt erwartet wird.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Deutsche Lufthansa bemerkt, daß sich im Jahre 1958
der Personenverkehr um 45%, der Frachtverkehr um 69 % und der Postverkehr um 37 % erhöht haben. Sie spricht von beträchtlichen Anlaufkosten - das sehen wir selbstverständlich ein -, und es wird dann gesagt, daß die Kostenentwicklung den Erwartungen entsprechend zufriedenstellend verlaufen ist. Aber es heißt dann gleichzeitig - in diesen Aussagen finden wir einen bestimmten Widerspruch -, daß die Einnahmen für 1958 hinter den Erwartungen erheblich zurückgeblieben sind..
Es ist sehr interessant, einmal zu untersuchen, wo denn eigentlich die großen Verluste und die Notwendigkeit von Zauschüssen festzustellen sind. Interessaanterweise zunächst einmal im Südatlantikverkehr mit 28 %.
Ich spreche gerade das Wort „Südatlantik" aus. Verehrter Herr Bundesminister, wann dürfen wir und die deutsche Öffentlichkeit eigentlich auf den endgültigen Bericht über das bedauerliche Unglück in Rio rechnen? Er ist uns versprochen worden. Ich glaube nicht, daß es sehr klar und deutlich geworden ist, wodurch das Unglück letzten Endes entstanden ist. Wir können die Lufthansa nur beglückwünschen, daß sie so gut über die Runden gekommen ist; denn ein Risiko liegt im Flugverkehr wie in jedem Verkehr, das ist nicht zu vermeiden.
Sie erinnern sich der Kleinen Anfrage meiner Fraktion. Wir möchten gern wissen, ob die Unglücksursiache nicht zum Teil auch in den unzulänglichen technischen Einrichtungen in Rio begründet liegt oder ob es menschliches Versagen gewesen ist. Das hätten wir gern einmal gewußt, um zu sehen, wie wir unsere Gedanken über die Luftverkehrspolitik weiterführen kännen.
Meine Damen und Herren, in Deutschland und Europa liegt der Zuschuß bei 33 %. Das zeigt mit aller Deutlichkeit, wie notwendig der Zusammenschluß zu der EUROPAIR gewesen ist. Man sollte nun auch diesen Zusammenschluß dazu benutzen, innerhalb Europas eine vernünftige Zusammenarbeit zustande zu bringen. Unsere Europäer, die laufend nach Brüssel müssen, können z. B. nicht an einem Tage von Frankfurtnach Brüssel und zurück fliegen; das geht heute noch nicht. Das ist nur ein Beispiel für eine ganze Reihe anderer mehr. Wir hören es sehr gern, daß das Bundesverkehrsministerium und die Regierung zum Ausdruck bringen: Wir wollen keine protektionistische Luftverkehrspolitik. Denn wir sind uns insbesondere auch der Einflüsse ,auf die Außen- und Handelspolitik auf diesem Gebiet bewußt. Ich kann zu meiner Freude feststellen, daß sich diese Gedanken durchaus mit den Grundsatzerklärungen der Internationalen Handelskammer decken, die jetzt gerade wieder in Washington hierüber gesprochen hat. Also hin zu einer größeren Liberalisierung des gesamten Luftverkehrs innerhalb der Kooperation überhaupt!
Meine Damen und Herren, sehr entscheidend für die Existenz und für die gute Weiterentwicklung der Deutschen Lufthansa scheint mir zu sein, daß man sich ganz energisch dem Gebiet der Werbung widmet. Für die Werbung selbst gibt es sowohl im Fracht- (als auch im Personenverkehr die sogenannten IATA-Agenten, die die besten Werber für die
Luftfahrt - Fracht und Passage - überhaupt sind. Man sollte diese Vertreter häufiger zu den soge- nannten inauguration flights einladen.
Ich persönlich besitze zwei solcher Agenturen - sowohl Fracht als auch Passage - und bin daher in der Lage, mir aus der Praxis ein Bild davon zu machen und auch zu vergleichen: was machen die anderen Gesellschaften in der Werbung gegenüber der Lufthansa? Ich erinnere an einen Flug, den ich allerdings nicht selbst mitgemacht habe, wo es auf der ganzen Reise hin und zurück nicht möglich gewesen ist, zwischen diesen Werbern - oder nennen wir sie einmal generell Gäste - auf der einen Seite und der Lufthansa und dem Bundesverkehrsministerium auf der anderen Seite zu einem persönlichen Kontakt zu kommen. Ich bedauere das außerordentlich, zumal der Herr Bundesverkehrsminister bei diesem Flug selbst an Bord war. Das können die anderen Gesellschaften offenbar etwas besser. Denn, meine Damen und Herren, die Konkurrenz bei geregelten Preisen im Fracht- und Personenverkehr liegt ja nicht mehr darin, daß man sich in der Luxusverpflegung überbietet.
Der Schwerpunkt der Werbung muß heute auf dem Gebiet liegen, das wir Service nennen. Vor allem, wenn einmal, was nicht zu vermeiden ist, eine Panne eintritt, zeigt sich die Qualität einer Gesellschaft darin, ob sie in der Lage ist, diese Panne durch ihren Service auch in der psychologischen Wirkung auf die Fluggäste zu überwinden. Ich weiß sehr wohl, daß das eine sehr schwierige Frage, insbesondere eine Personalfrage ist. Es ist mir bekannt, wie schwierig es ist, insbesondere für den spät gekommenen deutschen Flugverkehr, das geeignete Bodenpersonal - ich spreche nicht vom fliegenden Personal - zu finden. Hier hat es die Lufthansa gegenüber den anderen Gesellschaften, die schon zehn Jahre und mehr bei uns tätig sind, besonders schwer. Es bedarf einer eingehenden Schulung, durch die das Bodenpersonal auf den Service so eingespielt wird, wie es bei den anderen Gesellschaften der Fall ist.
Zusammenfassend möchte ich zum Thema Luftfahrt sagen: Das Wiedererstehen der Lufthansa war notwendig. Es ging nicht nur um eine Frage des nationalen Prestiges, sondern die Mitwirkung am Luftverkehr ist auch von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung. Alle diejenigen sind heute widerlegt, die in den ersten Jahren, als wir die Lufthansa wieder auf die Beine stellen wolten und als der Bundesverkehrsminister um die Lufthoheit kämpfte, der Meinung waren, wir brauchten keine eigene Luftfahrt, wir sollten das ruhig den ausländischen Flaggen überlassen. Insoweit wünscht die FDP der Lufthansa jeden Erfolg.
Ich darf in diesem Zusammenhang auch ein menschliches Wort sagen. Wir sind sehr glücklich darüber, daß der tüchtige und verantwortungsbewußte Leiter, Herr Bong a r z, nach dem schweren Unglück im vergangenen Jahr vor einigen Tagen wieder seine Arbeit aufnehmen konnte. - Bei einer klugen Zusammenarbeit zwischen Bundesverkehrsministerium, Abteilung Luftfahrt, und der Lufthansa sollte es möglich sein, auch der schwierigen Situation in dem jetzt beginnenden Zeitalter des Düsenluftverkehrs Herr zu werden.
Es ist mir in jedem Jahr ein Bedürfnis, neben den großen Gebieten Bundesbahn und Luftfahrt auf Grund sehr persönlicher Erfahrungen auch die Zentrale für den Fremdenverkehr zu behandeln. Wir von der Freien Demokratischen Partei stellen mit Bedauern fest, daß auch in diesem Jahr wieder nur 5,3 Millionen DM in den Etat eingesetzt worden sind. Ich komme gerade von einer Reise in die Vereinigten Staaten, wo ich mich ein bißchen umgesehen habe, was die anderen nationalen Fremdenverkehrswerbezentralen machen. Eine Nation, die nicht größer ist als die deutsche, gibt 4,5 Millionen allein für die Werbung in den Vereinigten Staaten aus, während bei uns nur 5,3 Millionen DM insgesamt zur Verfügung stehen. Wir wissen, daß ein beträchtlicher Bodensatz für die Zentrale selber zur Verfügung stehen muß, so daß für die eigentliche Werbung draußen nur relativ wenig verbleibt.
Notwendig scheint uns z. B. zu sein - und das ist einer der Punkte, wo sich der Mangel an Mitteln bemerkbar macht -, daß man die Werbung in den Niederlassungen in den einzelnen Ländern mehr individuell betreibt statt zentral. Nichts ist z. B. verkehrter, als einen Werbeprospekt, der für England verfaßt ist, auch in Australien, Südafrika und den Vereinigten Staaten auszugeben. Vielmehr ist dieser Prospekt wahrscheinlich nur einmal, nämlich für England, zu verwenden. Man muß also die Mentalität der Bevölkerung in den einzelnen Ländern berücksichtigen und muß daher auch für Gebiete mit der gleichen Sprache individuelles Werbematerial herstellen. Das kann man aber nur, wenn entsprechende Mittel zur Verfügung stehen.
Sehr kritisch sollte man sein gegenüber gewissen leichtfertigen Äußerungen seitens unserer auswärtigen diplomatischen Vertretungen. Die jahrelange Aufbauarbeit der Zentrale für Fremdenverkehr in New York, das bekanntlich einen Bevölkerungsanteil von mehr als 2,5 Millionen Juden hat, kann durch eine einzige dumme Äußerung eines Angehörigen dieser Behörde vernichtet werden. Das wirkt sich dann auch auf alle Bemühungen aus, die bis dahin unternommen worden sind, um diese Menschen auch dazu zu bekommen, einmal wieder nach Deutschland zurückzukehren, und um gleichzeitig um neue Gruppen zu werben, die Deutschland besuchen. Vielleicht kommt es bei dem Anreiz, den der Besuch Deutschlands bietet, einmal dazu, daß man sagt: Nein, in diesem Jahr fahren wir zuerst nach Deutschland und nicht zuerst nach Paris, - ganz abgesehen davon, daß es wahrscheinlich wesentlich billiger ist, Deutschland zu besuchen als Frankreich. Im allgemeinen ist der gute Wille da: Im Anschluß an Paris fahren wir dann nach Deutschland; aber leider ist inzwischen das Geld dann alle geworden. Sie sehen also an so kleinen Beispielen, wie man psychologisch arbeiten sollte, um den Fremdenverkehr, an dem unser Fremdenverkehrsgewerbe außerordentlich interessiert ist, zu fördern.
Lassen Sie mich mit einigen allgemeinen Betrachtungen zum Schluß kommen. Ich habe neulich sehr gern gelesen, daß der Herr Bundesverkehrs3864
minister in Mannheim gesagt hat, es müsse vor dem Gedanken gewarnt werden, daß die Verkehrspolitik eine Unterabteilung der Wirtschaftspolitik sei. Sie müsse ihre eigenen Wege nach marktwirtschaftlichen Gesetzen und im Hinblick auf das Gemeinwohl gehen. Heute bestehe der Zwang zu großräumigem Denken in den drei Bereichen Bundesrepublik, Europa und Weltweite. Hierbei handele es sich darum, die innerdeutsche Verkehrspolitik mit ihren weltweiten Beziehungen in Einklang zu bringen. Jawohl, Herr Minister, dieser Aussage können wir hundertprozentig zustimmen. Wir fragen uns nur, ob die Verkehrspolitik, wie sie betrieben wird, diesen grundsätzlichen Aussagen überhaupt entspricht.
Ich habe schon vorhin darauf hingewiesen, welche gefährliche Situation dadurch entstanden ist, daß unsere Verkehrsinvestitionen auf allen Gebieten - Bundesbahn, Straßen, Wasserstraßen, Seewasserstraßen - zu spät gekommen sind. Ich frage mich, wie wir die schwierigen Verhandlungen im Rahmen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft überstehen zu können glauben, wenn wir mit diesen Passiva in die Verhandlungen hineingehen. Das allererste ist doch, wenn man in dieser Gemeinschaft bestehen will, daß man mit einem intakten Verkehrsapparat antritt. Unser Verkehrsapparat ist aber leider trotz aller Bemühungen his heute nicht in Ordnung.
Ich könnte wieder von vorn anfangen und darauf hinweisen: auch in diesem Jahr ist die Bundesbahn nicht gesundet, auch in diesem Jahr ist der Straßenverkehr in einem unzulänglichen, ja wie sich über die Wochenenden und besonders zu Pfingsten gezeigt hat, in einem fast katastrophalen Zustand.
Eine ganze Reihe von Ansätzen der Gedanken der FDP schon aus dem Jahre 1949 beginnen sich allmählich zu realisieren. Wir haben uns in unserer Fraktion gefragt: Also gut, wir scheinen auf dem richtigen Wege zu sein - also Annahme des Etats? - Ich kann nur das betonen, was Herr Bleiß am Anfang gesagt hat. Er hat mit aller Deutlichkeit darauf hingewiesen: auch in den letzten drei Jahren hat sich der Etat kaum wesentlich geändert; 1958 waren es etwa 2,5 Milliarden DM, 1959 sind es etwa 2,6 Milliarden DM, also nur runde 55 Millionen DM mehr. Wir glauben nicht, daß damit das erreicht werden kann, was wir für notwendig halten, nämlich nun endlich einmal dem Verkehr die Gleichberechtigung zu geben und gleichzeitig eine Art Wiedergutmachung - das Wort muß ausdrücklich gesagt werden - für die Bundesbahn, für den Straßenbau usw. durch Einflußnahme auf den Herrn Bundesfinanzminister und auf das Kabinett zu erreichen.
Weil das so ist und weil die Freie Demokratische Partei sehr viel zu kritisieren hat und obgleich sie bereit ist, weiterhin positiv konstruktiv mitzuarbeiten, bedauert sie - und läßt das durch mich erklären -, daß sie leider auch in diesem Jahr 1959 dem Verkehrsetat nicht zustimmen kann.
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Das Wort hat der Abgeordnete Eisenmann.
Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Man könnte geteilter Auffassung sein und auch entsprechend der Sachlage der deutschen Verkehrspolitik fragen, ob es zweckmäßig ist, sich heute im Rahmen der Haushaltsdebatte nur auf ein paar Grundsatzbemerkungen zu beschränken, oder ob es nicht vielleicht richtiger wäre. einmal entsprechend der Bedeutung des Verkehrs und der Verkehrspolitik allenthalben in diesem Hohen Hause zu einer echten Generaldebatte über die notwendige Neuordnung unserer Verkehrspolitik zu kommen.
Herr Kollege Rademacher hat bereits für die Freie Demokratische Partei Ausführungen gemacht, und ich erlaube mir , sie hinsichtlich der Straßenverkehrspolitik zu ergänzen. Man könnte die Vorfrage stellen: Haben Sie, meine verehrten Damen und Herren, vor allem Sie, meine verehrten Damen und Herren von den die Regierung tragenden Parteien dieses Hauses, den Eindruck, daß die Dinge in der Verkehrspolitik, speziell sofern es das Problem der Straßenverkehrspolitik betrifft, in Ordnung sind?
Ich darf darauf verweisen, daß Herr Innenminister Dr. Schröder vorgestern gesagt hat, das Parlament und seine Mehrheit würden jeweils das tun, was im Interesse der Regierungspolitik liege. Das heißt also mit anderen Worten: Wenn z. B. auf dem Gebiet der Verkehrspolitik Gutes geleistet worden wäre, dann würden Sie sich das sicher an Ihre Fahnen heften. Aber wenn man den Eindruck haben sollte - und dem ist sicher so -, daß in der Verkehrspolitik, speziell in der Straßenverkehrspolitik, vieles unterlassen worden ist, dann ist es - um mit Minister Dr. Schröder zu sprechen - mit die Unterlassungssünde der Mehrheit dieses Hauses, die ja jederzeit durch Eigeninitiative die Möglichkeit hat, das Wollen vielleicht des Verkehrsministers, vielleicht auch der Regierung so zu unterstützen, wie es nach ihrer Konzeption richtig zu sein scheint.
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- Herr Kollege Conring, wir bleiben auf realpolitischem Boden, und Sie als Mitglied des Haushaltsausschusses müßten sehr wohl wissen, daß Ihrer Konzeption eines fehlt: Es müßte endlich einmal der volkswirtschaftlichen Notwendigkeit nach eine Rangliste der dringlich zu lösenden Staatsaufgaben aufgestellt werden.
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Betrachtet man heute die Haushaltsgebarung, so muß man den Eindruck gewinnen, daß Sie bestimmte Aufgaben willkürlich nebeneinandergestellt haben, Aufgaben, die ihrer Dringlichkeit nach bestimmt verschiedenartig bewertet werden können. Wenn man die Dringlichkeit so sieht, wie verschiedene Mitglieder dieses Hauses und sicher auch Ihrer Fraktion, hoffentlich vor allem die Experten auf dem Verkehrsgebiet, sie sehen, bin ich der Auffassung, daß man sehr wohl mit den Füßen auf dem Boden der Wirklichkeit bleibt, wenn man der Straßenverkehrspolitik endlich die höchste Dringlichkeitsstufe gibt.
Man muß von der dynamischen Entwicklung und Entfaltung des motorisierten Verkehrs ausgehen. Man muß wissen, daß täglich in Deutschland rund 3000 Fahrzeuge neu zugelassen werden und daß rund 7 Millionen Fahrzeuge heute auf den deutschen Straßen laufen. Deutschland ist auf der einen Seite stolz darauf, das Erfinderland des Automobils zu sein. Auf der anderen Seite rangiert es entsprechend dem vorhandenen Verkehrsraum erst an achter Stelle in Europa; nur etwa ein Viertel des jährlich infolge der Neuzulassungen erforderlichen Verkehrsraums wird gebaut. In Würdigung all dieser Umstände muß man wirklich sagen, daß es nötig ist, endlich einmal zu einer Neuordnung der Straßenverkehrspolitik zu kommen.
Ich glaube, es kann auch kein Zweifel darüber bestehen - ich nehme an, daß alle Abgeordnete, die mit vernünftigen Prinzipien an die Lösung des Verkehrsproblems herangehen, mir recht geben werden -, daß die Straße ein entscheidender gemeinwirtschaftlicher Faktor, aber auch ein entscheidender Faktor für die Raumerschließung, die Raumordnung und darüber hinaus für die Standortverbesserung unserer Wirtschaft nicht nur in den Grenz- und grenznahen Gebieten - dort aber besonders -, sondern allgemein für die Wirtschaft ist.
Darüber hinaus ist auf die zunehmende Entwicklung zum Individualverkehr hinzuweisen. Das Problem des Individualverkehrs wird heute immer mehr zu einem gesellschaftspolitischen Problem, und Gott sei Dank ist es das. Wir wissen doch, daß über 40 % der Arbeitnehmer, der Angestellten und Beamten, heute Autobesitzer sind und daß der Besitz eines Autos kein Luxus mehr ist. Die Verkehrsabgaben, die seinerzeit eingeführt wurden, sind heute nicht mehr mit Steuern oder gar mit Luxussteuern zu vergleichen. Ich glaube, es hat sich wohl herumgesprochen, daß man all diesen Dingen irgendwie Rechnung getragen hat.
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- Herr Kollege Conring, man muß auch einmal darüber nachdenken, vor allem in Ihrer Fraktion, ob die angesetzten Mittel einer auf 10 oder 20 Jahre vorausschauenden Planung entsprechen, die die zunehmende Verkehrsdichte berücksichtigt. Wir müssen uns die Frage vorlegen, ob die Planung und die vorgesehene Beschaffung der Mittel einigermaßen der Entwicklung des Verkehrs entsprechen.
In bezug auf die Planung bin ich der Meinung, daß sie nicht ausreichend und vorausschauend genug betrieben worden ist. Machen wir uns doch einmal klar, wie heute in Deutschland die Dinge liegen. Sehr oft hat man den Eindruck, daß man auf den verschiedenen Straßen in Deutschland von einer Baustellenblockade sprechen kann, weil keine Koordinierung zwischen den für die Straßen zuständigen Bundes-, Landes- und den nachgeordneten regionalen Dienststellen vorhanden ist. Man kann vor allem keine sinnvolle Planung der notwendigen Raumerschließung durch Straßen erkennen. Wenn man im norddeutschen Küstenraum wohnt, fragt man sich unwillkürlich, inwieweit es richtig war, die Autobahn z. B. nur bis Berkhof durchzubauen, und warum man das Teilstück von Hannover nach Northeim nicht durchgebaut hat. Es ist zu fragen, warum der Küstenraum Hamburg-Kiel-Lübeck nicht eine entsprechende Nord-Süd-Verbindung bekommt. ich weiß nicht, welche Erklärung uns der Herr Bundesverkehrsminister für diese Art der Konzeption gibt, nach der eine notwendige Nord-Süd-Verbindung nicht durchgeführt wird. Wir freuen uns auf seine Erklärung und hoffen, daß sie einigermaßen konstruktiv ist.
Oder betrachten wir einmal den Küstenraum zwischen Hamburg und der holländischen Küste. Die dort liegenden Hafenstädte haben ebenfalls keine guten Verbindungen zum Ruhrgebiet, zum RheinMain-Gebiet und zum Stuttgarter Raum. Sie wären aber unbedingt notwendig. Auch die vielerorts schon angesprochene Hansalinie und der Weiterbau dieser Linie nach dem Sauerland kommt nicht vorwärts. Wir haben kein Verständnis dafür, daß diese Dinge nicht gemacht werden, die für die deutsche Wirtschaft und speziell für unsere Seehäfen dringend erforderlich wären.
Auf der anderen Seite werden aber die Straße Köln-Aachen und die Strecke nach Antwerpen weiter ausgebaut. Es ist sicher notwendig, daß das getan wird. Wir von der FDP sind nicht gegen den Ausbau. Wir haben aber die Sorge anzumelden, daß es vielleicht im Rahmen der europäischen Verkehrspolitik und der Politik der EWG immer mehr zu einer Verschiebung zugunsten der Rhein-ScheldeHäfen kommen könnte, die sich dann zuungunsten der norddeutschen Häfen auswirken würde. Auch diese Fragen müßten bei den Planungen einmal ganz klar behandelt werden. Vielleicht gibt uns Herr Verkehrsminister Dr. Seebohm hierauf eine vernünftige Antwort.
Notwendig wäre der Ausbau der Strecken in Richtung Saarbrücken und in den Nürnberger Raum hinein. Im Nürnberger Raum haben wir infolge der Unglücksgrenze keine Nord-Süd-Verbindung. Der Anschluß dieses Wirtschaftsraumes an "das RheinMain-Gebiet müßte deshalb rasch hergestellt werden. Diese Dinge gehen aber nur sehr langsam voran. Man verweist immer wieder auf die für den Straßenbau aufgestellten Dringlichkeitsstufen. Für ein solches Vorgehen haben wir kein Verständnis.
Ich möchte jetzt noch ein paar Bemerkungen zu den Planungen im norddeutschen Raum machen. Es wird immer davon gesprochen, daß Schleswig-Holstein eine wichtige Verkehrsfunktion habe; es sei die Verkehrsbrücke nach Skandinavien. Alle Verkehrsminister - auch der Bundesverkehrsminister Dr. Seebohm sagen das. Wenn man aber sieht, wie man dem Lieblingskind - es ist sicher notwendig, daß die Straße ausgebaut wird -, nämlich der Vogelfluglinie, schwerpunktmäßig nachläuft und dabei vergißt, daß man zuvor einmal die Bundesstraße 207 kreuzungsfrei bis nach Großenbrode heranführen sollte, bevor man mit den Bauwerken über Fehmarn-Sund beginnt - wobei man wissen muß, daß in den Pfingsttagen am Süselerkreuz 23 000 Fahrzeuge gestanden haben -, dann hat man in unserem Raum da oben, in dem norddeutschen Raum kein Verständnis dafür, daß man die B 207 nicht zuerst einmal kreuzungsfrei so ausbaut,
wie es zwingenden Verkehrsnotwendigkeiten entspricht. Wenn man auf der anderen Seite die Planung der Europa-Straße 3 kennt und feststellen muß, daß man den Ausbau nicht dort anpackt, wo die Verkehrsdichte am größten ist, nämlich in dem Raum Bad Bramstedt-Hamburg, um zu einer sinnvollen Einfädelung nach Hamburg-Süd zu kommen, hat man auch dafür kein Verständnis.
Ich darf vielleicht die Planungsfragen einmal aus der lokaleren Sicht des Raumes Itzehoe betrachten. Dazu muß ich Ihnen sagen, daß man dort seit dem Jahre 1954 plant und nachdenkt. Infolge der nicht vorhandenen Koordinierung zwischen Bundesverkehrsministerium, Landesstraßenbaubehörden und der regional beauftragten Behörde ist man zwei Jahre der falschen Linienführung nachgelaufen. Man hat dafür die technisch baureifen Pläne vorgelegt. Erst vor einem Jahr hat man gemerkt - durch die Erklärung des Bundesverkehrsministers ist das ja fixiert -, daß man noch die westliche Umgehung zu bauen hat. Aber trotz der Zusage des Bundesverkehrsministers können bis jetzt noch keine technisch baureifen Pläne für das Jahr 1959 vorgelegt werden. Woran das alles liegt, - ich weiß es nicht.
Ein Vertreter des Bundesverkehrsministeriums hat einmal geäußert, es gebe in Deutschland nur zwei oder drei private Ingenieurbüros, die entsprechend ihren Kenntnissen und technischen Fertigkeiten imstande seien, entscheidende Vorleistungen für den deutschen Straßenbau vom Ingenieurstandpunkt her zu bewirken. Diese Ansicht muß auf das schärfste zurückgewiesen werden. Ich bin der Auffassung, wir haben in Deutschland eine ganze Reihe von privatwirtschaftlichen Ingenieurbüros, die, wenn sie den Auftrag bekommen, die Dinge technisch baureif genauso gut leisten können, wie das Ministerium mit seinen Fachbeamten das tun kann. Wir müssen also dringend fordern, meine verehrten Herren vom Verkehrsministerium, daß man der Einschaltung der privaten Ingenieurbüros eine größere Bedeutung beimißt, als man das bisher getan hat, um endlich technisch baureife Pläne vorlegen zu können und bei Bereitstellung der erforderlichen finanziellen Mittel in diesen Fragen endlich einmal voranzukommen.
Herr Kollege Dr. Bleiß hat gesagt, es müsse auch überlegt werden, wie man zu einer Entlastung der Gemeinden kommen könne. Ich gebe Ihnen, meine verehrten Kollegen, völlig recht, der Straßenbau muß endlich einmal unter dem Gesichtspunkt betrachtet werden, daß die Straße eine wirtschaftliche Einheit darstellt. Wir müssen endlich begreifen, daß ein leistungsfähiges Gesamtstraßennetz gebaut werden muß. Der Herr Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung im Oktober 1957 vor diesem Hohen Hause geäußert: Wir haben im 3. Bundestag dafür zu sorgen, daß wir ein in allen seinen Teilen leistungsfähiges Gesamtstraßennetz erhalten. Schön! Wir sind sehr dafür, daß das geschieht. Wir erwarten jetzt nur die Initialzündung, damit das Wort des Bundeskanzlers in die Tat umgesetzt wird. Es ist also die Frage, wie wir zu einer Verbesserung auch der Regionalstraßen kommen können. Es ist die
Frage zu prüfen - der Herr Bundesverkehrsminister hat sie auch einmal angedeutet, und wir würden ihm auf diesem Gebiet durchaus folgen können -, wie man zu einer Heraufstufung eines Teils der Gemeinde- und Kreisstraßen kommen kann, um sie aus der Baulast der unteren, also der kommunalen Träger herauszunehmen. Darüber hinaus sind Insonderheit wir von der FDP der Auffassung, daß man endlich einmal zu einem Straßenbaufinanzierungsverbund kommen muß, um den unteren Baulastträgern durch Zuweisung von Mitteln, durch einen vertikalen Straßenbaufinanzierungsverbund endlich einmal eine echte Entlastung und Hilfe zu bringen.
Sie alle, meine verehrten Damen und Herren, die Sie draußen in den Kommunalvertretungen sind, kennen die Verschuldungslage der Gemeinden. Bei der Behandlung des Etats des Innenministers ist darüber gesprochen worden, daß man den Kommunen endlich einmal die Hilfe geben sollte, die sie heute brauchen. Daß Bund, Länder und Gemeinden gleichrangige Partner in unserem Staatsgebilde sind, ist ein Wort, das entsprechend der Schichtung des Staatsaufbaus eingelöst werden muß. Deshalb sollte man die Gemeinden aber auch an den Verkehrsabgaben insgesamt so partizipieren lassen, daß sie zu einer echten Entlastung kommen können.
Straßenbau, so habe ich vorhin auf die Bemerkung des Herrn Kollegen Conring gesagt, gehört in die erste Dringlichkeitsstufe überhaupt. Wenn wir das so sehen, dann werden wir auch das Problem der Zweckbindung auf der einen Seite und das Problem der Beschaffung von Finanzierungsmitteln auf der anderen Seite ganz anders ansehen können. Ich weiß, es gibt Haushaltspolitiker, die sagen, Straßenverkehrsabgaben seien Steuern. Wenn Sie aber das Kriterium dieser Verkehrsabgaben betrachten, werden Sie mir recht geben müssen, daß es keine Steuern, sondern auf den Straßenbau bezogene Straßenbaubeiträge sind.
({3})
- Wenn das nicht so ist, Herr Kollege, und wenn das neu ist, was ich hier ausspreche, dann wundere ich mich, daß Sie und ein ganzer Teil der Abgeordneten aus den Regierungsfraktionen diesem Gedankengang bisher nicht gefolgt sind. Denn Sie haben doch von 1950 bis einschließlich 1959/60 in Bund und Ländern rund 9 Milliarden DM zweckentfremdet. Wie wollen Sie das dann noch mit der Etatklarheit und mit der Etatwahrheit vereinbaren? Die Etatwahrheit und die Etatklarheit sind ohne Zweifel zwei Elemente der Finanzgebarung. Wenn man Anspruch darauf erhebt, ernst zu nehmender Finanzoder Haushaltspolitiker zu sein, muß man diese beiden Grundsätze auch in dieser Frage endlich einmal beachten.
({4})
- Ich bin gern bereit, mich widerlegen zu lassen, wenn ich nicht recht habe. Aber vielleicht nimmt dazu einmal der sehr verehrte Herr Bundesfinanzminister das Wort.
Wir von der FDP wünschen, daß die Tätigkeit der Höcherl-Kommission segensreich ist und daß sich ihre Bemühungen in dieser Frage so auswirken, wie es hoffentlich auch die Freunde in der CDU/CSU-Fraktion, die im Verkehrsausschuß sind, wünschen. Dann sind wir in der Lösung der Straßenverkehrsprobleme in Deutschland nicht mehr sehr weit auseinander. Das ist das, was die FDP von der HöcherlKommission erhofft. Die Höcherl-Kommission hat gesagt - und eine Bemerkung des Finanzministers hat dies bestätigt -, daß man, wenn die Straßenbaufinanzierung durchgeführt werden soll, zu einer Erhöhung der verschiedenen Verkehrsabgaben - Mineralölsteuer, Abgaben für Vergaserkraftstoff, für Dieselkraftstoff und Kraftfahrzeugsteuer - kommen müsse, um einen Teil der Finanzierung decken zu können.
Damit hat man nämlich bereits das Prinzip anerkannt, daß diese Verkehrsabgaben dem Kriterium nach auf den Straßenbau bezogene Beiträge sind. Wenn der Herr Finanzminister und die HöcherlKommission dem zustimmen, dann, meine verehrten Freunde von der CDU/CSU, ist es nur noch ein kleiner Schritt, daß Sie uns ganz folgen und sagen: Alle Verkehrsabgaben sind echte, zweckbestimmte Straßenbaubeiträge.
({5})
- Nein, Herr Kollege, die Verkehrsabgaben sind dem Sinne nach keine Steuern. Lesen Sie einmal nach, was in den Finanzexposés steht.
({6})
- Herr Kollege Müller-Hermann, hier geht es um das Prinzip, ob es notwendig ist, eine, ich möchte fast sagen, an eine staatliche Willkür grenzende ungerechtfertigte Steuererhöhung für Vergaser- und Dieselkraftstoff und bei der Kraftfahrzeugsteuer einzuführen. Das ist das, wogegen wir von der FDP uns mit allen Mitteln wehren müssen. Denn solange Sie nicht die Zweckbestimmung dieser Verkehrsabgaben durchführen, haben Sie kein moralisch oder irgendwie volkswirtschaftlich und finanziell begründetes Recht, diese Steuererhöhung durchzuführen.
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- Ich bin gern bereit, mich in öffentlichen Diskussionen draußen, wo wir mehr Zeit haben, mit Ihnen über diese Dinge zu unterhalten.
Meine Damen und Herren, eine Bemerkung auch noch zu den Straßenverkehrsverhältnissen und zu dem Problem der Verkehrssicherheit. Herr Kollege Ritzel hat angedeutet, daß man sicher nicht alle Verkehrsunfälle speziell dem Bundesverkehrsminister, dem Verkehrsministerium oder den schlechten Straßenverhältnissen ankreiden könne. Aber wenn die Statistiken richtig sind, muß man immerhin sagen, daß rund zwei Drittel aller Verkehrsunfälle in Deutschland auf schlechte und unzureichende Straßen zurückzuführen sind.
Wenn man die entsetzliche Bilanz kennt, nach der im Jahre 1958 11 665 Menschen durch Verkehrsunfälle getötet wurden und wir in Deutschland alle 42 Minuten einen Verkehrstoten oder 34 Verkehrstote am Tage haben, wenn man ferner weiß, daß als Folgeerscheinung rund 2,3 Milliarden DM volkswirtschaftliche Schäden eintreten, - wagt man dann noch zu sagen, daß der Straßenverkehr nicht unter die Dringlichkeitsstufe Nummer 1 falle? Wenn man darüber hinaus die zunehmende Verkehrsdichte, die sich immer mehr verringernde Flüssigkeit des Verkehrs, die allgemeine Verkehrsgefährdung an den Kreuzungen und im Ortsverkehr und alle diese Dinge kennt und auf der anderen Seite weiß - das ist eine echte Frage an Sie, verehrter Herr Bundesverkehrsminister -, daß der Unfallmeldedienst auf den deutschen Bundesfernstraßen, speziell auf den Bundesautobahnen, nicht so ausgebaut ist, wie es den technischen Möglichkeiten nach sein müßte und wie es notwendig wäre - wir von der FDP würden gern erfahren, warum man z. B. auf dem Autobahnteilabschnitt von Hamburg bis Berkhof längs der neugebauten Autobahn kein Unfallmeldenetz gelegt hat, warum es dort außer den beiden Raststätten keine Unfallmeldestationen gibt -, dann glaube ich, daß das Hohe Haus in dieser Frage Ihnen, Herr Bundesverkehrsminister, nicht folgen kann. Jedenfalls wünschen wir von der FDP, daß dort beschleunigt Unfallmeldestationen mit der zugeordneten Ambulanz, den zugeordneten Kranwagen eingerichtet werden, daß auch längs dieses Autobahnteilstücks endlich ein Unfallmeldedienst gebaut wird, wie er notwendig ist. Ich weiß nicht, ob die Dinge, die ich angeführt habe, sich mit der Verantwortung vertragen, die man gegenüber dem Straßenverkehr und den Menschen, die sich auf den Straßen bewegen, hat.
Ein weiteres Problem in diesem Zusammenhange ist das des Verkehrsunterrichts. Wenn einer der Herren Vertreter der Kultusminister hier wäre, würde ich ihm sagen, daß diese zu prüfen hätten, wie man endlich zum Pflichtfach „Verkehrsunterricht" in den Schulen kommen kann. Ich glaube, es gibt einige Nebenfächer, die durchaus etwas begrenzt werden könnten, damit man eine Stunde Pflicht-Verkehrsunterricht in allen Schulen einführen könnte; denn unsere Kinder sind jeden Tag auf dem Schulweg durch den Verkehr derart gefährdet, daß man auf diese Dinge nicht nur vom Elternhaus, sondern auch vom Erziehungsträger Schule pflichtmäßig hinweisen lassen müßte. In diesem Zusammenhang danken wir all den Organisationen, die, wie ADAC, AvD, Verkehrswacht und all die verkehrstragenden Organisationen, einen Teil der Erziehung auf diesem Gebiet leisten, um die Gefährdung durch den Verkehr herabzumindern.
Ein Wort zu dem Problem der Maße, Längen und Gewichte. Diese Frage ist vorhin von Herrn Dr. Bleiß angeschnitten worden. Herr Kollege Rademacher hat angedeutet, daß gerade die FDP-Fraktion in dieser Frage von Anfang an eine ganz klare Konzeption bewiesen hat. Wir fordern nämlich den 32-t-Zug, 10-t-Antriebsachse, 18 m Länge. Das wird hier wiederholt. Unser Antrag liegt seit Oktober 1957 im Ausschuß, der den Auftrag des Parlaments hat, ihn zu behandeln. Und von der gleichen Fraktion, die am 15. April der Behandlung dieses AnEisenmann
trages zugestimmt hat, wird man höre und
staune - am 22. April gesagt: „Wir wünschen die Behandlung dieses Antrages nicht." Der Parlamentsauftrag wird durch das unglückliche Wahlergebnis vom 15. September 1957 infolge einseitiger Macht-und Mehrheitsverhältnisse bereits in den Ausschüssen zunichte gemacht.
Zum Problem der Maße und Gewichte möchte ich den Bundesverkehrsminister fragen, inwieweit seine Bemerkungen ernst zu nehmen sind, wenn er von der notwendigen Integration des deutschen Verkehrs im Rahmen der europäischen Verkehrspolitik und im Rahmen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft spricht. Es ist doch kein Geheimnis, daß die anderen Länder in Europa das Problem der Maße und Gewichte genauso sehen, wie es die vernünftigen Verkehrspolitiker in diesem Hause sehen, nämlich die 10-t-Treibachse als Voraussetzung entsprechend der notwendigen Straßensicherheit, entsprechend der volkswirtschaftlichen Notwendigkeit und entsprechend den allgemeinen verkehrspolitischen Notwendigkeiten als gegeben anzusehen. Ich weiß nicht, ob dem Herrn Bundesverkehrsminister bekannt ist, daß hier gegen ihn nicht nur die Verkehrssachverständigen, nicht nur die Verkehrsverbände, sondern notwendigerweise auch der Bundeswirtschaftsminister und zwangsläufig auch der Bundesverteidigungsminister stehen müssen. Denn wenn Herr Strauß sich mit seinem Planungsrat „Verkehr und Verteidigung" berät, wird dieser ihm sagen müssen, daß die 10-t-Treibachse, daß das Schwerlastfahrzeug aus taktischen Gründen geradezu notwendig ist, daß man nicht nur bei der Bundeswehr, sondern allgemein in der Wirtschaft dieses Schwerlastfahrzeug mit 10-t-Treibachse und insgesamt 32 t einführen muß. Ich höre gern, daß Sie, Herr Kollege MüllerHermann, und Herr Vehar sich in dieser Frage geeinigt haben. Wir erwarten von Ihnen eine definitive Aussage hierüber vor diesem Hohen Hause. Im übrigen sind wir gern bereit, dem Herrn Bundesverkehrsminister eine goldene Brücke, von mir aus in die Montanunion, zu bauen, wo er dann die europäische Verkehrsintegration durchführen kann, damit wir dieses Problem endlich vom Tisch bekommen.
Wenn man diese Frage so sieht, meine verehrten Damen und Herren, dann kann man, wie wir von der FDP es tun, nur hoffen, daß die deutsche Verkehrsfrage endlich mit Vernunft nach volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten angepackt wird und wir aus der jetzigen konfusen Situation zu einer echten Konzeption kommen, damit die Dinge auch in Deutschland im Interesse der wirtschaftlichen Entwicklung eine sinnvolle Lösung erfahren können.
({8})
Meine Damen und Herren! Ich habe folgende Änderung des heutigen Arbeitsplans des Bundestages bekanntzugeben.
Auf Grund einer interfraktionellen Vereinbarung wird wegen dringender Fraktionssitzungen
({0}) die heutige Sitzung um 13 Uhr beendet. Infolgedessen wird die Reihenfolge der zweiten Beratung der Einzelpläne wie folgt geändert. Nach der Beendigung der Diskussion und nach der Abstimmung über den Einzelplan 12 wird über die Pläne 26, 27, 28, 32, 35 und 40, bei denen keine Debatten zu erwarten sind, abgestimmt und hierauf mit einer kleinen Debatte der Einzelplan 33 angeschlossen. Nach den vorliegenden Wortmeldungen wird dann aller Voraussieht nach der Zeitpunkt 13 Uhr erreicht sein.
Das Wort hat der Abgeordnete Ramms.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, daß ich auch über den dritten Verkehrsträger, und zwar den billigsten, spreche und einige Ausführungen zu dem für seine Zwecke aufgestellten Etat mache.
Grundlage für das Funktionieren des Verkehrs überhaupt sollte die Schaffung gleicher Startbedingungen sein. Diesem Zweck soll das vor einiger Zeit verabschiedete Gesetz über den Kostenvergleich dienen. Nun bezweifle ich allerdings, daß die Schaffung gleicher Startbedingungen überhaupt möglich ist. Die Verkehrsträger unterliegen alle verschiedenen Bedingungen. Man hört draußen immer wieder, daß gerade die Binnenschiffahrt der begünstigste Verkehrsträger sei, da er keine Steuern, vor allen Dingen keine Beförderungssteuer zahle und nichts zur Unterhaltung seiner Verkehrswege, der Wasserstraßen beitrage.
Mit dem Gesetz über den Kostenvergleich war die Möglichkeit gegeben, die Öffentlichkeit einmal darauf hinzuweisen, wieviel die Binnenschiffahrt zur Unterhaltung der Wasserstraßen beiträgt. Aber man hat in dem Fragebogen zu diesem Gesetz die Kanalgebühren und Kanalabgaben, die die Binnenschifffahrt leistet, herausgelassen mit der Begründung, daß ja in den Frachten die Kanalabgaben eingebaut seien. Sicher ist diese Behauptung richtig. Auf der anderen Seite geben Sie aber der Öffentlichkeit ein falsches Bild, wenn Sie die Kanalabgaben aus dieser Statistik herauslassen und somit der Öffentlichkeit nicht zugänglich machen.
Wenn man schon der Schiffahrt Sondervergünstigungen unterstellt, dann soll aber auch andererseits die Bundesbahn so ehrlich sein, zu sagen, welche Vergünstigungen sie selbst hat. Sie wissen, daß die Bundesbahn keine Gewerbesteuer zahlt, während die Schiffahrt die Gewerbesteuer voll tragen muß. Sie wissen, daß die Bundesbahn keine Lohnsteuer, keine Körperschaftsteuer bezahlt und weitgehend vom Lastenausgleich befreit ist. Allen diesen Belastungen unterliegt aber die Binnenschiffahrt sehr stark. Subventionen durch den Bund für den Frachtausfall bei Anwendung von Sondertarifen und Ausnahmetarifen bringen der Bundesbahn weitere Vorteile und der Schiffahrt weitere Nachteile. Die Binnenschiffahrt ist nun einmal kein Haus-Haus-Verkehr. Sie ist auf den gebrochenen Verkehr angewiesen. 80 % unserer Häfen sind Eisenbahnhäfen, und es liegt sehr nahe, daß die Schiffahrt durch die Reglementierung der Nahverkehrsfrachten der Bundesbahn weitgehend aus dem Wettbewerb ausgeDeutscher Bundestag -- 3. Wahlperiode Ramms
schaltet werden kann. Die überproportionale Anhebung der Nahverkehrstarife nach der Tariferhöhung im vergangenen Jahr hat der Schiffahrt weitgehende Ausfälle gebracht. Nur 20% unserer Häfen sind Lkw-Häfen, in denen der Umschlag an Gütern nicht zurückgegangen ist.
Die rücksichtslose Ausnutzung der Monopolstellung der Bundesbahn zwingt die Schiffahrt, ihre eigenen festgesetzten Frachten innerhalb des Bundesgebiets teilweise zu unterbieten, so daß sie manchmal unter den eigenen Selbstkosten liegen. Festfrachten werden im Bundesgebiet nicht eingehalten. Unsere Anfrage ,an den Bundesverkehrsminister vor einiger Zeit hat schon deutlich gemacht, wie und mit welchen Mitteln diese Festfrachten durchbrochen werden. Wir haben den Bundesverkehrsminister gefragt, wie er die Aufrechterhaltung des Frachtenmarktes überhaupt zu regeln gedenkt. Die Antwort ist für uns nicht (befriedigend.
Ich darf Ihnen ein Beispiel sagen. Durch die Mannheimer Akte ist die Binnenschiffahrt auch innerhalb Deutschlands mit der internationalen Konkurrenz verknüpft. Deutsche Firmen - keine Schifffahrtsfirmen - holen sich ausländischen Frachtraum, und in diesem ausländischen Frachtraum werden die gleichen Güter, für die unsere Frachten festgesetzt sind, weit billiger an die Bestimmungsorte gefahren. Die deutschen Firmen stellen aber die Frachtquittungen über den vollen Betrag aus, und da der Finanzminister nicht in der Lage ist, die ausländischen Firmen zu kontrollieren und in ihren Büchern nachsehen zu lassen, ob die Frachten tatsächlich ausgezahlt worden sind, ist es nicht möglich, festzustellen, ob die Festfrachten eingehalten werden.
Wir haben uns einmal zu überlegen, ob für die Ansätze in unserem Etat vielleicht nur politische Gesichtspunkte oder der Gesichtspunkt ausschlaggebend sein soll, daß unsere Verkehrswirtschaft, vor allen Dingen die Binnenschiffahrt, gegenüber dem Ausland, besonders bei Fortschreiten der EWG, konkurrenzfähig bleibt. Unsere Seehäfen werden dadurch benachteiligt, daß der Anschluß von den Seehäfen zum Hinterland über Kanäle geht, während Rotterdam und Antwerpen Anschluß an das Hinterland über den Rhein haben. Der schnellere Ablauf über den Rhein bringt diesen Häfen natürlich Vorteile. Außerdem bringen die nicht gebundenen Frachten aus diesen Seehäfen zum Inland diesen Häfen Vorteile gegenüber unseren Seehäfen. Wir bauen aus politischen Gründen den Moselkamel, planen in unseren Etat aber nicht die Schaffung des Nord-Süd-Kanals ein, um auch Hamburg und Kiel eine schnellere Verbindung und vor allem eine im Tief gang gleichbleibende Verbindung zum Ruhrgebiet und zu unseren Industriegebieten zu geben. Wir sind der Meinung, daß wir hier etwas mehr tun müssen, um unseren Seehäfen die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den ausländischen Häfen zu erhalten.
({0})
Ich habe im Ausschuß darauf hingewiesen, daß die Ansätze für die Einnahmen aus Kanalgebühren zu niedrig gehalten worden sind. Erfreulicherweise hat der Haushaltsausschuß diese Ansätze um 4 Millionen DM auf 43 Millionen DM erhöht.
Ich möchte jetzt noch einige Ausführungen zu dem Tit. 743 machen und Ihnen damit beweisen, wie man überhaupt Beträge falsch ansetzen kann. Der Wesel-Datteln-Kanal ist 1928 gebaut worden, und zwar mit einer Kapazität von rund 4 Millionen t. Im Wesel-Datteln-Kanal sind sechs Schleusen eingebaut. Diese Schleusen sind nicht mehr in der Lage, den Betrieb reibungslos aufrechtzuerhalten, nachdem der Kanal im vergangenen Jahr 11,2 Millionen t hat verfrachten müssen. Jetzt hat man im Tit. 743 2 Millionen DM für die Schaffung einer zweiten Schleuse am Eingang dieses Kanals eingesetzt. Ja, meine Damen und Herren, wenn man diese 2 Millionen DM nicht zunächst einmal für die Schaffung von zweiten Schleusen an dem gesamten Kanal generell, zumindest aber für die drei großen Schleusen Friedrichsfeld, Dorsten und Datteln ansetzt, sind meines Erachtens auch die 2 Millionen DM allein für die Schleuse Friedrichsfeld verkehrt angesetzt. Denn Sie erreichen dann wohl eine Entlastung der Schleuse Friedrichsfeld, dafür aber einen Stau vor den Schleusen Hünxe, Dorsten usw. Wir bekommen dann das gleiche Ergebnis wie beim Straßenbau, wo wir zwar breite Fernstraßen, aber keine Umgehungsstraßen um die Ortschaften bauen, so daß sich der Verkehr in den Ortschaften zwangsläufig staut und dadurch in größerem Umfang Unfallursachen geschaffen werden. Wir müssen also zumindest im nächsten Jahr in diesen Titel weitere Gelder generell für die zweiten Schleusen am Wesel-Datteln-Kanal einsetzen und nicht allein für den Bau der Schleuse Friedrichsfeld.
Ich bin überhaupt der Meinung, daß wir im Bau der Wasserstraßen hinter der Entwicklung herhinken. Wenn ich heute schon weiß, daß für die Großraumschiffe unserer Seehäfen eine Mindestwassertiefe von 12 m nötig ist, dann setze ich keine Mittel in unseren Etat ein, um Wasserstraßen von 10 m Tiefe zu schaffen, die ein Einlaufen von Schiffen bis zu 25-, höchstens vielleicht jedoch 28 000 t gewährleisten. Wir müssen mit dem Anlaufen von 50- und 60 000-t-Schiffen in unseren Häfen rechnen. Richten wir uns nicht darauf ein, so nimmt der jetzt geschaffene bzw. noch in Bau befindliche Europort unseren deutschen Seehäfen diese Schiffe und damit einen großen Teil unseres Umschlags ab.
Herr Minister, es zeugt wohl nicht von besonderer Liebe für die Binnenschiffahrt, wenn man generell die Fahrzeit in der Binnenschiffahrt beschränkt. Hier handelt es sich um eine weitere Benachteiligung der Binnenschiffahrt, vor allem gegenüber der Bundesbahn. Die Binnenschiffahrt ist den Naturgegebenheiten unterworfen. Im Winter gibt es einige Monate Ausfall, bei Nebel ist keine Fahrt möglich. Nur auf dem Rhein werden jetzt die Versuche mit Radar gemacht, um zu erreichen, daß die Schiffahrt dort auch bei Nebel weiterlaufen kann. Die Versuche sind zum großen Teil positiv ausgeschlagen, zum Teil haben sie aber auch zu erheblichen Katastrophen geführt, vor allen Dingen im Gebiet von Emmerich. Aber
man kann ja auf den Kanälen, die schleusenbedingt sind, ohne weiteres den Fortgang der Schiffahrt hemmen. Das ist durch Verordnungen geschehen. Die Fahrzeiten der Schiffahrt sind auf morgens 5 Uhr bis abends 9 Uhr festgesetzt worden. Jetzt am Sommertag könnte die Schiffahrt ohne weiteres bis 11 Uhr fahren, ohne daß eine Gefahr für die Anlagen der Wasserstraßen bzw. für die Schiffahrt selbst dabei entstünde.
Nicht genug mit dieser Fahrzeitbeschränkung. Auf den Kanälen hat man generell das Fahrverbot für die Sonntagsfahrt erlassen. Aber auch damit hat man sich noch nicht begnügt. Es wäre ja möglich, daß vor allen Dingen die Partikulierschiffahrt, die bei ihrem Raumanteil von 43 % immer noch mit der Firmenschiffahrt Schritt zu halten versucht, auch sonntags noch von Schleuse zu Schleuse führe und daß sie dadurch ihren Rang verbessern könnte. Deshalb schließt man einfach die Sperrtore auf den Kanälen und nimmt somit der Schiffahrt jede Möglichkeit, den Umlauf des Schiffsraumes zu erhöhen. Wenn der Umlauf des Schiffsraumes nicht schneller wird, ist damit zwangsweise eine Erhöhung der Frachten verbunden. Diese Frachtenerhöhung hat im Laufe der Zeit das Ergebnis, daß die Schiffahrt - ich erinnere an das, was ich vorher über die Erhöhung der Nahverkehrstarife gesagt habe - im Verhältnis zu den anderen Verkehrsbetrieben nicht mehr konkurrenzfähig bleibt.
Nun können Sie mir, Herr Bundesverkehrsminister, entgegenhalten, daß es ja unsere Konzeption gewesen sei, die Nahverkehrsfrachten so zu legen, daß der LKW den Flächenverkehr, die Bundesbahn aber den Fernverkehr übernimmt. Das ist richtig. Wenn das aber so geschieht, müssen Sie zwischen den Nahverkehrstarifen generell und dein Tarifen für den Zu-und Ablauf von den deutschen Binnenhäfen unterscheiden, damit die deutsche Binnenschiffahrt nicht benachteiligt wird. Hier liegt noch eine Aufgabe des Bundesverkehrsministers, der Sie, Herr Minister, sich besonders annehmen sollten, damit wir zu gleichen Startbedingungen für alle Verkehrsträger kommen und damit Sie vom Stiefvater der Binnenschifffahrt zum tatsächlichen Vater der Binnenschiffahrt werden.
({1})
Ich bin gebeten worden bekanntzugeben, daß die CDU/CSU-Fraktion um 13 Uhr und die Fraktion der DP um 14 Uhr im Anschluß an das Plenum zusammentritt.
Das Wort hat nunmehr der Abgeordnete MüllerHermann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Oppositionsparteien haben zum Verkehrshaushalt ein Großaufgebot an Rednern vorgeschickt. Ich möchte allerdings von mir aus nicht auf alle Detailfragen eingehen, die im Laufe der Debatte bereits angeschnitten sind, sondern mich auf einige Kernfragen beschränken.
Eine Bemerkung zum Thema Seeschiffahrt, das Herr Rademacher angeschnitten hat. Die Koalitionsparteien werden in der dritten Lesung einen Entschließungsantrag einbringen, in dem die Bundesregierung gebeten wird, bei Gewährung von Finanzierungs- und Kredithilfen in Form von Bundeskrediten und unmittelbaren Bundesgarantien durch entsprechende Vereinbarungen sicherzustellen, daß die Vertragspartner für die Beförderung von Gütern im zwischenstaatlichen Handel keine Maßnahmen treffen, welche die Beteiligung der deutschen Flagge ausschließt oder erschwert. Die Fraktionen der Opposition sind freundlichst aufgefordert, sich diesem Antrag anzuschließen, so daß es eine interfraktionelle Entschließung wird.
({0})
Nun als nächstes Thema, dem ich hier doch einige Worte widmen muß, das Thema Straßenbau. Der Straßenbau ist heute ohne jeden Zweifel ein politisches Problem erster Ordnung geworden.
({1})
Herr Kollege Dr. Bleiß hat sich etwas mit der sogenannten Höcherl-Kommission auseinandergesetzt. Aus seinen Ausführungen klang so etwas die Befürchtung heraus, durch die Höcherl-Kommission könnte irgendeine Entscheidung vorweggenommen worden sein, die nur in die Befugnisse des Parlaments fällt. Davon kann gar keine Rede sein. Die Höcherl-Kommission war nichts anderes als eine interne Kommission der Koalitionsparteien, in der mit den zuständigen Ministern gewisse Überlegungen über eine Finanzierung des Straßenbaus angestellt worden sind. Ich glaube, das ist ein Recht, das uns niemand streitig machen kann,
({2})
und daß dadurch die Befugnisse des Parlaments in keiner Weise beschnitten werden.
Herr Ritzel hat hier angeführt, daß aus dem Mineralölsteueraufkommen der Jahre 1950 his 1958 ein Betrag von 3,3 Milliarden DM, wie er es nannte, zweckentfremdet worden sei. Der Kollege Eisenmann sprach von einer Rangliste der dringlich zu lösenden Staatsaufgaben und davon, daß dabei der Straßenbau an besonders hervorragender Stelle zu stehen habe.
Diese beiden Bemerkungen veranlasse n mich zu folgender Feststellung. Sicherlich gibt es eine Rangliste der dringend zu lösenden Staatsaufgaben. Ich möchte die Damen und Herren aus dein Oppositionsparteien fragen, welche Kritik sie wohl an der Bundesregierung und den Koalitionsparteien geübt hätten, wenn in den ersten Jahren des Aufbaus nach der Währungsreform, im Jahre 1949 und in den darauffolgenden Jahren, an der Spitze der Staatsaufgaben der Straßenbau und nicht die Sorge gestanden hätte, wie wir unseren Menschen zunächst einmal ein Dach über dem Kopf schaffen und unsere Grundstoffindustrie in Ordnung bringen.
({3})
Herr Abgeordneter Müller-Hermann, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ja, gern.
Herr Müller-Hermann, sind Sie nicht der Meinung, daß die so spitz formulierte Erwiderung ziemlich nahe an den Begriff „Demagogie" heranreicht? Wir haben niemals gesagt, daß Straßenbau und Verkehr von Anfang an einen Vorrang haben sollten. Was wir wollten - und das wissen Sie ganz genial', denn Sie haben ja mit darum gerungen -, war, den Verkehrsinvestitionen eine stärkere Gleichberechtigung zu geben.
Sehr verehrter Herr Rademacher, wir sind uns völlig klar und wahrscheinlich auch alle einig darüber, daß durch die Notwendigkeit, zunächst andere dringliche Staatsaufgaben anzupacken, beim Straßenbau ein besonders großer Nachholbedarf entstanden ist und daß wir deswegen jetzt, nachdem andere wichtige Aufgaben gelöst worden sind, vor der Aufgabe stehen, das Thema Straßenbau mit aller Energie anzupacken. Dazu sind wir bereit und fest entschlossen.
Herr Abgeordneter Müller-Hermann, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage? - Aber, Herr Abgeordneter Ritzel, ich darf angesichts der vorhergehenden Frage doch darauf aufmerksam machen, daß es sich wirklich nur um Fragen handeln darf.
({0})
Ich habe nicht die Absicht, etwas anderes zu tun, als eine Frage zu stellen. Sie ist sehr einfach und lautet: Herr Kollege Müller-Hermann, sind Sie sich nicht bewußt, daß Sie mit der Verteidigung, die Sie soeben ausübten, Ihre eigenen, von Ihrer Fraktion abgelehnten, viel weitergehenden und mit unserer Planung sich deckenden Absichten verraten?
In keiner Weise, Herr Ritzel. Diese Argumentation ist mir in keiner Weise klar. Wir sind entschlossen, für den Straßenbau erheblich mehr als bisher zu tun, nachdem andere wichtige, dringlichere staatspolitische Aufgaben einer Lösung zugeführt worden sind.
({0})
Sehr verehrter Herr Ritzel, es gibt noch einen zweiten Grund, weswegen wir dem Straßenbau jetzt unsere besondere Aufmerksamkeit zuwenden müssen. Es ist die Tatsache des Motorisierungszuwachses. Ich erlaube mir, dem Hohen Hause zwei Zahlengegenüberstellungen zur Kenntnis zu geben. Der Pkw-Bestand ist von 1952 bis 1958 von 903 000 auf 2 940 000 angewachsen, also um 325 %. Bei der zweiten Zahlengegenüberstellung bitte ich insbesondere die Opposition auf der linken Seite des Hauses, aufmerksam zuzuhören. Der Arbeitnehmeranteil am
Pkw-Besitzstand ist von 88 000 im .Jahre 1952 auf 1 144 700 im Jahre 1958, d. h. in der gleichen Zeit um 1292 % angewachsen. Diese Feststellung rechtfertigt wohl alles andere als das, was oft von seiten der Opposition geschieht, wenn sie von einer sozialen Demontage in Deutschland spricht.
({1})
Ich glaube, wir können diese Zahlen nur mit großer Befriedigung zur Kenntnis nehmen, weil sie zum Ausdruck bringen, daß der Lebensstandard in Deutschland in allen Schichten und ganz besonders auch in der Arbeitnehmerschaft im Laufe der letzten Jahre durch eine kluge Regierungspolitik erheblich anwachsen konnte.
({2})
- Herr Dr. Bleiß, ich komme gleich darauf.
Nun sagen Sie immer, in der Bundesrepublik werde so furchtbar wenig für den Straßenbau getan. Es ist interessant, daß die Bundesrepublik in bezug auf ihre Straßenbauausgaben von allen Ländern der Welt hinter den Vereinigten Staaten an zweiter Stelle steht; an dritter Stelle folgt Kanada.
({3})
Nun die Frage: Was kann und was muß zusätzlich geschehen? Sie wissen, daß uns ein Vierjahresfinanzierungsprogramm in einer Größenordnung von 8 Milliarden DM vorschwebt. Kollege Ritzel ist der Meinung, man sollte ein bis 1975 reichendes Programm aufstellen. Ich bin der Auffassung, Herr Kollege Ritzel, in der technischen Planung kann man so weit gehen, aber in dem Finanzierungsprogramm sollte man sich mehr in überschaubaren Zeiträumen halten, und ich glaube, daß ein Zeitraum von vier Jahren, also von der Länge einer Legislaturperiode, das Richtige ist. Der nächste Bundestag kann dann ein Anschlußprogramm verabschieden, das allerdings - da bin ich mit Ihnen völlig einer Meinung - wesentlich über den Betrag von 8 Milliarden DM hinausgehen muß, wenn die Motorisierung weiter in dem bisherigen Maße zunimmt. Nach unseren Vorstellungen kann dieses Straßenbaufinanzierungsgesetz am 1. Januar 1960 in Kraft treten. Wir sind auch der Meinung, daß wir es vor der deutschen Öffentlichkeit und vor den Kraftfahrern verantworten können, die Benzinsteuer um einen Pfennig und die Dieselkraftstoffsteuer urn 4 Pfennig je Liter anzuheben, wenn die Kraftverkehrswirtschaft und die Kraftwagenbenutzer wissen, daß diese Mittel wirklich effektiv dem Straßenbau und damit letzten Endes ihnen selber zugute kommen.
Der Herr Kollege Ritzel hat über die Gewinnspannen der Mineralölgesellschaften gesprochen, ein sicherlich sehr interessantes Thema. Ich bin nicht geneigt und bereit, mich hier etwa als Verteidiger der Mineralölgesellschaften aufzuspielen. Nur glaube ich, Herr Kollege Ritzel, daß es sicherlich nicht in jeder Beziehung angebracht ist, die
Situation in der Schweiz mit der in der Bundesrepublik zu vergleichen. Ich bin aber davon unterrichtet - und ich glaube, ich darf davon auch hier vor dem Hohen Hause Gebrauch machen -, daß der Herr Bundesfinanzminister die Absicht hat, mit den Mineralölgesellschaften im Laufe der nächsten Wochen sehr ernstes Gespräch über die Frage zu führen, ob nicht zumindest ein Teil der von uns vorgesehenen Steuererhöhungen durch Preisreduzierungen aufgefangen werden kann, damit die zusätzliche Belastung für die Kraftverkehrswirtschaft und den Kraftfahrer nicht zu hoch ist. - Herr Ritzel, Sie haben immer das Wort!
Das Wort darf ich hier erteilen.
Entschuldigen Sie, Herr Präsident.
Ist Ihnen bekannt, Herr Kollege Müller-Hermann, daß beispielsweise an der Schweizer Grenze auf deutschem Boden in Weil am Rhein neuerdings Benzin von der gleichen Qualität wie deutsche Markentreibstoffe mit entsprechender Oktanzahl zum Preis von 51 Pf getankt werden kann und daß sich gegenüber eine Tankstelle befindet, die nach den landesüblichen Preisen in der Zone III den Liter für 63 Pf verkauft?
Herr Ritzel, das ist mir bekannt. Mir ist auch bekannt, daß man z. B. in meiner Vaterstadt Bremen normalerweise das Benzin für 61 oder 62 Pf kauft, daß es aber dort ,einzelne Tankstellen gibt, wo man das Benzin zu wesentlich niedrigeren Preisen erhält. Die Frage, die ich mir stelle, ist, ob es dann nicht auch generell möglich ist, das Benzin zu diesen niedrigeren Preisen zu verkaufen. Aber ich glaube, es ist richtig, wenn wir die Diskussion dieser Frage der Beratung des Herrn Bundesfinanzministers mit den Mineralölgesellschaften überlassen.
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Aber ein anderes Thema muß ich noch einmal kurz behandeln. Auch von den Oppositionsparteien wird immer wieder vorgebracht, die Straßenbaufinanzierung wäre an sich ein Katzenspiel, wenn man sich nur zu der sogenannten Zweckbindung aller vom Kraftverkehr aufgebrachten Steuermittel entschließen könnte. Ich glaube, wir sollten - auch in den Reihen der Oppositionsparteien - dazu übergehen, uns auf den Boden der realen Gegebenheiten zu stellen, d. h. in diesem Fall auf den Boden der Haushaltsmöglichkeiten. Wir helfen uns und wir helfen der Sache nicht weiter, wenn wir uns in den völlig nutzlosen, aber vielleicht sehr populären, manchmal etwas demagogischen Theorienstreit über die Zweckbindung weiter einlassen.
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Wir müssen sicherstellen - und sind dazu bereit -,
daß dem Straßenbau die Mittel zugeführt werden,
die er braucht und die wir im Rahmen unserer gesamten Haushaltsüberlegungen verantworten können.
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Aber das Parlament muß meines Erachtens souverän sein in der Verfügung über die allgemeinen Steuermittel, zu denen auch die vom Kraftverkehr aufgebrachten Steuern gehören, die nicht unter spezielle Abgaben zu rechnen, sondern die eben allgemeine Steuermittel sind.
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Herr Abgeordneter Müller-Hermann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr, Bleiß?
Herr Kollege Müller-Hermann, ist Ihnen nicht bekannt, daß sich der Herr Bundesfinanzminister selbst bereit erklärt hat, die Zweckentfremdung abzubauen?
Dagegen ist ja nichts zu sagen. Der Bundesfinanzminister hat sich entsprechend den Notwendigkeiten und der Haushaltssituation bereit erklärt, die Mittel aus der Mineralölsteuer, die einen Sockelbetrag von 600 Millionen DM übersteigen, dem Straßenbau zuzuführen. Auch die eventuell zusätzlich erhobenen Steuermittel sollen dem Straßenbau zugute kommen. Das ist eine Erklärung, die wir dankbar zur Kenntnis nehmen, eine Sache, die wir mitzumachen bereit sind, die aber nicht ausschließt, daß wir uns als Parlament die Verfügungsgewalt über alle Steuermittel, die dem Bund zufließen, vorbehalten müssen.
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Herr Abgeordneter Müller-Hermann, Sie sind das Ziel vieler Zwischenfragen. Der Herr Kollege Eisenmann möchte Sie auch etwas fragen.
Herr Kollege Müller-Hermann, haben Sie den Eindruck, daß das Wort des Bundesfinanzministers, man wolle nur den Sockelbetrag von 600 Millionen DM abzweigen, bereits bei den Haushaltsansätzen 1959/1960 zutrifft?
Herr Kollege Eisenmann, ich sagte Ihnen ja, daß das Straßenbaufinanzierungsgesetz am 1. Januar 1960 in Kraft treten soll und daß die Erklärung des Bundesfinanzministers für den Zeitraum gilt, in dem dieses Gesetz wirksam wird. Wenn der Herr Bundesfinanzminister oder die allgemeine Haushaltssituation es uns ermöglichen sollte, diesen Sockelbetrag von 600 Millionen DM vielleicht im Laufe von weiteren Jahren abzubauen, werden wir das dankbar begrüßen und jederzeit mitmachen. Aber ich glaube, wir dürfen nicht nur den Straßenbau sehen, sondern wir müssen die allgemeine Haushaltssituation immer im Auge behalten.
Eine weitere Frage, über die auch von den Oppositionsparteien gesprochen worden ist und die naturgemäß uns ebenfalls sehr stark beschäftigt, ist: Wie können wir die Gemeinden, die schwächeren Baulastträger, entlasten? Es besteht in diesem Hause völlige Einmütigkeit in der Feststellung, daß die Gemeinden mit ihren Straßenbauproblemen zweifellos allein nicht mehr fertig werden können. Aber wir können ja an dem Grundgesetz nichts ändern. Ich glaube nicht, daß sich eine Mehrheit dafür findet, die Aufgabenteilung, die das Grundgesetz vorsieht, zu ändern. Im Grunde ist das Ganze eine Frage des Finanzausgleichs zwischen Bund, Ländern und Gemeinden.
Wir sind aber bereit, im Rahmen unserer Möglichkeiten den Gemeinden eine zusätzliche Hilfe mit möglichst großer Wirksamkeit und zu einem möglichst frühen Zeitpunkt dadurch zu gewähren, daß wir folgende vier verschiedene Maßnahmen durchzusetzen gewillt sind.
Erstens ist daran gedacht, eine Aufstockung der Baulast dahin gehend vorzunehmen, daß der Bund mit 100 Millionen DM für die Instandsetzung von Straßen belastet wird, die aus der Zuständigkeit der Länder in die des Bundes übergehen.
Wir erwarten allerdings - das muß eine Absprache mit den Länderministern exgeben -, daß die einzelnen Länder in der gleichen Größenordnung, in der sie von Straßenbaulasten entlastet werden, durch die Übernahme von Straßen aus der Kreis- bzw. Gemeindeebene diese Entlastung weitergeben, so daß diese 100 Millionen DM, die der Bund für diesen Zweck einsetzt, in vollem Umfang den Gemeinden zugute kommen.
Ein zweiter Gesichtspunkt! Wir wollen eine größere Hilfestellung bei den Ortsdurchfahrten bewilligen. Bisher waren Mittel des Bundes für die Ortsdurchfahrten bei Gemeinden bis zu 9000 Einwohnern vorgesehen. Wir wollen das auf Gemeinden bis zu 50 000 Einwohnern, in Einzelfällen bis zu 100 000 ausdehnen und im übrigen diese Mittel, die bisher ein Drittel der Kosten ausmachten, auf die Hälfte erhöhen. Auch das wird eine wesentliche Entlastung für eine Reihe von Gemeinden bedeuten.
Auch die folgende Frage wird noch Gegenstand von ernsten Gesprächen und Verhandlungen der Bundesregierung und den Länderregierungen sein. Wir sind der Auffassung, daß eine gewisse Anhebung der Kraftfahrzeugsteuer für Schwerstfahrzeuge, für Lastkraftwagen zu vertreten sein könnte, unter der Voraussetzung, daß diese Mittel auch dem Straßenbau zugute kommen.
Nun haben wir als Bund und als Bundestag zwar die Möglichkeit, zu sagen, wir führen die zusätzlichen Steuereinnahmen bei der Mineralölsteuer dem Straßenbau zu; wir haben aber keine Verfügungsgewalt über die Mittel, die den Ländern über die Kraftfahrzeugsteuer zufließen.
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Ich muß aber hier ausdrücklich an die Adresse der
Länder feststellen, daß es keinen anderen Anlaß
für eine eventuelle Anhebung der Kraftfahrzeugsteuer gibt als den, daß den Ländern bzw. den Gemeinden erhöhte Mittel für den Straßenbau zugeführt werden sollen.
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Das heißt: wenn wir in diesen Besprechungen zwischen Bundesregierung und Ländern von den Ländern keine eindeutige Zusage bekommen, daß die Mittel diesem Zweck zugeführt werden, müssen wir uns als Bundestag naturgemäß überlegen, ob wir eine solche Steuererhöhung angesichts der Situation in der Wirtschaft verantworten können. Darüber müssen sich die Länderregierungen völlig im klaren sein.
Wir hoffen, daß es in den Besprechungen gelingt - damit komme ich zum dritten und vierten Punkt -, diese zusätzlichen Einnahmen aus der Kraftfahrzeugsteuer und zumindest einen Teil des Mehraufkommens aus der Kraftfahrzeugsteuer, der sich aus dem Motorisierungszuwachs ergibt, den Gemeinden zuzuführen.
Ich glaube also, daß uns niemand den Vorwurf machen kann, daß wir uns nicht ernsthaft um die Sorgen der Gemeinden bemühen. Aber auch hier müssen wir im Rahmen der Haushaltsgegebenheiten und der Verfassungsgegebenheiten bleiben. Wir sind aber bereit, alle weiteren Vorschläge zu prüfen, die den Gemeinden eine wirksame Entlastung geben können.
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Wenn wir in diesem Rahmen von gewissen Steueranhebungen sprechen, ist das ein sehr ernstes Problem; das ist völlig klar. Wir müssen prüfen, ob das in jeder Beziehung zu verkraften ist. Ich denke an drei Punkte, die noch sorgfältig in den Ausschüssen überlegt werden müssen. Einmal sind die Auswirkungen auf die sogenannten revierfernen Gebiete - die also besonders weite Transportwege haben - zu bedenken. Wir beabsichtigen im Kreise unserer Fraktion, dem Thema, wie man auf verkehrspolitischem Gebiet die Interessen der revierfernen Gebiete wahren kann, in einem besonderen Ausschuß besondere Aufmerksamkeit zu widmen.
Zweiter Problemkreis: die öffentlichen Verkehrsbetriebe. Wir sind mit dem Herrn Bundesfinanzminister zu einer Übereinstimmung darüber gekommen, daß bei einer Anhebung der Kraftfahrzeugsteuer die Omnibusse herausgehalten werden, die dem Personenverkehr in den Gemeinden dienen, um den öffentlichen Verkehrsbetrieben keine unzumutbare Belastung zuzumuten. Es wird auch für die öffentlichen Verkehrsbetriebe nicht ganz leicht sein, die Anhebung der Dieselkraftstoffsteuer zu verkraften. Auch hierüber werden noch Gespräche geführt werden. Wir müssen unter allen Umständen verhindern, daß die Anhebung der Dieselkraftstoffsteuer zum Anlaß oder zum Vorwand genommen wird, eine Tarifanhebung im öffentlichen Nahverkehr in Gang zu setzen.
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Der dritte Problemkreis wird noch eine gewisse Auseinandersetzung mit dem Bundesfinanzminister bedingen. Es handelt sich dabei um die stationären
Motoren, die auf den Dieselkraftstoff angewiesen sind. Die Steuererhöhung soll dem Straßenbau dienen. Es scheint mir eine völlig unzumutbare Angelegenheit zu sein, diese Belastung auch demjenigen Teil der Wirtschaft und Industrie aufzuerlegen, der auf Dieselkraftstoff angewiesen ist, aber mit den damit betriebenen Motoren nicht die Straßen benutzt. Hier muß zumindest eine Rückvergütung gewährt werden. Das gilt insbesondere für die Textilindustrie. Sie darf durch solche Steuererhöhungen nicht belastet werden.
Ein weiteres Thema, das von den Oppositionsparteien mit besonderer Wollust, möchte ich beinahe sagen - immer wieder aufgegriffen wird, ist die leidige Frage der Abmessungen und der Gewichte. Mir wird es immer ganz schwach, wenn ich von diesem Thema etwas höre;
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wir diskutieren es jetzt seit drei oder vier Jahren. Ich war seinerzeit der Übeltäter, der dieses Thema durch einen Antrag zur Diskussion gestellt hat, der sich auf die überschweren Fahrzeuge mit 40 t bezog. Der Bundestag hatte dieses Gesamtgewicht in der ersten Legislaturperiode noch gutgeheißen. Nach meinem Antrag sollte davon abgegangen und zu den internationalen Maßen, d. h. zu einem Fahrzeug mit einem Gesamtgewicht von 32 t, übergegangen werden. Ich glaube, es ist hier nicht der richtige Platz, über dieses Thema jetzt im Detail zu sprechen.
In den Reihen meiner Fraktion besteht, obwohl wir einen offiziellen Beschluß nicht gefaßt haben, völlige Übereinstimmung darüber, daß die sogenannte Verordnung aus dem Jahre 1956 unter keinen Umständen aufrechterhalten werden soll. Ich muß in diesem Zusammenhang Herrn Dr. Bleiß korrigieren. An den Besprechungen der sogenannten Höcherl-Kommission hat Herr General Schnez nicht ein einziges Mal teilgenommen. Die Überlegungen des Verteidigungsministeriums spielten hier nicht die entscheidende Rolle.
Wir müssen dieses Thema endlich einmal zu einem Abschluß bringen. Es hat seit Jahren eine ständige Beunruhigung in alle Kreise hineingetragen, die sich mit Verkehrsproblemen beschäftigt haben.
Hier möchte ich ein spezielles Wort an den Herrn Kollegen Dr. Bleiß richten. Die Opposition - durch den Mund ihres Sprechers Herrn Dr. Bleiß - tritt immer gern mit der These vor die Öffentlichkeit - ich muß sagen, diese These ist eigentlich raffiniert durchdacht -: „Wir wollen ein Fahrzeug mit 20 t Nutzlast". Auf der anderen Seite verkünden Sie: „Dieses Fahrzeug darf aber ein Gesamtgewicht von 26 oder vielleicht auch 28 t nicht überschreiten". Diese beiden Thesen werden je nachdem, wo Sie gerade sprechen, ausgewechselt. Vor den Eisenbahnern verwenden Sie diese These, vor den kommunalen Spitzenverbänden und den Vertretern des Güterkraftverkehrs jene. Das ist sicher populär; aber, meine Freunde von der SPD, das ist nicht sehr realistisch und nicht bis zu Ende gedacht. Ich möchte beinahe meinen, das Spiel, das Sie, Herr Dr. Bleiß, treiben, ist etwas doppelzüngig.
Herr Dr. Bleiß, Sie möchten eine Zwischenfrage stellen?
Wenn Sie nichts dagegen haben, ist sie genehmigt.
Bitte sehr!
Herr Kollege Müller-Hermann, ist Ihnen nicht bekannt, daß eine Reihe von Konstruktionsplänen vorliegt, aus denen deutlich ersichtbar ist, daß man für 20 t Nettolast nicht 32 t Gesamtlast braucht, sondern daß man - nach den neuen Konstruktionen - mit sehr viel weniger auskommt? Übersehen Sie diese Zusammenhänge nicht?
Herr Dr. Bleiß, das Idealfahrzeug, von dem Sie in Ihren Diskussionen sprechen, existiert auf jeden Fall nicht; Sie operieren da mit einer 20-t-Nutzlast bei einem Gesamtgewicht von 26 t.
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- Das zeugt mindestens von einer größeren Elastizität, um dieses Wort zu gebrauchen, das heute überall im Schwange ist.
Meine Damen und Herren, ich möchte empfehlen, daß wir dieses Thema heute nicht vertiefen. Über eines scheint mir Klarheit zu bestehen: wir müssen das Problem der technischen Abmessungen in einem größeren, übernationalen Rahmen sehen.
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Wir können unserer Kraftverkehrswirtschaft sicherlich nicht zumuten, daß sie schlechter gestellt ist als ihre so hartnäckige Konkurrenz in den übrigen EWG-Partnerstaaten.
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Auf jeden Fall sind wir entschlossen, um einen Schlußstrich unter dieses Thema zu ziehen, sobald wie möglich eine Entscheidung herbeizuführen, notfalls auch über eine Initiative des Parlaments.
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- Ich sagte: notfalls auch über eine Initiative des Parlaments. Ich glaube, das gibt die Situation deutlich genug wider. Wir sind allerdings entschlossen
- und Sie werden sicherlich zugeben, daß das richtig ist, Herr Dr. Bleiß -, uns zunächst auch mit den Länderregierungen zu verständigen, weil der Bundesrat ein Mitspracherecht in dieser Materie hat; daß er ein ausschließliches Entscheidungsrecht besitzt, bestreite ich. Unser Recht, in dieser Frage initiativ zu werden und eine Entscheidung herbeizuführen, kann uns weder der Bundesrat noch eine sonstige Instanz streitig machen.
Das letzte Thema, auf das ich eingehen will, betrifft die Sanierung der Bundesbahn. Die Sprecher
der Opposition haben zuweilen anklingen lassen, der Bund habe für die Bundesbahn kein Herz und habe nichts für sie getan. Vielleicht genügt zum Beweis des Gegenteils eine einzige Zahl. Vom Bund sind der Bundesbahn in den Jahren 1952 bis 1959 insgesamt 6,2 Milliarden DM zugeführt worden; ich glaube, daß diese Zahl für sich spricht.
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Im Februar vergangenen Jahres wurde auf die Initiative unserer Fraktion durch einen einstimmigen Beschluß dieses Hohen Hauses die Bundesregierung gebeten, eine besondere Kommission einzusetzen, die die Situation der Bundesbahn prüfen und dem Parlament konkrete Vorschläge darüber machen soll, wie die Bundesbahn wieder auf eine gesunde Grundlage gestellt werden kann. Wir erwarten von dieser Kommission keine neuen theoretisierenden Gutachten, sondern konkrete Vorschläge dazu, was geschehen kann und muß. Wir sollten dem Ergebnis dieses Gutachtens nicht vorgreifen, sondern die Kommission nur ersuchen, ihre Arbeiten so schnell wie möglich zu einem Abschluß zu bringen.
Mich erfüllt dabei eine Sorge, und ich spreche sie insbesondere an die Adresse der Bundesregierung aus: Wir müssen - das ist, glaube ich, die Meinung unserer ganzen Fraktion - die Voraussetzungen für die Gesundung der Bundesbahn noch im Laufe dieser Legislaturperiode schaffen. Wenn das Gutachten der Kommission etwa im Oktober oder November dieses Jahres vorgelegt würde und dann erst noch langwierige Ressortbesprechungen der verschiedenen Ministerien folgten, die noch einmal ein halbes oder dreiviertel Jahr in Anspruch nähmen, sähe ich allerdings schwarz dafür, daß die nötigen gesetzgeberischen Maßnahmen - und es werden eine ganze Reihe sein - noch in dieser Legislaturperiode ergriffen werden können. Die Regelung dieses ganzen Fragenkomplexes würde dann um weitere drei oder vier Jahre hinausgeschoben werden. Das scheint mir im Interesse der Bundesbahn einfach nicht vertretbar zu sein. Ich möchte daher die Bundesregierung bitten, parallel mit den Arbeiten der Kommission interne Besprechungen zu führen, damit nach Abschluß der Arbeiten der Kommission so schnell wie möglich die nötigen gesetzgeberischen Vorlagen an das Parlament herangebracht werden können. Ich muß mir vorbehalten, daß, wenn das nicht geschieht, das Parlament von sich aus eine Initiative ergreifen wird, um den Gang der Dinge zu beschleunigen.
Herr Kollege Rademacher, Sie haben hier heftige Kritik an einer Reihe von Gesetzen geübt, die der Bundesbahn ihre Bewegungsfreiheit einengen und es ihr nicht ermöglichen, nach kaufmännischen Gesichtspunkten zu operieren. Wenn ich mich richtig erinnere, sind alle wesentlichen verkehrspolitischen Gesetze - Binnenschiffahrtsgesetz, Bundesbahngesetz, Güterkraftverkehrsgesetz - von diesem Hohen Hause in einer Ara behandelt und verabschiedet worden, in der ein gewisser Abgeordneter Rademacher von der FDP den Gang der Dinge maßgeblich bestimmt hat; denn er war Vorsitzender des Verkehrspolitischen Ausschusses.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte, Herr Kollege Rademacher.
Herr Kollege Müller-Hermann, ich weiß natürlich sehr genau, daß man nicht alles hören kann, was ein Diskussionsredner sagt. Aber vielleicht erinnern Sie sich doch noch, daß ich diesmal mit Rücksicht auf eine eventuell beabsichtigte Geschichtsklitterei mit großer Deutlichkeit gesagt habe: Wir hatten in der ersten Lesung ein Statut für die Deutsche Bundesbahn fertig, das wesentlich besser war als das, welches nachher verabschiedet wurde. Über die Gründe dafür können wir uns gelegentlich mal unterhalten. Dazu wäre nämlich sehr viel zu sagen. Es ging im wesentlichen um die Funktionen.
({0})
Ich frage Sie, ob Sie als Kenner der Materie das nicht genauso gut wissen wie ich.
Nun, schließlich und endlich kam noch ein Fragezeichen hin an das lange statement.
Ja, Herr Rademacher, so einfach liegen die Dinge nicht. Ich würde die Antwort - oder auch Ihre Stellungnahme - etwas anders und konkreter formulieren, daß nämlich auch bei Ihnen selbst, in Ihren Reihen gewisse neue Einsichten gewachsen sind, die zeigen, daß die Entscheidungen, die in der ersten Legislaturperiode gefällt worden sind, den strukturellen Veränderungen im Bereich des Verkehrs einfach nicht gerecht geworden sind. Daraus müssen wir gewisse Konsequenzen im Interesse der Bundesbahn ziehen.
Man hat vor einigen Jahren lange Zeit, insbesondere von der Seite der Bundesbahn, gesagt: Wir brauchen mehr Verkehr, um unsere Finanzen in Ordnung zu bringen. Heute wird ein anderes Schlagwort gebraucht, das meines Erachtens einen sehr unangenehmen und unerfreulichen Beigeschmack hat, das Wort von dem sogenannten Gesundschrumpfen. Ich halte beide Thesen für falsch. Wichtig ist, daß die Bundesbahn den ihr gemäßen Verkehr bewältigt und daß sie die Voraussetzungen dafür erhält. Auch für die anderen Verkehrsträger gilt, daß sie den ihnen gemäßen Verkehr bewältigen müssen. Eine solche Ordnung des Verkehrsmarktes ist meines Erachtens nur über eine vernünftige Preisregulierung möglich, aber nicht durch dirigistische Maßnahmen, indem von hoher Hand bestimmt wird: Du darfst zu diesem Preis das fahren und der andere zu jenem Preis jenes. Wie wir dieses System einer gesunden Tarifelastizität finden, das scheint mir das Kardinalproblem zu sein, an dem die Gesundung der Bundesbahn hängt. Dafür werden wir die gesetzgeberischen Voraussetzungen schaffern müssen.
Allerdings werden wir dabei auch zwei Überlegungen berücksichtigen müssen. Erstens: Werden bei einer solchen Tarifelastizität auch die Belange unserer verkehrsfernen und revierfernen Gebiete ange3876
messen berücksichtigt? Und zum zweiten: Wie wird ein ruinöser Wettbewerb der Verkehrsträger verhindert? Ich glaube, daß sich für die Regelung gerade dieser beiden sehr wichtigen volkswirtschaftlichen Probleme eine Lösung etwa ähnlich der amerikanischen Lösung mit einer Interstate Commerce Commission anbietet, einer unabhängigen Instanz, die gewisse Grundsätze für die Bildung der Tarife aufstellt und die Innehaltung dieser Grundsätze überwacht. Die Verkehrsträger müßten eine Pflicht zur Veröffentlichung oder mindestens zur Meldung ihrer Tarife haben, damit kontrolliert werden kann - Herr Kollege Rademacher, was Sie vorhin genannt haben -, daß sich Geheim- oder Sonderabmachungen nicht in einem Rahmen bewegen, der einen ruinösen Wettbewerb heraufbeschwören muß, dem letzten Endes alle Verkehrsträger unterliegen würden.
Ich möchte das Kapitel „Bundesbahn" nicht abschließen, ohne von dieser Stelle aus ausdrücklich ein Wort der Anerkennung auszusprechen an das Personal der Bundesbahn und insbesondere an die Leitung der Bundesbahn und den Präsidenten der Bundesbahn Oeftering. Was im Laufe der letzten Jahre von seiten der Bundesbahn durch eigene Anstrengung geschehen ist, um den Betrieb zu modernisieren und zu rationalisieren, das sollte von uns nicht unterschätzt, sondern in vollem Umfange anerkannt und respektiert werden. Auf dem Gebiete der Elektrifizierung, der Verbesserung des Fernreiseverkehrs, der Stellwerke, der Bahnhöfe usw. ist durch eigene Anstrengungen der Bundesbahn Wesentliches geleistet worden. Insbesondere muß anerkannt werden, daß die Führung der Bundesbahn sich in ihrem verkehrspolitischen Denken wesentlich umgestellt hat auf die strukturellen Veränderungen und bereit ist, ihrerseits die nötigen Konsequenzen daraus zu ziehen.
In diesem Zusammenhang ein Wort auch an die Adresse meiner eigenen Kollegen. Meine Damen und Herren, wenn die Bundesbahn modernisiert und rationalisiert, dann ist das naturgemäß verbunden - denn das ist ja der Zweck dieser Modernisierungs- und Rationalisierungsmaßnahmen - mit gewissen personellen Einschränkungen und Einsparungen und auch mit einer gewissen Reduzierung mancher Nebenbetriebe der Bahn, die nicht unbedingt von der Bahn und nicht in diesem Umtang aufrechterhalten zu werden brauchen. Das ist ja der Sinn der Rationalisierung und Modernisierung. Ich glaube aber, daß gerade angesichts der konjunkturpolitischen Situation solche personellen Einsparungen - mein Kollege Brück wird darauf noch kurz zu sprechen kommen - durchaus möglich sind, ohne daß damit irgendwelche sozialen Härten verbunden zu sein brauchen. Es geht nicht an, daß, wenn die Bundesbahn aus eigenen sorgfältigen Überlegungen dazu kommt, daß gewisse Betriebe, Ausbesserungswerke, Anlagen eingestellt oder abgebaut werden sollen, ihr immer aus Wahlkreisüberlegungen Schwierigkeiten bei der Durchsetzung genau der Forderungen bereitet werden, die dieses Hohe Haus immer wieder an die Bundesbahn stellt.
({0})
Ich habe mit diesen Ausführungen, glaube ich, auf die Argumente, die von der Opposition vorgebracht worden sind, genügend geantwortet und auch einem Umriß von den Vorstellungen gegeben, die wir von einer neuen verkehrspolitischen Konzeption haben, wie sie der Herr Bundesfinanzminister Etzel in seiner Haushaltsrede bereits angekündigt hat. Ich bin der festen Überzeugung, daß wir bei allseitigem gutem Willen die Bundesbahn in kurzer Zeit zu einem gesunden, wirtschaftlich arbeitenden Unternehmen umwandeln werden und daß wir auch die anderen großen Ziele, die angesichts der verkehrspolitischen Situation angestrebt werden müssen, bei einer klugen, vernünftigen, aber auch mit den gegebenen Möglichkeiten in Einklang befindlichen Politik ansteuern und erreichen können.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Brück.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte um Verständnis dafür, daß ich mich auch noch zu kurzen Darlegungen zum Wort melde.
Herr Kollege Rademacher hat mich soeben auf einen Zwischenruf angesprochen und gesagt, anscheinend läse ich die Fachzeitschriften nicht genügend. Herr Kollege Rademacher, dazu möchte ich Ihnen eingangs folgendes sagen. Nicht nur weil ich die Fachzeitschriften lese, sondern weil ich auch horche, welche Gespräche daneben geführt werden, habe ich mich heute zum Wort gemeldet. Gerade das, was man nebenher spricht, was nicht in den Fachzeitschriften zum Ausdruck gebracht wird, hat unter dem Personal der Deutschen Bundesbahn erhebliche Unruhe hervorgerufen. Herr Kollege Rademacher, Sie haben von der Stimmung des Personals der Deutschen Bundesbahn, jener 500 000 Menschen, gesprochen. Gestatten Sie mir daher, daß auch ich etwas dazu sage, nicht um in irgendeiner Form pro domo zu reden, sondern um Ihnen allen, meine Damen und Herren, eine gewisse Unterlage zu vermitteln, die bei der kommenden Diskussion eine Rolle spielt.
Auch heute morgen fiel hier das Wort: Die Deutsche Bundesbahn hat 100 000 Mann Personal zuviel. Man hört auch das Wort: Das Personal der Deutschen Bundesbahn ist zu hoch bezahlt, und ihre Dienstposten sind nicht richtig bewertet. Man hört drittens da und dort das Wort: Der Beamtenstatus des Personals der Deutschen Bundesbahn ist im jetzigen Umfang nicht notwendig. So könnte man. noch eine Reihe von Thesen aufzählen, die man da und dort hört, teils aus ehrlichem Herzen, teils mit dem Beigeschmack des nicht immer guten Wollens. Gestatten Sie mir, meine Damen und Herren, daß ich zu diesen drei Thesen kurz einige Ausführungen mache. Wenn ich dabei einige Zahlen benutzen muß, bitte ich um Ihr Verständnis; sie sollen dazu beitragen, objektiv und sachlich jedem ein einwandfreies Bild zu ermöglichen, so daß sich jeder sein eigenes Urteil bilden kann.
Gegen Ende des Jahres 1958 setzte sich das Personal der Deutschen Bundesbahn, einschließlich des Saarlandes, folgendermaßen zusammen:
Beamte 244 237 Personen = 46,1 %
Angestellte
und Ärzte 2 288 Personen = 0,4 %
Arbeiter 261 949 Personen = 49,4 %
508 474 Personen
hierzu Nachwuchskräfte 21 360 Personen = 4,1 %
zusammen 529 834 Personen = 100 %
Gegenwärtig sind bei der Deutschen Bundesbahn, einschließlich des Saarlandes, 22 645 Schwerbeschädigte und 23 428 Leichtbeschädigte beschäftigt. Insgesamt sind also 46 073 Menschen beschäftigt das sind ungefähr 10 % des gesamten Personals -, die nicht voll einsatzfähig sind.
Der Beamtenkörper, der in der Diskussion ja immer erwähnt wird, hat folgende Zusammensetzung:
Höherer Dienst ({0}) 2 094 Personen = 0,9 01e
Gehobener Dienst ({1}) 2.2 977 Personen = 9,4 %
Mittlerer Dienst ({2}) 100 724 Personen = 41,2 %
Einfacher Dienst ({3}) 87 264 Personen = 35,7 %
mit der Verzahnung ({4}) 31 178 Personen = 12,8 %
= 118 442 = 48,5 %
244 237 Personen = 100
Der höhere Dienst - er wird als Kriterium auch da und dort angesprochen - ,setzt sich wie folgt zusammen:
B 11 ({5}) 4
B 8 ({6}) 6
B 6 ({7}) 17
B 5 ({8}) 9
A 16 ({9}) 141
A 15 ({10}) 134
A 14 ({11}) 840
A 13 ({12}) 943
In diesem Zusammenhang ist interessant, daß von der Anstellung als Bundesbahnassessor bis zur Ernennung zum Bundesbahnoberrat im Durchschnitt 20 Jahre vergehen. Derzeit müssen die Räte 17 bis 18 Jahre warten, bis sie Oberräte werden.
Zur Personalverminderung möchte ich Ihnen folgendes sagen. Mein Kollege Müller-Hermann hat dieses Thema soeben schon angesprochen. Personalverminderungen können selbstverständlich nur im Zuge einer stärkeren Technisierung oder aber durch einen echten Aufgabenabbau vorgenommen werden. Im Zuge der Verdieselung und der Elektrifizierung konnten schon und können noch erhebliche Personaleinsparungen erreicht werden. In rund 12 Monaten, von April 1958 bis April 1959, sind durch die verschiedensten Maßnahmen insgesamt rund 18 500 Menschen eingespart worden.
Zur Einführung der 45-Stunden-Woche darf ich in diesem Zusammenhang einmal folgendes feststellen. Natürlich hat ihre Einführung personelle
Auswirkungen gehabt. Herr Kollege Rademacher, hierfür hat man immerhin rund 15 000 Menschen benötigt, die man sonst natürlich auch hätte einsparen können.
Nun hat Herr Kollege Rademacher soeben die von Herrn Dr. Hilpert seinerzeit genannten 100 000 Mann angesprochen. Herr Kollege Rademacher, der Herr Dr. Hilpert hat das Wort vom Einsparen von 100 000 Menschen des öfteren benutzt. Er hat aber immer dazugesagt - und das scheint mir wichtig zu sein -: Das ist selbstverständlich möglich, wenn ich die hierfür erforderlichen Investitionsmittel zur Modernisierung und Technisierung habe. Das war doch die Voraussetzung dessen, was Herr Dr. Hilpert gesagt hat. Ich bin auch dabeigewesen, als er diese Dinge ansprach. Wenn wir Herrn Dr. Hilpert interpretieren, muß auch voll und ganz wiedergegeben werden, was er gesagt hat. Leider können wir ihn nicht mehr dazu hören.
Nun zu der These, das Personal sei zu gut bezahlt, die Bewertung der Dienstposten sei zu hoch. Das hört man auch da und dort, Herr Kollege Rademacher; ich darf dazu folgendes erklären.
Die Dienstpostenbewertung bei der Deutschen Bundesbahn kann wohl als mustergültig bezeichnet werden. Es wäre zu wünschen, daß bei allen Verwaltungen nach jenen strengen Prinzipien verfahren wird, wie das bei der Bundesbahn geschieht. Genauso wie bestimmte Tätigkeitsmerkmale bei der Bewertung des Dienstpostens entscheidend sind, so wird auch die Dienststellenbewertung auf Grund von Schlüsselzahlen bzw. Wertpunkten vorgenommen.
Bei der Deutschen Bundesbahn bestehen zur Zeit folgende Dienststellen:
1. Hauptdienststellen: H 13 ({13}) 14
I A ({14}) 141
I a ({15}) 535
I b ({16}) 1354
II ({17}) 1117
III ({18}) 840 4 001
Nebendienststellen: III ({19}) 912
IV ({20}) 889 1 801
5 802
2. Von den vierzehn H-13-Dienststellen sind
4 Personenbahnhöfe
2 Rangierbahnhöfe
3 Güterabfertigungen
3 größere Spezialwerkstätten
2 Bundesbahnbetriebswerke
Als Beispiele für die Kopfzahlen nenne ich:
Bf Frankfurt ({21}) Hpbf rd. 1 100
Bf München Hbf rd. 1 200
Bf Nürnberg Pbf rd. 1 300
Ga Köln-Gereon rd. 800
Bw Nürnberg Hbf rd. 1 150
Bw Stuttgart rd. 1 100
Diese Personalzahlen sollen nur einen Anhalt für die Größe der betreffenden Dienststelle vermitteln. Um Mißverständnissen vorzubeugen, sei jedoch besonders betont, daß für die Bewertung der Dienststellen in erster Linie deren Leistungen, ihre Anlagen und örtlichen Verhältnisse und nur in letzter Linie deren Personalstand maßgebend sind, auf dessen Höhe der Dienststellenleiter im übrigen kaum Einfluß hat.
In diesem Zusammenhang ein Wort zur Bezahlung bzw. Besoldung des Personals. 0,53 % der Arbeiter verdienen bis zu 300 DM im Monat, 76,77% der Arbeiter zwischen 301 und 460 DM im Monat, 21,28 % der Arbeiter zwischen 461 und 560 DM im Monat und 1,42% der Arbeiter über 561 DM im Monat.
Das durchschnittliche Monatsbruttoeinkommen der Beamtenschaft sieht folgendermaßen aus: einfacher Dienst A 1 bis A 4 459,50 DM, mittlerer Dienst A 5 bis A 8 554,- DM, gehobener Dienst A 9 bis A 12 835,33 DM, höherer Dienst 1333,67 DM. Als Berechnungsmerkmal für die Besoldung ist jeweils die Mittelstufe der Besoldungsgruppe, Ortsklasse A, verheiratet, 1 Kind im Alter von 6 bis 14 Jahren, angenommen.
In diesem Zusammenhang muß auch erwähnt werden, daß ein Teil der Beamten auf höher bewerteten Dienstposten seit Jahr und Tag ihre Pflicht verrichten, ohne daß dieser Dienstposten mit der entsprechenden Planstelle versehen worden ist. Hier spricht man auch von dem sogenannten Stellenpuffer.
Der 2. Deutsche Bundestag hat am 28. Juni 1957 in der 217. Sitzung folgende Entschließung angenommen: Die Bundesregierung möge sicherstellen, daß bei der Deutschen Bundesbahn und bei der Deutschen Bundespost die Stellenpläne den tatsächlich vorhandenen Dienstposten möglichst angeglichen werden.
Der Stellenpuffer betrug im Jahre 1957, noch vor dieser Entschließung, 15,93 % und ist dann im Jahre 1958 auf 13,17 % gesenkt worden. Meiner Ansicht nach muß hier im Laufe der Zeit noch etwas geschehen, und wir werden uns demnächst mit dieser Frage noch einmal in irgendeiner Form beschäftigen müssen.
Die dritte These lautete: Der Beamtenstatus bei der Deutschen Bundesbahn ist nicht notwendig. Ich muß dazu mit allem Nachdruck einige grundsätzliche Bemerkungen machen. Gestatten Sie mir, daß ich in dem Zusammenhang auf den § 4 des Bundesbeamtengesetzes hinweise. Er hat folgenden Wortlaut:
Die Berufung in das Beamtenverhältnis ist nur zulässig zur Wahrnehmung
1. hoheitsrechtlicher Aufgaben oder
2. solcher Aufgaben, die aus Gründen der Sicherung des Staates oder des öffentlichen Lebens nicht ausschließlich Personen übertragen werden dürfen, die in einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis stehen.
Hier scheint mir das Schwergewicht bei dem Begriff der Sicherung des öffentlichen Lebens zu liegen.
Wenn wir einmal gerade zu diesem Thema in der Geschichte nachblättern - wie wir überhaupt in der Geschichte nachblättern sollten, um aus der Vergangenheit zu lernen, die Zukunft zu gestalten -, so stellen wir fest, daß nach dem Bau von Eisenbahnen recht bald - zunächst bei den Privatbahnen, dann bei den Staatsbahnen und schließlich bei der Reichsbahn - der Beamtenstatus eingeführt worden ist. Sicher hat das seine guten Gründe. Dieses Unternehmen Bundesbahn als Massenbeförderungsmittel soll doch letzten Endes zu allen Zeiten funktionieren, nicht nur dann, wenn die Straßen vereist und die Flüsse und Kanäle zugefroren sind, sondern auch zu einer Zeit, wo vielleicht durch irgendeinen Umstand ein anderer „schwerer Seegang" in unserem Lande in Erscheinung tritt.
Herr Kollege Rademacher, Sie haben heute morgen das Beispiel mit den Sekretärinnen gebraucht. Ich weiß nicht, ob Sie mit den Sekretärinnen irgendwie schlechte Erfahrungen gemacht haben. Sie haben auch die Kraftfahrer angesprochen. Ja, Herr Kollege Rademacher, ich wurde aus folgendem Grund bei Ihnen hellhörig. Sie haben heute morgen eine Veranstaltung angesprochen. Da haben Sie das Wort vom „sozialen Übermut" gebraucht. Sie haben ja gesagt: Bitte, das nicht in die Presse! Herr Kollege Rademacher, deshalb bin ich Ihnen gegenüber mißtrauisch. Ich habe die Fachzeitschriften auch gelesen. Ich habe in diesen Fachzeitschriften auch gesehen, daß Ihre und Ihrer Partei Äußerungen dort nicht gut weggekommen sind. Dafür kann aber nicht ich, das haben Sie sich schließlich selbst zuzuschreiben.
Gerade in diesem Zusammenhang möchte ich auf etwas aufmerksam machen, was sich vor rund 35 Jahren abgespielt hat, also zu jener Zeit, als die Reichsbahn vergesellschaftet wurde. Auch damals hat dieses Ringen um die Entbeamtung eine maßgebliche Rolle gespielt. Gestatten Sie mir, Herr Präsident, daß ich hier einige Sätze aus jener Zeit vorlese, die sich in dem Buch „Hundert Jahre deutsche Eisenbahner" finden. Es heißt dort:
Es erschien ihnen
- gemeint sind die damaligen Siegermächte -„absolument impossible", daß eine nach privatwirtschaftlichen Grundsätzen zu verwaltende Gesellschaft ihre Aufgaben zum großen Teil durch Beamte wahrnehmen lassen sollte, die, wenn überhaupt, nur unter Einhaltung starrer Regeln und Formen von ihren Dienstposten entfernt werden konnten. Mit großer Hartnäckigkeit vertraten sie den Standpunkt, daß bei Beibehaltung des Beamtentums „eine Wirtschaftlichkeit und Rentabilität auf Grund höchster kaufmännischer und technischer Vervollkommnung" sich nicht erzielen lassen würde. Es gelang den deutschen Unterhändlern in London schließlich aber doch, den entgegengesetzten Standpunkt der deutschen Regierung durchzusetzen und die Vertreter der Gläubigerstaaten davon zu überzeugen, daß es weder vom Standpunkt der Öffentlichkeit noch von dem der künftigen Gesellschaft tragbar
war, auf die Vorteile zu verzichten, die ein gesicherter Beamtenstand für ein Unternehmen bedeutete, das in viel weiterem Umfang als reine Erwerbsgesellschaften öffentliche Befugnisse auszuüben und öffentlichen Interessen zu dienen hatte.
So möchte ich auch Sie, meine Damen und Herren, bitten, sich, bevor die Diskussionen hierüber erfolgen, Gedanken darüber zu machen, was wir tun sollen. Schließlich hat einzig und allein dieses Hohe Haus darüber zu befinden, wie der Status des größten Unternehmens Europas demnächst aussehen wird. Ich möchte Sie bitten, sich während der kommenden Wochen doch auch diese Zahlen einmal anzusehen, damit Sie dann darüber befinden können, was im Letzten für uns alle gut ist.
({22})
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Verkehr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Darf ich am Anfang meiner Erwiderungen auf die Darlegungen der verehrten Herren Kollegen den herzlichen Dank an die beiden Herren Berichterstatter, Herrn Ritzel und Herrn Dr. Conring, aussprechen, die sich, wie in den letzten Jahren, mit sehr viel Mühe diesem schwierigen Haushalt des Verkehrswesens gewidmet und uns mit ihrem Rat und ihrer Hilfe viel Unterstützung gegeben haben.
Ich darf dann vielleicht zunächst einen kleinen Exkurs machen. Vor wenigen Tagen habe ich in Paris mit meinen Kollegen von den europäischen Verkehrsministerien zusammengesessen und habe mir von ihnen erzählen lassen, welche Bemerkungen und welche Besorgnisse bei ihren Haushaltsdebatten hochgekommen sind. Ich habe dabei feststellen können - wir konnten das beim Austausch unserer Erfahrungen gegenseitig tun -, daß das, was wir heute auch hier gehört haben, in allen Nachbarländern eine gleich große und gleich wesentliche Rolle spielt und daß wir uns daher nicht in einer besonderen Verkehrssituation in Deutschland, sondern, wenn Sie wollen, in Europa, ja sogar in der ganzen Welt befinden, einer einheitlichen Situation also, die zeigt, daß sich strukturelle Veränderungen, die durch technische und wirtschaftliche Entwicklungen hervorgerufen werden, eben sehr nachdrücklich auf die verkehrspolitischen Voraussetzungen auswirken. Das kann vielleicht eine gewisse Beruhigung sein. Daraus ergibt sich aber auch die Notwendigkeit, diesen Problemen auf breiterer und höherer Ebene die entsprechende Aufmerksamkeit zuzuwenden.
Zunächst einmal muß ich dem verehrten Herrn Kollegen Dr. Bleiß wegen seiner polemischen Ansprache ein kleines Privatissimum lesen. Ich muß ihn doch bitten, die Zeitungen in Zukunft nicht so flüchtig zu lesen. Der Deutsche Straßentag fand am 26. Mai in Hannover statt, die Tagung unserer Gesellschaft für Raketenforschung und Weltraumfahrt am 8. Mai in München. Es wäre mir also deshalb durchaus möglich gewesen, am 26. Mai in Hannover zu sein.
Am 26. Mai habe ich an der Einweihung der elektrifizierten Reststrecke Regensburg-Passau des großen Streckennetzes zwischen Wien und dem Ruhrgebiet teilgenommen, und zwar deshalb, weil ich schon lange vorher, bevor ich noch wußte, wann der Deutsche Straßentag angesetzt werden würde - das habe ich mit Herrn Professor Strickrodt auch sehr eingehend besprochen -, meinen verehrten Kollegen Waldbrunner nach Regensburg und Passau eingeladen hatte. Selbstverständlich durfte ich dann als Gastgeber nicht fehlen. Das haben auch die Herren der Deutschen Straßenliga durchaus gewußt und durchaus gewürdigt. Ihre Bemerkungen, verehrter Herr Kollege Dr. Bleiß, wären also völlig überflüssig gewesen, wenn Sie nur freundlicherweise in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung", in der diese Kombinationen angestellt worden sind, auf die Daten geachtet hätten!
Nun zu der Frage „Mondfahrt als Lebensaufgabe"! Das ist eine journalistische Überschrift. Solch ein Wort habe ich niemals gesagt, sondern ich habe gesagt - und das ist meine volle Überzeugung -, daß die Beschäftigung mit den Problemen der Weltraumfahrt für eine Nation, die industriell auf der Höhe bleiben will und die sich die industriellen Fortschritte für alle ihre vielfältigen Fertigungen zunutze machen will, absolut notwendig ist. Sie werden daraus erkennen, welche Tendenz in meinen Ausführungen lag. Ich habe darauf hingewiesen, daß die Bundesrepublik eigenständig in diesen Fragen nichts entscheidend zu tun vermag, daß sie aber selbstverständlich mitarbeiten soll, um die großen Erkenntnisse dieser vor uns liegenden Entwicklung für ihre industrielle Produktion, für die Behandlung der Materialien und für eine Menge von anderen Problemen auszuwerten, die sich aus der Entwicklung der Weltraumraketen ergeben. Ich sagte auch, es sei notwendig, daß wir uns in die Forschungsarbeiten in und über diesen kosmischen Raum einschalten.
Die Weltraumfahrt hat der amerikanischen Industrie im vorigen Jahre ein Auftragsvolumen von 4 Milliarden Dollar gegeben, und hierbei haben, genau wie bei der Entwicklung des Automobils und bei der Entwicklung des Flugzeuges, sehr wesentliche Impulse in der Fertigung, in der Materialbehandlung und bei der Lösung anderer wichtiger Probleme auf die anderen Industriezweige ausgestrahlt. Ich glaube, es ist berechtigt, in Deutschland darauf hinzuweisen, daß wir uns von einer solchen Entwicklung ebensowenig ausschließen können, wie wir uns etwa von einer Entwicklung in der Luftfahrt, einer Entwicklung im Schiffsbau, einer Entwicklung im Bau elektrischer Lokomotiven oder von Automobilen nicht ausschließen können und dürfen. Das ist ein durchaus berechtigtes Anliegen, das hier einmal zum Ausdruck kommen sollte. Leider wirkt sich gerade bei solchen neuen Entwicklungen die Sensationslust unheilvoll aus und überdeckt die Realitäten. So hat sich auch dieser Bericht in der Zeitung, dessen Inhalt durchaus gut war, durch eine sensationelle Überschrift über das Sachliche hinaus negativ ausgewirkt.
Herr Kollege Bleiß, Sie haben dann eine Reihe von Fragen gestellt; ich möchte einige davon beantworten:
In bezug auf die Gemeinwirtschaftlichkeit der Bundesbahn darf ich auf die Regierungserklärung von 1957 verweisen, wo ausdrücklich gesagt ist, daß an dieser Gemeinwirtschaftlichkeit grundsätzlich festgehalten wird. Ich habe bisher keine Richtlinien der Politik durch den Herrn Bundeskanzler erhalten, die sich von diesem Grundsatz entfernt hätten.
De Lösung der Probleme, die sich bei der Sanierung der Bundesbahn ergeben, haben ihre Formung durch die von dem Hohen Hause eingesetzte Kornmission bekommen. Wir sind mit dieser Prüfungskommission selbstverständlich in Kontakt. Wir tun auch das, was der Herr Kollege Müller-Hermann angeregt hat: wir bemühen uns nämlich, die sich abzeichnenden Ergebnisse, die dort erarbeitet werden, schon vorher mit in unsere Überlegungen einzubeziehen. Aber wir müssen doch darauf hinweisen, daß wir endgültig mit den Arbeiten in Verfolg der Ratschläge der Prüfungskommission erst dann beginnen können, wenn ihr Bericht vorliegt. Wir müssen ihn ja auch aus Achtung von dem Hohen Hause abwarten.
Nach unserem Wunsch sollte die Prüfungskommission ihr Gutachten bis zum Juli erstatten. Wir haben noch einmal dringend gebeten, das Gutachten zum Anfang des Herbstes vorzulegen. Eine Anzahl von vorbereitenden Arbeiten laufen aber schon bei uns, um nach Möglichkeit zu erreichen, daß die Ergebnisse der Arbeit der Prüfungskommission noch in dieser Legislaturperiode voll ausgewertet werden können.
In diesem Zusammenhang darf ich darauf hinweisen, daß wir die Probleme der Bundesbahn natürlich auch schon zwischenzeitlich behandeln und uns sehr eingehend mit den Vorschlägen des Bundesbahnvorstands befassen. Übrigens sind diese Vorschläge auf besonderes Einwirken des Herrn Bundesministers der Finanzen und meinerseits vom Bundesbahnvorstand gemacht worden. Gleichzeitig haben wir darauf hingewirkt, daß auch der Verwaltungsrat der Deutschen Bundesbahn zu den Problemen, die zu untersuchen der Bundestag der Prüfungskommission aufgegeben hatte, sowie zu den Vorschlägen des Bundesbahnvorstands grundsätzlich Stellung genommen hat.
Das ist also alles in der Zwischenzeit geschehen, und wir verfügen über ein reiches Material, mit dem wir uns nach Vorliegen des Berichts der Prüfungskommission auseinandersetzen können. Einzelne Probleme wie z. B. die Neuformung des Kreuzungsgesetzes und andere Fragen sind so weit erarbeitet, daß sie sofort nach Vorlage des Berichts - wenn ihre Inhalte den vorzuschlagenden Lösungen nicht widerstreiten - in die parlamentarische Behandlung gegeben werden können.
Weiter möchte ich zu dieser Frage auf eine Bemerkung des Herrn Kollegen Rademacher eingehen, der die Rede des Herrn Bundeskanzlers in Köln apostrophiert hat. Dazu darf ich folgendes sagen: Ich glaube, daß die Rede des Herrn Bundeskanzlers in Köln, insbesondere soweit sie ein Lob für die Bundesbahn enthielt, unser aller Zustimmung finden sollte. Meine Zustimmung hat sie jedenfalls in dieser und anderer Beziehung voll gefunden.
Die Deutsche Bundesbahn hat in den letzten 10 Jahren 14 1/2 Milliarden DM für Investitionen und Erneuerungen aufgewendet, also im Durchschnitt über 1 1/2 Milliarden DM im Jahr, und zwar steigend von 1 Milliarde DM auf 2,2 Milliarden DM im Jahre 1958, so daß die Investitionsquote für einen späteren gleichen Zeitabschnitt noch wesentlich höher sein wird.
Dieser Investitionsquote sind die Leistungen des Bundes für die Bundesbahn in der gleichen Zeit gegenüberzustellen. Sie betragen 6,3 Milliarden DM. Aus der Tatsache, daß auch einiges Fremdkapital aufgenommen worden ist - teils von den Ländern, teils in der letzten Zeit auch vom Kapitalmarkt -, für das aber die Bundesbahn Amortisation und Verzinsung aufbringen muß, ergibt sich, daß sie tatsächlich aus eigener Kraft Erstaunliches geleistet hat. Dafür insbesondere den vielen Bediensteten der Bundesbahn auch hier Dank und Anerkennung zu sagen, ist mir durchaus eine ernste innere Verpflichtung. Ich meine, daß man dabei gerade auch das berücksichtigen sollte, was der Herr Kollege Brück Ihnen zuletzt vorgetragen hat.
An die Probleme der Gemeinwirtschaftlichkeit, der Tarifbindung und der Stellung der Mitarbeiter zu diesem großen Unternehmen sollte man wirklich nur vorsichtig herangehen, weil gerade hier innere Bindungen vorliegen und man diese Verhältnisse notwendigerweise erst dann zerreißen sollte, wenn die Folgen sehr eingehend geprüft wurden.
Ich persönlich stimme Herrn Kollegen Brück völlig darin zu, daß gerade der Beamtenstand der Bundesbahn dem deutschen Volk in den 40 Jahren seit der Beendigung des ersten Weltkriegs so viel an Vorteilen gebracht hat, daß man daran wirklich nicht aus Mutwillen rütteln sollte. Man sollte sich dabei vielmehr überlegen, ob man nicht der Bundesbahn, wie sie es auch selbst vorgeschlagen hat, durch Abnahme eines bestimmten Teils der Pensionslasten auf den allgemeinen Haushalt - nämlich jener Pensionslasten, die über die Verpflichtungen hinausgehen, die sie wie ein normales wirtschaftliches Unternehmen zu tragen hätte - die Voraussetzungen dafür schaffen könnte, daß sie ihre eigenwirtschaftlichen Gedankengänge stärker als bisher in den Vordergrund stellen kann. Ich möchte also unterstreichen, was der Kollege Brück zu diesen Fragen ausgeführt hat, und erklären, daß ich mit ihm da weitgehend übereinstimme.
Ich bin auch sehr dankbar für die Bemerkung des Kollegen Müller-Hermann, daß das Problem der Tariffreiheit mindestens durch zwei ganz wesentliche Elemente belastet ist, nämlich einmal durch die Rücksicht auf die revierfernen Gebiete - hier möchte ich hinzufügen: vor allem auf die durch die Zonengrenzziehung ganz besonders betroffenen Gebiete - und zweitens durch den Umstand, daß wir eine vernichtende Konkurrenz im gesamten Verkehrsgewerbe nicht gebrauchen können, weil daBundesminister Dr.-Ing. Seebohm
durch volkswirtschaftliche Werte im großen Umfang zerstört werden würden.
Der Herr Kollege Rademacher hat auf die Entstehungsgeschichte des Bundesbahngesetzes hingewiesen. Ich erinnere mich sehr genau daran. Ich möchte das hier nicht vertiefen. Aber ich darf ihn vielleicht an die Situation erinnern, die sich bei der endgültigen Behandlung des § 4 Abs. 2 im Ausschuß ergab, als neben ihm der Herr Bundesminister der Finanzen saß und ich am andern Ende des Saales. Damals stimmte der Ausschuß und auch der Kollege Rademacher den Argumenten des Herrn Bundesministers der Finanzen mehr zu als den meinigen. Durch diese Beschlüsse haben sich manche Dinge für die Bundesbahn ungünstig gestaltet, ebenso wie sich aus der Tatsache, daß der Kollege Rademacher zusammen mit seinen Kollegen aus dem Verwaltungsrat der Deutschen Bundesbahn meinen Frachterhöhungsantrag im Jahre 1952 nicht in vollem Umfang gebilligt hat, Folgen ergaben, die der Bundesbahn bis zur letzten Frachterhöhung einen Einnahmeausfall von rund 2 Milliarden DM gebracht haben.
Der Herr Kollege Bleiß hat auch darauf hingewiesen, daß seit dem vorigen Jahr ein Vierjahresplan der Wasserstraßen gefordert wird. Dieser Vierjahresplan der Wasserstraßen sollte heute endgültig im Kabinett verabschiedet werden. Es ist nicht einfach gewesen, ihn durchzusetzen. Es ist überhaupt nicht ganz so einfach, die Methode durchzusetzen, die wir im Verkehr dringend brauchen: das Disponieren über längere Zeiträume, gerade bei den Investitionen, um diese Investitionen zielgerecht, schwerpunktmäßig richtig und so wirtschaftlich wie möglich auszuführen.
Ich darf zu diesem Punkt noch auf eine Bemerkung des Herrn Kollegen Ramms eingehen, der gesagt hat, es befänden sich im Haushalt falsche Ansätze. Er hat dabei auf den ersten Teilbetrag für den Ausbau der zweiten Schleuse Friedrichsfeld des Wesel-Datteln-Kanals hingewiesen. Ich möchte dazu folgendes bemerken: Selbstverständlich haben wir die Absicht, den Wesel-Datteln-Kanal seiner Verkehrsbedeutung entsprechend auszustatten und nach und nach alle Schleusen mit zweiten Schleusen zu versehen. Wir müssen aber mit einer anfangen. Die Schleuse Friedrichsfeld ist deswegen besonders wichtig, weil sich vor dieser Schleuse im Rheinstrom leicht Stauungen bilden. Das ist der eine Grund, warum hier zuerst die zweite Schleuse eingebaut werden soll. Außerdem nimmt der Verkehr auf dem Wesel-Datteln-Kanal von Friedrichsfeld nach Dorsten, also von West nach Ost ab, und zwar von 11 auf 9 Millionen Tonnen, so daß die Ausgangsschleuse auch nach den Verkehrszahlen unbedingt die wichtigste ist.
Der Herr Kollege Ramms hat ferner gesagt, die Wassertiefen sollten überall auf den Zufahrten zu unseren Nordseehäfen so angelegt werden, daß die Zufahrten für Schiffe mit 12 m Tiefgang ausreichen. Dazu muß ich allerdings sagen: Bei dem Ausbau der Wassertiefen sind wir von den natürlichen Voraussetzungen der Flußmündungen abhängig. Ich kann die Ems leider nicht auf eine solche Tiefe ausbauen,und bei der Trave, der Stör oder der Krückau würde auch der Kollege Ramms selber wahrscheinlich gar nicht auf den Gedanken kommen, so etwas anzuregen.
Man sollte also mit dem Vorwurf, der Haushalt enthalte falsche Ansätze, etwas zurückhaltender sein. Auch haben die verehrten Kollegen von der Freien Demokratischen Partei erklärt, daß sie dem Haushalt des Bundesverkehrsministers nicht zustimmen, d. h. daß sie die Ausgaben ablehnen werden. Nun, man kann nicht kritisieren, daß Investitionen nicht geschehen sind, wenn man selber gegen die Ausgaben stimmt.
({0})
- Das ist völlig logisch; es ist sogar so logisch, daß das jedes Kind versteht.
({1})
- Verzeihen Sie, das Wort „grober Unfug" möchte ich nicht gern gehört haben. Das ist nicht richtig.
({2})
Ich rüge das Wort. - Fahren Sie bitte fort.
Danke!
Ich wollte dazu darauf hinweisen, daß die von uns erstrebte Lösung einer Reihe von Problemen, die wir soeben hier gemeinsam angeschnitten haben, auch von Ihnen bejaht wird. Ich hätte es deswegen natürlich lieber, Sie würden einem solchen Ausgabenvolumen zustimmen. Das gilt gerade auch für die Wasserstraßen.
Den größten Umfang in der Diskussion hat natürlich mit Recht die Frage unserer Straßen und des Straßenausbaues eingenommen. Der starke Zuwachs der Motorisierung ist jedem von uns bekannt und auch der Druck, der sich daraus ergibt. Auf der anderen Seite wissen wir genau, welche außerordentlich hohen Anforderungen an den Haushalt und an den Anleihemarkt gestellt werden. Das Straßenbaufinanzierungsgesetz und der dazugehörige Vierjahresplan werden noch vor den Ferien den Bundesrat passieren und nach den Ferien dem Bundestag vorliegen.
Ich möchte dazu eine Bemerkung machen: In der Öffentlichkeit ist der Vorschlag gemacht worden, Herr Kollege Dr. Bleiß, mehr Anleihen zu berücksichtigen, besonders kurzfristige Anleihen von drei bis fünf Jahren, d. h. Anleihen, die in dieser Zeit auch getilgt werden müssen. Diese würden jedoch den Straßenbau durch den Kapitaldienst und die baldige Rückzahlung so belasten, daß dieser Weg, wenn nicht gleichzeitig entsprechend steigende Haushaltsbeträge zur Verfügung stehen, praktisch kein Weg ist, der zu einer Lösung führt.
({0})
Langfristige Anleihen, die nach 40 oder 50 Jahren zu tilgen wären, wären natürlich eine andere Sache. Aber man kann auch nur einen bestimmten Teil des Kapitalmarktes gerade für diese Aufgabe in Anspruch nehmen. Bei dem Vierjahresplan, der mit 8 Milliarden abschließt, haben wir brutto ungefähr 800 Millionen, d. h. 200 bis 250 Millionen im Jahr, auf dem Anleihewege aufzunehmen vorgesehen. Das ist nach Auffassung der Leitung der Bundesbank und nach Auffassung auch der übrigen Finanzfachleute das Maximum dessen, was man hier einsetzen kann.
({1})
- Sie gebrauchen wieder das Wort „Zweckentfremdung", Herr Kollege Dr. Bleiß. Es ist wirklich keine Freude, sich mit diesem Begriff immer wieder herumzuschlagen. Was nutzt es dem Bundesminister für Verkehr, daß über die Zweckentfremdung gesprochen wird? Was ihn interessiert, ist die Frage, welche Mittel das Hohe Haus ihm bewilligt, und nicht, ob sie zweckentfremdet sind oder nicht.
({2})
Er kann bekanntlich nur das ausgeben, was ihm bewilligt wird.
Gerade weil Sie dieses Wort hineinwerfen, darf ich einmal auf folgendes aufmerksam machen: Mir kommt es dabei in erster Linie auf die ständig steigenden Ist-Ausgaben an. Wir haben 1955 478,1 Millionen, 1956 787,4 Millionen, 1957 871 Millionen und 1958 1145 Millionen DM für den Bundesstraßenbau ausgegeben. Darin ist eine große Leistung aller an diesen Aufgaben beteiligten Menschen zu sehen. Gleichzeitig konnten wir die Gesamtausgaben für den Straßenbau - Herr Kollege Müller-Hermann hat schon darauf hingewiesen - von rund 1 Milliarde im Jahre 1950/1951 auf über 4 Milliarden DM im Jahre 1958 steigern. Damit stehen wir nunmehr unter den Ländern der Welt an zweiter Stelle. Ich bitte doch, diese Leistung des gesamten deutschen Volkes nicht immer herabzusetzen.
({3})
Für ein Volk, das in zwei Teile zerrissen ist, das in 50 Jahren zwei Weltkriege verloren hat, das 12 Millionen Heimatvertriebene aufgenommen und zu versorgen hat, ist es eine ungeheure Leistung, wenn über 4 Milliarden DM im Jahr für den Straßenbau aufgewendet werden.
({4})
Ich bin natürlich durchaus nicht der Meinung, daß wir in unseren Anstrengungen nachlassen und uns auf das Erreichte beschränken sollten. Ich glaube sogar, daß wir nach dem ersten Vierjahresplan, den wir mit 8 Milliarden ausgeworfen haben, in den nachfolgenden beiden Vierjahresplänen versuchen müssen, noch eine Steigerung um je 50 %, also auf je 12 Milliarden, durchzusetzen, um eben den Ausbau der Bundesstraßen so schnell wie möglich durchzuführen.
Aber bedenken Sie bitte, daß bei diesem Ausbauplan in 12 Jahren die Straßenfläche der Bundesstraßen nur um 50 % vergrößert wird, während in der gleichen Zeit die Zahl der Kraftfahrzeuge sich voraussichtlich verdoppeln wird. Das heißt also, daß wir diese Probleme einfach mit unseren Möglichkeiten gar nicht in dem Maße meistern können, wie wir alle es wünschen würden.
Ich möchte nachdrücklich davor warnen, in der Öffentlichkeit so zu tun, als sei das deutsche Volk, als sei irgendeine irgendwie geartete Bundesregierung oder ein irgendwie benannter Bundesverkehrsminister in der Lage, hier Leistungen zu erbringen, die einfach nicht erbracht werden können. Darüber muß man sich doch einmal klar sein, daß es für uns alle ein „non possumus" an den verschiedensten Ecken des Lebens gibt, trotz aller Bemühungen, dieses non possumus so weit wie möglich zurückzustoßen.
({5})
Man sollte das eben auch aus der Situation erkennen.
Herr Kollege Müller-Hermann hat ja angedeutet - ich will das wegen der Kürze der Zeit nicht noch besonders unterstreichen -, was wir im Zuge der Flurbereinigung, der Straßen im Interesse der Gemeinden, der Kreise und der Länder zu tun beabsichtigen und wie wir uns bemühen werden, zur Lösung des Problems den Bau der Durchleitungsstraßen in den Groß- und Mittelstädten besser zu finanzieren. Wir haben im Straßenbaufinanzierungsgesetz und dem ersten Vierjahresplan Ansätze, die zweifellos zu sehr guten Ergebnissen führen werden, wenn sie sich durchführen lassen.
Sie müssen aber auch bei dieser Sachlage doch bitte nicht vergessen: Der Bund hat nur für 26 000 km Straßen zu sorgen, die Länder für rund 50 000, die Kreise für rund 50 000 und - nun bitte ich aufzumerken die Gemeinden, von denen wir früher einmal gesagt haben, hier liege eine Schätzung von rund 100 000 km vor für ihre Straßen, die Gemeinden, deren Straßen wir jetzt erstmalig auf Grund einer endlich durchgesetzten statistischen Verordnung in ihrem für Kraftfahrzeuge zugelassenen Straßennetz haben überprüfen können, die Gemeinden haben für 220 000 km zu sorgen, so daß unser Netz nicht, wie man bisher sagte, 250 000 km, sondern 350 000 km umfaßt, soweit es dem motorisierten Straßenverkehr zur Verfügung steht.
Begreifen Sie bitte von hier aus die Einstellung der kommunalen Spitzenverbände zu der von Ihnen so freundlich zerrissenen Verordnung vom 21. März 1956. Die kommunalen Spitzenverbände, dargestellt durch den Deutschen Städtetag, den Deutschen Städtebund, den Deutschen Landkreistag und den Deutschen Landgemeindetag - also Menschen, die schließlich etwas von diesen Dingen verstehen und die die Dinge allerdings aus etwas anderer Sicht als die Straßenbenutzer sehen -, warnen aus Gründen ihrer Sorgen und Belastungen davor, von dieser Verordnung etwa in einem solchen Maß abzuweichen, wie das hier gefordert worden ist.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Minister?
Bitte.
Herr Bundesverkehrsminister, halten Sie also weiter an der Verordnung vom 21. März 1956 fest?
Erstens habe ich das nicht gesagt,
({0})
und zweitens möchte ich dazu folgendes bemerken: Ich habe bisher niemals zu erkennen gegeben - und bin auch nicht bereit dazu -, daß ich einer Zehntonnenachse zustimme, weil ich das für unser Straßennetz einfach nicht verantworten kann.
({1})
- Was Herrn Strauß betrifft, so darf ich folgendes bemerken, verehrter Herr Kollege: Ich bin nicht der Meinung, daß man heute übersehen kann, wie, ob und in welchen Größenordnungen sich im Falle eines von uns allen hoffentlich zu vermeidenden kriegerischen Konfliktes die Kraftfahrzeuge auf unseren Straßen bewegen werden oder nicht. Ich glaube, keiner von uns kann voraussehen, was an und nach einem solchen Tag geschieht.
Ich bin der Auffassung, daß, auch wenn ich das heute genau voraussehen könnte, sich diese Verhältnisse in einem Jahr durch die weitere technische Entwicklung der Feuerkraft der Waffen und andere Dinge sehr ändern können. Ich meine nun eins: Wir sollten doch nicht in der Voraussicht auf einen bestimmten Tag und ein Ereignis, das wir alle zu vermeiden wünschen, davon unser ganzes ziviles Leben und unsere Ausgaben bestimmen lassen!
({2})
Ich darf auch noch eine Angelegenheit richtigstellen, die vorhin hier aufgebracht worden ist: Wieder einmal ist gesagt worden, die Unfallursachen auf den Straßen hingen vor allen Dingen mit den Straßenverhältnissen zusammen. Ich möchte Ehnen dazu folgende Zahlen unterbreiten: Im Jahre 1955 waren 14,4 % der Unfälle in den Straßenverhältnissen begründet; 1956 waren es 13,5 % und 1957 9,3 N. Auch hier zeigt sich offenbar ein Erfolg unserer Bemühungen um den Ausbau des Straßennetzes. Es ist völlig falsch, wenn behauptet wird, daß zwei Drittel der Unfälle auf die Straßenverhältnisse zurückzuführen seien. 72 % der Unfälle sind nach wie vor auf menschliches Versagen und Fehlleistungen zurückzuführen.
Darf ich jetzt noch meiner Befriedigung über die von Herrn Müller-Hermann angekündigte Entschließung Ausdruck geben, die sich mit der Seeschiffahrt befaßt. Sie entspricht durchaus den Gedankengängen, die im Seeverkehrsbeirat vorgetragen und eingehend beraten worden sind.
Zum Schluß darf ich, trotz der Begrenzung der Zeit, ein paar Angaben zu dem machen, was der Herr Kollege Rademacher zur Luftfahrt vorgetragen
hat. Die Umstellung der zivilen Weltluftfahrt auf Düsenflugzeuge erfordert außerordentlich hohe Investitionen, und zwar sowohl für den Gerätepark als auch für die Flugplätze. Aber wir sind damit keinesfalls am Ende. Vor wenigen Jahren haben wir für die Lufthansa das modernste und neueste Flugzeug für den Ozeanverkehr, die Super-Constellation, für 8 Millionen DM gekauft. Heute brauchen wir, um im Düsenverkehr mitmachen zu können, die Boeing 707. Ein solches Flugzeug kostet 24 Millionen DM. Drüben entwickelt man schon Prototypen für den Flugverkehr mit Geschwindigkeiten von 2500 bis 2800 km in der Stunde. Sie bewegen sich also mit Überschallgeschwindigkeit; man nennt das 2 bis 21/2 Mach. Ein solches Flugzeug kostet 100 Millionen DM. Diese Flugzeuge werden in etwa sechs bis sieben Jahren auf uns zukommen. Sie werden deshalb unsere Sorgen durchaus verstehen.
Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die Rede des Herrn Kollegen Dr. Vogel im Jahre 1953 und an die Meinung, die er uns damals mit auf den Weg gegeben hat. Er sagte, daß solche Fragen nicht von nationalen Gesellschaften gelöst werden könnten, sondern daß man anstreben müsse, zu einem größeren Zusammenschluß zu kommen. Wir haben uns diese Prämisse von Herrn Dr. Vogel immer zur Leitschnur gemacht und haben intensiv an diesem Problem gearbeitet.
Jetzt haben wir einen Teilerfolg zu verzeichnen mit dem Zusammenschluß der großen Luftverkehrsgesellschaften Frankreichs, Italiens, Belgiens und Deutschlands, der Air France, der Alitalia, der Sabena und der Lufthansa zu der Air Union. Ziel dieses Zusammenschlusses ist eine Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit durch gemeinsame Gerätebewirtschaftung, gemeinsame Verkaufs-, Verkehrs-und Materialpolitik. Man will aber keine Exklusivität betreiben, sondern es sollen neue Mitglieder, also andere Gesellschaften, aufgenommen werden können. Diese Vereinigung soll nicht an den Begriff „Europa" gebunden sein, sondern wegen der starken Verflechtung der anderen Länder mit Afrika und Asien über den europäischen Rahmen hinausgehen. Deshalb hat man auch den Namen „Air Union" und nicht den Namen „Europair" gewählt; man sollte von vornherein sagen, daß man sich nicht auf einen internationalen Verkehr von und nach Europa beschränken will, sondern daß man darüber hinaus auch bereit ist, die Gebiete Afrikas und Asiens einzubeziehen, soweit sie zur freien Welt gehören. Hier wird uns die Zukunft noch große Möglichkeiten eröffnen. Hier ist nun ein Anfang gemacht, von dem ich hoffe, daß er trotz der Geburtswehen und unvermeidlichen Kinderkrankheiten für die gesamte Menschheit einen großen Erfolg bringen wird. Letzten Endes tun wir alles, was wir für den Verkehr tun, im Interesse der Menschen. Das gilt auch für die Unfallbekämpfung.
Zu der Frage des Herrn Kollegen Rademacher darf ich sagen, daß ich mich. am 22. Mai schriftlich gegenüber dem Verkehrsausschuß bereit erklärt habe, über den Vorbericht der Brasilianer über den
Unglücksfall in Rio de Janeiro Auskunft zu geben. Es ist allerdings die Frage, ob man nicht abwarten soll, bis der endgültige Bericht kommt. Wir haben verschiedene Einwendungen gegen diesen Vorbericht erhoben, und ich glaube, daß die Brasilianer diesen Einwendungen zu einem Teil Rechnung tragen werden. Natürlich ist es immer mißlich, da man solche Ereignisse nicht genau rekonstruieren kann. Die Bestrebungen gehen leicht dahin, die Schuld nicht bei sich, sondern möglichst bei dem anderen zu finden oder ihn stärker in das Belastungskalkül einzubeziehen.
Ich bin jedenfalls der Meinung und darf das heute auch einmal hier aussprechen, daß den Männern, die unsere Lufthansaaufgebaut haben, und dem ganzen Personal, das es uns ermöglicht hat, als wirklich vollwertiges Mitglied mit unserem Markt in die Air Union einzutreten, unser Dank und unsere Anerkennung gebührt.
({3})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Rademacher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit Rücksicht auf die getroffenen Vereinbarungen behalten sich die Diskussionsredner der Freien Demokratischen Partei vor, auf die Erwiderungen auf unsere Beiträge in der dritten Lesung zu antworten. Sie werden mir aber gestatten, daß ich jetzt sofort auf eines eingehe, nämlich auf die Kritik des Herrn Bundesverkehrsministers daran, daß eine Oppositionspartei einen Etat ablehnt, wenn sie mit den Maßnahmen, im großen gesehen, nicht einverstanden ist. Was soll denn eine Oppositionspartei im Rahmen der parlamentarischen Entscheidungen anderes tun, als ihre Haltung, daß sie mit den Dingen nicht einverstanden ist, damit zum Ausdruck zu bringen, daß sie den Plan ablehnt. Natürlich könnte man einen anderen Weg gehen, und ich will Ihnen diesen Weg auch sagen. Man könnte z. B. die Amtsbezüge des verantwortlichen Ressortchefs ablehnen. Aber das tun wir nicht, meine Damen und Herren, weil wir an der Sache kritisieren, nicht an der Person. Ich wäre sehr dankbar, wenn gerade der Herr Bundesverkehrsminister unsere Kritik in Zukunft so auffaßte.
({0})
Herr Abgeordneter Schmitt ({0}) !
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin auf die Frage, die der Herr Kollege Rademacher soeben behandelt hat, schon mit einem Zwischenruf eingegangen, der allerdings in der Form etwas zu weit ging. Ich möchte hier aber noch einmal ausdrücklich feststellen, daß es schlecht und einfach abwegig ist, wenn der Herr Bundesverkehrsminister der Opposition das Recht abspricht, dann, wenn sie seinen Gesamthaushalt ablehnt, Änderungsanträge zu stellen. Wir kämen sonst für unsere parlamentarischen Beratungen zu Schlußfolgerungen, die unerträglich wären. Um das zum Ausdruck zu bringen, hatte ich mich
vorhin mit einem Zwischenruf eingeschaltet. Ich möchte hiermit unsere Auffassung noch einmal dargelegt haben.
Meine Damen und Herren, die allgemeine Aussprache ist geschlossen. Ich rufe den interfraktionellen Änderungsantrag Umdruck 306 Ziffer 1 auf. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Herr Abgeordneter Kopf!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag auf Umdruck 306 ist von allen Fraktionen dieses Hohen Hauses gemeinsam eingereicht worden. Er bedarf gleichwohl einiger Worte der Erläuterung.
Durch den Versailler Vertrag hat Frankreich das Recht bekommen, das Wasser des Rheins in einen Rhein-Seitenkanal abzuleiten. Am 27. August 1956 ist ein Vertrag zwischen der Bundesrepublik und Frankreich abgeschlossen worden, durch den eine gewisse Modifikation der Bestimmungen des Versailler Vertrages festgelegt wurde. Es wurde darin vereinbart, daß die Bundesrepublik das Recht erhält, oberhalb von Breisach ein oder zwei Kulturwehre zur Abwendung der landwirtschaftlichen Schäden zu errichten.
Der vorliegende Bundeshaushalt nimmt darauf Bezug, daß ein oder zwei Kulturwehre errichtet werden können, und es ist ein Teilbetrag von 3,5 Millionen DM für das erste Kulturwehr in den Haushalt eingestellt. Dabei bleibt offen, ob das zweite Kulturwehr gebaut werden wird. Es erscheint aber notwendig, schon jetzt bei der Wahl des Standorts des ersten Kulturwehrs darauf zu achten, daß alle Möglichkeiten, die der Vertrag mit Frankreich bietet, ausgeschöpft werden; daher sollte auch die Errichtung des zweiten Kulturwehrs vorgesehen werden.
Jeder, der Gelegenheit gehabt hat, die Rheinlandschaft in den letzten Jahren zu besuchen, wird bei ihrem Anblick tief deprimiert gewesen sein und festgestellt haben, daß der einst so mächtige Strom ein kümmerliches Rinnsal geworden ist und daß die Gebiete am Rande des Rheins der Verödung und Versteppung anheimgefallen sind. Es besteht daher ein dringendes Interesse, von den Möglichkeiten, die der Vertrag mit Frankreich bietet, einen möglichst umfassenden Gebrauch zu machen und dafür Sorge zu tragen, daß auch der Bund diese Möglichkeiten in vollem Maße ausschöpft.
Aus diesem Grunde haben die antragstellenden vier Fraktionen den Wunsch geäußert, schon jetzt vorzusehen, daß mit den Planungsarbeiten für das zweite Kulturwehr umgehend begonnen wird und daß zu diesem Zweck 50 Millionen DM für Planungsarbeiten vorgesehen werden. Sie haben es ferner für richtig gehalten, gewisse Änderungen des Textes der Erläuterungen vorzuschlagen, die es gestatten, schon jetzt bei der Erstellung des ersten Kulturwehrs dem Umstand Rechnung zu tragen, daß später auch das zweite Kulturwehr in Erfüllung der Möglichkeiten des Abkommens vom Jahre 1956 errichtet werden soll.
({0})
Keine Wortmeldungen. Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag Umdruck 306 Ziffer 1. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Antrag Umdruck 306 Ziffer 2. Begründung? - Keine Begründung. Wortmeldungen? - Keine Wortmeldungen. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Damit ist der Änderungsantrag Umdruck 306 im ganzen angenommen.
Ich rufe auf den Änderungsantrag Umdruck 261 Ziffer 2; Ziffer 1 ist zurückgezogen. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Ich lasse abstimmen. Wer dem Antrag Umdruck 261 Ziffer 2 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; abgelehnt.
Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und der Deutschen Partei Umdruck 268 Ziffer 3 zu Kap. 1212. - Herr Abgeordneter Bleiß, dazu wollen Sie sprechen? - Bitte sehr.
Ich wollte nur darauf hinweisen, daß der Antrag der Fraktion der SPD in diesem Fall der weitergehende ist.
({0})
Trotzdem könnte er recht haben. Wenn er der weitergehende ist, muß der Präsident zuerst über ihn abstimmen lassen. Aber ich habe offenbar noch nicht genug Scharfsinn dafür aufgewendet. - Also, meine Damen und Herren, ich schlage Ihnen vor, daß wir nach meinem Fahrplan weitermachen, selbst wenn Sie recht haben; ich unterstelle, daß Sie recht haben. Nach meinem Fahrplan ist Antrag Umdruck 261 Ziffer 2 an der Reihe.
({0})
- 261 Ziffer 2 haben wir erledigt. Jetzt sind wir nach meinem Fahrplan bei 268 Ziffer 3.
({1})
- Glaube ich Ihnen; nur in meinem Fahrplan steht es umgekehrt. Also, meine Mitarbeiter haben unrecht, Sie haben recht. 261 Ziffer 3 sagen Sie also? Gut. Wer zustimmen will, den. bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das ist einstimmig angenommen.
268 ({2})
- Erübrigt sich dann.
({3})
- Moment! Umdruck 268 Ziffer 3 erübrigt sich damit.
Dann kommt bei mir Umdruck 268 Ziffer 1. ({4})
- Ist erledigt.
Dann kommt 261 Ziffer 4. Meine Herren Sachverständigen, sind Sie damit einverstanden? ({5})
- Wir stimmen also über die Anträge Umdruck 261 Ziffer 4 und 268 Ziffer 2 ab. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Damit sind die Änderungsanträge zu dem Einzelplan 12, soweit ich sehe, erledigt.
Einzelplan 12 im ganzen! Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe!
- Enthaltungen? - Einzelplan 12 ist angenommen.
Ich rufe auf: Einzelplan 26
Geschäftsbereich des Bundesministers für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte ({6}).
Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort wünscht. - Der Herr Berichterstatter verzichtet. Änderungsanträge liegen nicht vor. Wird zum Einzelplan 26 das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer dem Einzelplan 26 in zweiter Lesung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe auf: Einzelplan 27
Geschäftsbereich des Bundesministers für gesamtdeutsche Fragen ({7}).
Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort nehmen will. - Der Herr Berichterstatter verzichtet; an der Klagemauer ist nichts los.
({8})
Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Einzelplan 27 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; angenommen.
({9})
- Enthaltungen? - Die SPD hat sich enthalten. Ich rufe auf:
Einzelplan 28
Geschäftsbreich des Bundesministers für Angelegenheiten des Bundesrates und der Länder ({10}).
Der Herr Berichterstatter verzichtet. Keine allgemeine Aussprache.
Zu diesem Einzelplan liegt ein Streichungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 260 vor. Wird dazu das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. - Der Antrag lautet: „Einzelplan 28
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
wird gestrichen." Das können wir doch ganz einfach haben, indem Sie gegen den Einzelplan stimmen. Über den Änderungsantrag lasse ich deshalb nicht abstimmen.
({11})
- Herr Kollege Ritzel, die Abstimmung über den Streichungsantrag hätte ja gar keinen Sinn!
Wer dem Einzelplan 28 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; Einzelplan 28 ist angenommen, der Streichungsantrag Umdruck 260 damit erledigt. Ich glaube, wir sind uns einig.
Der Einzelplan 29 scheint offenbar sehr streitig zu sein
({12})
und wird deshalb zurückgestellt.
Ich rufe auf:
Einzelplan 32
Bundesschuld ({13}).
Der Herr Berichterstatter verzichtet. Allgemeine Aussprache! - Keine Wortmeldungen.
Zu diesem Einzelplan liegt ein interfraktioneller Änderungsantrag - Umdruck 296 - vor. Auf Begründung wird verzichtet. Wer dem Änderungsantrag auf Umdruck 296 - einem interfraktionellen Antrag also - zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Der ist interfraktionell, meine Damen und Herren! - Gegenprobe! - Enthaltungen? Der Antrag Umdruck 296 ist angenommen.
Wer dem Einzelplan 32 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen ist der Einzelplan 32 angenommen.
Jetzt kommt nach der Vereinbarung der Einzelplan 35.
({14})
- Nein, 33 kommt ganz am Ende für heute. Ich rufe auf:
Einzelplan 35
Verteidigungslasten im Zusammenhang mit dem Aufenthalt ausländischer Streitkräfte ({15}).
Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort wünscht.
({16})
- Danke vielmals, Herr Berichterstatter. Ich eröffne die allgemeine Aussprache. - Keine Wortmeldungen; die Aussprache ist geschlossen. Wer dem Einzelplan 35 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei wenigen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe auf: Einzelplan 40
Soziale Kriegsfolgeleistungen ({17}).
Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort wünscht. - Der Herr Berichterstatter verzichtet. Allgemeine Aussprache! - Keine Wortmeldungen.
Zu Einzelplan 40 liegt eine Änderungsantrag - Umdruck 290 - vor.
({18})
- Sie sagen: „interfraktionell". Ich sehe hier nur: „der Abgeordneten Dr. Vogel, Schoettle,
({19})
Lenz ({20}), Dr. Schild und Genossen". Aber das Wort „Genossen" darf ich bald nicht mehr verwenden.
({21})
Ich mache ausdrücklich darauf aufmerksam, daß das keine politische Stellungnahme des Bundestagspräsidenten ist, wenn er hier sagt: „und Genossen". Das ist ein alter parlamentarischer Brauch.
({22})
Wird zu dem Änderungsantrag Umdruck 290 der Abgeordneten Dr. Vogel und Genossen das Wort gewünscht? - Keine Wortmeldungen. Ich lasse abstimmen. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Der Antrag ist einstimmig angenommen.
Meine Damen und Herren, wer dem Einzelplan 40 mit der soeben beschlossenen Änderung im ganzen zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Jetzt kehren wir zurück zu
Einzelplan 33
Versorgung ({23}).
Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort wünscht. - Der Herr Berichterstatter verzichtet.
Allgemeine Aussprache. - Keine Wortmeldung.
Es liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 279 vor. Soll er jetzt begründet werden? - Bitte sehr, Herr Abgeordneter Kreitmeyer.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine sehr verehrten Kollegen! Ich werde Sie nicht strapazieren, weil bei der Beratung des Einzelplans 14 Gelegenheit sein wird, Wesentliches hierzu zu sagen. Aber eine Bemerkung möchte ich doch in diesem Augenblick machen. Nach der Planung für den zivilen Bevölkerungsschutz gehen die Dinge auf die Länder über. Damit stehen wir hier vor der Situation, daß die Gelder des Bundes nur dann zu unseren Gunsten gekürzt werden können, wenn wir in geeigneter Form auf die Länder, die das Organisationsrecht haben, einwirken. Deshalb ist es notwendig, daß die Bundesregierung mehr als bisher ihr Augenmerk darauf richtet, daß für dieses Reservoir, das unser Geld bekommt, entsprechende Verwendungsmöglichkeiten gefunden werden.
Wird dazu weiter das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich kann noch nicht darüber abstimmen lassen, Herr Kollege. Wir stimmen über die Entschließungsanträge in der dritten Lesung ab; begründet sind sie alle.
Ich lasse jetzt abstimmen über den Einzelplan 33. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Meine Damen und Herren, damit wären wir so weit, wie wir nach der Vereinbarung heute kommen wollten.
Ich berufe die nächste Sitzung ein auf Mittwoch, den 10. Juni, 9 Uhr. Wir werden dann mit der zweiten Lesung des Bundeshaushalts fortfahren.
Die Sitzung ist geschlossen.