Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren! Zum Tode von John Foster Dulles hat der Präsident des Deutschen Bundestages der Familie die herzliche Anteilnahme des Bundestages ausgesprochen.
Der Abgeordnete Graaff hat ab 8. Mai 1959 sein Mandat niedergelegt. Für ihn ist mit Wirkung vom 21. Mai 1959 der Abgeordnete Dr. Miessner in den Bundestag eingetreten. Ich begrüße den uns bekannten Kollegen wieder in unserer Mitte und wünsche ihm eine gute Zusammenarbeit wie in der Vergangenheit.
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Ich habe eine ganze Reihe von Geburtstagsglückwünschen auszusprechen. Am 1. Mai ist der Kollege Demmelmeier 72 Jahre geworden, am 2. Mai der Abgeordnete Pohle 60 Jahre, am 10. Mai der Abgeordnete Menke 60 Jahre, am 12. Mai der Bundesminister Schäffer 71 Jahre, am 18. Mai Frau Abgeordnete Niggemeyer 71 Jahre, am 19. Mai der Abgeordnete Mühlenberg 65 Jahre und am 25. Mai der Vizepräsident Dr. Becker 71 Jahre. All den Kolleginnen und Kollegen gelten unsere besten Glückwünsche.
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An Stelle des durch Tod ausgeschiedenen Abgeordneten Heinrich ist von der Fraktion der SPD der Abgeordnete Ritzel als Mitglied des Vorstandes des Bundestages vorgeschlagen worden. Erhebt sich gegen diese Wahl Widerspruch? - Das ist nicht der Fall; dann ist die Wahl damit vollzogen.
Die amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 8. bzw. 29. Mai 1959 den nachstehenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 des Grundgesetzes nicht gestellt:
Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Mühlengesetzes,
Gesetz zu dem Abkommen vom 26. Juni 1954 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien über die vorläufige Regelung der Donauschiffahrt und zu dem Abkommen vom 17. Juli 1956 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien über die Zollbehandlung der Donauschiffe,
Gesetz zur Änderung verkehrsteuerrechtlicher Vorschriften,
Gesetz zu dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Belgien vom 30. Juni 1958
über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen, Schiedssprüchen und öffentlichen Urkunden in Zivil- und Handelssachen,
Gesetz zur Ausführung des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Belgien vom 30. Juni 1958 über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen, Schiedssprüchen und öffentlichen Urkunden in Zivil- und Handelssachen,
Gesetz zu dem Abkommen vom 31. März 1958 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Portugal über den Luftverkehr,
Gesetz zu dem Abkommen vom 16. April 1958 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Kaiserreich Athiopien über den Luftverkehr,
Gesetz zu dem mehrseitigen Abkommen vom 30. April 1956 über gewerbliche Rechte im nichtplanmäßigen Luftverkehr in Europa,
Gesetz zur Änderung des Güterkraftverkehrsgesetzes.
Gegen das Gesetz über eine Betriebszählung in der Land- und Forstwirtschaft ({2}) hat der Bundesrat in seiner Sitzung am 8. Mai 1959 Einspruch eingelegt. Sein Schreiben ist als Drucksache 1087 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Wirtschaft hat unter dem 23. April 1959 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betr. Haftung der Bundesrepublik gegenüber den GATT-Mitgliederländern ({3}) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 1036 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat unter dem 27. April 1959 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Gibbert, Leicht, Schlick, Diel ({4}) und Genossen betr. Eröffnung von Globalkontingenten bei Wein auf Grund Artikel 33 des EWG-Vertrages ({5}) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 1041 verteilt. Der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat unter dem 27. April 1959 die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP betr. Dumping-Einfuhr von Käse aus Holland ({6}) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 1042 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat unter dem 27. April 1959 die Kleine Anfrage der Fraktion der DP betr. Eiererzeugung in der Bundesrepublik ({7}) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 1043 verteilt.
Der Herr Bundesminister der Justiz hat unter dem 24. April 1959 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Josten, Schlick, Becker ({8}) und Genossen betr. Aufträge für das Handwerk und Großfertigung von Matratzen in der Strafanstalt Wittlich ({9}) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 1045 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Atomkernenergie und Wasserwirtschaft hat unter dem 29. April 1959 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Baier ({10}), Dr. Stecker, Niederalt, Leicht und Genossen betr. Standorte für Atomkraftwerke ({11}) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 1086 verteilt.
Der Herr Bundesminister des Innern hat unter dem 5. Mai 1959 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betr. Ausländische Geheimdienste in der Bundesrepublik ({12}) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 1088 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Wohnungsbau hat unter dem 11. Mai 1959 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betr. Sitzverlegung der Gemeinnützigen Deutschen Wohnungsbaugesellschaft mbH ({13}) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 1092 verteilt.
Der Herr Staatssekretär des Bundesministeriums für Verteidigung hat unter dem 12. Mai 1959 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betr. Bombardierung des Großen Knechtsandes ({14}) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 1093 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hat unter dem 11. Mai 1959 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betr. Anrechnung von Rentenanpassungsbeträgen auf Kriegsopferrenten ({15}) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 1095 verteilt.
Der Herr Staatssekretär des Bundesministeriums für Wirtschaft hat unter dem 8. Mai 1959 die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP betr. Europäische Wirtschaftsgemeinschaft ({16}) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 1102 verteilt.
Der Herr Staatssekretär des Bundesministeriums für Verkehr hat unter dem 14. Mai 1959 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Kopf, Paul und Genossen betr. Vereinfachung der Forma3664
Vizepräsident Dr. Jaeger
litäten im Flugverkehr ({17}) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 1103 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Atomkernenergie und Wasserwirtschaft hat unter dem 15. Mai 1959 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betr. Radioaktive Verseuchung ({18}) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 1106 verteilt.
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 14. Mai 1959 die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP betr. Entschließung des Deutschen Bundestages vom 20. Juni 1958 betr. Vervielfachungsverfahren im Steuerrecht ({19}) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 1108 verteilt. Der Herr Stellvertreter des Staatssekretärs des Bundesministeriums der Finanzen hat unter dem 19. Mai 1959 die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP betr. Gesetzliche Regelung der Entschädigung für Vermögensverluste durch Reparationen an deutschem In- und Auslandsvermögen und durch ungerechtfertigte Restitutionen ({20}) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 1112 verteilt.
Der Herr Bundesminister des Innern hat unter dem 20. April 1959 unter Bezug auf den Beschluß des Bundestages vom 8. April 1959 die Regelung der Arbeitszeit der Bundesbeamten mitgeteilt. Sein Schreiben ist als Drucksache 1027 verteilt.
Der Herr Stellvertreter des Bundeskanzlers hat unter dem 27. April 1959 unter Bezug auf den Beschluß des Bundestages vom 11. Dezember 1958 über die Änderung und Durchführung des Lastenausgleichsgesetzes berichtet. Der Bericht ist als Drucksache 1037 verteilt.
Der Herr Präsident des Bundesrechnungshofes als Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung hat unter dem 20. März 1959 ein Gutachten über die Organisation und Wirtschaftlichkeit der Verwaltungsabteilung, der Senatsgeschäftsstellen, der Bibliothek und der Rechtskartei bei dem Bundessozialgericht in Kassel übersandt, das im Archiv zur Einsichtnahme ausliegt.
Der Herr Präsident des Bundesrechnungshofes als Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung hat unter dem 25. Februar 1959 ein Gutachten über die Organisation und Wirtschaftlichkeit der Wasser- und Schiffahrtsdirektion Aurich übersandt, das im Archiv zur Einsichtnahme ausliegt. Der Herr Präsident der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung hat unter dem 8. April 1959 den Geschäftsbericht der Bundesanstalt 1955/56 übersandt, der im Archiv zur Einsichtnahme ausliegt.
Der Herr Stellvertreter des Bundeskanzlers hat unter dem 6. Mai 1959 gemäß § 30 Abs. 4 des Bundesbahngesetzes vom 13. Dezember 1951 ({21}) die vom Bundesminister für Verkehr mit Schreiben vom 24. April 1959 übersandten Nachträge zum Wirtschaftsplan der Deutschen Bundesbahn und zur Sonderrechnung der Bundesbahndirektion Saarbrücken für das Geschäftsjahr 1958 sowie den dazu gehörigen Erlaß des Bundesministers für Verkehr vom 3. April 1959 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Sie liegen im Archiv zur Einsichtnahme aus.
Der Herr Präsident des Abgeordnetenhauses von Berlin hat mit Schreiben vom 8. Mai 1959 mitgeteilt, daß das Abgeordnetenhaus in seiner 13. Sitzung am 6. Mai 1959 auf Antrag der Fraktion der SPD die folgende Entschließung einstimmig angenommen hat:
Das Abgeordnetenhaus von Berlin gibt seiner Meinung dahin Ausdruck, daß entsprechend dem Beschluß des Sozialpolitischen Ausschusses des Bundesrates, mit dem die Besitzstandskiausel für die Berliner Renten in der Novelle zum FANG Art. 6, III § 19 wiederhergestellt wurde, eine gesetzliche Neuregelung herbeigeführt werden muß.
Im Interesse der großen Zahl von Rentnern in Berlin, deren Renten seit dem 1. Januar 1957 endgültig festgesetzt worden sind, ist die Wiedereinführung dieser Besitzstandsklausel bei einer gesetzlichen Neuregelung dringend geboten. Es ist auch nicht vertretbar, daß bei Gesetzesänderungen der Besitzstand auf Grund bereits erteilter Rentenbescheide nicht sichergestellt bleibt."
Ich rufe Punkt I der Tagesordnung auf:
Fragestunde ({22}).
Ich komme zur Frage 1 - des Abgeordneten Dr. Friedensburg - betreffend Gewinnspannen der Banken hei An- und Verkauf von fremden Noten:
Hält die Bundesregierung die Gewinnspannen, die die Banken bei dem An- und Verkauf von fremden Noten berechnen, für angemessen, und sind die Vereinbarungen, die die Banken untereinander hierzu zu treffen pflegen, mit den Regeln einer freien Wettbewerbsordnung vereinbar?
Das Wort hat der Herr Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach den Beobachtungen der Bundesregierung bilden sich die Kurse, die die Kreditinstitute beim An- und Verkauf fremder Noten berechnen, nach marktwirtschaftlichen Grundsätzen. Bei der Festsetzung dieser Kurse, die im Gegensatz zu den Devisenkursen nicht börsenamtlich festgestellt werden, orientieren sich die Kreditinstitute weitgehend an den Notierungen der Züricher Börse, die im Sortenhandel eine ganz zentrale Stellung einnimmt.
Für die Kurse im einzelnen sind neben dem Bearbeitungsaufwand die Kosten von Bedeutung, die die Banken für die Beschaffung und Bereithaltung der Sorten aufwenden müssen, also die Versand-und Versicherungskosten, sowie die Unverzinslichkeit dieser Bestände. Hierbei ergeben sich für die verschiedenen Währungen unterschiedliche Spannen. So fällt z. B. bei weniger gängigen Währungen - etwa den skandinavischen und der spanischen - die ertraglose Kassenhaltung kalkulatorisch stärker ins Gewicht als bei Währungen mit lebhaftem Umsatz, so daß hier eine höhere Spanne wirtschaftlich gerechtfertigt erscheint. Auch die Höhe des umzuwechselnden Betrages beeinflußt den Kurs. Der Verkauf oder Ankauf kleinerer Beträge - bis zu etwa 500 DM - wird in der Regel ungünstiger für den Kunden abgerechnet als der Umsatz von Großbeträgen. Schließlich werden bei bestimmten Währungen gewisse Sonderrisiken - z. B. die Gefahr der Abwertung - kursmäßig berücksichtigt. Die Spanne zwischen den An- und Verkaufskursen ist aber nicht nur bei den verschiedenen Währungen unterschiedlich, sondern sie variiert auch bei den einzelnen Bankplätzen nach deren geographischer Lage, aus der sich ein unterschiedliches Angebot und eine unterschiedliche Nachfrage und dadurch eine unterschiedliche Umsatzgeschwindigkeit der Notenbestände ergeben.
Ein allgemeines Urteil über die Angemessenheit der Kursspannen kann deshalb schwer abgegeben werden. Es darf jedoch darauf hingewiesen werden, daß der Kauf von Sorten bei einem deutschen Kreditinstitut im allgemeinen billiger ist als der Umtausch von DM-Beträgen in dem jeweils in Betracht kommenden Reiseland. Diese Tatsache findet ihre Erklärung darin, daß die ausländischen Banken oder Geldwechselstellen regelmäßig höhere Provisionen in Ansatz bringen, als von den deutschen Banken beim An- und Verkauf fremder Sorten in den Kurs eingerechnet werden.
Absprachen der Kreditinstitute über die An- und Verkaufssätze konnten nicht festgestellt werden. Der Umstand, daß nach den Ermittlungen der Bundesregierung die Kurse auch innerhalb der einzelnen Bankplätze bei den verschiedenen Kreditinstituten voneinander abweichen - und zwar zum Teil sehr erheblich -, spricht dafür, daß solche Vereinbarungen nicht bestehen.
Eine Zusatzfrage? - Herr Abgeordneter Friedensburg.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen nicht bekannt, daß die Banken selber zugeben, daß zwischen ihnen Vereinbarungen über die Kurse bestehen, und ist Ihnen nicht bekannt, daß die Gewinnspannen, die die Banken
heute berechnen, trotz wesentlich größeren Reiseverkehrs und trotz wesentlich größeren Außenhandelsumsatzes das Mehrfache dessen betragen, was vor 1938 berechnet worden ist?
Zum ersten Teil der Frage kann ich dem Herrn Abgeordneten antworten, daß bei uns kein Anhaltspunkt dafür gegeben ist, daß Vereinbarungen bestehen. Ich habe mir hier eine Aufstellung über Notenkurse mitgebracht; wenn Sie gestatten, Herr Präsident, lese ich einige Kurse vor; es handelt sich um Notenkurse von Bonn bei sechs verschiedenen Kreditinstituten am gleichen Tage. Wenn Sie wünschen, stelle ich Ihnen, Herr Abgeordneter, auch die Namen dieser Institute zur Verfügung: Belgischer Franken 8,07, 8,09, 8,05, 8,04 usw. Im Briefkurs ähnliche Unterschiede. Beim Pfund: 11,70, 11,71, 11,63, 11,58. Meine Damen und Herren, ich glaube, ein deutlicherer Beweis als dieser, daß keine Absprache besteht, kann kaum gegeben werden.
Meine Erfahrungen beziehen sich auf Berlin, wo mir erwidert wird, daß Vereinbarungen bestehen.
Ich bitte, Zusatzfragen zu stellen, aber keine Zusatzkommentare zu geben.
Aber meine andere Frage ist noch nicht beantwortet: weshalb die Gewinnspannen das Mehrfache dessen betragen, was früher berechnet worden ist.
Die Umsätze sind zwar größer geworden, aber auch die Kosten sind erheblich großer geworden seit 1938. Wir werden aber gern versuchen, uns über die Höhe der Gewinnspannen ein genaueres Bild zu machen, obwohl das nicht leicht ist; denn alle Unkosten, Risiken und Aufwendungen sind in den Kurs eingerechnet. Wir wollen aber gern die Anregung des Herrn Abgeordneten aufnehmen und den Dingen einmal nachgehen.
Damit ist diese Frage erledigt.. Im Hinblick auf eine Sitzung des Haushaltsausschusses, die gleichzeitig stattfindet, würde ich vorschlagen, die Fragen 6 und 15 vorzuziehen. - Das Haus ist einverstanden.
Wir kommen zur Frage 6 - des Abgeordneten Ritzel - betreffend Richtlinien zur Regelung des Ausweiswesens für Schwerbeschädigte.
Sind der Bundesregierung die Härten bekannt, die durch die vom Bundesinnenministerium herausgegebenen bundeseinheitlichen Richtlinien zur Regelung des Ausweiswesens für Schwerbeschädigte und Schwererwerbsbeschränkte vom 3. August und 15. Oktober 1957 entstanden sind?
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um diese Härten abzustellen?
Das Wort hat der Herr Staatssekretär im Bundesministerium des Innern.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Antwort lautet:
Die Richtlinien über Ausweise für Schwerbeschädigte und Schwererwerbsbeschränkte vom 3. August 1957 und die dazugehörigen Merkblätter beruhen auf einer Ländervereinbarung. Das Bundesministerium des Innern hat hierbei lediglich gute Dienste geleistet und die Richtlinien und Merkblätter auf Wunsch der Länder im Gemeinsamen Ministerialblatt bekanntgegeben.
Die Vergünstigungen, die Behinderten im Verkehr zugestanden werden, beruhen auf der Verordnung über Vergünstigungen für Kriegsbeschädigte im öffentlichen Personenverkehr vom 23. Dezember 1943 und auf den Tarifen der Deutschen Bundesbahn und der Deutschen Bundespost. Die verschiedentlich aufgezeigten Härten gehen im wesentlichen auf diese Regelungen zurück und nicht auf die Ausweisregelung. Die Tarife der Verkehrsträger zu ändern ist die Bundesregierung nicht in der Lage. Was die Frage einer Änderung der genannten Verordnung betrifft, so darf ich auf den Beschluß des Haushaltsausschusses vom 11. April 1957 zum Initiativantrag der Abgeordneten Dr. Leiske und anderer hinweisen. Eine Klärung der Rechtslage durch höchstrichterliche Entscheidung steht noch aus.
Die Länder haben sich bereit erklärt, Ende dieses Monats gemeinsam mit den Verkehrsträgern die Ausweisrichtlinien auf notwendige Änderungen und Ergänzungen hin zu überprüfen. Wenn Ihnen, Herr Abgeordneter, besondere Härtefälle bekannt sind, wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie uns nähere Angaben als Material für die Besprechungen übermitteln würden.
Eine Zusatzfrage? - Herr Abgeordneter Ritzel!
Ich darf Ihre Frage, Herr Staatssekretär gleich durch eine Frage beantworten. Ist die Regierung bereit, eine sehr empfindliche Härte dadurch zu beseitigen, daß diejenigen 50 % und mehr erwerbsgeminderten Körpenbehinderten in § 1 des Schwerbeschädigtengesetzes ,einsbezogen werden, deren Behinderung weder die Folge ieiner Kriegsbeschädigung, der politischen Verfolgung oder eines Arbeitsunfalls ist?
Herr Abgeordneter, ich sagte bereits, daß die Härten - und ich glaube, es wird auch für diese Härte zutreffen - im wesentlichen nicht auf der Ausweisregelung beruhen, sondern auf der Verordnung. Die Frage, ob die Verordnung geändert werden kann, eine Frage, die gerade Gegenstand des Initiativantrags der Abgeordneten Leiske und anderer in der 2. Wahlperiode war, ist zurückgestellt worden, bis die Rechtslage durch höchstrichterliche Entscheidung geklärt ist. Es schweben zur Zeit noch eine Revision beim Bundesverwaltungsgericht und eine Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht.
Eine weitere Zusatzfrage? - Herr Abgeordneter Ritzel!
Ist die Regierung bereit, Herr Staatssekretär, im Rahmen ihrer Möglichkeiten auf eine Beschleunigung dieser richterlichen Entscheidung hinzuwirken und dem Hohen Hause so bald wie möglich zu berichten, damit dann von hier aus gegebenenfalls die Initiative ergriffen werden kann?
Diese Zusage kann ich gern geben.
Danke sehr.
Ich komme zur Frage 15 - des Abgeordneten Ritzel - betreffend den Vertrieb von Schallplatten mit Reden Hitlers, Görings und Goebbels:
Ich frage den Herrn Bundesinnenminister:
Ist dem Herrn Bundesinnenminister bekannt, daß in deutschen Fachgeschäften Schallplatten mit Originalaufnahmen von Reden Hitlers, Görings und Goebbels sowie mit SA- und SS-Liedern ({0}) ohne Schwierigkeiten erworben werden können?
Ist dem Herrn Bundesinnenminister bekannt, daß solche Schallplatten in raffinierter Zusammenstellung von amerikanischen Firmen geliefert und offensichtlich mit Duldung der Behörden in der Bundesrepublik eingeführt werden können?
Was beabsichtigt der Herr Bundesinnenminister zu tun, um dieser Verhöhnung der Demokratie und des Verfassungsschutzes zu begegnen?
Das Wort hat Herr Staatssekretär Ritter von Lex.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die in der Frage erwähnte Schallplatte ist durch eine amerikanische Firma im Rahmen einer Schallplattenserie mit Originalaufnahmen von Reden amerikanischer und ausländischer Politiker hergestellt worden. Die Platte war anscheinend zunächst für den amerikanischen Markt bestimmt; sie ist jedoch dann durch die Düsseldorfer Filiale einer englischen Firma in das Bundesgebiet eingeführt worden.
Die Schallplatte enthält u. a. Ausschnitte aus Reden von Hitler und Goebbels und eine Anzahl von Liedern, darunter auch ausgesprochene NS-Kampflieder. Im Anschluß an diese wird das Heulen von Warnsirenen und das Detonieren von Bomben wiedergegeben. Die Platte endet mit der Behauptung „Nicht schuldig" von Göring, Kaltenbrunner, Streicher und anderen Angeklagten vor dem Nürnberger Tribunal.
Die Schallplatte wurde mit einer Umschlaghülle - der Herr Abgeordnete zeigt sie - zum Verkauf angeboten, auf der sich Hakenkreuzfahnen und Bilder von Hitler und anderen Nazigrößen befinden.
Gegen die Platte und ihre Umschlaghülle sind inzwischen mehrere Beschlagnahmeverfahren durchgeführt worden, auf Grund deren sowohl die Platte als auch die Umschlaghülle durch Gerichtsbeschluß der Beschlagnahme verfielen.
Auf Bitte des Bundesministers des Innern hat ferner der Bundesminister der Finanzen die Zollbehörden angewiesen, die weitere Einfuhr der Platte in das Bundesgebiet durch Nachprüfung des Einfuhrgutes und Vorlage der Platte bei der Staatsanwaltschaft sowie durch Amtshilfe bei der Durchtührung der Beschlagnahmebeschlüsse zu verhindern.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Ritzel.
Darf ich fragen, Herr Staatssekretär: Was hat denn die Bundesregierung und was haben nach Wissen der Bundesregierung die Länderregierungen, die Polizeiminister in den Ländern getan, was hat die Bundeskriminalpolizei getan, was haben alle in Frage kommenden Organe, u. a. auch das Ihnen unterstehende Bundesamt für Verfassungsschutz getan, um diesem erbärmlichen Machwerk entgegenzuwirken, das Originalaufnahmen enthält von Sportpalastreden, von Reden am Tage von Potsdam im Reichstag am 23. März 1933, den wir ja beide zusammen erlebt haben, Herr Staatssekretär, und bei anderer Gelegenheit sowie schließlich von Erklärungen vor dem Nürnberger Tribunal, vor dem nicht nur die Genannten, sondern - ich darf den Katalog ergänzen - auch Göring, Heß, Ribbentrop, Keitel, Kaltenbrunner, Rosenberg, Seyß-Inquart, Frick, Funk, Schacht, Schirach und andere gefragt wurden, ob sie sich im Sinne der Anklage schuldig bekennen, und sie in jedem Fall erklärt haben, sie seien nicht schuldig, womit die Platte schließt.
Ich darf fragen, Herr Staatssekretär: Was hat die Bundesregierung, was haben nach Ihrem Wissen die Länderministerien getan, um der Verbreitung einer solchen Platte ohne jeden kritischen Kommentar auf dem Boden der Bundesrepublik entgegenzutreten?
Ich darf weiter fragen, Herr Staatssekretär: Ist Ihnen bekannt, daß eine Firma „Sam's Schallplattendienst" in Düsseldorf mit ihren Offerten an die Einzelhändler Bestellungen auslöst: Bitte liefern Sie 1, 2, 5, 10 oder soundso viel Stück Dokumentarplatten „Speeches and Songs of Nazi Germany", Richtpreis DM 28,- zum Einkaufspreis von DM 19,60. In dem Begleitprospekt der Firma steht: „... von den bundesdeutschen Behörden jetzt genehmigt ({0})." Was ist das für eine Genehmigung „von den bundesdeutschen Behörden", Herr Staatssekretär? Warum hat die Regierunggewartet, bis sich die Presse auf Grund meiner Anfrage der Sache bemächtigte und daraufhin erst zwei deutsche Staatsanwaltschaften, Nürnberg und Frankfurt, mit Beschlagnahmen begonnen haben, die heute, Gott sei Dank, in der ganzen Bundesrepublik gültig sind?
Ich darf zunächst den zweiten Komplex behandeln, den Sie, Herr Abgeordneter, gestreift haben. Bei uns ist nicht das geringste davon bekannt, daß irgendeine Bundesbehörde irgendeine Genehmigung erteilt hat, diese Platten zu vertreiben. Wir werden auf Grund Ihrer Angaben der Sache nachgehen.
Zum anderen Komplex darf ich folgendes sagen. Sie haben selber " angedeutet, Herr Abgeordneter, daß natürlich nach unserer Verfassungslage das erste Einschreiten Aufgabe der Länder ist. Nach Auffassung der Bundesregierung bestand keine Veranlassung, den Bund, etwa auf Grund des bekannten § 4 b des Gesetzes über das Bundeskriminalamt, zum Einschreiten zu bringen. Tatsächlich ist ja auch der erste Zugriff in den Ländern erfolgt. Der Oberstaatsanwalt in Düsseldorf hatte die Sache bereits aufgegriffen, bevor Sie, Herr Abgeordneter, dankenswerterweise das Problem an die Öffentlichkeit gebracht und der Sache damit den entsprechenden Nachdruck verliehen haben. Nachdem der Oberstaatsanwalt die Sache aufgegriffen hatte, hat uns das Bundesamt für Verfassungsschutz am 8. April 1959 berichtet und darauf hingewiesen, daß zunächst das Ergebnis des Straf- oder Beschlagnahmeverfahrens abzuwarten sei. Die Bundesbehörden mußten - daraus kann man ihnen keinen Vorwurf machen - in dieser Angelegenheit zunächst abwarten, was die Behörden in den verschiedenen Ländern, in denen diese Sache angefallen war, veranlassen würden.
Sofort nachdem wir übrigens durch Ihre Bemerkung im Haushaltsausschuß - ich war in jener Sitzung anwesend - auf den Sachverhalt hingewiesen wurden, habe ich unsere Behörden angewiesen, mit allem Nachdruck der Sache nachzugehen und uns über die Angelegenheit zu berichten.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Ritzel.
Sind Sie nicht der Auffassung, Herr Staatssekretär, daß die Ihnen unterstehenden Behörden ex officio hätten eingreifen müssen, daß insbesondere das Bundesamt für Verfassungsschutz, das ja seine Arbeitskräfte auch für solche Zwecke verwenden sollte, um nach beiden Seiten hin zu sehen - um nicht deutlicher zu werden -, und ebenso die Bundeskriminalpolizei Veranlassung gehabt hätten, in diesen Fragen die Augen einmal etwas mehr zu öffnen? Wenn irgendwelche Kompetenzstreitigkeiten vorhanden gewesen wären, hätte schließlich ein Wink einer Bundesstelle an die zuständige Landesstelle genügt, um eine entsprechende Maßnahme auszulösen. Warum ist das nicht geschehen? Ist das Bundesamt für Verfassungsschutz nicht dazu da, die Demokratie in der Bundesrepublik und die Verfassung, unser Grundgesetz, auch gegen solche unglaublichen Auswüchse und Erscheinungen zu schützen?
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Herr Abgeordneter, Sie haben vom Eingreifen gesprochen. Das Eingreifen ist zunächst Sache der Länder. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat offenbar erst durch die Anzeige der Staatsanwaltschaft von der Sache erfahren.- Solche Unterlagen erhalten ja im übrigen auch in erster Linie die Landesämter für Verfassungsschutz, Ich will in keiner Weise irgendwelche Zuständigkeiten oder Verantwortungen abschieben. Ich bin aber der Auffassung, daß Ihre Bemerkungen in erster Linie in den Landesparlamenten angebracht sein würden. Das Bundesamt hat uns jedenfalls, als es durch den Oberstaatsanwalt in Düsseldorf von dem Vorfall erfahren hatte, berichtet, und da war der Stein für das rasche weitere Eingreifen seitens der Staatsanwaltschaften und Gerichte bereits ins Rollen gekommen.
Grundsätzlich muß ich daran festhalten: Es ist zunächst Sache der Landesbehörden, in deren Bereich sich solche Dinge ereignen, von sich aus das Erforderliche zu veranlassen.
Danke sehr!
Meine Damen und Herren, soeben stelle ich zu meiner Freude fest, daß der Herr Kollege Baron von Manteuffel-Szoege nach achtmonatiger schwerer Krankheit wieder unter uns weilt. Ich darf ihn herzlich begrüßen.
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Ich komme zur Frage 2 - des Abgeordneten Dr. Friedensburg - betreffend Paßkontrollen im Schlafwagengrenzverkehr:
Sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, zu erreichen, daß nr Schlafwagenverkehr zwischen Berlin und Westdeutschland die nächtlichen Kontrollen an den Grenzübergängen fortfallen?
Ist der Bundesregierung bekannt, daß diese Kontrollen durchgeführt werden, obwohl bereits beim Eintritt in das Gebiet der DDR eine Kontrolle stattgefunden hat und obwohl die Pässe bei dem Schlafwagenschaffner hinterlegt werden?
Läßt sich nicht eine Regelung erreichen, wie sie bis 1939 im Schlafwagenverkehr durch den sogenannten Korridor zwischen Ostpreußen und dem übrigen Reichsgebiet gegolten hat?
Das Wort hat auch hier Herr Staatssekretär Ritter von Lex.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Beamten des Paßkontrolldienstes sind angewiesen, im Schlafwagenverkehr zwischen Berlin und dem Bundesgebiet lediglich beim Schlafwagenschaffner die dort gesammelten Reiseausweise der Schlafwagenbenutzer zu prüfen. Eine Identitätsfeststellung findet nur dann statt, wenn sich bei der Prüfung der Reiseausweise Verdachtsmomente gegen einen Reisenden ergeben. In diesen Fällen kann im Hinblick auf § 163 der Strafprozeßordnung nicht darauf verzichtet werden, die Identität festzustellen.
Dagegen finden im Schlafwagenverkehr zwischen Berlin und der Bundesrepublik nächtliche Kontrollen nach Erreichen ostzonalen Gebiets durch Angehörige ostzonaler Grenzdienststellen statt. Eine Beseitigung dieser Praxis durch eine Regelung, wie sie bis 1939 im Schlafwagenverkehr durch den sogenannten Korridor zwischen Ostpreußen und dem übrigen Reichsgebiet bestand, ist nach Ansicht der Bundesregierung nicht möglich. Diese Regelung galt für den Verkehr zwischen zwei durch ausländisches Staatsgebiet voneinander getrennten Teilen des Deutschen Reiches mit Transit durch dieses ausländische Staatsgebiet. Wollte man eine entsprechende Regelung im Reiseverkehr mit Berlin einführen, so käme das einer Behandlung Mitteldeutschlands als Ausland und damit einer Anerkennung der sogenannten DDR als selbständiger Staat gleich.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Friedensburg!
Herr Staatssekretär, ist Ihnen nicht bekannt, daß durch diese Regelung der Reiseverkehr zwischen Berlin und dem Bundesgebiet empfindlich beeinträchtigt wird, und wäre nicht eine Regelung technischer Art möglich - wie es gerade beim Bahnverkehr dankenswerterweise in großem Umfang geschieht -, ohne daß das von Ihnen befürchtete Ergebnis eintritt? Das ist doch auch sonst nicht der Fall.
Herr Abgeordneter, daran, daß das eine empfindliche Störung ist, kann kein Zweifel bestehen. Ich habe jedoch Ihre Frage zu beantworten gehabt, ob eine Reaelung ähnlich der seinerzeit für den Verkehr durch den Korridor getroffenen möglich sei. Eine solche Regelung erscheint uns nicht möglich. Ob sich irgend etwas anderes finden läßt, müßte erst geprüft werden.
Ist es nicht möglich, zu prüfen, oh eine analoge Regelung - ich sage ausdrücklich nicht die gleiche, sondern eine analoge Regelung - für diesen Verkehr getroffen werden kann?
Auch eine analoge Regelung würde uns immer wieder an das Problem heranbringen, ob damit nicht die Behandlung der Zone als Ausland und infolgedessen eine mittelbare Anerkennnug der sogenannten DDR verbunden wäre. Dieses Problem steckt darin.
Ist der Herr Staatssekretär bereit, -
Verzeihung, Herr Abgeordneter Friedensburg, zwei Zusatzfragen sind das höchste, was ich Ihnen nach der Geschäftsordnung zugestehen kann. Das Weitere muß ich Ihrer persönlichen Unterhaltung mit dem Herrn Staatssekretär überlassen.
Frage 3 ist zurückgezogen. - Ich komme zu Frage 4 - eine Frage des Abgeordneten Dr. Brecht - betreffend Förderung des Baues von Familienheimen und Eigentumswohnungen für junge Familien:
Beabsichtigt die Bundesregierung, die mit den Richtlinien vom 11. Februar 1959 eingeleitete Förderung des Baues von Familienheimen und Eigentumswohnungen für junge Familien auch auf Mietwohnungen auszudehnen, wenn junge Familien nach ihrem Einkommen oder ihren sonstigen Verpflichtungen nicht in der Lage oder in Wahrung ihrer beruflichen Freizügigkeit vorerst noch nicht gewillt sind, ein Eigenheim oder eine Eigentumswohnung zu errichten oder zu erwerben?
Soll die staatliche Förderung der Wohnungsversorgung junger Familien nicht allen Familien dieser Art in gleicher Weise zukommen?
Oder haben die Sparkassen und Kreditinstitute ihre Mitwirkung bei der Kreditaktion davon abhängig gemacht, daß sie vom Bund zinsverbilligte Kredite nur für Familienheime und Eigentumswohnungen gehen?
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Wohnungsbau.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Frage des Herrn Kollegen Dr. Brecht berührt eine Reihe grundsätzlicher Probleme, deren eingehende Beantwortung im Rahmen der Fragestunde unmöglich ist. Ich stehe aber gern, soweit es jetzt nicht möglich ist, zu weiteren mündlichen und schriftlichen Erörterungen zur Verfügung.
Der Bundesminister für Wohnungsbau beabsichtigt nicht, die mit den Richtlinien vom 11. Februar 1959 eingeleiteten Zinsverbilligungsmaßnahmen auf die Förderung von Mieterleistungen für Mietwohnungen zu erstrecken.
Neben der beabsichtigten Förderung einer marktgerechten Beschaffung von Personaldarlehen für die Restfinanzierung von Eigentumsmaßnahmen im Wohnungsbau würden dadurch nämlich nur die höchst problematischen verlorenen Baukostenzuschüsse und Mieterdarlehen gefördert.
Es darf in Erinnerung gebracht werden, daß die Mehrheit dieses Hauses kürzlich auch beim allgemeinen Sparprämiengesetz aus gleichartigen Erwägungen die vor allem von den Wohnungsunternehmen seit Jahren erfolglos geforderte Begünstigung von Mieterleistungen an Wohnungsunternehmungen abgelehnt hat.
Es dürfte vor allem aber bekannt sein, daß derartige Mieterleistungen insbesondere von den herausgestellten einkommensschwachen jungen Familien im öffentlich geförderten Mietwohnungsbau überhaupt nicht mehr gefordert werden dürfen. Unterschiedliche Tatbestände lassen sich nun einmal nicht schematisch gleichartig fördern, sondern setzen für die Erreichung wirklich vergleichbarer Ergebnisse zwangsläufig eine Differenzierung der Maßnahmen voraus.
Um die so unerfreulichen Mieterleistungen für junge Familien entbehrlich zu machen, habe ich daher einerseits die Länder dringend gebeten, dem Wohnungsbedarf junger Familien im Rahmen der öffentlichen Wohnraumbewirtschaftung, des vorhandenen Wohnungsbestandes und insbesondere durch Bereitstellung von Wohnungen im sozialen Wohnungsbau besondere Aufmerksamkeit zu widmen, und andererseits Bedacht genommen, daß die Zinsverbilligungsmaßnahmen vor allem auch für Personen gegeben werden, die eine Wohnung für junge Familien freimachen.
Die eingeschalteten Kreditinstitute, Herr Abgeordneter Dr. Brecht, haben die Zielsetzung der hier in Rede stehenden Zinsverbilligungsmaßnahmen nicht beeinflußt.
Eine Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Brecht!
Ist Ihnen bekainnt, Herr Minister, daß tatsächlich solche Mieterdarlehen - ich spreche nicht von verlorenen Baukostenzuschüssen - auch bei jungen Familien beim Bezug von Wohnungen gefordert werden und notwendigerweise beigebracht werden müssen, weil die öffentliche Förderung nicht weit genug geht? Glauben Sie
nicht, daß es dann berechtigt wäre, aus dem Steueraufkommen die jungen Familien gleichmäßig zu behandeln, gleichgültig, ob sie ein Eigenheim oder eine Mietwohnung anstreben?
Ein Grundziel meiner Politik ist es, Herr Dr. Brecht, die Mietvorauszahlungen, verlorene Baukostenzuschüsse usw. endgültig zu beseitigen. Hier sind Mißstände zu beseitigen, die in der Vergangenheit vielleicht vertretbar waren, die wir aber vom Staat her nicht weiter fördern wollen.
Eine weitere Zusatzfrage!
Darf ich nochmals fragen, Herr Minister, ob Sie keinen Unterschied machen wollen zwischen den Baukostenzuschüssen, zwischen den Mieterleistungen und echten Mieterdarlehen, die verzinst und getilgt werden, also Sparleistungen, die Sie auf andere Weise in den Sparprämiengesetzen selbst begünstigen, so daß Sie sie hier auch bei dem Bezug von Mietwohnungen durch junge Familien zulassen müßten?
Hier besteht natürlich ein Unterschied. Aber die Aktion „Junge Familie" basiert auf dem Grundsatz des Personalkredits, der hier keine Anwendung finden kann; ich habe das bereits ausgeführt.
Ich komme zur Frage 5 - des Abgeordneten Dr. Brecht - betreffend Bindungsermächtigungen zugunsten des SBZ-Wohnungsbaus:
Bis wann wird für die 500 Millionen DM Bindungsermächtigungen zugunsten des SBZ-Wohnungsbaues entschieden, daß für 1960 keine neue Regelung eingeführt wird, sondern daß die Länder auch hei diesen Mitteln wie bisher mindestens 50 y. der durchschnittlichen Herstellungskosten erhalten, nachdem der Herr Bundeswohnungsbauminister in der Beantwortung der Kleinen Anfrage der SPD-Fraktion - Drucksache 845 - bestätigt hat, daß his Ende 1958 den Ländern nicht 3,5 Milliarden DM, sondern zunächst annähernd 2 Milliarden DM für die Wohnungsbauförderung zugeteilt worden sind?
Oder ist bereits eine andere Regelung geplant, und welche?
Ist der Bundesregierung das Schreiben des Ministerpräsidenten Kiesinger von Baden-Württemberg an eine Reihe von Bundestagsabgeordneten bekannt, in dem dargelegt wird. daß die Länder dringend darauf angewiesen sind, für eine reibungslose Weiterführung des SB7-Wohnungsbaues alsbald eine entsprechende Zusage der Bundesregierung zu erhalten?
Herr Abgeordneter, schon in den Erläuterungen zu unserem Haushaltsplan 1959, der dem Hohen Hause in dieser Woche zur Beratung vorliegt, ist für das Haushaltsjahr 1960 eine andere Regelung des finanziellen Bundesbeitrags zum Wohnungsbau für Zuwanderer und Aussiedler an Stelle der ursprünglich nur für 1957 getroffenen Übergangslösung in Aussicht genommen. Zu dieser Regelung hat sich die Bundesregierung seinerzeit entschlossen, um zur Überwindung der in den Jahren 1956 und 1957 im Flüchtlingswohnungsbau aufgetretenen Stockungen beizutragen.
Die Bundesregierung hat die Regelung von sich aus für die Jahre 1958 und 1959 verlängert. Sie wollte damit nicht nur den Stau beheben, sondern auch den Wohnungsbau für Flüchtlinge und Aussiedler beschleunigen, und das ist auch in großem Umfang gelungen.
Durch die günstige Entwicklung des Kapitalmarkts ist nunmehr die Möglichkeit zu einer anderen Regelung gegeben. Die Verhandlungen über eine solche Neuregelung sind im Gange. Die zügige Fortführung des Wohnungsbaus für Flüchtlinge und Aussiedler wird hierbei sichergestellt werden.
Das Schreiben des Herrn Ministerpräsidenten Kurt-Georg Kiesinger, das er am 20. Januar 1959 an eine Reihe von Kollegen des Hohen Hauses gerichtet hat, ist mir bekannt. Die Ansicht, daß die mir besonders am Herzen liegende reibungslose Weiterführung des Flüchtlingswohnungsbaus durch die vorerwähnten Verhandlungen über die Neuregelung des Finanzierungsverfahrens aufgehalten würde, vermag ich aus folgenden Gründen nicht zu teilen:
1. Die letzte Verteilung von Bundesmitteln für sämtliche bis zum 31. März dieses Jahres eingewiesenen Flüchtlinge und Aussiedler, d. h. für das Jahresprogramm 1959, ist, Herr Dr. Brecht, bereits am 17. Dezember 1958 erfolgt. Lediglich die Länder Baden-Württemberg, Niedersachsen und RheinlandPfalz gehen diesem Datum infolge von Vorwegzuteilungen des Bundes um ein Vierteljahr bzw. einen Monat voraus. Um den Anschluß an die laufenden Bauprogramme zu finden, dürfte auch für diese Länder die Bereitstellung weiterer Bundesmittel ebenfalls im Frühherbst dieses Jahres erforderlich werden.
2. Durch die Bereitschaft des Bundes, 1 % der für 1959 bereitgestellten Sondermittel, d. h. je 9,5 Millionen DM auf fünf Jahre bei gleich hoher Beteiligung der Länder in verlorene Zinszuschüsse umzuwandeln, ist die Möglichkeit zur Verbilligung von Kapitalmarktmitteln im Umfang von rund 320 Millionen DM gegeben. Damit können weitere rund 25 000 Wohnungen für etwa 100 000 Personen gefördert werden.
3. Die der Verteilung vom 17. Dezember 1958 zugrunde liegende Schätzung von 314 000 berücksichtigungsfähigen Flüchtlingen und Aussiedlern des Rechnungsjahres 1958 wurde erfreulicherweise um nahezu 45 000 Personen unterschritten. Die dafür zuviel bereitgestellten Mittel verbleiben den Ländern zugunsten der im Rechnungsjahr 1959 ankommenden Zuwanderer und Aussiedler, so daß die Länder jetzt in der Lage sind, für rund ein Sechstel dieses Personenkreises Wohnungen zu bauen, wobei unterstellt wird, daß es beim gleichen Strom von Vertriebenen, Flüchtlingen und Zuwanderern bleibt. Es ist also gesichert, daß der Wohnungsbau für Auswanderer und Flüchtlinge kontinuierlich fortgeführt werden kann.
Eine Zusatzfrage?
Da ich keinen Bericht über den Stand des SBZ-Wohnungsbauprogramms, sondern nur über die Förderungssysteme haben wollte, er3670
hebt sich die Frage, ob sich die anderweitige Regelung, von der Sie sprachen, nur darauf beziehen soll, daß statt der Kapitalsubvention eine Aufwendungsbeihilfe gegeben wird. Oder wollen Sie auch unter Beibehaltung der Kapitalsubvention in der Förderung unter 50 % der Herstellungskosten bleiben? Das ist die konkrete Frage.
Herr Dr. Brecht, das berührt ein wohnungsbau- und finanzpolitisches Problem. Ich kann die Frage nur soweit beantworten: Es ist ein Staatssekretärsgremium eingesetzt worden, in dem sich die Staatssekretäre der Bundesministerien für Wohnungsbau, Finanzen und Vertriebene befinden, dais mit den Ländern gemeinsam prüft, ob die von mir geplante Umfinanzierung im SBZ-Wohnungsbau sich durchführen läßt. Die Verhandlungen schweben; Einzelheiten darüber kann ich hier nicht bekanntgeben.
Eine zweite Zusatzfrage!
Können Sie uns vielleicht sagen, Herr Minister, bis wann Ihrer Meinung nach die Frage dien anderweitigen Finanzierungsregelung, die sich also nicht nur auf den Wechsel von der Kapitalsubvention zur Aufwendungsbeihilfe bezieht, geklärt sein wird?
Ich hoffe zuversichtlich: bis zum Herbst.
Frage 6 ist bereits beantwortet. Ich komme zur Frage 7 - des Abgeordneten Dr. Bucher - betreffend Stalingradfilm „Hunde, wollt ihr ewig leben" :
Ist es richtig, daß das Bundesverteidigungsministerium es abgelehnt hat, die Herstellung des Stalingradfilms Hunde, wollt ihr ewig leben" dadurch zu unterstützen, daß Waffen oder Ausrüstungsgegenstände für die Dreharbeiten zur Verfügung gestellt wurden, und falls ja, warum?
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Verteidigung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beantworte die Frage des Kollegen Dr. Bucher folgendermaßen.
Im Herbst des vergangenen Jahres ist die Deutsche Film Hansa GmbH & Co. Pan mich mit dem Wunsch herangetreten, die Herstellungsarbeiten zu dem Stalingradfilm „Hunde, wollt ihr ewig leben" durch Pereitstellng von etwa 150 bis 200 Soldaten, 10 Panzern, einer Batterie Feldartillerie und eventuell einigen Kraftfahrzeugen zu unterstützen.
({0})
Derartige Anträge auf Unterstützung von Spielfilmvorhaben sind von Beginn der Aufstellung der Bundeswehr an gestellt worden. Die Truppe und zum Teil auch einzelne Bundeswehrangehörige wurden immer wieder direkt um mehr oder weniger umfangreiche personelle oder materielle Mitwirkung bei bestimmten Filmen gebeten. In vereinzelten
Fällen hat die Truppe diesen Anträgen stattgegeben, auch wenn eine Unterstützung von der Sache her nicht voll gerechtfertigt war, vielleicht in falsch verstandener Auslegung des Grundsatzes der „offenen Tür", teils weil die erbetenen Erläuterungen zu den jeweiligen Filmvorhaben unklar gehalten waren.
Die allzu knappe Zeitspanne des Grundwehrdienstes, ferner der außerordentliche Mangel ami längerdienenden Freiwilligen und Berufssoldaten lassen die Verwendung von Soldaten, aber auch die Zurverfügungstellung von Waffen und Geräten zu anderen als Ausbildungs- und Übungszwecken nur in besonders gelagerten und begründeten Ausnahmefällen zu. Als solche werden Spielfilmvorhaben nur angesehen werden können, wenn sie in unmittelbarem Zusammenhang mit den der Bundeswehr gestellten Aufgaben stehen. Bei sonstigen Filmvorhaben, insbesondere aus dem militärischen Leben und dem Kriegsgeschehen, muß sich die Bundeswehr angesichts der noch nicht bewältigten Problematik unserer jüngsten politischen und militärischen Vergangenheit jedoch besondere Zurückhaltung auferlegen.
Im besonderen verfügt die Bundeswehr über keine Stelle, die es ihr ermöglicht, vorher ein Filmmanuskript daraufhin zu prüfen oder zu zensieren, ob Inhalt und Tendenz dieses Films den gestellten Forderungen in der Weise entsprechen, daß eine Mitwirkung der Bundeswehr dadurch gerechtfertigt wäre. Eine Mitwirkung der Bundeswehr bei Filmen, wo eine solche Mitwirkung aus den bekannten Gründen nicht. gerechtfertigt wäre, würde mit Recht eine erhebliche Kritik, sei es des Parlaments, sei es der Publizistik, hervorrufen.
({1})
Angesichts dieser Sachlage glaubte ich auch in diesem Falle eine Beteiligung der Bundeswehr mangels der Möglichkeit, eine eingehende Prüfung vorzunehmen, nicht verantworten zu können. Ich habe der Deutschen Film Hansa meine ablehnende Stellungnahme zu ihrem Antrag im Dezember vorigen Jahres mitgeteilt.
Wir haben am 3. November 1958 einen Erlaß veröffentlicht, der der Truppe Anhaltspunkte gibt, wie solche Anträge bearbeitet werden können. Seit Veröffentlichung des Erlasses sind 12 weitere Anträge gestellt worden. Ich darf 7 davon namentlich nennen. Es handelt sich um folgende Filme: „Der Rest ist Schweigen", „Soldaten - Kameraden", „Bodri", „Oberst Mölders", Maxi als Bruchpilot", „Ich spucke gegen den Wind" und „Die Brücke". Alle Anträge zu diesen Filmen sind ebenfalls abgelehnt worden.
({2})
Eine Zusatzfrage? - Herr Abgeordneter Dr. Bucher!
Herr Minister, wir können hier natürlich nicht in die Filmkritik eintreten. Aber nachdem Sie doch von besonders gelagerten Fällen gesprochen und nachdem Sie einige Gegenbeispiele zitiert haben - von denen sicherlich „Maxi als
Bruchpilot" kein besonders gelagerter Fall war -, möchte ich fragen: glauben Sie nicht, daß bei dem fraglichen Film ein besonders gelagerter Fall vorlag, da dieser Film doch sehr realistisch war und auch die heldische Seite des Kriegsgeschehens beleuchtet hat?
Ich darf ohne Rücksicht auf die Feststellung, daß eine genaue Prüfung des Filmmanuskripts und der möglicherweise darin liegenden Tendenzen und Auswirkungen von der Bundeswehr gar nicht durchgeführt werden kann, hier nochmals anführen, daß die von der Filmgesellschaft an das Verteidigungsministerium gestellten Wünsche - ich habe sie vorhin erwähnt: 150 bis 200 Soldaten, 10 Panzer, 1 Batterie Artillerie und sonstiges Gerät - einfach von der Sache her nicht zu erfüllen waren. Ich stehe auf dem Standpunkt, daß die Filmgesellschaften, wenn sie einen Film drehen wollen, die dafür nötigen Mittel aufbringen sollen, daß aber nicht wir berufen sind, indirekte Subventionen an Filmgesellschaften zu geben.
({0})
Zu einer zweiten Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Bucher!
Diese Argumente lasse ich durchaus gelten. Aber wäre es dann nicht besser, Herr Verteidigungsminister, grundsätzlich niemals eine Unterstützung zu geben und nicht besonders gelagerte Fälle auszunehmen?
({0})
Ich kann im Augenblick keinen Fall zitieren, in dem eine Unterstützung gegeben worden ist.
Ich habe darauf hingewiesen, daß es einer einheitlichen Regelung bedurfte, weil die Truppe selber diesen Wünschen gegenüber verschiedene Maßstäbe anlegte. Diese einheitliche Regelung ist durch den Erlaß vom 3. November 1958 ergangen. Ich kann Ihnen diesen Erlaß auf Anforderung gern zur Verfügung stellen. Aber ich glaube, daß ein grundsätzliches Nein in jedem Falle ebenfalls wieder nicht angebracht ist.
({0})
Ich .komme zur Frage 8 - des Abgeordneten Dr. Atzenroth - betreffend Berechnung der . Beförderungsteuer im Werkfernverkehr:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Beförderungsteuer im Werkfernverkehr, die die Wirtschaft an und für sich schon stark belastet, bei bestimmten Kleinbahnstrecken nach der doppelten Tarifentfernung berechnet wird?
Ist der Herr Bundesverkehrsminister bereit, durch eine Verwaltungsanordnung zu veranlassen, daß die Beförderungsteuer auch bei den oben genannter Kleinbahnstrecken nur nach der einfachen Tarifentfernung berechnet wird, da der Gesetzgeber bei der Zugrundelegung der Eisenbahntarifentfernung für die Berechnung der Beförderungsteuer die ungerechtfertigte Härte, die in der zusätzlichen Berechnung liegt, nicht beabsichtigt hat?
Das Wort hat Herr Staatssekretär Hettlage.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Frage des Herrn Abgeordneten ist an den Herrn Bundesverkehrsminister gerichtet. Da sie das Gebiet der Beförderungsteuer betrifft, wird sie vom Bundesfinanzministerium beantwortet.
Bei der Güterbeförderung im Werkfernverkehr geht die Beförderungssteuer von der Länge der Beförderungsstrecke aus. Sie bemißt sich grundsätzlich nach der Eisenbahntarifentfernung zwischen Absendungsort und Bestimmungsort. Diese Eisenbahntarifentfernung wird in einem besonderen Verfahren berechnet; dieses Verfahren ist im Deutschen Eisenbahn-Gütertarif festgelegt. Für einen Teil der nichtbundeseigenen Eisenbahnen sind hei den Eisenbahntarifentfernungen besondere Zuschläge eingearbeitet. Diese Zuschläge bemessen sich nach den Schwierigkeiten dieser Bahnen, die zum großen Teil durch Geländeumstände und anderes bedingt sind. Die Bahnen müssen daher in irgendeiner Form erhöhte Frachttarife verlangen, um wirtschaftlicher arbeiten zu können.
Es trifft zu, daß bei einigen Kleinbahnen die Zuschläge so bemessen sind, daß sie im Einzelfall zu einer Verdoppelung der ohne Berücksichtigung von Zuschlägen berechneten Entfernung führen. In den Richtlinien über die Bemessung der Beförderungsteuer im Werkfernverkehr ist jedoch eine Härteklausel enthalten, die diese Schwierigkeiten auffängt. Danach kann das Beförderungsteuer-Finanzamt auf Antrag zulassen, daß der Steuerberechnung im Werkfernverkehr statt der Eisenbahntarifentfernung die Entfernung über bestimmte Straßenverbindungen zugrunde gelegt wird, wenn die Straßenentfernung mindestens um 30 v. H. kürzer ist als die Eisenbahntarifentfernung. Die frühere Einschränkung, daß die Straßenverbindung in den Reichskraftwagentarif aufgenommen sein muß, ist durch eine Änderungsverordnung vom 12. August 1958 aufgehoben worden.
Die jetzige Regelung bei der Beförderungsteuer, Herr Abgeordneter, scheint uns daher günstiger als die von Ihnen angestrebte Steuerberechnung nach der einfachen Eisenbahntarifentfernung.
Herr Abgeordneter Atzenroth wünscht eine Zusatzfrage zu stellen.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht der Meinung, daß die von Ihnen vorgeschlagene Regelung nur deswegen günstiger ist, weil sie die Begrenzung auf 130 km für die besondere Vergünstigung enthält? Wenn diese 130-kmGrenze entfiele, wäre meinem Anliegen Rechnung getragen.
In der Tat, Herr Abgeordneter, meine Vermutung, daß die jetzige Regelung günstiger ist als die von Ihnen angestrebte, beruht auf dieser Umstellung auf die Straßenentfernung, wenn sie um 30 % kürzer ist als die Eisenbahnentfernung. Ich bin gerne bereit, prüfen zu lassen, ob und inwie3672
weit diese 30 % durch eine andere Bemessungsgrundlage ersetzt werden können.
Danke schön.
Wir kommen zur Frage 9 - des Abgeordneten Dr. Menzel - betreffend Exporthilfe für den Bau von sechs Passagierdampfern für Sowjetrußland:
Stimmt es, daß die Sicherheitsbehörde der NATO die Bundesregierung veranlaßt hat, der Werft Blohm & VoB die Exporthilfe für den Bau von sechs Passagierdampfern von je 13 000 t im Gesamtwert von 270 Mio DM für Sowjetrußland zu verweigern?
Das Wort hat Herr Staatssekretär Dr. Westrick.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Güteraustausch mit Rußland erfolgt grundsätzlich gegen Barzahlung. Die Werft Blohm & Voß war im September 1958 bereit, der UdSSR sechs Passagierschiffe im Gesamtwert von 270 Millionen DM - teilweise auf Kreditbasis - gegen Hermesgarantie zu liefern. Da die Zahlungsbedingungen im Verkehr mit der UdSSR weder handels- noch brancheüblich waren, lehnte der Interministerielle Ausschuß für Ausfuhrbürgschaften und Ausfuhrgarantien den Antrag auf Absicherung des Fabrikations- und Forderungsrisikos der Werft am 7. Oktober 1958 ab. Die Entscheidung wurde von der NATO nicht beeinflußt.
In Vertretung des I) Herrn Abgeordneten Dr. Menzel Herr Abgeordneter Kalbitzer!
Herr Staatssekretär, in deny Aufstellungen über die gewährten Bürgschaften rubriziert auch die Sowjetunion mit einem geringen Betrag von Bürgschaften. Es ist also schwer zu verstehen, wenn Sie sagen, daß die Sowjetunion nur gegen Barzahlung bei uns kauft. Was die Handelsüblichkeit anlangt, so frage ich, da sich die Lage der Werften erschwert hat - wie man allgemein weiß - und auch das konkurrierende Ausland die Kredite erheblich verlängert hat: Hat nicht auch die Bundesregierung erwogen, beim Export von Handelsschiffen in andere Länder als die Sowjetunion diese Kredite zu verlängern? Wie mir gesagt wurde, soll das bereits der Fall sein.
Es scheint zwar noch ein Fragezeichen hinter dem letzten Satz zu stehen; aber es hätte noch deutlicher sein können. - Bitte, Herr Staatssekretär Dr. Westrick!
Zunächst zum ersten Teil der Frage: Die Absicherung durch Hermes erfolgt nicht nur wegen etwa ausstehender Forderungen - also Kredite -, sondern auch wegen des Produktionsrisikos. In der Vergangenheit ist allgemein gegen Barzahlung verkauft warden, und trotzdem konnten Hermesgarantien gegeben werden, weil auch das Produktionsrisiko abgesichert wurde.
Zum zweiten Teil der Frage ist folgendes zu sagen: Wir sind der Meinung, daß, wenn andere NATO-Länder auf Kreditbasis nach Rußland liefern wollen und liefern würden, selbstverständlich auch die Bundesrepublik zu gleichen Bedingungen liefern sollte. In diesem Falle wäre dann die Übung bei uns zu überprüfen.
Ich danke für die zweite Antwort. Ich werde das im persönlichen Gespräch fortführen.
Wir kommen zur Frage 10 - des Abgeordneten Ehren - betreffend Überwachung der Gespräche von Bundestagsabgeordneten:
Ich frage den Herrn Bundespostminister:
Besteht die Möglichkeit, daß Gespräche von Bundestagsabgeordneten überwacht bzw. abgehört werden?
Wenn ja, durch welche Stellen erfolgt eine solche Überwachung?
Besteht auch die Möglichkeit, daß sowjetzonale Stellen deutsche Telefongespräche abhören?
Das Wort hat Herr Staatssekretär Dr. Gladenbeck.
Dr. Dr. Gladenbeck, .Staatssekretär im Bundesministerium für das Post- und Fernmeldewesen: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Technisch besteht die Möglichkeit, jeden Fernmeldeverkehr mit Ausnahme entsprechend verschlüsselter Telegraphie zu überwachen. Wie vor dem Hohen Hause schon wiederholt erklärt worden ist, wird der Fernmeldeverkehr durch deutsche Stellen nicht überwacht. Nur die Drei Mächte üben zum Schutze der Sicherheit ihrer in der Bundesrepublik stationierten Truppen in bestimmten Fällen und in begrenztem Umfangeine Überwachung des Fernmeldeverkehrs aus. Bundestagsabgeordnete werden von diesen Maßnahmen nicht betroffen.
({0})
Bei Fernsprechverbindungen über Kabel und Funk, die durch die sowjetische Besatzungszone führen, besteht für die sowjetzonale Stellen die Möglichkeit des Abhörens.
Keine Zusatzfrage!
Wir kommen zur Frage 11 - des Abgeordneten Dr. Fritz ({0}) - betreffend Überwachung von Weineinfuhren:
Weshalb werden im Zeichen einer immer weitergehenden Auflockerung des Außenhandels und der Konvertierbarkeit der Währungen wirtschaftliche Vorgänge ({1}) verfolgt, die nur durch die Unzulänglichkeit des Einfuhrverfahrens bedingt sind und die keinerlei volkswirtschaftliche Schädigung nach sich ziehen, sondern im Gegenteil vorteilhaft sind, weil sie eine unnötige Aufsplitterung der zur Einfuhr freigegebenen Mengen und damit eine Verteuerung der Einfuhr vermeiden?
Zur Beantwortung hat Herr Staatssekretär Dr. Westrick das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Weineinfuhr ist aus wirtschafts- und handelspolitischen Gründen zur Zeit noch nicht liberalisiert. Die insbesondere auf
Grund der Handelsverträge mit den Weinexportländern ausgeschriebenen Kontingente decken den Bedarf der Weinimporteure nicht.
Das Verfahren bei der Zuteilung von Weinkontingenten berücksichtigt bereits den Grundsatz, daß eine unwirtschaftliche Aufsplitterung der Kontingente soweit wie möglich vermieden werden soll. Es werden deshalb bei der Aufteilung der Kontingente vor allem die Fachimporteure berücksichtigt, um diesen eine kontinuierliche Ausübung ihres Berufes zu ermöglichen. Daneben wird durch das geltende Verfahren sichergestellt, daß auch andere Weingroßhändler als ausgesprochene Weinfachimporteure bei der Aufteilung angemessen beteiligt werden.
Die Bemühungen der Verwaltung um eine gerechte und zugleich zweckmäßige Aufteilung wurden und werden von einzelnen Weinimporteuren dadurch erschwert und zum Teil sogar unmöglich gemacht, daß die im Einvernehmen mit den beteiligten Wirtschaftskreisen festgelegten Ausschreibungsbestimmungen in verschiedener Weise umgangen werden. Auf Kosten der übrigen Importeure suchen einzelne Einführer sich einen größeren und ungerechtfertigten Anteil an diesen immer noch sehr begehrten Importen zu sichern.
Eine der häufigsten Umgehungsmaßnahmen ist der sogenannte Lizenzhandel. Dabei werden von Händlern und anderen Personen, die selber nicht oder nicht im beantragten Umfange die Weineinfuhr durchzuführen beabsichtigen, Einfuhrbewilligungen erwirkt und diese an interessierte Weinimporteure verkauft; das heißt, die darauf entfallenden Lizenzzuteilungen werden gegen Zahlung eines Entgelts zur Verfügung gestellt. In zahlreichen Fällen werden sonstige Weinhändler, insbesondere kleinere Firmen, für die sich ein eigener Import nicht lohnt, und auch Kunden veranlaßt, Einfuhranträge zu stellen, um dann die darauf entfallende Zuteilung den eigentlichen Einführern, in deren Auftrag sie gehandelt hatten, gegen ein entsprechendes Entgelt zur Verfügung zu stellen. Gerade durch diesen Lizenzhandel wird der Weinpreis höher, weil die von den Importeuren für die Überlassung der Lizenzen gezahlten Beträge auf den Weinpreis abgewälzt werden. Die geschilderten Praktiken haben daher, abgesehen von anderen schädlichen Auswirkungen, auch volkswirtschaftliche Schäden zur Folge.
Angesichts der verschiedenen Interessen, die die Verwaltung zu berücksichtigen hat, ist das gegenwärtig angewandte Verfahren bei der Weineinfuhr als zweckmäßig anzusprechen; mit ihm ist zur Zeit das bestmögliche Ergebnis zu erzielen. Die im Interesse aller beteiligten Wirtschaftskreise liegende ungestörte Durchführung ist jedoch nicht mehr gewährleistet, wenn der Zweck des Verfahrens durch Umgehungen vereitelt wird. Um volkswirtschaftliche Schäden zu verhindern und um diejenigen Importeure zu schützen, die die Bestimmungen des Weineinfuhrverfahrens beachten, ist es erforderlich, derartige Umgehungsgeschäfte zu verfolgen.
Keine Zusatzfrage!
Wir kommen zur Frage 12 - des Herrn Abgeordneten Seuffert - betreffend Maßstäbe für die Beurteilung der persönlichen Leistungen der Beamten des Fahndungsdienstes der Finanzverwaltung:
Ist es richtig, daß im Fahndungsdienst der Finanzverwaltung für die Beurteilung der persönlichen Leistungen der Beamten Punktzahlen angewandt werden, die sich nach den auf Grund der Fahndungsberichte beigetriebenen Steuerbeträgen bemessen?
Was soll zur Rechtfertigung eines solchen Verfahrens angeführt werden?
Das Wort Beantwortung hat Herr Staatssekretär Dr. Hettlage.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Beim Fahndungsdienst der Finanzverwaltung ist zwischen dem Zollfahndungsdienst und dem Steuerfahndungsdienst zu unterscheiden.
Der Zollfahndungsdienst ist Aufgabe der Bundesfinanzverwaltung. Für die dienstliche Beurteilung der Beamten des Zollfahndungsdienstes gelten die gleichen Grundsätze wie für die übrigen Zollbeamten. Diese Grundsätze sehen ein Punktzahlverfahren bei der Beurteilung der Leistungen der Beamten nicht vor.
Ein Steuerfahndungsdienst ist in der Bundesfinanzverwaltung naturgemäß nicht eingerichtet. Soweit dem Bundesfinanzministerium bekannt ist, verwenden auch die Landesfinanzverwaltungen bei der Beurteilung von Steuerfahndern kein derartiges Punktsystem. Abgesehen davon könnte der Bundesminister der Finanzen aber auch auf die Beurteilungsverfahren der Landesfinanzverwaltungen keinen Einfluß nehmen.
Falls Sie, Herr Abgeordneter, bei Ihrer Frage nach einem Punktzahlverfahren den Betriebsprüfungsdienst gemeint haben sollten, könnte ich diese Frage gleich zusätzlich mit ein paar Sätzen erläutern.
Nein, den habe ich nicht gemeint.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Seuffert?
Ist die Bundesregierung bereit, sich über die Methoden der Beurteilung, die bei den Landesfinanzverwaltungen tatsächlich bestehen, näher zu unterrichten - nach meiner bestimmten Unterrichtung wird verschiedentlich ein solches Punktzahlverfahren angewandt , und ist die Bundesregierung der Ansicht, daß ein solches System wegen der offensichtlich damit verbundenen Nachteile - Konkurrenz der Beamten um die Zuteilung bedeutender Steuerfälle, Abhängigkeit ihrer Karriere von der Zuteilung, Gefahr, daß die Beamten aus persönlichen Gründen bei der Veranlagungsstelle auf möglichst hohe Veranlagung drängen, und unrationelle Arbeitsweise der Beamten überhaupt -, wo es angewandt wird, unerwünscht ist?
Herr Abgeordneter, die erste Frage beantworte ich dahin: Die Bundesregierung
ist bereit, sich genauer über die Verfahren bei den Landesfinanzverwaltungen zu unterrichten.
Da wir selbst kein Punktzahlverfahren verwenden, weil wir es nicht für zweckmäßig halten, würden wir diese Auffassung auch in den Besprechungen mit den Landesfinanzverwaltungen zum Ausdruck bringen.
Ich komme zu Frage 13 des Abgeordneten Dürr - betreffend Fahrplan der Bundesbahn auf der Strecke von Blaufelden nach Landenburg:
Warum hat der Herr Bundesverkehrsminister nicht von dem ihm nach § 17 des Bundesbahngesetzes zustehenden Recht Gebrauch gemacht, einen Änderungsvorschlag zu dem Reiseverkehrsfahrplan der Bundesbahn betr. die Strecke von Blaufelden nach Langenburg zu machen, obwohl der Zug 8627 zur Bewältigung dieser nur 12 km langen Strecke 102 Minuten benötigt, also eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 7 km/Std. hat, so daß rüstigen Fußgängern, die schneller vorwärtskommen wollen, von der Benutzung dieses Zuges nur abgeraten werden kann?
Das Wort hat der Bundesminister für Verkehr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundesminister für Verkehr nimmt im Sinne des Bundesbahngesetzes auf die Gestaltung der Reisezugfahrpläne der Bundesbahn in der Regel dann Einfluß, wenn wichtige allgemeine Verkehrsinteressen und Interessen gegenüber dem Ausland berührt werden. Von der Möglichkeit, Änderungsvorschläge gemäß § 17 des Bundesbahngesetzes zu machen, wird von mir vielfältig Gebrauch gemacht. Als Unterlage dafür dienen weniger die Entwürfe zu den Fahrplänen, als vielmehr bereits die Absichten und Pläne der Bundesbahn im Zeitpunkt vor der großen Fahrplanbesprechung; denn bei Vorlage der Entwürfe ist es für Änderungen im allgemeinen zu' spät.
Wichtige allgemeine Verkehrsinteressen sind jedoch bei der eingleisigen Nebenbahn BlaufeldenLangenburg nicht zu wahren. Bereits seit Mai 1954 ist der Reiseverkehr dieser Strecke überwiegend von der Schiene auf die Straße verlegt und wird mit täglich 7 Omnibusfahrten in jeder Richtung bedient.
Die Bundesbahn hat mich vorsorglich von ihrer Absicht unterrichtet, die 5 km lange Teilstrecke Gerabronn-Langenburg wegen zu geringer Benutzung demnächst völlig stillzulegen. Die Verhandlungen mit den zuständigen Landesverkehrsbehörden darüber sind im Gange.
Der in der Anfrage genannte Zug Nr. 8627 ist kein Reisezug im üblichen Sinne, sondern ein Nahgüterzug, dem ein Personenwagen beigegeben wird. Dieser Zug hat die Aufgabe, die Ladestellen und Anschlüsse der Strecke zu bedienen. Wegen der dazu erforderlichen Rangierarbeiten sind längere Aufenthalte auf den Zwischenstellen nötig. Deshalb wird dieser Zug auch in der Regel nicht von Reisenden benutzt, die die ganze Strecke durchfahren wollen, sondern nur von Reisenden, die lediglich die Entfernung von einer Haltestelle zur anderen zurückzulegen beabsichtigen. Um für diesen Verkehr noch eine Schienenverbindung in einer Zeit zu bieten, während der kein Bahnbus verkehrt, ist dem Zug ein Personenwagen beigegeben. An den sonstigen Tageszeiten sind der Bevölkerung 7 Bahnbusfahrten in jeder Richtung möglich.
Keine Zusatzfrage?
Ich komme zu Frage 14 - des Abgeordneten Spitzmüller -- betreffend Befreiung junger Bauernsöhne vom Wehrdienst:
Ist die Bundesregierung bereit, dem Deutschen Bundestag einen Gesetzentwurf zur Änderung des Wehrpflichtgesetzes vorzulegen, auf Grund dessen über die Möglichkeiten des § 12 hinaus junge Bauernsöhne vom Wehrdienst befreit werden können, wenn durch eine Ableistung des Wehrdienstes die Erhallung und Fortführung eines eigenen oder elterlichen landwirtschaftlichen Betriebes oder Gewerbebetriebes unmöglich gemacht würde?
Der Herr Bundesminister für Verteidigung!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu der aus landwirtschaftlichen Kreisen schon mehrfach ergangenen Anregung, Landwirtssöhne vom Wehrdienst zu befreien, bemerke ich folgendes.
Eine generelle Befreiung der Landwirtssöhne vom Wehrdienst ist nach dem Wehrpflichtgesetz nicht zulässig. Sie ist auch nicht erforderlich, da Wehrpflichtige, die für die Erhaltung und Fortführung des eigenen oder elterlichen landwirtschaftlichen Betriebes unentbehrlich sind, auf Grund des § 12 Abs. 4 Nr. 2 des Wehrpflichtgesetzes vom Wehrdienst zurückgestellt werden können. Wenn auch gemäß § 12 Abs. 6 des Gesetzes Wehrpflichtige grundsätzlich nur so lange zurückgestellt werden sollen, daß sie noch in dem Kalenderjahr, in dem sie das 25. Lebensjahr vollenden, einberufen werden können, so ist darüber hinaus eine weitere Zurückstellung möglich, wenn die Einberufung eine unzumutbare Härte bedeuten würde.
Die Formulierung der Frage: „wenn durch eine Ableistung des Wehrdienstes die Erhaltung und Fortführung eines eigenen oder elterlichen landwirtschaftlichen Betriebes oder Gewerbebetriebes unmöglich gemacht würde" ist nach der im Verteidigungsministerium angewendeten Auslegung dahin zu verstehen, daß hier ohne Zweifel eine unzumutbare Härte vorliegen würde. In diesen Fällen können die Wehrpflichtigen gemäß § 5 Abs. 3 des Wehrpflichtgesetzes nur noch zu einem verkürzten Grundwehrdienst einberufen werden, der sechs Monate dauert und ohne Schwierigkeiten in das Winterhalbjahr gelegt werden kann.
Bei der bisherigen Ersatzlage konnte den Belangen der Landwirtschaft dadurch Rechnung getragen werden, daß von einer Einberufung Wehrpflichtiger aus der Landwirtschaft in größerem Umfange abgesehen worden ist. Solange die Ersatzlage das zuläßt, besteht kein Anlaß, dieses Verfahren zu ändern.
Die Einführung einer generellen gesetzlichen Befreiung der Landwirtssöhne von der Wehrpflicht erscheint deshalb nicht nötig; eine solche Ausnahmeregelung würde außerdem andere Berufsgruppen veranlassen, eine gleiche gesetzliche Befreiung vom Wehrdienst zu fordern.
Zu einer ZusatzI frage Herr Abgeordneter Spitzmüller!
1st Ihnen bekannt, Herr Bundesverteidigungsminister, daß seitens der Landwirtschaft und vor allem auch seitens südbadischer CDU-Mitglieder die Forderung erhoben wird, daß den Landwirtssöhnen wenigstens die Möglichkeit gegeben wird, ihren Wehrdienst innerhalb von zwei Winterhalbjahren abzuleisten? Wie stellen Sie sich zu einer solchen Forderung?
Ich habe soeben darauf hingewiesen, daß Landwirtssöhne, bei denen sich für den Fall der Ableistung eines einjährigen Grundwehrdienstes eine unzumutbare Härte ergeben würde, ohne weiteres zurückgestellt werden können. Sie sollen, wenn sie das 25. Lebensjahr überschritten haben, ohnehin nur für maximal sechs Monate herangezogen werden. Diese Heranziehung kann ohne weiteres im Winterhalbjahr erfolgen. Ich wäre auch hier bereit, eine grundsätzliche Regelung dieser Art auf dem Wege des Erlasses von Verwaltungsvorschriften zu treffen. Wenn die beabsichtigte Novelle zum Wehrpflichtgesetz, die in der nächsten Woche von mir dem Bundeskabinett vorgelegt werden soll, vom Parlament in der vorgesehenen oder in einer ähnlichen Form verabschiedet werden wird, bieten sich außerdem hier noch weitere Möglichkeiten einer elastischen Handhabung.
Wir kommen zur Frage 16 - des Abgeordneten Kalbitzer - betreffend Mißbrauch von Schülerwochenkarten:
Ich frage den Herrn Bundesverkehrsminister:
Wieso kann sich die Deutsche Bundesbahn gegen Mißbrauch von Schülerwochenkarten dadurch wehren, daft die dazu gehörigen Anträge - ebenfalls ohne Lichtbild - mitgeführt werden müssen, wie es auf den Karten angeordnet ist?
Wie hoch schätzt die Bundesbahn den Verlust durch derartige Mißbräuche ein?
Würde nicht durch die in Aussicht genommene Regelung, diese Karten durch die Benutzer mit Lichtbild versehen zu lassen, die Absicht der Verbilligung weitgehend aufgehoben?
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Verkehr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Deutsche Bundesbahn ist genötigt, gegen mißbräuchliche Inanspruchnahme der erheblich verbilligten Schülerwochenkarten Vorkehrungen zu treffen. Die Karten sind vom Inhaber zu unterschreiben, und die Unterschrift ist auf Verlangen zu wiederholen. Über 16 Jahre ,alte Inhaber von Schülerwochenkarten haben außerdem den Peronalausweis und das Antragsformular mit den Bescheinigungen der Schule und der Ortspolizeibehörde bei sich zu führen und auf Nachfrage vorzuzeigen. Der kontrollierende Beamte kann nur an Hand des Antragsformulars feststellen, ob der Karteninhaber einen Anspruch auf die Schülerermäßigung besitzt. Ein Blick in den Personalausweis und ein Vergleich der Namen auf Personalausweis, Antragsformular und Wochenkarte lassen jeweils erkennen, ob der Vorzeigende die auf dem Formular bezeichnete Person ist oder ob er sich das Papier etwa von einem anderen Jugendlichen ausgeliehen hat. Ein ähnliches Verfahren ist bei den Schülerkarten auf Straßenbahnen und Nahverkehrsomnibuslinien vielfach eingeführt.
Die Zahl der Mißbräuche ist nicht erfaßt. Bei ,ernenn durchschnittlichen Preis von wenig mehr als 1 Pf je Kilometer ist ein Anreiz zu Mißbräuchen naturgemäß vorhanden, und die Bundesbahn stellt immer wieder fest, daß Schülerzeitkarten unberechtigt benutzt werden.
Es ist jedoch trotzdem nicht daran gedacht, den Lichtbildzwang wieder ,einzuführen, und zwar deshalb, um den Eltern die Beschaffung von Rahmen und Foto zu ersparen.
Eine Zusatzfrage? Herr Abgeordneter Kalbitzer.
Herr Verkehrsminister, ist Ihnen nicht bekannt, daß die Mehrzahl der Inhaber dieser Schülerkarten keinen Personalausweis zu haben brauchen und die, die ihn haben müssen, ihn trotzdem nicht bei sich führen, daß diese Form der Kontrolle also absolut ineffektiv ist, und ist es nicht die Absicht des Bundesverkehrsministers und der Deutschen Bundesbahn, die unrentable Situation der Bundesbahn durch Rationalisierung zu verbessern, und wäre ein Abschneiden dieses Zopfes nicht ein Weg zur Rationalisierung der Bundesbahn?
Zweifellos wäre es ein besserer Weg, die Einnahmen der Bundesbahn zu erhöhen, wenn die Tarife für die Schülerkarten entsprechend angehoben würden. Wenn man einen so verbilligten Tarif in Anspruch nimmt, dann muß man natürlich auch die Notwendigkeit einer Kontrolle anerkennen. Diese Kontrolle ist so einfach wie möglich gestaltet. Herr Abgeordneter, ich kenne ja den Fall Ihres Sohnes Ulrich, und ich weiß, daß Ihnen Herr Präsident Hellberg darauf sehr eingehend geantwortet hat. Ich glaube, daß das, was er ausgeführt hat, durchaus durchschlagend ist.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Verkehrsminister, ich will nicht auf meinen Sohn abstellen, der hier in der Öffentlichkeit auch völlig uninteressant ist, sondern möchte Sie fragen, wieso Sie eine ineffektive Kontrolle weiter fortführen, anstatt sich um Rationalisierung zu bekümmern, und warum Sie mir hier die Antwort geben, daß eine Erhöhung der Tarife besser wäre, wonach ich ja nicht gefragt habe und was also heute morgen nicht zur Debatte steht.
Die Kontrolle, wie sie jetzt ausgeübt wird, kostet ja kein Geld, denn sie wird von dem normalen Personal durchgeführt.
Aber sie ist ineffektiv, und Personal wird dafür eingestellt.
Herr Abgeordneter Kalbitzer, es waren bereits zwei Zusatzfragen.
Ich möchte nicht annehmen, daß die Bundesbahn extra dafür Personal einstellt. Aber sie muß für das Beantworten von Briefen natürlich entsprechende Aufwendungen machen.
Meine Damen und Herren, die für die Fragestunde vorgesehene Zeit von 60 Minuten ist abgelaufen. Die offengebliebenen Fragen werden in üblicher Weise schriftlich beantwortet. Die nächste Fragestunde ist am Mittwoch, dem 24. Juni. Sperrfrist: Donnerstag, 18. Juni, 12 Uhr.
Ich rufe auf Punkt II der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes ({0}) zu der Bundesrechtsanwaltsordnung ({1}).
Das Wort als Berichterstatter hat der Abgeordnete Hoogen.
Hoogen ({2}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundesrat hatte hinsichtlich der vom Hohen Hause verabschiedeten Bundesrechtsanwaltsordnung den Vermittlungsausschuß aus den in Bundestagsdrucksache 1013 angeführten Gründen angerufen. Der Vermittlungsausschuß hat sich in seiner Sitzung vom 24. April 1959 mit dem Anliegen des Bundesrates beschäftigt. Das Ergebnis seiner Beratungen und seinen Vorschlag finden Sie in der Ihnen vorliegenden Drucksache 1033.
Bei seiner Beschlußfassung ließ sich der Vermittlungsausschuß von folgenden Erwägungen leiten:
Zu den §§ 17, 28, 29 und 55 schlägt Ihnen der Vermittlungsausschuß die vom Bundesrat gewünschte Änderung zur Annahme vor. In allen diesen Fällen wird die Entscheidungsbefugnis der Landesjustizverwaltung anstelle des Vorstandes der Rechtsanwaltskammer übertragen; die Landesjustizverwaltung hat in jedem Falle den Vorstand der Rechtsanwaltskammer vorher zu hören.
Wenn auch nicht zu verkennen ist, daß in jedem einzelnen dieser Fälle die Gründe für die vom Bundesrat gewünschte Änderung des Gesetzentwurfs verschieden sein mögen, so ist auf der anderen Seite anzuerkennen, daß - wie der Bundesrat geltend macht - bei den in jedem Falle zu treffenden Entscheidungen die Interessen einer geordneten Rechtspflege im Vordergrund stehen müssen und diese Interessen in erster Linie von der Landesjustizverwaltung wahrzunehmen sind.
Zu § 218 schlägt der Vermittlungsausschuß Ihnen die vom Bundesrat gewünschte Ergänzung vor, weil er sich davon überzeugt hat, daß für die in der Ergänzung vorgesehenen Fälle eine Übergangsregelung unentbehrlich ist, die zugleich eine Ausschlußfrist für die Anfechtung vorsieht.
Dem Verlangen des Bundesrates, die Frage der gleichzeitigen Zulassung eines Rechtsanwalts bei einem Landgericht und einem Oberlandesgericht, d. h. die Frage der sogenannten Simultanzulassung, anderweitig zu regeln, glaubte der Vermittlungsausschuß zum allergrößten Teil nicht entsprechen zu können. Er hat sich insoweit die Argumente zu eigen gemacht, von denen die überwiegende Mehrheit des Bundestages sich bei der Verabschiedung des § 226 des Gesetzentwurfs leiten ließ.
Lediglich in zwei Punkten schlägt der Vermittlungsausschuß Ihnen eine Änderung des § 226 vor, und zwar bezieht er das Land Bremen in die für die Länder Berlin und Saarland vorgesehene Ausnahmeregelung ein. Ferner ist eine besondere Ausnahmeregelung für diejenigen bayerischen Rechtsanwälte vorgesehen, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes bei einem Landgericht zugelassen sind, an dessen Sitz sich das übergeordnete Oberlandesgericht oder ein auswärtiger Senat dieses Oberlandesgerichts befindet. Der Vermittlungsausschuß sah sich nicht in der Lage, weiteren Ausnahmen von dem Grundsatz der in § 120 des Gesetzentwurfs verankerten Singularzulassung das Wort reden zu sollen. Er ließ sich hierbei von dem Gedanken der größtmöglichen Rechtseinheit- auf dem Gebiet des Gerichtsverfassungsrechts, zu dem auch die Bundesrechtsanwaltsordnung gehört, leiten.
In der Drucksache 1013 finden Sie, daß der Bundesrat außerdem die Wiedereinführung des sogenannten Anwärterdienstes, d. h. des Anwaltsassessorats, ferner eine Ergänzung der sogenannten politischen Klausel in § 7 Nr. 6 und endlich die Streichung des § 215 des Gesetzentwurfs verlangt hat. Diesen drei Verlangen hat der Vermittlungsausschuß nicht entsprochen.
Gegen die Einführung des Anwärterdienstes wurden im Vermittlungsausschuß die Argumente vorgetragen, die auch in diesem Hause bei der Verabschiedung des Gesetzes ausschlaggebend waren. Diese Argumente brauche ich wohl nicht zu wiederholen; ich glaube annehmen zu dürfen, daß sie sämtlich noch in Ihrer frischen Erinnerung sind.
§ 7 Nr. 6 enthält die sogenannte politische Klausel. Die in der dritten Lesung des Bundestages gefundene und von der überwiegenden Mehrheit des Hohen Hauses gebilligte Formulierung war das Ergebnis langer Beratungen. Sie änderte die Regierungsvorlage nicht unerheblich ab. Gegen diese Änderung hat sich der Bundesrat gewandt, weil er glaubte, auf die ursprüngliche Fassung nicht verzichten zu können. Dieses Verlangen des Bundesrates war Gegenstand sehr eingehender Beratungen im Vermittlungsausschuß, deren Ergebnis die Billigung der Bundestagsfassung war. In der genannten Vorschrift heißt es, daß die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu versagen sei, „wenn der Bewerber die freiheitliche demokratische Grundordnung in strafbarer Weise bekämpft". Mit Absicht wurde bei der Formulierung dieser Bestimmung der Ausdruck „bekämpft", d. h. das Präsens gebraucht. Es wurde als einmütige Auffassung des Vermittlungsausschusses von dessen Vorsitzendem festgestellt - der Berichterstatter wurde ausdrücklich beauftragt, diese einmütige Aufassung des Ausschusses in seinen Bericht aufzunehmen und sie bei der Berichterstattung dem Hohen Hause mitzuteilen --, dieses Präsens sei nicht dahin zu verstehen, daß die Gegenwärtigkeit
Hoogen
des Bekämpfens schon dadurch ausgeschlossen werde, daß die strafbare Handlung etwa sechs Monate oder ein Jahr oder noch länger zurückliege, daß als Tatbestand nicht ein Bekämpfen noch im Augenblick der ehrengerichtlichen Verhandlung gefordert werde, daß vielmehr der Tatbestand der Vorschrift dann erfüllt sei, wenn der Bewerber ein strafbares Verhalten in einer Zeit an den Tag gelegt habe, die einer noch nicht abgeschlossenen Vergangenheit angehöre, und er deshalb in der Gegenwart noch eine Gefahr darstelle.
Schließlich hat sich der Vermittlungsausschuß noch gegen die vom Bundesrat verlangte Streichung des § 215 des Gesetzentwurfs gewandt. Diese Vorschrift sieht vor, daß Rechtsanwaltskammern bestehenbleiben, deren Sitz sich nicht am Sitze eines Oberlandesgerichts befinden. Der Vermittlungsausschuß vertrat mit dem Bundestag die Auffassung, daß diese Kammern nur aufgelöst werden sollten, wenn sie ihre Auflösung selber beschließen. Ich darf hinzufügen: es ist bekannt, daß es sich um die Kammern in Tübingen, Kassel und Freiburg handelt. Gegen den in dieser Bestimmung zum Ausdruck kommenden Grundsatz der Selbstverwaltung konnten durchschlagende Argumente nicht vorgetragen werden. Insbesondere waren Interessen der Rechtspflege, die gegen das Bestehen solcher Kammern sprächen, nicht ersichtlich.
Aus allen diesen Erwägungen kam der Vermittlungsausschuß zu dem Ihnen vorliegenden Vermittlungsvorschlag. Für die Abstimmung darf ich hinzufügen, daß nach Ansicht des Vermittlungsausschusses über alle Änderungsvorschläge nur gemeinsam abgestimmt werden sollte.
Ich darf Sie bitten, dem Vorschlag des Vermittlungsausschusses zuzustimmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wird das Wort zur Abgabe von Erklärungen gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Es soll, wie Sie soeben gehört haben, über die Vorschläge gemeinsam abgestimmt werden. Ich lasse also über die Änderungsvorschläge des Vermittlungsausschusses abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Ohne Enthaltungen gegen einige Stimmen angenommen.
Ich rufe auf Punkt III der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes ({0}) zu dem Gesetz über die Tuberkulosehilfe ({1}).
An Stelle des verhinderten Herrn Staatsministers Dufhues ist Berichterstatter wiederum Herr Abgeordneter Hoogen.
Hoogen ({2}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach der ihnen zugegangenen Drucksache 1014 hatte der Bundesrat hinsichtlich des vom Hohen Hause verabschiedeten Gesetzes über die Tuberkulosehilfe den Vermittlungsausschuß aus den in dieser Drucksache angeführten Gründen angerufen. Der Vermittlungsausschuß hat sich in seiner Sitzung vom 24. April mit dem Anliegen des Bundesrats beschäftigt. Das Ergebnis seiner Beratungen finden Sie in der Ihnen vorliegenden Drucksache 1034.
Die Anrufung des Vermittlungsausschusses erfolgte aus drei voneinander unabhängigen Gründen. Zunächst empfiehlt Ihnen der Vermittlungsausschuß die ersatzlose Streichung des § 21. Bei dieser Vorschrift handelt es sich um die vom Bundestag vorgesehene Mitwirkung der Landkreise und der kreisfreien Städte bei der Ausführung des Gesetzes. Hiergegen wendet sich der Bundesrat zunächst aus verfassungsrechtlichen Gründen. Er erblickt in dieser Vorschrift einen unzulässigen Eingriff in den Kompetenzbereich der Länder für das kommunale Verfassungsrecht und in das Recht des kommunalen Finanzausgleichs, welches ebenfalls ausschließlich dem Landesgesetzgeber vorbehalten sei.
Der Vermittlungsausschuß konnte sich diesen nach seiner Meinung zutreffenen Erwägungen des Bundesrats nicht verschließen. Er glaubt infolgedessen, dem Hohen Hause die Streichung des § 21 des Gesetzentwurf vorschlagen zu sollen.
Hierbei ließ er sich auch von folgender Erwägung leiten. Seitens der Ländervertreter wurde im Vermittlungsausschuß mit besonderer Betonung erklärt, daß für die durch § 21 vorgesehene bundesrechtliche Regelung deshalb kein Bedürfnis bestehe. weil in den Ländern bei der Durchführung entsprechender Aufgaben bereits ohnehin im Sinne der in § 21 vorgesehenen Regelung verfahren werde. Nach der einheitlichen Auffassung des Bundesrats sei deshalb eine solche Regelung nicht notwendig, zumal alle Länder auch in Zukunft einheitlich im Sinne der (in § 21 vorgesehenen Regelung verfahren würden. Gerade im Hinblick auf diese Erklärung glaubte der Vermittlungsausschuß Ihnen die Streichung des § 21 empfehlen zu sollen.
Die Anrufung des Vermittlungsausschusses erfolgte weiterhin, um eine Änderung des § 32 des Gesetzentwurfs zu ermöglichen. Diese Vorschrift enthält eine Änderung der einschlägigen Bestimmungen der Reichsversicherungsordnung, des Angestelltenversicherungsgesetzes und des Reichsknappschaftsgesetzes. Durch § 32 soll in die genannten Gesetze jeweils eine Vorschrift eingefügt werden, in der die Tuberkulosehilfeverpflichtungen der Versicherungsanstalten im einzelnen geregelt sind. Nach der Auffassung des Bundesrats, der sich der Vermittlungsausschuß angeschlossen hat, ist in den einschlägigen Bestimmungen der angeführten Gesetze die Anfügung einer das Übergangsgeld betreffenden Bestimmung notwendig, um eine bestehende Lücke - worauf der Bundesrat hingewiesen hat - auszufüllen.
§ 36 des Gesetzentwurfs endlich behandelt die Kostenregelung. Hier verlangt der Bundesrat, daß sich der Bund zur Hälfte nicht nur an den Leistungen im Falle der stationären Dauerbehandlung vom Beginn des zweiten Jahres an, sondern an sämtlichen Kosten der Heilbehandlung beteilige.
In diesem Falle konnte der Vermittlungsausschuß sich nicht entschließen, dem Anliegen des Bundes3678
Hoogen
rates im Grundsatz zu folgen. Mit Rücksicht auf die durch die Neuregelung den Landesfürsorgeverbänden zugewachsenen Aufgaben glaubt er jedoch, dem Hohen Hause eine Ubergangsregelung empfehlen zu sollen, die dem Anliegen des Bundesrates hinsichtlich der Kosten für die ersten beiden Jahre nach dem Inkraftreten des Gesetzes Rechnung trägt, damit die infolge der zusätzlichen Kostenbelastung der Landesfürsorgeverbände zu befürchtenden Ubergangsschwierigkeiten vermieden werden.
So weit der Bericht des Vermittlungsausschusses. Für die Abstimmung darf ich darauf hinweisen, daß eine gemeinsame Abstimmung über die drei Änderungsvorschläge des Vermittlungsausschusses mit Rücksicht auf meine Ausführungen zu Beginn des Berichts nicht erforderlich ist.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. - Das Wort zur Abgabe einer Erklärung hat der Abgeordnete Spitzmüller.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Fraktion der Freien Demokratischen Partei habe ich folgende Erklärung abzugeben:
Im Interesse einer schnellen Hilfe für die Tuberkulosekranken und einer Neuregelung des Tuberkuloserechts stimmen wir den Vorschlägen des Vermittlungsausschusses zu. Wir müssen jedoch noch einmal unsere Bedenken gegen die Streichung des § 21 vorbringen. Gerade diese Bestimmung sollte nicht nur im Interesse des einzelnen Kranken und seiner Familie, sondern auch aus gesundheitspolitischen Gründen die Leistungen der wirtschaftlichen Hilfe unmittelbar nach der Feststellung der Behandlungsbedürftigkeit sicherstellen. Wir geben der Hoffnung Ausdruck, daß die formelle Begründung des Bundesrates für die Streichung dieser Bestimmung der einzige Grund war und daß sachliche Bedenken gegen diese Regelung nicht vorliegen. Es wird jetzt Sache der Länder sein, so schnell wie möglich nach vorheriger Abstimmung einheitliche landesrechtliche Bestimmungen des gleichen Inhalts zu erlassen, um eine Rechtszersplitterung auf diesem wichtigen Gebiete zu vermeiden.
Das Wort zur Abgabe einer Erklärung hat der Abgeordneten Könen ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Namen der sozialdemokratischen Fraktion habe ich folgende kurze Erklärung abzugeben:
Auch wir bedauern außerordentlich, daß die Streichung des § 21 vorgeschlagen worden ist. Wir sehen uns nicht in der Lage, diesem Streichungsantrag zuzustimmen. Wir müssen unsere Bedenken gegen diese Streichung nach wie vor aufrechterhalten. Wir haben nur die Hoffnung, daß entsprechend den Zusagen, die Herr Innenminister Dufhues im Vermittlungsausschuß gemacht hat, ein reibungsloses Arbeiten auf Grund dieses Gesetzes ermöglicht wird.
Im übrigen nehmen wir an, daß wir bei der Beratung des in Kürze auf uns zukommenden Bundessozialhilfegesetzes Gelegenheit haben, uns über die Erfahrungen mit diesem Gesetz zu unterhalten und dann eventuell Änderungsvorschläge vorzubringen.
Wird weiter das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zu den Abstimmungen, die einzeln vorgenommen werden.
Wer dem Vorschlag des Vermittlungsausschusses unter Ziffer 1 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; dieser Vorschlag ist angenommen.
Wer dem Vorschlag unter Ziffer 2 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; angenommen.
Wer dem Vorschlag unter Ziffer 3, der den § 36 betrifft, zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Einige wenige Gegenstimmen. Enthaltungen? - Angenommen!
Gemäß § 10 der Gemeinsamen Geschäftsordnung des Bundestages und des Bundesrates für den Vermittlungsausschuß haben wir, nachdem alle drei Änderungsanträge des Vermittlungsausschusses getrennt angenommen worden sind, noch die gemeinsame Abstimmung vorzunehmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Mit großer Mehrheit angenommen.
Ich komme nunmehr zu Ziffer IV der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes ({0}) zu dem Zehnten Gesetz zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes ({1}) ({2}).
Das Wort als Berichterstatter hat der Abgeordnete Kunze.
Kunze ({3}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es bedarf nur einer kurzen Begründung für den einstimmig gefaßten Beschluß des Vermittlungsausschusses.
Es handelt sich bei der Zehnten Novelle an diesem Punkte - § 312 Abs. 3 - praktisch darum, das Schwergewicht und die maßgebende Bearbeitung im Blick auf die Millionen Geschädigter in das Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und und Kriegsgeschädigte zu verlegen.
Der Bundesrat hat den Vermittlungsausschuß angerufen, um die bisherige Rechtslage wiederherzustellen und den Finanzminister zur Federführung zu bestimmen. Auf Vorschlag des Berichterstatters hat der Ausschuß einstimmig beschlossen, dem Hohen Hause vorzuschlagen, es bei der Bestimmung zu belassen, daß der Bundesminister für Vertriebene,
Kunze
Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte federführend ist, aber immer im Einvernehmen mit dem Finanzminister, so daß also die gefürchteten Diskrepanzen nicht eintreten können.
Ich habe die Aufgabe, Ihnen vorzuschlagen, dem Beschluß des Vermittlungsausschusses zuzustimmen.
Wird hierzu das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich lasse abstimmen. Wer dem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Ich komme zu Punkt V der Tagesordnung:
Beratung des Einspruchs des Bundesrates gegen das vom Bundestag beschlossene Gesetz über eine Betriebszählung in der Land-und Forstwirtschaft ({0}) ({1}).
Zur Begründung des Einspruches hat das Wort Herr Staatsminister Dr. Schaefer, Schleswig-Holstein.
Dr. Schaefer, Minister des Landes Schleswig-Holstein: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Deutsche Bundestag hat in seiner Sitzung am 22. April dieses Jahres zu dem Landwirtschaftszählungsgesetz 1959, in dem die erste der in den Jahren 1959 bis 1962 vorgesehenen massierten Großzählungen festgelegt ist, den Antrag des Vermittlungsausschusses abgelehnt. Nach diesem Antrag sollte in das Gesetz ein § 10a eingefügt werden, demzufolge der Bund den Ländern als Finanzzuweisung im Sinne des Art. 106 Abs. 5 Satz 2 des Grundgesetzes 80 % der ihnen durch den Vollzug dieses Gesetzes entstehenden Aufwendungen zu erstatten hat. Der Deutsche Bundestag hat aber an seinem ursprünglichen Gesetzesbeschluß, der keinen Beitrag des Bundes zu den Kosten der Länder und Gemeinden vorsieht, unverändert festgehalten..
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 8. Mai dieses Jahres beschlossen, gegen das vom Bundestag in der ursprünglichen Fassung der Regierungsvorlage beschlossene Gesetz gemäß Art. 77 Abs. 3 des Grundgesetzes zur Vermeidung der unzumutbaren finanziellen Belastungen Einspruch zu erheben. Er beruft sich hierbei auch auf den mit großer Mehrheit am 19. Januar dieses Jahres gefaßten Beschluß des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages, demzufolge dieser die Vereinbarkeit des vom Bundesrat vorgeschlagenen § 10a mit dem Grundgesetz bejaht. Ich verweise dieserhalb auf die Ihnen vorliegende Bundestagsdrucksache 1087 vom 8. Mai dieses Jahres.
Als Vertreter des Vorsitzenden des Finanzausschusses des Bundesrates habe ich den Einspruchsbeschluß des Bundesrates hier zu vertreten.
Meine Damen und Herren, die Tatsache, daß der Bundesrat zum ersten Male in der Geschichte der Bundesrepublik einen Einspruch einstimmig eingelegt hat, läßt erkennen, welche große Bedeutung der Bundesrat der Klärung dieser Streitfrage beimißt. Ohne Sie allzusehr mit Einzelheiten zu behelligen, möchte ich nur darauf hinweisen, daß der Finanzfriede zwischen Bund und Ländern, der seinen Niederschlag in der grundlegenden Änderung des Art. 106 des Grundgesetzes gefunden hat, im Jahre 1955 schließlich nur dadurch zustande kam, daß der Vermittlungsausschuß nach zahlreichen Sitzungen in wesentlichen Punkten zu der ursprünglichen Regierungsvorlage zurückkehrte, zu deren Kernstück eine Revisionsklausel und eine Sicherungsklausel gehören.
Der Sinn der Revisionsklausel ist, das Beteiligungsverhältnis des Bundes und der Länder an der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer nur dann zu ändern, wenn die politische oder wirtschaftliche Entwicklung die der bisherigen Steuerverteilung zugrunde liegenden finanzwirtschaftlichen Tatbestände nachhaltig geändert hat. Die Anwendung dieser Klausel erfordert somit stets eine zusammenfassende Würdigung des gesamten jeweilsgegebenen finanzwirtschaftlichen Sachverhalts. Sie ist also ihrem Charakter nach nur anwendbar, wenn grundlegende, dauernde Verschiebungen in den finanzwirtschaftlichen Beziehungen zwischen Bund und Ländern nachweisbar sind.
Demgegenüber stellt die Sicherungsklausel in Art. 106 Abs. 5 des Grundgesetzes nicht auf die gesamte finanzwirtschaftliche Entwicklung ab, wie sie sich ohne Zutun der Beteiligten, also aus der Lage selbst heraus ergeben kann, sondern darauf, daß die Länder gegen finanzielle Belastungen gesichert werden sollen, die ihnen durch die Gesetzgebung des Bundes erwachsen können. Sofern es sich darum handelt, daß den Ländern durch Bundesgesetz zusätzliche Ausgaben auferlegt oder Einnahmen entzogen werden und dieser Tatbestand eine längere Zeit andauert, beeinflußt er naturgemäß auch die gesamte finanzwirtschaftliche Entwicklung zwischen den bei- den Partnern des sogenannten vertikalen Finanzausgleichs. Insofern ist es durchaus berechtigt, daß für den Fall, daß es sich um langfristige Mehrausgaben zu Lasten der Länder handelt, die Sicherungsklausel mit dem Ziel der Erhöhung des Länderanteils an der Einkommen- und Körperschaftsteuer nur dann zum Zuge kommt, wenn die umfassenden Voraussetzungen der schwer zu handhabenden Revisionsklausel gegeben sind. Dies ist im Art. 106 Abs. 5 Satz 1 ausdrücklich bestimmt.
Satz 2 dieses Absatzes aber, der die hier zu behandelnde Streitfrage betrifft, sieht vor, daß die Mehrbelastung der Länder, wenn sie nur auf einen kurzen Zeitraumbegrenzt ist, durck ein zustimmungsbedürftiges Bundesgesetz auch mit Finanzzuweisungen des Bundes ausgeglichen werden kann. Schon aus der Wortfassung dieser Bestimmung muß der Schluß gezogen werden, daß für diesen Fall die Voraussetzungen der Revisionsklausel nicht gegeben zu sein brauchen. Dies ist finanzwirtschaftlich auch durchaus sinnvoll, und zwar eben deshalb, weil eine kurzfristige Mehrbelastung der Länder nicht eine umfassende Würdigung der gesamten finanzwirtschaftlichen Beziehungen zwischen Bund und Ländern erfordert.
Dr. Schaefer
In diesem Sinne heißt es in der Begründung zu den Finanzreformgesetzen in der Bundestagsdrucksache 480 des Jahres 1954 ausdrücklich, daß die Gewährung von bloßen Finanzzuweisungen nur eine leichter zu handhabende Sonderform der Revision sei, die darüber hinaus auch der Verwaltungsvereinfachung diene. Demgemäß wird auch in dem maßgebenden Kommentar zum Haushaltsrecht und der Finanzreform von Vialon in der neuesten Auflage dieses Jahres der Standpunkt vertreten, daß die schwer zu handhabende Revisionsklausel nur in Betracht komme, wenn es sich nicht um zeitlich vorübergehende Belastungen handle.
Die Bundesregierung vertritt jedoch in ihrer Antwort zur Stellungnahme des Bundesrats in der Drucksache 687 vom 28. November 1958 abweichend hiervon den Standpunkt, daß auch in dem vorliegenden Falle, in welchem es sich um eine erhebliche Mehrbelastung der Länder für einen nur kurzen Zeitraum handelt, die Anwendung der Revisionsklausel erforderlich ist. Wenn dem so wäre, würde sich die Frage erheben, warum der Gesetzgeber bei der Fassung der Sicherungsklausel ausdrücklich einen Unterschied gemacht hat, je nachdem, ob es sich um langfristige oder kurzfristige Mehrbelastungen der Länder handelt. Hätte der Bundesrat seinerzeit, im Jahre 1955, damit rechnen müssen, daß die Bundesregierung heute der Sicherungsklausel die von ihr vertretene Auslegung gibt, so hätte er damals bestimmt nicht den Finanzreformgesetzen zugestimmt.
Ich möchte noch darauf hinweisen, daß selbst die Bundesregierung anläßlich der in Zusammenhang mit der Finanzreform vorgenommenen Änderung des Gesetzes über die Statistik für Bundeszwecke in ihrer Begründung darauf hingewiesen hat, daß, sofern den Ländern oder Gemeinden durch bundesgesetzlich angeordnete einmalige Erhebungen zusätzliche Kosten von erheblicher Bedeutung auferlegt werden, die entsprechende Vorschrift der Sicherungsklausel zum Zuge komme.
Ich hoffe, das Hohe Haus durch meine Darlegungen davon überzeugt zu haben, daß meine Bitte berechtigt ist, den einstimmig gefaßten Einspruch des Bundesrates heute nicht zu überstimmen, um nicht den Ländern und Gemeinden zusätzliche Kosten im Gesamtbetrage von rund 115 Millionen DM - denn man darf das vorliegende Gesetz ja nur in Zusammenhang mit dem Großzählwerk als Ganzes sehen - aufzubürden. Ein solcher Beschluß würde auch nichts weiter verschlagen, weil das Gesetz, das dann nicht zustande käme, nicht mehr eilbedürftig ist; denn die Landwirtschaftszählung, die Anfang Mai hätte beginnen müssen, kann in diesem Jahr nun ohnehin nicht mehr durchgeführt werden.
Meine Damen und Herren, zu diesem Punkt der Tagesordnung sind nur Erklärungen zulässig. Zu einer solchen erteile ich das Wort dem Abgeordneten Dr. Dollinger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Fraktion der CDU/ CSU habe ichfolgende Erklärung abzugeben:
Die Fraktion der CDU/CSU ist nach wie vor der Auffassung, daß die grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken, die auch gegen den Vermittlungsvorschlag des Vermittlungsausschusses bestanden, nicht ausgeräumt sind. Auf Grund des § 8 des Gesetzes über die Statistik für Bundeszwecke vom 3. September 1953 in der Neufassung des Vierten Überleitungsgesetzes vom 27. April 1955, der wie folgt lautet:
Die Kosten der Bundesstatistiken werden, soweit sie bei den Bundesbehörden entstehen, vom Bund, im übrigen von den Ländern getragen.,
ergibt sich klar, wie die Kosten zu tragen sind.
Die Fraktion der CDU/CSU hätte gern einer Lösung zugestimmt, wie sie die Bundesregierung im Vermittlungsausschuß angeregt und der Abgeordnete Kunze beantragt hat. Die Lösung lag im Rahmen des Art. 106 Abs. 5 Satz 2 GG und gab den Ländern und Gemeinden eine Hilfe, ohne die Verfassungsfrage zu präjudizieren. Nach der Ablehnung dieser Lösung bleibt meiner Fraktion zu ihrem großen Bedauern zu diesem Zeitpunkt keine andere Möglichkeit, als den Einspruch des Bundesrates zurückzuweisen.
Werden weitere Erklärungen abgegeben? - Herr Abgeordneter Wittrock!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf namens der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion folgendes erklären.
Die sozialdemokratische Fraktion schließt sich der Auffassung an, die vom Bundesrat vertreten wird. Wir sind der Meinung, daß aus grundsätzlichen Erwägungen eine Klärung des anstehenden Problems erfolgen muß, und zwar im Sinne der Überlegungen, die bereits im Rechtsausschuß des Bundestages angestellt worden sind und die auch Gegenstand von Erörterungen im Vermittlungsausschuß des Bundestages und des Bundesrates waren. Aus diesen Erwägungen - ich möchte keine Ausführungen zu dem Problem selber machen; der Berichterstatter des Bundesrates hat das Notwendige vorgetragen - wird die sozialdemokratische Bundestagsfraktion dem Einspruch des Bundesrates zustimmen.
Wird weiter das Wort gewünscht? Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung. Zur Überstimmung des Einspruchs des Bundesrates ist eine Mehrheit von zwei Dritteln der anwesenden Mitglieder des Bundestages, mindestens jedoch die Mehrheit der gesetzlichen Mitgliederzahl des Bundestages erforderlich. Diese Mehrheit beträgt ohne die Berliner Abgeordneten 249. Es müssen daher mindestens 249 anwesende Mitglieder gegen den Einspruch stimmen, damit er zurückgewiesen werden kann. Es bleibt also nichts anderes übrig, als die Abstimmung durch Auszählung vorzunehmen, um das Ergebnis einwandfrei festzustellen. Ich bitte, den Saal zu räumen. Ich bitte die Schriftführer, sich an die Türen zu begeben.
Meine Damen und Herren, wir stimmen ab über die Zurückweisung des Einspruchs des Bundesrats. i Wer den Einspruch des Bundesrats gegen das Gesetz zurückweisen will, der stimmt mit Ja. Wer der Meinung des Bundesrats ist, stimmt mit Nein. Die übrigen enthalten sich der Stimme.
Ich eröffne die Abstimmung durch Auszählung.
Ich wiederhole: wer für die Zurückweisung des Einspruchs des Bundesrats ist, der stimmt mit Ja; wer im Sinne des Bundesrats stimmen will, der stimmt mit Nein.
({0})
- Meine Damen und Herren, Ich habe den Eindruck, daß Mißverständnisse vorliegen. Wer den Einspruch des Bundesrats gegen das Gesetz zurückweisen will, wie es die CDU/CSU-Fraktion verlangt hat, stimmt mit Ja. Wer mit dem Bundesrat stimmt, wie es meines Wissens die SPD-Fraktion bekundet hat, stimmt mit Nein. Ich glaube, mit diesem Kommentar ist die Frage leichter geworden. Ich bitte also, noch einmal den Saal zu räumen, damit gar keine Zweifel bestehen.
Ist der Saal geräumt? - Dann eröffne ich erneut die Abstimmung. Wer den Einspruch des Bundesrates zurückweisen will, den bitte ich durch die Ja-Türe zu gehen, wer im Sinne des Bundesrates ist, der gehe durch die Nein-Tür, die übrigen enthalten sich. Die Abstimmung durch Auszählung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, ich werde von maß) gebender Seite des Hauses darauf aufmerksam gemacht, daß sich erneut Mißverständnisse ergeben haben und wieder verschiedene Kollegen durch die falsche Türe gegangen sind. Ich bedauere dies sehr. Ich möchte noch einmal bekanntgeben: Wer den Einspruch des Bundesrates zurückweisen will, wer es also bei dem ursprünglichen Entwurf des Gesetzes belassen will, der stimmt mit Ja. Wer jedoch gegen das Gesetz Einspruch erheben will im Sinne des Bundesrates, stimmt mit Nein. Ich bitte doch die Herren Fraktionsgeschäftsführer bei den Fraktionen, bei denen einigermaßen Einmütigkeit der Auffassung besteht, es ihren jeweiligen Freunden noch einmal auseinanderzusetzen. Ich möchte es aber selbst noch einmal deutlich sagen: Die Fraktion der CDU/CSU war für die Zurückweisung des Einspruchs. Wenn die Mitglieder der Fraktion dem entsprechen, müßten sie durch die Ja-Tür gehen. Die Fraktion der SPD war für die Stellungnahme des Bundesrates. Sollten ihre Mitglieder dieser Haltung entsprechen, müßten sie durch die Nein-Tür gehen. Damit dürfte doch für die große Mehrheit jedenfalls die Abstimmung geklärter sein als vorher. Ich wiederhole also: Wer den Einspruch zurückweist, durch die Ja-Tür. Dann wird das ursprüngliche Gesetz angenommen. Wer dem Einspruch stattgibt, durch die Nein-Tür. Dann fällt das ursprüngliche Gesetz.
Ich bitte noch einmal, den Saal zu räumen. Ich bedauere sehr; aber es kommt darauf an, daß die Abstimmung einwandfrei ist. Die Damen und Herren aus Berlin können im Saal bleiben; sie stimmen ja hier nicht ab.
Ich bitte, die Türen zu schließen.
Meine Damen und Herren, ich gebe jetzt noch einmal das Verfahren bekannt. Der Einspruch des Bundesrates, der von Herrn Staatsminister Dr. Schaefer begründet worden ist, soll auf Wunsch eines Teils des Hauses zurückgewiesen werden. Wer für die Zurückweisung ist, wer also das ursprüngliche Gesetz wiederherstellen will, der stimmt mit Ja. Wer den Einspruch nicht zurückweisen will, wer der Meinung des Bundesrates ist, der stimmt mit Nein. Wer keinen Entschluß fassen kann, der enthält sich.
Ich eröffne die Abstimmung. - Ich schließe die Abstimmung.
Ich gebe das Ergebnis der Auszählung bekannt Für die Zurückweisung des Einspruchs des Bundesrates wurden 205 Stimmen abgegeben und 156 Stimmen dagegen; 15 Abgeordnete enthielten sich. Die für die Zurückweisung des Einspruchs erforderliche Mindestzahl von 249 Stimmen ist nicht erreicht.
Ich rufe Punkt VI der Tagesordnung auf:
Beratung der Sammelübersicht 11 des Ausschusses für Petitionen ({1}) über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages zu Petitionen ({2}).
Das Wort hierzu wünscht der Herr Abgeordnete Kinat.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Drucksache 1017 - Sammelübersicht 11 des Ausschusses für Petitionen - findet sich auf Seite 66 unter Nr. 881 eine Petition, über die der Bundestag heute noch nicht entscheiden kann. Die Petition hat zwei Teile. Der erste Teil betrifft die fristlose Entlassung eines Angestellten, der 20 Jahre im öffentlichen Dienst stand. Der zweite Teil bezieht sich auf Vorfälle beim Arbeitsamt Detmold; es handelt sich um Unterschlagung, Veruntreuung usw. dieses Angestellten in den Jahren 1949 bis 1953, wofür der Täter über zwei Jahre Gefängnis erhalten hat. In dieser Angelegenheit, derentwegen der Entlassene auch vorstellig gewesen ist, ist noch keine Klarheit erreicht. Der Petitionsausschuß hat den Bundesrechnungshof gebeten, in dieser Sache Nachprüfungen anzustellen. Der Bundesrechnungshof hat einen ersten Bericht gegeben, ist aber mit seiner Arbeit noch nicht fertig.
lch beantrage deshalb - auch namens des Petitionsausschusses -, über diese Petition heute noch keinen Beschluß zu fassen.
Wird hierzu das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Kinat, Sie beantragen also, die Petition Nr. 881 an den Petitionsausschuß zurückzuverweisen? Ich nehme die Abstimmung darüber vorweg. Wer den in der Aufstellung unter Nr. 881 aufgeführten Fall dem Petitionsausschuß zurücküberweisen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist die große Mehrheit; die Rücküberweisung ist beschlossen.
Wer im übrigen dem Antrag des Ausschusses Drucksache 1017 zuzustimmen wünscht, den bitte ich
Vizepräsident Dr. Jaeger
um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen. - Keine Enthaltungen. Der Antrag ist einstimmig angenommen.
Ich rufe auf Punkt VII der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Zusatzprotokoll vom 20. März 1959 zum Abkommen vom 15. Juli 1931 zwischen dem Deutschen Reiche und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der direkten Steuern und der Erbschaftsteuern ({0}) ;
Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses ({1}) ({2}).
({3})
Der Abgeordnete Dr. Königswarter hat einen Schriftlichen Bericht erstattet. Ich danke ihm dafür.
Ich rufe in zweiter Beratung auf Art. 1, - Art. 2,
- Art. 3, - Einleitung und Überschrift. Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Seuffert.
Herz Präsident! Meine Damen und Herren! Die hier vorgeschlagene Lösung ist bei der Verabschiedung des letzten Zusatzprotokolls zum deutsch-schweizerischen Doppelbesteuerungsabkommen bereits besprochen und von uns kritisiert worden. Diese Lösung ist unbrauchbar und unzureichend. Es läßt sich überhaupt keine brauchbare Lösung für derartige Doppelbesteuerungsfälle finden, solange hinsichtlich der Besteuerung der Körperschaften der gegenwärtige Zustand beibehalten wird. Wir werden uns deswegen wie beim letzten Zusatzprotokoll - das ist gleichzeitig eine Erklärung zur dritten Lesung -- der Stimme enthalten.
Wird weiter das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Wer den Artikeln 1, 2 und 3 sowie der Einleitung und Überschrift zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe.
- Enthaltungen? - Bei einigen Gegenstimmen und zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Wird das Wort zur allgemeinen Aussprache gewünscht? -- Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz im ganzen zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe.
- Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen gegen wenige Stimmen angenommen.
Ich rufe auf Punkt VIII der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Preise für Getreide inländischer Erzeugung für das Getreidewirtschaftsjahr 1959/60 sowie über besondere
Maßnahmen in der Getreide- und Futtermittelwirtschaft ({0}) ({1}) ;
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({2}) ({3}).
({4})
Der Berichterstatter, Herr Abgeordneter Dr. Pflaumbaum, hat einen Schriftlichen Bericht erstellt. Ich darf ihm hierfür danken.
In der zweiten Beratung rufe ich auf die §§ 1, -2, - 3, - 4, - 5, - 6, - 7. Wird hierzu das Wort gewünscht? - Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erstere war die Mehrheit; die aufgerufenen Paragraphen sind angenommen.
Ich rufe § 7a auf. Wird das Wort gewünscht? -Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der § 7a ist angenommen.
Ich rufe auf die §§ 8, - 9, - 10, - 11. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Diese Paragraphen sind angenommen.
Ich rufe auf Einleitung und Überschrift. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Einleitung und Überschrift sind angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Wird das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Müller ({5}) !
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Namen der sozialdemokratischen Fraktion habe ich folgende Erklärung abzugeben.
Die sozialdemokratische Fraktion hat im vorigen Jahr erstmalig das Getreidepreisgesetz abgelehnt und ihre Gründe dafür vorgetragen. Bei der Behandlung des Gesetzentwurfes in der 33. Sitzung des Deutschen Bundestages am 20. Juni 1958 hat Herbert Kriedemann darauf verwiesen, daß der Ernährungsausschuß am 19. Juni eine Entschließung angenommen habe, worin die Regierung aufgefordert wird, das Getreidepreisgesetz bereits im Herbst eines jeden Jahres vorzulegen. Diese Entschließung hat eine scharfe Kritik erfahren, nicht weil ihre Absicht zu beanstanden war, sondern vor allem deshalb, weil die sozialdemokratische Fraktion schon vor Jahren in aller Form beantragt hatte, das Getreidepreisgesetz so rechtzeitig einzubringen, daß der Erzeuger sich bei seinem Anbauplan danach richten kann. Der Bauer sollte v o r der Aussaat wissen, welchen Preis er für sein Getreide bekommt. Damals hat die Mehrheit den sozialdemokratischen Antrag abgelehnt. Die Opposition konnte deswegen der erwähnten Entschließung des Ernährungsausschusses keine Bedeutung beimesMüller ({0})
sen. Wie recht sie damit hatte, beweist unwiderleglich die Tatsache, daß erst heute - statt im Herbst des vergangenen Jahres - die zweite und dritte Lesung des Gesetzentwurfs stattfinden kann. Von den guten Vorsätzen ist also - aus welchen Gründen auch immer - nichts übriggeblieben.
Meine Fraktion hat im vergangenen Jahr ihre Ablehnung auf folgende Punkte gestützt: erstens auf die Senkung der Roggenpreise im Zeitpunkt der Ernte, eine Maßnahme, die insbesondere für den Teil der Landwirtschaft sehr hart war, der wegen der Bodenbeschaffenheit auf den Anbau von Roggen angewiesen ist, und zweitens auf die Erhöhung der Futtergetreidepreise. Diese Preiserhöhung war aus zwei Gründen mehr als bedenklich. Professor Baade hat in der Debatte darauf verwiesen, welche Konsequenzen der Vertrag über die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft für die deutsche Landwirtschaft habe. Obgleich die deutschen Getreidepreise innerhalb der EWG mit an der Spitze stehen, hat die Mehrheit in diesem Hause, vielleicht sogar zum Leidwesen der Regierung, eine Preiserhöhung für vertretbar erachtet. Zum anderen aber bedeutete die Erhöhung der Futtergetreidepreise eine schwere Schädigung des Teiles der Landwirtschaft, der auf Veredelungswirtschaft angewiesen ist. Den Betroffenen in unserem Lande werden wesentlich höhere Preise abverlangt als beispielsweise dem holländischen Bauern, dem es infolgedessen verhältnismäßig leicht gelingt, in wachsendem Maße Eier und Schlachtgeflügel auf dem deutschen Markt abzusetzen. Im Jahre 1957 beispielsweise betrug bei einem Verbrauch von 125 000 t Geflügelfleisch die Eigenerzeugung 76 000 t, während 49 000 t eingeführt wurden. Diese Entwicklung wurde systematisch begünstigt durch eine Politik des knappen Marktes in Futtergetreide.
Wenn Herr Kollege Dr. Pflaumbaum in der vorjährigen Debatte glaubte annehmen zu sollen, daß die Erhöhung der Futtergetreidepreise im Gesetz die effektiven Preise nicht ohne weiteres bestimme, so muß doch festgestellt werden, daß in dem nun zu Ende gehenden Getreidewirtschaftsjahr die Futtergetreidepreise mitunter wesentlich über den Höchstpreis hinaus gesteigert worden sind.
Die Interventionspolitik der Einfuhr- und Vorratsstelle gemäß Weisung des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat seit Jahr und Tag unsere Kritik herausgefordert. In dem vom Presse- und Informationsamt herausgegebenen Bericht der Bundesregierung für 1958 „Deutschland im Wiederaufbau" heißt es auf Seite 218 bezüglich der Erhöhung der Reports von 40 auf 45 DM:
Diese Erhöhung soll dazu beitragen, die Lagerhaltung bei Landwirtschaft, Handel, Genossenschaften und Mühlen noch stärker anzuregen und somit die Interventionspflicht der Einfuhr-und Vorratsstelle einzuschränken.
Es steht außer Zweifel, daß diese Erwartungen nicht eingetreten sind, was nicht zuletzt damit zusammenhängt, daß hinsichtlich der Getreidetrocknungskosten keine vernünftige Lösung gefunden werden konnte.
Es darf nicht unerwähnt bleiben, daß der Herr Bundesernährungsminister in der vorjährigen Debatte bezüglich der Roggenpreise ausführte:
Für diejenigen Böden, die auf Roggenanbau angewiesen sind, wird die Bundesregierung dem Bundestag noch eine in den Bundestagsausschüssen zu beratende Vorlage darüber machen, wie denen geholfen werden kann, die auf den Roggenanbau dringend angewiesen sind.
Bei der Beratung des Einzelplans 10 hat der Bundestag in seiner 40. Plenarsitzung gemäß Umdruck 131 eine entsprechende Entschließung angenommen. Trotzdem: die Vorlage ist ausgeblieben.
Abschließend sei darauf hingewiesen, daß der Wirtschaftspolitische Ausschuß bei der Beratung der Vorlage gerade im Hinblick auf den gemeinsamen europäischen Markt - der Berichterstatter Dr. Pflaumbaum hat das dankenswerterweise in seinem Bericht erwähnt - eine langfristige Konzeption der Bundesregierung auf dem Gebiet der Getreidepreise vermißt hat. Die Diskussion im Ernährungsausschuß stand auch in diesem Jahr unter Zeitdruck. Zu der allseits schon vor Jahren als notwendig erachteten Aussprache über die Getreidepolitik ist es nicht gekommen. Es blieb alles beim alten.
Aus all diesen Gründen wird die sozialdemokratische Fraktion bei aller Anerkennung einer vernünftigen Marktordnung den vorliegenden Gesetzentwurf ablehnen.
({1})
Meine Damen und Herren! Ich bitte, in dieser allgemeinen Aussprache, soweit es gewünscht wird, auch wie üblich Entschließungsanträge zu begründen. Wird weiter das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall; dann schließe ich die allgemeine Aussprache.
Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem in der Ausschußfassung, wie sie in zweiter Lesung nunmehr angenommen worden ist, zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Gegen die Stimmen der sozialdemokratischen Fraktion bei einigen Stimmenthaltungen angenommen.
Wir kommen zu dem Entschließungsantrag Umdruck 284 ({0}). Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf Punkt IX der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Änderungsgesetzes über das Bundesverfassungsgericht ({1}) ; Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses ({2}) ({3}); ({4}).
Der Berichterstatter, Herr Abgeordneter Dr. Wahl, hat einen Schriftlichen Bericht erstattet; ich danke ihm dafür.
Vizepräsident Dr. Jaeger
Ich rufe in zweiter Lesung auf Art. 01, - 1, - 2, - 3, - Einleitung und Überschrift. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist die Mehrheit, es ist so beschlossen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall; ich schließe die allgemeine Aussprache.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Eine Enthaltung. Also ohne Gegenstimmen bei einer Enthaltung angenommen.
Wir kommen zum Entschließungsantrag:
Die Bundesregierung wird ersucht,
rechtzeitig einen Gesetzentwurf über die Umwandlung des Bundesverfassungsgerichts aus einem Zwillingsgericht in ein Einheitsgericht für das Jahr 1963 vorzulegen.
Wird hierzu das Wort gewünscht? Bitte, Herr
Abgeordneter Jahn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Namen der sozialdemokratischen Fraktion habe ich zu dem Entschließungsantrag folgende Erklärung abzugeben.
Mit diesem Antrag soll eine Entscheidung vorweggenommen werden, die erst nach sorgfältiger Beratung getroffen werden kann. Die Frage, welche endgültige Form unser höchstes Gericht einmal erhalten soll, kann nicht beiläufig durch eine solche Entschließung beantwortet werden. Gewiß ist es wünschenswert, daß das Verfassungsgericht ein einheitliches Gericht wird. Diese erstrebenswerte Regelung bedeutet aber eine völlige Neuorganisation des Gerichts, die nicht vorgenommen werden kann, ohne daß alle Fragen, die sich dabei ergeben, sorgsam durchdacht werden. Dazu war bisher weder Zeit noch Gelegenheit. Wir wissen nicht einmal, ob schon im Jahre 1963 die Voraussetzungen zu einer Umbildung des Gerichts gegeben sind. Niemand vermag heute abzusehen, oh bis dahin die Zahl der anhängigen Verfahren es gestattet, auf die Arbeit zweier Senate zu verzichten und mit einem einheitlichen Spruchkörper auszukommen. Niemand kann heute schon beurteilen, wieviel Richter schließlich dem Gericht angehören müssen, wenn es seiner hohen Verfassungsaufgabe gerecht werden soll. Nicht zuletzt fehlen uns auch noch die nötigen Erfahrungen, die uns in den Stand setzten, abschließend und gut zu entscheiden.
Die Antragsteller wissen, daß dieser Bundestag über ihre Vorschläge nicht mehr beraten wird. Einen späteren Bundestag können wir nicht durch eine solche Entschließung binden. Der Antrag ist also ohne jede Bedeutung, völlig verfrüht und bestenfalls geeignet, die Schwierigkeit der Entscheidungen zu vertuschen, die zu einem späteren und geeigneteren Zeitpunkt getroffen werden müssen.
Wir bitten Sie deshalb, dem Entschließungsantrag nicht zuzustimmen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Wahl.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der CDU/CSU habe ich zu dem Entschließungsantrag folgende Erklärung abzugeben.
Wir legen Wert auf die Klarstellung - und das ist der Sinn des Entschließungsantrags -, daß die nunmehr hinausgeschobene Herabsetzung der Richterzahl von 10 auf 8 Mitglieder in jedem Senat nicht die Preisgabe unseres Zieles bedeutet, einen Umbau des Bundesverfassungsgerichts durch Schaffung eines einzigen Spruchkörpers an Stelle der jetzt bestehenden zwei Senate herbeizuführen. Diesem Ziel, dessen Problematik schon im Jahre 1956 erörtert wurde, diente die Reform von 1956, die die Verminderung der Richterzahl vorsah. Das jetzige Gesetz könnte zu Mißverständnissen Anlaß geben, weil es wieder auf eine Vermehrung der Richterstellen hinzusteuern scheint. Durch die Entschließung, an deren Annahme die Bereitschaft eines Teils meiner Freunde hängt, das Gesetz heute anzunehmen, werden die Beweggründe des heutigen Gesetzesbeschlusses jeder irrigen Beurteilung entzogen. Auch halten wir es für wichtig, daß sich die Bundesregierung bald überlegt, wie die angestrebte große Reform des Bundesverfassungsgerichts verwirklicht werden kann.
({0})
Wird weiter das Wort gewünscht? -- Das ist nicht der Fall.
Ich komme zur Abstimmung. Wer dem Entschließungsantrag, den ich verlesen habe, zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. -- Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Keine Enthaltungen. Das erste war die Mehrheit; die Entschließung ist angenommen.
Wir kommen zu Punkt X der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Eingliederung des Saarlandes auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes ({0}) ;
Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses ({1}) ({2}).
({3})
Der Berichterstatter, Herr Abgeordneter Deringer, hat einen Schriftlichen Bericht erstattet. Ich danke ihm dafür.
({4})
Wollen Sie als Berichterstatter sprechen?
({5})
- Bitte sehr! Als Berichterstatter dürfen Sie den Schriftlichen Bericht ergänzen.
Deringer ({6}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe meinen Bericht in einem Punkt zu ergänzen bzw. abzuändern. Der Ausschuß hatte seinerzeit bei der Beratung des Gesetzes vor dem ersten Paragraphen einen neuen Abschnitt eingefügt, durch den das Bundesrecht auf dem Gebiete des gewerblichen Rechtsschutzes im Saarland eingeführt werden sollte. Das geschah vorsorglich. Nachdem inzwischen das allgemeine Gesetz über die Einführung des Bundesrechts im Saarland vorliegt, iist dieser Paragraph nicht mehr erforderlich. Ich bitte Sie daher, diesen eingefügten Abschnitt zu streichen, d. h. die Ziffer 1 des Ausschußantrages abzulehnen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Ich rufe gleich als erstes diese Ziffer 1 des Ausschußantrages - „Vor Erster Abschnitt", § 01 - auf. Sie haben den Streichungsantrag gehört. Ich kann nicht über den Streichungsantrag abstimmen lassen, sondern muß über den Antrag des Ausschusses abstimmen lassen, wie der Herr Bericht- erstatter mit Recht gesagt hat. Wenn Sie diesen § 01 streichen wollen, müssen Sie den Ausschußantrag ablehnen. Wer dem Antrag des Ausschusses unter Ziffer 1 zuzustimmen wünscht - was offenbar niemand will -, den bitte ich, das Handzeichen zu geben. - Niemand. Nun bitte ich diejenigen, die gegen die Ziffer 1 des Ausschußantrages sind, um das Handzeichen. - Enthaltungen? - Die Ziffer 1 des Ausschußantrages ist einstimmig abgelehnt.
Ich rufe auf die §§ 1,-2,-3,-4,-5,-6,-7, und zwar in der vom Ausschuß beschlossenen Fassung, die mit der Fassung der Regierungsvorlage übereinstimmt. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zuzustimmen wünscht, den hitte ich um das Handzeichen. - Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf § 8 in Verbindung mit dem Änderungsantrag aller Fraktionen auf Umdruck 273. Wird hierzu das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer dem Änderungsantrag auf Umdruck 273 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Dieser Änderungsantrag ist angenommen.
Wer dem § 8 mit der soeben beschlossenen Änderung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Der § 8 ist in dieser Fassung angenommen.
Ich rufe auf die §§ 9, - 10, - 11, - 12, - 13,
- 14, - 15, - 16, - 17, - 18, - 19, - 20, - 21, - 22, - 23, - 24, - 25, - 26, - 27, - 28, - 29,
- 30, - 31, - 32, - 33, - 34, - 35, - 36, - 37,
- 38, - 39, - 40, - 41, - 42, - 43, - 44, - 45, immer in der Ausschußfassung. - Das Wort wird nicht gewünscht. Ich rufe auch noch die Einleitung und die Überschrift auf. Wer den aufgerufenen Paragraphen sowie der Einleitung und der Überschrift zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich komme zur
dritten Beratung
und eröffne die allgemeine Aussprache. - Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die allgemeine Aussprache.
Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf Punkt XI der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Beförderungsteuergesetzes ({0});
Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses ({1}) ({2}).
({3})
Der Berichterstatter, Herr Abgeordneter Fritz ({4}), hat einen Schriftlichen Bericht erstattet. Ich danke ihm dafür.
Ich rufe auf in zweiter Lesung Art. 1, - 2, - 3, - 4, - Einleitung und Überschrift, und zwar in der vom Ausschuß beschlossenen Fassung. - Wird das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Rademacher!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst dem Herrn Berichterstatter dafür danken, daß er die Initiative der FDP gewürdigt hat, die auf Grund gesammelter Erfahrungen notwendige Änderungen beantragt hatte. Um es etwas deutlicher zu sagen: aus dem Sinn des Gesetzes ist zum Teil ein Unsinn der Auslegung geworden.
Ich darf die Gelegenheit benutzen, auf eine Auslegung des früheren Reichsfinanzhofs hinzuweisen. Der Reichsfinanzhof sagte, daß derartige Spannungen mit dem Rechtssatz zu lösen sind: Auch gegenüber dem klaren Wortlaut ist dem Zweck und der wirtschaftlichen Bedeutung des Gesetzes Geltung zu verschaffen, wenn diese erkennbar eine an sich vom klaren Wortlaut abweichende Auslegung verlangen.
Vielleicht ist es nicht zuviel, wenn man die Fierren Ressortminister und Staatssekretäre bittet, bei solchen Anträgen auch ihre Abteilungschefs zu beauftragen, sich nicht grundsätzlich gegen sinnvolle Änderungen in den Ausschüssen zu wehren, koste es, was es wolle. Ich muß das im einzelnen kurz an den Änderungsanträgen, wie sie jetzt von den Ausschüssen angenommen sind, beweisen.
Seit 1956 kämpft das Land Schleswig-Holstein für seine Fischerei mit den Bundesbehörden z. B. um die Frage, ob Krabben im Sinne des Beförderungsteuergesetzes als frische Fische anzusehen sind. Als man meinte, man habe die Bundesorgane überzeugt, wurde plötzlich gesagt, das könne schon deswegen nicht sein, weil die Krabben mit kochendem Wasser behandelt werden. Nun wissen wir alle, daß die Behandlung mit kochendem Wasser lediglich dazu bestimmt ist, fermentative Zersetzungsvorgänge zu verhindern.
Beinahe wäre es aber auch jetzt wieder schiefgegangen. Jetzt hat sich nämlich von der wissenschaftlichen Seite herausgestellt, daß es sich überhaupt gar nicht um Krabben gehandelt hat. Wir
haben ein Leben lang keine Krabben gegessen, sondern Garnelen. Wie schön, daß wir noch rechtzeitig dahintergekommen sind! Wir werden nun wohl auch die Büsumer Krabbenfischer auffordern müssen, sich in Garnelenfischer umzutaufen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der zweite Punkt betrifft die diskriminierende Behandlung in dem Falle, wenn gemischte Sendungen der Ausnahmeliste von einem Pfennig je Tonnenkilometer zusammengeladen wurden. Auch das ist eine höchst groteske Angelegenheit; denn der Sinn des Gesetzes war doch, einzelnen Warengattungen wie Fischen, Milch, Obst und Gemüse bei ihrer Beförderung diese Ermäßigung aus bestimmten Gründen zukommen zu lassen.
Noch grotesker wurde die Geschichte, wenn Leergut beigeladen war. Dann passierte es, daß wohl das Leergut nach dem Gesetz zum ermäßigten Satze gefahren wurde, aber alle anderen von mir eben angeführten Artikel unterlagen der Beförderungsteuer von 5 Pfennigen je Tonnenkilometer.
Ein zweiter Punkt betraf die Klarstellung, ob Tiere und Geräte von Schaustellern und sonstiges Schaustellergut unter die volle Beförderungsteuer fallen. Eigentlich hätte dieser Teil vollkommen gestrichen werden müssen; denn die Beförderung von Schaustellergut ist zweifellos wesensmäßig nicht dem Werkfernverkehr vergleichbar. Es sollte ja nach dem Sinn des Gesetzes erreicht werden, den Werkfernverkehr auf bestimmten Gebieten einzudämmen. Auch hier ein groteskes Beispiel, wie aus Sinn Unsinn werden kann. So war z. B. der Wohnwagen des Chefs einer Schaustellergesellschaft beförderungsteuerfrei, während der Transport von Wohnwagen der leitenden Leute und der Angestellten der Beförderungsteuer unterlag.
Ich möchte auf unseren anderen Antrag - Seilschwebebahnen und Sessellifte - nicht allzusehr eingehen. Wir haben die Absicht gehabt, diese Transportunternehmen vollkommen freizustellen, aber wir sind dankbar, daß es nun zu einer wesentlichen Ermäßigung gekommen ist. Das ist insbesondere für diejenigen Transportmittel wichtig, die den Gemeinden gehören. Wir kennen die außerordentliche Belastung unserer Gemeinden. Nunmehr erhalten sie wenigstens durch diese Ermäßigung eine kleine Erleichterung.
Ich will hoffen, daß überall deutlich gehört wurde, daß der Bundesminister der Finanzen erklärte, Transporte für sportliche Zwecke unterlägen nicht der Beförderungsteuer, wenn solche Transporte von Sportvereinen durchgeführt werden, die ja in der Regel keine Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuergesetzes sind.
Meine Damen und Herren, wir, die Freie Demokratische Partei, und vor allem die Betroffenen sind sehr erfreut, daß wenigstens diesmal der gesunde Menschenverstand den Erfolg davontragen wird, wenn Sie so freundlich sind, diesen Änderungen zuzustimmen.
Wird des weiteren das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Wer den Artikeln 1, 2, 3, 4 sowie der Einleitung und der Überschrift zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Es ist so beschlossen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. - Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die allgemeine Aussprache.
Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Soweit ich sehe, keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Auch keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt XII der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung von Bundesrecht im Saarland ({0}).
Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage Überweisung an den Rechtsausschuß vor. - Es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt XIII der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Einführung von Bundesrecht im Saarland ({1}).
Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage Überweisung an den Rechtsausschuß vor. - Es ist so beschlossen.
Wir kommen zu Punkt XIV der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Einführung von Beamtenrecht des Bundes im Saarland ({2}).
Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage Überweisung an den Ausschuß für Inneres vor. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt XV auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Kreditermächtigungen aus Anlaß der Erhöhung der Beteiligungen der Bundesrepublik Deutschland an dem Internationalen Währungsfonds und an der Internationalen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung ({3}).
Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage Ihnen vor, den Gesetzentwurf an den Wirtschaftsausschuß - federführend - und an den Haushaltsausschuß zur Mitberatung zu überweisen. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt XVI der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Wirtschaftsplans des ERP-Sondervermögens für das Rechnungsjahr 1959 ({4}) ({5}).
Vizepräsident Dr. Jaeger
Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage Ihnen Überweisung an den Wirtschaftsausschuß - federführend - und an den Haushaltsausschuß zur Mitberatung vor. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Wir kommen zu Punkt XVII der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für' Atomkernenergie und Wasserwirtschaft ({6}) über den Entwurf der Verordnung Nr. 3 der Kommission der Europäischen Atomgemeinschaft zur Bestimmung der Art und des Umfanges der in Artikel 79 des Vertrages vorgesehenen Verpflichtungen
und den Entwurf einer Verordnung des Rates der Europäischen Atomgemeinschaft zur Bestimmung der Konzentrierung der in Artikel 197 Nr. 4 des Vertrages erwähnten Erze ({7}).
Es liegt ein Mündlicher Bericht des Ausschusses vor. Der Berichterstatter Abgeordneter Geiger ist erkrankt. Der Bericht ist soeben als Drucksache zu 1049 an das Hohe Haus verteilt worden. Auf dieser Grundlage können wir also verhandeln.
Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich darf dem erkrankten Kollegen für den Schriftlichen Bericht danken.
Meine Damen und Herren, wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen.
Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.
Meine Damen und Herren, wir kommen nunmehr zu Punkt XVIII, der uns in den folgenden Tagen in der Hauptsache beschäftigen wird:
Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1959 ({8}) ({9}).
Berichte des Haushaltsausschusses ({10}).
Bevor wir in die Beratung der Einzelpläne eintreten, ist nach den Vereinbarungen des Ältestenrats eine allgemeine Aussprache vorgesehen. In dieser erteile ich das Wort dem Abgeordneten Ritzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Möglichkeiten, die die Geschäftsordnung für die zweite Beratung bietet, sollten, nachdem der Haushaltsausschuß in sehr mühevoller, etwa dreieinhalb Monate währender Arbeit den Etat von nahezu 40 Milliarden DM durchberaten hat, vom Plenum genutzt werden. Ich möchte die Gelegenheit benutzen, um zu der Möglichkeit der Deckung grundlegend zu sprechen, die für unsere Anträge, welche Ihnen zum größten Teil bereits zur zweiten Beratung vorliegen dürften, notwendig wird.
Wir haben Anträge gestellt, die sich sowohl auf den ordentlichen als auch auf den außerordentlichen Haushalt beziehen. In einem Gesamtrahmen von rund 40 Milliarden DM sind natürlich erhebliche Meinungsdifferenzen in bezug auf die Berechtigung oder Nichtberechtigung des einen oder anderen Ansatzes möglich. Hier offenbaren sich eben die Unterschiede in der Grundauffassung, die auch im Haushalt eines Staates wie der Bundesrepublik Deutschland ihren Ausdruck finden müssen und auch finden. Wir haben nach unseren Fraktionsberatungen gestern zusammengestellt, welche Endsumme unsere bis jetzt zum Haushalt gestellten Anträge ergeben. Die Endsumme beträgt rund 1,3 Milliarden DM, Herr Bundesfinanzminister. Ich kann mir denken, daß der Herr Bundesfinanzminister - um mit den Worten Wilhelm Buschs zu sprechen - von „tiefer Empörung" erfaßt ist. Wilhelm Busch sagt einmal sehr nett: „Besonders tief und voll Empörung fühlt er" - der Finanzminister - „die pekuniäre Störung".
({0})
Zur moralischen und tatsächlichen Rechtfertigung und zu der Frage der Deckungsmöglichkeit möchte ich hier einige Bemerkungen machen. Ich möchte aber vorausschicken, daß die sozialdemokratische Bundestagsfraktion nicht eine Erhöhung der Endsumme des Etats anstrebt. Wir wollen, daß im Rahmen der verfügbaren Möglichkeiten eine Verlagerung der Ausgaben erfolgt. Ich will meinen Freunden in bezug auf die Einzelbegründung nicht vorgreifen, sondern möchte mich in der Hauptsache auf grundsätzliche Bemerkungen beschränken.
Am Anfang unserer Überlegungen muß eine kurze Ubersicht darüber stehen, wie sich uns der mühselig erreichte Ausgleich des Haushalts 1959 darstellt. Das Ziel, das der Herr Bundesfinanzminister in seiner ersten Etatrede aufzeigte, am Rande des Defizits zu wandeln, ist wohl zur vollen Zufriedenheit des Herrn Bundesfinanzministers erreicht. Herr Bundesfinanzminister, Sie wandeln jetzt mit Ihrem Etat am Rande des Defizits. Man könnte im Hinblick auf gewisse Ausgaben, die die Regierung und die Regierungsmehrheit bereits gebilligt haben, sogar davon sprechen, daß Sie angesichts der Zurückstellung notwendiger Ansätze, die bereits im Haushaltsplan der Regierung hätten erscheinen müssen, den Rand des Defizits nicht unerheblich überschritten haben.
Der Haushalt schließt im ordentlichen Teil nunmehr mit 35,6 Milliarden, im außerordentlichen mit 4,1 Milliarden, im ganzen mit 39,78 Milliarden DM ab. Sein Ausgleich war nur möglich durch die Ausschöpfung des letzten Restes - sofern die Mitteilungen richtig sind, was ich nicht weiß - des Juliusturms, des sogenannten Rückstellungskontos mit 1,2 Milliarden DM - im Vorjahr waren es 1,8 Milliarden -, durch eine erneute Sperrung von 6 0/o der Ansätze aller dafür in Frage kommender Titel der Einzelpläne, durch eine nicht unwesentliche Erhöhung, nämlich um 200 Millionen DM, der Einnahmeansätze bei Bundessteuern und durch das sehr eigenartige und zu vielem Nachdenken an- regende System der sogenannten Bindungsermäch3688
tigungen. Sie stellen also Beträge ein, Sie geben Geld aus, ohne daß Deckung vorhanden ist; Sie erlauben, daß eine Verpflichtung eingegangen wird - das ist der Inhalt des Begriffs „Bindungsermächtigung" -, aber es ist keine Deckung vorhanden.
Ich denke da an eine der mich am meisten berührenden Bindungsermächtigungen im Bereich des Verkehrshaushalts, die berühmte 200-MillionenBindungsermächtigung, die einen nicht zustande gekommenen Etatansatz von 491 Millionen DM - das sind die Kursivzahlen - im Einzelplan 14 ersetzen sollen. Ich denke auch an die vagen Hoffnungen, mit denen man glaubt, noch im Laufe dieses Rechnungsjahres - siehe Produktion des Höcherl-Ausschusses oder nicht ausgegebene Gelder im Bereich des Einzelplans 14 - zu einer Deckung dieser 200 Millionen DM zu kommen. Ich glaube, das Haus ist bei ernster und nüchterner Überlegung mit mir in der Feststellung einig, daß das ungute Methoden sind.
Sie haben dann die große, wie soll ich sagen, Manipulation auf dem Gebiete des Verteidigungshaushalts zur vorläufig letzten Vollendung geführt. Ich bezweifle, ob sich der Herr Bundesverteidigungsminister selber über den eigentlichen Inhalt seines Etats im klaren ist, so wie er jetzt vom Haushaltsausschuß verabschiedet worden ist. Vielleicht ist es nützlich, dazu einige Tatsachen anzuführen.
Nominell sind im Verteidigungshaushalt von Anfang an 11 Milliarden DM vorgesehen worden. Davon wurden durch die Vorschläge der Bundesregierung zur Nachdeckung von nicht gedeckten Resten 4 Milliarden DM bestimmt. Diese 4 Milliarden mußten wegen des Ausgleichs des Etats um 2,5 Milliarden Minderausgabe reduziert werden, die also wieder quasi als Einnahme im Einzelplan 60 erscheint, so daß zur Nachdeckung von Resten jetzt nur noch 1,5 Milliarden DM zur Verfügung stehen. Setzt man diese Minderausgabe von 2,5 Milliarden DM von der Gesamtsumme von 4 Milliarden, die für die Restedeckung vorgesehen war, ab, dann stehen dem Bundesverteidigungsminister im Etat 1959 7 Milliarden DM zur Verfügung, außerdem die nachgedeckten 1,5 Milliarden DM, macht zusammen 8,5 Milliarden DM.
Die Rechnung wird immer komplizierter, aber sie ist interessant. Von den 7 Milliarden entfallen dann rund 1,8 Milliarden auf Personalausgaben, so daß für kurzbare Titel 5,2 Milliarden verbleiben, die unter die Sperre von 60/o fallen. Macht der Bundesfinanzminister von der Sperre von 60/o Gebrauch, dann kann man daraus 312 Millionen DM einsparen. Es stehen also dem Bundesverteidigungsminister in diesem Haushaltsjahr 6688 Millionen DM zur Verfügung, von denen 1,8 Milliarden auf Personalausgaben entfallen, so daß für Sachausgaben 4888 Millionen DM im Haushalt 1959 bereitstehen, ferner die erwähnten 1,5 Milliarden für die Restedeckung.
Es wird bei der Etatberatung möglich sein, auf die Notwendigkeit der Einsparung im Rahmen des Personalhaushalts des Bundesverteidigungsministers hinzuweisen. Wir sehen darin die Möglichkeit einer echten Deckung. Es wird auch möglich sein, darauf hinzuweisen, daß vermutlich der eben festgestellte Betrag für die Sachausgaben im Rechnungsjahr 1959 nicht voll verausgabt werden kann, so daß sich dadurch eine weitere Deckungsmöglichkeit ,ergibt.
Meine Damen und Herren, die Abschlußzahlen, die uns natürlich bei der Beratung unserer Änderungsanträge vorlagen, haben das Bild des Haushalts praktisch verzerrt. In diesem Haushaltsjahr werden Mittel beansprucht, die anderen Zwecken weggenommen werden. Das interessanteste Beispiel ist, daß in dem Etatansatz der Regierung nichts für die Erhöhung der Kriegsopferrenten vorgesehen war - ein Problem, das das Parlament noch sehr eingehend beschäftigen wird -, während beispielsweise für die Rückzahlung von Nachkriegswirtschaftshilfen Beträge an die USA und an England, die erst in den Jahren 1964/1965 fällig geworden wären, mit einer Gesamtsumme von 891,8 Millionen DM in einem einzigen Rechnungsjahr, im Haushalt des Jahres 1959, untergebracht worden sind. Wir halten das für eine sehr unglückliche Politik und beanstanden die Belastung nur eines Haushaltsjahres und die Direktbelastung, die sich dadurch für den deutschen Steuerzahler ergibt.
Dabei ist auf die Tatsache zu verweisen, daß unter dem Begriff der völkerrechtlichen Hilfsverträge - Finanzhilfe für Großbritannien, Darlehen an die Türkei - im ordentlichen und außerordentlichen Haushalt insgesamt 194,5 Millionen DM gebucht sind. Auch ist die Tatsache zu verzeichnen, daß in Fortsetzung des Systems, das auch damals nicht zu billigen, aber noch eher zu verstehen war, des Systems aus der Zeit Ihres Vorgängers, Herr Bundesfinanzminister, des Herrn Schäffer, vermögenswirksame Ausgaben in hohem Wert mit hohen Beträgen im ordentlichen Haushalt zu Lasten der Steuerzahler Jahr um Jahr einzubringen und sich vom Hause genehmigen zu lassen, dieses Verfahren auch in diesem Haushalt 1959 in einer Größenordnung geübt wird, die erstaunlich ist. Wir sehen hier eine echte Möglichkeit des Ausweichens gegenüber notwendigen Ausgaben auf anderem Gebiet; denn es sind Ansätze von nicht weniger als mehr als 2 Milliarden in diesem Haushaltsplan 1959 im ordentlichen Haushalt - zu decken aus Steuereinnahmen - enthalten, die für Darlehen, für Grundstückserwerb, für Hochbauten etc. ausgegeben werden sollen.
({1})
In der kleinsten Dorfgemeinde, etwa in BullauEutergrund oder sonst irgendwo kann nicht ein halber Schulsaal erstellt werden ohne Aufnahme eines Darlehens bei der Bezirks- oder Kreissparkasse. Hier sollen wir in einem Haushaltsjahr in Fortsetzung der bisherigen Politik erneut mehr als 2 Milliarden an vermögenswirksamen Ausgaben bewilligen, und entsprechend würde sich also das Bundesvermögen erhöhen.
Gerade diese Tatsache lenkt auf Bedenken, die wir wegen der erneuten Nichtberücksichtigung der Gemeinden in diesem Haushalt haben. Wir hätten erwartet, daß die Planer des Haushalts 1959 ein größeres Verständnis - wie es nach früheren Darlegungen des Herrn Bundesfinanzministers zu er-
warten war - zugunsten der Gemeinden gezeigt hätten. Wir fordern eine gleichrangige Behandlung von Bund, Ländern und Gemeinden. Die Gemeinden dürfen nicht etwa in die gleiche Situation gebracht werden, in die unsere Straßen durch die jetzige und die verflossene Finanzpolitik gebracht wurden. Langsam wächst sich die Entwicklung auf manchen Gebieten zur Katastrophe aus. Es darf dem Bundestag einmal gesagt werden, daß an dem rund 50,2 Milliarden DM betragenden Gesamtsteueraufkommen in Bund, Ländern und Gemeinden der Bund mit 28,2 Milliarden DM beteiligt ist, die Länder mit 14,7 Milliarden, die Gemeinden mit 7,3 Milliarden. Bei der Verschuldung aber sieht es beinahe umgekehrt aus. Auch hier eine staatspolitisch sehr bedenkliche Entwicklung! Ich möchte gerade die Herren von der Regierungsmehrheit bitten, dieser Feststellung ihre ganz besondere Aufmerksamkeit zuzuwenden.
Ich habe noch einige andere Bemerkungen zum Deckungsproblem zu machen. Meine Damen und Herren, auch wir machen uns natürlich Gedanken über Sparmöglichkeiten. Ich will hier nicht etwa auf die Möglichkeit, durch die Kürzung der Geheimfonds im Bundeshaushalt nennenswerte Beträge einzusparen, näher eingehen. Das wird, wenn es notwendig ist, an anderer Stelle noch geschehen. Die sozialdemokratische Fraktion hat bis zu dieser Stunde noch keinen Antrag gebracht, wie wir ihn bisher Jahr um Jahr hier vertreten haben, weil sich bei Unterhaltungen im Haushaltsausschuß ein Silberstreifen der Verständigung am Horizont zeigte und weil die Möglichkeit besteht, vielleicht über das kommende Wochenende eine begonnene Unterhaltung fortzusetzen, um vor der dritten Beratung des Haushalts hier im Plenum des Bundestages eine Klärung der Situation, überhaupt erst eine parlamentarische Kontrolle und eine Auflösung der Titel herbeizuführen, die a) wirklich geheimgehalten werden müssen und b) die nicht unbedingt geheimgehalten werden müssen. Ich glaube, hier wird sich manche Möglichkeit bieten. Ich will nicht näher auf die Dinge eingehen, die in der letzten Zeit auch das Interesse unserer bundesdeutschen Presse gefunden haben, beispielsweise die Ankündigung - darauf kommt man eventuell noch zurück , daß aus diesen Reptilienfonds auch Journalisten honoriert würden.
Ich habe dieser Tage in dem Almanach geblättert, den die hier akkreditierte Presse anläßlich des sehr nett verlaufenen Presseballs unter dem Titel „Bonn ist eine Masse wert" herausgegeben hat. Darin fand ich eine gelungene Nachdichtung zu einem berühmten Gedicht Goethes. Da ich die Gelgenheit, ein bißchen Heiterkeit ins Parlament zu bringen, nicht vorübergehen lassen möchte, erlaube ich mir, diese Nachdichtung aus dem Almanach der Presse vorzulesen. Sie lautet:
Wenn der fuchsschlaue geriebene Globke
mit gelassener Hand aus Titel 300
goldenen Regen
über die Schreiber sät, tipp ich das tollste
Schmalz in die Tasten - himmlische Schauer
treu in der Brust.
({2})
- Meine Damen und Herren, die Verfasser müssen es ja wissen!
({3})
Nähere Aufklärung herzlichst erbeten!
Aber nicht nur hier ist eine Möglichkeit der Ersparnis gegeben. Wir legen Ihnen beispielsweise auch einen Antrag zur Prüfung der Methoden im Bereich der Verkehrssünderkartei vor. Hier bläht sich eine Bürokratie auf, die langsam ins Unheimliche wächst. An diesem Punkt sind echte Möglichkeiten zur Vereinfachung gegeben. Ihre Ausnutzung würde eine sehr nennenswerte Ersparnis für den Bundeshaushalt bringen.
Wir bedauern, daß der seinerzeit eingerichtete Ausschuß für Vereinfachung der Verwaltung nicht mehr existiert bzw. daß er nur noch ein Appendix beim Bundestagsausschuß des Innern ist. Wir halten bei zahlreichen Haushalten - insbesondere auch beim Haushalt des Bundesverteidigungsministeriums eine weit schärfere Überprüfung als bisher für notwendig.
Ich weiß nicht, ob der Herr Bundesverteidigungsminister - er ist da; ich freue mich - die entzükkende Lektüre „Parkinsons Gesetz" kennt; wenn nicht, darf ich sie Ihnen herzlich empfehlen. Ich bin nicht Verleger und habe keinen Profit von dem Buch. Aber, Herr Minister, man gewinnt, wenn man dieses interessante Buch eines witzigen und ge- scheiten Engländers liest. Das Parkinsonsche Gesetz weist auf die ständige Aufblähung der Bürokratie hin. Ihr Vorgänger, Herr Bundesverteidigungsminister, der heutige Herr Sozialminister, hat mit großzügiger Hand seinerzeit ein Ministerium geplant. Das war einfach großartig, wie der Herr Minister Blank das damals gemacht hat. Nur zahlen wir noch heute und, wie ich befürchte, auf lange Zeit hinaus - die Zeche für einen sich ganz wesentlich überschneidenden Organisationsapparat im Bereich des Bundesverteidigungsministeriums.
Ich weiß, Herr Bundesverteidigungsminister, daß Sie bereits ernsthafte und durchaus zu würdigende Ansätze gemacht haben, in Ihrem Hause Nachprüfungen durchzuführen. Aber ich glaube, mehr wäre noch besser. Die Unterstützung der Mitglieder des Haushaltsausschusses im einzelnen - wie ich glaube sogar, auch im ganzen - dürfen Sie sicher voraussetzen.
Ich möchte weiterhin als Ersparnismaßnahme die Realisierung der Versprechung in Erinnerung rufen, die der Herr Bundesfinanzminister seinerzeit gegeben hat. Es handelt sich um die Vérringerung gewisser Subventionen, besonders um den Abbau der Töpfchenwirtschaft, soweit mit ihr nicht unabweisbare staatspolitische Aufgaben erfüllt werden, deren Erledigung durch die Bürokratie noch teurer käme, als wenn dafür verschiedene Töpfchen ausgestattet werden.
Es gibt im Bereich des Bundesinnenministeriums - lies: Bundesgrenzschutz, lies: Bundespaßkontrolldienst - sehr ernsthafte Möglichkeiten für Einsparungen. Wir haben uns gestern noch im Haushaltsausschuß zu einer Entschließung im Rahmen des Haushaltsgesetzes durchgerungen, die auf sozialdemokratischen Antrag dort hineinkam und die das Ziel verfolgt, bei der - beinahe hätte ich gesagt: bei der Bewirtschaftung der Beamten - Verwendung der Beamten zu einer etwas sparsameren Haltung zu kommen, Doppelstellen zu vermeiden - ich sage das aus gegebenem Anlaß und die Möglichkeit zu erschließen, nichtgeeignete Beamte endlich einmal von einem Ministerialbereich in einen anderen zu versetzen. Auch hierin sehen wir eine sehr interessante Möglichkeit, praktisch zu sparen und Geld für nützlichere Zwecke zur Verfügung zu stellen.
Wir hielten uns im Haushaltsausschuß auch vor Augen, daß die deutschen Delegationen, die ins Ausland gehen, nicht immer unbedingt zahlenmäßig am stärksten sein müssen,
({4})
so daß oft die Amerikaner oder die Franzosen oder die Engländer nicht mehr mitkommen. Haben wir es nötig, unsere Delegationen einschließlich der Schofföre und Sekretärinnen in Hotels erster Klasse einzulogieren? Ich glaube, Herr Bundesfinanzminister, wenn Sie dem Kabinett in dieser Hinsicht einmal eine ganz klare Vorlage machten, könnte auch auf diesem Gebiet mit den Geldern der Steuerzahler etwas sparsamer gewirtschaftet werden. Ich würde nicht davor zurückschrecken, gegebenenfalls auch die Regreßpflicht der für solche Auswüchse verantwortlichen Beamten näher in Betracht zu ziehen.
Ich darf noch einmal auf das Thema Sparsamkeit im Bereich des Bundesverteidigungsministeriums zurückkommen. Herr Minister, wir haben den Ihnen sicher verständlichen Wunsch, auch aus dem Bereich Ihres Ministeriums jene Auswüchse zu verbannen, die nach unserer Überzeugung heute dort bestehen. -Würden Sie nicht einmal, Herr Minister, den Versuch machen, bei den einzelnen Verwaltungsaufgaben Ihres Hauses festzustellen, wie das früher im Reichswehrministerium in der Vor-HitlerZeit war - selbstverständlich unter Berücksichtigung der damaligen und der jetzigen Größenordnung - und zu welchen Rangstufen die einzelnen Sachbearbeiter im damaligen Reichswehrministerium gelangten im Vergleich zu den heutigen Rangstufen; von den demnächst zu uniformierenden Verwaltungsbeamten will ich gar nicht reden!
Meine Damen und Herren, wenn unsere Anträge Gnade vor Ihren Augen fänden - nach den bisherigen Erfahrungen habe ich keine allzu große Hoffnung darauf -, wäre es absolut möglich, durch eine Verlagerung der Ausgabenansätze, wie sie den Haushaltsausschuß verlassen haben, Mittel einzusparen, die eine Deckung der mit unseren berechtigten Wünschen und Forderungen verbundenen Aufwendungen bieten könnten.
Der Herr Bundesfinanzminister hat im Hinblick auf gewisse Anforderungen, die auf den Etat zukommen, wiederholt von der Notwendigkeit von Steuererhöhungen gesprochen. Wir haben uns darüber, Herr Finanzminister, im Haushaltsausschuß schon unterhalten. Ich würde es bedauern, wenn bei der Erörterung der notwendigen Verbesserung der Grundrenten der Kriegsbeschädigten davon ausgegangen würde, daß das die eine oder andere Steuererhöhung zur Folge hätte. Dieser Haushalt 1959 bietet Möglichkeiten genug, den berechtigten Wünschen der Kriegsbeschädigten gerecht zu werden.
({5})
Ich würde mich eher an dem orientieren, Herr Bundesfinanzminister, was Sie zuletzt sagten: in den nächsten drei Jahren keine Steuererhöhung! Allerdings hat diese Rechnung schon ein Loch; denn allein im Haushalt des Bundesverkehrsministeriums standen unter den kursiv gedruckten Zahlen, die im Haushaltsausschuß zwangsläufig geopfert wurden und nur noch im Rahmen des Straßenplans ihre Existenz fristen, rund 491 Millionen DM, die aus den Erträgnissen der Erhöhung der Mineralölsteuer gedeckt werden sollten, insbesondere im Rahmen eines zu verabschiedenden zweiten Verkehrsfinanzgesetzes.
Man weiß noch heute nicht, ob es eine Regierungsvorlage gibt, ob es Vorlagen zweier Ministerien gibt oder ob es nur abgestimmte Vorlagen von Referenten gibt, die dem Kabinett vorlagen, aber vom Kabinett nicht verabschiedet wurden, sondern dort aufgefangen und dann an einen im Parlament offiziell nicht bekannten und nicht existenten sogenannten Höcherl-Ausschuß abgegeben wurden, Herr Kollege Höcherl - ich freue mich über jeden, der sich intensiv mit Fragen der Verkehrsfinanzierung befaßt - hat es übernommen - es drohte zuerst sogar ein Junktim in bezug auf Maße und Gewichte der Lastkraftwagen, das scheint nun gefallen zu sein - und sich bemüht, festzustellen, welche Möglichkeiten gegeben sind. Aus dem kreißenden Berg wurde ein Mäuslein geboren, wenn die Presse richtig berichtet. Denn statt der 491 Millionen DM kommt aus den Ergebnissen, falls das Beschluß a) des Kabinetts und b) des Parlaments werden würde, eine Summe von, nicht zu gering und nicht zu hoch geschätzt 70 Millionen DM noch auf das Rechnungsjahr 1959 zu. Das bedeutet ja schon, Herr Bundesfinanzminister, daß Ihr Versprechen, innerhalb der nächsten drei Jahre keine Steuererhöhung vorzunehmen, nicht gehalten wird, es sei denn, daß Sie mit uns der, Auffassung sind - ich würde mich darüber freuen -, daß es sich dabei, soweit Leistungen der Kraftfahrer in Betracht kommen, gar nicht um eine Steuer, sondern mehr um eine Abgabe handelt, die denn auch entsprechend dem Sinn und dem Zweck einer Abgabe zweckbestimmt verwendet wird. Dann wären unsere Straßensorgen mit einem Schlag wesentlich geringer, als sie es heute sind. Sie sind heute noch durch die Tatsache gesteigert, daß - darauf möchte ich die Aufmerksamkeit des Hohen Hauses besonders lenken - in dem Entwurf zum Haushaltsgesetz jene Bestimmung
betreffend die Sperre von sperrbaren Titeln aller Einzelhaushalte in Höhe von 6 % auch die Straßen mit ihrem Haushalt im Einzelplan 12 Kap. 10 betrifft. Welchen Sinn und welchen Zweck hat es, wenn man hier einen Haushalt verabschiedet, der die Hoffnung erweckt, daß 100 ausgegeben werden können, wenn sofort 6 % gesperrt werden und letzten Endes nur 94 ausgegeben werden können? Das läßt sich da oder dort vertreten. Aber man kann es angesichts des Notstandes, in dem sich die Finanzierung der deutschen Straßen befindet, unmöglich für die Straßen vertreten.
({6})
Um deswillen bitte ich das ganze Haus, bei der Beratung des Haushaltsgesetzes - wir werden einen entsprechenden Antrag stellen -, die Sperre von 6 % für den Einzelplan 12 Kap. 10 betreffend die Straßen nicht auszubringen.
Noch eine Bemerkung zu der Frage der Sperre überhaupt. Gestern oder vorgestern las ich in der Zeitung, daß im Bereich des Bundesfinanzministeriums Überlegungen angestellt werden, ob man wegen der nach dem Parkinsonschen Gesetz und anderen Gesetzen sich ständig steigernden Endsummen des Haushalts in den kommenden Jahren, vielleicht schon im nächsten Jahr, zu einer Sperre von 15 % kommen müsse. Ich weiß nicht, ob man sich das im Bereich der Regierung einmal überlegt hat. Ich möchte die Damen und Herren von der Koalition bitten, sich die Entwicklung einmal durch den Kopf gehen zu lassen. Was bedeutet denn eine sich derart auswachsende Sperre von 15 %? Da wird ein Etat bereitet, da wird in mühevoller, nervenzerreißender Arbeit im Haushaltsausschuß Monate hindurch beraten, da werden Summen festgestellt und vom Parlament bewilligt. Dann aber kommt die Ministerialbürokratie und sagt auf Grund einer generellen Ermächtigung: Da werden 15 %, da werden 10 % usw. gestrichen. Wo bleibt denn da noch das Etatrecht des Bundestages? Das wird dann doch mehr und mehr zu einer Fiktion. Ich glaube, wir befinden uns hier auf einem sehr unguten Weg.
Meine Damen und Herren, wir sehen in einer vernünftigen Verteilung der Erträgnisse der Mineralölsteuer eine Deckungsmöglichkeit. Wir sehen für unsere Anträge, die Ihnen im einzelnen im Verlauf der zweiten und dritten Beratung vorgelegt werden, Deckungsmöglichkeiten im ganzen.
Wir bitten Sie, mit uns einverstanden zu sein, daß dieser Entwurf des Haushaltsausschusses, so gewissenhaft und ernst er auch beraten wurde, doch lediglich als die Leistung des Fachausschusses betrachtet wird, die nun hier der kritischen Betrachtung, der Würdigung und Entscheidung des Gesamtparlaments unterliegt.
Meine Damen und Herren, ich glaube, wir werden gut daran tun, für künftige Haushaltsberatungen folgende Überlegungen anzustellen und vielleicht auch in einer Revision der Geschäftsordnung zum Ausdruck zu bringen.
Das Haushaltsgesetz, das das Dach über dem ganzen Bundeshaushalt ist, muß anders bewertet werden als jedes andere Gesetz. Wenn nach einer
Kann-Bestimmung in § 80 der Geschäftsordnung die Möglichkeit einer allgemeinen Aussprache gegeben ist, der der Ältestenrat dankenswerterweise diesmal den Weg geebnet hat, dann ergibt sich doch eines.
({7})
- Ich zitiere nur den Herrn Tagespräsidenten, Herr Kollege Rasner; genau so hat er gesagt. Sie können es im Protokoll nachlesen.
({8})
Wenn damit nun endlich einmal die Möglichkeit gegeben ist, dann, darf ich sagen - besonders an die Mitglieder des Ältestenrats gerichtet, Herr Kollege Rasner -, ist folgendes gegeben:
Wenn der Herr Bundesfinanzminister namens der Bundesregierung - bisher immer im Dezember, künftig, wenn wir eine Gleichstellung des Rechnungsjahrs mit dem Kalenderjahr, die auch wir erstreben, haben werden, noch im Frühsommer - seinen Haushalt einbringt, dann legt er ihn vor, ohne daß das Hohe Haus und seine einzelnen Glieder in der Lage sind, sich über diese Ansätze ein Urteil zu bilden. Das geht ja ganz fix: der Haushalt wird vorgelegt, am gleichen Tag steigt die Rede des Finanzministers, und dann nehmen die einzelnen Fraktionen von ihrem politischen Standpunkt aus zu dem Inhalt des Haushalts, so wie sie ihn sich wünschen, Stellung. Darauf geht der Haushalt in den Haushaltsausschuß. Die dazu nicht legitimierten Fachausschüsse beschäftigen sich im übrigen mit dem Haushalt. Es kommt eine Anzahl von Anregungen zustande, die dann die Arbeitskreise beschäftigen. Diese berichten ihren Fraktionen, und die Fraktionen warten dann das Ergebnis der Beratung des Haushaltsausschusses ab - das war der Stand vor wenigen Tagen -, und nun erst sind die Fraktionen in der Lage, sich Gedanken über den wirklichen Inhalt des Haushalts, so wie ihn der berufene Fachausschuß „Haushaltsausschuß" passieren ließ, zu machen. Jetzt ist der Augenblick gegeben, in dem man die Möglichkeit hat und im Rahmen der Geschäftsordnung haben muß, zur allgemeinen Begründung abweichender Auffassungen seine Meinung dazu zu sagen.
Das sollte das erstrebenswerte und besser zu verankernde Ziel einer künftigen vernünftigen Haushaltsberatung sein. Ich glaube, das ist ein Anliegen, das jeder von uns teilt.
Ich möchte die Zeit nicht weiter in Anspruch nehmen. Ich schenke den kommenden Rednern, glaube ich, noch acht oder neun Minuten. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
({9})
Ich würde mich freuen, wenn alle Redner von ihrer Redezeit Geschenke machten und diese möglicherweise noch vergrößerten.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Vogel.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich werde Sie keine acht Minuten, auch keine zwei Minuten in Anspruch nehmen, um
nicht die üble Praxis fortzuführen die hier eingerissen ist, - ({0})
- Ja, es ist eine üble Praxis, denn sie bedeutet de facto, Herr Dr. Deist, eine Nichtinnehaltung dessen, was im Ältestenrat vorher abgesprochen worden ist; und ich habe mich darauf verlassen, daß Absprachen im Ältestenrat auch eingehalten w erden. Wir sind es nicht gewohnt, die allgemeine Aussprache, die wir stets in der dritten Lesung gehabt haben, in der zweiten Lesung in etwa vorwegzunehmen. Wir sind auch nicht geneigt, Herr Kollege Ritzel, Ihre Solo-Tour hier ohne weiteres passieren zu lassen. Deshalb müssen Sie schon gestatten, daß ich das mit allem Ernst einmal feststelle. Ihr Feld-Wald-undWiesen-Ausflug quer durch die Finanzen hätte in unseren Augen dann einen Sinn gehabt, wenn Sie vorher begründet hätten, woher Sie die Deckung für das Bündel Anträge nehmen wollen, das Sie uns unterbreitet haben. Wir hätten dann einen Sinn darin gesehen, wenn Sie gesagt hätten: Für die 2 oder 3 Milliarden - ich weiß nicht, wieviel es sind; es kommt auch nicht mehr darauf an - bieten wir das und das als Deckung an. Das haben Sie aber nicht getan. Statt dessein haben Sie allgemeine Empfehlungen ausgesprochen und haben uns hier in eine etwas peinliche Lage versetzt.
Wir werden das, was wir dazu zu sagen haben, da sagen, wo wir es immer getan haben, nämlich in der dritten Lesung. Ich wäre sehr dankbar, wenn das Haus sich an diese Regelung hielte.
({1})
Liegen weitere Wortmeldungen vor? - Das ist nicht der Fall. Dann kann ich diesen Teil der Aussprache beschließen.
Ich rufe nunmehr auf:
Einzelplan 01
Bundespräsident und Bundespräsidialamt ({0}).
Das Wort hat die Berichterstatterin, Frau Abgeordnete Rösch.
({1})
Verzichtet das Hohe Haus auf die Berichterstattung?
Das ist der Fall.
Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort wird nicht gewünscht. Änderungsanträge zum Einzelplan 01 liegen nicht vor. Ich kann daher über den Einzelplan 01 als Ganzes abstimmen lassen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Eine Enthaltung. Bei einer Enthaltung einstimmig angenommen.
Ich rufe auf:
Einzelplan 02
Deutscher Bundestag ({2}).
Berichterstatter ist der Abgeordnete Dr. Stecker. Ich erteile ihm das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Haushalt des Deutschen Bundestages bedurfte wegen der inzwischen erfolgten Wahl des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages einer tiefergehenden Überprüfung. Zwar war schon im Haushalt 1958 ein eigenes Kapitel 02 03 für diesen Zweck vorgesehen, aber wegen der Erstmaligkeit dieser Institution konnte eine genauere Durcharbeitung der Ansätze erst jetzt erfolgen.
Dabei hat der Haushaltsausschuß eingehend die Frage erörtert, ob es zweckmäßiger, insbesondere wirtschaftlicher sei, die allgemeinen und Sachausgaben des Wehrbeauftragten sowie die Personalausgaben, soweit diese die Arbeiter betreffen, bei Kap. 02 01 oder in dem eigenen Kap. 02 03 für den Wehrbeauftragten auszubringen. Es ging dabei um die Klärung der Frage, welche Form der Etatisierung der vom Gesetz bestimmten Eigenart und Unabhängigkeit des Wehrbeauftragten am meisten entspricht und gleichzeitig die wirtschaftliche Form der Verwaltung gewährleistet. Einheitlich war dabei die Auffassung, daß im einen wie im anderen Falle der Wehrbeauftragte sowohl seine Personalausgaben wie auch seine Sachtitel selbst zu bewirtschaften habe. Nach einer längeren Debatte, die sich besonders mit der Unterstellung des Wehrbeauftragten unter den Bundestagspräsidenten und der Auswirkung dieses Verhältnisses auf die Verwaltungspraxis und die Etatisierung befaßte, beschloß der Ausschuß, alle Personalausgaben, die Ausgaben für Reisekosten und die einmaligen Ausgaben des Wehrbeauftragten im Kap. 02 03 auszubringen. Im nächsten Jahr sollen auch alle Sachausgaben in Kap. 02 03 veranschlagt werden.
Im einzelnen ist zu den verschiedenen Kapiteln folgendes zu sagen.
1. Die im Titel 1 veranschlagten Einnahmen aus Vermietung, Verpachtung und Nutzung wurden vom Ausschuß um 18 000 DM auf 41 200 DM herabgesetzt, da nach der im Laufe des Rechnungsjahres 1958 notwendig gewordenen Änderung des Pachtvertrages über das Bundestagsrestaurant nur mit diesen verminderten Einnahmen gerechnet werden kann.
2. Im Stellenplan für 1959 ist gegenüber 1958 eine Einsparung von 11 Stellen sowie die Anbringung von Kw-Vermerken bei 5 Stellen vorgesehen. Angefordert waren im Entwurf 12 Stellenhebungen und 31 Stellenumwandlungen. Diese Hebungen und Umwandlungen hat der Ausschuß nicht im vollen Umfange genehmigt.
Im höheren Dienst wurden die Hebungen einer Stelle von B 5 nach B 8 und zweier Stellen von A 13 nach A 14 für zwei Bibliotheksräte abgelehnt; dagegen wurden zwei Umwandlungen von TO. A III nach A 13 genehmigt.
Im gehobenen Dienst wurden genehmigt die Hebung einer Stelle von A 9 nach A 10 und die Umwandlung von zwei Stellen TO. A VI b nach A 9, zwei Stellen TO. A VI bzw. V c nach A 8, zwei Stellen TO. A VII nach A 7 und zwei Stellen TO. A VIII nach A 6. Die Hebung einer Stelle von A 7 nach A 8 wurde abgelehnt.
Im einfachen Dienst wurde die Hebung von sechs Stellen A 3 nach A 4 zur Schaffung von Auslaufstellen im einfachen Dienst entsprechend der Praxis in anderen Verwaltungen genehmigt. Ebenso wurde der Umwandlung von 19 TO.B-Stellen nach A 2 für Oberamtsgehilfen stattgegeben. Der Ausschuß hat ausdrücklich festgestellt, daß damit die Schaffung von Beamtenstellen des einfachen Dienstes abgeschlossen ist.
Durch diese Beschlüsse des Ausschusses stellt sich der Mittelbedarf für die planmäßigen Beamten auf 3 003 200 DM, für beamtete Hilfskräfte auf 10 200 DM und für die Arbeiter auf 1 255 200 DM.
3. In Tit. 301 ist auf übereinstimmenden Antrag der Fraktionen der Betrag für die Zuschüsse an die Fraktionen des Deutschen Bundestages von 1 405 000 DM auf 1 825 600 DM erhöht worden.
Die Ausgaben für parlamentarische Kongresse wurden um 100 000 DM auf 1,1 Millionen DM erhöht. Die Beträge der einzelnen Positionen innerhalb des Titels wurden zum Teil verlagert.
4. Nach einem Vorschlag der Bundesbaudirektion hat der Ausschuß in Tit. 960 einen Betrag von 300 000 DM für Baumaßnahmen ausgeworfen, die den Hochwasserschutz des Bundeshauses sicherstellen sollen. Außerdem ist ein neuer Tit. 962 mit einer Summe von 200 000 DM für die Erneuerung der Notstromanlage ausgebracht.
Ich komme jetzt zu Kap. 02 03 - Der Wehrbeauftragte des Bundestages -. Über die Personaltitel wurde im Ausschuß eine längere Diskussion geführt, die folgende Verbesserungen des Stellenplans ergab.
Eine Stelle A 13 und eine Stelle A 10 wurden entsperrt. Eine Amtmannstelle wurde nach A 12 gehoben unter Anbringung eines Vermerks „ku nach A 11 ".
Bei den nichtbeamteten Kräften wurden vom Ausschuß drei Stellen der Vergütungsgruppe V b, je eine Stelle der Gruppe VI b und VII und drei Arbeiterstellen zusätzlich bewilligt. Im übrigen wurden noch kleinere Sachtitel verändert.
Durch diese Beschlüsse des Ausschusses hat sich der Bedarf in den Personaltiteln des Kap. 02 03 um 51 400 DM, in den Sachtiteln um 12 000 DM erhöht.
Noch ein Wort zu Kap. 02 04 - Bundesversammlung -. Da in diesem Haushaltsjahr die Wahl des Bundespräsidenten stattfindet, ist hier ein Betrag von 680 000 DM ausgebracht.
Unter Hinweis auf den Mündlichen Bericht - Drucksache 1051 - empfehle ich namens des Haushaltsausschusses die Zustimmung zum Einzelplan 02.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Ich lasse dann über den Einzelplan 02 in der Ausschußfassung abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Ohne Enthaltungen einstimmig angenommen.
Ich rufe auf:
Einzelplan 03
Bundesrat ({0}).
Das Wort als Berichterstatter hat der Abgeordnete Dr. Schild.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Beim Einzelplan 03, dem Haushalt des Bundesrates, ist, soweit es sich um die Personalkosten handelt, die Vorlage der Regierung vom Haushaltsausschuß im wesentlichen nicht angenommen worden. Deshalb ist es erforderlich, bei der Beratung dieses Einzelplanes zunächst etwas Grundsätzliches über die Beratungen des Haushaltsausschusses hinsichtlich der Personálpolitik zu sagen.
Bei der Beratung des vorjährigen Haushaltes im Jahre 1958 hat das Hohe Haus den Beschluß gefaßt, in den Einzelplänen auch dieses Haushalts keine Stellenvermehrungen und keine Stellenhebungen zu- zulassen, es sei denn, daß eine neue gesetzliche Aufgabe vorliege. Dieser Grundsatz ist vom Haushaltsausschuß bei den Beratungen aller Einzelpläne durchgeführt worden. Er mußte daher auch beim Einzelplan 03 effektuiert werden. Infolgedessen ist es bei den bisherigen Beamten- und Angestelltenstellen des Bundesrates - sowohl der Zahl wie der Bewertung nach - geblieben. Es ist gegenüber dem Vorjahre keine Änderung eingetreten, obwohl die Regierungsvorlage in verschiedenen Personalfragen eine wesentliche Änderung vorsah.
Es ist die Gepflogenheit des Hohen Hauses, am Haushalt des Bundesrates keine Kritik zu üben. Deshalb habe ich hier den Antrag des Haushaltsausschusses zu vertreten, den Einzelplan 03 in der jetzt vorliegenden Form, die sich von der Fassung der Regierungsvorlage unterscheidet, anzunehmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Änderungsanträge liegen nicht vor.
Ich komme zur Allstimmung über den Einzelplan 03. Wer ihm in der vom Ausschuß beschlossenen Fassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf:
Einzelplan 04
Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes ({0}).
Berichterstatter ist der Abgeordnete Giencke. Ich erteile ihm das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe nicht die Absicht, meinen Schriftlichen Bericht zu wiederholen. Ich muß ihn nur berichtigen. Es muß beim Kapitel 04 01 unter
Ziffer 2 statt „In der BesGr. A 13" „In der BesGr. A 14" heißen. Ferner muß es im letzten Absatz zu Kap. 04 01 heißen:
Im Abschluß des Kap. 04 01 erhöht sich die Summe des Zuschußbedarfs von 3 694 100 DM im Vorjahr auf 3 827 900 DM, also um 133 800 DM.
Schließlich muß es im Abschnitt „Zu Kap. 04 04" heißen:
Kap. 04 04 erhält in diesem Jahr einen Zuschuß von 43 000 000 DM.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Ich eröffne die allgemeine Aussprache zu diesem Einzelplan. - Das Wort hat der Abgeordnete Erler.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Haushaltsberatung ist immer ein Anlaß, bei der Erörterung des betreffenden Einzelplanes zu den politischen Fragen Stellung zu nehmen, die mit der Leitung des jeweiligen Ressorts verbunden sind. Dem kommt natürlich ganz besondere Bedeutung zu, wenn es sich um den Haushalt des Bundeskanzleramtes handelt, jener Dienststelle also, deren Chef, da er die Richtlinien der Politik gibt, gleichzeitig für die wesentlichen politischen Grundentscheidungen weit über sein eigenes Ressort hinaus verantwortlich ist.
Es handelt sich wohl um den letzten Haushalt, den das Kabinett Dr. Adenauer uns vorgelegt hat. Ob der derzeitige Bundeskanzler in Berlin von der Bundesversammlung zum Bundespräsidenten gewählt oder ob er dort geschlagen wird, das mag dahinstehen. Auf jeden Fall dürfte er das Palais Schaumburg verlassen.
({0})
- Aber sicher! Sie werden doch den geschlagenen Bundeskanzler nach einem Mißtrauensbeweis nicht wieder ins Palais Schaumburg zurückkehren lassen. Das ist doch wohl ausgeschlossen.
({1})
Ich finde also, das ist sehr logisch und dürfte wohl den politischen Realitäten entsprechen.
({2})
Sie selbst haben sich ja auch darauf eingerichtet. Sonst würden Sie sich doch jetzt nicht so energisch um einen Nachfolger bemühen, was Ihnen einiges Kopfzerbrechen zu verursachen scheint.
({3})
Aber, meine Damen und Herren, gleich ein ernstes Wort zu diesem Ausscheiden und auch zu dem möglichen Wechsel in der Funktion. Es hat nicht nur in der deutschen Öffentlichkeit, sondern auch darüber hinaus eine Debatte gegeben, wie es wohl bei einem solchen Funktionswechsel mit der bisherigen Verteilung der Macht und der Verteilung der Gewalten in unserem Staate gehalten werden würde. Anlaß dazu haben leider einige unbedachte Äußerungen des Bundeskanzlers selbst gegeben. Wir sollten hier miteinander ganz nüchtern feststellen, daß die Regierungsgewalt beim jeweiligen Bundeskanzler liegt und nicht Leim Bundespräsidenten. Jeder Versuch, von einem anderen Stuhle aus zu regieren, würde gegen Geist und Wortlaut unseres Grundgesetzes verstoßen. Das Parlament, das sich in dieser Frage durch den Bundestagspräsidenten bereits zu Wort gemeldet hat, wird über die Einhaltung dieses Prinzips gegenüber jeder Versuchung, die vielleicht an einen künftigen Inhaber des Präsidentenamtes herantreten könnte, zu wachen haben.
({4})
Der Bundeskanzler hat sich - das hat seine guten Seiten, aber auch seine Schattenseiten gehabt - immer als ein sehr eigenwilliger Mann erwiesen. Er hat seine Partei, die Mehrheit dieses Hauses, ja allzu oft auch den Bundestag und den Staat gewissermaßen als seine Angelegenheit betrachtet.
({5})
- Wie die CDU damit fertig wird, das ist ihre Sache,
({6})
aber wie der Bundestag und wie der Staat damit fertig werden, das geht uns alle ,an.
({7})
Denn der Staat ist nun einmal nicht die CDU, das ist auch nicht die SPD, das sind wir alle.
({8})
Daran sollten wir uns alle halten. Bisher ist die Regierungsmehrheit den Versuchungen des Bundeskanzlers, sich gelegentlich mit dem Staat zu verwechseln, weitgehend gefolgt. Ich bedaure, daß das Parlament daher manchesmal entsprechend behandelt wind, weil die Mehrheit nicht ganz gewacht hat.
Das führte zu einer Verkümmerung der parlamentarischen Initiative in diesem Hause, das führte dazu, daß die spätere Regierungsvorlage gegenüber einer Vorlage aus der Mitte des Hauses heraus jewails immer den Vorrang erhielt und Grundlage der Beratungen wurde, auch wenn das Haus längst mit anderen Vorlagen befaßt war. Das führte dazu, daß z. B. Beamte in politischen Streit hineingezogen wurden, daß Beamte sogar genötigt wurden, von der Tribüne des Hauses aus für die politisch verantwortlichen Minister zu sprechen. Das sind Dinge, die wir abstellen sollten, gerade damit die Beamtenschaft in ihrer Obliegenheit, in der Wahrnehmung ihres öffentlichen Amtes nicht in die Versuchung gebracht wird, in den Parteienstreit von Amts wegen einzugreifen.
({9})
Meine Damen und Herren, es gibt andere Dinge, die hier noch anzumerken wären, z. B. das kaum verborgene Mißvergnügen des Bundeskanzlers dem ganzen Parlamente gegenüber. Als wir im vergangenen Jahr in sehr zähen Beratungen auf wichtigen Gebieten der Außenpolitik endlich doch den Ansatz zu gewissen gemeinsamen außenpolitischen Schritten
fanden, haben wir im Juli einen wichtigen Beschluß gefaßt ,und ihn ausdrücklich im Oktober in Berlin erneuert und erweitert. In unserem Volke keimte Hoffnung, daß das vielleicht der Beginneiner fruchtbaren Zusammenarbeit oder wenigstens einer fruchtbaren gemeinsamen Erörterung der anstehenden Schicksalsfragen sein könnte. Wir alle entsinnen uns noch, welchen Eindruck es damals in Berlin machte, daß sich der Bundestag angesichts der Zahlen der aus der sowjetischen Zone herüberkommenden Flüchtlinge, angesichts der Not unserer Landsleute zu einem einmütigen Willensbekenntnis zusammenfand und daß als Sprecher für uns alle in einer sehr eindrucksvollen Weise der Vorsitzende des Gesamtdeutschen Ausschusses dies Bundestages, mein Parteifreund Herbert Wehner, auftrat. Das war für alle ein wichtiger Markstein, und man hörte uns zu, nicht nur hier in der Bundesrepublik, sondern auch drüben in der Zone und in der übrigen Welt. Da haben wir es jedenfalls schmerzlich bedauert, daß unmittelbar nach dieser großartigen Berliner Willenskundgebung des Bundestages der verantwortliche Leiter der deutschen Politik einen besonders heimtückischen Angriff gegen eben jenen Sprecher richtete und damit die Arbeit in Berlin weitgehend entwertete.
({10})
Da ging das Wahlinteresse der Partei in Bayern über das Interesse des Volkes, und das ist zutiefst zu bedauern ,gewesen.
({11})
Meine Damen und Herren, dieser Fall sollte Anlaß geben, einmal zu untersuchen, wie sich - das ist nun einmal so - die Persönlichkeit des Regierungschefs auf Form und Inhalt der Gesamtpolitik ausgewirkt hat; denn er ist es, der die Richtlinien der Politik bestimmt - ich sagte es schon - und damit weitgehend mitentscheidet, was an politischen Fragen in anderen Ressorts zu entscheiden ist. Niemand wird Bundeskanzler Dr. Adenauer den Respekt versagen für eine großartige geistige und physische Leistung. Aber der Bundeskanzler hat es nicht vermocht, in wesentlichen und entscheidenden Fragen alle Kräfte der Nation zusammenzuführen. Im Gegenteil, er hat die Gegensätze geschürt,
({12})
die Zwietracht aufgerissen und verstärkt.
({13})
Der Bundeskanzler ist nicht der Bundeskanzler der Gemeinsamkeit geworden. Statt behutsam alle Kräfte, die wir bitter nötig brauchen, an unseren Staat heranzuführen, hat er mit seiner Art versucht, wesentliche Teile unseres Volkes vom Staate fernzuhalten, ja, sie geradezu vom Staate auszuschließen, und das ist nicht gut.
({14})
- Das ist es nicht allein, auch andere Erscheinungen gehören da mit hinein, das will ich gar nicht
leugnen. Das führt zu einem gewissen Maß an Staatsverdrossenheit, das wir alle miteinander zu beklagen haben. Dabei wäre die Mitarbeit aller in den Lebensfragen unserer Nation und beim Tragen unseres Staates so bitter nötig, zumal dort, wo es um das Hauptziel geht: die Wiederherstellung der deutschen Einheit in gesicherter Freiheit.
Natürlich kann diese Aufgabe nicht von uns allein gemeistert werden. Aber die bisherige Politik hat uns diesem Ziele nicht näher gebracht. Im Gegenteil - ich will ein berühmtes Zitat des Herrn Bundeskanzlers gebrauchen -, die Lage ist schwieriger denn je. Sicher trägt für diese Entwicklung - das wäre eine falsche Feststellung - nicht etwa der Bundeskanzler allein die Verantwortung. Wir wissen, wie die Härte der sowjetischen Politik so manchen unserer Anregungen und Wünsche im Wege steht, und wir wissen, wie zäh und verbissen die kommunistische Herrschaft in der Sowjetzone um ihre eigene Behauptung ringt. Aber so manche Initiative, die wir hätten entfalten können, so manche Initiative, die auch von anderen Ländern angeregt wurde, ist durch das politische Verhalten der Bundesregierung und hier insbesondere des Kanzlers vorzeitig blockiert worden, statt daß man sie gefördert und in die richtige Bahn gebracht hätte.
({15})
- Ich zähle auch den Deutschlandplan der Sozialdemokraten zu einer solchen Initiative; denn wer gar keine Vorstellung über den Weg zur Wiedervereinigung hat, sollte sich wenigstens mit anderen auseinandersetzen.
({16})
Statt dessen beklage ich jene in Ihren Reihen bewußt geübte und gezielte Propaganda für die Aufrechterhaltung des Status quo als das angeblich einzig noch Erreichbare. Dazu brauchen Sie nur die Bonner Informationen aus erster Hand nachzulesen, um zu wissen, woher das kommt.
({17})
Diese Propaganda ist deshalb so gefährlich, weil sie in der Welt den Eindruck schaffen könnte, die Deutschen hätten sich selber mit der Spaltung ihres Landes abgefunden; wenn das der Fall wäre, ist es aus mit der Wiedervereinigung unseres Landes.
({18})
Doch zurück zu Form und Methode der Politik des Bundeskanzlers! Da ist noch ein Kapitel zu sagen über den Umgang mit dem Staatsoberhaupt. Die Geburtstagsreden für unseren Präsidenten Professor Heuss waren kaum verrauscht, da bezog der Bundeskanzler im Rundfunk eine Stellung, die weithin als Kritik an der Amtsführung des Präsidenten empfunden werden mußte. In jener Rundfunkansprache hieß es:
Die Stellung, die Aufgabe und die Arbeit des Bundespräsidenten wird in der deutschen Öffentlichkeit und damit auch in der internationalen Offentlichkeit zu gering eingeschätzt.
Das liest sich durchaus als ein Beweis für die Bedeutung des Amtes des derzeitigen Amtsinhabers. Aber es ging einher mit Erörterungen darüber, was alles ein eventueller Amtsinhaber Adenauer aus diesem Amt einmal zu machen gedenke, und darin lag doch, gerade nach dem Geburtstag des Bundespräsidenten, die indirekte Auseinandersetzung mit seiner Amtsführung und die Ankündigung: Laßt mich erst mal Präsident werden, dann wird alles, alles anders! Darin lag doch schon die Vorstellung, wie eventuell der Parteikämpfer von heute als Präsident morgen sich gerieren wird.
({19})
Meine Damen und Herren, dazu gleich noch einen offenen Satz an Sie! Als gewählter und doch nicht eingeführter Präsident würde der derzeitige Bundeskanzler, wenn es zu einer solchen Wahl käme, noch in der aktiven parteipolitischen Auseinandersetzung stehen, was eine schwere Vorbelastung für die Amtsführung des Staatsoberhauptes wäre. Ein solches schlechtes Schauspiel sollten Sie uns nicht bieten. Statt dessen wurden alle Warnungen in den Wind geschlagen. Dabei haben Sie mit Ihrer Mehrheit hier in diesem Hause überhaupt nichts zu fürchten. Wenn beizeiten der Nachfolger gewählt wird, kann er doch nur mit Hilfe der Mehrheit der CDU gewählt werden! Es kann Ihnen doch kein anderer Bundeskanzler aufgezwungen werden, als Sie ihn haben wollen!
Nein, meine Damen und Herren, darin steckt eben doch der Versuch, die Weichen der Politik in den nächsten Jahren nicht durch den nach dem Grundgesetz dafür zuständigen neuen Bundeskanzler, sondern durch den scheidenden bestimmen zu lassen. Aber die Politik wird durch den Kanzler bestimmt, nicht durch den ausgeschiedenen Kanzler.
({20})
Denn nur der Bundeskanzler ist dem Parlament verantwortlich, der Bundespräsident nicht.
Kollege Rasner hat damals gesagt, die CDU lasse Herrn Dr. Adenauer nicht von uns aus dem Palais Schaumburg herausdrängen. Herr Kollege Rasner, dann hätten Sie ihn eben nicht als Kandidaten für das Bundespräsidentenamt aufstellen dürfen, dann hätte sich das Problem von selbst gelöst.
({21})
Der Kanzler hat damals gesagt, an der Haltung der Bundesregierung in außenpolitischen Fragen werde sich auch während der nächsten Jahre - die Zeit wurde unbestimmt gelassen - kein Buchstabe ändern. Darin stecken zwei Dinge: Einmal die Erklärung: Ich werde also künftig auch dem neuen Bundeskanzler die nötigen Richtlinien mit auf den Weg geben. Zweitens: Die Lage mag sich ändern, aber die Politik muß immer gleichbleiben. - Was soll eigentlich dabei herauskommen, wenn man nicht einen Wechsel der Lage auch bei der Ausführung der Politik zu berücksichtigen geneigt ist?!
({22})
Der Streit um die außenpolitischen Befugnisse des Bundespräsidenten sollte uns nicht von dem Inhalt des Grundgesetzes ablenken, daß auch für die Außenpolitik der Verantwortliche der künftige Regierungschef ist und niemand anders. Er trägt die Verantwortung vor dem Parlament.
Hier gehört auch hinein ein Kapitel über den Umgang mit Bundesgenossen. Eine allzu eilfertige Propaganda hat es verstanden, in der Welt draußen den Eindruck zu erwecken, als ob die deutsche Demokratie im wesentlichen nur in der Zuverlässigkeit von Bundeskanzler Dr. Adenauer beruhe. Diese Behauptung ist eine schwere Hypothek für jeden denkbaren Nachfolger.
({23})
Sie schafft Skepsis, sie schafft Mißtrauen.
Dazu trägt die Abwertung des möglichen Nachfolgers durch das vom Kanzler selbst jetzt verschuldete und veranstaltete Tauziehen bei; aber das ist wieder ein anderes Kapitel, das ist ein Beispiel für seinen Umgang mit seinen eigenen Parteifreunden.
({24})
Das steht in enger Nachbarschaft zu dem Kapitel Umgang mit Koalitionsfreunden.
({25})
Wie es denen ergeht, ist uns ja auch vorexerziert worden. Auch da hat sich der Bundeskanzler im wesentlichen als jemand erwiesen, mit dem zusammenzuarbeiten sehr schwierig ist. Parteien, die sich mit ihm verbünden, müssen es sich entweder gefallen lassen, von oben her gespalten zu werden - die Minister werden vereinnahmt, der Rest wird ausgestoßen -({26})
oder sie müssen sich in eine Art Wurmfortsatz der herrschenden Partei verwandeln, dann finden sie noch Gnade für ihren eigenen Fortbestand.
({27})
Doch zurück zu dem Thema: Umgang mit Bundesgenossen. Diese Konzentrierung des Vertrauens auf die Person des Kanzlers geht damit praktisch auf Kosten der anderen demokratischen Kräfte in diesem Volke und mitunter auf Kosten des Volkes überhaupt. Nicht ohne Zufall erleben wir gerade jetzt im Zusammenhang mit dem Wechsel einer Epoche in der Führung der deutschen Bundesregierung in den Vereinigten Staaten ein Wiederaufleben gewisser antideutscher Stimmungen und ein Aufleben des Mißtrauens gegen die deutsche Demokratie. Diese Vertrauenskonzentration auf den Kanzler hätte anders genutzt werden müssen. Ein großer Staatsmann hätte dieses Vertrauen - der Bundeskanzler hat es, und wir wollen froh darüber sein, daß ein Regierungschef Vertrauen hat ({28})
nicht erwerben müssen unter Absetzung von den anderen demokratischen Kräften seines Volkes, sondern
er hätte dieses Vertrauen auf alle staatstragenden
Kräfte nach der Umwelt hin ausdehnen müssen; das wäre die Aufgabe gewesen.
({29})
- Haben Sie eigentlich bei der ganzen Erörterung der Innen- und Außenpolitik gar nichts anderes im Kopf als nur den Deutschlandplan? Ich bin gern bereit, auch darüber zu reden, aber jetzt geht es um einen Gesamtüberblick über eine ganze Reihe von Problemen.
({30})
- Sicher, es wird über den Bundeskanzler-Haushalt gesprochen, und da gehört es zu den Pflichten des Parlaments, sich auch über die Geschäftsführung durch den Kanzler Gedanken zu machen. Dazu sind wir da.
({31})
Oder sind Sie das Vollstreckungsorgan des Kanzlers? Schließlich wird der Kanzler vom Parlament gewählt, und er ist uns verantwortlich, d. h. wir müssen uns hier darüber unterhalten, wie er dieser Verantwortung vor uns gerecht wird. Vor wem denn sonst?
({32})
Meine Damen und Herren, in der letzten Zeit hat es einige Mißtöne gegeben, in deren Zusammenhang auch das Vertrauenskapital etwas angeknabbert worden ist, und zwar ging es dabei um die Verschlechterung der Beziehungen zu Großbritannien. Da entstand Mißtrauen unter Bundesgenossen
- nie eine gute Sache - aus der Abwehr jedes Ansatzes zu einer beweglicheren Haltung bei den Bundesgenossen entsprechend der Sorge um den Status quo, von der ich vorhin sprach. Der Status quo kann nur durch Bewegung überwunden werden, denn Stillstand erhält ihn uns auf jeden Fall. Die Seitenhiebe jedenfalls, die bei dieser Diskussion gegen angebliche Meinungsmacher in England ausgeteilt worden sind, haben drüben bei unserem Nachbarvolk schwer verschnupft. Es hat einiger Bemühungen verschiedener politischer Kräfte bedurft - verschiedener, sage ich ausdrücklich -, um das deutsch-englische Verhältnis wieder einigermaßen geradezubiegen.
Wir werden uns über die wesentlichen außenpolitischen Fragen ja im Lichte des Berichts der Bundesregierung über den Ausgang der Genfer Konferenz noch zu unterhalten haben; ich möchte dieses Thema also jetzt nicht weiter behandeln.
Aber ich möchte nicht verschweigen - und zwar geht auch dies den Regierungschef an und nicht nur den Außenminister -, daß das Vertrauen im Ausland durch manche Erscheinungen unserer Personalpolitik nicht gerade gestärkt worden ist. Das gilt vor allem für das Verhalten der Bundesregierung im Strafverfahren gegen Botschafter Blankenhorn und Präsident Hallstein. Das Verhalten der Bundesregierung hier ist - ich bedauere, das sagen zu müssen - eine Zumutung für unsere Nachbarländer.
({33})
Wir war denn der Hergang? Nach dem Beschluß der Strafkammer, das Hauptverfahren zu eröffnen, hat das Kabinett Stellung genommen. In dem Beschluß hieß es damals:
Auch wenn man die in dem Beschlusse der Strafkammer geschilderten Vorgänge als richtig unterstellt, hält die Bundesregierung das Vorgehen des Botschafters Blankenhorn und des
- damaligen Staatssekretärs Hallstein für einen innerdienstlichen Vorgang, bei dem die beiden Beamten pflichtgemäß gehandelt haben.
({34})
Man kann also offenbar pflichtgemäß handeln und gleichzeitig straffällig werden. Das ist eine etwas komplizierte Darstellung der Amtspflichten eines Beamten. Der Inhalt dieses Kabinettsbeschlusses wurde der Presse bekanntgegeben.
Nach Abschluß des Verfahrens, das für Hallstein mit dem Freispruch mangels Beweises und für Botschafter Blankenhorn mit einer Strafe von 4 Monaten Gefängnis, die für 2 Jahre zur Bewährung ausgesetzt wird, und einer Geldbuße von 3000 DM endete
({35})
- das Urteil nach diesem Verfahren; gut, das Verfahren ist noch nicht endgültig abgeschlossen -, hat sich nach Angaben des Regierungssprechers vom 23. April 1959 das Kabinett mit dem Fall Hallstein nicht beschäftigt. Botschafter Blankenhorn hat einen Urlaub angetreten. Der Sprecher der Bundesregierung antwortete auf Fragen der Journalisten, daß die Bundesregierung keinen Anlaß sehe, ihre frühere Erklärung zurückzunehmen, in der sie Blankenhorn und Hallstein pflichtgemäßes Verhalten bescheinigt hat, - „pflichtgemäß" trotz der schwebenden und nun sogar durch einen Urteilsspruch in einem Abschnitt beendeten Verfahren. In diesem hieß es damals:
Auf die Frage, ob man mit einer solchen Erklärung in ein ruhendes Disziplinarverfahren eingreifen könne, sagte der Staatssekretär unter dem Gelächter der Journalisten: Das Kabinett kann das.
Etwas, was also sonst mit den Grundsätzen des Rechtsstaates nicht vereinbar ist, kann das Kabinett. Das ist nicht sehr fern von dem Versuch, zu einer Kabinettsjustiz zu kommen. Meine Damen und Herren, auch dem sollten wir uns widersetzen.
({36})
Es gibt übrigens dabei noch eine kleine Arabeske: Der Außenminister ließ sich dann bei der Pariser Außenministerkonferenz mit einigen Herren seiner Begleitung im Hause eben desselben deutschen Botschafters bewirten, wahrscheinlich um den Respekt vor der Entscheidung eines deutschen Gerichts durch diese Handlungsweise zu bezeugen.
Das nächste Kapitel, das uns hier beschäftigen sollte, ist der Umgang mit der Opposition, und
daran sind wir ja auch erklärlicherweise interessiert. Bei der Zehnjahresfeier des Grundgesetzes hat der Herr Bundeskanzler einige erfreuliche Worte zu diesem Thema gefunden, die wir dankbar feststellen. Er hat gesagt:
Auf der Grundlage dessen haben wir doch vieles für Deutschland leisten können, sei es von der Regierungsseite aus, sei es von der Oppositionsseite aus. Regierung und Opposition sind ja doch in gewissem Sinne polare Kräfte: wir von der Regierungsseite befruchten die Opposition, und die Opposition befruchtet uns.
Das Erfreuliche an dieser Feststellung ist einmal die Tatsache, daß die Polarität als Zugehörigkeit zum Ganzen richtig gesehen wird und zweitens die Zustimmung zu der Tatsache, daß auch die Opposition in dieser Zeit vieles für Deutschland geleistet hat. Das wollen wir uns gerne merken.
Es steht aber in einem schreienden Widerspruch zu jeder Äußerung desselben Kanzlers, wenn er draußen in das Land hinauszieht, um hemdsärmelige Wahlreden zu halten.
({37})
Ich habe ein ganzes Bündel solcher Äußerungen hier. Ich will es mir aber ersparen, im einzelnen darauf zurückzukommen. Der Leitsatz der Reden ist immer der gleiche: die Sozialdemokratie gefährde alles, achte die politische Freiheit zu gering. In einem Falle hat er sogar gesagt - was mich persönlich besonders tief verletzt hat sie ermangele der Liebe zum gesamten deutschen Volk; denn er hat uns etwas Liebe zu diesem Volke gewünscht, dem wir doch wohl alle in Liebe dienen wollen. Das wenigstens sollten wir uns doch nicht bestreiten.
({38})
Diese Erklärungen des Bundeskanzlers - sie stehen in klarem Gegensatz zu der von ihm selber bei der Feier zum Jubiläum des Grundgesetzes verkündeten besseren Erkenntnis - sind keine Sprache gewesen, die geeignet ist, uns in den Lebensfragen der Nation eine Brücke finden zu lassen, die zueinander führt. Deshalb gibt es eigentlich das, was man so gemeinhin gemeinsame Außenpolitik nennt, nicht.
Ich will gar nicht sagen, daß unter allen Umständen eine gemeinsame Außenpolitik herauskommen muß. Wo Meinungsverschiedenheiten bestehenbleiben - solche werden in einer Reihe von Fragen auch nach einer Diskussion bestehenbleiben -, hat die Regierung die Verantwortung; sie muß handeln, sich auf ihre Mehrheit stützen, und sie muß selber entscheiden. In Ordnung! Aber man sollte sich dann wenigstens um ein Höchstmaß an gegenseitiger Information und Aussprache und Klärung bemühen, bevor die politischen Entscheidungen gefällt werden, und nicht hinterher.
({39})
Wenn wir schon die Rolle der Regierungsparteien wie der Opposition als gemeinsam den Staat tragender Kräfte anerkannt finden, sollten wir begreifen, daß Opposition immer eine echte Alternative zur jeweiligen Regierung ist und sein muß. Wer ihr diesen Charakter bestreitet, kommt eben praktisch auf die Vorstellung der ewigen Herrschaft einer einzigen Partei hinaus. Das liegt doch in der Vorstellung so mancher unserer Landsleute: Na ja, eine Opposition muß sein, damit ein paar Leute schimpfen dürfen; aber regieren darf die Opposition selbstverständlich nie.
Natürlich wird jede Regierungspartei sich darum bemühen, weiter regieren zu können; sie wird sich um ein weiteres Mandat ihrer Wähler bemühen. Das ist ihr Recht und im politischen Kampf ihre Pflicht. Aber das Mittel in diesem politischen Kampf darf nie sein, die Staatsgewalt und die Möglichkeiten des Staates zu benutzen, um die eigene Regierungsmacht zu verlängern. Das ist die Grenzlinie, die leider allzuoft überschritten worden ist.
({40})
Sonst kommt man nämlich auch zu einem verborgenen, nicht allgemein sichtbaren, aber immerhin doch vorhandenen Einparteienstaat mit einstweilen geduldeter und begrenzter Freiheit der Kritik. Das wäre nicht das richtige Wechselspiel der demokratischen Kräfte in einer parlamentarischen Demokratie.
Das Einsetzen der durch den Staat gegebenen Möglichkeiten sehen wir vor allem auf dem Gebiet der Manipulierung der öffentlichen Meinung. Da werden öffentliche Gelder für Propagandazwecke der regierenden Partei eingesetzt. Da gibt es die verschiedensten Titel im Haushaltsplan - die meisten von Ihnen kennen sie besser als ich -, von der Aufklärung über die Privatisierung des Bundesvermögens über Herstellung, Anforderung und Verbreitung von Informationsmaterial, allgemeine Aufklärung, Öffentlichkeitsarbeit in Verteidigungsfragen bis zu dem jetzt umstrittenen Fonds von 800 000 DM für Propaganda im Haushalt des Wohnungsbauministeriums und vielen anderen Stellen mehr. Keine Ausrede, meine Damen und Herren, hier handelt es sich nicht etwa um Beiträge des Bundes zu der dringend erforderlichen staatsbürgerlichen Erziehung. Daß es gerade daran fehlt, merkt man heute allgemein in unserer Öffentlichkeit; es fehlt daran trotz zehn Jahre Tätigkeit der Bundesregierung unter Vorsitz des Kanzlers Dr. Adenauer.
Wir haben kürzlich eine Begegnung zwischen Soldaten und Offiziere auf der einen Seite und Erziehern auf der anderen Seite gehabt; die Berichte darüber haben Sie gelesen. Das Problem, auf das man dabei sofort stieß, war die mangelnde staatsbürgerliche Information und gleichzeitig auch die mangelnde Bereitschaft zur staatsbürgerlichen Verpflichtung.
Deswegen muß eben im Grenzgebiet von Volksbildung und politischer Erziehung mehr geschehen. Das ist natürlich - da haben Sie recht - nicht einfach eine Aufgabe des Bundes. Aber ein Bund, der auf dem Gebiet der Propaganda sehr viel tut, sollte
sich überlegen, ob er die ihm zustehenden Mittel statt für einseitige Parteipropaganda nicht in vernünftiger Weise in Zusammenarbeit mit den Ländern und Gemeinden für allgemeine staatsbürgerliche Erziehung einsetzen könnte; sie wäre das Geld wert.
({41})
Statt dessen haben wir eine Fülle von Propaganda aus dem Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, das sogar ungeprüft Material - wahrscheinlich aus einer Parteiküche - verwendet, das mit den amtlichen Unterlagen der Regierung nicht übereinstimmt. Diese Fälle hat es gegeben. Im wesentlichen wird über die Absichten der Regierung informiert, die Opposition als nicht zum Staat gehörig behandelt; sie wird gar nicht oder unzulänglich erwähnt.
Welche Gefahren hierin liegen, sehen wir bei den Plänen der Bundesregierung - auch hier wieder unter Verantwortung des Regierungschefs - auf dem Gebiet des Rundfunks und des Fernsehens. Am 13. Mai hat der Verwaltungsrat der Deutschen Bundespost 36,6 Millionen DM zur Errichtung der ersten Baustufe eines zweiten Fernsehnetzes bewilligt. Die Rundfunkanstalten haben erklärt, daß sie mit einem Aufwand von 25,5 Millionen DM auf dem gleichen Wege sind, dazu mit dem Unterschied, daß ihr Sendenetz etwa 80 % der Bevölkerung versorgen könnte, während das von der Bundespost geplante Sendenetz einen wesentlich geringeren Anteil der Bevölkerung versorgen würde.
Meine Damen und Herren, hier handelt es sich nicht um einen „edlen Wettstreit"; denn die Bundespost erklärt doch sonst, wie schrecklich arm sie sei. Wenn sie jetzt plötzlich hier in ihre Schatulle greift, obwohl für dieselbe Aufgabe andere zu zahlen bereit sind, dann steht dahinter ein Stück politischen Machtkampfes;
({42})
dann steht dahinter der Zugriff auf ein Informationsmittel, das im Bundestagswahlkampf 1961 eine noch größere Rolle spielen wird als heute. Das ist der wirkliche Sachverhalt. Deshalb sollten wir auch hier wachsam sein und verhindern, daß durch Manipulierung von Rundfunk und Fernsehen die objektive Unterrichtung und Darstellung verschiedener Standpunkte von der einseitigen Propagierung des Standpunktes der in Bonn regierenden Partei überwuchert wird.
Damit bin ich bei dem Kapitel Umgang mit dem eigenen Volk, dem Staatsbürger, dem Wähler. Da hat der Bundeskanzler leider auch Enttäuschungen bereitet, an denen wir jetzt alle miteinander zu tragen haben. Vor der Wahl am 11. September 1957 hat er in einem Brief, der damals in der Wahlagitation eine große Rolle spielte, verkündet:
Es wird im nächsten Bundestag eine unserer dringendsten Aufgaben sein, sämtliche noch vorhandenen Unstimmigkeiten auf dem Gebiete der Rentengesetze zu beseitigen, damit die Rentner auch wirklich in den Genuß der Rentenerhöhung kommen. Es muß unter allen Umständen vermieden werden, daß die vorgesehenen Verbesserungen durch eingehende Anrechnungsbestimmungen in vielen Fällen kaum zur Auswirkung gelangen.
Dies war das Versprechen des Kanzlers, das nicht gehalten wurde; denn genau diese Anrechnungsbestimmungen sind noch in Kraft. Mehrfache Anstöße und große Debatten in diesem Hause haben den Herrn Bundeskanzler, sein Kabinett und seine Partei noch nicht dazu bewegen können, dieses vom Bundeskanzler selbst gegebene Versprechen einzulösen, mit dem große Hoffnungen bei den Rentnern erweckt wurden, die nachher bitter enttäuscht wurden.
Ähnliches gilt - das wird uns in der kommenden Debatte bei dem entsprechenden Einzelplan sicher noch beschäftigen für das Tauziehen um die Kriegsopferversorgung. Kennzeichnend für den Stil, mit dem man diese Dinge behandelt, ist es doch wohl, daß das Bundeskabinett am gleichen Tage, an dem es eine Erhöhung der Grundrenten für die Kriegsversehrten abgelehnt hat, eine Vorlage über eine erhebliche Verbesserung der Ministerpensionen beschloß. Das läßt einfach jedes Maß für die Dringlichkeit der Probleme vermissen.
Wir Sozialdemokraten haben - das darf anläßlich der Feier zum zehnten Jahrestag des Grundgesetzes in Erinnerung gerufen werden an diesem Grundgesetz entscheidend mitgearbeitet; es wurde von der Sozialdemokratie geschlossen angenommen, von der Mehrheit der CSU damals sogar abgelehnt, auch vom Bayerischen Landtag. Unsere Treue zu dem von uns mitgeprägten Grundgesetz kann von niemandem übertroffen werden; aber wir wollen uns auch das Recht, das dieses Grundgesetz uns und jedem einzelnen Staatsbürger gibt, nicht streitig machen lassen. Wir respektieren loyal Urteile des Verfassungsgerichts. Wir verlangen aber auch, daß Verfassungsbefehle im Sinne des Verfassungsgebers ausgeführt werden; und dazu gehört jener Befehl, daß die Parteien öffentlich Rechenschaft über die Herkunft ihrer Mittel zu legen haben. Der Gesetzentwurf des Innenministeriums kommt nach diesem Befehl viel zu spät und ist auf diesem Gebiet völlig unzureichend. Denn er läßt die wirkliche Herkunft der Mittel nach wie vor weitgehend im Dunkel.
Vielleicht hängt das damit zusammen - ich muß das leider sagen , daß der Innenminister weder zum Grundgesetz noch zum Parlament eine so enge innere Beziehung hat, wie man das eigentlich wünschen sollte.
({43})
Er hat in einem Gedenkartikel zum Grundgesetz
({44})
am 22. Mai vier Punkte seiner Kritik an eben diesem Grundgesetz, das er ja zu schützen hat, herausgearbeitet. Er hat sich einmal beklagt über die Betonung der individuellen Rechtsposition des einzelnen gegenüber dem Staat,
({45})
ausgerechnet aus den Reihen einer Partei, die uns ja gern vorwirft, wir wollten zuviel Staat.
Der Innenminister hat sich zweitens darüber beklagt, daß die gesetzgebende Gewalt, d. h. wir, versuche, durch Organisationsgesetze in den Bereich der vollziehenden Gewalt hinüberzugreifen. Als ob unser Parlament, dieser Bundestag, der Exekutive gegenüber zu gewaltsam aufträte!
({46})
Ich meine, da liegt nun wirklich kein Anlaß zur Beschwerde vor.
Er hat weiter erwähnt, Art. 80 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes, wonach Inhalt, Zweck und Ausmaß einer der vollziehenden Gewalt erteilten Berechtigung zur Rechtsetzung im Gesetz genau bestimmt sein muß, habe in der strengen Auslegung durch das Bundesverfassungsgericht die Gesetzgebungs-
und Verordnungspraxis nicht eben erleichtert. Das heißt, wenn es um die Erleichterung der Verordnungspraxis der Regierung geht, ist Kritik zu eben diesem Zweck an einer bewußt geschaffenen Beschränkung durch das Grundgesetz erlaubt. Die Regierung wünscht - das ist der Sinn dieser Kritik -, daß sie an Stelle des Gesetzgebers selbst mehr Rechtsnormen in eigener Zuständigkeit erlassen kann. Warum eigentlich? Hat der Bundestag sich je als unfähig erwiesen, in der gebotenen Zeit, wenn die Regierung ihn mit Vorlagen befaßt hat, die betreffende Materie rechtlich einwandfrei zu regeln?
Der dritte Punkt der Kritik betrifft das Zusammenspiel zwischen Bund und Ländern. Nach der Meinung des Innenministeriums hat sich das nicht befriedigend entwickelt. Das liege - man höre - am Parteienbundesstaat und an dem Bestreben des Bundesrates nach maximaler Ausnutzung aller nach dem Buchstaben der Verfassung allenfalls gerechtfertigt erscheinender Rechtspositionen. Diese letztere Kritik hat mich etwas belustigt. Denn sie könnte doch wohl auch an die Adresse des Herrn Bundeskanzlers gerichtet sein. Dieser kommt einem da unwillkürlich in Erinnerung.
Aber ich möchte auf das Wort vom Parteienbundesstaat zurückgreifen. Welch eine Vorstellung steckt eigentlich schon hinter dieser Wortschöpfung? Damit ist doch erwiesen, daß der Innenminister jedenfalls nicht das föderative Prinzip der Verteilung der Macht eingesehen hat, ein Prinzip, das eben auch bedeutet, daß den Ländern unabhängig vom Bund durchaus eigenständige politische Konstellationen gegeben werden können. Das ist gelegentlich nicht nur nützlich, sondern im Interesse des Funktionierens der Machtverteilung sogar dringend erwünscht. Deshalb sollte man sich den Versuchen widersetzen, etwa unter Bezugnahme auf den schlechten Parteienbundesstaat die Länder alle nach dem Schema der jeweils in Bonn regierenden Koalition gleichzuschalten. Das darf nicht die Aufgabe unserer innenpolitischen Auseinandersetzungen sein. Aber genau dieses hat der Herr Bundeskanzler versucht. Er hat es auch gesagt. Er hat z. B. in Hessen gesagt: Hessen muß endlich ein bundestreues Land werden. Es waren aber nicht die Hessen, die das Grundgesetz abgelehnt haben, Herr Bundeskanzler; das waren ganz andere Leute.
({47})
- Da hat sich Hessen loyal dem Spruch des Verfassungsgerichts gebeugt. Was wollen Sie eigentlich mehr? Dann könnte man ebensogut sagen: Sie sind nicht bundestreu, weil Sie Parteispenden akzeptiert haben, die später für verfassungswidrig erklärt worden sind - Steuerabzug, nicht wahr? ({48})
Wollen wir doch endlich damit aufhören! Hier handelt es sich um den Respekt vor unseren Organen, den jeder ihnen schuldig ist. Weiter: in Niedersachsen wurde der CDU aus Bonn kein grünes Licht zur Koalition mit der SPD gegeben. Ich erinnere ferner an jenen anderen Ausspruch damals in Nordrhein-Westfalen: „Gebt uns die Mehrheit, damit wir machen können, was wir wollen!", und zwar ausgerechnet bei Länderwahlen vom Chef der Bundespartei verkündet.
Der vierte Punkt der Kritik des Innenministers richtet sich gegen die angeblich größte Gefahr für den Bestand und die freiheitlich-demokratische Grundordnung unseres Staates, die darin bestehe, daß die freiheitlich gesinnten Kräfte, die gegenwärtig den Staat tragen, nicht über die notwendige Vollmacht zur Abwendung eines Staatsnotstandes verfügten. Meine Damen und Herren, hier soll die Regierung endlich einmal sagen, was sie wirklich will. Will sie an Stelle des Bundestages Gesetze erlassen können? Gerade der Gesetzgebungsnotstand ist bisher ausdrücklich von allen denen, die das Grundgesetz mit geschaffen haben, als unerwünscht abgelehnt worden, - von allen. Der Bundestag ist handlungsfähig. Meine Damen und Herren, geht es um eine Bundesexekutive? Dem Bund stehen nach dem Grundgesetz in bestimmten Fällen auch die Länderorgane zur Verfügung. Man soll also klar sagen, was hier der Innenminister eigentlich meint. Denn sein Wort von der Staatssicherheit, das er vor der Gewerkschaft Polizei gesprochen hat, muß doch hellhörig machen. Jedenfalls wollen wir uns nicht auf einen Weg drängen lassen, bei dem man die Freiheit stückweise unter der Vorspiegelung abschafft, daß das das einzige Mittel sei, sie ernsthaft verteidigen zu können.
({49})
Eine wesentliche Gefahr für den freiheitlich gesinnten Bürger liegt heute weniger in radikalen Umtrieben der Verfassungsgegner - die gibt es auch, aber deren können wir uns erwehren und erwehren wir uns in der Praxis auch - als in dem Überwuchern der Bundesexekutive im Verhältnis zu den anderen Gewichten unseres Staates, und ein Notstand solcher Art wäre erheblich weniger gegeben, wenn der Bundesinnenminister nicht Dr. Schröder hieße.
({50})
Meine Damen und Herren, das konstruktive Mißtrauensvotum sichert uns doch eine beständig handlungsfähige Bundesexekutive und ist die Barriere gegen die Wiederkehr einer HandlungsunErler
fähigkeit, wie sie sich manchmal in der Weimarer Republik herausgebildet hat. Nach Gesetzgebungsbefugnissen im Sinne des Art. 48 der Weimarer Verfassung sollte im Lichte vergangener Erfahrungen nicht gerufen werden. Dafür ist der Bundestag selbst da, und auch die Exekutivbefugnisse unterliegen seiner Prüfung und Entscheidung nach 'den gegebenen Notwendigkeiten.
Noch eine Schlußbemerkung. Es geht mit diesem Haushaltsplan, das wird jeder spüren, eine Aera zu Ende. Neue Männer bedeuten aber noch immer keine neue Mehrheit; das ist selbstverständlich. Daran ändert sich in diesem Bundestag zunächst jedenfalls nichts.
({51})
Aber neue Männer können immerhin doch neue Methoden bedeuten. Und da wollte ich gerade an Herrn Rasner hier ein Wort richten, nämlich, daß vielleicht mit Hilfe neuer Methoden unter neuen Männern doch auch ein besseres Klima zwischen der Regierung und der Opposition geschaffen werden könnte.
({52})
Ob es dazu auch eines neuen Mannes in der Geschäftsführung Ihrer Fraktion bedarf, weiß ich nicht. Aber Sie sind ja noch entwicklungsfähig, Sie sind ja noch relativ jung.
({53})
- Nein, nein, der Mommer ist uns unentbehrlich; den kriegen Sie nicht.
({54})
Meine Damen und Herren, es kann aber auch anders kommen; und auch vor dieser Gefahr sollten wir uns hüten. Es kann nämlich auch so kommen, daß, weil ein großer Magnet künftig fehlen wird, zum Beispiel beim nächsten Wahlgang, manch einer der Versuchung erliegt, das auf andere Weise auszugleichen: durch ein bißchen mehr Druck, durch ein bißchen mehr Staatsgewalt oder staatlichen Einfluß zur Bewahrung der Parteimacht. Davor sollten Sie sich hüten
({55})
im Interesse eines guten Funktionierens unserer Demokratie. Argumente sollen ringen. Gleiche Startchancen ohne Vorsprung an Macht im Kampf um den Wähler, das ist das Wesentliche, worauf es bei der politischen Auseinandersetzung ankommt. Entscheidend für den einen oder den anderen Weg wird es sein, welchen Kurs der neue Regierungschef einzuschlagen gewillt ist und wie Sie dabei Ihre Aufgabe als Mehrheitspartei dieses Hauses anpacken. Es gibt allerhand Stoff zum Nachdenken. Die Verantwortung bei denen, die regieren, ist in diesen Fragen unstreitig etwas größer als bei den anderen. Dafür sind sie in die Verantwortung gerufen. Wir müssen uns Mühe geben, unseren Teil an der Verantwortung mit zu tragen. Das entbindet die Mehrheitspartei nicht davon, ihre unstreitig größere Verantwortung im Besitz der Regierungsgewalt eindeutig zu erkennen und das auch als Verpflichtung zu empfinden. Wie weit das alles eintrifft, darüber werden wir beim nächsten Haushaltsplan reden können, der nicht mehr von einem Kabinett Dr. Adenauer eingebracht wird.
({56})
Meine Damen und Herren! Nach einer interfraktionellen Vereinbarung findet die Mittagspause erst nach der Antwort des Herrn Bundeskanzlers statt.
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Erler hat in seinen Ausführungen bei einer Reihe von Fachministern Ausstellungen gemacht. Ich nehme an, daß die Herren bei der Beratung ihres Haushaltsplans darauf antworten werden; ich werde nicht darauf antworten. Wenn ich das alles :abziehe und wenn ich mir vorstelle, daß Herr Kollege Erler doch eine sehr spitze Zunge hat, dann habe ich das Gefühl, daß ich verhältnismäßig glimpflich davongekommen bin.
({0})
- Herr Mommer, ein dickes Fell muß man in der Politik haben; da haben Sie vollkommen recht.
({1}) Glücklich der, der ein dickes Fell dabei hat!
({2})
Einige Äußerungen des Herrn Erler möchte ich aber nicht unerwidert lassen. Er meint, ich hätte einige, unbedachte Äußerungen gemacht, die dahin ausgelegt werden könnten, daß vom Präsidentenstuhl aus regiert werden würde oder solle oder möchte. Nun, meine Damen und Herren, da hat mich Herr Kollege Erler völlig reißverstanden.
({3})
- Ja, meine Herren, ich danke Ihnen für die freundliche Stimmung; aber hören Sie mich doch zuerst einmal an!
({4})
- Nein?
({5})
- Ach, ich hatte das immer angenommen, gerade auch bei Ihnen!
({6})
Meine Damen und Herren! Was ich über die Befugnisse des Bundespräsidenten nach dem Grundgesetz gesagt habe - und ich begrüße es, Herr Erler, daß Sie das hier zur Sprache gebracht haben -, gibt genau das Verhältnis wieder, in dem ich als Bundeskanzler zum Herrn Bundespräsidenten Heuss gestanden habe.
({7})
Ich habe mit Herrn Bundespräsidenten Heuss regelmäßig - regelmäßig! - alle wichtigen Regierungsangelegenheiten besprochen, ihn nicht nur nachträglich informiert, und wir haben unsere Gedanken über manche Fragen, auch Personalfragen, meine verehrten Damen und Herren, ausgetauscht. Er hat gewisse Bedenken gegen das oder gegen den geäußert, ich habe auch meine Bedenken gehabt, und ich möchte hier ausdrücklich feststellen, daß von ganz wenigen, unbedeutenden Fällen abgesehen, zwischen ihm und mir immer volle Übereinstimmung bestanden hat.
({8})
Daß ich den Staat und die Partei als eine eigene Angelegenheit betrachtete, ist mir neu, Herr Kollege Erler. Ich wünschte, Sie könnten dann und wann einmal an einer Fraktionssitzung der CDU/ CSU teilnehmen.
({9})
Dann würden Sie doch sehen, daß dort genausogut Meinungsverschiedenheiten bestehen wie in anderen Fraktionen dieses Hauses und ich, wenn ich da bin, bald auf dieser, bald auf jener Seite stehe, je nachdem, wie ich es für richtig halte.
Dann haben Sie gesagt, daß ich wesentliche Teile unseres Volkes vom Staate fernhalte. Das ist nicht richtig, Herr Erler. Da tun Sie mir unrecht.
({10})
Sie müssen sich dann an den deutschen Wähler wenden.
({11})
Wenn nun einmal der deutsche Wähler nicht Ihnen die Mehrheit gibt, dann wäre es doch undemokratisch, nach dem Willen der Minderheit zu regieren. Das können Sie doch nicht verlangen.
({12})
- Herr Erler, Sie dürfen doch niemals die Hoffnung aufgeben, daß auch Sie einmal eine Mehrheit haben werden.
({13})
Noch ein weiteres. Sie haben gesagt, ich hätte durch den Rundfunk erklärt, daß die Außenpolitik dieselbe bleiben werde. Das habe ich getan. Aber ich habe nicht etwa geglaubt, daß ich, wenn ich Bundespräsident werden würde, dann dem Bundeskanzler die Richtlinien diktieren könnte. Nein, ich habe es getan, weil ich davon überzeugt bin, daß unsere Partei die Wahl 1961 gewinnen wird. Das war der Grund.
({14})
Sie haben ein wahres Wort gesagt, Herr Erler, das ich völlig unterschreibe. Sie haben gesagt - und da haben meine Freunde das gar nicht so richtig verstanden -,
({15})
man müsse sich Gedanken über die Geschäftsführung des Kanzlers machen. Sehen Sie, ich wünsche gerade von Ihnen, daß Sie sich Gedanken darüber machen, warum ich dies tue und jenes lasse, warum ich dies sage und jenes nicht sage. Sie können überzeugt sein, daß ich bei alledem dasjenige an die Spitze stelle, was an die Spitze gehört: das Interesse des gesamten deutschen Volkes.
({16})
Ich gebe Ihnen ohne weiteres darin recht, daß man natürlich über das Interesse des deutschen Volkes, je nach dem Standpunkt, den man nun einmal gewonnen hat, verschiedener Meinung sein kann. Aber so wie ich das von Ihnen annehme, bitte ich auch von mir anzunehmen, daß ich mir bei allen diesen wichtigen Fragen zuerst vorhalte: Was ist das Interesse des deutschen Volkes?
({17})
Ich war jetzt in den Vereinigten Staaten. Ich habe nach sehr vielen Seiten hin Fühlung genommen, und in wenigen Tagen ist es mir auch gelungen, mit sehr vielen wichtigen Männern in Verbindung zu kommen und mit ihnen zu sprechen. Ich habe keine antideutsche Stimmung gemerkt, Herr Erler, sondern habe alles andere als eine antideutsche Stimmung festgestellt. Ich kann Ihnen versichern, daß, sei es bei den Republikanern oder bei den Demokraten, die Übereinstimmung mit uns - Sie eingeschlossen - außerordentlich groß ist. Dann und wann haben sie allerdings Ihre Außenpolitik nicht verstanden; das gebe ich zu,
({18})
aber eine antideutsche Stimmung habe ich nirgendwo angetroffen.
Herr Kollege Erler hat das Verhalten der Bundesregierung in Sachen Blankenhorn und Hallstein bemängelt. Die Ausführungen, die er dazu gemacht hat, zwingen mich, auch darüber einiges zu sagen, obgleich das Verfahren noch nicht abgeschlossen ist. Aber ich werde, eben weil das Verfahren noch nicht abgeschlossen ist, sehr vorsichtig sein in dem, was ich sage. Ich gebe offen zu: bei dem ganzen Verfahren habe ich manches nicht verstanden. Ich habe es nicht verstanden als Jurist, der ich von Haus aus bin, ich habe es nicht verstanden, obwohl ich zwei Jahre auch Staatsanwalt gewesen bin, und ich habe es nicht verstanden, obwohl ich früher Beisitzer einer Strafkammer gewesen bin.
So finde ich es - ich sage das sehr offen - eine unmögliche Tortur, irgendeinen Angeklagten vor den Fernsehschirm zu stellen.
({19})
Das ist eine Tortur, wie es sie im Mittelalter nicht gegeben hat.
({20})
Stellen Sie sich doch bitte vor: Irgend jemand wird
aus dem Gerichtssaal heraus durch das Fernsehen
Millionen von Menschen als Angeklagter vorgestellt, und nachher wird der Mann oder die Frau freigesprochen.
({21}) Was dann?
({22})
- Ach, nun hören Sie doch einmal mit den alten Sachen auf!
({23})
- Warum nicht? Ich habe das dicke Fell, von dem Herr Mommer sprach.
({24})
- Dickes Fell nennen Sie sentimental? Nein, dünnes Fell!
({25})
Die schriftliche Begründung des Urteils, durch das Herr Blankenhorn verurteilt worden ist, liegt noch nicht vor. Es liegt jedoch - auf Band aufgenommen - die mündliche Begründung der Verurteilung vor. Danach ist Herr Blankenhorn verurteilt worden, weil er nicht selbst durch das Auswärtige Amt eine Untersuchung hat anstellen lassen, ob die Anschuldigungen Galals richtig seien oder nicht, sondern dem Vorgesetzten des Herrn Strack das einfach übergeben hat.
({26})
- Sie können das Band abhören; das ist ja nun auf Band aufgenommen.
({27})
Der Herr Kollege Erhard hat als Zeuge ausgesagt, er würde sich jede Untersuchung des Falles durch das Auswärtige Amt gründlichst verbeten haben.
Nun haben Sie gesagt - ich begreife, daß Sie das sagen; ich habe es mir auch gesagt -, man könne pflichtgemäß handeln und sich doch strafbar machen. Sie haben das mit Recht gesagt. Aber wissen Sie auch, Herr Kollege Erler, durch wen dieser verrückte Paragraph in das Strafgesetzbuch gekommen ist? Durch die Nazis ist er hineingekommen!
({28})
Durch die Nazis ist dieser Paragraph in das Strafgesetzbuch hineingekommen, damit gegen nationalsozialistische Übergriffe keine Anzeigen erfolgten. Wenn Sie sich genauer unterrichten wollen, lesen Sie doch bitte den Artikel des Züricher Strafrechtlers
- ich habe den Namen jetzt nicht gegenwärtig -,
({29})
den Artikel, der in der „Neuen Zürcher Zeitung" gestanden hat! Lesen Sie den doch einmal durch!
({30})
- Gut, wenn Sie den lesen, glaube ich, machen Sie sich dochh auch Ihre Gedanken darüber.
({31})
- Ja, aber es ist eine ausgezeichnete Informationsquelle.
({32})
- In diesem Falle zweifellos, Herr Mommer! Ja, es ist eine ausgezeichnete objektive Informationsquelle,
({33})
die ich seit vielen, vielen Jahren regelmäßig lese.
({34})
- Wenn Sie sagen „Man merkt's!", ist das sehr freundlich von Ihnen.
({35})
Nun haben Sie von hemdsärmeligen Wahlreden gesprochen. Ja, lieber Herr Erler, Sie reden doch auch viel. Hat es denn Zweck, da nun sanft zu säuseln? Das hat doch gar keinen Zweck!
({36})
Ich meine, da muß man kräftig sprechen und richtig sprechen,
({37})
dann hat man auch Erfolg.
({38})
- Herr Erler, ich habe nicht verstanden. Was ich hier gesagt habe?
({39})
- Also, verehrter Herr Erler ({40})
- lassen Sie mich doch höflich sein -, wenn ich irgend kann, komme ich nächstens mal in eine Ihrer Wahlreden hinein, dann will ich mal sehen, - ({41})
- Ja, gerne! Ich diskutiere immer gern mit Ihnen; denn Sie können diskutieren. Das gebe ich ohne weiteres zu. Man muß höllisch aufpassen, wenn man mit Ihnen diskutiert, damit man Sie zur Strecke bringt.
({42})
Meine Damen unid Herren, ich komme zum Schluß meiner Bemerkungen wegen dieser allgemeinen Ausführungen des Herrn Kollegen Erler. Herr Erler, es ist doch ganz klar, daß man die Wahl gewinnen will, wenn man eine Wahlrede hält. Dann kann ich doch unmöglich Ihr Verdienst hervorheben.
({43}) Das tun Sie doch auch nicht, Herr Erler.
Aber ich bin ein genauso guter Demokrat, wie Sie es sind. Ich habe den Wunsch bei Wahlreden, Ihnen möglichst viele Mandate abzujagen, und den Wunsch haben Sie auch.
({44})
Aber ich wünsche nicht - hören Sie bitte wohl, was ich sage -, ich wünsche unter keinen Umständen, daß Sie irgendwie aus dem Kreise der Parteien dieses Hauses verschwinden oder die Zahl Ihrer Mitglieder zu stark gekürzt würde. Gewiß, etwas muß sein!
({45})
Denn ich bleibe bei dem, was ich neulich über die Polarität gesagt habe, als wir früheren Mitglieder des Parlamentarischen Rates zusammenkamen: Die Polarität zwischen der Regierungsmehrheit und der Opposition ist notwendig, sowohl für die Opposition wie für die Regierung.
({46})
Meine Damen und Herren, wir treten in die Mittagspause ein. Ich unterbreche die Sitzung bis 15 Uhr.
({0})
Die Sitzung ist wieder eröffnet. Wir fahren in der Aussprache über Einzelplan 04 fort. Wortmeldungen? - Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Bucher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Abgeordnete Erler hat vorhin eine Rede gehalten, in der er gesagt hat, es gehe eine Epoche zu Ende. Man kann insofern sagen, er habe eine Art Leichenrede gehalten. Aber er hat es jedenfalls an der für ein solches Thema erforderlichen Pietät nicht fehlen lassen. Im Gegenteil, ich finde, er hat in seiner Rede sehr viele goldene Brücken gebaut, und der Gesamttenor der Rede war doch sehr ernst.
Um so unangebrachter finde ich es, daß der Herr Bundeskanzler darauf - ich kann es nicht anders sagen - mit Witzchen geantwortet hat,
({0})
die der Materie nicht angemessen waren.
Es waren sehr wesentliche Vorwürfe in dem enthalten, was Herr Erler gesagt hat: einmal der hier schon wiederholt ausgesprochene Vorwurf, daß der Herr Bundeskanzler die Regierungsparteien und noch mehr sogar sich selbst mit dem deutschen Volk identifiziert. Er hat darauf gesagt, man könne auf Wahlversammlungen doch nicht sanft säuseln, man wolle doch die Wahl gewinnen. Selbstverständlich, aber darum geht der Streit ja gar nicht. Es ist eben so, wie es gesagt wurde, daß der Herr Bundeskanzler außerhalb dieses Hauses Worte gebraucht, die in einem demokratischen Staat einfach verheerend wirken müssen, so etwa, wenn man es als nationales Unglück bezeichnet, daß überhaupt einmal eine andere Partei an die Regierung kommen könnte, - was doch ein in einem demokratischen Staat durchaus möglicher Vorgang ist.
Ich darf hier in aller Offenheit sagen, da meine Fraktion nicht davon betroffen ist: Wir haben es auch satt, daß immer wieder auf die persönliche Vergangenheit gewisser Mitglieder dieses Hauses hingewiesen wird und sie wegen ihrer politischen Vergangenheit verdächtigt werden. Wenn heute jemand Kommunist ist und sich als solcher betätigt, dann soll ihn die Schärfe des Gesetzes treffen, die wir in reichlichem Maße zur Verfügung haben. Wenn aber früher jemand Kommunist war und es heute nicht mehr ist, dann soll man davon auch hier nicht reden.
({1})
Besonders möchte ich zu dem anderen Komplex, den Herr Erler angeschnitten hat und auf den auch der Herr Bundeskanzler eingegangen ist, etwas sagen, zu dem Prozeß Hallstein-Blankenhorn. Der Herr Bundeskanzler hat hier wieder seine Gabe betätigt, auf Nebenkriegsschauplätze auszuweichen,
({2})
und hat sich eingehend darüber verbreitet, daß bei diesem Prozeß Fernsehaufnahmen gemacht wurden. Gewiß, die Feststellung ist zutreffend, daß es im Mittelalter kein Fernsehen gab.
({3})
Ich stimme auch in der Sache dem Herrn Bundeskanzler hier vollkommen zu. Ich halte es nicht für gut, daß in einem Prozeß, vor allem in einem Strafprozeß, gleichgültig, ob es sich um einen kleinen oder um einen prominenten Angeklagten handelt, dieser der Tortur einer Fernsehaufnahme und -übertragung ausgesetzt wird. Da sind wir uns vollkommen einig. Aber darum geht es hier nicht; das kann man gelegentlich im Dienstaufsichtswege rügen und abstellen.
Es geht auch nicht darum, ob das Urteil gerecht oder ungerecht ist. Darüber haben wir nicht zu befinden. Es geht vielmehr darum, wie sich die Bundesregierung in diesem Falle verhalten hat. Das, was der Herr Bundeskanzler heute dazu ausgeführt hat, zeigt, daß er, ich muß fast sagen, blind ist gegenüber diesem Problem. Wir, jedenfalls ich für meine Person, aber wohl auch die anderen Oppositionsredner, haben uns in der Justizdebatte peinlichst bemüht, nicht dem Gericht vorzugreifen und nicht das Parlament zum Tribunal zu machen. Wir wollten nicht den Fall Hallstein-Blankenhorn in seiner materiellen Seite abrollen. Der Herr Bundeskanzler hat das heute getan. Er hat uns hier erzählt, inwiefern dieses Urteil nicht in Ordnung sei. Es ist vollkommen unmöglich, daß das Parlament sich damit befaßt, und es ist auch unzulässig.
Es geht darum, daß die Bundesregierung von vornherein, bevor überhaupt ein Urteil da war, erklärt hat, das Verhalten der angeklagten Beamten sei pflichtgemäß gewesen. Heute, nachdem nun ein, wenn auch noch nicht rechtskräftiges, Urteil vorliegt, wird vom Chef der Bundesregierung dieses Urteil gescholten. Das ist einfach ein ganz unmöglicher Vorgang.
({4})
Gerade der Regierungschef müßte doch ein Hort der Gerechtigkeit sein. Selbst wenn er ein Urteil in einer einzelnen Sache für unberechtigt oder ungerecht hält, müßte er sich zumindest schweigend verhalten, wenn er sich nicht überhaupt sogar verpflichtet fühlt, sich vor die Justiz zu stellen. Statt dessen macht er nun geltend, in der „Zürcher Zeitung" habe ein Gutachten gestanden, wonach die fragliche Gesetzesbestimmung erst im „Dritten Reich" in das Strafgesetzbuch gekommen sei. Das ist, soweit ich es in der Mittagspause überprüfen konnte, richtig. Aber offenbar ist es bisher der Bundesregierung auch nicht aufgefallen. Wir haben ja das Strafgesetzbuch durch zahlreiche zusätzliche Bestimmungen ergänzt, nicht immer in ganz glücklicher Art. Wir haben weitere Versuche erlebt, es in noch weniger glücklicher Art weiterhin zu ergänzen. Ich meine, dann hätte man ja auch eine solche Bestimmung, wenn man sie als so grob nationalsozialistisch empfindet, herausstreichen können. Aber so typisch nationalsozialistisch ist diese Bestimmung, daß auch grob fahrlässig falsche Anschuldigungen strafbar seien, ja gar nicht. ) Wenn diese Bestimmung im Strafgesetzbuch steht, dann ist jeder Richter verpflichtet, sie anzuwenden, nachdem selbst ein gesetzgebendes Organ, der Bundestag, und seine Bundesregierung sich nicht veranlaßt gesehen haben, diese Bestimmung zu streichen.
Aber lassen wir all diese verhältnismäßig nebensächlichen Dinge beiseite! Es bleibt leider das traurige Fazit zu ziehen, daß der deutsche Regierungschef es für angebracht hält, vor dem Deutschen Bundestag Urteilsschelte zu üben. Der Herr Bundeskanzler legt ja selber Wert darauf, bevor er - im Falle seiner Wahl - das Amt des Bundespräsidenten antritt, bis zum letzten Tage seine Befugnisse als Bundeskanzler auszuüben. Deshalb - der Bundespräsident soll hier nicht kritisiert werden, kein Bundespräsident - aber kann man es mir nicht verargen, wenn ich sage: unter diesen Auspizien wäre es mir in dem Falle leid um dieses hohe Amt!
({5})
Weitere Wortmeldungen? - Keine weiteren Wortmeldungen.
Zu Einzelplan 04 liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 283 vor. Wollen Sie dazu noch etwas sagen, Herr Abgeordneter Dr. Bucher?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als wir diesen Anderungsantrag einreichten, war uns bekannt, daß Mitglieder des Haushaltsausschusses mit Herren der Bundesregierung Unterhaltungen führten, um gemeinsam zu einer Lösung der in unserem Antrag aufgegriffenen Frage zu kommen. Wir waren aber der Ansicht, diese Verhandlungen seien bereits endgültig negativ verlaufen. Wir haben gehört, daß das nicht der Fall ist, sondern daß nach wie vor die Aussicht besteht, zu einer Vereinbarung zu kommen, die sowohl den berechtigten Bedürfnissen der Bundesregierung Rechnung trägt, daß selbstverständlich nicht alle diese Dinge unter dem Tit. 300 einer vollen (Öffentlichkeit unterbreitet werden können, die aber andererseits auch den Bedürfnissen des Parlaments nach einem gewissen Minimumm en Kontrolle Rechnung trägt.
Wir ziehen deshalb den Antrag für die zweite Lesung zurück, behalten uns allerdings vor, ihn in der dritten Lesung noch einmal zu stellen.
Der Änderungsantrag Umdruck 283 ist zurückgezogen.
Abstimmung über den Einzelplan 04. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das erste ist die Mehrheit; der Einzelplan 04 ist in zweiter Lesung angenommen.
Meine Damen und Herren, ich begrüße in unserer Mitte eine Delegation des Peruanischen Parlaments unter der Führung des Herrn Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Peru.
({0}).
Dem Deutschen Bundestag ist es eine Ehre und eine Freude, eine so ausgezeichnete Delegation aus dem schönen Land Peru hier unter uns zu haben. Wir bitten Sie, Herr Präsident, die freundschaftlichen Grüße dieses Hauses Ihrem Hause zu übermitteln.
({1})
Ich rufe auf:
Einzelplan 05
Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts ({2}).
Der Herr Berichterstatter, Abgeordneter Dr. Conring, hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mir erlaubt, einen Schriftlichen Bericht - zu Drucksache 1054 .- vorzulegen. Ich nehme an, daß Sie den Schriftlichen Bericht gelesen haben, so daß ich mir weitere mündliche Ausführungen dazu ersparen kann.
({0})
Ich bedanke mich für diesen höchst präzise gefaßten Bericht. Ich frage, ob dazu das Wort in der allgemeinen Aussprache gewünscht wird? - Keine weiteren Wortmeldungen.
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
Ich rufe den Änderungsantrag der Fraktion der SPD zum Einzelplan 05 auf Umdruck 254 auf. Wird der Änderungsantrag begründet? Herr Abgeordneter Kalbitzer!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte nur zu einem kleinen Ausschnitt unserer auswärtigen Politik Stellung nehmen, und zwar zu unseren Beziehungen zu den Ländern, die man die Entwicklungsländer nennt.
Die Zeit nach dem Ende des zweiten Weltkrieges hat der Weltöffentlichkeit eine zweite Spaltung der Menschheit zum Bewußtsein gebracht, die Spaltung zwischen den Industrieländern, den entwickelten Ländern Europas und Nordamerikas auf der einen und den früheren Kolonialländern in Asien, Afrika, aber ebenso in Mittel- und Südamerika auf der anderen Seite als den Ländern, deren Wirtschaftsstruktur und damit gesellschaftliche Position weit zurückgeblieben sind,- die die wirtschaftliche und technologische Entwicklung des letzten Menschenalters nicht mitgemacht haben.
Diese Spaltung, die eine völlig andere Problematik darstellt als die, die meistens die deutsche Politik bewegt - die Spaltung zwischen Ost und West , ist von ebenso großer Bedeutung, und ihr muß genau dieselbe Aufmerksamkeit gewidmet werden. Seit dem Ende des zweiten Weltkriegs insbesondere sind sich diese Völker, die man einfach die armen Völker und Erdteile nennen könnte, weitgehend ihrer Lage bewußt geworden, das Zeitalter des Kolonialismus schreitet seinem Ende entgegen. Daß diese Länder zum Teil in den letzten 10 bis 15 Jahren ihre politische Unabhängigkeit bereits erreicht haben oder heute im Kampf um ihre Unabhängigkeit stehen, zeigt, daß ein neues Verhältnis zu diesem an Raum wie an Menschen größeren Teil unserer Erde gefunden werden muß.
Seit dem Jahre 1956 hat sich auch die deutsche Bundesrepublik durch eine eigene Stellungnahme in die Diskussion dieser Frage eingeschaltet und sich zur Hilfe für die Entwicklung dieser Länder verpflichtet. Wir haben uns damals nach Debatten in diesem Hause dazu entschlossen, 50 Millionen DM im Jahr für die wirtschaftliche Hilfe für diese Länder bereitzustellen. Wir haben das auch in den folgenden Jahren getan. Die Mittel wurden abwechselnd im ordentlichen und im außerordentlichen Haushalt ausgewiesen.
Heute stehen wir vor dem Ergebnis, daß zwar die von uns zur Verfügung gestellten etwa 150 Millionen DM bereits verplant sind, daß aber die Verwaltung mit der effektiven Vergabe dieser Gelder sehr stark im Rückstand ist. Effektiv haben wir bisher 30 Millionen DM ausgegeben. Weitere 120 Millionen DM sind verplant, sie sind aber bisher nicht in die eigentlichen Aufgaben geflossen.
Auch in der heutigen Haushaltsdebatte werden wir eine gründliche Revision der Pläne nicht erörtern können und auch nicht alle mit diesem Fragenkomplex im Zusammenhang stehenden Notwendigkeiten abschließend besprechen können. Ich glaube, daß die Diskussion über unsere Politik gegenüber diesen Ländern im Herbst weitergeführt werden muß. Heute, anläßlich der Haushaltsdebatte, ist es mein Ziel, dazu beizutragen, daß die finanziellen Grundlagen dieser Politik verbessert und die Voraussetzungen dafür geschaffen werden können. Jahr für Jahr erregt dieses Problem das öffentliche Bewußtsein mehr, und inzwischen ist es auch - anfänglich war es auf der Regierungsbank ganz anders - unserer Bundesregierung bewußt geworden.
In der Frage, daß mehr getan werden muß, ist im Prinzip zwischen Regierungsparteien und Opposition insofern Einigkeit, als auch, wie ich vorhin den Umdrucken entnommen habe, die Regierungsparteien eine Erhöhung des Ansatzes für die Hilfe für die Entwicklungsländer vorgesehen haben. Der Antrag ist unterschrieben von den Herren Dr. Leverkuehn und Dr. Vogel und Frau Dr. Rehling. - Wenn man einmal in diesen Ländern gewesen ist, das Elend der Menschen dort mit eigenen Augen gesehen und die Notwendigkeit, diese Rückständigkeit aufzuholen, um zu einer einheitlich entwickelten Welt zu kommen, erkannt hat, dann erscheinen einem die Mittel, die wir zur Verfügung stellen, zu gering, und die Methoden, die wir dabei anwenden, sehr schwach in Anbetracht der Notwendigkeit, vor die uns die Weltpolitik in dieser Frage gestellt hat.
({0})
Wenn wir diese 50 Millionen als deutschen Beitrag für ein Jahr ins Auge fassen, dann müssen wir auch berücksichtigen, was die übrige Welt zu diesem Betrag sagt beim Vergleich mit anderen Beträgen, die ebenfalls von uns gegeben werden. 800 Millionen DM werden von der Bundesrepublik in einem Zeitraum von nur 5 Jahren allein für die französischen Kolonialgebiete gegeben, deren Probleme naturgemäß nur einen kleinen Ausschnitt dieses Weltproblems darstellen. Die Bundesrepublik hat den Verträgen von Messina zugestimmt, wonach für das relativ kleine Gebiet der französischen Kolonien in fünf Jahren 800 Millionen DM verwendet werden können; sie hat ein solches Vorhaben für realistisch angesehen. Wir können uns selber und die Weltöffentlichkeit nicht glauben machen, daß wir nicht imstande wären, 50 Millionen DM - wenn es nach dem Wunsch meiner Freunde und nach meinem eigenen Wunsch ginge, 100 Millionen DM - jährlich für die übrigen Entwicklungsländer auszugeben. Die beiden Beträge stehen in einem krassen Mißverhältnis. Wir bringen uns in die politische Gefahr, daß die Länder, die die besondere Sympathie dieses Hauses haben und die ihre Unabhängigkeit bereits erreicht haben, sich benachteiligt fühlen, weil sie von uns schlechter als andere behandelt werden. Ich meine also, es muß ein vernünftiges Verhältnis zwischen den verschiedenen Beträgen geschaffen werden. Die Entschuldigung der Bundesregierung, daß die Vergabe von 50 Millionen DM im Jahr zu große Verwaltungsschwierigkeiten mache, Ist angesichts der Tatsache, daß man allein für die französischen Kolonien einen viel höheren Betrag zu geben bereit ist, nicht stichhaltig.
Man muß die Bewilligung dieser 50 Millionen DM und künftig 100 Millionen DM auch noch von einer
anderen Seite her sehen. In diesem Jahr sollen zum erstenmal 2 Milliarden DM an Bürgschaften für Wirtschaftskredite für diese Länder gegeben werden. Das wird später noch zu behandeln sein; diese Frage steht im Zusammenhang mit § 17 des Haushaltsgesetzes. Es muß doch eine vernünftige, d. h. den Notwendigkeiten angepaßte Relation zwischen den Krediten in Höhe von 2 Milliarden DM, die von bundesdeutscher Seite an wirtschaftliche Unternehmungen von Staats wegen vergeben werden, und dem Betrag bestehen, den wir geben, um diese Länder überhaupt erst in den Stand zu setzen, ihre Wirtschaft so einzurichten, daß sie fähig wird, Kredite aufzunehmen.
Deutschland hat in der Welt, wenn es um die Unabhängigkeit dieser Völker geht, eine besondere Verpflichtung. Es hat in dieser Beziehung auch einen guten Namen, weil der deutschen Politik seit 1918 nicht mehr das Odium der europäischen Kolonialpolitik anhaftet. Wir haben die Verpflichtung, in dieser Beziehung alles zu tun, was unter den gegebenen Umständen möglich ist. Die Freiheit der jungen Völker können wir aber nur dann wirklich mit erstreben, wenn wir dafür sorgen, daß diese Völker auch frei von Not werden. Denn alle guten Wünsche für die Entwicklung dieser Länder sind vergeblich und nur Schall und Rauch, solange wir nicht in der Lage sind, diesen Völkern das Minimum an wirtschaftlicher und damit auch kultureller Entwicklungsmöglichkeit zu geben.
Unser Antrag auf Umdruck 254 geht weiter als der Antrag der CDU. Wir fordern, im ganzen 100 Millionen DM bereitzustellen. Diesen Betrag hat die sozialdemokratische Fraktion nach sorgfältiger Prüfung der deutschen Möglichkeiten und der internationalen Notwendigkeiten als richtig für 1959 angesehen.
Die Damen und Herren der CDU-Fraktion möchte ich darauf hinweisen, daß ihre Fraktion im Prinzip dieser Argumentation zustimmt. In dem Antrag der CDU ist eine kleinere Summe vorgesehen. Aber auch dieser Antrag zielt auf eine Erhöhung des bisherigen Betrages ab. Ich appelliere an Sie, meine Damen und Herren, in dieser Frage großherzig zu sein. Es handelt sich hier nicht darum, das Renommee Deutschlands zu vermehren. Es geht hier um die Lebensfrage für viele, viele Millionen Menschen in den Erdteilen Amerika, Afrika und Asien. Ich bitte Sie deshalb, unserem Antrag zuzustimmen.
({1})
Meine Damen und Herren, hier liegt auf Umdruck 272 ein weiterer Antrag vor. Ich rufe ihn mit auf, weil er zur gleichen Sache gehört. Wird zu dem Änderungsantrag auf Umdruck 272 das Wort gewünscht? - Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Leverkuehn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kalbitzer hat Ihnen den Wunsch der SPD aus Umdruck 254 vorgetragen. Ich spreche zum Umdruck 272 und glaube, daß der Antrag, dein wir stellen, eigentlich der weitergehende ist. Die Fraktion der SPD möchte mit ihrem Antrag die 50 Millionen, die im Haushalt als sogenannte Bindungsermächtigung vorgesehen sind, in einen festen Haushaltsposten verwandeln. Es mag sein, daß nach Haushaltsrecht, das ich nicht so beherrsche wie die Herren, diie dem Haushaltsausschuß angehören, dieses Begehren das weitergehende ist. Im Finanziellen ist dier Erfolg jedoch der, daß die Erhöhung um 20 Millionen DM, auf die der Antrag auf Umdruck 272 hinausläuft, dem Auswärtigen Amt mehr Mittel an die Hand gibt; nur sieht es etatrechtlich ,etwas anders aus.
In dem Grundsatz, daß den Entwicklungsländern geholfen werden muß, sind wir uns hier im Hause eigentlich immer einig gewesen. Daß der Fonds für Entwicklungsländer von 50 Millionen DM vor drei Jahren zum erstenmal in den Haushalt eingesetzt wurde, ist auf die Initiative des Hauses zurückzuführen. Auch in den beiden ,folgenden Jahren war es nicht die Bundesregierung, die die Initiative ergriff, sondern der Bundestag.
In diesem Haushalt finden isich nun 50 Millionen DM, die fest in den Haushalt eingesetzt sind, die aber durch die Bindungsermächtigung deis vorigen Haushalts absorbiert werden. Nunmehr kommen, wenn unserem Antrag stattgegeben wird, 70 Millionien DM neue Bindungsermächtigung hinzu. Das entspricht im Augenblick den dringenden Bedürfnissen, wie sie sich aus den beim Auswärtigen Amt vorliegenden Anträgen ergeben.
Ich stimme mit Herrn Kalbitzer vollkommen darin überein, daß wir diese ganze Frage im Herbst zweckmäßigerweise noch einmal besprechen. Auch in § 17 des Haushaltsgesetzes werden Fragen der Entwicklungsländer angesprochen. Ich darf das vielleicht hier vorwegnehmen, damit wir uns die Erörterung später ersparen können. Nach § 17 sollen nämlich 2 Milliarden DM an Garantien bereitgestellt werden, um Investierungen im Ausland, insbesondere in den Entwicklungsländern, zu fördern.
Ob das der geeignete oder der einzige Weg ist, meine Damen und Herren, darüber werden wir uns noch unterhalten müssen. Wir können und müssen sogar, glaube ich, hier dem Beispiel anderer Länder folgen, wenn wir unseren adäquaten Beitrag auf diesem Gebiet erbringen wollen. Auch diie Frage der steuerlichen Erleichterungen, die in anderen Ländern mit großem Erfolg gewährt worden sind, wird uns beschäftigen müssen. Ich stehe außerdem auf dem Standpunkt, daß hier zweckmäßigerweise gewisse Positionen des ERP-Sondervermögens in Anspruch genommen werden sollten, um Darlehen zu geben. Es gibt da ein ganzes Bukett von Möglichkeiten.
Meine Damen und Herren, ,auf diesem Gebiet gibt .es auch eine Menge Enttäuschungen, nicht so sehr bei uns, weil wir erst am Anfang dieser Entwicklungshilfe stehen, als vielmehr bei anderen Ländern. Wir werden uns in einem gemischten Ausschuß oder in einer Zusammenarbeit der Ausschüsse entscheiden müssen, was für uns der zweckmäßigste Weg ist. Vor allen Dingen werden wir auch mit dem Auswärtigen Amt besprechen müssen, wie wir uns mit andern Ländern sowohl zum Erfahrungsaustausch als auch zur Zusammenarbeit und zur Abstimmung der einzelnen Entwicklungsvorhaben zu-
sammentun können; denn im Augenblick herrscht in manchen Ländern auf diesem Gebiet ein ziemliches Chaos, das den Erfolg, den wir alle bezwecken, in Frage stellen kann.
Ich möchte aber meinerseits nicht abschließen, ohne dem Auswärtigen Amt auf diesem Gebiet einen sehr aufrichtigen Dank zu sagen. Daß das Anlaufen solcher Aktionen nicht einfach ist, daß es eine Fülle von verschiedenen Fragen vor allen Dingen auch auf dem Gebiet der Erziehung gibt, die geprüft werden müssen, liegt auf der Hand. Das Auswärtige Amt war dadurch sehr behindert, daß die bisherigen Ansätze für den Entwicklungsfonds in Höhe von 50 Millionen DM immer nur für ein Jahr galten, so daß wir bisher mit einer Kontinuität auf diesem Gebiet nicht rechnen konnten. Nachdem sich die Bundesregierung nun entschlossen hat, selber Vorschläge in dieser Richtung zu machen, sind wir, glaube ich, berechtigt, mit einer anderen Kontinuität zu rechnen. Damit können wir auch sehr viel langfristiger wirtschaften und Projekte verfolgen, die sich, wie z. B. die technische Schule für Indien oder die technische Schule für Kairo, nicht in einem Jahr verwirklichen lassen; im Gegenteil, es wäre sehr leichtfertig, wenn man sie übers Knie bräche, nur um die Etatmittel zu verwenden.
Ich glaube also, daß bisher vernünftig gewirtschaftet worden ist, und ich hoffe, daß sich die gute Zusammenarbeit, die zwischen den Ministerien und dem Unterausschuß für Entwicklungsländer des Auswärtigen Ausschusses bisher bestanden hat, auch in Zukunft fortsetzen wird, zum Nutzen für die Ent) wicklungsländer und im Sinne einer fruchtbaren Mitarbeit der Bundesrepublik auf diesem Gebiet.
({0})
Keine weiteren Wortmeldungen? - Dann kommen wir zur Abstimmung. Meiner Meinung nach ist der Änderungsantrag der SPD der weitergehende. Ich lasse zunächst abstimmen über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 254. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein I-Iandzeichen. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Änderungsantrag Umdruck 272 der Abgeordneten Dr. Leverkuehn und Genossen! Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. Gegenprobe!
- Enthaltungen? Dieser Änderungsantrag ist einstimmig angenommen.
Wer nunmehr dem Einzelplan 05 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Einzelplan 05 ist angenommen.
Ich rufe auf:
Einzelplan 06
Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern ({0}).
Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort nehmen will. Das Wort hat der Herr Berichterstatter, Abgeordneter Niederalt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie in jedem Jahr möchte ich Ihnen auch in diesem Jahr vorweg einen kurzen Überblick über die Entwicklung des Ausgabenbedarfs des großen Ministeriums, des Bundesministerium des Innern, nach dem Einzelplan 06 geben.
Die Regierungsvorlage weist einen Gesamtausgabenbedarf von 796 227 800 DM aus. Nach den Empfehlungen des Haushaltsausschusses ergibt sich ein Gesamtausgabenbedarf von 805 784 800 DM. Das ist ein rechnerischer Mehrbetrag von 75 892 300 DM gegenüber dem Vorjahr. Dabei ist aber zu berücksichtigen, daß im Haushalt 1959 einerseits 64 240 000 DM aus dem Kap. 06 20, den allgemeinen Bewilligungen für den zivilen Bevölkerungsschutz, herausgenommen und in den Einzelplan 36 übertragen wurden und andererseits 30 Millionen DM aus dem Einzelplan des Bundesministers für Arbeit, nämlich der Anteil des Bundes an den Aufwendungen der Landesfürsorgeverbände für die Tuberkulosehilfe, und 1,3 Millionen DM aus dem Einzelplan 40 für Kosten der Fürsorge für hilfsbedürftige Deutsche im Ausland in den Einzelplan des Innenministeriums übernommen wurden.
Bei Beachtung dieser Umstellungen ergibt sich ein tatsächlicher Mehrbedarf von 108 832 300 DM gegenüber dem Vorjahr.
Dieser tatsächliche Mehrbedarf ist im wesentlichen bedingt durch die verstärkte Förderung von kulturellen und Forschungsaufgaben mit rund 43,4 Millionen DM und den weiteren Wiederaufbau des Bundesgrenzschutzes mit rund 61,9 Millionen DM.
Soviel zum allgemeinen finanziellen Überblick über den Einzelplan 06.
Und nun noch einige Bemerkungen zu den Kapiteln, über die ich zu berichten habe.
Beim Kap. 06 01, dem Bundesinnenministerium selbst, ist bei den Personaltiteln darauf hinzuweisen, daß der Haushaltsausschuß die Notwendigkeit eines neuen Referats anerkannt hat. Das Referat ist für eine zivile Notstandsplanung und die Koordinierung der Notstandsgesetzgebung vorgesehen. Für die Ausbringung der Stellen für dieses Referat hat sich auch der Bundesbeauftragte für die Wirtschaftlichkeit der Verwaltung ausgesprochen. Geringfügige weitere vom Haushaltsausschuß anerkannte Änderungen beruhen auf besoldungs- und tarifrechtlichen Gründen oder sind lediglich Umwandlungen. Dagegen hat der Haushaltsausschuß die übrigen in der Regierungsvorlage vorgesehenen Stellenveränderungen nicht gebilligt, da sie nach seiner Ansicht nicht im Einklang mit der bekannten Entschließung des Deutschen Bundestages vom 4. Juli 1958 stehen.
Bei Kap. 06 09 - Bundesamt für Verfassungsschutz - darf ich darauf hinweisen, daß in der Regierungsvorlage die Ausbringung des Gesamtzuschußbedarfs für das Bundesamt für Verfassungsschutz in einer Summe vorgesehen war. Die Einnahmen und Ausgaben im Einzelplan waren in einem Wirtschaftsplan, der dem Haushaltsausschuß vorgelegt worden ist, enthalten. Der Haushalts-
ausschuß hat die Gründe für und wider diese Art der Ausbringung gegeneinander abgewogen. Er ist dabei zu dem Ergebnis gelangt, daß von der Art der Veranschlagung in den vorangegangenen Jahren nicht abgewichen werden sollte. Sie finden daher das Kapitel in den vom Haushaltsausschuß gebilligten Ansätzen im Mündlichen Bericht des Haushaltsausschusses zum Einzelplan 06 wieder. Stellenvermehrungen enthält das Kap. 06 09 nicht. Der Haushaltsausschuß empfiehlt lediglich einige Stellenhebungen und -umwandlungen, von denen drei Hebungen nach A 16 hervorzuheben sind. Hierzu hat sich der Haushaltsausschuß aus Gründen der einheitlichen Dienstpostenbewertung, vor allem aber deshalb entschlossen, weil Beamte der Besoldungsgruppe A 16 im Bundesamt für Verfassungsschutz politische Beamte sind, die jederzeit in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden können. Diese Möglichkeit sollte bei der leitenden Funktion der betreffenden Beamten geschaffen werden. - Die Sach- und einmaligen Ausgaben weisen keine wesentlichen Veränderungen auf.
Kap. 0610, Bundeskriminalamt. Der Haushaltsausschuß verfolgt mit steigender Sorge die Entwicklung auf dem Gebiet der Verbrechensbekämpfung. Schon im Vorjahr habe ich Ihnen über die Entwicklung der Kriminalität in der Bundesrepublik berichtet. Die damals von mir dargelegte Tendenz hat sich im Laufe des Jahres 1958 fortgesetzt. Wir stehen ausweislich der polizeilichen Kriminalstatistik auch in diesem Jahr wieder vor der Tatsache, daß die Zahl der bekanntgewordenen Straftaten weiter, und zwar um 2,4 % gegenüber 1957 zugenommen hat. Gleichzeitig sinkt jedoch die Zahl der aufgeklärten Straftaten weiter ab. Im Jahre 1958 konnten 34 % aller bekanntgewordenen Straftaten nicht aufgeklärt werden. Das sind allein für das Jahr 1958 rund 585 000 Fälle oder 4,8 % mehr als im Vorjahr. Die Gründe für den Erfolgsrückgang bei der Verbrechensbekämpfung liegen in erster Linie in der immer größeren Zunahme der Verbrechensbegehung durch reisende Täter, die sich aller Mittel der modernen Technik und immer raffinierterer Methoden bedienen. Die steigende Zahl der Verbrechen und wachsende Schwierigkeiten bei ihrer Bekämpfung erfordern neben besserer Ausbildung und Ausstattung der Kriminalpolizei des Bundes und der Länder eine Personalverstärkung auch und besonders beim Bundeskriminalamt, weil seine Arbeit gerade bei der Verfolgung des reisenden Verbrechers die unabdingbare Voraussetzung für den Erfolg der Länderkriminalpolizei ist. Der Haushaltsausschuß hat infolge dieser Sachlage in Übereinstimmung mit der Regierungsvorlage insgesamt eine Personalverstärkung von 14 Beamten und 3 Angestellten und die Umwandlung von 16 Angestelltenstellen in Planstellen für Beamte vorgenommen.
Kap. 06 19, Bundesamt für zivilen Bevölkerungsschutz. Das Bundesamt für zivilen Bevölkerungsschutz, das durch Gesetz vom 5. Dezember 1958 errichtet worden ist, war im Haushaltsplan 1958 erstmals, und zwar noch als Dienststelle für den zivilen Bevölkerungsschutz, ausgebracht. Seinen Personalbedarf hat der Bundestag im Vorjahr genehmigt. 12 Abgänge und ein Zugang, die Sie in Tit. 101 bei den Beamten finden, beruhen sämtlich auf § 18 b des Gesetzes nach Art. 131. Von den 14 neuen Angestelltenstellen bei Tit. 104 entfallen 9 auf die Errichtung des Landesverbandes Saarland, 5 auf die Ausstattung einiger größerer Ortsverbände des Technischen Hilfswerks mit hauptamtlichen Kräften.
Bei den Sach- und allgemeinen Ausgaben ergeben sich einige Verschiebungen gegenüber dem Vorjahr durch die Zusammenfassung der Ausgaben der Ortsverbände des Technischen Hilfswerks in dem neuen Tit. 318. Im übrigen wurden die bisher in dem aufgelösten Kap. 06 20 bei Tit. 600 ausgebrachten Forschungsmittel für Zwecke des Luftschutzes mit dem Tit. 311 vereinigt. Auch den Zuschuß für den Bundesluftschutzverband, der früher bei Kap. 06 20 Tit. 602 veranschlagt war, haben wir als Tit. 602 in dieses Kapitel übernommen. Der Ansatz erhöht sich um 3 150 000 DM für die dringend notwendige Intensivierung der Aufklärungs- und Ausbildungsarbeit des Bundesluftschutzverbandes. Er beträgt nunmehr 13 650 000 DM. Die Einzelheiten können Sie dem Wirtschaftsplan des Bundesluftschutzverbandes entnehmen, der als Anlage zu Kap. 06 19 abgedruckt ist.
Kap. 06 24, Beschaffungen für die Bereitschaftspolizeien der Länder. Der Gesamtausgabebedarf bei diesem Kapitel vermindert sich gegenüber dem Vorjahr um rund 2,4 Millionen DM, weil sich die Erstausstattung der Bereitschaftspolizeien dem Ende nähert. Die noch ausgebrachten größeren Beträge für Erstbeschaffungen bei den Titeln 877, 878 und 880 beruhen auf der Angleichung der Ausrüstung und Bewaffnung an die des Bundesgrenzschutzes.
Kap. 0625, Bundesgrenzschutz. Die größte Steigerung im Einzelplan 06 weist der Bundesgrenzschutz auf. Sein Gesamtausgabenbedarf steigt um rund 61,9 Millionen auf nunmehr rund 279,8 Millionen DM. Diese Steigerung erklärt sich im wesentlichen aus der Wiederauffüllung der Grenzschutzeinheiten, die durch Abgabe ihres Personals an die Bundeswehr seinerzeit geschwächt worden waren. Da die Wiederauffüllung auf die vom Bundestag beschlossene Stärke von 20 000 Mann nicht sogleich erreicht werden konnte, waren im Haushalt 1958 nur 72 O/o der für die Sollstärke erforderlichen Personalmittel ausgeworfen. Entsprechend dem weiteren Aufbausind für 1959 nunmehr 85 O/o veranschlagt. Das entspricht einer durchschnittlichen Jahresstärke von 17 000 Mann. Dadurch steigen naturgemäß auch die sogenannten Folgetitel, die ja von der Personalstärke abhängig sind. Insgesamt erhöhen sich die Personalausgaben um 19,8 Millionen DM.
Organisatorische Maßnahmen, die infolge der fortschreitenden Entwicklung der modernen Technik erforderlich gewordensind, um die Einsatzbereitschaft und Schlagkraft des Bündesgrenzschutzes zu erhöhen, bedingen auch eine größere Zahl von Veränderungen im Gesamtstellenplan. Es handelt sich im wesentlichen um folgende Maßnahmen:
a) Die Neugliederung der dritten Hundertschaften bei den Grenzschutzabteilungen. Der Einsatz einer modernen motorisierten Polizeitruppe erfordert möglichst kleine und leicht bewegliche Einheiten, die auch
in der Lage sind, weitgehend selbständig zu operieren. Um diesen Forderungen nachzukommen, mußte die Gruppenstärke verringert und die Anzahl der Gruppen erhöht werden. Der neuen Gruppenstärke entspricht auch der neu einzuführende geschützte Fahrzeugtyp.
b) Umorganisation der technischen Grenzschutzabteilungen. Die bisherige Gliederung der technischen Abteilungen, die in jeder Hundertschaft leichtes Pionier- und schweres Baugerät vorsah, hat sich als unzweckmäßig erwiesen. Deshalb soll aus den ersten und zweiten Hundertschaften das schwere Baugerät herausgenommen und zu jeweils einer dritten schweren Hundertschaft zusammengefaßt werden. Die leichten Züge der dritten Hundertschaft treten dafür zu den ersten zwei Hundertschaften.
c) Vergrößerung des Ausbildungsvolumens. Die bisher vorhandenen drei Ausbildungsabteilungen reichen nicht aus, um die neu eintretenden Polizeibeamten ordnungsgemäß auszubilden. Es soll deshalb eine vierte Ausbildungsabteilung aufgestellt werden.
d) Kleinere organisatorische Maßnahmen, insbesondere die Befriedigung des Bedarfs an hauptamtlichen Fachschullehrern. In Einzelheiten brauche ich hier wohl nicht einzusteigen.
Abweichend von der Regierungsvorlage hat der Haushaltsausschuß jedoch eine größere Zahl von den beantragten Stellenhebungen in Angleichung an die Dienstpostenbewertung bei der Bundeswehr abgelehnt, weil bei Anlegung eines strengen Maßstabs die absolute Vergleichbarkeit mit den entsprechenden Dienstposten der Bundeswehr nicht anerkannt werden konnte.
Neben den Personalausgaben und den Folgetiteln wird das Kap. 06 25 vor allem durch die Kosten für Bauten und Grunderwerb belastet. Da der Bundesgrenzschutz seinerzeit auch den überwiegenden Teil seiner Unterkünfte an die Bundeswehr abgegeben hat, steht er nun vor der Notwendigkeit, Unterkünfte bei einem sehr erheblichen Teil der Truppe neu zu erstellen. Die einmaligen Ausgaben weisen daher für diesen Zweck ein Mehr von 40,9 Millionen DM auf und betragen damit rund 99,5 Millionen DM. Das ist mehr als ein Drittel der Gesamtausgaben für den Bundesgrenzschutz. Ich komme zu Kap. 06 26, Beschaffungsstelle des Bundesministeriums des Innern. Der Gesamtausgabenbedarf der Beschaffungsstelle geht geringfügig zurück. Der Haushaltsausschuß hat der Umwandlung einer Angestelltenstelle in eine Beamtenstelle des gehobenen Dienstes mit Rücksicht auf die verantwortliche Funktion des Stelleninhabers zugestimmt. Sonstige Veränderungen sind nicht eingetreten.
Auch bei Kap. 06 33 - Bundesdienststelle für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge - sind keine wesentlichen Änderungen eingetreten, wenn ich von den gesetzlichen einmal absehe.
Bei Kap. 06 35 - Bundeszentrale für Heimatdienst - geht der Gesamtausgabenbedarf um rund 300 000 DM zurück. Das ist im wesentlichen dadurch bedingt, daß einmalige Bauausgaben wegfallen. Im übrigen enthält auch dieses Kapitel keine besonderen Änderungen. Der Haushaltsausschuß empfiehlt daher die Annahme entsprechend der Regierungsvorlage.
Das sind, Herr Präsident, die Kapitel des Einzelplans 06, über die ich vorzutragen habe. Über die übrigen Kapitel des Einzelplans 06 wird Herr Kollege Brand berichten.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter Niederalt. Der Mitberichterstatter, Herr Abgeordneter Brand, hat das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei dem Teil des Einzelplans 06, über den ich zu berichten habe, liegt der Schwerpunkt bei Kap. 06 02 - Allgemeine Bewilligungen - und innerhalb dieses Kapitels bei den Ansätzen zur Förderung der Wissenschaft, für die Studentenförderung und für allgemeine kulturelle Aufgaben.
Die Bundesregierung hat die Ausgaben für diese drei Zwecke in den Titeln 614, 615 und 616 neu zusammengefaßt. Diese gegenüber der bisherigen Aufteilung übersichtlichere Darstellung wird vom Haushaltsausschuß begrüßt. Es würde zu weit führen, Ihnen im einzelnen zu erläutern, aus welchen Vorjahrestiteln sich die neuen Titel 614 bis 616 für das Rechnungsjahr 1959 zusammensetzen. Was Sie aber interessieren wird, ist die Entwicklung der Ausgaben, die im Rechnungsjahr 1959 für kulturelle Zwecke im weitesten Sinne des Wortes vorgesehen sind.
Der Tit. 614, Förderung der Wissenschaft, ist in drei Untertitel gegliedert.
Der Tit. 614a enthält die Mittel zur allgemeinen und langfristigen Förderung der Wissenschaft. Das sind einmal die Zuschüsse für die Deutsche Forschungsgemeinschaft, zum anderen die zusätzliche Förderung der wissenschaftlichen Forschung, bei deren Veranschlagung der Wissenschaftsrat durch Empfehlungen mitwirkt, und schließlich die Zuschüsse für Einzelvorhaben der wissenschaftlichen-Forschung.
Für die Deutsche Forschungsgemeinschaft waren im Haushalt 1958 5 Millionen DM veranschlagt, darüber hinaus zusätzliche Mittel an anderen Stellen zur Durchführung des sogenannten Schwerpunktprogramms, für das Großgeräteprogramm und die Ausstattung von wissenschaftlichen Bibliotheken. Diese Mittel sind jetzt an einer Stelle zusammengefaßt und mit einem Betrage von 34 Millionen DM ausgewiesen.
Der Ansatz für die zusätzliche Förderung der Wissenschaft ist mit 85 Millionen DM nur scheinbar der gleiche geblieben wie im Vorjahr. In Wirklichkeit ist er um 28 Millionen DM erhöht worden, weil Förderungsmaßnahmen in dieser Höhe - und zwar 17 Millionen DM für die Deutsche Forschungsgemeinschaft, 8 Millionen DM für die Max-Planck, Gesellschaft und 3 Millionen DM für ZweckBrand
forschung - ausgegliedert und an anderen Stellen zusätzlich ausgebracht wurden. In Anbetracht dieser Erhöhung und der Tatsache, daß noch rund 42 Millionen DM aus dem bisherigen Tit. 614 d nicht abgerufen und verausgabt werden konnten - es handelt sich hier um 11,4 Millionen DM für Bauten und Verstärkung der Sachfonds der Universitäten, 27,8 Millionen DM für das Großgeräte- und Bibliotheksprogramm und 2,8 Millionen DM im Rahmen des Programms zur Förderung der Max-Planck-Gesellschaft -, hat die Mehrheit des Haushaltsausschusses eine Erhöhung auf 103 Millionen DM, wie sie vom Wissenschaftsrat angeregt worden war, nicht für zweckmäßig gehalten, da nicht zu erwarten ist, daß ein so großer Betrag zuzüglich der genannten Reste in diesem Rechnungsjahr verausgabt werden wird. Um jedoch die langfristige Planung und Bewilligung nicht zu behindern, hat der Haushaltsausschuß eine Erhöhung der vorgesehenen Bindungsermächtigungen von 20 auf 25 Millionen DM beschlossen und hieran die vom Finanzministerium akzeptierte Auflage geknüpft, daß die veranschlagten Mittel so früh wie möglich und ungekürzt zur Verfügung gestellt werden.
Der Tit. 614 b enthält die Mittel zur Förderung von wissenschaftlichen Instituten von überregionaler Bedeutung. Die veranschlagten Zuschüsse, z. B. an die Max-Planck-Gesellschaft, die Osteuropa-Institute, das Institut für Zeitgeschichte, die Kommission für die Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien und andere Institute, sind den Bedürfnissen entsprechend erhöht worden.
Den unter Nr. 2 der Erläuterungen ausgebrachten Ansatz von 25 Millionen DM empfiehlt der Haushaltsausschuß mit einem qualifizierten Sperrvermerk zu versehen, so daß die Mittel nur mit Zustimmung des Bundesministers der Finanzen und des Haushaltsausschusses in Anspruch genommen werden dürfen. Hierzu eine kurze Erläuterung! Der Bund hatte für die Rechnungsjahre 1957 und 1958 mit den Ländern ein Abkommen getroffen, nach dem er den Ländern die Hälfte ihrer finanziellen Belastungen aus dem sogenannten Königsteiner Abkommen abnimmt. Die Länder haben sich gegenüber dem Bund verpflichtet, die so ersparten Beträge für den Ausbau ihrer Ingenieurschulen zu verwenden. Für das Rechnungsjahr 1959 ist ein solches Abkommen noch nicht geschlossen worden. Der Haushaltsausschuß hatte an dem Inhalt der Abkommen für die vergangenen Jahre Kritik geübt, weil der Bund trotz erheblicher finanzieller Leistungen ohne Einfluß auf Ausgabenplanung und Ausgabengestaltung der von ihm indirekt geförderten Institute geblieben ist. Der Ausschuß hat seine Wünsche und Anregungen für die Verhandlungen mit den Ländern an die Bundesregierung weitergegeben und sich durch den vorgeschlagenen qualifizierten Sperrvermerk die Möglichkeit geschaffen, zu prüfen, ob und inwieweit seine Anregungen in den Verhandlungen realisiert werden.
Der Tit. 614 c enthält die Ansätze zur Förderung der gesamtdeutschen und internationalen Aufgaben der wissenschaftlichen Hochschulen. Hier sind insbesondere die Mittel für die sogenannte Hochschullehrerreserve zu erwähnen, die von 3 auf 5 Millionen DM erhöht worden sind.
Die bei Tit. 614 insgesamt veranschlagten Mittel werden gegenüber dem Vorjahre von rund 126,9 Millionen DM um rund 35,6 Millionen DM auf rund 162,5 Millionen DM erhöht.
Nun etwas zur Studentenförderung, Tit. 615: Auch dieser Titel ist untergliedert. Sie finden bei dem Untertitel 615 a die Studienbeihilfen. Diese umfassen erstens die Förderung von hochbegabten Studenten durch die Studienstiftung des deutschen Volkes, das Evangelische Studienwerk Viligst, das Cusanuswerk, die Friedrich-Ebert-Stiftung und die Stiftung „Mitbestimmung". Der hierfür in der Regierungsvorlage vorgesehene Betrag von 3,9 Millionen DM liegt bereits um 0,5 Millionen DM höher als der Vorjahresansatz. Der Haushaltsausschuß empfiehlt jedoch eine weitere Erhöhung um 0,3 Millionen DM für die Förderung außerhalb der Studienstiftung des deutschen Volkes durch die anderen von mir soeben genannten Förderungsträger, so daß der Ansatz für die Hochbegabtenförderung sich nunmehr auf 4,2 Millionen DM gegenüber 3,4 Millionen DM im Vorjahr beläuft.
Zu den Studienbeihilfen gehört weiterhin die Förderung von begabten und bedürftigen deutschen Studenten an den wissenschaftlichen Hochschulen nach den Grundsätzen des Honnefer Modells, das von Bund und Ländern gemeinschaftlich durchgeführt wird. Hier empfiehlt der Haushaltsausschuß eine Erhöhung der in der Regierungsvorlage vorgesehenen Mittel von 35 Millionen DM um 6,4 Millionen DM auf 41,4 Millionen DM, und zwar aus folgenden Erwägungen: Die in der Regierungsvorlage vorgesehenen Mittel würden nicht ausreichen, die Förderung im bisherigen Umfang bei gleichbleibenden Anforderungen an Begabung und Bedürftigkeit der Studenten aufrechtzuerhalten, zumal in den beiden Semestern des Rechnungsjahres 1959 wieder besonders geburtenstarke Jahrgänge auf die Hochschule kommen.
Der Haushaltsausschuß hat sich deshalb zu einer Erhöhung der Mittel entschlossen, wobei er davon ausgegangen ist, daß die Zahl der immatrikulierten deutschen Studenten, die im Rechnungsjahr 1958 noch 163 000 betrug, auf etwa 180 000 ansteigen wird; daß ein Betrag von jährlich 290 DM pro Kopf erforderlich ist. Von diesem Betrag wird der Bund im Rechnungsjahr 1959 230 DM gleich 41,4 Millionen DM tragen in der Erwartung, daß die Länder ihrerseits 60 DM des Kopfbetrages gleich 10,8 Millionen bereitstellen. Der Haushaltsausschuß empfiehlt, daß der Prozentsatz der geförderten Studenten 20 % der Gesamtzahl der Studierenden je Bundesland nicht überschreiten soll. Dieser Satz entspricht etwa dem jetzigen Bundesdurchschnitt.
Bei der Förderung von zugewanderten Studenten handelt es sich um Flüchtlinge aus der SBZ und Ost-Berlin, Spätheimkehrer, Spätaussiedler, ausländische Flüchtlinge und heimatlose Ausländer. Die veranschlagten Mittel in Höhe von 6 397 000 DM liegen um 300 000 DM über dem Vorjahresansatz. Der Haushaltsausschuß empfiehlt die Bewilligung
der Mittel entsprechend der Regierungsvorlage, da mit einem weiteren Ansteigen der Zahlen der Flüchtlingsstudenten zu rechnen ist.
Der Tit. 615b enthält die Ansätze für die ideellen Bestrebungen der deutschen Studentenschaft. Der Ansatz konnte von 400 000 DM im Vorjahr auf 350 000 DM für dieses Jahr gesenkt werden, weil nach Einführung des Honnefer Modells der BerlinAustausch nicht mehr die bisherigen Mittel erfordert.
Aus dem Gesagten ergibt sich, daß nach den Empfehlungen des Haushaltsausschusses der Gesamtausgabebedarf des Tit. 615 - Studentenförderung - mit 52,347 Millionen DM um 7,5 Millionen DM über dem des Rechnungsjahres 1958 liegt.
In dem Tit. 616 - Förderung der Kultur - sind Zuschüsse des Bundes zu zahlreichen kulturellen Einrichtungen und Veranstaltungen von überregionaler und internationaler Bedeutung enthalten. Nach der Regierungsvorlage erhöht sich der Ausgabebedarf um 197 000 DM für die Deutsche Bibliothek in Frankfurt am Main, 10 000 DM für den Deutschen Ausschuß für das Erziehungs- und Bildungswesen und 150 000 DM für Zuschüsse zur Erhaltung von Kulturbauten. Der Haushaltsausschuß 'hat diese Erhöhungen nach eingehender Prüfung gebilligt und schlägt weiterhin vor, zusätzlich 60 000 DM für Maßnahmen und Veranstaltungen aus Anlaß des Schiller-Jahres einmalig bereitzustellen. Der Gesamtansatz bei Tit. 616 - Kulturförderung - beläuft sich nach den Empfehlungen des Haushaltsausschusses auf 4 319 000 DM, das sind 416 000 DM mehr als im Vorjahre.
Bei der weiteren Behandlung des umfangreichen Kapitels 06 02 beschränke ich mich auf die Titel, die von größerer politischer und finanzieller Bedeutung sind oder erstmalig oder einmalig im Bundeshaushalt erscheinen.
Die bei Tit. 310 veranschlagten Kosten für die Mitarbeit bei der Vorprüfung jugendgefährdender Schriften sind an sich nicht neu. Der Betrag wurde bisher aus dem Bundesjugendplan gezahlt. Nach der Verlegung der Mittel für den Bundesjugendplan auf den Bundesminister für Familien- und Jugendfragen muß er hier gesondert veranschlagt werden.
Die Mittel für Fürsorgezwecke sind jetzt auch in einem Tit. 570 zusammengefaßt worden.
Die erhebliche Erhöhung bei dem Untertitel 570a - Leistungen auf Grund rechtlicher Verpflichtungen - ist durch die bereits von Herrn Kollegen Niederalt erwähnte Übernahme von 30 Millionen DM Bundesanteil an den Aufwendungen der Landesfürsorgeverbände als Träger der Tuberkulosehilfe aus dem Einzelplan des Bundesministers für Arbeit und von 1,3 Millionen DM für hilfsbedürftige Deutsche im Ausland aus dem Einzelplan „Soziale Kriegsfolgeleistungen" bedingt. Es handelt sich hier also nicht um eine echte Erhöhung.
Auch der Ansatz bei Untertitel 570b - Darlehen zugunsten der Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege - ist entsprechend dem Beschluß des Hohen Hauses, für diesen Zweck auf die Dauer von fünf Jahren jährlich 10 Millionen DM einzusetzen, zum vierten Male in gleicher Höhe ausgebracht.
Zu dem Ansatz der Regierungsvorlage für Zuschüsse und Beihilfen in Höhe von 30 706 000 DM empfiehlt der Haushaltsausschuß im Einvernehmen mit der Bundesregierung, den Ansatz für Familienferienheime nicht hier, sondern im Einzelplan des Bundesministers für Familien- und Jugendfragen auszubringen. Dem Wunsch der Bundesregierung, 150 000 DM für die Fortbildung der in der Sozialarbeit Tätigen und 250 000 DM für die Förderung zentraler Aufgaben in der Hauspflege vorzusehen, konnte der Haushaltsausschuß nicht entsprechen, weil es sich nach seiner Auffassung hier um Länderaufgaben handelt. Der Ansatz beim Untertitel 570c beträgt also nach den Empfehlungen des Haushaltsausschusses 29 306 000 DM.
Die in der Regierungsvorlage enthaltene Erhöhung um 40 000 DM bei Tit. 610 für die Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer empfiehlt der Haushaltsausschuß nicht zu genehmigen.
Die bei Tit. 646 veranschlagten Mittel zur Förderung der volksgesundheitlichen Bestrebungen und der Bekämpfung menschlicher Krankheiten sind um 170 000 DM auf 1 714 000 DM erhöht worden. Die Erhöhungen verteilen sich in kleineren Beträgen auf die in den Erläuterungen genannten Institutionen und Vorhaben.
Für den Wiederaufbau des Römisch-Germanischen Zentralmuseums in Mainz sind bei den Einmaligen Ausgaben 200 000 DM als erster Teilbetrag veranschlagt. Der Haushaltsausschuß empfiehlt die Bewilligung dieser Mittel.
Unter den Einmaligen Ausgaben sind mehrere internationale Kongresse veranschlagt, zu denen der Bund einen Beitrag leistet. Es handelt sich hier um die 4. Internationale Konferenz für Gesundheitserziehung in Düsseldorf, den 3. Weltkongreß der Gehörlosen in Wiesbaden, den Internationalen Gemeindekongreß in Berlin und den Kongreß des Internationalen Instituts für Verwaltungswissenschaften in Wiesbaden. Der Haushaltsausschuß empfiehlt die Bewilligung dieser Beträge.
Die ebenfalls neu veranschlagten 50 000 DM für die Neuvermarkung an den berichtigten Bundesaußengrenzen sind unabweisbar.
Auf Grund einer interfraktionellen Vereinbarung hat sich der Haushaltsausschuß entschlossen, einen neuen, in der Regierungsvorlage nicht enthaltenen Ansatz unter dem Titel „Zuschüsse zur Förderung der politischen Bildungsarbeit der Parteien" in Höhe von 5 Millionen DM aufzunehmen. Dieser zweckgebundene Zuschuß soll es den Parteien erleichtern, ihrer im Grundgesetz anerkannten Aufgabe, an der politischen Willensbildung des deutschen Volkes mitzuarbeiten, gerecht zu werden. Um eine sinnvolle und gerechte Verteilung der Mittel sicherzustellen, sollen Richtlinien hierfür von einem Unterausschuß dies Haushaltsausschusses gemeinsam mit den Bundesministern des Innern und der Finanzen ausgearbeitet und die Mittel bis zur Fertigstellung dieser Richtlinien qualifiziert geBrand
sperrt bleiben. Ich bitte, auch diesem Ansatz zuzustimmen.
Abschließend zu diesem Kapitel ist noch zu berichten, daß der Haushaltsausschuß den Sportfonds, Tit. 517, mit 1,8 Millionen DM und den Sportstättenbaufonds, Tit. 973, mit 5 Millionen DM entsprechend deer Regierungsvorlage zu verabschieden bittet.
Hiermit ist mein Bericht über Kap. 06 02 abgeschlossen. Bei den übrigen Kapiteln kann ich mich sehr kurz fassen.
Kap. 06 03, Bundesverwaltungsgericht, enthält nur geringfügige 'Personaländerungen besoldungs- oder tarifrechtlicher Art ohne Personalvermehrung.
In den Rechnungsjahren 1957 und 1958 wurde beim Bundesverwaltungsgericht je ein neuer Senat bewilligt. Daraus ergab sich die Notwendigkeit, in diesem Jahr die Stellen eines Oberregierungsrats, eines Registrators, einer Schreibkraft und eines Boten wegen des vermehrten Arbeitsanfalls beim Oberbundesanwalt, Kap. 06 04, neu zu bewilligen. Der Haushaltsausschuß empfiehlt jedoch, die Beamten- und Angestelltenstellen als kw ab 1. April 1961 zu bezeichnen.
In Kap. 06 05, Bundesdisziplinarhof, hat der Haushaltsausschuß eine neue Stelle für einen Zahlstellenverwalter der Besoldungsgruppe A 7 anerkennen müssen, da der Hof jetzt getrennt vom Bundesverwaltungsgericht untergebracht ist und eine eigene Zahlstelle erhalten mußte.
Zu den Kap. 06 06, Bundesdisziplinaranwalt, und 03 07, Bundesdisziplinarkammern, habe ich als Berichterstatter nichts zu bemerken.
Bei Kap. 06 08, Statistisches Bundesamt, haben wir die erfreuliche Tatsache zu verzeichnen, daß eine echte Verminderung des Personals um 4 Beamte, 26 Angestellte und 8 Arbeiter eintritt, und zwar als Erfolg von Rationalisierungsmaßnahmen. Die übrigen personellen Veränderungen beruhen fast alle auf Folgen des 131 er-Gesetzes. - Bei den Titeln für größere einmalige Zahlungen erscheinen die ersten Mittel für die Handels- und Gaststättenzählung, die im Jahre 1959 durchgeführt werden soll, in Höhe von 100 000 DM. Erhebung, Aufbereitung und Auswertung werden sich über mehrere Rechnungsjahre erstrecken. Die Gesamtkosten für diese Zählung, die im Rahmen des großen Weltzensus stattfinden soll, werden für den Bund rund 1 Million DM betragen.
In Kap. 0611, Bundesgesundheitsamt, sind bei Tit. 101 2 Umwandlungen von Beamtenstellen und Angestelltenstellen und 1 Herabstufung in Auswirkung von ku-Vermerken zu verzeichnen. Ferner hat der Haushaltsausschuß nach Anhörung des Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung insgesamt 8 neue Angestelltenstellen anerkannt, und zwar für die Übernahme der Abteilung Wasserhygiene des Landesuntersuchungsamtes Düsseldorf als Außenstelle des Instituts für Wasser-, Boden- und Lufthygiene und 2 Stellen wegen der Einbeziehung der Berliner Opiumstelle in das Bundesgesundheitsamt. Beide Maßnahmen sind organisatorisch zweckmäßig und geboten. Der Ge- samtausgabebedarf des Kapitels vermindert sich um rund 300 000 DM.
Sehr eingehend hat der Haushaltsausschuß die Stellenplangestaltung bei Kap. 06 13, Bundesarchiv, geprüft. Er hat die Mehrarbeit, die sich durch Backgabe von beschlagnahmtem Archivgut ergibt, anerkennen müssen und hierfür wie für verschiedene andere Arbeitsgebiete, bei denen neue Aufgaben und Mehrarbeit einwandfrei nachgewiesen werden konnten, die Bewilligung von einer Beamtenstelle A 13 und insgesamt 11 Angestelltenstellen für notwendig gehalten. Zehn dieser Angestelltenstellen der Vergütungsgruppen VI b bis VIII sind mit einem kw-Vermerk ab 1. April 1961 versehen.
Im Kap. 06 14 - Bundesanstalt für Landeskunde und Raumforschung - sind, entsprechend dem Willen des Bundestages, die beiden bis 1958 in getrennten Kapiteln ausgebrachten Institute nunmehr vereinigt. Die Zusammenlegung ergab die Einsparung von drei Beamtenstellen, drei Angestelltenstellen und drei Arbeiterstellen sowie mehrere Herabgruppierungen. Zu den einzelnen Ansätzen habe ich nichts zu bemerken.
Zu Kap. 06 15 - Bundesstelle für Verwaltungsangelegenheiten und Bundesamt für Auswanderung - ist lediglich anzumerken, daß der Gesamtausgabebedarf um 2,7 Millionen DM zurückgeht, weil die Ausgaben für Kriegsgräber und die Entschädigung an ehemalige Bedienstete jüdischer Gemeinden dem tatsächlichen Bedarf angepaßt wurden.
Zu Kap. 0616 - Institut für Angewandte Geodäsie - hat der Beauftragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung während der Verhandlungen im Ausschuß ein Gutachten vorgelegt, das wegen seiner einschneidenden Vorschläge noch einer gründlichen Überprüfung bedarf. Weder der Haushaltsausschuß noch das Bundesministerium des Innern waren in der zur Verfügung stehenden kurzen Zeit in der Lage, die Anregungen des Gutachtens ganz oder teilweise auszuwerten. Der Haushaltsausschuß empfiehlt, den Tit. 711 für Um-und Erweiterungsbauten qualifiziert zu sperren. Der Bundesminister des Innern hat die Erklärung abgegeben, daß er für das Rechnungsjahr 1959 auf Stellenhebungen und Stellenvermehrungen verzichtet, freie und frei werdende Stellen nicht besetzen und Beförderungen nicht vornehmen wird. Ausnahmen sollen nur gemacht werden, wenn es sich um rechtliche Verpflichtungen handelt. Der Haushaltsausschuß empfiehlt unter diesen Voraussetzungen die Annahme des Kapitels mit den Änderungen, die sich aus dem Vorgetragenen ergeben.
Das Kap. 06 29 - Deutsches Archäologisches Institut - weist einen Personalzugang auf. Der Haushaltsausschuß hat nicht allen in der Regierungsvorlage enthaltenen Wünschen entsprechen können. Er hat sich aber von der Erwägung leiten lassen, daß es sich nicht um eine Verwaltungsbehörde, sondern um ein wissenschaftliches Forschungsinstitut handelt, dessen Außenstellen während des Krieges beschlagnahmt waren und erst allmählich in die deutsche Verwaltung zurückgegeben worden sind. Der Aufbau konnte deshalb in dem erforderlichen Umfange noch nicht abge3714
schlossen werden. Im Zuge der allgemeinen Förderung der deutschen Wissenschaft durch den Bund darf die personelle und sachliche Ausstattung der bundeseigenen wissenschaftlichen Forschungsinstitute nicht vernachlässigt werden. Der Haushaltsausschuß hat deshalb auch bei Anlegung eines strengen Maßstabs die Notwendigkeit einer Stellenvermehrung und einiger baulicher Maßnahmen anerkannt. Es handelt sich im wesentlichen um fünf neue Stellen für Beamte, ferner um die Mittel für drei wissenschaftliche Nachwuchskräfte und eine neue Angestelltenstelle. Die weitergehenden Personalwünsche der Bundesregierung mußte der Haushaltsausschuß ablehnen. An Baumaßnahmen sind bei Tit. 710 1,8 Millionen DM für einen Erweiterungsbau in Rom und bei Tit. 711 400 000 DM für einen Erweiterungsbau in Istanbul vorgesehen. Der Haushaltsausschuß empfiehlt aus den genannten Gründen deren Bewilligung.
Zu dem Kap. 06 30 - Deutsches Historisches Institut - und zu dem Kap. 06 31 - Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften - habe ich nichts weiter zu bemerken.
Ich bitte, alle von mir vorgetragenen Kapitel bzw. Titel mit den genannten Änderungen anzunehmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Meine Damen und Herren, hier liegen zahlreiche Änderungsanträge vor. Ich frage zunächst, ob das Wort zum Einzelplan 06 gewünscht wird. - Frau Abgeordnete Dr. Lüders.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich in der allgemeinen Aussprache über den Etat des Bundesministeriums des Innern einige Worte sage, so tue ich das vor allen Dingen im Hinblick auf den zivilen Bevölkerungsschutz. Ich habe in diesem Zusammenhang nicht die Absicht, den subtilen Ausführungen meines verehrten Herrn Vorredners zu folgen, weder in finanziellen noch in personellen Fragen. Das würde viel zu weit gehen, und Sie wünschen ja alle, daß die Etatberatungen vorangehen und nicht an irgendeinem Punkte lange verweilen.
Wir wissen, daß inzwischen im Oktober 1957 durch Gesetz der zivile Bevölkerungsschutz an die Stelle des sogenannten zivilen Luftschutzes getreten ist. Schon der Name „Ziviler Bevölkerungsschutz" zeigt ja gegenüber dem Namen „Ziviler Luftschutz", daß es sich hier doch um übergeordnete Aufgaben handelt, also um Aufgaben, die vom zivilen Luftschutz nicht ohne weiteres hätten durchgeführt werden können. Diese Erweiterung ist nur logisch und entspricht der inzwischen immer weiter fortgeschrittenen und fortschreitenden technischen Entwicklung, den sich rapide wandelnden technischen Vorgängen, Erkenntnissen und Mitteln, die dann auf Grund der technischen Erfahrungen und Entwicklungen angewandt werden.
Niemand im Hohen Hause und, wie ich glaube, auch in der Bevölkerung verlangt, daß die Durchführung der notwendigen Schutzmaßnahmen für die Bevölkerung mit den wahrhaft teuflischen Methoden des Kampfes aller gegen alle mit dem wahrhaft blasphemischen Stolz auf die Erfindung und mögliche Anwendung eines jeden neuen Massenvernichtungsmittels etwa Schritt halten kann. Das ist ausgeschlossen. Die Aufgaben, die unter dem alten und jetzt unter dem neuen Namen zu erledigen sind, sind Ihnen teils als Mitglieder des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung, teils aus Verhandlungen im vergangenen Jahr im Plenum zur Genüge bekannt. Ebenfalls sind Sie über die ungeheuren Schwierigkeiten und über die ständig zunehmenden Gefahren, die mit der technischen Entwicklung verbunden sind, weitgehend orientiert.
Ich gehöre nicht zu denen, die jedem Bericht pro oder contra dieser behaupteten Gefahren ohne weiteres glauben; aber ich glaube auch nicht, daß man sich, wenn eine bessere Nachricht kommt, wonach angenommen wird, daß es nicht so schlimm werden wird, einfach auf den Standpunkt stellen kann: Na, dann wird's auch nicht so schlimm werden, „weil nicht sein kann, was nicht sein darf." Ich meine vielmehr, daß wir alles daransetzen sollten, um den tatsächlich vorhandenen Gefahren vorbeugend entgegenzutreten, einerlei, unter welchem Namen die Dinge rangieren.
Wir wissen, daß das, was durch den zivilen Bevölkerungsschutz gesichert oder wenigstens einigermaßen gesichert werden soll, die Gefahrenquellen umfaßt, die den gesamten Lebensbereich des Menschen ausmachen. Im Zug dieser Gefahren, durch Angriffe aller Art sind alle in ihrem Lebensbereich an Leib und Leben gefährdet, und der einzelne ist kaum von sich aus in der Lage, diesen Angriffen zu entgehen.
Wir erinnern uns sehr deutlich der sogenannten Bombenteppiche, die über uns hereinbrachen, und verschiedener anderer, Hunderttausende und Millionen von Menschen gefährdender und vernichtender Mittel, die in dem Kampfe eines gegen den anderen oder aller gegen alle - wie Sie wollen - angewandt wurden. Neben der unmittelbaren Gefahr für Leib und Leben erstrecken sich die Gefahren aber auch auf alle zur Ernährung des Menschen notwendigen Nahrungsmittel, auf das Wasser und durch die radioaktiven Einflüsse auch auf die Luft. Ich bin keine Physikerin und keine Chemikerin; ich kann die Behauptungen, die die Wissenschaftler vor uns ausbreiten, nicht nachprüfen. Aber wir können doch alle annehmen, daß diese Wissenschaftler von großem Ernst erfüllt sind und daß sie die Verantwortung gegenüber dem, was sie veröffentlichen, was sie bejahen oder verneinen, genauso gut fühlen, wie wir unsere Verantwortung fühlen, zu versuchen, den Folgen entgegenzuwirken.
Wenn man wie ich das Vergnügen hatte, im Ausschuß des Innern zu sein, dann fragt man sich bei den Ausführungen, die man dort gehört hat: was geschieht denn nun eigentlich, was ist denn nun eigentlich geschehen, um diesen eminenten Gefahren für Millionen von Menschen „rechtzeitig" und genügend oder sagen wir: wenigstens so weit wie irgend möglich entgegenzuwirken?
Meine Fraktion hat bei der Beratung des vorigen Etats die Vorlage eines Weißbuches erbeten. DieFrau Dr. Dr. h. c. Lüders
ses Weißbuches ist bis heute weder dem Plenum zugeleitet worden, noch hat es der Ausschuß bekommen. Es wird also höchstwahrscheinlich entweder überhaupt noch nicht geschrieben sein oder es hat noch nicht gedruckt und verteilt werden können. Wir haben im Ausschuß über den Inhalt dieses Weißbuches weder der Sache noch den Kosten nach irgend etwas gehört.
Wir wissen nur, daß, wie anfangs gesagt, im Oktober 1958 ein Bundesamt für zivilen Bevölkerungsschutz - ich glaube, in Bad Godesberg - eingerichtet worden ist. In bezug auf die Maßnahmen zum Schutze der Bevölkerung, die vom Ministerium getragen und vorangetrieben werden müssen, war der Herr Minister schon 1957 überaus optimistisch. Es scheint aber leider so, daß sein Optimismus nicht gerechtfertigt worden ist. Wir können uns nicht damit beruhigen, daß ein paar Millionen Mark ausgesetzt werden. Es kommt sehr darauf an, was mit diesem Geld gemacht wird. Aber es kommt nicht nur darauf an, was damit gemacht wird, sondern auch darauf, wann etwas damit gemacht wird.
Was den Schutz des einzelnen in seinem Hause angeht, so wird uns geraten, wir sollen uns private Bunker in unseren Häusern bauen. Ich bin selber Hausbesitzerin, ich weiß beim besten Willen nicht, wie ich diesen Bunker in meinem Hause unterbringen soll. Auch wenn ich in die Erde krieche, weiß ich nicht, wie lange ich bei den jetzt vorhandenen gefährlichen chemischen Mitteln dort überhaupt verweilen muß und in welchem physischen und psychischen Zustand ich nachher wieder ans Tageslicht krabble.
Wir haben von dem Herrn Staatssekretär - der Herr Minister war leider durch wichtige Besprechungen verhindert - im Ausschuß des Innern gehört, wie wichtig die Warnämter sind und wie notwendig es ist, ein Warnsystem aufzubauen. Aber wo sind denn nun diese Warnämter? Im vorigen Jahr hieß es: „Wir sind daran". Es ist überhaupt merkwürdig, daß bei allem, was den zivilen Bevölkerungsschutz betrifft, bei allen Vorschlägen, bei allen Forderungen, die Antwort der Regierung mit den Worten beginnt: „Wir sind daran".
({0})
Ja, das genügt nicht, daß die Herren daran sind, sondern es ist notwendig, daß man auch richtig in die Sache hineinsteigt und nicht nur immerzu „daran"-bleibt.
({1})
Im vorigen Jahr ist uns gesagt worden:
Wir haben schoneine Anzahl von Warnämtern fertiggestellt,
- hoffentlich funktionieren sie recht gut! wir werden in diesem Jahr noch weitere Warnämter fertigstellen, und wir werden im nächsten Jahr den Rest der zehn Warnämter fertigstellen. Das sind aber Einrichtungen
- das haben wir immer gewußt! mit einer zum Teil außerordentlich komplizierten, schwierigen, wenn auch sehr wirkungsvollen technischen Apparatur.
Lieber Gott, das weiß doch jeder, der sich nur einigermaßen mit diesen Dingen beschäftigt, daß Warnämter eine ungeheuer schwierige technische Angelegenheit sind. Aber gerade weil sie technisch so schwierig sind, sollte man, meine ich, beizeiten an die Einrichtung der Warnämter gehen und nicht nur immer sagen: „Wir sind daran".
Zum Trost ist uns gesagt worden:
Das alles kostet eben Zeit.
- Das wußten wir auch schon. - Dann wurde erklärt:
Gerade auf dem Gebiete des Bundeswarnsystems haben wir das absolut gute Gewissen, daß wir alleseingeleitet und alles vorbereitet haben. . .
- das ist schon über ein Jahr her, daß „alles eingeleitet und alles vorbereitet" ist daß wir sagen können: auf diesem Gebiet übertrifft uns keine Nation, die der NATO angehört, und keine europäische Nation.
lch will hoffen, daß dieses Selbstlob berechtigt ist; ich will 'es im Interesse des Amtes und im Interesse der Bevölkerung hoffen.
Zum Luftschutzhilfsdienst wurde uns auch sehr vieles versprochen. Wir alle wissen, daß der Luftschutzhilfsdienst unbedingt notwendig ist und daß Hunderttausende von Personen benötigt werden, wenn er wirksam werden soll. Es wurde uns dazu erzählt, man brauche 200 000 Mann. Mir scheint das sogar recht wenig zu sein. Es wurde erklärt, das ist eine Aufgabe von einer solchen Schwierigkeit, daß demgegenüber sogar der Bundesverteidigungsminister mit dem, was er einrichtet, nicht aufkommen kann.
Der nächste Satz - er fängt wieder entsprechend an - lautet:
Aber wir sind daran, auch das Problem des Luftschutzhilfsdienstes zu meistern.
- Ja, wielange will man eigentlich immer nur „daran sein", etwas in die Hand zu nehmen und durchzuführen? Der dann folgende Satz - ebenfalls von der Regierung - lautet:
Wir sind daran, die Voraussetzungen zu schaffen, die notwendig sind, um einen solchen Luftschutzhilfsdienst bereits in Friedenszeiten vorwärts zu bringen.
Wann denn sonst eigentlich? Er muß doch wohl schon in Friedenszeiten vorbereitet sein. Oder soll er vielleicht am Tage einer Kriegserklärung oder eines Kriegsausbruches eingerichtet werden? Kriegserklärungen gibt es ja nicht mehr. Man möge es mir nicht übelnehmen, wenn ich sage: Das sind Redewendungen, die ein erwachsener Mensch eigentlich nicht abnehmen kann, auch wenn er den Redner sonst recht sympathisch findet.
({2})
- Nein, es war nicht Herr Schröder, der das gesagt hat.
3716 Deutscher Bundestag -- 3. Wahlperiode Frau Dr. Dr. h. c. Lüders
Es wurde damals weiter erklärt:
Wir werden in absehbarer Zeit auch dem Hohen Hause ganz grundsätzliche Fragen vorzutragen haben -Das sind doch Redensarten, weiter gar nichts. Tragen Sie uns doch einmal über die ganz grundsätzlichen Fragen vor! Kommen Sie doch heraus mit Ihrer Weisheit!
({3})
Aus dem Hause wurde darauf etwas dazwischengerufen, und der Redner fuhr fort:
Ich weiß genau, was Sie mich fragen wollen,
- er war so voraussehend Herr Abgeordneter.
- Das war der Abgeordnete, der da unten sitzt. Sie werden sagen: „Wo wollen Sie denn auf dem Boden der Freiwilligkeit die Leute herkriegen?"
Der Abgeordnete wird vermutlich gemeint haben, wie es auch die Regierung meint. man müsse werben, werben, werben. Mit der Werbung wird man sicherlich einige, vielleicht sogar sehr viele Leute bekommen; ich hoffe und glaube es. Aber es geht doch nun wirklich nicht, daß verantwortliche Herren von oberster Stelle ,erklären:
Ich darf Ihnen sagen. ich bin immer noch so viel Idealist, daß ich mir sage: es wird gelingen, einen bestimmten Prozentsatz zu bekommen.
Damit kann man die Ausschußmitglieder und die Mitglieder dieses Hohen Hauses nicht abspeisen.
({4})
In ganz genau derselben Art geht es dann weiter: Wir sind uns darüber klar,
- so meinte schon im vorigen Jahr die Regierung daß eine unerhört schwierige Frage die des Schutzraumbaues ist.
Das ist nicht neu. Wir haben Bunker schon zu Hunderten und Tausenden gehabt. Leider sind sie nachher zum großen Teil wieder eingeebnet worden; jetzt kratzen wir sie wieder heraus.
Wir wissen auch, was es für uns bedeutet, daß der glänzende Test, den die von uns entwikkelten Schutzraumtypen bei den Experimenten in Nevada gefunden haben ...
usw. Mir wäre ein glänzender Test bei uns sehr viel lieber als nur in Nevada. Vor allen Dingen möchte ich solche Schutzräume einmal bei uns sehen und sie nicht nur in Nevada ausprobieren lassen. Man kann doch einmal anfangen, wirklich zu arbeiten, praktisch vorzugehen!
Wir wissen auch genau, daß wir jetzt nicht nur mit interkontinentalen Raketen, sondern auch mit den radioaktiven Niederschlägen zu rechnen haben. Wir sollten infolgedessen nicht nur „daran denken", sondern auch danach handeln und nicht nur, wie es in dem ersten Gesetz vorgesehen war, für die Städte mit über 10 000 Einwohnern Schutzmaßnahmen bei Neubauten anordnen, sondern quer durch das ganze Bundesgebiet gewisse Schutzmaßnahmen namentlich gegen radioaktive Niederschläge treffen. Mir ist von diesen Dingen nichts bekannt; ich weiß nicht, wo solche Maßnahmen getroffen wurden. Ich wäre dankbar, wenn man einmal etwas davon besichtigen könnte, um zu erfahren, was eigentlich hinter diesen Worten steckt.
„Wir sind daran", - so fängt man immer wieder jeden Satz an. Das muß man sich merken; wenn wir später einmal Vorschläge machen, dann werden wir auch immer sagen: Wir sind daran, aber weiter kommen wir nicht. Also: „Wir sind daran,
({5})
diese Maßnahmen durchzudenken." - Man ist also daran, die Maßnahmen des Schutzes gegen radioaktive Gefahren durchzudenken!
Wir sind ja gehalten, noch in diesem Jahre
- das war das vorige
uns vor dem Hohen Hause zum Problem der Schutzraumpolitik zu äußern .. .
Ich habe nicht viel davon gehört. Das mag an mir liegen; eine Zeitlang war ich krank, aber sonst höre ich ganz gut.
Ich darf auch hier nicht verschweigen,
- sagt der Vertreter der Regierung, und ich stimme der Regierung darin vollkommen bei daß wir das außerordentlich weittragende Problem gewisser Teilevakuierungsmaßnahmen im Auge behalten müssen.
Also entweder sind sie daran, oder sie behalten es im Auge.
({6})
Das hier wird einfach im Auge behalten. Ich finde, man sollte ein so scharfes Auge darauf richten, daß man es gar nicht wieder aus dem Auge verliert.
({7}) Dabei sind wir uns darüber klar,
- das ist die Regierung, die das sagt, nicht ich -daß Evakuierungen
-jetzt kommt ganz etwas Neues, passen Sie auf! natürlich dann keinen Sinn mehr haben, wenn bereits die ganze furchtbare Schwere des atomaren Krieges ... auf unserem Lande lastet.
Das glaube ich auch; dann haben sie keinen Zweck mehr. Aber dann wird gesagt, gewisse Evakuierungsmaßnahmen müßten „rechtzeitig eingeleitet" werden, also ehe das Malheur da ist. Jemand, der das als Vertreter der Regierung gesagt hat, dem ist der erste Weltkrieg sehr klar geworden, dem ist der zweite Weltkrieg sehr klar geworden, und der weiß auch, was militärischer Dienst ist. Er weiß 'aber wohl auch, wie ungeheuer schwer es ist, Frauen befehlsmäßig wie Männer an die Strippe zu kriegen. Das ist der große Nachteil, der bei allen Maßnahmen zu bedenken ist, bei deren Verwirklichung es auf die Masse der Frauen ankommt.
Deutscher Bundestag - 3. Wahlperiode
Meine Herren von der Regierung, mir scheint, daß Ihre Vorstellung von Evakuierungsmaßnahmen - nehmen Sie es mir nicht übel - gründlich an der Natur und dem Wesen des Menschen vorbeigehen.
({8})
Sie kriegen mit solchen Vorschlägen die Leute einfach nicht voran. Keiner der Herren von der Regierung, der verheiratet ist und Kinder hat, wird im gegebenen Augenblick, wenn er nicht gerade zum Militär eingezogen ist - und er darf es in dem Augenblick nach meiner Meinung auch nicht -, Frau und Kinder sitzen lassen und selber in Reih und Glied sich evakuieren lassen. Meine Herren, wenn Sie das schon mit Männern nicht machen können, so versichere ich Ihnen aus meinen Erfahrungen auch im zweiten Weltkrieg, nicht nur in Deutschland, Frauen bekommen Sie nicht dazu, die Alten und die Kinder im Stich zu lassen, um Evakuierungsbefehlen nachzukommen.
({9})
Die brechen Ihnen einfach aus. Und das, meine Kollegen, ist die natürliche Empfindung - und nicht nur eine Empfindung, sondern es ist die ganz gefährliche natürliche Reaktion -, die Frauen in ihrer Verantwortung dem Leben gegenüber fühlen und der entsprechend sie handeln.
Evakuierungsmaßnahmen so verdreht, wie jener Hauptmann sie einmal veröffentlicht hat - die Regierung ist davon abgerückt -, werden es nicht sein. Aber wie stellt man sich denn das eigentlich vor? Wenn das Malheur da ist, dann ist's zu spät; da hat die Regierung recht. Wenn das Malheur noch nicht da ist - soll man die Leute auf Vorrat evakuieren? Das geht doch wohl nicht. Und wohin denn? Das ganze Land ist doch gefährdet. Wohin mit ihnen? Ich will hier gar nicht allzu deutlich werden in bezug auf die Notwendigkeiten, die bei einer Massenevakuierung allein aus physiologischen Gründen auftreten. Was denken Sie eigentlich, was dann mit Kindern wird, ich nehme hier nur einmal an, Kindern bis 10 Jahren oder meinetwegen nur bis zu 6 Jahren. Was soll werden? Wer will sie ernähren? Wer will sie säubern? Wer will überhaupt für sie als Menschen sorgen? Und soll vielleicht - wie es vorgeschlagen war - die Polizei so eine Art Kordon bilden, wie man ihn im Kindergarten hat, wo rechts und links ein Strick ist, und darüber dürfen die Kindergartenkinder nicht ausbrechen? Sollen so Frauen und Kinder durchs Land transportiert werden? Sie kriegen sie einfach nicht, sie gehen nicht; oder wenn sie gehen, gehen sie eine Weile, und wenn das erste Kind nicht mehr laufen kann, dann brechen Ihnen die dazugehörigen Mütter und Großmütter aus, und die Panik oder Aufregung in der ganzen Kolonne ist da. Meine Damen und Herren, denken Sie doch nicht am lebenden Menschen und seinen natürlichen Gefühlen vorbei! Frauen sind keine Männer.
({10})
- Es ist gar nicht komisch, Kollege; es ist sogar sehr ernst,
({11})
und es kann unter Umständen ungeheuer schwer für jeden von uns werden. Wir sind keine Männer, die man befehlsmäßig kompanieweise rekrutieren, zusammenstellen und transportieren kann, damit sie befehlsgemäß morgen hier oder dort sind. Das ist ausgeschlossen für uns! Das haben wir in den beiden Kriegen doch wohl reichlich erlebt.
Ich glaube aber, sehr notwendig wäre außerdem eine sehr weitgehende und intensive Aufklärung der Bevölkerung, intensiver als bisher, Aufklärung auch über die Gefahren. Man fürchtet sich, und ich verstehe das bis zu einem gewissen Grade, den Leuten die volle Wahrheit zu sagen, oder: die Wahrheit, soweit man glaubt, sie wissenschaftlich heute belegen zu können. Ich sage „glaubt", weil man sie unbedingt sicher nicht belegen kann.
Alles, was die Bevölkerung selber zu ihrem eigenen Schutz tut, wird in der Wirkung natürlich sehr wesentlich von dem Stand der technischen Dienste abhängen, auch so einfacher Dienste wie z. B. der Feuerwehr.
Ich möchte mit einer Berliner Frage schließen, die mir die Herren vom Ministerium nicht übelnehmen werden. Wenn Sie immer „daran denken" und wenn Sie immer „im Auge behalten" und dann eine Pause machen, dann sagt der Berliner: „Na und?"
({12})
Meine Damen und Herren! Der Präsident kann natürlich nicht voraussehen, wozu gesprochen wird. Ich hätte sonst den Vorschlag gemacht, diese Debatte im Zusammenhang mit der Besprechung des Einzelplans 36 - Zivile Notstandsplanung - zu führen. Ich möchte eigentlich auch jetzt noch den Vorschlag machen, diesen Diskussionsbeitrag zurückzustellen, bis der Zivile Notstandsplan - Einzelplan 36 - aufgerufen wird. Wir haben dazu auch noch zwei Entschließungsanträge. Mit der Materie sind ja mehrere Ministerien befaßt, und das war der Grund, weshalb sie in dem Einzelplan 36 zusammengezogen ist. Beteiligt sind die Bundesministerien des Innern, für Wirtschaft, Ernährung, Verkehr, Post- und Fernmeldewesen sowie Wohnungsbau.
Das Wort hat nun Herr Abgeordneter Schmitt ({0}).
({1})
- Dann muß ich nach der Geschäftsordnung dem Vertreter der Regierung zunächst das Wort geben.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will den Kollegen Schmitt ({0}) nicht lange aufhalten, sondern möchte folgendes sagen. Den Ablauf der Debatte zum Einzelplan 06 hatte ich mir etwas anders vorgestellt, vor allen Dingen da einige Gesichtspunkte ja auch schon bei Einzelplan 04 behandelt worden sind. Ich brenne eigentlich darauf, mich ein bißchen mit dem Kollegen
Bundesinnenminister Dr. Schröder
Erler auseinanderzusetzen, und wenn wir hier weiter über Einzelheiten sprechen, werde ich dazu schwer kommen.
({1})
- Ach, Herr Kollege, das würde ich nicht sagen. Ich glaube, da überschätzen Sie meine Kalorienfähigkeit.
Trotzdem möchte ich mir erlauben, mit wenigen Worten auf das zu antworten, was Frau Kollegin Lüders vorgetragen hat. Sie hat gegen eine Rede polemisiert, die nicht ich gehalten habe, sondern die Herr Staatssekretär Ritter von Lex, wenn ich nicht irre, im Oktober vergangenen Jahres in diesem Hohen Hause gehalten hat. Er hat vielleicht selbst Gelegenheit, darauf nachher im einzelnen zurückzukommen. Ich möchte aber eine konkrete Auskunft geben. Frau Kollegin Lüders hat gesagt, ihr seien damals zehn Warnämter angekündigt worden, und sie möchte wissen, wie es damit steht. Vier dieser geplanten zehn Warnämter sind betriebsbereit, wenn auch zunächst noch in behelfsmäßiger Unterbringung. Die restlichen sechs Warnämter sollen bis zum 1. April 1960 so weit funktionsfähig sein, daß sie den Warnbetrieb durchführen können. Ich glaube, das ist eine konkrete Auskunft, jedenfalls die beste, die ich in diesem Augenblick geben kann.
Im übrigen haben Sie stark gegen ein Evakuierungsprogramm polemisiert. Ich kann nur sagen: ich weiß nicht, gegen wessen Evakuierungsprogramm Sie polemisiert haben, - jedenfalls nicht gegen das Programm der Bundesregierung.
({2})
Herr Abgeordneter Schmitt ({0}) !
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Hohe Haus wird noch Gelegenheit haben, bei der Beratung des Einzelplans 36 auf die Fragen des zivilen Bevölkerungsschutzes und der zivilen Bevölkerungshilfe zurückzukommen. Bei der Beratung des Einzelplans 06 ist es aber, glaube ich, notwendig, ein Wort zu der Arbeit des Ministers selbst auf diesem Gebiet zu sagen. Meine Damen und Herren, die Art, wie der Herr Minister hier die Frau Alterspräsidentin nach ihren Ausführungen glaubt abfertigen zu können, spricht ja auch für sich. Das möchte ich mit aller Deutlichkeit sagen.
({0})
Meine Damen und Herren, wir sollten der Frau Kollegin Lüders dankbar sein, daß sie hier die Probleme angesprochen hat; denn im Ministerium des Innern sind die Probleme weder genügend durchdacht worden noch sind die Erwägungen bisher zu konkreten Ergebnissen gereift.
({1})
Meine Damen und Herren! Als der Herr Minister vor zwei Jahren von einer Studienreise aus Amerika zurückkam, berichtete er - ich erinnere mich dessen noch sehr genau - dem Hause freudestrahlend, was er in den kommenden Monaten und Jahren alles tun werde. Herr Minister, wenn Sie einmal das Protokoll Ihrer Rede durchlesen, werden Sie sicher selbst erstaunt sein, was Sie dem Hohen Hause alles zugesagt haben. Ich brauche Sie nur an den Termin des 1. April 1959 für die Frage der gesetzlichen Regelung im baulichen Luftschutz zu erinnern. Bis heute hat die Regierung noch keine Vorlage eingebracht. Ich habe die Befürchtung, Herr Minister, Sie haben in Amerika zu wenig zivilen Bevölkerungsschutz studiert und sind zu sehr auf den Spuren von Herrn McCarthy gewandelt.
({2})
Und hier haben Sie Herrn Professor Pascual Jordan
und seinen Ideen das Feld überlassen, der meint, die
Probleme mit unterirdischen Städten lösen zu können.
Meine Damen und Herren, ich stelle hier fest: Leider hat die Bundesregierung auf dem Gebiet des zivilen Bevölkerungsschutzes und der zivilen Bevölkerungshilfe über Planungen und Anfänge hinaus nichts getan.
({3})
Weitere Wortmeldungen zum Einzelplan 06? - Herr Bundesminister!
Herr Pruäsident! Meine Damen und Herren! Ich komme jetzt zu dem Kapitel, mit dem ich mich vorhin schon gern beschäftigen wollte. Herr Kollege Erler hat -- und deswegen ist er ein bißchen schuld daran, daß es jetzt hier inicht so ganz geordnet zugeht -- in seiner Liebeserklärung an den Herrn Bundeskanzler gleichzeitig - ich weiß nicht warum - eine Liebeserklärung für den Bundesminister des Innern mit einfließen lassen. Es ehrt mich, in dem Zusammenhang genannt zu werden.
({0})
- Wollen wir einmal bei dem bleiben, was ich gesagt habe: Es ehrt mich, in dem Zusammenhang genannt zu werden. Trotzdem, Herr Kollege Erler, bleibt dabei einiges aufzuklären. Ich darf Ihnen und dem Hohen Hause vielleicht einmal die entscheidende Stelle vorlesen. Dort heißt es:
Eine wesentliche Gefahr für den freiheitlich gesinnten Bürger liegt heute weniger in radikalen Umtrieben der Verfassungsgegner - die gibt es auch, aber deren können wir uns erwehren und erwehren wir uns in der Praxis auch - als in dem Überwuchern der Bundesexekutive im Verhältnis zu den anderen Gewichten unseres Staates, und ein Notstand solcher Art wäre erheblich weniger gegeben, wenn der Bundesminister nicht Dr. Schröder hieße.
Nun bin ich sehr geneigt, das so wohlwollend wie
möglich zu interpretieren. Verstehen Sie das „wohlBundesminister Dr. Schröder
wollend" bitte richtig: so wohlwollend für mich, als der Text es zuläßt. Wenn also das Überwuchern der Bundesexekutive durch meine Existenz so übermäßig sein soll, dann, glaube ich, Herr Kollege Erler, trifft diese Behauptung nicht zu. Ich weiß nicht, oh Sie sie so, wie sie hier steht, aufrechterhalten wollen; denn ich kann nicht sehen, wo eine wesentliche Gefahr für den freiheitlich gesinnten Bürger in der Existenz eines Ministers, der an dieses Hohe Haus gebunden ist, liegen könnte, eine Gefahr, die Sie als wesentlich gefährlicher ansehen als radikale Umtriebe der Verfassungsgegner. Ich glaube, wir sollten uns darauf verständigen, daß dies doch wohl eine recht kräftige rednerische Übertreibung ist.
Als Sie, Herr Kollege Erler, diese Ausführungen ich komme gleich zu den einzelnen Punkten - machten, mußte ich mich an manches erinnern, was in den letzten Wochen drüben gesagt worden ist. Ich kann Ihnen nachher einen schönen Bericht aus Ost-Berlin zeigen-,in dem etwa folgende Darstellung gegeben wird: Es sei jetzt mit des Himmels Hilfe gelungen, den Herrn Bundeskanzler zu beseitigen. Nun handle es sich nur noch um zwei Leute, die beseitigt werden müßten. Das seien die Minister Strauß und Schröder; denn sie seien die gefährlichsten Männer in Bonn.
Ich weiß nicht, ob Sie. wenn Sie mich in dieser übertriebenen Weise des Uberwucherns der Bundesexekutive dargestellt haben, nicht ganz unnötig Wasser auf falsche Mühlen schütten.
({1})
- Herr Kollege Erler, was Sie gesagt haben, ist sicherlich richtig: Kritik von drüben ist kein Freibrief für hier. Das ist aber keine Kritik von drüben, sondern eine Einschätzung von drüben, und wir sollten s'e nicht mit dramatischen Akzenten versehen.
Sie haben meinem bescheidenen Aufsatz zu dem zehnjährigen Bestehen des Grundgesetzes eine nicht ganz faire Würdigung angedeihen lassen. Dieser Aufsatz „Zehn Jahre Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland" ist am 22. Mai im Bulletin veröffentlicht worden. Ich habe zu diesem Tage eine Reihe von Aufsätzen schreiben müssen, und ich darf Ihnen sagen: Gerade in diesem Aufsatz befindet sich sehr viel geistiges Gut meiner Mitarbeiter, in diesem Aufsatz ganz besonders! Das ändert nichts daran, daß das, was dort gesagt ist, nach meiner Meinung zutrifft und daß Ihre Kritik an diesen vier Punkten unzutreffend und im übrigen der Text nicht genau wiedergegeben ist.
Ich habe nicht davon gesprochen, daß es wünschenswert sei, die Rechtssphären des einzelnen und des Staates anders abzugrenzen, als das jetzt im Grundgesetz. geschehen sei. Ich habe geschildert, warum sie als ein Rückschlag auf ein sehr schlimmes System heute so abgegrenzt worden sind, und habe dann gesagt - vielleicht darf ich diese Stelle mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten vorlesen
Erst die Zukunft wird lehren, inwieweit der
einzelne bereit oder nicht bereit ist, dem Staat
zu geben, wessen er zur Erfüllung seiner Ge- meinschaftsaufgaben bedarf. Hierin wird jedoch weniger eine Bewährungsprobe der Verfassung als vielmehr eine solche des Gemeinsinns der unter ihr lebenden Staatsbürger liegen.
({2})
Das ist, glaube ich, eine Feststellung, meine Damen und Herren, der sich alle werden anschließen können.
({3})
Der zweite Punkt, in dem Sie diesen Aufsatz angegriffen haben, sind meine Ausführungen zu Art. 80 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes. Art. 80 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes sagt, daß Inhalt, Zweck und Ausmaß einer -der vollziehenden Gewalt erteilten Ermächtigung genau umschrieben werden müssen. Herr Kollege Erler, wenn Sie vielleicht einmal die schwere Last zu tragen hätten, die Aufgaben wahrzunehmen, die ich heute wahrnehme, so würden Sie mir darin zustimmen, daß diese Bestimmung für die Praxis unnötig einengend ist. Man kann sicher über die Abgrenzung sprechen. Sie ist aber stärker einengend, als wir das unter ganz normalen Bedingungen als wünschenswert ansehen können.
In meiner Erörterung des Verhältnisses Bund und Länder - das ist der dritte Punkt gewesen - bin ich außerordentlich zurückhaltend gewesen. Dies war ein Jubiläumsartikel, und bei einem Jubiläum ist man sehr bemüht, die liebenswürdigeren Seiten des Geehrten hervorzukehren.
({4})
Herr Kollege Erler, ich bin gern bereit, sowohl Ihnen allein wie dem Hause hier auseinanderzulegen, was ich wirklich denke. Aber Sie haben angegriffen, was ich gesagt habe, und damit darf ich mich einen Augenblick beschäftigen.
({5})
Hinsichtlich des Verhältnisses Bund und Länder habe ich in meinem Artikel hervorgehoben - und das weiß jeder, der etwas Praxis auf diesem Gebiete hat -, daß der Bundesrat eine ganz starke Neigung hat, das Zustimmungserfordernis auszuweiten. Das haben wir hier im Bundestag von Anfang an - wir sind ja jetzt beinahe zehn Jahre in diesem Hohen Hause; es fehlt nur noch etwas daran - bemerken können. Ich habe der ersten Bundesregierung nicht angehört. Ich würde mich - das darf ich hier ganz offen sagen - energischer, als das damals geschehen ist, gegen diese Ausweitung des Zustimmungserfordernisses gewendet haben. Denn wir haben ja jetzt nur noch einen relativ kleinen Bereich von nicht zustimmungsbedürftigen Gesetzen behalten. Das ist übrigens weniger unter dem Gesichtspunkt der Rechte der Bundesregierung als vielmehr dem der Rechte des Bundestages doch von ganz erheblicher Bedeutung. Dies ist also ein Punkt, von dem ich jedenfalls meine, daß er den Bundestag mindestens so sehr interessiert wie die Bundesregierung.
Bundesinnenminister Dr. Schröder
Nun zu Ihrem vierten Kritikpunkt. Es betrifft das, was ich über die Notwendigkeiten einer Notstandsgesetzgebung angemerkt habe.
({6})
- Ja, das will ich gern tun. Sie haben vom ParteienBundesstaat gesprochen. Ich habe mit Ihrer freundlichen Erlaubnis den Text Ihrer Rede einsehen dürfen. Da fehlen .die Anführungszeichen, die sich bei mir finden. Davon können Sie sich in dem Text, den Sie vor sich haben, überzeugen. „Parteien-Bundesstaat" ist dies: wir in diesem Hohen Hause sind eine an der Spitze zusammengefaßte Vielparteienversammlung und treffen dann auf ein Gebilde wie den Bundesrat, der nun nicht etwa - dann wäre es ein Senat - eine unmittelbar gewählte politische Repräsentanz der Länder darstellt, sondern das Ergebnis wechselnder Koalitionen und damit natürlich, wie wir ja aus dem Munde unsere früheren Freunde, heutigen Oppositionellen und morgen vielleicht wieder Freunde wissen, eine Institution ist, die mächtig dazu anreizt, hier im Hause nicht erreichte parteipolitische Ziele auf Umwegen anzustreben.
Wir haben ja erlebt, daß eine Regierung, die sich damals dank des dort vorhandenen konstruktiven Mißtrauensvotums als recht stabil empfand, nämlich die Regierung in Düsseldorf, über Nacht gestürzt wurde mit dem Schrei: Über Düsseldorf nach Bonn! Ich meine, das waren parteipolitische Ziele. Es waren ja nicht Ziele des Landes Nordrhein-Westfalen, sondern Ziele der Gegnergruppen, die hier nicht zum Zuge kamen und sich deshalb dort zusammenschlossen. Das darf man sicherlich - ich habe das Wort in Anführungszeichen gebraucht - als einen „Parteienbundesstaat" bezeichnen. Ich habe, glaube ich, damit den wesentlichen Kern dargelegt.
Aber nun zur Notstandsgesetzgebung. Meine Damen und Herren, ich weiß eigentlich nicht, warum man dieses Thema nicht sehr viel unbefangener betrachtet, als das geschieht. Meine Stuttgarter Rede hat Wellen geschlagen, wobei ich selbst nie verstanden habe, weswegen sie so beträchtlich waren. Denn ich habe in Stuttgart dem Sinn nach vorgetragen - leider ist Herr Kollege Ollenhauer nicht da, dem hätte ich das so gern einmal hier gesagt -, der Verfassungsgeber habe ein bestimmtes Stück Verfassungsrecht nicht angepackt. Auch der Bundestag, der schon einmal dicht daran war, dieses heiße Eisen anzupacken, hat es dann doch als ein bißchen zu heiß empfunden.
Sie sind, Herr Kollege Erler, beteiligt gewesen, als sich der Verteidigungsausschuß mit der Frage befaßt hat, wie weit man nicht nur das Grundgesetz unter dem Gesichtspunkt der reinen Verteidigungsartikel, sondern auch unter diesen Gesichtspunkten ergänzen sollte. Man ist dann davon abgekommen, weil einem, wie ich meine, dieser Wurf zu schwierig erschien. Aber vielleicht haben Sie eine andere Begründung dafür.
Aber nun habe ich gesagt, es sei sehr schwierig, während politische Kämpfe, die natürlich und notwendig sind, vor sich gehen, sich auf einen ganz überlegenen Standpunkt zu stellen. Ich verstehe, daß das für die Opposition vielleicht noch viel schwerer ist als für die Regierung. Vielleicht ist es für Sie schwer, gewissen Dingen zuzustimmen, bei denen Sie sich sagen können: Ach, da es auf unsere Sperrminorität hier ankommt, ist das etwas, was wir der Regierung unter gar keinen Umständen konzedieren wollen. Darauf lautet meine Antwort: Sie sollen gar nichts der derzeitigen Bundesregierung konzedieren. Das ist nicht unser Bestreben. Sie sollen vielmehr der Verfassung und jeder künftigen Bundesregierung etwas konzedieren, was sie braucht.
Denn daß sie es braucht, meine Damen und Herren, zeigt der internationale Vergleich, zeigt die Tatsache, daß es in allen anderen Ländern, die wir überhaupt hier ins Blickfeld ziehen können, eine Notstandsgesetzgebung gibt.
Nun weiß ich, daß hier manche - ich will nicht sagen, manche; das gilt vielleicht sogar für sehr viele, vielleicht sogar beinahe für alle - immer noch ein bißchen in der Haltung des gebrannten Kindes leben, in der Vorstellung, daß eigentlich der Art. 48 der Weimarer Verfassung irgendwie mitbestimmend für den Untergang des demokratischen Staates gewesen sei. Davon kann gar keine Rede sein. Nach meiner Meinung ist das ein historischer Irrtum. Es dauert immer etwas lange, bis sich solche Irrtümer herausstellen. Ich halte es für einen Irrtum. Warum?
Mit Hilfe des Art. 48 hat ein sozialdemokratischer Reichspräsident viele Jahre lang wichtige Maßnahmen treffen können. Er hat schwierige innere Krisensituationen mit Hilfe des Art. 48 bis zum Einsatz bewaffneter Macht gemeistert, wie Sie wissen. Das ist doch gar keine Streitfrage, das sind klare Tatsachen.
Deswegen hat es gar keinen Zweck, etwa in dem Art. 48, der sehr ähnlich aussieht wie der Art. 68 der alten Reichsverfassung, die Wurzel des Übels zu sehen und sich zu scheuen, „ähnliche" Bestimmungen - ich sage ähnlich jetzt in Anführungszeichen - in ein Gesetz zu bringen, wie sie das Grundgesetz noch nicht vorsieht.
Sie wissen, daß die Vorläufer des Grundgesetzes, also der Herrenchiemseer Entwurf und andere Entwürfe das sehr wohl vorgesehen hatten, daß man aber im Parlamentarischen Rat ein gutes Stück dahinter zurückgeblieben ist, weil man dieser Aufgabe auswich. Dieser Aufgabe darf man nicht auf die Dauer ausweichen. Ich weiß, daß wir hier noch manches zu tun haben werden, um Ihre Mitwirkung herbeizuführen. Aber vielleicht gelingt uns das noch im Laufe dieser Legislaturperiode. Dann können Sie, Kollege Erler, ganz sicher sein: Projekte, von denen wir uns versprechen, daß Sie und Ihre Freunde, in einer guten Stunde darauf angesprochen, eigentlich zustimmen müßten und könnten, sind sicherlich keine Sachen, die Sie für gefährlich halten werden. Denn Sie werden uns hier vielleicht nicht in allem richtig einschätzen, aber sicherlich werden Sie uns nicht so unterschätzen, daß wir nicht etwa beurteilen könnten, was auch von Ihrem Standpunkt heute in
Bundesinnenminister Dr. Schröder
der Opposition und - ich weiß nicht, wann - in der Regierung dem Interesse des Ganzen zu dienen geeignet ist. Nichts anderes haben wir vor: ein Notstandsrecht für jede Regierung, nicht für die derzeitige Bundesregierung.
Zurück zum Kollegen Ollenhauer! Ich habe damals - es war am 30. Oktober - in Stuttgart gesagt: Eine solche Sache wie das, was mir vorschwebt, muß man in einem Augenblick machen, in dem es ruhig zu sein schient, in dem wir uns nicht krisenhaft bedroht sehen und in dem wir meinen: jetzt kann man über diese Dinge ruhig sprechen. Da hat Herr Kollege Ollenhauer ein paar Tage später - ich habe mir den 3. November gemerkt, bin aber nicht ganz sicher - in Darmstadt gesagt, einen Notstand könne er weit und breit am Horizont nicht entdecken; in diesem Sinne hat er sich geäußert. Ich habe ihn um diesen Mangel an Weitblick nicht beneidet. Man vergegenwärtige sich die Ereignisse im November, die Reden Chruschtschows, die Berlin-Note usw.! Das war keineswegs eine Situation, in der wir etwa von jeder Bedrohung weit entfernt zu sein schienen.
({7})
- Wissen Sie, ich will keine Chruschtschow-Reden bekämpfen.
({8})
Wenn es sich nur darum handelte, daß Chruschtschow ich hätte beinahe gesagt: „Genosse Chruschtschow", das möchte ich mir aber versagen - Reden hielte, würden wir das ja ertragen. Es sind aber die Reden eines Nachbarn, und es sind die Reden eines außerordentlich mächtigen Nachbarn, es sind die Reden eines Nachbarn, den wir als gefährlich einschätzen müssen, wenn wir auf die Taten der jüngeren Entwicklung zurücksehen.
Reden von Chruschtschow wollen wir also nicht bekämpfen. Aber, meine Damen und Herren, was uns bei der Notstandsgesetzgebung vorschwebt, ist eine Handhabe für Fälle, von denen jeder einzelne von uns wünscht, daß sie nicht eintreten. Andere Verfassungen haben dafür Vorkehrungen getroffen. Das Grundgesetz hat keine Vorkehrungen dafür getroffen. Es hat hier eine klare Lücke. Ich habe die Hoffnung, daß wir sie eines Tages mit Ihrer Hilfe werden ausfüllen können.
Nun noch zu zwei weiteren Gesichtspunkten, die Sie vorgetragen haben. Sie haben etwa dem Sinn nach gesagt: Wir sind sehr verfassungstreu, wir halten uns an die Urteilssprüche des Bundesverfassungsgerichts. Sie haben dabei an den vergangenen Sommer gedacht, als wir hier sehr erregte Debatten wegen gewisser Aktionen führen mußten, die Sie unterstützten. „Wir halten uns an diese Urteilssprüche, aber ihr seid nicht verfassungstreu" obwohl wir gegen Sie jene Urteile erstritten haben, wie ich in Erinnerung bringen möchte -, „weil ihr nicht in Ausführung des Art. 21 des Grundgesetzes ein Parteiengesetz früher vorgelegt habt". Was das
Wort „früher" angeht, so wissen Sie, daß das Ge- I setz inzwischen vorliegt.
({9})
- Ich hoffe, es wird Ihre Zustimmung finden. Wir werden Gelegenheit haben, darüber zu sprechen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren von der Opposition, ich wundere mich sehr häufig über folgendes. Es gibt gesetzgeberische Materien, die angenehm oder, sagen wir einmal: politisch wirkungsvoll, propagandistisch wirksam zu regeln sind, und da werden wir mit Initiativgesetzentwürfen überschüttet. Aber es gibt einige Materien, die so eklig, so schwierig und so lästig sind, daß der Bundestag
- ich spreche jetzt von der Opposition und werde
das nicht gerade der Regierungskoalition erzählen , von seinem Recht - er ist ja Träger der Gesetzesinitiative, die Bundesregierung ist einer von drei Trägern der Gesetzesinitiative - ({10})
- Herr Kollege Erler, das ist keine faire Berner-kung.
Wir verlangen nicht den Vorrang für unsere Gesetze, keineswegs! Es gibt gewisse Materien, in denen sind wir Ihrer Initiative nicht gefolgt. Sie können also nicht sagen, wir verlangten Vorrang für unsere Gesetze. Es gibt Gebiete, auf denen lassen wir Ihnen durchaus den Vortritt.
({11})
- Der Herr Bundeskanzler hat schon Gelegenheit gehabt, darauf hinzuweisen
({12})
- nein, nein, in dieser Sache werden wir uns schnell verständigen -, daß die Wahlen den Sinn haben, eine regierungsfähige Mehrheit zu erbringen. Die regierungsfähige Mehrheit, die wir haben, benötigen wir, um unsere gesetzgeberischen Vorstellungen zu verwirklichen. Wenn Sie abweichende gesetzgeberische Vorstellungen haben, ist es doch wohl ganz klar, daß es das gute Recht der Mehrheit ist, jener Vorlage den Vorzug zu geben, die sie anzunehmen bereit ist, und nicht jener anderen, die sie ablehnen will.
({13})
Also ich darf noch einmal sagen: Mit solchen Dingen wie dem Art. 21 GG einseitig die Bundesregierung zu belasten ist nicht in Ordnung. Herr Kollege Erler, ich habe seit langem mit großer Spannung darauf gewartet, welche Initiativvorlagen von Ihnen sowohl als auch von anderer Seite kämen. Vielleicht hätten wir daraus gelernt.
({14})
- Wir können doch nichts in die Schublade tun,
was Sie hier einbringen; das liegt auf dem Tisch
des Hauses. - Kurz und gut, diese Entwürfe sind nicht gekommen. Sie haben der Bundesregierung offenbar freiwillig den Vortritt gelassen. Nun hoffe ich, daß das Kapitel Parteiengesetz, schwierig wie es ist, demnächst ein gutes Ende finden wird. Sehr eilig ist, unter uns gesagt, die Sache nicht. Aber im Laufe der Legislaturperiode wird das Gesetz sicherlich zustande kommen.
Sie haben einen zweiten Punkt genannt, an dem ich, ehrlich gesagt, erheblich mehr interessiert bin; das ist die Regelung des Rundfunk- und Fernsehwesens. Meine Damen und Herren, darüber haben wir schon gesprochen, und darüber werden wir, denke ich, bald wieder sprechen. Wir sind der Meinung, daß dieses Kapitel ganz unzulänglich geregelt ist, weil es nämlich durch Bundesgesetz überhaupt noch nicht geregelt ist. Auf diesem Gebiet gab es gewisse besatzungsrechtliche Regelungen, die zum Teil verändert und in Landesrecht transformiert worden sind. Es fehlt eine bundesgesetzliche Regelung. Wir haben sie vorbereitet, und ich hoffe, daß wir sie bald werden vorlegen und vertreten können.
Aber bevor wir überhaupt gesagt haben, was wir vorhaben, werden wir schon verdächtigt. Der Herr Bundeskanzler hat von dem dicken Fell des Politikers gesprochen. Ich beneide ihn darum, daß er darin schon eine längere Entwicklung hinter sich hat. Ich werde mir Mühe geben, mich in entsprechender Weise abzuhärten. Trotzdem empfinde ich Ihre Vorwürfe, Ihre Vermutungen gegenüber den Absichten der Bundesregierung nicht als sehr freundlich, um mich zurückhaltend auszudrücken. Uns schwebt nicht vor, Regierungssender zu schaffen. Uns schwebt nicht vor, in die freie Gestaltung, wie sie solche Anstalten haben müssen, einzugreifen. Sicherlich, die Wahrung gewisser öffentlicher Pflichten, die uns obliegt - ({15})
- Ich will Ihnen das an einem Beispiel ganz offen erklären, Herr Kollege Blachstein. Sie gehören wie ich zu den Freunden Großbritanniens. Wenigstens darf ich das für den Zweck der Diskussion einmal annehmen. In Großbritannien gibt es ein hervorragendes System: eine etwas stärker nach der öffentlichen Seite hin eingerichtete Anstalt wie BBC und eine freie Anstalt wie ITA. Die Konkurrenz zwischen BBC und ITA hat, wie ich glaube, etwas sehr Nützliches und Positives. Weder BBC noch ITA sind Sender der britischen Regierung, sondern es sind Sender in einem freien Land mit einer freien Gebarung. Ich hoffe, es wird uns gelingen, in unserem Vaterland etwas damit Vergleichbares auf die Beine zu bringen. Ich wäre Ihnen jedenfalls dankbar, wenn Sie uns nicht verdächtigten, die Bundesregierung plane, sich sozusagen eine Unterabteilung „Amt Rundfunk und Fernsehen" zuzulegen. Das widerspricht unseren Auffassungen, das widerspricht der Meinungsfreiheit des Grundgesetzes.
({16})
- Darf ich den Satz zu Ende sprechen; ich komme gleich auf Sie zurück. - Das widerspricht unserer Auffassung, das widerspricht der Auffassung des Grundgesetzes von der Meinungs- und Kulturfreiheit, und deshalb sollten Sie unserem Entwurf ruhiger entgegensehen, als Sie das derzeit tun.
Herr Blachstein hat einen Zwischenruf gemacht, ob ich auch - was akzeptieren würde?
({17})
- Ich bin der Meinung, daß bei Rundfunk und Fernsehen für alle gleiche Chancen gegeben sein müssen. Das, was wir gern sähen, ist eine Chancengleichheit für unsere Auffassung und für die der Opposition. Denn wir haben die Überzeugung: wenn es in Deutschland nur Chancengleichheit gibt
- die wir jetzt in .mancher Beziehung, wie die Praxis zeigt, als nicht gewährleistet ansehen müssen -, dann werden wir mit Ihnen in einem fairen Wettbewerb gut bestehen.
({18})
Weitere Wortmeldungen zu Einzelplan 06 in der allgemeinen Aussprache? - Keine Wortmeldung.
Ich rufe nun die Änderungsanträge in folgender Reihenfolge auf - vielleicht sind Sie so freundlich, sich das zu notieren, weil in dieser Reihenfolge abgestimmt wird -: zunächst zu Kap. 06 02 die Anträge Umdruck 255 ({0}) Ziffer 1 und Ziffer 2, dann der von verschiedenen Mitgliedern des Hauses gestellte Antrag Umdruck 291, dann die Anträge Umdruck 256, Umdruck 294 und Umdruck 255 ({1}) Ziffer 3. Sodann kommen die Anträge zu Kap. 06 07: Umdruck 255 ({2}) Ziffer 4, Ziffer 5, Ziffer 6, Ziffer 7 und Ziffer 8. In dieser Reihenfolge wollen wir diskutieren und abstimmen.
Zunächst hat das Wort zur Begründung des Änderungsantrags Umdruck 255 ({3}) Ziffer 1 Herr Abgeordneter Dr. Frede.
Herr Präsident, wäre es nicht zweckmäßig, zugleich auch Ziffer 3 mit zu begründen?
Gewiß! Die Anträge Umdruck 255 ({0}) Ziffern 1 und 3 stehen jetzt zur Debatte.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich den kulturpolitischen Titeln des Einzelplans 06 zuwenden. Meine Fraktion will keinen Anlaß geben, daß hier die Bundesexekutive verstärkt wird, auch wenn meine Fraktion einige Anträge einbringt, in denen eine stärkere Beteiligung des Bundes an den Mitteln zur Förderung der Wissenschaft und des Bildungswesens allgemein gefordert wird. Wir haben Ihnen mit Umdruck 255 ({0}) in den Ziffern 1 und 3 einige Vorschläge gemacht, den Haushalt abzuändern.
Ich darf zuerst auf Ziffer 1 eingehen. Wir haben den sehr eingehenden Ausführungen des Kollegen Brand mit Befriedigung entnommen, daß manche Ansätze in den kulturpolitischen Titeln gegenüber dem vergangenen Haushalt verbessert worden sind, insbesondere auf dem Gebiete der Wissenschaftsförderung, wenn es sich auch nur um Beträge von wenigen Millionen handelt.
Wir werden - um es gleich vorauszuschicken - keine wesentlichen Änderungsanträge einbringen. Wir werden diesmal darauf verzichten, einen Antrag auf eine sehr erhebliche Erhöhung der Titel zur Förderung der Forschung und der Wissenschaft einzubringen, und zwar aus einem sehr einfachen Grunde.
Der Wissenschaftsrat hat, wie Sie wissen, die Aufgabe, eine Bedarfsplanung für die Förderung der Forschung und der Wissenschaft aufzustellen. Er hat erst 1958 an die Arbeit gehen können, und seine Arbeit hat noch keine solchen Ergebnisse gezeitigt, daß uns schon heute ein wirklicher Bedarfsplan vorliegen könnte. Wir sind -- wie ich glaube, alle Experten in diesem Hause - davon überzeugt, daß der Wissenschaftsrat in dem Augenblick, in dem er seine Arbeiten abgeschlossen haben wird, ganz allgemein mit neuen Forderungen hinsichtlich der Förderung der Wissenschaft kommen wird, und zwar nicht nur an den Bund, sondern auch an die Länder. Er wird Zahlen nennen, die weit über das hinausgehen, was gegenwärtig in den Haushalten des Bundes und der Länder veranschlagt worden ist.
Wir haben auf Grund der Feststellungen der Kultusministerkonferenz bereits im Jahre 1957 die Auffassung vertreten, daß insgesamt mindestens 600 Millionen DM mehr für die Wissenschaft ausgebracht werden müßten, und wir finden uns hier in bester Verbindung mit den Kreisen und Kräften, die etwas von der Sache verstehen. Ich darf Sie in diesem Zusammenhang an die sehr intensiven Beratungen des Gesprächskreises „Wissenschaft und Wirtschaft" erinnern, in denen dieser zu der Auffassung gekommen ist, die von Herrn Generaldirektor Reusch sehr nachdrücklich zum Ausdruck gebracht wurde - sie ist in einer Denkschrift und mehreren Artikeln publiziert worden -, daß mindestens 1 % des Volkseinkommens - das macht in etwa 3 % des Steueraufkommens - für die freie Forschung - also nicht für die zweckgebundene Forschung - in den öffentlichen Haushalten ausgebracht werden müßten, wenn wir konkurrieren und wenn wir in der Zukunft bestehen wollen.
Herr Reusch ist bestimmt kein Freund oder Anhänger der Sozialdemokratischen Partei, und gerade deshalb möchte ich ihn mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten in einigen Punkten zitieren, um Ihnen zu zeigen, für wie dringlich gerade diejenigen diese Frage ansehen, die sich mit der Sache beschäftigen.
Wir alle
- so sagt er befinden uns ... vor einer Situation unserer nationalen Existenz, wo Wissenschaft und Bildung zu einem Politikum ersten Ranges geworden sind und der Leistungsfähigkeit unserer
Schulen und Hochschulen die oberste Dringlichkeitsstufe aller geistigen und finanziellen Anstrengungen gebührt... Denkt man an das alles zusammen, so kann man dem Schluß nicht ausweichen, daß nunmehr der Staat am Zuge ist. Er sollte sich nicht mehr hinter Grundsatz- und Kompetenzfragen verstecken und aus Rivalität zwischen Bund und Ländern oder aus ministeriellen oder selbst auch verfassungsmäßigen Bedenken die Dinge mehr oder weniger laufen lassen... Was muß also geschehen, damit sich die Einstellung ändert? Muß es erst so weit kommen, daß der Nachwuchs entweder verkümmert oder die Lehre an den Hochschulen in einem Lautsprecherdröhnen verhallt? ... Unsere Chance im Konkurrenzkampf der Völker liegt einzig in der Tüchtigkeit, vor allem in der schöpferischen Phantasie und der Erfindungsgabe unserer Wissenschaftler. Sie sind es letztlich, von denen die Höhe des Lebensstandards abhängt -und ich möchte hinzufügen, Herr Finanzminister, von denen auch die Höhe des Steueraufkommens abhängt und der gesamten Leistungen, die die öffentliche Hand aufzubringen hat.
Von da aus gesehen - das möchte ich nur andeutend sagen - werden wir uns in den nächsten Jahren sehr intensiv mit den Fragen der Wissenschaftsförderung auseinandersetzen müssen. Wir können es heute noch nicht in dem Umfang, wie meine Fraktion es wünscht, weil, wie ich andeutete, der Wissenschaftsrat als das Gremium, das hierzu berufen ist, noch nicht in der Lage war, einen wirklich fundierten Bedarfsplan und damit auch einen entsprechenden Finanzplan vorzulegen.
Wirbegnügen uns deshalb damit, unter Ziffer 1 dieses Umdrucks zu beantragen, daß die Summe von 85 Millionen DM, die unter Nr. 2 der Erläuterungen des Ansatzes Tit. 614a ausgebracht ist, um 18 470 000 DM auf 103 470 000 DM erhöht wird. Es mag eigentümlich erscheinen, daß wir gerade auf einer solchen Zahl bestehen. Das beruht darauf, daß uns diese Zahl vom Wissenschaftsrat vorgeschlagen worden ist.
Wie wir bereits in den Beratungen des Haushaltsausschusses zum Ausdruck gebracht haben, halten wir es nicht für richtig, daß man schon bei der ersten Forderung, bei dem ersten Vorschlag des Wissenschaftsrates von den Zahlenabgeht, die genannt worden sind, und glaubt, es auf andere Weise besser machen zu können, indem man z. B. sagt, man bringe zusätzlich 25 Millionen DM als Bindungsermächtigung aus.
({1})
- Sie waren substantiiert, wenn sie auch nicht im einzelnen ausgewiesen warden sind.
Es ist vorhin gesagt worden, daß gewisse Mittel in den vergangenen Jahren nichtausgegeben worden seien. Das hängt damit zusammen, daß diese Arbeiten erst anlaufen. Wir. wissen doch, wie im Verteidigungshaushalt Haushaltsreste von einem Jahr in das ,andere übernommen werden. Warum
sollen dann nicht auch kleine Reste hier weitergetragen werden können, bzw. weshalb soll man noch abwarten, bis hier konkrete Unterlagen nachgereicht werden? Ich glaube, mit Sicherheit sagen zu können, daß der Wissenschaftsrat seine Forderungen nicht gestellt hätte, wenn er nicht im Besitze sehr substantiierter Unterlagen gewesen wäre.
({2})
- Vielleicht hätte er das auch getan, wenn er dazu aufgefordert warden wäre.
Hier handelt es sich einfach darum, daß wir die Autorität des Wissenschaftsrates - sie wurde auch vor etwa einem Jahr im Bulletin dier Bundesregierung uneingeschränkt anerkannt - stärken sollten, soweit es irgendwie geht, und daß wir bei dein bescheidenen Anfängen, die hier gemacht werden, nicht gleich Widersprucherheben, sondern - es handelt sich vielleicht um eine Frage des Taktes - wenn der Wissenschaftsrat entsprechende Wünsche und Forderungen anmeldet, versuchen sollten, ihnen zu entsprechen; auch dann, wenn hier und da scheinbar keine hinreichende Substantiierung vorliegt. Das ist unser Anliegen und unser Wunsch.
Vielleicht kann daraus eine gewisse Stärkung des Wissenschaftsrates bzw. eine gewisse Anregung und eine gewisse Hoffnung für ihn erwachsen. Er würde dann wissen, daß er, wenn er künftighin mit weiteren Vorschlägen kommt, damit rechnen kann, daß Bundesregierung und Parlament seine Vorschläge entsprechend würdigen und, soweit es irgend geht, akzeptieren.
Weil wir diese Frage aus Erwägungen allgemeiner Art, die ich soeben angedeutet habe, für bedeutungsvoll halten, bitten wir, dem Vorschlag des Wissenschaftsrates zu entsprechen und den Ansatz wie vorgeschlagen zu erhöhen. Im Namen meiner Fraktion beantrage ich hierüber namentliche Abstimmung.
Ich darf nun übergehen zu dem Antrag unter Ziffer 3 auf Umdruck 255 ({3}). Meine Fraktion beantragt, einen neuen Tit. 974 bei Kap. 06 02 ,einzufügen, in dem erstmals 300 Millionen DM ausgewiesen werden sollen. Diese Mittel sind als Zuschuß des Bundes an die Länder und mittelbar auch an die Gemeinden zur Beseitigung der durch den Krieg und die Kriegsfolgen im Schulwesen ientstandenen Notstände vorgesehen. Es ist nicht neu, daß wir diesle Dinge hier ansprechen; wir haben bereits vor zwei Jahren und im vorigen Jahr hierüber gesprochen. Meine Fraktion fordert mithin zum dritten Male eine wirksame Bundeshilfe zur Beseitigung der Schulraumnot.
({4})
Wir sind der Meinung, daß 'es nicht genügt, in platonischen Erklärungen die Liebe zur Jugend und zur Bildung zum Ausdruck zu bringen, wie ,es in Äußerungen des Herrn Innenministers, aber auch in Äußerungen von Vertretern der Regierungspartei mehrfach geschehen ist, sondern daß man sich ,eine solche Liebe auch etwas kosten lassen muß.
({5})
- Auch darauf darf ich zu sprechen kommen. - Wir fordern deshalb erneut, um mit dem Herrn Bundesminister zu sprechen, „mit der gleichen Dringlichkeit diese Mittel ,an wie Gelder für andere vordringliche Aufgaben".
Ich darf daran erinnern, daß wir vor Jahresfrist
- und damit komme ich auf Ihre Zwischenfrage - bereit waren - und wir sind es auch heute -, diese Mittel mit einem Sperrvermerk zu versehen. Damals waren wir sogar bereit, uns mit einem Leertitel zu begnügen, um dem Herrn Innenminister überhaupt einmal die Möglichkeit zu geben, im jetzigen Haushaltsjahr entsprechende Beträge einzusetzen. Wir nahmen an, daß die Besprechungen mit den Ländern zu einem Abkommen oder sonst zu einem Ergebnis führen würden. Auf diese Weise hätte sichtbar zum Ausdruck gebracht werden können, daß die Schulsorgen auch die Sorgen der Bundesregierung sind, wie es in der bekannten Bildreportage im Herbst vorigen Jahres angedeutet wurde. Nun, man hat damals geschwiegen; es war vielleicht ein „vornehmes" Schweigen, vielleicht auch ein Schweigen aus dem beschämenden Gefühl heraus, daß der Unterschied zwischen den Wahlversprechungen, die die Regierungspartei gerade in diesem Punkt gemacht hat, und den Taten allzu kraß sei.
Meine Damen und Herren, wenn 'wir heute mit einem ähnlichen Antrag wie vor zwei Jahren und vor einem Jahre kommen, möge man uns das nicht als Eigensinn auslegen. Wir wollen damit auch nicht billige propagandistische Erfolge einheimsen. Es ist vielmehr die große Sorge um die Zukunft unserer Jugend und damit unseres Volkes, die uns veranlaßt, beharrliche Anträge auf Bundeshilfe zur Beseitigung der Schulraumnot vorzulegen. Wir wünschen keine grundsätzliche Kompetenzverlagerung
- auch das haben wir schon zum Ausdruck gebracht -, sondern nur eine zeitlich begrenzte Hilfe des Bundes, wie sie verfassungsrechtlich und finanzpolitisch nicht nur möglich, sondern nach unserer Meinung sogar geboten ist.
Als man unsere Bemühungen um eine solche Hilfe dadurch zu inhibieren versuchte, daß man auf die Frage der Kompetenzverteilung hinwies und auswich, hatten wir gleich die Befürchtung, man wolle mit jenem Antrag, den das Hohe Haus im Oktober vorigen Jahres einstimmig angenommen hat, in erster Linie Zeit gewinnen. Diese Befürchtung war offenbar begründet. Wir haben damals mit der CDU-Mehrheit einer Ergänzung des Antrages zugestimmt, die dahin ging, daß vor allem die Schulraumnot und der Mangel an Lehrkräften allgemein in die zwischen Bund und Lindern anzustellenden Überlegungen einbezogen werden sollten. Wir hatten gehofft, daß nach Jahresfrist die Beratungen zu einem gewissen Erfolg führen würden, und zwar zu einem Erfolg wenigstens insoweit, daß man uns nunmehr konkrete Vorschläge über die Aufgaben unterbreiten könnte, die im kulturellen Sektor von Bund und Ländern - getrennt oder gemeinsam, je nachdem -- zu erfüllen wären. Wir waren und sind der Meinung, daß die Frage der Beseitigung der Schulraumnot in gleicher Weise den Bund und die Länder angeht. Ich werde das nachher noch kurz begründen. Wir bedauern sehr, daß man uns heute noch nicht
über ein Ergebnis dieser Gespräche berichten kann, nicht zuletzt deshalb, weil man es auf seiten der Bundesregierung offensichtlich nicht allzu eilig hatte, die Gespräche anlaufen zu lassen.
({6})
- Ich will Ihnen sagen, daß die Länder nicht nur nicht abgelehnt haben, sondern daß sogar ein Wunsch der Länder nach Hilfe vorliegt.
({7})
So müssen wir uns heute wieder - vielleicht manchem unwillkommen - als Mahner hinstellen, um dem Wunsche der Öffentlichkeit, vor allem der Lehrer und Eltern, der Länder und der Gemeinden, Ausdruck zu geben. Aber wir können mit Befriedigung feststellen, daß wir inzwischen Verbündete gewonnen haben, von denen Sie vielleicht nicht glaubten, daß es einmal unsere Verbündeten werden würden. Man hat ja in der Vergangenheit wiederholt die Forderung nach Bundeshilfe im Schulhausbau mit dem Einwand abzutun versucht, den Ländern sei eine solche Hilfe gar nicht erwünscht, weil damit ein Eingriff in ihre Kulturhoheit erfolgen würde. Nun, es sollte gerade der Regierungsmehrheit zu denken geben, daß ausgerechnet die Wahrer der Kulturhoheit der Länder, nämlich die Kultusminister, auf ihrer 71. Plenarsitzung am 23. und 24. April dieses Jahres mit Nachdruck gefordert haben, daß der Bund sich durch eine finanzielle Mithilfe an der Beseitigung des Schichtunterrichts beteiligt. Wie Sie wissen, ist der Beschluß einstimmig gefaßt worden. Auch Sie wissen, daß die Mehrheit der Kultusminister nicht meiner Partei angehört.
Die Kultusminister sind insofern noch bescheiden gewesen, als sie ihre Forderung nur auf die Beseitigung des noch vorhandenen Schichtunterrichts abgestellt haben, wofür Mittel von mindestens 1,2 Milliarden DM erforderlich sein werden. Sie glauben, man könne dem Bund zumindest zumuten, ein Fünftel dieser Summe, nämlich 200 Millionen DM, in zwei Jahresraten beizusteuern, während sie früher glaubten, daß mindestens 200 Millionen DM jährlich erforderlich seien.
Ich darf auch darauf hinweisen, daß sich der derzeitige Präsident der Kultusministerkonferenz, Herr Minister Osterloh, im Auftrage dieses erlauchten Gremiums bei dem Herrn Finanzminister persönlich bemüht hat, vom Bund Mittel für die Länder zu erhalten, damit der noch immer verbreitete Schichtunterricht, eine der übelsten Kriegsfolgen, beseitigt werden kann. Herr Etzel hat geantwortet, daß der Bund aus verfassungsrechtlichen Gründen weder verpflichtet noch in der Lage sei, unmittelbar Hilfe zu geben, und in Aussicht gestellt, daß man durch verstärkte Förderung der Wissenschaft durch den Bund vielleicht kleine Beträge frei machen könne, die dann ähnlich wie bei der Förderung des Baues von Ingenieurschulen den Ländern auf Grund eines besonderen Verwaltungsabkommens zufließen könnten.
({8})
- Da müßte man noch eine Reihe von Jahren warten. Denn bis die Not in den Ingenieurschulen beseitigt wird und dieser kleine Betrag den Ländern zufließt, dürfte es noch einige Zeit dauern. Die Beträge, die hier frei würden, sind außerdem so minimal, daß damit Entscheidendes in der Schulbaufrage nicht geschehen kann. Wir glauben, daß der Weg über weitere Verwaltungsabkommen nicht geeignet ist, der unbestrittenen Notlage im Schulwesen zu steuern. Wir wissen, es ist eine Frage des Finanzausgleichs, aber nicht allein.
Über diese Notstände liegt - ich darf annehmen, daß Sie es alle wissen - ziemlich umfassendes statistisches Material vor, auch darüber, was bisher von Ländern und Gemeinden zu ihrer Beseitigung geleistet worden ist. Sicher ist das Defizit von 22 000 Klassenräumen, das vor Jahresfrist noch vorhanden war, im letzten Jahr verringert worden, weil sich die Anstrengungen auch der Länder und Gemeinden vergrößert haben. Aber es geht ja nicht darum, daß wir im Schul- und Bildungswesen allmählich Verhältnisse bekommen, die ungefähr als normalisiert bezeichnet werden können. Die Länder und die Gemeinden müssen ihr Schul- und Bildungswesen, nicht zuletzt aber auch ihr Hochschulwesen, schnell und zügig ausbauen, und sie sind daran gehindert, weil sie bisher Aufgaben zu erfüllen hatten, die nach Art. 120 Abs. 1 des Grundgesetzes unzweifelhaft dem Bund mit angelastet werden müssen.
Besonders deutlich wird das heute in den größeren Gemeinden, die unter den unmittelbaren und mittelbaren Kriegsfolgen vielfach stärker zu leiden haben als die kleineren. Sie sind daher mit der Erfüllung öffentlicher Aufgaben auch in einem größeren Rückstand. Ihr Nachholbedarf auf dem Schulsektor wie auch auf anderen Gebieten ist infolgedessen naturgemäß größer als der in Gemeinden, die nur mittelbare Folgelasten durch Einströmen von Vertriebenen und Flüchtlingen zu beseitigen hatten.
Wir haben daher volles Verständnis dafür, daß der Städtetag seine Erwartungen in bezug auf Bundeshilfe erneut vorgebracht hat und daß er sogar damit rechnet, daß zu den Kriegsfolgelasten der Gemeinden pro Jahr etwa 500 Millionen DM durch den Bund zusätzlich beigesteuert werden. Wir halten diesen Betrag für etwas überhöht, wie ich Ihnen nachher zeigen werde. Aber wir glauben, daß die Städte und die Gemeinden allgemein in der Tat Vorleistungen erbracht haben, Leistungen, die auch vom Bund hätten erbracht werden müssen. Im Hinblick auf die Finanzlage der Gemeinden - Herr Kollege Ritzel hat heute morgen darauf hingewiesen, wie stark ihre Verschuldung ist, sie liegt etwa bei der 10-Milliarden-Grenze bei einem Steueraufkommen von etwa 7,3 Milliarden DM im Jahr - ist es berechtigt und verständlich, daß die Gemeinden erwarten, über die Länder an einer Bundeshilfe teilhaben zu können. Der Finanzausschuß des Deutschen Städtetages hat deshalb nachdrücklich eine Klärung der Frage beantragt, in welcher Weise der Bund zur Beseitigung der Kriegsfolgenotstände in den Gemeinden auf dem Gebiete der Schulen
3726 Deutscher Bundestag - 3. Wahlperiode
beitragen könne 1)7w. hierzu verptlichtet sei. Ich darf mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten kurz zitieren:
So wie der Bund anerkannt hat, daß der Bau von Wohnungen für die Ausgebombten und für die Flüchtlinge entsprechend der Verfassungswirklichkeit eine Gemeinschaftsaufgabe aller öffentlichen Aufgabenträger ist, muß er auch anerkennen, daß andere Kriegsfolgenotstände, wie z. B. der Mangel an Schulräumen, nur durch gemeinsame Leistungen von Bund, Ländern und kommunaler Selbstverwaltung beseitigt werden können.
Wir kennen die Einwände, die uns seitens der Bundesregierung und der Regierungskoalition immer wieder gemacht werden. Man weist darauf hin, daß die Beseitigung dieser Kriegsfolgen nur nach näherer Bestimmung eines Bundesgesetzes in Ausführung von Art. 120 Abs. 1 des Grundgesetzes erfolgen könne, daß inzwischen eine Reihe von solchen Gesetzen erlassen seien und daß insbesondere das Überleitungsgesetz in der Fassung vom 28. April 1955 einen Katalog öffentlicher Kriegsfolgetatbestände enthalte, die vom Bund zu tragen sind, und daß in diesem Katalog der Schulbau nicht enthalten sei. Es ist keine Frage, daß dies zutrifft. Aber bereits bei der Einbringung des Ersten Überleitungsgesetzes und bei der Beratung der späteren Überleitungsgesetze haben die Regierungssprecher und andere Sprecher deutlich zum Ausdruck gebracht, daß vorerst diese unmittelbaren und mittelbaren Kriegsfolgelasten im Schul- und Bildungswesen ausgeklammert würden, daß es aber dem Parlament und auch der Regierung völlig unbenommen ist, durch einen Initiativantrag dafür zu sorgen, daß die gesetzliche Grundlage in Ausführung von Art. 120 Abs. 1 des Grundgesetzes hierfür geschaffen wird.
Wir wollen mit einem Gesetzentwurf, den wir gestern beschlossen haben und der Ihnen, meine Damen und Herren, in Kürze zugeht, die gesetzlichen Grundlagen hierfür schaffen. Wir betrachten dieses Gesetz - auf das ich im einzelnen jetzt nicht eingehen kann - gleichsam als Fünftes Überleitungsgesetz, allerdings mit einer gewissen Eigenständigkeit, weil es sich auf die spezielle Materie der Bundesleistungen für den kriegszerstörten Schulraum bezieht. Wir möchten damit erreichen, daß unabhängig von dem Ausgang der Verhandlungen zwischen der Bundesregierung und der Kommission der Länder über die Abgrenzung der Zuständigkeiten im kulturellen Bereich eine rechtliche Grundlage und damit eine Verpflichtung des Bundes für eine Bundeshilfe im Schulbausektor gegeben wird.
Meine Damen und Herren, wenn wir in unserem Antrag fordern, vorsorglich 300 Millionen DM bei dem neuzuschaffenden Tit. 974 auszubringen, so beruht diese Pauschalsumme auf sehr konkreten Unterlagen. Wir haben nämlich die nachweisbaren Aufwendungen zugrunde gelegt, die Länder und Gemeinden bisher für die Wiederherstellung kriegszerstörter oder durch den Krieg beschädigter Schulgebäude erbracht haben oder die sie zur restlosen Beseitigung solcher Schäden noch zu erbringen haben. Das ergibt eine Summe von mindestens 3 Milliarden DM. Sicher für den Herrn Innenminister und den Herrn Finanzminister eine astronomische Zahl. Wenn wir sie aber durch zehn dividieren, kommen wir auf eine jährliche Beihilfe des Bundes von 300 Millionen DM, die bei einem Gesamtetat von fast 40 Milliarden DM zu verkraften sein wird. Der Zufall will es, daß diese Zahl zwischen der Forderung der Kultusministerkonferenz und der des Deutschen Städtetages liegt. Ich glaube, gerade das beweist, wie sehr wie hier eine wohlabgewogene Mitte gefunden haben. Die Zweckbindung dieses Betrages wird es den Ländern ermöglichen, in absehbarer Zeit nicht nur Schichtunterricht und Schulraumnot zu beseitigen, sondern darüber hinaus Aufgaben im Hochschulsektor zu erfüllen, die zu erfüllen ihnen bisher infolge der Vorleistung, die sie quasi auf Bundeskonto erbracht haben, nicht möglich war. Da wir uns darüber im klaren sind, daß diese Mittel vor Annahme unseres Gesetzes oder Abschluß der Besprechungen zwischen der Bundesregierung und der Kommission der Länder nicht ausgegeben werden können, haben wir einen Sperrvermerk beantragt. Wir wissen, daß bei der schon vorgeschrittenen Schulbauplanung nur ein geringer Teil dieser Summe tatsächlich in diesem Haushaltsjahr verbaut werden kann. Insofern werden dem Herrn Finanzminister bei der Annahme des Antrags keine haushaltsrechtlichen Schwierigkeiten, höchstens solche formaler Art, erwachsen.
({9})
Wir würden es aber begrüßen, wenn man mit dem gleichen Eifer, mit dem man Ausgaben etwa für den Ausbau eines bundeseigenen Fernsehprogramms bewilligt, ohne hierbei allzu große verfassungsrechtliche Bedenken oder Hemmungen zu haben, nunmehr endlich auch einen Anfang machte hinsichtlich der Bundeshilfe für Länder und Gemeinden im Bildungswesen, insbesondere im Schulwesen und im Hochschulwesen. Ich bitte daher das Hohe Haus um Zustimmung zu unserem Antrag.
({10})
Regen Sie sich bitte nicht auf, Herr Kollege Eichelbaum! Ich kann es leider nicht verhindern. Wir haben eine fabelhafte Geschäftsordnungsvorschrift. Von ihr haben wir in diesem Hause schon ein halbes dutzendmal gesprochen. Solange der Präsident aber keine Machtmittel hat, kann er nicht verhindern, daß Reden abgelesen werden. Ein Beitrag zur Kultur dieses Hauses jedoch ist es - wir sind ja wieder bei der Kultur -, wenn hier frei gesprochen wird. Meine Damen und Herren, wir sind doch hier und heute nicht in einer Festsitzung, in einer großen außenpolitischen Debatte, in der für das nächste Jahrtausend ewige Worte geredet werden müssen, sondern wir befinden uns in einer Arbeitssitzung, in der diskutiert werden sollte.
({0})
- Jeder darf klatschen und jeder darf kritisieren.
Meine Damen und Herren, es ist namentliche Abstimmung beantragt. Ich schlage vor, daß wir zunächst den Änderungsantrag Umdruck 255 ({1}) Ziffer 1 diskutieren, dann die namentliche Abstimmung vornehmen, anschließend den Änderungsantrag Umdruck 255 ({2}) Ziffern 2 und 3 weiter beraten und darüber abstimmen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Brand.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu den Ausführungen von Herrn Kollegen Frede, soweit sie den Antrag Umdruck 255 ({0}) Ziffer 1 betreffen, möchte ich in Ergänzung meiner Ausführungen von vorhin sachlich einiges klarstellen, zumal für diesen Teil des Antrags namentliche Abstimmung beantragt worden ist.
Herr Kollege Frede, dem Wissenschaftsrat stehen an finanziellen Mitteln zur Verfügung: Reste in Höhe von rund 42 Millionen, Neubewilligungen 85 Millionen, Bindungsermächtigungen 25 Millionen, zusammen also 152 Millionen DM.
Nehmen wir einmal den ungünstigsten Fall, daß alle Reste zweckgebunden und inzwischen verplant sind, also nicht mehr zur Verfügung stehen, dann stehen dem Wissenschaftsrat immer noch 110 Millionen DM zur Verfügung.
Sie mögen vielleicht einwenden, daß es sich bei den Bindungsermächtigungen nicht um echte Bewilligungsbeträge handelt, sondern um eine Vorwegnahme zukünftiger Bewilligungen. Das ist grundsätzlich richtig. In diesem Fall trifft es aber nicht zu, weil nämlich der Haushaltsausschuß in seinen Beratungen vereinbart hat, daß der nächstjährige Ansatz nicht um die von den Bindungsermächtigungen in Anspruch genommenen Mittel gekürzt werden soll. Mithin stehen dem Wissenschaftsrat de facto Mittel in der vollen Höhe seines Wunschzettels, der mit 103 Millionen DM abschloß, zur Verfügung. Das ist dem Wissenschaftsrat auch bekannt, damit ist er einverstanden und zufrieden, und deshalb bedarf es gar nicht der in Umdruck 255 ({1}) beantragten Erhöhung des Ansatzes um 18,47 Millionen DM. Um es noch einmal ganz präzise für alle Anwesenden im Hause zu sagen: die finanziellen Wünsche des Wissenschaftsrats sind voll befriedigt.
Nun noch eine Bemerkung. Meine Fraktion wird in der dritten Lesung eine Entschließung einbringen, von der wir annehmen, daß ihr alle Fraktionen des Hauses zustimmen können. In der Entschließung wird die Bundesregierung u. a. aufgefordert, die dringenden Bedürfnisse der Wissenschaft weiter in verstärktem Umfang zu befriedigen und die Abgrenzungsverhandlungen mit den Ländern, die schon seit einiger Zeit im Gange sind, zum Abschluß zu bringen, um hierdurch auch die Länder zu entlasten und eine größere Klarheit in der Abgrenzung herbeizuführen.
Die CDU-Fraktion ist entschlossen, alles zu tun, was geeignet erscheint, der deutschen Wissenschaft die notwendige finanzielle Grundlage für eine weitere erfolgreiche Arbeit zu sichern.
({2})
Weitere Wortmeldungen zu dem Änderungsantrag Umdruck 255 ({0}) Ziffer 1? - Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung. Es ist namentliche Abstimmung beantragt. Der Antrag ist ausreichend unterstützt. Ich bitte die Damen und Herren Schriftführer, die Stimmkarten einzusammeln.
Ich gebe das Ergebnis der namentlichen Abstimmung bekannt: Mit Ja haben gestimmt 183 Mitglieder des Hauses und 12 Berliner Abgeordnete, mit Nein haben gestimmt 277 Mitglieder des Hauses und 6 Berliner Abgeordnete. Damit ist der Änderungsantrag auf Umdruck 255 ({1}) Ziffer 1 abgelehnt.
Hauffe Heide
Dr. Dr. Heinemann Hellenbrock
Frau Herklotz
Herold Höcker Höhmann
Höhne
Frau Dr. Hubert
Hufnagel
Iven ({2})
Jacobs
Jahn ({3})
Jürgensen
Junghans
Frau Keilhack
Frau Kettig
Keuning
Killat ({4})
Kinat ({5})
Frau Kipp-Kaule
Könen ({6})
Koenen ({7})
Kraus
Dr. Kreyssig
Kühn ({8})
Kurlbaum
Lange ({9})
Lantermann
Leber
Ludwig
Lücke ({10})
Lünenstraß
Maier ({11})
Marx
Matzner Meitmann
Dr. Menzel
Merten Metter Metzger Dr. Meyer ({12})
Meyer ({13})
Frau Meyer-Laule
Dr. Mommer
Müller ({14})
Müller ({15})
Müller ({16})
Frau Nadig
Ja
SPD
Frau Albertz Altmaier
Dr. Arndt Auge
Bading
Dr. Bärsch Bäumer
Bals
Bauer ({17})
Baur ({18})
Bazille
Dr. Bechert Behrendt Behrisch
Frau Bennemann
Bergmann Berkhan
Berlin
Bettgenhäuser
Frau Beyer ({19}) Birkelbach
Blachstein Dr. Bleiß Börner
Dr Brecht Bruse
Büttner
Conrad
Corterier Cramer
Dr. Deist Dewald
Diekmann
Frau Döhring ({20}) Dopatka
Frau Eilers ({21})
Faller
Felder
Franke
Dr, Frede Frenzel
Geiger ({22})
Geritzmann Haage
Hamacher Hansing Dr. Harm
Odenthal Ollenhauer
Paul
Peters
Pöhler
Pohle
Prennel Priebe
Pütz
Rasch
Dr. Ratzel
Regling Rehs
Reitz
Reitzner Frau Renger
Frau Rudoll
Ruhnke
Frau Schanzenbach Scheuren
Dr. Schmid ({23}) Dr. Schmidt ({24}) Schmidt ({25}) Schmitt ({26}) Schoettle
Schröder ({27})
Seidel ({28})
Seither Seuffert Stenger Stierle
Sträter Striebeck Frau Strobel
Wagner Walpert Wegener Wehner Wehr
Welke Welslau Weltner ({29})
Frau Wessel
Wienand Wilhelm Wischnewski
Wittrock Zühlke
Berliner Abgeordnete
Frau Krappe
Mattick
Neubauer
Neumann
Scharnowski
Dr. Schellenberg Schröter ({30}) Schütz ({31}) Dr. Seume
Frau Wolff ({32})
FDP
Dr. Achenbach
Dr. Bucher Dr. Dahlgrün Dr. Dehler
Frau Dr. Diemer-Nicolaus Döring ({33})
Dürr
Frau Friese-Korn
Keller
Dr. Kohut (reitmeyer Sühn ({34}) Lenz ({35})
Margulies Mauk
Dr. Mende Mischnick Murr
Rademacher Dr. Rutschke Sander
Scheel
Dr. Schneider ({36}) Spitzmüller
Dr. Stammberger
Dr. Starke Walter
Weber ({37}) Zoglmann
Berliner Abgeordnete
Frau Dr. Dr. h. c. Lüders Dr. Will
Nein
CDU/CSU
Frau Ackermann
Graf Adelmann
Dr. Aigner Arndgen
Baier ({38})
Baldauf
Balkenhol Dr. Bartels Dr. Barzel
Bauer ({39}) Bauereisen
Becker ({40}) Berberich
Dr. Bergmeyer
Dr. Besold
Frau Dr. Bleyler
Blöcker
Frau Blohm
von Bodelschwingh
Dr. Böhm
Frau Brauksiepe
Brese
Frau Dr. Brökelschen
Brück
Bühler
Burgemeister Caspers
Cillien
Dr. Conring Dr. Czaja Demmelmeier Deringer
Diebäcker
Diel ({41})
Dr. Dittrich Dr. Dollinger Draeger
Dr. Dresbach Ehren
Eichelbaum
Dr. Elbrächter Engelbrecht-Greve
Frau Engländer
Enk
Eplée
Etzel
Dr. Even ({42})
Even ({43}) Dr. Franz Franzen
Dr. Frey
Fritz ({44})
Funk
Dr. Furler
Frau Dr. Gantenberg Gaßmann
Gedat Gehring
Frau Geisendörfer
Gerns
D. Dr. Gerstenmaier Gewandt
Gibbert
Glüsing ({45})
Dr. Görgen
Dr. Götz
Goldhagen
Gontrum
Dr. Gossel
Gottesleben
Günther
Hackethal
Hahn
Dr. von Haniel-Niethammer Harnischfeger
Dr. Heck ({46})
Heix
Dr. Hellwig
Hesemann
Heye Hilbert
Höcherl
Dr. Höck ({47})
Höfler
Holla Hoogen
Horn Huth Dr. Huys
Illerhaus
Jahn ({48})
Dr. Jordan
Dr. Kanka
Katzer
Kemmer
Dr. Kempfler
Kirchhoff
Frau Klemmert
Dr. Kliesing ({49})
Dr. Knorr
Koch
Dr. Kopf
Kraft Kramel
Krammig
Kroll
Krüger ({50})
Krüger ({51})
Krug
Frau Dr. Kuchtner
Kunst Kuntscher
Lang ({52})
Leicht
Dr. Leiske
Lenz ({53})
Lenze ({54}) Leonhard
Lermer
Dr. Löhr
Lücke ({55})
Lulay
Maier ({56}) Majonica
Dr. Baron Manteuffel-Szoege Dr. Martin
Maucher
Meis Memmel
Menke
Meyer ({57})
Mick
Muckermann
Mühlenberg Müller-Hermann
Müser Neuburger
Nieberg Niederalt
Frau Niggemeyer
Dr. Dr. Oberländer
Dr. Oesterle
Oetzel
Frau Dr. Pannhoff
Pelster
Dr. Pflaumbaum
Dr. Philipp
Pietscher
Frau Pitz-Savelsberg
Frau Dr. Probst
Rasner
Frau Dr. Rehling
Dr. Reith
Richarts Frau Rösch
Rösing
Dr. Rüdel ({58})
Ruf
Ruland Scharnberg
Scheppmann
Schlee Schlick
Dr. Schmidt ({59}) Frau Schmitt ({60}) Schneider ({61})
Dr. Schröder ({62}) Schüttler
Schütz ({63}) Schulze-Pellengahr Schwarz
Frau Dr. Schwarzhaupt
Dr. Schwörer
Dr. Seffrin
Seidl ({64})
Dr. Siemer
Simpfendörfer
Solke
Spies ({65})
Spies ({66}) Stauch
Frau Dr. Steinbiß
Stiller
Storch
Dr. Storm ({67}) Storm ({68}) Struve
Sühler Teriete
Dr. Toussaint
Unertl Varelmann
Vehar Vogt
Wacher
Frau Dr. h. c. Weber (Essen Dr. Weber ({69}) Wehking
Weimer Weinkamm
Frau Welter ({70}) Wendelborn
Dr. Werber
Dr. Wilhelmi
Dr. Willeke
Windelen
Winkelheide
Dr. Winter
Wittmann Wittmer-Eigenbrodt
Wullenhaupt
Dr. Zimmer
Dr. Zimmermann
Berliner Abgeordnete
Benda
Dr. Gradl
Hübner
Dr. Krone
Frau Dr. Maxsein Stingl
DP
Logemann
Dr. von Merkatz Dr. Preiß
Probst ({71})
Dr. Schneider ({72}) Dr. Schranz
Dr, Steinmetz Tobaben
Ich sage jetzt schon vorsorglich: Es kommt gleich noch einmal eine namentliche Abstimmung, nämlich über den Antrag auf Umdruck 255 ({73}) Ziffer 3. Wir wollen aber nach Möglichkeit die Diskussion zu den Ziffern 2 und 3 des Umdrucks 255 ({74}) zusammenfassen.
Zur Begründung des Änderungsantrages auf Umdruck 255 ({75}) Ziffer 2 hat das Wort Herr Abgeordneter Pusch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf Ihre Aufmerksamkeit ebenfalls auf den Antrag Umdruck 255 ({0}) lenken, und zwar auf Ziffer 2. Es handelt sich dabei erstens um eine Erhöhung der Mittel für die Förderung nach den Grundsätzen des Honnefer Modells und zweitens um eine Änderung der Erläuterungen, die der Haushaltsausschuß beschlossen hat. Die Beträge, die wir hier einzusetzen beantragen, haben wir einem Brief entnommen, den die Westdeutsche Rektorenkonferenz, der Verband deutscher Studentenschaften und das Deutsche Studentenwerk am 16. Februar geschrieben haben. Wir haben die Beträge nur etwas abgeändert, weil der Länderanteil nach den neuesten Angaben höher ist, als die Verfasser dieses Briefes seinerzeit angenommen, haben.
In dieser Summe sind noch 800 000 DM enthalten, die für die Ausbildung von Pädagogen an wissenschaftlichen Hochschulen vorgesehen sind. Wir wünschen, daß diese Pädagogen mehr gefördert werden. Deshalb wünschen wir auch, daß Beträge für ihre Förderung in diesem Titel bleiben. Das entspricht der ursprünglichen Begriffsbestimmung des Honnefer Modells und soll die Länder, in denen die Lehrerausbildung noch nicht an wissenschaftlichen Hochschulen durchgeführt wird, zu einem Fortschritt anregen. Deshalb wollen wir auch, um das möglich zu machen, daß der letzte Satz in der Erläuterung, der von dem Haushaltsausschuß formuliert worden ist, gestrichen wird.
Im Haushaltsausschuß ist dann noch eine andere Erläuterung formuliert worden, die zwar nicht in den gedruckten Erläuterungen erscheinen soll, aber bereits veröffentlicht worden ist, und zwar in den Durchführungsbestimmungen, die der Herr Bundesminister des Innern für die Verwendung der Gelder nach dem Honnefer Modell herausgegeben hat.
Diese Erläuterung hat folgenden Wortlaut - ich darf mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten zitieren -:
Die Zahl der Studierenden, die im Haushaltsjahr 1959 nach den Grundsätzen des Honnefer
Modells gefördert werden, soll auf 20% der Zahl der Studierenden, auf das jeweilige Bundesland bezogen, begrenzt werden.
Gegen diesen Satz haben sich alle maßgeblichen Organisationen mit großer Entschiedenheit gewandt. Der Verband Deutscher Studentenschaften hat seine Argumente am ausführlichsten vorgetragen. Ich fasse sie kurz folgendermaßen zusammen.
Erstens spricht gegen diese mechanische 20-%-Grenze die Tatsache, daß die Einkommensverhältnisse und damit die Bedürftigkeit in den einzelnen Bundesländern recht verschieden sind. Zweitens käme man in Schwierigkeiten, wenn im nächsten Jahr aus den Mitteln zur Verwirklichung der Grundsätze des Honnefer Modells andere Förderungssummen aufgestockt werden, also solche Beihilfen, die aus dem Lastenausgleich und nach dem Bundesversorgungsgesetz gezahlt werden. Man könnte dann nämlich dazu kommen, daß mit verhältnismäßig kleinen Summen die 20-%-Grenze schnell erreicht wird und daß man nicht mehr weiter fördern kann, obwohl noch Mittel vorhanden sind. Das dritte Argument dagegen ist, daß einer uferlosen Ausweitung der Förderung schon durch die Summe an sich eine Grenze gesetzt ist. Darüber hinaus: für jedes einzelne Land eine solche 20-%-Grenze zu setzen schafft nur Ungerechtigkeit und widerspricht dem Grundgedanken des Honnefer Modells.
Auch für die westdeutsche Rektorenkonferenz hat ihr Präsident, Professor Jahrreiß, dieselben Gedanken geäußert, und auch in einem ganz neuen Brief des Deutschen Studentenwerks wird gegen die 20-%-Klausel protestiert.
Die Argumente all dieser Organisationen sind einleuchtend. Ich nehme an, daß sie dem Haushaltsausschuß nicht in vollem Umfang bekannt waren, als er seinen Beschluß über die 20-%-Klausel gefaßt hat. Ich nehme an, daß er sonst nicht zu diesem Ergebnis gekommen wäre.
Ich glaube, wir alle in diesem Hause sind uns in dem Wunsch einig, daß dieser Beschluß des Haushaltsausschusses nicht in die Praxis umgesetzt wird. Ich werde wohl auch Ihre Zustimmung haben, wenn ich den Herrn Bundesminister des Innern bitte, bei der Durchführung der Studentenförderung nach dem Honnefer Modell von der 20-%-Klausel keinen Gebrauch zu machen.
Ich komme auf unseren Antrag zurück. Die Summe von 2,1 Millionen DM, die wir fordern, ist, gemessen an der Gesamtsumme dieses Titels von 52 Millionen DM, verhältnismäßig gering. Ich bitte Sie daher, unserem Antrag zuzustimmen, der nur das fordert, was die besten Sachkenner auf diesem Gebiet für eine Minimalforderung halten.
({1})
Der Antrag Umdruck 255 ({0}) Ziffer 2 ist begründet. In der Aussprache über die Anträge unter den Ziffern 2 und 3 hat der Herr Abgeordnete Stoltenberg das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf hier für meine Freunde zu den beiden vorliegenden Anträgen Stellung nehmen. Ich schicke voraus, daß wir über den Antrag bezüglich der Studienförderung recht erstaunt sind. Wir erinnern uns an die Debatten, die wir im Haushaltsausschuß gehabt haben und die nach sehr eingehenden Beratungen zu einer interfraktionellen Lösung geführt haben. Besonders überrascht sind wir über den Antrag Ziffer 2 Buchstabe b, wonach die von uns gemeinsam in einem Unterausschuß formulierte Erläuterung wieder abgewandelt werden soll. Dieser Antrag steht auch rein gedanklich und systematisch in einem Widerspruch zu dem unter dem Buchstaben a gemachten Vorschlag.
Worum ging es bei diesen Beschlüssen, die wir im Haushaltsausschuß gefaßt haben? Wir haben bei diesem Titel - das möchte ich vorausschicken - gemeinsam eine der ganz wenigen Erhöhungen gegenüber der Regierungsvorlage beschlossen. Es ging uns bei dieser Erhöhung von 35 auf 41,4 Millionen DM darum, die finanziellen Voraussetzungen für eine wirkungsvolle Studienförderung zu sichern. Das aber, was Sie unter Nr. 2 b beantragen, würde diese Basis zerstören. Wir können nämlich nicht diesen Minimalansatz von nunmehr 41,4 oder nach Ihrem Vorschlag 43,5 Millionen DM aufsplittern auf die Förderung an den wissenschaftlichen Hochschulen nach dem Honnefer Modell - für welchen Bereich die Summe bei einer sorgfältigen Kalkulation gerade langt - und dann noch entsprechend Ihrem Vorschlag den gesamten Bereich der nichtwissenschaftlichen Hochschulen, der vielen Zehntausenden Studierenden dort einbeziehen; das würde nämlich die Streichung des letzten Satzes bedeuten. Wenn wir gegen das Votum des Haushaltsausschusses Ihrem Vorschlag und der damit verbundenen Vorstellung folgen, gefährden wir die bisher gehandhabte und nach unserer Ansicht fortzusetzende Förderung an den wissenschaftlichen Hochschulen. Hier ginge es um ganz andere Beträge als die von Ihnen beantragten 2,1 Millionen DM. Wir glauben deshalb, man sollte entgegen dem Vorschlag der SPD dem Votum des Haushaltsausschusses folgen.
Ich möchte noch einige Sätze zu den Empfehlungen sagen, von denen Sie gesprochen haben. Es handelt sich einmal um eine nach einer sehr sorgfältigen Diskussion einmütig beschlossene Empfehlung an die Bundesregierung, endlich zu einer Vereinbarung mit den Ländern über die Aufschlüsselung des Bundes- und des Länderanteils zu kommen. Wir gingen dabei davon aus, daß ein Bundesanteil bei der Förderung an den wissenschaftlichen Hochschulen von zwei Dritteln gegenüber einem Länderanteil von einem Drittel sehr großzügig ist. Wir müssen nämlich bei diesem Teil Ihrer Anträge wie auch bei anderen berücksichtigen, daß die Verantwortung und Zuständigkeit nach der Verfassung eindeutig bei den Ländern liegt und, solange unsere Verfassung in dieser Form ihre Gültigkeit behält, auch bleiben wird. Wir können nicht ohne Rücksicht auf die verfassungsmäßigen Gegebenheiten Anträge stellen und argumentieren.
Wir können auch - damit komme ich zu dem zweiten Antrag, der hier vorliegt - der beantragten Bewilligung von 300 Millionen DM für den Schulbau nicht zustimmen. Wir können uns in diesen Fragen nicht die Auffassung der Länder zu eigen machen, die mehr und mehr auf die ganz bestimmte Vorstellung herauskommt, daß das Recht und die Zuständigkeit, zu zahlen, beim Bund liegt, aber alle anderen Zuständigkeiten bei den Ländern liegen.
({0})
Die von uns geforderte Abgrenzung der kulturpolitischen Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern, die wir genau wie Sie für vordringlich halten - Sie haben mit Recht die Entschließung vom vergangenen Herbst erwähnt -, kann nicht der Grundtendenz entsprechen, wie sie meines Erachtens allerdings auch sehr klar in Ihrem Antrag zum Thema Schulbau sichtbar wird.
Die Frage des Schulbaues hat, wie die Protokolle zeigen, bereits den 2. Bundestag mehrfach beschäftigt. Damals, vor drei oder fünf Jahren, gab es in der Tat noch in allen Bundesländern, in fast allen Gemeinden und Kreisen Schichtunterricht in einem beunruhigenden Umfang. Trotzdem sind damals Ihre Anträge von der Mehrheit des Hohen Hauses abgelehnt worden, und zwar auf Grund der klaren verfassungsmäßigen Regelung, die die Zuständigkeit den Ländern zuweist.
Im Gegensatz zu der gegebenen Begründung muß mit Nachdruck gesagt werden, daß auch in diesem Jahr keine formelle Forderung der Länder an den Bund vorliegt, im Etat 1960 Bundesmittel zur Verfügung zu stellen. Wir haben zusammen mit den Unterlagen des Ausschusses die Stellungnahme des Bundesrates bekommen. In dieser Stellungnahme des Bundesrates finden wir etwa 60 bis 70 formelle Beschlüsse des Bundesrates - seinem verfassungsmäßigen Recht entprechend - zu dem vorliegenden Haushalt, zahlreiche Forderungen der Länder, zahlreiche Anregungen und auch Einwände. Es ist aber nicht mit einem Satz das Thema des Schulbaus, insbesondere nicht eine dahingehende Forderung der Länder, des Bundesrates, erwähnt worden. Ich muß sehr offen sagen - bei allem ehrlichen Respekt vor der Kultusministerkonferenz -, daß mich ein Votum von dieser Seite nicht sehr stark beeindruckt. Es ist genauso, als wenn die Konferenz der Landwirtschaftsminister eine erhebliche Erhöhung des Ansatzes für den Grünen Plan fordert oder die Konferenz der Verkehrsminister eine Ausweitung der Straßenbaumittel um 50 %.
({1})
Das verfassungsmäßige Organ, durch das die Länder ihre Forderungen zum Haushaltsplan des Bundes anmelden, ist und bleibt der Bundesrat.
({2})
Die Forderung auf die 300 Millionen DM ist von dem Herrn Kollegen Frede mit einer Reihe von statistischen Unterlagen begründet worden. Diese statistischen Unterlagen, Herr Kollege, sind nicht unangefochten. Ich will mit Genehmigung des Herrn Präsidenten kurz einmal verlesen, was ein namhafter sozialdemokratischer Wissenschaftler, Professor Dr. Heckel , Ministerialdirigent im hesDr. Stoltenberg
sischen Kultusministerium, zu diesen Statistiken sagt. Er berichtet folgendermaßen:
Seit der Währungsreform, besonders aber seit 1952, ist überall eine äußerst rege Schulbautätigkeit entfaltet worden. Jeder, der Kinder in der Schule hat, weiß, daß die Raumverhältnisse in den Schulen sich erheblich gebessert haben und laufend bessern, daß insbesondere der sogenannte Schichtunterricht heute die Ausnahme darstellt. Dennoch ist statistisch die Schulraumlage seit Jahren die gleiche geblieben, hat sogar bei einzelnen Schularten eine statistische leichte Verschlechterung erfahren. Geht man den Gründen nach - ich habe in einem Land das Urmaterial einiger Kreise und Bezirke nachgeprüft -, dann zeigt sich, daß das Wirtschaftswunderdenken auch die Schule er. faßt hat. Die Räume werden von den Schulen, um einen Bedarf nachzuweisen, nicht als Klassenräume, sondern anders deklariert, z. B. als Fachräume. Die Angaben der Schulen werden von den statistischen Ämtern ungeprüft übernommen, und so fehlen immer wieder neue Klassenräume. Selbstverständlich ist das Verlangen nach neuen Fachräumen meist begründet, aber es geht doch nicht an, daß das wahre Bild der Entwicklung der Schulraumlage statistisch so verfälscht wird, wie das seit einigen Jahren geschieht.
({3})
Ich glaube, daß Sie, meine Damen und Herren von der linken Seite des Hauses, gegen diesen Kronzeugen keine Einwendungen machen, weder was seine fachliche noch was seine politische Kompetenz betrifft.
Entscheidend ist aber folgender Gesichtspunkt für die Ablehnung. Die Bewilligung jetzt in diesem Zeitpunkt, in dem, wie auch Professor Heckel sagt, der Schichtunterricht erfreulicherweise fast überwunden ist, würde zu schweren Ungerechtigkeiten gegenüber den kommunalen Trägern führen. Wir haben zahllose Städte, Kreise und Gemeinden, die ohne Bundeshilfe unter großen Anstrengungen und Opfern, die zu einer langfristigen Verschuldung von Jahrzehnten geführt haben, dieses Problem gelöst haben. Es handelt sich dabei, wie jeder aus der Praxis weiß, oft um die finanzschwächeren und ärmeren kommunalen Träger. Andere sind im Rückstand, teilweise aus echter Not, teilweise aber auch, weil sie Rathäuser, repräsentative Anlagen und anderes mehr leider für vordringlicher gehalten haben.
({4})
Wenn wir jetzt mit der Bundeshilfe einsetzten - in diesem Augenblick, kurz vor der Überwindung des Übels des Schichtunterrichts -, würde das eine ungerechtfertigte Benachteiligung derjenigen bedeuten, die diese Frage unter Aufnahme großer Lasten für lange Zeit gelöst haben.
Der Betrag von 300 Millionen DM im Jahr - das
darf ich als letztes sagen - scheint uns, weil er zu hoch ist, undiskutabel zu sein, nicht nur aus Gründen des Haushalts - obwohl Sie zur Deckungsfrage
überhaupt keine Vorschläge gemacht haben -, sondern auch deshalb, weil er in einem völligen Mißverhältnis zu den realen baulichen Möglichkeiten in den Ländern und Gemeinden steht. Die Kultusminister haben erklärt, ihnen scheine von ihrem - an sich verständlichen - Ressortanliegen her ein Betrag von maximal 100 Millionen DM im Jahr als Bundeshilfe vertretbar.
Wir haben aber auch Zahlen, die noch mehr sagen. Ich nehme als Beispiel einmal die Situation in Hamburg. In Hamburg sind im Haushalt 1957/58 nicht verbaute Etatmittel in Höhe von 20 Millionen DM übriggeblieben. Im Haushaltsjahr 1958/59 waren 50 Millionen DM angesetzt. Mithin standen - nebst den oben angeführten Resten - 70 Millionen DM zur Verfügung. Hiervon sind 37 Millionen DM verbaut worden, so daß sich ein neuer Haushaltsrest von 33 Millionen DM ergibt Das ist gegenüber Ihren Anträgen die Wirklichkeit, und ich glaube nicht, daß Sie der Hamburger sozialistischen Regierung jetzt eine mangelnde Initiative in dieser Frage vorwerfen wollen.
Ich glaube also, man kann aus dem von mir Dargelegten folgern: Ein zusätzlicher Betrag in Höhe von 300 Millionen DM jährlich kann von den Ländern mit Sicherheit nicht sinnvoll verwendet werden. Er würde ebenso sicher zu einer erheblichen Verminderung der Eigenleistungen der Länder führen, also praktisch nur zu einem verschleierten Finanzausgleich ohne den gewünschten kulturpolitischen Effekt.
Ich darf zum Schluß kommen. Wir sind nicht bereit -- wir werden das in einer Entschließung, die wir zur dritten Lesung einbringen werden, noch näher begründen -, jenes Rezept zur Regelung der kulturpolitischen Fragen zwischen Bund und Ländern - die auch wir als dringlich ansehen - anzuwenden, das da heißt: Der Bund bezahlt, und alle Zuständigkeiten liegen bei den Ländern.
({5})
Herr Kollege Niederalt, möchten Sie das Wort als Berichterstatter? - Nein. Dann muß ich nach der Reihenfolge gehen. Ich rufe Sie nachher auf.
Herr Abgeordneter Kreitmeyer!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte im Sinne unserer Arbeitsdiskussion nur ein Wort zu den soeben gemachten Ausführungen sagen und mich dabei durchaus dem Gedanken anschließen: weniger zu beantragen wäre sicherlich aussichtsreicher gewesen. Man hätte dann vielleicht wenigstens einen Ansatz durchbekommen.
Trotzdem, Herr Kollege Stoltenberg, ist gerade Ihre Argumentation geeignet, die Institution der ständigen Kultusministerkonferenz ad absurdum zu führen. Gerade Sie haben bewiesen, daß die Herren
ja doch nicht zu sagen haben; denn die verantwortlichen Regierungen scheren sich gar nicht um
das, was die Kultusminister beschließen.
Damit wären wir bei der ganz entscheidenden Frageangekommen, ob das Problem Schulen überhaupt über die ständige Konferenz der Kultusminister und ob es mit der derzeitigen Finanzverfassung gelöst werden kann. Der Schwerpunkt liegt doch nicht bei den Ländern, er liegt beim Bund und bei den Gemeinden. Wenn Sie hier zugeben, daß es tatsächlich noch Schichtunterricht gibt, dann kann ich Ihnen nur sagen: Jawohl, in den ärmsten Gemeinden gibt es Schichtunterricht, und wenn Sie bei Ihrem Prinzip bleiben, wird es dort immer Schichtunterricht geben, weil diese Gemeinden nicht aus eigener Kraft die erforderlichen Maßnahmen treffen können, die Maßnahmen, die auch wir für erforderlich halten.
({0})
Auch die Gemeinden mit einer glücklich bewältigten Wanderbewegung, in denen die Entwicklung vorwärtsgeht, die aber auf der anderen Seite infolge der finanz- und steuerpolitischen Maßnahmen des Bundes nicht in der Lage sind, ihre kommunalpolitischen Verpflichtungen zu erfüllen, weil die Gewinne ganz woanders hingehen als dorthin, wo sie geschaffen worden sind, werden auf diese Art und Weise nicht weiterkommen.
Angesichts eines Haushalts 1958, der mit der Feststellung ,abschließt, daß man in den letzten 6 Wochen noch ganz schnell 2,7 Milliarden ausgeben konnte, um nicht den Anschein zu erwecken, daß hier mehr zur Verfügung stünde als erforderlich
({1})
Ausgaben, die nicht unbedingt notwendig waren -, wäre es sicher möglich, auch in diesen Haushalt einen kleineren Betrag als ersten Anfang einzusetzen. Ich will jetzt die Diskussion über Fragen, in denen wir mit unserer Meinung abweichen, nicht vertiefen. Mit einem kleineren Betrag könnte man wenigstens denen helfen, die wirklich Hilfe nötig haben. Deshalb stimmt die Fraktion der Freien Demokratischen Partei zwar im Grundsatz diesem Antrag zu, nicht aber dem darin geforderten hohen Ansatz.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Niederalt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mir nur noch ein paar Bemerkungen zu Ziffer 3 des Umdrucks 255 ({0}) erlauben, nach der 300 Millionen DM für den Volksschulbau bereitgestellt werden sollen.
Der Herr Kollege Stoltenberg hat schon mit Recht auf die verfassungsrechtliche Seite hingewiesen. Ich kann es mir ersparen, dazu noch viel zu sagen. Ich möchte aber angesichts der nach meiner Auffassung ganz außergewöhnlichen Tatsache, daß die Kultusministerkonferenz selber hinter einer solchen Forderung steht, hier einmal feststellen, daß die Kultusminister nach meinem Dafürhalten mit einem solchen Beschluß keinen politischen Weitblick zeigten.
({1})
Wenn wir einmal unsere Verfassungslage in der Bundesrepublik ansehen, ist doch folgendes ganz klar. Auf dem Gebiete der Landwirtschaft, dem Gebiet der Wirtschaft und dem Gebiet des Sozialwesens gibt es fast so gut wie keine Länderzuständigkeiten mehr. Das einzige Reservat ist die Kulturhoheit. Nun sind die Leute, die an erster Stelle berufen wären, für die Kulturhoheit einzutreten, mit solchen Mitteln noch daran, an ihrem eigenen Grab zu graben.
({2})
Soviel zur verfassungsmäßigen Seite.
Ich habe aber noch etwas anderes auf dem Herzen. Wir haben heute völlig außer der Reihe und völlig ungewöhnlich zu Beginn der zweiten Lesung vom Kollegen Ritzel Ausführungen allgemeiner Natur gehört. Es sollten, wenn ich mich an die Abrede im Ältestenrat erinnere, technische Erörterungen sein; aber das nur nebenbei. In diesen Ausführungen ist auch vorgekommen, daß dieses Hohe Haus gut beraten wäre, wenn es den Anträgen der SPD folgte, weil nämlich in diesen Anträgen auch Deckungsvorschläge für die so notwendige Verbesserung der Kriegsopferversorgung enthalten seien.
Der Antrag zur Beseitigung der Schulraumnot ist der erste der Opposition, der finanziell ins Gewicht fällt; es handelt sich um eine Mehrforderung von 300 Millionen DM. Zum Einzelplan 06 liegen aber noch andere Anträge vor: es werden gefordert 25 Millionen DM für die Bereitschaftspolizei, 50 Millionen DM für den Krankenhausbau und für die Förderung der Wissenschaft noch 18 Millionen DM. Mit den soeben erwähnten 300 Millionen DM ergibt das - oberflächlich gerechnet - die runde Summe von 400 Millionen DM.
Ich frage: sind das die Deckungsvorschläge die uns der Herr Kollege Ritzel für die Verbesserung der Kriegsopferversorgung angekündigt hat? 400 Millionen DM zusätzliche Ausgaben allein zum Einzelplan 06! Das beweist, daß diese Ausführungen nicht ernst genommen werden können.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Pusch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Dr. Stoltenberg hat gemeint, daß wir mit der Streichung des letzten Satzes die ganze Grundlage umstoßen, auf die man sich bei dem Honnefer Modell geeinigt hat. Das ist nicht der Fall, denn in dem Teil, den wir nicht streichen wollen, bleibt erhalten, daß es sich urn die Förderung von begabten und bedürftigen Studenten an wissenschaftlichen Hochschulen handelt, also nicht urn die Studenten an den nichtwissenschaftlichen Hochschulen, das ganze Förderungsprogramm sehr erweitern würden. Das ist also einfach ein Irrtum von Ihnen. Es handelt sich hier nur um eine verhältnismäßig kleine Zahl, die mit dazu
käme, nämlich um die Lehrerstudenten in Hessen und Bayern.
({0})
- Weil das dann nicht mehr nötig ist. Wir haben die Definition „wissenschaftliche Hochschulen". Wir wollen aber die pädagogischen Ausbildungsanstalten mit drin haben, die auch wissenschaftliche Hochschulen sind.
({1})
- Ich habe das soeben doch gesagt; hätten Sie doch zugehört! Ich habe gesagt, wir möchten den Ländern, die das noch nicht haben, einen Anreiz bieten, damit sie es auch so machen. Das ist ein sehr großes und berechtigtes kulturpolitisches Anliegen.
({2})
Alle Welt ist sich darin einig, daß zur Förderung von Wissenschaft und Kultur sehr viel mehr getan werden müßte, als heute geschieht; das können Sie von rechts und links und von überall sonst hören. In dem Wettbewerb mit den übrigen Kräften in der Welt wird es darauf ankommen, ob wir hier das Nötige tun. Ich wundere mich, daß ein Vertreter der Jugend, ein so sympathischer junger Mann wie der Kollege Stoltenberg, nichts anderes zu tun weiß, als zu bremsen und sich hinter Fragen der Zuständigkeit zu verschanzen, Verfassungsfragen heranzuziehen und an jeder Initiative herumzunörgeln. Es ist schon so: die Verfassung gebietet nicht, daß wir zahlen; aber sie verbietet es auch nicht.
({3})
Der „sympathische junge Mann" fängt an graue Haare zu kriegen.
({0})
--- A. D.!
Herr Abgeordneter Hermsdorf!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ausführungen des Kollegen Niederalt veranlassen mich zu einigen Bemerkungen. Ich halte es für keine gute Sache, daß man es sich bei jeder Haushaltsberatung so einfach macht und erklärt: Ihr von der SPD wollt nach euren Anträgen zusammengenommen soundsoviel mehr ausgeben, aber woher wollt ihr denn das Geld nehmen? So einfach ist es nicht, Herr Kollege Niederalt. Wir haben Ihnen das wiederholt gesagt, schon damals, als der Vorgänger von Herrn Minister Etzel dieses „Rechenkunststück" aufführte und einfach zusammenzählte, was die Anträge an Ausgaben verursachen.
In der ersten Lesung des Haushaltsplans hat der Vorsitzende des Haushaltsausschusses, unser Kollege Schoettle, eindeutig dargelegt, wie wir die Haushaltsberatung verstehen. Daß wir eine völlig andere Konzeption haben, können Sie uns nicht übelnehmen. Wir wollen das Geld vielleicht für Schulen ausgeben, Sie für Düsenjäger. Diese unterschiedlichen Auffassungen muß man zur Kenntnis nehmen. Es muß alles in die richtige Relation gebracht werden. Auf keinen Fall sollten Sie uns aber immer wieder vorhalten: Ihr geht ja mit dem Geld um, als wenn ihr überhaupt nicht genug ausgeben könntet. Wir haben denselben Grundsatz wie Sie, daß eine Deckung vorhanden sein muß, nur wollen wir die Gewichte nach anderen politischen Gesichtspunkten verteilen.
({0})
Herr Kollege Ritzel hat Ihnen heute morgen dargelegt - aber Sie haben es völlig überhört -, wie Ihr Vorgehen ist: Eine Milliarde, die eigentlich sehr viel später hätte ausgegeben werden können, nämlich 1965, zahlen wir jetzt, wir nehmen über 2 Milliarden, die in den außerordentlichen Haushalt gehören, in den ordentlichen Haushalt, nur um zu manipulieren und sagen zu können, das Geld sei ausgegeben. Aber wenn es um eine konkrete Sache geht, sagen Sie, die SPD wolle zuviel ausgeben. Meine Damen und Herren, in dieser Form sollte die Diskussion nicht mehr geführt werden.
Herr Abgeordneter Dr. Frede!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Noch ein paar Worte zu dem, was Herr Kollege Stoltenberg sagte! Daß Sie, hochverehrter Herr Kollege Stoltenberg, Einwände bringen würden, war vorauszusehen; daß Sie aber, der Sie der Hochschule vielleicht noch etwas näher stehen als wir „alten Semester", die Dinge so verniedlichen würden, war einigermaßen überraschend. Sie wissen doch, daß die Frage der Schulraumnot aufs engste mit den gesamten Fragen der Förderung von Wissenschaft und Forschung und all der Not, die wir heute auf der Hochschule haben, zusammenhängt. Man kann das eine nicht ,von dem anderen trennen, weil da auch in den Länderhaushalten engste Zusammenhänge bestehen.
Sie sind auch auf statistisches Material zu sprechen gekommen und haben meinen alten Freund und Bekannten, Professor Heckel, zu einem sozialdemokratischen Politiker „befördert". Daß er das sei, wußte ich nicht; vielleicht ist er es neuerdings geworden. Sie haben sich genauso wie wir in den vergangenen Jahren auf das Material gestützt, was Herr Heckel in seiner Eigenschaft als Professor an der Hochschule in Frankfurt herausgebracht hat. Dieses Material ist vielfach verwertet worden. Danach sind - und Sie werden die wissenschaftliche Qualifikation des Herrn Professor Heckel wohl anerkennen - eindeutig insgesamt 63 000 Schulräume im vorigen Jahr als notwendig anerkannt worden. Wir haben uns diese „phantastische" Zahl nicht zu eigen gemacht. Wir sind ganz bescheiden bei dem geblieben, was effektiv fehlt, und das sind nachweisbar auf Grund von Erhebungen, die ich selbst früher in meiner Eigenschaft als „Ministerialbürokrat" machen mußte, rund 22 000. Von denen sind wir ausgegangen. Wir sind nicht vorn neunten
Schuljahr ausgegangen, von einer Verringerung der Klassenfrequenz und den sonstigen Dingen, die damit zusammenhängen. Das kann man nicht bestreiten und sollte man nicht bestreiten.
Ich gebe Ihnen ohne weiteres zu, daß es, wenn wir jetzt den Antrag stellen, nachträglich und relativ spät den Bund auf Grund von Art. 120 des Grundgesetzes zu verpflichten, nicht leicht sein wird, die Verteilung der Mittel über die Länder an die Gemeinden vorzunehmen, insbesondere an solche Gemeinden, die sich bereits verschuldet haben, um ihr Schulwesen in Ordnung zu bringen. Da liegen schwerwiegende Probleme, und die müssen und wollen wir, wenn unser Gesetzentwurf an die Ausschüsse überwiesen werden sollte, auch in den Ausschüssen beraten.
Aber das ändert nichts daran, daß Sie die ganze Sachlage insofern verschieben, als Sie immer wieder auf die Kompetenz zukommen und die Sorge aussprechen, daß die Kulturautonomie gefährdet würde oder daß sich gar die Kultusminister selber das Grab graben. Bitte, meine Damen und Herren, lesen Sie sich doch einmal durch, was in den Kriegsfolgegesetzen steht! Nach Art. 120 Abs. 1 und 2 des Grundgesetzes ist damals - vor nunmehr fast neun Jahren - eine bestimmte Verteilung der öffentlichen - ich betone: der öffentlichen - Kriegsfolgelasten auf Bund und Länder in der Annahme vorgenommen worden, daß bei der damit verbundenen Verteilung der Deckungsmittel die Aufgaben der Länder und Gemeinden wie die des Bundes in gleicher Weise erfüllt werden könnten. Nun hat sich gezeigt - das ist doch nicht zu bestreiten -, daß die Länder und die Gemeinden mit den Kriegsfolgen auf dem Schul- und Hochschulsektor in einer Weise belastet worden sind, daß sie nicht dazu kommen konnten, ihre ureigenen Aufgaben zu erfüllen, nämlich Schul- und Hochschulwesen weiter zu entwickeln, und daß infolgedessen hier gewissermaßen noch ein Nachholbedarf vorliegt, der so, wie es in den Kriegsfolgegesetzen verankert ist, neu geordnet werden sollte. Das ist unser Wunsch.
Sie kritisierten die Höhe des Betrages von 300 Millionen DM. Ich habe selber gesagt: Ich weiß genau, die können in diesem Jahre nicht ausgegeben werden, sondern bestensfalls ein ganz geringer Betrag. Aber erinnern Sie sich bitte daran, daß wir vor einem Jahr gesagt haben: Wir wollen überhaupt nur einen Leertitel - wir wollen überhaupt nichts ausbringen -, um damit dem Herrn Innenminister die Möglichkeit zu geben, in sorgsam abgewogenen Verhandlungen mit den Ländern auf Grund der Rechtslage, die ich andeutete, erst einmal einen Minimalbetrag auszubringen, um so zu einem Start zu kommen. Wir sind gern bereit, auch heute für dieses Haushaltsjahr über die Höhe des Betrages zu verhandeln, da wir genau wie Sie überzeugt sind, daß 300 Millionen DM nicht verkraftet werden können,
({0})
vielleicht nicht einmal 100 Millionen DM; das ist
uns völlig klar. Deshalb haben wir den Sperrvermerk vorgeschlagen, der ausdrücklich besagt, daß
diese Gelder nicht in voller Höhe auszugeben sind, sondern nur nach den gegebenen Möglichkeiten.
({1})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Stoltenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir nur noch zwei kurze Bemerkungen. Der Herr Kollege Pusch hat gemeint, ich solle mich nicht hinter Zuständigkeiten verschanzen und nicht auf Verfassungsbestimmungen berufen. Ich werde dabei an die Diskussion erinnert, die wir heute in einem etwas früheren Zeitpunkt gehabt haben, als von den Sprechern der Opposition den Mitgliedern der Regierung und dem Herrn Bundeskanzler mit allem Nachdruck zugerufen wurde, sie sollten es ernst nehmen mit den Fragen der Verfassung. Was wir von der Regierung verlangen, das sollten wir auch für uns selbst in Anspruch nehmen. Eine solche Verpflichtung gibt es für uns genauso,
({0})
obwohl es in diesen Fragen der Kulturpolitik sicher sehr populär und sicher - das räume ich ohne weiteres ein manchmal auch sachlich zweckmäßig ist, die Bestimmungen der Verfassung etwas großzügig zu interpretieren. Wenn wir uns mit einer Handbewegung über diese Dinge hinwegsetzen, werden wir orientierungslos; und das hätte verhängnisvolle finanzpolitische und sachliche Konsequenzen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte sehr!
Darf ich eine Zwischenfrage stellen, Herr Kollege Stoltenberg: halten Sie Art. 120 des Grundgesetzes auch für einen Teil der Verfassung oder nicht?
Ich halte ihn für einen Teil der Verfassung. Ich bin aber der Ansicht, daß gerade jetzt, wo diese Kriegsfolge, der Schichtunterricht, im wesentlichen überwunden ist,
({0})
die Berufung darauf weniger zweckmäßig ist als früher..
({1})
- Nein. Ich habe Ihnen ja hier einen Mann zitiert,
der zu Ihnen gehört, einen der namhaften Kulturpolitiker Ihres Heimatlandes Hessen, Herr Metzger.
({2})
- Ich habe die Augen auf.
Ich wollte als Zweites sagen, daß mir die Begründung dieses Antrages, den letzten Satz unseres Haushaltsvermerks zu streichen, doch sehr verwunderlich vorkommt. Denn wenn man sagt: „Wir wollen durch die Streichung eines solchen Vermerks, durch die Einbeziehung der Lehrerstudenten, die an den Universitäten studieren, die Länder veranlassen, diese Regelung überall einzuführen", dann scheint mir das doch ein schlechter kulturpolitischer Dirigismus des Bundes zu sein in einer Frage, die allein in der gesetzlichen Zuständigkeit der Länder liegt.
({3})
Herr Abgeordneter Schmitt ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion beantragt zu Umdruck 255 ({0}) Ziffer 3 namentliche Abstimmung.
({1})
Es ist zu Ziffer 3 namentliche Abstimmung beantragt. Ich lasse zunächst über Ziffer 2 abstimmen. Wer der Ziffer 2 des Änderungsantrags der Fraktion der SPD Umdruck 255 ({0}) zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das zweite war die Mehrheit; der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Antrag Umdruck 255 ({1}) Ziffer 3. Namentliche Abstimmung! Ich bitte die Damen und Herren Schriftführer, die Stimmkarten einzusammeln.
Meine Damen und Herren, ich gebe das Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag Umdruck 255 ({2}) Ziffer 3 bekannt. Mit Ja haben gestimmt 167 Mitglieder des Hauses und 10 Berliner Abgeordnete, mit Nein 223 und 6 Berliner; enthalten haben sich 25 Mitglieder des Hauses und 2 Berliner Abgeordnete. Damit ist der Änderungsantrag Umdruck 255 ({3}) Ziffer 3 abgelehnt.
Ja
CDU/CSU Dr. Jaeger SPD
Frau Albertz Altmaier
Dr. Arndt Auge
Bading
Dr. Bärsch Bäumer
Bals
Bauer ({4}) Baur ({5}) Bazille
Dr. Bechert Behrendt Behrisch
Frau Bennemann Bergmann
Berkhan Berlin
Bettgenhäuser
Frau Beyer ({6}) Birkelbach
Blachstein Dr. Bleiß Börner
Dr. Brecht Bruse
Büttner Conrad Corterier Cramer Dr. Deist Dewald Diekmann
Frau Döhring ({7}) Dopatka
Frau Eilers ({8}) Erler
Faller
Felder
Franke Dr. Frede
Frenzel
Geiger ({9}) Geritzmann
Haage Hamacher
Hansing
Dr. Harm
Hauffe Heide
Dr. Dr. Heinemann Hellenbrock
Frau Herklotz Hermsdorf
Herold Höcker Höhmann
Höhne
Frau Dr. Hubert Hufnagel
Iven ({10})
Jacobi Jacobs
Jahn ({11}) Jürgensen
Junghans
Frau Keilhack
Frau Kettig
Keuning
Killat ({12}) Kinat ({13})
Frau Kipp-Kaule Könen ({14}) Koenen ({15}) Frau Korspeter
Kraus
Dr. Kreyssig
Kühn ({16}) Kurlbaum
Lange ({17}) Lantermann
Leber Ludwig
Lücke ({18}) Lünenstraß
Maier ({19}) Marx
Matzner
Meitmann
Dr. Menzel
Merten Metter Metzger
Dr. Meyer ({20}) Meyer ({21}) Frau Mever-Laule
Dr. Mommer
Müller ({22}) Müller ({23}) Müller ({24})
Frau Nadig
Odenthal
Ollenhauer
Paul
Peters Pöhler Pohle Prennel
Priebe Pütz
Pusch Rasch Dr. Ratzel
Regling
Rehs Reitz Reitzner
Ritzel
Frau Rudoll Ruhnke
Frau Schanzenbach Scheuren
Dr. Schmid ({25})
Dr. Schmidt ({26}) Schmidt ({27}) Schmitt ({28}) Schoettle
Schröder ({29}) Seidel ({30})
Seither
Stenger
Stierle
Sträter
Striebeck Frau Strobel
Wagner Walpert Wegener Wehner Wehr
Welke
Welslau
Weltner ({31})
Frau Wessel
Wienand Wilhelm Wischnewski
Wittrock Zühlke
Berliner Abgeordnete
Frau Krappe
Mattick
Neubauer
Neumann
Scharnowski
Dr. Schellenberg Schröter ({32}) Schütz ({33}) Dr. Seume
Frau Wolff ({34})
FDP
Dr. Dehler
Frau Dr. Diemer-Nicolaus Eisenmann
Dr. Kohut Margulies Mischnick Murr
DP
Logemann
Probst ({35}) Dr. Schranz
Dr. Steinmetz
Tobaben
Nein
CDU/CSU
Frau Ackermann
Graf Adelmann
Dr. Aigner Arndgen
Baier ({36})
Baldauf
Balkenhol Dr. Bartels Dr. Barzel
Bauer ({37}) Bauereisen
Becker ({38}) Berberich
Dr. Bergmeyer
Dr. Besold
Frau Dr. Bleyler
Blöcker Frau Blohm
von Bodelschwingh
Dr. Böhm Brand
Frau Brauksiepe
Brese
Frau Dr. Brökelschen
Brück
Bühler
Burgemeister
Caspers Cillien
Dr. Czaja Demmelmeier
Deringer Diebäcker Diel ({39})
Dr. Dittrich
Draeger
Dr. Dresbach
Ehren
Eichelbaum
Dr. Elbrächter Engelbrecht-Greve
Frau Engländer
Enk
Eplée
Etzel
Dr. Even ({40})
Even ({41})
Dr. Franz Franzen Dr. Frey Fritz ({42})
Funk
Dr. Furler
Frau Dr. Gantenberg Gaßmann
Gedat
Gehring
Frau Geisendörfer
Gerns
D. Dr. Gerstenmaier Gewandt
Gibbert Giencke
Glüsing ({43})
Dr. Görgen
Dr. Götz Goldhagen
Gontrum Dr. Gossel Gottesleben
Günther Hackethal Häussler Hahn
Dr. von Haniel-Niethammer Harnischfeger
Dr. Heck ({44})
Heix
Dr. Hellwig
Hesemann Heye
Hilbert Höcherl Dr. Höck ({45})
Höfler
Holla
Hoogen Horn
Illerhaus
Jahn ({46})
Dr. Jordan Josten
Dr. Kanka Katzer
Kemmer
Dr. Kempfler
Kirchhoff
Frau Klemmert
Dr. Kliesing ({47})
Dr. Knorr Koch
Dr. Kopf Kraft
Kramel
Krammig Kroll
Krüger ({48})
Krüger ({49})
Krug
Frau Dr. Kuchtner
Kunst
Kuntscher
Lang ({50})
Leicht
Dr. Leiske Lenz ({51})
Lenze ({52}) Leonhard
Lermer
Dr. Löhr
Lücke ({53})
Lulay
Maier ({54}) Majonica
Dr. Baron Manteuffel-Szoege Dr. Martin
Maucher Meis
Memmel Menke
Meyer ({55})
Mick
Muckermann
Mühlenberg Müller-Hermann
Müser
Nieberg Niederalt Frau Niggemeyer
Dr. Dr. Oberländer
Dr. Oesterle Oetzel
Frau Dr. Pannhoff
Pelster
Dr. Pflaumbaum
Dr. Philipp Pietscher Frau Pitz-Savelsberg
Frau Dr. Probst
Rasner
Frau Dr. Rehling
Dr. Reinhard
Dr. Reith Richarts
Frau Rösch Rösing
Dr. Rüdel ({56})
Ruf
Ruland
Scharnberg Scheppmann
Schlee
Schlick
Dr. Schmidt ({57}) Frau Schmitt ({58}) Schneider ({59})
Dr. Schröder ({60}) Schüttler
Schütz ({61})
Schulze-Pellengahr
Schwarz
Frau Dr. Schwarzhaupt
Dr. Schwörer
Dr. Seffrin Seidl ({62})
Dr. Siemer Simpfendörfer
Solke
Spies ({63})
Spies ({64}) Stauch
Frau Dr. Steinbiß
Stiller
Storch
Dr. Storm ({65})
Storm ({66}) Struve
Sühler
Teriete
Dr. Toussaint Unertl
Varelmann Vehar
Dr. Vogel Vogt
Wacher
Frau Dr. h. c. Weber ({67}) Dr. Weber ({68}) Wehking
Weimer
Weinkamm
Frau Welter ({69}) Wendelborn
Dr. Werber Wieninger Dr. Wilhelmi Dr. Willeke Windelen Winkelheide Dr. Winter Wittmann
Wittmer-Eigenbrodt
Dr. Wuermeling Wullenhaupt
Dr. Zimmer
Dr. Zimmermann
Berliner Abgeordnete
Benda
Dr. Gradl Hübner
Dr. Krone
Frau Dr. Maxsein Stingl
FDP
Lenz ({70}) DP
Dr. von Merkatz Dr. Preiß
Enthalten CDU/CSU
Dr. Huys
PDP
Dr. Achenbach
Dr. Bucher Dr. Dahlgrün
Döring ({71})
Dürr
Frau Friese-Korn
Keller
Kreitmeyer Kühn ({72}) Mauk
Dr. Mende Rademacher Dr. Rutschke Sander
Scheel
Dr. Schneider ({73}) Spitzmüller
Dr. Stammberger
Dr. Starke Walter
Weber ({74}) Zoglmann
Berliner Abgeordnete
Frau Dr. Dr. h. c. Lüders Dr. Will
DP
Dr. Schneider ({75})
Ich rufe nunmehr auf den Änderungsantrag Umdruck 291 der Abgeordneten Dr. Stammberger, Frau Dr. Steinbiß und Genossen. Wer wünscht das Wort zur Begründung? - Herr Abgeordneter Dr. Bärsch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eine Anzahl Abgeordneter aus allen Fraktionen hat eine Anregung aufgegriffen, die von seiten der Ärzteschaft an sie herangetragen worden ist. Es handelt sich um den vorliegenden Antrag, in den Haushalt des Innenministeriums zur Errichtung und zu den Kosten des Unterhalts einer deutschen medizinischen Dokumentationsstelle 300 000 DM einzustellen. Ich kann mir hier langatmige mündliche Ausführungen ersparen und darf Sie statt dessen auf die schriftliche Begründung des Antrags Umdruck 291 verweisen. Irrtümlicherweise ist sie als Erläuterung deklariert. Der Irrtum sei damit richtiggestellt.
Es handelt sich, kurz gesagt, um folgendes. Auch auf dem Gebiete der Medizin ist die Spezialisierung, wie wir sie heute auf allen Gebieten haben, festzustellen. Infolgedessen ist es sowohl für den Wissenschaftler als auch für den praktischen Arzt nicht mehr möglich, ,auch nur annähernd das zu überschauen und zu erfassen, was publiziert wird. Hier soll eine Stelle geschaffen werden, an der zentral sämtliche Publikationen auf medizinischem Gebiet registriert, ausgewertet und vor allem für wissenschaftliche Arbeiten, aber auch für praktische Tätigkeit nutzbar gemacht werden.
Daß es sich dabei um ein durchaus begründetes und auch sehr aktuelles Anliegen handelt, können Sie u. ,a. daraus entnehmen, daß sowohl in den Vereinigten Staaten als auch in Rußland solche Dokumentationszentren, auch für die übrigen Bereiche der wissenschaftlichen Forschung, bereits in großem Umfang bestehen.
Ich darf Sie deshalb bitten, dem Antrag zuzustimmen. Wir schlagen vor, den Titel mit einem Sperrvermerk zu versehen, damit der Haushaltsausschuß die Möglichkeit hat, die Mittel erst dann freizugeben, wenn die entsprechenden abklärenden Verhandlungen hinsichtlich der Organisation dieser Stelle, der Trägerschaft usw. erfolgreich zu Ende geführt worden sind.
({0})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Brand.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ohne daß ich mich mit dem Anliegen im einzelnen beschäftigen will, möchte ich das Hohe Haus bitten, diesen Antrag abzulehnen, und zwar aus der einfachen Erwägung, daß er noch nicht etatreif ist. Vor Stellung eines solchen Antrages muß die Frage zunächst einmal nach der sachlichen Seite hinsorgfältig vom Fachausschuß geprüft werden. Dann muß haushaltsmäßig festgelegt werden, ob hierfür ein besonderer Titel gebildet werden soll, wie es hier vorgeschlagen wird, oder ob man nicht beispielsweise besser bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft einen entsprechenden Ansatz ausbringt. Ich bitte deshalb nochmals, diesen Ani rag abzulehnen.
Herr Abgeordneter Ritzel!
Ich weiß nicht, ob der Herr Kollege Brand für seine Fraktion gesprochen hat. Unter diesem interfraktionellen Antrag stehen auch Unterschriften aus der CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Aber ich meine, daß man nicht sagen kann, man solle den Antrag mit dem Hinweis darauf ablehnen, daß er noch nicht reif sei. Gerade der Sperrvermerk, der von den Antragstellern mit beantragt wird und der hier durch Herrn Dr. Bärsch ausreichend begründet wurde, gibt doch die Möglichkeit, die Mittel in dem Augenblick zur Verfügung zu haben, in dem der Reifezustand erreicht ist.
Die Bedeutung dieser Dokumentation ist so groß, daß wir auch im Vergleich zum Ausland eine zwingende Veranlassung haben, den Antrag, der, wie ich glaube, quer durch alle Fraktionen Unterschriften gefunden hat, hier endlich anzunehmen.
({1})
Keine weiteren Wortmeldungen! Abstimmung! Wer zustimmen will - Umdruck 291, Dr. Stammberger und Genossen, Dr. Bärsch und Genossen -, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! Die Abstimmung muß wiederholt werden. Wer für den Antrag ist, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. - Gegenprobe! - Ich bin zwar der Meinung, das ist die Mehrheit; aber die Herren Kollegen sind im Zweifel, also Hammelsprung. Meine Damen und Herren, ich bitte, die Türen zu schließen. - Die Auszählung ist beendet.
Ich gebe das Ergebnis der Auszählung über den Änderungsantrag Umdruck 291 der Abgeordneten Dr. Bärsch und Genossen bekannt. Mit Ja haben 159, mit Nein 195 Mitglieder des Hauses gestimmt. Enthalten hat sich ein Mitglied. Der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Ich rufe den Änderungsantrag Umdruck 256 der Fraktion der SPD auf. Das Wort zur Begründung hat Frau Abgeornete Renger.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die vorangegangene Debatte über die Studentenförderung macht mir wenig Mut, diesen Antrag hier zu begründen. Sie können mir glauben, daß dieser Antrag kein Propagandaantrag sein soll. Meine Fraktion wünscht unter gar keinen Umständen, daß etwa durch diesen Antrag eine Diskussion in der Öffentlichkeit darüber ausgelöst wird, ob die CDU, die DP, die FDP oder die SPD mehr für den Sport tut.
Ich glaube, wir taten Ihnen, meine Damen und Herren von der Regierungspartei, einen gewissen Gefallen, indem wir diesen Antrag eingebracht haben; denn ich kann mir gut vorstellen, daß es nicht so einfach ist, sich in Ihrer Fraktion gegen den Herrn Finanzminister durchzusetzen. Aber gemeinsam mit uns allen ist das für Sie vielleicht etwas leichter.
Unsere Erkenntnis, die zu diesem Antrag führte, ist einfach die, daß auf dem Gebiet der Leibesübungen und des Sports in der Bundesrepublik einiges nachzuholen ist und diese Frage ein bißchen stiefmütterlich behandelt worden ist.
({0})
Wir alle wissen, daß der Krieg die meisten sportlichen Übungsstätten vernichtet hat. Weil den Gemeinden ein Anteil am Steueraufkommen fehlt - auch darüber ist heute schon gesprochen worden - und weil die Regelung über die Kriegsfolgelasten unzureichend ist, ist es den Gemeinden einfach nicht möglich, das Notwendige auf diesem Gebiet zu tun. Diese Erkenntnis hat den Bundes3738
tag ja wohl auch bewogen, den Förderungsfonds in den vergangenen Jahren überhaupt einzusetzen. Mit großer Freude können wir alle verzeichnen, daß in der Zeit vom 1. April 1957 bis zum 30. September 1958 durch den Bund einiges mitfinanziert werden konnte, darunter 94 - das ist natürlich nicht sehr viel - Turnhallen in der Bundesrepublik. Sehr verehrter Herr Kollege Stoltenberg, Sie werden mir wohl nicht widersprechen, wenn ich sage, es fehlen in der Bundesrepublik noch 11 000 Turnhallen, ganz abgesehen von dem Bedarf an anderen Sportanlagen.
({1})
- Richtig, aber ein bißchen müssen wir dafür tun.
In Schleswig-Holstein haben 71 % der Schulen keine Möglichkeit, Schwimmunterricht zu erteilen. Das ist ein immerhin bedauerlicher Zustand.
({2})
- Was meinen Sie, Herr Kollege? Sie können schwimmen? Dann ist es ja gut!
({3})
Die etwas ungeduldigen Bemerkungen passen zu meiner nächsten Feststellung, daß nämlich der Mangel an Initiative bei allen staatlichen Stellen nicht nur darauf zurückzuführen ist, daß das Geld fehlt, sondern auch darauf, daß es einfach an dem Verständnis für die Aufgabe des Sports, seine kulturellen und gesundheiterhaltenden Werte fehlt. Ich spreche wohl in Ihrer aller Namen, wenn ich sage, daß die Sportverbände in der Bundesrepublik nach dem Krieg in vorbildlicher Weise Gemeinschaftsaufgaben übernommen haben, daß sie aber nicht imstande sind, diese Aufgaben allein zu lösen. Bitte, lassen Sie mich das einmal vor dem Bundestag sagen: Die völkerverbindende Idee des Sports hat vielleicht ein bißchen mehr zu der Harmonie der Völker beigetragen, als alle Politiker trotz guten Willens beizutragen vermocht haben.
({4})
- Das ist nun einmal meine Meinung; wollen Sie sie bitte freundlichst zur Kenntnis nehmen! - Über die Aufgaben des Sports bei der Freizeitgestaltung werden wir noch sehr viel zu sprechen haben.
Und dann noch eines: ,Der Sport hat wesentliche Grundelemente der Demokratie in sich: gegenseitige Achtung, Toleranz und fair play. Wie schön wäre es auch hier bei uns im Bundestag, wenn wir immer danach handelten.
Meine verehrten Damen und Herren, nach meiner Auffassung sollte auch dieser Bundestag auf den bisherigen guten Ansätzen aufbauen und, ohne in die Kulturhoheit der Länder einzugreifen oder gar in das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden, einen Aufbauplan im Zusammenwirken mit Bund, Ländern, Gemeinden und den Sportverbänden aufstellen, um den dringendsten Bedürfnissen auf diesem Gebiet gerecht zu werden. Wir brauchen eben nicht nur neue Straßen, wenn das auch sehr notwendig ist! Die Zeit eilt sehr schnell; wir können nicht warten, bis unsere Städte aufgebaut sind und wir dann absolut keinen Platz mehr haben für einen Sportplatz, einen Spielplatz oder etwas Ähnliches. Mir ist klar, daß ein solcher Aufbauplan in diesem Jahr nicht mehr möglich ist. Geben wir den Gemeinden, die oftmals von der Möglichkeit dieser Spitzenfinanzierung gar keine Ahnung haben, einen Ansporn zur eigenen Leistung und zeigen wir, wie ernst es dem Bundestag mit der Sorge für die körperliche und seelische Gesunderhaltung unseres Volkes ist. Weil wir das wollen, bitten wir um Zustimmung zu unserem Antrag.
Wir sprechen sehr oft davon, daß die Ostblockstaaten aus wohl-überlegten Gründen auf diesem Gebiet sehr aktiv sind. Diese Gründe sind nicht unsere Gründe. Wir sollten aber mit diesen Maßnahmen etwas für die Menschen tun. Für ihr Wohlergehen und ihre Gesundheit zu sorgen sollte für uns die wichtigste Aufgabe sein.
({5})
Das Wort zu diesem Antrag hat der Abgeordnete Dr. Vogel.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Darf ich Sie darauf aufmerksam machen, daß der Berichterstatter nach dem Protokoll der 34. Bundestagssitzung vom 25. Juni 1958 damals ausdrücklich gesagt hat - ich lese es wörtlich vor -:
Unter den allgemeinen Ausgaben des Tit. 662 zu b) sah die Regierungsvorlage für die Finanzierung von Turn- und Sportstätten 1 Million DM vor. Der Antrag eines Ausschußmitgliedes, diesen Ansatz noch einmal auf die Höhe des Vorjahres, d. h. auf 5 Millionen DM zu bringen, diesen Betrag aber unter den einmaligen Ausgaben auszuweisen, fand eine Mehrheit im Ausschuß.
Daraus geht eines hervor: daß wir uns im vergangenen Jahr zwar noch einmal auf diesen Betrag geeinigt hatten, aber im Grunde genommen darüber einig waren, daß es eine einmalige Sache sei und es nicht wieder dazu kommen sollte. Nun, wir haben uns daran gewöhnt, daß derartige Titel, wenn sie einmal in den Haushalt Eingang gefunden haben, zu einer Dauereinrichtung werden.
Gnädige Frau, es läßt sich über die Bedeutung des Sports und über die Zweckmäßigkeit und Ausbreitung von Leibesübungen ein ganzer Nachmittag sicherlich mit Nutzen füllen. Ich bin überzeugt, man wird sehr edle und sehr schöne Argumente finden. Ist es humorlos, einen Wermutstropfen hineinzugießen, indem ich Sie an die Bemerkung von Shaw erinnere, der einmal, glaube ich, gesagt hat: Die sicherste Methode, um zwei Völker, die nicht im geringsten Streit miteinander hatten, in einen Krieg zu verwickeln, ist die Veranstaltung eines Länderspiels zwischen beiden.
({0})
Wir haben allen Anlaß, es bei der bisherigen Methode zu belassen. Wenn wir solche Anliegen haben, sollten wir das im Haushaltsausschuß vorher,
wie wir das immer getan haben, miteinander besprechen und sehen, was sich tun läßt. Wir lieben diese Methode nicht, Anträge erst in der zweiten Lesung hier plötzlich vorzubringen. Wir sind außerdem nicht überzeugt - hier möchte ich ein sehr ernstes Wort an die Länder richten , daß die enormen Einkünfte, die durch Lotto, Toto und ähnliche Dinge in Deutschland erzielt werden, überall dorthin geleitet werden, wohin sie geleitet werden sollten. Hier sind die Quellen, die anzuzapfen sich für die Länder und die Sportler ganz anders lohnen würde, als die kleinen Beträge in den Bundeshaushalt einzusetzen, um damit lediglich, ich will es ganz offen aussprechen, nur den Zweck zu verfolgen, nach außen hin eine gute Tat zu tun und hier mit einem Betrag einen guten Willen zu bekunden. Das, womit wirklich geholfen werden kann, liegt in der Hand der Länder. Sie müßten dann nur ihre Vergabemethoden oder die Verteilungsschlüssel für die Riesenbeträge von Lotto und Toto etwas ändern.
Ich bitte Sie infolgedessen, diesem Antrag nicht zuzustimmen.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Eisenmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Vogel, der Herr Shaw mag ein geistreicher Mann gewesen sein und auf mancherlei Gebieten etwas zu sagen haben; ob Ihr Zitat in Anbetracht der Fragen, die Frau Kollegin Renger hier angedeutet hat, das richtige war, muß ich sehr bezweifeln. Ich glaube, auch die Freunde Ihrer eigenen Fraktion halten dieses Zitat in diesem Fall nicht für unbedingt zutreffend. Ich könnte mir vorstellen, daß der Kollege Dr. Stoltenberg in der Bewertung der Frage, ob dieses Zitat bei der Erörterung dieser Frage richtig angewendet worden ist, eher auf meiner Seite als auf Ihrer Seite steht, Herr Kollege Vogel.
Sicher findet man bei Länderspielen auf der einen Seite eine begeisterungsfähige Mannschaft auf den Tribünen, darüber hinaus aber auch zwei spiel- und sportgestählte Mannschaften im Stadion. Es kann aber kein Zweifel darüber bestehen - und das haben Sie, Herr Kollege Vogel, auch nicht sagen wollen -, daß gerade die Länderspiele und die olympischen Spiele - nicht zuletzt gerade auch im Jahre 1952 auf dem Holmenkollen - einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet haben, daß eine gewisse bessere Übereinstimmung in mancherlei Richtung zwischen Deutschland und dem norwegischen Volk z. B. wieder eingeleitet worden ist. Das ist ohne Zweifel auf dem Holmenkollen geschehen. Nicht ablenken und nicht abwerten! Meine Freunde, es ist so. Wenn Herr Kollege Vogel das zur Begründung bringt, muß man ihm auch einmal die anderen Gründe entgegenhalten.
({0})
Herr Kollege Vogel, ich bin gerne bereit, daß wir uns in aller Öffentlichkeit, vor dem Forum des deutschen Sports und der Öffentlichkeit, nicht vor diesem Hohen Hause, in aller Länge und epischen Breite über die Bedeutung der Leibesübungen in der heutigen Zeit für die Gesellschafts- und Kulturpolitik unterhalten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Verehrter Herr Kollege Vogel! Sie haben darüber hinaus dafür gesprochen, den Ansatz für die Leibesübungen nicht mehr zu erhöhen. Ich darf Sie daran erinnern, daß man im Wahljahr 1957 sehr leicht eine Mehrheit dafür gefunden hat, den damaligen Ansatz von 2 auf 5 Millionen zu erhöhen. Für uns überraschenderweise waren im letzten Jahr nur noch 2 Millionen DM im Haushaltsansatz für zentrale Leibesübungenförderung, für Turnen und Sport zu finden. Ich habe im letzten Jahre gesagt: Glauben Sie denn, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß die Turn- und Sportbewegung sich nur im Wahljahr aktiv draußen betätigt?
({1})
Darüber hinaus bin ich überrascht, feststellen zu müssen, daß man wohl auf der einen Seite 5 Millionen DM eingesetzt hat, daß aber die übliche 6%ige Kürzung auch für diesen geringen Ansatz von Mitteln in diesem Haushalt ausgesprochen worden ist. Dafür haben ich und meine Freunde jedenfalls auch kein Verständnis. Vielleicht geben Sie, Herr Kollege Vogel, mir eine Erklärung. Es wäre schon ein entscheidender Fortschritt, wenn wir verbindlich erklären könnten, daß die 6%ige Kürzung für die bescheidenen Mittelansätze für zentrale Leibesübungenförderung, für Turnen und Sport, nicht gilt.
Für die Fraktion der FDP darf ich sagen: aus den grundsätzlichen Überlegungen, die Frau Kollegin Renger schon angedeutet hat, sind wir der Auffassung, daß es durchaus vertretbar ist, den Ansatz von 5 auf 8 Millionen DM im Rahmen der gegebenen Mittel dieses Haushalts von über 39 Milliarden zu erhöhen. Bei Beachtung der Funktion und Bedeutung der Leibesübungen für die Volksgesundheit und aus Gründen der staats- und volkspolitischen Bildungsarbeit ist eine solche Erhöhung durchaus angebracht. Kommen Sie mir nicht, meine Damen und Herren von der regierungstragenden Fraktion, und sagen Sie nicht, dafür ist das Geld nicht da! Sie wissen selbst, daß das Geld dafür da ist und auch da sein muß.
Wenn man so die Dinge entsprechend einer gegebenen Rangfolge ansieht, bin ich der Ansicht, daß man doch innerhalb der Fraktionen im Kreise der Freunde der Leibesübungen und des Sports bei der Diskussion dieser Frage sehr schnell zu einer Übereinstimmung kommen könnte. Allerdings muß ich, meine sehr verehrten Freunde von der CDU/CSU-Fraktion, sagen, daß wir als Kreis der Freunde des Sports es bedauern, daß Ihr Kollege Huth, den Sie vermutlich als Sprecher dieses Kreises für Freunde des Sports in Ihrer Fraktion ernannt haben, innerhalb von 2 Jahren den gesamten Freundeskreis des Sports nur drei- bzw. viermal einberufen hat. Ich muß es einmal aussprechen: vielleicht haben Sie einen aktiveren Mann, der die Belange der Leibesübung innerhalb Ihrer Fraktion vertreten kann, daEisenmann
mit auch von seiten der CDU/CSU-Fraktion eine größere Aktivität nach außen dokumentiert wird,
({2})
- Herr Kollege Vogel, ich weiß, es ist nicht bequem, wenn man etwas nicht gerade Angenehmes erfährt. Es liegt an Ihnen, das zu ändern. Wir sind gern bereit, einen anderen Herrn anzuerkennen, der eine größere Dynamik in die Dinge hineinbringt.
Wir möchten jedenfalls bitten, daß Sie dem Antrag auf Erhöhung der Mittel von 5 auf 8 Millionen DM Ihre Zustimmung geben, den wir nach sorgfältiger Überlegung und angesichts der Bedeutung der Leibesübungen gestellt haben. Sie würden damit - das muß nach dem Zitat von Shaw auch einmal gesagt werden die fortgesetzte ehrenamtliche Tätigkeit all derer anerkennen, die draußen in den Turn- und Sportvereinen und in den Sportorganisationen letzten Endes eine Arbeit leisten, die der Staat niemals leisten kann, weil auf diesem Gebiet die Aufgaben nur auf freiwilliger Basis durchgeführt werden können.
({3})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ritzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich komme nicht auf die Rednertribühne, um die völlig ausreichenden und ausgezeichneten Argumente meiner Kollegin Frau Annemarie Renger zu ergänzen. Mich ruft vielmehr eine Bemerkung des Herrn Kollegen Dr. Vogel hierher.
Herr Kollege Dr. Vogel, Sie haben eben gefragt, warum dieser Antrag nicht bereits im Haushaltsausschuß gestellt worden sei, und haben wörtlich gesagt: „Wir lieben diese Methode nicht." Das heißt, Sie lieben die Methode nicht, daß ein Antrag zu einem Punkt im Rahmen des Haushaltsplanes hier im Plenum in der zweiten oder demnächst in der dritten Lesung gestellt wird. Herr Dr. Vogel, ich möchte Sie warnen: gehen Sie auf diesem Wege nicht noch weiter!
({0})
Es ist das Recht des Parlaments, den Haushaltsplan
zu beraten und ihn nach seinem Willen zu ändern,
({1})
und es nicht die Aufgabe des Haushaltsausschusses, den Diktator gegenüber dem Plenum zu spielen.
({2})
Herr Abgeordneter Vogel, Sie wollen sofort darauf antworten. Ich erteile Ihnen das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich finde es sehr liebenswürdig, Herr Kollege Ritzel, daß Sie sich auf diese Art und Weise für die Sache von heute morgen revanchieren wollen; aber das nur nebenbei.
Es hat mir völlig ferngelegen, jemandem das Recht zu bestreiten ich habe das noch niemals getan -, hier Anträge zu stellen. Da wir über diesen Punkt lang und breit im Haushaltsausschuß gesprochen haben, hätten wir aber erwarten können, daß Sie den Antrag dort gestellt hätten. Das ist es, was ich damit sagen wollte, und nichts anderes.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Josten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es fiel hier vorhin das Wort vom Kreis der Freunde des Sports. Ohne Zweifel gibt es seit Jahren eine Anzahl von Damen und Herren in unserem Hause, die sich besonders für den Sport interessieren und die Fragen des Sports mit den einzelnen Präsidenten der Sportbünde in den Ländern behandeln. Diese Damen und Herren muß ich als Zeugen dafür aufrufen, daß wir uns immer darüber im klaren gewesen sind, daß alle Mitglieder aller Fraktionen dieses Hauses als Freunde des Sports bezeichnet werden können.
({0})
- Das haben wir auch die ganze Jahre getan, nicht erst heute und nicht nur finanziell. Wir zeigten auch draußen, wenn wir uns im Lande bewegten, daß wir Freunde des Sports sind.
In diesem Kreise der Freunde des Sports waren wir uns immer darüber einig, daß wir gern viel mehr tun würden, wenn die finanziellen Voraussetzungen dazu gegeben wären und - sagen wir es doch offen
- wenn wir eine andere außenpolitische Situation hätten. Wenn wir nicht dauernd so viele Mittel aufbringen müßten, um die Freiheit zu behalten, würden wir viel lieber noch Millionen für den Sport geben.
({1})
- Nein, bitte, dann darf ich Ihnen sagen, daß unser Präsident Danz und die führenden Leute des Sports die Ansätze im Etat, die der Bundestag bewilligt hat, immer sehr lobend anerkannt haben. Frau Renger und Herr Kollege Eisenmann, Sie werden bestätigen, daß wir das in dieser Hinsicht auch als Kollegen und gerade als Freunde des Sports anerkannt haben. Ich kann hier aber nicht anders, als den Standpunkt des Kollegen Dr. Vogel zu unterstreichen. Wenn einer diesem Antrag nicht zustimmt, kann man nicht sagen, er sei dann kein Freund des Sports mehr. Es bestehen nun eben Meinungsverschiedenheiten darüber, wie die im Etat zur Verfügung stehenden Mittel verwandt werden sollen. Ich muß Ihnen sagen, selbst das Präsidium des Deutschen Sportbundes erwartet nicht, daß wir dieses Jahr 3 Millionen DM mehr in Ansatz bringen; das wissen Sie auch!
({2})
- Nein, wir haben nicht resigniert. Wir haben unseren Freunden noch beim letzten Zusammensein
Deutscher Bundestag -_ 3. Wahlperiode Josten
ganz klar gesagt, daß die Voraussetzungen dafür in diesem Jahr nicht gegeben sind. Ich habe das verschiedenen Kollegen und gerade Damen und Herren vom Präsidium des Sportbundes gesagt; sie hatten für unseren Standpunkt Verständnis.
Herr Josten, sind Sie autorisiert, im Namen des Präsidiums des Sportbundes zu sprechen?
Herr Kollege Dröscher, ich darf Ihnen antworten, daß ich hier meine Meinung sage. Wenn Sie gut zugehört haben, werden Sie bemerkt haben, daß ich nicht im Namen des Sportbundes spreche.
({0})
- Nein, Herr Dröscher, ich glaube, Sie haben da nicht gut zugehört. Niemand im Hause wird sich anmaßen, im Namen des Sportbundes zu sprechen. Da ich aber seit Jahren diesem Kreis der Freunde des Sports angehöre und eng mit ihnen zusammenarbeite, darf ich mir sicherlich erlauben, die Stimmung im Sportbund wiederzugeben. Ich sage ja: Auf allen Bänken, auf jeder Seite des Hauses sitzen Freunde des Sports. Das wollen wir bleiben. Ich möchte mich nur dagegen wenden, daß man es falsch auslegt, wenn einer eine andere Meinung gegenüber dem Antrag vertritt, und ich vertrete sie, denn ich glaube, wir können dieses Jahr nichts anderes tun, als den Ansatz von 5 Millionen DM, für den der Sportbund sehr dankbar ist, wieder zu bewilligen und den vorliegenden Antrag abzulehnen.
({1})
- Nein; wir kommen dann weiter in die Diskussion, wie wir sie auch beim Sportbund immer haben. Bitte, Sie wissen ja, welche beachtlichen Mittel unser Sport im Bundesgebiet außer den Bundesmitteln aus Kap. 06 02 Tit. 973 noch hat; dann müßten wir in der Diskussion diese Frage mit anschneiden. Auf jeden Fall bleibt es ein Anliegen des ganzen Hauses, unserer Jugend und dem deutschen Sport zu helfen.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Koenen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es war sicherlich eine unglückliche Minute, in der unserem Kollegen Dr. Vogel ausgerechnet dieses Zitat einfiel; denn er brachte es zu dem Zeitpunkt, da sich in der ganzen Welt die Sportler - auch die in den Sportverbänden ehrenamtlich Tätigen - darum bemühen, die Jugend der Welt auf die Olympischen Spiele vorzubereiten und zu diesem großen Fest des Friedens zu bringen. Herr Kollege Dr. Vogel, ich glaube, wir sind uns darüber einig, daß es zu diesem Zeitpunkt außerordentlich unglücklich war, etwas Derartiges zu sagen.
({0})
Dem Herrn Kollegen Josten darf ich zum Zwecke der Richtigstellung etwas sagen. Es handelt sich bei diesem Fonds von 5 Millionen DM nicht um Geld, das dem Sportbund zur Verfügung gestellt werden soll, sondern um den noch immer so kümmerlich ausgerüsteten Anreizfonds, auf den die Gemeinden zurückgreifen konnten, wenn sie einmal ein Hallenbad oder sonst eine Sportanlage bauen wollten. Mit anderen Worten heißt das: wenn ein Hallenbad gebaut werden sollte, das 21/2 Millionen DM kostete, bekam die Gemeinde vom Land etwa 400 000 DM und vom Bund kümmerliche 50 000 DM. Außerdem konnte der Bund mit diesen 5 Millionen DM nur sehr wenig Hallenbäder bezuschussen. Auf das ganze Land NordrheinWestfalen sind im vergangenen Jahr nur 675 000 DM entfallen. Da darf man doch einen solchen Fonds nicht noch abbauen wollen.
({1})
Noch einmal, meine Damen und Herren: Das war ein unglückliches Zitat! Ich habe in den letzten drei Wochen an zwei deutschenglischen Begegnungen teilgenommen, an dem Spiel der deutschen B gegen die englische B und an dem Spiel der Amateure in Siegen. Die englischen Leute brachten bezüglich der Funktion des Sports in dieser Welt etwas anderes zum Ausdruck, als Sie, Herr Dr. Vogel, gerade gesagt haben.
({2})
Herr Vogel hat es aber hier zitiert, und ich habe gesagt, das sei sehr unglücklich gewesen.
Von Herrn Dr. Vogel ist mir zugerufen worden, ich solle an die Fußballweltmeisterschaften denken. Ja, Herr Dr. Vogel, da kommt gelegentlich etwas vor. Gelegentlich ist man etwas unfair. Aber schließlich sollen doch die Mittel, die wir hier bewilligen, aufklärend wirken.
({3})
Ich muß Ihnen noch etwas anderes sagen. Es gibt zwei Dinge, die die Sportler gar nicht verstehen. Das ist einmal der Umstand, daß der Bund die bombengeschädigten Sportanlagen, die einstmals vor zwanzig, dreißig Jahren von Vereinen als Vereinseigentum geschaffen wurden, nicht für die Bezuschussung als ausgebombte Objekte anerkennen will. Das wird nicht verstanden und kann nicht verstanden werden. Wir sollten in diesem Haase überlegen, ob man nicht solchen Gemeinschaften, die aus Idealismus einmal diese Anlagen schufen, bei dem 'Wiederaufbau der Anlagen von seiten des Bundes helfen muß, weil die Vereine sonst auf Landesmittel länger warten müssen und weil schließlich der Bund die Verpflichtung zur Beseitigung von Bombenschäden hat.
({4})
Und ein anderes können wir vom Sport nicht verstehen: daß sich unsere Auslandsvertretungen nicht genügend darum kümmern, wenn nationale deutsche Vertretungen aus der Bundesrepublik im Ausland aufkreuzen. Das ist eine Anregung an das Außenministerium, unsere Auslandsvertretungen einmal darauf hinzuweisen, daß man solchen Begegnungen
Koenen ({5})
auch seitens der Auslandsvertretungen des Bundes mehr Beachtung schenken sollte.
({6})
Das Wort hat der Abgeordnete Spitzmüller.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Wir wollen uns doch wirklich nur über den Antrag unterhalten, der hier gestellt ist: die Spitzenfinanzierung des Baues von Turn- und Sportstätten. Man kann natürlich verschiedener Meinung darüber sein, ob in diesem Haushalt noch eine Möglichkeit besteht, den Ansatz zu erhöhen, oder nicht. Wir sollten alle manches harte Wort, das soeben gefallen ist, vergessen und uns einmal vor Augen halten, daß diese Mittel, seien es nun 5 oder 8 Millionen, die das Haus beschließt, dafür eingesetzt werden, daß in kleinen Gemeinden, aber auch in großen Gemeinden, die finanzschwach sind, der Bund eine Spitzenfinanzierung gibt, damit dort Sportstätten gleich welcher Art erstellt werden können.
Ich darf noch auf folgendes hinweisen. Die heutige Jugend ist gar nicht so schlecht, wie sie manchmal gemacht wird. Schlecht ist, daß wir nicht genügend Menschen haben, die bereit sind, diese Jugend in einer Gemeinschaft zusammenzuhalten.
({0})
Meine Damen und Herren, in zehn oder fünfzehn Jahren könnten manche von diesen jungen Menschen, die heute in jungen Jahren in den von uns zusätzlich geförderten Turnhallen und Sportstätten ein gemeinschaftsbildendes Erlebnis haben, auch wieder so viel Idealismus und Schwung mitbringen, daß sie sich bereit finden, etwas von ihrer Freizeit zu opfern, um ihrerseits jungen Menschen als Anleiter zur Verfügung zu stehen.
Ich glaube, wenn man die Dinge so sieht, kann man - schweren oder leichten Herzens - dem Antrag auf Erhöhung zustimmen.
({1})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag zustimmen will, über den wir soeben so ausgiebig und so streitbar debattiert haben, den bitte ich, die Hand zu erheben.
- Gegenprobe! - Es bestehen Zweifel, wo die Mehrheit liegt. Wir müssen auszählen.
({0})
- Ich danke für den Ratschlag. Wir wollen noch einmal abstimmen durch Erheben von den Sitzen. Wer für den Antrag ist, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Es ist immer noch keine Klarheit. Das Haus ist in der Mitte dünner besetzt als auf den Flügeln; deswegen läßt sich der normale allgemeine Überblick hier nicht für die Feststellung der Mehrheit verwenden.
Wir müssen also doch auszählen.
Ich gebe das Ergebnis der Abstimmung bekannt. Mit Ja haben gestimmt 140 Mitglieder des Hauses, mit Nein 183; der Stimme enthalten hat sich ein Mitglied. Damit ist der Antrag abgelehnt.
Weitere Änderungsanträge zu diesem Punkt liegen nicht vor.
Ich rufe auf, nachdem der Antrag Umdruck 294 zurückgezogen worden ist, den Änderungsantrag Umdruck 255 ({1}) Ziffer 4. Wer begründet ihn? - Zur Begründung hat Herr Abgeordneter Schäfer das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Während der Haushaltsberatung im Haushaltsausschuß wurde folgendes festgestellt. Im Einzelplan 06 07 - das ist der Plan für die Bundesdisziplinarkammern - hat das Bundesinnenministerium entgegen den bestehenden Vorschriften zwei Stellen anderweit besetzt, und zwar mit einem Beamten, gegen den schon seit acht Jahren ein Disziplinarverfahren läuft, und mit einem weiteren Beamten, der auf diese Stelle befördert worden ist. Wir sind der Auffassung, daß diese unberechtigte Stellenbesetzung beseitigt werden muß, und zwar auch für die Zukunft. Das Innenministerium hat nämlich die Absicht, diese Stellen freizumachen und mit zwei Untersuchungsführern zu besetzen. Wir bestreiten nicht das Bedürfnis für das Innenministerium, innerhalb seines Bereichs zwei Untersuchungsführer zu haben. Auch über die Besoldungsgruppe - A 14 oder A 15 - könnte man sprechen. Wir haben aber insoweit grundsätzliche Bedenken, als es sich hier um Stellen handelt, die bei den Disziplinarkammern ausgewiesen sind, die also in gewissem Sinne richterliche Stellen sind.
({0})
Es ist nicht gut, wenn bei einer Disziplinarkammer zweierlei Arten von Beamten tätig sind: die einen, die weisungsgebunden sind, und die anderen, die nicht weisungsgebunden sind.
Wir beantragen deshalb, daß diese zwei Stellen - ich gehe von der Vorlage des Haushaltsausschusses aus - gestrichen werden. Es wird dem Innenministerium möglich sein, innerhalb seines eigenen Hauses zunächst diese zwei Stellen zur Verfügung zu stellen. Wenn sie unbedingt nötig sind, steht es dem Innenministerium ja frei, sie für das nächste Haushaltsjahr zu beantragen.
({1})
Wird das Wort gewünscht? - Bitte, Herr Staatssekretär.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe aus der Begründung des Antrags gehört, daß das Bedürfnis für die beiden Stellen nicht bestritten wird. Bisher waren im Haushalt für die Verwaltungsgerichtsdirektoren und Regierungsdirektoren 9 Stellen ausgebracht. Wie erwähnt worden ist, sollten 2 Stellen, nämlich 2 StelStaatssekretär Dr. Anders
len für Regierungsdirektoren, für die hauptamtlichen Untersuchungsführer sein. Es hat sich nicht als ratsam erwiesen, die Untersuchungsführer im allgemeinen von den obersten Dienstbehörden zu nehmen, sondern es ist ratsamer, mit derartigen Untersuchungen, besonders wenn es sich um große Untersuchungen handelt, hauptamtlich bestellte Untersuchungsführer zu betrauen. An sich bestehen nun keine grundsätzlichen Bedenken, diese Untersuchungsführerstellen auch bei den Disziplinarkammern auszubringen.
({0})
Ich möchte noch erwähnen, daß gerade im Strafverfahren letztlich die Untersuchungsrichter sogar Mitglieder der betreffenden Gerichte sind.
Immerhin wird geprüft werden können, ob diese Stellen in Zukunft statt bei den Disziplinarkammern etwa bei der Verwaltungsstelle des Bundesministeriums des Innern in Köln, dem künftigen Bundesverwaltungsamt, unterzubringen sind. Dazu bedarf es aber dieser Stellen. Sie können nicht einfach gestrichen werden, sondern man könnte, wie gesagt, allerhöchstens vorsehen, daß diese Stellen statt bei den Bundesdisziplinarkammern bei der Bundesverwaltungsstelle in Köln ausgebracht werden. Wenn das in diesem Haushalt noch nicht geschieht, böte vielleicht der § 14 des Haushaltsgesetzes, der demnächst beraten werden wird, die Möglichkeit, diese Stellen innerhalb des Einzelplans auf das Bundesverwaltungsamt, das dann
hoffentlich stehen wird, zu übertragen.
({1})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Änderungsantrag Umdruck 255 ({0}) Ziffer 4 zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Auf Grund einer interfraktionellen Vereinbarung werden die Anträge Umdruck 255 ({1}) Ziffern 5, 6 und 7 erst morgen behandelt werden. Erhebt sich Widerspruch? - Das ist nicht der Fall.
Dann rufe ich auf den Änderungsantrag Umdruck 255 ({2}) Ziffer 8. Wer begründet ihn? - Das Wort hat Frau Abgeordnete Korspeter.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Unter Ziffer 8 des Umdrucks 255 ({0}) beantragt meine Fraktion, in Kap. A 06 02 Tit. 580 50 Millionen DM als Darlehen zur Deckung des Nachholbedarfs der Krankenanstalten einzusetzen.
Die schwierige wirtschaftliche Situation der Krankenhäuser und die Notwendigkeit ihrer Sicherung wurden im vergangenen Jahr auf dem Ersten Deutschen Krankenhaustag unüberhörbar an die Öffentlichkeit und an die Verantwortlichen herangetragen und als ein besonders dringliches Problem angesprochen. Ich darf daran erinnern, daß meine Fraktion im Anschluß an diesen Krankenhaustag zum Abschloß der Etatberatungen des vergangenen Jahres einen Antrag eingebracht hat, in dem sie drei Forderungen erhob. Erstens sollte bis zum 1. Oktober 1958 der bereits durch Beschluß des Bundestages vom 24. Mai 1957 angeforderte Bericht über die Lage der öffentlichen, karitativen und privaten Krankenanstalten vorgelegt werden. Zweitens sollte gemäß Art. 120 des Grundgesetzes der Entwurf eines Gesetzes über die Gewährung von Zuschüssen an die Träger der Sozialversicherungen zur Deckung der Fehlbeträge vorgelegt werden. Drittens sollte der Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Rechnungsjahr 1958 vorgelegt werden, durch den die Ausgaben gemäß Ziffer 2 veranschlagt werden sollten.
Dieser Entschließungsantrag der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion wurde dem Sozialpolitischen Ausschuß als federführendem Ausschuß überwiesen. Er konnte aber bedauerlicherweise noch nicht behandelt werden, da das Bundesinnenministerium bislang nicht in der Lage war, dem Ausschuß einen endgültigen Bericht vorzulegen. Im Gegenteil, der Sozialpolitische Ausschuß mußte sich leider mit einem Zwischenbericht vom 10. April 1959 zufriedengeben.
Wir wollen gar nicht verkennen - und ich möchte dem Herrn Bundesinnenminister das hier sehr deutlich sagen -, daß sich die Erhebungen, da auch das Bundeswirtschaftsministerium zur Überprüfung der Pflegesätze eingeschaltet ist, sicher schwierig und zeitraubend gestalten. Ich glaube aber doch eines sagen zu müssen: wir sollten es eigentlich alle bedauern, daß eine Frage, die uns so sehr auf den Nägeln brennt, noch nicht zum Abschluß gebracht werden konnte. Wie dringend sie ist, beweist die Erklärung der Stadt München, die sich laut Pressemeldungen gezwungen gesehen hat, den Krankenhausnotstand für die Stadt München zu verkünden und Land und Bund um eine gemeinsame Hilfe zu bitten.
Bei diesem Notstand der Krankenhäuser handelt es sich um zwei Probleme. Einmal geht es um die Höhe des Pflegesatzes und die Kostendeckung. Die diesbezügliche Überprüfung wird jetzt auf Grund unseres Antrages vom vorigen Jahr vorgenommen, und wir haben an den Herrn Bundesinnenminister die große Bitte, dafür zu sorgen, daß sie möglichst schnell abgeschlossen wird, damit der Sozialpolitische Ausschuß diese Frage abschließend behandeln kann.
Darüber hinaus handelt es sich hierbei um die Finanzierung des Nachholbedarfs der Krankenhäuser. Dieser Nachholbedarf bezieht sich nicht nur auf die Gesamtzahl der Krankenhausbetten, sondern auch auf die Rationalisierung und Anpassung vorhandener Krankenhauseinrichtungen an den neuesten Stand der Wissenschaft und der medizinischen Erkenntnisse. Diesem Nachholbedarf kann, wie der Herr Sozialminister von Niedersachsen, Herr Dr. Diederichs, auf der Gesundheitsminister-Konferenz in München ausgeführt hat, nicht allein durch die Wiederherstellung des Status von 1939 begegnet
werden. Vielmehr muß zugleich der Veränderung des Bevölkerungsaufbaus und des Altersaufbaus durch Zuzug von Vertriebenen und SBZ-Flüchtlingen sowie der Gewährung eines Rechtsanspruchs auf Krankenhauspflege Rechnung getragen werden. Allen Sachverständigen ist klar, daß die Mittel zur Deckung des Nachholbedarfs durch die Pflegesätze nicht aufgebracht werden können. Darum ist es sicher ein gewisser Fortschritt - auch das möchte ich dem Herrn Innenminister sagen -, daß er in Aussicht genommen hat, in den Haushaltsplänen der Jahre 1960 bis 1963 Mittel für eine teilweise Deckung des Nachholbedarfs der freien gemeinnützigen Krankenanstalten in Form unverzinslicher Darlehen bis zu einer Höhe von insgesamt 100 Millionen DM unterzubringen, und zwar erstmals für das Rechnungsjahr 1960 25 Millionen DM. Ich sagte, das sei gegenüber der augenblicklichen Situation ein gewisser Fortschritt. Aber gleichzeitig muß ich im Auftrage meiner Fraktion sagen, daß es uns angesichts der Not der Krankenhäuser nicht genügt. Wir sind im Gegenteil der Meinung, daß bereits in diesem Rechnungsjahr Mittel für diesen Zweck eingesetzt werden sollten. Wir können eigentlich nicht einsehen, warum die Bundesregierung angesichts der großen finanziellen Not der Krankenhäuser nicht von sich aus diese Mittel schon in diesem Haushaltsjahr zur Verfügung stellt.
Wenn man die Erklärung der Stadt München liest, wonach die ärztliche Versorgung beispielsweise der Münchener Bevölkerung in den Krankenhäusern ernstlich gefährdet ist, muß man zu der Überzeugung kommen, daß auf diesem Gebiet so schnell wie möglich geholfen werden muß, zumal da bekannt ist, daß München nicht etwa ein Einzelbeispiel ist.
Darüber hinaus sind wir der Meinung, daß die Mittel zu verdoppeln sind, daß also 50 Millionen DM in den Etat eingesetzt werden sollten, um nicht nur den freien, gemeinnützigen Krankenanstalten diese Hilfe zukommen zu lassen, sondern auch den kommunalen Krankenanstalten, um wirklich den tatsächlichen Erfordernissen gerecht zu werden. Unserer Ansicht nach ist es nicht gerechtfertigt, diese Hilfe nur einem Teil der Krankenanstalten zu geben, den anderen Teil aber von dieser finanziellen Hilfe auszuschließen. Wir wissen nämlich - und das Beispiel München beweist es uns deutlich -, daß auch die kommunalen Krankenhäuser mit ihrem Krankenhausnotstand nicht allein fertig werden können.
Darüber hinaus ist uns allen bekannt, daß auch die Länder dieser Notlage nicht Herr werden können. Wir sind deshalb der Meinung, und wir finden diese Meinung weitestgehend in den Kreisen der Sachverständigen bestätigt, daß der Bund etwas Grundlegendes in der Hilfe für alle Krankenhäuser tun sollte.
Im übrigen darf ich darauf hinweisen, daß auch die Länder - ich weiß es beispielsweise von Niedersachsen genau, und ich nehme an, daß es auch in den anderen Ländern so gehandhabt wird - bei ihren Zuschüssen an die Krankenhäuser nicht danach fragen, ob sie einen kommunalen oder einen karitativen Träger haben. Im Gegenteil, die Länder haben, soweit es in ihren Kräften steht, unterschiedslos allen Krankenanstalten geholfen. Die Länder helfen also den Krankenhäusern als Einrichtungen, nicht aber bestimmten einzelnen Trägern. Deshalb ist nicht verständlich, daß der Bund von dieser bereits in den Ländern geübten Praxis abweichen will.
Der Bund kann es sich nach unserer Meinung einfach nicht gestatten, an diesem Problem vorüberzugehen; denn die Krankenhäuser sind nur dann in der Lage, alle Heilungsmöglichkeiten für den kranken Menschen einzusetzen, wenn sie finanzielle Hilfe erhalten.
Meine Damen und Herren, auf dem Ersten Deutschen Krankenhaustag im vergangenen Jahr war auch der Herr Bundeskanzler zugegen. Seine Anwesenheit und, ich glaube, auch die von ihm dort gemachten Ausführungen haben Hoffnungen auf die Hilfe des Bundes erweckt. Ich nehme auch an, daß die Worte des Präsidenten des Deutschen Städtetages, des Herrn Bürgermeisters Dr. Schwering, besonders an die Adresse des Bundes gerichtet waren. Er sagte nämlich zum Schluß: Helfen Sie den deutschen Krankenhäusern, helfen Sie gründlich, und vor allen Dingen helfen Sie bald! Seitdem ist ein Jahr vergangen. Wir schließen uns den Worten des Herrn Dr. Schwering an, und wir wären Ihnen sehr dankbar, wenn Sie unserem Antrag entsprächen.
({1})
Meine Damen und Herren, mir wurde soeben mitgeteilt, daß die Diskussion dieses Antrags auf Grund einer interfraktionellen Vereinbarung erst morgen in Anwesenheit des Herrn Ministers stattfinden soll. Kein Widerspruch? -({0})
- Das tut mir leid.
({1})
- Herr Abgeordneter Lenz, Sie haben vollkommen recht mit Ihrer unüberhörbaren Kritik.
({2})
Ich denke, wir sind heute nach diesem langen Disput
({3})
alle miteinander milde gesonnen, und wir sehen uns auf beiden Seiten alles nach; wir haben uns schon vieles nachgesehen, habe ich den Eindruck.
Meine Damen und Herren, wir können über diesen Einzelplan jetzt also nicht abstimmen. Wir vertagen die weitere Diskussion auf morgen vormittag.
Ich rufe auf:
Einzelplan 07
Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz ({4}) .
Vizepräsident Dr. Schmid
Ich bitte den Herrn Berichterstatter, Herrn Abgeordneten Dr. Schäfer, das Wort zu nehmen.
({5})
- Sie verzichten. Das Haus ist mit dem Verzicht einverstanden. Änderungsanträge liegen nicht vor. Der Antrag des Ausschusses geht dahin, den Entwurf nach der Vorlage anzunehmen.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. - Herr
Abgeordneter Schäfer!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben in diesem Hause vor einigen Monaten eine Justizdebatte gehabt. Ich darf mich deshalb heute bei meinen Ausführungen auf eine Betrachtung der Arbeitsweise des Justizministeriums in bezug auf das Deutsche Patentamt beschränken. Damit bei meinen Ausführungen kein Mißverständnis entsteht, darf ich vorweg feststellen: die Leistung des Deutschen Patentamtes und seiner Bediensteten verdient die Anerkennung dieses Hauses.
Was beim Deutschen Patentamt änderungsbedürfig ist, was an Versäumnissen festgestellt wurde, geht allein auf das Bundesjustizministerium zurück. Es genügt nicht, dem Deutschen Patentamt einen Neubau zu errichten und es darin einziehen zu lassen; es sind vielmehr eine ganze Anzahl rechtlicher Änderungen notwendig, aber das Justizministerium hat sie bis heute nicht in die Wege geleitet.
Das Verfahren, nach welchem heute in Deutschland die Patente erteilt werden, ist so alt wie das Patentamt selbst, nämlich 81 Jahre.
({0})
- Das Verfahren ist gut, es ist gründlich, aber
nicht mehr zeitgemäß. Daß es nicht mehr zeitgemäß ist, sieht man daran, daß es von der Anmeldung eines Patents bis zur Erteilung normalerweise drei Jahre braucht, und dabei hat ein Patent erfahrungsgemäß nur sechs Jahre wirtschaftlichen Wert. Man sieht es auch daran, daß am 31. Oktober letzten Jahres über 160 000 Patentsachen beim Patentamt anhängig waren. Bei der Gebrauchsmusterstelle waren es über 87 000 Anträge.
Das Justizministerium hat in den letzten Jahren immer wieder den Antrag gestellt, das Personal zu vermehren. Auch dieses Jahr ist der gleiche Antrag gestellt worden, obwohl man im Justizministerium weiß, daß mit einer Personalvermehrung dem Problem überhaupt nicht mehr beizukommen ist.
In der Literatur sind verschiedene Wege aufgezeigt worden, wie ein neues Verfahren geschaffen werden kann. Der Herr Staatssekretär im Bundesjustizministerium hat sich wiederholt öffentlich zu diesen Fragen geäußert. Der damalige Bundesjustizminister hat 1954 erklärt, daß es nicht so weitergehen könne und man ein neues Verfahren entwickeln müsse. Aber trotz dieser Erkenntnisse ist bis heute nicht viel geschehen. Auf jeden Fall hat sich das Ministerium bis jetzt nicht dazu durchgerungen, diesem Hause einen Entwurf zuzuleiten. Über Diskussionsbeiträge ist man offensichtlich nicht hinausgekommen. Man ist sich einig, daß das Patentamt mit nunmehr 2000 Bediensteten seine Aktionsfähigkeit nicht vergrößern kann. Dennoch fordert man mehr Personal, und dennoch macht man keine Anstalten, die Arbeit zu erleichtern.
Das Problem ist verhältnismäßig einfach. Die Zahl der Anmeldungen steigt. Der einzelne Prüfer, der festzustellen hat, ob innerhalb der letzten hundert Jahre diese Patentanmeldung irgendwo veröffentlicht ist, hat einen immer größer werdenden Prüfstoff, was dazu führt, daß er nur halb soviel Anmeldungen bearbeiten kann wie Prüfer in früheren Zeiten. Da bietet sich aus den Erfahrungen mit Amerika und anderen Ländern die Lösung an, Dokumentationszentren zu schaffen. Es zeugt von einem echten Versäumnis, wenn das Justizministerium, wie man hört, jetzt, im Jahre 1959, erstmals zwei Beauftragte nach Amerika geschickt hat, die dort studieren sollen, wie überhaupt eine Dokumentationszentrale aufzubauen wäre. Von einer Dokumentationszentrale des Deutschen Patentamtes würden erhebliche Impulse ausgehen können. So, wie es derzeit ist, ist es vollkommen falsch: Die Industrie hat sich damit geholfen, Teil-Dokumentationszentralen einzurichten. Das Patentamt benutzt diese Teil-Dokumentationszentralen der chemischen Industrie oder anderer Industrien, statt daß diese Industrien beim Patentamt anfragen könnten und ihrerseits eine verbindliche Auskunft erhielten. Hier ist wirklich ein Versäumnis zu beklagen. Es ist bedauerlich, daß das Justizministerium weder auf desem Gebiet noch durch Vorlage einer Reform des Patentrechts eine Initiative entfaltet hat.
Es kommt ein weiteres Versäumnis hinzu. Seit einigen Jahren ist strittig, ob das Patentamt Gericht oder Verwaltungsbehörde ist. Der Streit ist im Anschluß an Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes zwangsläufig entstanden. In einem Rechtsstaat kann man von der Regierung erwarten, daß sie solche Zweifelsfragen notfalls im Wege einer Gesetzesvorlage klärt und es nicht darauf ankommen läßt, wie die Gerichte entscheiden. Das Justizministerium als oberstes Justizpflegeorgan beschränkt sich darauf, abzuwarten, wie das Bundesverwaltungsgericht bzw. das Bundesverfassungsgericht diese Frage entscheidet. Das Risiko dieser Entscheidung mit ihrer weittragenden wirtschaftlichen Auswirkung überläßt es den einzelnen Firmen bzw. dem einzelnen Bürger.
Schon bei der Justizdebatte ist ganz kurz die Frage der Geheimpatente berührt worden. Das Justizministerium vertritt da einen sehr eigenartigen Standpunkt. Obwohl die Frage hier angeschnitten worden ist, hat man im Justizministerium keinen Anlaß gesehen, eine Vorlage dazu zu machen. Die Lage ist folgende. Das Patentgesetz sieht in § 30 vor, daß die Erteilung eines Geheimpatents nur für den Bund möglich ist. Wenn nun ein privater Erfinder ein Patent anmeldet, dann schickt das Patentamt entgegen allen Vorschriften, nach Richtlinien, die es sich selber gegeben hat, diese Patentanmeldung an das Bundesverteidi3746
gungsministerium, das keineswegs für die Bearbeitung zuständig ist. Stellt das Bundesverteidigungsministerium fest, daß es sich um eine Angelegenheit handelt, deren Geheimhaltung für Interesse der Verteidigung liegt, so ist der anmeldende Erfinder praktisch enteignet. Denn diese Feststellung bedeutet, daß die Erfindung unter § 99 des Strafgesetzbuches fällt, d. h. daß sie nicht veröffentlicht werden und niemandem mitgeteilt werden darf. Die Entscheidung liegt praktisch bei einer internen Stelle des Bundesverteidigungsministeriums, - ein Verfahren, das für einen Rechtsstaat sonderbar ist
Es besteht dann theoretisch die Möglichkeit, daß der Bund als treuhänderischer Verwalter eintritt und dadurch eine Anmeldung erreicht. Aber eine Auswertung oder eine Entschädigung für den Betreffenden ist damit nicht zwangsläufig verbunden. Die Begründung, die das Justizministerium gibt, erscheint recht gesucht. Es sagt nämlich, nach den Grundsätzen des übergesetzlichen Notstandes und der Güterabwägung müsse der Erfinder für den Staatsschutz, den er auch für sich selber in Anspruch nehme, dieses Opfer bringen. Das ist eine vollkommen falsche Vorstellung. Denn derjenige, der dieses Opfer bringt, hat dann mindestens einen Entschädigungsanspruch für eine sogenannte Aufopferung. Wir meinen also, das Bundesjustizministerium sollte möglichst bald eine Novelle vorlegen, die einen Schutz der Geheimpatente ermöglicht.
In dem Zusammenhang sei noch von einer sehr bedenklichen Erscheinung gesprochen. Das Justizministerium hat am 14. November 1957 ein Schreiben an die Patentanwälte gerichtet, in dem es heißt:
Zum Schutze von Patenten und Patentanmeldungen, die Staatsgeheimnisse betreffen, sind Sicherheitsvorkehrungen auch im Bereich der Patentanwaltschaften notwendig.
Es wird dann eine Überprüfung der Patentanwälte in Aussicht gestellt, und es geht weiter:
Soweit der Patentanwalt nicht damit einverstanden ist, dürfen ihm die Anmeldungsunterlagen nicht ausgehändigt werden.
Ein sehr bekannter Patentanwalt in Deutschland schreibt uns dazu wörtlich folgendes:
Als ein weiterer Ausfluß dieser durch kein Gesetz gestützten willkürlichen Maßnahmen ergibt sich jetzt die Aufforderung an die Patentanwälte, sich und ihr gesamtes Büro durch die geheime Staatspolizei überprüfen zu lassen. Aus der Aufforderung geht gleichzeitig hervor, daß beabsichtigt wird, Listen überprüfter Patentanwälte anzulegen, diese Listen ausländischen Firmen zugänglich zu machen und damit Einfluß darauf zu nehmen, daß Erfindungen Dritter, die nach Ansicht des Verteidigungsministeriums geheimgehalten werden müssen, ohne Erfüllung der Vorschriften des Gesetzes, nämlich Übernahme durch den Staat, gesetzwidrig geheimgehalten und die
sich gegen solche Ungesetzlichkeiten stellenden Patentanwälte ausgeschaltet werden können.
Man hat für diese Dinge nicht nur hier eine Begründung, sondern auch sonst immer eine Begründung bereit, und die heißt „NATO-Geheimhaltungsvorschriften". Das ist die Ausrede für alle diese Maßnahmen, sei es im Justizministerium, sei es in anderen Ressorts.
Ich darf zusammenfassend folgendes feststellen. Es kommt nahezu dem Versagen des Rechtsschutzes gleich, wenn ein normales Patentverfahren heute drei Jahre dauert. Es ist eine Vernachlässigung der ministeriellen Aufgaben, wenn die Klärung über die Rechtsnatur des Verfahrens bis heute nicht erfolgt ist. Es ist eine Mißachtung des Rechts des Erfinders, wenn ihm auf Grund des § 99 des Strafgesetzbuches sein Patent ohne ein Verfahren entschädigungslos enteignet wird. Es ist ein bedenklicher Eingriff in die Freiheit der Anwaltschaft, wenn eine Überprüfung und laufende Überwachung erfolgt. Es sind lauter Maßnahmen oder Versäumnisse, die in einem Rechtsstaat unmöglich sein sollten und die ganz besonders schwer wiegen, wenn sie im Bereich des Justizministeriums erfolgen.
Meine Damen und Herren, Sie werden verstehen, daß wir dem Haushaltsplan eines Ministeriums, das von einem Minister geführt wird, der die Todesstrafe für politische Delikte fordert, der ein sehr zweifelhaftes Ehrenschutzgesetz vorlegt, der ein Gesetz gegen die Volksvertretung vorlegt, das ein Sonderrecht schafft, unsere Zustimmung nicht geben können.
({1})
Das Wort hat der Staatssekretär Dr. Strauß.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es war an sich bei der Justizdebatte im Januar vorgesehen, daß wir uns auch über die Patentamtsfragen unterhalten wollten; das ist aus Zeitmangel unterblieben. Ich nehme an, daß wir jetzt eine Art Fortsetzung der Justizdebatte mit Bezug auf das Patentamt führen werden. Dennoch werde ich mich bemühen, mich mit Rücksicht auf die Zeit so kurz wie nur möglich zu fassen.
Zusammengefaßt, gehen die Vorwürfe des Herrn Abgeordneten Dr. Schäfer dahin - und das ist ein schwerer Vorwurf -, daß das Bundesjustizministerium in bezug auf das Patentamt und das Patentverfahren seine Pflicht versäumt habe. Da ich mich selbst für den Aufbau des Patentamtes und für das Ingangbringen des Patentschutzes nach dem Zusammenbruch in Deutschland verantwortlich fühle, darf ich meinerseits mit der Feststellung beginnen, daß ich diesen Vorwurf für durchaus unberechtigt h alte.
Sie haben erklärt, Herr Abgeordnter Dr. Schäfer, das vor über 80 Jahren geschaffene - und seitdem übrigens wiederholt überprüfte und revidierte Staatssekretär Dr. Strauß
Patentverfahren sei veraltet und nicht mehr zeitgemäß. - Nun, es ist in der Tat nicht nur bei dem Patentgesetz, sondern bei vielen Gesetzen bewundernd festzustellen, was unsere Vorgänger in den siebziger und achtziger Jahren an Würfen in die Zukunft mit ihren Gesetzen geschaffen haben, auch wenn die Tatbestände damals hinsichtlich ihrer zukünftigen Entwicklung gar nicht einmal so übersehbar waren. Ich gebe zu, daß ich stets mit Zögern an eine Reform klassischer deutscher Gesetze herangehe.
({0})
Dennoch sind solche Reformen nötig. Aber auch dann muß die Reform mit größter Exaktheit und mit langem Atem und Geduld vorbereitet werden.
Wir haben auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes bereits in der Zeit des Frankfurter Wirtschaftsrates zu unserer Beratung und um uns die Möglichkeit der Aussprache über diese Fragen mit sämtlichen beteiligten Kreisen zu schaffen, eine ständige Kommission für den gewerblichen Rechtsschutz gebildet, die 1949 als Kommission des Bundesjustizministeriums ihre Tätigkeit aufnahm und bis heute fortgesetzt hat. Unter den nicht wenigen Gesetzen - ich bedauere, daß es nicht weniger waren; ich wünschte, es wären weniger gewesen -, die das Bundesjustizministerium seit 1949 dem Hohen Hause hat vorlegen müssen, befand sich keins, das nicht vorher mit dieser Kommission beraten worden war.
Ich behaupte, daß die Grundzüge unseres Verfahrens auch heute noch vollkommen brauchbar und bewährt sind, und berufe mich für diese Behauptung auf das Zeugnis des gesamten Auslands. Im Ausland gilt das deutsche Patentverfahren, das bekanntlich ein Prüfungsverfahren ist, und das deutsche Patent als solches als eines der besten - wenn nicht das beste der Welt. Das zeigt sich in den Anmeldungen ausländischer Erfinder, die häufig sogar die Erstanmeldung bei dem deutschen Patentamt vornehmen, bevor sie das Patent bei dem Patentamt ihres Heimatstaates anmelden.
Die Schwierigkeiten und Mißstände, Herr Abgeordneter Dr. Schäfer, die seit Wiedereröffnung des Patentamtes am 1. Oktober 1949 - es war die erste Bundesoberbehörde, die ihre Tätigkeit aufnahm, weil wir das in der Frankfurter Zeit entsprechend vorbereitet hatten - aufgetreten sind, sind zeitlich bedingte Folgen des Zusammenbruchs und des Stillstands der Tätigkeit des Patentamts, der über vier Jahre dauerte. Das hat dazu geführt, daß ein Stau von Patentanmeldungen entstanden war, und die Aufarbeitung dieses Staus erschwert bis heute die Geschäftslage des Patentamtes.
Ich will auch einräumen, daß wir einen Fehler gemacht haben, Herr Dr. Schäfer, und zwar auf Drängen der deutschen gewerblichen Wirtschaft. Vielleicht sind wir damals nicht energisch genug gewesen. Wir hatten als Übergangsmaßnahme ein vereinfachtes Verfahren mit einer zusätzlichen Einspruchsmöglichkeit vorgesehen und hätten wahrscheinlich gut getan - warum soll ich das nicht zugeben? -, dieses Verfahren noch ein, zwei Jahre festzusetzen. Das Patentamt selbst war anderer
Meinung und wollte aus Anhänglichkeit an das alte Verfahren frühzeitig zu dem vollständigen Prüfungsverfahren zurückkehren. Ich bin zufällig vorige Woche in München gewesen und habe gerade die Frage der Geschäftslage mit der Leitung des deutschen Patentamtes erörtert. Wir haben jetzt zum ersten Mal das Gefühl, daß wir uns auf festem Boden befinden. Woran liegt das? Das liegt daran, daß wir glauben, mit dem personellen Aufbau bei den Prüfern jetzt soweit gekommen zu sein, daß eine entsprechende Zahl von Prüfern normal arbeitsfähig geworden ist. Sie dürfen doch nicht vergessen - entschuldigen Sie, wenn ich auf soviel Details komme -, daß die übergroße Mehrheit der Prüfer schon im Hinblick auf den vor dem Kriege vorhandenen ungünstigen Altersaufbau im Patentamt erst nach 1949 als Anlernlinge eingestellt wurde. Erfahrungsgemäß dauert es zweieinhalb bis drei Jahre, ehe ein neu eingestellter Prüfer die Normalzahl der Erledigungen erreicht. Aus diesem Grunde -- das werden mir die Mitglieder des Haushaltsausschusses bestätigen - haben wir bewußt allmählich aufgebaut.
Sie haben mir vorgeworfen - denn ich muß diese Vorwürfe auf mich beziehen, weil ich hierfür verantwortlich gewesen bin -, daß ich mit immer neuen Personalanforderungen käme. Das ist faktisch unzutreffend. Ich habe mich im Gegenteil seit Jahren mit Erfolg dagegen gewehrt, die Zahl der Prüfer zu vermehren, die, wenn ich sie genau im Kopf habe, 530 beträgt.
Was ich Jahr für Jahr gefordert habe und letztmalig, glaube ich, für das Haushaltsjahr 1960 fordern werde, ist die Vermehrung der Beschwerdesenate. Denn erst mit noch einem Beschwerdesenat, den wir für 1960 fordern werden, werden wir die Zahl der Beschwerdesenate von vor dem Kriege wieder erreichen. Gerade durch das vereinfachte Verfahren der ersten Jahre nach der Wiedereröffnung des Patentamtes und die Einspruchsmöglichkeit ist eine Überbelastung der Beschwerdesenate eingetreten.
Umgekehrt konnte ich - uni mich gegen Angriffe nach der entgegengesetzten Richtung zu verteidigen - die Zahl der Beschwerdesenate nicht schneller vermehren; denn auch hierfür mußten erst allmählich die Prüfer, insbesondere die neueingestellten, den Erfahrungsschatz erwerben, der es ermöglicht, sie in die zweite Instanz zu setzen. Soweit sind wir jetzt.
Ich glaube, daß wir allmählich zu einem Rückgang des Staues kommen werden. Entgegen Ihrer Mitteileng hat die Zahl der Anmeldungen in den letzten beiden Jahren nicht mehr zugenommen. Das stellt jedoch keine Beruhigung dar. Die Entwicklung verläuft bekanntlich wellenförmig. Man kann sich nicht darauf verlassen, daß der abfallende Trend anhält; er kann ebensogut wieder einem ansteigenden Trend weichen.
Wir sehen gewisse Verfahrensreformen als vordringlich an. Sie können die Frage an uns richten: Warum habt ihr noch nichts eingebracht? Das liegt daran, daß inzwischen die Rechtsstellung des Patent3748
amtes streitig geworden ist, eine Frage, die im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu entscheiden ist. Wir haben bewußt abgewartet, bis ein grundsätzliches klärendes Urteil ergeht.
Wir wollten nicht - das hätten wir tun können; aber ich glaube, Sie wären dann mit uns nicht zufrieden gewesen - zwei, drei fragmentarische Einzelgesetze zum Patentrecht einbringen. Wir haben aber bereits einen Gesetzentwurf vorbereitet, der dem Hohen Hause ungefähr in der Zeit um Weihnachten zugehen wird; ob vor Weihnachten oder unmittelbar nach Weihnachten, läßt sich noch nicht genau überblicken. Bevor ich noch einmal auf die Rechtsstellung des Patentamtes komme, darf ich Ihnen mitteilen, daß darin gewisse verfahrensrechtliche Vorschriften enthalten sein werden, die Reformen darstellen. Vor allen Dingen wird darin eine Regelung der Rechts- d. h. auch der Entschädigungsfolgen der Geheimpatente enthalten sein; hinsichtlich der Notwendigkeit stimme ich hier mit Ihnen völlig überein. Wir hatten entsprechende Vorschriften bereits im 1. Bundestag vorgeschlagen und dem Entwurf des 5. Überleitungsgesetzes eingefügt. Sie sind aber dann gegen Schluß der Wahlperiode bei der Verabschiedung dieses Gesetzes nicht mehr angenommen worden. Ich glaube, daß ich deswegen darauf verzichten kann, jetzt näher auf die Frage der Geheimpatente einzugehen.
Die Rechtsstellung des Patentamtes konnten wir keineswegs in Vorwegnahme der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch ein Gesetz zu regeln versuchen, denn dieses Gesetz wäre kein Hindernis für eine unter Umständen abweichende Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts gewesen. Worauf es uns ankommt - das werden Sie als juristischer Kollege verstehen und zu würdigen wissen -, sind, gleichgültig wie die Entscheidung fällt, die Gründe des Urteils. Diese Gründe beeinflussen den Gesetzentwurf, den wir Ihnen vorlegen werden. Aber ich kann Ihnen verraten, daß wir bereits für alle möglichen Eventualitäten der Entscheidungsgründe die notwendigen Ausarbeitungen für den künftigen Gesetzentwurf gemacht haben. Ich kann Ihnen weiter etwas Tröstliches mitteilen. Die mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, bei der wahrscheinlich am gleichen Tage das Urteil ergehen wird, wenngleich die Urteilsgründe nicht sofort vorliegen werden, steht in der nächsten Woche an. Wir werden heute über eine Woche in dieser Frage vermutlich schon klüger oder gar weiser sein.
Mein Interesse, Herr Dr. Schäfer, an den Folgen der zunehmenden Erweiterung des Prüfstoffs ist Jahre alt; jedenfalls habe ich mir darüber mit unseren Herren, mit unserer Kommission und mit den Vertretern der gewerblichen Wirtschaft schon jahrelang den Kopf zerbrochen. Ich habe frühzeitig Mittel zur Arbeit an dem Problem der Dokumentation beantragt; sie sind mir mehrere Jahre hindurch abgelehnt worden. Des weiteren haben wir alle deutschen wissenschaftlichen Untersuchungen gefördert und an allen Tagungen, die sich mit diesem nicht nur für Deutschland, sondern für die gesamte Welt brennenden Problem des Patentwesens beschäftigten, teilgenommen; wir haben sie zu fördern versucht, wo wir konnten. Wir sind nicht in der angenehmen Lage wie das Patentamt in Washington, das dauernd einen Stab von 18 oder 19 höheren Beamten, wie wir sagen würden, mit diesen Fragen beschäftigt. Zu praktisch brauchbaren Ergebnissen - und das war für uns das Wichtigste - ist man in Washington auch noch nicht gekommen. Diese Dinge müssen auf internationaler Ebene weiter untersucht werden. Wir fürchten - und damit befinden wir uns in Übereinstimmung mit dem Bundesrechnungshof - vor allem, daß uns ein technisch-maschinell falscher Ansatz Millionen kosten würde. Wir dürfen den Ansatz erst dann versuchen, wenn die technischen Voraussetzungen einer für diesen Zweck brauchbaren Dokumentation geschaffen sind. Das ist heute noch nicht der Fall. Ich bitte Sie aber, meiner Versicherung zu glauben, daß ich an dieser Frage genauso interessiert bin wie Sie.
Ich darf noch, damit mir nicht der Vorwurf gemacht wird, daß ich ausweiche - es darf aber wohl die letzte Frage sein -, auf die Frage der Überprüfung von Patentanwälten, die sich mit Geheimpatenten der NATO-Art beschäftigen wollen, eingehen. Ich bin nicht der Meinung, daß Ihre Angabe zutrifft, es sei nur eine bequeme Ausrede mit der NATO. Das ist für uns eine äußerst unangenehme Aufgabe, der wir uns durchaus nicht entziehen können. Wir sind international dazu verpflichtet und haben diese Aufgabe nicht von hoher Hand polizeilich durchgeführt, sondern uns laufend im engsten Benehmen mit der Organisation der deutschen Patentanwaltschaft gehalten. Daß wir taktvoll und richtig handeln, geht auch daraus hervor, daß die Anwälte, die sich gemeldet haben, sich bisher noch niemals über irgendeinen Mißgriff beklagt haben. Wie gesagt, für uns ist es eine höchst unerfreuliche Aufgabe, die wir durchzuführen verpflichtet sind und die wir in einer Weise durchzuführen versuchen, die zwar das sachliche Ergebnis sicherstellt, die aber nicht zu Verstimmungen oder zu irgendwelchen Ressentiments bei den Betroffenen führt. Eine große Anzahl hat sich gemeldet und anstandslos das, was notwendig war, getan, so daß wir bisher glauben, auch auf diesem nicht sehr schönen Gebiet das Richtige getan zu haben.
({1})
Wird das Wort noch gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zur Abstimmung. Wer dem Einzelplan 07 zustimmen will, der gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; Einzelplan 07 ist angenommen.
Ich rufe auf:
Einzelplan 08
Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen ({0}).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Jürgensen. Ich erteile ihm das Wort.
({1})
Vizepräsident Dr. Schmid
- Es wird verzichtet. Ist das Haus einverstanden?
- Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Änderungsanträge liegen nicht vor. Keine Wortmeldunden? - Dann schließe ich die allgemeine Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Einzelplan 08 zustimmen will, der möge die Hand erheben. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; Einzelplan 08 ist angenommen.
Ich rufe auf Einzelplan 09:
Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft ({2}).
Berichterstatter sind Herr Abgeordneter Müller und Herr Abgeordneter Gewandt. Das Wort hat der Abgeordnete Müller.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren. Bei der Beratung des Einzelplans 09 für das Haushaltsjahr 1958 konnte ich ankündigen, daß der Bundesbeauftragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung die Absicht habe, das Bundeswirtschaftsministerium in bezug auf Organisation und Personalbewirtschaftung zu überprüfen. Diese Überprüfung hat im Dezember vorigen Jahres begonnen. Sie konnte aber bis zur Beratung des Haushaltsplans 1959 nicht zum Abschluß gebracht werden. Der Haushaltsausschuß mußte sich demzufolge mit einem vorläufigen mündlichen Bericht begnügen. Unter diesen Umständen war es nicht möglich, den organisatorischen Aufbau und den Personalbedarf des Ministeriums in allen Einzelheiten einer kritischen Betrachtung zu unterziehen.
Bei der Beratung des Stellenplans mußte darauf Rücksicht genommen werden, daß nicht durch Bewilligung neuer Stellen in diesem Jahr die notwendige Bewegungsfreiheit für die Beratung der Personaltitel im nächsten Jahr blockiert wurde. Als vorsorgliche Maßnahme ist die Ausbringung von drei kw-Vermerken bei den B-5-Stellen zu betrachten. Soweit bis jetzt überschaubar, dürfte es bei den bestehenden acht Abteilungen bleiben. Dagegen ist es zweifelhaft, ob die derzeitigen 20 Unterabteilungen erforderlich sind. Endgültige Schlußfolgerungen aus der Überprüfung werden sich erst ziehen lassen, wenn das schriftliche Gutachten des Bundesbeauftragten vorliegt.
Ein besonderes Anliegen des Herrn Ministers war eine bessere Personalausstattung für die Bearbeitung von wirtschaftlichen Fragen der europäischen Zusammenarbeit und die Bereitstellung von neuen Planstellen für die Unterabteilung Energiepolitik. Die Einrichtung dieser 21. Abteilung war bereits im vergangenen Jahr vom Ministerium beantragt, jedoch vom Haushaltsausschuß und vom Plenum nicht bewilligt worden. Nunmehr hat der Haushaltsausschuß keine Bedenken mehr gegen die Einrichtung dieser Unterabteilung, zumal dadurch keine ungünstigen Auswirkungen auf die Auswertung des Gutachtens zu befürchten sind. Vorgeschlagen wird die Genehmigung einer B-5-, also einer Ministerialdirigenten-, und einer A-16-,
Ministerialrats-, Stelle. Der weitere Personalbedarf für diese Unterabteilung soll aus dem Hause gedeckt werden.
An weiteren Personalveränderungen schlägt der Ausschuß vor, der Unterabteilung für Koordinierung der europäischen Handels- und Zahlungspolitik für die Leitung eine B-5- mit der dazugehörigen TO.A-VIb-Stelle zu genehmigen gegen Wegfall einer A-16-Stelle.
Durch Wirksamwerden eines kw-Vermerks ist die B-5-Stelle der Vertretung bei der NATO-Botschaft in Paris in Wegfall gekommen. Nunmehr sollen die Vertretung bei der NATO-Botschaft sowie die Vertretung bei der EWG in Brüssel je mit einer A-16-Stelle ausgestattet werden.
Für Zwecke der Preisprüfung wurden vom Ministerium neun Beamten- und acht Angestelltenstellen erbeten. Der Ausschuß stellte Erwägungen an, ob diese Stellen nicht richtiger in Einzelplan 14 ausgebracht werden sollten, kam aber zu dem Ergebnis, sie im Einzelplan 09 aufzunehmen.
Dem Antrag, aus der Gruppe TO.A acht Angestelltenstellen und aus der Gruppe TO.B zwei Arbeiterstellen in die entsprechende Besoldungsgruppe A umzuwandeln, stimmte der Ausschuß zu. Weitere beantragte sechs Beamten- und zwei Angestelltenstellen sowie die Hebung von zwei Beamtenstellen mußten abgelehnt werden. Abgelehnt wurde ebenfalls der ungewöhnliche Antrag auf Hebung einer Leerstelle von B 5 nach B 8.
Nach diesen Empfehlungen des Ausschusses würden dem Ministerium in diesem Haushalt 23 Beamten- und eine Angestelltenstelle neu bewilligt.
In Kap. 09 02 bedarf der Titel 601 einiger Bemerkungen. Sie sehen aus der Drucksache 1058, daß für den Unterteil 7 dieses Titels ein qualifizierter Sperrvermerk ausgebracht ist. Dieser Sperrvermerk ist nicht gegen die verplanten 100 000 DM ausgebracht, zumal da es sich nicht einmal um eine neue Anforderung handelt; ausschlaggebend war, daß die Verwaltung dem Ausschuß nicht genügend Auskunft geben konnte, wie die Förderung von Maßnahmen und Einrichtungen zur Anpassung der Lehrlingsunterweisung an die technische Entwicklung in der Praxis durchgeführt werden soll. Außerdem konnte sich der Ausschuß nicht damit einverstanden erklären, daß mit Hilfe dieses Ansatzes von 100 000 DM in Wirklichkeit etwa 3 Millionen DM Ausgabenreste verbraucht werden sollten.
Den Begründungen für Erhöhung der Mittel in den Titeln 602 und 606 konnte sich der Ausschuß nicht verschließen.
Die im vergangenen Jahr ausgebrachten 1 Million DM im Titel 604 für Förderung der Rationalisierung, Normung und Formgebung entfallen im neuen Haushalt. Zu Befürchtungen besteht aber kein Anlaß. Die Maßnahmen werden im Rahmen des ERP-Planes weiterhin finanziert.
Bei Tit. 615 war die Mehrheit des Ausschusses für Belassung des Ansatzes von 1958. Zwei Anträge auf Wiederherstellung der Regierungsvorlage finden Sie heute in den Umdrucken 257 und 265,
Müller ({0})
Zu Tit. 712, der erstmalig im Einzelplan 09 enthalten ist, ist zu bemerken, daß bereits im Haushaltsjahr 1958 im Grundsatz Erweiterungsbauten für einige Ministerien beschlossen wurden, darunter auch Dienstgebäude für das Wirtschaftsministerium. In diesem Jahr ist der erste Teilbetrag mit 1 Million DM in Tit. 712 ausgebracht. Es soll mit diesen Anbauten weniger ein Raumbedarf für zusätzliches neues Personal gedeckt werden; die Hauptsorge ist die bessere Unterbringung eines Teiles der Bediensteten, denen einfach aus gesundheitlichen Gründen auf die Dauer die Unterbringung in den bisherigen völlig unzulänglichen Räumen nicht mehr zugemutet werden kann.
Die Sperrung der Mittel für die Errichtung von Triebwerkprüfständen in Tit. 958 erwies sich als erforderlich, weil eine ganze Reihe von Vorfragen über den Aufbau einer neuen Luftfahrtindustrie gestellt sind und geklärt werden müssen.
Nach Bestellung eines zweiten Staatssekretärs beim Wirtschaftsministerium hat der Haushaltsausschuß wie üblich auch einen zweiten Berichterstatter für dieses Ministerium benannt, so daß ich nunmehr dem Herrn Kollegen die Berichterstattung über die weiteren Kapitel des Einzelplans 09 überlassen kann.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Das Wort hat der zweite Berichterstatter, der Abgeordnete Gewandt.
Herr Präsident! Meine ,sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf in Ergänzung des Berichts des Kollegen Müller und des Mündlichen Berichts, der Ihnen auf Drucksache 1058 zugegangen ist, folgendes ausführen.
Kap. 09 03: Physikalisch-Technische Bundesanstalt in Braunschweig. Die Gesamteinnahmen des Kap. 09 03 haben sich von 3 329 100 DM im Haushaltsjahr 1958 auf 3 536 100 DM im laufenden Haushaltsjahr erhöht. Bei den Gesamtausgaben ist ein Rückgang von 18 040 400 DM im Jahre 1958 auf 16 951 000 DM vorgesehen. Dieser Rückgang ist auf eine Herabsetzung der Ansätze bei den einmaligen Ausgaben zurückzuführen. Die bei den einmaligen Ausgaben vorgesehenen Beträge für Bauten wurden nämlich im laufenden Haushaltsjahr nur in Höhe der tatsächlich anfallenden Baukosten eingesetzt.
Die Aufgaben der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Braunschweig und Berlin sind im wesentlichen unverändert geblieben. Im Rahmen der allgemeinen Entwicklung hat sich jedoch ein Ausbau der Abteilung VI - Kernenergie - als dringend notwendig erwiesen.
Während die Einnahmeseite des Kap. 09 03 die ungeteilte Zustimmung des Haushaltsausschusses fand, konnten die auf der Ausgabeseite im Regierungsentwurf vorgesehenen Vermehrungen der Personaltitel nicht die Billigung der Mehrheit des Ausschusses finden. Der Ausschuß war durchaus davon überzeugt, daß im Hinblick auf den erforderlichen Ausbau der Abteilung Kernenergie eine gewisse Vermehrung von Planstellen unvermeidbar sei. Er sah sich jedoch nur in der Lage, Mehranforderungen von Stellen zuzustimmen, soweit diese tatsächlich und ausschließlich mit dem Ausbau der Abteilung Kernenergie zusammenhängen. Das gilt sowohl für beamtete wie auch für nichtbeamtete Kräfte.
Der Haushaltsausschuß hat sich davon überzeugt, daß die Aufgaben der Bundesanstalt, insbesondere auf dem Gebiet der friedlichen Anwendung der Kernenergie, die Durchführung eines dritten Bauprogramms bei der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt erforderlich machen. Auf Grund neuer Strahlenschutzerkenntnisse bei den atomphysikalischen Bauvorhaben ist eine Erhöhung der Gesamtbaukosten gegenüber den Voranschlägen unabweisbar. Der Ausschuß legte jedoch Wert darauf, daß immer nur die tatsächlich im jeweiligen Haushaltsjahr zu erwartenden Baukosten eingesetzt werden.
In Kap. 09 04 nahm der Ausschuß keine Änderung der Regierungsvorlage vor.
Bei der Beratung des Kap. 09 05 - Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft in Frankfurt - wurde im Ausschuß die Frage aufgeworfen, ob ein weiterer Abbau des Amtes vorgenommen werden könne oder aber ob neue Aufgaben an das Bundesamt zu delegieren seien. Von seiten der Regierung und des Bundesrechnungshofes wurde dargelegt, daß durch Fortfall von Aufgaben und durch Rationalisierungsmaßnahmen Kräfte frei geworden seien. Ein weiterer Abbau des Amtes sei jedoch gegenwärtig untunlich, da nach Auffassung des Rechnungshofes verschiedene nicht ministerielle Aufgaben vom Bundeswirtschaftsministerium an das Bundesamt übertragen werden sollten. Von Mitgliedern des Ausschusses wurde die Ansicht vertreten, daß das Bundesamt auch die mit den entwicklungsfähigen Gebieten zusammenhängenden Aufgaben erledigen solle.
Der Haushalt der Bundesstelle für Außenhandelsinformation in Köln - Kap. 09 06 - weist im Abschluß gegenüber dem Vorjahr keine wesentlichen Änderungen auf. Während die Gesamteinnahmen unverändert bei 4300 DM liegen, vermindern sich die Gesamtausgaben von 2 765 300 DM auf 2 709 600 DM. Auch die Aufgabenstellung der Bundesstelle blieb unverändert.
Die Aufgaben der Bundesanstalt für Materialprüfung in Berlin - Kap. 09 07 - werden sich erweitern. Die moderne Wirtschaft ist eine reine Industriewirtschaft. In ihr muß die Sicherheitstechnik große Beachtung finden. Bei entsprechenden Untersuchungen und Erprobungen technischer Materialien und Werkstoffkonstruktionen können sich Großunternehmungen weitaus besser helfen als Betriebe der mittelständischen Wirtschaft. Aus dieser Entwicklung ist die Aufgabenerweiterung der Bundesanstalt hauptsächlich abzuleiten. Um die dringend gebotene Unabhängigkeit der Bundesanstalt zu wahren, kann diese auf die Durchführung eigener Forschungsarbeiten nicht verzichten. Natürlich werden im öffentlichen Bereich auch an anderer Stelle
Aufgaben der Materialprüfung gelöst, so bei den Instituten der Hochschulen und den Materialprüfungsanstalten der Länder. Die Bundesanstalt hat jedoch nicht zuletzt wegen der Erstellung von Obergutachten eine Sonderstellung. Eine Überdeckung von Aufgaben und Arbeiten einzelner Anstalten ist nicht feststellbar.
Das Bundeskartellamt - Kap. 09 08 - ist auf Grund des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vom 27. Juli 1957 mit Sitz in Berlin errichtet worden. Bei der Besetzung der Beamtenstellen des höheren Dienstes ergaben sich Schwierigkeiten, so daß es noch etwa ein Jahr dauern dürfte, bis das Amt voll besetzt ist. Zur Behebung der Schwierigkeiten, das Amt mit qualifizierten Kräften zu besetzen, hatte der Bundesrat empfohlen, die im Entwurf der Bundesregierung vorgesehenen ku-Vermerke zu streichen, da diese die Beförderungsstellen erheblich einschränkten. Die Bundesregierung erklärte ihrerseits, daß die Beamtenstellen, insbesondere die Spitzenstellen beim Kartellamt, im Vergleich zu anderen Bundesbehörden sehr hoch dotiert würden. Lediglich im Hinblick auf die Aufbauschwierigkeiten des Amtes sei eine derart hohe Einstufung vertretbar. Die Mehrheit des Ausschusses schloß sich dieser Aufassung an und meinte, daß sich die personellen Schwierigkeiten beim Aufbau des Kartellamtes durch Verzicht auf die ausgebrachten ku-Vermerke keineswegs beheben ließen.
Die Bundesanstalt für Bodenforschung in Hannover - Kap. 09 09 - hat im Jahre 1958 die geologischen Bundesaufgaben übernommen, die bis dahin das niedersächsische Amt für Bodenforschung mit Bundeszuschüssen ausführte. Der größte und wichtigste Teil dieser Aufgaben liegt im Ausland, besonders in den Entwicklungsländern. Obwohl der Bundesrechnungshof in einem Gutachten eine weitere Verbindung der Bundesanstalt mit dem niedersächsischen Amt für Bodenforschung als unzweckmäßig bezeichnete, ist die Bundesregierung der Meinung, daß eine enge Zusammenarbeit der beiden Ämter im gegenwärtigen Stadium unerläßlich sei. Die gegenseitige Hilfe ist in einem Verwaltungsabkommen mit dem Land Niedersachsen geregelt. Auch die Planungen für einen Neubau des Bundesamtes können erst nach einer gewissen Anlaufzeit endgültig unterbreitet werden.
Die Mehrheit des Ausschusses war der Meinung, daß eine endgültige Entscheidung über den Personalstand der Bundesanstalt erst gefällt werden könne, wenn ausreichende Erfahrungen vorlägen. Bei der kurzen Zeit seit Bestehen der Anstalt haben diese Erfahrungen noch nicht gesammelt werden können. Der Ausschuß schloß sich daher mit Mehrheit der Regierungsvorlage an.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Meine Damen und Herren, es liegt eine interfraktionelle Vereinbarung vor, nach der wir heute nicht mehr in die Aussprache eintreten sollen. Erhebt sich Widerspruch? - Das ist nicht der Fall.
Dann, meine Damen und Herren, schließe ich die heutige Sitzung und berufe die nächste Sitzung ein auf morgen vormittag 9 Uhr.