Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Als erstes kommen wir zum dritten Punkt der gemeinsamen Tagesordnung für :gestern, heute und morgen, nämlich zur
Fragestunde ({0})
Die Frage 1 ist vom Fragesteller zurückgestellt. Ich komme zur Frage 2 des Abgeordneten Brück
über die Streupflicht:
Auf welchen gesetzlichen Bestimmungen beruht die Streupflicht auf Straßen innerhalb und außerhalb der geschlossenen Ortslage für den Fahrzeugverkehr?
Das Wort hat der Herr Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beantworte die Anfrage des Herrn Abgeordneten Brück wie folgt.
Im Bundesgebiet b steht hinsichtlich des Streuens auf Straßen keine einheitliche gesetzliche Regelung. Hierfür wäre der Bund auch nicht zuständig, weil er nur für die Bundesfernstraßen die Gesetzgebungskompetenz hat.
Nach dem derzeitigen Stand der Gesetzgebung beschränkt sich die Streupflicht grundsätzlich auf Ortsstraßen. Darunter sind die innerhalb einer Gemeinde gelegenen öffentlichen Wege zu verstehen ohne Rücksicht darauf, welche Gebietskörperschaft für die Unterhaltung dieser Straßen zuständig ist. Die Streupflicht obliegt nach den landesrechtlichen Vorschriften im allgemeinen den Gemeinden. Für die :ehemals preußischen Gebiete ergibt sich dies Laus § 1 des preußischen Gesetzes über die Reinigung öffentlicher Wege vom 1. Juli 1912. Im den übrigen Gebieten sind zahlreiche ähnliche Regelungen vorhanden.
Für die öffentlichen Straßen außerhalb der Wohnbezirke gibt es keine Streupflicht. Bestünde sie, so müßte jede auftretende Fahrbahnglätte sofort beseitigt werden. Das wäre jedoch aus technischen, personellen und wirtschaftlichen Gründen nicht durchzuführen und wohl auch nicht zumutbar.
Im Bundesfernstraßengesetz vom 6. August 1953 wurde daher für die Bundesautobahnen und die
Bundesstraßen eine Verpflichtung zum Streuen nicht vorgeschrieben. Auf Antrag Ihres Ausschusses für Verkehrswesen wurde jedoch in § 3 Abs. 3 des Gesetzes bestimmt, daß die Träger der Straßenbaulast bei Schnee- und Eisglätte nach besten Kräften räumen und streuen sollen. Damit sollte aber nach Auffasssung des Ausschusses eine Rechtspflicht nicht begründet werden.
Für die übrigen außerhalb der Wohnbezirke gelegenen öffentlichen Straßen besteht eine dem § 3 Abs. 3 des Bundesfernstraßengesetzes entsprechende Bestimmung nur zum Teil, weil die Länder ihre Straßenbaugesetze erst jetzt erneuern. Aber auch bei diesen Straßen wird schon seit Jahren nach den gleichen Rechtsgrundsätzen verfahren, die für die Bundesfernstraßen gelten.
Auch die Rechtsprechung hat sich wiederholt mit dem Streuen rauf den Straßen befaßt. So hat der Bundesgerichtshof entschieden, die Regelung im § 3 Abs. 3 des Bundesfernstraßengesetzes schließe nicht aus, :daß :die Straßenbauverwaltung Lunter dem Gesichtspunkt der ihr obliegenden Verkehrssicherungspflicht wenigstens streckenweise dann zu streuen habe, wenn sich der Fahrverkehr auch bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt nicht selbst helfen könne oder wenn es sich urn besonders gefährliche Stellen handle.
Die Straßenbauverwaltungen der Länder führen jeden Winter nach besten Kräften einen umfangreichen Winterdienst auf Grund sorgfältig aufgestellter Pläne durch. Sie handeln dabei Lauf den Bundesfernstraßen als Auftragsverwaltungen des Bundes. Welchen Umfang der Winterdienst allein für die Bundesfernstraßen angenommen hat, mögen Sie daraus ersehen, daß im vergangenen Winter, hauptsächlich für Idas Räumen und Streuen, etwa 20 Millionen DM aufgewendet worden sind.
Eine Zusatzfrage? - Bitte sehr, Herr Abgeordneter Brück.
Herr Staatssekretär, Sie erwähnten das Gesetz über die Reinigung öffentlicher Wege vom 1. Juli 1912, nach dessen Bestimmungen im wesentlichen heute noch draußen in der Praxis verfahren wird. Dieses Gesetz ist aber doch zu einer Zeit verabschiedet worden, in der der Verkehr wesentlich anders aussah als heute. Ist es nicht im Interessealler Beteiligten dringend notwendig, auch von der Bundesebene her zu versuchen, eine gewisse Einheitlichkeit zu erreichen? Denn insbesondere die kleinen Gemeinden, durch die Bundesstra2824
ßen führen, sind hier sehr stark im Nachteil. Sie erwähnten schon, daß die Rechtsprechung nicht ganz einheitlich ist, daß auch Unklarheiten bestehen, besonders bezüglich des Begriffs des „inneren Verkehrs". Darf ich fragen: Ist die Bundesregierung gegebenenfalls bereit, mit den Ländern zu verhandeln, damit die dringend notwendige Besserung eintritt?
Herr Abgeordneter, ich habe bereits ausgeführt, daß für den Bereich der Bundesfernstraßen eine moderne gesetzliche Regelung besteht, nämlich das Gesetz vom 6. August 1953, an dem der Verkehrsausschuß dieses Hauses zu einem großen Teil mitgewirkt hat. Das von Ihnen zitierte Gesetz ,aus dem Jahre 1912 ist ein preußisches Gesetz. Ich pflichte Ihnen bei, daß auch die Gesetzgebung der Länder erneuerungswürdig ist, und habe bereits in einem Nebensatz zum Ausdruck gebracht, daß die Länder zur Zeit ihre Straßenbaugesetze erneuern, daß sie aber auch heute schon im wesentlichen nach den Bestimmungen verfahren, die für die Bundesautobahnen und Bundesfernstraßen gelten.
Ihre Frage beantworte ich also dahin, daß wir alle diese Bestrebungen im Interesse der Sicherheit und der flüssigen Abwicklung des Verkehrs selbstverständlich unterstützen und fördern.
Danke schön!
Wir kommen zur Frage 3 - des Abgeordneten Nieberg - betreffend Beschränkung des Behördenhandels.
Ist der Herr Bundesinnenminister bereit, dem Vorschlag des Deutschen Industrie- und Handelstages zu entsprechen, bei den Landesregierungen Verwaltungsmaßnahmen anzuregen, um den seit Jahren zunehmenden Behördenhandel einzudämmen?
Ist dem Herrn Bundesminister bekannt, daß die Bundesländer schon vor Jahren zugesagt haben, den Behördenhandel auf Waren zu beschränken, die zum alsbaldigen Verbrauch in den Kantinen bestimmt sind, und daß der Rechnungshof des Landes Niedersachsen demgegenüber festgestellt hat, daß die Kantinen Waren in Dienstgebäuden vertreiben, die nach Art und Menge nicht zum alsbaldigen Verbrauch, sondern zur Befriedigung des häuslichen Bedarfs bestimmt sind?
Das Wort hat der Staatssekretär Dr. Anders vom Bundesministerium des Innern.
Die Antwort lautet:
Die Regelung des sogenannten Behördenhandels in den Ländern ist Aufgabe der Landesregierungen. Der Bundesminister des Innern ist im Rahmen seiner Zuständigkeit nicht in der Lage, den Ländern hierzu Anregungen zu geben. Einige Länder haben im übrigen schon vor längerer Zeit Richtlinien erlassen, die den Verkauf von Waren in den Kantinen einschränken. Von Zusagen, daß die Länder dein Behördenhandel weiter beschränken wollten, ist mir nichts bekannt.
Das Gutachten des Landesrechnungshofes in Niedersachsen hat in meinem Hause vorgelegen. Ob und welche Folgerungen die Regierung des Landes Niedersachsen aus dem Gutachten zieht, muß die Bundesregierung ihr überlassen.
Die Rechnungsführung der Behördenkantinen unterliegt allgemein der Prüfung durch die Landesrechnungshöfe.
Eine Zusatzfrage? Eine Zusatzfrage wird nicht gestellt.
Dann komme ich zur Frage 4 - des Abgeordneten Leicht - betreffend Wiederherstellung des zweiten Gleises der Bahnlinie Zweibrücken-Landau-Karlsruhe:
Wann beabsichtigt die Deutsche Bundesbahn das von der französischen Besatzungsmacht nach 1945 abgebaute zweite Gleis der Bahnlinie Zweibrücken-Landau-Karlsruhe wieder zu errichten?
Das Wort hat der Herr Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beantworte die Frage des Herrn Abgeordneten Leicht wie folgt.
Die französische Besatzungsmacht hatte das zweite Gleis auf der Strecke Zweibrücken-Landau-Germersheim abgebaut. Da die Rheinbrücke von Germersheim nicht wieder aufgebaut ist, wird der Verkehr nach Karlsruhe von Landau über Winden-Wörth-Maximiliansau geführt.
Die Deutsche Bundesbahn beabsichtigt, das zweite Gleis auf dem Streckenabschnitt WörthMaximiliansau bis zur eingleisigen Rheinbrücke wieder einzubauen. Die dafür erforderlichen 500 000 DM stehen aber leider noch nicht zur Verfügung. Auf der rechten Rheinseite ist das zweite Gleis von Karlsruhe-Knielingen bis an die Rheinbrücke bereits wieder vorhanden.
Die eingleisigen Streckenabschnitte Zweibrükken-Landau und Winden-Wörth - zwischen Landau und Winden ist die Strecke zweigleisig - sind zur Zeit nur zur Hälfte ihrer Leistungsfähigkeit ausgenutzt. Selbst wenn nach der wirtschaftlichen Rückgliederung des Saargebiets der Verkehr auf dieser Strecke stärker werden sollte, wären die eingleisige Strecke und auch der zweigleisige Abschnitt dafür aufnahmefähig. Die Leistungsfähigkeit dieser Strecke beträgt in ihren eingleisigen Abschnitten 36 Züge in jeder Richtung. Sie sind zur Zeit mit rund 20 Zügen in jeder Richtung belegt. Hier hält die Deutsche Bundesbahn deshalb zunächst ein zweites Gleis nicht für nötig.
Keine Zusatzfrage?
Ich komme zur Frage 5 - des Abgeordneten Ritzel - betreffend Ausrüstung zweier Kraftwagen mit demselben Nummernschild:
Sind dem Bundesverkehrsministerium die schweizerischen Maßnahmen bekannt, die es erlauben, zwei Kraftwagen mit demselben Nummernschild auszurüsten?
Ist dem Bundesverkehrsministerium bekannt, welche finanziellen Einbußen diese Maßnahmen in der Schweiz gebracht haben?
Wie beurteilt die Bundesregierung die Wirkung einer gleichen Maßnahme in der Bundesrepublik?
Das Wort hat wieder der Herr Staatssekretär.
Herr Präsident! Meine Da-
men und Herren! Ich beantworte die Frage des Herrn Abgeordneten Ritzel wie folgt.
Die schweizerischen Maßnahmen, die es erlauben, zwei Kraftwagen mit demselben Nummernschild, also einem sogenannten Wechselkennzeichen, auszurüsten, sind dem Bundesverkehrsministerium bekannt. Zwar enthält die schweizerische Bundesgesetzgebung keine Vorschriften über Wechselkennzeichen, doch werden solche Kennzeichen in den Kantonen zugeteilt. Für das kleinere der Fahrzeuge, an denen dasselbe Kennzeichen verwendet werden soll, werden Steuervergünstigungen gewährt.
Voraussetzungen und Umfang der Steuervergünstigungen sind in den einzelnen Kantonen verschieden. Welche Steuerausfälle entstehen, müßte für jeden Kanton besonders berechnet werden. Angaben hierüber liegen der Bundesregierung nicht vor.
Würde man im Bundesgebiet nach dem schweizerischen Vorbild Wechselkennzeichen zuteilen, so würde dies voraussichtlich folgende Wirkung haben:
1. Die Prüfung, ob für die im Verkehr verwendeten Fahrzeuge die vorgeschriebene Haftpflichtversicherung besteht, würde erschwert werden, weil es , bei Wechselkennzeichen nicht möglich wäre, nach Wegfall des Versicherungsschutzes für nur ein Fahrzeug das Kennzeichen zu entstempeln. Die Fahrzeughalter würden bei Wegfall des Versicherungsschutzes für eines der Fahrzeuge in Versuchung geraten, das Versicherungskennzeichen für dieses Fahrzeug weiter zu verwenden. Außerdem
B) würde sich mit dem Wachsen der Anzahl der auswechselbaren Kennzeichen die Gefahr der Entwendung solcher Kennzeichen erhöhen.
2. Ohne eine Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes würde die Einführung von Wechselkennzeichen im Verkehrsrecht keine Ermäßigung der Kraftfahrzeugsteuer zur Folge haben, weil - abgesehen von den roten Kennzeichen - nicht die Zuteilung des Kennzeichens, sondern das Halten des Fahrzeugs versteuert wird.
3. Befreit man die Benutzer von Wechselkennzeichen von der Kraftfahrzeugsteuer für ein Fahrzeug oder mehrere Fahrzeuge, so werden die Fahrzeughalter in möglichst weitem Umfang davon Gebrauch machen. Erhebliche Steuerausfälle wären daher zu befürchten. Die Hoffnung, daß sie durch Einnahmen für zusätzlich beschaffte Fahrzeuge im wesentlichen ausgeglichen werden, ist unbegründet; nach den Erfahrungen der Praxis hat die Kraftfahrzeugsteuer in der Regel keinen wesentlichen Einfluß auf die Entscheidung über die Anschaffung eines Fahrzeugs. Die Summe der Fahrleistungen der mit dem Wechselkennzeichen benutzten Fahrzeuge wird im Durchschnitt erheblich über der durchschnittlichen Fahrleistung eines entsprechenden Fahrzeugs mit anderen Kennzeichen liegen. Die Inanspruchnahme der Straße würde sich kaum mindern. Die Einnahmen aus dem Kraftfahrzeugverkehr würden jedoch verringert werden, und zwar zu einer Zeit, in der vor allem die Länder und Gemeinden über die Unzulänglichkeit der für den Straßenbau verfügbaren Mittel klagen.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Ritzel!
Decken sich die von Ihnen geäußerten Befürchtungen, Herr Staatssekretär, mit den praktischen Erfahrungen der Schweizerischen Eidgenossenschaft, und ,ist das Bundesverkehrsministerium oder das Bundesfinanzministerium bereit, einmal die tatsächlichen Ausfälle durch diese den Kraftfahrern entgegenkommenden schweizerischen Maßnahmen festzustellen und sie entsprechend auf die Bundesverhältnisse zu übertragen, um damit eine ,schlüssigere Auskunft geben zu können?
Ich bin gern bereit, Herr Abgeordneter, nähere Erkundigungen über die Erfahrungen einzuziehen, die in den schweizerischen Kantonen gemacht worden sind. Sie wissen aber aus der Beantwortung einer in früheren Jahren bereits ,gestellten Anfrage, daß zwei Ressorts an der Behandlung dieses Problems beteiligt sind. Ich muß hier mitteilen, daß sich das für die Einnahmen und Ausgaben verantwortliche Ressort auch nach erneuter Prüfung nicht in der Lage sieht, im gegenwärtigen Zeitpunkt die Sache :aufzugreifen. Aber das schließt, wie gesagt, nicht aus, daß wir die Materialsammlung durchführen und Sie auch über das Ergebnis unterrichten. Die Materialsammlung wird nicht einfach sein, denn die Bundesregierung muß wahrscheinlich über Bern mit den Kantonen Verbindung aufnehmen.
Zu einer zweiten Zusatzfrage Herr Abgeordneter Ritzel!
Darf ich daraus entnehmen, Herr Staatssekretär, daß trotz der ablehnenden Haltung des Bundesfinanzministeriums vom Bundesverkehrsministerium oder Bundesfinanzministerium bei der Regierung der Eidgenossenschaft und beim Bundesrat in Bern, der ja die Frage an die Kartonregierungen weiterzuleiten hätte, die erforderlichen Erkundigungen eingezogen werden, um eine hier im Hause gestellte Anfrage schlüssig zu beantworten?
Herr Abgeordneter, ich glaube Ihre Anfrage in dem Maße, in dem das in dieser Zeitspanne möglich war, hinreichend beantwortet zu haben. Ich bin aber darüber hinaus, wie gesagt, bereit, trotz des Widerstandes, der heute noch in weiten Kreisen gegen die Wiederaufnahme einer solchen Regelung für die Bundesrepublik besteht, die Materialsammlung durchzuführen, um, wenn es die Lage gestattet, auch die notwendigen Unterlagen zu haben.
Ich danke Ihnen.
Wir kommen nun zur Frage 6-des Abgeordneten Jahn ({0}) --
Vizepräsident Dr. Jaeger
betreffend Gefährdung der Klein- und Mittelbetriebe der optischen Industrie durch Importe aus Japan:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Betriebe der optischen Industrie in eine schwierige Lage dadurch geraten sind, daß
a) in großem Umfange optische Geräte aus Japan zu Preisen auf den Markt gebracht werden, die die Existenz zahlloser Klein- und Mittelbetriebe gefährden,
b) die Einfuhr vielfach unter Mißbrauch der sogenannten „Jedermann-Einfuhr geschieht?
Wie beurteilt die Bundesregierung diese Lage?
Erwägt sie Maßnahmen, um diesen Schwierigkeiten zu begegnen?
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Wirtschaft.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung hat in den letzten Monaten festgestellt, daß im Rahmen der Kleineinfuhr im Postverkehr - dem sogenannten Jedermannverfahren - in zunehmendem Maße zum Weiterverkauf bestimmte Ferngläser japanischen Ursprungs durch Gewerbetreibende eingeführt wurden.
Es handelte sich hierbei zum Teil um kommerzielle Großbezüge, die dem Wesen der Kleineinfuhr als einer erleichterten Verfahrensform für Kleinsendungen aller Art nicht entsprachen. Daher wurde durch Runderlaß Außenwirtschaft Nr. 48/58 mit Wirkung vom 1. November 1958 die Möglichkeit eines kommerziellen Großbezugs von Waren in der Weise wesentlich eingeschränkt, daß von demselben Absender an einem Tage nur noch eine Warenmenge bis zum Werte von 100 DM für denselben Empfänger abgefertigt werden kann.
Die Bundesregierung wird die Auswirkungen dieser Maßnahme sorgfältig beobachten und danach entscheiden, ob und welche weiteren Beschränkungsmaßnahmen bei dieser Kleineinfuhr gegebenenfalls erforderlich werden.
Keine Zusatzfrage? - Ich komme damit zur Frage 7 - des Abgeordneten Eisenmann - betreffend Schließung der Autobahnlücke Berkhof-Hannover, Hannover-Northeim:
Was wird unternommen, um die Autobahnlücke Berkhof-Hannover, Hannover-Northeim zu schließen, die im Interesse der überregionalen Bedeutung der Europastraßen 3 und 4 mit höchster Dringlichkeit ausgebaut werden müßte?
Der Herr Staatssekretär!
Dr. Seiermann Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beantworte die Anfrage des Herrn Abgeordneten Eisenmann wie folgt.
Die Schließung der Autobahnlücke zwischen Berkhof und Northeim wird mit allen verfügbaren Mitteln angestrebt und soll nach der Terminplanung im Herbst 1961 vollendet sein. Im einzelnen ist vorgesehen, Teilstrecken zwischenzeitlich wie folgt fertigzustellen:
Im Abschnitt nördlich Hannover
a) von Berkhof als derzeitigem Autobahnende bis zur Landstraße I. Ordnung 190 bei Kaltenweide,
7 km nördlich Anschlußstelle Hannover-Mitte - fertig im Herbst 1960,
b) von Gailhof bis zur Bundesstraße 3 bei Kirchhorst, nordöstlich von Hannover - fertig im Frühjahr 1961,
c) von Kirchhorst bis zur Kreuzung mit der Autobahn Köln-Berlin bei Misburg - fertig im Herbst 1961.
Der Teil der nordwestlich von Hannover zwischen der Nord-Süd-Autobahn Hamburg-Hannover und der Ost-West-Autobahn Berlin-Köln vorgesehenen Eckverbindung Gailhof-Garbsen ist in die Baustufe I des Ausbauplans einbezogen worden. Die Teilstrecke vom nördlichen Abzweig Gailhof bis Kaltenweide, also bis zur Kreuzung mit der Landstraße I. Ordnung 190 Berkhof-Hannover wird bis zum Herbst 1960 fertiggestellt. Damit wird das rund 21 km lange Zwischenstück der Landstraße I. Ordnung 190, über das jetzt der Verkehr vom Autobahnende bis zur Anschlußstelle Hannover-Mitte der Ost-West-Autobahn läuft, auf rund 7 km verkürzt. Darüber hinaus tritt nach Fertigstellung der 14 km langen Teilstrecke Gailhof-Kirchhorst im Frühjahr 1961 eine weitere Entlastung dieser 7 km langen Strecke Kaltenweide - Hannover-Mitte ein, weil der Durchgangsverkehr Nord-Süd dann von Kirchhorst unmittelbar über die Bundesstraße 3 und das Hannoversche Tangentensystem die Stadt Hannover östlich und südlich umfahren kann.
Im Abschnitt südlich Hannover sind die Termine wie folgt:
a) von Echte, nördlich von Northeim, bis Seesen - fertig im Herbst 1959,
b) von Seesen bis Bockenem fertig im Herbst
1960,
c) von Bockenem bis zur Bundesstraße 6 bei Grasdorf, südöstlich von Hildesheim, - fertig im Frühjahr 1961,
d) von Grasdorf bis zur Kreuzung mit der Ost-West-Autobahn bei Misburg - fertig im Herbst 1961.
Im Herbst 1961 wird daher die Autobahnlücke Hamburg-Göttingen geschlossen sein. Die genannten Zwischentermine lassen sich nicht weiter verkürzen, da beträchtliche bautechnische Schwierigkeiten zu überwinden sind.
An Mitteln sind für die Nord-Süd-Autobahn in Niedersachsen bisher insgesamt rund 240 Millionen DM für Ausgaben und weitere 30 Millionen DM für Bindungen zu Lasten des Wirtschaftsplans 1959 zugeteilt worden.
Für das Rechnungsjahr 1959 sind veranschlagt Ausgaben von 65 Millionen DM, darüber hinaus Bindungen zu Lasten des Wirtschaftsplans 1960 von 41,5 Millionen DM.
Eine noch höhere Mittelzuteilung zugunsten der Nord-Süd-Autobahn in Niedersachsen würde eine Kürzung der Mittel für andere wichtige Autobahnneubaustrecken bedeuten und würde dort nicht vertretbare Terminverzögerungen nach sich ziehen.
Eine Zusatzfrage?
Herr Staatssekretär, Sie sprachen gerade davon, daß technische Schwierigkeiten die Fertigstellung dieses Teilstücks verzögern werden. Sicher waren diese technischen Schwierigkeiten schon früher bekannt. Warum hat man dann dieses Teilstück in Angriff genommen, wo genau bekannt ist, daß eine Autobahn nicht in einen solchen Verkehrslauf ausmünden sollte, der nur als Landstraße I. Ordnung angesprochen werden darf. Ist Ihnen, Herr Staatssekretär, darüber hinaus bekannt, daß es auf diesem 26 km langen Abschnitt 69 Abzweigungen und Kreuzungen gibt und daß in der Zeit seit Eröffnung dieses Teilstücks über acht Todesfälle zu verzeichnen sind?
Die technischen Schwierigkeiten, von denen ich gesprochen habe, haben sich tatsächlich jetzt ergeben. Wenn die Landesbauverwaltung in der Lage wäre, diese Schwierigkeiten schneller zu überwinden, dann würden insgesamt die Forderungen der Auftragsverwaltung, mit der die vorgenannten Fertigstellungstermine abgestimmt sind, höher sein als die im Wirtschaftsplan 1959 vorgesehene Zuteilung, die ich hier aufgeschlüsselt habe.
Noch eine Zusatzfrage?
3) Eisenmann ({0}) : Danke sehr.
Ich komme zu Frage 8 - des Abgeordneten Eisenmann -- betreffend Fährverbindung über den Nord-OstseeKanal bei Brunsbüttelkoog:
Ist der Herr Bundesverkehrsminister bereit, die unzulängliche Fährverbindung über den Nord-Ostsee-Kanal bei Brunsbüttelkoog so zu verbessern, daß die Bundesstraße 5 ihre verkehrs-
und wirtschaftspolitische Funktion erfüllen kann?
Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär des Bundesverkehrsministeriums.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Frage des Herrn Abgeordneten Eisenmann über die unzulängliche Fährverbindung über den Nord-Ostsee-Kanal bei Brunsbüttelkoog beantworte ich wie folgt.
Die Straßenverkehrsverhältnisse im Raume Brunsbüttelkoog sind seit langem Gegenstand eingehender Überlegungen. Beim Fährbetrieb in Brunsbüttelkoog sind Verbesserungen infolge des sehr lebhaftere Schiffsverkehrs unmittelbar vor den Schleusen nicht möglich. Es würde auch keine Entlastung bringen, dort Motorschiffe an Stelle der Dampffähren einzusetzen. Um den Verkehr zügiger zu gestalten, ist vorgesehen, diese Fährverbindung auf den Ortsverkehr zu beschränken und den Fernverkehr der Bundesstraße 5 auf einer neu zu bauenden Umgehungsstraße um Brunsbüttelkoog und Brunsbüttel herumzuleiten. Die nordöstlich von Brunsbüttelkoog gelegene jetzige Fährstelle Ostermoor soll der
Linienführung der Umgehungsstraße angepaßt und mit modernen leistungsfähigen Fährschiffen ausgerüstet werden.
Die Gesamtkosten der Umgehungsstraße sind auf 16 Millionen DM veranschlagt. Die Vorarbeiten für den Straßenbau -- Grunderwerb - werden nächsten Jahr aufgenommen. Um eine vorläufige Entlastung zu schaffen, sollen bei der jetzigen Fährstelle Ostermoor neue selbstfahrende Fährschiffe eingesetzt werden; der Fernverkehr soll provisorisch über die Landstraße I. Ordnung 138 geleitet werden.
Ist Ihnen bekannt, Herr Staatssekretär, daß -- wenn ich recht informiert worden bin - für die Fährstelle Ostermoor neue Fähren gebaut worden sind oder gebaut werden sollen, die ein Fassungsvermögen von nur 6 Personenkraftwagen haben? Glauben Sie, daß diese Art Fähren eine Entlastung des Verkehrs bedeuten?
Ich kann auf diese Einzelheiten nicht eingehen, will aber diese Beschwerde bzw. Anregung gern aufgreifen und nachprüfen lassen.
Frage 9 ist vom Fragesteller zurückgezogen, Frage 10 ist vom Fragesteller zurückgestellt. Wir kommen zur Frage 11 -des Herrn Abgeordneten Kreitmeyer - betreffend Beantwortung der NATO-Fragebogen durch die Bundesregierung:
Trifft es zu, daß die Bundesregierung in der Beantwortung des NATO-Fragebogens 1957 gemäß der „Frankfurter Allgemeine Zeitung" vom Juli 1953 für das Rechnungsjahr 1959 einen Betrag von 14 Mrd. DM in Aussicht gestellt hat, und wie lautete damals die Zahl für 1960?
Wann hat die Bundesregierung den NATO-Fragebogen 1958 erhalten? Ist derselbe beantwortet, und ist beabsichtigt, die Abgeordneten darüber zu orientieren?
Das Wort hat der Herr Staatssekretär des Auswärtigen Amtes.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der NATO-Vertrag vom 4. April 1949 ist, ebenso wie die anderen von der Bundesregierung geschlossenen internationalen Vereinbarungen, dem Hohen Hause bekannt. In Ausführung dieser Vereinbarung wie auch aller anderen internationalen Verträge, die der Verteidigung dienen, werden von den Vertragspartnern Pläne und Studien angefertigt, die - das liegt in der Natur der Sache - zumeist vertraulichen, geheimen oder gar streng geheimen Charakter tragen. Diese Pläne und Studien wie auch ihre Beratung durch die beteiligten Regierungen können daher nicht bekanntgegeben werden.
Hierdurch werden aber die Rechte der gesetzgebenden Körperschaften der Partnerstaaten in keiner Weise beeinträchtigt. Am Beispiel der gestellten Frage läßt sich dies leicht darlegen: Ohne Rücksicht darauf, welche finanziellen Planungen von der Bundesregierung wie auch von den anderen Regierungen der NATO-Länder für die zukünftigen Verteidigungsanstrengungen in der NATO erwogen
werden, können die Bundesregierung und die Regierungen der anderen Partnerstaaten einzig und allein die von den nationalen Parlamenten alljährlich bewilligten Gelder für Verteidigungszwecke ausgeben. Wie schon in den vergangenen Jahren besteht daher auch heute keine Notwendigkeit und keine Möglichkeit, die jährlichen NATO-Fragebogen mitzuteilen. Eine auch nur teilweise Bekanntgabe ihres Inhalts verbietet sich aber auch deshalb, weil sie in allen Teilen geheim sind und bleiben müssen, wenn nicht eine Beeinträchtigung der Verteidigungsanstrengungen der Bundesrepublik und damit auch der gesamten NATO eintreten soll.
Eine Zusatzfrage wird nicht gestellt.
Ich komme zur weiteren Frage des Abgeordneten Kreitmeyer, Frage 12, betreffend Aufstellung der NATO-Kontingente der Bundeswehr:
Trifft es zu, daß die Aufstellung der NATO-Kontingente der Bundeswehr gemäß „Die Welt" vom 6. Oktober 1958, und zwar des Heeres mit dem 1. April 1961, der Marine mit dem 1. April 1962 und der Luftwaffe mit dem 1. April 1963 vollzogen sein soll?
Das Wort hat der Herr Staatssekretär im Bundesministerium für Verteidigung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die vom Herrn Abgeordneten erwähnte Meldung in der Ausgabe der Zeitung „Die Welt" vom 6. Oktober 1958 geht auf eine Rede des Bundesverteidigungsministers am 5. Oktober dieses Jahres zurück. In dieser Rede wurden die zitierten Monatsdaten nicht genannt. Es entspricht aber der Planung des Bundesministeriums für Verteidigung, die Aufstellung des Heeres bis 1961, die der Marine bis 1962 und die der Luftwaffe bis 1963 abgeschlossen zu haben.
Keine Zusatzfrage? - Dann komme ich zur Frage 13 - des Abgeordneten Kreitmeyer - betreffend Gesamtaufwand für die Bundeswehr bis zum 1. April 1961:
Trifft es zu, daß die Finanzierung der Bundeswehr nach Angaben des Bundesverteidigungsministers bis zum 1. April 1961 etwa 36 Mrd. DM betragen wird und nicht 52 Mrd. DM?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beantworte die Frage wie folgt. Für die Aufstellung und Ausrüstung der Bundeswehr sind bis zum 31. März 1958 rund 9 Milliarden DM ausgegeben worden. Die Ausgaben des Rechnungsjahres 1958 dürften zwischen 6 und 7 Milliarden DM liegen. Im Entwurf des Haushaltsplans 1959 sind Ausgaben von 11 Milliarden DM vorgesehen. Die effektiven Ausgaben für die Rechnungsjahre 1959 und 1960 lassen sich jedoch nicht übersehen. Bei einer Zusammenrechnung der verausgabten und der in den Rechnungsjahren 1958, 1959 und 1960 zu verausgabenden Beträge ist anzunehmen, daß die tatsächlichen Ausgaben von Beginn
der Aufstellung der Bundeswehr bis zum 1. April 1961 nicht mehr als 36 Milliarden DM betragen werden.
Eine Zusatzfrage? - Herr Abgeordneter Kreitmeyer!
Darf ich aus Ihrer Antwort - in Verbindung mit der Antwort zu Frage 9, die der Herr Staatssekretär van Scherpenberg gegeben hat - entnehmen, daß uns wegen der nicht übersehbaren Angaben, die dann jeweils gemacht werden, nicht irgendwelche Vorwürfe gemacht werden, weil wir vielleicht zu weit über das Ziel hinaus planen und dann die uns aufgegebenen Planungen nicht einhalten können?
Sie wissen, daß wir im NATO-Bereich immer für ein Jahr im voraus Verpflichtungen zu übernehmen haben. Alles andere ist Vorschau. Wieweit sich die Vorschau dann effektiv niederschlägt, läßt sich eben nicht länger als über ein Jahr hinaus vorher feststellen.
Aber Vorwürfe kann man uns dann nicht machen!
Ich sicher nicht!
Das war keine Frage, Herr Abgeordneter Kreitmeyer!
Ich komme zu Frage 14 - des Abgeordneten
Wendelborn - betreffend Auspuffanlagen der Lkw:
Ist der Herr Bundesverkehrsminister bereit, anzuordnen, daß die Auspuffanlagen der Lkw so verändert werden, daß die Verbrennungsgase nicht mehr waagerecht wie bisher, sondern in Zukunft senkrecht abgeführt werden?
Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär ; im Bundesministerium für Verkehr.
Zur Beantwortung der Frage des Herrn Abgeordneten Wendelborn folgendes! Nach § 47 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung sind die Mündungen von Auspuffrohren nach oben oder nach hinten oder nach hinten links bei einem Winkel von 45 Grad zur Fahrzeuglängsachse zu richten. Von den drei Möglichkeiten, die für die Führung des Auspuffrohres vorgesehen sind, wird in der Regel - auch in anderen Ländern - von der Verlegung nach links Gebrauch gemacht, weil auf diese Weise die mit dem Abgas verbundenen Einwirkungen unter üblichen Verhältnissen am geringsten sind.
Insbesondere sind es der Geruch und die Sicht, die von der Richtung des Auspuffs belästigt bzw. behindert werden. Aus Überlegungen und Versuchen hat sich ergeben, daß von der Führung der Auspuffrohre nach oben deshalb nur in geringem Umfang Gebrauch gemacht wird - sie beschränkt sich im allgemeinen auf landwirtschaftliche Zugma-
schinen -, weil damit eine Reihe von Nachteilen verbunden sind.
Diese Nachteile werden uns von den Experten wie folgt angegeben. Erstens: Die unverbrannten oder halbverbrannten Bestandteile des Kraftstoffes, die schwerer sind als die atmosphärische Luft, fallen in einem größeren Bereich als belästigender Niederschlag auf die Erde zurück. Zweitens: Bei laufendem Motor in der Garage besteht Brandgefahr für die Deckenkonstruktion, das Fahrerhaus oder die Fahrzeugplane. Drittens: Während der Fahrt hüllen die Abgase das Fahrzeug und dessen Anhänger ein und gefährden geruchempfindliche Ladegüter. Viertens: In engen Stadtstraßen tritt neben der Abgasbelästigung eine zusätzliche Geräuschbelästigung für die Anlieger durch den nach oben gerichteten Auspuff ein.
Das eigentliche Problem liegt - unabhängig von der Führung des Auspuffrohres - in der Belästigung durch qualmende Auspuffgase. Es beisteht kein Zweifel, daß das Qualmen nicht unvermeidbar ist; andernfalls wäre die Verwendung von Dieselmotoren überhaupt nicht mehr vertretbar. Jeder Motor kann so eingestellt und erhalten werden, daß die sogenannte Rauchgrenze nicht überschritten wird. Es kommt nur darauf an, dem Qualmen nachdrücklich durch die polizeilichen Überwachungsorgane entgegenzutreten. Die Handhabe zum Einschreiten bieten die Bestimmungen der Straßenverkehrs-Zulassungsordnung in Verbindung mit § 1 der Straßenverkehrsordnung.
Keine Zusatzfrage?
Ich komme zu Frage 15, Frage des Abgeordneten Bading, betreffend Tätigkeit der Hessischen Landesregierung auf dem Gebiet der Aussiedlung von Bauern:
Billigt der Herr Bundesernährungsminister das Verhalten eines Beamten seines Ministeriums, der auf einer Pressekonferenz vor Landfrauen behauptet hat, daß die Hessische Landesregierung bewußt die Initiative der Bauern beschränke, die aussiedeln wollen, und der sich damit verleumderisch in den derzeitigen Landtagswahlkampf eingemischt hat?
Was gedenkt der Herr Bundesminister im Falle des Verneinens der Frage gegen den betreffenden Beamten zu unternehmen, und ist er bereit, eine objektive Würdigung der Tätigkeit der Hessischen Landesregierung auf dem Gebiet der Aussiedlung von Bauern noch vor den Landtagswahlen am 23. November 1958 zu veröffentlichen?
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Frage 15 darf ich wie folgt beantworten. Auf einer Pressekonferenz vor Landfrauen hat in den letzten Wochen kein Beamter des Ministeriums über Aussiedlungsfragen in Hessen gesprochen.
Sollte sich die Frage auf eine Pressekonferenz am 28. Oktober 1958 im Bundespresseamt beziehen, über die eine dpa-Meldung vom 29. Oktober vorliegt, so ist dazu folgendes zu sagen:
Erstens. Die dpa-Meldung gibt den Ablauf der Pressekonferenz mißverständlich und zum Teil unrichtig wieder.
Zweitens. Auf dieser Pressekonferenz hat ein Beamter des Ministeriums an Hand der Zahlentabelle des Ministeriums auf Fragen von Journalisten über das Ergebnis der behördlichen und außerbehördlichen Aussiedlungen in Hessen gesprochen, ohne an den Arbeiten in Hessen Kritik zu üben. Es wurden für Hessen folgende Zahlen genannt: Aussiedlungen im behördlichen Verfahren 1956/1957: 151 Betriebe und 1957/1958: 270 Betriebe, zusammen 421 Betriebe; Aussiedlungen außerhalb eines behördlichen Verfahrens 1956/1957: 16 Betriebe und 1957/58: 75 Betriebe, zusammen 91 Betriebe.
Drittens. Für die Folgerungen, die die Presse aus dieser Darstellung gezogen hat, kann der Beamte nicht verantwortlich gemacht werden. Es ist deshalb kein Anlaß gegeben, das Verhalten des Beamten zu beanstanden.
Ich bin bereit, auch wenn das nicht mehr bis zu dem in der Frage genannten Termin möglich ist, eine objektive Würdigung der Tätigkeit der Hessischen Landesregierung auf dem Gebiete der Aussiedlung zu veröffentlichen, falls Sie Wert darauf legen.
Keine Zusatzfrage?
Der Herr Bundesminister bittet darum, gleich die zwei weiteren Fragen, die an ihn gestellt werden, beantworten zu können, da er dringend verreisen muß. Ich nehme an, das Haus ist damit einverstanden.
Ich komme zur Frage 17, Frage des Abgeordneten Walter, betreffend Verlängerung der Laufzeit von anläßlich der Hochwasserkatastrophe 1957 von landwirtschaftlichen Betrieben aufgenommenen Schadenskrediten:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß eine Vielzahl von landwirtschaftlichen Betrieben in Hessen und anderen Bundesländern, die infolge der Hochwasserkatastrophe 1956 Schadenskredite aufnehmen mußten, durch die im Sommer 1958 erneut aufgetretenen Witterungsschäden in eine so bedrängte Lage geraten sind, daß ihnen die Rückzahlung der am 31. Dezember 1958 fälligen Rate in Höhe von 25 v. H. des Darlehnsbetrages ohne Existensgefährdung unmöglich ist?
Ist die Bundesregierung bereit, die Laufzeit der Kredite in angemessener Weise zu verlängern?
Bitte, Herr Minister.
Im Jahre 1958 sind Witterungsschäden nur regional begrenzt aufgetreten. Schadensmeldungen in Höhe von 20 Millionen DM liegen nur vom Lande Niedersachsen vor.
Die Voraussetzungen für Hilfsmaßnahmen des Bundes sind nicht gegeben, da nach dem Beschluß des Deutschen Bundestages vom 1. Februar 1957 ein Eingreifen der Bundesregierung nur subsidiär und nur dann in Frage kommen kann, wenn dem zuständigen Land eine ausreichende Hilfe nicht zuzumuten ist.
Ich bin jedoch bereit - ich beantworte die Frage im Einvernehmen mit dem Bundesminister der Finanzen -, in den durch Witterungsschäden 1958 betroffenen Gebieten, soweit sie in den Hochwasserschadensgebieten des Jahres 1956 liegen und soweit zur Milderung der Ernteschäden 1954 und 1956 Darlehen aus öffentlichen Mitteln gegeben
Bundesernährungsminister Dr. h. c. Lübke
wurden, die Rückzahlungsfrist für diese Darlehen bis 1964 zu verlängern. Die am 31. Dezember 1958 fällige Tilgungsrate kann gestundet werden. Voraussetzung dafür ist, daß das Land die Laufzeit der aus Landesmitteln gegebenen Darlehnsteile ebenfalls verlängert. Eine entsprechende Regelung ist für die zinsverbilligten Bankdarlehen vorgesehen, sofern das Land bereit ist, den auf das Land entfallenden Anteil an Zinsverbilligungsmitteln zu übernehmen.
Keine Zusatzfrage?
Dann komme ich zur Frage 22, Frage des Abgeordneten Rehs, betreffend Bundesmittel für Zwecke der Neusiedlung in den Jahren 1953 bis 1958:
Ich frage den Herrn Bundesernährungsminister, wieviel Bundesmittel für Zwecke der Neusiedlung von 1953 his 1958 bereitgestellt worden sind und welcher Anteil hiervon auf die Durchführung
a) des Bundesvertriebenengesetzes ({0}) und
b) des Siedlungsförderungsgesetzes
entfällt.
Für die Neusiedlung sind in den Jahren 1953 bis 1958 insgesamt rund 780 Millionen DM Bundeshaushaltsmittel bereitgestellt worden. Von diesen Mitteln entfallen auf Vertriebene und Sowjetzonenflüchtlinge rund 526 Millionen DM, auf Einheimische rund 254 Millionen DM; das sind zusammen also rund 780 Millionen DM.
Eine Zusatzfrage? - Herr Abgeordneter Rehs!
Rehs ({0}) Herr Minister, sind die Summen, die Sie für die Vertriebenensiedlung genannt haben, auch tatsächlich nur für Neusiedlung oder auch für Kauf- und Pachtstellen aufgewendet worden?
Kauf- und Pachtstellen fallen unter Eingliederungsmaßnahmen, sind also nicht darunter. In den Jahren 1953 bis 1958 sind für die Eingliederung der Heimatvertriebenen 264 Millionen DM ausgegeben worden, so daß Sie zu der ersten Summe von 526 Millionen DM noch diese rund 264 Millionen DM hinzuzählen müssen.
Keine weitere Zusatzfrage? - Ich komme zurück zur Frage 16 - des Abgeordneten Josten - betreffend Autobahn Montabaur-Trier und Bitburg-Köln:
Ist die Bundesregierung bereit, die Autobahn MontabaurTrier einbahnig beschleunigt fertigzustellen, und bis zu welchem Zeitpunkt ist mil dem Bauabschluß zu rechnen?
Hat die Bundesregierung schon konkrete Pläne ausgearbeitet für eine Verbindungsstraße von der Autobahn Montabaur Trier durch die Eifel zu der projektierten Straße Bitburg-Köln, und wenn nicht, ist sie bereit, eine solche Baumaßnahme für die kommenden Jahre mit einzuplanen, um dadurch das Straßennetz der Eifel zu verbessern?
Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu der Anfrage des Herrn Abgeordneten Josten folgendes:
Der Bau einer Autobahn zwischen Montabaur und Trier war vor dem Krieg geplant und auf längeren Abschnitten begonnen worden. Auf Grund der nach dem Krieg durchgeführten Untersuchungen wird jedoch nur der Abschnitt von Montabaur bis zur Bundesstraße 9 nördlich Koblenz als Autobahn gebaut werden, während für den Abschnitt zwischen der B 9 und Trier - entsprechend auch einem Ersuchen des Deutschen Bundestages in seiner 133. Sitzung am 8. März 1956 - ein bundesstraßenmäßiger Ausbau vorgesehen ist. Mit dem als einbahnige Autobahn geplanten Abschnitt von Montabaur bis zur B 42 bei Vallendar wurde 1957 begonnen. Die Fertigstellung dieses Abschnitts ist im Herbst 1961 zu erwarten. Der Abschnitt zwischen der Bundesstraße 42 und der Bundesstraße 9 nördlich Koblenz, in den der Bau einer Rheinbrücke fällt, soll 1959 begonnen und voraussichtlich im Frühjahr 1963 fertiggestellt werden.
Die an die Autobahn Montabaur Koblenz anschließende Verbindung Koblenz-Trier, die bundesstraßenmäßig ausgebaut werden soll, ist im Ausbauplan für die Bundesfernstraßen enthalten. Ihr Bau wird kontinuierlich vorangetrieben. Mit einer ersten Teilstrecke wurde 1958 begonnen. Es ist beabsichtigt, zunächst solche Strecken bevorzugt auszubauen,. die an Idas vorhandene Straßennetz angeschlossen werden können und bei denen in wirtschaftlicher Weise auf Vorkriegsleistungen im Zuge der früheren Autobahnstraße zurückgegriffen werden kann. Diese Voraussetzungen treffen insbesondere für die Strecke Kaisersesch-Wittlich zu, von der die Teilstrecken bei Ulmen und Mehren sowie zwischen Hasborn und Wittlich .als einbahnige Autobahn bereits früher fertiggestellt sind.
Mit der im zweiten Teil der Fragegenannten Verbindung zwischen der Autobahn Montabaur-Trier und der Straße Bitburg-Köln dürfte die südliche Hälfte der vor dem Kriege geplanten Eifelautobahn Bonn-Trier gemeint sein. Diese Verbindung ist bislang nicht als dringlich bezeichnet worden. Konkrete Pläne hierüber liegen nicht vor. Es ist auch nicht beabsichtigt, solche aufzustellen. Es ist bekannt, daß neuerdings von interessierten Stellen Untersuchungen über ihre Zweckmäßigkeit ohne Mitwirkung der Straßenbauverwaltung eingeleitet sind.
Die angeregte Verbesserung des Straßennetzes der Eifel dürfte sich durch den Ausbau der Bundesstraßen 258 und 257 zwischen Blankenheim und Ulmen erreichen lassen.
Eine Zusatzfrage? Herr Abgeordneter Josten.
Ist Ihnen, Herr Staatssekretär, bekannt, daß die Bemühungen zur Industrieansiedlung in der Eifel oder die Werbung der Fremdenverkehrsorganisationen in diesem Raume oft nicht den wünschenswerten Erfolg haben, weil die Verkehrsverbindungen noch ungenügend sind? Sind
) Sie daher bereit, mit den von Ihnen zitierten Stellen entsprechend zu verhandeln, damit das Netz der Bundesstraßen in der Eifel verbessert wird?
Wir sind bereit, Herr Abgeordneter, uns mit jeder Institution zu unterhalten, die glaubt, berechtigte und begründete Vorschläge auf dem Gebiet des Straßenwesens unterbreiten zu können. Diese Zusage kann ich Ihnen heute geben.
Ich danke Ihnen.
Frage 18 - des Abgeordneten Dürr - betreffend Deutsche Bundespost:
Weshalb zieht die Deutsche Bundespost Gebühren für vom Empfänger nicht bestellte Zeitungen und Zeitschriften ein?
Wäre es nicht besser, wenn der die Gebühren einziehende Beamte den Empfänger oder seinen Beauftragten unaufgefordert darauf hinweisen müßte, daß er die Gebühren für eine von dritten Personen bestellte Zeitschrift erheben soll?
Der Herr Staatssekretär im Bundesministerium für das Post- und Fernmeldewesen.
Herr Präsident! Ich darf die Frage des Herrn Abgeordneten Dürr wie folgt beantworten:
Jedermann kann bei den Postämtern Zeitungen und Zeitschriften bestellen. Eine Lieferung durch die Post ist aber auch möglich, wenn die Zeitung oder Zeitschrift direkt beim Verleger bestellt wird
oder wenn der Verleger, ohne daß eine solche Bestellung vorliegt, das Blatt aus irgendwelchen Gründen liefern will. Im ersteren Falle wird das Zeitungsgeld durch die Post eingezogen; im anderen Falle ist es Sache des Verlegers, wie er zu seinem Gelde kommt oder ob er etwa im Einzelfall auf die Bezahlung verzichtet.
Die Vorschriften der Postordnung ermöglichen es dem Verleger also, Zeitungen und Zeitschriften auch Empfängern zukommen zu lassen, die sie nicht bestellt haben.
Nach einiger Zeit kann der Verleger bei dem Empfänger nachfragen, ob er die ihm zugegangene Zeitung nunmehr durch die Post beziehen will.
Ich entnehme Ihrer Frage, Herr Abgeordneter, daß es sich in Ihrem Falle um ein Blatt handelte, das der Verleger in der geschilderten Weise Ihnen zum Postbezug angeboten hatte. Dieses Angebot können Sie - wie Sie ja auch jede bereits im Postabonnement bezogene Zeitung oder Zeitschrift abbestellen können - jederzeit ablehnen, indem Sie die Zahlung an den Zusteller verweigern. Es handelt sich also insoweit um einen völlig normalen Vorgang, wie er sich bei jeder Einziehung von Zeitungsbezugsgeld immer wieder abspielt.
Die Zusteller der Deutschen Bundespost sind übrigens durch Dienstvorschriften angewiesen, bei bisher nicht durch die Post bestellten Stücken darauf hinzuweisen, daß es sich um eine bisher im Postabonnement noch nicht bezogene Zeitung oder
Zeitschrift handelt. Wenn dies in Ihrem Falle nicht geschehen sein sollte, so würde ich dies bedauern. Sollten Sie etwa das Abonnementgeld versehentlich bezahlt haben, so ist Ihnen die Post behilflich, daß Sie das Geld zurückerhalten.
Allgemein möchte ich bemerken, daß der Postzeitungsdienst stark defizitär ist und die Dienststellen der Deutschen Bundespost sehr belastet. Bisher wird das Zeitungsgeld ohne Erhebung einer besonderen Gebühr eingezogen. Das bisher unentgeltliche Inkasso wird sich in dieser Form künftig kaum aufrechterhalten lassen.
Eine Zusatzfrage? - Das ist nicht der Fall.
Ich komme zur Frage 19 - des Abgeordneten Dürr - betreffend bundeseinheitliche Neuregelung des Ausweiswesens für Schwerbeschädigte und Schwererwerbsbeschränkte:
Hält die Bundesregierung eine bundeseinheitliche Neuregelung des Ausweiswesens für Schwerbeschädigte und Schwererwerbsbeschränkte für notwendig? Wenn ja, wie weit sind die Vorarbeiten gediehen?
Herr Staatssekretär Dr. Anders vom Bundesministerium des Innern!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Antwort lautet: Mit Rundschreiben vom 3. August 1957, veröffentlicht im Gemeinsamen Ministerialblatt S. 395, hat der Bundesminister des Innern Richtlinien über Ausweise für Schwerbeschädigte und Schwererwerbsbeschränkte bekanntgegeben, die von den zuständigen obersten Landesbehören im Benehmen mit dem Bundesministerium des Innern erarbeitet waren. Damit gelten seit dem 1. April 1958 im gesamten Bundesgebiet einheitliche Ausweise für Schwerbeschädigte und Schwererwerbsbeschränkte. Für eine nochmalige Neuregelung besteht daher keine Veranlassung, zumal da sich die Richtlinien vom 3. August 1957 bewährt haben. Das schließt nicht aus, daß diese Richtlinien - eventuell in Anpassung an etwaige Änderungen auf dem Gebiet der Vergünstigungen - im Vereinbarungswege geändert oder ergänzt werden. Auf diese Möglichkeit habe ich bereits in der Beantwortung der Anfrage des Herrn Abgeordneten Döring in der Fragestunde am 7. Mai 1958 hingewiesen.
Eine Zusatzfrage? - Das ist nicht der Fall.
Ich komme zur Frage 20 - des Abgeordneten Berlin - betreffend Kindergeld für Zählkinder:
Da die Mutter eines unehelichen Kindes von dem später verheirateten Vater, der vier eheliche Kinder hat, keinen Unterhalt bekommt, das uneheliche Kind aber nach dem Kindergeldgesetz als Zählkind gilt und somit an die Familie des Vaters ein Betrag von 90 DM Kindergeld für drei Kinder monatlich gezahlt wird, frage ich die Bundesregierung:
Hat ein uneheliches Kind als Zählkind bzw. die Mutter einen rechtlichen Anspruch auf 30 DM Kindergeld?
Wenn nicht, wie hoch ist der Anteil für das uneheliche Zählkind oder für uneheliche Zählkinder?
Welche Bestimmungen sind für einen Kindergeldanspruch unehelicher Zählkinder maßgebend, und welche Kinder sind nach dem Gesetz theoretisch die Begünstigten für den Erhalt von Kindergeld, die älteren oder die jüngsten Kinder?
Vizepräsident Dr. Jaeger
Das Wort hat der Herr Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf zum besseren Verständnis dieser Frage vorausschicken, daß uneheliche Kinder nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches nur im Verhältnis zur Mutter, jedoch nicht im Verhältnis zum Vater als eheliche Kinder gelten. Seit dem 1. Oktober 1957 gelten aber auch uneheliche Kinder im Sinne des Kindergeldgesetzes dann im Verhältnis zum Vater als Kinder, wenn dessen Vaterschaft oder Unterhaltspflicht festgestellt ist.
Die Anfrage betrifft einen Vater eines unehelichen Kindes, der aus einer später geschlossenen Ehe vier weitere Kinder hat. Er erhält für drei Kinder Kindergeld.
Den Kindern selbst steht nach der Kindergeldgesetzgebung - damit beantworte ich den zweiten Absatz der Frage - nie ein unmittelbarer Anspruch auf Kindergeld zu. Eine uneheliche Mutter könnte nur dann einen eigenen Kindergeldanspruch haben, wenn sie selbst drei oder mehr Kinder hat, was hier offenbar nicht der Fall ist.
Das Kindergeld soll aber nicht nur den Kindern zugute kommen, für die es gewährt wird, sondern allen Kindern. Deswegen kann das Vormundschaftsgericht anordnen, daß das Kindergeld auch an eine andere Person oder Stelle ausgezahlt wird als an den Kindergeldberechtigten, wenn das Wohl des Kindes dies erfordert. Eine solche Anordnung kommt in Betracht, wenn, wie im vorliegenden Fall, der Vater seiner Unterhaltspflicht gegenüber seinem unehelichen Kind nicht nachkommt. Empfänger des Kindergeldes ist dann die Mutter oder auch das Jugendamt.
Das Kindergeld ist auf die einzelnen Kinder je nach den im Einzelfall gegebenen Verhältnissen aufzuteilen. Das Jugendamt ist gegebenenfalls hierbei zu hören. Die Vormundschaftsgerichte teilen in der Regel das Kindergeld gleichmäßig auf alle beteiligten Kinder auf.
Zum letzten Absatz der Frage ist zu sagen, daß der Anspruch auf Kindergeld in der zeitlichen Reihenfolge der Geburt der Kinder entsteht, daß aber das Kindergeld allen Kindern gleichmäßig zugute kommen soll.
Eine Zusatzfrage?
In dem betreffenden Falle ist die Aufteilung des Kindergeldes von 90 DM durch das Jugendamt auf die fünf Kinder mit je 18 DM erfolgt. Nach Ihrer Antwort ist diese Regelung offenbar richtig?
Das scheint der Fall zu sein. Man müßte das natürlich im einzelnen einmal prüfen. Herr Abgeordneter, das ist nicht so ohne weiteres zu beantworten.
({0})
Ich komme zur Frage 21 - des Abgeordneten Schröter ({0}) - betreffend Zustellung der Verfügung über die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen den Präsidenten der Kommission der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, Hallstein, gegen Botschafter Blankenhorn und Botschafter von Maltzan wegen ihrer dienstlichen Äußerungen über den Minis terialrat Strack:
Wann hat die zuständige Einleitungsbehörde die Einleitungs verfügung über die Einleitung eines förmlichen Disziplinarverfahrens gegen den Präsidenten der Kommission der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, Hallstein, gegen Botschafter Blankenhorn und Botschatter von Maltzan wegen ihrer dienstlichen Äußerungen über den Ministerialrat Strack gemäß § 28 Abs. 1 Satz 3 der Bundesdisziplinarordnung zugestellt?
Das Wort hat der Herr Staatssekretär des Auswärtigen Amts.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eine Verfügung über die Einleitung eines förmlichen Disziplinarverfahrens gegen die genannten drei Beamten ist nicht zugestellt worden. Von der Einleitung des förmlichen Disziplinarverfahrens wurde bislang im Rahmen des pflichtgemäßen Ermessens deshalb abgesehen, weil die Bundesregierung nach sorgfältiger Überprüfung alles ihr bekannten Materials zur Auffassung gelangt ist, daß die Beamten ihre Dienstpflicht nicht verletzt haben.
Die Ermittlungen nach § 21 der Bundesdisziplinarordnung, die gegen die genannten Beamten im Hinblick auf die am 5. Mai 1958 von dem Oberstaatsanwalt in Bonn erhobene Anklage angeordnet worden sind, wurden gemäß § 13 dieses Gesetzes bis zur rechtskräftigen Beendigung des strafgerichtlichen Verfahrens ausgesetzt. Hiervon wurden die drei Beamten mit Verfügung vom 20. Mai 1958 verständigt.
Zu einer Zusatzfrage der Abgeordnete Schröter ({0}) !
Ich darf also feststellen, daß gar kein Verfahren läuft. Wie erklären sich die Herren der Bundesregierung dann die Tatsache, daß in zahlreichen Pressemeldungen in großer Aufmachung von der Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen die betreffenden Beamten geschrieben wird und damit eigentlich die Öffentlichkeit irregeführt wird?
Ich habe schon ausgeführt, daß das Ermittlungsverfahren eingeleitet und dann allerdings entsprechend § 13 des Gesetzes bis zur strafrechtlichen Erledigung ausgesetzt worden ist.
Noch eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schröter? Bitte!
Dann sind also auch keine weiteren Maßnahmen, wie es sonst in gleicher Lage bei anderen Beamten geschieht, vorgesehen trotz der gerichtlichen Verfahren, die laufen und die immerhin so beachtlich sind, daß die Staatsanwaltschaft sicher bei Feststellung eines Verschuldens eine längere Strafe beantragen wird? Es sind also keine Maßnahmen wie bei anderen Beamten, etwa Dienstenthebung oder Gehaltseinbehaltung, auch nur in Erwägung gezogen?
Ich habe darauf hingewiesen, daß es sich bei diesen Entscheidungen um Entscheidungen im Rahmen des pflichtgemäßen Ermessens des Dienstherrn handelt.
({0})
Herr Abgeordneter Schröter, eine dritte Frage kann ich nicht zulassen.
Ich komme zur Frage 23 -- des Abgeordneten Ritzel - betreffend Ersatz überalterter Personenwagen der Bundesbahn:
Wieviel Personenwagen der Deutschen Bundesbahn gelten als überaltert?
Innerhalb welcher Frist sollen sie durch neue Wagen heutiger Bauart unter Sicherung des notwendigen Platzangebotes ersetzt. werden?
Welcher Kapitalaufwand ist hierfür erforderlich, und wie verteilt sich dieser Aufwand auf die Wirtschaftsjahre der Deutschen Bundesbahn ab 1959?
Das Wort hat der Herr Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Frage des Herrn Abgeordneten Ritzel enthält drei Teilfragen. Die Teilfrage 1, wieviel Personenwagen der Deutschen Bundesbahn ais überaltert gelten, beantworte ich wie folgt: Die Deutsche Bundesbahn besaß am 31. Oktober 1958 rund 7700 Reisezugwagen, einschließlich rund 1000 Gepäckwagen, die wegen ihres hölzernen Aufbaues und ihres Alters von über 35 Jahren den heutigen betrieblichen und verkehrlichen Anforderungen nicht mehr voll genügen und deshalb als „überaltert" angesehen werden müssen. Das sind 30 % des Gesamtbestandes an Reisezugwagen.
Zweitens wird gefragt, innerhalb welcher Frist die überalterten Wagen durch neue Wagen heutiger Bauart unter Sicherung des notwendigen Platzangebots ersetzt werden. Darauf antworte ich: Der Zustand dieser 7700 Wagen zwingt die Deutsche Bundesbahn zu einer Ausmusterung von etwa 2000 Wagen im Jahr. Danach würden die Wagen mit hölzernem Aufbau etwa bis Ende 1962 auszumustern sein, da der Zustand dieser Fahrzeuge aus wirtschaftlichen und technischen Gründen keine weitere Inbetriebhaltung zuläßt.
Im dritten Teil der Frage wird der erforderliche Kapitalaufwand und die Verteilung dieses Aufwands auf die Wirtschaftsjahre ab 1959 angesprochen. Darauf antworte ich: Um den mit der Ausmusterung der alten Wagen verbundenen Schwund von 400 000 Sitzplätzen auszugleichen, wäre die Beschaffung von 4400 4-achsigen Reisezugwagen zum gegenwärtigen Preis von etwa 770 Millionen DM innerhalb der nächsten vier Jahre, und zwar zu je einem Viertel jährlich erforderlich.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Ritzel!
Eine Frage, Herr Staatssekretär! Sind diese Beträge - also je ein Viertel von etwa 770 Millionen - im normalen Wirtschaftsplan der Bundesbahn wirklich vorgesehen und verplant?
Das kann ich Ihnen heute nicht sagen. Es hängt von den Finanzierungsverhandlungen ab, die, wie Sie wissen, die Deutsche Bundesbahn noch mit dem Bundesfinanzministerium führen wird,
Eine weitere Zusatzfrage? - Herr Abgeordneter Ritzel!
Herr Staatssekretär, wie hoch sind denn die Beträge, die Sie normalerweise im Wirtschaftsplan der Bundesbahn für den Ersatz dieser überalterten und unbedingt auszuscheidenden Wagen vorgesehen haben?
Normalerweise werden das - ich bitte aber, mich nicht auf diese Zahl festzulegen, ich will sie noch einmal genau nachprüfen lassen - etwa 110 Millionen DM - einschließlich Firmenkredit - sein.
Pro Jahr?
Ja.
Ich danke Ihnen.
Ich rufe die Frage 24 - der Abgeordneten Frau Korspeter - auf. Sie betrifft die Verlängerung der Frist von 14 Tagen zur Antragstellung auf vereinfachte und sofortige Auszahlung der drei Monatsrenten beim Tode eines Rentners:
Ist das Bundesarheitsministerium bereit, darauf hinzuwirken, daß beim Tode eines Rentners die Frist von 14 Tagen zur Antragstellung auf vereinfachte und sofortige Auszahlung der drei Monatsrenten an die Hinterbliebenen verlängert wird?
Das Wort hat der Herr Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Daß die Witwen den Antrag auf Zahlung des Vorschusses auf die drei Monatsrenten innerhalb von 14 Tagen beim Postamt
stellen müssen, beruht auf einer Vereinbarung der Bundespost mit den Trägern der gesetzlichen Rentenversicherungen. Nach dem Abschluß der Vereinbarung sind, ohne daß schon Härten bekanntgeworden wären, Zweifel geäußert worden, ob diese Frist von 14 Tagen auch in allen Fällen ausreichen wird. Das Bundespostministerium hat deshalb in einer allgemeinen Verfügung die Postämter angewiesen, dieser Frage ihre besondere Aufmerksamkeit zu widmen und über ihre Erfahrungen zum 1. Februar 1959 mit etwaigen Änderungsvorschlägen zu berichten. Ich bin der Meinung, man sollte den Erfahrungsbericht abwarten, bevor weitere Schritte unternommen werden. Sollte der Erfahrungsbericht für eine Verlängerung der Frist sprechen, sind wir gerne bereit, uns dafür einzusetzen, daß diese Fristgegebenenfalls verlängert wird.
Keine Zusatzfrage.
Ich komme zur Frage 25 - des Abgeordneten Baier ({0}) - betreffend Blockbuchungssystem der Filmverleihe:
Hält die Bundesregierung das Blind- und Blockbuchungssystem der Filmverleihe im Interesse einer natürlichen Auswahl und Förderung guter Filme noch für vertretbar?
Welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung zu unternehmen, um sicherzustellen, daß die Wahlfreiheit der Kinobesitzer gewährleistet wird und sie nicht durch Androhung von Konventionalstrafen zur Aufführung blindgebuchter Filme, die sich als Schundfilme herausstellen, gezwungen werden?
Der Herr Bundesminister für Wirtschaft ist im Augenblick nicht anwesend.
Ich rufe die Frage 26 - des Abgeordneten Pohle - betreffend Freitod von Angehörigen der Bundeswehr auf:
Wieviel Angehörige der Bundeswehr sind seit dem Bestehen der Bundeswehr durch Freitod aus dem Leben geschieden?
Wird in jedem Fall ein eingehender Bericht, der sich auch mit den bekannten bzw. vermuteten Ursachen der Wahl des Freitodes beschäftigt, dem Verteidigungsministerium zugeleitet?
Das Wort hat der Herr Staatssekretär im Bundesministerium für Verteidigung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit Bestehen der Bundeswehr sind 43 Soldaten durch Selbstmord aus dem Leben geschieden.
Zum zweiten Teil der Frage: Durch eine Zentrale Dienstvorschrift ist für die gesamte Bundeswehr befohlen, daß über jedes „Besondere Vorkommnis", wozu in erster Linie auch Selbstmorde gehören, ausführlich ,an den Bundesminister für Verteidigung zu berichten ist. Als Unterlagen für diese Berichte dienen die Untersuchungen der Kriminalpolizei und der Staatsanwaltschaft, die jeden Selbismordfall bearbeiten. Außerdem sind 'die Disziplinarvorgesetzten verpflichtet, die Hintergründe für Selbstmordhandlungen durch Vernehmung von Vorgesetzten und Kameraden, durch Besprechungen mit den Angehörigen und in enger Zusammenarbeit mit den Truppenärzten aufzuklären.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Pohle?
Herr Staatssekretär, stehen diese aktenkundigen Vorgänge im Fall einer Berentung der Hinterbliebenen der Versorgungsverwaltung zur Verfügung?
Es steht den zuständigen Dienststellen natürlich das Recht zu, die Akten 'anzufordern, und ich möchte annehmen, daß das auch geschieht.
({0})
Ich komme zur Frage 25 -- des Abgeordneten Baier ({0}) Halt die Bundesregierung das Blind- und Blockbuchungssystem der Filmverleihe im Interesse einer natürlichen Auswahl und Förderung guter Filme noch für vertretbar?
Welche Malinahmen gedenkt die Bundesregierung zu unternehmen, um sicherzustellen, daß die Wahlfreiheit der Kinobesitzer gewährleistet wird und sic nicht durch Androhung von Konventionalstrafen zur Aufführung blindgebuchter Filme, die sich als Schundfilme herausstellen, gezwungen werden?
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Wirtschaft.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beantworte die Frage unter Absatz 1 wie folgt. Die Problematik des Filmverleihsystems des Blind-und Blockbuchens ist der Bundesregierung bekannt. Es handelt sich um ein System, das in Deutschland und in zahlreichen anderen Filmländern seit vielen Jahren üblich ist. Für das Blind- und Blockbuchen spricht, daß dieses Vermietungssystem einen Risikoausgleich zwischen den Sparten der Filmwirtschaft ermöglicht, die Finanzierung der Filmproduktion weitgehend sichert und die rationellste Form der Filmvermietung darstellt. Alle Sparten der Filmwirtschaft und auch die durch dieses System betroffene Theaterwirtschaft sind sich darüber einig, daß an diesem Vermietungsverfahren grundsätzlich festgehalten werden sollte, um die wirtschaftliche Lage des deutschen Films nicht in Frage zu stellen. Auch würde die Abschaffung dieses Systems nicht ohne weiteres zu einer Hebung der Qualität des deutschen Films führen.
Zu der Frage unter Absatz 2: Mehrere dem Bundestagsausschuß für Kulturpolitik und Publizistik vorliegende Petitionen haben Veranlassung dazu gegeben, daß die beteiligten Bundesressorts zusammen mit den interessierten Kreisen über die mit dem Blind- und Blockbuchen möglicherweise verbundenen Mißstände beraten. Hierbei wird auch erörtert, auf welche Weise zu große Verleihstaffeln zu vermeiden sind und sichergestellt werden kann, daß die Filmtheaterbesitzer bei der Abnahme von Filmen keinem Gewissenszwang ausgesetzt werden. Das Ergebnis dieser Beratungen wird abgewartet werden müssen, ehe geprüft wird, ob seitens der Bundesregierung Weiteres zu veranlassen ist.
Eine Zusatzfrage?
Ja. - Herr Minister, in der freien Wirtschaft ist doch auch sonst ein Verbund von Waren nicht üblich? Haben Sie geprüft, ob die Praxis des Blind- und Blockbuchens gegen die kartellrechtlichen Bestimmungen verstößt?
Herr Minister!
Dieses System beim Film kann, glaube ich, nicht ohne weiteres in Parallele zu dem System der freien Marktwirtschaft gestellt werden.
({0})
Es hat sich als eine rationelle Form erwiesen. Denn es ist natürlich leichter, gleich Staffeln von 6 bis 12 und mehr Filmen zu vermieten, als wenn jeder Film sofort zum Verleih kommt und Einzelabschlüsse getätigt werden müssen. Ich bin aber gern bereit, die Frage zu prüfen und schriftlich zu beantworten.
Eine weitere Zusatzfrage?
Herr Präsident, die erste Frage wurde nicht vollständig beantwortet: Ist von der Bundesregierung bereits geprüft, inwieweit die Praxis des Blind- und Blockbuchens gegen die kartellrechtlichen Bestimmungen verstößt?
Ich kann auch diese Frage beantworten. Im Hinblick auf das große Filmangebot auf dem deutschen Markt ist davon auszugehen, daß eine übermäßige Machtkonzentration des Verleihs gegenüber den Theaterbesitzern in der Regel nicht gegeben ist. Verleihverträge über zu große Staffeln stellen,
falls sie an sogenannten Monopolplätzen erzwungen werden sollten, möglicherweise einen Mißbrauch dar, der zu einem Einschreiten der Kartellbehörde führen könnte.
Damit ist diese Frage erledigt und die Zeit, die für die Fragestunde vorgesehen ist, abgelaufen. Die übrigen Fragen werden in üblicher Weise schriftlich beantwortet. Die nächste Fragestunde ist Mittwoch, den 21. Januar 1959. Sperrfrist für eingehende Fragen: Donnerstag, 15. Januar 1959, 12 Uhr.
Ich komme zum nächsten Punkt, dem Punkt 4 der gemeinsamen Tagesordnung:
Große Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Verbesserung der Verhältnisse in der Bauwirtschaft ({0}).
Es liegen dazu die Anträge Umdruck 185 und Umdruck 186 ({1}) vor.
Das Wort zur Begründung der Großen Anfrage hat der Abgeordnete Leber.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe die Ehre, die von der Fraktion der Sozialdemokraten vorgelegte Große Anfrage über die Verbesserung der Verhältnisse in der Bauwirtschaft vor dem Hohen Hause zu begründen und im einzelnen zu erläutern.
Im Jahre 1945, als Deutschland in Trümmern lag, war für jeden klar, daß die Bauwirtschaft in der
Folgezeit vor einer Aufgabe stehen würde, die ( einem Wirtschaftszweig noch nie in der Geschichte gestellt worden ist und hoffentlich auch nie wieder gestellt werden wird.
In den zwölf Jahren, die seit dem Zusammenbruch im Jahre 1945 vergangen sind, ist von vielen Hunderttausenden in der Bauwirtschaft eine Arbeit geleistet worden, die ihresgleichen sucht. Ich glaube, nachdem dieser Aufbau nun zwölf Jahre im Gange ist und es sich zeigt, daß sein eigentliches Stadium sich abrundet, ist es an der Zeit, anzuerkennen, was hier von Hunderttausenden von fleißigen Menschen geleistet worden ist.
({0})
Und noch etwas muß dazu, glaube ich, herausgestellt werden: die Tatsache nämlich, daß diese Aufbauarbeit mit einer guten Haltung und mit Verantwortungsbewußtsein getan worden ist. Die Einmaligkeit der Situation, die der Bauwirtschaft wegen ihrer Unentbehrlichkeit und der Dringlichkeit der Aufgabe eine einmalige Chance gegeben hätte, ist von der Bauwirtschaft - von ihren Arbeitnehmern, von ihren Unternehmern und von allen denen, die am Baugeschehen beteiligt sind - nicht zum Nachteil des Volksganzen ausgenutzt worden, sondern im Vordergrund hat immer ein spürbares und sichtbares Verantwortungsbewußtsein gestanden.
({1})
Man muß deshalb in diesem Hohen Hause mit einigem Bedauern feststellen, daß sich die Bundesregierung erst nach zwölf Jahren Aufbauarbeit mit einer umfassenden Neuordnung der Bauwirtschaft beschäftigt und daß sie solche Überlegungen erst angestellt hat, als sie durch einen Anstoß der sozialdemokratischen Opposition dazu veranlaßt worden ist.
Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, daß ich einige Bemerkungenn über die Bedeutung und die Charakteristik des Baugewerbes, der Bauwirtschaft mache. Das Bauhauptgewerbe beschäftigt im Durchschnitt 1 300 000 Menschen, das Baunebengewerbe und das Bauausbaugewerbe im Durchschnitt 650 000 Menschen. Dazu kommt die baustofferzeugende Industrie mit etwa 300 000 Beschäftigten, so daß die Bauwirtschaft in ihrer Gesamtheit etwa 2,25 Millionen Arbeitnehmer beschäftigt. Bei einer Gesamtbeschäftigtenzahl von etwa 18,7 Millionen in der Bundesrepublik ist jeder Neunte in der Bauwirtschaft beschäftigt, und im Bauhauptgewerbe mit seinen 1,3 Millionen Beschäftigten werden allein mehr Arbeitnehmer beschäftigt als im Erz- und Kohlebergbau, in der eisen- und stahlschaffenden Industrie und in der chemischen Industrie zusammengenommen.
Gestatten Sie mir, einige charakteristische Kennzeichen der Bauwirtschaft hier zu nennen. Das erste ist die Schlüsselfunktion, die die Bauwirtschaft innerhalb der Gesamtwirtschaft hat. Das zweite ist die Tatsache, daß es sich bei den Problemen, die in dieser Debatte anstehen, nicht ausschließlich um Fragen handelt, die vielleicht zwischen Industriellen
und Arbeitnehmern auszutragen oder nur für sie interessant wären, sondern in diesem Zusammenhang ist es von besonderer Bedeutung, festzustellen, daß die Bauwirtschaft bis heute einen stark mittelständischen Charakter trägt. Es gibt allein im Bauhauptgewerbe und in den Baunebengewerben rund 200 000 Handwerks- und mittelständische Betriebe. Das ist aber noch nicht alles, sondern mit der Fertigung des Bauwerks unmittelbar verbunden sind über die im engeren Sinne zum Baugewerbe zählenden Betriebe hinaus noch Hunderttausende von Schmieden, Schlossern, Klempnern, Tischlern und anderen kleinen Handwerkern. Wenn man den Bogen also weiter spannt, dann kommt man sicher nicht zu einem falschen Ergebnis, wenn man annimmt, daß es sich um 350 000 bis 400 000 mittelständische Unternehmen handelt, die von den hier anstehenden Problemen betroffen werden.
Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung hat bei jeder Gelegenheit ihre Bereitwilligkeit bestätigt, etwas für die Mittelschichten zu tun. Hier wäre eine echte Gelegenheit dazu gewesen. Es ist nicht geschehen. In den Wintermonaten, in denen die Bauarbeiter immerhin noch stempeln gehen können, steht der kleine Handwerksmeister da und kann nicht zum Arbeitsamt gehen. Er hat nichts, wovon er seinen Lebensunterhalt im Winter bestreiten kann, wenn er nicht im Sommer vorgesorgt hat.
Das dritte Charakteristikum, das das Baugewerbe kennzeichnet, ist die Tatsache, daß es ein Bereitschaftsgewerbe ist. Die Bauwirtschaft kann nicht Straßen, Autobahnen, Verwaltungsgebäude oder Wohnungen vorfabrizieren und sie dann, wie das ein anderer Produzent tut, an einen Konsumenten verkaufen, sondern sie muß sich bereithalten, bis der Bauherr auf sie zukommt. Es geht ihm im positiven Sinne gewissermaßen so wie einer wohlerzogenen Dame. Sie muß bereit sein, bis es einem Bauherrn einfällt, sie zu engagieren.
({2})
Das vierte Charakteristikum, das ich nennen möchte, ist der Arbeitsrhythmus. Im Februar 1956 wurden in der Bauwirtschaft 65 Millionen Arbeitsstunden geleistet. Einen Monat später, im März 1956, wurden 170 Millionen Stunden geleistet, und von Juni bis September 1956 wurden im Durchschnitt der Monate 255 Millionen Stunden geleistet. Ab September sank die Kurve wieder, bis sie im Dezember unter den Stand von 100 000 Beschäftigten geriet. Die Folgen einer solchen Entwicklung bestehen ganz einfach darin, daß im Sommer so viele Menschen, so viele Maschinen, so viel Gerät und Kapazität von der Bauwirtschaft bereitgehalten werden müssen, wie im Zeitpunkt der allerhöchsten Anforderungen von den Bauherren der Bauwirtschaft abverlangt werden. Umgekehrt müssen die Arbeitsämter so viele Angestellte, Räume, Stempelschalter usw. zur Verfügung halten, wie beim höchsten Stand der Arbeitslosigkeit im Winter von ihnen verlangt wird. Ich glaube, für jeden Wirtschaftler ist es klar, wie unproduktiv das eine und wie belastend das andere ist.
Gestatten Sie mir nun noch einige Bemerkungen über die Ursachen, die zu diesem Zustand führen. Am Anfang steht der Mensch, stehen der Arbeitnehmer, der Unternehmner und der Bauherr, diese drei, die in erster Linie am Baugeschehen beteiligt sind. Alle drei sind heute noch nicht voll davon überzeugt, daß das Baugeschehen idealerweise ganzjährig durchgeführt werden kann. Vielfach lebt man in alten, traditionellen Vorstellungen und sagt: Es war ja immer so, daß im Winter ausgesetzt wurde. Der Bauherr sagt: Früher ist doch auch nicht im Winter gebaut worden; im Winter ist die Qualität schlecht; das kostet viel mehr Geld usw. Es sind also in erster Linie Vorstellungen, die im Gestern, die in der Vergangenheit wurzeln. Die Ursache dafür liegt vor allem in der Unaufgeklärtheit; die Menschen sind eben nicht über den neuesten Stand der Technik und der Wissenschaft und die in der Praxis gemachten Erfahrungen informiert. Es ist nicht schlechter Wille.
Ich möchte Ihnen aber an einigen Beispielen aufzeigen, daß es neben der Tradition und dem Gestern-verhaftet-Sein noch andere Gründe für die Mängel gibt. Wenn hier nicht Abhilfe geschaffen wird, nützt auch der beste Wille der Bauherren, Bauunternehmer und Arbeitnehmer nichts, die Bauarbeit das ganze Jahr hindurch, auch im Winter, fortzuführen. Da ist zunächst einmal die Frage der Unterkünfte für die Bauarbeiter. Wer sich die Baustellen im Ausland ansieht, wird dort zum Teil sehr fortschrittliche, nachahmenswerte Verhältnisse vorfinden. Bei uns ist das nicht der Fall. Ich möchte meinen, daß in der Bundesrepublik Deutschland im Hinblick auf die Unterbringung von Bauarbeitern auf Baustellen die rückschrittlichsten Verhältnisse in Europa bestehen,
({3})
und zwar aus einem ganz einfachen Grund. Sie wissen, daß die Baustelle des Bauarbeiters nicht immer an seinem Wohnort liegt. Für die Unterbringung von Bauarbeitern auf Baustellen gilt in Deutschland heute aber noch die Lagerverordnung vom 14. Juli 1943, die für die lagermäßige Unterbringung von russischen Kriegsgefangenen erlassen worden ist.
({4})
Verschiedene Male ist versucht worden, diese Lagerverordnung zu ändern. Ich habe mich beim Lesen dieser Lagerverordnung gewundert. Da findet sich im letzten Abschnitt die Zeile: „Diese wird außer Kraft gesetzt durch Beschluß des Reichsministers für Arbeit." Den haben wir seit einiger Zeit nicht mehr. Vielleicht ist das ein Grund dafür, daß diese Lagerverordnung heute immer noch in Kraft ist.
({5})
Eine weitere Ursache für den gefährlichen Arbeitstrend ist die Tatsache, daß sich die Bauaufgaben so gut wie ausschließlich in den Sommermonaten zusammenballen. Das gehört in den Verantwortungsbereich der Bauherren. Diesen Bauherrn muß man sich genauer ansehen. Das ist ein ganz besonderer Typ. Bauherren, die als AusfühLeber
rende oder als Geldgeber das Baugeschehen maßgeblich beeinflussen, sind bei uns in Deutschland nicht irgendwelche Privatpersonen und Staatsbürger, sondern Bauherren sind zu 70 % des gesamten Bauvolumens die öffentliche Hand, die Länder und Gemeinden. Und diese öffentliche Hand konzentriert seit Jahrzehnten ihre Bauaufgaben so gut wie ausschließlich auf die Sommermonate.
Mir ist soeben eine Mitteilung in die Hand gegeben worden, die ich Ihnen nicht vorenthalten möchte, denn sie zeigt, wie leichtfertig hier gehandelt wird, ohne Rücksicht darauf, ob das Klima, die witterungsbedingten Verhältnisse usw. eine Fortführung der Bauarbeiten ermöglichen. Es handelt sich um eine Mitteilung über eine gestern beantragte Massenentlassung von 400 Bauarbeitern auf einer Baustelle zwischen Aschaffenburg und Nürnberg. Im Augenblick weiß man noch gar nicht, wie kalt der jetzige Winter überhaupt sein wird. In dem „strengen" Winter 1957/58 haben wir - gemessen bei der Wetterwarte Frankfurt - nur einen einzigen Tag gehabt, an dem die Temperatur unter 7 Grad gesunken ist. Das war im vergangenen Winter. Jetzt, da man noch gar nicht weiß, wieviel Kältetage es geben wird, geschieht folgendes. Es wird ein Antrag auf Massenentlassung beim Arbeitsamt Aschaffenburg gestellt, und zwar auf Stilllegung der Autobahnbaustelle Waldaschaff auf der Autobahn Frankfurt-Nürnberg, also im bayerischen Bereich. Es heißt, daß diese Maßnahme durchgeführt werden müsse, weil die Autobahnverwaltung untersagt habe, in der Zeit vom 15. Dezember bis 15. März zu bauen.
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Da haben Sie ein typisches Beispiel dafür, wie das gemacht wird. Das ist gar nicht von der Witterung, nicht von dem Willen der Unternehmer, der Arbeitnehmer und der Bauherren abhängig, sondern die öffentliche Hand bestimmt ganz einfach: Es wird in dieser Zeit nicht gebaut; es wird im Sommer gebaut.
Lassen Sie mich noch ein anderes Beispiel geben. In Fulda, einer Stadt, die doch mit der Arbeitslosenversicherung eigentlich in einem sehr guten Kontakt stehen sollte, ist folgendes passiert. Für das dortige Arbeitsamt wird ein großer Erweiterungsbau vorgenommen. In den Ausschreibungsbedingungen für den Bau des Arbeitsamts Fulda . heißt es in Punkt 12 - Herr Präsident, ich zitiere mit Ihrer Genehmigung -:
Der Unternehmer hat die Arbeiten so zu fördern, daß der Bautermin
- also die Bauzeit unter allen Umständen eingehalten wird. Eventuell ist mit teilweise zehn- bis zwölfstündigen Arbeitsschichten zu rechnen. Es dürfen hieraus keine Nachteile und Mehrkosten für die Bauleitung entstehen.
In Punkt 13 der Ausschreibungsbedingungen heißt es:
Gegebenenfalls müssen die Rohbauarbeiten des
Erweiterungsbaus so beschleunigt werden, daß
mit zwei Arbeitsschichten zu je acht Stunden
pro Tag gerechnet werden muß. Hierfür sind die entstehenden Mehrkosten am Schluß des Leistungsverzeichnisses für den Erweiterungsbau prozentual einzusetzen, und der Zeitgewinn ist anzugeben.
Meine Damen und Herren, das passiert am grünen Holz bei einem Bau der Arbeitsverwaltung der Arbeitslosenversicherung, die doch eigentlich wissen müßte, daß jede Überstunde, die sie im Sommer verlangt, einen arbeitslosen Tag im Winter auslösen muß.
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Wenn sich die Arbeitslosenversicherung solche Bauzeiten im Sommer leistet, dann kann man dies einem privaten Bauherrn, der sich dasselbe leistet, eigentlich gar nicht mehr als Todsünde anrechnen. Erst nach dem Eingreifen der Gewerkschaft ist das dortige Staatsbauamt - die Arbeitslosenversicherung führt die Arbeit ja nicht in eigener Regie aus, sondern überträgt sie an das Staatsbauamt - zur Einsicht gekommen.
Ich will Ihnen einen weiteren Fall schildern. Bei der Frankfurter Universität wird ein großer Erweiterungsbau vorgenommen. Das dortige Universitätsbauamt hat am 14. Oktober einen Brief bei der Post aufgegeben, der für die Ausschreibung dieses Bauauftrags im Bundesbaublatt vom 18. Oktober bestimmt war. Darin wird ausgeschrieben, daß ab 13. Oktober die Unterlagen für die Ausschreibung abgeholt werden können und daß der Zuschlag bereits am 22. Oktober erfolgt. Wenn Sie bedenken, daß der 18. ein Samstag und der 19. ein Sonntag war, dann werden Sie erkennen, daß dem Unternehmer eigentlich nur ein einziger Tag für seine Kalkulation übrig blieb. Er hatte nicht einmal Zeit, sich die Baustelle anzusehen; er mußte über den Daumen peilen, anstatt Tausende von Positionen auszurechnen. Wie das im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit, auf ein echtes Preisgebaren aussieht, kann jeder feststellen, auch wenn er mit der Bauwirtschaftlich nicht vertraut ist.
Ich will Ihnen noch einen Fall nennen, der sich auf die Zusammenballung von Bauarbeiten im Sommer, auf die Kürze von Bauzeiten bezieht. Der Herr Bundesinnenminister ist leider nicht da; es würde ihn vielleicht interessieren. In Schwandorf in Bayern wird eine Kaserne für den Bundesgrenzschutz gebaut. Die Bausumme beträgt nach den Auskünften, die zu erhalten mir möglich war, 10 Millionen DM. Davon entfallen erfahrungsgemäß etwa 55 % auf den Rohbau; das wären also 5,5 Millionen DM. Von der Bauleitung ist zwingend vorgeschrieben, daß dieses Bauvorhaben in 55 Tagen durchgeführt werden muß. Der Bauunternehmer muß für jeden weiteren Tag, an dem der Bau nicht zu Ende ist, eine Konventionalstrafe von 15 pro mille zahlen. Es müssen 400 Menschen angesetzt werden. Es ist also mit 5,5 Millionen DM Bausumme in 55 Tagen täglich eine Auftragssumme von 100 000 DM zu bewältigen. Auf den Kopf des Arbeitnehmers entfallen also an einem Tag 250 DM Bauvolumen. Meine Damen und Herren, bei einem Lohnanteil von 30 % bedeutet das, daß der Arbeitnehmer etwa 16 bis 18 Stunden am Tag arbeiten
müßte, um in der vorgeschriebenen Zeit seine Bauaufgaben durchführen zu können. Auf Vorstellungen, die gemacht worden sind, hat der die Bauleitung betreibende Baurat erklärt, das seien ihre Normen, und an diese Normen würden sie sich halten.
Ich möchte dazu allen Ernstes und mit allein Vorbedacht sagen: Leute, die solche Fristen setzen, die nur gehalten werden können, wenn am Tag 16 bis 18 Stunden gearbeitet wird, unterscheiden sich nach meiner Auffassung in der Gesinnung, die dahintersteht, und in dem, was sie den Menschen abverlangen, nicht um einen Deut von denen, die man auf der anderen Seite des Eisernen Vorhangs mit den Namen Stachanow oder Hennecke bezeichnet.
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Die betreffenden Leute müssen sich doch darüber klar sein, daß, wenn man Bauzeiten verlangt, die (einfach nichteingehalten werden können, Unternehmer und Arbeiter dazu gezwungen werden, gegen bestehende Gesetze, die zur allgemeinen Ordnung erlassen sind, gegen Tarifverträge, die die soziale Ordnung zu garantieren haben, zu verstoßen.
Man soll diese Vorfälle auch im Hinblick auf die Folgen betrachten, die daraus entstehen. Eis handelt sich erstens um betriebswirtschaftliche Folgen. Betrachten Sie einen solchen Trend zur höchsten Anspannung dm Sommer und Beschäftigungslosigkeit
- nicht nur für Arbeitnehmer, sondern auch für Maschinen und Einrichtungen -- im Winter unter dem Gesichtspunkt der Produktivität, unter dem Gesichtspunkt der Kosten für Abschreibung und Kapitalbedienung und dem weiteren Gesichtspunkt, daß in dem Maße, in dem die Bauwirtschaft technisiert worden ist, eine solche Arbeit nicht mehr mit Hilfskräften getan werden kann, sondern daß zu ihr qualifiziertestes technisches Personal nötig ist! Solches Personal kann man nicht vier bis fünf Monate beschäftigen und dann heimschicken, denn dann kommen die Arbeitnehmer nicht mehr in den Betrieb zurück. Sie müssen ganz einfach das ganze Jahr über beschäftigt werden, auch dann, wenn die Maschinen nicht das ganze Jahr über produktiv eingesetzt sind.
Eine große deutsche Baufirma, die zu den drei größten industriellen Unternehmen gehört, hat errechnet, ,daß ihr Maschinenpark im Bereich des Tiefbaus im Jahre 1956 nur zu 40 % eingesetzt war. Es sind Milliarden-Kapazitäten, die nutzlos herumstehen, die nicht produktiv auf den Baustellenverwertet werden können, die nur wenige Monate hindurch eingesetzt sind, während denen aber die Amortisation und die Kosten für das ganze Jahr verdient werden müssen.
Die Folgen sind nicht nur betriebswirtschaftlicher Art, sondern gehen auch die Volkswirtschaft im besonderen Maße an. Damit wird klar, daß es um eine Sache geht, die nicht nur das Baugewerbe allein betrifft. Die Höhe des Aufwandes, die Höhe der Nachfrage nach Bauleistungen im Sommer bestimmen die Größe der Kapazität in personeller und maschineller Hinsicht.
Das Bauvolumen von 25 Milliarden DM, das wir 1956 und auch 1957 bewältigt haben, könnte man
bei gleichmäßigerer Verteilung der Bauarbeiten über das ganze Jahr mit ,einer wesentlich geringeren Kapazität bewältigen. Oder man könnte mit der vorhandenen Kapazität, die auf die Arbeitsspitze im Sommer abgestellt ist, bei Beschäftigung durch das ganze Jahr hindurch ein wesentlich höheres Bauvolumen bewältigen. Es ist für die Allgemeinheit sicher nicht gleichgültig, ob 1 oder 2 Milliarden DM in Baukapazität investiert werden oder ob das nicht nötig ist.
Unter volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten ist weiterhin sehr wesentlich die Tatsache, daß bei einem normalen, diese besonderen Anspannungen im Sommer und Flauten im Winter vermeidenden Verlauf der Bautätigkeit der Wettbewerb im Bangewerbe funktioniert. Die Bauwirtschaft ist nach meiner Auffassung ein Wirtschaftszweig - wenn normale Verhältnisse und normale Betätigung vorliegen -, die der Herr Bundeswirtschaftsminister von Zeit zu Zeit eigentlich mit Anerkennung bedenken müßte. Er hat das Gegenteil getan.
Ich komme darauf zu sprechen. Durch die Zusammenballung im Sommer entstehen Auswirkungen ,auf den Wettbewerb. Die Zusammenballung von Bauaufträgen führt zu Erscheinungen, die keiner von uns will, nämlich zu Preisabsprachen und anderen Auswüchsen und zur Ausschaltung des Wettbewerbs. Wenn der Herr Bundeswirtschaftsminister sich dagegen wehrt, darf er sicher auf die Unterstützung der gesamten Bevölkerung rechnen, soweit sie hierüber nachdenkt. Aber dieses Problem ist mit ,einem Hinweis, ist mit Kritik an dem Verhalten der Bauwirtschaft oder der Bauunternehmer nicht gelöst, !sondern man muß da etwas tiefer hineinschauen und danach fragen, wo die Ursachen dafür liegen und wer die Schuld dafür trägt, daß das so ist.
Ich habe gesagt, das Bauvolumen geht zu 70 % auf Leistungen, Aufträge oder Finanzierungen der öffentlichen Hand zurück. Die öffentliche Hand ist in 70 % direkt oder indirekt Bauherr. Sie eist daran schuld, daß die Bautätigkeit sich so auf die Sommermonate konzentriert. Sie hat nichts Entscheidendes getan, eine Entzerrung der jetzt bestehenden Verteilung der Bautätigkeit über das Jahr herbeizuführen. Die öffentliche Hand ist es, die damit die Leistungsfähigkeit des ganzen Wirtschaftszweiges im Sommer bis zum Äußersten anspannt und damit die Voraussetzungen für ein Funktionieren des Wettbewerbs beseitigt. Kann man einem Unternehmer, der schon Aufträge genug hat, der schon bis zum Äußersten angespannt ist, dessen Arbeitnehmer und Maschinen ausgelastet sind und der eigentlich keine Aufträge mehr haben will, übelnehmen, wenn er bei der Angebotsabgabe nicht mehr so scharf kalkuliert und unter Umständen bereit ist, auf einen Kampf mit einem Konkurrenten zu verzichten, auf den er normalerweise nicht verzichten kann, weil er den Auftrag braucht? Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat, glaube ich, nicht genug bedacht, daß eigentlich die öffentliche Hand, für die die Bundesregierung doch nicht an letzter Stelle zuständig ist, erst die Voraussetzungen für die Ausschaltung des Wettbewerbs liefert. Darf man
unter solchen Umständen die Schuld auf den Unternehmer abschütteln, wenn man vorher den Wettbewerb ausschaltet und obendrein noch das Gewinnstreben zum Leitmotiv der Wirtschaftsordnung erklärt? Die Schuld an diesen Zuständen trägt die Bundesregierung, tragen die Landesregierungen, tragen die Gemeinden, trägt die öffentliche Hand. Die Bundesregierung - ({9})
--- Sie ist an erster Stelle verantwortlich, und wir sind im Bundestag und nicht in einem Landtag, mein Herr! - Sie hat in all diesen Jahren nichts von Bedeutung getan, um einen echten Wettbewerb in Gang zu bringen. Sie hat vielmehr auf dem Gebiet der Bauwirtschaft eine beispiellose Prinzipien- und Ideenlosigkeit bewiesen.
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Ich komme auf einen kleinen Vergleich, nämlich auf den Vergleich der Jahre 1956 und 1957. Das Jahr 1957 brachte eine Änderung im Verhältnis zu allen vorangegangenen Jahren. Die Ausfälle im Frühjahr waren nicht so groß, die Arbeitslosigkeit nicht so hoch und die Anspannung im Sommer ebenfalls geringer. Es war also ausgeglichener als das Jahr 1956, veranlaßt dadurch, daß aus dem Jahr 1956 noch ein außerordentlich großer Überhang an nicht fertiggestellten Bauten vorhanden war, daß durch die sogenannte Lex Preusker die Kapitalien frühzeitig zur Verfügung standen und daß eine Entlastung im Sommer herbeigeführt worden ist. Nun, 1) im Jahre 1957 trat etwas ein, was noch nie vorher da war: eine Produktivitätssteigerung im Baugewerbe um rund 8,5 %.
Es waren zwei Ereignisse, die in diesem Jahr anders waren: eine Arbeitszeitverkürzung im Baugewerbe um 3 Stunden je Woche und der ausgeglichenere Trend, den die Beschäftigung genommen hat. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin hat jedenfalls diese beiden Gründe als Hauptursachen in seine Überlegungen einbezogen. Nun, Herr Wirtschaftsminister, wenn die Arbeitszeitverkürzung nicht ausschließliche Ursache gewesen ist - das werden Sie mir nicht einreden wollen -, vielmehr auch der ausgeglichenere Beschäftigungsverlauf 1957 die andere Hauptursache ist, dann muß ich Sie fragen: warum haben Sie bis jetzt nicht mehr getan, um diesen Trend eines ausgeglichenen Baujahres in allen Jahren mehr zur Geltung zu bringen?
Nun, wir wollen nicht nur Kritik üben, sondern auch die Frage aufwerfen und beantworten: was hat die Bundesregierung bisher getan, um zu einem ausgeglichenen Baujahr zu kommen? Wir haben uns alle sehr gefreut, als im Jahre 1954 der damalige Bundeswohnungsbauminister Preusker alle an der Bauwirtschaft interessierten Kreise zusammengerufen und vor ihnen seine Gedankengänge im Hinblick auf eine gleichmäßigere Verteilung der Bauaufgaben auf das ganze Jahr, auf eine Einbeziehung des Winters, zum Ausdruck gebracht hat.
Aber so stark der Elan auch war, mit dem dieser Anlauf genommen worden ist, der Preuskersche Anlauf flachte sehr bald ab. Das hatte seine Gründe. Es ging nämlich der Bundesregierung damals nicht um eine bessere Ordnung in der Bauwirtschaft, sondern die Bemühungen waren veranlaßt durch die Tatsache, daß die EVG damals in der Diskussion stand. Das Baugewerbe war an sich bis hintenhin ausgelastet, und zusätzlich kamen Rüstungsaufgaben auf die Bauwirtschaft zu. Die Bundesregierung sagte sich: diese kann man eigentlich in der toten Zeit des Winters ausführen lassen. Dazu ist es aber nicht gekommen. Nachdem die EVG abgeblasen worden war, kam der Anlauf, der genommen worden war, zum Stehen; er ist dann langsam ausgelaufen. Man hat nicht mehr allzuviel davon gehört. Schlußfolgerungen sind daraus nicht gezogen worden. Das einzige, was geblieben ist, sind die Versuchs- und Vergleichsbauten, die im Auftrag der Bundeswehr ausgeführt worden sind und die bestätigt haben - deshalb sind wir Herrn Preusker dankbar, daß er das damals gemacht hat -, daß die Mehrbelastung, die durch den Winterbau in der ersten Zeit, in den ersten Jahren entsteht, sich etwa in gleichen Größenordnungen verhält, wie es nach den Erfahrungen auch schon im Ausland der Fall war.
Im übrigen hat die Bundesregierung in den letzten Jahren nie versucht, ein umfassendes Gesamtkonzept zu entwickeln und für eine bessere Ordnung in der Bauwirtschaft zu sorgen. Sie hat Teilmaßnahmen einzuleiten versucht. Nachdem die Große Anfrage im Juni eingebracht war, ist jetzt im November ein grünes Heft herausgekommen.
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- Ja, das ist nicht einmal korrigiert; so schnell ist das gedruckt worden.
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Ich will Ihnen an Hand einer Einzelmaßnahme ein Beispiel vor Augen führen. Weil man kein Konzept hatte, ist oft das Gegenteil von dem erreicht worden, was man wollte; Einzelmaßnahmen sind eben nicht in ein Gesamtkonzept eingebettet worden. So hat die Bundesregierung - das ist an sich eine durchaus dankenswerte Maßnahme gewesen - die Rundfunkstationen zu einem Wetterdienst bewegt; aber sie hat es an der Aufklärung darüber fehlen lassen, was damit beabsichtigt wurde. An sich sollten die Nachrichten des Wetterdienstes dazu dienen, daß sich der Bauunternehmer darauf einrichten konnte, wenn schlechtes Wetter zu erwarten war; er sollte also rechtzeitig aufmerksam gemacht werden. Weil man aber nicht sagte, was man damit vorhatte, trat das Gegenteil ein. Die Leute haben vielfach gedacht: es wird schlechtes Wetter vorhergesagt, also wird die Baustelle zugemacht, und es wird nach Hause gegangen.
Meine Damen und Herren, so geschieht es, wenn man bei einer Maßnahme kein Gesamtkonzept hat. Aber das sind alles mehr oder weniger wirtschaftliche Fakten und Probleme.
Gestatten Sie mir, daß ich nun einiges über soziale Probleme und über die sozialpolitische Entwicklung in den letzten Jahren sage. Ich habe das Gefühl, die Bundesregierung hat in all diesen Jahren die witterungsbedingten Arbeitsausfälle und den stark wechselnden Rhythmus der Bautätigkeit innerhalb eines Jahres als eine unabänderliche Tatsache angesehen und sich damit abgefunden: daran kann man nichts machen, das kann man nicht ändern, das ist einfach schicksalhaft im Baugewerbe, und jeder, der in diesem Gewerbe tätig ist. muß sich damit abfinden. Daß dann all das, was eingetreten ist, kommen mußte, ist aus einer solchen Vorstellung zu erklären.
Die Sache hat 1950 mit dem Kündigungsschutz begonnen. Das Baugewerbe wurde ausgenommen; witterungsbedingte Arbeitsausfälle werden nicht erfaßt. Auch im übrigen sind die Voraussetzungen und Rechtsnormen so, daß sie von 60 bis 70% der im Baugewerbe Tätigen nicht erfüllt werden; ich nenne nur die Voraussetzung der langen Betriebszugehörigkeit.
Das Betriebsverfassungsgesetz setzt eine zweijährige Betriebszugehörigkeit voraus. Ein Bauarbeiter ist aber im allgemeinen nicht zwei Jahre im gleichen Betrieb, sondern nur einige Monate; denn wenn die Arbeit an einer Baustelle beendet ist, geht er weiter zur nächsten.
Das dritte Gesetz, das ich in diesem Zusammenhang erwähnen will, ist das Krankengeldgesetz, das im vergangenen Jahr vom Bundestag verabschiedet worden ist. Die Kündigung ist im Baugewerbe üblich. Das Gesetz über die Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle hat für 80 % der im Baugewerbe Beschäftigten keine Bedeutung. Die Kündigung ist, wie gesagt, üblich. Wenn der Bauarbeiter im Winter beim Eintritt von kaltem Wetter zum Arzt geht, wird ihm vom Unternehmer gekündigt, und er kommt nicht in den Genuß der vorgesehenen sozialen Leistungen. Dem Vernehmen nach ist beabsichtigt, die Betriebszugehörigkeit von vier Wochen auf ein halbes Jahr oder noch länger festzusetzen. Dann würde die Masse der Bauarbeiter erst recht ausgeschlossen.
Die nächste Etappe war die Rentenreform. Die Dauer der Arbeitslosigkeit beträgt im Durchschnitt acht bis zwölf Wochen. Es heißt da, daß Ausfallzeiten von sechs Wochen nicht anwartschaftsbegründend sind. Die Masse der Bauarbeiter erhält eine Rente, die wesentlich niedriger ist als die anderer Beschäftigter, auch wenn diese weniger verdient haben, als es den Bauarbeitern nachgesagt wird.
Dann kam das Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung. Witterungsbedingte Arbeitsausfälle sind nicht anwartschaftsbegründend; sie schmälern die Bemessungsgrundlage für die Unterstützung.
Und nun der Clou. Bei den Bauarbeitern wollte man vor zwei Jahren die Arbeitslosenbeiträge, die allgemein auf 2 % gesenkt werden sollten, auf 3 % belassen. Bei den Regierungsparteien gab es Stimmen, die die Beiträge für die Bauarbeiter sogar auf 5 oder 5 1/2% erhöhen wollten.
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- Das ist kein Märchen! Lesen Sie mal die Protokolle, insbesondere die Reden, die der Abgeordnete Sabel in diesem Hohen Hause gehalten hat! Lesen Sie auch die Vorschläge nach, die das Bundesarbeitsministerium damals im Ausschuß für Arbeit gemacht hat. Der Bundestag hat in der dritten Lesung in letzter Sekunde in namentlicher Abstimmung diese Vorschläge abgelehnt; sonst wäre dem Baugewerbe seinerzeit dieser Stempel aufgedrückt worden.
Die sozialdemokratische Fraktion hat eine Große Anfrage eingebracht. Wir möchten von der Bundesregierung nicht nur wissen, was sie auf diesem Gebiet zu tun gedenkt, sondern wir möchten gleichzeitig auch Wege aufzeigen, Vorschläge machen, Lösungen nennen, wie wir sie uns vorstellen und wie sie nach unserer Vorstellung möglich wären.
Da ist zunächst das technische Problem. Für die Technik, für die Erkenntnisse der Wissenschaft ist das ganzjährige Bauen, auch das Bauen im Winter, heute längst kein Problem mehr. Die Arbeitgeber und ihre Verbände erklären: Wir sind gerüstet und bereit, das ganze Jahr über durchzubauen, ohne einen besonderen Aufwand und zusätzliche Kosten bis zu einem Kältegrad von 7 Grad minus zu arbeiten.
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- 20 Grad haben wir in Deutschland kaum; bei 20 Grad brauchen wir nicht zu arbeiten. Aber wenn his zu 7 Grad gearbeitete würde, wären wir schon sehr weit.
Wir hatten im ganzen Winter 1957/58 - gemessen von der Wetterwarte Frankfurt, also bezogen auf den mittleren Teil der Bundesrepublik - nur einen einzigen Tag, bei dem es kälter als 7 Grad war. Wir hatten im Monat Januar 1958, also im kältesten Monat, bei der Wetterwarte Hamburg fünf kalte Tage mit Temperaturen unter 7 Grad minus, in Frankfurt nicht einen. Wir hatten in München-Riem elf kalte Tage. Es gab aber 667 000 arbeitslose Bauarbeiter, und die Bundesanstalt bestätigt, daß diese Arbeitslosigkeit im Durchschnitt zwischen acht und zwölf Wochen im Winter angedauert hat. Da sehen Sie das Problem. Die Witterung ist kein so großes Hindernis, die Bauarbeiten im Winter fortzuführen. Die Technik ist in der Lage, das zu überwinden, mindestens aber ohne besonderen Aufwand bis zu 7 Grad Kälte zu arbeiten.
Auch das Kostenproblem wird vielfach falsch eingeschätzt. Natürlich entstehen, wenn man nur das Problem des Arbeitens im Winter sieht, zunächst besondere Aufwendungen. Das Problem sieht aber sofort anders aus, wenn man es unter dem Gesichtspunkt der ganzjährigen Beschäftigung der Bauwirtschaft sieht, wenn man daran denkt, daß man bei den Maschinen zu einer wesentlich höheren Produktivität gelangt, wenn sie das ganze Jahr eingeLeber
setzt werden. Dann werden die lokalen Mehrkosten, die im Winter entstehen, durch wesentlich höhere ganzjährige Produktivität aufgewogen.
Ich glaube, ich brauche das im besonderen nicht zu begründen, insbesondere deshalb nicht, weil die Bauindustrie in den letzten Tagen - viele anwesende Herren werden das gelesen haben - zum Ausdruck gebracht hat, daß Winterbau bis zu 7 Grad Kälte technisch und ohne einen besonderen Aufwand durchaus möglich ist. Das Problem besteht lediglich darin, daß innerbetrieblich versucht wird, diesen Aufwand des Winters in lein rechnerisches Verhältnis zu der höheren Produktivität, die der Betrieb erreicht, zu bringen.
Lassen Sie mich eine kleine Bemerkung machen zu den Verhältnissen im Ausland. Deutschland ist in der Entwicklung zurückgeblieben. Ich will Schweden nennen. Es ist das Land, von dem man in dieser Beziehung viel geredet hat. Wir hatten eine Studienkommission dort, die die Verhältnisse untersucht hat. In Schweden ist es viel kälter als in Deutschland. Einer der mitfahrenden Herren hat gesagt: Wenn wir da hinfahren, ist es vielleicht warm. Die Delegation ist deshalb nördlich des Polarkreises gefahren. Sie hat gesehen, daß man bei 22 Grad Kälte im Freien gemauert hat, daß die Bauarbeiten dort in in einer Form durchgeführt worden sind, daß die Menschen nicht mutlos waren und sich nicht wie Strafgefangene vorkamen, sondern mit anständigen Unterkünften, mit einer Bekleidung und einer Ausrüstung, die das Arbeiten im Winter nicht besonders beschwerlich machen, nicht beschwerlicher, als die
Arbeit im Sommer bei 30 oder 35 Grad Hitze; das ist nämlich auch nicht angenehm.
Was hat Schweden erreicht? In Schweden gab es bis zum Jahre 1951 auch 55 bis 60% Arbeitslose wie bei uns. Dann haben die besonderen Maßnahmen der schwedischen Regierung eingesetzt. Seitdem ist in keinem Winter - bis auf einen Monat - die Arbeitslosigkeit höher gewesen als 9 oder 10 °/o, gemessen am Stand der Beschäftigung im Sommer. Das ist doch ein Ergebnis! Mir hat ein Herr als ich ihm das erzählte gesagt: Das kann man doch bei uns nicht machen; Schweden hat doch eine ganz andere Wirtschaftsordnung.
Nun, ich will mich wegen der Kürze der Zeit einer Auslassung darüber enthalten. Jedenfalls spricht es nicht für die Überlegenheit unserer Wirtschaftsordnung, wenn man annimmt, daß hier nicht möglich wäre, was dort möglich gemacht worden ist. Ich glaube also, die Technik, die Kosten, die Wirtschaft an sich bieten keine Hindernisse, das zu tun. Wie könnte nun eine solche Lösung hier in der Bundesrepublik aussehen?
Wir haben die Große Anfrage Drucksache 495 vorgelegt, und ich möchte einiges über die darin enthaltenen Fragen 1 bis 4 sagen.
Das Ziel muß erstens sein, möglichst früh im Jahr Geld zur Verfügung zu stellen und deswegen das Haushaltsjahr an das Kalenderjahr anzupassen. Wir haben gesehen, daß, nachdem die sozialdemokratische Fraktion jahrelang darauf gedrängt hat, nun auch die Christlich-Demokratische-Union einen Antrag vorgelegt und die Regierung ihre Bereitschaft erklärt hat, alle Vorarbeiten zu treffen, daß das Haushaltsjahr an das Kalenderjahr angeglichen werden kann. Ich glaube, das ist auch schon deswegen nätig, weil Deutschland meines Weissen dais einzige Land im Rahmen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft ist, das noch ein Haushaltsjahr hat, das nicht an das Kalenderjahr angepaßt ist, während EWG, Euratom, Montan-Union und alle anderen Länder längst ihr Etatjahr auf das Kalenderjahr beziehen.
Es ist aber, glaube ich, nicht nur nötig, früh zu beginnen, sondern vor allen Dingen auch dafür zu sorgen, daß die Bauaufträge und die Gelder gleichmäßig über das ganze Jahr verteilt werden, Das sollte der Bund nicht nur für die eigenen Bauaufträge tun, die in seinem Namen durchgeführt werden, das sollte er nicht nur für Gelder tun, die er im eigenen Bereich zur Verfügung stellt, sondern er sollte darauf drängen, daß auch die Länder und Gemeinden sich einem solchen Verfahren unterwerfen.
Also früher Beginn der Bautätigkeit, das Haushaltsjahr dem Kalenderjahr anpassen und dann die zur Verfügung stehenden Gelder und Bauaufgaben gleichmäßig über das ganze Jahr so streuen, daß eine ausgeglichene Bautätigkeit möglich ist! Dazu gehören aber einige Voraussetzungen, und die sind nicht vorhanden.
Bei der Bundesregierung besteht ein sogenannter interministerieller Ausschuß für die Bautätigkeit. Er mag intern seine Aufgaben erfüllt haben; mit besonderen Vollmachten ist dieser interministerielle Ausschuß nicht ausgestattet. Daneben gibt es aber sieben sogenannte oberste Baubehörden. Es gibt eine oberste Bundesbaubehörde in Berlin, eine oberste Baudirektion beim Schatzministerium, eine Bauabteilung für Wasserbau und Straßenbau beim Verkehrsministerium, Bauabteilungen der Bundesbahn und der Bundespost, und dann hat das Wohnungsbauministerium eine eigene Bauabteilung für den Wohnungsbau für Bundesbedienstete. Das sind sieben oberste Baubehörden. Alle diese obersten Spitzenbehörden des Bundes planen, verteilen Gelder, vergeben Bauaufträge. Sie machen das unkoordiniert, jeder für sich, ohne daß eine übergeordnete Stelle da ist, die dafür sorgt, daß das nach Möglichkeit in einem ausgeglichenen Trend über das ganze Jahr geschehen kann.
Wir machen dazu folgenden Vorschlag. Wir möchten bitten zu überlegen, ob es nicht richtig ist, beim Bundeswirtschaftsministerium, das keine Bauabteilung hat, aber für die Wirtschaftspolitik verantwortlich ist - und das hier ist eine wirtschaftspolitische Aufgabe, keine Aufgabe, die den Wohnungsbau allein angeht, keine Aufgabe, deren Lösung nur durch den Verkehrsbau zu erreichen wäre-, eine Stelle mit der Aufgabe zu schaffen, für eine Koordinierung aller Bauaufgaben des Bundes zu sorgen, weiter dafür zu sorgen, daß der Fluß der Gelder generell in einem ausgeglichenen Verhältnis vor sich geht, aber auch auf die Maßnahmen Einfluß zu nehmen, die Länder und Gemeinden ange2842 Deutscher Bundestag 3. Wahlperiode Leber
hen, sowie dahin wirken, daß nicht jede Behörde für sich allein plant, Bauaufgaben durchführt und Geld zur Verfügung stellt, und damit Doppelarbeit zu vermeiden.
Ich möchte an dieser Stelle auch eine Anregung an die Herren Kollegen des Haushaltsausschusses geben, sich dieser Fragen anzunehmen und festzustellen, wo überall in den Bundesbehörden Doppelarbeit geleistet wird. Ich glaube, das wäre eine dankbare Aufgabe. Es geht nicht darum, eine neue Behörde oder neue Stelle zu schaffen, sondern darum, eine Entlastung der sieben obersten Bundesbaubehörden im Sinne einer echten Koordinierung aller Bauaufgaben herbeizuführen.
Ein weiterer Punkt, bei dem wir eine Forderung gestellt haben und bei dem wir die Bundesregierung um ihre Meinung bitten, ist die Frage eines langfristigen Bauprogramms. Diese Probleme lassen sich nicht lösen, wenn man für jedes einzelne Jahr Bauprogramme aufstellt. Wir wissen, daß man auf dem Gebiet des Autobahnhaues und des Straßenbaues inzwischen in Zweijahresraten denkt, daß auf dem Gebiet des Wasserbaues auch in Zweijahresabschnitten gedacht wird. Das ist noch zu kurz. Wir müssen zu echten langfristigen Bauprogrammen kommen. In diesem Jahr können nach meiner Information 200 Millionen DM auf der Straße nicht verbaut werden, weil man mit der Planung nicht rechtzeitig fertiggeworden ist. Umgekehrt werden Pläne gemacht, während die Finanzierung nicht gesichert ist. Wir brauchen langfristige
Bauprogramme und eine langfristige finanzielle Sicherung für diese Programme. Das ist nötig, nicht nur um dem Bauunternehmer und der Bauwirtschaft einen langfristigen Überblick zu gehen, damit sie wirtschaftlich sicher disponieren können, sondern auch im Hinblick auf die Festigung der Konjunktur.
Denken wir bitte daran, wie es bei der Krise von 1930 bis 1933 war. Das sollte uns in Erinnerung bleiben. Ich glaube nicht, daß es noch einmal zu einer Krise kommen wird, wie wir sie damals erlebt haben. Damals wurde mit langfristigen Planungen zu spät angefangen. Die Demokratie fing Ende 1931 an zu planen, um mit der Krise fertig zu werden. Als die Autobahnen dann vermessen waren, als die Pläne fix und fertig waren, kamen die Nazis und haben sie ausgeführt. Die Demokratie war in der Zwischenzeit wegen ihrer zu späten Planung in der Krise bereits auf dem Altar ihrer eigenen Versäumnisse geopfert worden. Das sollte uns allen eine Mahnung sein. Das gilt auch dann, wenn man nicht an Krisen glaubt, sondern nur an die Möglichkeit stärkerer Konjunkturabschwächungen. Diese sind immer noch möglich; das beweist uns die Entwicklung in Amerika.
Herr Bundeswirtschaftsminister, Sie haben im April beim Bundesverband der Deutschen Industrie gesagt, das müsse ein schlechter Minister sein, der in seiner Schublade nicht auch ein Krisenprogramm habe. Legen Sie es doch diesem Hause einmal vor! Welche Rolle spielt darin die Bauwirtschaft? Daß Sie das gesagt haben, hat in der Zeitung gestanden.
Eine weitere Sorge, die wir haben, betrifft die Forschungsaufträge. Wir möchten, daß die Bundesregierung die bisher vergebenen Forschungsaufträge auch weiter vergibt, aber nicht nur auf dem Gebiet des Wohnungsbaues, sondern auch auf dem Gebiete des Hochbaues, des Tiefbaues und des Straßenbaues. Alle Forschungsaufträge sind bis jetzt ausschließlich auf den Wohnungsbau abgestellt gewesen. Wir möchten weiter, daß die Bundesregierung Geld und Auftrag an das RKW verteilt, damit Bauherr und Bauunternehmer über die technischen Möglichkeiten des Bauens und über die Kostenzusammenhänge, die dabei gegeben sind, aufgeklärt werden können.
Zum Schluß gestatten Sie mir, neben diesen wirtschaftlichen Problemen einiges über die besondere Seite der Sozialpolitik, die damit verbunden ist, zu sagen. Als Ergänzung dieser wirtschaftspolitischen Erfordernisse sind einige sozialpolitische Maßnahmen zu treffen. Sie sind nötig, damit Hindernisse beseitigt werden, die jetzt noch dazu führen, daß nicht das ganze Jahr über gebaut werden kann, Im Rahmen der in der Bundesrepublik gültigen Wirtschaftsordnung müssen mit dem dieser Wirtschaftsordnung gemäßen Instrumentarium und den sich daraus ergebenden Möglichkeiten besondere Anreize und Anregungen geschaffen werden, und zwar als Ergänzung der wirtschaftspolitischen Möglichkeiten, zu einem ausgeglichenen Baujahr mit ganzjähriger Baubeschäftigung zu kommen. Mit konservativen Vorstellungen in den alten Bahnen geht das nicht.
Ich möchte einige Punkte anführen, auf die es dabei ankommt. Das erste ist eine Änderung der Vorschriften über die Berechnung der Unterstützung in dem Gesetz über die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung. In der jetzigen Fassung sagt das Gesetz: Arbeitslosenunterstützung wird auf der Basis des tatsächlich verdienten Arbeitseinkommens errechnet. Das führt zu folgendem Zustand: Ein Bauarbeiter, der im Januar noch arbeiten kann, wobei es einen Ausfall von einem oder zwei Tagen in der Woche gibt, muß damit rechnen, wenn er dann noch arbeitet -- abgesehen von diesen zwei Tagen, an denen man wegen schlechter Witterung tatsächlich nicht arbeiten kann - und anschließend arbeitslos wird, daß er dann eine geringere Unterstützung erhält. Durch diese zwei Tage rückt also der ganze Unterstützungsspiegel zurück. Er bekommt nicht die Unterstützung, die er bekommen würde, wenn er in 45 Stunden seinen Lohn verdient hätte, sondern er erhält die Unterstützung nach einem niedrigeren Satz.
Das ist ein echtes Hindernis. Der Mann wird versuchen - das ist ganz natürlich; deshalb ist er kein Verbrecher, es ist vielmehr einfach eine Auswirkung eines schlechten Gesetzes -, zu einem Zeitpunkt arbeitslos zu werden, an dem solche witterungsbedingten Ausfälle seine Unterstützung noch nicht herabsetzen.
Die Anregung, die wir geben möchten, lautet deshalb:
Vorübergehende Arbeitsausfälle, die ohne Verschulden des Arbeitnehmers, insbesondere aus witterungsbedingten Ursachen, innerhalb des Bemessungszeitraums eintreten, dürfen die
Deutscher Bundestag -- 3. Wahlperiode Leber
Unterstützung nicht schmälern. Für die Berechnung der Arbeitslosenunterstützung muß destens das Einkommen zugrunde gelegt werden, das der Arbeitnehmer in einer regelmäßigen Arbeitszeit verdient haben würde.
Mit einer solchen Lösung würde mehr Gerechtigkeit geschaffen werden. Damit würde aber auch ein Hindernis beseitigt, das jetzt zu frühzeitiger Arbeitslosigkeit führt, zu einer Arbeitslosigkeit, die schon eintritt, ehe sich diese witterungsbedingten Ausfälle ergeben.
Ein zweiter Punkt! Auch er führt weit weg von den ausgefahrenen Möglichkeiten oder Gedankengängen der seitherigen Versicherungsgesetzgebung. Das ist folgender Fall: An einem Mittwoch wird es plötzlich 10 Grad kalt. - Wie selten diese Tage sind, habe ich vorhin gesagt. In Frankfurt hatten wir im ganzen vergangenen Winter nur einen Tag, an dem die Kälte unter 7 Grad sank, aber etwa 670 000 Arbeitslose.
Die praktische Auswirkung eines solchen Kältetages sieht folgendermaßen aus: Auf der Baustelle stellt man am Morgen fest: Es ist kalt. Die Arbeiter kommen; der Unternehmer kommt. Es tritt etwas ein, was keiner ändern kann, das Gefühl der Unsicherheit: Wie lange dauert diese Kälte? Sagt der Unternenhmer: Wir kündigen nicht und halten die Baustelle aufrecht, dann geht er ein Risiko ein. Die Leute fragen doch: Wie sieht es mit der Bezahlung aus, wenn er uns nicht entläßt? Der Unternehmer weiß nicht, wie lange die Kälte dauert. Entläßt der Unternehmer aber die Arbeiter - und das tut er in der Regel, weil er nicht weiß, wie lange die Kälteperiode anhält -, muß der Mann einen Haufen von Formularen ausfüllen, der Arbeiter ist arbeitslos und bleibt es auch in der Regel so lange, bis der Winter vorbei ist. Es könnte ja noch einmal kalt werden, und nachdem man einmal über diesen Schwulst von Formularen und Voraussetzungen geklettert ist, bleibt man in der Regel auch arbeitslos, bis das erste Geld kommt.
Unsere Vorstellung tendiert dahin, den Arbeitnehmer im Arbeitsprozeß zu lassen, bis das Thermometer unter 6 Grad sinkt. Bis dahin kann man ohne besonderen Aufwand arbeiten. Wenn es kälter wird als 6 Grad, kann das Arbeitsamt ohne weiteres durch ein Thermometer an seiner Hauswand kontrollieren, ob es betrogen wird oder nicht, wenn es kalt wird. Der Mann soll im Arbeitsverhältnis bleiben und soll vom Arbeitsamt über seinen Arbeitgeber 55 % des Lohns erhalten, den er verdient hätte, wenn er gearbeitet hätte, also eine Art Arbeitslosenversicherung für einen Tag, an dem die Kälte unter 6 Grad sinkt. Der Mann wird aber nicht arbeitslos werden, wenn dieses einfache Verfahren der Unterstützung über den Arbeitgeber angewandt würde.
Was würde damit erreicht, meine Damen und Herren? Dem Arbeitnehmer würde so der Arbeitsplatz erhalten. Er bekäme dasselbe, wie wenn er arbeitslos würde. Der Bauunternehmer könnte sofort nach Beendigung der Kälte, wenn es also am zweiten Tag wieder wärmer würde, weiterarbeiten.
Die Arbeitslosigkeit würde eingeschränkt, zusammengedrängt effektiv nur auf die Tage, an denen man aus witterungsbedingten Gründen nicht arbeiten kann. Die Bundesanstalt würde nicht eine 8 oder 12 Wochen dauernde Arbeitslosenzeit zu verzeichnen haben, sondern nur so viele Tage, wie man effektiv aus Gründen der schlechten Witterung nicht weiterarbeiten könnte.
Der dritte Vorschlag ist für einen konventionellen Arbeitsversicherungspolitiker genauso schlecht zu verstehen wie die beiden anderen auch. Ausgehend von der Annahme, daß in jedem Winter in der Bauwirtschaft bis zu etwa 55 % aller im Baugewerbe Tätigen regelmäßig arbeitslos geworden sind, also 45 % aller Beschäftigten im Betrieb beschäftigt bleiben, und ausgehend von der Unterstellung, daß das das Spiegelbild auch für jeden Betrieb ist - es stimmt nicht ganz; im großen Betrieb wird es etwas anders sein als im kleinen, das kann man aber regulieren; deshalb ist der Grundsatz doch richtig -, möchten wir folgendes vorschlagen: Für jeden Arbeitnehmer, der über den Satz von 45 % der im Sommer im Betrieb beschäftigten Belegschaft hinaus arbeitslos wird, soll die Arbeitslosenversicherung dem Betrieb die Hälfte der Summe, die der Betreffende im Jahr vorher als Arbeitslosenunterstützung erhalten hat, als Zuschuß zur Verfügung stellen.
Welche Auswirkungen würde das nach sich ziehen? Die Arbeitslosenunterstützung ginge kein Risiko ein. Sie hat bis jetzt immer 100 % Unterstützung gezahlt. Sie wird in Zukunft lediglich die Hälfte davon zu bezahlen haben und die andere Hälfte sparen. Mit dieser Hälfte aber werden dem Unternehmer die Mittel zur Verfügung gestellt, die er braucht, um zusätzliche Ergänzungsinvestitionen vorzunehmen, damit er den übrigen Maschinenpark das ganze Jahr über, also auch im Winter, beschäftigen kann, sein Dampfaggregat finanzieren kann, damit er die Mischmaschinen betreiben kann, die er sowieso hat usw.
Die Bundesanstalt würde die Hälfte ihrer Unterstützung sparen und die andere Hälfte dem Unternehmer für sogenannte Ergänzungsinvestitionen zur Verfügung stellen. Dem Arbeitnehmer würde damit ein ganzjähriger Arbeitsplatz garantiert. Der Unternehmer würde in den Besitz zusätzlicher Mittel kommen, und der Bauherr könnte bauen, ohne daß die Gefahr bestünde, daß diese zusätzlichen Investitionen, diese Erstausstattung für den Winterbau, ihm auf dem Weg über die Preise weitergegeben würden.
Wir schlagen vor, eine solche Lösung einmal versuchsweise für zwei Jahre einzuführen, um zu sehen, zu welchem Ziel man dabei gelangen kann, und festzustellen, ob das der richtige Weg ist. Daß er nicht zum Ziel führt, ist ziemlich ausgeschlossen. Denn hier besteht ein finanzieller Anreiz: Beschäftige mehr Leute, dann kriegst du Zuschüsse und kannst deinen Gerätepark komplettieren. Wir glauben, daß das ein guter und erfolgreicher Weg ist.
Meine Damen und Herren, das sind Schritte in Neuland. Ich glaube, wir haben damit den Beweis erbracht, daß wir nicht nur Kritik an der Regierung geübt haben. Wir haben auch positive Vorschläge gemacht und ein eigenes Konzept entwikkelt, das zu einer ganzjährigen Vollbeschäftigung der Bauwirtschaft führen könnte.
Zweck unserer Anfrage war es, die Bundesregierung, nachdem das Aufbaustadium so ziemlich abgeschlossen ist, auf diese Zustände aufmerksam zu machen und von ihr zu erfahren, wie sie sich konkret eine bessere Ordnung in der Bauwirtschaft vorstellt. Das alles ist möglich im Rahmen unserer Wirtschaftsordnung mit dem Instrumentarium, das die Marktwirtschaft zur Verfügung hat. Man muß die Möglichkeiten untersuchen und sie sich auch dienstbar machen. Die Regierung soll sagen, ob sie bereit ist, auf diesem oder auf einem anderen Wege diese Ziele zu verfolgen, und soll Vorschläge machen, die dazu führen können, daß hier im Bundestag Gesetze erlassen werden, mit dem Ziel, eine ganzjährige Vollbeschäftigung im Baugewerbe herbeizuführen.
({15})
Die Große Anfrage ist begründet. Zur Beanwortung hat das Wort der Herr Bundesminister für Wirtschaft.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zuerst möchte ich zur Begründung sagen, daß der zweifellos gewollte, aber falsche Eindruck, daß es der Großen Anfrage der Fraktion der SPD bedurft habe, um die Bundesregierung dazu zu veranlassen, die Probleme der Bauwirtschaft zu ordnen, keineswegs den Tatsachen entspricht. Insbesondere die Fragen des Winterbaues können, wie Sie, Herr Kollege Leber, wissen, bereits als weitgehend gelöst gelten. Sie haben einen schlechten Zeitpunkt ausgewählt. Denn nach den letzten Meldungen der Arbeitsämter sind in der Bauwirtschaft 56 300 Stellen offen. Im übrigen ist für das Wetter letzten Endes auch noch der liebe Gott verantwortlich.
Ich beantworte die Anfrage wie folgt. Die Große Anfrage der Fraktion der SPD strebt eine Verbesserung der Verhältnisse in der Bauwirtschaft an. Es erscheint mir daher notwendig, zunächst kurz die Leistungen der deutschen Bauwirtschaft nach der Währungsreform und ihre gegenwärtigen Hauptprobleme zu behandeln, weil sich meines Erachtens nur so ein Urteil darüber fällen läßt, an welchen Punkten der Wunsch nach Verbesserung mit Erfolg ansetzen kann.
Das Bauvolumen, d. h. der Wert aller Bauleistungen, ist nach den Errechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung in Berlin von 10,5 Milliarden DM im Jahre 1950 nominal auf 25,8 Milliarden DM, real - in Preisen von 1950 - auf 18,8 Milliarden DM im Jahre 1957 gewachsen. Das bedeutet eine nominale Steigerung von 146 % und eine reale von 80 %. Das Bauvolumen des Jahres 1958 wird aller Voraussicht nach auf mindestens derselben Höhe liegen wie das des Jahres 1957.
Die Wertschöpfung des Baugewerbes, d. h. sein Beitrag zum Nettoinlandsprodukt zu Faktorkosten, betrug nach den Sozialproduktberechnungen des Statistischen Bundesamtes, in jeweiligen Preisen ausgedrückt, im Jahre 1950 4,7 Milliarden DM gleich 6,2 %, im Jahre 1957 10,3 Milliarden DM gleich 6,4 %. Die Größenordnung für 1957 dürfte die Wertschöpfung des Baugewerbes auch im Jahre 1958 erreichen.
Das Bauhauptgewerbe - Rohhoch- und Tiefbau - erzielte im Jahre 1950 einen Umsatz von 6,2 Milliarden DM. Im Jahre 1957 belief sich der Umsatz auf 16 Milliarden DM. Das bedeutet eine Steigerung um rund 160 %.
Die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden im Bauhauptgewerbe betrug im Jahre 1950 1,8 Milliarden, im Jahre 1957 2,4 Milliarden. Das bedeutet eine Steigerung um 31,4 %.
Die Zahl der im Bauhauptgewerbe Beschäftigten belief sich im Monatsdurchschnitt des Jahres 1950 auf 913 000, im Monatsdurchschnitt des Jahres 1957 auf 1 201 000. Das bedeutet eine Steigerung um 31,6 %.
Der Umsatzsteigerung im Bauhauptgewerbe von 1950 bis 1957 um rund 160 % steht also eine Anhebung der Beschäftigtenzahl um nur 31,6 % und der Zahl der geleisteten Arbeitsstunden um 31,4 % gegenüber; ein Beweis für die inzwischen erfolgte größere Rationalisierung des Baugeschehens.
Während nach der Statistik der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung, Nürnberg, die Gesamtzahl der unselbständig Beschäftigten in der gesamten Wirtschaft vom 30. 9. 1950 bis zum 30. 9. 1958 von 14,3 Millionen auf 19,4 Millionen - um rund 35 % - anstieg, wuchs die Zahl der Beschäftigten in allen Bauberufen - Bauhaupt- und Ausbaugewerbe - vom 30. 9. 1950 bis zum 30. 9. 1958 von 1 378 000 auf 2 100 000, also um 52 %.
Aus diesem Zahlenmaterial geht eindeutig hervor, daß der gesamtwirtschaftliche Wachstumsprozeß sich durchaus im Wachstum der Bauleistungen widerspiegelt.
Um diese Ausführungen durch weitere von der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung stammende Zahlen zu ergänzen:
Am 30. 9. 1948 betrug die Zahl der in der gesamten Wirtschaft in unselbständiger Position Tätigen 13,4 Millionen. Davon waren 1 147 000 in der Wirtschaftsabteilung Bau-, Ausbau- und Bauhilfsgewerbe tätig; das sind 8,5 %. Am 30. 9. 1958 waren 19 365 000 in unselbständiger Stellung in der gesamten Wirtschaft tätig, davon 2,1 Millionen in der Wirtschaftsabteilung Bau-, Ausbau- und Bauhilfsgewerbe; das sind 10,8 %. Am 30. 9. 1948 war von allen in unselbständiger Stellung Beschäftigten jeder achte, am 30. 9. 1958 jeder sechste Mann im Bausektor beschäftigt.
Am 30. 9. 1958 waren bei 61 600 offenen Stellen 15 200 Bauarbeiter arbeitslos, zum gleichen Zeitpunkt des Vorjahres 30 700. Das heißt, der Tiefpunkt der Bauarbeitslosigkeit seit der Währungsreform ist im Monat September 1958 erreicht worBundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhard
den. Am 31. 10. 1958 erfolgten eine leichte Erhöhung der Bauarbeitslosigkeit auf 19 800 - zum gleichen Zeitpunkt des Vorjahres waren es 27 500 - und eine geringfügige Verringerung der Zahl der offenen Stellen auf 56 300 - im Vorjahr waren es 51 600 -.
Die Arbeitslosigkeit in der Bauwirtschaft verdreißigfacht sich allerdings in der Regel bisher von ihrem Tiefstand im Spätsommer oder Frühherbst bis zu ihrem Höchststand im Januar/ Februar. So schnellte die Arbeitslosigkeit in der Bauwirtschaft von ihrem Tiefpunkt im Jahre 1957 ({0}) auf ihren winterlichen Höhepunkt im Jahre 1958 ({1}). Im Januar 1958 betrug sie das 44fache des Standes vom September 1958. Von den 1 133 000 männlichen Arbeitslosen im Januar 1958 waren damit rund 59 v. H. Ende 1957 in der Bauwirtschaft tätig gewesen. Daraus ergibt sich, daß die entscheidenden Probleme in der Bauwirtschaft die Ballung der Bautätigkeit in den Spätsommermonaten und die starke Bauarbeitslosigkeit am Anfang eines jeden Jahres sind. Daß die Bauarbeiter durch die winterliche Arbeitslosigkeit in der Bauwirtschaft keine entscheidende wirtschaftliche Schlechterstellung erfahren, geht aus einem von der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung nach dem Stand vom 1. 8. 1958 aufgestellten Vergleich der Sozialleistungen an einen arbeitslosen Bauarbeiter mit den Bezügen eines arbeitenden Bauarbeiters eindeutig hervor. Ich darf dazu ganz kurz sagen, daß ein arbeitsloser Bauarbeiter mit einem Kind im Sommer 94,8 % des Nettolohnes und im Winter 110,8 % des Nettolohns verdient, ein lediger arbeitsloser Bauarbeiter im Sommer 86,7 %, im Winter 101,7 %.
({2})
Wenn man die Forderung nach einer Verbesserung der Verhältnisse in der Bauwirtschaft erhebt, dann sollte dies mit der Einschränkung geschehen, daß eine weitere Verbesserung, d. h. vor allem eine weitgehende Beseitigung der winterlichen Arbeitslosigkeit und damit auch eine weitgehende Beseitigung der durch die Winterarbeitslosigkeit in der Bauwirtschaft jährlich wiederkehrenden volkswirtschaftlichen und sozialen Belastungen, angestrebt wird. Die Bundesregierung muß auf der anderen Seite feststellen, daß die in der Großen Anfrage angeschnittenen Fragen weder neu noch bisher von ihr nicht beachtet oder gar vernachlässigt worden sind. Die Bundesregierung hält es weiterhin für angezeigt, darauf aufmerksam zu machen, daß die beiden bedeutsamsten Probleme, vor die sich die Bauwirtschaft immer wieder gestellt sieht, nämlich Ballungserscheinungen im Sommer und erhebliche Arbeitslosigkeit im Winter, gerade in einer Marktwirtschaft nicht von der Bundesregierung allein, sondern nur in Zusammenarbeit mit allen am Bau Beteiligten, d. h. den sonstigen öffentlichen und privaten Bauherren, den Bauunternehmern und den Bauarbeitern, gelöst werden können. Die winterliche Arbeitslosigkeit in der Bauwirtschaft stellt eben keineswegs, wie vielfach angenommen, nur ein Wetterproblem, also nicht nur eine SchlechtwetterArbeitslosigkeit dar; das Problem ist erheblich vielschichtiger.
Damit komme ich zur Beantwortung der Frage 1.
Hoher Beschäftigungsgrad der gesamten Volkswirtschaft ist ein Hauptziel der Wirtschaftspolitik der Bundesregierung. Das bedeutet allerdings nicht, daß jeder einzelne Wirtschaftsbereich frei von Schwankungen in der Beschäftigung bleiben könnte.
Seit die deutsche Wirtschaft die Vollbeschäftigung erreicht hat, haben vor allem die durch die Witterung teils bedingten, teils damit motivierten besonders ausgeprägten jahreszeitlichen Schwankungen der Bautätigkeit verstärkt im Zentrum der Überlegungen gestanden, die auf die Verringerung der gesamtwirtschaftlichen Schwankungen abzielten. Die Bundesregierung hat daher gerade für den Sektor Bauwirtschaft bereits wichtige Maßnahmen ergriffen, um die kontinuierliche Beschäftigung der Bauwirtschaft, d. h. eine stärkere Ausdehnung der Bautätigkeit möglichst auf das ganze Jahr und die Abflachung der Produktionskurve in dein Sommermonaten zu fördern.
Die Bundesregierung hat bereits 1950 einen ständigen Interministeriellen Arbeitsausschuß Bauwirtschaft ins Leben gerufen, zu dessen Hauptaufgaben die Sicherung einer möglichst gleichmäßigen Verteilung der öffentlichen Bauaufträge des Bundes unter besonderer Aussparung der Monate der Produktionsspitze und unter besonderer Ausnutzung der üblicherweise bauschwachen Monate zu Beginn und am Ende eines jeden Jahres gehört. Auf Grund des 2. Konjunkturprogramms hat die Bundesregierung 1956 eine Versammlung aller öffentlichen Bauherren einberufen, um aus diesen einen Gemeinschaftsausschuß zu bilden, der neben anderen Zielsetzungen die gleiche Aufgabe auf breiter Basis behandeln sollte. Die Vertreter der Länder und Gemeinden haben jedoch seinerzeit die Institutionierung eines solchen Ausschusses als nicht erforderlich bezeichnet.
({3})
Zur Aktivierung des Winterbaues, dem zur Herbeiführung einer größeren Kontinuität der Bautätigkeit eine besondere Bedeutung zukommt, hat die Bundesregierung im Jahre 1955 einen Hauptausschuß Winterbau ins Leben gerufen, dessen Aufgabe es ist, technische, wirtschaftliche und soziale Probleme des Winterbaues einer Lösung näherzubringen. Ich darf in dem Zusammenhang auf die dem Hohen Haus bereits ausgehändigte Diskussionsschrift dieses Ausschusses hinweisen. Der schnelle Eintritt der Vollbeschäftigung in der zweiten Aprilhälfte dieses Jahres ist zu einem erheblichen Teil auf die überlegte Vergabepolitik der öffentlichen Bauherren zurückzufühen; es läßt sich daher nicht bestreiten, daß die elastischen Methoden der Bundesregierung zur Beeinflussung des öffentlichen Baugeschehens erfolgreich waren. Die Bundesregierung ist gewillt, diese Bemühungen sowohl aus wirtschaftspolitischen als auch aus sozialpolitischen Erwägungen mit Nachdruck fortzusetzen
In einer Marktwirtschaft hängt der Wirtschaftsablauf nicht allein von der Regierung und vom öffentlichen Bauherrn ab; private Bauherren, Bauunternehmer und vor allem Bauarbeiter haben auf
Bundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhard
die Gestaltung des jährlichen Baugeschehens einen entscheidenden Einfluß. Die Bundesregierung hat sich in der Vergangenheit mitunter des Eindrucks nicht erwehren können, daß die Bereitschaft zur Mitwirkung am kontinuierlichen Bauen und insbesondere an einer Verstärkung der Bautätigkeit im Winter nicht bei allen Baubeteiligten im gleichen Maße vorhanden ist. Die Umstellung des jährlichen Bauprozesses von seinem bisherigen Rhythmus auf spannungsfreie Gleichmäßigkeit mag bei vielen am Baugeschehen Beteiligten allerdings, unter psychologischen Aspekten, als unbequem empfunden werden und daher eine gewisse Anpassungszeit erfordern. Die Bundesregierung muß darauf aufmerksam machen, daß administrative und legislative Maßnahmen allein nicht dazu ausreichen würden, diesen schwierigen Umstellungsprozeß von heute auf morgen zu bewerkstelligen. Ohne verstärkte Bereitschaft aller öffentlichen und privaten Bauherren, Bauunternehmer und Bauarbeiter kann - das sei noch einmal ganz klar gesagt - ein nachhaltiger Erfolg nicht erzielt werden.
Zu Frage 2: Die Bundesregierung hat, wie bereits ausgeführt, schon seit geraumer Zeit nicht ohne Erfolg die gleichmäßige Verteilung von Bauvorhaben der Bundesbehörden über das ganze Jahr betrieben. Als sehr wirkungsvoll in diesem Sinne hat sich die frühzeitige Bereitstellung der Baumittel, unabhängig von der Lage des Haushalts, erwiesen. So standen z. B. für die Bundesstraßen und die Betriebsstrecken der Bundesautobahnen bereits am 16. Dezember 1957 Bindungsermächtigungen in Höhe von
463 Millionen DM für das kommende Haushaltsjahr 1958/59 zur Verfügung. Die Bundeshaushaltsmittel für den sozialen Wohnungsbau wurden bereits zum 1. Dezember eines jeden Jahres für das kommende Haushaltsjahr auf die Länder verteilt. Zur Zeit prüft darüber hinaus die Bundesregierung zusammen mit den Ländern, ob und welche sonstigen administrativen Maßnahmen erforderlich sind, um bei der Vorbereitung von Baumaßnahmen in allen Fällen die Durchführbarkeit als „Winterbau" zu erreichen.
Die Bundesregierung hat den Länderregierungen schon im Jahre 1956 die Bildung von interministeriellen Arbeitsausschüssen Bauwirtschaft auf Landesebene zur besseren Koordinierung der Bautätigkeit nahegelegt. Ihrem Wunsche ist jedoch von den wenigsten Ländern entsprochen worden. Sie befindet sich allerdings über den beim Bundeswirtschaftsministerium gebildeten Länderausschuß Bauwirtschaft, der auch als baukonjunkturpolitisches Gremium im ausdrücklichen Auftrag aller öffentlichen Bauherren fungiert, mit den Ländern in ständigem Kontakt, um den jahreszeitlichen Ablauf der öffentlichen Bautätigkeit in geeigneter Weise beeinflussen zu können.
Die Baumaßnahmen des Bundes, außer denen der Bundespost, Bundesbahn und des Wasser- und Straßenbaus im Bereich des Bundesministeriums für Verkehr, fallen in den Zuständigkeitsbereich der Bundesbauverwaltung des Bundesministeriums für wirtschaftlichen Besitz des Bundes. Sie werden auf Grund des Gesetzes über die Finanzverwaltung in der Mittelinstanz durch die Oberfinanzdirektionen
- Landesvermögens- und Bauabteilungen - und in den Ortsinstanzen durch örtliche Dienststellen der Landesbauverwaltungen durchgeführt. In der Hand dieser Behörden liegen auch Ausschreibungen und Vergabe der Bauleistungen an die Auftragnehmer. Ihre Maßnahmen beeinflussen daher wesentlich den Baumarkt.
Das Bundesministerium für wirtschaftlichen Besitz des Bundes hat die Oberfinanzdirektionen seit langem angewiesen, sich vor Beginn größerer Bauvorhaben rechtzeitig mit den für den Einsatz von Arbeitskräften, Transport usw. zuständigen regionalen Stellen abzustimmen. Das Bundesministerium für wirtschaftlichen Besitz des Bundes ist im Einvernehmen mit den anderen Ressorts, den Bundesministerien für Verkehr, für das Post- und Fernmeldewesen, für Arbeit, für Wohnungsbau und für Wirtschaft seit langem bestrebt, das Marktbewußtsein der regionalen Behörden, insbesondere das Verständnis für die Probleme des Winterbaues, zu stärken.
Zu Frage 3: Die Bundesressorts haben für die unter ihrer Verantwortung stehenden Bauvorhaben schon immer, soweit es vorgeschrieben oder für erforderlich erachtet wurde, langfristige Baupläne aufgestellt, so z. B. die Fünfjahresbaupläne der Post, die Sechsjahresbauprogramme für den sozialen Wohnungsbau nach dem Ersten und Zweiten Wohnungsbaugesetz, die Mehrjahresprogramme für den Autobahnbau auf Grund des Verkehrsfinanzgesetzes 1955 und ebenso Planungen auf dem Gebiet der Verteidigung.
Die Bundesregierung beabsichtigt, und zwar sowohl für die Bundesfernstraßen als auch für die Bundeswasserstraßen, Vierjahrespläne aufzustellen. Die erforderliche Deckung wird durch neue gesetzliche Maßnahmen geschaffen werden müssen. Die Bundesregierung wird daher im Bundestag zusammen mit dem Entwurf eines neuen Straßenbaufinanzierungsgesetzes ein Vierjahresprogramm -1959 bis 1962 - für den Ausbau der Bundesfernstraßen vorlegen. Dieses Vierjahresprogramm wird ein Teil des Plans sein, der auf dem Gesetz über den Ausbauplan für die Bundesfernstraßen vom 27. Juli 1957 beruht. Der Vierjahresplan für den Ausbau der Bundeswasserstraßen wird ebenfalls dem Bundestag vorgelegt werden.
Mehrjahrespläne könnten im Bereich des Bundesministeriums für wirtschaftlichen Besitz des Bundes auf dem Gebiet des öffentlichen Hochbaues nur aufgestellt werden, soweit der Baubedarf für entsprechend lange Zeiträume - wie für den Verteidigungsbau - mit Sicherheit im voraus festliegt. Dies ist jedoch bei den verschiedenen Bedarfsträgern wie Zoll, Bundesgrenzschutz, der Forschung und hinsichtlich Schlußfreimachungsprogrammen für die Stationierungsstreitkräfte bisher nicht möglich gewesen, weil sich ihr Baubedarf nicht in langfristigen, keiner Veränderung unterliegenden Programmen festlegen läßt.
Im übrigen hält es die Bundesregierung für notwendig, in diesem Zusammenhang allgemein darauf aufmerksam zu machen, daß eine verbindliche
Bundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhard
Festlegung von Mehrjahresplänen das jährliche Haushaltsbewilligungsrecht dieses Hohen Hauses einengen und die Haushalte kommender Rechnungsjahre in erheblichem Umfang vorbelasten würde. Die Bundesregierung glaubt auch solche Vorbelastungen nicht verantworten zu können, weil es unmöglich sein dürfte, die Deckung mehrere Jahre im voraus sicherzustellen. Inwieweit Mittel für neue Bauvorhaben in den Haushaltsplan eingestellt werden können, sollte deshalb nur bei der jährlichen Beratung über den Haushaltsplan unter Berücksichtigung der gesamten Haushaltslage, insbesondere der Deckungsmöglichkeiten, und nach der jeweiligen Dringlichkeit der einzelnen Bauvorhaben entschieden werden.
Die Bundesregierung hat bereits in der Vergangenheit alle haushaltsrechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft, die zur Realisierung von Mehrjahresbauplanungen zur Verfügung stehen: Bindungsermächtigungen, Vorwegbewilligungen usw., soweit es trotz der fehlenden Vollzugsverbindlichkeiten der Baupläne erforderlich war.
Zu Frage 4: Die Bundesregierung ist grundsätzlich bereit, die Frage der Anpassung des Haushaltsjahres an das Kalenderjahr weiterhin zu fördern. Demnächst wird die Frage Haushaltsausschuß des Bundestages ausführlich behandelt werden. Die positive Einstellung der Bundesregierung zu diesem Problem ist bereits in der Denkschrift des Bundesfinanzministers betreffend Vorverlegung des Rechnungsjahrs der öffentlichen Hand - abgedruckt in der Hausausgabe des Bundeshaushatsplans 1955 auf den Seiten 251 ff. - zum Ausdruck gekommen. Die Vorverlegung konnte damals wegen des Widerstands der Länder nicht verwirklicht werden. Die Angelegenheit ist im Oktober dieses Jahreserneut mit den Ländern auf einer Tagung der Finanzminister der Ländererörtert worden. Die Besprechungen, die noch nicht zu einem Ergebnis geführt haben, sollen Anfang deis Jahres 1959 ,fortgesetzt werden. Im übrigen kann erwartet werden, daß die kommenden Beratungen Haushaltsausschuß die Lösung des Problems fördern werden.
Zu Frage 5: Die Bundesregierung hat seit 1955 vom Hauptausschuß Winterbau theoretische und praktische Untersuchungen über technische, wirtschaftliche und soziale Fragen bei Hochbauarbeiten im Winter durchführen lassen. Es sind „Hinweise für die Vorbereitung und Durchführung" und für die „Vergabe von Winterarbeiten im Hochbau" sowie ein „Merkblatt für die soziale Betreuung der Bauarbeiter" herausgegeben warden. Diese bildeten die Grundlage für die nunmehr in drei Winterhalbjahren durchgeführten Versuchs- und Vergleichsbauten im ¡gesamten Bundesgebiet. Unabhängige Forschungsinstitute haben den Bauablauf beobachtet, ausgewertet und darüber in der Fachpresse berichtet. Aus den Untersuchungen geht hervor, daß es im Bundesgebiet möglich ist, Winterarbeiten im Hochbau bei zweckmäßiger Vorsorge und guter Bauvorbereitung wirtschaftlich vertretbar ohne unzumutbare Anforderungen an die Bauarbeiter in technisch einwandfreier Qualität herzustellen.
Um weitere Kreise mit den Methoden des Winterbaues vertraut zu machen, hat die Bundesregierung die Winterbauversuche auf den über das ganze Bundesgebiet gestreuten Demonstrativbaustellen fortgesetzt. Aufträge zur Beobachtung und Auswertung sind den ,eingearbeiteten Forschungsinstituten erteilt warden. Die Bundesregierung ist bereit, im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel weitere Forschungsaufträge zur Untersuchung der Probleme der Bauwirtschaft im Winterbau zu erteilen.
Über dieses Forschungsprogramm hinausgehend hat die Bundesregierung im Rahmen des Produktivitätsprogrammes aus amerikanischen Mitteln ein Projekt „Betriebsvergleich in der Bauindustrie" voll finanziert, das vor allem die betriebswirtschaftlichen Fragen, die im Zusammenhang mit dem Winterbau auftauchen, klären soll. Die Bundesregierung erwartet, daß die Bauwirtschaft sich in Zukunft an solchen Untersuchungen mit ihren Mitteln maßgeblich beteiligen wird, und hofft, ¡daß bei den von einigen Wirtschaftsverbänden der Bauwirtschaft eingeleiteten „Betriebsbegehungen", ¡die ebenfalls betriebswirtschaftlichen Vergleichen dienen, in Zukunft stärker als bisher die Probleme der kontinuierlichen Beschäftigung von Baufirmen Berücksichtigung finden werden.
Die Bundesregierung hat weiterhin im Rahmen des Technischen Austauschprogrammes deutschen Sachverständigen ¡auch Gelegenheit geboten, durch Studienreisen die Erfahrungen des Auslands, vor ,allem der skandinavischen Länder, auf dem Gebiete des Winterbaues kennenzulernen.
Sie ist ferner seit langem bemüht, durch geeignete Maßnahmen die Rationalisierung dieses volkswirtschaftlich bedeutsamen Wirtschaftszweiges in größtmöglichem Umfange zu fördern.
Zu Frage 6: Das Arbeits- und Sozialrecht wird durch die Fragen einer ganzjährigen Vollbeschäftigung der Bauwirtschaft hauptsächlich auf folgenden Gebieten berührt: Bemessung des Arbeitslosengeldes, Kündigungsschutz für Massenentlassungen, Lohnzahlung an Feiertagen, Leistung von Überstunden, Lohnausgleich bei Schlechtwetter, Arbeitsschutz bei Winterarbeiten, wertschaffende Arbeitslosenhilfe.
Die Aufzählung bedeutet nicht, daß die Bundesregierung Änderungen der bestehenden Regelung auf allen diesen Gebieten für notwendig und durchführbar hält. Eine Überprüfung erscheint aber angebracht. Sie wird in engster Fühlung mit den Sozialpartnern vorgenommen werden müssen, zumal da auf vielen Gebieten ein innerer Zusammenhang zwischen den gesetzlichen Vorschriften und tariflichen Regelungen besteht. Vorbehaltlich dieser Prüfung ist zu den einzelnen Punkten folgendes zu bemerken:
Die derzeitige Regelung der Bemessung des Arbeitslosengeldes scheint gewisse nachteilige Auswirkungen sowohl für die Bauarbeiter als auch auf die Fortsetzung und Wiederaufnahme der Beschäftigung im Baugewerbe im Winter zu haben. Es wird daher zur Zeit geprüft, ob und inwieweit durch eine Änderung der Bemessungsvorschriften des AVAVG die Auswirkungen der kürzeren Arbeits2848 Deutscher Bundestag -- 3. Wahlperiode Bundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhard
zeit im Winter auf die Höhe des Arbeitslosengeldes beseitigt und den Bauarbeitern ein Anreiz gegeben werden kann, ihre Beschäftigung nicht vorzeitig aufzugeben und sie trotz der kürzeren Arbeitszeit wieder aufzunehmen.
Für Entlassungen auf Baustellen aus Witterungsgründen gelten nicht die Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes über den Kündigungsschutz bei Massenentlassungen. Es wird geprüft, ob insoweit die Rechtsstellung der Bauarbeiter im Zusammenhang mit den anderen Maßnahmen verbessert werden kann, insbesondere auch durch eine straffere Überprüfung jeweils der Voraussetzungen der Entlassungen aus Witterungsgründen.
Die Entlassungen von Bauarbeitern finden in besonders großem Umfang vor den Weihnachts- und Neujahrsfeiertagen statt. Zwischen diesen Entlassungen und den Vorschriften über die Lohnzahlung an Feiertagen können Zusammenhänge bestehen, denen nachgegangen wird. Insbesondere wird zu prüfen sein, ob eine tarifliche Regelung der Feiertagsbezahlung in Anlehnung an die Urlaubsmarkenregelung zweckmäßiger wäre.
Sowohl die Baubetriebe - um die sich im Sommer häufenden Aufträge termingerecht erledigen zu können - als auch die Bauarbeiter - um einen Verdienst zu erzielen-sind bisher an der Leistung von vielen Überstunden interessiert. Bedeutsamer als eine eventuelle Änderung der Arbeitszeitvorschriften ist ihre Durchsetzung. Abgesehen von weiteren Bemühungen der Gewerbeaufsicht in dieser Richtung wird versucht, mit den Sozialpartnern geeignete Wege zur Einschränkung der Überzeitarbeit zu gehen.
Ein nicht der gesetzlichen Regelung unterliegendes, aber für das Auf und Ab in der Bauwirtschaft wichtiges Gebiet ist der von den Sozialpartnern durchgeführte Lohnausgleich bei Schlechtwetter. Dieser scheint sich leider in einer Verstärkung der Beschäftigungsschwankungen auszuwirken. Die Bauarbeiter sind an der Arbeit im Winter weniger interessiert, wenn sie zu dem Arbeitslosengeld noch Zahlungen aus der Lohnausgleichskasse erhalten. Die Sozialpartner werden angeregt werden, den Tarifvertrag über die Lohnausgleichskasse unter dem Gesichtspunkt einer Förderung der Winterarbeit abzuändern.
Im Winter sind Arbeitsschutzmaßnahmen notwendig, die über die im Sommer üblichen hinausgehen. Sie erstrecken sich hauptsächlich auf den Zubringerdienst zu den Baustellen, die Einrichtung der Baubude, den Witterungsschutz der Arbeitsstellen, Hand- und Hautschutz, Erwärmungspausen und die Verabfolgung warmer Getränke und Mahlzeiten. Bevor gesetzliche Regelungen getroffen werden, sollte versucht werden, durch die Herausgabe von Empfehlungen die Arbeitgeber zu einem besseren Arbeitsschutz anzuregen und damit auch die Arbeitsbereitschaft der Bauarbeiter im Winter zu heben.
Die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung wird auf die Träger der von ihr durch Darlehen und Zuschüsse geförderten Notstandsmaßnahmen einwirken, die Maßnahmen mehr als bisher im Winter durchzuführen, und in diesen Fällen eine erhöhte Grundförderung aus Mitteln des Bundes und der Arbeitslosenversicherung gewähren. Neben einer Entlastung des Arbeitsmarktes ermöglichen es die Notstandsarbeiten, das Verhalten der Arbeitskräfte zu beobachten und Maßnahmen zur Förderung der Winterbautätigkeit zu entwickeln. Eine Änderung der bestehenden Rechtsvorschriften dürfte jedoch auf diesem Gebiet nicht notwendig sein.
Die Bestrebungen der Bundesregierung auf diesem Gebiet decken sich im übrigen weitgehend mit den Zielsetzungen, die hinsichtlich des Einsatzes der Mittel der werteschaffenden Arbeitslosenfürsorge zugunsten des Wohnungsbaues der Kleinen Anfrage der Abgeordneten Dr. Czaja, Dr. Hesberg, Even und Genossen zugrunde liegen.
Ein großer Teil der zur Verbesserung der ganzjährigen Vollbeschäftigung der Bauwirtschaft in Frage kommenden Maßnahmen ist nicht für eine gesetzliche Regelung geeignet. Wohl aber kommt es auf die Entwicklung eines Klimas hierfür an. Soweit es empfehlenswert ist, die bestehenden Rechtsvorschriften des Arbeits- und Sozialrechts zu ändern oder zu ergänzen, wird die Bundesregierung dem Bundestag hierfür Vorschläge unterbreiten.
({4})
Die Große Anfrage ist beantwortet. Wird eine Aussprache gewünscht?
({0})
Die Fraktion der SPD wünscht eine Aussprache. Nach dieser Feststellung eröffne ich die allgemeine Aussprache. - Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hellwig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man in der Aussprache über die Antwort der Bundesregierung zu einer Großen Anfrage trotz verschiedener Auffassungen in der einen oder anderen Detailfrage von einer grundsätzlichen Gemeinsamkeit in der Bejahung des sachlichen Anliegens ausgehen kann, dann ist das immer ein erfreulicher Zustand. Ich glaube auch, daß die Ausgangsfeststellungen des Kollegen Leber bei Begründung der Großen Anfrage durchaus die Zustimmung des ganzen Hauses finden, nämlich seine Anerkennung, daß die Bauwirtschaft in ihrer Gesamtheit von den Unternehmungen und Unternehmern bis zu den letzten Arbeitnehmern und ihren Organisationen eine Leistung vollbracht hat, deren Schlüsselfunktion im deutschen Wiederaufbau nicht genug unterstrichen werden kann, und daß von den Möglichkeiten, diese Schlüsselfunktion etwa zu mißbrauchen, im ganzen doch eigentlich kein Gebrauch gemacht worden ist. Es konnte also wirklich von einem volkswirtschaftlich verantwortlichen Verhalten des ganzen Wirtschaftszweiges gesprochen werden.
Nun darf ich ausführen, wo wir trotz der Bejahung des sachlichen Anliegens der Großen Anfrage der SPD-Fraktion die Akzente ,anders setzen möchten, insbesondere hinsichtlich der Möglichkeiten, die von der Ebene und der Stellung der Bundesregierung aus für die Förderung dieses Anliegens gegeben sind, und damit natürlich auch hinsichtlich der Zensuren, die für das vermeintliche Versagen oder nicht genügende Handeln der Bundesregierung auf diesem Gebiet erteilt worden sind.
Ich darf zunächst einmal daran erinnern, meine Damen und Herren, daß wir uns vor zwei Jahren in der Phase sogenannter Überhitzung bei einer Debatte über die Konjunkturpolitik in Berlin auch mit diesem Anliegen befaßt haben. Damals war es die CDU/CSU-Bundestagsfraktion, die den Antrag eingebracht hatte, eine konjunkturpolitische Überprüfung der öffentlichen Ausgaben vorzunehmen und die Bundesregierung zu beauftragen, mit den vorzugsweise beteiligten öffentlichen Auftraggebern eine Verständigung über den voraussichtlichen Gesamtumfang der Bauvorhaben und ihre Finanzierung für einen größeren Zeitraum herbeizuführen, des weiteren darauf einzuwirken, daß stoßweise auftretende Überforderungen der Baukapazität vermieden würden.
Dieser Antrag ist damals im Wirtschaftsausschuß des Bundestages behandelt worden. Er hat, ohne daß er formell im Plenum angenommen wurde, die Bundesregierung in den Stand gesetzt, Verhandlungen mit den in Frage kommenden Gebietskörperschaften und anderen öffentlichen Auftraggebern einzuleiten, um sie zu einem Verhalten der gewünschten Art zu veranlassen.
Schon seit Mai 1955 bestand - das lief neben dieser konjunkturpolitischen Zielsetzung - der Hauptausschuß Winterbau; die Federführung lag beim Bundesministerium für Wohnungsbau. Gerade von dieser Stelle ist eine Aktivität ausgegangen, die dem gleichen Anliegen galt, das der jetzigen Großen Anfrage zugrunde liegt.
Was mich in dem Bericht der Bundesregierung am nachdenklichsten stimmt, Herr Kollege Leber, ist die Feststellung, daß auf einer Gemeinschaftskonferenz, die 1956 aus Anlaß unseres Antrages auf konjunkturpolitische Überprüfung der öffentlichen Bautätigkeit abgehalten wurde, seitens der Länder vor allem zum Ausdruck gebracht wurde, daß es nicht einer Institutionalisierung dieses Gremiums in Gestalt eines Gemeinschaftsausschusses aller öffentlichen Stationen in der Bauwirtschaft bedürfe. Hier ist nach meiner Meinung deutlich gemacht, wo die eigentlichen Schwierigkeiten und Widerstände liegen. Damit möchte ich gegenüber Ländern und Gemeinden nicht den billigen Vorwurf erheben, es mangele am Willen, sondern eben einfach auf die Schwerfälligkeit unseres föderalistischen Gesamtaufbaus sowohl in der Legislative als auch in der Exekutive aufmerksam machen.
Ich darf, um die Wirkungen dieser Schwierigkeiten und Schwerfälligkeiten, wie sie sich aus der rechtlichen Zuständigkeit ergeben, zu illustrieren, noch etwas näher den Anteil der einzelnen öffentlichen Hände bei der Bautätigkeit kennzeichnen. Es ist ja nicht mit der globalen Feststellung getan, daß
CO bis 70 % aller Bauaufträge von der öffentlichen Hand kämen, sei es direkt als öffentliche Aufträge, sei es indirekt als finanzielle Beteiligung an den Baukosten. Man muß vielmehr die außerordentlich unterschiedliche Beteiligung der einzelnen Fiskalstationen sehen. Es gibt hier nämlich keine an einer Stelle personifizierte öffentliche Hand, sondern es handelt sich um eine große Zahl von öffentlichen Händen, und so manchesmal weiß die eine öffentliche Hand nicht, was die andere tut.
Das hat, glaube ich, Herr Kollege Leber auch schon zum Ausdruck gebracht. Ich wollte das nur noch dahin ergänzen, daß man diese Sache nicht nur auf der Ebene des Bundes sehen darf, sondern auch in der Vertikalen betrachten muß, d. h. vom Bund zu den Ländern und Gemeinden und anderen öffentlich-rechtlichen Körperschaften aller Art. Da ergibt sich folgendes Bild, wenn man auszugliedern versucht, was der Bund unmittelbar beeinflussen kann, Der Anteil des Bundes an den direkten Bauinvestitionen von Bund, Ländern, Gemeinden usw. belief sich 1956 auf 13,5 %, wenn man den Lastenausgleichsfonds dazunimmt. Der Anteil der Länder an den direkten Bauinvestitionen stellte sich auf 21 % der Anteil der Gemeinden an den direkten Bauinvestitionen jedoch auf 65,5%
Nun kommt der finanzielle Einfluß bei den Darlehen und Zuschüssen von Bund, Ländern und Gemeinden an Dritte hinzu. Da entfallen auf Bund und Lastenausgleichsfonds 30 %, bei den Ländern liegen über 59 %, bei den Gemeinden etwa 10,5 % Nehmen wir beides zusammen, direkte Bauinvestitionen und finanzielle Zuschüsse aller Art, dann ergibt sich aus dem Gesamtvolumen dieser Bautätigkeit, daß beim Bund einschließlich Lastenausgleichsfonds etwa 22 %, bei den Ländern etwa 41 % und den Gemeinden etwa 37 % liegen. Sie sehen, meine Damen und Herren, wer tatsächlich nur etwa ein Fünftel des gesamten öffentlich beeinflußten Bauvolumens direkt oder indirekt beeinflussen kann, ist natürlich nicht der Stärkste, wie es hier vermutet wurde, zumal da der Bund in die Haushaltsgestaltung und die Haushaltsgebarung der anderen Gebietskörperschaften praktisch nicht einwirken kann. Hier ist eben eine Grenze gezogen für das Wirksamwerden jeder Initiative des Bundes, die zu überwinden noch so gut gemeinte Debatten und Entschließungen dieses Hauses nicht ausreichen, wenn ihnen nicht gleichartige Initiativen und Beschlüsse der gesetzgebenden Körperschaften der Länder entsprechen.
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Nun muß ich, um das Thema nicht zu breit zu behandeln, darauf verzichten, noch weiter die Anteile der öffentlichen Hand an der Bautätigkeit nach Branchen usw. zu analysieren. Ich möchte hier nu r einmal fragen: Hat denn das Bemühen, den Ganzjahresbau - ichglaube, der Ausdrucktrifft besser das Anliegen, als es etwa nur Winterbau zu nennen - auszudehnen und die winterliche Arbeitslosigkeitsspitze möglichst niedrig zu halten, in den letzten Jahren nicht gewirkt? Ich glaube, daß man trotz aller Vorbehalte gegenüber einem relativ kurzen Beobachtungszeitraum - nämlich von 1954 bis 1957 -, für den mir bisher Zahlen abgeschlossen zur Ver2850
Fügung stehen, folgendes sagen kann: Der Anteil der im Wintergeleisteten Arbeitsstunden an der Gesamtjahresleistung im Bauhauptgewerbe ist von 22 % im Jahre 1954 auf 26 % im Jahre 1957 gestiegen. Hier ist doch offenbar ein Erfolg dieses Bemühens zu erkennen, und die Frage muß sehr genau geprüft werden, welche weiteren Steigerungsmöglichkeiten wir noch haben. Dazu gibt ja die Denkschrift, die nunmehr über Erwägungen zum Winterbau vom Hauptausschuß Bauen im Winter vorgelegt worden ist - ich nehme an, daß alle Kollegen und Kolleginnen sie in der Hand haben - eine ganz interessante Feststellung. Man erwartet auf Grund aller Erfahrungen, daß etwa ein Monat im großen Durchschnitt als Ausfall der Bautätigkeit unvermeidlich bleibt. Das bedeutet, daß auf die verbleibenden drei Wintermonate 27 % der verfügbaren Bauzeit des Jahres entfallen.
Wie sieht es in der Tat mit der Verteilung der Bautätigkeit auf diese drei Monate einerseits und das übrige Jahr andererseits aus? Im landwirtschaftlichen Bau 15 %, im öffentlichen Tiefbau 22 %, im Wohnungsbau 22 %, im öffentlichen Hochbau 25 % und im industriellen und gewerblichen Bau 27 %. Es darf also festgestellt werden, daß, gemessen an jener theoretischen Durchschnittszahl von 27 %, dieerreicht werden könnte, im Sektor der privaten Auftraggeber offenbar das Ganzjahresbauen schon weit mehr Platz greift als im Sektor der öfffentlichen Bautätigkeit. Man kann den landwirtschaftlichen Bau hier nicht mit dem gleichen Maßstab messen; denn viele Bauvorhaben der Landwirtschaft können nur durchgeführt werden, wenn die Scheunen und die Stallungen leer sund, und das ist bekanntlich im Sommer der Fall. Hier liegen also besondere Verhältnisse vor. Wegen des relativ geringen Anteils der Bautätigkeit der Landwirtschaft wird dadurch aber das Gesamtbild nicht belastet.
Es ergibt sich also folgende Feststellung: Die private Wirtschaft als Bauherr, ,als Auftraggeber ist schon stärker in die Wintermonate hineingegangen, sie nützt schon stärker die Chancen der stilleren Bauzeit mit ihren günstigeren Preischancen. Sie hat an vielen Stellen erkannt, daß es durchaus nicht richtig ist, daß Bauen im Winter teurer sein muß, sondern daß es in der Tat heute möglich ist, im Winter Bauten billiger durchführen zu lassen, insbesondere dann, wenn die Bauwirtschaft ihrerseits - .aus verschiedenen Gründen, auf die ich noch zu sprechen komme - ein Interesse daran hat, auch im Winter ihren Apparat, ihre kapitalintensiven Investitionen auszunutzen.
Angesichts dieser Entwicklung von 1954 bis 1957, die ich hier gekennzeichnet habe, wird natürlich sofort die vorwurfsvolle Frage kommen, warum sich diese Entwicklung 1958 nicht fortgesetzt hat. Wir hatten 1958 in der Tat eine relativ lange Ausdehnung des Stillstandes bzw. des niedrigen Standes der Bautätigkeit infolge des langen Winters und hatten dann plötzlich im Sommerhalbjahr einen Anstieg der Bauaufträge und der erteilten Baugenehmigungen, wie er in, dieser Massierung in den Jahren vorher nicht mehr zu beobachten war. WIT hatten 1957 sogar eine gewisse Dämpfung in der gesamten Bautätigkeit zu verspüren bekommen, nicht zuletzt auch deshalb, weileinzelne Auftraggeber eine gewisse Zurückhaltung geübt hatten, und nun kommen neben der Länge des Winters in diesem Jahre hinzu einmal die anfänglich nicht vorauszusehende Verbesserung des Kapitalmarktes, die zu einer erheblichen Steigerung der Hypothekenzusagen usw. geführt hat, eine wesentlich stärkere Bereitstellung hoher Mittel für den Wohnungsbau in d en öffentlichen Haushalte n und schließlich auch die Erhöhung der öffentlichen Ansätze für Verkehrsbauten.
So sieht die Bauauftragsentwicklung im September 1958 wie folgt aus: Erteilte Baugenehmigungen im Wohnungsbau um fast 20 % höher als zur gleichen Zeit des Vorjahres, im öffentlichen Hochbau um 46 % höher, im Wirtschaftsbau dagegen um 2 % niedriger. Die Investitionstätigkeit der Wirtschaft ist nach Feststellungen des Bundeswirtschaftsministeriums und der Bundesbank zur Zeit wesentlich stärker in die maschinelle Ausrüstung, in die sogenannten Ausrüstungsinvestitionen gegangen als in die Bauinvestitionen. Daher dieser geringe Rückgang in den Baugenehmigungen für wirtschaftliche Bauvorhaben.
Nun wird aber, so glaube ich, bei einem Vergleich zwischen dem Verhalten privater Auftraggeber und demjenigen öffentlicher Auftraggeber einiges recht Lehrreiche deutlich. Nicht nur, daß man schon schneller und stärker in den Winterbau gegangen ist! Es kommt noch hinzu, daß man in dem Punkt, den Kollege Leber hier ausführlich behandelt hat, in der Fristenbindung der bauausführenden Firmen, elastischer ist. Gerade die mangelnde Elastizität in der Fristengestaltung seitens der öffentlichen Auftraggeber ist, glaube ich, ein Beschwerdepunkt. Das ist eine Meinung, die in diesem Hause auf allen Seiten geteilt wird. Ich habe manchmal das Gefühl, daß die Konventionalstrafen, die auf Nichteinhaltung von sehr kurz bemessenen und sehr schwierig einzuhaltenden Fristen gesetzt werden, an der falschen Stelle angesetzt werden. Man sollte die Gewährleistungsverpflichtungen der bauausführenden Firmen für die Qualität verschärfen, nicht aber die Konventionalstrafen für die Einhaltung der Termine.
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Wettbewerb mit Qualität und nicht Wettbewerb mit Einhaltung sehr starrer Termine ist, glaube ich, das, was die öffentliche Hand als Auftraggeber gegenüber der Bauwirtschaft besonders vertreten müßte.
In den Zusammenhang gehört auch eine kleine kritische Bemerkung zu der Art der Ausschreibung. Ich bin nicht völlig sicher, daß es im Sinne der Wettbewerbswirtschaft und auch der Volkswirtschaft im ganzen ist, wenn das Instrument der unbeschränkten Ausschreibung in zu großem Umfange angewandt wird. Ich glaube, ohne Störung des Wettbewerbs kann auch von der beschränkten Ausschreibung mehr Gebrauch gemacht werden, vor allem wenn man bedenkt, daß die Bearbeitungskosten für ein solches größeres Bauvorhaben bei
2 bis 3 % der Kosten des Projekts liegen. Nun überlege man sich - die Fälle sind vorgekommen -: Bei einem Bauauftrag eines öffentlichen Auftraggebers über vielleicht 400 000 oder 500 000 DM entstehen Bearbeitungskosten je nachdem von 10 000 bis 15 000 DM. Bei nur 30 Firmen, die sich an der Ausschreibung beteiligen, können die Bearbeitungskosten, die bei allen Firmen entstehen, zusammengenommen schon höher sein als der Wert des ganzen Objektes. Daß bei der Ausdehnung der Ausschreibung sehr schnell zuviel des Guten getan werden kann, ergibt sich aus dieser kleinen Rechnung. Ohne dem Gedanken des Wettbewerbs irgendwie Abbruch zu tun, sollte man bei der Vergabe öffentlicher Aufträge also prüfen, inwieweit hier mehr als bisher von der beschränkten Ausschreibung Gebrauch gemacht werden kann.
Der Kollege Leber hat zu Recht über die verwaltungsmäßige, ja, man muß sagen: bürokratische Zersplitterung auf diesem Gebiete Klage geführt. Ich will noch weitergehen und sagen, daß von der ersten Konzeption, ein solches Bauvorhaben durchzuführen, bis zur bürokratischen, verwaltungsmäßigen Abwicklung des fertiggestellten Baues ein ungewöhnliches Mißverhältnis besteht zwischen dem verwaltungsmäßigen Aufwand vor, während und nach der Durchführung der eigentlichen Bauarbeiten und dem Aufwand für den Bau selbst. Die bürokratische Erschwerung und Bindung an Genehmigungen, Planungen, Aufsichten, Abwicklungsvorschriften aller Art stehen in einem krassen Mißverhältnis zu dem tatsächlichen Zeit- und Arbeitsaufwand, den der Bau selbst erfordert. Was an Zeit für die Bearbeitung benötigt wird, bis es zum Auftrag und zum Baubeginn kommt, soll nachher der Bauausführende hereinholen. So kommt es vielfach zu jenen allzu starr und allzu kurz bemessenen Fristen.
Ich darf hier einmal lobend hervorheben, daß wir bei diesem Vorhaben, eine vernünftigere Fristgestaltung zu erlangen, gerade in jüngster Zeit Hilfe von dem Tiefbauamt der Freien und Hansestadt Hamburg registrieren dürfen. Dort ist vor kurzem bekanntgegeben worden, daß alle Bauvorhaben des Rechnungsjahres 1959, soweit irgendwie vertretbar, schon in den Monaten von Januar bis März ausgeschrieben würden und daß ein Erlaß dieses Vorhaben weiterhin unterstützen soll, die zeitgerechte und über das ganze Jahr gleichmäßige Durchführung der Bauarbeiten des Tiefbauamtes zu sichern. Dabei wird dem Unternehmer die Möglichkeit gegeben, neben seinem regulären Angebot ein Nebenangebot abzugeben, in dem er auch abgeänderte Bautermine vorschlagen kann. Hier wird der Unternehmer in den Stand gesetzt, entsprechend den Möglichkeiten seines Geräteparks, entsprechend seinem Belegschaftsstand, seiner sonstigen Auftragslage usw. zu disponieren und sein Angebot darauf abzustimmen. Man darf wohl den Wunsch aussprechen, daß auch die übrigen Länder, wenn schon nicht ein direkter Einfluß des Bundes ausgeübt werden kann, diese Initiative von sich aus aufgreifen und ihr folgen.
Nun aber doch noch einige Bemerkungen zu dem, was jetzt wohl vor uns liegt! Ich glaube, es wäre
eine Illusion, zu erwarten, daß es mit den guten Vorsätzen allein, die in diesem Hause vorgetragen und von der Bundesregierung in ihren Bemühungen mit den beteiligten Instanzen zusammen verwirklicht werden sollen, etwa möglich wäre, in diesem Winter zu einer stärkeren oder, sagen wir einmal, einer dem vergangenen Jahre ungefähr entsprechenden Bautätigkeit zu kommen. Es mag nicht zu einer solchen Spitze der Stillegung von Baustellen usw. wie im letzten Jahr kommen; aber ich glaube, der Traditionalismus in der Bauwirtschaft bei Unternehmern wie auch bei ihren Arbeitnehmern :ist doch stellenweise noch so ausgeprägt, daß man eben an dem alten Brauch, unter Einschluß der Feiertage für einige Wochen auszusetzen, im beiderseitigen Einvernehmen festhält, zumal die sozialpolitischen und sozialrechtlichen Bestimmungen das nicht gerade erschweren.
Verständlicherweise haben eine Reihe von Unternehmungen das Bestreben, wenn schon die Auftragslage für die Zukunft nicht ganz sicher zu sein scheint, dann ihrerseits zu strecken und im Winter Ruhe zu machen und, wenn sie es können, manche Vorhaben erst im Frühjahr zu beginnen, um schon im März wieder mit voller Belegschaft auf dem Markt zu sein und nicht vielleicht gerade im März/ April wegen fehlender Anschlußaufträge noch Entlassungen vornehmen zu müssen. Die Arbeitskräfte, die ein Unternehmer im März/ April nicht zur Verfügung hat, hat er auch später nicht mehr, wenn die größere Auftragstätigkeit im Laufe des Jahres kommt, und das führt bekanntlich zu den unschönen Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt - Abwerbung und ähnliche Praktiken -, wie wir sie vor drei Jahren gesehen haben.
Es wäre also auch der sozialpolitische Sektor noch zu überprüfen. Herr Kollege Weimer wird sich zu diesem Teil des Problems nachher noch äußern, zu der Frage, inwieweit hier in gemeinsamen Bemühungen von Regierung, behördlichen Auftraggebern und den beiden Tarifparteien der Traditionalismus der bauwirtschaflichen Arbeitsruhe in manchen Bereichen eingeschränkt werden kann.
Nun lassen Sie mich einiges zu der Gesamtlage im Verhältnis von Bauwirtschaft und öffentlicher Hand sagen. Der Baumarkt ist ein ganz merkwürdiger Markt. Auf der einen Seite gibt es da eine Vielzahl von Konkurrenten, Konkurrenten von relativ geringem wirtschaftlichen Gewicht, bezogen auf den gesamten Umsatz der Bauwirtschaft - ich glaube, es gibt kaum eine Bauunternehmung, die mehr als 1 % des Gesamtumsatzes der Branche hat -, eine Vielzahl von Mittel- und Kleinbetrieben, und auf der anderen Seite eben doch eine relativ unelastische, relativ starre Nachfrage, die sich an öffentlichen Mitteln, an der Gestaltung und Schwerfälligkeit öffentlicher Haushalte, Ausgabenbeschlüsse und vielen anderen Dingen mehr orientiert. Das ist ein ganz merkwürdiger Markt, ein Markt, der auch dem Unternehmer keine Marktbeobachtung im landläufigen Sinn der Wettbewerbswirtschaft gestattet, sondern der viel mehr Beobachtung des Finanzaufkommens der öffentlichen Hand, der Ausgabenpolitik, der Beschlüsse der ge2852
setzgebenden Körperschaften und vieles anderes mehr verlangt.
Hier ist eine ganz andere Art von Fühlungnahme zwischen Auftraggebern und ausführenden Unternehmern notwendig, als es sonst in der Wirtschaft möglich ist. Hier tragen die Auftraggeber auch dann, wenn sie gewisse Vorwarnungen, Vorankündigungen über das, was in bestimmten Branchen als Auftragsvolumen auf die Wirtschaft zukommt, geben, förmlich eine Mitverantwortung für die Investitionstätigkeit der Firmen. Denn so manche Vorwarnung über das künftige Volumen des Straßenbaus, des Wohnungsbaus, der Verteidigungsbauten usw. wird in der - wenn auch nicht deutlich ausgesprochenen - Absicht gegeben, die Bauwirtschaft solle sich mit den Investitionen im Maschinenpark usw. kapazitätsmäßig rechtzeitig auf diese Aufträge einstellen. Gerade das führt zu jener Entwicklung, die ich vorhin nur angedeutet habe.
Die Bauwirtschaft ist in den vergangenen Jahren durch ihren stärkeren Maschineneinsatz wesentlich kapitalintensiver geworden, als sie es in früheren Jahren war. Die Bauwirtschaft ist dadurch stärker als früher wegen der fixen Kosten für die Aufrechterhaltung des Kapitaldienstes auf die rationelle, möglichst ganzjährige Ausnutzung dieses in Maschinen investierten Kapitals angewiesen. Von dort, von dem steigenden Einfluß fixer Kosten in der Betriebsrechnung der Bauwirtschaft kommt der Zwang zur Kostensenkung zu preislich günstigeren Angeboten, der sich in der Winterzeit bemerkbar macht.
Ich hoffe, daß gerade die betriebswirtschaftlichen Untersuchungen des ministeriellen Ausschusses in dieser Richtung möglichst bald zum Abschluß gebracht werden. Es handelt sich um Untersuchungen über die Kostenstruktur der Bauwirtschaft zur Beantwortung der Frage: Ist Bauen im Winter wirklich noch teurer als im Sommer, oder ist nicht von der Veränderung der Finanz- und Kapitalstruktur in Verbindung mit schärferem Wettbewerb im Winter, in der stilleren Zeit, in der Tat ein Zwang zu Kostensenkungen und zu preisgünstigeren Angeboten ausgegangen?
Zusammenfassend darf ich zu den Ausführungen des Herrn Bundeswirtschaftsministers folgendes sagen. Die Fraktion der CDU/CSU bejaht das in der Großen Anfrage angesprochene Ziel, die Bautätigkeit aus wirtschaftlichen, konjunkturpolitischen, finanzwirtschaftlichen und sozialpolitischen Gründen soweit wie möglich auszudehnen und die Saisonspitze der Arbeitslosigkeit im Winter abzubauen. Sie begrüßt die Maßnahmen, die die Bundesregierung in dieser Richtung entwickelt hat, und sie hofft, daß die Bemühungen der Bundesregierung auch ihre Entsprechung bei Ländern und Gemeinden finden. Wir möchten sogar sagen, daß das Ergebnis der heutigen Beratung eine Art Auftrag an die Bundesregierung sein sollte, damit sie in ihren Bemühungen zur Koordinierung einmal im eigenen Zuständigkeitsbereich, zum anderen aber auch mit Ländern, Gemeinden und anderen öffentlich-rechtlichen Körperschaften mit der Unterstützung dieses Hauses auftreten kann.
Des weiteren bejahen wir die Bemühungen der Regierung, insbesondere die Ankündigungen in der Antwort der Bundesregierung, um langfristige Bau- und Finanzierungsprogramme auf den verschiedensten Sektoren, ebenso wie wir die Bemühungen bejahen, zu einer Anpassung des Haushaltsjahrs an das Kalenderjahr zu kommen. Vielleicht erleichtert die historische Reminiszenz, daß das am 1. April beginnende Haushaltsjahr ursprünglich das preußische Militärfiskaljahr war und von dort seine Herkunft ableitet, einigen Ländern die Zustimmung zu diesem Vorhaben.
Schließlich sollten wir nochmals :eindeutig zum Ausdruck bringen, daß diese Maßnahmen im Zusammenhang stehen mit einem konjunkturpolitischen Fragenkomplex von zentraler Bedeutung: der Schlüsselstellung der Bauwirtschaft für das gesamte Wirtschaftsgeschehen in der Konjunktur. Hier gibt es bei aller Anerkennung der föderalistischen Verteilung der Zuständigkeiten eine zentrale Verantwortung, aus der auch die Länder und die Gemeinden nicht entlassen werden können, Ich verweise auf die jüngsten Konjunkturberichte der Bundesbank, des Bundeswirtschaftministers, der wirtschaftswissenschaftlichen Institute und des Wirtschaftswissenschaftlichen Instituts des DGB. Überall wird deutlich, daß die Expansionsrate, die für die Gesamtwirtschaft noch festgestellt werden kann, relativ niedrig ist, und daß auch diese Durchschnittszahl sich nur dank der überproportionalen Entwicklung ergibt, die die Bauwirtschaft in diesem Jahre nochmals hat nehmen können. Die Streuung gerade der koniunkturellen Ausschläge ist stärker als je zuvor. Spitzenreitern im konjunkturellen Ausschlag mit 22 % Produktionssteigerung im Fahrzeughau, 10 % Produktionssteigerung in der elektrotechnischen Industrie, 10 % Produktionssteigerung in der Bauwirtschaft stehen andere Wirtschaftszweige gegenüber, die die Produktionsziffern des vergangenen Jahres nicht mehr erreichen und in einigen Bereichen der Industrie unterschreiten, etwa in der Textilindustrie um 10 %, in der eisenschaffenden Industrie sogar um 16 %.
Daran wird aber deutlich, meine Damen und Herren, daß die jetzige wirtschaftliche Zuwachsrate gegenüber dem Vorjahr schon wesentlich beeinflußt und abhängig ist von dem jetzigen Bauvolumen und daß ein stärkerer Einbruch im jetzigen Bauvolumen, auch wenn er etwa nur aus jenen auftragstechnischen Schwierigkeiten kommen sollte, die wir eingehend erörtert haben, auf das gesamte konjunkturelle Bild unangenehmer wirken würde als in den Jahren zuvor.
Schließlich noch eines zu den Arbeiten des Ministeriums. Ich glaube, auch Werbung und Aufklärung sind noch weit mehr als bisher notwendig. Von den technisch-wirtschaftlichen Gutachten und Untersuchungen ist schon gesprochen worden. Sie sollten unter allen Umständen fortgesetzt werden, vor allem aber Werbung und Aufklärung nicht zuletzt im Bereich der Auftraggeber, damit im Bereich der öffentlichen Hand. Wir sind überzeugt, daß hier noch einige Reserven auch von allgemeiner konjunkturpolitischer Bedeutung liegen. Ich
brauche mich hierzu im einzelnen nicht mehr zu äußern. Soweit noch von den sozialpolitischen Fragen zu sprechen ist, wird mein Kollege Weimer sich dazu äußern.
Ich glaube, es ist zu begrüßen, wenn die Bundesregierung aus einheitlicher Meinung dieses Hauses eine starke Legitimation erhält, mit allen in Frage kommenden zuständigen Stellen im Sinne unseres Anliegens und des Anliegens der Großen Anfrage der SPD-Fraktion zu verhandeln.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Deist.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat seine Beantwortung der Großen Anfrage mit der Bemerkung eingeleitet, der Zeitpunkt für diese Große Anfrage sei schlecht gewählt; es seien 54 000 - ich glaube, diese Zahl nannte er - offene Stellen vorhanden, und das sei doch wohl ein Zeichen dafür, daß unsere Anfrage offene Türen einrenne.
Nun, aus den ganzen Ausführungen des Herrn Bundeswirtschaftsministers scheint mir hervorzugehen, daß er den Sinn und den Zweck der Anfrage völlig mißverstanden hat. Er hat nämlich nicht einmal gemerkt, daß wir die Anfrage bereits am 30. Juni 1958 gestellt haben; dieser Zeitpunkt wäre
nach seiner Einstellung - noch schlechter gewählt gewesen, denn da begann gerade die Bausaison. Es geht uns nicht darum, festzustellen, ob sich die Bauwirtschaft im Laufe der letzten sechs, acht Jahre entsprechend dem gesamtwirtschaftlichen Wachstumsprozeß entwickelt hat, sondern es geht uns um das Problem, ob es notwendig ist, daß die Bauwirtschaft in jedem Jahr im Winter drei, vier Monate lang total darniederliegt. Für unseren Antrag war der Zeitpunkt „Sommer" gerade der interessante und richtige, weil wir erreichen wollten, daß sich die Regierung auf die Probleme des Winters einstellen kann. Wenn wir im Juni die Anfrage gestellt haben, dann deshalb, weil wir meinten, es müsse wirklich etwas geschehen. Wir haben uns sehr gewundert, daß der Bundeswirtschaftsminister meinte, die Dinge so mit leichter Hand dadurch erledigen zu können, daß er der Meinung Ausdruck gab, die Anfrage sei zu einem schlechten Zeitpunkt gestellt worden. Die ersten Ausführungen des Herrn Bundeswirtschaftsministers über die Steigerung des Bauvolumens, über die Steigerung der Zahl der Beschäftigten und über den Wachstumsprozeß betreffen infolgedessen auch Probleme, die wir in der Anfrage gar nicht berührt haben und zu denen wir auch nicht kritisch Stellung nehmen wollten. Ich muß sagen: vor 30 .Jahren hätte man mir unter einen solchen Aufsatz geschrieben: ,, Thema verfehlt".
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Der Bundeswirtschaftsminister behandelte Probleme, die mit unserer Anfrage jedenfalls nicht zur Debatte gestellt worden sind.
Dann ein Zweites. Der Herr Bundeswirtschaftsminister meinte zu Punkt 2 der Anfrage, es seien wichtige Maßnahmen ergriffen worden, und er gab an, im Jahre 1954 habe eine Versammlung aller öffentlichen Bauherren stattgefunden. Herr Kollege Leber hat bereits darauf hingewiesen, daß diese Versammlung der öffentlichen Bauherren damals im Zusammenhang mit Rüstungsproblemen einberufen wurde und daß seither ein solcher oder ein ähnlicher Versuch, auf die Koordinierung der Tätigkeit der öffentlichen Bauunternehmer Einfluß zu nehmen, nicht erfolgt ist. Es ist auch richtig, daß wir einen interministeriellen Ausschuß haben. Aber es ist ebenso richtig, daß er nur beratende Funktion hat und daß er offenbar aus dieser Funktion heraus und wegen des mangelnden Bedürfnisses für Koordination praktisch kaum irgend etwas geleistet hat. Es ist auch richtig, daß wir einen Hauptausschuß für Winterbauen haben. Aber wenn ich nicht falsch unterrichtet bin, hat er wohl ein-, zwei-, dreimal getagt, jedenfalls nicht wesentlich häufiger. Meine Damen und Herren, das kann man wirklich nicht als den Inbegriff wirksamer Maßnahmen hinstellen.
Anschließend meinte der Herr Bundeswirtschaftsminister kühn, diese Maßnahmen hätten Erfolg gehabt und es sei daher zu fragen, was man mit der Anfrage eigentlich wolle, ob sie wirklich notwendig gewesen sei. Neu ist das, was wir in dem Antrag sagen, sicherlich nicht. Das haben wir auch nicht in Anspruch genommen. Im Gegenteil! Die Bundesregierung hat am 19. Oktober 1955 in ihrer Regierungserklärung zur Konjunkturpolitik als ihr Programm verkündet: „Zur Leistungssteigerung der Bauwirtschaft fördert die Bundesregierung auch weiterhin mit allen Mitteln die kontinuierliche Beschäftigung durch Ausdehnung der Bausaison von neun Monaten auf elf Monate." Am 22. Juni war dann vom ganzen Jahr die Rede. Aber, meine Damen und Herren, entscheidend ist doch nicht, ob Programme aufgestellt und Versprechungen gemacht werden, sondern ob wirklich etwas geschieht.
Es gibt einen Gradmesser dafür, ob diese Maßnahmen Erfolg gehabt haben, und das ist der Umfang der Arbeitslosigkeit der Bauarbeiter in den Wintermonaten. Seit dem Jahre 1956 haben wir in jedem Jahre unverändert etwa eine Million Arbeitslose in der Bauwirtschaft, und da wir einen sinkenden Trend der gesamten Arbeitslosenzahl haben, ergibt sich folgerichtig, daß der Anteil der arbeitslosen Bauarbeiter an der Gesamtzahl der Arbeitslosen immer größer wird. Der Anteil der arbeitslosen Bauarbeiter an der Gesamtzahl der männlichen Arbeitslosen betrug im Jahre 1951 21 %, im Jahre 1955 32 %, im Jahre 1956 39 %, im Jahre 1957 41 %. Ich meine, das kann man nicht als einen sehr positiven Erfolg von Maßnahmen bezeichnen, die die Regierung ergriffen hat. Es ist mit ganz kleinen Schwankungen in den einzelnen Jahren unverändert so, daß die Zahl der Beschäftigten im Winter auf 45 bis 50 % sinkt und daß die Bauleistung auf 30 bis 40 % normaler Monate heruntergeht.
Dabei ist eines interessant. Die Dauer der Arbeitslosigkeit im Winter ist nämlich nach den Feststellungen der Bundesanstalt von der Härte des
2854 Deutscher Bundestag -- 3. Wahlperiode Dr. Deist
Winters verhältnismäßig unabhängig. Wir hatten im Jahre 1955/56 einen strengen Winter. In diesem strengen Winter hatten wir eine durchschnittliche Arbeitslosigkeit von neun Wochen. Im Jahre 1956/57 war der Winter milde. Die durchschnittliche Arbeitslosigkeit in jenem Winter betrug acht Wochen. Wir hatten im Jahre 1957/58 einen normalen Winter; nur im März hatten wir einige kalte Tage, dabei in Frankfurt am Main einen einzigen Tag unter 7 Grad Kälte. In diesem Winter verzeichnen wir elf Wochen Arbeitslosigkeit. Zunächst wurde die normale Zahl an Wochen der Winterarbeitslosigkeit, nämlich acht bis neun Wochen verbraucht, und dann kamen für den Monat März mit einigen kalten Tagen noch zwei Wochen hinzu. Im Jahre 1958, in dem die Kälte im März eintrat, wurden im Februar bei 13 Frosttagen ({1}) 590 000 Arbeitslose und im März bei 22 Frosttagen, also einhalb mal soviel, nur 436 000 Arbeitslose gezählt. Das zeigt sehr deutlich, daß diese Arbeitslosigkeit mit dem Winter und dem lieben Herrgott, der dafür verantwortlich ist, verhältnismäßig wenig zu tun hat.
Ich möchte eine Bemerkung des Herrn Bundeswirtschaftsministers unterstreichen. Er meinte, der wesentliche Teil der Entlassungen erfolge immer vor Weihnachten, und da seien immerhin Zusammenhänge denkbar - wenn ich ihn recht verstanden habe -, denen man einmal nachspüren müsse. Ich glaube nicht, Herr Bundeswirtschaftsminister, daß man denen noch lange nachspüren sollte. Die Dinge stehen fest. Da hilft alles Spüren nichts mehr.
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Ich darf Ihnen, Herr Bundeswirtschaftsminister, empfehlen, einen Bericht der Bundesanstalt betreffend die Arbeitslosigkeit im Winter 1956/57 im Bulletin vom Oktober 1957 durchzulesen. Dort wird festgestellt, auf welche Tage sich die Entlassungen konzentriert haben. Da wurde ein Rhythmus festgestellt, der sehr interessant ist: am 19. Dezember die Maurer entlassen, am 20. Dezember die Bauhilfsarbeiter entlasssen, am 23. Dezember die sonstigen Baufacharbeiter und am 24. Dezember die Maler und Lackierer. Das ist nicht meine Feststellung, sondern die Feststellung der Bundesanstalt. Das hat mit dem Herrgott und mit all diesen Dingen nichts zu tun, sondern das ist eine Frage der Disposition und der Organisation, die hier notwendig sind.
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- Auf das Kartell komme ich noch, Herr Bundeswirtschaftsminister. Aber vielleicht darf ich hier anmerken, was mein Kollege Leber bereits über die Kartelltätigkeit dieses Unternehmenszweiges gesagt hat: Wenn ein Unternehmenszweig im Sommer so hoch beschäftigt ist, also einer solchen Übernachfrage gegenübersteht, und im Winter so schlecht beschäftigt ist wie die Bauindustrie, dann ist die Ursache darin zu suchen, daß der Wettbewerb hier ausgeschaltet ist und daß deshalb nicht mehr wettbewerbsmäßig gehandelt wird. Daß dort wettbewerbswidrig gehandelt wird - ob mit
oder ohne Kartell -, ist die Folge einer Wirtschaftspolitik, die es nicht versteht, die Zusammenballung der Bauaufträge im Sommer zu beseitigen. Die Wirkungen sind sehr stark. Ich nehme einmal den milden Winter des Jahres 1956/57, in dem über die Hälfte der Bauarbeiter arbeitslos waren. Da haben 1 Million Bauarbeiter im Durchschnitt acht Wochen gefeiert. Das ist ein Verlust von 400 Millionen Arbeitsstunden. Das bedeutet zwei Monate Arbeitszeit im Baugewerbe und einen Verlust von Arbeitsmöglichkeiten von rund 15 des Bauvolumens.
Im Januar 1958 hatten wir bei 1,4 Millionen Arbeitslosen allein 800 000 bis 900 000 Arbeitslose in der Bauwirtschaft. Das sind etwa zwei Drittel aller Arbeitslosen. Hier zeigt sich, wie bedeutsam die Winterarbeitslosigkeit im Baugewerbe für den ganzen Wirtschaftsablauf ist. Daher kommt es auch, daß wir z. B. im Jahre 1957 in der Bauwirtschaft eine Arbeitslosigkeit von durchschnittlich 10 % gehabt haben, in der übrigen Wirtschaft dagegen nur von 2,7 %.
Herr Kollege Hellwig, Sie sollten Ihrem Herrn Bundeswirtschaftsminister nicht den Bärendienst leisten, daß Sie sagen: Die private Bauwirtschaft hat dein Bau im Winter viel besser verstanden als ,die öffentliche Bauwirtschaft. Im Grunde genommen geben Sie damit zu, daß die privaten Auftraggeber noch nicht ,einmal so schwach funktioniert haben - das war nur schwach - wie die öffentlichen Auftraggeber. Im übrigen: die Differenzen liegen so zwischen 25 und 27 % bei den vergleichbaren Bauten. Also die Differenz ist verhältnismäßig gering.
Aber, Herr Kollege Hellwig, wenn Sie sagen, da sind so viele beteiligt,
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- auf seiten der öffentlichen Hand sind so viele beteiligt, die Bundesregierung hat ,eigentlich nichts in der Hand -, dann 'ist das doch eigentlich eine gefährliche Aussage. Entweder haben Sie recht, dann ,gelben Sie damit zu, daß dieses Problem jedenfalls nach Ihrer Methode der Wirtschaftspolitik nicht zu lösen ist; oder Sie haben nicht recht, dann fehlen eben bei uns die erforderlichen Maßnahmen.
Ich darf noch einmal den Vergleich zwischen Schweden und Deutschland bringen. Schweden hat härtere Winter als wir, und daher sollte man annehmen, daß der Winterbau dort ein größeres Problem ist. Nehmen wir die Zahlen der Arbeitslosigkeit von drei Monaten. Im Januar 1957 betrug in Schweden die Arbeitslosigkeit in derBauwirtschaft 8,8 °/o, bei uns in Deutschland 33,6 %, im Februar 1957 in Schweden 8,5 %, in Deutschland 19,2 %, im Dezember 1957 in Schweden 8,3 % und bei uns 27,5 %. Das ist doch der Beweis, daß eine stärkere Winterarbeit möglich ist.
Wir haben uns heute nicht darauf beschränkt, Vorwürfe zu erheben, sondern wir haben uns bemüht, einige konstruktive Vorschläge vorzubringen, die, wie ,sich unser Kollege Leber, der sie vorgetragen hat, ausdrückte, allerdings von dem konventionellen Denken, in dem die Bundesregierung offenI Dr. Deist
bar mit verhaftet ist, etwas abweichen. Wir müssen dazu kommen, daß wir diese winterliche Arbeitslosigkeit in der Bauwirtschaft nicht einfach als ein vom Herrgott gegebenes Fatum himnehmen. Vielmehr müssen wir wissen, daß die Verhältnisse in der Bauwirtschaft --- nicht das Wetter - so gestaltet werden müssen, daß sie für Bauwirtschaft und Bauarbeiterschaft und damit für die gesamte Volkswirtschaft einigermaßen zuträglich sind.
Es sollte auch einer Überlegung wert sein, ob die Bereitstellung einer Apparatur von Gesräten und dergleichen mehr, die 'auf die Höchstspitze im Sommer und darüber hinaus abgestellt ist, nicht eine volkswirtschaftliche Fehlinvestition ist, die wir uns nicht leisten können.
Wenn wir nicht versuchen, die Probleme zu bagatellisiemen, und auch nicht so tun, als ob wir sie gelöst hätten, sondern erkennen, daß ,sie noch gelöst werden müssen, kann man ihre konjunkturpolitische Bedeutung nicht mit einigen leichten Bemerkungen abtun. Herr Kollege Hellwig hat das konjunkturpolitische Problem kurz angeschnitten. Ich meine, nach der augenblicklichen konjunkturpolitischen Situation muß die Beschäftigung der Bauwirtschaft im Winter auch unter diesem Gesichtspunkt gesehen werden. Daß die Bauwirtschaft auch weiterhin große Bedeutung für den Konjunkturablauf hat, haben wir aus dem Einfluß der Bauwirtschaft auf die Konjunkturüberhitzung in den Jahren 1955/56 zur Genüge sehen können.
Nun weiß ich, daß es in Deutschland schwierig ist,
über die Konjunktursituation etwas zu sagen, ohne daß man aus Versehen oder absichtlich in der Öffentlichkeit mißverstanden wird. Ich weiß auch, daß es in einer Konjunktursituation wie der augenblicklichen nicht gut wäre, wenn man sich in pessimistischen Prognosen erginge, die letzten Endes den Konjunkturablauf nur negativ beeinflussen können. Ich bin allerdings auch der Auffassung, daß man zu einer realistischen Betrachtung bereit sein muß und Dinge, die einige kritische Aspekte zeigen, nicht in rosarotem Optimismus sehen darf. Ich möchte, obwohl ich Gefahr laufe, bei unserem üblichen dentschen Konformismus als Schwarzseher dargestellt zu werden, versuchen, eine vorsichtige kritische Analyse zu geben, weil sie für die Beantwortung der Frage, welche Bedeutung hier die Bauwirtschaft hat, nicht entbehrt werden kann.
Die augenblickliche Konjunkturperiode - und das list für die Bekämpfung von konjunkturellen Schwierigkeiten wichtig - ist sehr zwiespältig; darüber besteht kein Streit. Wir wissen, daß die Konjunktur zur Zeit getragen wird von einigen wenigen Zweigen, wie der Fahrzeugindustrie, der elektrotechnischen Industrie und der chemischen Industrie; daß entscheidende depressive Tendenzen, Schwächetendenzen sich in der Kohleindustrie, in der Stahlindustrie und in dem breiten Bereich der traditionellen Konsumgüterindustrien auswirken. Was für die Beurteilung der Situation weiter wichtig'ist, das lassen manche überoptimistische Darstellungen unberücksichtigt: daß die Entwicklung des Maschinenbaus und des Stahlbaus als Gradmesser für die Investitionstätigkeit in der Wirtschaft sehr, sehr schwach ist und daß die hohe Beschäftigung der elektrotechnischen Industrie insbesondere auf die Herstellung langlebiger Verbrauchsgüter zurückzuführen ist.
Diese gegenläufigen Tendenzen haben dazu geführt, daß die reale Zuwachsrate des Bruttosozialprodukts, also das wirtschaftliche Wachstum, sich sehr stark abgeschwächt hat. Im Jahre 1956 hat sie sich in den einzelnen Vierteljahren zwischen 9 und 6 % bewegt, 1958 zwischen 8 und 3 , und im Jahre 1958 betrug die Zuwachsrate gegenüber dem Vorjahr im ersten Quartal rund 2%; sie ist im zweiten Quartal wahrscheinlich auf etwas weniger als 2 zurückgefallen.
Für die Beurteilung, ob hier die Bauwirtschaft eine Rolle spielen kann, ist die Tatsache wichtig, daß diese Entwicklung durch die Abschwächung des Wachstums des privaten Verbrauchs bestimmt wird. Das wirkt sich insbesondere auf dem Konsumgütersektor aus. Da die Bauwirtschaft ein lohnintensiver Wirtschaftszweig ist - ich komme mit einigen Zahlen darauf zurück -, ist diese Seite der konjunkturellen Situation nicht unwichtig. Denn tatsächlich schwächt sich das Wachstum der Masseneinkommen immer mehr ab. Das gesamte Lohn- und Gehaltsaufkommen wächst viel, viel weniger als im Vorjahr, weil die Erhöhungen geringer an der Zahl und niedriger in der Höhe sind. Der Stundenlohn, der 1957 im Jahresdurchschnitt noch um 9 % gewachsen ist, stieg 1958 nur noch um 6 %. Im laufenden Jahr haben wir, wie wir gestern gesehen haben, auch darauf verzichtet, Rentenanpassungen vorzunehmen. Aus der Entwicklung des Masseneinkommens ergeben sich also keine besonderen Anreize für einen konjunkturellen Aufschwung, zumal da wir mit einer steigenden Sparrate zu rechnen haben.
Dadurch hat sich das Wachstum des privaten Verbrauchs stark abgeschwächt. Es betrug im Jahre 1957 real gegenüber dem Vorjahr noch rund 6 %, im ersten Quartal 1958 rund 4 und im zweiten Quartal 1958 rund 2 %. Das heißt, es wäre dringend notwendig, dieser Abschwächung in der Entwicklung des privaten Verbrauchs, zurückgehend auf eine Abschwächung in der Entwicklung des Masseneinkommens, mit wirtschaftspolitischen Maßnahmen entgegenzuwirken.
Ich möchte nicht mißverstanden werden, Ich denke dabei nicht an massive konjunkturpolitische Maßnahmen; dafür ist nicht die Zeit. Wir haben es außerdem in erster Linie mit speziellen Schwächebereichen zu tun und darüber hinaus eine Abschwächung im Verbrauch zu verzeichnen, die bedrohliche Ausmaße noch nicht erreicht hat. Aber die Frage ist doch, ob man in einer Situation, in der Aufschwungs- und Abschwächungstendenzen miteinander ringen, nicht mit leichter Hand, mit Methoden, die gar nicht außerhalb des Üblichen liegen, Aufschwungstendenzen stärken oder gar zusätzlich auslösen kann und muß. Von welcher Seite können solche Aufschwungstendenzen kommen? Welche Rolle kann dabei die Bauwirtschaft spielen?
Man muß sich bei realistischer Betrachtung darüber klar sein, daß Anreize für eine konjunkturelle
Aufwärtsentwicklung in Deutschland weder vom Export noch von der Investitionsseite zu erwarten sind. Ich glaube, über den Export brauche ich nicht sehr viel zu sagen. Der Investitionsboom nach dem Kriege ist zu Ende, und wesentliche Anreize für stärkere Steigerung des wirtschaftlichen Wachstums sind von der Investitionsseite nicht zu erwarten. Das bedeutet, sie müssen von der Verbrauchsseite kommen. Wir haben in der letzten Zeit feststellen können, daß diese Notwendigkeit in allen Veröffentlichungen, die sich ernsthaft mit diesem Problem auseinandersetzen, immer stärker anerkannt wird. Wir brauchen nur den Septemberbericht der Bundesnotenbank oder die Berichte des Berliner Instituts für Wirtschaftsforschung zu lesen.
Die Frage ist: kann die Bauwirtschaft hier eine Rolle spielen, und welche Rolle kann die Bauwirtschaft spielen? Man sollte sich darüber klar sein, daß zwar der Einsatz von Arbeitskräften durch bauwirtschaftliche Maßnahmen nicht mehr einen so großen Erfolg verspricht wie noch vor 20 oder 30 Jahren, daß die Mechanisierung, die Anschaffung von Geräten und Maschinen einige Wandlungen bewirkt haben. Aber auch heute noch sind die Möglichkeiten, über die Bauindustrie Ansatzpunkte für Auswirkungen auf den Ablauf der Gesamtwirtschaft zu entwickeln, sowohl von der Lohnseite als auch von der Materialseite her sehr groß. Die Bauwirtschaft bleibt nach wie vor eine Schlüsselindustrie; sie hat auch heute noch Schlüsselfunktionen für das gesamte wirtschaftliche Leben.
Ich darf hier ein paar Zahlen anführen. In der Bauwirtschaft sind etwa 2 Millionen Arbeitnehmer beschäftigt. Das sind 10 % aller Arbeitnehmer, und es sind 15 % aller männlichen Beschäftigten. Von diesen Arbeitnehmern sind 75 bis 80 % im Hochbau tätig, der immer noch einen Lohnanteil von 30 bis 35 % hat. Das Arbeitspotential, das hier beschäftigt und bewegt wird, ist also nicht unwichtig. Es kommt hinzu, daß die Beschäftigungslage in der Bauwirtschaft Auswirkungen auf die Baustoffindustrie, auf das Ausbaugewerbe, auf die Zulieferindustrien hat.
Eine zweite Zahl, die die Bedeutung der Bauwirtschaft für konjunkturpolitische Probleme zeigt: wir haben ein Jahresbauvolumen - der Herr Bundeswirtschaftsminister hat etwa die gleiche Zahl genannt - von etwa 25 Milliarden DM. Wenn es möglich ist - in einem Dokument, das, glaube ich, unter Verantwortung unseres Kollegen Dr. Preusker erschienen ist, ist das näher dargelegt-, bei gleichmäßiger Beschäftigung der Bauwirtschaft eine Steigerung des Bauvolumens um etwa 18 % zu erzielen, dann bedeutet das im Jahre eine Erhöhung von bisher 25 Milliarden DM um etwa 4 bis 4 1/2 Milliarden DM -- in einer solchen Zahl liegt etwas darin! -, ohne daß eine einzige neue Maschine oder ein einziges neues Gerät angeschafft zu werden braucht und ohne daß neue Arbeitskräfte für die Bauwirtschaft gewonnen werden müssen. Man braucht nur auch im Winter diejenigen zu beschäftigen, die man heute nach Hause schickt.
Ein paar Worte aber auch über die Bedeutung, die die Lohn- und Gehaltssumme der Bauwirtschaft für das Masseneinkommen und damit für die konjunkturelle Entwicklung hat. Im Baugewerbe werden im Jahre etwa 6 Milliarden DM Löhne und Gehälter gezahlt. In den Sommermonaten 1957 betrug die monatliche Lohnsumme allein im Bauhauptgewerbe im Durchschnitt 500 Millionen DM, in den Monaten Januar bis März 270 Millionen DM, also 230 Millionen DM weniger. In den drei Wintermonaten wurden also im Bauhauptgewerbe 800 Millionen DM weniger für Löhne ausgegeben. Wenn man den Lohnausfall der Monate Dezember und April hinzurechnet, macht das insgesamt ein Weniger an Lohnausgaben, ein Weniger an Kaufkraft von rund 1 Milliarde DM. Ich weiß, daß statt dessen zum Teil Arbeitslosenunterstützung gezahlt wird, aber ich habe nicht eingerechnet das Baunebengewerbe, die Baustoffindustrie und was sonst mit dem Baugewerbe zusammenhängt, so daß es richtig bleibt, daß eine gleichmäßige Beschäftigung der Bauwirtschaft eine Steigerung des Gesamteinkommens im Winter um etwa 1 Milliarde DM bedeutet. Man sieht, daß eine Zahl dieser Größenordnung für die Entwicklung des privaten Verbrauchs und damit für die konjunkturelle Entwicklung nicht ohne Bedeutung ist. - Bitte schön!
Herr Kollege Deist, sind Sie nicht der Meinung, daß die Regierung eigentlich versäumt hat, noch mehr aufs Wetter einzuwirken und Frost und Schnee nur in den Fremdenverkehrsgebieten zuzulassen?
({0})
Herr Kollege, mir scheint, diese Frage sollte eigentlich einer Erörterung in der CDU-Fraktion überlassen bleiben; sie ist das zuständige Gremium für solche über das Irdische hinausgehenden Fragen.
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- Ich hoffe, Sie haben etwas Verständnis für Humor;
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denn Sie nehmen doch wohl selbst nicht an, daß die Frage ernst gemeint war.
Aber nicht nur über die Lohnsumme und damit über die Beeinflussung des privaten Verbrauchs sind Anreize für die Konjunktur zu erwarten, sondern wichtig ist, ob in der Bauwirtschaft das ganze Jahr hindurch gearbeitet wird, insbesondere für das Baustoffgewerbe. Im Baustoffgewerbe werden pro Jahr immerhin 7 his 7 1/2 Millionen t Kohle verbraucht. Zementindustrie, Kalkindustrie und Ziegelindustrie spielen dabei eine ganz entscheidende Rolle. Die konjunkturpolitische Bedeutung dieser speziellen Zweige ist erheblich.
Damit habe ich zur Genüge die entscheidende konjunkturpolitische Bedeutung der Bauwirtschaft dargelegt. Durch das große Potential an Arbeitskräften wirkt sie sehr schnell und vielfältig auf die wirtschaftliche Entwicklung ein. Aber mein Kollege Leber hat bereits darauf hingewiesen: die Bauwirtschaft verdankt es nicht einer autonomen Kraft,
daß sie diese Schlüsselstellung hat, sondern sie ist abhängig von der Investitionsbereitschaft der Bauherren; dabei ist, wie gesagt, die öffentliche Hand zu 70 % an den Bauaufträgen beteiligt.
Herr Kollege Hellwig, Sie haben Zahlen über den Anteil der verschiedenen Gruppen der öffentlichen Hand am Bauvolumen genannt. Ich kann diese Zahlen im Augenblick nicht nachprüfen. Ich weiß nicht, ob Sie die Bedeutung der zentral gesteuerten Mittel entsprechend berücksichtigt haben. Wo zentral gesteuerte Mittel des Bundes vorhanden sind, hat dieser auch einen Einfluß auf die Mittel, die von Ländern und Gemeinden zur Verfügung gestellt werden. Ich meine daher, daß der Bund auch auf diesem Wege seinen Einfluß wirksamer gestalten könnte. Entscheidend ist aber, ob die Bundesregierung wirklich bereit ist, sich die Möglichkeiten einer solchen Einflußnahme zu verschaffen. Ich gestehe, daß uns die Deklamationen und Versprechungen der Bundesregierung nicht mehr ganz überzeugen. Die Unwirksamkeit der bisherigen Maßnahmen wird jedenfalls durch das ständige Steigen der Zahl der Arbeitslosen in der Bauwirtschaft deutlich genug bewiesen.
Welche Bedeutung die Bauwirtschaft in einer Konjunktursituation besitzt, wie wir sie heute haben, läßt sich an der Entwicklung im ersten halben Jahr 1958 deutlich machen. Bekanntlich läuft die Gesamtindustrie in den Monaten Dezember bis Februar auf schwachen Touren: es schließt sich der Frühjahrsaufschwung etwa von März bis Juni an. Nach den bisherigen Feststellungen ist die Industrieerzeugung - ohne die Bauwirtschaft im ersten Quartal 1958 noch um 3,6 % gegenüber dem 1. Quartal 1957 gestiegen, die Produktion des Baugewerbes dagegen um 14 % gesunken. Im 1. Quartal 1956 betrug die Zuwachsrate im Baugewerbe demgegenüber noch 19 %, im Jahre 1957 noch 17 %. Es leuchtet ein, daß ein solcher Einbruch in der Bauwirtschaft seine Konsequenzen für das gesamte wirtschaftliche Wachstum haben muß. Im zweiten Quartal, in das normalerweise der Frühjahrsaufschwung fällt, hatten wir 1958 in der Industrie nach dem Produktionsindex nur noch eine Steigerung der Industriegüterproduktion um 1 %, während die Produktion im Baugewerbe um 2 % zurückfiel.
Auf die depressive Wirkung der Bauwirtschaft in diesem ersten halben Jahr 1958 ist es zurückzuführen, daß wir eine reale Fortschrittsrate der gesamten Güterproduktion von nur noch etwa 1,5 % gehabt haben. Die Wirkung dieses Zusammenbruches der Bauwirtschaft in diesem letzten Winter war, daß die Winterflaute verschärft und der Frühjahrsaufschwung außerordentlich gehemmt wurde. Das ist für eine Zeit der Stagnation, in der wir uns nicht mehr in einem normalen, guten Konjunkturaufschwung befinden, ein bedenkliches Zeichen. Es gibt nicht wenige, die davon gesprochen haben - wenn auch etwas überspitzt -, daß wir in diesem Jahre eigentlich einen nahtlosen Übergang von der Winterflaute in die Sommerflaute hatten, ohne daß ein echter Frühjahrsaufschwung eintrat. Diese Überlegungen über das erste Halbjahr 1958 zeigen eindringlich, welche Bedeutung eine gleichmäßige Beschäftigung der Bauwirtschaft für die konjunkturelle Entwicklung und insbesondere dafür haben kann, daß in einer Zeit schwachen Wachstums neue Aufschwungtendenzen ausgelöst und nicht etwa Abschwächungstendenzen noch verstärkt werden.
Ich möchte noch zwei Bemerkungen über die Auswirkungen auf die Baustoffindustrie machen. Zunächst folgende: Die Baustoffindustrie ist mit dem vom Herrgott verordneten Winter inzwischen fertig geworden. Sie hat es im wesentlichen verstanden, sich winterfest zu machen, so daß also von den Witterungsbedingungen her keine großen Probleme entstehen; auch die Baustoffwirtschaft könnte im Winter durcharbeiten. Aber heute müssen die Baustoffindustrien - als Auswirkung des Beschäftigungsrückgangs im Baugewerbe - normalerweise drei schlechte Wintermonate durchstehen, in denen sie nur bis zu 40 oder 50 % ausgelastet sind. Das ist nicht unwichtig; denn hier könnten die Kosten der Baustoffindustrie durch eine gleichmäßige Beschäftigung wesentlich gesenkt werden. Das Institut für Bauforschung hat einen Erfahrungsbericht über Wintervergleichsbauten im Winter 1956 und 1957 herausgegeben. Es wird ein Beispiel, nämlich die Baustelle Waldkraiburg, angeführt, die, da sie im Winter ihre Baustoffaufträge geben konnte, eine Kostenverminderung für Baustoffe zwischen 5 bis 7 % erreicht hat. Heute besteht kein Streit mehr darüber, daß der Übergang zum Winterbau, wenn über das ganze Jahr gerechnet wird, keine Verteuerung der Gesamtkosten verursacht, sondern daß insgesamt die durch den Winter entstehenden zusätzlichen Kosten durch Kostenkürzungen im Laufe des übrigen Jahres eingespart werden. Es läge in einer Senkung der Baustoffkosten ein zusätzlicher Anreiz für die Bauindustrie, im Winter zu bauen.
Meine Damen und Herren! Ich meine, eine Regierung, die mit uns freiheitliche Methoden in der Wirtschaft befürwortet, sollte sich überlegen, ob man eine solche Möglichkeit nicht realisieren kann. Die Baustoffindustrien - Zement, Kalk, Ziegel, auch die meisten Natursteine - sind sämtlich kartellmäßig stark gebunden. Da gibt es keine Preise, die sich frei auf dem Markt bilden. Hier könnte eine Kartellpolitik, die weiß, was man mit einem solchen Instrument anfangen kann, dafür sorgen, daß durch Kostensenkung ein Anreiz für das Baugewerbe geschaffen wird, so daß es unter Umständen lukrativer ist, auch im Winter zu bauen statt nur im Sommer. So aus der Welt liegt das doch eigentlich nicht! Wir haben bei der Kohle Sommerrabatte. Warum soll es bei Baustoffen keine Winterrabatte geben? Das ist in der freien Marktwirtschaft, wie wir sie in Deutschland exerzieren, gar nicht eine so ungewöhnliche Angelegenheit. Ich meine, diesem Problem sollte die Bundesregierung ihr besonderes Augenmerk widmen.
Aber lassen Sie mich über die Bedeutung der Baustoffindustrie für die Lösung unseres Kohlenproblems einiges sagen. Ich will auf die Schwierigkeiten der Kohle nicht im einzelnen eingehen; sie sind stadtbekannt, ich muß wohl sagen: hausbekannt. Die Frage ist: Würde eine durchgehende
Beschäftigung der Baustoffindustrie eine Erleichterung für die Schwierigkeiten des Kohlebergbaus bringen können?
Im Jahre 1957 hatte die gesamte Baustoffindustrie einen Kohlenverbrauch von 7 Millionen t. 1957 war im ganzen ein gutes Jahr mit ausgeglichenerer Beschäftigung als sonst. Die Experten rechnen, daß die Bauwirtschaft bei durchgehender Beschäftigung etwa 10 % mehr hätte leisten, also auch 10 % mehr Material hätte verbrauchen können. Das ergäbe also 7,7 Millionen t bei Annahme einer gleichmäßigeren Beschäftigung. Wir werden im Jahre 1958, in dem sich der Winter mangels entsprechender Maßnahmen Anfang des Jahres voll ausgewirkt hat, nach dem bisherigen Verlauf voraussichtlich einen Kohlenverbrauch von 6 Millionen t haben. In diesem Jahre führt also der winterliche Rückgang der Bauwirtschaft zu einem Minderverbrauch von etwa 1,5 Millionen t Kohle. Der Verbrauch der 1,5 Millionen t hätte die Schwierigkeiten im Kohlenbergbau wenigstens etwas beheben können.
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Hinzu kommt das, was sonst noch an Energie und Materialien - Teer und dergleichen mehr -- verwendet wird, was auf Kohlebasis erzeugt wird.
Ich meine daher, man sollte bei einer solchen Debatte nicht übersehen, daß es hier nicht nur um die Frage der ausgeglichenen Beschäftigung geht, die wichtig ist und deren Bedeutung ich keinesfalls herabmindern möchte, sondern daß die ausgeglichene Beschäftigung auch für Zeiten der konjunkturellen Stagnation, wie wir sie zur Zeit durchmachen, geradezu zentrale Bedeutung hat. Das Bauvolumen könnte bei ausgeglichener Arbeitszeit, wie ich ausführte, um 4,5 Milliarden DM erhöht werden; das Masseneinkommen und damit der private Verbrauch könnten im Frühjahr, also in einem Zeitraum von nur drei, vier Monaten, um etwa 1 Milliarde DM gesteigert werden. Dazu käme noch, daß sich eine ausgeglichene Beschäftigung in der Bauwirtschaft über das ganze Jahr auch günstig auf den Kohleverbrauch auswirken würde. Darum ist die gleichmäßige Beschäftigung der Bauwirtschaft konjunkturpolitisch von großer Bedeutung.
Die Frage ist nun: Ist wirklich in den vergangenen Jahren alles geschehen, was angesichts der Bedeutung dieses Problems hätte geschehen müssen? Ich möchte annehmen, daß sich die CDU/CSU-Fraktion zu einem gemeinsamen Antrag nicht entschlossen hätte, wenn sie nicht doch der Auffassung wäre, daß - vielleicht vertritt sie diese Ansicht nicht in dem Umfange, wie das bei uns der Fall ist - doch Versäumnisse vorliegen, die in Zukunft bereinigt werden müssen. Wir möchten durch den Antrag erreichen, daß die Bundesregierung aus der Lethargie gerissen wird, die sie ja nicht nur in dieser Frage kennzeichnet, sondern eigentlich in allen Fragen, in denen man etwas Aktivität von der wirtschaftspolitischen Zentrale verlangen muß.
({3})
- Kommen Sie mir doch nicht mit diesem grünen
Heft, das Sie da in der Hand halten! Der Herr Bundesminister für Arbeit hat es als Diskussionsgrundlage bezeichnet. Als wenn das eine Leistung wäre! Sie müssen mir doch wenigstens konzedieren, daß ich mich bemüht habe, Ihnen zu sagen, daß außer Papier - die Papierproduktion ist sicherlich sehr, sehr bedeutsam - nicht sehr viel an Erfolg aus den Maßnahmen der Bundesregierung herausgekommen ist.
({4})
Unter diesem Gesichtspunkt scheint mir auch die Bemerkung des Herrn Bundeswirtschaftsministers über den lieben Gott so bedenklich zu sein. Sie zeigt doch an, daß die Bundesregierung geneigt ist, viele Dinge als Fatum hinzunehmen, mit denen sich eine Regierung auseinandersetzen und die sie zu ändern versuchen muß. Darum halte ich es für sehr bedauerlich, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister zwar heute hier wieder seine guten Vorsätze betont hat, aber im Grunde genommen keinen einzigen wirklich konstruktiven und konkreten Vorschlag zur Behebung der Schwierigkeiten in der Bauwirtschaft gemacht hat.
({5})
Das Wort hat der Abgeordnete Weimer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach dem letzten Stand der Debatte muß man den Eindruck haben, daß das Grundanliegen, das Gegenstand der Anfrage der sozialdemokratischen Fraktion war, in den Hintergrund tritt und daß die Diskussion um dieses Problem dazu benutzt wird, auch solche Fragen zu diskutieren wie etwa die, ob wir uns in einer wirtschaftlichen Situation befinden, die es erforderlich macht, Überlegungen anzustellen, inwieweit der Bauwirtschaft eine Konjunkturspritze gegeben werden könne. Ich glaube, das geht am Kern dessen vorbei, was mit der Anfrage bezweckt war.
Das Problem, das der SPD-Anfrage zugrunde liegt, eignet sich doch sicherlich nicht - und das war im Anfang auch klar erkennbar - für leidenschaftliche Auseinandersetzungen. Aus der Schlußbemerkung des Kollegen Leber, in der er sinngemäß sagte, jetzt, nachdem das Aufbaustadium abgeschlossen sei, könne erwartet werden, daß die Bundesregierung nunmehr auch dieser Frage ihre besondere Aufmerksamkeit zuwende, aus dieser Formulierung habe ich die Hoffnung geschöpft, daß manches, was vorher gesagt wurde, nicht so konkret als Vorwurf des Versagens anzunehmen ist; damit ist nicht mehr und nicht weniger zum Ausdruck gebracht, als daß in den Jahren davor sehr, sehr viele Probleme bewältigt werden mußten, und zwar in der Reihenfolge ihrer Rangordnung.
Wir entnehmen der Erklärung der Bundesregierung heute, daß schon im Jahre 1950 ein interministerieller Ausschuß eingesetzt wurde, der sich mit den ersten Prüfungen befaßte und Überlegungen anstellte, wie man in der Bauwirtschaft auch im volkswirtschaftlichen Ergebnis eine gewisse Ordnung erzielen könne. Damit ist zumindest dargetan,
daß der Versuch gemacht worden ist, schon sehr früh etwas zu tun, um dann, wenn die Erkenntnisse gewonnen wären, daraus auch die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen. So viel nur zur volkswirtschaftlichen und wirtschaftlichen Bedeutung überhaupt. Im Zusammenhang mit der Anfrage der sozialdemokratischen Fraktion ist meines Erachtens schon viel zuviel in Volkswirtschaft gemacht worden. Mir scheint, dabei besteht die Gefahr, daß ein anderes Problem zu kurz kommt.
Ich bin der Ansicht, daß das Grundanliegen der Anfrage nicht nur eine volkswirtschaftliche Bedeutung hat, sondern daß es auch ein echt gesellschaftliches Problem darstellt. Auf der einen Seite sehen wir in der Bundesrepublik - das kann heute von niemandem mehr bestritten werden - im gesamten Wirtschaftssektor die Vollbeschäftigung. Auf der anderen Seite wird eine Gruppe eines Wirtschaftszweiges jährlich regelmäßig durch eine sprunghaft ansteigende Arbeitslosenwelle erfaßt. Einer Überhitzung, zumindest einer Auftragsballung folgt regelmäßig für eine nicht unbeträchtliche Zeit eine Massenarbeitslosigkeit. Im Bewußtsein der meisten Menschen ist das bisher als eine unabänderliche Erscheinung hingenommen worden, weil es noch nie anders gewesen ist.
Dankenswerterweise sind uns aber - und das möchte ich ausdrücklich betonen - durch den von der Bundesregierung eingesetzten Hauptausschuß „Bauen im Winter" und durch die zahlreichen Versuchs- und Vergleichsbauten des Wohnungsbauministeriums - zurückreichend bis in das Jahr 1954 -Unterlagen geliefert worden, die schlüssig beweisen, daß die Unabänderlichkeit der Erscheinung nur eine scheinbare ist und daß es durch die Inanspruchnahme technischer Erkenntnisse sehr wohl anders sein könnte. Sicher wird die Eigenart dieses Wirtschaftszweiges nie eine restlose Beseitigung zeitweiliger Produktionsbehinderungen zulassen. Man darf sich darüber keine Illusionen machen. Wer erwartet, daß es wirksame Maßnahmen geben könne, die die Arbeitslosigkeit bei ausreichendem Auftragsvolumen für das ganze Jahr ausschließen, der gibt sich einer Illusion hin, weil selbst unter Einsatz aller technischen Mittel, die uns heute zur Verfügung stehen, auch weiterhin mit zeitweiligen Produktionsbehinderungen gerechnet werden muß, allerdings nach meiner Auffassung in einem Umfang, der dann kaum noch Bedeutung hat.
Ich sagte, es ist ein echtes gesellschaftspolitisches Problem, wenn eine Gruppe stets damit zu rechnen hat, daß jährlich wiederkehrend zumindest ein Teil von ihr durch eine sprunghaft ansteigende und wieder verschwindende Arbeitslosenwelle erfaßt wird, während alle übrigen Arbeitnehmer in der Bundesrepublik die Vorzüge der Vollbeschäftigung und eines für das ganze Jahr gesicherten Arbeitsplatzes genießen. Ich meine, auch das ist ein weiterer Gesichtspunkt, der alle Beteiligten veranlassen sollte, zu prüfen, wie diesem Mangel abgeholfen werden kann.
Es ist schon mit Bezug auf die volkswirtschaftliche Seite der Frage darauf hingewiesen worden, daß die Ausschaltung des marktwirtschaftlichen Prinzips in den Zeiträumen der Ballung, das Fehlen eines echten Wettbewerbs in den Ballungszeiten volkswirtschaftlich äußerst störend wirkt. Von all diesen wirtschaftspolitischen Begründungen, auch von dem im Winter brachliegenden Maschinenpark und dem damit auch brachliegenden Kapital, von der mangelnden Kapazitätsausnutzung ist gesprochen worden. Ich möchte mich speziell dem sozialpolitischen Problem zuwenden und gerade im Anschluß an das zuletzt Gesagte gegenüberstellen, daß .es doch wirklich sozialpolitisch eine schwerwiegende Erscheinung ist, wenn der Zeit der Vollbeschäftigung und der Ballung sprunghaft eine Arbeitslosenwelle folgt, bei der bis zu 600 000 Bauarbeiter Arbeitslosenunterstützung beziehen.
Hinzu kommt, daß die sehr starke Fluktuation in diesem Wirtschaftszweig, wie sie in keinem anderen zu verzeichnen ist, auch dazu führt, daß das Entstehen echter Leistungsgemeinschaften in den Betrieben verhindert wird, weil der häufige Wechsel des Arbeitsplatzes das einfach nicht zuläßt.
Bei diesem Problem handelt es sich aber auch nicht - darüber muß bei allen Beteiligten Klarheit bestehen - um eine Aufgabe, die von der Regierung allein bewältigt werden könnte, es sei denn, man würde sich entschließen, das Mittel des Dirigismus mit allen seinen Folgen anzuwenden und dann die Wirkungen in Kauf zu nehmen, die u. a. auch darin bestehen könnten, daß die Freizügigkeit eingeschränkt wird, daß marktwirtschaftliche Grundsätze aufgegeben werden und daß vielleicht sogar mit dem Mittel der Ausübung von Zwang auf die Arbeitnehmer gearbeitet wird, was gerade in der Winterzeit unter Umständen dazu führen kann, daß die Arbeit für den Bauarbeiter den Charakter einer Zwangs- oder Strafarbeit bekommt.
Das kann also nicht das Ziel der Anfrage sein, und bei den gegebenen Verhältnissen kommt es darauf an, weitere Verbesserungen durch eine Diskussion über die Beseitigung all der diese Zustände begünstigenden Faktoren anzustreben.
Schon jetzt ist folgendes klar erkennbar: Nur durch die Zusammenarbeit aller Beteiligten und mit Sicherheit auch durch einen Appell dieses Hohen Hauses insbesondere an die öffentlichen Auftraggeber - sie sind heute genügend zitiert worden; es ist jedem klar, welche Bedeutung sie haben - ist zu erreichen, daß eine gleichmäßige Verteilung des Bauvolumens über das ganze Jahr erzielt wird und daß sich insbesondere die Landesbauverwaltungen als die durchführenden Stellen ebenso wie die freie Wirtschaft zu einem marktwirtschaftlichen Denken bereit finden, Im Normalfall werden höchstens acht bis zehn kritische Wochen überbrückt, also ausgefüllt werden müssen. Das muß den Landesbauverwaltungen bzw. der öffentlichen Hand, soweit sie Aufträge zu vergeben vermag, doch in jedem Fall möglich sein.
Ich erlaube mir, hier beispielsweise das Verhalten des Stadtrats von Nürnberg zu ,erwähnen, der, wie mir erst in ,den letzten Tagen bekanntgeworden ist, bei der Terminierung seiner Bauvorhaben den
l Dezernaten für die Freigabe der Baumittel genaue Zeitauflagen gemacht hat, die dem unerwünschten Rhythmus wirksam entgegensteuern. Das ist viel- leicht ein Hinweis zum Nachdenken für alle, die solche Möglichkeiten haben.
Es ist also ein allseitiges Umdenken erforderlich, und es ist unbedingt notwendig, daß wir auch in der Aufklärung mit echten und vertretbaren Angaben arbeiten und dem entgegenwirken, was der Winterarbeit immer wieder Schwierigkeiten bereitet: der Behauptung, es fielen mehr Kosten an. In der Tat haben die Versuchs- und Vergleichsbauten ergeben, daß Mehrkosten anfallen. Sie liegen zwischen 3 und 5 1/2.%. Aber wie viele Beispiele beweisen, werden diese Mehrkosten durch echte Wettbewerbspreise wieder kompensiert. Ich kann Ihnen aus den persönlichen Erfahrungen mit einer der größten hessischen Baugesellschaften sagen, daß dort die Angebote für Aufträge in der Winterzeit in ihrer Höhe eventuell entstandene und entstehende Mehrkosten infolge besonderer Vorkehrungen in der Tat mehr als wettgemacht haben.
Es ist deswegen auch nicht, wie irrtümlich vielfach angenommen wird, notwendig, von dem Prinziq der Objektfinanzierung abzugehen, soweit nicht ,außergewöhnliche Verhältnisse verbilligte Finanzmittel erfordern. Für diese könnte wegen der werteschaffenden Wirkung sicher auch die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung etwas tun, entweder in Form von Annuitätsbeihilfen oder in Form verbilligter Kredite. Das wäre den Leistungen dieser Anstalt durchaus nicht wesensfremd, da sie viele Leistungen ähnlicher Art schon in der Vergangenheit regelmäßig gegeben hat.
Es stehen eine ganze Reihe Vorschläge zur Erörterung. Es ist erfreulich, zu hören, daß entgegen der immer wiederkehrenden Behauptung auch die Bundesregierung durch Bindungsermächtigungen für Vorgriffe auf Baumittel die Voraussetzungen für rechtzeitige Auftragserteilung geschaffen hat. Das steht im Gegensatz zu den Behauptungen mancher Landesbaudienststellen, die gerade ihr Verhalten bei der Auftragsvergabe und bei der Ausschreibung in der Zeit vor dem Winter ausschließlich mit der Begründung decken, es ständen ihnen keine Mittel zur Verfügung. Meines Erachtens sind es Bequemlichkeitsgesichtspunkte, vielleicht auch der Umstand, daß bei diesen Auftraggebern, wie schon gesagt, das marktwirtschaftliche Denken noch weithin fehlt.
Vierjahrespläne im Straßenbau sind gut. Wir haben ,gehört, daß solche bestehen und daß auch weiterhin bis zum Jahre 1962 solche vorgelegt werden. Aber was die sonstigen langfristigen Planungen anbelangt, so wird dieses Hohe Haus mit mir übereinstimmen, wenn ich sage, daß solche Vorstellungen dort ihre Grenze haben, wo das Haushaltsrecht der Parlamente unter Umständen beeinträchtigt werden könnte.
Nun zu einigen sozial- und arbeitsrechtlichen Einzelheiten.
Hier gestatte ich mir zunächst den Hinweis, daß der alleinige und stetige Ruf nach der Hilfe des Staates seine Grenzen hat. Wir haben das zu unserem Leidwesen gerade in den letzten Jahren der Weimarer Republik demonstriert bekommen. Der ständige und stetige und alleinige Ruf nach der Hilfe des Staates hat seine Grenzen.
Es muß ferner Klarheit darüber bestehen, daß die Forderung: „Bauen im Winter" bzw. „Bauen im ganzen Jahr" keine unzumutbaren, die Würde des Menschen - in diesem Falle des Bauarbeiters - verletzenden Zustände nur um eines wirtschaftlichen Effektes willen schaffen darf. Das ist aber auch gar nicht erforderlich, wie Sie noch hören werden. Denn wir wollen ja der Lösung des Problems nur einige Steine aus dem Wege räumen, und Sie werden selber zu der Überzeugung kommen, daß große Gesetzgebungsakte und irgendwelche revolutionierenden Schritte und Maßnahmen gar nicht erforderlich sind, sondern daß es einer Vielzahl mehrerer gleichzeitig zu tuender Schritte bedarf, die nicht nur von einer Stelle getan werden müssen. Dabei hätten der Gesetzgeber, die öffentliche Hand und die Parteien im Bereich der sozialen Autonomie ganz bestimmte Aufgaben, die kurz anzudeuten ich mir gestatten möchte.
Für die Tarifpartner sollte der Grundsatz gelten, daß das, was die Beteiligten selber regeln können, nicht vom Staat durch ein Gesetz verlangt werden soll. Es wäre denkbar, daß die Tarifpartner gerade in der Bauwirtschaft Überlegungen anstellen, inwieweit durch Veränderungen in der Konstruktion der Lohnausgleichskasse und durch den Wegfall der Möglichkeit der fristlosen Kündigung bei Witterungseinflüssen schon einige Schwierigkeiten aus dem Wege geräumt werden könnten. Die bestehenden Arbeitsverhältnisse würden sicher durch den Wegfall der Möglichkeit, bei schlechtem Wetter einfach fristlos zu kündigen, eine weitere Stabilisierung erfahren. Der Wegfall dieser Möglichkeit würde nämlich in zahlreichen Fällen verhindern, daß aus kurzfristiger Behinderung längere Zeiten von Arbeitslosigkeit werden.
Eine eingehende Prüfung des Bundesgesetzes über Lohnzahlung an Feiertagen ergibt -- und jetzt muß ich etwas sagen, selbst auf die Gefahr hin, bei einem Teil der Damen und Herren hier auf Widerstand zu stoßen -, daß es keine Möglichkeit gibt, zu verhindern, daß unseriöserweise damit Spekulationen getrieben werden. Daß das geschieht, wird zwar bestritten. lch glaube sogar an die Ehrlichkeit der Entrüstung. Die regelmäßig wiederkehrenden Erscheinungen beweisen aber zum mindesten, daß die Verbindung zwischen kürzester Kündigungsfrist und dem Vorschieben witterungsbedingter Gründe oft nur vom betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkt aus lohnende Kündigungen größeren Umfangs auslöst, wie Sie sich von jedem beliebigen Arbeitsgericht im Bundesgebiet bestätigen lassen können. Wir haben in Kürze in zwei aufeinanderfolgenden Wochen drei zu bezahlende Wochenfeiertage. Beobachten Sie in den fraglichen Tagen den Arbeitsmarkt; dann werden Sie verstehen, daß es ein echtes Anliegen wäre, eine tarifliche Regelung anzustreben, die Anreize zu solchen Spekulationen beseitigt.
Die gleiche Ursache, die hier also in nachweislichem Umfange ein Anschwellen der ArbeitslosenDeutscher Bundestag - 3. Wahlperiode - 51. Sitzung. Bonn, Donnerstag, cien 27. November 1958 2861
zahl verursacht - ich erinnere an den Bericht der Bundesanstalt vom Anfang dieses Jahres -, bewirkt sehr oft auch, daß die Ausführung übernommener Aufträge wegen des Karfreitags und Ostermontags erst um zwei oder drei Wochen verspätet begonnen wird. Das ist doch des Nachdenkens wert. Hinzu käme, daß es wegen der wirtschaftlichen Verflechtung - Herr Kollege Deist hat das schon angeschnitten - von Baustoffindustrie, Bauwirtschaft und Bauhauptgewerbe auch möglich wäre - und das dürfte durch den Umstand sehr erleichtert werden, daß die Tarifpartner zumindest auf der einen Seite eine gewisse Identität aufweisen -, erfolgreiche Überlegungen anzustellen, inwieweit man mit echten Winterrabatten, ähnlich den Sommerpreisen bei der Kohle, auch etwas Weiteres tun kann, um den Winterbau zu fördern.
Aber auch an die Adresse des Gesetzgebers wären einige Hinweise - nicht als Grundlage für überstürztes Handeln, sondern für wohlüberlegte Schritte - zu richten. Ich denke beispielsweise daran, daß die derzeitige Fassung des § 90 AVAVG geradezu dazu verleitet, Überlegungen anzustellen, ob es bei zunehmendem Schlechtwetterrisiko noch lohnend ist, um die Erhaltung des Arbeitsplatzes überhaupt bemüht zu bleiben, weil die Bemessungsgrundlage mit zunehmendem Risiko sinkt. Es wird - das muß ich ganz deutlich sagen - als ein Unrecht empfunden, wenn beispielsweise ein mit Zustimmung des Arbeitgebers genommener „blauer Montag" im Gegensatz zu einem Schlechtwettertag keine Minderung der Bemessungsgrundlage herbeiführt. Das trifft nicht nur den Bauarbeiter, sondern das trifft alle Außenberufe mit dem gleichen Risiko.
Wäre es nicht weiter überlegenswert, jenen Wanderarbeitern - sie sollen etwa 12 bis 15 % der Beschäftigten in der Bauwirtschaft ausmachen -, die keinen Anspruch auf tarifliches Trennungsgeld haben, weil sie am Wohnort keine Arbeit finden und deswegen die Trennung von ihrer Familie schon seit Generationen auf sich nehmen, um an einem entfernt liegenden Arbeitsplatz Arbeit aufzunehmen, wenigstens für die kritischen Monate aus Mitteln der Bundesanstalt einen gewissen Ausgleich zu bieten? Wenn die Bundesanstalt dadurch im Einzelfall für zehn oder für zwölf Wochen die jeweils anfallende Arbeitslosenunterstützung einsparte, so wäre das doch eine saubere, im Gesamtinteresse liegende Lösung, zumal Leistungen solcher Art den Leistungen, die die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung in vielen Fällen gibt, gar nicht wesensfremd sind.
Es sollte weiter überlegt werden - das ist auch in den Ausführungen des Kollegen Leber zum Ausdruck gekommen, und das muß unterstrichen werden -, daß es bei der Bewältigung des Problems darauf ankommt, auch die Umweltverhältnisse in einen Zustand zu bringen, der ihre Zumutbarkeit für den Bauarbeiter nicht mehr in Frage stellt. Deswegen ist es durchaus berechtigt, zu prüfen, ob das Gesetz über die Unterkunft bei Bauten, das aus der Nazizeit stammt und bestimmt nicht aus Liebe zu den Bauarbeitern erlassen worden ist,
({0}) als für die Schaffung wirklich zumutbarer Umweltverhältnisse nicht mehr ausreichend angesehen werden muß.
({1})
An die öffentliche Hand, namentlich aber an die Landesbauverwaltungen - denn da liegt das größte Volumen dessen, was in der Bundesrepublik an Aufträgen vergeben wird -, sollte dieses Hohe Haus einen Appell richten, im weitesten Umfang von der Möglichkeit, im Winter zu bauen, Gebrauch zu machen. Die freie Wirtschaft und der private Bauherr werden um so eher ihre Vorurteile über Bord werfen, je mehr die öffentliche Hand hierin durch beispielhaftes Verhalten vorangeht.
Eine weitere Verbesserung der Verhältnisse in der Bauwirtschaft ist nicht mit den Mitteln des Dirigismus zu erreichen. Das ist in dem bisher Gesagten noch gar nicht zum Ausdruck gekommen, und gerade die CDU/CSU-Fraktion legt auf diese Feststellung besonderen Wert. Ich will damit keine neue Diskussion entfachen. Aber angesichts der draußen weitverbreiteten Vorstellungen hat man manchmal so das Gefühl, als ob man dem Beispiel anderer Länder folgen müsse und glaubt, mit dem nötigen Druck etwas erzwingen zu können. Weder mit dem Mittel des Dirigismus noch mit der Vielfalt neuer umfangreicher Gesetze ist etwas zu machen. Allerdings müssen im Einzelfall gleichzeitig von mehreren Stellen viele kleine Schritte unternommen werden. Dabei ist die richtige Zeitfolge und vor allen Dingen auch schnellstes Handeln zu beachten.
Nun werden Sie sagen: In dieser Rechnung fehlt eine Position, und das ist der Bauarbeiter selbst. Ich habe die Überzeugung, daß der Bauarbeiter auch mitmachen wird. Er hat schon allein aus dem Wunsch nach sozialer Gleichstellung zusammen mit den übrigen in der Bundesrepublik beschäftigten Arbeitnehmern aller Kategorien das echte Bedürfnis einer Eingliederung und wünscht die Beseitigung des Zustandes, daß er jedesmal wieder als eine die sozialen Leistungen in einem besonderen Umfang in Anspruch nehmende Gruppe in Erscheinung tritt. Daß das bisher noch nicht genügend zum Ausdruck gekommen ist, mag zum Teil daran liegen, daß unser technisches Wissen um die Durchführbarkeit der Winterbauten erst langsam der Öffentlichkeit und damit auch dem Bauarbeiter zur Kenntnis gelangt; denn seit eh und je ist von jedermann als unabänderliche Tatsache hingenommen worden, daß eben im Winter nicht gebaut werden kann. Sicher wird sich auch der Bauarbeiter, besonders der Typ des Wanderarbeiters, von einer seit eh und je bestehenden Tradition abwenden, wenn er erst einmal all die Vorzüge, die heute aufgezeigt wurden, selbst verspürt hat. Widerstände werden dann nur noch in einem nicht nennenswerten Umfang vom Bauarbeiter her zu befürchten sein.
Noch ein kritisches Wort zu den in dem Bericht des Hauptausschusses angestellten Einkommensvergleichen. Die Darstellung dieser Einkommensvergleiche, mit denen man unausgesprochen etwa den Nachweis führen will, daß, abgesehen von gesellschaftspolitischen Anliegen, von der Einkommensseite her kein Verlangen bestehe, den derzeitigen
Zustand zu beseitigen, ist irrig. Wenn jemand in der Tat bei seinem Einkommen 105 oder 110 % erreichte, hätte das vielleicht noch eine logische Berechtigung. Das ist aber nicht der Fall. Bei der Hinzurechnung der Lohnausgleichsunterstützung, die bei diesem Rechenbeispiel vorgenommen wurde, hat man nicht bedacht, daß die Bezugsdauer der Lohnausgleichsunterstützung nur auf 30 Tage beschränkt ist. Bei länger dauernder Arbeitslosigkeit sinkt dann das Einkommen durch den Fortfall dieser Unterstützung weit unter das ab, was sich aus diesem Einkommensvergleich ergibt.
Ich Fand es sehr originell, daß man bei diesem Einkommensvergleich auch den Lohnsteuerjahresausgleich auf die Wochen lumlegt und dann dem Wochen-Netto-Einkommen im Ergebnis hinzurechnet. Nur durch dieses Kunststück war es dann möglich, zu solchen zunächst verblüffenden Ergebnissen zu gelangen. Nach meiner Ansicht isst die Darstellung irrig und kann auch zu irrigen Auffassungen ,führen. Außerdem ist gerade die letztgenannte Position in der Vergangenheit sicher nicht Anlaß für eine sogenannte Spekulation des Bauarbeiters gewesen. Mir ist kein einziger Fall bekannt, in dem die Bauarbeiter solche Einkommensvergleiche anstellen und ihr Verhalten dann danach einrichten. Im übrigen darf gesagt werden, daß sich das Bild der Einkommensvergleiche sofort wandelt, wenn bei Wirksamwerden all der Maßnahmen, die hier als notwendig bezeichnet wurden, die Einkommensunterschiede zwischen Sommer und Winter in dem Maße geringer werden, wie ,es gelingt, das Volumen auf das ganze Jahr zu verteilen. Außerdem wird durch den weitgehenden Fortfall der Überstundenschinderei - das ist vielleicht die richtige Bezeichnung für denjenigen, der die Dinge aus der Praxis kennt - der Gesundheitszustand der Bauschaffenden wesentlich verbessert. Die Einsicht beim Bauarbeiter für isolche Maßnahmen wird bestimmt größer sein, als weithin vermutet wird.
Meine Damen und Herren, alle in diesem Hohen Hause wollten das gleiche. Ich bin überzeugt, daß lediglich differenzierte Auffassungen darüber bestehen, welche Wege hierbei zu beschreiten sind. Da mag es Unterschiede geben, über die dann eben noch gesprochen werden muß. Die CDU/CSU-Fraktion legt besonderen Wert auf die Feststellung, daß ihr der Mensch, die Person, um deren Schicksal es hier im wesentlichen auch geht, von der sozialpolitischen Seite her im Mittelpunkt der Überlegungen zu stehen hat.
Deswegen möchte ich sagen, daß wir das Beispiel Schwedens gar nicht so sehr als Beweismittel anführen sollten. Denn ich meine sogar, daß Maßnahmen, wie sie in Schweden in der Erstzeit zur Anwendung gelangten, in der Bundesrepublik auf den entschiedensten Widerstand der Bauarbeiter selbst stoßen würden, zumal der wirtschaftliche Zwang, einem solchen Dirigismus - dort waren es dirigistische Maßnahmen - zu gehorchen, in der Bundesrepublik überhaupt keine Voraussetzungen vorfindet.
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- Das ist doch bekannt. Sie werden allerdings jetzt langsam abgebaut. Dort ist es sogar so weit gegangen, daß der Arbeitsplatzwechsel von Nord-nach Süd- und von Mittel- nach Nordschweden in der Erstzeit für den Bauarbeiter zwingend war, wenn er nicht in Kauf nehmen wollte, sonst ohne jedes Einkommen zu bleiben. Das ist mir berichtet worden. Deswegen ist dieser Fall nicht als Beispiel geeignet.
Nur mit diesen und ähnlichen Mitteln wie Bauauflagen, Bauverbot, Bausperre, Festlegung der Bautermine, Baustoffzuteilung ist es in der Erstzeit natürlich gelungen, einen Zustand herbeizuführen, der uns bewiesen hat, daß es uns durchaus möglich ist, ganzjährig zu bauen, im Sommer und im Winter. Aber dort war der Anlaß ein anderer. Wir brauchen uns nicht über mangelndes Bauvolumen zu beklagen, sondern bei uns ist das Kriterium die Verhinderung der Ballung im Sommer und des Leerlaufs im Winter.
Da meine ich, daß im Mittelpunkt der Mensch zu stehen hat. Bei allem, was überlegt wird, um diese Dinge in die Tat umzusetzen, soll darauf geachtet werden, daß nicht Unzumutbares aufgezwungen wird; denn dann würde man sicher auch in Kreisen der Bauarbeiter auf Widerstand stoßen Eine Verbesserung hat also zur Voraussetzung, daß die Umweltverhältnisse zumutbar sind und daß im übrigen mit den Einzelmaßnahmen, die ich heute noch vorschlagen durfte, ein entsprechender Anreiz für die Tätigkeit in dieser Zeit gegeben wird.
Der Erfolg wird sein, daß uns als zusätzliches Geschenk eine weitere Steigerung des Sozialprodukts in den Schoß fällt. Ich weiß nicht, ob die Schätzungen vom Kollegen Deist mit etwa 5 Mil-barden DM allein aus diesem Grund nicht allzu optimistisch sind. Aber sicher wird eine weitere Steigerung ohne Mehrkosten - vielleicht kostenmindernd - noch eintreten, und der Leerlauf und das tote Kapital werden auf ein Minimum sinken.
Man kann für die Gelegenheit zu dieser Diskussion nur dankbar sein. Denn sie hat bewiesen, daß der Wirtschaftszweig Bauwirtschaft, gestützt auf die sinnvolle und erfolgreiche Gesamtwirtschaftspolitik - das soll hier auch gesagt sein -, große Leistungen vollbracht hat, daß aber auch weitere Verbesserungen durchaus möglich und sogar sehr erstrebenswert sind. Zwei Millionen Beschäftigte in über 180 000 rein mittelständischen Betrieben können bei Realisierung der Vorschläge, die heute gemacht wurden, eine Verbesserung ihres Status erfahren, die vor zehn Jahren noch als nie erreichbar angesehen worden wäre. Dabei ist natürlich der Gerechtigkeit halber auch zu sagen, daß an der Entwicklung in dieser Richtung gerade in den letzten Jahren die Tarifpartner dieses Wirtschaftszweiges ein ganz beachtliches Verdienst haben.
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Das Wort hat der Abgeordnete Wacher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe nur eine sehr kurze Anmerkung zu machen. Herr Kollege Leber hatte bei der Begründung der Großen Anfrage gesagt, die bayrische Autobahnverwaltung habe es untersagt, daß in der Zeit zwischen dem 15. Dezember und dem 15. März auf der Autobahnstrecke im Spessart gearbeitet wird. Herr Kollege Leber, Sie sind offenbar falsch unterrichtet, denn das entspricht nicht den Tatsachen. Es ist keine Rede davon, daß dieser Bau eingestellt wird.
Richtig ist folgendes. Wegen des Frostes wird der Bau der Fahrbahndecke und nur der Bau der Fahrbahndecke in der genannten Zeit nicht durchgeführt. Ich brauche an dieser Stelle nicht darauf hinzuweisen, daß dies ein sehr empfindlicher Bauabschnitt ist, der Frost nicht verträgt. Wenn Sie sich die Höhenlage im Spessart vergegenwärtigen, werden Sie einsehen, daß aus diesem Grunde der Bau der Fahrbahndecke während der genannten Wintermonate nicht möglich ist. Es muß darauf hingewiesen werden, daß sowohl die Erdarbeiten als auch die Arbeiten an den Brücken weitergeführt werden. Ich bin der Überzeugung, daß auch Sie es nicht in Kauf nehmen wollten, daß durch den Bau während des Frostes eine Qualitätsminderung eintritt.
Es steht auch fest, daß die vorgesehenen Termine eingehalten werden. Der Autobahnbau geht jetzt zügiger voran als vor einigen Jahren; damals waren wohl die Mittel vorhanden, aber die Durchführung ging nicht so zügig vor sich, wie wir das gewünscht hätten.
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Angesichts des Umfangs der Tagesordnung und der vielen zu diesem Punkt vorliegenden Wortmeldungen möchte ich die Kürze der Rede des Abgeordneten Wacher als vorbildlich für alle noch vorgesehenen Redner bezeichnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Will.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin nicht geneigt, mich irgendwelchen statistischen Exzessen hinzugeben; aber eine Zahl möchte ich immerhin nennen. Ich meine, das Haus ist höchstens zu 10 % besetzt, und 'die Aufmerksamkeit, die diesem Problem zugewendet wird, liegt, schätze ich, zwischen 3 und 4 %. Das einzig Erfreuliche ist der Herr Bundeswohnungsbauminister, dessen Ressort das eigentlich beteiligte ist. Er hat mit eiserner Disziplin ausgeharrt, und wir haben immerhin dreieinhalb Stunden über ein Problem gesprochen, zu dem ein gemeinsamer Antrag sämtlicher in diesem Hause vertretenen Fraktionen vorliegt. Daraus müßte hervorgehen, daß in diesem Hause zu dieser Frage eine einheitliche Auffassung besteht. Über diesen gemeinsamen Antrag, Umdruck 189, hat bisher noch kein Redner gesprochen. Es ist aber doch wohl beabsichtigt, daß wir ihn so, wie er vorliegt, annehmen und daß wir ihn nicht etwa an einen Ausschuß überweisen.
Ich bin also eisern entschlossen, nicht länger als zehn Minuten vor Ihnen zu sprechen, und da ich
einige davon schon verbraucht habe, werde ich mich noch kürzer fassen. Auch ich bin der Meinung, daß Argumente ihr Gewicht haben sollen und nicht die Länge der Rede. Es ist immerhin fraglich, ob hier von den zumutbaren Umweltverhältnissen gesprochen werden kann, wie es ein Redner heute hier getan hat, - in einem derart leeren Hause.
Nun zur Sache. Auf allen Seiten des Hauses besteht doch Übereinstimmung darüber, daß es notwendig ist, in der deutschen Bauwirtschaft zu einer ausgeglichenen Produktionsweise zu kommen. Ob das Erforderliche bisher in vollem Umfange geschehen ist oder ob es dieser Anregung bedurfte, damit neue Anstrengungen gemacht werden, mag eine offene Frage sein.
Von den Sprechern der Fraktionen sind eine Menge Argumente vorgebracht worden - ich möchte sie deshalb nicht wiederholen -, die erkennen lassen, daß es wünschenswert wäre, von diesen saisonalen Spitzen abzukommen. Aber schließlich sind sie nicht nur in der Bauwirtschaft vorhanden, sondern sie gibt es auch in anderen Zweigen. Ich erinnere an das Hotelgewerbe, dessen Kapazität auch nur im Sommer ausgenutzt wird, in der übrigen Zeit aber nicht. Allerdings bemüht sich jetzt die Propaganda, darzutun, daß ein Urlaub im November viel schöner und gesünder ist als im Juli und August und daß es besser ist, im Dezember ins Bad zu gehen, wenn es nur von oben regnet und man nicht auch von unten naß wird. Aber mit solchen Argumenten können auch andere Wirtschaftszweige arbeiten.
Unter den gegebenen Voraussetzungen wird es immer so sein, daß im Winter in der Bauwirtschaft nicht so gearbeitet werden kann wie im Sommer. Da ist ein Beispiel aus Frankfurt etwas einseitig, denn wir haben weite Gegenden, in denen der Winter sehr viel kälter ist und länger dauert als in Frankfurt, wo der gute Johannisbeerberger wächst, beispielsweise in Berlin, woher ich komme. Auf diese naturgegebenen Verhältnisse wird man also Rücksicht nehmen müssen.
Aber auf der anderen Seite ist nicht zu verkennen, daß durch Einflußnahme gerade auf den Auftraggeber der öffentlichen Hand sicher sehr viel erreicht werden kann. Dazu kann ich ein Beispiel aus Berlin bringen. Dort beträgt der Anteil des fluktuierenden Personals in der Bauwirtschaft nicht wie in der Bundesrepublik 40 bis 50 %, sondern ungefähr 5 %. Das kommt daher, daß man in Berlin zu über 90 % mit öffentlichen Aufträgen baut. Die werden so verteilt, daß von einer nennenswerten Arbeitslosigkeit auch in den Wintermonaten dort nicht gesprochen werden kann. Aber das gilt nur unter den besonderen Verhältnissen einer Großstadt, in der über 90 % der Aufträge durch die öffentliche Hand erteilt werden. Außerdem ist in Berlin durch die Ballung in einer einzigen Behörde eine bessere Einflußnahme möglich als dort, wo mehrere Gemeinden mit der Auftragserteilung befaßt sind.
Der dem Hause von den Parteien gemeinsam vorgelegte Antrag zeigt im einzelnen, welche Wün2864
sche die Fraktionen und damit die Parteien an die Bundesregierung richten. Eines ist heute schon wiederholt gesagt worden: Einflußnahme auf die Länder und Gemeinden. Da wird eine gewisse Möglichkeit vorhanden sein; sie ist natürlich dadurch beschränkt, daß wir ein föderatives Gemeinwesen haben; wir dürfen den Einfluß der Bundesregierung nicht überschätzen. Aber ich glaube, daß hier Erfolge zu erzielen sein werden.
Über die sozialpolitischen Voraussetzungen ist sehr viel gesagt worden. Ich möchte es mir versagen, das zu wiederholen. Insbesondere geht es um die Möglichkeiten, die bei der Bundesanstalt gegeben sind, welche naturgemäß das größte Interesse daran hat, entlastet zu werden. Denn gerade die Bauwirtschaft, das wissen wir alle, bedingt für sie Ausgaben, die immerhin dreimal so hoch sind wie der Anteil an den Einnahmen. Infolgedessen besteht bei der Bundesanstalt ein Interesse. Es sollte doch einmal geprüft werden, inwieweit eventuell, ohne daß es zu Subventionen kommt, durch entsprechende Maßnahmen seitens der Bundesanstalt eine Streckung oder eine Angleichung des Bauvolumens durch gleichmäßige Verteilung über das ganze Jahr erreicht werden kann.
Die übrigen Vorschläge, die in dem Antrag enthalten sind, bedürfen, wie ich glaube, keiner besonderen Begründung.
In diesem Hause besteht offenbar allgemein die Ansicht, daß seitens der Regierung etwas zur besseren Verteilung der Baumittel von 25 Milliarden DM geschehen sollte. Da müssen auch Überlegungen sozialpolitischer Art angestellt werden. Wenn ein Bauarbeiter, der im Herbst mit Überstunden sehr gut verdient hat, nachher durch die Arbeitslosenunterstützung nicht schlechter gestellt ist, als wenn er arbeitet, dann scheint es mir allerdings notwendig zu sein, daß in diesem Punkt durch die Gesetzgebung etwas geändert wird.
Der Herr Kollege Deist hat gemeint, daß man zu einer Verbilligung im Winter kommen könne, nicht etwa nur deshalb, weil die Baustoffe billiger würden, sondern deswegen, weil die Unternehmungen auf längere Sicht kalkulieren könnten. Wenn das erreichbar wäre, würde damit, glaube ich, das Problem am schnellten gelöst. Ausgeschlossen scheint mir das nicht zu sein, daß man im Winter billiger bauen könnte als im Sommer; allerdings steht diese Auffassung der entgegen, die wir bisher gehabt haben. Wenn ein billigeres Bauen im Winter möglich wäre, wäre das Problem einfach gelöst und brauchte man sich gar nicht besonders anzustrengen.
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- Ja, sicher muß man das; aber die Bauindustrie behauptet ja heute selber nicht mehr, daß sie beim Bauen im Winter sehr viel höhere Kosten hat; die Bauindustrie kann da bereits in etwa ausgleichen. Wenn wir nun einen Schritt weiterkommen, so deß im Winter sogar billiger gebaut werden kann, sind wir das ganze Problem los. Diese Frage müssen wir also noch näher untersuchen.
Ich darf für meine Fraktion erklären, daß wir der Tendenz des Antrages durchaus zustimmen und alle Maßnahmen unterstützen werden, die .dahin zielen, die bisherigen Ballungen im Sommer zu verringern und eine bessere Beschäftigung im Winter zu erreichen.
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Das Wort hat nunmehr der Abgeordnete Dr. Schild.
Meine Damen und Herren! Zum Allgemeinen ist bereits sehr vieles gesagt worden. Ich möchte jetzt einiges zum Konkreten sagen. Wir sind dafür dankbar, daß aus Anlaß der Großen Anfrage einmal eine Generaldebatte über die Situation der Bauwirtschaft in dem Hohe Hause stattfindet und nicht wie üblich über die Kohle, über die Energie oder die Landwirtschaft. Wir sprechen also heute auch einmal über einen speziellen Zweig der gewerblichen Wirtschaft, eben die Bauwirtschaft. Wir müssen uns wahrscheinlich überhaupt daran gewöhnen, die Verhältnisse in Zukunft nicht mehr so global zu betrachten und allgemein von Wirtschaft zu sprechen, sondern müssen etwas mehr in die Details gehen. Die wirtschaftlichen Probleme sind in den einzelnen Branchen, insbesondere in der gewerblichen Wirtschaft, recht verschieden.
Ich bin gegenüber den Maßnahmen der Regierung nicht so kritisch wie der Kollege Deist, nicht etwa deswegen, weil ich Koalitionsgenosse bin. Ich fühle mich völlig frei und keineswegs abhängig in dieser Frage. Meine Ansicht ist, daß das, was institutionell gemacht werden konnte, geschehen ist. Erstens ist die interministerielle Arbeitsgemeinschaft gebildet worden. Zweitens ist alles getan worden, um die Finanzierung voranzutreiben. Mit den Bindungsermächtigungen arbeiten wir schon seit drei Jahren; wir haben Erfolg damit gehabt, soweit es den verwaltungsmäßigen Durchlauf der Finanzmittel vom Bund zu den Ländern und Gemeinden betrifft. Aus den Mitteln des Bundes sind auch Erprobungsbauten für den Winter gemacht worden. Es hapert noch etwas bei den Erprobungsbauten des Straßenbaus und des Tiefbaus. Hier ist das technische Problem des Winterbaus noch nicht so gelöst wie im Hochbau. Da müßte infolgedessen noch etwas mehr getan werden. Es liegt deshalb hier ein konkreter Anlaß vor, darauf hinzuweisen, daß etwas mehr geschehen muß. In der grünen Denkschrift wird ausdrücklich vermerkt, daß im Tiefbau, im Wasserbau, im Straßenbau die technischen Probleme des Winterbaus noch nicht restlos gelöst sind. Aber im ganzen ist das Problem von der Seite der Technik gelöst. Das Problem der institutionellen Regelung, wie man mit der Finanzierung im Winter zu Rande kommt, ist auch gelöst, denn die große Frage Haushaltsjahr gleich Kalenderjahr ist durch die Bindungsermächtigung praktisch überbrückt worden. Nicht gelöst aber sind die konkreten Fragen, wie sich denn die Baubeteiligten zu der Winterarbeit verhalten, und unter ihnen zunächst einmal die Bauherren.
In dieser Denkschrift steht eine eindeutige Anmerkung des interministeriellen Bauausschusses:
Eigenheime dürfen im Winter nicht gebaut werden. Man kann also die Bauherren der Eigenheime und die Bauherren des sogenannten kleineren Sozialen Wohnungsbaus und der Siedlungen nicht auffordern, im Winter zu bauen und ihnen psychologisch nahebringen: Ihr müßt jetzt in den Winterbau einsteigen. Denn es steht ja hier auf einer Seite eindeutig, daß Bauobjekte unter 20 Wohnungen sich zum Winterbau nicht eignen. Das ist schon einmal ein ganz großer Komplex von Bauherren, die für den Winterbau also nicht in Betracht kommen.
Aber für eine andere Gruppe von Familieneigenheimen, Eigenheimen und Siedlungen, die im Winterbau gebaut werden können,
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soweit es sich um Vorratseigenheime auf einer einzelnen Baustelle handelt, die man baustellenmäßig organisieren kann, hat der Winterbau wieder eine positive Seite.
Die zweite große Gruppe der privatwirtschaftlichen großen Bau- und Wohnungsgesellschaften könnte man ohne weiteres mehr psychologisch auf den Winterbau ausrichten lassen. Das ist zwischen den Bauunternehmern und ihren Auftraggebern zu regeln, das ist gar keine Frage einer Regierungsinitiative allein. Natürlich, soweit die Regierung eigene Wohnungsgesellschaften hat - und die hat sie ja --, kann sie mit gutem Beispiel vorangehen, wenn die Gesellschaften so intakt sind, daß man es mit ihnen versuchen kann.
') Die dritte Gruppe der Bauherren, die wir für den Winterbau gewinnen müssen, ist die große Gruppe der Industriebauherren und der gewerblichen Bauwirtschaft. Auch das wäre durch Aufklärung möglich.
Aber nun kommt die vierte Gruppe, und das ist die entscheidende. Es steht in dieser Denkschrift auf Seite 34, daß die Behörden, d. h. die Bauverwaltungen, eigentlich gar nicht aufgefordert zu werden brauchten, Vorsorge für den Winter zu treffen. Es ist hier besonders elegant ausgedrückt:
„Das Baugeschehen läuft bei den Baubehörden auch so weitgehend unter rationalen Gesichtspunkten und frei von irrationalen Aversionen ab, daß eine Überwindung psychologischer Hemmungen wenig in Betracht zu ziehen ist."
Ich glaube, das, was hier steht, enthält einen ganz großen Trugschluß. Ich habe nicht den Eindruck, daß die Lebendigkeit, die Aufgeschlossenheit unserer Bauverwaltungen - bei Bund, Ländern und Gemeinden, gleichgültig, wen wir vor uns haben - so weit geht, daß eine solche Wertung in dieser Formulierung auf sie zutrifft. Im Gegenteil! Ich bin der Ansicht, daß hier mit interministeriellen Empfehlungen, mit Weisungen, wie es hier heißt, wenig geholfen ist, denn die Baubehörden, das wissen wir alle aus der Praxis, sind in ihren Dispositionen doch verhältnismäßig selbständig und weniger an Weisungen von oben her gebunden, weil das mit dem Baugeschehen, mit den Planungen und mit den Finanzierungen sowie mit den Abrechnungen doch nicht so schematisch klappen kann, so daß man das alles
nicht in Weisungen fassen kann. Bis wir die Herren Baubehörden-Dienststellenleiter einmal auf dem Winterbau haben, ich glaube, darüber vergeht noch eine sehr, sehr lange Zeit. Der eine sagt: Das paßt nicht mit den Bestimmungen des Bundesrechnungshofes zusammen. - Der andere sagt: Das paßt nicht mit meinen Haushaltsmitteln zusammen und mit den Terminen, zu denen ich sie bekomme. - Der dritte 'sagt: Ich will dieses Risiko des Winterbaus mit unter Umständen 3 bis 7 % Kostenverteuerungen nicht auf mich nehmen, ich habe nachher keine Deckung für diese Mehrkosten. - Der vierte sagt: Im übrigen interessiert mich das nicht, ich will diese Dinge nicht, wir bleiben im alten Trott. - So sind doch die Dinge in der Praxis. Und deshalb bejahe ich diese Auslassungen auf Seite 34 auf keinen Fall.
Aber hier kommt es darauf an, ob es dem Herrn Bundeswirtschaftsminister, dem ja die psychologische Beeinflussung der wirtschaftenden Menschen in unserem Volke so glänzend gelingt - sowohl nach der Seite des Konsums 1954, 1955 und 1956 wie nach der Seite des Sparens jetzt wieder 1957 und 1958 -, wiederum gelingen wird, auch die Herren der Bauverwaltung, d. h. die Beamten, psychologisch so weit zu bekommen, daß sie dem Willen der Regierung folgen. Ich möchte das bezweifeln, denn hier reicht die psychologische Einwirkung auf den guten Willen nicht aus. Die sonstige psychologische Einwirkung, auch die wirtschaftspsychologische Einwirkung ergibt sich aus dem Appell an den Egoismus des einzelnen, dieser wird etwas in gewisse Bahnen gelenkt, sei es im Konsum oder auch im Sparen. Aber hier wird ja nicht der Egoismus des einzelnen angesprochen, sondern hier wird von dem Beamten eine objektive, eine ideailistische, ob eine gemeinnützige Haltung zur Lösung eines Problems gefordert, welches nun einmal ansteht, und ich bezweifle, ob das mit dieser bekannten Methode der psychologischen Beeinflussung ohne weiteres möglich ist.
Im ganzen hat die Debatte gezeigt, daß wir im wesentlichen die psychologischen Hemmnisse bei den Bauherren überwinden müssen. Eis list z. B. noch ein allgemeiner Volksglaube, daß man einen Rohbau überwintern lassen muß. Das ist doch der allgemeine Zug, der noch in der Masse der kleinen Bauherren auf dem Lande und sonst überall steckt, und umgekehrt ist es doch die innere Einstellung vieler Bauherren, daß man sich mit Bauvorhaben in der Regel nur in den Frühjahrs-, Sommer- und Herbstmonaten befassen soll.
Eins möchte ich aber noch erwähnen, was mir wichtig ,erscheint. Wenn wir ,den großen Komplex der Behördenbauten in den Winter hineinbekommen wollen, müssen wir zu einer anderen Begriffsbestimmung kommen. Wir haben bis jetzt nicht den Begriff der „nicht termingebundenen Bauten", sondern wir haben rim allgemeinen in unserer Bauverwaltung den Generalbegriff: „Jedes Bauvorhaben hat seine Termingebundenheit." Wenn wir aber den Winterbau fördern wollen, dann müßte man z war nicht von der Termingebundenheit schlechthin abgehen - denn bei gewissen großen Bauvorhaben, seien es Wehrmachtsbauten, ,seien es Industrie-,
Wasser- oder Straßenbauten, bleibt es natürlich bei gewisse Termingebundenheiten -, aber man müßte doch auch nicht termingebundene Bauvorhaben vorsehen und planen, die man in die Schlechtwetterzeit hineinschleusen kann. Diese neue Art nicht termingebundener Bauvorhaben ist also bei dem ganzen Problem sehr entscheidend.
Ich will nichts mehr dazu sagen, daß man auch die Unternehmer und Arbeitnehmer der Bauwirtschaft aus psychologisch bestimmten Traditionsgebundenheiten herausholen und auf die neue Situation einstellen muß, daß auch im Winter gearbeitet werden kann. Darüber ist von meinen Vorrednern genug gesagt worden. Ich bin aber doch der Auffassung, daß die psychologische Beeinflussung der Bauherren, und hier besonders der Baubehörden, noch nicht konkret genug untersucht warden isst, jedenfalls nicht in dieser Denkschrift. Zum Teil ist sie nach meiner Auffassung sogar falsch gesehen. Der konkreten Frage, wie die Bauherren die Winterarbeit zu fördern haben, müssen wir mehr Augenmerk schenken als den nachfolgenden Fragen, die sich dann von selbst ergeben. Es ergibt sich dann automatisch, daß der Bauarbeiter kein Saisonarbeiter mehr ist, es ergeben sich automatisch neue Probleme für das Verhältnis der Sozialpartner und für die Tarifverträge. In den Unternehmungen ergeben sich völlig andere Probleme hinsichtlich der wirtlichen Jahresrentabilität und der Jahreskostenplanung. Alles das ergibt sich erst, wenn das Grundproblem gelöst werden kann, die Bauauftraggeber bereit und aufgeschlossen zu machen, auch in den Schlechtwetterzeiten bauen zu lassen.
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Um die leichtere Abwicklung der Arbeit des Hauses zu gewährleisten, hat Herr Abgeordneter Oetzel sich bereit erklärt, auf den Vortrag seiner Rede zu verzichten, wenn sie zu Protokoll genommen werden kann. Ich nehme an, daß das Haus damit einverstanden ist. - Dann wird so verfahren.
Das Wort hat der Abgeordnete Arndgen. - Herr Arndgen ist nicht rim Saal.
Dann hat als letzter Redner das Wort der Abgeordnete Leber.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich ebenfalls sehr kurz fassen und nur noch etwas zu dem sagen, was der Herr Bundeswirtschaftsminister Erhard hier ausgeführt hat. Wenn all das, was heute im Saale gesagt worden ist, richtig ist, muß man doch die Bundesregierung fragen: Wenn ihr das alles schon gewußt habt und wißt, warum habt ihr es dann nicht getan? Der Zustand ist ja bis heute, bis zum Jahre 1958, nicht geändert.
Es wurde gesagt, im Falle der Arbeitslosigkeit verdiene man 10 % mehr, als wenn man arbeite. Diese Rechnung ist nichts anderes als - entschuldigen Sie den Ausdruck - ein gut gemachtes Taschenspielerkunststück, und zwar deswegen, weil man nicht vom vollen Lohn, sondern von einem wesentlich verkürzten Lohn ausgegangen ist. Natürlich kann ich die Arbeitslosenunterstützung, die auf Grund eines vollen Einkommens verdient wird, einem halben Lohneinkommen gegenüberstellen. Dann ist sie immer höher, so ähnlich ist das hier gewesen.
Ich halte die Frage des Autobahnbaues für typisch. Es wird gesagt, er sei nur eingestellt worden, weil man nicht die Decke auf die Autobahn habe auftragen können. Meine Damen und Herren, im Sommer muß man, um eine solche Decke auftragen zu können, eine etwa 10 cm dicke Strohschicht auf den Beton legen. Sie fahren alle auf der Autobahn und wissen, daß darüber noch ein Zelt kommt, das verschoben wird, damit man den Beton vor der Hitze schützt. Wenn man diese Vorrichtung im Winter verwendet, reicht das einschließlich der Eigentemperatur, die der Beton entwickelt, völlig dazu aus, diese Arbeiten auch bei 6 oder 7 Grad Kälte fortführen zu können.
Das sind Ungeklärtheiten bei Bauherren, auch bei staatlichen Autobahnverwaltungen. Die Leute sollten sich aber mal umsehen, was die Technik und die Wissenschaft in der Zwischenzeit an Erfahrungen gesammelt haben. Dann kämen sie nicht zu so falschen Ergebnissen.
({0})
- Der Spessart ist ganz nahe bei Frankfurt. So viele kalte Tage gibt es da nicht.
({1})
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, sich in dieser späten Abendstunde nicht mehr zu erregen.
Meine Damen und Herren, ich will zum Ende kommen. Die Fraktionen haben sich über einen gemeinsamen Antrag verständigt. Ich darf hier wohl auch für den verhinderten Kollegen Arndgen erklären: Die Fraktionen ziehen ihre ursprünglich gestellten Anträge zurück und legen den in der Zwischenzeit verteilten gemeinsamen Antrag zur Beschlußfassung vor.
({0})
Damit ist die Aussprache über die Große Anfrage geschlossen. Die Anträge Umdrucke 185 und 186 sind zurückgezogen.
Es wird nun über den Antrag auf Umdruck 189, der von allen Fraktionen des Hohen Hauses eingebracht worden ist, abgestimmt. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Ich komme zu Punkt 5 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verlängerung der Geltungsdauer des Wirtschaftsstrafgesetzes 1954 ({0});
Schriftlicher Bericht des Wirtschaftsausschusses ({1}) ({2}).
Vizepräsident Dr. Jaeger
Der Berichterstatter, Herr Abgeordneter Ruland, hat einen schriftlichen Bericht erstattet, wofür ich ihm danke.
Damit kommen wir nun zur zweiten Lesung. Ich rufe auf Art. 1 mit dem Antrag Umdruck 187.
Frau Dr. Diemer-Nicolaus zur Begründung des Antrags!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Haus ist schon stark gelichtet. Ich kann es Ihnen aber nicht ersparen, mich doch noch anhören zu müssen, nachdem wir einen Antrag zur Streichung des berühmten § 2 a eingebracht haben.
({0})
- Herr Kollege, ich weiß, meine Kollegen sind immer Kavaliere.
Dieser Antrag auf Streichung des § 2 a ist von der FDP sowohl im Wirtschaftsausschuß als auch, unabhängig davon und unverabredet, im Rechtsausschuß gestellt worden, weil er eben auf unserer grundsätzlichen Auffassung beruht, weil wir einfach empfinden, ein derartiger § 2 a, eine derartige Bestimmung über Strafbarkeit einer Preisüberhöhung ist ein Widerspruch zu den Gesetzen der Marktwirtschaft, zu der wir uns doch sonst bekennen.
Ich habe mir die Mühe gemacht - ich bin ja erst ein Jahr hier -, in den Protokollen nachzusehen, wie seinerzeit die Verhandlungen gelaufen sind. Außer dem Bundestagsprotokoll über die Sitzung vorn 30. November 1956 wurde uns im Rechtsausschuß liebenswürdigerweise auch eine Abschrift des Protokolls über die Sitzung des Rechtsausschusses vom 24. Mai 1954 zugeleitet. In dieser Sitzung ging es damals um den sogenannten § 3, der unge-fahr in diese Richtung tendiert. Die Herren Minister Erhard und Neumayer - der damalige Justizminister - waren zugegen.
Wenn man so nachträglich derartige Schriftstücke liest, stellt man fest, daß sie doch von außerordentlichem Interesse sind. Zunächst einmal geht man viel unbefangener an die Dinge heran. Ich habe festgestellt, daß seinerzeit, im Jahre 1954, dieses Gesetz, das dazu noch als Überschrift die Worte „zur weiteren Vereinfachung des Wirtschaftsstrafrechts" trägt, keineswegs so unbestritten gewesen ist, sondern daß gerade im Rechtsausschuß sehr erhebliche Bedenken erhoben worden sind, ob ein derartiges Gesetz überhaupt möglich ist.
Ich weiß nicht, ob Herr Kollege Professor Böhm im Augenblick im Saal ist. Er wird sich wahrscheinlich noch sehr gut an seine damaligen Ausführungen erinnern können, wo er drei Möglichkeiten aufzeigte. Als erste Möglichkeit bezeichnete er die, daß ein Wettbewerb bestehe. Dann sei aber nicht der mindeste Grund ersichtlich, irgend jemanden wegen eines im Wettbewerb gestalteten Preises strafrechtlich zu belangen, es sei denn, daß die Voraussetzungen des Wuchers nach dem Strafrecht und dem BGB vorlägen. - Das ist völlig klar und unbestritten.
Als zweite Möglichkeit bezeichnete Herr Professor Böhm, daß auf einem Gebiet kein Wettbewerb bestehe, daß aber auch keine öffentliche Preisregelung gegeben sei. Vielmehr bestünden Monopole oder Kartelle oder Preisverfilzung. Dann sei es Aufgabe eines Kartellgesetzes, mit diesen Dingen fertig zu werden. - In der Zwischenzeit ist ja das Kartellgesetz verabschiedet worden, das diese Probleme regelt.
Die dritte Möglichkeit bestehe darin - sagte Herr Professor Böhm --, daß auf irgendeinem Gebiet eine Marktregelung, eine Preisregelung bestehe, z. B. auf dem Gebiet der Landwirtschaft. - Das wissen wir zur Genüge. - Dann gehöre in das Gesetz, das die Marktregelung vorschreibe, eine Strafbestimmung.
Wenn Sie sich an die erste Lesung dieses Gesetzes erinnern, werden Sie auch wissen, daß sich damals Herr Dr. Dehler in genau dem gleichen Sinne ausgesprochen hat. Er sagte, sobald ein solches Gesetz besteht, gehören die entsprechenden Strafbestimmungen in das betreffende Gesetz selbst hinein. In den Ausschußberatungen wurde diese Auffassung - mit denen er an Gedankengänge der CDU/CSU anknüpfte - übergangen.
Ich möchte auf noch etwas hinweisen. Dieses Gesetz stellt doch im Rahmen einer echten Marktwirtschaft - auch wenn es eine soziale Marktwirtschaft ist - einen Fremdkörper dar. Darüber wollen wir uns doch völlig klar sein. Bei Verabschiedung des Gesetzes war nicht nur die Notwendigkeit eines derartigen Gesetzes bestritten. Es geht auch um die Befristung. Im allgemeinen machen wir ja nicht Gesetze, bei denen ein bestimmter Endtermin genannt ist. Wenn wir uns dazu entschließen, Gesetze zu erlassen, dann sind wir doch grundsätzlich der Auffassung, daß ein Zustand eine gesetzliche Regelung nicht nur für einen vorübergehenden Zeitraum, sondern auf lange Sicht hin erfordert. Weil ein Widerspruch zwischen dem Gedanken der Marktwirtschaft auf der einen Seite und der Tatsache, daß wir bestimmte Gebiete unserer Wirtschaft noch nicht als eine freie Marktwirtschaft gestaltet hatten, auf der anderen Seite klaffte, wurde schon eine Befristung bis zum Jahre 1956 vorgenommen. Es ist nun eine merkwürdige Tatsache, daß man - das zeigt wieder die Unbefangenheit, mit der man an die Dinge herangeht -, als das Ende des Jahres 1956 herannahte, nicht etwa auf den Gedanken kam, zu prüfen, ob dieses Gesetz noch notwendig ist. Vielmehr tauchte auf einmal der Gedanke auf, über die bisherigen Bestimmungen hinaus diesen nach Auffassung der Freien Demokraten ominösen § 2 a über die Strafbarkeit einer Preisüberhöhung zu schaffen und dann die Geltungsdauer des Gesetzes mit diesem Zusatz bis zum 31. Dezember 1958 zu verlängern.
Noch etwas: Bei der Abstimmung über die Einführung dieses § 2 a, der sehr umstritten war, haben in diesem Hohen Hause 153 Abgeordnete mit Ja gestimmt, 149 mit Nein - es war also nur ein Unterschied von 4 Stimmen vorhanden! -, und 16 haben sich der Stimme enthalten. Von den Berliner Abgeordneten haben 12 mit Ja und 12 mit Nein gestimmt.
Die Protokolle dieser Bundestagssitzung vorn 30. November 1956 haben mir gezeigt, daß schon damals verschiedene Abgeordnete und Parteien Auffassungen vertraten, die ich heute in vollem Umfang unterstützen kann.
Für mich war es überraschend zu hören, daß seinerzeit der Rechtsausschuß im Gegensatz zum Wirtschaftsausschuß die Auffassung vertreten hatte, ein solcher § 2 a, dessen Streichung wir Freien Demokraten heute verlangen, sei überhaupt verfassungswidrig. In dem Protokoll vom Jahre 1954 kommt das auch schon in den Ausführungen des damaligen Justizministers Neumayer eindeutig zum Ausdruck. Heute ist über die damals geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken sehr leicht hinweggegangen worden.
So leicht sollten wir es uns nicht machen, ein einmal angenommenes befristetes Gesetz immer weiter wirken zu lassen. Sonst kommen wir nachher dahin, daß die Gesetze weiter wirken, auch wenn die entsprechenden Notwendigkeiten nicht mehr bestehen.
Was schon damals angegriffen wurde, ist, daß hier versucht wird, mit gesetzlichen Maßnahmen einen wirtschaftlichen Tatbestand zu gestalten. In der Sitzung des Rechtsausschusses wurde darauf hingewiesen, wie sozialethisch minderwertig es ist, eine Mangellage auszunutzen. Dabei wurden die wirklich nicht schönen Fälle des Mietzinswuchers bei Untermiete angeführt, die in letzter Zeit besonders im Zusammenhang mit Studentenwohnungen bekanntgeworden sind. Ich möchte für die Freien Demokraten mit aller Eindeutigkeit hervorheben, daß wir unter keinen Umständen, auch wenn wir diesen Streichungsantrag gestellt haben, ein derartiges Verhalten für rechtlich oder moralisch zulässig halten. Ein solches Verhalten muß entsprechend gekennzeichnet werden.
Aber, meine Damen und Herren, haben Sie eigentlich die Jahre zwischen 1945 und 1948 oder, noch vorher, die Zeit seit dem Kriegsbeginn, als die Bewirtschaftungsgesetze einsetzten, so vollständig vergessen? Sie sollten wissen, daß, wenn eine echte Mangellage vorhanden ist, die Ankündigung der schärfsten Strafe nicht genügt, derartige Umgehungen zu verhindern. Die Verhältnisse gehen über derartige Strafbestimmungen hinweg. Vielmehr ist es eine politische Aufgabe, dafür zu sorgen, daß solche Mangellagen oder solche Beanstandungen abgestellt werden. Hier werden die Möglichkeiten einer gesetzlichen Regelung überfordert. Unserer Auffassung nach müssen, um dem Untermiet-Preiswucher entgegenzutreten und eine Besserung der Verhältnisse zu erzielen - über die Notwendigkeit der Besserung sind wir uns wohl durch alle Parteien einig -, politische Maßnahmen ergriffen werden.
Was verlangt § 2 a? Man hat die ominöse Überschrift des seinerzeitigen § 19 des Wirtschaftsstrafgesetzes - Preistreiberei - nicht übernommen, sondern hat schamhaft von einer „Preisüberhöhung" gesprochen. Welche Tatbestandsmerkmale müssen verwirklicht sein? Wenn eine derartige Sache an das Gericht kommt, soll der Richter -- der nicht im
Wirtschaftsleben steht - über folgende Tatbestandsmerkmale urteilen:
Erstens darüber, ob eine Beschränkung des Wettbewerbs vorgelegen hat. Ich glaube, über diese Frage werden auch die Wirtschaftler gegebenenfalls sehr verschiedener Auffassung sein.
Zweitens darüber, ob Ausnutzung einer wirtschaftlichen Machtstellung vorgelegen hat. Meine Damen und Herren, in der Zwischenzeit ist das Kartellgesetz ergangen. Darin sind die entsprechenden Handhaben gegen eine Ausnutzung einer wirtschaftlichen Machtstellung vorhanden. Mir war das Protokoll über die Sitzung von 1954 und mir waren insbesondere die damaligen Ausführungen des Herrn Wirtschaftsministers Erhard sehr interessant. Er begründete den damaligen § 3 damit, daß ein entsprechendes Gesetz über Wettbewerbsbeschränkungen noch nicht vorhanden sei. Aber dieses Gesetz ist jetzt vorhanden.
Drittens soll der Richter feststellen, ob eine Mangellage vorgelegen hat.
Viertens soll er - und das ist das allerschwierigste - feststellen, ob das Entgelt unangemessen hoch gewesen ist. Herr Dehler hat in der ersten Lesung mit Recht gesagt, damit sei ja eigentlich das schwierige volkswirtschaftliche Problem „des gerechten Preises" angeschnitten. Jeder Volkswirtschaftler weiß: den gibt es nicht. Ich habe aus den Beratungen auch entnommen, daß von der CDU und der SPD gesagt worden ist - für die SPD sprach Herr Kollege Arndt, ein Jurist von Qualifikation, der von allen Fraktionen geschätzt wird -, auch sie seien der Auffassung, daß ein „gerechter Preis" nicht ermittelt werden könne. Herr Professor Böhm sagte in der Sitzung vom 30. November 1956 - Herr Präsident, erlauben Sie, daß ich diese Stelle zitiere -
Ich erlaube Ihnen gern, zu zitieren, verehrte Frau Abgeordnete. Aber ich glaube, das Hohe Haus wäre Ihnen dankbar, wenn Sie die vorgerückte Stunde und die Leere der Pressetribüne beachteten.
({0})
Herr Präsident, ich habe dafür volles Verständnis. Aber ich betrachte die Materie doch ,als außerordentlich schwerwiegend, besonders wenn ich vergleiche, welchen Umfang die Beratungen über diese Dinge noch im Jahre 1956 hatten.
({0})
In Anbetracht des Umfanges der damaligen Beratungen werde ich mich heute durch eine musterhafte Kürze auszeichnen.
Danke schön!
Herr Professor Böhm hat seinerzeit gesagt:
Wenn die Gerichte auslegen sollten, was ein
unangemessenes Entgelt ist, müssen sie sich mit
der Frage befassen, welches Kriterium wir in der Marktwirtschaft für die Unangemessenheit von Preisen haben. Dann würden sie sagen müssen: In der Marktwirtschaft ist jeder Preis angemessen, der sich unter den marktwirtschaftlichen Formen aus dem Spiel von Angebot und Nachfrage ergibt.
Herr Professor Böhm kommt zu dem Ergebnis:
Das wäre aber im Zusammenhang mit diesem Gesetz „ein Schlag ins Wasser".
({0})
Wir wollen doch nur solche Gesetze machen und insbesondere nur solche Strafgesetze machen, die nachher von den Gerichten auch durchgeführt werden können. Die Strafrichter werden überfordert, wenn sie bei dieser Materie ein Urteil fällen sollen, ob ein strafbarer Tatbestand vorliegt. In dieser Hinsicht kann ich nur wieder an die vorzüglichen Ausführungen erinnern, die Herr Kollege Arndt von der SPD in der Sitzung vom 30. November 1956 gemacht hat. Damals sagte er folgendes:
... denn die Justiz ist nicht der Wauwau oder der Klabautermann, die dazu da wären, durch Schocktherapie Leute in - vermeintlich - Angst und Schrecken zu setzen. Das, was hier geschieht, ist: der Strafrichter wird überfordert, er wird überfordert durch Ermessensbegriffe, die zwar eine mit Wirtschaftsfragen vertraute Verwaltungsbehörde unter der Weisungsanleitung ihrer obersten Dienststelle anwenden kann und bei denen dann nachher die Grenzen des Mißbrauchs richterlich nachgeprüft werden. Das ist möglich. Aber daß Sie dem Strafrichter jetzt die Entscheidung darüber geben wollen, daß er solche Begriffe wie Beschränkung des Wettbewerbs, wirtschaftliche Machtstellung, Unangemessenheit infolge einer Mangellage strafrichterlich entscheidet, ist weder mit den Grundsätzen eines rechtsstaatlichen Strafrechts vereinbar, noch ist das etwas, was in den Aufgabenbereich eines Strafrichters fällt.
Ich darf Sie doch bitten, an dieser Erkenntnis festzuhalten.
Es kommt noch folgendes Bedenken hinzu. Die Verwirklichung eines Straftatbestandes ist grundsätzlich von Amts wegen zu verfolgen, und nur dann ist eine Ausnahme von diesem Legalitätsprinzip gegeben, wenn nicht das öffentliche Interesse als solches berührt wird, sondern wenn man sagen kann, daß es dem einzelnen überlassen bleiben kann, ob er eine strafrechtliche Verfolgung wünscht. Typische Beispiele hierfür sind Beleidigung und Hausfriedensbruch. Und nun ist das Bedenkliche an diesem § 2 a - das seinerzeit auch dazu geführt hat, daß der Rechtsausschuß diese Bestimmung abgelehnt hat -, daß man merkwürdigerweise einer obersten Landesbehörde das Antragsrecht für die Verfolgung eines derartigen Tatbestandes gibt. Das ist mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht zu vereinbaren. Insofern, meine Damen und Herren von der SPD, stimme ich mit Ihrer Auffassung völlig überein,
Ich bin der Auffassung, daß wir die Grundsätze des Strafrechts nicht wegen eines derart ominösen Tatbestands, wie ihn der § 2 a darstellt, durchbrechen sollten. Ich bin nach wie vor der Auffassung, daß eine derartige Bestimmung schon wegen dieses Antragsrechts einer obersten Landesbehörde verfassungswidrig ist. Es hat mich daher überrascht, daß der Rechtsausschuß, der seinerzeit den Antrag auf Streichung dieses Antragsrechts gestellt hat, diesmal bei der Beratung mit etwas leichter Hand über dieses verfassungsrechtliche Bedenken hinweggegangen ist. Für uns Freie Demokraten ist es wichtig, das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit auch in derartigen - wenn Sie so wollen - Nebengesetzen unbedingt aufrechtzuerhalten.
Meine Damen und Herren, sind Sie sich eigentlich darüber im klaren, daß Sie es damit in die Hand einer Verwaltungsbehörde legen, ob jemand verfolgt werden soll oder nicht? Darauf hat schon Herr Kollege Arndt in der damaligen Sitzung hingewiesen, und ich muß seine Ausführungen auch zu dieser Frage verlesen. Herr Präsident, Sie gestatten es wohl noch einmal; es wird das letzte Zitat hierzu sein.
Auch der Präsident bemüht sich, ein Kavalier zu sein.
Sie werden dasselbe hier erleben, weil es verfassungsrechtlich einfach nicht zulässig ist, es in das Belieben einer Verwaltungsbehörde zu stellen, zu sagen: der Schulze soll bestraft werden; der paßt mir nämlich nicht; ... der ist mir aus irgendwelchen Gründen sonstwie nicht angenehm. - Da will man also ein Exempel statuieren. - Aber d e r , das ist ein wichtiger Exportkaufmann, und bei dem kauft die Regierung mit ein, und der ist mir politisch oder sonstwie sympathisch; da wollen wir kein Exempel statuieren.
Das ist wahrscheinlich sehr stark überspitzt ausgedrückt, aber es beweist, daß das absolute Legalitätsprinzip, das wir im Strafrecht verlangen, gewahrt werden muß. Es kann nicht in das Ermessen einer Behörde, auch nicht einer obersten Landesbehörde, gestellt sein, ob ein derartiger Tatbestand verfolgt werden soll oder nicht.
Es kommt noch etwas Merkwürdiges hinzu. Nachher, wenn die Sache beim Gericht anhängig ist, soll der Strafrichter darüber entscheiden, ob tatsächlich das öffentliche Interesse die Durchführung eines derartigen Strafverfahrens erfordert. Wir sind der Auffassung, daß auch insofern der Strafrichter wieder restlos überfordert ist. Ich sagte schon am Anfang: er steht nicht im wirtschaftlichen Leben, das kann er gar nicht. Natürlich hat er als Richter entsprechende wirtschaftliche Erkenntnisse und Kenntnisse, aber mit derart wachsweichen Begriffen fertig zu werden, mit denen sich voraussichtlich auch das Kartellamt mit seinen sehr qualifizierten Beamten sehr schwer tun wird, kann man einem einfachen Strafrichter nicht zumuten.
Wie ist es denn in der Zwischenzeit gegangen? Wir haben im Rechtausschuß gefragt: Was ist daraufhin erfolgt, wieviel Verfahren sind denn anhängig geworden? Wir bekamen folgende Auskunft: Seit Inkrafttreten des Gesetzes sind 59 Ermittlungsverfahren anhängig gemacht worden, davon sind 33 noch nichtabgeschlossen. In 18 Fällen wurde das Verfahren eingestellt, und von 8 Bußgeldbescheiden sind 4 rechtskräftig geworden. Ich frage Sie - vor allen Dingen die hier anwesenden Juristen --: halten Sie es für notwendig, wegen 4 Bußgeldbescheiden innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren einen derart bestrittenen Tatbestand aufrechtzuerhalten? Ich bin der Auffassung, daß insofern, auch vom strafrechtlichen Standpunkt aus, kein Bedürfnis für die Aufrechterhaltung besteht.
Für mich war es ein überraschendes Ergebnis, daß der Rechtsausschuß hier einen echten Straftatbestand hingenommen hat, während andere weit schwerwiegendere Fälle mit einem Bußgeldbescheid abgetan werden können. Wir sind der Auffassung, daß man es sich trotz der späten Abendstunde und trotz des Ablaufs der Frist am 31. Dezember 1958 bei diesem Problem nicht so leicht machen sollte, zumal da es jetzt nicht nur um die Verlängerung von zwei Jahren, sondern bis zum Jahre 1962 geht.
Außerdem ist von einer Streichung der Nr. 7 des § 1, die das am 31. Dezember 1957 außer Kraft getretene Gesetz über die Sicherstellung von Leistungen auf dem Gebiete der gewerblichen Wirtschaft betrifft, abgesehen worden. Wir Freien Demokraten halten es für rechtlich unmöglich, daß ein abgelaufenes Gesetz nochmals verlängert wird. Diese Ziffer hätte gestrichen werden müssen.
Goethe hat gesagt: Frankfurt stickt voller Merkwürdigkeiten. Ich muß das in diesem Falle im übertragenen Sinne sagen: Dieses Gesetz stickt voller Merkwürdigkeiten. Deswegen müssen wir ihm - zumindest dem § 2 a - die Zustimmung versagen.
({0})
Der Antrag ist begründet. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag der Fraktion der FDP Umdruck 187 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das zweite war die große Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über Artikel 1. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe Artikel 2 und 3 sowie Einleitung und Überschrift auf. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich komme zur
dritten Beratung.
Das Wort zur allgemeinen Aussprache wird nicht gewünscht.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf im ganzen zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen rechts ist der Gesetzentwurf in der Schlußabstimmung angenommen.
Ich habe Ihnen nun die interfraktionelle Einigung bekanntzugeben, Punkt 6 der Tagesordnung abzusetzen, um den Fraktionen Gelegenheit zu geben, diese Materie noch einmal zu beraten. Gleichzeitig ist vereinbart, diesen Punkt 6 als Punkt 2 auf die Tagesordnunng der Sitzung am 9. Dezember zu setzen.
Ich rufe Punkt 7 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 10. April 1957 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien über den Luftverkehr ({0});
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen ({1}) ({2}).
Ich danke dem Abgeordneten Faller als Berichterstatter für den Schriftlichen Bericht. Wir treten in die zweite Beratung ein. Ich rufe die Artikel 1, 2, 3 sowie Einleitung und Überschrift auf. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen; es ist so beschlossen.
Ich komme zur
dritten Beratung.
Das Wort zur allgemeinen Aussprache wird nicht gewünscht.
Wer dem Gesetzentwurf im ganzen zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist bei verschiedenen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe Punkt 8 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 31. August 1957 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Uruguay über den Luftverkehr ({3}) ;
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen ({4}) ({5}).
Ich danke dem Abgeordneten Schulze-Pellengahr als Berichterstatter für den Schriftlichen Bericht. Ich komme zur zweiten Beratung und rufe in zweiter
Vizepräsident Dr. Jaeger
Lesung die Artikel 1, 2, 3 sowie Einleitung und Überschrift auf. - Ich stelle fest, daß das Wort nicht gewünscht wird. Wir kommen zur Abstimmung. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen; es ist so beschlossen.
Ich komme zur
dritten Beratung.
Das Wort zur allgemeinen Aussprache wird nicht gewünscht.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf in der Schlußabstimmung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Keine Enthaltungen. Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen.
Ich komme zu Punkt 9 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 29. August 1957 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Brasilien über den planmäßigen Luftverkehr ({6}) ;
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen ({7}) ({8}).
3) Ich danke dem Abgeordneten Eisenmannn als Berichterstatter für den Schriftlichen Bericht. Ich rufe in zweiter Lesung Artikel 1, 2, 3 sowie Einleitung und Überschrift auf. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Artikeln sowie Einleitung und Überschrift zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen; es ist so beschlossen.
Ich komme zur
dritten Beratung.
- Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Gesetzentwurf im ganzen zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe.. - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen?
- Keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.
Punkt 10 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu den Protokollen vom 14. Juni 1954 über Änderungen des Abkommens vom 7. Dezember 1944 über die Internationale Zivilluftfahrt ({9});
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen ({10}) ({11}).
Ich danke dem Abgeordneten Baur ({12}) als Berichterstatter für den Schriftlichen Bericht.
Wir treten in die zweite Beratung ein. Ich rufe auf Art. 1, - 2, - 3, - Einleitung und Überschrift. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen. Es ist so beschlossen.
Dritte Beratung.
Das Wort wird nicht gewünscht. Wer in dritter Beratung dem Gesetzentwurf im ganzen zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Keine Enthaltungen. Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
Punkt 11 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 17. Januar 1958 über Auslieferung und Rechtshilfe in Strafsachen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Belgien ({13});
Mündlicher Bericht des Rechtsausschusses ({14}) ({15}).
_ich nehme an, daß das Haus im Hinblick auf die vorgerückte Stunde auf den Bericht des Abgeordneten Jahn ({16}) verzichtet. - Es ist so.
Ich rufe auf in zweiter Beratung Art. 1, - 2, -3, - Einleitung und Überschrift. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen. Es ist so beschlossen.
Dritte Beratung.
Das Wort wird nicht gewünscht. Ich komme zur Schlußabstimmung. - Meine Damen und Herren, das Gegenstück von Frühsport ist Spätsport. Ich muß Sie also wiederum bitten, sich zu erheben, soweit Sie für das Gesetz sind. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Keine Enthaltungen. Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen.
Punkt 12 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Zweite Vereinbarunng zur Ergänzung des Allgemeinen Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Frankreich über die Soziale Sicherheit und liber die Fünfte Zusatzvereinbarung über die Einbeziehung des Landes Berlin in das Allgemeine Abkommen nebst Briefen ({17}) ;
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik ({18}) ({19}).
Berichterstatter ist der Abgeordnete Dr. -Ing. Philipp. Sie verzichten im Hinblick auf die vorgerückte Zeit auf den Bericht? Ich rufe auf in zweiter Beratung Art. 1, - 2, - 3, - 4, - 5, - Einleitung und Überschrift. - Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen. Es ist so beschlossen.
Vizepräsident Dr. Jaeger
Dritte Beratung.
Das Wort in der allgemeinen Aussprache wird nicht gewünscht. Ich komme zur Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die zuzustimmen wünschen, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Keine Enthaltungen. Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen.
Punkt 13 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Statistik der Kosten und Leistungen im Güterverkehr mit Kraftfahrzeugen, mit Binnenschiffen und mit Eisenbahnen im Jahre 1959 ({20}) ({21}) ;
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen ({22}) ({23}).
Ich danke dem Herrn Abgeordneten Vehar für den Schriftlichen Bericht.
Ich rufe in zweiter Beratung auf die §§ 1, - 2, -3, - 4, - 5, - 6, - 7, - 8, - 9, - 10, - 11, - Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen. Es ist so beschlossen.
Dritte Beratung.
Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Gesetzentwurf in der Schlußabstimmung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Keine Enthaltungen. Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
Ich komme nun zum letztenmal zu einer zweiten und dritten Beratung, nämlich bei Punkt 14 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Übereinkommen Nr. 97 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 1. Juli 1949 über Wanderarbeiter ({24}) ({25});
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit ({26}) ({27}).
Ich danke dem Berichterstatter, Abgeordneten Maier ({28}), für den Schriftlichen Bericht.
Ich rufe auf in zweiter Beratung die Art. 1, - 2, -3, - Einleitung und Überschrift. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen. Es ist so beschlossen.
Dritte Beratung.
Das Wort in der allgemeinen Aussprache wird nicht gewünscht. Wer dem Gesetzentwurf in dritter Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine
Gegenstimmen. Enthaltungen? - Keine Enthaltungen. Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen.
Ich hoffe, daß sich die weitere Tagesordnung ohne sportliche Übungen abwickeln lassen wird.
Ich rufe nunmehr Punkt 15 der Tagesordnung auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Arbeit ({29}) über den Entwurf einer Verordnung des Rats der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft über die soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft ({30}).
Ich danke dem Herrn Berichterstatter, dem Abgeordneten Behrendt, für den Schriftlichen Bericht. Das Hohe Haus nimmt den Verordnungsentwurf gemäß dem Antrag des Ausschusses ohne Widerspruch zur Kenntnis. - Es ist so geschehen.
Ich rufe Punkt 16 der Tagesordnung auf:
Beratung des Entwurfs einer Verordnung Nr. . . . des Rats der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zur Durchführung und Ergänzung der Bestimmungen der Verordnung Nr. 3 über die Soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer ({31}).
Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schlage Ihnen vor Überweisung an den Ausschuß für Arbeit - federführend - und zur Mitberatung an den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten und in den Wirtschaftsausschuß. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
- Ich komme zu Punkt 17 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten ({32}) über die Verordnung Nr. 3 des Rates der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zur Festlegung der Einzelheiten für die Anforderung und Überweisung der Finanzbeiträge sowie für die Haushaltsregelung und die Verwaltung des Entwicklungsfonds für die überseeischen Länder und Hoheitsgebiete ({33}).
Berichterstatter ist der Abgeordnete Dr. Furler. Das Hohe Haus verzichtet auf den Bericht und auf Wortmeldungen. Ich stelle fest, daß das Hohe Haus dem Antrag des Ausschusses, der Verordnung zuzustimmen, entspricht. - Das ist der Fall; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 18 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Erbschaftsteuergesetzes ({34}).
Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage Ihnen vor, den Gesetzentwurf an den Finanzausschuß zu überweisen. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Ich komme zu Punkt 19 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 26. Juni 1954 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien über die vorläufige Regelung der Donauschiffahrt und zu dem Abkommen vom 17. Juli 1956 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien über die Zollbehandlung der Donauschiffe ({0}).
Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage Ihnen vor Überweisung an den Ausschuß für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen - federführend - und zur Mitberatung an den Finanzausschuß. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 20 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Europäischen Niederlassungsabkommen vom 13. Dezember 1955 ({1}).
Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage Ihnen vor, den Gesetzentwurf an den Ausschuß für Inneres - federführend - und an den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten - mitberatend - zu überweisen. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 21 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem deutsch-schweizerischen Abkommen vom 5. Februar 1958 über Durchgangsrechte ({2}).
Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage Überweisung an den Ausschuß für Inneres vor. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Ich komme zu Punkt 22 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu der Vierten Zusatzvereinbarung vom 21. Dezember 1956 zum Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande über Sozialversicherung ({3}).
Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage Ihnen Überweisung an den Ausschuß für Sozialpolitik vor. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 23 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu der Fünften Zusatzvereinbarung vom 21. Dezember 1956 zum Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande über Sozialversicherung ({4}).
Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage Ihnen Überweisung an den Ausschuß für Sozialpolitik vor. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 24 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Übereinkommen Nr. 105 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 25. Juni 1957 über die Abschaffung der Zwangsarbeit ({5}).
Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage Ihnen Überweisung an den Ausschuß für Arbeit vor. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Ich komme zu Punkt 25 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Siebenten Protokoll vom 19. Februar 1957 über zusätzliche Zugeständnisse zum Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen ({6}) ({7}).
Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage Ihnen Überweisung an den Außenhandelsausschuß vor. --Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 26 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes ({8}).
Die schriftliche Begründung der Sozialdemokratischen Partei wird mit Ihrem Einverständnis zu Protokoll genommen. Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schlage Ihnen Überweisung an den Finanzausschuß und an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung vor. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Die ersten Beratungen sind damit beendet.
Ich rufe nunmehr Punkt 27 der Tagesordnung auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung ({9}) ({10}) betreffend Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abgeordneten Jaksch gemäß Schreiben der Rechtsanwälte Hamburger, Dr. Haag und Malsy, Frankfurt ({11}), vom 11. September 1958 ({12}).
Ich erteile das Wort dem Herrn Abgeordneten Mühlenberg, der den verhinderten Berichterstatter, Herrn Abgeordneten Gockeln, vertritt. Ich bitte darum, sich im Hinblick auf die vorgerückte Zeit kurz zu fassen.
2874 Deutscher Bundestag -- 3. Wahlperiode Mühlenberg ({13}) : Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit Schreiben vom 1. September 1958 hat eine Frankfurter Anwaltsfirma den Antrag gestellt, die Immunität des Abgeordneten Wenzel Jaksch aufzuheben. Der Ausschuß für Immunität hat sich in seiner Sitzung vom 5. Oktober mit der Angelegenheit befaßt und ist zu der Überzeugung gekommen, daß es sich eindeutig um eine politische Angelegenheit handelt. Der Ausschuß beantragt einstimmig, den Antrag auf Aufhebung der Immunität abzulehnen. Ich darf Sie bitten, dem Beschluß des Ausschusses beizutreten.
({14})
Ich danke dem Abgeordneten Mühlenberg für den Bericht. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer dem Ausschußantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? -Keine Enthaltungen; einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 28 der Tagesordnung auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung ({0}) ({1}) betreffend Ermächtigung zur Strafverfolgung gegen den Journalisten Walter Weber in Baden-Baden gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 27. September 1958 ({2}).
Berichterstatter ist der Abgeordnete Dr. Dittrich. Herr Abgeordneter Mühlenberg, wollen Sie für ihn als Berichterstatter sprechen?
Meine Damen und Herren, hier liegt ein Ersuchen des Bundesministers der Justiz vor, den Weg für die Strafverfolgung des Journalisten Walter Weber freizugeben.
Der Tatbestand ist folgender: Der Journalist Walter Weber ist am 1. Juni auf der Autobahn ohne Führerschein erwischt worden. In einer anschließenden, sehr drastischen Unterhaltung mit der Polizei, die schon zu einem Strafantrag geführt hat, hat er dann dem Bundestag, den Mitgliedern des Hohen Hauses, folgendes Zeugnis ausgestellt: „Die Lumpen und Dreckschweine in Bonn, die die Gesetze machen, sind auch nicht besser. Ich bin froh, daß ich diese Lumpen nicht gewählt habe, diese schwulen Brüder in Bonn."
Der Ausschuß für Immunität hat einstimmig beschlossen, dem Plenum vorzuschlagen, dem Ersuchen auf Strafverfolgung stattzugeben. Ich darf Sie bitten, sich diesem Beschluß anzuschließen.
Ich danke dem Abgeordneten Mühlenberg. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Keine Enthaltungen; einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 29 der Tagesordnung auf:
Beratung der Sammelübersicht 8 des Ausschusses für Petitionen ({0}) über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages zu Petitionen ({1}).
Das Wort wird nicht gewünscht. Ich nehme an, daß Sie dem Antrag des Ausschusses zustimmen. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 30 auf:
Beratung der Übersicht 4 des Rechtsausschusses ({2}) über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht ({3}).
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Winter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß Sie leider in dieser späten Abendstunde noch etwas aufhalten. Ich bitte Sie, in der Drucksache 643 unter „Verfassungsbeschwerden" die Nrn. 628 und 646 zu streichen; sie sind infolge eines Versehens hineingeraten. In dem einen Fall bittet das Bundesverfassungsgericht um eine eingehende Äußerung zur Frage der Gesetzgebungskompetenz des Landes Nordrhein-Westfalen und im anderen Falle um eine Stellungnahme wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Verfassungsbeschwerde. Den Antrag, die beiden erwähnten Nummern zu streichen, stelle ich in Übereinstimmung mit sämtlichen Mitgliedern des Rechtsausschusses. Ich bitte, dem Ausschußantrag im übrigen zuzustimmen.
Ich danke dein Abgeordneten Dr. Winter. - Das Wort wird nicht mehr gewünscht. Wer dem Antrag des Ausschusses mit der soeben vorgetragenen und mir überreichten schriftlichen Berichtigung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Keine Enthaltungen; einstimmig angenommen.
Ich komme zu Punkt 31 der Tagesordnung:
Beratung des Antrags des Bundesministers für wirtschaftlichen Besitz des Bundes betreffend Verkauf eines bundeseigenen Schulgrundstücks in Koblenz-Pfaffendorf an die Stadt Koblenz ({0}).
Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet.
Ich schlage Ihnen Überweisung an den Haushaltsausschuß vor. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren, ich muß noch einen Punkt behandeln. Gemäß interfraktioneller Vereinbarung soll die Tagesordnung noch erweitert werden um die
Wahl eines stellvertretenden Mitgliedes des Wahlprüfungsausschusses.
- Widerspruch erfolgt nicht; das Haus ist einverstanden.
Vizepräsident Dr. Jaeger
Ich schlage vor, die Wahl sofort vorzunehmen. Die Fraktion der SPD hat mit Schreiben vom 27. November 1958 gebeten, gemäß § 3 Abs. 2 des Wahlprüfungsgesetzes als stellvertretendes Mitglied den Abgeordneten Striebeck an Stelle des ausscheidenden Abgeordneten Peters zu wählen. Ich nehme an, daß das Haus damit einverstanden ist. - Widerspruch erfolgt nicht; damit ist der Abgeordnete Striebeck als stellvertretendes Mitglied des Wahlprüfungsausschusses gewählt.
Meine Damen und Herren! Wir sind am Ende der Tagesordnung. Ich habe aber noch zwei wichtige Mitteilungen zu machen.
Da wir die Tagesordnung doch noch heute zur vorgesehenen Zeit abgewickelt haben, fällt die morgige Sitzung aus. Herr Präsident Dr. Gerstenmaier hat entschieden, daß die Präsenzpflicht für morgen aufgehoben ist.
Ich berufe die nächste Sitzung auf Dienstag, den 9. Dezember 1958, 10 Uhr.
Die Sitzung ist geschlossen.