Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe Punkt 9 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Güterkraftverkehrsgesetzes ({0}).
Wird der Antrag begründet? - Bitte, Herr Kollege!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben Ihnen diesen Antrag vorgelegt, um eine Gleichstellung aller Nahverkehrsbetriebe in der gesamten Bundesrepublik zu erreichen. Sie wissen, daß im Oktober 1952 das Güterkraftverkehrsgesetz verabschiedet wurde. Daß dem Gesetzgeber Mängel dieses Gesetzes bekannt waren, beweist der § 2 Abs. 4, in dem dem Bundesminister für Verkehr die Möglichkeit zu Ausnahmegenehmigungen für Kraftverkehrsbetriebe im Grenzbereich gegeben wurde. Erweitert wurde dieses Gesetz mit der Neufassung vom Juni 1957, indem für die Zonenrandgebiete und für Schleswig-Holstein Ausnahmen hinsichtlich der Nahverkehrszone geschaffen wurden. Die Nahverkehrszone umfaßt einen Umkreis von 50 km, und die sind an der Grenze natürlich nicht gegeben. Die Nahverkehrsbetriebe haben ohnehin schon durch das geringere Aufkommen an Gütern an den Grenzen Nachteile, ganz zu schweigen davon, daß sie ihren Radius von 50 km nicht ausnützen können, da sie ja gewissermaßen mit dem Rücken an der Wand stehen.
Das Argument, daß die Unternehmer, die sich an der Grenze niedergelassen haben, dies ja vorher gewußt haben, zieht nicht, und auch die Begründung schlägt nicht durch, daß die Zonengrenze und die Grenze des Saarlandes willkürliche Grenzen seien. Zu diesem Argument muß ich von vornherein sagen: ich möchte nicht, daß sich in dem Grenzgebiet mehr Industrien ansammeln; denn diese Industrien werden dann ebenfalls benachteiligt werden. Ich möchte dabei nicht einmal einen Unterschied machen zwischen dem gewerblichen Güterkraftverkehr und dem Werkverkehr.
Wir können uns über diese Frage im Ausschuß noch auseinandersetzen, aber da diese Frage eine unpolitische ist, dürfte im Ausschuß sehr schnell eine Einigung erzielt werden.
Auch das Argument bezüglich des Ausfalls von Beförderungsteuer kann nicht ziehen. Denn es ist überall die Möglichkeit gegeben, die Betriebe weiter von der Grenze zu verlagern und sich neue feste Standorte im Kraftverkehr zu verschaffen. Wenn aber der Güterkraftverkehr seine Standorte verlagert, werden Finanzen der Gemeinden an der Grenze geschwächt. Ich glaube, Sie sind mit mir darin einig, daß wir eine solche Schwächung der Gemeindefinanzen nicht mehr zulassen sollten. Sie alle wissen ja auch, daß unsere Grenzgemeinden durch den Umsatzrückgang des Einzelhandels infolge des kleinen Grenzverkehrs genug Einbuße erlitten haben.
Ich darf Sie im Namen meiner Freunde bitten, unsere Vorlage an den Ausschuß für Verkehr zur weiteren Beratung zu überweisen.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Schmücker.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe Ihnen namens der Fraktion der CDU/CSU zu erklären, daß wir mit der Überweisung des Entwurfs an den Verkehrsausschuß sehr einverstanden sind. Auch wir halten es für notwendig, die Fragen des Güternahverkehrs erneut zu besprechen; es sind in der Tat einige Unzuträglichkeiten aufgetreten.
Aber ich darf über Ihren Antrag hinaus etwas sagen. Ich meine, daß mit dem fiktiven Standort, den Sie hier vorschlagen, und mit der Generalisierung der Ausnahmevorschriften nicht alles erreicht ist. Ich würde vorschlagen, daß Sie sich im Verkehrsausschuß auch einmal darüber unterhalten, wie vor allen Dingen die bevölkerungsärmeren ländlichen Gebiete, die weiter als 50 km von den nächsten Großstädten entfernt sind, etwas bessergestellt werden können.
Wir haben hier im Bundestag - ich glaube vor acht Jahren - den Emsland-Plan beschlossen. Für die agrarische und gewerbliche Erschließung dieses Gebietes geben wir jährlich etwa 30 Millionen DM aus. Was nützt das alles, wenn die Verkehrsbedingungen dort weiterhin so schlecht bleiben? Sowohl
Münster, Osnabrück wie Bremen und Oldenburg, also die nächstgelegenen Großstädte, sind über 50 km entfernt. Wenn wir jemandem anraten, sich im Emsraum niederzulassen, wird er sich nach den Verkehrsverhältnissen erkundigen und feststellen, daß sie doch allzu ungünstig sind, um dort einen Betrieb aufzumachen. Über diese Dinge sollte man in aller Ruhe und Sachlichkeit im Ausschuß sprechen.
Man darf dieses Problem nicht ohne den Zusammenhang mit dem Werkverkehr sehen. In den gleichen Gebieten kann der Werkverkehr sowohl im Absatz wie in der Zulieferung an den nächsten Marktort gar nicht herankommen. Das hat zur Folge, daß einige Unternehmer, die das entsprechende Kapital haben, von sich aus fiktive - Sie wissen, wie ich das Wort auslege - Standorte einrichten. Um Ihnen ein groteskes Beispiel zu zeigen: Bremer Importhändler für Futtermittel machen, eine Filiale auf, die 50 km entfernt ist. Das hat zur Folge, daß diese Filiale bis zu 100 km pro Lastzug etwa um 100 DM billiger absetzt als der örtliche Handel. Der örtliche Handel wird also durch dieses Gesetz stark benachteiligt.
Ich möchte zur Erwägung geben, bei diesen Maßnahmen, die verkehrspolitisch durchaus richtig sind und von uns auch heute noch gestützt werden, etwas mehr Rücksicht auf die raum- und strukturpolitischen Notwendigkeiten zu nehmen. Das alles muß aber im Ausschuß besprochen werden. Man sollte eine geeignete Form finden, diese Ausnahmen auch als Ausnahmen zu behandeln. Wir neigen mehr dazu, die Ausnahmevorschriften entsprechend zu gestalten, als dazu, starr in der Art des Vorschlags der FDP zu verfahren. Aber alles Weitere muß die Beratung im Ausschuß ergeben. Wir empfehlen also ebenfalls Überweisung des Entwurfs an den Ausschuß.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bleiß.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte namens meiner Freunde zu diesem Punkt der Tagesordnung kurz Stellung nehmen.
Für uns stellt sich der Antrag der FDP als ein alter Bekannter in einem neuen Gewande dar. Wir haben über einen ähnlichen Antrag im 2. Deutschen Bundestag sehr lange und sehr eingehend beraten.
Es ist zweifellos richtig, daß die jetzige Regelung. eine Reihe von wirtschaftlichen Härten mit sich bringt. Aber wir waren damals im Ausschuß der Meinung, daß eine Ausdehnung der Novelle zum Güterkraftverkehrsgesetz, die dem Zonenrandgebiet bestimmte Erleichterungen brachte, auf andere Wirtschaftsräume, so wie die Dinge heute liegen, zu einer weiteren Verwirrung in der schon sehr komplizierten verkehrswirtschaftlichen Situation führen und zweifellos auch zu einer Erhöhung der Defizite der Bundesbahn führen müßte. Diese Überlegungen haben uns damals bewogen, die Beseitigung der wirtschaftlichen Härten für einige Gebiete des Güternahverkehrs bis zu der von uns immer wieder dringend geforderten Neuordnung des Verkehrs zurückzustellen. Das war unsere damalige Haltung.
Wir sind bereit, den Antrag der FDP im Ausschuß erneut zu beraten, in der Erwartung, daß uns neue Argumente vorgetragen werden. Unbeschadet der Tatsachen, die ich Ihnen hier vortragen durfte, werden wir also der Ausschußüberweisung zustimmen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Debatte ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Es ist Überweisung dieses Gesetzentwurfs an den Ausschuß für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen beantragt. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Dann ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 10 der Tagesordnung:
Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Altershilfe für Landwirte ({0}) .
Wird der Antrag begründet? - Herr Kollege Bading!
Herr Präsident! Meine 'Damen und Herren! Das Gesetz, auf das sich der Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 498 bezieht, ist noch ein recht junges Kind der bundesrepublikanischen Gesetzgebung. Aber es hat uns schon viele Sorgen gemacht. Es ist - man kann es so nennen - eine Frühgeburt; denn es wurde kurz vor den Wahlen, im Juli 1957, überstürzt verabschiedet, nachdem agrarsoziale Kreise, die als agrarpolitisches Mittel nicht nur den Preis sehen, schon sehr viel früher erkannt hatten, daß man sich um die alten Landwirte nicht nur aus sozialen, sondern auch aus agrarstrukturellen Gründen kümmern müsse, daß man sie nicht einfach ihrem Schicksal überlassen könne, sondern daß man für ihre Alterssicherung etwas tun müsse.
Der Bauernverband hatte zuerst gar keine Neigung gehabt, auf diese Anregung der agrarsozialen Kreise einzugehen. Es wurde wieder das alte Gerede vom freien Bauern und von Selbstverantwortung vorgebracht. Erst als man in dem halben Jahr vor den Wahlen merkte, daß in den Kreisen der kleineren Bauern - und das ist ja nun einmal die Mehrzahl der deutschen Bauern - der Gedanke einer Alterssicherung auf ungewöhnlich gute Aufnahme stieß, begann man auch im Bauernverband und damit in der CDU, sich Gedanken über die Frage zu machen: Wie kann man eine Alterssicherung für die Bauern einführen? Als dann die Wahlen vor der Tür standen, wurde die ganze Geschichte, wie ich schon sagte, überstürzt.
Was dabei herausgekommen ist, ist ein Kind, so möchte ich sagen, das uns nicht nur Sorgen, sondern auch Freude gemacht hat. Das Gesetz soll in erster Linie eine agrarsoziale Aufgabe erfüllen. Die
deutsche Landwirtschaft ist in dem Teil, der die Betriebsinhaber umfaßt, stark überaltert. Die alten Bauern geben den Hof nicht ab, weil sie keine Sicherheit für ihr Alter haben, da die kleinen Betriebe nicht in der Lage sind, zwei Familien voll zu ernähren, wie es sich gehört. Infolgedessen zögern die Väter, die Höfe an die Söhne zu übergeben.
Die Hilfe für die Alten, die wir durch das Gesetz erreicht haben, hat einen grundsätzlichen Wandel herbeigeführt. Während im Jahre 1956 in den Anerbengebieten in drei verschiedenen Kreisen - ich folge hier einer Untersuchung, die von der Forschungsgesellschaft für Agrarpolitik und Agrarsoziologie herausgegeben worden ist - nur 338 Bauern ihre Höfe übergeben haben, waren es in den ersten neun Monaten nach Inkrafttreten des Gesetzes 934. In den Gebieten mit Realteilung ist die Zahl von 175 auf 975 gestiegen; das sind 350 % mehr. Das ist eine außerordentlich erfreuliche Tatsache. Denn damit kommen in stärkerem Umfang die Bauernsöhne an die Leitung des Hofs heran. Ihre Bereitschaft, in der Landwirtschaft weiterzuarbeiten, wird dadurch erhöht. Die Rationalisierung wird vorangetrieben, denn es ist selbstverständlich, daß junge Menschen eher als ältere Menschen bereit sind, Rationalisierungsgedanken in die Tat umzusetzen. Somit können wir mit dem Gesetz zufrieden sein.
In rein agrarsozialer Beziehung dagegen ist unsere Zufriedenheit etwas geringer. Weite Kreise der in der Landwirtschaft Tätigen werden durch das Gesetz nicht erfaßt, obwohl sie keine andere Alterssicherung und nicht einmal eine Besitzsicherung haben. Es handelt sich hier um die mithelfenden Familienangehörigen ohne Anspruch auf irgendeine Rente aus der Invaliden- oder Angestelltenversicherung.
Aber das sind im Augenblick nicht unsere größten Sorgen. Im Augenblick haben wir die Sorge um die Finanzierung der durch das Gesetz geschaffenen Alterskassen. Bei der Beratung des Gesetzes hat meine Fraktion aus grundsätzlichen Erwägungen wie auch aus rein praktischen Überlegungen vorgeschlagen, daß ein Bundeszuschuß gegeben werde. Als dieser Antrag abgelehnt wurde, hat sie gefordert, daß der Bund wenigstens eine Garantie übernehme. Auch das ist abgelehnt worden.
Wie haben sich nun die Verhältnisse entwickelt? Man ging von einer Zahl von 1,15 Millionen beitragspflichtigen Bauern aus, also Bauern, die einen Besitz haben, auf dem sich eine dauerhafte Existenz gründet, und von etwa 240 000 älteren Bauern, die Anträge auf Leistungen stellen würden. Dann hat man sich errechnet, daß man mit einem Beitrag von 10 DM auskommen könnte und, um die Anfangsschwierigkeiten der Alterskassen zu überwinden, stellte man diesen einen Kredit von 70 Millionen DM zur Verfügung.
Aber schon sehr bald, nach etwa einem halben Jahr, hat sich herausgestellt, daß statt 240 000 330 000 Antragsteller vorhanden sind und statt 1,15 Millionen nur 940 000 zur Beitragszahlung herangezogen werden können. Das sind die Zahlen, die im Mai dieses Jahres errechnet werden konnten.
Man hat sich also sehr stark getäuscht. Die Vorausberechnungen waren falsch.
Ich möchte aber bitten, nun weder den Alterskassen noch dem Gesamtverband der Alterskassen irgendwelche Schuld an diesem Verrechnen zu geben. Die Alterskassen haben große Arbeit geleistet, und die sollte man anerkennen. Ihnen wurde die Ausführung des Gesetzes aufgedrängt, obwohl sie gerade mit anderen Arbeiten stark in Anspruch genommen waren: mit der Rentenneuberechnung der Unfallversicherung und mit der Ausführung des Kindergeldergänzungsgesetzes. Die Schuld tragen einzig und allein die Regierung und die Regierungsparteien, die das Gesetz in einer überstürzten Art und Weise noch kurz vor Schluß des 2. Bundestages durchbringen wollten.
Die Sozialpolitiker in meiner Fraktion haben sich mit diesem Problem im Mai und im Juni dieses Jahres beschäftigt und 'festgestellt, daß ein Defizit von 60 Millionen DM entstehen wird und daß die Deckung dieses Defizits, wenn der Bund nicht einen Zuschuß leistet, eine Erhöhung des Beitrags der einzelnen Bauernlauf 17 DM erfordern wird.
Herr Arbeitsminister Blank hat diese Feststellung unseres Kollegen Professor Schellenberg bestritten. Als wir sie veröffentlichten, beeilte sich das Arbeitsministerium im Regierungsbulletin vom 11. Juni zu erklären - ich darf mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten zitieren -:
Es kann mit Sicherheit darauf geschlossen werden, daß der Fehlbetrag nur einen Bruchteil des von dem SPD-Bundestagsabgeordneten Professor Dr. Schellenberg genannten Betrages von 60 Millionen DM jährlich ausmachen wird.
Nur einen Bruchteil!
Wir ließen uns durch diese Erklärung aber nicht abhalten und reichten den Antrag ein, der Ihnen heute vorliegt. Etwa gleichzeitig hat auch die Fraktion der CDU eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung gerichtet. Die Antwort auf diese Anfrage, die am 30. Juli - also 5 bis 6 Wochen später -veröffentlicht wurde, ist sehr interessant. Der Arbeitsminister gibt in ihr zu, „daß die finanziellen Folgen der Entwicklung der Zahlen der Beitragspflichtigen und der Altersgeldberechtigten Anlaß zur Sorge geben. - Man rechnet mit einem Fehlbetrag von 65 Millionen DM." Im Juni hat man behauptet, der Fehlbetrag mache nur einen Bruchteil von 60 Millionen DM aus; im Juli gibt man zu, daß der Fehlbetrag 65 Millionen DM beträgt.
Inzwischen haben sich die Verhältnisse noch verschlechtert. Die Zahl der Anträge ist auf 350 000 gestiegen. Wie hoch die endgültige Zahl der Beitragspflichtigen sein wird, darüber gehen die Schätzungen noch auseinander. Man sagt, daß sie nicht höher als etwa 810 000 sein wird. Man sollte sich aber nicht der Illusion hingeben, daß es möglich sein wird, den Kreis der Beitragspflichtigen nennenswert zu erweitern oder etwa den Kreis der Leistungsberechtigten zu verengen. Feststeht jedenfalls, daß bei den Alterskassen unter Berücksichtigung eines bescheidenen Betrags von Betriebsmitteln, der unbedingt zur Verfügung stehen muß, ein Defizit von etwa 80 Millionen DM besteht. Es gibt also nur
zwei Lösungen: Entweder eine sehr erhebliche Erhohung des Beitrags, wahrscheinlich auf über 17 DM, oder ein Zuschuß des Bundes.
Nun ist der Gedanke aufgetaucht, man könne die Beiträge erhöhen, wenn auch nicht auf 17 DM, so doch auf etwa 14 DM.
Mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten möchte ich aus einer Veröffentlichung des Deutschen Bauernverbandes zitieren, die auf Berechnungen unseres Kollegen Berberich zurückgeht. Er hat zusammengestellt, welche Ausgaben für Berufsgenossenschaften, für Alterskassen und Familienausgleichskassen auf den Betrieben in seiner Heimat ruhen. Er kommt zu einem außerordentlich interessanten Ergebnis. Ein Betrieb von 4 ha trägt eine Last von über 60 DM je ha. Mit steigender Betriebsgröße nimmt die Last ab. Beim 6-ha-Betrieb sind es 53,60 DM, bei 15 ha - das ist in Baden schon ein guter Mittelbetrieb - etwa 41 DM. Diese Lasten sind in den letzten Jahren außerordentlich gestiegen, seit 1956 um etwa 300 %.
Meine Herren Berufskollegen aus Norddeutschland, sagen Sie nun bitte nicht, ein Betrieb von 4 oder 6 ha sei gar kein echter landwirtschaftlicher Betrieb, sondern lediglich eine Art Nebenerwerbswirtschaft. Ich kann mich auch hier auf die Korrespondenz des Deutschen Bauernverbandes beziehen, in der gesagt wird, daß von den 36 000 Betrieben bis zu 4 ha im Gebiet der Berufsgenossenschaft Baden nicht weniger als 22 000, d. h. zwei Drittel, zur landwirtschaftlichen Alterskasse Beiträge zahlen müssen. Das sind also Betriebe, die den Bauern eine volle Existenz gewähren, deswegen sind sie beitragspflichtig.
Meine Damen und Herren, ich möchte Sie bitten, sich unseren Antrag sehr genau zu überlegen und mit uns zusammen eine Lösung zu suchen. Die Menschen, um die es hier geht, haben nicht oder nicht im vollen Umfange am „deutschen Wirtschaftswunder" teilgenommen, sondern es sind die Alten in der Landwirtschaft, denen man gönnen sollte, daß sie in ihrem Alter etwas Geld in die Hand bekommen Außerdem geht es um eine Verjüngung der deutschen Bauernschaft, und die können wir weiß Gott gebrauchen.
({0})
Das Wort hat der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, Herr Blank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben von Herrn Professor Schellenberg soeben gehört, er habe - wieder einmal als erster - rechtzeitig ermittelt, daß bei der Durchführung dieses Gesetzes Defizite entstünden, und auf seine besorgte Anfrage habe er von mir eine falsche Auskunft bekommen. Ich habe dazu nur festzustellen, daß Herr Professor Schellenberg an mich keine Anfrage gerichtet hat. Ich habe mich nur ein einziges Mal zu dem Problem amtlich geäußert, als ich nämlich meine Antwort auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Wacher, Schwarz, Stingl, Bauknecht und Genossen gab.
Entspricht es den Tatsachen, daß im Bulletin der Bundesregierung folgendes stand:
Das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung gibt bekannt:
. . . wenn es auch verfrüht ist, jetzt schon genaue Zahlen anzugeben, so darf doch mit Sicherheit geschlossen werden, daß der Fehlbetrag nur einen Bruchteil des von dem SPD-Bundestagsabgeordneten Professor Dr. Schellenberg genannten Betrages von 60 Millionen DM jährlich ausmachen wird.
Stehen Sie zu dieser Mitteilung Ihres Ministeriums oder nicht?
Entschuldigen Sie, Herr Schellenberg, soeben hat Ihr Herr Vorredner gesagt, Sie hätten an mich die Anfrage gerichtet, und darauf habe ich dem Redner geantwortet, Sie hätten an mich diese Anfrage nicht gerichtet und auch nicht von mir diese Auskunft bekommen. Die einzige amtliche Auskunft, die ich gegeben habe, ist die Antwort auf die Kleine Anfrage, wie ich es soeben dargelegt habe.
({0})
Nun zu dem Antrag selbst! Der Antrag der SPD-Fraktion geht von der Tatsache aus, daß bei den landwirtschaftlichen Alterskassen ein Defizit entstanden ist.
Herr Minister, ist eine Mitteilung, die Ihr Ministerium in dem Bulletin veröffentlicht, eine offizielle Mitteilung Ihres Ministeriums oder nicht?
Was im Bulletin veröffentlicht ist, ist keine offizielle Mitteilung meines Ministeriums.
({0})
- Ich habe Ihnen die Antwort gegeben. Ich hoffe, daß sie Sie befriedigt. - Man muß also überlegen, wie dieses Defizit gedeckt werden kann. Zuvor möchte ich jedoch noch einmal betonen, was ich in der Beantwortung der Kleinen Anfrage der Abgeordneten Wacher, Schwarz und Genossen namens der Bundesregierung bereits im Juli dieses Jahres dargelegt habe, nämlich daß das Gesetz über eine Altershilfe für Landwirte im ganzen den gewünschten Erfolg gehabt hat. Die Ziele des Gesetzes
- die Verbesserung der sozialen Lage der Altenteiler und die Beschleunigung der Hofübergabe - sind in überaus erfreulicher Weise erreicht worden. Man sollte das beim Blick auf die augenblicklichen und vorübergehenden finanziellen Schwierigkeiten nicht vergessen. Die endgültige Höhe des finanziellen Fehlbetrags läßt sich mit letzter Genauigkeit auch heute noch nicht angeben. Nach dem gegenwärtigen Stand der Durchführung des Gesetzes und
den vom Gesamtverband der landwirtschaftlichen Alterskassen mitgeteilten Zahlen muß damit gerechnet werden, daß die Altershilfe für Landwirte einen Fehlbetrag in Höhe von 70 bis 80 Millionen DM jährlich aufweist. Eine genaue Angabe wird aber erst möglich sein, wenn die Bemühungen um die Erfassung weiterer Beitragspflichtiger fortgeschritten und die Anträge auf Altersgeld restlos bearbeitet sind. Wenn aus der Tatsache des Fehlbetrags vereinzelt die Befürchtung abgeleitet worden ist, daß die Zahlungsfähigkeit der Alterskassen dadurch gefährdet sei, so darf ich versichern, daß bis zu dem Zeitpunkt, an dem die Maßnahmen wirksam werden, die ich Ihnen vorschlage, die Liquidität der Alterskassen durch Darlehnsmittel des Bundes gesichert wird.
({1})
Ich komme damit auf den Punkt 1 des Antrags der sozialdemokratischen Fraktion zu sprechen.
Die Bundesregierung hat in der Drucksache 528 bereits zugesichert, daß sie bereit ist, die Darlehnsbedingungen für die bisher gewährten Mittel entsprechend der Leistungskraft der Alterskassen zu gestalten. Dies scheint mir ein den gegenwärtigen Umständen Rechnung tragendes Entgegenkommen zu sein, und ich hege erhebliche Zweifel, ob wir der Altershilfe für Landwirte einen Dienst erweisen, wenn wir heute beschließen, die bisher gewährten Darlehen zu streichen, in einem Augenblick, in dem wir zur Sicherung der Liquidität der Alterskassen auf die Hilfe des Herrn Bundesministers der Finanzen angewiesen sind.
Außerdem ist heute noch nicht abzusehen, wie hoch der Darlehnsbetrag endgültig sein wird, so daß auch von da her eine Entscheidung im Augenblick verfrüht wäre. Die endgültige Entscheidung über diese Frage steht diesem Hohen Hause zu. Jedoch glaube ich, bereits jetzt auf diese Zusammenhänge aufmerksam machen zu sollen.
Was die Überlegungen zur Beseitigung des Fehlbetrags in der Zukunft angeht, so scheint mir der Vorschlag, wie er in der Drucksache 498 enthalten ist, sehr einseitig zu sein. Der kann nicht durch einseitige Maßnahmen beseitigt werden, sondern das erfordert ein Zusammenwirken zwischen den Organen der Selbstverwaltung der landwirtschaftlichen Alterskassen, den gesetzgebenden Körperschaften und der Bundesregierung in mehreren, sorgfältig aufeinander abgestimmten Maßnahmen.
Neben den genannten Maßnahmen der Liquiditätssicherung hat die Bundesregierung auch eine Novellierung des Altershilfegesetzes angekündigt. Wie bei jedem neuen Gesetz haben sich einige Lücken und Unzulänglichkeiten ergehen, die beseitigt werden müssen, und darüber hinaus wird auch zu überlegen sein, in welcher Weise materielle Entscheidungen modifiziert werden müssen oder können.
Wenn ich sage, daß das Defizit nur durch ein Zusammenwirken aller beteiligten Stellen beseitigt werden kann, so liegt darin auch die Bitte an den Gesetzgeber, das Seinige hierzu beizutragen. Die Änderungen und Ergänzungen des Gesetzes werden auf längere Sicht zu einer Stabilisierung der Finanzlage der Alterskassen beitragen. Von unmittelbarer zahlenmäßig abschätzbarer Auswirkung ist mein Vorschlag, die nach § 8 Abs. 2 und 3 des Gesetzes von der Beitragspflicht befreiten hauptberuflichen landwirtschaftlichen Unternehmer in die Beitrags-eilicht einzubeziehen. Dies erscheint notwendig, weil dem Altenteiler dieser Betriebe Altersgeld gewährt wird, ohne daß dem Beitragsleistungen der jungen Generation gegenüberstehen, und weil die ständige Fluktuation zwischen hauet- und nebenberuflicher Tätigkeit in der Landwirtschaft nicht überwacht werden kann. Die Einbeziehung dieser Landwirte erscheint aber auch vertretbar, weil ihnen ausnahmslos die finanziellen Vergünstigungen nach dem Landwirtschaftsgesetz zugute kommen und sie wegen ihrer Einkommen aus der Arbeitnehmertätigkeit leistungsfähiger sind als Landwirte mit gleichartigen Betrieben ohne ein Zusatzeinkommen. Hierdurch würde bei dem gegenwärtigen Beitragssatz eine Minderung des Defizits um 8 bis 10 Millionen DM eintreten.
Der SPD-Antrag geht davon aus, daß der Beitrag zu den landwirtschaftlichen Alterskassen die bisherige Höhe behalten müsse. Eine solche Festlegung würde dem Grundgedanken des Gesetzes widersprechen, das den Organen der Selbstverwaltung der landwirtschaftlichen Alterskassen eine weitgehende Selbstverantwortung übertragen hat. Zu dieser Selbstverantwortung gehört auch die Festsetzung der notwendigen Beitragshöhe. Ich darf wohl an die Tatsache erinnern, daß es sich bei der landwirtschaftlichen Altershilfe um eine berufsständische Sicherungseinrichtung auf solidarischer Grundlage handelt; und daran sollte nach meiner Meinung auch in Zukunft festgehalten werden. Die Organe der Selbstverwaltung sind sich übrigens dessen auch bewußt. Zwar ist im September dieses Jahres von einer Beitragserhöhung abgesehen worden, weil die Verhältnisse damals noch nicht genügend klar erschienen. Es ist jedoch damit zu rechnen, daß in einer demnächst einzuberufenden erneuten Mitgliederversammlung sich eine Mehrheit für eine Beitragserhöhung ergibt.
Selbstverständlich verkenne ich nicht, daß einer Beitragserhöhung im Hinblick auf die Leistungsfähigkeit der kleinbäuerlichen Familienbetriebe Grenzen gesetzt sind. Bei der weiteren Diskussion sollte man davon ausgehen, daß der Beitrag zur Altershilfe für Landwirte auf jeden Fall unter dem Mindestbeitrag zur Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten von gegenwärtig 14 DM je Monat bleibt. Man sollte das Ergebnis der in Gang befindlichen Beratungen in den Selbstverwaltungskörperschaften abwarten und dann anläßlich der Beratung der Novelle überlegen, ob und in welcher Weise dem Gedanken der Selbsthilfe Rechnung getragen werden sollte.
Wenn ich den Gedanken der Selbsthilfe vorangestellt habe, so geschah dies nicht, um damit jede Verpflichtung der Allgemeinheit zu leugnen. Die bisherigen Erfahrungen zeigen bereits, daß die Altershilfe für Landwirte durch die agrarstrukturellen Veränderungen finanziell sehr stark belastet ist. In der Zeit von 1949 bis zur Gegenwart nahm die Zahl der hauptberuflichen Betriebsinhaber um rund
160 000 oder 13 vom Hundert ab. Allein von 1956/ 57 auf 1957/58 betrug der Rückgang 25 200. Diese Entwicklung, mit deren Fortgang auch in Zukunft noch zu rechnen ist, hat zur Folge, daß es eine erhebliche Anzahl von Altersgeldberechtigten gibt, deren Betriebe nicht mehr vorhanden sind, weil sie entweder auf andere Betriebe aufgeteilt oder weil ihre Inhaber keine hauptberuflichen Landwirte mehr sind.
Hinzu kommt, daß die Auswirkung des Gesetzes auf die Häufigkeit der Hofübergabe beträchtlich ist. Wie eine Repräsentativuntersuchung gezeigt hat, haben in den ersten neun Monaten nach Inkrafttreten des Gesetzes zweieinhalbmal soviel Landwirte ihren Betrieb übergeben als im ganzen Jahr davor. Zwar war die Förderung der frühzeitigen Hofübergabe ein Zweck des Gesetzes, die zur Verjüngung der Betriebsleiter beigetragen hat, jedoch übertrifft die zahlenmäßige Auswirkung alle ursprünglichen Erwartungen.
In der Erwägung, daß diese aus den strukturellen Veränderungen sich ergebenden Mehrbelastungen nicht den verbleibenden beitragspflichtigen Landwirten allein überlassen bleiben können und daß die Umschichtung der Betriebe sowie die Zunahme der Übergabehäufigkeit den agrarpolitischen Bestrebungen der Bundesregierung entgegenkommen, erscheint es gerechtfertigt, die nach dem Landwirtschaftsgesetz bereitstehenden Mittel teilweise auch dazu zu verwenden, die für die Alterskassen entstehenden Folgen dieser Entwicklung aufzufangen. Würde auf diese Weise in verantwortlichem Zusammenwirken aller beteiligten Stellen eine Lösung gefunden, die den Charakter der landwirtschaftlichen Altershilfe als selbständige berufsständische Sicherungseinrichtung erhielt, so würde damit nach meiner Auffassung unserem gemeinsamen Anliegen besser gedient sein, als wenn wir alle entstehenden Schwierigkeiten ohne nähere Prüfung auf den Staat abwälzen. Bei einer solchen Entscheidung handelt es sich nämlich nicht allein um den hier zur Beratung anstehenden Gegenstand; sie würde vielmehr weit ins Grundsätzliche hineingehen und uns auf keinen erstrebenswerten Weg führen.
Wenn die von mir dargelegte Lösungsmöglichkeit, die eine Abstimmung mehrerer Maßnahmen aufeinander vorsieht, Ihre Zustimmung findet, so wird es wohl richtig sein, den Antrag Drucksache 498 an die zuständigen Ausschüsse zu überweisen, damit er dort im Zusammenhang mit dem Entwurf einer Novelle zum Altershilfegesetz behandelt werden kann.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Weber.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf für die Fraktion der FDP erklären, daß wir den Antrag der SPD begrüßen. Wir begrüßen ihn, weil uns jetzt auch die Ausführungen des Herrn Ministers gezeigt haben, daß dieses Gesetz tatsächlich einen Wirrwarr darstellt. Es ist Tatsache, daß das Gesetz übereilt verabschiedet wurde, und ich halte es für gut, wenn wir in diesem Zusammenhang klar zu dem Problem Stellung nehmen.
Wir begrüßen den Antrag der SPD in seinem Inhalt, der zwei Dinge will: daß der Vorschuß des Bundes in einen Zuschuß verwandelt wird - das wurde seinerzeit schon von unserer Fraktion gefordert, und ich hatte die Ehre, dazu unseren Standpunkt darzulegen -, und zweitens, daß ein Beitrag des Bundes zu den Alterskassen geleistet wird. Hier möchte ich allerdings die Betonung etwas anders setzen als die Antragsteller. Gestatten Sie mir deshalb, kurz auf die Angelegenheit einzugehen.
Das agrarpolitische und agrarsoziale Ziel des Gesetzes ist weitgehend erreicht worden: Die Hofübergabe wird beschleunigt. Es sind weniger beitragzahlende Betriebe vorhanden, als man ursprünglich annahm. Weiter sind mehr Leistungsempfänger vorhanden, als man ursprünglich annahm. Deshalb reicht das Geld nicht, wie wir alle gehört haben. Nun ist zu fragen: Kann die Regierung und in diesem Fall auch die Regierungskoalition aus der Verpflichtung, die sie mit dieser übereilten Verabschiedung des Gesetzes auf sich genommen haben, entlassen werden? Hier steckt das Problem. Die Regierung und die Koalition müssen zu ihrem Kind stehen.
({0})
Ich bin etwas mißtrauisch geworden, als der Herr
Minister vorhin andeutete, man wolle in Zukunft nur Darlehen geben. Dadurch würde die Schuld praktisch nur in die Ferne geschoben. Ferner wolle man dazu übergehen, mehr Betriebe zu erfassen, denen man ursprünglich die Freiheit der Wahl lassen wollte.
Herr Kollege Unertl hatte nicht Unrecht, als er dieses Gesetz neulich als eines der schlechten Gesetze bezeichnete. Das verpflichtet das gesamte Haus, dieses Gesetz jetzt eingehend zu überarbeiten. Diese Novelle zu dem Gesetz über die Altershilfe für die Landwirte eilt.
Lassen Sie mich aber, um meine Akzente etwas anders zu setzen als die Antragsteller, die ganze Angelegenheit im Zusammenhang mit dem Sozialbericht beleuchten, den uns die Bundesregierung vor einigen Wochen vorgelegt hat. Dieser Bericht sagt, daß die Produktivitätssteigerung der Landwirtschaft mit 23 % innerhalb sechs Jahren nicht an der Spitze steht. Aber es steht darin und ist nicht ausgewertet, daß diese Produktivitätssteigerung bei einem Verlust der Gesamtlandwirtschaft von über 500 000 Arbeitskräften vollbracht wurde. Setzt man diese Zahlen ins richtige Verhältnis, dann zeigt sich, daß die Produktivitätssteigerung in der Landwirtschaft im Durchschnitt höher ist als in der Industrie. Das ist ein ganz klares Ergebnis. Diese Leistung der Landwirtschaft wurde sehr teuer erkämpft und bezahlt. Die Landwirtschaft ist heute gezwungen, zu modernisieren, zu technisieren, zu rationalisieren. Es gibt viele Gründe, dort mit der
Weber ({1})
Kritik einzusetzen. Aber es ist schwierig, das Problem in der Wirklichkeit des harten Alltags des Bauern zu meistern.
Lassen Sie mich aber den Sozialbericht noch von der anderen Seite beleuchten. Ich habe mir die Mühe gemacht, auszurechnen, was unser Staat für die übrige Sozialversicherung, z. B. für die Renten aus .der Invalidenversicherung nach der Rentenreform abzüglich der Leistungen aus dem Bundesversorgungsgesetz und aus anderen Verpflichtungen jetzt ausgibt. Die Zuschüsse des Bundes sind dort höher als die gesamten Leistungen an Altershilfegeld pro Empfänger. Das ist die Tatsache. Ich glaube, wir können die Regierung nicht au-; der Verantwortung hierfür entlassen. Wenn ein Kabinett wie jüngst im Zuge der Schaffung der dynamischen Rente eine Rentenanpassung beschließt, kann man nicht in einer 'solchen Weise einen Berufsstand von der sozialen Sicherung ausschließen.
Meine Fraktion - sie ist eigentlich der Initiator dieses Gesetzes - hat von jeher gewünscht, daß diese Altershilfe auf dem Wege der Umlage wie bei der Rentenreform gegeben wird, daß sie aber eine Mindestsicherung darstellt. Wir wollen diese Begrenzung absolut einhalten.
Sehen wir die Dinge doch im richtigen Licht, wie sie auch im Grünen Bericht über die Gesamtlage der deutschen Landwirtschaft dargestellt werden. Wir haben heute im landwirtschaftlichen Kleinbetrieb, den man abschreibt, der nicht rationell nach den heutigen Gesichtspunkten, sondern nach Altvätersitte wirtschaftet, der ein sogenannter überlebter, nicht rationalisierter Betrieb ist, eine Kapitalbelastung pro Arbeitskraft, die im Schnitt allein zwischen 15- und 25 000 DM liegt. Wir haben im mittelbäuerlichen Betrieb eine Belastung zwischen 20- und 50 000 DM pro Arbeitskraft, und im Großbetrieb geht sie sehr oft über die Hunderttausend-DM-Grenze hinaus.
Die Altershilfe für die Landwirte beträgt im wesentlichen nicht mehr als eine Verzinsung des Kapitals, das man als Bauer bewirtschaftet, das man verwalten muß, mit dem man arbeiten muß, in das man eingespannt ist. Diese Verzinsung macht höchstens 1 bis 2 % aus.
Wir hätten dieses Gesetz nicht gebraucht, wenn der Staat heute, wo sich alle als gebrannte Kinder fühlen, nicht praktisch von vornherein vor seiner eigentlichen Aufgabe kapitulierte, die Währung stabil zu halten. Darauf ist auch der Inhalt unserer ganzen Rentenreform, unser ganzes Umlagesystem abgestellt. Wenn der Staat diese Aufgabe richtig angepackt hätte, hätte das Bauerntum gar keine Altershilfe gebraucht; dann hätte es seine Altersversicherung in eigener Regie durchgeführt. Der Umstand, daß im Zeitalter der Technisierung und der schnellen Entwicklung die Belastung größer ist und ein Umlagesystem eine gewisse Berechtigung hat, hat uns damals bewogen, dem Gesetz zuzustimmen.
Zu dem Gedanken, daß der Bund einen laufenden Zuschuß gewähren soll, möchte ich folgendes sagen. Es bedarf noch einiger .Jahre, bis das Gesetz angelaufen ist, bis die beitragzahlenden Betriebe festgelegt und die Ansprüche der Leistungsempfänger endgültig geklärt sind. Dieses Anlaufen und die Tatsache, daß jetzt zum Anfang ein Stoß, eine Häufung von Hofübergaben erfolgte - die ja wünschenswert war -, bedeuten eine Belastung für das Gesetz. Deshalb sind wir der Auffassung, daß es für die Bundesregierung eine selbstverständliche Verpflichtung ist, in den nächsten Jahren, bis das Gesetz angelaufen ist, einen laufenden Zuschuß zu den Leistungen nach diesem Gesetz zu gewähren, damit die Rechnung aufgeht. Wir wiederholen unsere Forderung, den ursprünglichen Vorschuß in einen Zuschuß zu verwandeln.
Wenn das Gesetz einmal eingespielt ist, werden wir - das entspricht unserer Grundauffassung - absolut nicht in den Schrei nach Staatshilfe einstimmen. Dann muß man aber auch ganz klar sehen, wie das Verhältnis sein muß. Ich habe seinerzeit in der Debatte vorgeschlagen, die Höhe des Beitrags in einem Umlageverfahren klar zu errechnen, nämlich auf Grund der Zahl der beitragzahlenden Betriebe. Ich möchte, daß wir hier keinen Zwang ausüben. In dieser Beziehung kann ich die Forderung wiederholen, die seinerzeit der Kollege Bauknecht mit aller Deutlichkeit erhoben hat, daß wir dem einzelnen freie Wahl lassen, ob er sich beteiligen will oder nicht, sofern er anderweitig schon sozialversichert ist. Diese Freiwilligkeit müssen wir um jeden Preis erhalten.
In Zukunft wird sich klar zeigen, daß die Relation von Beitrag zu Leistung - und wir möchten, daß die jetzige Höhe der Leistungen erhalten bleibt - davon abhängt, wieviel Altenteiler auf den bezahlenden Höfen sitzen. Im Zeichen der Strukturwandlung wandert die junge Generation von den auslaufenden Häfen lin andere Bereiche der Wirtschaft ab. Sie geht, nachdem sie auf dem Bauernhof großgezogen wurde, in andere Berufe und hilft mit ihrer Arbeitsleistung, die gesamte Soziallast mitzutragen. Wir dürfen nicht so vorgehen, daß wir die junge Generation zur Abwanderung veranlassen und damit den wenigen verbleibenden Bauernhöfen die Last für die Altersversorgung aufbürden. Das hat mit sozialer Einstellung nichts mehr zu tun. Deshalb unsere Forderung, daß später, wenn sich das Gesetz eingespielt hat, in der vorgeschlagenen Weise Beiträge gezahlt werden.
Für die Änderung des Gesetzes über die Altershilfe für Landwirte möchten wir noch folgende Gesichtspunkte vorbringen. Auf den Höfen befinden sich noch etwa 40 000 alte Onkel und Tanten, deren Geld zweimal durch Inflation und Währungsreform verlorengegangen ist. Diese Menschen sind heute zwischen 60 und 90 Jahre alt. Sie haben ihr Leben lang gearbeitet und gespart und stehen heute praktisch mittellos dar. Das hat mit einem sozialen Rechtsstaat nichts mehr zu tun.
Hier auch ein Wort über die Lage der heimatvertriebenen Bauern! Viele Bauern aus dem Osten sind heute reine Fürsorgeempfänger, die den untersten Fürsorgesatz beziehen.
({2})
Weber ({3})
- Teilweise! Es gibt Kleinbetriebe, bei denen die Leistung aus dem Lastenausgleich kaum ins Gewicht fällt. Diese Betriebe hängen tatsächlich noch mit an der Fürsorge. Ich möchte die Regierung fragen, wie sie das Versprechen einlösen will, das der Bundeskanzler vor einigen Wochen in Bad Godesberg gegeben hat. Es handelt sich hier um eine Aufgabe, die den Gesamtbereich der Alterssicherung für die Landwirte betrifft, wenn man Wortlaut und Sinn des Gesetzes ernst nimmt.
Auch die Frage der landwirtschaftlichen Pächter ist in diesem übereilt zustande gekommenen Gesetz noch nicht richtig gelöst. Auch in dieser Beziehung - das möchte ich der Regierung und den Ausschüssen, die daran arbeiten, sagen - muß noch einiges geändert und verbessert werden.
In seiner heutigen Fassung enthält das Gesetz viele Kuriositäten. In § 1227 der Reichsversicherungsordnung steht - auch nach der Rentenreform -: Beitragspflichtig ist, wer gegen Entgelt arbeitet und in Berufsausbildung steht. Und in § 1228: Beitragsbefreit ist nur, wer bei seinem Ehegatten arbeitet und nicht in Berufsausbildung steht. Wir haben diese Tatsache in unserer Fraktion einmal besprochen, und ich habe gesagt: das bedeutet, daß in Zukunft die gesamte bäuerliche Jugend nach dem Buchstaben des Gesetzes versicherungspflichtig ist.
Wir haben damals beim Ministerium angefragt - das war vor etwa anderthalb Jahren - und haben die fernmündliche Antwort bekommen: „Es kommt darauf an, wie man das Gesetz auslegt." Ich glaube, daß es in einem sozialen Rechtsstaat solche Unklarheiten - daß man das Gesetz so oder so auslegen kann - nicht geben darf. Hier sind noch Änderungen nötig, hier ist klarer Tisch zu schaffen. Sonst könnte es trotz Ihres Wunsches, Herr Minister Blank, mehr Betriebe zu erfassen, so weit kommen, daß das Gesetz über die Altershilfe ein auslaufendes Gesetz wird.
Ich darf noch auf ein Kuriosum hinweisen. Das Gesetz sieht vor, daß, wer zwei Renten empfängt, für den Zeitraum von 15 Jahren die Altershilfe nur zur Hälfte bekommt. Dazu möchte ich nichts sagen. Ich glaube, bei einem Umlageverfahren kann ein Leistungsempfänger, der früher keine Leistung erbracht hat, nicht verlangen, daß er vom Staat zweimal etwas bekommt. Aber die Tatsache, daß die Altershilfekassen einen Teil ihrer Beiträge an die anderen Sozialversicherungsträger abführen, ist ein Kuriosum. Da muß das Gesetz geändert werden.
Ich will die Dinge hier nicht weiter verfolgen. Wir alle haben die Aufgabe, dieses Gesetz zu überdenken. Das ist eine Ungerechtigkeit den Alterskassen gegenüber, und das ist eine falsche Behandlung des ganzen Problems.
Ich möchte sagen, daß meine Fraktion den Antrag der SPD seinem Inhalt nach begrüßt, daß sie aber, was die sozialpolitische Richtlinie für unser Bauerntum anlangt, hier absolut eine Grenze se zen will. Sie will auch die Leistung des Bunde davon abhängig machen, ob in der übrigen Sozialversicherung nach der Rentenreform das Prinzip des
Umlageverfahrens auch richtig gewahrt wird. Deshalb können wir den Staat und die Regierung aus dieser Verpflichtung heute nicht entlassen.
({4})
Das Wort hat der Abgeordnete Logemann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf namens der Deutschen Partei zum Altershilfegesetz für die Landwirte Stellung nehmen. Dieses Gesetz ist jetzt ein Jahr in Kraft. Ich will die guten Wirkungen dieses Gesetzes durchaus anerkennen, die sich in der erhöhten Zahl der Hofübergaben niedergeschlagen haben - es sind mehr Pachtverträge abgeschlossen worden - und auch in einer Verbesserung der Lage der Altenteiler, soweit bei ihnen eine echte Not vorhanden war. Aber ich möchte genauso deutlich die Sorgen ansprechen, die wir schon jetzt, ein Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes, haben. Diese Sorgen sind schon in der Kleinen Anfrage der CDU/CSU angesprochen worden. Deutlich kommen sie vor allem in dem Antrag der SPD zum Ausdruck.
Gestatten Sie mir noch eine kurze Vorbemerkung zu der Gesetzesberatung im Jahre 1957. Ich war damals nicht dabei, habe mich aber an Hand des Protokolls sehr eingehend informiert. Aus dem Protokoll habe ich den Eindruck erlangt, daß die damaligen Beratungen sehr unter Zeitdruck standen. Dadurch wurde von vornherein eine gründliche Beratung verhindert. Man hat es abgelehnt - auch das ist aus dem Protokoll zu ersehen -, Sachverständige anzuhören. Man hat es nicht für nötig gehalten, Auslandserfahrungen zu berücksichtigen, die auf dem Gebiet der Altersversorgung für die Landwirtschaft schon vorlagen. Alle Warnungen -auch das möchte ich deutlich aussprechen -, die von der Opposition und von den Sprechern der Deutschen Partei damals gekommen sind, hat man einfach nicht beachtet. Wäre man diesen Ratschlägen, die in dem Protokoll enthalten sind, damals gefolgt, hätte man die jetzt bestehenden Schwierigkeiten verhindern können. Man kann also heute, schon nach einem Jahr, feststellen, daß die Voraussagen unserer Abgeordneten Kalinke und Hepp eingetroffen sind. Ebenso haben die Sprecher der SPD und der FDP recht behalten. Vielleicht liegt es auch daran, daß, wie die Frankfurter Zeitung in einer vor einigen Tagen veröffentlichten Karikatur zum Ausdruck brachte, der Jahrgang 1957 ein schlechter Jahrgang für sozialpolitische Gesetze war.
Dieser Rückblick hilft uns heute nicht weiter. Jetzt gilt es, die vorhandenen Schwierigkeiten zu überwinden. Ein Fehlbetrag, der auf über 70 Millionen DM veranschlagt wird, muß jetzt ausgeglichen werden. Ich glaube, wir sind uns in diesem Hohen Hause darüber einig, daß dieser Fehlbetrag dadurch entsteht, daß zu viele Antragsteller und zu wenig Beitragszahler da sind.
Welche Vorschläge werden nun zum Ausgleich des vorhandenen Defizits gemacht? Zunächst einmal
taucht der Gedanke auf, den Kreis der Beitragspflichtigen auszudehnen. Meine Fraktion hat gegen eine solche Heranziehung von mehr Beitragspflichtigen erhebliche Bedenken. Wir sind der Auffassung, daß besonders bei den Kleinbetrieben die Grenze des Erträglichen weit überschritten ist. Die Alterskassen sind in einzelnen Ländern schon zu weit gegangen. In Niedersachsen sind sie schon bei 3 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche angekommen. Das geht nach meiner Auffassung schon zu weit über die tragbare Grenze hinaus. Ich meine auch, daß durch eine schärfere Erfassung nur geringe Zugänge an Beitragspflichtigen erreicht werden können.
Noch eine andere Sorge ist hier anzusprechen; der Kollege Weber hat das auch schon getan. Völlig ungelöst ist noch das Problem der landwirtschaftlichen Pächter. Sie dürfen bis heute nur Beiträge bezahlen, ohne nach dem Gesetz schon Anspruch auf eine Leistung zu haben.
Weiter ist es sehr bedenklich - wir müssen das ablehnen -, daß man versucht, durch noch mehr Zwang, z. B. durch die Einbeziehung von Versicherungspflichtige, zu doppelten Beiträgen zu kommen. Es ist auch ungerecht, daß man die freiwillig Versicherten, die aus eigenen Mitteln für ihr Alter gesorgt haben, durch eine Einbeziehung bestraft.
Die Zahl der Beitragspflichtigen wird weiter rückläufig sein. Es wurde schon darauf hingewiesen, daß in der Beantwortung der Kleinen Anfrage der CDU/
CSU durch den Herrn Minister Blank deutlich wurde, daß wir in den letzten beiden Jahren einen Rückgang der Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe in einer Größenordnung von 65 000 Betrieben haben. Es ist mir völlig unverständlich, warum man bei den Beratungen im Jahre 1957 diesen Rückgang der landwirtschaftlichen Betriebe nicht schon stärker in die Vorausberechnungen einbezogen hat. Damals ist - auch das ist im Protokoll nachzulesen - von Frau Kalinke besonders auf diesen Rückgang der Betriebe hingewiesen worden. Mir ist völlig unerklärlich, wie - laut Protokoll - damals von der CDU/CSU der Zuruf gemacht werden konnte: „Das ist doch lächerlich, was Sie da sagen!" Heute haben wir uns mit dem sehr, sehr ernsten Problem zu befassen, daß die Zahl der Beitragspflichtigen durch den Rückgang der landwirtschaftlichen Betriebe immer kleiner wird. Ich meine, daß die Ursache dafür in der Agrarpolitik zu suchen ist. Gerade die Agrarpolitik bestimmt auch künftig ganz entscheidend die Zahl der Beitragspflichtigen. Die Entscheidung liegt also nicht im Arbeitsministerium, sondern eindeutig im Landwirtschaftsministerium.
({0})
Ich bedaure daher, daß der Herr Landwirtschaftsminister heute morgen nicht anwesend ist.
({1})
Man hätte ihm sonst auch die Frage stellen müssen: Wie denkt man sich hier die künftige Entwicklung? Aber diese ist ja aus den Grünen Berichten zu erkennen.
Ich möchte hier nochmals betonen, daß wir uns immer gegen eine Agrarpolitik zur Wehr setzen werden, bei der gesunde, förderungswürdige landwirtschaftliche Betriebe auf der Strecke bleiben.
({2})
Es ist leider festzustellen - auch das sagt der Grüne Bericht des letzten Jahres aus -, daß schon bei den Betriebsgrößen von 2 bis 5 ha in den Jahren ab 1949 etwa 16 % der landwirtschaftlichen Betriebe ausgefallen sind. Wir bedauern, dabei feststellen zu müssen, daß sich unter diesen ausgeschiedenen Betrieben auch sehr viele Betriebe befinden, die durchaus noch förderungswürdig waren.
Ich wende mich nun der anderen Möglichkeit zu: der Verringerung des Kreises der Empfänger. Auch hier sind wir der Auffassung, daß eine Einschränkung dieses Kreises nicht zu verantworten ist. Man sollte sich im Gegenteil bemühen, diesen Kreis durch die Einbeziehung alter Familienangehöriger - das ist von unseren Sprechern schon im Jahre 1957 vorgetragen worden - künftig noch zu vergrößern. Diese alten Leute haben ein Altersgeld ehrlich verdient.
Durch keine der beiden Maßnahmen, also weder durch eine Einschränkung des Kreises der Empfänger noch durch eine Ausdehnung des Kreises der Beitragspflichtigen, sind also nennenswerte finanzielle Reserven zu erreichen. Damit kommen wir zu dem anderen Gedankengang, der naheliegt: Beseitigung des Defizits durch eine Erhöhung der Beiträge. Ich kann mich auch bei diesem Punkt kurz fassen. Nach meiner Meinung ist die Belastung mit Beiträgen - und das beweist ja das Beispiel des CDU-Abgeordneten Berberich - schon stark angespannt. 80 % der erfaßten Betriebe können keine höheren Beiträge mehr leisten. In einem Vier-Hektar-Betrieb in Südbaden ist heute schon allein für Altersgeld in Höhe von nur 10 DM eine jährliche Belastung durch die landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften und durch die Familienausgleichskassen von insgesamt 243,40 DM vorhanden. Dieser Betrag ist schon eine unzumutbare Belastung. Wir müssen dabei noch berücksichtigen, daß hierin noch nicht einmal die Beiträge für Krankenkassen einbezogen sind.
Die Fraktion der Deutschen Partei ist weiter der Auffassung, daß gerade Beitragserhöhungen besonders die kleineren Betriebe unerträglich belasten. Was die agrarpolitische Seite dieser Frage angeht, so steilen Beitragserhöhungen nach meiner Auffassung eine besondere Härte gerade für schwierige landwirtschaftliche Lagen dar, für sogenannte unterentwickelte Gebiete in der Landwirtschaft, für Gebiete, die an sich schon durch naturbedingte Vorbelastungen schwer zu kämpfen haben. Den Bergbauern, um nur eine Gruppe zu nennen, kann man nicht noch höhere Belastungen zumuten.
Wir haben uns gelegentlich der Etatberatungen für einen interfraktionellen Antrag eingesetzt, der besonders zum Ziel hatte, die Lage dieser landwirtschaftlichen Betriebe zu verbessern. Belasten wir sie aber jetzt durch erhöhte Beiträge zur Alterskasse, so tun wir gerade das Gegenteil. Aus diesem
Grunde scheidet nach unserer Auffassung eine Beitragserhöhung für die weitaus größte Gruppe der erfaßten landwirtschaftlichen Betriebe aus.
Ich gebe allerdings zu, daß für eine kleine Anzahl von größeren landwirtschaftlichen Betrieben eine Beitragserhöhung zumutbar ist. Aber bedenken wir dann auch bitte: wenn wir zu gestaffelten Beiträgen kommen, müssen nachher auch gestaffelte Leistungen gewährt werden!
Aber nun die Schlußfolgerung. Wir sind also der Auffassung, daß die jetzige Lage, die durch das Gesetz für die Altershilfe der Landwirte entstanden ist, ein Gesetz in einer Form, wie es die DP nicht gewünscht hat, kaum noch eine Möglichkeit läßt, an einem Zuschuß vorbeizukommen. Der Gedanke liegt nahe, diesen Zuschuß aus Mitteln des Grünen Plans zu geben. Ich persönlich sehe allerdings - ich möchte das ganz deutlich sagen - diese Vermischung von Agrar- und Sozialpolitik, die durch eine Übernahme der Beträge für die Altershilfe in den Grünen Plan entsteht, mit einem sehr unguten Gefühl. Aber weil mit diesen Maßnahmen eine Verbesserung der Agrarstruktur beabsichtigt ist, weil diese Verbesserung - durch einen Rückgang der Betriebe - laufend eine Vergrößerung der Alterslast bringen wird und weil wir gleichzeitig an einer frühzeitigen Hofübergabe interessiert sind, möchte ich mich doch für einen Bundeszuschuß für Agrarstrukturverbesserungen aussprechen. Allerdings muß ich dabei gleich die Einschränkung machen, daß man die notwendigen Beträge nach meiner Auffassung nicht bei anderen Maßnahmen des Grünen Plans einsparen darf. Vielmehr müssen diese Beträge zusätzlich im Grünen Plan zur Verfügung gestellt werden.
Wir werden uns im übrigen bemühen, bei den Beratungen vernünftige Lösungen zu finden. Wir werden uns weiter bemühen, mit dafür zu sorgen, daß dieses schlecht geratene Gesetz nicht durch eine schlechte Novelle noch schlechter wird.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Schellenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu den Fragen der Auswirkungen des Gesetzes werden meine bäuerlichen Freunde sprechen. Ich habe hier nur einige Bemerkungen zur Frage der Vertrauenswürdigkeit von Angaben des Bundesarbeitsministeriums über finanzielle Dinge zu machen. Ich stelle dreierlei fest.
Erstens. Bei der Beratung des Gesetzes über die Altershilfe hat das Bundesarbeitsministerium den beratenden Ausschüssen erklärt, daß der durchschnittliche Beitrag 8,90 DM im Monat betragen werde, und es würden Vorausberechnungen bis zum Jahre 1970 angestellt. Im Ausschuß wurde nach Erklärungen der Regierung kalkuliert, daß etwa bis zum Jahre 1960 mit einem Beitragssatz von 10 DM gerechnet werden könne. Die Opposition hat dagegen erklärt, daß die Beiträge ohne Bundeszuschüsse und ohne staatliche Garantie in aller Kürze erhöht werden müßten. Das hat die Regierung damals geradezu verspottet. Ich stelle fest, daß unsere Befürchtungen leider eingetreten sind.
Zweitens stelle ich fest: Am 7. Juni 1958 hat das Bundesarbeitsministerium bekanntgegeben, daß der Fehlbetrag nur einen Bruchteil von 60 Millionen DM betragen werde. Heute steht fest, daß der Fehlbetrag mindestens 60 Millionen DM betragen wird.
Die dritte Feststellung, die ich zu treffen habe, geht weit über den finanziellen Bereich hinaus. Sie betrifft die Vertrauenswürdigkeit von Aussagen des Bundesarbeitsministeriums überhaupt. Nach den Ausführungen des Bundesarbeitsministers habe ich festzustellen, daß Mitteilungen an die Presse, die beginnen: „Das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung gibt bekannt" - eine solche Mitteilung wurde herausgegeben -, auf Grund der heutigen Erklärungen des Bundesarbeitsministers keine offizielle Mitteilung seines Ministeriums darstellen. Solche Mitteilungen verdienen offensichtlich nicht das öffentliche Vertrauen, das für Erklärungen der Regierung notwendig ist.
({0})
Aus den Mitteilungen des Ministers ergibt sich, daß offenbar nach seiner eigenen Auffassung an Erklärungen des Bundesarbeitsministeriums nicht die Forderung von Wahrhaftigkeit gestellt werden kann.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Struve.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Debatte sind verschiedene Punkte angesprochen worden, und einzelne Redner haben auch wieder auf die Diskussion hingewiesen, die wir in diesem Hohen Hause bei der Verabschiedung des Gesetzes geführt haben. Erfreulich ist, daß bei aller Kritik an diesem oder jenem Punkt doch schon mehr oder weniger Einmütigkeit über die seinerzeit zur Debatte stehende agrarpolitische Zielsetzung besteht und die soziale Bedeutung der Altershilfe für Landwirte anerkannt wird. Das ist ein sehr großer Fortschritt.
Die CDU/CSU hat den Mut gehabt, das Gesetz zu verabschieden, und dieses Gesetz ist - das wurde heute auch in der Diskussion zugegeben -, abgesehen von einzelnen, sogar berechtigten Kritiken, auf die volle Zustimmung der beteiligten Kreise gestoßen. Darauf können wir mit einigem Stolz verweisen. Auch das Bestreben, die aufgekommenen Schwierigkeiten durch die angekündigte Novelle zu beseitigen, sollte uns hoffnungsvoll stimmen.
Die bei der Durchführung des Gesetzes aufgetretenen finanziellen Schwierigkeiten sind nicht zu leugnen. Es ist nicht wesentlich, ob die eine oder andere Zahl stimmt oder nicht stimmt; eindeutig erwiesen ist jedenfalls, daß der Kreis der älteren Bauern sehr viel größer ist, als wir angenommen haben. Die segensreiche Auswirkung des Gesetzes wird dadurch um so bedeutungsvoller und wird dadurch um so mehr unterstrichen.
({0})
Wir sollten -jedenfalls darf ich das für die CDU/ CSU-Fraktion sagen - dem Herrn Bundesminister Blank dafür dankbar sein, daß er Wege zur Lösung aufgezeigt hat. Er hat noch einmal den von uns bei der Verabschiedung des Gesetzes herausgestellten Grundsatz der Solidarität des Berufsstandes unterstrichen. Er hat aber auch auf den agrarpolitischen Erfolg hingewiesen, der nicht zuletzt durch das von den Alterskassen zur Verfügung gestellte Material aufgezeigt wird. Nach wie vor muß es unser gemeinsames und großes Ziel sein, die Hofübergaben zu beschleunigen und dafür zu sorgen, daß junge tatkräftige Familien auf strukturverbesserten Betrieben arbeiten können. Das ist nur zu erreichen, wenn wir dafür sorgen, daß auch in Zukunft für den abgebenden Teil eine bescheidene bare Altershilfe vorhanden ist. Seitdem wir das eingeführt haben, sind die Hofübergaben zahlreicher geworden; die Zahlen wurden schon genannt. Besonders auffällig ist die ungemein große Zahl der über 70 Jahre alten bäuerlichen Ehepaare bzw. alleinstehenden Bauern. Welche Bedeutung das Gesetz gerade im Hinblick auf diese älteren Leute hat, darauf haben wir schon seinerzeit bei der Beratung hingewiesen. Damit wird noch einmal unterstrichen, daß der Weg, den wir vor einem Jahr eingeschlagen haben, richtig war.
Heute ist es natürlich sehr leicht, darauf zu verweisen, man habe schon damals dieses oder jenes anders gesehen. Es ist aber zu bedenken, daß wir mit diesem Gesetz Neuland betraten. Fest steht jedenfalls, daß es sich für die Beteiligten sehr segensreich auswirkte. Mit dem Gesetz sind wir dem agrar- und sozialpolitischen Ziel dieses Hauses oder doch jedenfalls dem der CDU/CSU-Fraktion entscheidend näher gekommen; auf jeden Fall haben wir damit den Bedürfnissen im ländlichen Bereich entsprochen.
({1})
Noch ein Wort zu der sehr schwierigen Frage, wie wir die kommenden Ausschußberatungen gestalten wollen. Der Bundesminister hat von der Notwendigkeit eines Zusammenwirkens der vom Gesetz beauftragten Alterskassen und der Bundesregierung gesprochen. Nach meinem Dafürhalten ist aber auch das Parlament als Gesetzgeber gehalten, in den Ausschußberatungen dem Beachtung zu schenken, was die Alterskassen zu dem Problem zu sagen haben.
Bei der Begründung des Antrags wurde ausgeführt, den Alterskassen sei diese Sache aufgedrängt worden. Darauf muß ich erwidern, daß die CDU' CSU-Fraktion diesen Weg der Altershilfe aus grundsätzlichen und Zweckmäßigkeitsüberlegungen gegangen ist. Wir sind von dem Grundsatz der Solidarität des Berufsstandes und von der Verpflichtung der gegenseitigen Hilfe ausgegangen. Deswegen legten wir Wert darauf, daß den Stellen draußen, bei denen um das Problem gerungen wird, ein entscheidendes Mitspracherecht gegeben und die Verwaltung übertragen wird. Wir haben hier nur Hilfestellung zu leisten.
Im Grünen Plan ist ein sehr wesentlicher Abschnitt mit „Verbesserung der landwirtschaftlichen
Arbeits- und Lebensverhältnisse" überschrieben. Mit dieser Überschrift ist bereits das Wesentliche angesprochen. Wir müssen uns darüber klar sein, wie schwierig es in kleinen bäuerlichen Familien ist, bei der Hofübernahme die Versorgung der abgebenden Eltern sicherzustellen, In den bäuerlichen Kreisen ist der Lebensstandard zweifellos nicht so heraufgeschnellt, wie wir es sonst in der Bundesrepublik gewohnt sind. Wenn auch das Gesetz den Bezug der Altershilfe mit dem 65. Lebensjahr ermöglicht, so sind wir uns doch wohl darin einig, daß von den Eltern nicht gleichzeitig mit der Hofübergabe die Arbeit niedergelegt wird. Gerade in diesem selbständigen Bereich ist es so, daß die Eltern weiter mitschaffen und daß sie dies gern tun, daß es für sie aber schwer, ja in vielen Fällen unmöglich ist, das notwendige Bargeld aufzubringen. Ich glaube, es ist von nicht zu unterschätzender Bedeutung, daß wir auf diese Art und Weise auf der einen Seite die Beitragsverpflichtung für die aktiv wirtschaftlich Tätigen haben, auf der anderen Seite aber, wie gesagt, dieses regelmäßige, jeden Monat mögliche Auskehren der Altershilfe.
Nun ist es zwar für den kleineren Betrieb sehr schwierig, diesen Monatsbeitrag aufzubringen. Auf der anderen Seite müssen wir uns aber darüber klar sein, daß gerade in diesem großen Teil der Betriebe die alleinstehenden Eltern, die Mutter oder der Vater völlig ohne Bargeld dastünden, wenn wir diesen Weg nicht 'beschritten hätten. Wenn es für uns draußen auch nicht immer sehr leicht gewesen ist, gerade in kleinbäuerlichen Kreisen die Notwendigkeit des Beitrages zu erklären, so sind wir hier doch immer wieder auf Verständnis gestoßen, und ich bin überzeugt, daß auch bei der Lösung des anstehenden Problems die in der Selbstverwaltung tätigen Alterskassen den ersten Schritt zur Beseitigung der finanziellen Schwierigkeiten tun werden.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
({0})
Herr Abgeordneter Struve, halten Sie eine Agrarpolitik für richtig, die nicht dafür Sorge trägt, daß der junge Bauer in der Lage ist, die Verpflichtung aus einem Altenteilervertrag, der vor Jahren abgeschlossen worden ist, auf Grund dessen er dem alten Vater 10 DM zahlt, zum mindesten freiwillig auf 20 DM zu erhöhen? Halten Sie es weiter für richtig, daß unsere Agrarpolitik so ist, daß mit einem - ganz unzulänglichen - Gesetz diejenigen bestraft werden, die selbst Vorsorge getrieben haben, und weiter diejenigen, die ihren Hof freiwillig, ohne gesetzlichen Zwang, rechtzeitig ihrem Sohn übergeben haben? Ich würde mich sehr für Ihre Antwort interessieren.
Frau Kollegin, Sie sind sehr aktiv in der Sozialversicherung und Sie können mit. Stolz darauf verweisen, daß die von Ihnen zu betreuenden Pflichtversicherten trotz aller Kriegs- und Inflationszeiten immer wieder von den Parlamenten eine volle oder wenigstens eine befriedigende Auf2744
wertung erfahren haben. Schauen Sie sich bitte in den Dörfern den großen Bereich der selbständigen Bauern an! Sie werden so gut wie keinen finden, der nicht für das Alter vorgesorgt hat. Sie werden aber auch leider bestätigt finden, daß alle Vorsorge durch Krieg und Inflation immer wieder zunichte gemacht worden ist.
({0})
Das ist die Schwierigkeit, mit der sich das Hohe Haus auseinanderzusetzen hat, das ist die Problematik, die den Selbständigen überhaupt gestellt ist, - wie sie dennoch vorsorgen können. Ich glaube, Ihre Frage geht an der Wirklichkeit, die wir heute in unseren Dörfern finden, völlig vorbei. Ich bin nicht der Auffassung, daß dieses schwierige Problem allein durch Frage und Antwort zu klären ist.
({1})
Aber das Hohe Haus wird diesen Dingen Rechnung tragen müssen, wenn wir das Vertrauen des Sparers schlechthin, aber auch die besondere Art des Sparens für den Selbständigen für die Zukunft sicherstellen wollen, wie es das Hohe Haus bei der Sozialgesetzgebung immer für notwendig gehalten hat.
Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage, Herr Kollege?
({0})
Sie haben meine Fragen zwar nicht beantwortet, Herr Kollege Struve; dann beantworten Sie mir aber wenigstens diese Frage: Ist der Verlust des Sparkapitals nicht bei allen Teilen des Volkes gleichermaßen entstanden?
({0})
Das Sparkapital ist überall verlorengegangen, aber die besondere Art der Alterssicherung hat sich völlig verschieden ausgewirkt, und diese steht hier zur Diskussion.
({0})
Ich glaube deshalb, daß wir diese Dinge, das Zusammenwirken einer Beitragserhöhung mit den vom Herrn Bundesminister in Aussicht gestellten Zuwendungen, sehr sorgfältig in unseren Ausschüssen beraten müssen. Jedenfalls möchte ich noch einmal sagen, daß wir, die CDU/CSU, mit Freude, auch mit der notwendigen Verantwortung zu dem vor einem Jahr hier geschaffenen Gesetz stehen, weil wir wissen, daß der erste Schritt auf diesem Gebiet ein richtiger und guter war. Die Schwierigkeiten werden sich bestimmt durch eine Novelle und die aufgetretenen finanziellen Schwierigkeiten in Zusammenwirken zwischen Alterskassen, Gesetzgebung und Bundesregierung beseitigen lassen.
Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?
({0})
Herr Kollege Struve, ich habe noch zwei konkrete Fragen an Sie.
Sind auch Sie der Auffassung wie der Herr Minister, daß die Hilfen, auch der Vorschuß, praktisch nur als Darlehen gegeben werden sollen und damit eine Schuld sein sollen, die für die Alterskassen in die Ferne geschoben wird?
Und eine zweite Frage an Sie. Herr Kollege Struve, ich war erstaunt, von Ihnen einen ganz neuen Gesichtspunkt zu hören. Sie wollen die Hilfe des Bundes praktisch in den Grünen Plan abschieben. Ich möchte Sie fragen: Sind Sie der Auffassung, daß es richtig ist, so zu verfahren, anstatt diese sozialpolitische Frage - wie Sie soeben richtig sagten -ins Verhältnis zu der übrigen Sozialversicherung zu setzen? Ich glaube, daß das letztere richtiger wäre. Das ist meiner Ansicht nach das große Problem.
Herr Kollege Weber, wenn Sie meinen, daß die aufgetretenen Schwierigkeiten einfach auf den großen Sektor der Sozialversicherung überwiesen werden können, dann haben Sie den von der CDU/CSU vor einem Jahr beschrittenen Weg nicht verstanden.
({0})
Ich möchte im Zusammenhang damit sagen, daß ich auch Ihren heutigen Diskussionsbeitrag nicht verstanden habe, wo Sie auf der einen Seite von Freiwilligkeit bei der Versicherung und nachher von Staatszuschüssen sprachen.
({1})
Das ist doch ein Widerspruch in sich. Bei einer Freiwilligkeit werden Sie nur erreichen, daß größere und bessergestellte Bauern und Familien sagen: „Vielen Dank!", und die anderen werden Sie allein lassen müssen. Wir als Berufsstand wollen diesen Weg nicht gehen; wir wollen keinen Unterschied zwischen groß und klein.
({2})
Meine Fraktion ist mit dem Berufsstand in dieser Frage einer Meinung. Und wenn Sie meinen, daß die unter Punkt 1 des Antrages geforderte Umwandlung der Darlehen in einen Zuschuß eine Kernfrage ist, dann möchte ich nur antworten, sinngemäß mit dem, was der Herr Minister sagt: Die Entscheidung über eine solche Frage steht dem Hohen Hause zu.
Nach meinem Dafürhalten ist es unsere Aufgabe, im Hinblick auf die Bedeutung, die dieses Gesetz in unserem ganzen ländlichen Lebensraum hat, durch eine Novellierung etwas hinzustellen, was auf die Dauer Bestand hat.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Martin Schmidt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist für einen Minister sehr schwer, eine Pleite, eine schöne finanzielle Pleite, die sein eigenes Haus mitverschuldet hat,
Dr. Schmidt ({0})
hier mit geschickten Worten zu verteidigen. Jedenfalls zeugen die Ausführungen des Herrn Blank nicht gerade für besondere Kenntnisse auf dem Gebiet des Problems der landwirtschaftlichen Alterssicherung. Um so mehr bedaure ich, daß sein Kollege Herr Lübke bei dieser Debatte nicht anwesend ist; denn er hätte seinem Kollegen Herrn Blank einige Ratschläge erteilen können.
Herr Struve, ich verstehe Ihre Aufregung nicht ganz. Sie hätten doch allen Grund, kleine Brötchen zu backen. Denn alle Ihre Behauptungen bringen doch das Defizit nicht weg; damit können Sie doch nicht die Tatsache leugnen und abstreiten, daß die Alterskassen in der Tat, wenn es so weitergehen würde, vor der Pleite stehen. Jedes Privatunternehmen hätte schon längst den Konkurs angemeldet. Diesen Konkurs haben doch Sie allein verschuldet.
Lassen Sie mich nun, weil das heute angesprochen worden ist, auf die Debatte in den Ausschüssen des 2. Bundestages zurückkommen; das war nämlich viel interessanter als hier in den Beratungen des Plenums. Ich habe sehr intensiv an den Beratungen sowohl des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten als auch des Ausschusses für Sozialpolitik teilgenommen. Ich gebe zu, die Lage für Sie in der CDU war damals sehr schwer. In der Landwirtschaft gab es ein Rumoren. Da hieß es gerade bei den kleinen Bauern und Landwirten: Die Rhöndorfer Versprechungen sind nicht eingehalten worden! Das einzige Zaubermittel, das Sie damals hatten, war: Wir brauchen einen Wunderbrocken. Dieser Wunderbrocken war die Alterssicherung. Das heißt, zuerst hieß es „Alterssicherung". Nachher wurde man bescheidener, da kam das Wort „Altershilfe" heraus.
Die Beratungen standen, eben weil es ein Wahlschlager werden sollte, unter Zeitdruck. Wie war es nun in den Ausschüssen? Ich erinnere mich noch sehr genau. Es waren die sehr heißen Tage im Juli bzw. Ende Juni; es waren die heißesten Tage in Bonn seit Jahrzehnten. Wir saßen einmal sogar sonnabends bis 19. oder 20 Uhr im Sozialpolitischen Ausschuß und versuchten, die Dinge über die Bühne zu bringen. Das Zahlenmaterial, das vorgelegt worden ist, ist doch überhaupt nicht geprüft worden. Das haben Sie als gegeben und richtig hingestellt, während wir dauernd eine Überprüfung der Zahlen gefordert haben. Die Auswirkungen des Gesetzes hat man sich überhaupt nicht klargemacht. Sie haben soeben von „Neuland" gesprochen, Herr Kollege Struve. Ich muß Sie berichtigen. Diese Frage der Alterssicherung der Landwirte ist gar kein Neuland. Gehen Sie in die anderen Länder! Um uns herum gibt es die Alterssicherung doch schon seit vielen Jahren. Wir haben damals verlangt, daß man die Erfahrungen unserer Nachbarländer dabei zu Rate zieht. Was aber noch viel schlimmer war: der Vorsitzende dieses Ausschusses, ein Kollege von Ihnen, nämlich Herr Kollege Arndgen, hatte damals Sachverständige bestellt. Diese Sachverständigen saßen drei Stunden lang vor dem Konferenzzimmer. Und was hat man getan? Ohne daß sie auch nur je ein Wort sagen konnten, hat man sie wieder nach Hause geschickt.
({1})
Warum? Man hat sie wieder nach Hause geschickt, weil sie nämlich sehr unbequeme Warner hinsichtlich der Methode und des Verfahrens des ganzen Gesetzes gewesen wären. Es waren doch tolle Sitzungen damals! Solche Sitzungen habe ich in neun Jahren noch nicht erlebt, Sie wahrscheinlich auch nicht!
({2})
Wer hat nun im Plenum und in den Ausschüssen diskutiert? Die Opposition, SPD und FDP und Frau Kalinke. Das stimmt, Frau Kalinke, Sie haben sich an den Beratungen damals sehr aktiv beteiligt. Jedenfalls war es eine sehr unangenehme Sache. Obwohl Sie wußten, daß alle unsere Anträge, die wir sowohl in den Ausschüssen als auch im Plenum stellten, eine wesentliche Verbesserung bedeuteten, haben Sie sie abgelehnt. Wissen Sie, wie man so etwas im zivilen Leben nennt? Echte Kurpfuscherei!
({3})
Herr Minister Blank hat nun gesagt, die Zahlen seien nicht richtig, und man könne die zukünftigen Ausgaben und Einnahmen überhaupt noch nicht übersehen. Herr Minister, ich muß Ihnen sagen: wenn Sie sich nur vor 24 Stunden einmal ans Telefon gesetzt und mit ,den Alterskassen in Kassel gesprochen hätten, hätten Sie die genauen Zahlen bekommen. Es stimmt in der Tat, was mein Kollege Bading gesagt hat: man wird in Zukunft nicht mit mehr als 810 000 Beitragszahlern rechnen können. Nun wissen wir, daß auf Grund der Maßnahmen zur Strukturverbesserung diese Zahl sogar noch geringer werden wird, weil einige Betriebe sich auflösen oder andere Betriebe auf eine Grenze heruntergehen, daß sie keine dauerhafte Existenzgrundlage mehr bilden. Wahrscheinlich werden wir also in ein paar Jahren nur noch 750 000 Beitragszahler haben. Was sagen Sie dann? Auf der anderen Seite steigt die Zahl der Leistungsempfänger wesentlich. Wir müssen also den Vorwurf, den Sie uns, vor allen Dingen meinem Kollegen Schellenberg, gemacht haben, zurückweisen und an die Regierung weitergeben. Ihnen muß man den Vorwurf machen, daß Sie hier mit falschen Zahlen aufgewartet haben.
Dann haben Sie auch von der CDU in den letzten Tagen den Alterskassen den Rat gegeben, sie möchten sich einmal intensiv um die Erfassung der Beitragspflichtigen bemühen. Aber, Herr Minister Blank, auch das zeugt davon, daß Sie und Ihr Haus anscheinend nicht genau über die Lage bei den Alterskassen ins Bild gesetzt sind, über welches Material sie verfügen. Sie müßten nämlich wissen, daß die Last bei den 18 Alterskassen in der Bundesrepublik überall verschieden ist und daß diese gar nicht in der Lage sind, die Betriebe in der Weise zu erfassen, wie Sie es wünschen. Außerdem, Herr Minister, stellen Sie sich doch einmal vor, daß selbst die Grenze, der Begriff der dauerhaften Existenzgrundlage sehr schwammig ist. Ich habe damals in den Ausschüssen verlangt, daß man diesen unbekannten Begriff zum mindesten etwas präzisiert und daß man diese Last der Auslegung den Alterskassen abnimmt.
Dr. Schmidt ({4})
Was ist die Folge davon, daß Sie das Gesetz in dieser Weise gewollt haben? Die Folge ist, daß wir jetzt vor ungeheuren Schwierigkeiten stehen, vor Zwangseintreibungsmaßnahmen der Kassen; die laufen jetzt erst an. Fragen Sie einmal die Alterskassen! Sie werden Ihnen sagen, daß man hier mit Tausenden von Fällen rechnet. Und welche Belastung ist das für einen solch jungen Apparat wie die Alterkassen! Also, Herr Minister, dieser Gedanke und diese Mahnung ist nicht berechtigt.
Noch vor einigen Wochen haben Sie gesagt: Ja, es müssen eben die Berufsverbände helfen. Herr Minister, was bedeutet das? Wollen Sie von den Berufsverbänden verlangen, daß sie Schnüffelkommissionen in die Betriebe hineinschicken? Wir haben doch schon einmal ein Speisekammergesetz gehabt, und es hat sehr schlecht gewirkt. Wir wollen doch kein zweites sogenanntes „Speisekammer-" oder Schnüffelgesetz. Also damit kommen wir nicht weiter.
In der CDU war vor einigen Tagen die Rede davon, daß man den Beitrag erhöhen müsse. Nun, Herr Minister, den Beitrag erhöhen, das ist so eine Sache für sich. Wenn Sie das Defizit decken wollten, müßten Sie den Beitrag auf mindestens 18 DM erhöhen. 17 DM reichen gar nicht mal aus; denn es müssen ja auch einige Verwaltungskosten gedeckt werden. Daß diese Erhöhung nicht möglich ist, hat selbst Herr Minister Blank erkannt. Nun meint er, man könne bis zu 14 DM gehen. Auch das scheint mir eine Illusion zu sein, und ich würde ihm sehr empfehlen, auf die Berechnungen und Ausführungen seines eigenen Fraktionskollegen Berberich zurückzugreifen; er wird ihn eines besseren belehren. Also damit geht es nicht.
Dann heißt es: Einschränkung der Vorschriften über Beitragsbefreiung und Einschränkung der Zahl der Empfangsberechtigten; das haben Sie heute hier zum Ausdruck gebracht. Ich habe einen wunderbaren Artikel als Kronzeugen aus der landwirtschaftlichen Zeitung eines prominenten Bauernverbandes in der Hand. In diesem Artikel wird dieser Gedanke wie folgt kommentiert - Sie gestatten, Herr Präsident, daß ich es kurz vortrage -:
Allerdings, auf die Idee, die Zahl der Beitragspflichtigen durch Einengung der bisherigen Befreiungsmöglichkeiten zu vergrößern und die Zahl der Anspruchsberechtigten zu beschränken, ist der Verfasser nicht gekommen. Diese Idee ist so absurd, daß es schwerfällt zu glauben, daß es verantwortungsbewußte Kreise gibt, die ernstlich etwas Derartiges erwägen. Was will man denn nun eigentlich? Will man, um das Loch zu stopfen, ohne Rücksicht auf den Sinn des Gesetzes auch die Landwirte zur Beitragszahlung bringen, die schon ausreichend im Alter gesichert sind, ohne diesen gleichzeitig Altersgeldansprüche zu geben? Will man die Einheitswertgrenze noch mehr herabsetzen und dadurch die Kleinstbetriebe belasten, die schon den heutigen Beitrag nicht zahlen könnten, die aber zum Teil auch schon durch die gesetzliche Rentenversicherung gesichert sind? Will man
Bauern beitragspflichtig machen, ohne ihnen eine Gegenleistung zu geben? Ist das die berufsständische Solidarität, von der im Zusammenhang mit diesem Gesetz so viel geredet wird?
Ja, Herr Minister, das sagt ein anerkanntes Fachblatt. Ich überlasse es Ihnen, diese Gedanken weiter zu entwickeln.
Noch eine Bemerkung zu Herrn Kollegen Struve. Er hat gesagt, daß man den Gedanken eines Staatszuschusses ablehnen müsse. Er sei deshalb abzulehnen, weil das - Herr Kollege Struve, hören Sie zu! - einen Schritt zur Staatsrente bedeutete. Wissen Sie, Herr Kollege Struve und meine Herren Kollegen Landwirte in der CDU, Sie sind doch sonst gar nicht so zimperlich im Nehmen. Mein Vater würde sagen: Sie gehören auch zum Stamme Nimm! Warum wollen Sie also hier anders verfahren?
Im übrigen haben wir Ihnen doch eine wunderbare Brücke gebaut, sich diesem Gedanken des Bundeszuschusses anzuschließen. Im Zuge der Strukturmaßnahmen ist ein Tragen der Alterslast durch die öffentliche Hand eine Notwendigkeit. Damit haben Sie das Argument gefunden, unserem Antrag zu folgen.
Lassen Sie mich zum Schluß noch einige Bemerkungen ganz genereller Art machen. Ich glaube, daß dieser unser Antrag eine innere Berechtigung hat und daß es mit einer entsprechenden Vorlage sehr edit. Ich wäre dem Minister dankbar, wenn wir diese Vorlage noch in den nächsten Wochen bekämen.
Ich habe den Eindruck, daß man das Ganze noch einmal von vorn anfangen muß. Man wird sich vor allen Dingen - ich erinnere an die Debatte im Bundestag - erneut über den Personenkreis, über die mithelfenden Familienangehörigen, über die vertriebenen Bauern und auch über die Pächter unterhalten müssen. Man wird auch noch einmal über die Leistungshöhe sprechen müssen. Dann möchte ich noch darauf verweisen, daß wir nicht versäumen sollten, zu schauen, was um uns herum los ist. Wir könnten dabei nämlich noch einiges lernen.
Ich darf Sie daran erinnern, daß wir im Jahre 1961 ein neues Bundesland de facto bei uns haben; ich meine das Saarland. Das Saarland hat eine ganz andere, eine bessere Regelung. Es wäre wünschenswert, unsere zu verbessernde Gesetzgebung bereits darauf abzustellen.
Noch ein weiterer Gedanke! Die EWG ist doch bereits da. Wir sollten auch im Hinblick auf die Herstellung einer gleichen sozialen Ebene nach außen sehen und unsere Arbeit und unser Gesetz darauf abstellen. Und wenn es uns wirklich gelingt, den Geist der Solidarität in die Novelle einzubauen, dann werden wir etwas Vernünftiges für die Zukunft des landwirtschaftlichen Berufsstandes getan haben.
({5})
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will versuchen, nur einiges richtigzustellen. Herr Kollege Schmidt, die Frage, die Sie an mich gerichtet haben, darf ich Ihnen stellen: Was wollen Sie denn eigentlich? Ich erinnere mich der Anträge, die Ihre Fraktion damals bei der Beratung im Ausschuß gestellt hat. Ich bin zwar nicht dabei gewesen, aber aus den Protokollen kann ich sie ersehen: Erhöhung der Leistung auf 90 DM statt, wie bisher im Gesetz vorgesehen, 60 DM, Einbeziehung der Familienangehörigen. Wenn Sie die Zahlen so viel besser kennen als ich, wie Sie hier dargetan haben, dann mußten Sie sich doch völlig darüber klar gewesen sein, daß dann mit Sicherheit ein Defizit, und zwar ein noch viel größeres, zu erwarten sein würde.
({0}) Nun sagen Sie - ({1})
- Ich weiß, Sie haben ein Drittel Staatszuschuß verlangt.
({2})
Wir stehen auf dem Standpunkt - das habe ich hier eben dargelegt, und ich bin froh, daß meine Freunde das bestätigen -, daß es sich hier um die Solidareinrichtung eines Berufsstandes handelt. Natürlich treten dabei Aufgaben auf, die über die Kraft des Berufsstandes hinausgehen. Darüber haben wir ja bereits gesprochen, als ich die agrarstrukturellen Folgen dieses Gesetzes behandelt und von dorther die Notwendigkeit einer Beihilfe abgeleitet habe, um mit dieser Problematik fertig zu werden.
Nun will ich versuchen, auf den Verlauf der Diskussion einzugehen. Herr Schmidt wehrt sich dagegen, daß man etwas ganz Selbstverständliches tut. Was erwarte ich von den Alterskassen? Ich bin mit ihnen in einem ständigen Gespräch darüber und brauchte nicht gestern erst ans Telefon zu gehen. Ich erwarte von ihnen, daß sie alles tun - das gehört zum Wesen der Selbstverwaltung -, um die Beitragspflichtigen restlos zu erfassen. Wenn wir ein Gesetz machen und in diesem Gesetz einen bestimmten Personenkreis für beitragspflichtig erklären, ist es eine Aufgabe der Selbstverwaltung, die Beitragszahler auch zu erfassen.
Ein Weiteres. Bisher sind noch gar nicht alle vorliegenden Anträge behandelt. Ich habe einen sehr guten Kontakt mit den landwirtschaftlichen Alterskassen; das können Sie sich von ihnen bestätigen lassen. Auch dort kann man die Zahlen nicht genau nennen, weil die Sache noch gar nicht ,abgeschlossen ist. So steht heute z. B. noch nicht fest, wie viele von den vorliegenden Anträgen genehmigt werden und wie viele nicht.
Zu meinem Erstaunen habe ich gehört - oder ich müßte mich sehr verhört haben -, daß einer der Diskussionsredner von der Vorstellung ausgeht, man könne der Beitragszahlung das Prinzip der Freiwilligkeit zugrunde legen, d. h. denjenigen aus der Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen an die Alterskasse entlassen, der glaubt, er brauche das für sich nicht. Der gleiche Redner meinte dann, trotzdem solle man ,die jetzigen Leistungen beibehalten und außerdem an die Onkel und Tanten denken, die noch auf den Höfen säßen; auch diese Familienmitglieder solle man einbeziehen. Wenn in einigen Jahren erst einmal die Anfangsschwierigkeiten vorüber seien, brauche man keinen Staatszuschuß mehr, und man brauche die Beiträge nicht zu erhöhen. Da möchte ich hier doch einmal in aller Deutlichkeit klarstellen: Wie Sie, Herr Kollege, zu der Ansicht kommen, daß, wenn die Zahl der Beitragszahler zurückgeht, wenn die Zahl der Leistungsempfänger durch die Einbeziehung der Familienangehörigen wesentlich erhöht wird und wenn nach einiger Zeit auch die Staatszuschüsse wegfallen, trotz Beibehaltung des jetzigen Beitragssatzes noch die gleichen Leistungen erbracht werden können, ist mir unerfindlich.
Mit diesem Gesetz haben wir Neuland betreten, wenn es auch, wie der Kollege Schmidt gesagt hat, in anderen Ländern ähnliche Regelungen gibt. In Deutschland jedenfalls haben wir solche Regelungen bisher nicht gekannt. Daher war zu erwarten, daß die Dinge nicht von vornherein glatt laufen würden. Auch wir wissen, daß die Ansichten über die Altershilfe bei den Landwirten zunächst sehr unterschiedlich waren. Eines aber stellen wir doch heute mit Freuden fest, und auch ,der Berufsstand spricht es offen aus: Dieses Gesetz ist ein großer Segen für die Landwirtschaft.
({3})
Die Hofübergaben wurden beschleunigt und nahmen an Zahl zu. Das hat dazu geführt, daß die Hofbesitzer heute jünger sind, daß die alten Leute nicht mehr auf ihrem Altenteil sitzen, ohne für ihre persönlichen Bedürfnisse ein paar Pfennige in der Hand zu haben.
({4})
Deshalb braucht sich die Fraktion der CDU/CSU, auch wenn bei diesem Gesetz Fehler unterlaufen sind - wo werden keine Fehler gemacht? -, dieser ihrer Tat nicht zu schämen. Vielmehr sollte sie stolz auf diese ihre Leistung sein.
({5})
Ich habe gesagt, daß das Gesetz novelliert werden muß. Das ist notwendig; denn es hat sich, wie ich ausgeführt habe, eine Reihe von Mängeln und Unzulänglichkeiten gezeigt. Es würde zu weit führen, schon heute im einzelnen auf die Pläne einzugehen, die ich habe. Ich bin in der Lage, Ihnen relativ schnell den Entwurf einer solchen Novelle vorzulegen.
Weiter habe ich, weil es sich hier um agrarstrukturelle Maßnahmen handelt, vorgeschlagen, aus den Mitteln, die wir für solche Maßnahmen zur Verfügung haben, eine Hilfe zu geben. Ich habe gesagt, daß wir die Frage des Bundeszuschusses, der zu- nächst in der Form eines Darlehens gegeben war, {in einer Weise lösen würden, die die Alterskassen jedenfalls nicht in eine Situation bringt, mit der sie nicht fertig werden. Ich habe nicht gesagt, Herr
2748 Deutscher Bundestag -- 3. Wahlperiode Bundesminister Blank
Schmidt - ich bitte, da ganz präzise zu bleiben -, daß ich einen Beitrag von 14 DM für richtig hielte, sondern ich habe gesagt, nach meiner Ansicht müsse der Beitrag jedenfalls immer unter dem Minimum des Beitrags in der sozialen Rentenversicherung bleiben.
({6})
Es ist doch keine Schande, nach einem Jahr festzustellen, daß man in einer solchen Sache, bei der die Beitragserfassung zunächst sehr schwer anlief und deren Regelung durch die Behandlung vorliegender Anträge noch nicht abgeschlossen ist, nunmehr den nächsten Schritt überlegen muß, der zur Sanierung getan werden kann.
({7})
- Ach, lassen Sie mich in Ruhe ausreden, Herr Kriedemann; Sie können ja gleich auch sprechen!
({8})
- Bin ich gar nicht! Aber wenn ich so etwas höre von Speisekammergesetz, - Sie wissen doch, wer damals das Speisekammergesetz in Frankfurt am Main gewollt hat, Herr Kriedemann!
({9})
- Wollen wir uns über diese alten Dinge unterhalten?
({10})
Ich weiß doch ganz genau - ({11})
- Ja eben, vielleicht äußern Sie sich gleich mal zu Ihrem damaligen Begehren.
({12})
Ich bin der Meinung, wenn wir die Maßnahmen ergreifen, die ich vorgeschlagen habe, wenn wir sie gut aufeinander abstimmen, wird es möglich sein, auch mit der gegenwärtig defizitären Lage der Alterskassen fertig zu werden. Die Einrichtung ist gut; sie verdient, daß wir uns alle darum ernsthaft bemühen, und ich bin sicher, wir werden das tun.
({13})
Das Wort hat der Abgeordnete Dröscher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Minister hat gerade ausgeführt, daß dieses Gesetz eine gute Sache geworden sei. Es besteht ja gar kein Zweifel darüber, daß die sozialdemokratische Fraktion bei der Verabschiedung dieses Gesetzes mitgestimmt hat. Aber die Einwendungen, die sie damals gemacht hat, wurden nicht berücksichtigt. Diese Einwendungen haben sich heute als absolut zutreffend herausgestellt.
({0})
Es ist zwar keine Schande, einen Fehler zu machen, aber ich glaube, es ist nicht richtig, wenn man einen einmal gemachten Fehler durch Reden vertuschen und ihn nicht zugeben will. Deshalb lassen Sie mich mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zu Anfang einen Satz zitieren, den mein Freund Schellenberg damals in der Debatte gesprochen hat. Er hat damals gesagt:
Ich möchte heute wirklich nicht schwarz in schwarz malen. Aber ich mache Sie darauf aufmerksam, daß zwischen der Kalkulierung eines Beitrages durch die Organe der Selbstverwaltung und dem Eingang dieser Beiträge ein weites Feld liegen wird.
Und dann hat er gesagt:
Wir möchten nicht vor der Notwendigkeit stehen, daß dieses Haus schon bald Stützungsmaßnahmen für die Alterssicherung oder Altershilfe der Bauern beraten muß.
Damals ist nämlich ein Wechsel ausgestellt worden, der heute eingelöst werden muß.
Als Mitglied einer Vertreterversammlung der Alterskasse weiß ich ganz genau, daß wir von Beginn des Anlaufens der Arbeit an wußten: es kann so nicht funktionieren, und daß wir von Beginn des Anlaufens an Sorge hatten, wie es weitergehen solle. Deshalb meine ich, wir brauchten heute eigentlich gar nicht lange um die Dinge herumzureden, sondern wir sollten uns einige Fragen stellen und sie beantworten.
Sicher hat das Gesetz Schönheitsfehler, eine ganze Reihe sogar; sicher ist das Problem der Onkel und Tanten, sicher ist das Problem der Flüchtlingsbauern, sicher ist das Problem der Pächter nicht gelöst. Aber die Hauptpunkte, die diskutiert werden müssen, sind erstens die Erkenntnis, daß das Gesetz in wesentlichen Teilen im Ansatz falsch war, und zweitens die Frage: wie können die falschen Ansätze heute bereinigt werden?
Die erste Frage, die sich daraus ergibt, ist dann: können wir mit dem Beitrag auskommen? Sie ist schnell beantwortet: Nein, wir können nicht auskommen. Der Grund dafür sind falsche Schätzungen. 1957 wurde in Nr. 16 des Bundesarbeitsblattes - 2. August-Heft des Jahrgangs 1957 - ausgerechnet - also auch eine Leistung des Bundesarbeitsministeriums -, daß man mit einem Beitrag von 9,40 DM auskommen könne.
Über die Ursachen, warum das nicht geht, ist heute schon viel gesprochen worden; ich brauche deshalb darauf nicht mehr im einzelnen einzugehen. Zweifellos spielen folgende Tatbestände eine unübersehbare Rolle: die Doppelbelastung der Landwirtschaft infolge der Strukturwandlung, die es mit sich bringt, daß die alte Last nicht auf junge Betriebsinhaber abgewälzt werden kann, und zweitens der Verlust der alten, klassischen bäuerlichen Altersversorgung aus dem Sparbuch.
Es bleibt dann die Frage, ob man den Kreis derjenigen, die zahlen, ausweiten soll. Ich bin der Meinung, daß man die Leute, die in einer bestimm-
ten Sozialversicherung sind, etwa in der Invaliden- und Angestelltenversicherung, denen die jüngeren und mittleren Jahrgänge der klein- und mittelbäuerlichen Betriebe heute meistens angehören, nicht gut zwingen kann, in einer zweiten Altersversorgung Zwangsmitglied zu werden. Dabei muß ich allerdings der von der FDP hier vertretenen Meinung, daß man das ganze System auf Freiwilligkeit aufbauen könne, widersprechen. Ich halte das für völlig unmöglich. Darüber kann man auch gar nicht ernsthaft diskutieren.
Der Kollege Struve hat vorhin die Frage aufgegriffen, warum früher keine Altersversorgung der Bauern dagewesen sei. In den Inflationen sei die klassische Einrichtung der Altersversorgung - die Sparbücher - zerstört worden. Heute muß man sich die Frage vorlegen, warum die Führung der deutschen Bauernschaft - die Bauernverbände - in den vergangenen Jahrzehnten den Strukturwandel, der im Gange war, nicht erkannt hat. Hat man dort nicht gesehen, daß die große Masse der klein- und mittelbäuerlichen Bevölkerung unausweichlich vor die Frage gestellt war, was im. Alter geschehen soll? Die Altersversorgung dieser Berufsgruppe, eines großen Teiles der deutschen Landwirtschaft - das war schon in den 20er und 30er Jahren überschaubar -, konnte nicht mehr allein aus dem Sparbuch geschehen.
Nun aber zur Sache! Kann man, um zu helfen, die Beiträge erhöhen? Das ist die Frage! Ich meine, daß man mit einer Beitragserhöhung und damit der Absicht, den Wechsel, den man vor der letzten Bundestagswahl ausgestellt hat, von den Beitragszahlern einlösen zu lassen, nicht zurecht kommt. Denn dann würde all das Gute, was hier heute morgen dargestellt ist und was anerkannt wird, ins Gegenteil verkehrt. Wenn die Beitragshöhe einen bestimmten Punkt erreicht, ich möchte beinahe sagen: wenn sie über den jetzigen Beitrag hinausgeht, dann wird der Sinn der ganzen Altershilfe für die Masse der klein- und mittelbäuerlichen Betriebe ins Gegenteil verkehrt. Dann wird nämlich für die jungen Leute, die das bezahlen müssen, die Beitragsleistung im Laufe eines langen Arbeitslebens so hoch, daß die Versorgung für diese Menschen uninteressant wird.
Es gäbe nur einen Gesichtspunkt, unter dem man den Beitrag erhöhen könnte. Dieser Gesichtspunkt wird hier sicher nicht angeführt. Eine Beitragserhöhung wäre nämlich nur sinnvoll, wenn die Kaufkraft verfallen würde und wenn auf Grund des Verfalls der Kaufkraft die Leistungen erhöht werden müßten. Dann wäre es sinnvoll, auch die Beiträge in entsprechendem Umfang zu erhöhen. Aber eine Erhöhung der Beiträge ohne gleichzeitige Erhöhung der Leistungen bringt in das jetzige System der Altershilfe für unsere klein- und mittelbäuerlichen Betriebe ein negatives Moment hinein.
Weiter taucht die Frage auf, ob man gestaffelt erhöhen soll. Wir erleben, daß in den Berufsgenossenschaften die Beiträge gestaffelt erhöht werden. Ich glaube, es wird niemand hier sein, der der gestaffelten Erhöhung, die eine Art Sozialausgleich in einem Berufsstand mit sich bringen würde, das Wort reden will. Ich glaube, man könnte bei den Beratungen in den Ausschüssen diese Frage mindestens diskutieren. Ich möchte sie jetzt aber nicht vertiefen.
Der Herr Bundesminister hat erklärt, man solle zunächst mit Darlehen weiterhelfen. Ich glaube, das ist nicht die richtige, das ist überhaupt keine diskutable Lösung; denn die weitere Hergabe von Darlehen an die Alterskassen bedeutet doch eine Hypothek für die Zukunft, eine Hypothek, die einmal nicht mehr abgetragen werden kann. Es ist gewissermaßen eine Unwahrhaftigkeit, nicht zu sehen, daß hier echte Zuschußleistungen notwendig sind.
Wenn die Fragen beantwortet sind, daß a) die Leistungen nicht ausreichen und daß man sie b) nicht erhöhen kann, dann bleibt drittens die Frage: Wer zahlt also? Nach dem Gedanken der Selbsthilfe und der genossenschaftlichen Hilfe, der in der letztjährigen Diskussion hier vorgetragen wurde, müßte diese Selbsthilfe von dem Berufsstand geleistet werden, der auf der sozialen Leiter in unserem Volk mittlerweile an den Schluß gekommen ist. Das gilt mindestens für die klein- und mittelbäuerlichen Betriebe. In den Hoch- und Mittelgebirgslagen unserer Heimat rangiert der klein- und mittelbäuerliche Betriebsunternehmer, wie der Grüne Bericht ausweist, einkommensmäßig unter dem Facharbeiter. Deshalb sind die Worte von der Selbstverwaltung, von der Eigenverantwortung, von dem freien Bauern auf freier Scholle, die im letzten Jahr gesprochen wurden, im Grunde genommen nichts anderes als Phrasen. Bei diesen Leuten, von denen ich jetzt spreche - und das sind fast 800 000 Betriebe im Bundesgebiet -, geht es um die Beseitigung der nackten Not der Altenteiler.
Die Umgestaltung unserer modernen Industriegesellschaft, eine Umgestaltung, die heute längst auch das Dorf ergriffen hat, wirkt sich so aus, daß Wünsche nach gleichem Recht für alle wach werden. In den Dörfern sitzen heute Empfänger der Invalidenrente und der Angestelltenrente neben den Altenteilern aus der Landwirtschaft. Radio und Fernsehen bringen dem Bauern nicht nur den Wetterbericht, sondern auch die Möglichkeit des Vergleichs mit den anderen Berufsständen, soweit diese nicht im eigenen Dorf vertreten sind.
Alle Gründe und alle Überlegungen sprechen daher dafür, die jetzt vorhandene Lücke nicht zu Lasten der kleinen Beitragszahler, sondern zu Lasten des gesamten Sozialprodukts unseres Volkes auszufüllen, wenn der Sinn der Altershilfe nicht in sein Gegenteil verkehrt werden soll, wenn diese Einrichtung als echte Hilfe und nicht als Belastung der Betriebe in Erscheinung treten soll. Selbstverständlich können die Alterskassen während der Zeit, in der das geklärt wird, nicht von der Hand in den Mund leben. Deshalb sollte mindestens der alte Darlehnsbetrag in einen Zuschuß, und zwar möglichst schnell, verwandelt werden. Dies sollte nach meiner Ansicht die Meinung des Hauses sein.
Wenn man das verhindert und hier nicht wahrhaben will und dabei betrachtet, was draußen in
den Bauernversammlungen gesprochen wird - Sie alle kommen doch in die Bauernversammlungen; und es leben immerhin noch einige Millionen Menschen unseres Volkes in den Betrieben, von denen hier gesprochen wird -, wenn man dann noch hört, daß man die Landwirtschaft in die Lage versetzen wolle, ihre Sozialverpflichtungen über den Preis zu erfüllen, und man ganz genau weiß, daß der Großteil der 800 000 Betriebe, um die es hier geht, mindestens in absehbarer Zeit nicht über den Preis gerettet werden kann, vor allen Dingen nicht zu Lebzeiten der Altenteiler, dann fragt man sich, wie die hier geäußerte Meinung, die damals schon zur Ablehnung unserer Anträge geführt hat und deren Vertreter heute unseren Antrag wieder hinausschieben wollen, sich mit dem vereinbaren läßt, was draußen in den Bauernversammlungen verkündet wird.
Der Seiltanz, der heute hier aufgeführt wurde und der darauf hinauslief, die Lasten, die zwangsläufig entstehen, wieder den Schwachen aufzubürden, kann eigentlich nur politische Ursachen haben. Wenn man einmal die politischen Ursachen überdenkt, dann fällt einem auf, daß unsere kleinen und mittleren Bauern seit Jahrzehnten konservativ wählen, sich immer auf die andere Seite, gegen die Arbeiterbewegung, gestellt haben, immer ihren großbäuerlichen Führern gefolgt sind und die Kernmannschaft der Wähler eines Großteils der Regierungen der letzten Jahrzehnte darstellten. In genau derselben Zeit, in der sie die Kernmannschaft der Wähler der jeweiligen Regierungen gestellt haben, sind sie auf der sozialen Leiter, in ihrer sozialen Bedeutung und in ihrem Lebensstandard in der Relation ununterbrochen abgesunken. Millionen von Kleinbauern stehen heute am unteren Ende der sozialen Leiter unseres Volkes. Deshalb liegt der Gedanke sehr nahe, daß hier versucht wird, die Tatsache, daß man auch bei der Altersversorgung nicht von d e r Landwirtschaft sprechen kann, sondern von einer ganz unterschiedlichen Situation ausgehen muß, nicht in das Bewußtsein der Menschen hineinkommen zu lassen.
Es bleibt die Befürchtung, die Verfrachtung der Bauern in das Sozialversicherungsboot der Arbeitnehmer hätte politische Folgen. Das ist eine Befürchtung, an der man nicht vorbeikommt. Aber es wäre kurzsichtig, ihr nachzugeben. Die soziale Welt ist genauso unteilbar geworden, wie heute vieles andere in unseren soziologischen und gesellschaftlichen Zusammenhängen. Man kann die Entwicklung, die auch diesen Millionen Menschen draußen auf dem flachen Lande im Alter ein Leben in Freiheit vor wirtschaftlicher Not sichert, vielleicht noch bremsen, aber nicht mehr aufhalten.
Lassen Sie mich noch auf eines hinweisen. Ihre Agrarpolitik, die Sie im wesentlichen befürworten, nämlich das Hinausdrücken von einigen Hunderttausend Familien aus der bäuerlichen Existenz, vergrößert, wenn sie zum Ziel führt, ununterbrochen das Mißverhältnis in der landwirtschaftlichen Altershilfe. Das ist doch ganz logisch: Je mehr Betriebe ausscheiden und je weniger Beitragspflichtige da .sind, desto größer wird der Zuschußbedarf für die aus der Altershilfe zu Versorgenden. Man kann aber keinen Erfolg kassieren, wie das bei der letzten Wahl geschehen ist und wie das eigentlich heute noch ununterbrochen draußen geschieht, wenn man nicht bereit ist, auch die Lasten daraus zu übernehmen.
Bei der Behandlung des ganzen Problems ist mir eine Situation in unserem rheinland-pfälzischen Landtag im Jahre 1955 in Erinnerung gekommen. Damals haben die Sozialdemokraten in diesem Landtag versucht, über einen Antrag an die Landesregierung die gesetzliche bäuerliche Altersversicherung zu initiieren. Der Antrag ist damals von der Fraktion der CDU gemeinsam mit der Fraktion der FDP abgelehnt worden aus Gründen -
({1})
- Nein, es ist damals aus den Begründungen hervorgegangen, daß man keine solche gesetzliche Altersversorgung wollte, sondern im wesentlichen dachte, die Bauern als freie Unternehmer auf ihrer Scholle sollten sich auch frei für das Alter sichern. Genau so wie damals die Entwicklung falsch war und Sie sich später berichtigen mußten, so wäre auch heute ein Beschluß, der an der Berechtigung unseres Antrags vorbeiginge, falsch.
Ich bitte Sie deshalb, unserem Antrag zuzustimmen.
({2})
Das Wort hat Frau Abgeordnete Kalinke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte nicht die Absicht, in dieser Debatte das Wort zu nehmen, und habe mich auch nicht darauf vorbereitet. Ich muß es aber tun, da ich nicht nur durch die Ausführungen des Kollegen Struve, sondern auch durch manches andere, was in dieser Diskussion gesagt worden ist, herausgefordert worden bin. Ich gehöre zu den Menschen, die trotz mancherlei Wissens bescheiden sind - ({0})
- Ja, das scheint Ihnen bloß lächerlich, weil Sie meistens sehr unbescheiden sind mit vorgefaßten Meinungen,
({1})
aber nicht gern sagen möchten, daß leider alles das, was ich vorausgesagt habe, nun nach zehn Monaten eingetroffen ist. Das hätte ich genauso wenig gern gesagt, wie ich annehme, daß es andere Kollegen hier im Hause auch nicht gern getan hätten.
In der Debatte ist viel Richtiges, aber auch unendlich viel Verworrenes gesagt worden. Folgendes ist ganz deutlich festzustellen: Herr Dr. Schmidt hat gesagt: Die Altershilfekassen stehen vor der Pleite. Ist dem zu widersprechen? - Die Verwaltung ist überfordert. Können Sie da widersprechen? - Ebenso unbestritten ist doch, daß dieses Gesetz auch für die Zukunft ein Defizit hervorrufen und uns allen, die wir dem Bauernstand, insbesondere den Kleinbauern, wirklich helfen wollen, große Sorgen bereiten wird.
Es ist soviel von den Möglichkeiten des Vergleichs mit anderen Berufen gesprochen worden. Als Sozialpolitikerin möchte ich Herrn Kollegen Struve sagen: Ich würde mich genieren, hier vor Ihnen zu stehen, wenn unter „Sozialpolitik" zu verstehen wäre „Sozialversicherung". Meine Arbeit in den letzten zehn Jahren beweist das. Ich muß mich dagegen verwahren, daß Sie jemandem, der sich in diesem Hause und überall, wo er mitarbeitet, sehr ernsthaft um die Lösung der sozialpolitischen Probleme unserer Zeit bemüht, unterstellen, er sehe alles durch die kleine, enge Brille der Sozialversicherung.
Die Überschrift des Gesetzes ist falsch. Es handelt sich nicht um eine echte und ausreichende Hilfe für die Landwirtschaft, sondern es handelt sich um eine Prämie für die Hofübergabe im Zuge struktureller Aufgaben des Grünen Plans, und bei einem solchen Ziel begrüßen wir - auch ich - jeden Versuch, der Landwirtschaft, besonders den alten Landwirten, zu helfen. Ich möchte aber nicht, daß hier die Dinge verschoben und agrarpolitische Fehler, ganz offensichtliche Fehler der Agrarpolitik, mit sozialpolitischen Pflästerchen zugedeckt werden sollen.
({2})
Weil Sie nun ,wieder sagen werden: Da spricht eine Sozialpolitikerin, die nicht Bäuerin ist, lasse ich jetzt die Bauern sprechen. In einem sehr maßgeblichen Nachrichtendienst der Agrarier - so nennt man das ja wohl -, der „Bauernpolitik", war schon im Juli 1957 zu lesen, daß die Bauern an dem Gesetz keine Freude haben werden, und wenn ich an meine bäuerlichen Freunde in meinem Wahlkreis im Lande Niedersachsen bis in den Süden Deutschlands hinein denke, mit denen ich damals wie heute diskutiert habe, so weiß ich, daß die Zahl derjenigen, die dieses Gesetz nicht für einen Segen halten und keine Freude daran haben, nicht gering ist. Ich habe den Mut - auch wenn die Wahlen in Hessen und Bayern vor der Tür stehen -, hier ganz offen auszusprechen, daß in diesem Gesetz der Zwang für unsere Bauern viel zu weit gegangen ist und daß außerdem die Übergangshilfe nicht ausreichend war. Daß die Verwaltung überlastet war, sehen alle, die an sachlicher Diskussion interessiert sind, eindeutig aus dem Bericht, den die landwirtschaftlichen Altershilfekassen gegeben haben. Dieser Bericht, der schon im Mai 1958 veröffentlicht worden ist, hat doch die Schwierigkeiten der Erfassung, die mit dem Ausfall der Beitragszahler verbunden sind, und auch das Problem der Befreiung so deutlich gemacht, daß ich wieder einmal vor übertriebenen Hoffnungen auf eine Zwangseintreibung von Beiträgen warnen muß, die auch sehr ungut wäre, gerade für die kleinbäuerlichen Existenzen. Das haben aber schon mein Kollege Logemann und viele andere Sprecher sehr deutlich gesagt. Zu denen, die schon vor einem Jahr zu diesem Gesetz einiges gesagt und gerade vor der Beschränkung der Freiheit, nämlich vor der Koppelung und dem Zwang, für eine Durchschnittsrente von 45 DM den Hof abzugeben, gewarnt haben, gehören sehr maßgebliche Persönlichkeiten und sehr prominente Agrarpolitiker.
Ich möchte hier nur einmal in Ihre Erinnerung rufen, was das „Sonntagsblatt" in Hamburg unter der Überschrift „Mehr Geld - weniger Freiheit" nach Verabschiedung des Gesetzes geschrieben hat. Ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren. Es heißt dort:
Es bringt einen wichtigen Einschnitt im sozialpolitischen Gefüge der Bundesrepublik. Zum erstenmal wird eine Gruppe von Selbständigen zwangsversichert.
Das war falsch. Vorausgegangen war der Nationalsozialismus mit der Zwangsversicherung für das Handwerk, und nachgefolgt ist die Mehrheit in diesem Hause mit der Zwangsversicherung für einen Teil unserer Bauern.
Zum zweiten wird in dem „Sonntagsblatt" wie in vielen anderen Veröffentlichungen festgestellt, daß der Bauer zur Hofübergabe gezwungen wind und daß der Preis für die Freiheit sehr hoch erscheint. Dem möchte ich nicht gern widersprechen.
Die Grundtendenz des Gesetzes wird trotzdem natürlich auch von uns und von den Bauern begrüßt.
({3})
- Ich möchte nicht, daß Sie in Ihrer vereinfachenden Art in unserer Kritik an der falschen Anlage und Zielsetzung des Gesetzes etwas Bauernfeind liches sehen. Darum sage ich das so deutlich. Aus dem Gesetz hätte etwas Besseres werden können, wenn Sie uns mehr Zeit gelassen und sich nicht bloß an die Beschlüsse des Bauernverbandes gehalten und auf Ihre Mehrheit gestützt, sondern auf guten Rat gehört hätten.
({4})
- Sehen Sie, darüber lachen Sie. Aber es ist eines der Urprobleme der Demokratie, ob man trotz Verbandsbeschlusses besseren Einsichten folgt und auf den Rat anderer hört, auch wenn die Präsidenten der Verbände als Kollegen in den eigenen Reihen sitzen. Das ist ein so ernstes Problem, daß ich Sie frage, ob Sie überhaupt noch den Mut haben, eine Sache um der Demokratie willen zu diskutieren.
Die Hofübergabe ist nicht mehr in das eigene Ermessen gestellt. In meinen Sprechstunden erscheinen immer wieder Bauern und fragen: Warum werden wir, die wir unseren Hof freiwillig und rechtzeitig, schon vor dem gesetzlichen Zwang, übergeben haben, bestraft und von der Altersversorgung ausgeschlossen?
({5})
- Z. B. diejenigen, die vor Erreichung der Altersgrenze wegen Krankheit oder aus Verantwortungsgefühl den Hof übergeben haben; sie sind nun in Not, weil das, was man ihnen gibt, nicht ausreicht.
({6})
- Ja, eben, das muß man vorher berechnen, meine Herren Kollegen. Vom Minister ist hier eindeutig festgestellt worden, daß die Zahl der Leistungsempfänger steigen werde. Sie muß steigen, wenn
Sie den kleinen Bauern und den alten Menschen wirklich helfen wollen. Die Zahl der Beitragszahler wird sinken. Wenn sich die Vorstellungen des Bauernverbandes und der Kollegen durchsetzen, bleibt das Problem für die Familienangehörigen wie auch für die Pächter ungelöst.
Der Herr Kollege Struve hat hier sehr kühne Worte gebraucht. Ich möchte bemerken, Herr Kollege Struve, daß die agrarpolitische Zielsetzung nicht umstritten ist. Aber den Weg, der beschritten worden ist, und die Mittel, die angewendet worden sind, halte ich heute wie im Juli des vergangenen Jahres für absolut unzureichend. Wer mag bestreiten, daß der Kreis der älteren Bauern sehr viel größer wird? Die Notwendigkeit, mit diesem Problem fertig zu werden, kommt also unausweichlich auf uns zu. Wie wollen wir dann nach diesem ersten Schritt verfahren?
Sie haben mir vorgehalten, ich sei aktiv in der Sozialversicherung. Meine Aktivität in der Sozialpolitik lehrt mich, daß die Parlamentarier - übrigens nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Ländern - niemals den Mut haben, von dem ersten Schritt abzugehen, wenn er falsch gewesen ist. Ich meine deshalb, wir sollten uns diesmal, so drängend auch die Lösung des Problems sein mag, im Ausschuß mehr Zeit nehmen.
Sie können die Problematik nicht mit dem Einwand beseitigen, die übrigen hätten ja die Möglichkeit gehabt, in der Rentenversicherung zu sparen. Große Teile der Angehörigen freier Berufe und auch der Arbeitnehmer bekamen ihre zusätzlichen
Versicherungen, ihre privaten Versicherungen und ihre Sparguthaben nicht aufgewertet. So oft habe ich von dieser Stelle aus dafür gekämpft, daß die Sparmark mindestens so behandelt wird wie die Rentenmark. Das muß geschehen, Herr Kollege Struve, damit durch Gleichbehandlung der Sparer „Gerechtigkeit" wieder größer geschrieben wird. Darüber sollten wir uns einig sein, und dafür sollten wir gemeinsam sorgen.
Ich kann dem Kollegen Blank nicht widersprechen. Ich möchte ihn als den „Hoferben" im Ministerium nicht für all das verantwortlich machen, was der „Altbauer" im Ministerium getan hat. Aber dieser „Hoferbe" muß uns in Zukunft im Ausschuß mit besseren Zahlen bedienen. Es ist nicht das Richtige, wenn im Bulletin Mitarbeiter aus dem Ministerium Aufsätze schreiben, von denen der Minister dann abrückt, sondern wir wollen im Ausschuß vom Arbeitsminister sehr genaue Zahlen erfahren, und wir möchten es auch gern vom Herrn Landwirtschaftsminister wissen, was denn nun wirklich für die Agrarstruktur getan werden soll. Ich gehöre zu den Menschen, die sich große Sorgen darüber machen, daß wir kleine Höfe durch große Staatszuschüsse - was sicher richtig ist - zusammenfassen wollen, um zu einer gesünderen Agrarstruktur zu kommen, und daß wir wollen, daß sie rechtzeitig übergeben werden, daß wir aber auf der anderen Seite mit Subventionen für die vertriebenen Bauern, die von gesunden Höfen aus dem Osten gekommen sind, nun wieder kleine Siedlerstellen schaffen, die vielleicht eines Tages zu demselben
Problem führen werden. Über das alles muß hier i doch gesprochen werden. Wir müssen uns doch in die Zukunft hinein klarwerden, was die Dinge kosten werden und ob wir es fertig bekommen, den Altenteilern, den alten Menschen, die nicht schuld daran sind, daß sie in diese Situation gekommen sind, wirklich ausreichend zu helfen.
Nun ist hier vom Grundsatz der Solidarität gesprochen worden. Wenn Sie wirklich eine genossenschaftliche Selbsthilfeeinrichtung für alte Bauern wollen, Herr Minister, dann müßte allerdings dieses Gesetz aufgehoben und ein vollkommen neues Gesetz zur Alterssicherung der Landwirtschaft gemacht werden. Ich stelle das zur Diskussion.
Die zweite Frage ist: Wenn Sie wirklich die Leistungen auch in alle Zukunft bezahlen wollen, Herr Kollege Weber, dann unterliegen Sie einem Irrtum, wenn Sie meinen, es genüge, einmal einen Zuschuß zu geben. Und Sie irren auch in anderer Beziehung, Herr Kollege Weber. Ich bin für Auskünfte des Arbeitsministeriums nicht verantwortlich; daß aber das, was Sie in bezug auf die Rentenversicherung angeführt haben, nicht richtig ist, möchte ich Ihnen hiermit bestätigen. Vor der Rentenreform hatte jeder Bauer, der vorher invalidenversicherungspflichtig war, die Möglichkeit, sich weiter zu versichern. Durch die Rentenreform - und das meinen Sie sicher - ist die Versicherungsberechtigung beseitigt worden.
Über die Frage, ob der Staat, nachdem er so hohe Zuschüsse für Arbeitnehmer mit hohem Einkommen gibt, nicht auch Zuschüsse für Selbständige geben muß, die weiterversichert oder versicherungsberechtigt sind, werden wir allerdings bei der Reform der Reform der Rentenversicherung ganz gewiß sprechen müssen. Denn alle Entwicklungen deuten darauf hin, daß bei diesem Problem noch nicht das letzte Wort gesprochen ist, wenn man nicht zu dem kommen will, was das Ziel der Sozialdemokratischen Partei ist, nämlich einer Zwangsversorgung für die freien Berufe. Ich weiß nicht, ob Sie ({7}) davon abgerückt sind; aber ich möchte hier ganz deutlich sagen: Dieses Ziel ist nicht das Ziel meiner politischen Freunde und nicht das Ziel meines Kollegen, der hier gesprochen hat, auch wenn es in der gemeinsamen Opposition gegen ein schlechtes Gesetz manchmal so erscheinen kann. Die einen machen Opposition, weil ihnen das Gesetz im Zwang nicht weit genug geht, und wir machen Opposition, weil es uns im Zwang zu weit geht und weil uns die soziale Sicherung nicht ausreichend ist.
Staatsszuschuß, meine Herren Kollegen vom Bauernverband, ist allerdings Staatszuschuß, da hat der Herr Minister recht, und Subvention ist Subvention. Wenn in der „Stuttgarter Zeitung" am 15. August einige Fragen gestellt waren, in denen damals schon vorausgenommen wurde, was die CDU-Fraktion heute sagen und was der Herr Minister anbieten würde - ich habe es mit Vergnügen nachgelesen -, dann möchte ich darauf ganz ehrlich antworten: Meine politischen Freunde sind der Meinung, wir können es sehr wohl veranworten, daß innerhalb des Grünen Planes für die Agrarpolitik, wie das in allen modernen Staaten der Welt üblich
ist, Subventionen gegeben werden. Wir möchten aber - und das ist die Auffassung eines CDU-Kollegen in diesem Hause, der mir das geschrieben hat - durchaus auch die Frage geprüft wissen, daß bei der Neuordnung nicht etwa einige Jungbauern in die Situation kommen, wegen der Altersgrenze zu lange warten zu müssen, und daß dann noch mehr Menschen, die den Hof nicht bekommen und die nicht heiraten können, aus der Landwirtschaft abwandern.
Wir möchten auch das Problem geprüft wissen, das das Arbeitsministerium mit dem Gesamtverband der landwirtschaftlichen Alterskassen abgehandelt hat, ob bei der Doppelversicherung einmal der Handwerker, die zugleich Bauern sind, zum anderen der Bauern, die sich freiwillig versichert haben, nicht eine Novelle ganz deutlich machen muß, daß nicht derjenige bestraft wird, der selber zu seiner Altersversorgung beigetragen hat.
Die Vermischung agrarpolitischer Ziele mit sozialpolitischen Zielen hat dazu geführt, daß wir diese Debatte führen müssen. Mein Kollege hat es ganz deutlich gesagt - im Gegensatz zu anderen Rednern -, was wir meinen. Wir meinen, daß dieses Gesetz nur noch repariert werden kann, wenn es nicht mehr als ein Gesetz über die Altershilfe für die Landwirtschaft - also als sozialpolitische Gesetzgebung -, sondern als ein Gesetz über die Hilfe für alte Landwirte im Zuge des agrarpolitischen Strukturprogramms in den Grünen Plan hineinkommt und wenn mit voller Verantwortung für diese agrarpolitischen Maßnahmen im Rahmen des Grünen Plans das Notwendige getan wird.
Schließlich möchte ich noch sagen: Wenn ein Gesetz im Ansatz falsch ist, gibt es nicht nur e in en Weg, es zu bereinigen, nicht nur den Staatszuschuß, meine Kollegen von der SPD; es gibt mindestens drei Wege, über die wir im Ausschuß sprechen können.
Der eine Weg ist der, den der Minister angedeutet hat: dem Gedanken der Selbsthilfe im Zuge einer berufsständischen Sicherung mehr zum Durchbruch zu verhelfen. Mit diesem Gedanken - wenn sich die Landwirtschaft dazu bereit fände - könnten wir auch den Personenkreisen helfen, die als Pächter und Familienangehörige heute noch nicht einbezogen sind. Ich fürchte nur, daß die Solidarhaftung im Berufsstand hier wie im Handwerk nicht stark genug, nicht groß und nicht lebendig genug sein wird. Aber auch bei einer solchen berufsständischen Sicherung werden wir nicht ohne die Starthilfe des Staates auskommen können.
Der zweite Weg ist eine Reform der Rentenversicherung, um das Problem der Landwirte, der jüngeren Landwirte, die jetzt ,alle durch die Versicherungspflicht in die Rentenversicherung hineinwachsen, herauszulassen und für den Teil der übrigen die Frage der Versicherungsberechtigung zu prüfen.
Der dritte Weg ist der, den mein Kollege Logemann hier vorgeschlagen hat - und dieser Vorschlag scheint mir der vernünftigste und am besten dazu geeignet, schnell zu helfen -: das ganze Problem als ein Problem des Grünen Plans anzusehen.
Es trifft zu, daß Millionen von Kleinbauern wirklich am Ende ihrer wirtschaftlichen Kraft sind. Wir sind gezwungen, den Herrn Landwirtschaftsminister erneut zu fragen: wie ist es möglich, daß, ebenso wie es gestern bei der Beratung des Lebensmittelgesetzes der Fall war, heute bei der Diskussion über diese wichtige Frage der Landwirtschaft weder er noch sein Staatssekretär hier im Hause sind?
Im Grünen Bericht, lassen Sie mich das in Ihre Erinnerung rufen, steht ausdrücklich, daß im Hinblick auf die Strukturmaßnahmen die Entwicklung nicht nur auf Initiative der Besitzer, sondern auch durch staatliche Maßnahmen zur Schaffung wirtschaftlich gesunder Betriebseinheiten gefördert werden muß. Das soll in Zukunft auch geschehen. So weit der Grüne Bericht 1958.
Meine Kollegen! Auf der Tagung der ostvertriebenen Bauern ist erneut das Wort zitiert worden: „Gerechtigkeit erhöhet ein Volk", das uns unser Bundespräsident zur Eröffnung unserer Arbeit hier auf den Weg gegeben hat. Ich füge das Wort hinzu, das der verstorbene Papst nicht nur allen Katholiken, sondern allen Christen als Vermächtnis hinterlassen hat: „Gerechtigkeit schafft Frieden." Lassen Sie uns unter diesem Motto im Ausschuß daran arbeiten.
({8})
Das Wort hat der Abgeordnete Kriedemann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich würde diese nach meinem Empfinden sehr peinliche Debatte nicht durch einen eigenen Beitrag verlängert haben, wenn mich nicht eine Bemerkung des Herrn Bundesarbeitsministers dazu herausgefordert, ja geradezu gezwungen hätte, wobei ich sagen will, daß ich ihm wegen der Peinlichkeit dieser Debatte auch in diesem Falle mildernde Umstände zubillige.
({0})
Meine Damen und Herren, es ist eine peinliche Debatte. Die CDU befindet sich in einer scheußlichen Situation,
({1}) und ich habe dafür alles Verständnis.
({2})
Im Jahre 1953 haben meine sozialdemokratischen Freunde im Lande Rheinland-Pfalz zum ersten Male die Forderung nach einer Alterssicherung für die Landwirte erhoben, weil sie ihre Notwendigkeit erkannten. Dazu brauchte man gar nicht hellseherisch begabt zu sein; dazu brauchte man nur frei zu sein von alten, längst überholten Vorstellungen, brauchte nur ein bißchen die Entwicklungslinien der modernen Landwirtschaftspolitik zu erkennen. Dazu brauchte man außerdem nur zu wissen, daß ein sehr großer Teil unserer landwirtschaftlichen Bevölkerung schon wegen der schmalen Basis, auf der sie ihre Familie zu ernähren versucht, gar nicht in der
2754 Deutscher Bundestag - .3. Wahlperiode Kriedemann
Lage ist, sich aus eigenen Kräften eine zeitgemäße und ihrer Lebensleistung entsprechende Alterssicherung zu schaffen.
Wir sind gar nicht besonders stolz darauf, sondern halten es, wie gesagt, eigentlich für eine verhältnismäßig einfache Angelegenheit, das schon so früh erkannt zu haben. Aber als wir uns dazu bekannten, da rauschte es durch den Blätterwald der sogenannten. Fachpresse; das sind ja meistens etwas getarnte politische Beeinflussungsorgane. Auf ein paar Hundert Versammlungen haben insbesondere die in der CDU versammelten Sprecher des Berufsstandes gegen einen solchen Vorschlag aus Leibeskräften protestiert und uns alles mögliche unterstellt. Immer wieder wurde da gesagt, daß der freie Bauer auf freier Scholle natürlich nicht in die Sklaverei irgendeiner gesetzlich geregelten Altersversorgung hineingezwängt werden dürfe, er mache so etwas selber, und es sei nur ein Zeichen für den schlechten Charakter der SPD, daß sie nun auch die Bauern in dieselbe Lage bringen wolle, in der die Arbeiter sich befinden, die für ihre Alterssicherung auch nicht allein aus ihren Einkünften sorgen können, sondern die dazu auf öffentliche Hilfe im Wege der Umverteilung des Einkommens angewiesen sind.
Dieses Hin und Her, diese Unterstellungen, all das hat sich über Jahre erstreckt, während wir redlich und brav bemüht waren, zu einem vernünftigen, einem realistischen Gesetzentwurf zu kommen. Dann, ganz kurz vor den Bundestagswahlen, als wir uns darüber klar waren, daß das Problem wegen seiner Schwierigkeiten so schnell nicht zu lösen sein werde, und auch nicht die Absicht hatten, daraus einen Wahlschlager zu machen, hat ein eifriger und beflissener Bediensteter der Bundesarbeitsministeriums der CDU gesteckt, daß die SPD an dieser Frage arbeite. Da hat man alles über Bord geschmissen, was man vorher an großen Worten und an Bekenntnissen von wegen „freier Bauer" usw. in die Gegend getönt hatte, und hat sich gesagt: Das ist doch eine Gelegenheit, gleich noch so ein kleines Wahlbonbon zu fabrizieren. So ist dann sozusagen aus dem Handgelenk schnell dieses Gesetz über die Altershilfe für die Landwirtschaft gemacht worden. Man wollte gar keine Altershilfe, man wollte nur, wie gesagt, die Gelegenheit wahrnehmen.
Aus dieser Einstellung zu dem Problem ergeben sich auch alle Mängel des Gesetzes. Es ist keine Schande, wenn man aus Erfahrungen lernt. Aber eine Schande ist es natürlich schon, wenn man sich zu spät mit Konsequenzen auseinandersetzt, die nicht Ergebnis einer Erfahrung sind, sondern die schon damals Ergebnis einer sachlichen Arbeit und einer vernünftigen, ordentlichen Berechnung hätten sein müssen. Die Schande ist um so größer, wenn andere Leute sich nun mit diesen Unzulänglichkeiten herumplagen müssen. Sie haben überhaupt keinen Anlaß, darauf sehr stolz zu sein, meine Damen und Herren, nachdem Sie so lange und mit so viel tönenden Worten gegen das Prinzip der gesetzlich geregelten Altersversicherung losgegangen waren, anstatt lieber solide zu arbeiten, und erst dann ein bißchen Geschmack an der Sache gefunden haben, als man glaubte, man könne damit eines der mit Recht so beliebten Wahlgeschenke in die Landwirtschaft hineinschmeißen.
Aber nun zu dem, was Herr Minister Blank gesagt hat; denn ich glaube, daß auch die Verlegenheit, aus der heraus die CDU-Kollegen hier jetzt verteidigen müssen, erklären müssen, versprechen müssen usw. usw., das nicht rechtfertigt, was Herr Minister Blank hier gesagt hat. Ich habe einmal gehört, man habe sich im Hause darauf verständigt, hier jedenfalls nicht auf das Niveau herunterzusteigen, das ein Wahlredner in Würzburg als das ihm angemessene neulich vor der Welt offenbart hat. Aber das, was der Minister Blank gesagt hat, gehört - und ich sage das mit aller Überlegung, mit jedem Bedacht - zu den größten politischen Unanständigkeiten, die ich je gehört habe. Was hat er gesagt? Er hat mich aufgefordert, doch mal hier heraufzukommen und zu erklären, warum wir in Frankfurt im Wirtschaftsrat das „Speisekammergesetz" gefordert hätten. Da dieses Wort immer wieder auftaucht und viele Leute da sind, die nicht mehr wissen oder nicht mehr wissen wollen, um was es sich handelt, möchte ich darauf doch einige Bemerkungen verwenden. Wissen Sie, das war in der Zeit, in der es nicht möglich war, aus der deutschen Landwirtschaft das an Nahrungsmitteln herauszubringen, was das deutsche Volk zur Aufrechterhaltung einer minimalen Versorgung brauchte, und wir dankbar sein mußten, daß die Amerikaner sehr großzügig geholfen haben. Und wie man über Herrn Dulles und das, was da später geworden ist, auch denken mag - ich glaube, wir sind den Amerikanern Dank schuldig dafür, daß sie uns so geholfen haben,
({3})
und alle Kritik an anderen Seiten ihrer Politik entbindet uns nicht davon, deutlich auszusprechen, daß wir ihnen Dank schuldig sind, wenn es auch denen peinlich ist, die zwar dafür waren, daß wir den totalen Krieg führten, und die dafür gesorgt haben, daß der Hitler dieses Verbrechen überhaupt anfangen konnte, wenn es natürlich auch denen peinlich ist, die allzu laut „Wir sind ein Volk ohne Raum" gebrüllt und mitgebrüllt haben und hinterher nun die Folgen dieser Summe von Torheiten und Verbrechen möglichst nicht honorieren wollten.
({4})
Das verstehe ich übrigens auch. Es ist immer peinlich, sich seiner eigenen Sünde auf diese Weise erinnern zu müssen.
In dieser Situation, in der wir entscheidend von amerikanisch en Lebensmittellieferungen abhingen, hat der damals in Deutschland zuständige amerikanische Oberkommissar General Clay der Versammlung, dem Anfang eines deutschen Parlaments, dem Frankfurter Wirtschaftsrat, seine Lage darlegt. Er sagte: Ich muß jetzt wieder nach Washington und muß von dem Kongreß neue und größere Mittel für die Versorgung der Deutschen mit Nahrungsmitteln herausbekommen, und in Amerika fragt man sich
natürlich, ob denn der eigene Beitrag der Deutschen wirklich nur so klein ist, daß die Amerikaner immer größere Beträge dafür ausgeben müssen. Er hat uns ganz offen gesagt, er brauche für die Durchsetzung dessen, was sowohl wir wie er für nötig hielten, eine gewisse Hilfe, und man sollte doch wenigstens einmal eine Geste machen, man sollte wenigstens einmal beweisen, daß die Deutschen bereit seien, das Letzte zu tun, was nur in ihren Kräften stehe, und daß die Amerikaner mit gutem Gewissen um weitere Hilfe angesprochen werden könnten, weil die Deutschen eben von sich aus tun wollten, was sie könnten.
Dann wurde dieses Gesetz beschlossen, das ein leichtfertiger Mund Speisekammergesetz genannt hat. Das hat in Deutschland damals große Aufregung hervorgerufen. Ich erinnere mich an eine Unterhaltung - vielleicht erinnert sich Herr Arbeitsminister Blank auch an diese Unterhaltung -, die wir interfraktionell über die Formulierung dieses Gesetzes zur Ausforschung der gehorteten Nahrungsmittelbestände in Deutschland führten. Es fällt mir schwer, nicht alles das zu sagen, was in dem Gespräch zwischen uns und insbesondere in dem Gespräch zwischen dem Arbeitsminister Blank und mir in dieser nächtlichen Stunde in Frankfurt gesagt worden ist. Ich bedaure doppelt, daß Ihr Fraktionsmitglied Dr. Köhler nicht mehr unter den Lebenden weilt; denn ich bin überzeugt, er würde sich einen Spaß daraus machen, und es würde ihm eine Ehre sein, hier darzutun, wie die Dinge gelaufen sind, auch wenn es eine schlagende Wider) legung dieser verleumderischen, beleidigenden Behauptung wäre, die Herr Kollege Blank hier soeben uns, den Sozialdemokraten, gegenüber ausgesprochen hat. Denn in der Absicht, die Sozialdemokraten zu diffamieren, sie im öffentlichen Ansehen herabzusetzen, ist ja doch wohl gesagt worden, wir hätten dieses Speisekammergesetz gefordert. Damals hat es auch schon ein paar starke Leute oder, man muß wahrscheinlich sagen, halbstarke Leute gegeben, die gefunden haben: Nein, das haben wir doch nicht nötig; wie werden wir so etwas beschließen? Die wollten so den feinen Max machen. Die wußten ganz genau, daß wir auf die amerikanische Hilfe nur um den Preis verzichten konnten, daß Millionen Leute in Deutschland verhungert wären. Aber honorieren wollten sie diese Leistung nicht und haben es mit ihrer Ehre und ihrem Nationalgefühl - „Volk ohne Raum" und „Deutschland über alles" - für vereinbar gehalten, das zu machen. Aber die überwältigende Mehrheit der Abgeordneten des Wirtschaftsrates war sich ihrer Verpflichtung gegenüber dem deutschen Volk glücklicherweise besser bewußt. Es gereicht auch der CDU zur Ehre, daß sie diesen interfraktionell eingebrachten Gesetzentwurf mit beschlossen hat.
Wir haben uns, wie gesagt, tagelang über die Formulierung auseinandergesetzt, gar nicht im Streit, sondern im Bemühen um eine - da wurde noch ziemlich solide gearbeitet - anständige Formulierung. Als wir dann so weit waren, haben zwei Kollegen - einer von Ihnen und ich selber - die Formulierung übernommen. Die Sache war so dramatisch, und unsere Übereinstimmung in dieser
Frage war so groß, daß im Plenum die ersten Seiten der Vorlage bereits beraten wurden, während wir noch im Zimmer des Präsidenten dabei waren, die letzten Seiten in die Maschine zu diktieren. Das ist die Tatsache, eine Tatsache, auf die keiner besonders stolz zu sein braucht.
Es war keine sehr erhebende Situation, in der wir uns befanden. Aber das hatten am allerwenigsten diejenigen auszustehen, die nicht „Volk ohne Raum" geschrien haben, die nicht geglaubt haben, wir würden einmal die Ukraine erobern und dann würden wir jede Menge zu essen haben, die nicht dem Hitlerschen Ermächtigungsgesetz zugestimmt haben, sondern die nun mit den Brocken, mit den Trümmern fertig werden mußten. Ich bin gar nicht unglücklich darüber, sagen zu können, daß ich meinen bescheidenen Beitrag dazu geleistet habe. Aber um so berechtigter ist meine Empörung, und um so berechtigter ist das Gefühl der Kränkung, die durch die Äußerung, die Sozialdemokraten hätten das ja gewollt, auf mich zugekommen ist. Das wollte ich Ihnen und auch Herrn Blank sagen. Aber mildernde Umstände, Herr Blank, auch in diesem' Fall!
({5})
Das Wort hat der Abgeordnete Weber.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich sehe mich genötigt, einige Unklarheiten aufzuklären, derentwegen mich der Herr Minister Blank vorhin angesprochen hat. Es ist für mich selbstverständlich, daß man den Grundsatz der Freiwilligkeit nicht allgemein aussprechen kann. Wer bei den Sozialversicherungsträgern nach der RVO normal sozialversichert ist, soll nicht gezwungen werden können, eine zweite Versicherung abzuschließen. Das schließt ein, daß er auf seinem Hof, auch wenn es ein kleiner Hof ist, keinen Altenteiler hat, der eine Leistung aus der Altershilfe empfängt. Das dürfte klar sein. Ich hatte vermutet, Sie wollen denjenigen, der sozialversichert ist, zwingen, auch hier mitzumachen. Damit lösen wir das Problem nicht.
Zu einem zweiten will ich hier noch einmal ganz konkret meine Ansicht darlegen. Ein Umlageverfahren hat sich selbst zu tragen, auch, wie ich schon sagte, die Rentenreform. Beiden Gesetzen liegt der gleiche Gedanke zugrunde. Bei einem Umlageverfahren hat die Gesamtzahl der Höfe die auf ihnen ruhende Altenteilerlast zu tragen. Das ist das Wesen des jetzigen Gesetzes. Wenn man aus dem heutigen Schlamassel der Geldnot herauskommen will, dann tritt ganz deutlich die Aufgabe hervor, die auf den Bund zukommt: er muß die Altenlast der auslaufenden Höfe tragen. Ich bin auch jetzt noch der Meinung, Herr Minister, daß es im Rahmen der sozialen Aufgaben des Bundes eine soziale Verpflichtung ist, die Last der Versorgung der wenigen Onkel und Tanten, die wegsterben - denn nach den jetzigen gesetzlichen Bestimmungen kommen keine mehr hinzu, sie sind alle versichert -, ebenfalls zu tragen.
Weber ({0})
Ich habe nicht gesagt, daß ich eine Beitragserhöhung ablehne. Ich lehne sie jetzt ab. Ich lehne sie ab, bis sich das Gesetz endgültig eingespielt hat. Ob das in zwei, ob das in vier Jahren ist, muß die Arbeit der Alterskassen zeigen. Das hängt davon ab, wann die Rückstände aufgearbeitet worden sind und wann eine Klärung der entstandenen Fragen erfolgt ist.
Die Höhe der Umlage, die die Höfe zu zahlen haben, soll sich also nach der Zahl der Altenteiler richten, die jeweils von dem zahlenden Hof kommen. Die Zusammenlegung zweier Höfe soll nicht berücksichtigt werden. Das ist die richtige Relation. Ich habe diesen Gedanken zum erstenmal in der Debatte vor der Verabschiedung des Gesetzes entwickelt. Es war Herr Minister Lübke, der mich damals ansprach und der sagte, das sei ein klarer Gedanke, dem man nähertreten könne.
Meine Damen und Herren von der CDU, in den Ausführungen Ihrer Redner und des Herrn Ministers habe ich eine Erklärung darüber vermißt, wie Sie dieses Dilemma einer Klärung zuführen wollen. Mit dem Hinausschieben von Darlehen ist es nicht getan.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Schellenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Minister macht sich die Sache etwas zu leicht. Er erklärt nämlich, die SPD habe eine höhere Leistung gefordert, und deshalb wäre bei Annahme der SPD-Anträge die Krise nur noch größer geworden. Das stimmt nicht. Die sozialdemokratische Konzeption war und ist folgende.
Erstens: Zuschüsse auch bei der Altershilfe für Landwirte. Wäre unser Antrag hierzu angenommen worden, dann wäre trotz verbesserter Leistung keine Beitragserhöhung notwendig gewesen.
Zweitens: Die Sozialdemokraten sind für eine Übergangsregelung eingetreten. Diese sah vor, daß der Bund für eine Anlaufzeit von sechs Monaten die Kosten der Altershilfe tragen sollte. Dieser Antrag entsprach der Regierungsvorlage. Die Mehrheit des Hauses hat diese Fassung abgelehnt. Wenn man unserem Antrag, wenigstens die Übergangsregelung im Sinne der Regierungsvorlage anzunehmen, entsprochen hätte, hätten wir heute keine Diskussion über die Krise der landwirtschaftlichen Alterskassen.
Und noch ein Drittes. Wenn man durch Gesetz in dieser oder jener Form - Sozialversicherung oder Altershilfe für Landwirte - eine Einrichtung zum Zwecke der sozialen Sicherheit schafft, dann muß ein Sicherheitsventil eingebaut werden. Das heißt: Staatsgarantie für den Fall, daß Schwierigkeiten eintreten. Wir haben hier beantragt, hinsichtlich der Staatsgarantie für das Gesetz die gleiche Regelung vorzunehmen, wie sie gegenwärtig in der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten sowie in der Handwerkerversicherung besteht. Das haben Sie abgelehnt.
Weil Sie diese Vorschläge zur finanziellen Sicherung abgelehnt haben, sind die gegenwärtigen Schwierigkeiten aufgetreten. Meine Damen und Herren von der CDU/CSU, wegen Ihrer Haltung, das muß ich Ihnen sagen, haben Sie die Krise in der Alterssicherung der Landwirte zu verantworten. Deshalb meine Bitte: Tragen Sie durch beschleunigte Annahme unserer Vorschläge dazu bei, daß diese Krise bald überwunden wird!
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Stingl.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seien Sie bitte nicht ungehalten. Ich will die Debatte nicht unnötig verlängern. Nur: der Herr Kollege Kriedemann hat vorhin so getan, als ob wir gewissermaßen am Boden zerstört worden seien. Dabei haben wir uns nur um der „Wirtschaftlichkeit" unserer Auseinandersetzungen willen so außerordentlich zurückgehalten.
({0})
Lassen Sie mich, einige Bemerkungen machen. Wir halten es grundsätzlich für nicht sehr erfreulich, wenn man einmal Gesagtes immer wiederholt, Wir haben vorhin zum Ausdruck gebracht, daß wir der Überweisung dieses Antrags an den Ausschuß zustimmen und daß wir dort die Einzelmaßnahmen wirklich mit Sachkunde und Verständnis füreinander beraten werden. Es ist ja nicht so - solche Bemerkungen sind in der Auseinandersetzung gefallen -, als sei die Trennung zwischen Invaliden-, Arbeiterrentenversicherung und Angestelltenversicherung einerseits und der Altershilfe für die Landwirte andererseits von uns aus gemacht, um zu verhüten, daß Wahlstimmen verlorengehen. Wer das unterstellt, verkennt den Sinn der Auseinandersetzung.
({1})
- Herr Dröscher hat das vorhin gesagt, Herr Kollege Schellenberg; ich habe das herausgegriffen.
({2})
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Stingl CDU/CSU) : Ich gestatte sie, obwohl es die Sache verlängert, Herr Präsident.
Es ist nicht meine Schuld.
Herr Kollege Stingl, wissen Sie nicht, daß der Entwurf in den Beratungen im Ausschuß von Ihnen bei der glühenden Hitze bis in die Abendstunden mit aller Macht durchgepeitscht wurde, damit er unbedingt noch vor dem Wahltermin Gesetz werden konnte?
Herr Kollege Schellenberg, wir hielten die Regelung einer Altershilfe für de Landwirte für außerordentlich wichtig.
({0})
Wir haben uns auch bei sehr vielen anderen Beratungen, wenn es darauf ankam - gleichgültig ob glühende Sonne war -, bereit erklärt, durchzuberaten, und Sie waren gemeinsam mit mir auch sehr häufig in den Beratungen der Rentenreform sehr lange da, und da war keine glühende Sonne, da stand keine Wahl bevor.
({1})
- Das können Sie dann natürlich immer sagen; immer gibt es dann wieder eine Wahl, das ist selbstverständlich.
Die Auseinandersetzung um dieses Gesetz - Sie haben es von links bis rechts alle gesagt - muß doch unter dem Gesichtspunkt geführt werden, daß der erstrebte Zweck erreicht und daß - auch deshalb kommen wir in das Dilemma, heute darüber sprechen zu müssen - die Abgabe von Höfen forciert wurde. Das haben Sie von links bis rechts bestätigt. Ich habe keinen Redner gehört, der dagegen etwas gesagt hat. Hellseher sind wir alle nicht. Die Verhaltensweisen der Menschen können wir nicht ohne weiteres einfach einkalkulieren. Wir sind froh darüber, daß die Verhaltensweise der Bauern über unser Erwarten hinaus im Sinne des mit dem Gesetz Erstrebten gewesen ,ist. Daß wir uns dann zusammensetzen müssen, ist einfach eine Verpflichtung des Politikers, der unter neu gegebenen Verhältnissen neue Entschlüsse zu fassen hat.
Ich stelle mit Nachdruck fest: Meine Freunde und sich in der Fraktion billigen das, was der Herr Bundesminister für Arbeit über seine Pläne zur Neuordnung der Finanzierung der Altershilfe für die Landwirte gesagt hat.
({2})
Wir werden die Einzelheiten im Ausschuß eingehend beraten. Wir wehren uns dagegen,. daß man Staatszuschüsse geben will. Es ist mir eigentlich ein bißchen unerfindlich, wie Frau Kalinke - ich bitte Sie, ihre Rede einmal in Ruhe nachzulesen - die Gegensätze ausgleichen will. Wenn Sie aufmerksam zugehört hätten, Frau Kollegin, hätten Sie gehört, daß der Minister gesagt hat, auch das Problem der agrarstrukturellen Umwandlung müsse auf anderen Wegen als über die Beitragspflicht geregelt werden. Sie hätten aufpassen müssen, meine Damen und Herren: wir sind genau wieder einmal da, wo wir immer sind, nämlich genau in der Mitte, und müssen sehen, daß wir nicht den Extremen zuneigen, nicht denen, die alles durch den Staat erledigen wollen, und nicht denen, die nichts durch den Staat haben wollen. Der Herr Minister hat drei verschiedene Wege eines sinnvollen Ausgleichs vorgeschlagen. Darüber werden wir im Ausschuß, wie ich hoffe, gemeinsam unsere Beratungen führen.
({3})
Das Wort - das Schlußwort - hat der Abgeordnete Bading, der den Antrag begründet hat.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nicht mehr in die Sachdebatte einsteigen. Ich hätte zwar große Lust, zu den falschen Behauptungen von Herrn Blank Stellung zu nehmen. Es wäre auch sehr interessant, einmal über „Solidarität des Berufsstandes" zu sprechen, die hier mit so stolzen Worten von Herrn Struve verkündet worden ist. Wenn im Berufsstand tatsächlich eine Solidarität bestünde, dann hätte man einmal einen Vorschlag des Bauernverbandes erwarten dürfen, die größeren Besitzer sollten sich mit höheren Beiträgen an der Alterssicherung ihrer Berufskollegen beteiligen. Das wäre eine echte Solidarität.
({0})
Von solcher Solidarität haben wir aus den Reihen des Bauernverbandes aber noch nichts gehört.
({1})
Ich habe die Bitte, daß in dem Antrag Drucksache 498 das in Zeile drei enthaltene Datum geändert wird. Dort steht: 1. Oktober 1958. Dieser Termin ist inzwischen verstrichen, weil unser Antrag, der ,am 1. Juli gestellt worden ist, erst so lange nach Wiederbeginn der Sitzungen auf die Tagesordnung gesetzt wurde. Ich beantrage, daß dafür das Datum „1. Januar 1959" gesetzt wird.
Der Herr Arbeitsminister Blank hat hier gesagt, auch er sei für eine Überweisung des Antrages an den Ausschuß für Sozialpolitik. Er meinte, dann sollte unser Antrag gemeinsam mit einer Novelle bearbeitet werden, die vielleicht einmal von der Bundesregierung zu diesem Fragenkomplex vorgelegt werden wird. Vor einem solchen Verfahren möchte ich dringend warnen. Wir sind es gewohnt, daß solche Novellen immer erst kurz vor den Wahlen kommen. Dann bleibt natürlich wieder zu wenig Zeit, um sie richtig durchzuarbeiten. Außerdem haben wir erst 1961 wieder Wahlen. Solange sollten wir die Alterskassen nicht in der Pleite sitzen lassen.
Ich beantrage namens meiner Fraktion die Überweisung unseres Antrages an den sozialpolitischen Ausschuß und zur Mitberatung an den Ernährungsausschuß zur dortigen sofortigen Beratung.
({2})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor; ich schließe die allgemeine Aussprache.
Es ist der Antrag gestellt, den Antrag an den Ausschuß für Sozialpolitik als federführenden Ausschuß und zur Mitberatung an den Haushaltsausschuß und den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu überweisen. - Kein Widerspruch; es ist so beschlossen. Punkt 10 ist erledigt,
Vizepräsident Dr. Schmid
Ich rufe Punkt 11 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Beweissicherung des Besitzstandes in der sowjetischen Besatzungszone und in dem sowjetischen Sektor von Berlin ({0}) ({1}).
Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Mischnick.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Fraktion der Freien Demokraten legt Ihnen mit der Drucksache 435 einen Gesetzentwurf vor, der eine Lücke schließen soll, die heute für die Sowjetzonenflüchtlinge in bezug auf die Sicherung der Beweismittel für die Schäden besteht, die sie in der Sowjetzone erlitten haben.
1951 hat der damalige Abgeordnete Wackerzapp bei der Beratung des Feststellungsgesetzes in diesem Hohen Hause in seiner Berichterstattung ausgeführt, daß ein Spezialgesetz für die Sowjetzonenflüchtlinge baldmöglichst erlassen werden müsse, da die Materie, die die Sowjetzonenflüchtlinge betreffe, von der der Heimatvertriebenen völlig verschieden sei. Das trifft voll und ganz zu. Wir Freien Demokraten haben bedauert, daß der damals schon als dringlich anerkannte Gesetzentwurf bis heute nicht gekommen ist.
Der Herr Bundeskanzler hat am 30. August 1957 in einem Brief an den Herrn Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen unter anderem - ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren - geschrieben:
Ich bitte jedoch zu prüfen, ob diese Einrichtungen
- gemeint sind der Untersuchungsausschuß freiheitlicher Juristen und das „Archiv für Grundbesitz" ausreichen, um dem einzelnen Geschädigten die von ihm gewünschte Beweissicherung zu gewähren. Das ernste Anliegen der Flüchtlinge macht es auch notwendig, zu überlegen, ob eine gesetzliche Regelung getroffen werden muß.
Das war am 30. August 1957. Mit Recht ist diese Stellungnahme des Herrn Bundeskanzlers in der Flüchtlingspresse veröffentlicht worden. Es entstand der Eindruck, daß man sehr bald mit einer gesetzgeberischen Initiative der Regierung oder auch aus den Reihen des Bundestages rechnen könne. Leider ist diese Initiative ausgeblieben.
Ich darf daran erinnern, daß schon heute unsere Feststellungsämter, die mit dem Feststellungsgesetz für die Heimatvertriebenen befaßt sind, sehr oft darüber klagen, daß durch das langsame Vorangehen dieser Feststellungen Beweismittel verlorengehen, daß Zeugen gestorben sind. Daher rühren die Schwierigkeiten, die ursprünglich vorhandenen
Beweismittel heute noch festzustellen. Genauso ist es bei den Sowjetzonenflüchtlingen. Nach unserer Auffassung sollte die jetzt noch bestehende Lücke durch ein Gesetz zur Beweissicherung des Besitzstandes in der Sowjetzone schleunigst geschlossen werden. Wir wissen, daß die Schwierigkeiten, die bei den Lastenausgleichsfeststellungen entstanden sind, zum Teil auch hier auftreten werden. Sie können aber wesentlich gemindert werden, wenn mit der Beweissicherung schnellstens begonnen wird.
Diesem Ziele dient unser Gesetzentwurf. Wir haben für ihn eine möglichst knappe Form gewählt. Schon in § 2 ist festgelegt, daß das Gesetz keinerlei Entschädigungsansprüche begründet. Eine Sicherung der Beweismittel ist also nicht gleichbedeutend mit einer Entschädigung derjenigen, die diese Sicherung der Beweismittel beantragen.
Darüber hinaus ist in dem Entwurf ausdrücklich gesagt, daß im Gegensatz zum Feststellungsgesetz auch eine amtliche Wertbestimmung oder Schadensberechnung nicht stattfinden soll. Das ist bewußt geschehen. Hier geht es nur darum, die Unterlagen, die Zeugenaussagen gesetzlich zu sichern, aber nicht darum, einen Schadensersatzanspruch festzulegen oder einen Wert zu bestimmen.
Ich möchte in der ersten Lesung nicht die Einzelheiten vortragen, sondern nur ein paar Bemerkungen machen, um einen Überblick zu geben, was in diesem Gesetz vorgesehen ist. Antragsberechtigt sind die unmittelbar Geschädigten oder deren Rechtsnachfolger. Das Verfahren soll sich auf Entstehung, Art und Umfang des Schadens erstrecken. Auch die Angabe des Schadenswertes soll zulässig sein. Damit soll aber keine amtliche Festsetzung - ich wiederhole das noch einmal - verbunden sein. Es ist daran gedacht, diese Beweissicherung von den Feststellungsämtern durchführen zu lassen und dabei die entsprechenden Bestimmungen des Feststellungsgesetzes dann sinngemäß anwenden zu lassen.
Ich weiß, daß gegen dieses Beweissicherungsgesetz von den verschiedensten Seiten mancherlei Bedenken vorgebracht werden. Man hört, die Regierung denke daran, die Zivilprozeßordnung zu erweitern oder auch, wenn diese in der heutigen Form bleibe, den Flüchtling darauf zu verweisen, zum Gericht zu gehen und dort die Beweise gerichtlich sichern zu lassen. Man weist darauf hin, daß bestehende Institutionen wie der Untersuchungsausschuß freiheitlicher Juristen oder das „Archiv für Grundbesitz" schon in der Lage seien, solche Sicherungen vorzunehmen. Man spricht auch davon, daß ein solches Beweissicherungsgesetz eine gewisse politische Gefahr in sich berge. Man sagt: Besteht nicht die Gefahr, daß man daraus einen Verzicht auf die Wiedervereinigung ableiten kann?
Lassen Sie mich zu diesen Bedenken etwas sagen! Wir sind der Auffassung, daß ein gerichtliches Feststellen, ob nach der Zivilprozeßordnung oder auf einem anderen Weg, diesem Anliegen nicht gerecht werden kann. So wie wir es für richtig hielten, die Schadensfeststellung bei den Heimatvertriebenen nach einem besonderen Gesetz vornehmen zu lasMischnick
sen, glauben wir, daß dieser Weg des Beweissicherungsgesetzes auch für die Sowjetzonenflüchtlinge der bessere ist. Wenn wir alle Sowjetzonenflüchtlinge jetzt an die Geschäftsstellen der Gerichte verweisen wollten, damit sie dort ihre Beweismittel niederlegen, würde dies, von allem anderen abgesehen, unserer Auffassung nach zu einer Überlastung der Gerichte führen. Wir klagen aber schon oft darüber, daß gerade die Justiz überlastet sei.
Daß gegen einzelne Punkte juristische Bedenken vorliegen und daß man sich darüber auseinandersetzen wird, ist klar. Ich kenne kein Gesetz und keinen Antrag, zu dessen einzelnen Bestimmungen die Juristen aller Parteien in ihren eigenen Parteien nicht verschiedene Auffassungen hätten, kein Gesetz, bei dem dann aber ein gemeinsamer Weg nicht doch gefunden worden wäre.
Viel schwerwiegender scheint mir der Vorwurf zu sein, mit einem . solchen Gesetzentwurf könnte der Eindruck erweckt werden, daß man gar nicht an die Wiedervereinigung glaubt und deshalb hier eine Schadensfeststellung vornehmen will. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn in diesem Gesetz dem Geschädigten das Recht zugestanden wird, die Beweismittel für seinen Schaden amtlich niederzulegen, dann ist das doch kein Grund für ihn, aus der Zone wegzugehen. Wenn man diese Meinung vertritt, müßte man viel eher glauben, daß die Mittel, die wir heute z. B. für den Wiederaufbau der Existenz, für Wohnungsbau usw. bereitstellen, jemanden bewegen könnten, leichtfertig die Zone zu verlassen. Ich bin der festen Überzeugung, die Menschen drüben in der Zone werden um eines solchen Beweissicherungsgesetzes willen ihre Heimat nicht aufgeben. Im Gegenteil, sie werden an einem solchen Gesetz sehen, daß wir es ernst meinen mit der Wiedervereinigung. Denn eine Entschädigung oder eine Regelung ihres Schadens kann nach diesem Gesetz erst nach der Wiedervereinigung erfolgen.
Eine weitere Überlegung. Als das Feststellungsgesetz für Heimatvertriebene oder als das Lastenausgleichsgesetz erlassen wurde, ist kein Mensch auf die Idee gekommen, daß damit ein Verzicht auf die Gebiete jenseits von Oder und Neiße verbunden sei. Im Gegenteil, wir haben immer wieder betont, daß dieser Anspruch erhalten bleibt. Genauso ist es bei diesem Gesetzentwurf. Eine solche Beweissicherung wird nach unserer Auffassung niemals den Eindruck erwecken, daß damit ein Verzicht auf die Wiedervereinigung verbunden ist, oder gar die Tatsache des Verzichts selber schaffen.
Ich darf noch eine Bemerkung anknüpfen. Dieser Gesetzentwurf ist in seinen wesentlichen Teilen - es sind nur unwesentliche Änderungen vorgenommen worden - in enger Zusammenarbeit mit dem Gesamtverband der Sowjetzonenflüchtlinge gemein- sam von Vertretern aller Parteien erarbeitet worden. Man sollte auch hier einmal anerkennen, daß ein Verband, der natürlich ein Interessenverband ist, einen solchen Gesetzentwurf fertigstellt, ohne an das Parlament heranzutreten und zu sagen: „Nun zahlt uns auch etwas dafür” , und bewußt in diesem
Gesetzentwurf feststellt: Ein Entschädigungsanspruch ist damit nicht gegeben. Das ist eine Haltung, die man anerkennen sollte und der wir durch um so schnellere und gründlichere Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über Beweissicherung entsprechen sollten.
Lassen Sie mich zum Schluß noch folgenden Hinweis geben. Ich bin der festen Überzeugung, daß den Flüchtlingen aus der Zone durch diesen Gesetzentwurf die Gewißheit gegeben wird, daß wir nicht nur die Wiedervereinigung wollen und für sie eintreten, sondern uns auch Gedanken darüber machen, daß das Unrecht, das drüben geschehen ist, nach der Wiedervereinigung in irgendeiner Form in Ordnung gebracht werden muß.
Wir bitten das Hohe Haus, den Gesetzentwurf dem Gesamtdeutschen Ausschuß zu überweisen.
({0})
Meine Damen und Herren, es erhebt sich die Frage, ob Sie noch eine Mittagspause machen
({0})
oder durchverhandeln wollen. - Ich stelle nur vorsorglich die Frage. Sie wünschen durchzuverhandeln? - Danke schön.
Das Wort hat der Abgeordnete Eichelbaum.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe die Absicht, nur kurz zu sprechen. Die Fraktion der CDU/CSU wird dafür stimmen, daß dieser Gesetzentwurf den Ausschüssen überwiesen wird, und zwar nach der Abmachung im Ältestenrat dem Rechtsausschuß und dem Ausschuß für gesamtdeutsche Fragen.
Ohne Zweifel ist das Anliegen, das mit diesem Gesetzentwurf verfolgt wird, wichtig und schwierig. Die Betroffenen werden mit Befriedigung und mit einem Aufatmen der Erleichterung erfahren, daß diese Angelegenheit, an der jahrelang gearbeitet worden ist, jetzt über die Tribüne des Parlaments geht. Man kann die Sammlung der Dokumente und die Sicherung der Zeugenbeweise, die die Voraussetzungen für die Sicherung von Rechts- und Eigentumsansprüchen in der sowjetisch besetzten Zone sind, nicht auf ungemessene Zeit verschieben. Die Notwendigkeit, diese Frage gesetzlich zu lösen, wird, soweit ich sehe, jetzt von allen Sachkennern allgemein anerkannt. Einigkeit besteht auch darüber, daß das Gesetz, wie schon der Herr Vorredner gesagt hat, nicht als Entschädigungsgesetz gedacht ist. Es ist kein Sozialgesetz und auch keine Ergänzung zum Lastenausgleich.
Ich weiß, daß sich auch die Regierung in den vergangenen Jahren mit den Möglichkeiten der gesetzlichen Lösung des Problems befaßt hat, und man mag es der Schwierigkeit der Materie zuschreiben,
({0})
wenn das Parlament jetzt den Vorrang hat und sich früher mit einem formulierten Gesetzentwurf beschäftigen kann. Schwierig ist es, den Umfang dessen zu umreißen, was alles durch die Beweissicherung erfaßt werden soll. Es ist kein Geheimnis, daß auch Kontroversen darüber bestehen, welche Methode für die Beweissicherung die beste sein wird. Ich halte den vorliegenden Entwurf für eine gute Grundlage. Es wird Aufgabe der Ausschüsse sein, die noch vorhandenen Bedenken und Schwierigkeiten auszuräumen und die besten gesetzlichen Möglichkeiten zu finden.
Die Beratung des Gesetzes setzt sehr eingehende Kenntnisse der politischen Situation voraus. Das Gesetz konfrontiert uns mit der Wirklichkeit der Spaltung Deutschlands, vor der wir nicht leichtsinnig und schwächlich die Augen schließen können. Man muß die Phasen der Unrechtsentwicklung drüben studiert haben und kennen, wenn man zur Rechtsfindung und Rechtswiederherstellung helfen will.
Doch bedeutet das Gesetz an sich keine politische Entscheidung. Es bekundet nur das, was uns allen hier im Hause selbstverständlich ist: den Willen zur Wiedervereinigung des getrennten Vaterlandes auf rechtsstaatlicher Grundlage. Zu einer Wiedervereinigung auf rechtsstaatlicher Grundlage gehört auch die Schaffung der Voraussetzungen durch eine Beweissicherung der bestehenden Rechtsansprüche.
Wenn auch in der Überschrift des Gesetzes das Wort „Wirtschaft" und das Wort „Besitz" stehen, so wollen wir doch nicht verkennen, daß das treibende Motiv ein ideelles Gut ist, nämlich die Befriedigung eines verletzten Rechtsbewußtseins.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Seume.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei begrüßt es nachdrücklich, daß, dem Wunsche weiter Kreise der Flüchtlinge entsprechend, mit dem vorliegenden Gesetzentwurf Drucksache 435 das Parlament vor Fragen gestellt wird, die sorgfältiger und ernster Prüfung bedürfen. Unzweifelhaft werden im Interesse der Sache und der Flüchtlinge - außer den nur negativen Feststellungen des § 2 Ziel und Zweck des Gesetzentwurfs deutlicher herausgearbeitet werden müssen, als es in diesem Entwurf geschieht.
Lassen Sie mich dafür einige Beispiele nennen. Man wird sich darüber klar werden müssen: Soll die erstrebte Beweissicherung dazu dienen, zum gegebenen Zeitpunkt den früheren Besitzstand wiederherzustellen, oder soll sie dazu dienen, zum geeigneten Zeitpunkt eine Entschädigung zu erlangen?
({0})
Je nach dem einen oder dem anderen Zweck ist die Beweissicherung entsprechend auszugestalten; je nach dem einen oder dem anderen Zweck sind sehr erhebliche politische, rechtliche, wirtschaftliche, soziale und technische Probleme zu lösen.
Man muß sich auch darüber klarwerden, meine Damen und Herren, wie nach der systematischen Vernichtung eines Teiles der Grundbücher in der sowjetischen Besatzungszone der „öffentliche Glaube" des Grundbuchs durch eine Beweissicherung in der vom Entwurf vorgesehenen Form überhaupt ersetzt werden kann.
Der Entwurf berücksichtigt zum Nachteil der Flüchtlinge auch nicht diejenigen Verfügungen sowjetzonaler Stellen über Vermögenswerte von Flüchtlingen, die nicht Enteignungen oder enteignungsähnliche Maßnahmen und die nicht Vermögensübertragungen im Sinne unserer Rechtsauffassung sind, obwohl durch solche Verfügungen der sowjetzonalen Stellen ernste Vermögensschäden entstanden sind und laufend weiter entstehen.
Der Herr Kollege Mischnick hat bereits von den möglichen Folgen für die Wiedervereinigung gesprochen. Nach unserer Meinung müssen in den Ausschüssen aber auch die möglichen Wirkungen auf diejenigen überlegt werden, die unter den quälenden und unwürdigen Bedingungen der sowjetischen Besatzungszone weiter leben müssen und auch wollen.
Im übrigen, meine Damen und Herren, möchte meine Fraktion bei den Beratungen gern die Stellungnahme der Bundesregierung zu dieser Frage der Beweissicherung für Sowjetzonenflüchtlinge erfahren. Auch ich möchte mich auf den Brief des Bundeskanzlers vom 30. August 1957 beziehen. Zu unserem Bedauern sind wir bis auf den heutigen Tag - und es ist, Herr Kollege Eichelbaum, seitdem mehr als ein Jahr vergangen - ohne konkrete Vorschläge der Bundesregierung in dieser Sache geblieben. Dieses Datum vom 30. August 1957 also 14 Tage vor der Bundestagswahl - und die Tatsache, daß die Bundesregierung noch keine Vorschlage unterbreitet hat, zwingen zu der Feststellung, daß lediglich wahltaktische Überlegungen Veranlassung zu dem Briefe des Bundeskanzlers in dieser Angelegenheit der Flüchtlinge gegeben haben
({1})
Mit diesem ernsten Anliegen der Flüchtlinge Wahltaktik zu betreiben, ist allerdings eine sehr schlechte Sache.
({2})
Die sozialdemokratische Fraktion steht positiv den ernsten Forderungen der Flüchtlinge und wird selbstverständlich aktiv an der Lösung der angedeuteten Probleme und der aufgeworfenen Fragen mitarbeiten. Mit der Überweisung an die vom Ältestenrat vorgesehenen Ausschüsse sind wir einverstanden.
({3})
Keine weiteren Wortmeldungen? - Meine Damen und Herren, es ist Überweisung an den Rechtsausschuß - federführend - und an den Ausschuß für gesamtdeutsche und Berliner Fragen - mitberatend - vorgesehen. Ist das Haus damit einverstanden? Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Nächste Sitzung Mittwoch, den 26. November, 15 Uhr.
Die Sitzung ist geschlossen.