Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, ehe wir in die heutige Tagesordnung eintreten, darf ich allen Damen und Herren des Hohen Hauses für das neu begonnene Jahr alles Gute wünschen. Ich gebe der Hoffnung Ausdruck, daß die Arbeit dieses Hohen Hauses in dem für unser ganzes deutsches Volk so schicksalschweren Jahr von gutem Erfolg für unser Volk begleitet sein möge.
Ich gebe bekannt, daß für den verstorbenen Kollegen Abgeordneten Gockeln der Abgeordnete Krüger ({0}) mit Wirkung vom 15. Dezember 1958 in den Bundestag eingetreten ist. Ich darf den neuen Kollegen hiermit in unserer Mitte begrüßen. Alles Gute für Ihre Arbeit im Deutschen Bundestag!
({1})
Zu Beginn des neuen Jahres habe ich erfreulicherweise nur eine Reihe von Glückwünschen auszusprechen. Am 13. Dezember wurde der Kollege Abgeordneter Spies ({2}) 65 Jahre alt,
({3})
am 16. Dezember der Kollege Abgeordneter Dr. Will 65 Jahre.
({4})
Am 24. Dezember hat unser Kollege Abgeordneter Hilbert das 60. Lebensjahr vollendet,
({5})
am 30. Dezember der Kollege Dr. Hesberg ebenfalls das 60. Lebensjahr,
({6})
am 5. Januar der Kollege Bundeskanzler Dr. Adenauer das 83. Lebensjahr
({7})
und am 7. Januar der Kollege Abgeordneter Kuntscher das 60. Lebensjahr.
({8})
Ich habe weiter mitzuteilen, daß der bisher der Fraktion der CDU/CSU als Hospitant angehörende Abgeordnete Hübner inzwischen Mitglied dieser Fraktion geworden ist.
Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 19. Dezember 1958 den nachstehenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht gestellt:
Gesetz zu den Protokollen vom 14. Juni 1954 über Änderungen des Abkommens vom 7. Dezember 1944 über die Internationale Zivilluftfahrt
Gesetz zur Verlängerung der Geltungsdauer des Wirtschaftstrafgesetzes 1954
Gesetz zu dem Abkommen vom 10. April 1957 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien über den Luftverkehr
Gesetz zu dem Abkommen vom 31. August 1957 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Uruguay über den Luftverkehr
Gesetz zu dem Abkommen vom 29. August 1957 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Brasilien über den planmäßigen Luftverkehr
Gesetz zu dem Vertrag vom 17. Januar 1958 über Auslieferung und Rechtshilfe in Strafsachen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Belgien
Gesetz über die Zweite Vereinbarung zur Ergänzung des Allgemeinen Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Frankreich über die Soziale Sicherheit und über die Fünfte Zusatzvereinbarung über die Einbeziehung des Landes Berlin in das Allgemeine Abkommen nebst Briefen
Gesetz über die Statistik der Kosten und Leistungen im Güterverkehr mit Kraftfahrzeugen, mit Binnenschiffen und mit Eisenbahnen im Jahre 1959 ({9})
Gesetz zur Änderung des Kaffeesteuergesetzes Gesetz zur Änderung des Teesteuergesetzes
Zweites Gesetz zur Änderung des Bundesrückerstattungsgesetzes
Erstes Gesetz über die Anpassung der Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen aus Anlaß der Veränderung der allgemeinen Bemessungsgrundlage für das Jahr 1958 ({10})
Gesetz zur Ergänzung des § 64 des Landbeschaffungsgesetzes
Zweites Gesetz zur Änderung des Altsparergesetzes ({11})
Gesetz zur Änderung des Eignungsübungsgesetzes
Gesetz zu den internationalen Betäubungsmittel-Protokollen von 1946, 1948 und 1953
Gesetz zu dem Vierten Zusatzabkommen vom 1. November 1957 zum Zollvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft
Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Lebensmittelgesetzes
Gesetz über die Ausübung der Berufe des Masseurs, des Masseurs und medizinischen Bademeisters und des Krankengymnasten
Gesetz über die Ausübung des Berufs der medizinisch-technischen Assistentin
Zolltarifgesetz und Deutscher Zolltarif.
Weiter hat der Bundesrat in seiner Sitzung am 19. Dezember 1958 dem
Gesetz zum Übereinkommen Nr. 97 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 1. Juli 1949 über Wanderarbeiter ({12})
zugestimmt. Mit seinem diesbezüglichen Schreiben, das als Drucksache 761 verteilt ist, hat er Vorschläge zur Durchführung des Übereinkommens gemacht.
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 10. Dezember 1958 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Krammig, Dr. Leverkuehn, Dr. Fritz ({13}) und Genossen betreffend Allgemeines Kriegsfolgengesetz ({14}) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 749 verteilt.
Vizepräsident Dr. Preusker
Der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hat unter dem 11. Dezember 1958 die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP betreffend Fremdrenten und Auslandsrenten ({15}) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 750 verteilt.
Der Herr Bundesminister des Auswärtigen hat unter dem 12. Dezember 1958 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Krammig, Gewandt und Genossen betreffend Flaggendiskriminierung durch die Türkei ({16}) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 751 verteilt.
Der Herr Bundesminister des Auswärtigen hat unter dem 9. Dezember 1958 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betreffend 3. Pugwash-Konferenz über die Gefahren eines Atomkrieges ({17}) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 752 verteilt.
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 12. Dezember 1958 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Umsatzsteuerliche Erleichterung für die Lieferung von Büchern und Zeitschriften ({18}) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 753 verteilt.
Der Herr Bundesminister des Auswärtigen hat unter dem 11. Dezember 1958 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Inanspruchnahme von Leistungen durch Stationierungstruppen ({19}) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 756 verteilt.
Der Herr Bundesminister des Innern hat unter dem 15. Dezember 1958 die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP betreffend Ziviler Bevölkerungsschutz ({20}) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 757 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat unter dem 19. Dezember 1958 die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP betreffend Entwicklung des Milchentkeimungsverfahrens durch Ausschleudern ({21}) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 760 verteilt.
Der Herr Bundeskanzler hat unter dem 23. Dezember 1958 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Informationstagungen führender Kommunalpolitiker ({22}) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 765 verteilt.
Der Herr Bundesminister für wirtschaftlichen Besitz des Bundes hat unter dem 19. Dezember 1958 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Freimachung von bundeseigenen Liegenschaften für Zwecke der Bundeswehr ({23}) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 766 verteilt.
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 5. Januar 1959 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Steuerausfall durch Abzugsfähigkeit von Parteispenden ({24}) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 771 verteilt.
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 30. Dezember die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP betreffend Kosten der Wohnungsämter ({25}) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 772 verteilt.
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 7.Januar 1959 die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP betreffend Auswirkung des Gesetzes zur Änderung steuerrechtlicher Vorschriften ({26}) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 773 verteilt.
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 5. Januar 1959 die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP betreffend Kosten der Bearbeitung der Hypothekengewinnabgabe ({27}) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 774 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Wirtschaft hat unter dem 7. Januar 19.59 die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP betreffend Kosten der Preisprüfungsstellen ({28}) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 775 verteilt.
Der Herr Bundesminister des Innern hat unter dem 5. Januar 1959 die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP betreffend Personalstandserhebungen im öffentlichen Dienst ({29}) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 776 verteilt.
Der Herr Bundesminister der Justiz hat unter dem 8. Januar 1959 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Schwierigkeiten bei Anwendung des Wohnungseigentumsgesetzes ({30}) beantwortet. Sein Schreiben ist als -Drucksache 777 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Wohnungsbau hat unter dem 5. Januar 1959 die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP betreffend Genehmigungen für Baulanderwerbungen ({31}) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 782 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Wirtschaft hat unter dem 14. Januar 1959 die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP betreffend Aufhebung des Preisstopps für unbebaute Grundstücke ({32}) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 787 verteilt.
Der Herr Bundesminister des Auswärtigen hat unter dem 17. Januar 1959 die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP betreffend Zwangsvollstreckung gegen Angehörige der verbündeten Streitkräfte ({33}) beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 792 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Wohnungsbau hat unter dem 20. Januar 1959 die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP
betreffend Öffentliche Mittel für private Wohnbauten und öffentliche Gebäude ({34}) beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 797 verteilt.
Gemäß Artikel 2 Satz 2 des Gesetzes zu den Verträgen vom
25. März 1957 zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Europäischen Atomgemeinschaft hat die Bundesregierung am 11. Dezember 1958 den Bundestag von dem EURATOM-Entwurf von Richtlinien zur Festlegung der Grundnormen für den Gesundheitsschutz der Bevölkerung und der Beschäftigten gegen die Gefahren ionisierender Strahlungen unterrichtet. Die Vorlage ist als Drucksache 748 verteilt.
Der Herr Bundeskanzler hat unter dem 20. Dezember 1958 eine von dem Herrn Bundesminister der Finanzen ausgearbeitete Denkschrift über die Möglichkeiten einer Verbesserung der Umsatzbesteuerung überreicht, die als Drucksache 730 verteilt ist.
Der Herr Präsident des Bundesrechnungshofes als Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung hat unter dem 10. Dezember 1958 ein Gutachten über die Richtlinien für die Bewertung der Dienstposten im Bereich der Deutschen Bundespost übersandt, das ins Archiv zur Kenntnisnahme ausliegt.
Die Bundesregierung hat unter dem 24. Dezember 1958 die von der Internationalen Arbeitskonferenz auf ihrer 40. Ta-gong vom 5. bis 28. Juni 1957 in Genf angenommenen
Übereinkommen 105 über die Abschaffung der Zwangsarbeit,
Übereinkommen 106 und die Empfehlung 103 über die wöchentliche Ruhezeit im Handel und in Büros,
Übereinkommen 107 und die Empfehlung 104 über den Schutz und die Eingliederung eingeborener Bevölkerungsgruppen und anderer in Stämmen lebender oder stammesähnlicher Bevölkerungsgruppen in unabhängigen Ländern
gemäß Artikel 19 Nr. 5, 6 und 7 der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation vorgelegt. Die Übereinkommen sind mit Drucksache 767 verteilt worden.
Der Herr Staatssekretär des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung hat unter dem 30. Dezember 1958 auf Grund des Beschlusses des Bundestages in seiner 40. Sitzung mitgeteilt, daß im Bundesarbeitsministerium eine
„Abrechnung über die Erstattungen nach § 90 des Bundesversorgungsgesetzes"
ausgearbeitet worden ist, die aus drei Teilen besteht und die den Rentenversicherungsträgern zur Stellungnahme übersandt wurde. Ein abschließender Bericht werde nach Eingang dieser Stellungnahmen dem Bundestag zugehen.
Das Bundesversicherungsamt hat unter dem 30. Dezember 1958 die Abrechnung über die Rentenzahlungen und über die Beitragszahlungen für die Rentnerkrankenversicherung in der Rentenversicherung der Angestellten für die Kalenderjahre 1954, 1955 und 1956 zur Kenntnisnahme übersandt. Die Abrechnung liegt im Archiv zur Einsichtnahme aus.
Der Herr Bundeskanzler hat unter dem 12. Januar 1959 gemäß § 20 Abs. 5 des Milch- und Fettgesetzes in der Fassung vom 10. Dezember 1952 ({35}) die Verordnung M Nr. 1/59 über Preise für Milch dem Bundestag zur Kenntnis übersandt. Die Verordnung liegt im Archiv zur Einsichtnahme aus.
Der Herr Bundesminister für Verkehr hat unter dem 14. Januar 1959 auf Grund der Entschließung des Bundestages vom 14. Dezember 1956 über die Schiffbarmachung der Mosel berichtet. Der Bericht ist als Drucksache 789 verteilt.
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 15. Januar 1959 auf Grund der Entschließung des Bundestages vom
26. Juni 1957 die Stellungnahme der Bundesregierung zur Bewertung von Aufwendungen zur Feststellung und Untersuchung von Kohle- und Erzvorkommen übersandt, die als Drucksache 793 verteilt wird.
Damit können wir in die Tagesordnung eintreten. Ich rufe auf Punkt 1:
Fragestunde ({36})
Wir kommen zur Frage 1 - des Herrn Abgeordneten Krüger - betreffend Aussiedler und Heimkehrer:
Wieviel Deutsche treffen derzeit als Aussiedler und Heimkehrer aus Gebieten außerhalb der Bundesrepublik Deutschland monatlich im Lager Friedland ein?
Sind darunter auch Deutsche aus der Sowjetunion, die auf Grund der deutsch-sowjetischen Vereinbarung vom 8. April 1958 ein Recht auf Rückführung haben, und wenn dies zutrifft, um welche Gruppen handelt es sich vornehmlich?
Wieviel Deutsche aus der Sowjetunion sind seit Anfang April 1958 in die Bundesrepublik Deutschland und nach Berlin ({37}) entlassen worden, und zeichnet sich hierbei eine Entwicklung ab?
Das Wort hat der Herr Staatssekretär im Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Lager Friedland sind im Laufe des Jahres 1958 als Aussiedler und Heimkehrer aus den Gebieten außerhalb der Bundesrepublik Deutschland und der sowjetischen Besatzungszone 122 539 Deutsche eingetroffen. Der monatliche Durchschnitt beträgt daher rund 10 200 Personen.
Darunter befanden sich in steigendem Umfange auch Deutsche aus der Sowjetunion, die auf Grund der deutsch-sowjetischen Vereinbarung vom 8. April 1958 über die Repatriierung von Deutschen aus der Sowjetunion ein Recht auf Rückführung haben.
Diese Deutschen aus der Sowjetunion setzen sich hauptsächlich aus folgenden Gruppen zusammen:
a) Memeldeutsche, die entweder unmittelbar aus ihrer Heimat, dem Memelgebiet, eintrafen, oder aber aus Gebieten in der östlichen Sowjetunion, in die sie nach Kriegsende verbracht worden waren,
b) Ostpreußen, die sich in geringer Anzahl noch in dem von den Sowjets verwalteten nördlichen Teil Ostpreußens befinden,
c) sogenannte Vertragsumsiedler, das sind solche Volksdeutsche aus den baltischen Staaten, der Ukraine und Bessarabien, die in den Jahren 1939 his 1941 auf Grund von Verträgen zwischen dem ehemaligen Deutschen Reich und der Regierung der UdSSR nach Deutschland umgesiedelt und von dort nach Kriegsende gegen ihren Willen wieder in die Sowjetunion verbracht worden sind.
Seit Anfang April 1958 sind in die Bundesrepublik und nach Westberlin 4136 Deutsche aus der Sowjetunion entlassen worden. Die Entlassungen mehren sich von Monat zu Monat. Es ist zu hoffen, daß sich die Zahl der aus der Sowjetunion zurückgeführten Deutschen in der Höhe der Entlassungen der letzten Monate, insbesondere des Monats Dezember mit 1107 Personen hält.
Wird eine Zusatzfrage gestellt? - Offenbar nicht. Dann rufe ich auf Frage 2 - wieder eine Frage des Abgeordneten Krüger -.
Welche Maßnahmen sind zur wirtschaftlichen und sozialen Eingliederung der ostdeutschen Bauern im einzelnen vorgesehen, nachdem der Herr Bundeskanzler in einer Rede am 26. Oktober 1958 vor den ostdeutschen Bauern in Bad Godesberg Maßnahmen angekündigt hat, die im Rahmen des Grünen Planes für 1959 a) bei den angesiedelten ostdeutschen Bauern nunmehr den weiteren Schritt von der Ansetzung zur fundierten wirtschaftlichen und sozialen Sicherung ermöglichen und
b) für die noch einzugliedernden vertriebenen und geflüchteten Bauern zu einem fünfjährigen Stellen- und Finanzierungsplan führen
sollen?
Welche Ergebnisse haben die Vorarbeiten für ein langfristiges Eingliederungsprogramm im Sinne des Kabinettsbeschlusses vom 27. Februar 1956 gebracht?
Ich bin von dem Herrn Bundesminister für Landwirtschaft gebeten worden zu fragen, ob der Abgeordnete Dr. Schmidt ({0}) damit einverstanden ist, daß die Frage 8 gleich hiermit verbunden wird.
({1})
- Ich bitte also, anschließend dann die Frage 8 zu ({2}) Nach Abstimmung mit den Bundesressorts, dem Bundesausgleichsamt und den Ländern werden für die bereits angesiedelten ostdeutschen Bauern, die ohne Verschulden in Not geraten sind, auf Grund eines unter dem 20. November 1958 bekanntgegebenen Rundschreibens Maßnahmen zur Betriebsfestigung und -konsolidierung durchgeführt. Die Bereitstellung der erforderlichen Bundesmittel ist gesichert.
b) Um die Fortsetzung der Eingliederung von Vertriebenen und Sowjetzonenflüchtlingen in die westdeutsche Landwirtschaft sicherzustellen, wird die Bundesregierung entsprechend der Ankündigung durch den Herrn Bundeskanzler am 26. Oktober 1958 einen Plan für fünf Jahre aufstellen, der die Grundlage für ein Stellenprogramm und dessen Finanzierung enthält.
Die Grundzüge dieser Planung sind am 15. Januar 1959 mit den beteiligten Bundesressorts bereits beraten worden. Nach weiterer Abstimmung über die Bereitstellung der erforderlichen Mittel aus
den verschiedenen Geldquellen und nach Beschlußfassung durch das Bundeskabinett soll der Plan, der zugleich der „längerfristigen Planung" im Sinne des Beschlusses des Kabinettausschusses vom 27. Februar 1956 entspricht, gleichzeitig mit dem Grünen Plan 1959 dem Bundestag vorgelegt werden.
Wird eine Zusatzfrage gestellt? - Das ist nicht der Fall. Dann darf ich bitten, die Frage 8 - Frage des Abgeordneten Dr. Schmidt ({0}) - zu beantworten.
Hält es der Herr Bundesernährungsminister im sachlichen Interesse und im Hinblick auf die Verwendung öffentlicher Mittel für richtig, daß in der amtlichen Veröffentlichung ,.Der Grüne Plan 1958" BLV Verlagsgesellschaft, München, Bonn, die Debatte des Bundestages ohne Wissen und Zustimmung der Redner einseitig gekürzt wiedergegeben worden ist?
Die Kürzungen wurden nach dem gleichen Verfahren vorgenommen, wie das in den früheren Jahren der Fall war. Hierbei wurde von der Voraussetzung ausgegangen, wenigstens bei uns, daß wieder wie früher, d. h. im ersten Jahre, die Zustimmung der einzelnen Redner zu den vorgenommenen Kürzungen in der Wiedergabe der Debatte zum Grünen Plan eingeholt worden war. Ich bin mit Ihnen der Auffassung, daß bei Kürzung der Ausführungen von Bundestagsabgeordneten deren Zustimmung eingeholt werden muß. Ich habe den Verlag hierauf hingewiesen und gebeten, künftig Kürzungen nur im Einvernehmen mit den einzelnen Rednern vorzunehmen.
({0})
Eine Zusatzfrage wird auch hier nicht gewünscht.
Ich rufe dann Frage 3 - des Herrn Abgeordneten Krüger - auf betreffend. Höhe der Ablösungen nach dem Lastenausgleichsgesetz:
Wie hoch sind die Ablösungen, die von den Abgabepflichtigen nach dem LAG bis jetzt vollzogen worden sind?
Wie verteilt sich diese Summe auf die Vermögensabgabe und die Hypothekengewinnabgabe?
Wie hoch sind die Ablösungen im laufenden Wirtschaftsjahr?
Die Antwort erteilt Herr Staatssekretär Hartmann vom Bundesministerium der Finanzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Frage des Herrn Abgeordneten Krüger über die Ablösungen nach dem Lastenausgleichsgesetz darf ich wie folgt beantworten:
Die Gesamtzahl der Ablösungsfälle bis zum 31. Dezember 1958 beträgt 592 814 mit einem Gesamtablösungsbetrag von 1 512 Millionen DM. Davon entfallen auf die Vermögensabgabe 230 485 Fälle mit 716 Millionen DM, auf die Hypothekengewinnabgabe 358 303 Fälle mit 739 Millionen DM, auf die Kreditgewinnabgabe 4 026 Fälle mit 57 Millionen DM.
Im laufenden Rechnungsjahr sind bisher gemeldet 58 239 Fälle mit einem Gesamtbetrag von rund 140 Millionen DM. Davon entfallen auf die Vermögensabgabe 19 806 Fälle mit 67 Millionen DM, auf die Hypothekengewinnabgabe 38 228 Fälle mit 71 Millionen DM, auf die Kreditgewinnabgabe 205 Fälle mit 2 Millionen DM.
Wird hierzu eine Zusatzfrage gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Dann rufe ich Frage 4 - des Herrn Abgeordneten Rademacher - betreffend Frachten in der Binnenschiffahrt auf:
Was hat der Herr Bundesverkehrsminister unternommen, um dem Zusammenbruch der Frachten in der Binnenschiffahrt - insbesondere auf dem Rhein - entgegenzutreten und die ihm in den §§ 29 und 30 des Gesetzes über den gewerblichen Binnenschiffsverkehr in der Fassung vom 1. Oktober 1953 ({0}) gegebenen Möglichkeiten im Interesse der Gesamtordnung des Verkehrs und der Verkehrsträger auszuschöpfen?
Das Wort hat der Bundesminister für Verkehr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im grenzüberschreitenden Binnenschiffsverkehr haben wir im Rahmen der uns verbliebenen Möglichkeiten seit Jahren darauf gedrungen, daß den Empfehlungen der Ökonomischen Konferenz der Rheinschiffahrt vom Jahre 1952, die auf eine Stabilisierung der Frachten abzielten, durch Selbsthilfemaßnahmen der internationalen Binnenschifffahrt nachgekommen wird. Soweit Frachtunterbietungen im innerdeutschen Binnenschiffsverkehr festzustellen sind, für den das Gesetz über den gewerblichen Binnenschiffsverkehr vom 1. Oktober 1953 gilt, werden sie - auch auf ausdrücklichen Wunsch der Binnenschiffahrtsverbände - durch die Wasser- und Schiffahrtsdirektionen nach Maßgabe dieses Gesetzes verfolgt und geahndet. Die Beschlüsse der nach dem Gesetz für den innerdeutschen Verkehr zuständigen Frachtenausschüsse
werden nach § 28 im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Wirtschaft genehmigt und nach § 29 Abs. 1 als Rechtsverordnungen veröffentlicht. Eine Aufhebung dieser Rechtsverordnungen aus Gründen der Verkehrspolitik nach § 29 Abs. 2 war im Zusammenhang mit der Frachtentwicklung des innerdeutschen Verkehrs nicht notwendig. Das gleiche gilt von der in § 30 dem Bundesverkehrsminister eingeräumten Möglichkeit, aus Gründen der Verkehrspolitik an Stelle der Frachtenausschüsse Frachten durch Rechtsverordnung festzusetzen.
Eine Zusatzfrage?
Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß jetzt nach Stabilisierung der Frachtenlage in der Binnenschiffahrt versucht wird, durch andere Maßnahmen diese Festsetzung der Frachten zu durchbrechen, z. B. durch Übernahme des Mankorisikos durch die Schiffahrt oder aber durch Frachtenausgleich zu Lasten der beförderten Ware? Wie gedenken Sie diese Gesetzesverletzungen festzustellen bzw. zu ahnden?
Es ist bekannt, daß zu Zeiten des großen Angebots an Frachtraum immer wieder von der Verladerschaft auf die Binnenschiffahrt und auf andere Verkehrsträger gedrückt wird zu dem Zweck, Unterbietungen zu erreichen. Gegen diese Frachtunterbietungen werden von den Wasser- und Schiffahrtsdirektionen die nach dem Gesetz über den gewerblichen Binnenschiffsverkehr möglichen Maßnahmen ergriffen, nämlich Einziehung der Differenzfrachten zwischen den gesetzlich normierten und den tatsächlich vereinbarten Frachten, Bußgeldbescheide für solche Fälle, wie Sie sie angeführt haben, und Strafanzeigen. Da es sich bei der Binnenschiffahrt um weit über 3000 Betriebe handelt, ist es natürlich schwierig, mit dem vorhandenen Personal alle Fälle von Frachtunterbietungen zu erfassen.
Ich danke.
Ich rufe die Frage 5 - des Herrn Abgeordneten Börner - auf betreffend Geschwindigkeitsbeschränkungen für Krankentransportwagen:
Ist die Bundesregierung bereit, baldmöglichst § 48 der Straßenverkehrsordnung so zu ändern, daß auch Krankentransportwagen, wenn es um Rettung von Menschenleben geht, neben der Benutzung von Blaulicht und Martinshorn gesetzliche Geschwindigkeitsbeschränkungen überschreiten können?
Auch diese Frage beantwortet der Bundesminister für Verkehr. Bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen über den übergesetzlichen Notstand ist schon immer, also auch im Rahmen der geltenden Vorschriften, jeder Krankenwagenführer berechtigt, das hochwertige Gut, nämlich das Menschenleben, unter Mißachtung des geringerwertigen Gutes, nämlich der Verkehrsvorschriften, zu retten,
Bundesverkehrsminister Dr.-Ing. Seebohm
wenn es tatsächlich bedroht ist. Sein Handeln ist dann gerechtfertigt und eine Schuld ist ausgeschlossen. Wegen Mißachtung der Verkehrsvorschriften kann er dann nicht verfolgt werden. Der Krankenwagenführer kann naturgemäß oft nicht übersehen, in welchem Maße der Kranke oder Verletzte, den er befördert, gefährdet ist. Es ist deshalb vorgesehen, eine Bestimmung in die Straßenverkehrsordnung aufzunehmen, die klarstellt, welche Vorschriften der Führer eines Krankenwagens in bestimmten Fällen außer acht lassen darf. Durch die Verordnung vom 14. März 1956 ist darüber hinaus bereits ein beschränktes Verkehrsvorrecht für Krankenwagen eingeführt worden. Die Führer dieser Fahrzeuge dürfen sich durch blaues Blinklicht und durch die Mehrklanghupe bemerkbar machen, wenn zur Rettung von Menschenleben höchste Eile geboten ist. Auf diese Zeichen hin müssen die anderen Fahrzeugführer sofort die Bahn freimachen.
Nach Einführung der Höchstgeschwindigkeitsgrenze innerhalb geschlossener Ortschaften von 50 km je Stunde wurde die Forderung erhoben, die Krankenwagen von dieser Vorschrift freizustellen. Ich war auch bereit, diesen Wünschen durch eine Ausnahmeverordnung zu entsprechen. Jedoch wurde sofort darüber hinaus verlangt, wie dies der Polizei und der Feuerwehr zugestanden ist, auch die Krankenwagenführer dabei von der Beachtung aller Vorschriften der Straßenverkehrsordnung zu befreien. Insbesondere forderte man für sie das Recht, trotz Haltgebots durch das rote Lichtzeichen über die Kreuzungen fahren zu dürfen. Würden sie dieses Recht nicht erhalten, so wurde ausgeführt, dann sei auch die Freistellung von den Geschwindigkeitsvorschriften ohne Wert. Es kommen noch andere Forderungen hinzu, wie z. B. das Recht, die Straßenbahn links überholen zu dürfen, in Einbahnstraßen gegen die vorgeschriebene Richtung zu fahren usw. Gegen eine so weitgehende Bevorrechtigung der Krankenwagen habe ich aus Gründen der Verkehrssicherheit erhebliche Bedenken. Den Kranken und Verletzten ist keinesfalls damit gedient, wenn sich etwa auf ihrem Wege zum Krankenhaus Verzögerungen durch neue Unfälle oder sogar neue Lebensgefahren ereignen. Bei der ständig zunehmenden Verkehrsdichte kann das Problem der ärztlichen Versorgung von Menschen, die in Lebensgefahr schweben, nur noch zum Teil durch besondere Verkehrsvorrechte gelöst werden. Es muß deshalb gefordert werden, alle anderen Möglichkeiten auszuschöpfen, um den Rettungsdienst zu verbessern. Dabei ist vor allem eine zweckmäßige Ausstattung der Krankenwagen wichtig, z. B. durch Schaffung von Funkverbindungen, heizbare Transportkörbchen für Frühgeburten und durch Einrichtungen, die eine ärztliche Versorgung am Unfallort und während der Fahrt ermöglichen, wie das verschiedentlich eingeführt ist.
Leider wird die Regelung des Krankentransportwesens dadurch erschwert, daß die Beförderung von Verletzten und Kranken durch verschiedene Organisationen oder durch private Einrichtungen durchgeführt wird. Beteiligt sind nämlich nicht nur die Feuerwehr und das Rote Kreuz, sondern auch private Krankentransportunternehmungen. Da bei dieser Aufteilung des Krankentransportwesens nur ein Teil des Fahrzeugpersonals der ständigen behördlichen Aufsicht untersteht, macht es große Schwierigkeiten, die Bedenken gegen eine weitere Bevorrechtigung der Krankenwagenauszuräumen. Deshalb hat es auf meine Anregung hin der Deutsche Städtetag nunmehr übernommen, einen neuen Vorschlag auszuarbeiten, inwieweit solche Sonderrechte gewährt werden sollten. Sobald mir dieser Vorschlag vorliegt, werde ich ihn unverzüglich mit den übrigen beteiligten Stellen prüfen und entsprechende Entscheidungen treffen.
Eine Zusatzfrage? Bitte!
Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß in den letzten Wochen bei einem ähnlich gelagerten Fall in Nordhessen Menschenleben hätten gerettet werden können, wenn der Fahrer durch die jetzt geltenden Vorschriften nicht eingeengt worden wäre?
Mir ist bekannt, daß solche Meldungen In den Zeitungen gestanden haben. Ich habe aber keinen ärztlichen Bericht, ob das, was da festgestellt worden ist, auch tatsächlich stimmt. Im übrigen ist es so, daß der Fahrer - das habe ich gesagt -, wenn wirklich Gefahr im Verzuge ist, im Rahmen der sonst gegebenen Vorschriften durchaus die Verkehrsvorschriften verletzen kann, ohne sich einer Bestrafung auszusetzen.
Noch eine Zusatzfrage? Bitte!
Sind Sie wirklich der Meinung, daß man dem Fahrer eines Krankenwagens nicht die gleichen Möglichkeiten zugestehen sollte, die Mitglieder der Bundesregierung bei Fahrten zu ihren Wahlversammlungen oder ähnlichen Veranstaltungen über die Straßenverkehrsordnung hinaus für sich in Anspruch nehmen?
({0})
Ich glaube kaum, daß sich Mitglieder der Bundesregierung zur Wahrnehmung von Wahlversammlungen dieser Möglichkeiten bedienen. Im übrigen habe ich schon neulich darauf hingewiesen, daß eine Zeitung völlig falsch berichtet hat, wenn sie behauptet, sämtliche Wagen der Bundesminister seien mit Blaulicht und Mehrklanghupen ausgerüstet. Das trifft nur für die Fahrzeuge von Ministern zu, die polizeiliche Angelegenheiten zu erledigen haben.
({0})
Frage 5 ist damit erledigt.
Frage 6 ist vom Fragesteller zurückgezogen worden.
Vizepräsident Dr. Preusker
Wir kommen zu Frage 7, gestellt vom Abgeordneten Dr. Mommer; sie betrifft die Errichtung einer Tankstelle auf der Autobahn zwischen Darmstadt und Camberg:
Warum gibt es auf der 71 km langen Strecke der Autobahn zwischen Darmstadt und Camberg keine Tankstelle?
Liegen für diese Strecke Anträge auf Errichtung von Tankstellen vor?
Gibt es Anträge von Firmen, die billigeren „markenfreien" Treibstoff verkaufen wollen?
Das Wort hat Herr Bundesminister Dr. Seebohm.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Grundsatz sollen an den Autobahnen in 50 km Abstand Tankstellen zur Verfügung stehen. Die Autobahnverbindung von Camberg nach Darmstadt ist erst vor wenigen Jahren durch die Fertigstellung des Zwischenstücks zwischen Wiesbaden und Frankfurt entstanden. Nachdem sich nun herausgestellt hat, daß in diesem Abschnitt von 71 km Länge ein echtes Bedürfnis nach weiteren Tankmöglichkeiten besteht, ist beabsichtigt, an der Autobahn eine doppelseitige Tankstelle in Höhe der Kreuzung mit der Bundesstraße 54, dem sogenannten Wandersmann, und eine weitere doppelseitige Tankstelle in der Nähe der Anschlußstelle Langen - Mörfelden zu errichten. Das Land Hessen hat im Auftrage des Bundes die Planung für diese Tankstellen bereits eingeleitet.
Der Bau von Tankstellen wie überhaupt aller Nebenbetriebe an den Bundesautobahnen ist mit Rücksicht auf die dabei zu erstellenden Abzweige und Parkplätze aus Gründen der Verkehrssicherheit nach § 15 des Bundesfernstraßengesetzes dem Bund vorbehalten. Anträge auf Errichtung von Tankstellen durch Dritte müssen daher abschlägig beschieden werden.
In zwei Fällen haben sich bisher Firmen, die billigeren „markenfreien" Vergaserkraftstoff verkaufen wollten, um die Belieferung von Tankstellen an den Bundesautobahnen beworben. Bei der geringen Anzahl von 98 Tankstellen an den Bundesautobahnen im Verhältnis zu den etwa 27 000 Tankstellen im sonstigen Straßennetz ist es natürlich nicht immer möglich, allen Wünschen der Antragsteller zu entsprechen.
Bei der Verteilung der Tankstellen an den Autobahnen an Treibstofflieferanten ist als Maßstab eine Mindestbeteiligung der antragstellenden Firma von 2,5 °/o am Umsatz von Vergaserkraftstoff im allgemeinen Tankstellennetz festgelegt. Damit soll erreicht werden, daß nicht nur große, sondern auch kleine Mineralölfirmen die Tankstellen beliefern können. Andererseits gibt die Festlegung einer Mindestquote die Gewähr für stete Lieferfähigkeit und gute Qualität der Kraftstoffe. Dieses seit 1951 bestehende System hat die Versorgung der Verkehrsteilnehmer auch in Krisenzeiten gewährleistet und hat bisher zu Klagen keinen Anlaß gegeben. Bei der Entscheidung über die Zuteilung einer Tankstelle an eine Lieferfirma wirkt die Auftragsverwaltung des Landes - hier also des Landes Hessen - mit, damit auch besondere regionale Interessen angemessene Berücksichtigung finden.
Ich danke.
Dann rufe ich auf Frage 9 des Abgeordneten Jahn ({0}) -; es handelt sich um die Verweigerung des Einreisevisums für den polnischen Redakteur Jaszunski:
Treffen Pressemeldungen zu, wonach dem polnischen Redakteur Jaszunski das Einreisevisum in die Bundesrepublik verweigert wurde, als er mit einer Journalistengruppe der UNESCO in die Bundesrepublik einreisen wollte, obwohl der Antrag auf Ertel-lung des Visums vom UNESCO-Sekretariat gestellt wurde?
Falls die Nachricht zutrifft: Welche Gründe haben die Bundesrepublik bewogen, die Erteilung des Visums zu verweigern? Auf welche Bestimmungen der §§ 7 und 9 des Paßgesetzes bzw. auf welche der Richtlinien, die der Herr Bundesinnenminister in der Fragestunde der 125. Sitzung des Bundestages ({1}) bekanntgegeben hat, oder auf welche sonstigen Gründe ist die Ablehnung gestützt worden?
Die Beantwortung übernimmt der Herr Bundesminister des Innern.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Antwort auf die Frage lautet wie folgt.
Der polnische Journalist Jaszunski hat am 30. September 1958 beim Permit Office in Warschau einen Antrag auf Einreise in das Bundesgebiet für den 1. Dezember 1958 gestellt. Als Begründung für die Einreise hatte er angegeben, die Redaktionen der „Süddeutschen Zeitung" und des „Münchner Merkur" als Stipendiat der UNESCO besuchen zu wollen. Da weder die Redaktionen der Zeitungen Kenntnis von dem Besuch hatten noch eine Einladung des UNESCO-Instituts in München ergangen war, hat das Amt für öffentliche Ordnung der Landeshauptstadt München die Einreise nicht befürwortet. Dem Sichtvermerksantrag ist daher zunächst nicht stattgegeben worden, da die nach dem Gesetz erforderliche Zusicherung der besonderen Aufenthaltserlaubnis der zuständigen Landesbehörde nicht vorlag.
Nachträglich hat jedoch das Amt für öffentliche Ordnung der Landeshauptstadt München - offenbar auf Grund inzwischen erfolgter Interventionen - der Einreise zugestimmt und dem Bundesminister des Innern am 26. November 1958 berichtet, daß Herr Jaszunski nach Mitteilung des Friedmann-Instituts in München eine Einladung über das UNESCO-Institut in Straßburg erhalten hatte. Um eine Verzögerung . der Einreise zu vermeiden, hat die Paßkontrolldirektion am gleichen Tage, also bereits einige Tage vor dem beabsichtigten Einreisetermin, Weisung erhalten, Jaszunski gebührenfrei einen Sichtvermerk an der Grenze zu erteilen. Die Paßkontrollstelle Kehl hat diese Anweisung am 26. November erhalten. Die Meldung, die in einer Zeitung am 27. November über den Fall erschienen ist, war falsch. Die Zeitung hat diese Meldung aber am 28. November richtiggestellt.
Ich danke sehr.
Wir kommen nun zu Frage 10 - des Abgeordneten Dr. Friedensburg - betreffend Verzögerungen im Autobahnverkehr durch Arbeiten zur Erneuerung der Autobahndecke:
In welchem durchschnittlichen Turnus erweisen sich die Autobahndecken auf den besonders belasteten Abschnitten als erneuerungsbedürftig, welcher Turnus wird im Jahre 1965 zu erwarten sein, wie vergleichen sich diese Erfahrungen und Erwartungen mit gleichartigen Ergebnissen im Auslande - insbesondere in den Vereinigten Staaten -, und welche indirekten Kosten erwachsen dem deutschen Verkehr durch die Zeitverluste, die die ständigen Bauarbeiten auf den Autobahnen verursachen?
Vizepräsident Dr. Preusker
Für den Fall, daß sich die Tiefbautechnik auch weiterhin als außerstande erweist, dauerhaftere Autobahndecken herzustellen: Welche verkehrspolizeilichen Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung den Landern zu empfehlen, um wenigstens unnötige Verzögerungen im Autobahnverkehr zu verhüten, die insbesondere durch die unzureichende Motorenausstattung der schweren Lastwagen, durch das langsame Fahren auf der Mitte oder womöglich der linken Seite der Fahrbahn und durch das Innehalten übergroßer Abstände innerhalb der offenbar unvermeidbaren Verkehrsschlangen entstehen?
Ich darf wieder den Herrn Bundesminister für Verkehr bitten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In dieser Frage sind eine Reihe von Fragen vereinigt; ich muß sie daher etwas ausführlicher beantworten.
1. Bei den seit einigen Jahren in größerem Umfange begonnenen Instandsetzungen auf den Bundesautobahnen werden die vor dem Kriege gebauten Fahrbahnbefestigungen vollständig erneuert. Es handelt sich hierbei um Strecken, deren Verkehrsbelastung in den letzten Jahren besonders stark angestiegen ist. Die alten Fahrbahndecken haben durchschnittlich eine Lebensdauer von etwa 20 Jahren erreicht.
Die heutigen Fahrbahnbefestigungen auf den Neubau- und Instandsetzungsstrecken der Bundesautobahnen werden frostsicher und so tragfähig und dauerhaft gebaut, daß bei der Fahrbahndecke selbst bei entsprechender Belastung mit einer Lebensdauer von etwa 30 Jahren, beim Unterbau jedoch noch mit einer wesentlich höheren Lebensdauer gerechnet werden kann. Eine spätere Erneuerung der dem Verschleiß durch den Verkehr unmittelbar unterliegenden Decke ist dann auf einfache Weise und ohne lange Beeinträchtigung des Verkehrs möglich, weil Verbesserungen am Untergrund und Unterbau nicht mehr wie bei den jetzigen Reparaturen notwendig sind. Dies gilt insbesondere für bituminöse Decken.
2. Das Instandsetzungsprogramm der Bundesregierung sieht vor, daß die Fahrbahndecken auf den besonders belasteten Strecken etwa bis zum Jahre 1965 im wesentlichen erneuert sein werden. Bereits in den Jahren 1959 und 1960 werden aber besonders schadhafte Streckenabschnitte durchgehend erneuert sein, wie z. B. die Strecken Köln-Düsseldorf und Oberhausen-Kamen.
Die künftigen Instandsetzungsarbeiten an den Autobahnen sind in drei Dringlichkeitsstufen -1959-61, 1962-64 und ab 1965 - eingeteilt. Die Gesamtkosten für die drei Dringlichkeitsstufen insgesamt sind von den Auftragsverwaltungen der Länder mit rund 1,3 Milliarden DM überschläglich veranschlagt worden.
Der Anteil der bisher auf den am schwersten belasteten Strecken der Bundesautobahnen bereits erneuerten Fahrbahndecken beträgt auf der Strecke Oberhausen-Ruhrgebiet-Kamen 90 %, auf der Strecke Oberhausen-Köln/Mülheim 54 % und auf der Strecke Köln/Mülheim-Limburg a) im Lande Nordrhein-Westfalen 12 %, b) im Lande Rheinland-Pfalz 45 %.
3. Vergleiche mit dem Ausland zeigen, daß auch dort im allgemeinen mit einer Lebensdauer der
hochwertigen und stark belasteten Fahrbahndecken von rund 25 Jahren gerechnet wird. Dieser Zeitraum ergibt sich z. B. in Italien bei den dort ausgeführten autobahnähnlichen Straßen und wird auch in einem statistischen Bericht der amerikanischen Bundesstraßenverwaltung genannt.
4. Der Bundesminister für Verkehr hat durch Weisungen und Richtlinien an die obersten Straßenbaubehörden der Länder darauf hingewirkt, daß der Verkehr auf den Bundesautobahnen im Bereiche der Instandsetzungsarbeiten durch bauliche und betriebliche Maßnahmen nur so weit behindert wird, wie es aus technischen Gründen unvermeidbar ist. Hierzu gehören u. a. die Koordinierung der Baustellen hinsichtlich ihrer Länge und des Abstandes zwischen ihnen, die Wahl geeigneter Bauweisen, die auch vor der Fertigstellung ein zwischenzeitliches Befahren gestatten, und das Verbot von Bauarbeiten in den Hauptreisemonaten Juli und August. In den Monaten Januar und Februar verbieten sich ja die Bauarbeiten aus Witterungsgründen.
Hinsichtlich der Zeitverluste liegen keine Unterlagen über die Zahl der betroffenen Fahrzeuge, Insassen, Gütermengen und Güterarten sowie über die Dauer der einzelnen, gesamten oder durchschnittlichen Zeitverluste vor. Außerdem sind die qualitativen Wertungsfaktoren nicht vorhanden, um die Höhe des finanziellen Gegenwertes ausdrücken zu können. Es fehlt damit die Möglichkeit, die dem Verkehr durch die Zeitverluste infolge von Bauarbeiten entstehenden indirekten Kosten objektiv zu ermitteln.
5. Ich bin darum bemüht, den Verkehrsfluß nicht nur durch bessere Straßenverhältnisse, sondern auch durch eine Angleichung der Geschwindigkeit der verschiedenen Fahrzeugarten zu beschleunigen. Auch um einen gleichmäßigeren Verkehrsfluß zu erzielen, ist die Ihnen allen bekannte Verordnung vom 21. März 1956 über die Beschränkung der Abmessungen erlassen worden. Die den Verkehrsfluß jetzt so sehr belastenden Lastkraftwagen müssen leichter, wendiger und auf den Steigungen schneller werden. Sie müssen im Verkehrsstrom mitfließen können, wie es z. B. in den USA der Fall ist.
Soweit die Lastkraftwagen jetzt oder auch später durch zu langsames Fahren den Verkehr aufhalten, sollen Überholverbote für Lastkraftwagen dem schnelleren Verkehr den Weg freihalten. Ich habe den obersten Landesbehörden empfohlen, diese Überholverbote möglichst einheitlich auf alle Lastzüge und auf die einzeln fahrenden Lastkraftwagen über 4 t zulässiges Gesamtgewicht zu erstrecken. Darüber hinaus sind die obersten Landesbehörden gebeten worden, das Verbot in § 10 der Straßenverkehrsordnung, andere Fahrzeuge bei zu geringer Differenzgeschwindigkeit zu überholen, besonders sorgfältig zu überwachen. In diesem Zusammenhang ist vielleicht interessant, zu hören, daß in Italien das gegenseitige Überholen von Lastkraftwagen durch ein neues Verkehrsgesetz, das vor kurzem beschlossen wurde, grundsätzlich untersagt worden ist.
Die Frage, die in diesem Falle auch gestellt werden könnte, ob es nicht zweckmäßig wäre, auf den
Bundesverkehrsminister Dr.-Ing. Seebohm
Autobahnen jeweils eine dritte Fahrbahn anzubringen, möchte ich mit dem Hinweis beantworten, daß eine Ausstattung des jetzigen Autobahnnetzes mit jeweils einer dritten Fahrbahn auf jeder Seite eine Investition von 4 bis 4,5 Milliarden DM erfordern würde.
Eine Zusatzfrage? - Danke!
Ich rufe auf die Frage 11 - der Abgeordneten Frau Dr. Rehling - betreffend die Zusammensetzung des Verwaltungsrates des Kulturfonds des Europarates:
Wird sich die Bundesregierung auf Grund der Empfehlung 174 ({0}) der Beratenden Versammlung des Europarates dafür einsetzen, daß unter den gemäß Artikel V Absatz 3 des Statuts des Europäischen Kulturfonds zu kooptierenden Mitgliedern des Verwaltungsrates 3 Delegierte der Beratenden Versammlung sind, deren einer der Vorsitzende des Ausschusses für Kulturpolitik und Publizistik sein sollte?
Zuständig ist das Bundesministerium des Auswärtigen. Herr Staatssekretär Dr. van Scherpenberg!
Meine Damen und Herren! Der Verwaltungsrat des Europäischen Kulturfonds hat auf seiner ersten Tagung in Straßburg vom 13. bis 15. Januar dieses Jahres vorbehaltlich der Billigung durch das Ministerkomitee des Europarats den amtierenden Vorsitzenden des Kulturausschusses der Beratenden Versammlung und einen der Vizepräsidenten dieses Ausschusses kooptiert. Außerdem hat der Verwaltungsrat sich dahin geeinigt, daß der zweite Vizepräsident an den Sitzungen des Verwaltungsrats als Beobachter teilnehmen kann.
Mit einer solchen Regelung würde der Empfehlung 174 ({0}) der Beratenden Versammlung des Europarats insoweit entsprochen werden, als drei Delegierte der Beratenden Versammlung an allen Beratungen des Verwaltungsrats teilnehmen können. Da das Statut des Kulturfonds die Kooption von nur fünf zusätzlichen Mitgliedern erlaubt, hätte die Kooption von drei stimmberechtigten Delegierten der Beratenden Versammlung die Möglichkeit der Zuwahl von Vertretern anderer an der Arbeit des Kulturfonds interessierter Gruppen allzu stark eingeschränkt.
Die Bundesregierung beabsichtigt, dem Vorschlag des Verwaltungsrats des Kulturfonds im Ministerkomitee des Europarats zuzustimmen.
Eine Zusatzfrage? - Offenbar nicht.
Ich rufe auf die Frage 12 - der Abgeordneten Frau Dr. Rehling - betreffend zusätzliche finanzielle Mittel für den Kulturfonds des Europarats:
Ist die Bundesregierung bereit, die in der Empfehlung 175 ({0}) der Beratenden Versammlung des Europarates vorgeschlagenen Maßnahmen im Ministerkomitee nachdrücklich zu unterstützen, damit die Voraussetzung dafür geschaffen wird, daß dem Kulturfonds über den Pflichtbeitrag der Mitgliedstaaten hinaus Mittel zugeführt werden können?
Herr Staatssekretär Dr. van Scherpenberg!
Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung ist bereit, im
Ministerkomitee des Europarats alle Maßnahmen nachdrücklichst zu unterstützen, die geeignet sind, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß dem Kulturfonds über den Pflichtbeitrag der Mitgliedstaaten hinaus Mittel zugeführt werden können.
In Übereinstimmung mit dem Grundgedanken der Empfehlung 175 ({0}) der Beratenden Versammlung des Europarates hat in Straßburg anläßlich der ersten Tagung des Verwaltungsrats des Europäischen Kulturfonds am 13. Januar dieses Jahres eine inoffizielle Fühlungnahme zwischen fünf Vertretern des Verwaltungsrats und fünf Vertretern der Europäischen Kulturstiftung stattgefunden, an der auch der Vorsitzende des Kulturausschusses der Beratenden Versammlung des Europarats teilgenommen hat. In Verfolg dieses Gedankenaustausches hat die Europäische Kulturstiftung den Verwaltungsrat des Europäischen Kulturfonds eingeladen, zu den Tagungen des Exekutivausschusses der Stiftung regelmäßig einen Vertreter zu entsenden. Der Verwaltungsrat hat andererseits beschlossen, einen von der Europäischen Kulturstiftung zu benennenden Vertreter zu kooptieren. Außerdem wurde vereinbart, den in Straßburg eingeleiteten inoffiziellen Gedankenaustausch zwischen Vertretern der Stiftung und des Verwaltungsrats des Europäischen Kulturfonds fortzusetzen. Damit dürfte die Gewähr für eine enge Zusammenarbeit zwischen Kulturfonds und Kulturstiftung gegeben sein. Die Einsetzung eines besonderen ad-hoc-Komitees scheint daher entbehrlich, zumal auch die Beratende Versammlung an der weiteren Fühlungnahme durch den Vorsitzenden ihres Kulturausschusses beteiligt sein wird.
Ich danke.
Ich rufe dann auf die Frage 13 - des Abgeordneten Dr. Kreyssig - betreffend den Bericht der Bundesregierung über den Fortgang der Arbeiten zur Schiffbarmachung der Mosel:
Warum hat die Bundesregierung den einstimmigen Beschluß des 2. Deutschen Bundestages in seiner 181. Sitzung vom 14. Dezember 1956, mit dem sie ersucht wurde, dem Bundestag alljährlich über den Fortgang der Arbeiten zur Schiffbarmachung der Mosel zu berichten, bisher mißachtet?
Wann gedenkt die Bundesregierung, nachdem seit diesem Beschluß des Bundestages über zwei Jahre vergangen sind, dem Bundestag zu berichten?
Die Frage betrifft wieder den Herrn Bundesminister für Verkehr. Ich erteile ihm das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Jahre 1957 sind zur Schiffbarmachung der Mosel lediglich Vorarbeiten geleistet worden; mit den Bauarbeiten konnte damals noch nicht begonnen werden. Es wurde deshalb für 1957 kein besonderer Bericht vorgelegt, da angenommen wurde, daß die vorliegenden Veröffentlichungen der Bundesregierung und des Bundesministers für Verkehr, insbesondere der Tätigkeitsbericht der Bundesregierung „Deutschland im Wiederaufbau 1957" und der Jahresbericht 1957 der Wasserbauverwaltung des Bundes, zunächst genügen würden. Nach Abschluß der ersten Vorarbeiten konnte im Frühjahr 1958 mit den Bauarbeiten an zwei Staustufen - auf deutschem Gebiet - begonnen werden. Der erste zuBundesverkehrsminister Dr.-Ing. Seebohm sammenfassende Bericht wurde daher im Januar dem Herrn Präsidenten des Deutschen Bundestages übermittelt und hoffentlich inzwischen auch schon den Damen und Herren des Hohen Hauses zugeleitet.
Eine Zusatzfrage?
Kann sich der Herr Minister daran erinnern, daß bei der Diskussion über die Verträge erhebliche Differenzen bezüglich der Gesamtkosten der Schiffbarmachung entstanden sind, und wird die Bundesregierung in der Lage sein, auf Grund der bisherigen Erfahrungen eine neue Schätzung vorzulegen, wie hoch die Gesamtkosten sich belaufen werden?
Ich glaube, es ist noch etwas zu früh, die damaligen Zahlen zu überprüfen, da eine ganze Reihe von Faktoren, insbesondere des Verfahrens - wie der Untergrund ausgemeißelt werden kann, welches Verfahren da am zweckmäßigsten angewendet wird und welche Kosten sich ergeben - noch nicht übersehen werden können. Wir haben darüber im vorigen Jahre eine Reihe von Versuchen an einer Strecke diesseits von Trier vorgenommen. Die Auswertung der Ergebnisse liegt noch nicht vor. Sobald wir aber genaue Unterlagen darüber haben, werden wir eine Nachkalkulation auf Grund der bisherigen Erfahrungen vornehmen und sie dann dem Bundestag auch im Rahmen des nächstjährigen Berichts bekanntgeben.
Noch eine Zusatzfrage? Bitte.
Herr Minister, kann der Bundestag damit rechnen, daß sich die Berichterstattung auch auf die Teile beziehen wird, die nicht auf deutschem Gebiet liegen?
In dem Bericht, den ich erstattet habe, ist auch darauf kurz hingewiesen. Natürlich kann ich in diesem Bericht über Einzelheiten nicht so ausführlich berichten, obwohl die Internationale Mosel-AG selbstverständlich auch aus diesem Bereich Nachrichten bekommt. Immerhin handelt es sich dabei nur um die französische Strecke, da der Bau innerhalb der luxemburgisch-deutschen Grenzstrecke durch die deutschen Wasserbaubehörden als Auftragsbehörden erfolgt.
Ich darf dem Hohen Hause noch mitteilen, daß der Bericht, den der Herr Bundesminister für Verkehr soeben erwähnt hat, heute als Drucksache 789 zur Verteilung gelangt ist.
Ich rufe auf die Frage 14 - des Abgeordneten Brück - betreffend Erfahrungen mit der Geschwindigkeitsbegrenzung in geschlossenen Ortschaften und auf der Autobahn Frankfurt-Mannheim:
Welche Erfahrungen hat die Bundesregierung nach Wiedereinführung der Geschwindigkeitsbegrenzung in geschlossenen Ortschaften gemacht in bezug
a) auf die Einhaltung der Geschwindigkeit,
b) auf die Zahl der Verkehrstoten,
c) auf die Zahl der Verkehrsverletzten,
d) auf den verursachten Sachschaden?
Welche Erkenntnisse liegen bis jetzt vor über die Einführung der Geschwindigkeitsbegrenzung von 100 km auf der Autobahn zwischen Frankfurt ({0}) und Mannheim?
Sie betrifft wiederum den Bundesminister für Verkehr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die am 1. September 1957 generell eingeführte Geschwindigkeitsbeschränkung in geschlossenen Ortschaften wird von den Kraftfahrern im allgemeinen gut beachtet. Z. B. haben die Feststellungen der Polizeibehörde in Hamburg, die mit einem Radargerät durchgeführt worden sind, ergeben, daß von 800 000 Kraftfahrern nur 21 000 Kraftfahrer zu schnell gefahren sind. Etwa 11 000 Kraftfahrer konnten wegen der Dichte des Verkehrs nicht erfaßt werden. 7000 Kraftfahrer wurden gebührenpflichtig verwarnt, und gegen 3200 Kraftfahrer wurde Strafanzeige erstattet, weil ihre Geschwindigkeit erheblich über der Begrenzung lag. Offenbar hat es sich bei den Kraftfahrern herumgesprochen, daß die Hamburger Verkehrspolizei Radargeräte zur Überprüfung eingesetzt hat; denn die Urteile der Polizei aus anderen Städten und Ländern über die Disziplin der Kraftfahrer sind unterschiedlich. Die Überwachung soll daher allgemein verstärkt werden, und die Radargeräte, wie sie in Hamburg sich bewährt haben, sollen auch außerhalb Hamburgs zum Einsatz gelangen.
Die Zahl der im Straßenverkehr Getöteten betrug in den zwölf Monaten vor der Einführung der Geschwindigkeitsbeschränkung, also zwischen dem 1. September 1956 und dem 31. August 1957, 13 457 Menschen. In den zwölf Monaten nach der Einführung der Geschwindigkeitsbeschränkung in den Ortschaften, also zwischen dem 1. September 1957 und dem 31. August 1958, betrug sie 11 017 Menschen. Der Rückgang betrug also 18,1 %.
Bei den Verkehrsverletzten liegt eine ähnliche Entwicklung vor. Für die Zeit vom 1. September 1956 bis 31. August 1957 betrug die Zahl der verletzten Menschen 375 691, während in der Zeit vom 1. September 1957 bis 31. August 1958 331 123 Menschen verletzt wurden. Der Rückgang der Zahl der Verletzten beträgt also 11,9 %.
Demgegenüber ist aber die Zahl der Unfälle mit Sachschäden in dem gleichen Zeitraum von 352 253 auf 391 297, also um 11,1 %, angestiegen. Hier liegt offenbar eine Parallele zum Anwachsen des Kraftfahrzeugbestandes vor, der am 1. Juli 1957 5,44 Millionen betrug und bis zum 1. Juli 1958 auf 5,97 Millionen, also um 9,7 % angestiegen ist; immerhin etwas weniger als die Anzahl der Unfälle mit Sachschäden. Dieses Ansteigen der Sachschäden mit Zunahme der Kraftfahrzeuge läßt den Rückschluß zu, daß auch die Zahl der Unfallopfer weiter angestiegen wäre, wenn die Geschwindigkeitsbeschränkung nicht eingeführt worden wäre.
Bundesverkehrsminister Dr.-Ing. Seebohm
Das Land Nordrhein-Westfalen hat durch eine Sondererhebung die Unfälle in geschlossenen Ortschaften von denen getrennt, die sich außerhalb der geschlossenen Ortschaften ereignet haben. Dabei hat es sich gezeigt, daß in dem ersten Jahr nach Einführung der Geschwindigkeitsbeschränkung innerhalb der Ortschaften in Nordrhein-Westfalen die Zahl der Verkehrstoten um 37 % und die Zahl der Verletzten um 20,5 % zurückgegangen sind. Die Zahl der Unfallopfer bei Unfällen außerhalb der Ortschaften hat sich dagegen weiter erhöht; es wurden außerhalb der Ortschaften um 8,7 % mehr Personen getötet und um 11,1 % mehr Personen verletzt.
Im Zusammenhang mit diesen Feststellungen in Nordrhein-Westfalen sind die Erfahrungen mit der Geschwindigkeitsbeschränkung auf der Autobahn Frankfurt - Mannheim von besonderem Interesse. Folgende Zahlen sind hier sehr aufschlußreich. Zahl der Unfälle in den Monaten August bis Dezember 1957: 541, dagegen in den Monaten August bis Dezember 1958, nach Einführung der Geschwindigkeitsbeschränkung: 359. Die Zahl der Unfälle mit tödlichem Ausgang hat sich von 24 auf 10, die Zahl der Verkehrstoten von 35 auf 14 und die Zahl der Verkehrsverletzten von 373 auf 181 ermäßigt.
Auch die Unfallursachen zeigen ein interessantes Entwicklungsbild. In den Monaten August bis Dezember 1957, vor Einführung der Geschwindigkeitsbegrenzung, traten durch Auffahren auf fahrende Fahrzeuge 127 Unfälle ein. Die Zahl dieser Unfälle ist nach der Geschwindigkeitsbeschränkung in den Monaten August bis Dezember 1958 auf 81 zurückgegangen, ganz im Gegensatz zu den Erwartungen, die immer wieder in der Öffentlichkeit hierzu geäußert worden sind. Die Zahl der Unfälle durch Auffahren auf haltende Fahrzeuge hat sich von 164 auf 94 ermäßigt. Das Abkommen von der Fahrbahn wegen überhöhter Geschwindigkeit ist von 103 Fällen auf 57 Fälle im Vergleichszeitraum zurückgegangen.
Es kann daher wohl kaum bestritten werden, daß die Geschwindigkeitsbeschränkung auf der Autobahnstrecke Frankfurt-Mannheim wesentlich zur Hebung der Verkehrssicherheit beigetragen hat. Man kann grundsätzlich sagen, daß dies auch ein Beweis dafür ist, daß, wenn ein Verkehrsraum beschränkt ist, eine gleichmäßigere Geschwindigkeit zu einer Besserung des Verkehrsflusses und zu einer Verminderung der Unfälle führt.
Noch eine Zusatzfrage? - Bitte.
Herr Minister, Ihre Ausführungen über die Untersuchungen von NordrheinWestfalen und Ihre Darlegungen über die Einführung der Geschwindigkeitsbeschränkung auf der Autobahn Frankfurt-Mannheim lassen doch deutlich erkennen, daß die Zahl der Verkehrstoten und der Verkehrsverletzten hier erheblich zurückgegangen ist. Deshalb meine Frage: Wäre es nicht zweckmäßig und machen Sie sich nicht Gedanken darüber, generell für alle Fahrzeuge eine Geschwindigkeitsbeschränkung außerhalb der geschlossenen
Ortschaften vorzunehmen? Denn die Privatzählung von Herrn Professor Linden aus Essen hat beispielsweise ergeben, daß höchstens 10 % der Fahrzeuge über 100 km/h fahren. Angesichts der von Ihnen dargelegten Zahlen müßte sehr ernsthaft erwogen werden, ob das nicht eine Möglichkeit wäre, die Zahl der Verkehrstoten und Verkehrsverletzten weiter zurückzudrängen.
({0})
Herr Kollege Brück, das Land Nordrhein-Westfalen führt zur Zeit in Verfolg der bisherigen Untersuchungen eine weitere Untersuchung über die Geschwindigkeitsverhältnisse auf den Straßen außerhalb der geschlossenen Ortschaften durch. Ich nehme an, daß das Ergebnis Anfang März vorliegen wird und wir es dann mit den anderen Ländern erörtern können. Das Meßergebnis über die Geschwindigkeitsverhältnisse und ihre Verteilung auf die verschiedenen Fahrzeuge liegt bereits für die Autobahnstrecke Köln-Dortmund vor. Dort wurde an sechs Stellen an den sechs Wochentagen zu sechs verschiedenen Tageszeiten gemessen. Jeweils auf dem rechten Fahrstreifen der Autobahn wurde eine Durchschnittsgeschwindigkeit zwischen 69 und 72,3 km und auf dem Überholstreifen eine Geschwindigkeit von 87,7 bis 91,1 km festgestellt. Ferner ist ermittelt worden, daß nur 6,6 % der Kraftfahrer über 100 km je Stunde und ungefähr 90 % der Kraftfahrer langsamer als 90 km gefahren sind.
Das Ergebnis hat entgegengesetzte Meinungen ausgelöst. Eine Gruppe ist der Ansicht, es sei wegen der verhältnismäßig geringen Zahl der Kraftfahrer, die schneller als 100 km in der Stunde fahren, nicht notwendig, besondere Maßnahmen zu treffen und die zulässige Geschwindigkeit generell zu begrenzen.
Die andere Ansicht geht davon aus, daß gerade dieser geringe Prozentsatz der schneller als 100 km in der Stunde fahrenden Kraftfahrer die Begrenzung der Geschwindigkeit auf 100 km je Stunde durchaus rechtfertige, eben weil der betroffene Teil der Verkehrsteilnehmer außerordentlich gering sei. Diese Gruppe stützt sich dabei vor allem auf die in den Vereinigten Staaten geltende Regel, daß als angemessene Höchstgrenze die Fahrgeschwindigkeit angesehen werden kann, die von etwa 85 % der Kraftfahrer von sich aus ohne Verkehrszeichen oder besondere überwachende Polizeibeamte nicht überschritten wird.
Sobald das vollständige Ergebnis der Erhebungen in Nordrhein-Westfalen vorliegt, wird die Frage der Ausdehnung der Geschwindigkeitsbeschränkungen abschließend behandelt werden müssen. Sollten sich generelle Beschränkungen als notwendig erweisen, wird selbstverständlich der Verkehrsausschuß des Bundestages von mir mit dieser Sache befaßt werden. Ich darf aber grundsätzlich sagen, daß mein Bestreben zunächst dahin geht, Geschwindigkeitsbeschränkungen an den Gefahrenstellen zu schaffen. Deshalb habe ich bei den Ländern angeregt, auf einigen Strecken mit mehr als 5 % Gefälle eine Geschwindigkeitsbeschränkung und ein ÜberholverBundesverkehrsminister Dr.-Ing. Seebohm
bot für Lastkraftwagen einzuführen. Ich bin dabei davon ausgegangen, daß bei neugebauten Autobahnstrecken durch Verordnung des Bundesministers für Verkehr Steigungen über 4 % nicht mehr eingeführt werden, so daß einmal versucht werden sollte, festzustellen, ob wir mit diesen Geschwindigkeitsbegrenzungen auf Gefällstrecken auskommen. Selbstverständlich gilt diese Einzelbehandlung auch für Strecken mit besonders hoher Verkehrsbelastung wie die Strecke Frankfurt-Mannheim oder Karlsruhe-Pforzheim, für die jetzt Baden-Württemberg auch eine Verkehrsbeschränkungeingeführt hat.
Alle diese Maßnahmen werden uns sicherlich Beweismaterial geben, um notfalls jenen entgegenzutreten, die es nicht begreifen können, daß man um der Sicherheit der Menschen willen auch auf bestimmte überhöhte Geschwindigkeiten im Verkehr verzichten muß, die letzten Endes auch bei langen Fahrten höchstens eine Zeitersparnis von einer Zigarettenlänge erbringen.
Ich rufe auf Frage 15 - des Abgeordneten Logemann - betr. Einweisung von Bundeswehrfamilien in noch nicht bezugsfertige Wohnungen:
Wird es von der Bundesregierung für tragbar gehalten, daß nach Diepholz versetzte Bundeswehrfamilien bei Zuweisung von Wohnungen in Wohnblocks eingewiesen werden, die noch nicht bezugsfertig sind, so daß die Familien Wohnräume benutzen müssen, die wegen Mangels an Heizkörpern nicht beheizt werden können?
Sind der Bundesregierung die Schwierigkeiten bekannt, die im Kern des Übels daran zu liegen scheinen, daß sich die Zuständigkeiten der am Bau beteiligten Behörden und Stellen ({0}) zum Teil überschneiden, daß Lieferfristen und Bezugstermine kollidieren und - daraus folgend - die Soldatenfamilien ähnlich den aus der Zone eintreffenden Flüchtlingsfamilien vor einem Anfang stehen, der der neuen Garnison keine Ehre macht und über den berechtigt bewegliche Klage von den Betroffenen geführt wird?
Wie gedenkt die Bundesregierung Abhilfe dieser Zustände zu schaffen?
Die Beantwortung hat der Herr Bundesminister für Verteidigung übernommen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf die Frage 15 folgendermaßen beantworten.
Eine Nachprüfung hat ergeben, daß in Diepholz von 157 Neubauwohnungen bei Bezug lediglich 4 Wohnungen noch nicht völlig hergerichtet waren. In diesen vier Wohnungen waren die Fußbodenarbeiten nicht restlos beendet, so daß die bereits gelieferten Ofen noch nicht angeschlossen werden konnten. Noch am Einzugstage wurde in jeder dieser vier Wohnungen die Beheizung der Küche und eines Raumes sichergestellt. Die übrigen Anschlüsse und sonstige kleinere Arbeiten wurden an den beiden folgenden Tagen ausgeführt.
Die starke Baukonjunktur im Sommer und Herbst hatte zur Folge, daß den Baufirmen nur etwa 60 % der benötigten Arbeitskräfte auf den einzelnen Baustellen zur Verfügung standen. Außerdem traten Schwierigkeiten bei der Versorgung mit Baustoffen auf. Trotz frühzeitiger Bestellung waren die Herstellerfirmen nicht in der Lage, die von ihnen fest zugesagten Liefertermine einzuhalten, z. B. bei Glas und Fußböden. So mußten die Fußböden des
Herstellerwerkes Continental, Hannover, über ein Schwesterwerk in Belgien ausgeliefert und sogar zusätzliche Sonntagsfahrgenehmigungen für Fernlastkraftwagen eingeholt werden.
Diese Umstände machten eine im Einvernehmen aller Beteiligten vorgenommene kurzfristige Verschiebung des Bezugstermins erforderlich. Leider wurde dann die Verlegung der Fußböden durch einen örtlichen Streik um einige weitere Tage verzögert, wodurch die oben erwähnten vier Wohnungen betroffen wurden.
Alle Beteiligten haben die aufgetretenen Schwierigkeiten gemeinsam und so schnell wie möglich überwunden. Von einer Behinderung des Wohnungsbaus durch Überschneidung der Zuständigkeiten kann jedenfalls im vorliegenden Falle nicht die Rede sein.
Wird dazu eine Zusatzfrage gestellt? - Das ist nicht der Fall.
Ich rufe auf Frage 16 - des_ Abgeordneten Dr. Serres - betreffend die Erschließung der Erdgasquellen in der Nordsahara:
Ist die Bundesregierung bereit, entsprechend der Empfehlung 167 ({0}) der Beratenden Versammlung des Europarates betreffend die Erschließung der Erdgasquellen in der Nordsahara mit den zuständigen europäischen und afrikanischen Regierungen Pläne für eine gemeinsame Erschließung und Verteilung des sehr beträchtlichen Erdgasvorkommens in der Sahara zu erörtern?
Die Beantwortung hat der Herr Bundesminister des Auswärtigen übernommen. Ich erteile Herrn Staatssekretär van Scherpenberg das Wort.
Ich sehe den Herrn Fragesteller nicht.
Es ist mir nicht mitgeteilt worden, daß die Frage zurückgezogen worden ist, Herr Staatssekretär. Der Fragesteller braucht nicht anwesend zu sein.
Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß die in der Empfehlung 167 des Europarats vom Jahre 1958 erwähnten und im Bericht des Wirtschaftsausschusses - Dokument 862 - dargelegten Möglichkeiten einer Versorgung Europas mit Erdgas aus der Sahara eine eingehende Prüfung verdienen.
Die französische Regierung hat sich bereit gefunden, die technischen Fragen im Rahmen der OEEC mit sachverständigen Vertretern der interessierten Regierungen erörtern zu lassen. Die Beratungen haben bereits begonnen.
Im Falle einer positiven Bewertung des Projekts durch die Sachverständigen ist die Bundesregierung bereit, sich im Ministerkomitee des Europarates für eine positive Behandlung der Empfehlung einzusetzen.
Eine Zusatzfrage wird nicht gestellt.
Vizepräsident Dr. Preusker
Ich rufe auf Frage 17 - des Abgeordneten Dr. Besold -, die die Bevorzugung dunkler Autobahndecken betrifft:
Welche Gründe waren für das Bundesverkehrsministerium maßgebend, dunkle Autobahndecken den hellen vorzuziehen?
Sind die Versuche und Erfahrungen schon so weit gediehen, daß eine Bevorzugung der schwarzen Autobahndecken gerechtfertigt ist?
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Verkehr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Öffentlichkeit werden als dunkle Autobahndecken solche aus Asphalt, als helle Autobahndecken solche aus Beton - in einer etwas vereinfachten Bezeichnungsweise angesehen. Die Annahme, daß der Bundesminister für Verkehr den dunklen Autobahndecken gegenüber den hellen den Vorzug gibt, kann zweifellos nicht als zutreffend angesehen werden.
Beim Neubau der Bundesautobahnen wird nach wie vor die überwiegende Streckenlänge mit Betondecken versehen. Von 1945 bis 1958 sind 225 km Neubaustrecken in Beton und 60 km in Asphalt hergestellt worden. Das bedeutet ein Verhältnis von 79 % Betondecken zu 21 % Asphaltdecken. Beim Weiterbau der in Ausführung befindlichen Strecken ist das Verhältnis Beton zu Asphalt etwa zwei zu eins.
Die Art der Fahrbahndecken auf den Bundesautobahnen wird vom Bundesminister für Verkehr nach technischen und wirtschaftlichen Grundsätzen auf Grund der Vorschläge der Auftragsverwaltungen
der Länder festgelegt. So sind z. B. bei der Erneuerung der Fahrbahndecken auf den besonders stark belasteten Strecken der Bundesautobahnen in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz Asphaltdecken deswegen gewählt worden, weil diese Decken sofort nach der Fertigstellung für den Verkehr freigegeben und auch die einzelnen Schichten des Unterbaus und der Decke zwischenzeitlich befahren werden können.
Darin liegt ein wesentlicher Vorteil für die Verkehrsabwicklung, indem die Sperrlängen und Sperrzeiten - auch innerhalb der einzelnen Baulose - kurz gehalten werden können. In den letzten beiden Jahren ist dadurch erreicht worden, daß der Verkehr im Bereich der Erneuerungsstecken nur in dem Umfange behindert wurde, der aus bautechnischen Gründen unvermeidbar war.
Außerdem werden Asphaltdecken in Gebieten mit ungünstigen klimatischen Bedingungen vorgesehen, wo mit oftmaliger Glatteisbildung gerechnet werden muß. Die Asphaltdecken werden durch die aus betrieblichen Gründen notwendige Tausalzbehandlung im Winter nämlich nicht angegriffen. Sie neigen auch von Natur aus weniger zur Glatteisbildung. Sie sind, wie man sagt, wärmer als die Betondecken. Außerdem werden sie dort bevorzugt, wo nachträgliche Setzungen des Untergrundes trotz sorgfältiger Verdichtung erwartet werden müssen.
In der Öffentlichkeit wird häufig der Wunsch geäußert, die Fahrbahndecken möglichst hell herzustellen. Der Bundesminister für Verkehr hat sich
über die Frage, wie man diesem Wunsch nach helleren Fahrbahndecken am wirkungsvollsten nachkommen kann, im Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung vom 12. September 1958 ausführlich geäußert. Ich darf darauf verweisen. Hierbei ist auch auf den Umstand eingegangen worden, daß die von Natur weißlichen Betondecken durch einen geringen Farbzusatz hellgrau getönt werden, um den erforderlichen Kontrast zu den sehr notwendigen weißen Markierungslinien am Rand und in der Mitte der Fahrbahn sicherzustellen. Außerdem wird in dieser Verlautbarung auf die Bemühungen der Straßenbauverwaltungen hingewiesen, die dunklen Asphaltdecken durch Zusatz heller Mineralstoffe in ihrem Farbton so zu verbessern, daß sie - auch nachdem der an der Oberfläche aufgebrachte helle Splitt abgefahren ist - eine hellgraue Färbung behalten.
Von dem vorhandenen Autobahnnetz sind augenblicklich 85 % mit Betondecken, 13 % mit bituminösen Decken und 2 % mit Pflasterdecken versehen. Es ist interessant, daß sich auch in anderen Ländern eine stärkere Tendenz zur Asphalt- oder bituminösen Decke feststellen läßt. In den Vereinigten Staaten sind seit 1956 2431 km Autobahn gebaut worden, von denen 39 % mit Zementbetondecken und 61 % mit bituminösen Decken versehen worden sind. In Italien ist man ebenso wie in Großbritannien gleichfalls zur bituminösen Bauweise übergegangen. In der Schweiz ist die einzige Autobahnstrecke mit einer Asphaltbetondecke befestigt worden. In den Niederlanden hat sich beim Neubau das Verhältnis zwischen Zementbeton- und bituminösen Decken gegenüber früher umgekehrt. Beim Neubau sind 60 % bituminöse Decken gegenüber 35 % Zementbetondecken vorgesehen. Man kann daher feststellen, daß bei uns bei einem Verhältnis von 79 % Betondecken zu 21 % Asphaltdecken bei den Neubaustrecken die Zementbetondecke immer noch in viel stärkerem Maße benutzt wird als in den benachbarten Ländern.
Eine Zusatzfrage wird offenbar nicht gestellt.
Die 60 Minuten der Fragestunde sind beinahe abgelaufen. Ich breche die heutige Fragestunde hiermit ab, zumal die Beantwortung der nächsten Frage mehrere Minuten dauern würde. Die nicht mehr beantworteten Fragen werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage im Stenographischen Bericht abgedruckt.
Wir kommen zu den weiteren Punkten der Tagesordnung. Ich darf vorweg bemerken, daß gemäß einer Vereinbarung im Ältestenrat die Tagesordnung für Mittwoch, Donnerstag und Freitag als eine gemeinsame Tagesordnung für diese Sitzungen gilt, und zwar mit der Maßgabe, daß an den einzelnen Tagen bestimmte Schwerpunkte gebildet werden. Wenn sich gegen Ende der Sitzungen zeigt, daß noch Zeit zur Verfügung steht, können andere Gegenstände, die nicht zu den Schwerpunkten gehören, vorgezogen werden. Ich bitte die Damen und Herren des Hauses, darauf zu achten.
Vizepräsident Dr. Preusker
Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:
Wahl eines beratenden Mitgliedes des Wahlprüfungsausschusses.
Hierzu hat die Fraktion der Deutschen Partei mit Schreiben vom 14. Januar 1959 vorgeschlagen, gemäß § 3 Abs. 2 des Wahlprüfungsgesetzes an Stelle des ausscheidenden Abgeordneten Schneider ({0}) den Abgeordneten Dr. Schneider ({1}) als beratendes Mitglied des Wahlprüfungsausschusses zu wählen.
Ich nehme an, daß das Haus damit einverstanden ist. - Ich höre keinen Widerspruch. Damit ist der Abgeordnete Dr. Schneider ({2}) als beratendes Mitglied des Wahlprüfungsausschusses gewählt.
Ich rufe nunmehr die Punkte 3 a, b, c, d und e der Tagesordnung auf, die miteinander verbunden sind:
a) Große Anfrage der Fraktion der SPD betr. Arbeitszeit der Bundesbeamten ({3})
b) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Änderung des Bundesbesoldungsgesetzes ({4})
c) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Beschäftigung von Schwerbeschädigten im Bundesdienst ({5})
d) Erste Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Bundesbeamtengesetzes ({6})
e) Erste Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Bundesbesoldungsgesetzes ({7}).
Zur Begründung der Großen Anfrage unter 3 a hat sich der Abgeordnete Faller gemeldet. Ich erteile ihm das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf die Große Anfrage der Fraktion der SPD auf Drucksache 591 kurz begründen. Meine Fraktion begrüßt selbstverständlich, daß endlich auch im öffentlichen Dienst ein erster Schritt zur Verkürzung der Arbeitszeit getan wurde. Was uns zur Großen Anfrage veranlaßt, ist die Art, wie dieser erste Schritt getan wurde.
Deshalb fragen wir in Punkt 1 der Anfrage, ob die Bundesregierung die Bestimmung des § 94 des Bundesbeamtengesetzes beachtet hat, die verlangt, daß die Spitzenorganisationen der zuständigen Gewerkschaften bei der Vorbereitung allgemeiner Regelungen der beamtenrechtlichen Verhältnisse beteiligt werden.
Hält die Bundesregierung diese Vorschrift dadurch für erfüllt, daß sie am 25. Juli 1958 diese Organisationen zwar gehört, dann aber die Entscheidung im Kabinett auf Grund einer Vorlage herbeigeführt hat, die gegenüber der Besprechungsgrundlage vom 25. Juli wesentlich verändert war? Welchen Sinn hat dann überhaupt ein solches Gespräch,
wenn es auf Grund von Unterlagen geführt wird, die nach dem Gespräch durch andere ersetzt werden?
Wir sind der Überzeugung, daß ein solches Vorgehen die zwingende Vorschrift des § 94 des Bundesbeamtengesetzes nicht berücksichtigt, zum mindesten aber nicht den Sinn dieser Vorschriften erfüllt.
Wir fragen in Punkt 2:
Ist sich die Bundesregierung bewußt, daß eine ohne Beteiligung der Personalvertretungen gemäß § 67 des Personalvertretungsgesetzes ergangene Arbeitszeitverordnung, die so weitgehend in die Verteilung der Arbeitszeit und der Pausen eingreift, eine Verletzung des im Personalvertretungsgesetz festgelegten Mitbestimmungsrechts darstellt?
Uns scheint, daß die Bundesregierung versucht, unter Anwendung des § 13 der Arbeitszeitordnung vom 30. April 1938, also einer Maßnahme aus dem Dritten Reich, das Mitbestimmungsrecht der Personalvertretungen, und zwar auch auf dem Sektor der Angestellten und Arbeiter, durch einfachen Kabinettsbeschluß weitgehend auszuhöhlen. Diese Verordnung der Bundesregierung läßt keinen Spielraum mehr für eine Mitwirkung der Personalvertretung bei der Festlegung der täglichen Arbeitszeit und der Pausen und verstößt damit gegen den § 67 des Personalvertretungsgesetzes.
Gleichzeitig wird auch dem. § 55 dieses Gesetzes die Grundlage entzogen, indem in Satz 3 festgelegt ist, daß sich der Leiter der Dienststelle und der Personalrat einmal im Monat zusammensetzen sollen, um insbesondere Fragen zu behandeln, die die Gestaltung des Dienstbetriebes und alle Vorgänge betreffen, die die Bediensteten wesentlich berühren.
In vielen Dienststellen bestand seit Jahren die Regelung, daß durch eine tägliche Mehrarbeit von 30 Minuten die Möglichkeit gegeben wurde, den Bediensteten jeden zweiten Samstag dienstfrei zu geben. Damit war allen Bediensteten mindestens für jedes zweite Wochenende die Gelegenheit zu wirklicher Entspannung und auch zu allen Möglichkeiten des Einkaufs bei unserem „Patentladenschlußgesetz" gegeben.
({0})
Die Verordnung der Bundesregierung hat deshalb für einen großen Teil eine Verschlechterung gebracht.
({1})
Glaubt die Bundesregierung, daß durch solche Maßnahmen der Arbeitswille und die Arbeitsfreude gehoben werden? Die bisherigen Erfahrungen beweisen das Gegenteil.
Vielleicht darf ich bei dieser Gelegenheit den Herrn Innenminister fragen, ob es richtig ist, daß seine Erfahrungen ihn ebenfalls zu einem negativen Bericht über die Auswirkungen dieser Verordnung in seinem Ministerium und den nachgeordneten Behörden veranlaßt haben.
({2})
Wenn es so ist, Herr Minister, dann würden wir gerade Ihnen, der die Verantwortung für das Wohl der Beamten trägt und zu tragen hat, empfehlen, dafür zu sorgen, daß diese Verordnung möglichst bald abgelöst wird.
Die Ministerpräsidentenkonferenz hat am 16. Oktober 1958 den einzelnen Ländern empfohlen, bei Einführung der 45-Stunden-Woche auch für die Beamten jeden zweiten und vierten Samstag als dienstfrei vorzusehen. In Hamburg und Bremen haben wir bereits die echte Fünftagewoche, während alle weiteren Länder zwei dienstfreie Samstage haben.
Wir erwarten von der Bundesregierung, daß sie durch Änderung der Verordnung eine Rechtszersplitterung im öffentlichen Dienst verhindert und den Personalvertretungen die Möglichkeit gibt, nach §§ 55 und 67 des Personalvertretungsgesetzes zusammen mit den Dienststellenleitern die Arbeitszeit nach den Erfordernissen und Möglichkeiten der einzelnen Dienststellen und den berechtigten Wünschen der Öffentlichkeit einzurichten. Das könnte sehr einfach dadurch geschehen, daß die neue Arbeitszeitverordnung so gefaßt würde wie die Verordnung vom 15. Juni 1954 mit der einzigen Änderung der wöchentlichen Arbeitszeit von 48 auf 45 Stunden.
Lassen Sie mich zum Schluß noch ein Wort zu einer Bestimmung im § 4 der umstrittenen Verordnung sagen. Hier taucht wieder einmal die leidige Bestimmung auf, daß bei Bereitschaftsdienst bis zu 60 Arbeitsstunden in der Woche verlangt werden können. Als seinerzeit diese Bestimmung in das Beamtenrechtsrahmengesetz aufgenommen wurde, ging man bekanntlich von einer Arbeitszeit von 48 Stunden wöchentlich aus. Es wäre deshalb nur recht und billig, auch in dieser Frage endlich zu einer einigermaßen zufriedenstellenden Lösung zu kommen. Darauf warten vor allen Dingen die großen Betriebsverwaltungen.
Zum Abschluß darf ich Sie noch bitten, dem Antrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 197 mit folgendem Inhalt:
Die Bundesregierung wird ersucht, umgehend eine Neufassung der Arbeitszeitverordnung vorzunehmen, die eine Mitbestimmung der Personalvertretungen nach § 67 des Personalvertretungsgesetzes ermöglicht und die den Bestimmungen des § 94 des Bundesbeamtengesetzes gerecht wird
Ihre Zustimmung zu geben.
({3})
Meine Damen und Herren! Nachdem die Fraktion der SPD auf eine besondere Begründung des Antrags unter Punkt 3 b verzichtet hat, ist es so, daß sich noch zur Begründung des Antrags zu 3 c, Beschäftigung von Schwerbeschädigten im Bundesgebiet, der Herr Kollege Matzner zu Wort gemeldet hat und daß die Fraktion der Freien Demokraten die Gesetzentwürfe zu d und e im Rahmen der Diskussion zu
begründen beabsichtigt. Ich darf also jetzt vor der Beantwortung durch die Bundesregierung noch Herrn Abgeordneten Matzner das Wort erteilen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor fast zwei Jahren wurde in diesem Hause nach langen Vorbereitungen das Bundesbesoldungsgesetz, das die alten Vorschriften aus den Jahren 1927 und 28 ablöste, endlich verabschiedet. Die Mitglieder dieses Hauses, besonders die Mitglieder des Beamtenrechtsausschusses, waren bemüht, eine Regelung zu treffen, die auf lange Sicht in diese Angelegenheit Ordnung bringen und auch den Arbeitsfrieden gewährleisten sollte. Ohne Überheblichkeit kann ich vielleicht sagen, daß das in großem Maße gelungen ist.
Aber eine brennende Frage blieb damals; sie blieb zwar nicht offen, wurde aber nicht endgültig gelöst. Als wir zum § 48 des Bundesbesoldungsgesetzes kamen, der die Überleitung der schon vorhandenen Versorgungsempfänger behandelt, mußten wir uns unter den damaligen Verhältnissen entschließen, im Kompromißwege eine Regelung anzunehmen, die eine Pauschalüberleitung brachte. Dies bedeutet, daß die ursprüngliche Absicht, auch den Versorgungsempfängern eine Überleitung nach den Bestimmungen des Gesetzes, das am 1. April 1957 in Kraft getreten ist, zu geben, nicht verwirklicht wurde. Sowohl von der Länderseite als auch von den großen Bundesunternehmungen Bahn und Post wurde ins Feld geführt, daß das zu großen verwaltungsmäßigen Schwierigkeiten führen müsse. Es wurde gesagt, daß die Personalakten vieler Leute, besonders bei der Bahn, nicht mehr vorhanden seien, diese Absicht also undurchführbar sei. Unter den damaligen Verhältnissen haben sich die Mitglieder des Beamtenrechtsausschusses - wie dann auch das Plenum - geeinigt, einer pauschalen Lösung zuzustimmen.
Nun ist über ein Jahr vergangen. Wir können wohl feststellen, daß die Überleitung der Beamten bis auf vielleicht noch einige Sonderfälle durchgeführt ist. Ich glaube, es ist richtig, wenn sich der zuständige Ausschuß jetzt noch einmal mit dem § 48 beschäftigen kann, um nach der gegenwärtigen Sachlage genau zu prüfen, ob es möglich ist, die zahllosen Klagen aus dem Bundesgebiet hinsichtlich der Versorgungsempfänger zu überprüfen, und zu versuchen, eine bessere Regelung zu treffen. Wir sind überzeugt, daß die Regelung, die wir damals getroffen haben, nicht der Weisheit letzter Schluß ist.
Deswegen haben wir die Bundesregierung in einem Antrag gebeten, einen Gesetzentwurf zur Änderung dieser Bestimmungen vorzulegen und dabei die bisherigen Erfahrungen zu berücksichtigen. Wir können verzeichnen, daß die Fraktion der Freien Demokratischen Partei etwas weiter gegangen ist und mit Drucksache 727 einen Gesetzentwurf eingebracht hat. Wir begrüßen das; aber ich glaube, es ist richtig, wenn auch die Regierung einen Gesetzentwurf einbringt, damit wir nun, gestützt auf zwei Vorlagen, genau beraten können, wie wir es Monate hindurch beim Besoldungsgesetz getan haben.
Ich bitte Sie also, diesem Wunsche meiner Fraktion Rechnung zu tragen und den Antrag dem Ausschuß für Inneres zu überweisen, damit wir die Sache dort im Zusammenhang mit der Drucksache 727 und der zu erwartenden Regierungsvorlage gründlich beraten können. Meine Damen und Herren, es ist ein nicht unberechtigtes Anliegen, das wir dem Hohen Hause vortragen, und ich bitte Sie um Ihre Zustimmung.
({0})
Meine Damen und Herren, Sie werden festgestellt haben, daß der Antrag zu 3 b) begründet worden ist. Das war mir vorher anders berichtet worden. Ich bitte nunmehr den Herrn Bundesminister des Innern, die Große Anfrage zu beantworten.
({0})
- Er wird im Rahmen der Debatte begründet; ich hatte es vorhin gesagt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Bundesregierung darf ich die soeben begründete Große Anfrage wie folgt beantworten.
Erstens. Bei der Vorbereitung der Verordnung zur Änderung der Arbeitszeitverordnung für die Bundesbeamten sind die Spitzenorganisationen der Gewerkschaften gemäß § 94 des Bundesbeamtengesetzes beteiligt worden. Da Sie diese Bestimmung sicherlich nicht im Gedächtnis haben, darf ich sie vielleicht vorlesen. § 94 lautet:
Die Spitzenorganisationen der zuständigen Gewerkschaften sind bei der Vorbereitung allgemeiner Regelungen der beamtenrechtlichen Verhältnisse zu beteiligen.
Das ist geschehen, und zwar ist mit den Organisationen der Entwurf der Verordnung am 15. Juli 1958 erörtert worden. Wenn ich den Vortrag vorhin richtig aufgefaßt habe, dann bestand dort die Meinung, daß ein anderer Entwurf als der mit den Organisationen erörterte im Kabinett vorgelegt worden sei. Diese Annahme ist unrichtig. Aber selbst wenn es so wäre, würde es nichts daran ändern, daß der § 94 beobachtet worden ist. Ich sage jedoch ausdrücklich: Im Kabinett ist der Entwurf so, wie er erörtert worden ist, vorgelegt worden. Die Tatsache, daß das Kabinett bei der Beratung Änderungen des Entwurfs beschlossen hat, begründet keine Verpflichtung zur nochmaligen Beteiligung. Die Bedenken und Wünsche der Spitzenorganisationen sind bei der wiederholten Beratung des Verordnungsentwurfs im Kabinett gewürdigt worden. Daß das Kabinett in der Frage eine andere Haltung eingenommen hat, ist etwas, was natürlich nur das Kabinett als Ganzes zu verantworten hat.
({0})
- Ich finde es ganz famos, daß mir empfohlen wird,
ich sollte mehr Durchsetzungsfähigkeit entfalten.
Ich darf aber darauf aufmerksam machen, daß die
Bundesregierung mehr oder weniger eine Art Körperschaft mit 18 Mitgliedern ist, und dabei verfüge ich über eine Stimme unter den 18.
({1})
- Das ist ein Thema, Herr Kollege Matzner, bei dem sich alle Beteiligten eine hervorragende Sachkenntnis zugetraut haben, wie ich Ihnen gern einmal im einzelnen darlegen würde.
Zweitens. Eine Mitbestimmung der Personalvertretungen beim Erlaß von Rechtsverordnungen kennt das Personalvertretungsgesetz nicht. Die Mitbestimmung nach § 67 des Personalvertretungsgesetzes greift nur dort und nur insoweit Platz, als eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht. Die Vorschrift begründet den Vorrang gesetzlicher oder tariflicher Regelungen vor Dienstvereinbarungen; sie schließt solche Regelungen nicht aus. Im Unterausschuß „Personalvertretung" des Hohen Hauses ist bei der Beratung des Personalvertretungsgesetzes ausdrücklich klargestellt worden, daß unter einer gesetzlichen Regelung im Sinne des § 67 des Personalvertretungsgesetzes auch eine Regelung im Verordnungswege zu verstehen ist. Insoweit darf ich auf das Kurzprotokoll der 10. Sitzung des Unterausschusses vom 5. Juli 1954 Seite 8 verweisen.
Nach der Verkündung der eben besprochenen Änderungsverordnung habe ich Anfang November vergangenen Jahres die Vertreter der Spitzenorganisationen der Gewerkschaften zu einer Aussprache darüber empfangen. In dieser Besprechung sind die Argumente der Gewerkschaften und die Auffassung der Bundesregierung - wohlgemerkt: der Bundesregierung als einer Körperschaft - eingehend erörtert worden. Die Gewerkschaftsvertreter baten, ihnen Gelegenheit zu geben, auch dem Herrn Bundeskanzler ihre Auffassung vorzutragen. Diesem Wunsch hat der Herr Bundeskanzler entsprochen. Er hat bei dieser Besprechung in Aussicht gestellt, daß die Arbeitszeitfrage nochmals im Kabinett behandelt werde und daß zu diesem Zweck Berichte der Ressorts über ihre Erfahrungen mit der neuen Regelung eingeholt werden sollen. Das Bundeskanzleramt hat diese Erfahrungsberichte inzwischen angefordert. Mit einer nochmaligen Beratung dei Frage im Kabinett ist zu rechnen, sobald die Erfahrungsberichte ausgewertet sind.
Ich bin nun nebenbei gefragt worden, ob der Erfahrungsbericht, den ich gegeben habe, besonders skeptisch und negativ ist. Ich möchte sagen, Herr Kollege: der Erfahrungsbericht hält sich etwa auf einer mittleren Linie.
Ich darf nunmehr dem Abgeordneten Eilers das Wort erteilen, der gleichzeitig noch die Anträge zu den Punkten 3 d) und e) mitbegründen will.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Um keine Irrtümer aufkommen zu lassen, möchte ich an den Anfang meiner Ausführungen die Bemerkung stellen, daß die gesamte öffentliche Verwaltung für die
Eilers ({0})
ratsuchende Bevölkerung da sein soll und nicht umgekehrt. Wenn wir uns dennoch der Frage der Arbeitszeitkürzung auch im öffentlichen Dienst und für Bundesbeamte zuzuwenden haben, so deshalb, weil nach meiner Auffassung für Bundesbeamte und ganz allgemein für Bundesbedienstete kein Ausnahmerecht gegenüber den übrigen Bediensteten der öffentlichen Verwaltung und der privaten, der gewerblichen Wirtschaft vorhanden sein sollte.
Das Ziel einer Arbeitszeitkürzung soll doch sein, ein verlängertes Wochenende mit einer zusammenhängenden Freizeit zu gewinnen. Diese zusammenhängende, länger gewordene Freizeit soll auch der Familie des in der öffentlichen Verwaltung tätigen Bediensteten zugute kommen. Es ist doch in der Tat so, daß die gewerbliche Wirtschaft gegenwärtig mehr als 6 Millionen Beschäftigten eine kürzere Arbeitszeit als 48 Stunden, teilweise sogar eine kürzere als 45 Stunden bereits zugebilligt hat.
In der gesamten deutschen gewerblichen Wirtschaft sind mit dieser Arbeitszeitkürzung gute Erfahrungen gemacht worden. In den allermeisten Fällen sind diese Arbeitszeitkürzungen dergestalt durchgeführt worden, dad man einen freien Samstag gewährte. Rein betriebswirtschaftlich und volkswirtschaftlich ist die erfreuliche Tatsache zu verzeichnen, daß trotz kürzerer Arbeitszeit kein Leistungsabfall, sondern eine Leistungsverbesserung eingetreten ist.
All die Gründe, die dazu geführt haben, eine solche Leistungsverbesserung zu erzielen, will ich mir hier aufzuführen versagen. Daß aber selbstverständlich auch die Bundesverwaltung gehalten sein wird, ihren Betrieb zu rationalisieren, ihn rationeller zu gestalten, um zu einer besseren Nutzung der einzelnen Arbeitskraft zu gelangen, dazu wird sie sich, glaube ich, in der nächsten Zeit noch ganz erheblich herbeilassen müssen.
Auch die Erfahrungen, die seit vielen Jahren, ja, seit Jahrzehnten im Ausland, vor allem in England und in den Vereinigten Staaten von Amerika, gemacht worden sind, zeigen doch, daß die Arbeitszeitkürzung nicht etwa dazu angetan ist, allgemein einen Leistungsverfall oder einen Ausfall an Produktion mit sich zu bringen.
Wir brauchen aber im öffentlichen Dienst in der Bundesrepublik gar nicht so weit zu gehen; denn seit ,anderthalb Jahren, nämlich seit dem 1. Oktober 1957, arbeiten die Angestellten und Arbeiter in den Gemeinden und Städten 45 Stunden. Die deutschen Kommunen haben in ihrer ,,Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung" vor mehr als zwei Jahren ein großes Gutachten erarbeiten lassen. Auf Grund dieses Gutachtens haben die deutschen Städte und Gemeinden die Arbeitszeitkürzung in ihren Verwaltungen durchgeführt. Was gegenwärtig an Erfahrungen über diese Maßnahme vorliegt, bestätigt nur die Richtigkeit der Empfehlungen der Kommunalen Gemeinschaftsstelle.
Ich empfehle dem Herrn Bundesinnenminister, bei der Beurteilung der Maßnahmen in der Bundesverwaltung doch auch einmal eine solche Unterlage mit zu Rate zu ziehen. Ich glaube, eine solche Wechselwirkung zwischen der kommunalen Selbstverwaltung und der hoheitlichen Bundesverwaltung wäre durchaus fruchtbar.
Es hat sich dabei herausgestellt, daß die Maßnahmen in den einzelnen Orten je nach der Größe der Städte oder Gemeinden verschieden waren, daß man aber doch sehr häufig dazu überging, an zwei Sonnabenden im Monat die Verwaltung überhaupt geschlossen zu halten, d. h. zwei Sonnabende voll als Freizeit mit hineinzunehmen.
Es hat sich dabei auch gezeigt, daß Vorschläge, an jedem Sonnabend mit der halben Mannschaft zu fahren, wenn ich einmal diesen Ausdruck aus der Schiffahrt nehmen darf, absolut unzweckmäßig waren; denn mit der halben Mannschaft zu fahren, wäre sicherlich wirtschaftlich unrentabel, weil die neuzeitliche Arbeitsorganisation doch das Prinzip des funktionellen Zusammenwirkens mehrere r Dienstkräfte verfolgt, des funktionellen Zusammenwirkens von Dienstkräften, die qualitativ unterschiedlich sind. Das heißt, daß man auch in der öffentlichen Verwaltung seit langem zur Gruppenarbeit gelangt ist und künftig noch viel mehr gelangen muß. Wenn man aber einen Teil der Gruppe herausnimmt, weil man einem Teil, etwa der Hälfte, Freizeit gewähren will, kann auch die andere Gruppe natürlich nicht mehr funktionell und wirtschaftlich arbeiten. Die Zusammenarbeit ist gestört, und es fehlt gerade d e r Sachbearbeiter in einer Angelegenheit, der für einen speziellen Fall benötigt würde.
Ich habe vorhin gesagt, die öffentliche Verwaltung ist für die ratsuchende Bevölkerung da. Wenn mit halber Mannschaft gefahren würde, wäre es meistens so, daß der Besucher, der die Behörde aufsucht, denjenigen öffentlichen Bediensteten nicht antrifft, der seinen Wunsch erledigen könnte. Der Besucher ist verärgert, und es ergibt sich ein Zeitverlust.
Auch die öffentliche Verwaltung will, wie die Bundesregierung es mehrfach hier zum Ausdruck gebracht hat, Ersparnisse erzielen. Sie will sparsam wirtschaften. Wenn man mit halber Mannschaft fährt, kann man an einem Sonnabend nicht alle Büros schließen. Eine Ersparnis an Licht, Heizung, Reinigung usw. tritt nicht ein.
Ich glaube, daß unter Berücksichtigung all dieser Umstände, die ich nur andeuten kann, die bisherige Arbeitszeitanordnung der Bundesregierung als unglücklich und auch als unwirtschaftlich bezeichnet werden kann. Ich halte es auf Grund der Erfahrung der gesamten öffentlichen Verwaltung für unbedingt notwendig, daß die Arbeitszeitanordnung, die das Kabinett hoffentlich noch einmal beraten wird, in der endgültigen Fassung den Bundesdienststellen in den einzelnen Orten die Möglichkeit gibt, mit den kommunalen und Landesbehörden an diesem Orte eine Arbeitszeit zu finden, die mit der dieser anderen Behörden übereinstimmt. Die jetzige Anordnung der Bundesregierung stört diese Übereinstimmung mit den Landes- und kommunalen VerEilers ({1})
waltungen und ist auch aus diesem Grunde sicherlich änderungsbedürftig.
Soeben hat der Herr Bundesminister des Innern erklärt, daß Erfahrungsberichte von den obersten Bundesverwaltungen angefordert worden sind. Ich bin sicher, daß diese Erfahrungsberichte etwa dem entsprechen werden, was ich mir dem Hohen Hause soeben vorzutragen erlaubt habe.
Ich glaube also, daß es besser und zweckmäßiger wäre, wenn die Bundesregierung nur Richtlinien herausgäbe, innerhalb deren die Behördenchefs an den einzelnen Orten anpassungsfähig und in der Lage wären, die Dienstzeit für die Beamten- und Angestelltenschaft zu regeln. Es soll auch noch andere deutsche Städte geben, die größer sind als Bonn und möglicherweise mehr Erfahrung haben als unsere Bundeshauptstadt. Ich glaube, die Bundesregierung sollte diese Erfahrung nutzen.
Im Zusammenhang mit der Dienstzeitregelung und mit dem Ziel, den Sonnabend für die Freizeit zu gewinnen, ergibt sich aber eine Frage, die zweifellos von Ihnen, Herr Minister Dr. Schröder, doch auch recht bald geklärt werden müßte. Ich meine die Frage, wie die mit dem Fristablauf zusammenhängenden Schwierigkeiten - wenn also die Frist an sich an einem Sonnabend abliefe - dadurch überbrückt werden können, daß man eine andere gesetzliche oder verordnungsmäßige Regelung trifft. Ich bitte die Bundesregierung, diese Frage zu prüfen.
Zu unserem Antrag, der in der Drucksache 727 dem Hohen Hause vorliegt, darf ich sagen: Wir Freien Demokraten halten es für unbedingt erforderlich - ähnlich, wie es Herr Abgeordneter Matzner hier zum Ausdruck gebracht hat -, daß die Überleitung der Versorgungsempfänger, die am 1. April 1957 vorhanden waren, in die entsprechenden Besoldungsgruppen individuell gehandhabt wird. Wir sind einen Schritt weitergegangen, wie Herr Kollege Matzner bereits sagte: wir haben uns gestattet, dem Hohen Hause einen Gesetzentwurf vorzulegen, der, wie ich glaube, dazu beitragen könnte, diese Frage recht bald endgültig zu regeln. Danach könnte auch für die Versorgungsempfänger, die vor dem 1. April 1957 vorhanden waren, die Behandlung nach dem Gleichheitsgrundsatz durchgesetzt werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dieses Hohe Haus hatte sich sehr häufig mit der Beamtenbesoldung im Grundsätzlichen zu beschäftigen. Um für die Zukunft die Bundesregierung der mißlichen Lage zu entheben, von Fall zu Fall Erhebungen darüber anstellen zu müssen, ob die Besoldung der Beamten noch mit den wirtschaftlichen Verhältnissen in Einklang steht, schlagen wir in der Drucksache 726 vor, einen Besoldungsbeirat bei dem Bundesministerium des Innern zu bilden. Ich darf hier gleich sagen, daß dieser Besoldungsbeirat nicht etwa mit dem Sozialbeirat vergleichbar ist. In dem Entwurf ist im einzelnen gesagt, wie sich die Freien Demokraten die Zusammensetzung dieses Beirates denken. Ich glaube, daß auf diese Weise eine kontinuierlichere Anpassung auch der Beamtenbesoldung an etwa veränderte wirtschaftliche Verhältnisse in der Bundesrepublik möglich wäre. Dem Hause würde ich dankbar sein, wenn es gewillt wäre, diesem unserem Antrag zuzustimmen, indem er zunächst dem Ausschuß für Inneres überwiesen wird.
({2})
- Ich werde von dem Kollegen darauf hingewiesen, daß sich leider in der Drucksache 727 ein Druckfehler nicht hat vermeiden lassen. Die Druckfehlerteufel treiben ja überall ihr Spiel. Es muß also in der Fassung des § 48 in Abs. 1 Ziff. 1 nicht „30. Juni 1957" heißen, sondern „30. Juni 1937". Ich hoffe, daß das bei der endgültigen Formulierung nicht wieder einem Druckfehler anheimfällt.
({3})
Meine Damen und Herren! Sie haben die Berichtigung zur Kenntnis genommen.
Ich erteile nunmehr dem Herrn Abgeordneten Schmitt ({0}) das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ausführungen des Herrn Innenministers haben uns, soweit sie die Auslegung des Gesetzes betreffen, nicht befriedigt. Da aber seine Schlußausführungen uns Hoffnung geben, möchte ich zu diesen Fragen jetzt nicht weiter Stellung nehmen.
Die Arbeitszeitregelung für die Bundesbeamten hat aber, wie sich ja auch aus der Debatte hier ergibt, mit Recht in der Öffentlichkeit weit über die unmittelbar Betroffenen hinaus eine ungünstige Aufnahme gefunden. Die Öffentlichkeit hat sich nach dem Bekanntwerden der neuen Regelung sofort gefragt: Was sind nun eigentlich die Gründe für diese Regelung, nachdem im Innenministerium zunächst ein anderer Entwurf ausgearbeitet worden war? Heute konnte wieder kein durchschlagendes Argument für die Verteilung der Arbeitszeit auf sechs Tage vorgetragen werden, auch nicht von der Bundesregierung.
Mit Recht hat man sich gefragt, ob durch den Beschluß der Bundesregierung nicht so sehr die Frage der Arbeitszeit und ihrer Verteilung als vielmehr der soziale Fortschritt des verlängerten Wochenendes an sich getroffen werden sollte, und zwar dort, wo man hoffte, ihn am leichtesten treffen zu können. Ich brauche in diesem Zusammenhang nur an die Gedanken des Herrn Bundeswirtschaftsministers zu erinnern, der einmal die Frage der Arbeitszeitverkürzung in der Richtung angesprochen hat, daß er sie zugunsten der Rüstungsfinanzierung ausfallen lassen wolle. Der Mehrheit des Bundeskabinetts waren sicherlich auch manche Gedankengänge des Herrn Bundeskanzlers über und gegen die Arbeitszeitverkürzung nicht ganz fremd. Wenn nun der Herr Bundeskanzler zu einem Schlag gegen
Schmitt ({0})
das verlängerte Wochenende in dieser Kabinettssitzung ausgeholt hat, dann glaubte er, diesen Schlag um so leichter führen zu können, als er dabei gewisse Ressentiments. gegen die Beamten, Angestellten und Arbeiter im öffentlichen Dienst in Rechnung gestellt hat. Wenn ich an gewisse Kommentare und Überschriften in Zeitungen und Zeitschriften denke, kann ich sagen: er hat in dieser Frage richtig spekuliert.
Wir sollten heute an der Kernfrage nicht vorbeigehen; denn natürlich ist der Dienst für die Allgemeinheit die oberste Pflicht und Aufgabe der Beamten, Angestellten und Arbeiter im öffentlichen Dienst. Das ist aber auch in der Diskussion von keiner Seite - auch nicht von den Gewerkschaften und Verbänden - bestritten worden und wird auch heute nicht bestritten. Es kann aber auch nicht bestritten werden, daß eine Fürsorgepflicht des Bundes besteht und daß Ausdruck dieser Fürsorgepflicht sein muß, alle Möglichkeiten einer besseren und gerechteren Verteilung der Arbeitszeit auszuschöpfen. Das, meine Damen und Herren, ist nicht geschehen; es muß unter allen Umständen nachgeholt werden. Denn auch die Beamten wollen am sozialen Fortschritt teilnehmen, der den Berufstätigen als Ausgleich für die vermehrte Anspannung im Beruf mehr freie Zeit verschaffen will.
Man kann auch die gesellschaftliche Entwicklung nicht durch einen überspitzten Herr-im-HauseStandpunkt des Herrn Bundeskanzlers zurückdrehen. Denn schließlich sind auch die öffentlichen Bediensteten Menschen mit Persönlichkeitsrechten, und nicht umsonst hat der Gesetzgeber, wenn auch nach unserer Meinung in unzureichendem Maße, auf die Mitverantwortung und Mitbestimmung der Beamten, Angestellten und Arbeiter im öffentlichen Dienst Wert gelegt.
Schließlich dürfen wir es nicht dazu kommen lassen, daß die Arbeitszeitverkürzung umgangen wird und die Regelung in Wirklichkeit - wie das ja auch der Herr Kollege Eilers und der Herr Kollege Faller zum Ausdruck gebracht haben - zu einer verlängerten Arbeitszeit für die betroffenen Beamten, Angestellten und Arbeiter führt.
Ich glaube, die Bedeutung dieser Diskussion und der Vorgänge der letzten Monate läßt sich dahin zusammenfassen, daß leider, wie so oft, bei dieser Regelung im Bundeskabinett der soziale Fortschritt nicht Pate gestanden hat. Darüber hinaus hat es sich gezeigt, daß die Vorschläge meiner politischen Freunde bei der Beratung des Personalvertretungsgesetzes sicher besser als die Beschlüsse der damaligen Mehrheit geeignet waren, den Interessen der Beamten, Angestellten und Arbeiter im öffentlichen Dienst gerecht zu werden. Ich gebe mich der angenehmen Hoffnung hin, daß gerade diese Debatte vielen Beamtenvertretern auf dieser Seite des Hauses
({1})
gezeigt hat, daß solche Bestimmungen, wie sie das jetzige Personalvertretungsgesetz enthält, der Wirklichkeit in den öffentlichen Verwaltungen leider nicht gerecht werden.
Viel schlimmer ist, meine Damen und Herren, daß die Art, wie das Kabinett die Sache behandelt hat, kein Vorbild für die freie Wirtschaft, für die Verhandlungen der Sozialpartner sein kann. Mit Recht hat man aus Kreisen der Wirtschaft darauf hingewiesen, daß die Art der Verhandlungsführung kein Vorbild für die Wirtschaft sein könne. Schließlich erfordert eine Vertrauensgrundlage auch ein echtes Gespräch mit den Betroffenen; ihr widerspricht eine Entscheidung über deren Kopf hinweg.
Es hat heute wenig Sinn, im Bundestag auch die Frage der Arbeitszeitverkürzung bei den Ländern und Gemeinden anzusprechen; der Herr Kollege Eilers hat ja auf deren Erfahrungen hingewiesen. Ich möchte nur auf einen Kreis von Beamten hinweisen, der dabei bisher völlig zu kurz gekommen ist. Das sind die Lehrer, für die hoffentlich auch bei den Ländern in absehbarer Zeit einmal eine Regelung getroffen wird, damit die Verkürzung ihrer Arbeitszeit auch und nicht zuletzt der pädagogischen Arbeit zugute kommt.
Wir hoffen, Herr Präsident, meine Damen und Herren, daß die Ausführungen des Herrn Bundesinnenministers in der heutigen Sitzung und die angeforderten Unterlagen bei der nochmaligen Beratung der Arbeitszeitregelung im Kabinett zu einer besseren Neufassung im Sinne unserer heutigen Debatte führen, und bitten nochmals um Annahme unseres Antrages Umdruck 197.
Das Wort hat nunmehr der Herr Bundesminister des Innern.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte die Debatte nicht aufhalten und will mich nur ganz kurz zu drei Punkten äußern.
Herr Kollege Eilers hat darauf hingewiesen, daß wechselnde halbe Besetzung an den Sonnabenden sich nicht als vorteilhaft erwiesen habe. Dieser Auffassung stimmt die Bundesregierung zu; auch nach unseren eigenen Erfahrungen ist eine wechselnde, also praktisch eine halbe Besetzung jeden Sonnabend bisher nicht als zweckmäßig, im Gegenteil, als unzweckmäßig erkannt. Welche Auswirkungen das weiter haben wird, steht allerdings auf einem anderen Blatt.
Ob das verlängerte Wochenende unter allen Umständen ein großer gesundheitlicher Vorteil ist oder ob nicht eine Beschränkung der täglichen Arbeitszeit günstiger ist, darüber gehen die medizinischen und alle anderen möglichen Erwägungen weit auseinander.
({0})
Es gibt eine große amerikanische Fabrik, die an ihrem Eingang folgendes stehen hat: Wir hoffen, daß unsere Arbeiter die Fabrik am Freitag nicht so müde verlassen, wie sie sie am Montag betreten.
({1})
Das ist ganz eindeutig ein Hinweis darauf, daß ein
verlängertes Wochenende offenbar unter UmstänBundesinnenminister Dr. Schröder
den auch eine Strapaze darstellen kann; zumindest scheinen das die Erfahrungen dieser Unternehmung zu sein.
Ich habe noch einen dritten Punkt zu erwähnen, an dem mir besonders liegt. Herr Kollege Schmitt ({2}) hat die Vermutung geäußert, der Bundeskanzler habe ein Ressentiment gegen Beamte. Diese Auffassung ist in jeder Beziehung unbegründet. Erstens stammt der Bundeskanzler aus einer Beamtenfamilie, und zweitens ist er zeitlebens, allerdings in wechselnden Funktionen, Beamter gewesen. Ich glaube, daß das nicht die Grundlage für ein Ressentiment gegen Beamte ist.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Kühltau.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Durch die Große Anfrage der SPD-Fraktion und die Anträge der SPD- und der FDP-Fraktion sind einige beamtenrechtliche Fragen angeschnitten worden, die in Kreisen der Beamtenschaft und insbesondere in der Beamtenfachpresse in den letzten Monaten lebhaft diskutiert worden sind. Es ist gut, daß man sich an dieser Stelle einmal mit diesen Fragen auseinandersetzen kann. Ich habe keine Scheu, das im Namen meiner Fraktion zu tun. Die CDU/CSU hat das Berufsbeamtentum schon in einem Zeitpunkt bejaht, als es manchem noch gefährlich erschien, das zu tun. Das darf ich hier einmal in aller Öffentlichkeit feststellen.
({0})
Zur Sache selbst! Was die Arbeitszeit der Bundesbeamten anlangt, hat Herr Bundesminister Schröder die von der SPD gestellten Fragen nach meinem Dafürhalten rechtlich völlig klar beantwortet. Die Frage 1 ließ sich nur mit Ja und die Frage 2 nur mit Nein beantworten. Die erste Frage ist, ob die zuständigen gewerkschaftlichen Organisationen bei der Vorbereitung allgemeiner beamtenrechtlicher Vorschriften - § 94 des Bundesbeamtengesetzes schreibt das zwingend vor - beteiligt worden sind. Das ist im einzelnen von Herrn Minister Schröder in seiner Entgegnung dargelegt worden.
Die Kernfrage ist, ob Gegenstand der endgültigen Beschlußfassung auch etwas sein kann, was nicht so aussieht, wie es in den vorbereitenden Besprechungen Gegenstand der Erörterungen gewesen ist. Ich erinnere meine Kollegen, insbesondere Herrn Kollegen Matzner, einmal an folgendes. Wenn man den Grundsatz aufstellte - ich komme eigentlich, Herr Kollege Schmitt, darauf nach Ihrem Antrag Umdruck 197 -, daß das, was ursprünglich Gegenstand der Beteiligung der zuständigen gewerkschaftlichen Organisationen in der Form der Anhörung durch das Innenministerium war, später keine grundlegende Änderung erfahren dürfe und daß die veränderte Grundlage zum Gegenstand einer erneuten Aussprache gemacht werden müsse, dann
wären wir heute, Herr Kollege Schmitt, noch nicht mit dem Bundesbesoldungsgesetz fertig. Denn was der Beamtenrechtsausschuß damals im einzelnen zum Bundesbesoldungsgesetz beschlossen hat, war zum Teil eine so weitgehende Änderung der ursprünglichen Vorlage, daß wir am laufenden Band zu einer Anhörung der gewerkschaftlichen Organisationen durch die Bundesregierung oder das Bundesinnenministerium hätten schreiten müssen. Wir wären überhaupt nicht mehr vorangekommen.
({1})
-- Das spielt doch keine Rolle! Entscheidend ist, daß das, was die Bundesregierung vorgelegt hat, nachher im einzelnen nicht mehr Gegenstand der Beschlußfassung war.
Herr Kollege Schmitt brachte zum Ausdruck - Herr Minister Schröder hat schon von sich aus die Frage beantwortet -, ob nicht ein Ressentiment des Herrn Bundeskanzlers die Grundlage für die Verordnung über die Arbeitszeit mit der Bejahung des Dienstes am Sonnabend gewesen sei. Herr Kollege Schmitt, die Rechtsverordnung der Bundesregierung kann sich nur im Rahmen des geltenden Rechts bewegen. Das Bundesbeamtengesetz schreibt in § 72 zwingend vor, daß die Arbeitszeit 48 Stunden nicht überschreiten darf und grundsätzlich täglich 8 Stunden betragen muß. Im Rahmen dieser Ermächtigung ist die Rechtsverordnung der Bundesregierung ergangen. Rechtlich ist also dagegen nichts einzuwenden.
Eine Anhörung der Personalvertretung nach § 67 des Personalvertretungsgesetzes - auch das hat Herr Minister Dr. Schröder- gesagt - scheidet hier aus. Bei den Beratungen über das Personalvertretungsgesetz ist zu dieser Frage gesagt worden, daß es sich darum handle, die durch Rechtsverordnung allgemein geregelte Arbeitszeit der Beamten mit Zustimmung der Personalräte nur örtlichen oder dienstlichen Notwendigkeiten anzupassen. Im Personalvertretungsgesetz steht ausdrücklich, daß eine solche Zustimmung nur dann erforderlich ist, wenn die Arbeitszeit nicht durch Gesetz, Verordnung oder Tarifvertrag geregelt ist. Das ist im vorliegenden Falle aber nicht gegeben. Vor allem: Wen hat man in diesem Fall zu fragen? Wenn man sich auf § 67 des Personalvertretungsgesetzes beruft, müßte praktisch die Bundesregierung sämtliche Personalräte sämtlicher Bundesbehörden, auch der bundesunmittelbaren Körperschaften usw., die alle unter den Bereich des Bundesbeamtengesetzes und der Arbeitszeitverordnung fallen, vorher anhören. Sie werden zugeben, daß das praktisch unmöglich List.
({2})
Ich habe keine Bedenken dagegen, Herr Kollege Baur, daß der Antrag Umdruck 197 dem Innenausschuß überwiesen wird. Ich darf aber klarstellen, daß es sich bei der angesprochenen Arbeitszeitverordnung um die Arbeitszeit der Beamten handelt; sonst würden wir mit dem Arbeitsausschuß in Konflikt geraten. Wir werden prüfen müssen, ob eine Mitbestimmung nach § 67 des Personalvertretungs3018
gesetzes ermöglicht werden kann. Ich glaube, es bedürfte einer Änderung des Bundespersonalvertretungsgesetzes und auch des § 94 des Bundesbeamtengesetzes, wenn das Verfahren anders gehandhabt werden soll. Im Hinblick auf die Bedeutung dieser Frage für unsere Bediensteten habe ich keine Bedenken dagegen, daß wir den Antrag an den Ausschuß überweisen und uns dort über die einzelnen Probleme unterhalten.
Der Diskussion in der Beamtenschaft und auch in der Beamtenfachpresse ist oft zu entnehmen gewesen, daß man die Verordnung über die Arbeitszeit der Beamten als einen Beweis der Mißachtung des Mitbestimmungsrechts der Personalräte ansehen wolle. Ich glaube, es ist völlig fehl am Platze, hier eine Relation herzustellen. Ich muß Sie auf die gegebenen gesetzlichen Grundlagen verweisen, in deren Rahmen nur die Arbeitszeit für die Bundesbeamten geregelt werden kann. Ich habe bei anderer Gelegenheit gegenüber den Personalräten einmal zum Ausdruck gebracht, daß es vielleicht an der Zeit sei, über die Anwendung und Auswirkung des Bundespersonalvertretungsgesetzes in eine Diskussion einzutreten. Ich habe mich dafür zur Verfügung gestellt. Das ist ein Vierteljahr her. Bisher habe ich nichts gehört. Da ich seinerzeit an der Beratung des Gesetzes teilgenommen habe, möchte ich einmal hören, wie das Gesetz praktiziert wird. Vielleicht kommen wir einmal zu einer solchen Unterhaltung. Sie würde möglicherweise das eine oder andere ans Tageslicht bringen.
Im übrigen hat Herr Bundesinnenminister Schröder lauf die Besprechungen mit den Beamtenorganisationen, die sowohl bei ihm als auch beim Herrn Bundeskanzler stattgefunden haben, hingewiesen und erklärt - das ist Ihnen allen ja bekannt -, daß der Herr Bundeskanzler zugesagt habe, Erfahrungsberichte über die Anwendung der jetzigen Arbeitszeitregelung anzufordern, um dann die Probleme noch einmal zu überprüfen. Das wünschen wir Lauch.
Bei einer solchen Überprüfung müßten zwei Grundgedanken beachtet werden. Der erste lautet - und ich freue mich, daß ich immerhin mit Herrn Kollegen Eilers einig bin -, daß der Beamte für den Bürger da ist und nicht der Bürger für den Beamten. Das ist jedenfalls unsere Meinung, derentwegen ich schon einmal im Beamtenrechtsausschuß des Bundestages heftig attackiert worden bin. Ich freue mich aber, daß ich jetzt für die Zukunft wenigstens in Herrn Kollegen Eilers einen fleißigen Mitstreiter habe.
Der zweite Grundgedanke, den ich bedacht sehen möchte, entspricht auch den Grundsätzen von Herrn Kollegen Eilers.
Nach meinem Dafürhalten sollte die Verwaltung an den Tagen, an denen sie arbeitet, in vollem Umfang funktionsfähig sein, d. h. für sie sollte es keinen rollierenden Samstag mit wechselnder Beschäftigung geben. Wenn schon freie Samstage, dann zwei völlig freie Tage! Auch sollte angestrebt werden, daß diese freien Tage möglichst in Übereinstimmung mit sämtlichen Behörden festgelegt werden. Denn wir sehen, daß die eine Behörde in ihrer Arbeit immer von dem Funktionieren anderer Behörden - des Landes oder der Gemeinde - abhängig ist. Daher sollte man gegebenenfalls eine Regelung suchen, wie sie das Land Nordrhein-Westfalen bereits getroffen hat, also jedén zweiten Samstag die Dienststellen schließen und hierbei möglichst zu einer einheitlichen Festsetzung der dienstfreien Samstage kommen.
Gegenüber dem Gedanken, daß der Beamte dem Bürger und nicht der Bürger dem Beamten zu dienen habe, wird oft eingewandt - das wurde vorhin auch hier gesagt -, daß man dem Beamten den sozialen Fortschritt, hier also den freien Samstag, nicht verwehren könne. Lassen Sie mich persönlich dazu ,ein Wort sagen. Ich bin der Auffassung. daß jeder Beruf seine guten Seiten und seine Schattenseiten hat. Mit meiner Berufswahl nehme ich auch das in Kauf, was vielleicht schlechter ist als in anderen Bereichen, wenn ich dort tätig wäre. Mancher muß gerade dann arbeiten, wenn andere sich erholen. Manche arbeiten, glaube ich, sogar, damit wir ruhig schlafen können. Das muß man deutlich sehen. Man kann jedenfalls nicht deswegen. weil bestimmte Berufsgruppen die und die Freizeit haben, auch für eine andere Gruppe die gleiche Freizeit verlangen. Das würde ja letztlich darauf hinauslaufen, daß die Eisenbahn am Samstagmittag ihren Betrieb einstellen müßte. Das ist nur ein persönlicher Hinweis, den ich dazu einmal geben möchte.
Vorhin wurde hier zum Ausdruck gebracht, daß die Frage der Arbeitszeit die Beamten sehr erregt habe. Nach meinem Dafürhalten ist die Frage der Arbeitszeit nicht das Problem Nummer eins unserer Beamtenschaft. Ich stütze mich bei dieser Feststellung auf Erfahrungen aus meiner laufenden Rednertätigkeit in Kundgebungen der Beamtenschaft über die Grenzen des Landes Nordrhein-Westfalen hinaus. Ich glaube, unsere Beamten haben ein viel größeres Interesse an Stellenplanfragen, an Dienstpostenbewertung und ähnlichen Dingen. Diese Fragen brennen ihnen viel mehr auf den Nägeln als die Regelung der Arbeitszeit. Diese Feststellung darf ich auf Grund eigener Beobachtung in zahllosen Beamtenkundgebungen hier für meine Person treffen.
Der zweite Grundsatz, den man beachten muß, ist, daß die Verwaltung an den Arbeitstagen voll funktionsfähig sein muß, daß also nicht rollierend gearbeitet werden sollte und daß für alle Beamten möglichst die gleichen freien Tage angesetzt werden sollten, damit alle Behörden zur gleichen Zeit dienstbereit sind.
Vor einer solchen Lösung müssen wir natürlich auch deren letzte Konsequenzen überdenken. Wir kommen ja dabei auch an dem, ich glaube, von Herrn Kollegen Schmitt angetippten Problem der Arbeitszeit des Lehrers und damit der Regelung der Schulzeit nicht vorbei. Denn der Lehrer kann mit der gleichen Berechtigung die Frage stellen, warum er keinen freien Samstag habe, wenn jeder andere Beamte samstags nicht zu arbeiten brauche. Daraus könnte sich sehr leicht die Forderung ergeben, den Samstag vom Schulunterricht freizuhalten.
({3})
Jawohl! Wir müssen bei der Diskussion dieses Problems also auch diese Frage mit im Auge haben.
Insgesamt würde die ins Auge gefaßte Regelung darauf hinauslaufen, daß die zulässige Höchstarbeitszeit pro Tag von 8 auf 8 1/2 Stunden heraufgesetzt würde. Diese Zeit würde es gestatten, bei einem freien Samstag in 14 Tagen eine Gesamtarbeitszeit von 45 Wochenstunden einzuhalten. So wäre also ein Ausgleich möglich.
Nun zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Faller wegen der 60 Stunden Dienstbereitschaft. Herr Kollege Faller, Sie haben gesagt, daß in dieser Verordnung über die Arbeitszeit auch die 60stündige Dienstbereitschaft wiederkehre. Ich darf Sie daran erinnern, daß die bei teilweiser Dienstbereitschaft vorgesehene Höchstzeit vor Verabschiedung der Änderung des Bundesbeamtengesetzes 72 Stunden betragen hat. Die Arbeitszeit betrug also, soweit sie zum Teil in Dienstbereitschaft bestand, früher in der Spitze 72 Stunden. Diese Zeit ist nach langen Beratungen im Rahmen des Beamtenrechtsrahmengesetzes auf 60 Stunden herabgesetzt worden.
Noch ein paar Worte zu den beiden anderen Anliegen, die mit den Anträgen der FDP und der SPD - bzw. mit dem Antrag der FDP bezüglich des Besoldungsbeirates - vorgetragen worden sind.
Was die erste Frage, die pauschale Überleitung der Pensionäre auf das neue Besoldungsgesetz, anlangt, so möchte ich doch einmal auf die langwierigen Beratungen gerade dieser Frage hinweisen, die nicht, Herr Kollege Schmitt, durch das Bundesbesoldungsgesetz entschieden worden ist, sondern deren Vorentscheidung bei der Beratung des Beamtenrechtsrahmengesetzes und der dadurch bedingten Änderung des § 86 des Bundesbeamtengesetzes erfolgt ist. In jenem Augenblick ist im Prinzip die individuelle Überleitung beschlossen worden, und ich habe mich - das wird zumindest Herr Kollege Matzner noch wissen - damals sehr stark dafür eingesetzt, daß eine Regelung in das Gesetz aufgenommen würde, die in etwa der nunmehr vorgeschlagenen Änderung entspricht. Wir waren uns nur darüber nicht einig, was eine strukturelle Änderung sein sollte. Daß allgemeine Verbesserungen jedem Pensionär zugute kommen sollten, darüber waren wir uns einig.
Wenn die damals vorgesehene Regelung nicht verabschiedet wurde, dann deshalb, weil der Bundesrat seinerzeit einen massiven Druck
({4})
auf die Mitglieder des Beamtenrechtsausschusses ausgeübt hat.
({5})
- Im wesentlichen, Herr Kollege Matzner, war es der Bundesrat. Ich brauche Sie doch wohl nicht daran zu erinnern, daß wir mit den Vertretern des Bundesrates lange Auseinandersetzungen gehabt haben. Ich brauche wohl auch nicht zu sagen, daß an diesen Beratungen auf der Seite des Bundesrates kein Minister der CDU beteiligt gewesen ist. Ich hoffe, daß Sie sich darüber unterrichtet haben, ob der Widerstand des Bundesrates gegen eine
solche Regelung nunmehr beseitigt ist. Soweit ich gehört habe, lehnt der Bundesrat nach wie vor mit aller Entschiedenheit eine Regelung im Sinne des jetzt von der FDP vorgeschlagenen § 48 ab. Damals hat man sich bei der Ablehnung im besonderen auf verwaltungsmäßige Schwierigkeiten gestützt.
Wie ich gehört habe, hat sich der Rechtsausschuß in den letzten Tagen ebenfalls mit dieser Frage befaßt und im Prinzip bejaht, daß allgemeine Verbesserungen auch den Pensionären zugute kommen müßten. Wir werden diese Frage im Innenausschuß des Bundestages erörtern müssen.
Wegen der haushaltsmäßigen Auswirkungen wird sich auch der Haushaltsausschuß damit befassen müssen, obgleich die haushaltsmäßigen Auswirkungen bei der Regelung, die wir damals mit Mehrheit beschlossen haben, nicht wesentlich sein dürften. Ich möchte annehmen, daß man darüber schon hinwegkommen könnte.
Was den Besoldungsbeirat anlangt, so möchte ich folgendes sagen. Meine Fraktion ist mit der Überweisung dieses Antrags einverstanden. Ich möchte allerdings bereits an dieser Stelle, Herr Kollege Eilers, Bedenken von unserer Seite gegen diese Einrichtung anmelden. Ich weiß nicht, ob es richtig ist, einen solchen Besoldungsbeirat einzurichten, der ein Gutachten über die Entwicklung der Beamtengehälter und der allgemeinen Einkommensverhältnisse erstatten soll. Dieses Gutachten soll dem jährlich von der Bundesregierung zu erstattenden Bericht über die Besoldungs- und Einkommensverhältnisse beigefügt werden. Ich weiß nicht, ob es richtig ist, daß wir einen solchen Besoldungsbeirat im Gesetz verankern. Sie selbst haben auf die etwas bösen Erfahrungen mit dem Sozialbeirat hingewiesen, die sicherlich nicht Anlaß dazu bieten, einen weiteren Beirat zu schaffen.
({6})
- Ich halte es für gut, daß Sie es gesagt haben, Herr Eilers.
({7})
Die Organisationsgewalt bezüglich dieser Frage liegt nach unserem Dafürhalten beim Innenministerium. Sollte das zuständige Innenministerium es für erforderlich halten, sich einmal durch ein Gutachten von sachverständiger neutraler Seite einen Überblick über die Dinge geben zu lassen, so haben wir selbstverständlich dagegen keine Bedenken. Es steht auch dem zuständigen Ausschuß des Bundestages frei, Sachverständige in diesen Fragen anzuhören. Aber gegen die Errichtung eines solchen Besoldungsbeirates - dazu noch auf gesetzlicher Grundlage - bestehen bei uns doch einige schwerwiegende Bedenken. Ich möchte im übrigen sagen, daß unsere Fraktion zu Herrn Minister Dr. Schröder als dem zuständigen Beamtenminister, dem nunmehr auch die Regelung der Besoldungsangelegenheiten obliegt, das Vertrauen hat, daß er sich seiner Beamten in der notwendigen Form annehmen wird.
({8})
Das Wort hat noch einmal der Herr Bundesminister des Innern.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir, daß ich in nur ganz wenigen Sätzen zu den Anträgen, die vorhin diskutiert worden sind, noch Stellung nehme, zunächst zu dem zuletzt von Herrn Kollegen Kühlthau behandelten, und von der Fraktion der FDP eingebrachten Antrag Drucksache 726, nach dem, kurz gesagt, ein Besoldungsbeirat eingeführt werden soll.
Die Bundesregierung wird in den Ausschußberatungen diesen Antrag nicht unterstützen können, sondern sich dagegen aussprechen. Wir haben große Bedenken dagegen, daß gerade auf dem Gebiet der Beamtenbesoldung sozusagen der Vorläufer einer gleitenden Lohnskala etabliert werden soll. Man ist gerade in anderen Ländern dabei, dort eingeführte Einrichtungen dieser Art wieder abzuschaffen. Wir teilen die gegen eine solche Institution sprechenden Bedenken, die durch die in ,der Praxis gewonnenen Erfahrungen als gerechtfertigt erwiesen worden sind.
Der Antrag und der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Bundesbesoldungsgesetzes, Drucksachen 620 und 727, werden - das ist schon hervorgehoben worden - von allen Ländern negativ beurteilt. Die Bundesregierung wird diesen verneinenden Standpunkt der Länder zu den Vorschlägen in den Ausschußberatungen unterstützen.
Wortmeldungen liegen zu Punkt 3 a, b, c, d und e jetzt nicht mehr vor. Es ist folgende geschäftsordnungsmäßige Behandlung der vorliegenden Anfragen und der Anträge vorgesehen. Der Antrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 197 betreffend Arbeitszeit der Bundesbeamten, der Antrag der Fraktion der SPD betreffend Änderung des Bundesbesoldungsgesetzes, Drucksache 620, sowie der von der Fraktion der FDP eingebrachte Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Bundesbeamtengesetzes, Drucksache 726, sollen ausschließlich an den Ausschuß für Inneres überwiesen werden. Wer zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Überweisung ist erfolgt.
Zu dem Antrag der Fraktion der SPD betreffend Beschäftigung von Schwerbeschädigten im Bundesdienst, Drucksache 674, Punkt 3 c der Tagesordnung, ist Überweisung an den Ausschuß für Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen vorgesehen. Ich bitte, darüber abzustimmen. - Es ist so beschlossen.
Für den von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Bundesbesoldungsgesetzes, Drucksache 727, Punkt 3 e, ist Überweisung an den Ausschuß für Inneres - federführend - und an den Haushaltsausschuß vorgesehen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Auch das ist so beschlossen. Damit ist Punkt 3 der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe auf Punkt 4 der Tagesordnung:
a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die friedliche Verwendung der Kernenergie und den Schutz gegen ihre Gefahren ({0}) ({1});
b) Erste Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die friedliche Verwendung der Kernenergie ({2}) ({3});
c) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Überwachung radioaktiver Verseuchung ({4});
d) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 20. Dezember 1957 über die Errichtung einer Sicherheitskontrolle auf dem Gebiet der Kernenergie ({5});
e) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 20. Dezember 1957 über die Gründung der Europäischen Gesellschaft für die Chemische Aufarbeitung Bestrahlter Kernbrennstoffe ({6}) ({7}).
Hier ist wiederum eine gemeinsame Beratung der Punkte a, b, c, d und e vorgesehen. Ich muß zunächst einmal feststellen, welche Gesetzentwürfe und Anträge noch vor der allgemeinen Diskussion gesondert begründet werden sollen.
({8})
- Ich danke Ihnen. Ich hatte das als Präsident leider noch nicht zur Kenntnis bekommen, Herr Kollege Mommer.
Wenn also eine interfraktionelle Vereinbarung darüber besteht, darf ich bitten, den unter Punkt 4 c aufgeführten Antrag der Fraktion der SPD betreffend Überwachung radioaktiver Verseuchung, Drucksache 496, zu begründen. Wer begründet den Antrag? - Herr Abgeordneter Dr. Bechert!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe die Ehre, den Antrag der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion zur Frage der Überwachung radioaktiver Verseuchung zu begründen. Es ist jetzt fast drei Jahre her, daß zum erstenmal in der deutschen Öffentlichkeit vor den Gefahren zunehmender radioaktiver Verseuchung gewarnt worden ist. Was damals vielen fremd, ja unglaubhaft erschien, ist heute weithin allgemein bekannt: daß die radioaktive Verseuchung zunimmt im Boden, in der Luft, in den Niederschlägen, in den Pflanzen und Tieren und auch im menschlichen Körper.
Gewisse Gebiete sind stärker verseucht als andere, und leider gehört unser Land zu den stärker verseuchten Gebieten. Es liegt in dem Gürtel zwischen dem 10. und 60. Grad nördlicher Breite, der
Deutscher Bundestag -- 3. Wahlperiode Dr. Bechert
nach amerikanischen Messungen besonders stark radioaktiv verseucht ist. Der Sonderausschuß Radioaktivität hat Anfang vorigen Jahres einen Bericht vorgelegt, aus dem hervorgeht: 1. Es ist notwendig festzustellen, wie die radioaktive Verseuchung weitergeht. Dazu sind erheblich mehr Meßstellen nötig, als heute vorhanden sind. 2. Die vorhandenen Meßstellen sind meist unzureichend ausgerüstet. Das gilt für die Ausrüstung mit Personal, das gilt vor allem auch für die Ausrüstung mit Geräten. 3. Der Bericht stellt für den Stand von 1957 fest, daß zur Zeit - also für 1957 gemeint - noch keine akute Gefahr für die Bevölkerung besteht.
Man muß diese Worte wägen; sie stammen ja aus einem wissenschaftlichen Bericht, wo im allgemeinen jedes Wort, das da steht, genau abgewogen ist. Das heißt: noch keine akute Gefahr für 1957. Unterdessen sind die Atomwaffenversuche mit verstärkter Heftigkeit und Häufigkeit weitergegangen.
Leider sagt der Bericht nur, daß keine Körperschädigungsgefahr - zur Zeit wenigstens nicht in erheblichem Ausmaß - für die Bevölkerung besteht. Man kann aber schätzen, wie viele Menschen wahrscheinlich Knochenmarkkrebs oder andere Krankheiten wie Blutkrebs und dergleichen bekommen werden, die durch radioaktive Strahlung verursacht werden können. Aber leider sagt der Bericht nicht, daß zur Zeit bereits eine Erbgefahr für die Menschheit besteht. Deshalb, weil eine solche Gefahr besteht, haben ja die Erbforscherkongresse in den letzten Jahren immer wieder die sofortige Einstellung der Atomwaffenversuche verlangt. Und leider sagt der Bericht auch nicht, daß man vorausberechnen kann, wie die Verseuchung weitergeht, selbst dann, wenn die Atomwaffenversuche aufgehört haben. Man kann ausrechnen, daß mehr als zwanzig Jahre hindurch die Verseuchung in den Körpern derjenigen Menschen, die diesen ganzen Zeitraum vom Beginn der Atomwaffenversuche bis dahin erlebt haben, zunehmen wird und daß dann erst der Höhepunkt der Verseuchung erreicht sein wird. In den anschließenden Jahren wird sie langsam wieder zurückgehen.
Aber auch die Verseuchungsgefahr durch Atomkraftwerke nimmt zu. Auf dem amerikanischen wissenschaftlichen Kongreß von Ende 1955, der in Cleveland stattgefunden hat, ist schon vorausgesagt worden, daß im Jahre 2000, wenn die Atomkraftwerke gebaut sein werden, die jetzt im Bau oder geplant sind, die Menge an Strontium 90, also des gefährlichsten Verseuchungsstoffs aus der Kernspaltung, so groß sein wird, daß man damit ein Fünftel der Wassermenge sämtlicher Weltmeere zusammengenommen so weit radioaktiv verseuchen könnte, daß das Meerwasser nach sonstiger Reinigung gerade noch trinkbar wäre. Die bei der Kernspaltung entstehenden Stoffe, um die es sich handelt, sind millionen-, einige davon bis zu milliardenfach gefährlicher, schädlicher, giftiger - auf das Gramm gerechnet - als chemische Gifte. Und was besonders schlimm ist: vor der technischen Erschließung der Atomenergie wurden immer nur kleinere Bevölkerungsgruppen durch die technische Verwendung von Naturkräften gefährdet, heute aber gefährdet die Atomkernenergie, auch bei ihrer technischen Verwendung, meist die ganze Bevölkerung. Strahlenschutz war früher vor allem Aufgabe des Arbeitsschutzes, Strahlenschutz ist heute weitgehend Aufgabe der öffentlichen Gesundheitspflege.
Klar ist: die Überwachung von Arbeitsstätten, an denen gefährlich strahlende Stoffe verwendet werden, genügt nicht. Eine Überwachung der Umgebung - und nicht nur der Umgebung - auf Gehalt und Anreicherung an gefährlich strahlungsfähigen Stoffen muß hinzukommen. Das ist ähnlich wie bei dem Problem der Reinhaltung der Luft, mit dem sich dieses Hohe Haus bald wird beschäftigen müssen; da genügen die Schutzbestimmungen in den Betrieben auch nicht; sie verhüten nicht, daß die Luft verunreinigt und gesundheitsschädlich wird. Bei der radioaktiven Verseuchung kommen als Ursache noch die Atomwaffenversuche hinzu.
Dringend notwendig ist die Ausbildung von Strahlenbiologen und Strahlenärzten, also von Fachleuten, welche die auf uns zukommenden Gefahren der Verseuchung infolge der Verwendung strahlender Stoffe als Sachverständige beurteilen können. Denn das ganze Überwachungssystem, das im Atomgesetz gefordert wird, steht auf dem Papier und kann nicht Wirklichkeit werden, solange nicht die Sachverständigen ausgebildet worden sind, die auch wirklich überwachen können. Die bei den Ländern vorhandenen Gewerbeaufsichtsstellen sind dazu jedenfalls nicht imstande, weder hinsichtlich ihrer Ausstattung mit Geräten noch hinsichtlich ihres Personalbestandes noch im allgemeinen hinsichtlich der Ausbildung ihres Personals.
Wir halten es für notwendig, die Strahlenbelastung der Bevölkerung auch in der Weise zu überwachen, wie es die Akademie der Wissenschaften der Vereinigten Staaten schon im Juni 1956 vorgeschlagen hat: bei jeder Strahlenbelastung muß die Strahlungsmenge durch geeignete Verfahren festgestellt werden. Der amerikanische Akademiebericht hält eine Art Strahlenpaß oder sonstige Buchführung über die Strahlenbelastung des einzelnen für notwendig. Der Grund ist, daß gewisse Arten dieser radioaktiven Strahlung Erbschäden erzeugen können. Nach heutiger Kenntnis darf die Strahlenbelastung auf keinen Fall über ein gewisses Maß ansteigen, weil sonst erheblicher Schaden am Erbgut des gesamten Volkes zu befürchten ist.
Eine Zentralstelle sollte die Meßergebnisse auswerten. Mir ist bekannt, daß von einer Landesregierung der Bundesrepublik einem Beamten, der sich von Amts wegen mit Fragen der Gesundheitsgefährdung zu beschäftigen hat und der sowohl medizinisch wie naturwissenschaftlich vorgebildet ist, verboten worden ist, seine Meßergebnisse über die Radioaktivität der Niederschläge und der Luft zu veröffentlichen, außer wenn die Landesregierung dies ausdrücklich erlaubt.
({0})
Bei solcher Geheimniskrämerei - um ein mildes Wort zu gebrauchen - kann natürlich nichts Brauchbares an Schutzmaßnahmen für die Bevölkerung herauskommen. Radioaktive Stoffe geraten durch Staubfall und Niederschlag in den Boden. Sie kön3022
nen von Pflanzen aufgenommen werden, wie erwiesen ist. Sie gelangen so auch über Pflanze und Tier in den menschlichen Körper; auch das ist erwiesen. Es ist bekannt, daß radioaktive Stoffe auf diesem Wege auch gefährlich angereichert werden können. So ist von führenden Wissenschaftlern ausgesprochen worden: Wenn man die radioaktive Verseuchung im Wasser eines Flusses soweit ansteigen läßt, daß man das Wasser gerade noch ungefährdet trinken kann, nachdem es in der sonst üblichen Weise aufbereitet worden ist, dann sind die Fische in diesem Wasser bereits strahlenkrank und für menschliche Nahrung ungeeignet.
Auf diesem Gebiet ist der Wissenschaft noch vieles unbekannt oder nur ungenau bekannt. Forschung ist da im Interesse aller Lebenden und ihrer Nachkommen dringend nötig. Wir müssen Genaueres darüber wissen, welche Nahrungsmittel besonders gefährdet sind und warum, wie die gefährlichen Stoffe wandern, wie und wo sie sich anreichern, wie lange sie im Körper bleiben, wie man der Anreicherung entgegenwirken kann, und über vieles andere mehr. Es ist Aufgabe des Bundestages, für solch dringliche Forschungsarbeit genügend Geld zur Verfügung zu stellen. Das gleiche gilt für Untersuchungen über den Weg radioaktiver Teilchen in der Luft, worüber zur Zeit nur wenig Sicheres bekannt ist.
Nach unserem Antrag soll die Bundesregierung nach zwölf Monaten berichten, was sie getan hat, um die in unserem Antrag aufgeführten Aufgaben zu erfüllen. Wir bitten, den Antrag an den Ausschuß für Gesundheitswesen als federführenden Ausschuß zu überweisen und den Ausschuß für Atomkernenergie und Wasserwirtschaft als mitberatenden Ausschuß zu bestimmen.
({1})
Meine Damen und Herren! Ich bin inzwischen über den weiteren Inhalt der interfraktionellen Absprache informiert worden. Danach wird nunmehr die Bundesregierung ihre Gesetzentwürfe zu 4 a), 4 d) und 4 e) begründen. Anschließend erfolgt die Begründung des Gesetzentwurfs der Fraktion der Freien Demokraten über die friedliche Verwendung der Kernenergie zu 4 b) der Tagesordnung. Daran anschließend treten wir - wie im Ältestenrat vereinbart - in die verbundene Aussprache über die gesamten Punkte ein, die sich auf die betreffenden Gesetzes- oder Antragsmaterien beschränken soll.
Ich erteile nunmehr Herrn Minister Balke das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe die Ehre, Ihnen im Namen der Bundesregierung den Entwurf eines Atomgesetzes, d. h. eines Gesetzes über die friedliche Verwendung der Kernenergie und den Schutz gegen ihre Gefahren, vorzulegen. Dabei möchte ich mich relativ kurz fassen, weil der vorliegende Entwurf nichts anderes als eine verbesserte Neuauflage des ersten Regierungsentwurfes ist, den ich
vor fast zwei Jahren vor diesem Hohen Hause begründet habe, wobei ich eingehend wissenschaftliche und technische Grundfragen behandelt habe.
Die Verbesserungen des vorliegenden Entwurfs fußen weitgehend auf den Beschlüssen und Anregungen des Rechts- und des Fachausschusses des letzten Bundestages; den Mitgliedern dieser Ausschüsse darf ich an dieser Stelle nochmals für ihre ausgezeichnete Arbeit danken.
Ein gleicher Dank gebührt den Ländern, die durch vorläufige Landesatomgesetze das Interregnum zwischen ehemaligem Besatzungsrecht und noch nicht vorhandenem Bundesrecht überbrückt haben. Diesen Dank, den ich schon im Bundesrat ausgedrückt habe, möchte ich hier wiederholen, selbst wenn diese so geschaffenen verschiedenen vorläufigen Regelungen die Notwendigkeit einer Bundesgesetzgebung noch unterstrichen haben.
In zwei Punkten weicht der vorliegende Entwurf von seinem Vorgänger allerdings wesentlich ab. Erstens sind die wichtigen Haftungsvorschriften verfeinert und ergänzt worden; ich werde hierauf noch zurückkommen. Zweitens haben die inzwischen weit fortgeschrittenen Arbeiten an einer Strahlenschutzverordnung gezeigt, daß das Atomgesetz wesentlich eingehendere Ermächtigungsvorschriften für den Erlaß dieser Verordnung enthalten muß, als sie im letzten Entwurf vorgesehen waren.
Schon wegen der Strahlenschutzverordnung ist der vorliegende Entwurf dringlich. Der Rat der Europäischen Atomgemeinschaft hat sogenannte Grundnormen für den Gesundheitsschutz der Bevölkerung und der Arbeitskräfte gegen die Gefahren ionisierender Strahlungen beschlossen. Als Mitglied der Gemeinschaft ist die Bundesrepublik verpflichtet, die Beachtung dieser Grundnormen sicherzustellen. Zur Ausführung dessen ist eine deutsche Strahlenschutzverordnung notwendig.
Auch unabhängig hiervon brauchen wir dringend eine Strahlenschutzverordnung und vorher die Ermächtigung hierfür durch das Atomgesetz. Wissenschaft, Industrie und Medizin verwenden radioaktive Isotope in einem solchen Ausmaß, daß Vorschriften über den Schutz der Arbeitnehmer, unbeteiligter Dritter und der Allgemeinheit nicht länger entbehrt werden können. Auch die Schutzvorschriften des Atomgesetzes selbst, das vor allem den Schutz der Beschäftigten, Dritter und der Allgemeinheit vor den Gefahren, die von Reaktoren ausgehen können, sicherzustellen hat, sind äußerst dringlich. Diese Schutzvorschriften sind das überragende Ziel des vorliegenden Atomgesetzentwurfs.
Ich werde Gelegenheit haben, in der Stellungnahme der Bundesregierung zum Antrag der SPD-Fraktion auf Drucksache 496, den der Herr Kollege Professor Bechert soeben begründet hat, nachher dem Hohen Hause Einzelheiten über diese Fragen mitzuteilen.
Meine Damen und Herren, ich glaube nicht besonders betonen zu müssen, wie wichtig es ist, daß die Schutzvorschriften des Gesetzentwurfs bald geltendes Recht werden. Ich möchte Sie aber jetzt noch auf einen anderen Gesichtspunkt hinweisen, der nicht so allgemein bekannt ist. Ich meine, daß
unsere Industrie nicht nur aus Schutzgründen, sondern auch wegen der Überschaubarkeit des Haftungsrisikos dringend ein Atomgesetz braucht.
Zum besseren Verständnis möchte ich Ihnen mit wenigen Worten unsere augenblickliche Situation auf dem Gebiet der Atomwirtschaft umreißen.
Gegenwärtig sind vier Forschungsreaktoren in der Bundesrepublik und West-Berlin in Betrieb. Fünf weitere sowie ein Versuchsatomkraftwerk der Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerke sind im Bau, darunter die Projekte von Karlsruhe und Nordrhein-Westfalen bei Jülich. Auf diesem Gebiet ist das zunächst Erforderliche geschehen.
Unsere Forschung hat im übrigen auch den Anschluß an die internationale Entwicklung wenigstens auf manchen Gebieten wieder erreicht. Der nächste Schritt ist der von der wissenschaftlichen zur technischen und wirtschaftlichen Verwendung der Kernenergie. Wir müssen diesen Schritt so bald wie möglich tun, unabhängig von der Situation auf dem Energiemarkt und ihrer Beurteilung; diese Marktsituation ist, wie Sie wissen, sehr starken Schwankungen unterworfen.
Die Stromerzeugung ist nicht die einzige Aufgabe der Kernenergietechnik. Ebenso wichtig sind unter anderem die Gewinnung von radioaktiven Stoffen, die Gewinnung von Strahlungsenergie für die chemische Verfahrenstechnik, die Wärmeerzeugung und anderes.
Bei der Beurteilung der Notwendigkeit, meine Damen und Herren, für die Atomwirtschaft neue Industriezweige in der Bundesrepublik zu schaffen und zu fördern, möchte ich mich nicht auf das umstrittene Schlagwort von der Daseinsvorsorge berufen. Es ist aber kein Zweifel, daß wir Gefahr laufen, als Industrieland wettbewerbsunfähig zu werdén, wenn wir nicht dafür sorgen, daß technische Kapazitäten der Kernindustrie bei uns errichtet werden.
Die Tatsache, daß dieser Schritt noch nicht getan werden konnte, ist in der letzten Zeit in der Öffentlichkeit sehr stark kritisiert worden, wobei ziemlich eindeutig - wenigstens in der interessierten Wirtschaftspresse - der Standpunkt vertreten wurde, der Staat solle ein stärkeres Recht zur Führung und Planung auf diesem Gebiet erhalten. Damit werden, was ich nicht zu betonen brauche, grundsätzliche wirtschaftspolitische Fragen angesprochen.
Das von der Bundesregierung in Einklang mit der deutschen Atomkommission vertretene Entwicklungsprogramm, das unter dem Namen „500Megawatt-Programm" bekannt ist, ist kein Energieversorgungs programm, und diese Lösung wird, wenn sie in einigen Jahren einmal erreicht wird, weder die deutsche Energiewirtschaft in Unordnung bringen noch lebenswichtige Interessen des Kohlebergbaus berühren. An dieser Stelle ist es nötig, einmal festzustellen, was weitgehend vergessen wurde: daß die Notwendigkeit, Kernreaktionen zur Energieerzeugung zu verwenden, eine sehr lautstark erhobene Forderung der Energiewirtschaft und nicht der Atomphysiker war. Diese Forderung führte 1955 zu politischen und organisatorischen
Maßnahmen auch in der Bundesrepublik, z. B. zur Errichtung eines besonderen Bundesministeriums und einer deutschen Atomkommission.
Heute, nach etwa drei Jahren, scheint sich die Einstellung der Energie verbrauchenden Wirtschaft - wenn auch nicht in allen Fällen - gewandelt zu haben, da mit einem erheblichen Aufwand an mathematischer und volkswirtschaftlicher Theorie der Nachweis versucht wird, daß es mit der Energieerzeugung aus Kernreaktionen nicht besonders eilig sei. Nicht zuletzt hieraus resultieren die bekannten Finanzierungsschwierigkeiten des Entwicklungsprogramms für Versuchsleistungsreaktoren. Damit wird auch die Reaktion eines Teiles der Öffentlichkeit erklärt, die eine stärkere Einschaltung der öffentlichen Hand wünscht.
Die Einstellung der Bundesregierung zu diesen Fragen ist vom Bundesministerium für Wirtschaft im Einvernehmen mit dem Bundesatomministerium vor etwa einem Jahr programmatisch wie folgt dargestellt worden: „Die Forschung und die Entwicklung auf dem Gebiet der Atomenergie stellen für die Bundesrepublik eine volkswirtschaftliche Notwendigkeit dar. Das gilt ebensosehr aus allgemein wirtschaftspolitischen Gründen wie auch vom Standpunkt der Energiepolitik. Grundsätzlich stellt sich hier in erster Linie eine Aufgabe für die private Wirtschaft. Es zeigt sich jedoch, daß das unvergleichlich hohe Risiko, das Investitionen auf dem Gebiet der Atomenergie im heutigen Entwicklungsstadium noch anhaftet, der privaten unternehmerischen Tätigkeit eine Grenze setzt, soweit das Risiko nämlich die privatwirtschaftliche Finanzkraft übersteigt und damit die private Initiative lähmt. Die dadurch bedingte Zurückhaltung der privaten Wirtschaft geht über das Maß hinaus, welches der normalerweise volkswirtschaftlich günstigen Wirkung des Risikos als Auslesefaktor entspricht. Ein weiteres Hemmnis ergibt sich daraus, daß die in Frage stehenden Investoren - im allgemeinen also Energieversorgungsunternehmen - nicht mit denjenigen Unternehmen identisch sind, die derzeit den größten Nutzen aus einer beschleunigten Entwicklung ziehen würden. Das sind die Unternehmen der Zulieferindustrie. Eine auf diesen Gründen beruhende Unterinvestition auf dem Gebiet der Atomenergie müßte ganz allgemein zu einer ernsten Gefährdung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Bundesrepublik führen."
Als Folgerung aus dieser grundsätzlichen Einstellung, die der Bedeutung der Bundesrepublik als Industriestaat Rechnung trägt, möchte ich ergänzen, daß ein erstes Programm über 500 Megawatt elektrischer Leistung nur einen bescheidenen Teil der zukünftigen Erfordernisse abdeckt, wenigstens was die Energieerzeugung angeht.
Schon jetzt ist auch zu diesem ersten Programm noch die Entwicklung von Schiffs- und anderen Antriebsreaktoren hinzuzufügen. Deutschland gehört, wie Sie wissen, meine Damen und Herren, zu den ersten Schiffsbaunationen der Welt und kann sich dieser Entwicklung aus Wettbewerbsgründen nicht entziehen. Ferner ist hinzuzufügen die Erprobung ausländischer Reaktortypen - z. B. auf Grund des
Bundesminister Dr.-Ing. Balke Euratom-USA-Abkommens - und dann die Entwicklung der sogenannten Zulieferindustrie, die schon jetzt eine wertvolle Exportchance für die deutsche Volkswirtschaft aufzeigt.
Hierher gehören die Urangewinnung und -aufbereitung, die Herstellung von Brennelementen, von schwerem Wasser, von nuklearreinem Graphit und anderen Materialien wie Zirkon und Beryllium einschließlich der mechanischen Zubehörindustrie, die Rohrleitungen, Armaturen, Apparate der Vakuumtechnik sowie Meß- und Regelinstrumente herstellt usw.
Wir müssen jetzt entscheiden, ob wir weiterhin zu den führenden Industrieländern gehören wollen. Wir werden nicht mehr dazu gehören, wenn es uns nicht schnell gelingt, bei der Entwicklung von Atomanlagen entsprechender Größenordnung die notwendigen technischen und betrieblichen Erfahrungen zu sammeln.
Dabei würde unsere Unterlegenheit gegenüber dem Ausland nicht nur die deutsche Atomwirtschaft betreffen; sie müßte sich vielmehr auch auf alle Industriezweige auswirken, auf die die Atomtechnik ausstrahlt, und damit auf die gesamte deutsche Exportwirtschaft. Ein Land, das nicht in der Lage ist, dem neuesten Entwicklungsstand entsprechende Reaktoren, Reaktorausrüstungen, Brennelemente usw. zu liefern, verliert auch in anderen Branchen an Goodwill und gilt nicht mehr als modernes Industrieland. Das ist eine der Erkenntnisse der zweiten Genfer Atomkonferenz von 1958.
Die Industrie der Bundesrepublik hat unter teilweise beachtlichen Anstrengungen alle Vorbereitungen für einen erfolgreichen Übergang von der Wissenschaft zur Technik getroffen. Es bestehen zur Zeit mehrere größere Reaktorbaugruppen der deutschen Industrie für die Entwicklung von Reaktoren mit je 50 bis 250 Wissenschaftlern, Ingenieuren und Technikern. Diese Gruppen projektieren zur Zeit entsprechend den Richtlinien des deutschen Atomprogramms für Versuchsleistungsreaktoren. Es ist selbstverständlich, daß die Firmen, die diese Gruppen zusammengestellt und finanziert haben, Aufträge brauchen; sonst müssen sie diese wertvollen Fachkräfte früher oder später entlassen. Für die Vorprojekte, die bis April dieses Jahres abgeschlossen sein sollen, stehen Haushaltsmittel des Bundesministeriums für Atomenergie zur Verfügung. Es besteht die Erwartung, daß sich in absehbarer Zeit feste Abnehmer für alle Hauptprojekte finden werden, d. h. Energieversorgungsunternehmen, die sich bereit finden, einen Versuchsleistungsreaktor zu bauen und zu betreiben. Ein solcher Projektierungsauftrag ist soeben, am 15. Januar, von der Firma „Atomkraft Bayern" den Siemens-Schuckert-Werken erteilt worden; er betrifft einen Versuchsleistungsreaktor von 100 000 Kilowatt elektrischer Leistung. Was vom Bund aus getan werden kann, diese Projekte finanziell zu fördern, wird im Rahmen der Haushaltsmöglichkeiten geschehen müssen.
Diese finanzielle Förderung allein ist aber nicht genug. Die Atomindustrie braucht zur Verwirklichung dieser Vorhaben ein Atomgesetz, das ihre
Haftung überschaubar und damit kalkulierbar macht. Damit darf ich wieder zum Atomgesetzentwurf selbst zurückkommen.
Nach der gegenwärtigen Rechtslage haftet der Reaktorunternehmer und haften die Zulieferer für Reaktoren zwar nur bei Verschulden. Auch hat man inzwischen allgemein erkannt, daß Atomanlagen im Grunde nicht gefährlicher sind als herkömmliche technische Anlagen, wenn die notwendigen technischen Sicherungen gegen Unfälle oder Katastrophen getroffen werden. Doch kann schon mangels ausreichender Erfahrungen in der Atomtechnik die Furcht vor Zwischenfällen nicht völlig ausgeschlossen werden. Der Reaktorunternehmer und auch der Zulieferer muß daher mit einer theoretisch unbegrenzten Haftung rechnen, und dieses Haftungsrisiko kann ihm gegenwärtig keine deutsche Versicherung und auch kein Versicherungspool der Welt abnehmen, von den hierfür zu erwartenden ungeheuren Versicherungsprämien ganz abgesehen.
Daß dies lähmend und abschreckend wirkt, liegt auf der Hand. Deshalb muß hier sehr schnell etwas geschehen. Das ist nicht nur bei uns, sondern in der ganzen Welt anerkannt. Die Vereinigten Staaten von Amerika haben dieses Problem bereits durch ein Gesetz gelöst, das auch als Vorbild für eine Regelung bei uns dienen kann und gedient hat. Wenn wir eine Atomindustrie wollen, so müssen wir sie ebenso wie in den Vereinigten Staaten vor ihrem Haftungsrisiko schützen, soweit dieses Risiko heute noch nicht versicherbar ist und dem Unternehmen wirtschaftlich nicht zugemutet werden kann.
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung versucht, dieses Ziel auf folgende Weise zu erreichen: Im Genehmigungsverfahren wird festgelegt, wie hoch der Inhaber einer Anlage für etwaige Schäden selbst einzutreten hat. Er hat sich in diesem Umfange in der Regel zu versichern und diesen Versicherungsschutz auch auf seine Angestellten und Zulieferer zu erstrecken. Übersteigen etwaige Schäden die festgelegte Grenze, so muß der Bund helfen. Das heißt, der Bund stellt die Haftpflichtigen bis zu 500 Millionen DM, also bis zu einem Betrag, den die Schäden nach menschlichem Ermessen niemals überschreiten werden, von ihrer Haftung frei.
Diese Hilfe des Bundes ist allerdings nicht nur eine notwendige Starthilfe für die Atomindustrie; sie ist ebenso notwendig für die Beruhigung unserer Bevölkerung. Wenn wir durch das vorliegende Gesetz die Entwicklung eines neuen Industriezweiges zulassen, der heute noch vielfach als sehr gefährlich angesehen wird, dann haben wir meines Erachtens die Verpflichtung, dafür zu sorgen, daß mögliche Opfer dieser Entwicklung auch unter allen Umständen entschädigt werden können. Wir sind dabei so weit gegangen, daß wir nicht nur erhebliche Beträge für etwaige Schadensersatzleistungen zur Verfügung stellen wollen - wie ich soeben ausgeführt habe -, sondern daß wir auch die Haftung der Anlageninhaber so verschärfen wollen, daß diese praktisch für jeden von ihrer Anlage verursachten Schaden einzutreten haben, sogar für Schäden, die auf höhere Gewalt zurückzuführen sind.
Trotz dieser ungewöhnlich scharfen Haftung wird aber die Atomindustrie bei der vorgesehenen Hilfeleistung des Bundes ihr Haftungsrisiko wesentlich leichter und besser tragen können als nach der gegenwärtigen Rechtslage. Gespräche mit führenden Vertretern der deutschen Atomindustrie bestätigen mir fast täglich, wie sehr die Industrie aus diesem Grunde auf das Atomgesetz wartet.
Selbstverständlich kann es für ein Industrieland wie die Bundesrepublik nicht genügen, für seine Wirtschaft allein im Inland eine vernünftige Haftungs- und Risikobeurteilung zu ermöglichen. Wir hoffen aber, daß die im Gang befindlichen internationalen Verhandlungen über die spätere Harmonisierung des Atomhaftpflichtrechts dazu führen werden, daß unsere Industrie in den Ländern, in die sie liefert, ähnliche Bedingungen wie bei uns vorfinden wird, d. h. daß sie auch in andere Länder liefern kann, ohne einem untragbaren Haftungsrisiko zu begegnen.
Die Haftungs- und Freistellungsregelung wird, sobald sie Gesetz geworden ist, der Unternehmerinitiative sicher neuen Auftrieb geben. Zur Vermeidung etwaiger Mißverständnisse möchte ich feststellen, daß der vorliegende Gesetzentwurf sowohl Privatinitiative als auch eine Initiative der öffentlichen Hand sowie ein sinnvolles Zusammenwirken beider gestattet. In welcher Weise sich der Entwicklungsprozeß abspielen wird, wird von der jeweiligen wirtschaftlichen Gesamtsituation abhängen. Vermutlich werden aber in erster Linie die großen Energieversorgungsunternehmen als Betreiber von Kernkraftwerken in Frage kommen.
Nur nebenbei möchte ich darauf hinweisen, daß an diesen Energieversorgungsunternehmen, auch wenn sie in der Form von Gesellschaften des Privatrechts betrieben werden, die öffentliche Hand, Bund, Länder und Kommunen, überwiegend beteiligt ist. Unter diesen Umständen erscheint mir der frühere Streit über „Genehmigung" oder „Konzession" ziemlich bedeutungslos zu sein. Diese Ansicht teilt jetzt auch der Bundesrat, von dem, wie Sie sich erinnern werden, der Vorschlag einer Konzessionspflicht für Atomanlagen seinerzeit ausging. Nunmehr hat sich auch der Bundesrat für das in der Regierungsvorlage enthaltene Genehmigungsverfahren ausgesprochen. Er hat dabei die Meinung vertreten, daß im Vordergrund nicht theoretische wirtschaftspolitische Entcheidungen stehen müßten, sondern der absolute Schutzzweck des Gesetzes. Der Bundesrat will deshalb den in der Regierungsvorlage vorgesehenen lückenlosen Schutz der Allgemeinheit verstärken, indem er vorschlägt, den Verwaltungsbehörden bei der Genehmigung von Atomanlagen einen noch größeren Beurteilungsspielraum einzuräumen. Die Bundesregierung stimmt diesen Vorschlägen zu, weil auch sie nichts versäumen will, was dem Schutz der Allgemeinheit vor den Gefahren der Kernenergie dienen kann. Ich hoffe, meine Damen und Herren, daß sich auch dieses Hohe Haus der Einigung zwischen Bundesrat und Bundesregierung anschließen kann und daß damit die alte Kontroverse über Genehmigung oder Konzession endgültig erledigt ist.
Bei dieser Sachlage möchte ich Sie nicht mit Ausführungen über die juristische Bedeutung von „Genehmigung" und „Konzession" aufhalten. Denjenigen Damen und Herren, die hierfür besonderes Interesse haben, empfehle ich, im Protokoll der 198. Sitzung des Bundesrates vom 14. November 1958 die sehr eindrucksvollen und gründlichen Ausführungen nachzulesen, die Herr Minister Dr. Veit als Berichterstatter gemacht hat.
Meine Damen und Herren! Mit dieser kurzen Ergänzung der Begründung, die der Drucksache 759 beigefügt ist, konnte ich selbstverständlich nicht alle Fragen behandeln, die dieser Gesetzentwurf aufwirft. Es wäre z. B. noch zu sprechen über die Notwendigkeit, die Verwaltung dieses Sachgebiets orts- bzw. betriebsnah zu gestalten und sie gleichzeitig - wegen der erforderlichen Einheitlichkeit - vom Bund her zu steuern. Es wäre über das sich herausbildende Kernenergiestrafrecht und vieles andere mehr zu sprechen. Ich möchte aber die Debatte nicht aufhalten und meine Bemerkungen in der Hoffnung schließen, daß der technisch und rechtlich schwierige Gesetzentwurf Ihr Verständnis und, wenn möglich, Ihre Sympathie für die Wichtigkeit der zu regelnden Gesetzesmaterie findet.
Die bedauerliche Verzögerung der Gesetzgebung führt mich weiterhin zu der Bitte, ich ein gewisses Eilbedürfnis für die Beratung dieses Gesetzes anzuerkennen, nicht zuletzt deshalb, weil Atomgesetz auch eine Voraussetzung ist, die internationalen Verpflichtungen der Bundesrepublik besonders gegenüber der Europäischen Atomgemeinschaft erfüllen zu können.
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- An das gesamte Hohe Haus.
Am Schluß meiner Begründung möchte ich wie bei dem vorhergehenden Gesetzentwurf im 2. Bundestag auf die wichtige Aufgabe des Gesetzes hinweisen, die außerhalb juristischer und technischer Überlegungen steht, nämlich die Sicherung der humanen Betätigung auf diesem von besonderen Gefahren bedrohten Gebiet der Technik. Ich möchte auch heute mit dem Hinweis darauf schließen, daß mit der Annahme dieses Gesetzes, die wir wohl alle, unbeschadet von Meinungsverschiedenheiten im einzelnen, erstreben, auch eine ethische Entscheidung dieses Hohen Hauses getroffen werden wird.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf Grund der interfraktionellen Vereinbarung begründe ich jetzt die beiden Gesetzentwürfe Drucksache 599 und Drucksache 600, wobei ich der Begründung mehr den Charakter einer Erläuterung geben möchte.
Zu Drucksache 599 -- Ratifizierungsgesetz betreffend die Sicherheitskontrolle der OEEC -: Es handelt sich um das Ratifizierungsgesetz zu einem Übereinkommen der 17 Mitgliedstaaten der Organisation für europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit, der OEEC. Das Übereinkommen in der englischen und der französischen Fassung ist am 20. Dezember 1957 unterzeichnet worden. Die Verzögerung der Vorlage des Ratifizierungsgesetzes
erklärt sich dadurch, daß die Abfassung der ebenfalls verbindlichen italienischen, niederländischen und deutschen Texte erhebliche Zeit in Anspruch genommen hat, zumal die deutsche Fassung zwischen der Bundesrepublik, der Schweiz und Osterreich abgestimmt werden mußte. Die Konvention bedarf der Zustimmung dieses Hohen Hauses.
Die OEEC ist - neben ihren sonstigen Aufgaben - bemüht, die Entwicklung der europäischen Kernenergieindustrie zu fördern. Zu diesem Zwecke ist die europäische Kernenergieagentur der OEEC mit Wirkung vom 1. Februar 1958 geschaffen worden. Das vorliegende Übereinkommen soll sicherstellen, daß sich diese Zusammenarbeit auf dem Kernenergiegebiet innerhalb der OEEC ausschließlich auf friedliche Ziele richtet und nicht militärischen Zwecken dient. Deshalb ist beabsichtigt, eine Sicherheitskontrolle einzurichten, die sich im wesentlichen auf die Gemeinschaftsunternehmen erstreckt, die mit Hilfe der OEEC errichtet werden, außerdem auf diejenigen Einrichtungen, in denen Material, Ausrüstung und Dienstleistungen verwendet werden, die im Rahmen der OEEC zur Verfügung gestellt werden.
Organe der Sicherheitskontrolle sind der Direktionsausschuß für Kernenergie sowie ein Kontrollbüro. Dem Direktionsausschuß gehören je ein Vertreter jedes OEEC-Mitgliedstaates an, dem Kontrollbüro je ein Vertreter jeder Vertragsregierung.
Die Konvention legt im einzelnen die Kontrollmaßnahmen fest. Sie enthält auch Vorschriften, die den betroffenen Regierungen und Unternehmen Rechtsschutz vor einem Gerichtshof bei mißräuchlicher Sicherheitskontrolle gewähren. Die Vorschriften des Übereinkommens sind weitgehend den Bestimmungen des Vertrages über die Europäische Atomgemeinschaft - Euratom - und, soweit möglich, auch denjenigen der weltweiten internationalen Atomenergieorganisation in Wien angepaßt. Das Übereinkommen sieht vor, daß zwischen der OEEC und der europäischen Sechsergemeinschaft Euratom noch eine besondere Vereinbarung über die Ausübung der OEEC-Sicherheitskontrolle auf dem Euratomgebiet getroffen wird.
Zu Drucksache 600: Im Rahmen der europäischen wirtschaftlichen Zusammenarbeit in der OEEC auf dem Gebiet der Kernenergie ist eine Konvention über die Gründung des europäischen Gemeinschaftsunternehmens EUROCHEMIC unterzeichnet worden. Die englische und die französische Fassung sind am 20. Dezember 1957 unterzeichnet worden. Die Verzögerung der Vorlage des Ratifizierungsgesetzes erklärt sich dadurch, daß die Abfassung der ebenfalls verbindlichen italienischen, niederländischen und deutschen Texte aus denselben Gründen, die ich bei der Begründung der Drucksache 599 erwähnt habe, erhebliche Zeit in Anspruch genommen hat. Das Übereinkommen und die ihm beigefügte Satzung der Europäischen Gesellschaft werden diesem Hohen Hause mit der Bitte um Zustimmung vorgelegt.
Beim Betrieb von Reaktoren muß der Kernbrennstoff nach einiger Zeit aus dem Reaktor entfernt werden, weil die durch den Uranzerfall gebildeten Spaltprodukte die Kernkettenreaktion hemmen. Wegen des wertvollen Gehalts an unverbrauchten Kernbrennstoffen und wegen des neugebildeten kostbaren Plutoniums sowie entstandener radioaktiver Isotope muß der Kernbrennstoff chemisch aufgearbeitet werden.
12 OEEC-Mitgliedstaaten beabsichtigen daher, zur chemischen Aufarbeitung der bei ihnen anfallenden bestrahlten Kernbrennstoffe eine Gemeinschaftsanlage zu errichten. Sie soll auch zur Ausbildung von Personal und zur Forschung dienen.
Ein solches Gemeinschaftsvorhaben erspart den einzelnen Ländern die im Falle getrennten Vorgehens notwendigen übermäßigen wirtschaftlichen, technischen und finanziellen Anstrengungen. Standort der Anlage soll Mol in Belgien sein, wo sich das belgische Kernforschungszentrum befindet. Der voraussichtlich bis 1961 beendete Bau der Anlage und der Betrieb in der Anlaufzeit bis 1964 erfordern etwa 20 Millionen Dollar.
EUROCHEMIC stellt eine internationale Gesellschaft dar, die einer Aktiengesellschaft entspricht. Das Kapital wird durch Ausgabe von Aktien aufgebracht. Der deutsche Anteil umfaßt dabei 3,4 Millionen Dollar = etwa 14 Millionen DM. Zunächst sollen 20 % des Kapitals eingezahlt werden. Die Gesellschaft trägt grundsätzlich privatwirtschaftlichen Charakter. An ihr können sich sowohl Regierungen und öffentliche Körperschaften als auch Privatunternehmen und Einzelpersonen mit gleichen Rechten beteiligen. Die Anlage soll der OEEC-Sicherheitskontrolle unterliegen.
Die Konvention ist zunächst für die Dauer von 15 Jahren abgeschlossen. Das Ratifizierungsverfahren bei den Vertragspartnern ist teilweise schon weit fortgeschritten. Es ist in Frankreich, Norwegen, Portugal, Schweden und der Schweiz bereits abgeschlossen.
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Das Wort zur Begründung des Antrags der FDP hat der Abgeordnete Rutschke.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Fraktion der Freien Demokratischen Partei hat bereits im Jahre 1956 den ersten Entwurf zu einem Atomgesetz vorgelegt. Eingebracht wurde der Initiativgesetzentwurf am 19. April 1956. Seinerzeit war die Sache genauso dringlich, wie es uns soeben Herr Bundesminister Dr. Balke erklärt hat. Wir hatten deshalb vorher die Regierung gebeten, einen Gesetzentwurf vorzulegen, weil wir die Fragen, die mit der Atomenergie zusammenhängen, klären mußten, zumal wir damals auf diesem Gebiet wieder Bewegungsmöglichkeit bekommen hatten. Man hat zunächst unseren Entwurf zur Kenntnis genommen, ihn aber nicht weiter bearbeitet, bis dann glücklich am 2. Juli 1957 über den Regierungsentwurf verhandelt wurde.
Erstaunlicherweise wird heute immer wieder auf die Dringlichkeit hingewiesen; andererseits haben
) wir gesehen, daß sich die Regierung sehr viel Zeit bei der Regelung dieser Fragen gelassen hat. Nun wäre es für die heutige Regierung, nachdem ein Gesetzentwurf bereits vorlag, ein Leichtes gewesen, diesen erneut einzubringen. Aber auch hier ließ man sich wieder Zeit. So hat unsere Fraktion wiederum einen Initiativgesetzentwurf am 19. Juni 1958 eingebracht.
Nun möchte ich Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, auf eine Praxis aufmerksam machen, die hier im Hause einzureißen scheint. Unsere Fraktion hatte mit vieler Mühe einen Gesetzentwurf erarbeitet. Glauben Sie mir, für eine Fraktion ist es weitaus schwieriger, einen derartigen Gesetzentwurf vorlagereif zu machen, als für eine Regierung, die viel mehr Hilfsmittel und einen großen Stab von Mitarbeitern zur Verfügung hat! Wir haben uns bemüht, durch die Einbringung unseres Gesetzentwurfes im Plenum zu erreichen, daß nach dessen erster Lesung die Beratung der Sache im Atomausschuß stattfände, weil es ja eilig war.
Wie war die Praxis? Man sagte uns, als wir hier die Tagesordnung besprachen, das gehe nicht, man müsse warten, bis die Regierung mit ihrem Entwurf komme. Meine Damen und Herren, wenn wir hier in diesem Hohen Hause so weitermachen, daß wir Initiativgesetzentwürfe aus dem Hause so lange zurückstellen, bis die Regierung gesprochen hat, dann befinden wir uns auf einem Weg, der jedenfalls nach meinem Empfinden nicht zum demokratischen Staat führt, sondern von ihm wegführt.
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Deshalb bin ich etwas betroffen, Herr Bundesminister, wenn Sie immer wieder auf die Dringlichkeit der Angelegenheit hinweisen, während auf der anderen Seite die Mehrheitspartei dieses Hauses dann, wenn wir eine Initiative ergreifen, unsere Anträge rücksichtslos niederstimmt.
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- Ich habe nicht übertrieben. Ich wünschte, das, was ich gesagt habe, wäre übertrieben. Aber leider ist das nicht der Fall.
Nun lassen Sie mich etwas zu unserem Entwurf eines Gesetzes über die friedliche Verwendung der Kernenergie auf Drucksache 471 sagen, den wir nach einer sehr gründlichen Überarbeitung, wie ich Ihnen bereits sagte, am 19. Juni 1958 dem Hohen Hause wieder zugeleitet haben. Einer näheren Begründung der zahlreichen Bestimmungen, die hier vorgesehen sind, bedarf es nicht. Ich darf mich hier auf die Ausführungen unseres ehemaligen Kollegen Herrn Dr. Drechsel beziehen, die er am 19. April 1956 vor diesem Hohen Hause machte.
Lassen Sie mich Ihnen nur noch einmal ganz kurz einen Überblick geben, um damit vielleicht die Erinnerung des einen oder anderen, der die Einzelheiten aus dem Gedächtnis verloren hat, aufzufrischen.
Der Erste Abschnitt unseres Gesetzentwurfs enthält die Definitionen und grenzt den Geltungsbereich des Gesetzes ab.
Wichtig ist der Zweite Abschnitt, der sich auch erheblich von der Regelung in dem jetzt eingebrachten Regierungsentwurf unterscheidet. Er betrifft die Organisation. Wir haben eine Bundesanstalt für Kernenergie vorgesehen, deren Organe der Verwaltungsrat und das Direktorium sein sollen. Der Verwaltungsrat soll eine große Körperschaft sein, in der vertreten sind Bundestag, Bundesregierung, Bundesrat, Mitglieder der gewerblichen Wirtschaft, Vertreter der Wissenschaft sowie zwei Mitglieder der Arbeitnehmerorganisationen. Aufgabe dieses Verwaltungsrates soll es sein, die wesentlichen Entscheidungen zu treffen..
Der geschäftsführende Vorstand - so möchte ich es nennen - ist das Direktorium. Es wird von der Bundesregierung ernannt und führt die Geschäfte der Bundesanstalt.
Die Bundesanstalt berät - ein wichtiger Grundsatz - die Bundesregierung in allen Fragen der friedlichen Verwendung der Kernenergie. Sie berät auch die Länder und Gemeinden in den Fragen, die diese angehen.
Der Dritte Abschnitt betrifft den Verkehr mit Kernbrennstoffen, der Vierte Abschnitt die Ausgangsstoffe und der Fünfte Abschnitt die radioaktiven Substanzen.
Sehr wichtig ist nun der Sechste Abschnitt, der Bestimmungen über die Haftung enthält. Ich darf Ihnen noch einmal das in Erinnerung zurückrufen, was ich bereits am 9. Mai 1958 in der 29. Sitzung vorgetragen habe. Die von der Fraktion der Freien Demokratischen Partei in ihrem Gesetzentwurf vorgeschlagenen Haftungsbestimmungen gehen von der absoluten Gefährdungshaftung aus. Wir haben seinerzeit bereits darauf hingewiesen, daß auch in Fällen höherer Gewalt eine Haftungsregelung erfolgen muß. Die nähere Begründung bitte ich im Protokoll der 29. Sitzung nachzulesen. Wir forderten ferner, daß der Staat sich in der notwendigen Höhe an dem Risiko beteiligt, also nicht nur mit einem begrenzten Betrag.
Die Bundesregierung hat - Herr Minister Balke hat es soeben ausgeführt - alle von uns damals gemachten Vorschläge übernommen oder wenigstens dieselben Erkenntnisse wie wir verwertet. Wir freuen uns darüber und glauben, daß wir wenigstens auf diesem Gebiet einen Schritt weitergekommen sind.
Der § 32 im VIII. Abschnitt regelt die Ermächtigungen, die zum Erlaß der verschiedenen Verordnungen - Strahlenschutzverordnungen usw. - notwendig sind.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich jetzt noch etwas über den Regierungsentwurf sagen, und ich bitte um Genehmigung des Herrn Präsidenten, das hier anfügen zu dürfen. Positiv in dem nun von der Bundesregierung vorgelegten Entwurf sind, das darf ich nochmals betonen, die neuen Haftungsbestimmungen, die im Gegensatz zu der Auffassung stehen, die früher herrschte. Positiv beurteilen wir auch, daß der Entwurf nicht dem Vorschlag der SPD - Drucksache 344 - gefolgt ist, ein Konzessionsverfahren einzuführen, sondern das in unserem ur3028
sprünglichen Entwurf vorgeschlagene Genehmigungsverfahren vorsieht.
Die Ausführung des Gesetzes ist in dem Regierungsentwurf allerdings wesentlich anders als nach unserem Vorschlag geregelt. Die Bundesregierung ist für eine Auftragsverwaltung gemäß Art. 85 des Grundgesetzes; ich glaube jedenfalls, diese Art der Auftragsverwaltung ist gemeint. Ich weiß nicht, ob das gut ist. Die Wirtschaft bewegt sich nach unserer Auffassung am besten in Freiheit, und wir meinen, daß der Staat sich nicht überall einmischen sollte, vor allem nicht \in Fragen, die die Wirtschaft von sich aus besser und wahrscheinlich auch zweckmäßiger entscheiden kann. Ich glaube, daß gerade die Bundesanstalt für Atomenergie hier eine Art Selbstverwaltungskörperschaft darstellen wird, die die wirtschaftlichen, die finanziellen und die volkswirtschaftlichen Probleme wesentlich besser meistern kann als ein Ministerium - eben die Bürokratie. Die in dem Regierungsentwurf vorgesehene Auftragsverwaltung wird wahrscheinlich die Bürokratie stärken. Dadurch würde nach unserer Auffassung zwangsläufig ein gewisser Dirigismus in die Entwicklung hineinkommen, der bei Annahme unseres Entwurfs vermieden würde. Doch darüber werden wir im Ausschuß noch Näheres auszuführen haben.
Im übrigen ist es erstaunlich, daß auch nach dem Regierungsentwurf Bundesanstalten für die Ausführung vorgesehen sind. Für die Erteilung und den Widerruf der Genehmigung zur Ein- und Ausfuhr von Kernbrennstoffen wird auf Grund des § 22 Ihres Gesetzentwurfs die Bundesanstalt für gewerbliche Wirtschaft in Bewegung gesetzt. Ferner werden die Verwahrung und Beförderung von Kernbrennstoffen nach § 23 von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt überwacht.
Wenn man ohnehin schon Bundesanstalten für diese Aufgaben einspannt, also diese Aufgaben richtigerweise nicht vom Ministerium aus erledigt, hätte man schließlich beides zusammenfassen und damit den volkswirtschaftlichen Zweck wesentlich besser erreichen können. Ganz abgesehen davon, daß die Zollverwaltung auf diesem Gebiet auch eingeschaltet ist.
Die Haftungsbestimmungen, die, wie ich bereits betonte, verfeinert worden sind, haben allerdings nach unserer Auffassung noch kleine Mängel; sie weichen wesentlich von denen in unserem Entwurf ab. Wir werden daher im Ausschuß eingehend darüber sprechen müssen.
Zunächst fällt einem auf, daß die Haftung für Personenschäden auf 15 000 DM begrenzt ist und daß für die staatliche Bürgschaft, oder wie wir das nennen wollen, ein Betrag von 500 Millionen DM festgesetzt ist. Er wird wahrscheinlich ausreichen, steht aber nur bis 1965 zur Verfügung. Diese Zeit scheint etwas zu kurz bemessen zu sein.
Wir wissen, daß wir uns in der Entwicklung der Atomkernenergie noch im Experimentierstadium befinden und daß es mit dem Aufbau von Reaktoren bei uns noch sehr im argen liegt; wir sind da im Vergleich mit dem Ausland weit zurück. Ich weiß nicht, ob wir in der kurzen Zeit von sechs Jahren, bis diese Garantie ausläuft, soweit sind, daß wir die auf diesem Gebiete nötigen Erfahrungen haben. Wahrscheinlich werden erst dann die großen Objekte entstehen. Im Anfang, wenn nur eine geringe Zahl von Reaktoren in Betrieb ist, werden wir es wahrscheinlich nur mit begrenzten Risiken zu tun haben.
Wie es mit einer Ersatzregelung für Schäden, die der Allgemeinheit entstehen, werden soll, scheint mir noch ungeklärt zu sein. Ich denke jetzt an die Grundwasserverseuchung und an die Luftverseuchung. Hier ist das Gesetz nicht klar. Man kann jedenfalls nicht klar erkennen, wie weit eine Schadensersatzregelung in diesem Punkte gehen soll.
Ich entnehme aus der „Neuen Zürcher Zeitung" vom vergangenen Sonntag, dem 18. Januar, daß sich Regierungsvertreter der OEEC-Länder über die objektive Haftung der Unternehmer eines Kernenergiebetriebes und deren Verpflichtung, für die finanzielle Sicherung auf dem Wege über Versicherungen Vorsorge zu treffen, weitgehend einigen konnten. Dasselbe gilt für Vorkehrungen, welche die Haftung anderer Personen einschließlich des Lieferanten ausschließen, weiterhin für die Einführung einer Höchstgrenze für die Haftung in Höhe von 15 Millionen Dollar, wobei es den Regierungen überlassen bleibt, einen anderen Betrag festzusetzen oder auch die von ihnen als nötig angesehenen Maßnahmen zu ergreifen, um eine Entschädigung über diese Grenze hinaus sicherzustellen, schließlich gilt es für die Begrenzung der Haftung auf zehn Jahre nach Eintritt des Atomunfalls.
Es scheint mir kein gutes Zeichen zu sein, daß Vertreter der Regierung über derartige Fragen verhandeln, während wir im Atomausschuß, während wir als Mitglieder des Parlaments jetzt, da wir uns mit diesen Fragen beschäftigen, keinen Ton davon hören, sondern auf Schweizer Zeitungen angewiesen sind, wenn wir uns unterrichten wollen. Ich weiß nicht, ob dieser Stil der Regierung sehr passend ist für eine verantwortungsvolle Arbeit gerade auf diesem Gebiet.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bitte Sie, den Gesetzentwurf der Fraktion der Freien Demokraten auf Drucksache 471 dem Atomausschuß und dem Rechtsausschuß zu überweisen.
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Das Wort hat Herr Bundesminister Dr. Balke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir eine nur kurze Stellungnahme zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Dr. Rutschke und den von ihm begründeten Gesetzentwurf. Die Fraktion der FDP hat mit dem Entwurf eines Atomgesetzes zu erkennen gegeben, welche Bedeutung auch sie der friedlichen Verwendung der Kernenergie und ihrer gesetzlichen Regelung beimißt. Wie der Gesetzentwurf zeigt, hat sie sich bemüht, die von dieser Entwicklung gestellten
schwierigen legislativen Aufgaben lösen zu helfen. Das wird von der Bundesregierung dankbar anerkannt.
Ein Vergleich der beiden Gesetzentwürfe, also dem der Regierung nach Drucksache 759 und dem der FDP-Fraktion nach Drucksache 471, zeigt sofort, daß verschiedene Wege vorgeschlagen werden. Da beide Entwürfe wahrscheinlich den Ausschüssen überwiesen werden, wird ein Eingehen auf Einzelheiten des FDP-Entwurfs jetzt wohl nicht angebracht sein. In den Ausschußberatungen wird sich ergeben, welche Wege die zweckmäßigeren sind.
Gestatten Sie mir nur ein paar Worte zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Dr. Rutschke zu dem Regierungsentwurf. Zunächst handelt es sich hierbei um ein er st es Atomgesetz der Bundesregierung, das zweifellos noch nicht Gestalt für lange Jahrzehnte gewinnt. Es ist notwendig, Erfahrungen mit diesem Atomgesetz zu sammeln, und man soll die künftige Entwicklung nicht durch eine zu starre Gestaltung aller Bestimmungen vorwegnehmen oder abdrosseln. Ferner bin ich der Meinung, wir sollten wegen der Haftungsbestimmungen, die ein sehr schwieriges Kapitel darstellen, hier keinen Prioritätsstreit entfachen; das Ergebnis ist, glaube ich, wichtiger.
Ich möchte nur einen grundsätzlichen Unterschied in den Auffassungen der beiden Entwürfe herausgreifen, weil darauf soeben besonders Bezug genommen wurde, nämlich die Frage der Benutzung von Bundesanstalten. Wir gehen davon aus, zwar vorhandene Bundesanstalten zu benutzen, aber keine neuen für diesen Zweck zu schaffen. Während der Regierungsentwurf die Verwaltungsarbeit in der Hauptsache den schon vorhandenen Länderbehörden überträgt, sieht der Entwurf der FDP-Fraktion vor, eine neue „Bundesanstalt für Kernenergie" zu errichten und dort die gesamte Atomverwaltung zu konzentrieren. Dieser Vorschlag einer zentralen Bundesverwaltung für das Sachgebiet der Kernenergie erscheint wenig länderfreundlich und dürfte beim Bundesrat kein Verständnis und keine Zustimmung finden. Weiter wäre eine Bundesanstalt gemäß ihrer Rechtsnatur und ihrer weitgehenden Unabhängigkeit von Parlament und Regierung für die zu bewältigenden wichtigen Hoheitsaufgaben kaum geeignet. Um praktisch arbeiten zu können, müßte sie zahlreiche Außenstellen errichten, die eine betriebs- und ortsnahe Aufsicht ermöglichen. Das wäre verwaltungsmäßig unnötig kompliziert und teuer, abgesehen davon, daß eine solche Bundesanstalt neben einem Bundesministerium und den Länderbehörden sachlich überflüssig wäre. Bei der Bedeutung, die einer „Atomverwaltung" zukommt, kann diese nicht von einer so weitgehend unabhängigen Bundesanstalt gesteuert werden, sondern nur von einem Bundesressort. Sitz und Stimme einer obersten Atombehörde im Bundeskabinett sind schon aus politischen und psychologischen Gründen erforderlich, weil damit auch ihre parlamentarische Verantwortlichkeit sichergestellt ist.
Ich darf mich vielleicht auf diese wenigen Worte zu der Begründung des FDP-Entwurfs beschränken und mit Genehmigung des Herrn Präsidenten nunmehr zu dem Antrag der SPD-Fraktion auf Drucksache 496 Stellung nehmen. Eine solche Stellungnahme der Bundesregierung zum Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 496 erfordert eine etwas eingehendere Behandlung des derzeitigen Standes der Uberwachung radioaktiver Verseuchung in der Bundesrepublik. Ich bitte mir zu gestatten, daß ich dies ausführlich genug tue, um eine Beurteilung der Situation durch dieses Hohe Haus zu ermöglichen, es sei denn, meine Damen und Herren, es wird von Ihnen gewünscht, daß die Einzelheiten, die vielleicht etwas ermüdend sind, erst in den Ausschußberatungen vorgetragen werden. Ich werde jedenfalls beginnen.
Zu I Ziffer 1 des Antrags! Der Sonderausschuß „Radioaktivität" konstituierte sich am 1. Oktober 1956. Zur Finanzierung seines Sekretariats, das ihn bei der Erstattung von Berichten über die radiologische Lage in der Bundesrepublik unterstützen soll, wurde für ihn auf seinen Antrag hin in den Haushaltsjahren 1956 und 1957 ein Betrag von insgesamt 205 000 DM aus den Mitteln des Bundesatomministeriums bereitgestellt. Gemäß den vorgelegten Verwendungsnachweisen war der Geldbedarf um 64 000 DM geringer als die bewilligte Gesamtsumme. Im Haushaltsjahr 1958 wurden vom Bundesatomministerium weitere 90 000 DM für das Sekretariat bewilligt. Der Entwurf des Bundeshaushaltsplanes für das Rechnungsjahr 1959 sieht weiterhin entsprechende Mittel für diesen Zweck vor.
Zur Finanzierung der vom Sonderausschuß empfohlenen Forschungsvorhaben wurden beim Bundesatomministerium angefordert und bewilligt: für die Forschungsarbeiten der 12 Mitglieder des Sonderausschusses und ihrer Institute im Jahre 1957 626 700 DM, im Jahre 1958 658 500 DM; für Forschungsarbeiten von Nichtmitgliedern des Sonderausschusses 1957 rund 73 000 DM, 1958 rund 164 000 DM. Dem bewilligten Gesamtbetrag im Haushaltsjahr 1957 von 700 185 DM steht ein tatsächlich verausgabter Betrag von 544 750 DM gegenüber. Es verbleibt also ein unverbrauchter Restbetrag von 155 435 DM. Hieraus geht hervor, daß sowohl für das Sekretariat als auch für das Forschungsprogramm des Sonderausschusses „Radioaktivität" ausreichend Mittel zur Verfügung gestellt worden sind.
Der Sonderausschuß „Radioaktivität" ist, wie Ihnen bekannt, in seiner Arbeit völlig unabhängig; seine Forschungsarbeiten und die Auswertung ihrer Ergebnisse unterliegen nur der freien wissenschaftlichen Verantwortung jedes Ausschußmitgliedes. Die Prüfung des Bundesatomministeriums erstreckt sich aber selbstverständlich auf die Einhaltung der haushaltsrechtlichen Vorschriften hinsichtlich der Nachweise der Verwendung der Mittel.
Zum Arbeitsprogramm des Sonderausschusses möchte ich bemerken, daß auf diesen wissenschaftlichen Gebieten auch noch andere Forschungsarbeiten durchgeführt werden müssen, z. B. an Hochschulen und Kliniken. Das gesamte Forschungsprogramm auf dem Gebiet der Radiologie und ver3030
wandter Disziplinen ist aber durch die Arbeitsmöglichkeiten in der Bundesrepublik begrenzt. Die Bundesregierung ist bestrebt, diese Möglichkeiten dauernd zu erweitern und zu verbessern, weil diese unzureichenden Möglichkeiten zweifellos auch die Ursache dafür sind, daß die zur Verfügung gestellten Geldmittel vom Sonderausschuß nicht völlig verbraucht werden konnten.
Zu I Ziffer 2! Bereits seit 1954 wird unter finanzieller Förderung durch das Bundesministerium des Innern vom Deutschen Roten Kreuz ein Strahlenschutz-Ausbildungsprogramm durchgeführt. Die Lehrgänge finden ausschließlich in Universitätsinstituten statt und unterstehen Professor Dr. Langendorff im Radiologischen Institut der Universität Freiburg im Breisgau und Professor Dr. von Braunbehrens, Institut und Poliklinik für Physikalische Therapie und Röntgenologie der Universität München. Zu diesen Lehrgängen werden Röntgenologen und radiologisch vorgebildete Ärzte zugelassen. Nach dieser Ausbildung werden im Rahmen einer Arbeitsgemeinschaft für DRK-Strahlenschutzärzte Fortbildungskurse gehalten. Bis zum Ende des laufenden Rechnungsjahres sind 121 DRK-Ärzte im Strahlenschutz ausgebildet. Für das Jahr 1959 ist die Ausbildung von weiteren 50 Ärzten geplant.
Neben der DRK-Ausbildung, die sich im übrigen auch auf Personen physikalisch-technischer Berufszweige erstreckt, werden Lehrgänge für die Ausbildung von Ärzten des öffentlichen Gesundheitsdienstes im Strahlenschutz vorbereitet. In die Lehrpläne der Akademie für Staatsmedizin sind im Einvernehmen mit den Ländern Strahlenschutzvorträge eingefügt worden. Ferner ist sichergestellt, daß in der Bundesdienststelle für zivilen Bevölkerungsschutz die Amtsärzte durch Lehrgänge im Strahlenschutz unterrichtet werden, soweit diese Ausbildung von den Ländern nicht selbst übernommen wird. Das Bundesatomministerium hat die Ausbildung von Strahlenbiologen und Strahlenärzten durch Gewährung von Beihilfen zur Teilnahme an in- und ausländischen Kursen, wissenschaftlichen Konferenzen und Studienaufenthalten, insbesondere in England, in den Vereinigten Staaten von Amerika und Japan gefördert. Wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für die Kompetenz des Bundes zur Regelung des Strahlenschutzes vorliegen, wird die Bundesregierung in enger Zusammenarbeit mit den Ländern der „Ausbildung der Ausbilder" sowie des medizinischen und technischen Überwachungspersonals überhaupt verstärkte Aufmerksamkeit widmen können.
Zu I Ziffer 3. In mehreren Universitätsinstituten laufen seit geraumer Zeit Untersuchungen über die Strahlenbelastung der Bevölkerung bei diagnostischer und therapeutischer Anwendung von harten Strahlen. Hierbei werden nicht nur die Belastungen bei typischen Strahlenanwendungen, sondern auch die statistischen Häufigkeiten der verschiedenen Strahlenanwendungen unter Mitarbeit von Statistischen Landesämtern und Krankenkassenverbänden erfaßt. In den Haushaltsjahren 1957 und 1958 wurde für diese Erhebungen ein Betrag von 430 250 DM aus Mitteln des Bundesatomministeriums zur Verfügung gestellt. Die Untersuchungen und Erhebungen werden noch einige Jahre andauern. Personen, die in strahlengefährlichen Betrieben beschäftigt sind, werden bereits seit Jahren auf freiwilliger Basis oder in Ausführung von Länderverordnungen - z. B. zur Zeit in Schleswig-Holstein und in Bayern - mit Film- und IonisatiönskammerDosimetern überwacht. Im Jahre 1956 wurden 25 000, im Jahre 1957 41 000 und bis zum 30. Juni 1958 36 000 Filmdosimetermessungen ausgewertet. Die Anwendung von Filmdosimetern hat sich aus einer Versuchsreihe ergeben, die seinerzeit das Bundesarbeitsministerium finanziert hat.
Bei der Genehmigung des Umgangs mit radioaktiven Stoffen schreibt das Bundesatomministerium regelmäßig die dosimetrische Überwachung als Strahlenschutzmaßnahme vor. Der Entwurf der Strahlenschutzverordnung macht die registrierende Messung der Strahlenschutzbelastung von Personen bundeseinheitlich zur Pflicht. Wenn dem Bund durch die Grundgesetzergänzung die Gesetzgebungsbefugnis zum Schutz der Bevölkerung gegen die Gefahren aller ionisierenden Strahlen übertragen wird, wird die Bundesregierung weitgehende Maßnahmen auf dem Gesamtgebiet des Strahlenschutzes, einschließlich der Röntgenstrahlen, treffen können.
Zu I Ziffer 4 des Antrags. Wenn in dem Antrag, der die Überschrift „Überwachung radioaktiver Verseuchung" trägt, die Förderung von Forschungen über die Aufnahme radioaktiver Substanzen in Pflanzen, Tieren und Lebensmitteln gefordert wird, so darf angenommen werden, daß in erster Linie die Aufnahme der künstlichen radioaktiven Stoffe gemeint ist.
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Im Vordergrund des Interesses stehen dabei die Spaltprodukte, die im sogenannten „fall-out" enthalten sind, insbesondere aber die radioaktiven Substanzen Strontium-90 und Zäsium-137. Mit speziellen Untersuchungen über die Aufnahme von Strontium-90 haben Institute in der Bundesrepublik bereits vor Jahren begonnen. Wichtige Forschungsstätten auf diesem Gebiet sind die Pfälzische Landwirtschaftliche Untersuchungs- und Forschungsanstalt in Speyer, das Anorganisch-chemische Institut der Universität Mainz, das II. Physikalische Institut der Universität Heidelberg, das Physikalische Institut der Bundesforschungsanstalt für Milchwirtschaft in Kiel, das Agrikulturchemische und bodenkundliche Institut in Göttingen, die Bundesanstalt für Lebensmittelfrischhaltung in Karlsruhe, die Forschungsanstalt für Landwirtschaft in BraunschweigVölkenrode, das Radiologische Institut der Universität Freiburg/Breisgau, das Physikalische Institut der Universität Freiburg/Breisgau, das Max-PlanckInstitut für Biophysik in Frankfurt/Main, die Bundesforfschungsanstalt für Fischerei in Hamburg - einschließlich der Biologischen Anstalt Helgoland -und das Institut für Wasser-, Boden- und Lufthygiene des Bundesgesundheitsamts in Berlin.
Wesentliche Studien sind außerdem im Auftrag des Bundesministers des Innern von der Schutzkommission der Deutschen Forschungsgemeinschaft veranlaßt worden. Dem Deutschen HydrographiBundesminister Dr.-Ing. Balke
I sehen Institut in Hamburg obliegt die Untersuchung
des Meerwassers auf radioaktive Beimengungen.
Die Bundesanstalt für Gewässerkunde ist mit der Überprüfung der radioaktiven Belastung der Bundeswasserstraßen betraut. Als Zentralinstitut der Wasser- und Schiffahrtsverwaltung ist sie am besten geeignet, diesen Auftrag im Rahmen ihrer laufenden Wassergüteuntersuchungen großräumig und nach einheitlichen Gesichtspunkten durchzuführen. Ihre primäre Aufgabe besteht darin, für den Bereich der Wasser- und Schiffahrtsverwaltung Meßstellen einzurichten, die Entnahme von Proben zu überwachen und die Proben in physikalisch-chemischer Hinsicht auszuwerten. Zur physiologischen Auswertung der Unterlagen ist in erster Linie an eine Zusammenarbeit mit dem Bundesgesundheitsamt gedacht.
Die Probleme einer ausreichenden Erfassung des Niederschlags und der Aufnahme von Zäsium 137 durch Pflanzen, Tiere und den Menschen sind bislang in der Bundesrepublik wie auch in den übrigen Ländern der Welt noch nicht befriedigend gelöst, werden aber bereits als eine Schwerpunktaufgabe betrachtet und behandelt.
Daneben bemüht sich das Bundesatomministerium weiterhin, auf breiter Basis die biologische und medizinische Grundlagenforschung zu fördern. Bis Ende 1958 wurden für diesen Zweck rund 17 Millionen DM zur Verfügung gestellt und weitere rund 4,5 Millionen DM grundsätzlich zugesagt.
Von den Zuschußempfängern sind unter anderem folgende Institute zu nennen: das Radiologische Institut der Universität Freiburg, das Heiligenberg-Institut in Überlingen, d as Max-Planck-Institut für Biophysik in Frankfurt/Main, die UniversitätsFrauenklinik in Hamburg-Eppendorf, das Strahleninstitut der Universität Marburg, das Max-PlanckInstitut für vergleichende Erbbiologie und Erbpathologie in Berlin-Dahlem, das Czerny-Krankenhaus für Strahlenbehandlung in Heidelberg, das Röntgen- und Strahleninstitut der Universität Mainz, das Institut für physikalische Therapie der Universität München, das Strahleninstitut der Freien Universität Berlin, das Institut für physikalische Therapie der Universität Erlangen.
Im Entwurf des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1959 sind weitere 10,3 Millionen DM veranschlagt für die Förderung der Atomforschung auf dem Gebiet der Medizin, Biologie und Landwirtschaft. Darüber hinaus sind erhebliche Mittel für die Nachwuchsausbildung auf diesem Sektor vorgesehen.
Untersuchungen über die Bewegungen und die Verweilzeit radioaktiver Aerosole in den Luftschichten werden vom Deutschen Wetterdienst, von den Meteorologischen Instituten der Technischen Hochschulen Karlsruhe und Darmstadt und dem Institut für Flugmeteorologie in München, ferner von der Vereinigung der Technischen Überwachungsvereine durchgeführt.
Neben den theoretischen Studien hat der Deutsche Wetterdienst bereits vor drei Jahren mit direkten Messungen des atomtechnischen Aerosols in der freien Atmosphäre begonnen. Hierbei handelt es sich, abgesehen von Versuchsmessungen von Flugzeugen der Deutschen Lufthansa aus, um die Sondierung der Atmosphäre mittels Apparaturen, die an frei fliegenden Ballonen in die Höhe gelassen werden und die Aktivitätswerte über Funk melden. Aus finanziellen Gründen kann die Methode der systematischen Messung der Radioaktivität in der Höhe von Spezialflugzeugen aus, die besonders einwandfreie Ergebnisse liefern würde, vorläufig noch nicht angewandt werden.
Zu Punkt I Ziffer 5! Die zehn Stationen der Luftüberwachung des Deutschen Wetterdienstes in Schleswig, Emden, Hannover, Berlin, Essen, Aachen, Königstein/Taunus, Stuttgart, Nürnberg und München sind mit modernen Geräten für die Messung der Radioaktivität der Atmosphäre und der Niederschläge ausgerüstet. Für die zentrale Betreuung des Meßnetzes und Auswertung der Meßergebnisse sind zwei wissenschaftliche Kräfte tätig.
Die Geräte werden auf den zehn Stationen, die in räumlicher Anlehnung an vorhandene Wetterdienststellen eingerichtet wurden, von zehn Bediensteten hauptamtlich bedient. Sie wurden auf Lehrgängen beim Physikalischen Institut der Universität Freiburg in ihre Aufgaben eingewiesen. In diesem Institut wird auch die wissenschaftlich-technische Weiterentwicklung der Apparaturen und Meßgeräte betrieben.
Auch die bei den Universitäten und Hochschulen aus Haushaltsmitteln des Bundes eingerichteten Meßstellen sind personell und technisch so ausgestattet, daß sie die gestellten Aufgaben erfüllen können. Für die Verbesserung und Angleichung der Ausrüstungen an den neuesten Stand der Technik sind Mittel in den Haushaltsplänen der zuständigen Bundesressorts, insbesondere im Haushaltsplan des Bundesatomministeriums, vorgesehen.
Die Bundesanstalt für Gewässerkunde begann mit dem Programm zur Überwachung der radioaktiven Belastung der Bundeswasserstraßen Anfang 1958, nachdem ein Laboratorium mit Spezialgeräten ausgestattet und ein Radiochemiker eingestellt worden war. Es wird notwendig sein, weitere Haushaltsmittel zur Vervollständigung dieses Laboratoriums und zur Einrichtung örtlicher Meßstellen bei den Wasser- und Schiffahrtsdirektionen in Anspruch zu nehmen.
Für Geräteausstattungen des Deutschen Hydrographischen Instituts zur Überwachung des Meerwassers auf radioaktive Beimengungen sind Bundesmittel veranschlagt. Einige Teilbeträge wurden bisher bewilligt. Die im Haushaltsjahr 1957 vorgesehenen Stellen für einen wissenschaftlichen und einen technischen Angestellten konnten mangels geeigneter Bewerber erst im Herbst 1957 bzw. Anfang 1958 besetzt werden, Die Errichtung eines Speziallaboratoriums für radiologische Untersuchungen von Meerwasser wird erwogen.
Schließlich zu Punkt I Ziffer 6! Es ist Vorsorge dafür getroffen, daß die durch das Überwachungssystem gewonnenen Meßergebnisse kontinuierlich gesammelt und unter biologischen und medizinischen Gesichtspunkten ausgewertet werden. Die
Sammlung erfolgt beim Bundesatomministerium, beim Sekretariat des „Sonderausschusses Radioaktivität" und auf Veranlassung des Bundesministers des Innern beim I. Physikalischen Institut der Universität Freiburg. Die wissenschaftliche Auswertung dieser Ergebnisse erfolgt im Rahmen der Deutschen Atomkommission durch die Fachkommission IV „Strahlenschutz" und ihre Arbeitskreise sowie beim „Sonderausschuß Radioaktivität" und beim Institut für Wasser-, Boden- und Lufthygiene des Bundesgesundheitsamtes. Darüber hinaus werden die in der Bundesrepublik gesammelten Erkenntnisse internationalen Gremien, insbesondere den Gesundheitsausschüssen der WEU, von Euratom, der OEEC und der UN zur Verfügung gestellt.
Bei dieser Sachlage ist aber festzustellen, daß die in dem Antrag der SPD-Fraktion Drucksache 496 aufgestellte Forderung, eine Zentralstelle zu schaffen, derzeit noch nicht erfüllt ist. Die Bundesregierung hält jedoch ebenfalls eine solche Stelle für notwendig, die in der Bundesrepublik eine regelmäßige Analyse der Meßergebnisse unter biologischen und medizinischen Gesichtspunkten gewährleistet. Dies ist auch erforderlich, um den internationalen Institutionen über die radiologische Lage der Bundesrepublik berichten zu können. Vorarbeiten zur Organisation einer solchen Zentralstelle sind eingeleitet.
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Meine Damen und Herren, die Entwürfe sind eingebracht und begründet. Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Sie betrifft die Gesamtheit der eingebrachten Entwürfe.
Das Wort hat zunächst der Abgeordnete Ratzel.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ohne daß ich hier eine historische Rückschau veranstalten möchte, will ich doch feststellen, daß es heute fast auf den Tag genau 23 Monate sind, seit wir in diesem Hause im 2. Bundestag die erste Lesung eines Bundesatomgesetzes gehabt haben. Der Leidensweg der Bundesatomgesetzgebung ist ja hinreichend bekannt - auch die Hintergründe -, und ich glaube, ich kann es mir ersparen, auf die Hintergründe einzugehen. Niemand wird wohl hier im Hause besser im Bilde sein als der Herr Minister selbst.
Uns Sozialdemokraten hat es etwas eigentümlich berührt, daß man im 2. Bundestag eigentlich von uns die Sabotage des Atomgesetzes erwartet hat. Von Ministerialbeamten sind Äußerungen in der Richtung getan worden, die SPD werde das Atomgesetz zu Fall bringen, um es später im 3. Bundestag als Morgengabe auf den Tisch des Hauses zu legen. Die Beamten haben sich hier in ihrer Prognose geirrt, obwohl sie sonst anscheinend über ziemliche hellseherische Fähigkeiten verfügen. Denn dieser Tage konnte man im Regierungsbulletin lesen, daß in einem Handbuch, das von maßgeblichen Beamten des Bundesatomministeriums verfaßt wurde, nicht nur die gegenwärtigen, sondern auch die künftigen gesetzlichen Atombestimmungen klar und deutlich dargelegt seien.
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Ich hoffe trotzdem, daß unsere Kollegen von der CDU den Willen haben, das Atomgesetz im Ausschuß eingehend und anständig zu beraten, und daß wir, wenn wir das Ergebnis dieser Beratung sehen, ein zweites Mal feststellen können, daß es mit den hellseherischen Fähigkeiten der Beamten nicht allzuweit her ist.
Herr Minister Balke hat, als er vor zwei Jahren hier zum Atomgesetz sprach, von einem Dreistufenplan des deutschen Atomprogramms gesprochen: einmal von der Förderung der Forschung, dann von der Entwicklung von Versuchsreaktoren und schließlich von der Entwicklung von Prototypen der Leistungsreaktoren für Großkraftwerke. Er sagte, die Erfüllung dieses Dreistufenplanes setze eine baldige Verabschiedung des Atomgesetzes voraus. Nun, wenn ich umgekehrt schließen darf, dann kann ich wohl sagen: Die Tatsache, daß das Atomgesetz im 2. Bundestag gescheitert ist, hat uns der Erfüllung eines deutschen Atomprogramms nicht wesentlich nähergebracht. Das haben mittlerweile ja auch andere Leute, nicht nur die Sozialdemokraten, festgestellt. Joachim Besser schreibt in der „Welt", daß man mit Krähwinkel-Methoden - ich möchte, wenn ich an den 2. Juli 1957 denke, auch sagen: mit Schildbürgerstreichen - die Entwicklung auf dem Atomgebiet nicht vorantreiben kann.
Ich möchte klar und offen sagen: Nach Meinung der SPD hat es die Politik der Bundesregierung von Anfang an - und das ist immerhin fast vier Jahre her - an einem klaren Plan und an dem Willen zu seiner Durchführung fehlen lassen. Es fehlte, um wieder mit den Worten eines Beamten des Ministeriums zu sprechen, eine starke und führende Hand. Wir alle wissen die Qualitäten von Herrn Minister Balke zu schätzen; auch in unserem Kreise ist, glaube ich, das Urteil über seine fachlichen Qualitäten und seine Persönlichkeit durchaus positiv. Aber er hat sich, seit er die Führung der friedlichen Atompolitik in der Bundesregierung übernommen hat, zu sehr von anderen die Hand führen lassen und hat es unterlassen, im gegebenen Zeitpunkt einmal mit der Faust auf den Tisch zu schlagen. Das ist mit ein Grund dafür, daß wir mit der gesetzlichen Regelung so sehr in Rückstand geraten sind.
Daß die Bundesrepublik seit der ersten Genfer Atomkonferenz 1955 den Rückstand gegenüber den führenden Atomnationen nicht aufgeholt hat, dürfte doch allen klargeworden sein, die im September vergangenen Jahres in Genf waren. Ich weiß nicht mehr, wer gesagt hat, die Bundesrepublik habe jetzt gerade den Stand Indiens erreicht. Ich glaube. ohne daß wir dem indischen Volk zu nahe treten, muß man doch sagen, daß ein Land, das über derartige wissenschaftliche, technische und industrielle Voraussetzungen verfügt wie die Bundesrepublik, heute, wenn man von Anfang an einen klaren Plan und einen Willen gehabt hätte, weiter sein müßte. Diesen Vorwurf können wir leider der Regierung und der sie tragenden Mehrheit nicht ersparen.
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Es waren doch die Vertreter aller Parteien, die, im Zusammenhang mit einem Besuch der InterparlaDr. Ratzel
mentarischen Arbeitsgemeinschaft, in Genf waren, genauso wie viele Sachverständige der Überzeugung, daß in der Bundesrepublik nun mehr getan werden müsse, daß man in den Haushalt 1959 größere Mittel einsetzen müsse, um endlich einmal in stärkerem Maße voranzukommen. Erfolg: Im Bundeshaushalt 1959 sind weniger Mittel vorgesehen als im Bundeshaushalt 1958. Nun, ich könnte beinahe für den Bundesfinanzminister Verständnis aufbringen, wenn er sich z. B. beim Verteidigungshaushalt ähnlich verhielte. Wenn man die zurückliegenden Ausgaben betrachtet, muß man feststellen, daß vom Haushalt 1956 - der bestimmt nicht übertrieben war - von den Mitteln für die Forschung und die Entwicklung rund 40 % ausgegeben worden sind, und wenn wir das wegnehmen, was auf Grund vertraglicher Verpflichtung für das Atominstitut in Genf ausgegeben wurde, sind es nur 23 % gewesen. Von 1956 konnte man sagen: das war noch eine gewisse Anlaufzeit. Aber 1957 wurden von den Ansätzen in den allgemeinen und einmaligen Ausgaben nur rund 50 % ausgegeben, und wenn man von CERN absieht, nur 35 %. Die Bundesrepublik hat in den Jahren 1956 und 1957 für die friedliche Atomforschung und -entwicklung noch nicht einmal 10 % von dem ausgegeben, was England in einem Jahr dafür aufwendet. Wir können nur fragen: Wann gedenkt denn die Bundesregierung endlich einmal ein klares Programm mit einer gesicherten Finanzierung vorzulegen, das den Vergleich mit Großbritannien oder mit Frankreich aushält?
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Diese Frage müssen wir stellen. Wir hoffen, daß wir darauf sehr bald eine Antwort bekommen. Denn die besten Ideen unserer Forscher haben ja keinen Sinn, wenn sie nicht die Mittel haben, sie zu realisieren.
Hinzu kommt, daß dann, wenn die Ideen da sind, von irgendwelchen Interessenten auch noch quergeschossen wird. Es gibt da ein interessantes Projekt eines jungen Forschers, das, was die Wettbewerbsfähigkeit der Atomenergie angeht, sehr erfolgversprechend ist, das auch als Konkurrenzprojekt auf dem Weltmarkt erfolgversprechend ist, weil es sich um mögliche kleine Kraftwerkseinheiten handelt. Dieses Projekt konnte mindestens sechs Monate lang nicht in Angriff genommen werden, weil die finanzielle Grundlage nicht gesichert war.
Nun, wenn wir den Atomgesetzentwurf der Regierung betrachten, dann erhebt sich für uns Sozialdemokraten zuerst die Frage: Wem soll die Atomenergie dienen? In der Zweckbestimmung in § 1 des Entwurfs der Regierung und in dem ideologischen Unterbau in den Erklärungen im Anhang wird von der privatwirtschaftlichen Initiative gesprochen. Es ist niemand unter uns, der gegen die private, auch die privatwirtschaftliche Initiative wäre. Auch wir Sozialdemokraten sind der Meinung, daß man viele Kräfte der Wirtschaft und der Wissenschaft zur Mitarbeit an dieser großen Aufgabe gewinnen sollte. Der privaten Wirtschaft ist auf dem Gebiete der Entwicklung von Reaktoren, von Meßinstrumenten, von Zusatzgeräten, von Materialien usw. ein weites und, ich glaube, auch ein lukratives Betätigungsfeld gegeben.
Für uns ist die entscheidende Frage: Wer soll diese Anlagen betreiben, und wem sollen diese Anlagen dienen? Da scheiden sich die Geister. Man spricht von freier, ungehinderter Betätigung der Privaten. Aber wer kann sich denn schon auf dem Gebiete des Baues von Atomkraftwerken betätigen? Unter den Privaten ist das doch ein sehr exklusiver Klub, und diejenigen, die das könnten, wie z. B. Herr Schoeller und das Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerk, gehören zu denen, die unserem Herrn Bundesatomminister mit die meisten Schwierigkeiten bereiten. Sie werfen Dinge in die Debatte, die sachlich gar nicht haltbar sind, und sagen: Wir wollen uns erst betätigen, wenn die Atomkraft mit der konventionell erzeugten Elektrizität wettbewerbsfähig ist.
Es ist völlig selbstverständlich: Ein technischer Zweig, der eben beginnt, die Kinderschuhe auszutreten, kann doch mit einem technischen Zweig, der auf eine jahrzehntelange Entwicklung zurückblickt, nicht von Anfang an konkurrieren. Wir sind aber sicher, daß die Atomenergie in sehr kurzer Zeit in der Lage sein wird, hier wettbewerbsfähig zu sein. Das kann sie jedoch nur, wenn man den Atomtechnikern die Möglichkeit gibt, an den geeigneten Objekten ihre Erfahrungen zu sammeln. Nur dann wird sie wettbewerbsfähig werden. Wir Sozialdemokraten sind der Meinung, daß die öffentliche Hand auf alle Fälle nicht allein der zahlende Teil, sondern auf diesem Gebiete auch der bestimmende Teil sein muß.
Man kann auch sonst die Rentabilität eines Atomkraftwerks nicht allein mit den Gesichtspunkten des RWE messen. Denn schließlich wird der volkswirtschaftliche Wirkungsgrad der Atomenergie nicht nur von dem Preis der Kilowattstunde bestimmt. Die Atomenergie wird vielmehr genau wie jeder andere technische Zweig so weite Auswirkungen im Bereich unseres wirtschaftlichen Lebens haben, daß wir sicher sein dürfen, daß sie ein erfolgversprechender Zweig der Technik sein wird. Die Anlagen zur Erzeugung und Nutzung der Kernenergie dürfen deshalb nicht in private Hand gelangen, weil die damit verbundenen Gefahren ein freies Spiel der Kräfte nicht erlauben. Auf diesem wie auf vielen anderen Sektoren läßt das freie Spiel der Kräfte die Gesundheit und das Wohl und Wehe des Volkes zu kurz kommen. Die private Industrie hat das da und dort deutlich zum Ausdruck gebracht. Denken wir an die Frage der Haftpflicht. Wie hat man sich da immer bemüht und bemüht sich auch heute noch, die Lasten auf die Öffentlichkeit, d. h. auf den Steuerzahler, abzuwälzen. Wenn man schon die privatwirtschaftliche These vertritt, dann muß man auch der Privatwirtschaft die notwendigen Risiken, auch in bezug auf die Haftpflicht und die Investitionen, zumuten. Wir können in der Bundesrepublik auf dem Gebiet der Atomtechnik überhaupt nur vorankommen, wenn die Errichtung und der Betrieb der Anlagen durch Investitionen der öffentlichen Hand erfolgen. Es ist doch interessant, daß selbst in Amerika dieser Tage wieder
die heute stärkste Partei im amerikanischen Parlament durch ihren Vertreter Mr. Anderson hat erklären lassen - ich zitiere mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten -:
Ich glaube, daß dieser Vorfall
- nämlich daß Private auf den Bau eines Kraftwerks verzichtet haben die Irrigkeit der Vorstellung demonstriert, die private Industrie könne die technische Leitung und Finanzierung des Baus fortschrittlicher Reaktoren übernehmen. Ich hoffe, daß die Atomenergiekommission und gewisse Kreise der Industrie ihre Einstellung angesichts dieser Erfahrung revidieren.
Sehen wir uns in Europa um! In England, in Frankreich, in Holland sind alle Elektrizitätsunternehmen, auch die auf Atombasis, in öffentlicher Hand. Auch wir in der Bundesrepublik werden, wenn wir auf diesem Gebiet vorankommen wollen, keinen anderen Weg einschlagen können.
Außerdem werden sich die Tendenzen zur Machtkonzentration in der Energiewirtschaft nur weiter verstärken, wenn der Bau und der Betrieb von Atomreaktoren in private Hand gelegt werden. In der Bundesrepublik gibt es auf dem Energiesektor bereits genügend private Monopole, mehr als der deutschen Wirtschaft und dem deutschen Volk zuträglich ist.
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Diese Entwicklung würde durch Privatbetriebe mit Atomreaktoren nur noch begünstigt werden, die ja erst Bedeutung gewinnen, wenn sie 200 bis 300 Millionen DM kosten.
Wir meinen, daß sehr rasch gehandelt werden muß. Die private Industrie handelt nicht. Der Herr Minister hat das des öfteren zum Ausdruck gebracht. Er hat es auch heute wieder anklingen lassen. Aber wir können nicht mehr allzu lange warten; denn wir haben doch auch in Genf im September vergangenen Jahres den Eindruck gehabt: es dauert nur noch kurze Zeit, dann müssen wir mit unseren Atomanlagen auf dem Weltmarkt antreten können, oder aber wir haben hier eine Chance für unabsehbare Zeit verspielt.
Auch deshalb meinen wir, daß die Atomwirtschaft, soweit es die Errichtung und den Betrieb von Kraftwerken angeht, der öffentlichen Hand vorbehalten bleiben muß.
Es besteht auch noch die Gefahr, daß die Bundesrepublik sich bei einer mangelnden eigenen Aktivität innerhalb des Gebietes von Euratom langsam zu einem atomar unterentwickelten Sektor entwickelt. Diese Gefahr wird von vielen deutschen Forschern und Wissenschaftlern gesehen. Man kann den Euratom-Behörden noch nicht einmal einen Vorwurf machen, wenn sie den größten Teil des Geldes nach Frankreich oder sonstwohin geben, weil man das Geld in Deutschland wegen des Fehlens von Instituten und Personal nicht verwenden kann.
Es würde mich sehr interessieren, von dem Herrn Minister zu hören, ob nun wenigstens der Materialprüfreaktor im Zusammenhang mit der gemeinsamen Kernforschungsstelle nach Karlsruhe kommt oder ob auch hier die Franzosen und die Holländer wieder eine Schlacht im Rahmen von Euratom gewonnen haben.
Vielleicht ist es auch gut, wenn wir in die entsprechenden Behörden von Euratom Personen schicken, die etwas stärker sind, die eher in der Lage sind, sich durchzusetzen. Sie können notfalls in diesen Euratombehörden auch einmal deutsch reden; Deutsch ist ja eine zugelassene Verhandlungssprache in der europäischen Gemeinschaft. Ich glaube, das wird dringend notwendig sein.
Nun noch einige Bemerkungen zu Einzelheiten des Gesetzentwurfs. Ich darf vielleicht den Entwurf der FDP vorwegnehmen, weil ich mich da sehr kurz fassen kann. Was die wirtschaftliche Grundeinstellung betrifft, so entspricht der FDP-Entwurf im wesentlichen dem Entwurf der Bundesregierung. Er zeigt eine noch etwas stärkere privatwirtschaftliche Einstellung. Das erwartet man ja wohl auch von den Herren der FDP. Sie müssen sich da etwas von der CDU abheben.
Aber ich meine, der Entwurf der FDP enthält einen ganz gefährlichen Punkt, und zwar bei der Zusammensetzung des Verwaltungsrates der Bundesanstalt. Ich glaube, das ist eine sehr, sehr gefährliche Sache.
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- Warten Sie ab, Herr Rutschke! - Von den 21 Mitgliedern sollen vier dem Bundestag angehören, sofern wir weiterhin vier Fraktionen haben. Ich weiß nicht, ob es gerade das Richtige ist, daß die DP mit ihren 15 oder 16 Abgeordneten hier im Hause ebenso einen Vertreter im Verwaltungsrat hat wie die Fraktion der CDU/CSU, die mehr als zehnmal so stark ist, oder wie wir. Ich glaube, das entspricht in keiner Weise dem politischen Kräfteverhältnis. Wir gönnen der DP natürlich alles. Aber wir meinen, hier ist des Guten zuviel getan. Und was die neun Vertreter aus der Gesamtwirtschaft angeht, - Herr Rutschke, meinen Sie nicht, daß die Arbeitnehmer, für die nur zwei Vertreter vorgesehen sind, im Rahmen der Gesamtwirtschaft etwas zu sehr unterbewertet werden?
Auf der anderen Seite: welche Machtfülle soll dieser Verwaltungsrat haben! Auch hier scheint uns angesichts der Tatsache, daß der Verwaltungsrat keine politische Verantwortung hat, des Guten etwas zuviel getan zu sein. Da Sie vielleicht meinen Argumenten nicht so ganz glauben, Herr Kollege Rutschke, möchte ich ein Zitat aus einer Zeitung bringen, die Ihnen bestimmt nähersteht als uns und Ihnen sehr viel Wohlwollen entgegenbringt. Die „Deutsche Zeitung und Wirtschaftszeitung" in Stuttgart schreibt z. B. am 15. September zu Ihrem Entwurf folgendes:
Eine Mehrheit von Interessenvertretern und Professoren soll ebenso über die Verwendung der Mittel für Forschungs- und Entwicklungsvorhaben wie über die Ernennung des Direktoriums und über die Höhe der privatwirtschaftlich nachzuweisenden Haftpflichtversicherung
entscheiden. Hierbei werden nicht ,allein, wenn man der FDP folgte, die Grenzen zwischen Exekutive und Legislative verwischt und der Staat als Hoheitsträger in einem bedenklichen Maße mit der Wirtschaft verflochten; dieser Weg - konsequent beschritten - dürfte auch dazu führen, den Staat den organisierten Interessenten, in Wirklichkeit also den Funktionären, zu überantworten
- es sind in diesem Fall kein Gewerkschaftsfunktionäre, sondern nach Ihrem Entwurf andere Funktionäre und das Parlament mehr und mehr zu einem lästigen Debattierklub herabzuwürdigen.
Ich meine, Herr Kollege Rutschke, dieses Urteil der Deutschen Zeitung trifft diesmal den Nagel ziemlich genau auf den Kopf.
Die Verantwortung für die deutsche friedliche Atompolitik soll nach unserer Meinung Sache der Regierung und des Parlaments sein. Sie sollen die Verantwortung tragen und nicht ein nach etwas eigentümlichen Gesichtspunkten zusammengewürfeltes Gremium.
Nun zu dem Entwurf der Bundesregierung. Was die Überwachungsvorschriften betrifft, sind wir auch weiterhin der Meinung, daß das Konzessionsverfahren in dem Sinne, daß die Atomenergie unter Staatsvorbehalt steht, besser ist als das gewerberechtliche Genehmigungsverfahren, das die Bundesregierung vorschlägt. Auch die Lektüre der Debatte im Bundesrat hat mich von dieser Auffassung nicht abbringen können. Wir glauben, daß die Gefährlichkeit der Materie, um die es hier geht, ein solches Konzessionsverfahren erfordert, da es unserer Pflicht, der Bevölkerung Sicherheit und Gesundheit in größtmöglichem Maße zu gewährleisten, besser genügt.
Herr Minister, in der Begründung zum Gesetzentwurf wird gesagt, der Bürger solle sein Recht auf ein eigenes Atomkraftwerk einklagen können. Diejenigen, die dafür in Frage kommen, sind, so glaube ich, weder zu arm an Geld, um einen Ermessensmißbrauch der Behörden nachweisen zu können, noch zu arm an Geist. Wenn sie zu arm an Geist sein sollten, können sie sich die entsprechenden Juristen besorgen. Sie können also einen Ermessensmißbrauch der Behörden schon nachweisen. Deswegen kann das nicht die Begründung sein.
Die Einfuhr, Ausfuhr und Beförderung atomarer Stoffe soll nach den vorgeschlagenen Bestimmungen dem Spiel der freien privatwirtschaftlichen Kräfte überlassen werden. Um welche Mengen an radioaktiven Substanzen oder an Kernbrennstoffen werden sich denn diese privaten Beförderer in den nächsten fünf bis zehn Jahren reißen müssen, besonders wenn es bei uns in dem bisherigen Tempo weitergeht? Nach meiner Meinung wäre es für die Sicherheit besser und auch wirtschaftlicher, wenn der Staat diese Dinge eindeutig übernähme. Hier liegt doch wirklich kein großer Spielraum für eine private Betätigung.
Ein Kernstück des Gesetzentwurfes scheinen mir die Art. 11 und 12 des Regierungsentwurfs zu sein.
Wir sind mit der Regierung der Meinung, daß hier nur Rahmenvorschriften für spätere Rechtsverordnungen gegeben werden können. Die Verzögerung solcher Strahlenschutzverordnungen hat sich schon in der Vergangenheit ungünstig ausgewirkt.
Euratom hat es fertiggebracht, in wenigen Monaten Grundnormen für den Gesundheitsschutz der Bevölkerung zu erstellen. Diese Grundnormen hätten jetzt bereits in der Bundesrepublik in Kraft gesetzt werden können, aber das entsprechende Atomgesetz fehlt noch.
Der Gesundheitsschutz der Bevölkerung macht nach unserer Meinung eine weitere internationale Zusammenarbeit notwendig. Diese internationale Zusammenarbeit ist bei Euratom bereits im Gange, bahnt sich bei OEEC an, und wir hoffen, daß sie auch bei der Weltatombehörde in Wien Erfolg haben wird.
Aber wenn wir hier auch alles an vorbeugenden Maßnahmen für den Gesundheitsschutz der Bevölkerung tun können, so dürfen wir nicht übersehen, daß es einen Bereich gibt, in dem nichts getan wird: den militärischen Bereich. Euratom trifft alle möglichen Vorkehrungen. Gefährliche Versuche, die in irgendeinem Mitgliedsstaat angestellt werden, müssen gemeldet werden. Besondere Schutzvorkehrungen müssen getroffen werden, sofern Auswirkungen auf andere Mitgliedstaaten und Länder zu erwarten sind.
Im militärischen Bereich gibt es keine Kontrolle, gefährliche Versuche werden nicht angemeldet, und es wird von dieser Seite aus auch nichts zum Schutz der Bevölkerung getan. Ich meine nicht nur die Auswirkungen von Waffenversuchen, ich meine auch die Lagerung und den Umgang mit Gerät, soweit es atomare Waffen angeht. Auch hier gibt es, soweit ich unterrichtet bin, zum Beispiel im Vertrag der WEU, der ja auch von Ihnen, Herr Minister, angesprochen wurde, keinerlei Kontrollvorkehrungen. Es gibt nur eine Kontrolle, nämlich die, festzustellen, wie viele Waffen in einem bestimmten Gebiet gelagert sind.
Es wird unser aller Aufgabe sein, dafür zu sorgen, daß wir nicht Ideen und Geld aufwenden und wirtschaftliche Anstrengungen für den Schutz der Zivilbevölkerung bei der friedlichen Anwendung der Atomenergie machen, während ein weiter Bereich völlig ohne diese Schutzvorkehrungen existiert.
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Einige wenige Worte zu den Haftpflichtbestimmungen. Nach unserer Meinung wäre es besser, in den Haftpflichtbestimmungen würde eine Mindestsumme genannt. Dann kämen die wahren wirtschaftlichen Gesichtspunkte etwas besser zum Vorschein. Wenn man wie in Amerika 50 Millionen Dollar oder wie in der Schweiz 30 Millionen Franken für die Haftpflichtversicherung vorschriebe und wenn man dann bei den Prämien den Gefährlichkeitsgrad der Anlage und andere Umstände berücksichtigte, würden wir einen echteren Beitrag dei Wirtschaft für dieses Risiko bekommen. Dann würden sich nämlich zwei Interssenten, nämlich der3036
jenige, der das Kraftwerk baut, und derjenige, der ihn versichern soll, darum streiten. Wir sollten uns darüber im Ausschuß noch unterhalten.
In dem schweizerischen Gesetzentwurf kann man lesen, daß die Schweizer Versicherungswirtschaft in der Lage ist, für einzelne Anlagen Versicherungen bis zu 30 Millionen Schweizer Franken zu gewähren. Angesichts dieser Tatsache ist es etwas eigentümlich, daß die deutsche Versicherungswirtschaft vor zwei Jahren noch keine 3 und 5 Millionen übernehmen wollte und daß man sich schließlich mit Ach und Krach zu 15 Millionen entschließen konnte.
Zu den Fragen der Verwaltung brauche ich nichts zu sagen. Auch wir halten aus vielerlei Gründen eine sinnvolle Aufgabenteilung zwischen Bund und Ländern für richtig, und der Entwurf der Regierung basiert ja auf unserem Gesetzesantrag zur Ergänzung des Grundgesetzes.
Abschließend möchte ich sagen: Es ist allerhöchste Zeit, daß die Bundesrepublik Entscheidendes tut, was dazu führt, daß beim Eintritt in das Atomzeitalter das deutsche Volk nicht zu einem atomar unterentwickelten Volk wird. Es ist an der Zeit, daß wir nicht nur auf dem Gebiet der friedlichen Verwendung der Atomenergie gewaltige Leistungen in ganz anderen Größenordnungen vollbringen, als das bisher geschehen ist, sondern die Anstrengungen auf diesem speziellen technischen Gebiet müssen sich auch einfügen in ein Gesamtprogramm auf dem gesamten Gebiet der wissenschaftlichen und kulturellen Bildung. Es ist wirklich allerhöchste Zeit, die Bundesrepublik wissenschaftlich, technisch und kulturell aufzurüsten, und wir Sozialdemokraten werden bereit sein, dabei jederzeit positiv und konstruktiv mitzuarbeiten.
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Das Wort hat der Abgeordnete Geiger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir stehen heute zum drittenmal in der Ersten Lesung eines Atomgesetzes. Diese Tatsache ist ein Beweis dafür, daß es sich offenbar um eine sehr schwierige Materie handelt. Dabei tröstet mich allerdings ein Umstand: daß es in der Schweiz, die Herr Kollege Ratzel am Schluß erwähnt hat, auch nicht schneller gegangen ist. Die Schweiz hat ungefähr mit uns vor drei bis vier Jahren die Frage eines Atomgesetzes aufgegriffen, und heute arbeitet die Schweiz immer noch an dem Entwurf dieses Gesetzes.
Wenn bei uns die Dinge nicht so schnell vorangegangen sind, wie wir es alle gehofft hätten, so dürfen wir uns natürlich nicht entmutigen lassen. Wir werden, nachdem nun der Gesetzentwurf der Bundesregierung vorliegt, im Ausschuß die Beratungen um so eher mit aller Eile und natürlich auch mit der entsprechenden Gründlichkeit durchführen.
Die öffentliche Meinung hat sich bezüglich der Einschätzung der Gefahren aus der friedlichen
Nutzung der Atomkräfte in der letzten Zeit - man kann das deutlich beobachten - etwas beruhigt. Aber immer noch finden wir meines Erachtens in allen Schichten der Bevölkerung eine große Unsicherheit, ja eine Ratlosigkeit in der Beurteilung der Gefahren, wenn man die Sprache auf die Nutzung der Atomkräfte bringt. Die großen Gefahren, die ohne Zweifel mit dieser Nutzung zusammenhängen, werden zuweilen in einem allzu grellen Lichte _geschildert und gewöhnlich etwas übertrieben. Wir wollen das einmal ganz deutlich aussprechen. Es gibt auf der anderen Seite aber auch Kreise, in denen man diese Gefahren etwas auf die leichte Schulter nimmt; auch das ist ohne Zweifel der Fall. Gerade wir aber, die wir die große Verantwortung haben, die gesetzlichen Grundlagen für die friedliche Nutzung der Atomkräfte zu schaffen, müssen alle Vorsicht walten lassen. Wenn einmal Jahre vergangen sein werden und wenn man daran gewohnt ist, mit diesen Kräften umzugehen, werden wir in der Bevölkerung ein ganz anderes Verhältnis zu der Frage feststellen und wissen, wie wir die Gefahren einzuschätzen haben.
Ich darf hier im großen einmal einen Überblick geben und in der Geschichte der Erfindungen der Menschheit zurückschauen. In allen Phasen, in denen die Menschheit zur Nutzung neuer Naturkräfte übergegangen ist, entstanden immer Schwierigkeiten, wurde immer außerordentlich pessimistisch geurteilt und war die Furcht vor der Nutzung der neuen Naturkraft groß. Wir können ruhig einmal in die alte Zeit zurückblicken, in der der Mensch mit dem Feuer Bekanntschaft gemacht hat. Für uns ist der Umgang mit Feuer eine Selbstverständlichkeit. Aber die ersten Menschen, die unter dem Eindruck dieser verheerenden Macht standen, der sie sich damals ohne Hilfe gegenübersahen, waren erschüttert davon, ähnlich wie wir heute von der Macht der Atomkräfte erschüttert sind.
Wie war es weiter bei der Nutzung der tierischen Arbeitskraft? Wir wissen das aus den Erzählungen von Livius. Zunächst war in der Menschheit eine Bewunderung für denjenigen vorhanden, dem es gelungen war, einen Elefanten zu bändigen. Heute, meine Damen und Herren, ist es für uns eine Alltäglichkeit, daß wir gebändigte Tiere sehen. So ähnlich ist es eben auch mit unserer Atomkraft.
Denken Sie dann einmal an die Anwendung der Dampfkraft! Der Aberglaube tat damals das Seine, um die Einführung der Dampfkraft in der Wirtschaft zu verhindern. Das sind alles psychologische Vorgänge, die sich heute verständlicherweise bei uns in ähnlicher Form und in einer gewissen Abart vollziehen.
Wir müssen deshalb etwas Nachsicht haben mit denjenigen Menschen, die heute noch nicht mit aller Zuversicht den Atomkräften trauen und zu einer besonderen Vorsicht mahnen.
Die Wasserkraft! Von dem altägyptischen unterschlächtigen Wasserrad bis zur heutigen Turbine - welche Entwicklung! Von der Zisterne zum Staubecken - welche Entwicklung! Auch eine Nutzung einer Naturkraft, die selbstverständlich immer wieder ihre Opfer fordert. Viele Menschen haben da
Geiger ({0})
ihr Leben lassen müssen. Wie ist das beim Gas, wie ist das bei den chemischen Reaktionen, bei der Sprengkraft, wie ist das bei der Elektrizität? Am Anfang das große Mißtrauen, und dann haben wir diese Naturkräfte gezähmt, gebändigt. Trotzdem: so sehr wir glauben, Herr zu sein über diese Naturkräfte, immer wieder fordern sie von uns neue Opfer.
Ebenso ist es mit den Atomkräften. Ob wir die Reaktoren ansehen oder die Isotopen, überall gilt heute die Mahnung zur Vorsicht. Wir haben noch nicht die Handhabe, diese Strahlen vollständig zu beherrschen, und wir werden sie niemals vollständig in unsere Hand bekommen. Es wird immer wieder Opfer geben, und die Opfer, die auf diesem Feld der Arbeit gefordert werden, sind unvermeidlich, sie sind naturgegeben, möchte ich sagen.
Trotzdem, gerade deswegen, weil die Gefahren so groß sind, müssen wir alles aufwenden, um sie zu verringern, um die Menschen möglichst zu schützen. Ich glaube, es ist gar nicht unzweckmäßig, sich dieses Prinzipielle genau vor Augen zu führen, wie es sich in der Menschheitsgeschichte immer und immer wiederholt hat. Jede Naturkraft, die wir uns nutzbar machen, fordert von uns immer wieder Opfer an Gesundheit, an Leben und an Gut. Gerade deshalb sind die Verhütungsmaßnahmen, sind die Betriebsvorschriften so sehr wichtig.
Die Atomkräfte sind deshalb besonders heimtückisch-gefährlich, weil sie, wie die Elektrizität, nicht sichtbar sind. Wir haben kein Organ dafür, zu erkennen, ob ionisierende Strahlen vorhanden sind oder nicht. Wir müssen Meßapparate benutzen wie bei der Elektrizität.
Auch von einer anderen Seite sind diese Gefahren heimtückisch. Wir haben uns nicht nur gegen somatische Schädigungen, also akute oder latente Schädigungen des Körpers zu schützen. Nein, es gibt sogar Schädigungen in den genetischen Anlagen, Schädigungen, die erst nach längerer Zeit, möglicherweise erst nach Generationen zutage treten. Es ist eine bedauerliche Tatsache, daß wir den Gesetzmäßigkeiten, denen diese genetischen Schädigungen folgen, noch keineswegs auf den Spuren sind. Die analogen Versuche im Tierreich müssen nicht unbedingt auf die Menschen Anwendung finden können. Solche genetischen Schäden sind nicht nur möglich, sie sind schon festgestellt worden. Wir haben es hier mit einer Tatsache zu tun.
Eine weitere Erschwerung des ganzen Komplexes ist es, daß die Forschungsergebnisse zum Teil stark voneinander abweichen. Nicht nur, daß wir heute andere Ergebnisse haben als vor zehn oder fünfzehn Jahren; nein, auch die gegenwärtigen Forschungsergebnisse sind nicht absolut kongruent, decken sich nicht. Auch deswegen sind wir vielfach dazu veranlaßt, äußerste Vorsicht walten zu lassen. Mit anderen Worten, wir müssen heute von den Maximaldosen, die wir auf Grund der Erfahrungen ermitteln, noch gewisse Sicherheitsabstriche machen, um etwaigen methodischen Fehlern in der Forschung von vornherein zu begegnen. Wir müssen also das Äußerste an Vorsicht walten lassen und lieber die Dinge zu vorsichtig nehmen als zu sorglos.
Die Bundesregierung hat uns neben dem Gesetzentwurf auch den Euratomentwurf von Grundnormen für den Gesundheitsschutz gegen ionisierende Strahlen vorgelegt. Aus der großen Sorge für Leben und Gesundheit der Bevölkerung und besonders der Arbeitskräfte sind in dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft Vereinbarungen über die einheitliche Anwendung von Grundnormen für den Schutz gegen die Gefahren ionisierender Strahlen aufgenommen worden. Nach Art. 218 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft sollten die Grundnormen innerhalb eines Jahres nach dem Inkrafttreten des Vertrages, also spätestens bis Ende 1958, ermittelt werden. Das ist geschehen; denn am 9. Oktober 1958 hat die Euratom-Kommission den Entwurf von Richtlinien zur Festlegung dieser Grundnormen den Präsidenten des Europäischen Parlaments, des Wirtschafts- und Sozialausschusses und des Ministerrats zur Kenntnis gebracht. Diesem Dokument war die Stellungnahme der vom Ausschuß für Wissenschaft und Technik ernannten Sachverständigen beigefügt. Schließlich hat der Rat am 3. Dezember des vergangenen Jahres dem Europäischen Parlament folgende Dokumente vorgelegt: 1. den Entwurf von Richtlinien der Euratom-Kommission, 2. die Stellungnahme der vom Ausschuß für Wissenschaft und Technik ernannten Sachverständigen sowie die Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses und 3. ein Verzeichnis der Änderungen, die die Euratom-Kommission an ihrem ursprünglichen Richtlinienentwurf unter Berücksichtigung der Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses sowie der Bemerkungen der verschiedenen nationalen Delegationen vorzunehmen gedachte.
In den Beratungen, die im Europäischen Parlament über diese Vorlagen gepflogen wurden, wurden diese einstimmig gebilligt. Weiterhin wurde ein Entschließungsantrag gefaßt, den ich Ihnen zweckmäßigerweise zur Kenntnis gebe. Ich bitte den Herrn Präsidenten, ihn verlesen zu dürfen. Ich beschränke mich dabei allerdings insbesondere auf die Fragen der ionisierenden Strahlen. Im Entschließungsantrag heißt es:
Das Parlament fordert die Euratom-Kommission auf, das Notwendige zu veranlassen, damit 1. so schnell wie möglich ein Abkommen betreffend die Normen für die Unfallverhütung in den Kernindustrien und die Wiedergutmachung etwaiger Schäden der Arbeitnehmer und der Bevölkerungen geschlossen wird, 2. so schnell wie möglich eine Studien-, Dokumentations und Informationsabteilung gebildet wird, die auf dem Gebiet der Vorbeugung der mit den ionisierenden Strahlen verbundenen Gefahren spezialisiert ist, 3. zu gegebener Zeit die Schaffung eines Stabs von medizinischen Fachkräften und qualifizierten Technikern im Hinblick auf die supranationale Kontrolle vorbereitet wird, die unmittelbare Sache der Exekutive ist.
Geiger ({1}) Weiterhin:
Das Parlament fordert die Ministerräte auf, die notwendigen Mittel bereitzustellen, damit die oben erwähnten Ziele fristgerecht erreicht werden.
Und schließlich:
Das Parlament fordert die Regierungen der Mitgliedstaaten der Gemeinschaft auf, baldmöglichst die Maßnahmen zu erlassen, die zur Anwendung der vom Ministerrat der Euratom festgelegten Normen für den Schutz gegen radioaktive Strahlungen erforderlich sind.
Dieser Entschließungsantrag, meine Damen und Herren, der also einstimmige Billigung im Europäischen Parlament gefunden hat, ist eine weitere Ergänzung dessen, was uns die Bundesregierung in der Drucksache 748 vorgelegt hat.
Wenn Sie diese Drucksache durchsehen, werden Sie den Eindruck bekommen, daß es sich um eine ausgezeichnete Unterlage handelt. Sehr tiefgründige Untersuchungen sind in vielen unabhängigen Reihen durchgeführt worden. Allerdings wird auch das eine klar: in all den Fragen stecken noch sehr viele Probleme, und in zahlreichen Fällen - das wird auch deutlich ausgesprochen - sind wir noch im unklaren.
Es ist interessant, daß die Höchstdosen, die uns in diesem Dokument empfohlen werden, heute zum Teil nur noch ein Zehntel dessen betragen, was man vor einigen Jahren noch annahm. Selbstverständlich ist darin ein gewisser Sicherheitsfaktor eingeschlossen. Aber daß man mit diesen Höchstdosen so weit zurückgehen mußte, ist ein Beweis dafür, erstens wie schwach unsere Ergebnisse noch fundiert sind und zweitens wie wenig fundiert auch frühere Ergebnisse schon damals waren.
Ich möchte doch noch einen weiteren Gedanken anführen. Bei dem einschlägigen Gesetz, das die Bundesregierung nun vorlegen wird, sollte man besonderes Augenmerk auf die Verhütung von genetischen Schäden richten. Insbesondere sollte man auch die Vorschriften sehr eingehend prüfen, die für die Beschäftigung von weiblichen Kräften und auch von männlichen Kräften im zeugungsfähigen Alter erlassen werden müssen, wenn sie in Betrieben arbeiten, in denen ionisierende Strahlen vorkommen, damit ,alles getan list, was nach menschlichem Ermessen und mit menschlicher Kraft getan werden kann.
In Zusammenhang mit diesem Euratomentwurf steht selbstverständlich direkt und indirekt der Entwurf eines Atomgesetzes, den uns die Bundesregierung vorgelegt hat. Dieses Gesetz gibt der Bundesregierung die Ermächtigung, den Vorschlägen des Euratomentwurfs zu folgen.
Die FDP hat vor einiger Zeit gleichfalls einen Entwurf für ein Atomgesetz vorgelegt. Der Herr Kollege Rutschke hat davon gesprochen, daß es sehr lange gedauert hätte, bis der Regierungsentwurf im Plenum des Bundestages eingebracht worden sei. In der Tat handelt es sich um eine Zeitspanne von über einem halben Jahr. Aber ich habe mir die Mühe gemacht und habe die beiden Gesetzentwürfe eingehend miteinander verglichen. Es besteht doch gar kein Zweifel - auch Herr Kollege Rutschke und seine Freunde werden mir recht geben, wenn ich diese Behauptung aufstelle -, daß der Entwurf der Bundesregierung in vielen Bestimmungen viel ausgereifter, wenn ich so sagen darf, viel mehr unseren Bedürfnissen als Gesetzgeber angepaßt ist als der Entwurf der FDP. Er enthebt uns vieler schwieriger Überlegungen über Fragen, die in dem Entwurf der FDP noch offengeblieben sind. In dem Gesetzentwurf, den uns die Bundesregierung vorlegt, haben wir wirklich einen ausgereiften Entwurf vor uns, und ich empfinde außerordentliche Genugtuung darüber, daß ich feststellen kann: Es war nicht ganz umsonst, daß wir uns noch einige Zeit geduldet haben.
Selbstverständlich wäre +es viel besser gewesen und hätte auch die Entwicklung sicherlich gefördert, wenn dieses Gesetz früher eingebracht worden wäre. Aber eine ausgesprochene Verzögerung in der Entwicklung der friedlichen Nutzung der Atomkräfte in der Industrie ist deshalb keineswegs eingetreten; denn die Länder haben sich ja durchweg mit provisorischen Gesetzen geholfen und sind damit auch weitergekommen. Wir selbst sind aber jedenfalls jetzt um so mehr gezwungen und verpflichtet, diesen Gesetzentwurf nun sehr rasch Ausschuß zu behandeln und ihn dann mit unseren Änderungsvorschlägen zur zweiten und dritten Lesung im Plenum vorzulegen.
Man könnte nun jetzt schon auf die Einzelheiten eingehen; das würde ,aber weit über den Rahmen einer ersten Lesung hinausgehen. Einige Punkte sind übrigens schon von meinen Herren Vorrednern erwähnt worden. Ich möchte mich auf ein Spezialgebiet, das hier schon vielfach gestreift worden ist. beschränken, nämlich auf die Haftungsvorschriften. In den Haftungsvorschriften hat die Bundesregierung Änderungen gegenüber der Fassung des Gesetzentwurfs, wie er in der letzten Legislaturperiode in die zweite und dritte Lesung in das Plenum gebracht worden ist, vorgenommen. Herr Minister Balke hat 'ausführlich darüber gesprochen.
Mir fällt nun auf, daß entgegen dem Beschluß des Atomausschusses in der vergangenen Legislaturperiode für die Haftpflicht aus Reaktoranlagen die Fälle höherer Gewalt eingeschlossen worden sind. Das fällt mir um so mehr auf, als die Schweiz gerade in der letzten Zeit die Haftung in Fällen höherer Gewalt aus ihrem Atomgesetzentwurf herausgenommen hat. Ich entnehme das der Mitteilung des Informationsdienstes des Bundesatomministeriums vom 6. Januar 1959. Man sieht, wie verschieden man doch eine solche Bestimmung beurteilen kann.
Ich habe einmal zu ergründen versucht, wie wir uns in der letzten Zeit und in den letzten Dezennien von den Bestimmungen über die Haftpflicht, wie sie im Bürgerlichen Gesetzbuch niedergelegt sind, in den einzelnen Gesetzen entfernt haben. Im Bürgerlichen Gesetzbuch gibt es grundsätzlich nur eine Verschuldenshaftung, und diese Verschuldenshaftung ist unbeschränkt. Im Bürgerlichen Gesetzbuch
Deutscher Bundestag - 3. Wahlperiode
Geiger ({2})
gibt es keine Haftung für höhere Gewalt. Denn höhere Gewalt kann ja nie in irgendeinen Zusammenhang mit dem Verschulden gebracht werden, hier sind eben höhere Mächte im Spiel, und hier kann ein Mensch, der durch seine Anlagen einen anderen schädigt, nicht verantwortlich gemacht werden.
Im Laufe der Gesetzgebung ist man nun von dieser grundsätzlichen Verschuldenshaftung des Bürgerlichen Gesetzbuchs abgekommen; ich gebe zu, zum Teil aus guten Gründen. Im Reichshaftpflichtgesetz z. B. haben wir bereits die Gefährdungshaftung, allerdings mit der Exkulpationsmöglichkeit für höhere Gewalt. Im Sachschadenhaftpflichtgesetz ist gleichfalls eine Gefährdungshaftung eingeführt, mit einer Exkulpationsmöglichkeit für höhere Gewalt und unabwendbares Ereignis. Im Straßenverkehrsgesetz haben wir gleichfalls, abweichend vom Bürgerlichen Gesetzbuch, eine Gefährdungshaftung mit einer Exkulpationsmöglichkeit für höhere Gewalt und unabwendbares Ereignis.
Im Luftverkehrsgesetz begegnet uns zum erstenmal der Einschluß der höheren Gewalt. Man nennt eine Gefährdungshaftung, bei der auch die höhere Gewalt eingeschlossen ist, Erfolgshaftung. Wir haben also im Luftverkehrsgesetz eine Erfolgshaftung; ohne Rücksicht auf Verschulden oder Nichtverschulden ist in jedem Falle der Flugzeugbesitzer haftpflichtig. Das hat sich als zweckmäßig erwiesen, einfach deshalb, weil Luftverkehrsschäden im allgemeinen Totalschäden sind, bei denen man meist gar nicht feststellen kann, worauf das Schadensereignis zurückzuführen ist. Um allen Schwierigkeiten aus dem Wege zu gehen, hat man von vornherein auch die höhere Gewalt eingeschlossen. In dem Wasserhaushaltsgesetz, das wir erst in der vergangenen Legislaturperiode beschlossen haben, haben wir gleichfalls eine Erfolgshaftung, also Gefährdungshaftung mit Einschluß der höheren Gewalt, und zwar - etwas sehr Eigenartiges - ohne Begrenzung der Summe.
Im Atomgesetz haben wir nun zweierlei: für Reaktoren eine Erfolgshaftung, bei Isotopen hingegen eine modifizierte Gefährdungshaftung.
Sie sehen, es ist heute schon ein bunter Katalog von Bestimmungen, nach denen die Haftpflicht eines Bürgers oder eines Unternehmens geregelt wird. Wenn ich die Liste gar noch dadurch ergänzen wollte, daß ich Ihnen auch die Maximalhöhen der Haftsummen angebe, so würden Sie zugeben, daß es sehr schwer ist, sich in dieser Ubersicht noch auszukennen, um so mehr, als in manchen Gesetzen verschiedene Höchstsummen vorgesehen sind. Wir haben jetzt auch im Atomgesetz verschiedene Summen. Abgesehen davon, daß die Renten gegenüber dem letzten Entwurf aus der vergangenen Legislaturperiode von 6000 auf 15 000 Mark erhöht sind, ist auch noch die Kapitalsumme unbegrenzt geblieben, und auch bei den Isotopen haben wir keine Begrenzung in der Höhe der Haftung.
Ich komme zu der Auffassung, daß diese Zersplitterung in der Haftpflichtgesetzgebung keine wünschenswerte Entwicklung ist. Man kennt sich bald nicht mehr aus. Wir müssen hier doch in ein gewisses System hineinkommen.
Noch etwas, meine Damen und Herren. Es scheint mir bedenklich, wenn wir fortfahren, immer mehr die höhere Gewalt einzuschließen. Dadurch belasten wir z. B. den Eigentümer einer Reaktoranlage in unberechtigtem Maße. Er wird auf jeden Fall zur Leistung herangezogen, gleichgültig ob ein Verschulden vorliegt, ein unabwendbares Ereignis oder höhere Gewalt. Das ist eine psychologisch nicht erwünschte Entwicklung. Wir fördern damit eine gewisse Gleichgültigkeit. Ich will nicht sagen, daß das die Folge sein wird; aber Sie fördern eine gewisse Entwicklung ganz allgemein nach der Richtung hin, daß sich jemand sagt: „Es hat gar keinen Zweck, besondere Vorsichtsmaßnahmen zu treffen, denn so oder so - ich bin immer haftpflichtig." Man sollte bei der Gesetzgebung möglichst gar keine Möglichkeiten für solche Gedankengänge bieten, und man sollte deswegen das völlig außerhalb der Menschenmacht liegende Phänomen der höheren Gewalt ausschließen. Wie gesagt, die Schweiz hat ich darf noch einmal darauf hinweisen - die Konsequenz gezogen und ihren Gesetzentwurf abgeändert.
Bei dieser Gesetzgebung, meine Damen und Herren, kommt der Geschädigte allmählich zu dem sicheren Ergebnis: „Es wird sich immer jemand finden, der mir etwas zahlen muß." Nun, es ist richtig: in vielen Fällen haben wir die Verpflichtung, für sozial Schwache einzutreten, wenn durch ein Naturereignis ein Schaden eintritt. Auch ich befürworte das. Aber doch nicht auf Kosten eines Reaktorbesitzers oder irgendeines anderen, der hier nach den entsprechenden Gesetzesbestimmungen herangezogen werden kann.
Nun werden Sie mir sagen: „So groß ist diese Auswirkung nicht, weil die Freistellungsverpflichtung des Bundes vorliegt." Das ist richtig. Diese Freistellungsverpflichtung des Bundes gilt aber nur bis zum Jahre 1965, d. h. für diejenigen Reaktoranlagen, die bis zum 31. Dezember 1965 genehmigt sind. Was ist aber dann? Man kann dann nicht zweierlei Reaktoranlagen haben, solche, bei denen die Haftpflicht aus höherer Gewalt eingeschlossen ist, und solche, bei denen sie nicht eingeschlossen ist.
Ich darf neben dem Beispiel der Schweiz, das ich schon erwähnt habe, auch den Entwurf der OEEC für die Bestimmungen über die Haftpflicht von Reaktoren erwähnen. Auch bei dem Musterentwurf der OEEC ist die Haftpflicht aus höherer Gewalt bei den Reaktoren nicht eingeschlossen. Da wir doch bestrebt sein müssen, innerhalb der OEEC möglichst einheitliche Bestimmungen zu haben, müssen wir im Ausschuß unbedingt einmal die Frage prüfen, ob es notwendig ist, die höhere Gewalt hier einzuschließen, und ob wir nicht einen anderen Ausweg finden können, um die Möglichkeit zu geben, daß sich unser Atomgesetz den einheitlichen Bestimmungen innerhalb der OEEC anpaßt.
Bezüglich des Genehmigungsverfahrens hat uns der Herr Minister Balke Ausführungen gemacht,
Geiger ({3})
denen wir durchaus zustimmen müssen. Ich bin hier nicht der Auffassung der SPD, auch nicht der Auffassung der FDP. Wir werden uns im Ausschuß natürlich eingehend beraten. Jedenfalls sind die Vorschläge der Bundesregierung meines Erachtens durchaus begründet, und auch die Formulierung finde ich so klar, daß ich denke, wir haben hier den richtigen Weg gefunden.
({4})
Auch die Frage, inwieweit die Allgemeinschäden in die Haftpflichtgesetzgebung eingefügt werden sollten, ist noch aufzugreifen; eine Frage, über die wir uns gleichfalls im Ausschuß noch eingehend werden unterhalten müssen.
Meine Damen und Herren, wenn wir nun diesen Entwurf eines neuen Atomgesetzes möglichst bald dem Bundestag für die zweite und dritte Lesung und die Beschlußfassung zuleiten, dann steht nichts mehr im Wege, auch die Gesetzentwürfe bezüglich der Errichtung einer Sicherheitskontrolle auf dem Gebiet der Kernindustrie, Drucksache 599, und bezüglich der Gründung der Europäischen Gesellschaft für die chemische Aufarbeitung bestrahlter Kernbrennstoffe, die EUROCHEMIC, die uns vorgelegt worden sind, in Kraft zu setzen. Denn diese Einrichtungen sind schon so weit geklärt, daß wir ihnen ohne weiteres unsere Zustimmung geben können.
Ein Wort zu dem Antrag der Fraktion der SPD bezüglich der überwachung radioaktiver Verseuchung. Ich bin sehr erfreut, daß uns Herr Minister Balke sagen konnte, daß bis auf einen Punkt - das ist Punkt I Ziffer 6, Schaffung einer Zentralstelle - eigentlich alles schon in die Wege geleitet ist und durchgeführt wird. Nun, es ist auch mehr als ein halbes Jahr vergangen. Aber Sie sehen auch, meine Damen und Herren, daß die Bundesregierung schon von vornherein bestrebt war, in einer ähnlichen Weise, wie es die SPD hier beantragt, die Probleme anzufassen. Es ist für die Entwicklung des Atomzeitalters, wenn ich so sagen darf, förderlich, wenn wir die Einrichtungen, die hier verlangt werden, einführen, mit entsprechenden Mitteln ausstatten und von ihnen diese Aufgaben durchführen lassen. Es werden sich im Laufe der Zeit noch mehrere derartige Anregungen ergeben. Ich erinnere mich noch an den ersten Entwurf bezüglich der Überwachung der Radioaktivität in den Luftschichten durch den Wetterdienst, der schon im Jahre 1954 hier eingebracht wurde.
Nun möchte ich noch ein kurzes Wort zu Herrn Kollegen Rutschke sagen, weil ich ihn hier etwas verbessern muß. Er hat in seinen Ausführungen, wenn ich richtig verstanden habe, gesagt, der erste Entwurf der Bundesregierung für ein Atomgesetz sei am 2. Juli 1957 im Plenum eingebracht worden. Das ist nicht richtig. Ich darf darauf hinweisen, daß der Entwurf Drucksache 3026 dem Bundestag am 14. Dezember 1956 vorgelegt und im Februar 1957 im Plenum beraten worden ist. Das Datum, das Herr Kollege Rutschke in seinen Ausführungen nannte, war das Datum der zweiten und dritten Lesung. Sie kennen das Ergebnis: eine Verabschiedung ist nicht erfolgt. Ich möchte das nur richtigstellen, damit sich keine Legende bildet und diese Darstellung nicht etwa weiterhin verwendet wird. Herrn Kollegen Ratzel hätte ich auch noch Verschiedenes zu sagen, aber ich möchte dem Redner meiner Fraktion, der sich vorgenommen hat, hierauf zu antworten, nicht vorgreifen.
({5})
Das Wort hat der Abgeordnete Burgbacher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte Ihre Zeit nicht mehr lange in Anspruch nehmen und nur einige ergänzende Bemerkungen zu den Ausführungen meines Freundes Geiger über die Sicherheits- und Haftpflichtfragen in wirtschaftlicher Beziehung machen.
Es ist das gute Recht der Opposition, der Regierung vorzuwerfen, daß die Angelegenheit nicht schnell behandelt worden ist. Aber eis ist auch das gute Recht der Regierung, den Zeitpunkt abzutasten, bei dem man mit einem gegebenen Aufwand den größten Nutzen erzielen kann. Es ist zu sagen, daß bis jetzt noch nichts verpaßt worden ist. Ich stehe aber nicht an, hinzuzufügen, daß diese Erklärung kein Freibrief für weitere Verzögerungen sein soll. Wir sind mit der Opposition der Meinung, daß nunmehr - wie man so schön sagt - zügig gehandelt werden muß.
Es trifft zu, daß wir in Genf nicht unbedingt in der Spitzengruppe der Atommächte waren. Ebenso trifft aber zu, daß diese Spitzengruppe vorwiegend von den Ländern gebildet wurde, die auch atomare Waffen produzieren. Man kann vielleicht gelegentlich ,einmal über die Zusammenhänge nachdenken!
Weiterhin trifft zu, daß in der gesamten Welt noch kein Atomkraftwerk in Betrieb ist, das im Verhältnis zur jeweiligen Versorgungswirtschaft von Bedeutung wäre. Ferner steht fest, daß es eine Reihe von Atomkraftsystemen gibt, die man heute schon schlicht und einfach zum Schrott rechnen kann. Auch gibt es eine Reihe von Systemen, so daß es außerordentlich schwer ist, mit einem gewissen Grad von Verantwortlichkeit das geeignetste System zu bestimmen, in das man 300, 400 oder 500 Millionen DM investiert.
All das soll keine Erklärung dafür sein, daß nichts geschieht. Ich möchte nur auf die Schwierigkeit der Situation hinweisen.
Wir haben uns im Europaparlament über den Vertrag von Euratom mit den Vereinigten Staaten sehr gefreut, der den Aufbau von Atomkraftwerken nach amerikanischen Systemen in dem ECE-Gebiet mit Krediten und mit Zuschüssen erlaubt. Ich schneide von dieser Dankbarkeit nichts ab; aber dieser Vertrag ist von den Vereinigten Staaten auch zu dem Zweck geschlossen worden, daß die Wissenschaftler und Praktiker Westeuropas die Entwicklung mit vorantreiben, die dort, ökonomisch gesehen, an einer gewissen Grenzlinie steht.
Zweifellos kann man eine so neue Energie in ihrer Anlaufzeit nicht nach privatwirtschaftlichen
Gesichtspunkten betrachten. Wir sind sicherlich alle einig, daß die Bundesregierung und wir die Pflicht haben, alle Forschungsinstitute, alle wissenschaftlichen Institute und alle Versuchsanlagen mit öffentlichen Mitteln stark zu fördern. Es ist wohl richtig, was der Herr Bundesminister erklärt hat: daß auf diesem Gebiet auch die öffentliche Hand tätig werden kann.
Ich sage von dieser Stelle aus: die Privatwirtschaft, die wir auch auf diesem Gebiet sehr gern tätig sehen würden, möge wachsam sein und sich rechtzeitig einschalten. Sicher sind viele im Hause mit mir der gleichen Meinung, wenn ich sage, daß sich auf dem Gebiete der Atomforschung nicht genug im wirtschaftlichen Wettbewerb miteinander stehende Stellen mit den Dingen befassen können.
({0})
Wir können auf die privatwirtschaftliche Mitwirkung dabei gar nicht verzichten, und zwar auch dann, wenn es keinen anderen Grund dafür gäbe als den, daß die besten Teams von wissenschaftlichen Kräften nun einmal in der Wirtschaft sind und daß wir, wenn wir die Atomkraftwerke staatlich aufbauen, mit den Kräften vorlieb nehmen müssen, die zufällig frei sind und die überhaupt keine Teamerfahrung haben, die nicht auf jahrzehntelange wissenschaftliche Erfahrungen und Erfahrungen in der wissenschaftlichen Zusammenarbeit blicken können. Das allein ist schon ein Grund, der uns dazu verpflichtet, die Wirtschaft zur Mitwirkung aufzurufen.
({1})
Genauso klar, wie ich das sage, sage ich - aber ich tue es mit Rücksicht auf die vorgeschrittene Zeit in lapidarer Kürze - folgendes. Es ist denkbar, daß die private Wirtschaft angesichts der Größe der Objekte Hilfe benötigt. Wir haben jedoch - um es sehr kurz zu sagen - nicht die Absicht, die Verluste zu sozialisieren und die Gewinne privat zu lassen.
({2})
Wir sind der Meinung, daß wir bei so erheblichen Risiken, die man vielleicht auch einem großen Werk allein nicht zumuten kann, helfen müssen. Dann muß aber unserem Risiko ein angemessenes unternehmerisches Risiko vorgeschaltet sein. Nur so behält die freie Wirtschaft ihren Sinn.
({3})
Ich meine, wir sollten dieses Atomgesetz jetzt in den Ausschüssen schnell beraten und hier auf die Besprechung von Einzelheiten verzichten. Wir sollten entschlossen sein, die wissenschaftlichen Kräfte materiell nachhaltig zu unterstützen, und uns auch über die Wege unterhalten, die wir anbieten können, um der privaten Wirtschaft den Entschluß zur Übernahme eines solchen Risikos zu erleichtern.
Bei all dem sollten wir auch bedenken, ob die Atomenergie auf dem Gebiete der Versorgungswirtschaft bald eine entscheidende Bedeutung bekommt. Das ist eine offene Frage. Ich erinnere Sie daran, daß in der Bundesrepublik nur 10 % der gesamten Energienachfrage durch Elektrizität gedeckt werden. Ich erinnere Sie daran, daß in der Bundesrepublik ungefähr 20 000 MW installiert sind. Wenn die Bundesrepublik mit einem 500-MW-Programm kommt, dann sind das von den 20 000 nur 2 1/2 % und von der gesamten Energiedeckung genau 1/4 %. Ich nenne diese Größenordnung, damit wir uns daran gewöhnen, ein alle Welt bewegendes Problem auch in seinem ökonomischen Gewicht richtig zu sehen. Es ist durchaus möglich, daß die Atomenergie als Schiffsantriebskraft eine schnellere Entwicklung nimmt als auf dem Gebiete der Versorgungswirtschaft.
Mag es sein, wie es will, wir wollen alle Gebiete pflegen und jedem Mutigen helfen. Wer Mut hat, muß zu dem Mut aber noch etwas hinzutun. Dann tun auch wir etwas hinzu.
({4})
Meine Damen und Herren, damit sind wir am Schluß der Debatte zu Punkt 4 der Tagesordnung angelangt und haben nun noch über die entsprechenden Ausschußüberweisungen zu beschließen.
Es ist beantragt, den Entwurf eines Gesetzes über die friedliche Verwendung der Kernenergie und den Schutz gegen ihre Gefahren ({0}) - Drucksache 759 - an den Ausschuß für Atomkernenergie und Wasserwirtschaft - federführend - und an den Ausschuß für Gesundheitswesen sowie an den Rechtsausschuß - mitberatend - zu überweisen. Wer mit dieser Überweisung einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Danke. Es ist so beschlossen.
Weiterhin ist vorgeschlagen, den Entwurf der Fraktion der FDP über die friedliche Verwendung der Kernenergie - Drucksache 471 - ebenfalls an den Ausschuß für Atomkernenergie und Wasserwirtschaft - federführend -, den Ausschuß für Gesundheitswesen und den Rechtsausschuß - mitberatend - zu überweisen. Ich bitte wiederum um das Handzeichen. - Danke. Es ist so beschlossen.
Der Antrag der Fraktion der SPD, Überwachung radioaktiver Verseuchung - Drucksache 496 -, soll nach einer inzwischen getroffenen interfraktionellen Vereinbarung an den Ausschuß für Atomkernenergie und Wasserwirtschaft - federführend - und an den Ausschuß für Gesundheitswesen - mitberatend - überwiesen werden. Ich darf Sie wiederum um Ihr Handzeichen bitten. - Dann ist auch das so beschlossen.
Die beiden nächsten Entwürfe kann ich zusammen aufrufen, da sie in gleicher Weise an Ausschüsse überwiesen werden sollen. Beantragt ist, das Übereinkommen vom 20. Dezember 1957 über die Errichtung einer Sicherheitskontrolle auf dem Gebiet der Kernenergie - Drucksache 599 - und das Übereinkommen vom 20. Dezember 1957 über die Gründung der Europäischen Gesellschaft für die Chemische Aufarbeitung Bestrahlter Kernbrennstoffe ({1}) - Drucksache 600 - an den Ausschuß für Atomkernenergie und Wasserwirtschaft - federführend - und an den Ausschuß für
Vizepräsident Dr. Preusker
auswärtige Angelegenheiten sowie an den Haushaltsausschuß - mitberatend - zu überweisen. Ich bitte auch hier um Ihr Handzeichen. - Auch das ist so beschlossen.
Damit kommen wir unter Ausklammerung der Punkte 5, 6, 7 und 8 der verbundenen Tagesordnung, die für morgen vorgesehen sind, zu Punkt 9:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Abkürzung handelsrechtlicher und steuerrechtlicher Aufbewahrungsfristen ({2}). Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses ({3}) ({4}).
Der Schriftliche Bericht des Rechtsausschusses - Drucksache 722 - liegt Ihnen vor. Ich frage den Berichterstatter, ob er noch einen mündlichen Bericht erstatten möchte.
({5})
Dann kommen wir zur zweiten Beratung. Ich rufe § 1 in der Fassung auf, die der Rechtsausschuß beschlossen hat. Wer für § 1 in dieser Fassung ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - § 1 ist damit in der Fassung des Rechtsausschusses in zweiter Lesung beschlossen.
Ich rufe § 2 auf. Ich bitte um das Handzeichen. - Angenommen.
Ich glaube, ich kann § 3, - § 3 a, - § 4, - § 5, - § 6, - Einleitung und Überschrift verbinden. Wer diesen Paragraphen sowie Einleitung und Überschrift in der Fassung der Drucksache 722 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Damit ist die zweite Lesung des Gesetzentwurfs zur Abkürzung handelsrechtlicher und steuerrechtlicher Aufbewahrungsfristen abgeschlossen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Wird hierzu das Wort gewünscht? - Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wer dem Gesetzentwurf in der Fassung der zweiten Lesung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist - soweit ich sehe, einstimmig - in dritter Lesung beschlossen.
Ich rufe nunmehr Punkt 10 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über eine Betriebszählung in der Land- und Forstwirtschaft ({6}) ({7}).
Die Bundesregierung hat auf eine Begründung verzichtet. Der Ältestenrat hat vorgeschlagen, den Entwurf ohne Debatte an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - federführend - und an den Ausschuß für Kommunalpolitik sowie an den Rechtsausschuß - mitberatend - zu überweisen.
Wer dieser Überweisung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Es ist so beschlossen; der Gesetzentwurf wird an die genannten Ausschüsse überwiesen.
Ich rufe auf Punkt 11 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Ausfuhrzolliste ({8}).
Mündliche Begründung erfolgt nicht. Im Ältestenrat ist die Überweisung an den Haushaltsausschuß ohne Debatte vereinbart worden. Wer dieser Erledigung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. -- Der Entwurf ist überwiesen.
Ich rufe auf Punkt 12:
Beratung des Mündlichen Berichts des Rechtsausschusses ({9}) über den Antrag der Abgeordneten Dr. Zimmer, Dr. Kopf, Metzger und Genossen betr. Schaffung eines europäischen Beamtenstatuts ({10}) .
Der Antrag des Ausschusses geht dahin, die Drucksache 268 unverändert nach der Vorlage anzunehmen.
Bittet der Berichterstatter, Herr Abgeordneter Deringer, noch um das Wort? - Das ist offenbar nicht der Fall. Wer dem Ausschußantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? -Es ist entsprechend dem Antrag beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 13:
Beratung des Mündlichen Berichts des Rechtsausschusses ({11}) über den Antrag der Abgeordneten Dr. Wahl, Metzger. Dr. Kopf und Genossen betr. Internationale Schiedsgerichtsbarkeit auf dem Gebiete des Privatrechts ({12}).
Der Antrag des Ausschusses geht dahin, die Drucksache 267 für erledigt zu erklären. Wünscht der Berichterstatter, Herr Abgeordneter Schlee, noch das Wort? - Das ist nicht der Fall. Dann bitte ich diejenigen, die dem Ausschußantrag zuzustimmen wünschen, um das Handzeichen. - Es ist entsprechend beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 14:
Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses ({13}) über den Antrag des Präsidenten des Bundesrechnungshofs betr. Rechnung und Vermögensrechnung des Bundesrechnungshofs für das Rechnungsjahr 1955 Einzelplan 20 - ({14}).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Leicht. Wünscht er das Wort? - Das ist nicht der Fall. Wer dem Antrag auf Drucksache 704 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Es ist so beschlossen.
Wir kommen damit zu Punkt 15:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten
Vizepräsident Dr. Preusker
({15}) über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Einreisegenehmigungen für Staatsangehörige der Ostblockstaaten ({16}).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Dr. Kopf. Wünscht er noch das Wort? - Das ist nicht der Fall. Der Antrag des Ausschusses geht dahin, die Drucksache 433 für erledigt zu erklären. Wer dem Antrag auf Drucksache 720 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Es ist so beschlossen.
Ich rufe dann Punkt 16 auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Inneres ({17}) über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Erleichterung der Einreise in die Bundesrepublik ({18}).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Etzenbach. Wünscht er das Wort? - Das ist nicht der Fall.
Wer dem Antrag des Ausschusses auf Drucksache 724 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 17:
Beratung der Entschließungen der 47. Jahreskonferenz der Interparlamentarischen Union ({19}).
Vorgeschlagen ist die Überweisung an den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten. Wer dieser Erledigung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Es (ist (so beschlossen.
Der Punkt 18 a und bist als Schwergewichtspunkt für Freitag vorgesehen und wird ausgeklammert.
Wir kommen damit zu Punkt 19:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zehnten Gesetzes zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes ({20}) ({21}).
Auf Begründung ist verzichtet und ohne Debatte Überweisung an den Ausschuß für Lastenausgleich vorgeschlagen worden. Wer dieser Überweisung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Danke. Es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 20:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu den drei Abkommen vom 3. April 1958 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Portugiesischen Republik über deutsche Vermögenswerte in Portugal, auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes und über die Liquidation des früheren deutsch-portugiesischen Verrechnungsverkehrs ({22}).
Auf Begründung wird verzichtet. Es ist vorgeschlagen, ohne Debatte Überweisung an den Finanzausschuß. Wer dieser Überweisung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 21:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu den zwei Abkommen vom 8. April 1958 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Spanien über gewisse Auswirkungen des zweiten Weltkrieges und über die Wiederherstellung gewerblicher Schutzrechte ({23}).
Von der Bundesregierung wird ebenfalls auf Begründung verzichtet. Es ist vorgeschlagen, die Vorlage ohne Debatte an den Finanzausschuß - federführend -, an den Rechtsausschuß - mitberatend - zu überweisen. Wer dieser Erledigung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Danke. Es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 22:
Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Ordnung des Wasserhaushalts ({24}) ({25}).
Der Bundesrat hat hier auf Begründung offenbar verzichtet. Es ist vorgeschlagen, ohne Debatte Überweisung an den Ausschuß für Atomkernenergie und Wasserwirtschaft. Wer dieser Erledigung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist auch beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 23:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über
Kostenstrukturstatistik ({26}) ({27}).
Die Bundesregierung hat hierzu auf Begründung verzichtet. Es ist vorgeschlagen, ohne Debatte Überweisung an den Wirtschaftsausschuß federführend und als Finanzvorlage an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 ({28}) der Geschäftsordnung. Wer dieser Erledigung zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 24:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Schütz ({29}), Burgemeister, Schmücker und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung der Verordnung zum Schutze der Wirtschaft ({30}).
Die Antragsteller haben auf Begründung verzichtet. Es wird vorgeschlagen, die Vorlage ohne Debatte an den Wirtschaftsausschuß - federführend - und - mitberatend - an den Ausschuß für Mittelstandsfragen sowie an den Rechtsausschuß zu überweisen. Wer dieser Erledigung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Auch das ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 25:
Erste Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Beförderungsteuergesetzes ({31}).
Die Antragsteller haben auf Begründung verzichtet. Es wird vorgeschlagen, die Vorlage ohne De3044
Vizepräsident Dr. Preusker
batte an den Finanzausschuß - federführend - sowie an den Ausschuß für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen - mitberatend - zu überweisen. Wer dieser Erledigung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Danke. Es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 26:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Schulze-Pellengahr, Struve, Unertl und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Güterkraftverkehrsgesetzes ({32}).
Die Antragsteller haben auf Begründung verzichtet. Es wird vorgeschlagen, die Vorlage ohne Debatte an den Ausschuß für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen zu überweisen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Danke. Es ist so beschlossen.
Schließlich habe ich noch nachzutragen, daß die nächste Fragestunde am Mittwoch, dem 18. Februar, stattfinden soll, und bitte zu vermerken, daß die Sperrfrist für eingehende Fragen auf Donnerstag, den 12. Februar, 12.00 Uhr, vereinbart worden ist.
Wir sind damit am Ende der heutigen Sitzung angelangt. Ich berufe die nächste Sitzung auf Donnerstag, den 22. Januar, 9 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen.