Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Vor Eintritt in die Tagesordnung spreche ich die Glückwünsche des Hauses zum 60. Geburtstag dem Herrn Abgeordneten Weltner ({0}) aus.
({1})
Ich gebe bekannt, daß nach einer Vereinbarung im Ältestenrat die nächste Fragestunde von Mittwoch, dem 26. November, auf Donnerstag, den 27. November, verlegt wird.
Weiter teile ich mit, daß nach einer interfraktionellen Vereinbarung die heutige Tagesordnung erweitert wird um die Wahl eines Stellvertreters der Bundesrepublik Deutschland zur Beratenden Versammlung des Europarates. Für den ausgeschiedenen Abgeordneten Dr. Meyers ({2}) benennt die vorschlagsberechtigte Fraktion der CDU/CSU den Herrn Abgeordneten Dr. Kliesing ({3}). Meine Damen und Herren, wir haben in ähnlichen Fällen, wenn kein Widerspruch erhoben wurde, durch Handaufheben gewählt. Ich frage das Haus, ob Widerspruch erhoben wird. - Das ist nicht der Fall. Wer Herrn Abgeordneten Dr. Kliesing wählen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Herr Abgeordneter Dr. Kliesing ist gewählt.
Nach einer weiteren interfraktionellen Vereinbarung wird die Tagesordnung erweitert um die erste Beratung des von der Fraktion der DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Landwirtschaftsgesetzes ({4}) und die Beratung des Antrags der Fraktion der DP betr. Feststellung der Lage der Familienbetriebe im Grünen Bericht ({5}).
Da die Drucksachen noch nichtverteilt sind, schlage ich vor, diese Punkte erst morgen aufzurufen. Einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Mir ist mitgeteilt worden, daß interfraktionell Einverständnis darüber erzielt worden ist, den Punkt 5 der Tagesordnung, die erste Beratung des Entwurfs eines Zolltarifgesetzes, als ersten Punkt zu behandeln. Ich nehme an, daß das Haus damit einverstanden ist. - Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Herr Bundesminister der Justiz hat unter dem 30. Oktober 1958 die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP betr. Gesetz zu Art. 95 GG ({6}) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 610 verteilt.
Der Herr Bundesminister der Justiz hat unter dem 31. Oktober 1958 die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP betr. Einheitliche Prozeßordnung ({7}) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 611 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hat unter dem 31. Oktober 1958 die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP betr. Novelle zum Schwerbeschädigtengesetz ({8}) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 612 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Verteidigung hat unter dem 3. November 1958 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betr. Lieferung von Schützenpanzern ({9}) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 613 verteilt.
Das Wort zur Tagesordnung hat der Herr Abgeordnete Franke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der sozialdemokratischen Fraktion beantrage ich, auf die heutige Tagesordnung folgende Anträge zu setzen: 1. den Antrag Drucksache 479, eingebracht am 24. Juni 1958, betreffend ein Strukturprogramm für die Zonenrandgebiete, und 2. den Antrag Drucksache 588 vom 29. Oktober 1958, der auf kulturelle Förderungsmaßnahmen in Zonenrandgebieten Bezug nimmt. Beide Drucksachen sind Ihnen zugestellt und bekannt.
Erlauben Sie mir zur Begründung einige Bemerkungen. Mit einem gewissen Befremden haben meine politischen Freunde und ich davon Kenntnis nehmen müssen, daß entgegen den Vereinbarungen, die zwischen den Geschäftsführern der Fraktionen getroffen wurden, und entgegen der am 28. Oktober veröffentlichten Tagesordnung der heutigen Sitzung der Punkt 3 gestrichen wurde, nämlich die Beratung des sozialdemokratischen Antrags betreffend ein Strukturprogramm für die Zonenrandgebiete.
Diese Entscheidung ist uns völlig unverständlich. Sie steht in krassestem Gegensatz zu dem, was Sie, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, in Ihren Kundgebungen in der Öffentlichkeit immer wieder beteuern. Hier betonen Sie stets besonders Ihre Verbundenheit mit den Zonenrandgebieten.
Während der Beratung des Haushaltsplans für das laufende Rechnungsjahr sowie in den zurückliegenden Jahren haben sich meine Freunde immer wieder darum bemüht, besondere Ansätze für die Förderungsmaßnahmen im Zonenrandgebiet zu erwirken. Damals erklärte der Herr Kollege Dr. Gradl von der CDU/CSU, über das Anliegen, das im sozialdemokratischen Antrag vorgebracht werde,
bestehe keinerlei Meinungsverschiedenheit zwischen der CDU/CSU einerseits und der SPD andererseits, wohl aber bestünden Bedenken dagegen, Globalbeträge zu bewilligen. Man wollte im einzelnen wissen, für welche Aufgaben die Mittel zur Verfügung gestellt werden sollten. Wir Sozialdemokraten mußten uns damit abfinden, daß die Mehrheit des Hauses unser Begehren ablehnte.
Damit war aber für uns das Anliegen als solches nicht erledigt. Wir haben nun unter Anlehnung an Berichte der Bundesregierung, der beteiligten Länderregierungen und auch kommunaler Stellen, unter Würdigung hervorragender Arbeiten sachkundiger Persönlichkeiten und unter Beachtung des Einwandes, daß keine Bereitschaft vorhanden sei, Globalbeträge zu bewilligen, neue Anträge entwickelt, um deren Beratung wir hier bitten.
Es sei klar zum Ausdruck gebracht, daß in Zonenrandgebieten schon einiges geschehen ist. Wir haben uns gemeinsam darum bemüht. Das steht gar nicht zur Debatte. Zur Debatte steht, daß das, was bisher geschehen ;ist, nicht ausreicht, um den Problemen gerecht werden zu können, die jetzt auf uns zukommen. Darum haben wir unsere Anträge eingebracht.
Noch immer wandern Wirtschaftsunternehmen aus Zonenrandgebieten in bessere Standorte ab. Umgekehrt ist leider nichts oder nur sehr wenig festzustellen. Wir haben Unterlagen - wir haben sie dem Bundesarbeitsblatt entnommen -, wonach damit zu rechnen ist, daß die Zahl der verfügbaren Arbeitskräfte im Zonenrandgebiet bis zum Jahre 1960 auf über 500 000 ansteigt. Hinzu kommen noch Tausende aus der Wanderungsbewegung.
Diese Ankündigungen sollten für uns alle hier Veranlassung sein, recht bald und ernsthaft an die Beratung der Probleme des Zonenrandgebiets heranzugehen. Ich nehme an, Sie sind mit mir der Meinung, daß nicht einige Schwerpunkte an vier oder fünf Orten, etwa Großbetriebe, Maßstab für die Beurteilung der wirtschaftlichen Situation im gesamten Zonenrandgebiet sein können, sondern daß da das ganze Gebiet mit seiner Länge von über 1000 km und 40 km Tiefe in Frage kommt. In diesem Teilgebiet unseres Vaterlandes müssen über sieben Millionen Bundesbürger leben und arbeiten.
Viele Gemeinden im Zonenrandgebiet sind wegen des Gewerbesteuerausfalls und ähnlicher Erscheinungen, die besonders typisch für diesen Raum sind, nicht in der Lage, für kulturelle Zwecke ausreichende Mittel bereitzustellen. Darum auch unser Ersuchen, zu überprüfen, was geschehen kann, um in dieser Beziehung im Zonenrandgebiet hilfreich eingreifen zu können.
Eine letzte Bemerkung - und damit bin ich am Schluß -: Wenn zu all diesen Feststellungen auch von seiten der Bundesregierung zum Ausdruck gebracht wird, daß mehr Mittel zur Verfügung gestellt werden müssen, dann rennen wir mit unserem Antrag praktisch offene Türen ein. Deshalb verstehen wir es nicht, daß Sie gegen die Beratung des Antrags hier und heute sind. Wir kommen angesichts der Geschäftslage des Bundestags wieder in die
Situation, daß diese so wichtige Frage in den allgemeinen Haushaltsplanberatungen untergeht. Nachher wird man wieder keine Zeit haben. Nach dem neuen Ansatz des Bundesministeriums für gesamtdeutsche Fragen wird der Einzelplan 27 um 16 Millionen gekürzt sein - wir kennen die einzelnen Positionen allerdings noch nicht -, es wird also höchste Zeit, daß wir uns in diesem Hause mit diesen Anträgen beschäftigen. Ich bitte dringendst, unserem Ersuchen stattzugeben und die Beratung unserer Anträge in diesem Hause zu ermöglichen.
({0})
Das Wort zur Tagesordnung hat der Herr Abgeordnete Rasner.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vier kurze Feststellungen!
Erstens. In dem Anliegen, den Zonenrandgebieten so zu helfen, wie es dort notwendig ist, sind sich alle Fraktionen einig. Wir freuen uns, daß der Kollege Franke auch nichts anderes festgestellt hat.
({0})
Zweitens. Herr Kollege Franke, es war keine Vereinbarung im Ältestenrat getroffen worden; sie konnte gestern also auch nicht gebrochen werden. Der amtierende Präsident der vorletzten Ältestenratssitzung, Professor Schmid, hat gestern im Ältestenrat eindeutig festgestellt, daß das, was da war, der Entwurf einer Tagesordnung war, der erst in der gestrigen Ältestenratssitzung fest vereinbart werden sollte. Professor Schmid hat das gestern ausdrücklich betont, Vom „Bruch einer Vereinbarung" kann daher keine Rede sein.
Drittens. Auch wir sind der Meinung, daß diese Frage schnellstens debattiert werden sollte. Aber es geht um die wirtschaftliche Struktur des Zonenrandgebiets, und eine für die Zonenrandgebiete so wichtige Frage sollte in Gegenwart des dafür zuständigen Bundeswirtschaftsministers behandelt werden.
({1})
Bundeswirtschaftsminister Professor Erhard aber ist, wie Sie wissen, auf einer Reise und kehrt von dieser Reise erst am 8. zurück.
Viertens. Daß die SPD-Fraktion das weiß, geht deutlich aus der Tatsache hervor, daß sie darum gebeten hat, ihre Große Anfrage zum Wohnungsbau - die aus Gründen der Zeitökonomie wahrlich auf die Tagesordnung für heute gehört hätte, wo wir über die Wohnungspolitik reden - zurückzustellen, bis Professor Erhard hier ist. Wir haben diesem Wunsch der SPD-Fraktion selbstverständlich und sofort entsprochen. Ich wundere mich, daß bei unserem Anliegen, wo wir nun mit derselben Begründung an die SPD herantreten - und es ist noch schlüssiger, daß bei der Frage der Struktur der Zonenrandgebiete der Wirtschaftsminister dasein muß als bei einer wohnungspolitischen Anfrage -, die SPD uns gegenüber nein sagt.
Wir wünschen also, daß diese Frage in Anwesenheit von Professor Erhard diskutiert wird. Er ist der zuständige Minister. Wir wollen die Debatte schnell führen. Wir bitten also, es bei der gedruckten Tagesordnung zu belassen.
({2})
Das Wort zur Tagesordnung hat der Herr Abgeordnete Walter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch die Fraktion der Freien Demokraten wünscht eine Debatte. Es ist bedauerlich, daß der Herr Wirtschaftsminister Professor Erhard nicht anwesend ist, aber wir müssen überhaupt feststellen, daß die Minister sehr oft fehlen. Die Behandlung der vorliegenden Frage ist dringend notwendig. Die Situation der Wirtschaft in den Zonenrandgebieten läßt eine rückläufige Tendenz erkennen. Deshalb ist es notwendig, daß wir uns bald mit dieser Frage beschäftigen.
({0})
Keine weiteren Wortmeldungen.
Ich lasse dann über den Antrag der Fraktion der SPD abstimmen, die Anträge Drucksachen 479 und 588 auf die Tagesordnung zu nehmen. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen zur Tagesordnung. Ich rufe zunächst den Punkt 5 auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zolltarifgesetzes und des Deutschen Zolltarifs 1959 ({0}).
Wird das Wort zur Einbringung gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Ich eröffne die Aussprache in erster Lesung. - Das Wort wird nicht gewünscht. Ich ,schließe die Aussprache.
Vorgesehen ist die Überweisung an den Außenhandelsausschuß. Ist das Haus mit dieser Überweisung einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich bedauere bekanntgeben zu müssen, daß der Außenhandelsausschuß um 16 Uhr im Sitzungszimmer 01 P zur Behandlung dieser Vorlage zusammentreten muß.
Ich rufe nun den Punkt 1 der Tagesordnung auf:
a) Große Anfrage der Fraktionen der CDU/CSU, DP betreffend Wohnungsversorgung junger Familien; Durchführung des sozialen Wohnungsbaues; Unterbringung der Zuwanderer und Aussiedler ({1}).
Wird das Wort zur Begründung der Großen Anfrage gewünscht? - Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Hesberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Solange die Wohnungsnot noch so groß ist, daß zu ihrer Beseitigung öffentliche Mittel eingesetzt werden müssen, wird es nicht an Kritik fehlen. Die einen werden das Ausmaß der öffentlichen Mittel für unzureichend halten, die anderen die Methoden für deren Einsatz bzw. die Auswahl des Personenkreises bemängeln, dem die öffentlichen Mittel zukommen sollen.
Angesichts der von allen Kreisen der Bevölkerung anerkannten enormen Leistungen auf dem Gebiet des Wohnungsbaues in der Nachkriegszeit und der steten Steigerung des Wohnungsstandards ist es begreiflich, daß diejenigen, die derzeit noch keine eigene Wohnung haben und sozusagen am Ende der Schlange stehen, nachdrücklicher denn je den Gesetzgeber und die Verwaltung für ihre Nöte verantwortlich machen und die Berücksichtigung ihrer Wünsche fordern. Es ist auch nicht verwunderlich, daß immer neue Appelle an den Bundesgesetzgeber gerichtet werden, die die Durchführung der Gesetze betreffen. Diesen Anliegen, soweit sie berechtigt sind, Rechnung zu tragen, sehen wir als eine unserer wichtigsten Aufgaben an.
Die Große Anfrage, die Ihnen in Drucksache 555 vorliegt, darf ich namens der Fraktionen der CDU/ CSU und DP wie folgt begründen.
Die Anfrage berührt einige vordringliche Probleme, die deswegen von grundsätzlicher Bedeutung sind, weil sie über die rein quantitative Beseitigung des Wohnungsmangels hinausgehen. Wir haben, um dies vorauszuschicken, bewußt davon abgesehen, auch die Frage zu stellen, ob die bei der gegenwärtigen Baukapazität möglichen Höchstleistungen im sozialen Wohnungsbau im laufenden und im kommenden Baujahr erzielt werden. Denn wir unterstellen, daß dies der Fall sein wird, weil die überaus günstige Entwicklung des Kapitalmarktes und im besonderen das reichliche Angebot an Hypotheken die Voraussetzungen für eine Kombination des Einsatzes der privaten und öffentlichen Mittel geschaffen haben, die uns bei der Verabschiedung des Wohnungsbau- und Familienheimgesetzes im Jahre 1956 vorgeschwebt haben.
Mit Befriedigung haben wir feststellen können, daß sich die Kombination der Kapitalsubvention und individueller Förderungsmethoden mehr und mehr anbahnt. Da die Lage auf dem Kapitalmarkt diese Entwicklung außerordentlich begünstigt, darf angenommen werden, daß der Herr Bundesminister für Wohnungsbau nicht verfehlen wird, darauf hinzuwirken, daß durch den elastischen Einsatz der Bundesmittel deren wirtschaftlicher und sozialer Höchsteffekt erreicht wird, nämlich Höchstleistungen und tragbare Belastungen im sozialen Wohnungsbau namentlich für die Personenkreise, deren Interessen wir in unserer Anfrage angesprochen haben.
Der Wohnraumversorgung der jungen Familien wird, wie wir in der Frage 1 unserer Interpellation festgestellt haben, durchaus unterschiedlich und im ganzen unzureichend Rechnung getragen. Auf die Bevölkerungszahl der Bundesrepublik bezogen ist die Anzahl der Eheschließungen in den letzten Jahren - wahrscheinlich als Folge des Altersaufbaus der Bevölkerung - geringer als in den Vorkriegs2688
jahren, nämlich 9 statt 9,5 vom Tausend. Hätte der Wohnungsbau in den letzten Jahren nur der normalen Bevölkerungsentwicklung Rechnung zu tragen gehabt, so hätte mit 40 % der erstellten Wohnungen der Wohnungsbedarf der jungen Familien befriedigt werden können. Sie sind aber nur in sehr bescheidenem Umfang dieser Wohnraumerstellung teilhaftig geworden. Wenn, wie z. B. in Köln, ca. 20 % aller beim Wohnungsamt registrierten Wohnungsuchenden junge Familien und 40 % aller Zugänge junge Eheleute sind und wenn, wie meine Erkundungen ergaben, in anderen Orten mit überdurchschnittlichem Wohnungsmangel kaum bessere Zustände herrschen, dann bestätigt dies, daß die Zuteilung der Wohnungen des sozialen Wohnungsbaues und ebenso auch die Bewirtschaftung des Altwohnraumbestandes Mängel aufweisen, die die lebhaften Klagen der jungen Familien berechtigt erscheinen lassen. Jedermann ist bekannt, daß junge Familien mehrere Jahre getrennt leben müssen, weil die Wohnungsämter die Dringlichkeit der Berücksichtigung ihrer Wohnungswünsche fast ausnahmslos nicht anerkennen. Ja, die Wohnungsämter muten ihnen oft zu, freifinanzierte Wohnungen anzumieten, auch wenn sie in bescheidensten Einkommensverhältnissen leben. Sofern sie nicht bei den Eltern unterkommen können, müssen sie daher oft wucherische Untermieten zahlen, die Ersparnisse für die Hausratbeschaffung ausschließen, von der Ansparung von Eigenkapital für die Eigentumsbildung ganz zu schweigen. Diese Erfahrungen Tausender junger Ehen sind geeignet, den Willen zur Eheschließung zu beeinträchtigen. Gerade die junge Ehe, besonders wenn schon Kinder da sind, bedarf zu ihrer individuellen Entfaltung der Geborgenheit eines eigenen Heims, ohne die sich die zahllosen unerfreulichen Weiterungen bis hin zur Ehescheidung ergeben. Wir begrüßen es daher, daß der Herr Bundesminister für Wohnungsbau zur Wohnraumbewirtschaftung bereits einen klärenden Erlaß herausgegeben hat, der feststellt, daß die jungen Ehen bei freiwerdendem Wohnraum des Altbestandes mit zu berücksichtigen sind.
Zur angemessenen Wohnraumversorgung der jungen Familien wird es aber auch notwendig sein, die Einsatzrichtlinien für die Mittel des sozialen Wohnungsbaus dahingehend zu ergänzen, daß, wenn die jungen Familien im Zweiten Wohnungsbaugesetz auch nicht besonders genannt sind, sie keineswegs als Bewerber für Wohnungen des sozialen Wohnungsbaues ausgeschlossen werden dürfen.
Ein großer Teil der jungen Ehen kann sich aus beruflichen Gründen noch nicht örtlich binden. Es gibt jedoch auch sehr viele junge Leute, die kaum mit einem Wohnsitzwechsel rechnen und daher die Eigentumsbildung anstreben. Sie werden allerdings bei zielbewußter Spartätigkeit Jahre benötigen, bis sie die erforderliche Eigenkapitalbasis geschaffen haben, zumal sie in den ersten Jahren für die Vervollkommnung ihres Hausstandes manche Mittel brauchen. Für diese Kreise stellt sich daher die Frage, ob nicht bei der derzeitigen Lage des Kapitalmarktes Möglichkeiten bestehen, die Wartefrist für eine familiengerechte Wohnung im Eigenheim durch eine Starthilfe abzukürzen. Gewiß soll man sich davor hüten, jungen Menschen Lasten zuzumuten, die die Freude am Eigenheim vergällen können. Andererseits steht aber auch fest, daß gerade das Sparen für das eigene Haus und für dessen Entschuldung nicht selten Menschen zu besonderen Leistungen befähigt. Es dürfte daher zu prüfen sein, ob diese Impulse nicht der eigenverantwortlichen Wohnungsversorgung nutzbar gemacht werden können.
Unsere zweite Frage, meine Damen und Herren, bezieht sich auf den zeitlichen Einsatz der öffentlichen Mittel für den sozialen Wohnungsbau. Alle, die auf dem Gebiete des Wohnungsbaues Verantwortung tragen, wissen, daß ein kontinuierlicher Wohnungsbau die hauptsächlichste Vorbedingung für die Qualität der Wohnungsbauleistungen ist. Die fortdauernde Beschäftigung im Wohnungsbau ist auch eine der wesentlichsten Voraussetzungen für Höchstleistungen im Rahmen der gegebenen Baukapazität. Hierfür und für die Durchführung der Bauprogramme, die nach dem Wohnungsbau- und Familienheimgesetz alljährlich aufzustellen sind, ist die rechtzeitige Bereitstellung der öffentlichen Mittel unerläßlich, wie die Erfahrung in der Vergangenheit gezeigt hat.
Wir erinnern uns der nicht weit zurückliegenden Zeiten, als namentlich in der Versorgung der Bauvorhaben mit öffentlichen Mitteln und mit Mitteln des Kapitalmarktes Stockungen eintraten. Es ist auch noch nicht lange her, daß sich die Verabschiedung der öffentlichen Haushalte verzögerte. In jedem Fall ergaben sich Unterbrechungen bei der Abwicklung der Bauprogramme, die nachteilige wirtschaftliche Folgen hatten, nämlich zu nicht unwesentlichen Mehrkosten führten.
Zur Abstellung dieser Mängel hat die gesetzliche Fundierung der Bundesbeiträge für den allgemeinen sozialen Wohnungsbau im Wohnungsbaugesetz ebenso beigetragen wie die Terminbindungen für die Zuteilung der Mittel an die Länder. Leider fehlt eine solche gesetzliche Regelung für den Einsatz der Sonderwohnungsbaumittel für Flüchtlinge und Aussiedler, wenn auch die sogenannten Bindungsermächtigungen erheblich zur Sicherung langfristiger Planungen beigetragen haben.
Angesichts der gegenüber den Vorjahren äußerst günstigen Versorgung des Wohnungsbaus mit ersten Hypotheken dürfte es sicher sein, daß auch für das Jahr 1959 Höchstleistungen im sozialen Wohnungsbau erzielt werden, wenn sämtliche öffentlichen Mittel frühzeitig bereitgestellt werden.
Wir fragen daher die Bundesregierung, ob sichergestellt ist, „daß die allgemeinen Wohnungsbaumittel und die Sondermittel gleichzeitig und rechtzeitig vor Beginn des Baujahres auf die Länder verteilt werden".
Vielleicht ist der Herr Bundesminister für Wohnungsbau auch in der Lage, bei dieser Gelegenheit schon etwas darüber mitzuteilen, ob mit der Bereitstellung ausreichender Mittel für die wohnungsmäßige Unterbringung der Flüchtlinge und Aussiedler auch für das kommende Jahr gerechnet werden kann.
Bekanntlich ist es das ernste Anliegen der Koalitionsparteien, zugleich mit der Behebung des Wohnungsmangels die Eigentumsbildung, besonders in Form des Familienheims, zu fördern. Die Absicht der Initiatoren des Familienheimgesetzentwurfs, eine bestimmte Quote der öffentlichen Mittel für den Familienheimbau zu binden, und auch der Vorschlag der Bundesregierung in ihrem Entwurf des Zweiten Wohnungsbaugesetzes, den Familienheimbewerbern im sozialen Wohnungsbau einen Rechtsanspruch auf Gewährung öffentlicher Mittel einzuräumen, haben sich nicht realisieren lassen. Dafür ist auf Wunsch der Länder im § 30 des Gesetzes das Berichtssystem eingeführt worden. Es bezweckt, den Bedarf an öffentlichen Mitteln zum Bau von Familienheimen und von sonstigen Wohnungen für Einkommenschwache zu ermitteln und die öffentlichen Mittel auf der Grundlage des so ermittelten Bedarfs zu verteilen. In Verbindung mit der Verpflichtung der Bewilligungsstellen, alle Anträge anzunehmen, die die Voraussetzungen für die Bewilligung der öffentlichen Mittel erfüllen, soll namentlich gewährleistet werden, daß die Familienheimanträge der Personen mit geringem Einkommen bei der Verteilung der öffentlichen Mittel in Bund und Ländern entsprechend ihrem Vorrang berücksichtigt werden.
Wir haben Verständnis dafür. daß bei der erstmaligen Berichterstattung zum 30. Juni 1957 wegen der Übergangsschwierigkeiten, die sich aus der Umstellung vom Ersten auf das Zweite Wohnungsbaugesetz ergeben mußten, die Berichte unvollkommen waren. Wir hoffen aber, daß diese Übergangsschwierigkeiten überwunden sind, nachdem das Gesetz seit mehr als zwei Jahren in Kraft ist. Ich halte mich aber für verpflichtet, darauf hinzuweisen, daß mannigfache Beschwerden darüber laut geworden sind, daß Anträge von Familienheimbewerbern, die die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllen, contra legem mit der Bemerkung zurückgewiesen werden, daß keine Aussicht auf Bewilligung öffentlicher Mittel bestehe, oder den Antragstellern gar abgeraten wird, Anträge einzureichen.
Wenn Bewilligungsstellen schon den Familienheimbewerbern mit geringem Einkommen solche Enttäuschungen bereiten, dann ist es nicht verwunderlich, daß andere Familienheimbewerber, die zwar nicht zu dem Personenkreis des § 27, also den Einkommensschwachen, gehören, wohl aber einkommensmäßig die Vorbedingungen für den sozialen Wohnungsbau erfüllen und sehr erhebliche Sparleistungen aufzuweisen haben, geradezu verzweifeln, weil sie jahrelang warten müssen, bis ihnen die öffentlichen Darlehen gewährt werden.
({0})
Die Ernsthaftigkeit des Willens des Gesetzgebers, die Eigentumsbildung zu fördern, wird geradezu in Zweifel gezogen, wenn z. B. schon 1957 die Erlaubnis zum vorzeitigen Baubeginn gegeben, aber bis heute noch nicht das Landesdarlehen gewährt worden ist, wie mir ein Betreuungsunternehmen der privaten Bausparkassen berichtet. Solche und ähnliche Fälle aus der Praxis darf ich der Beachtung des Herrn Bundesministers für Wohnungsbau und der
Herren Landesminister empfehlen, muß vor allem aber der Erwartung meiner Freunde von der CDU/ CSU sowie der DP Ausdruck geben, daß die bindenden Vorschriften des Zweiten Wohnungsbaugesetzes bezüglich der Eigentumsbildung der Wohnungsuchenden mit geringem Einkommen strikt eingehalten werden.
Namens der Koalitionsfraktionen frage ich daher die Bundesregierung, welche Ergebnisse die Berichterstattung der obersten Landesbehörden über die Durchführung des § 30 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes und die Auswertung der noch nicht erledigten Förderungsanträge auf Bewilligung öffentlicher Mittel zum Bau von Familienheimen und von Wohnungen für Wohnungsuchende mit geringem Einkommen aufweisen.
Wir fragen ferner, ob sichergestellt ist, daß alle Anträge auf Bewilligung öffentlicher Mittel zum Bau von Familienheimen von den zuständigen Stellen angenommen werden, und wir fragen schließlich, ob die Zahl der unerledigten Anträge bei der Verteilung der öffentlichen Mittel auf Landesebene berücksichtigt wird, wie es das Gesetz vorschreibt. Die Koalitionsparteien erwarten nicht zuletzt, daß der Bundesminister für Wohnungsbau die Verteilung der Bundeshaushaltsmittel auf die Länder unter Wertung des Gewichts der unerledigten Anträge auf Förderung des Baues von Familienheimen und von Wohnungen für Wohnungsuchende mit geringem Einkommen vornimmt.
In der 13. Plenarsitzung befaßten wir uns eingehend mit dem Wohnungsbau für Zuwanderer und Aussiedler. Im Mittelpunkt dieser Debatte stand die Große Anfrage Drucksache 72, die ebenfalls von der Fraktion der CDU/CSU gemeinsam mit der DP-Fraktion eingebracht worden war. Anlaß zu dieser Anfrage gab die besorgniserregende Stauung im Wohnungsbau für Sowjetzonenflüchtlinge und Aussiedler und die dadurch bedingte Lagernot. Der Verlauf der Beratungen am 26. Februar 1958 gibt zu der Erwartung Anlaß, daß inzwischen eine Besserung eingetreten ist und daß die öffentlichen Mittel für den Kreis der Zuwanderer und Aussiedler zügiger abfließen und eine befriedigende Unterbringung der Sowjetzonenflüchtlinge und Aussiedler gewährleistet sein dürfte. Gleichwohl gehen wir mit unserer Anfrage von der Besorgnis aus, daß angesichts des unaufhörlichen Stroms der Flüchtlinge und Aussiedler deren Unterbringung in Wohnungen vermehrte Anstrengungen aller beteiligten Stellen erheischt.
Daher fragen wir die Bundesregierung, welche Fortschritte im Abfluß der Bundesmittel für diese Personenkreise erzielt worden sind und ob die Bemühungen der Bundesregierung um Erleichterung und Beschleunigung der endgültigen und zumutbaren Unterbringung der Zuwanderer und Aussiedler entsprechende Erfolge gezeitigt haben.
Lassen Sie mich abschließend hierzu noch feststellen: Es ist das ernste Anliegen der Koalitionsparteien, daß die wohnungspolitischen Zielsetzungen des Wohnungsbau- und Familienheimgesetzes beim Einsatz aller öffentlichen Mittel erfüllt werden. Wir erwarten deshalb, daß die riesigen Summen
an Sondermitteln so verwendet werden, daß diese wohnungspolitischen Ziele erreicht werden.
({1})
Das Wort zur Beantwortung der Großen Anfrage hat der Herr Bundesminister für Wohnungsbau.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Namens der Bundesregierung beantworte ich die Große Anfrage der CDU/CSU und der Deutschen Partei wie folgt.
Es ist bedauerlich, daß das Anliegen der Wohnraumversorgung der jungen Familien überhaupt zum Gegenstand einer Großen Anfrage in diesem Hause gemacht werden mußte, da das Wohnungsbau- und Familienheimgesetz bereits ausreichende Handhaben dafür bietet, diesem so wichtigen Anliegen voll zu entsprechen. Nach Auffassung der Bundesregierung muß der Versorgung der jungen Familien mit Wohnungen größte Bedeutung beigemessen werden.
Allerdings liegt die Durchführung des Wohnungsbaues und der Wohnraumbewirtschaftung, wie Sie, meine Damen und Herren, wissen, nach dem Grundgesetz bei den Ländern. Auf diese werden die vom Bund für den sozialen Wohnungsbau bereitgestellten Mittel verteilt und von den Ländern bei der Durchführung ihrer Wohnungsbauprogramme eingesetzt. Die Länder Hamburg und Baden-Württemberg haben, soweit mir bekannt geworden ist, auch bereits entsprechende Maßnahmen ergriffen. In anderen Ländern sind in erster Linie Gemeinden aktiv geworden. Es bleibt aber für den bezeichneten Personenkreis noch sehr viel zu tun übrig, und ich appelliere an die Länder, sich dieses wohnungspolitisch so wichtigen Problems mit Nachdruck anzunehmen.
Gegen eine Durchführung besonderer Maßnahmen zugunsten Jungverheirateter kann nicht etwa eingewendet werden, daß für den allgemeinen sozialen Wohnungsbau, bei dessen Durchführung auch die Wohnbedürfnisse der Jungverheirateten zu berücksichtigen sind, zuwenig Haushaltsmittel zur Verfügung stünden und zunächst einmal die im II. Wohnungsbaugesetz vorgesehene Degression der Bundeshaushaltsmittel beseitigt werden müsse, wenn man derartige Aufgaben wirksam durchführen wolle. Dieser Auffassung liegt der Irrtum zugrunde, daß die Finanzierung des sozialen Wohnungsbaues durch die öffentliche Hand allein in Form von öffentlichen Baudarlehen erfolgen könne. Demgegenüber weise ich darauf hin, daß die Wirksamkeit der zur Verfügung stehenden öffentlichen Mittel durch Ergänzung der noch vorherrschenden Kapitalsubventionierung durch befristete Beihilfen zu den Aufwendungen wesentlich erhöht werden kann mit dem Ergebnis, daß auch der Wohnraumbedarf der jungen Familien besser berücksichtigt werden kann. Durch derartige Maßnahmen kann auch die allmähliche Degression der Bundeshaushaltsmittel, wie sie im Zweiten Wohnungsbaugesetz vorgesehen ist, mehr als ausgeglichen werden.
Von diesen elastischen Finanzierungsmöglichkeiten, die das Zweite Wohnungsbaugesetz bietet, haben bisher leider nur einige Länder Gebrauch gemacht. Ich habe die Wiederaufbauminister der Länder darauf erst kürzlich noch einmal hingewiesen.
Die Möglichkeiten der Bundesregierung, zu derartigen von den Ländern zu ergreifenden Maßnahmen zusätzlich etwas zu tun, sind bei der erwähnten Regelung der Zuständigkeit für die Durchführung des Wohnungsbaues begrenzt. Um jedoch das Anliegen einer angemessenen Wohnraumversorgung der jungen Familien nach Kräften zu unterstützen, habe ich folgende Maßnahmen ergriffen.
1. In den Einsatzrichtlinien für die Bundesmittel zur Förderung des sozialen Wohnungsbaues für das Baujahr 1959 wird die Auflage erteilt, daß innerhalb der im Wohnungsbau- und Familienheimgesetz festgelegten Rangstufen auch für junge Familien der Familienheimbau bevorzugt zu fördern ist.
2. In einem Rundschreiben vom 11. Oktober 1958 an die für die Wohnraumbewirtschaftung zuständigen obersten Landesbehörden wurde die stärkere Berücksichtigung junger Familien bei der Zuteilung von Wohnungen erbeten. Dabei ist nochmals zum Ausdruck gebracht worden, daß bei der Wohnungszuteilung für junge Familien nicht nur die persönlichen Verhältnisse, sondern auch gewichtige familien- und sozialpolitische Gesichtspunkte eine vordringliche Behandlung rechtfertigen. Schließlich wurde darauf hingewiesen, daß es sich durchaus rechtfertigen läßt, schon Verlobte als Wohnungsuchende für eine Familienwohnung in die Vormerklisten der Wohnungsbehörden eintragen zu lassen. Die bisher in der Regel geübte Praxis, die Eintragung von der Vorlage einer Bescheinigung über die standesamtliche Trauung abhängig zu machen, sollte nicht mehr aufrechterhalten werden.
({0})
3. Den jungen Familien soll eine Starthilfe zur Aufbringung fehlenden Eigenkapitals für den Bau eines Familienheims gegeben werden. Es ist beabsichtigt, mit Wirkung vom 1. Januar 1959 an für Zwecke des Eigenkapitalersatzes zum Bau von Familienheimen für junge Familien durch Gewährung von Zinszuschüssen zusätzliche Finanzierungsmittel von 80 bis 100 Millionen DM Kapitalmarktmittel zu mobilisieren, unter der Voraussetzung, daß das Hohe Haus und der Bundesrat im Rahmen des Haushaltsgesetzes dieser Maßnahme zustimmen. Die Bundesregierung hat die Zustimmung zu dieser Maßnahme bereits erteilt.
Meine Damen und Herren! So wertvoll diese Hilfen zur Beschaffung einer geeigneten Wohnung oder eines Familienheimes auch sein mögen, soll doch bei dieser Gelegenheit auch ein Appell an unsere jungen Familien gerichtet werden, diese staatliche Hilfe durch Sparleistung und auch manuelle Selbsthilfe nachdrücklich zu unterstützen. Voraussetzung für jede staatliche Hilfe muß die Ausschöpfung der eigenen Möglichkeiten sein.
Ich hoffe, daß es den gemeinsamen Anstrengungen von Bund, Ländern und Gemeinden und den betroffenen jungen Familien gelingen wird, mit
dieser für unser ganzes Volk so wichtigen Frage endlich und recht bald fertig zu werden.
Zur Frage 2, die sich mit der einheitlichen Planung und kontinuierlichen Durchführung des sozialen Wohnungsbaues in seiner Gesamtheit befaßt, darf ich wie folgt Stellung nehmen.
Die einheitliche Planung und kontinuierliche Durchführung des sozialen Wohnungsbaues in seiner Gesamtheit bilden auch nach Meinung der Bundesregierung eine wesentliche Voraussetzung für die reibungslose und beschleunigte Durchführung des Wohnungsbaues sowie die Erreichung der Ziele des Zweiten Wohnungsbaugesetzes. Wie ich bereits bei der Beantwortung der Großen Anfrage der Regierungsparteien am 26. Februar dieses Jahres vor dem Hohen Hause zum Ausdruck bringen durfte, betrachtet die Bundesregierung die namentlich für Flüchtlinge und andere Bevölkerungsgruppen getroffenen Förderungsmaßnahmen als Sonderfinanzierungsmaßnahmen, die in die allgemeine Wohnungsbauplanung eingefügt werden können und somit den übergeordneten Zielsetzungen des Zweiten Wohnungsbaugesetzes entsprechen. Das bedeutet, daß unter allen Umständen Ghettobildungen und Primitivlösungen vermieden werden müssen. Das bedeutet aber auch, daß mit den Sondermitteln der Eigentumsbildung gemäß den Grundsätzen des Zweiten Wohnungsbaugesetzes unbedingt der Vorrang zu geben ist, daß also auch diese Sondermittel für diesen Zweck in stärkerem Ausmaße genutzt werden sollen.
Erfreulicherweise hat sich die Wohnungsbaupraxis zunehmend des Vorratseigenheimbaues auch für Flüchtlinge und Aussiedler angenommen. Naturgemäß ist die Zahl der Bewerber aus diesem Personenkreis für ein Familienheim zunächst beschränkt. Zur Vermeidung von Fehlinvestitionen und Fehllenkungen im Wohnungsbau sollten aber mehr als bisher Wohnungen in Form der Familienheime gebaut werden, die nach einem zwischenzeitlichen Mietverhältnis den Bewohnern zu Eigentum übertragen werden können, sobald die Flüchtlinge und Aussiedler hier besser Fuß gefaßt haben,
Das hervorragende Mittel für die Erreichung der Ziele des Zweiten Wohnungsbaugesetzes sieht jedoch die Bundesregierung dm Wohnungstausch. Hier kommt sowohl der Vorwegtausch wie der Tausch im Zeitpunkt der Fertigstellung der Wohnung in Betracht, unter der Voraussetzung, daß gleichzeitig die durch den mit den Sondermitteln geförderten Neubau frei werdende Wohnung oder eine sonstige zumutbare Ersatzwohnung gleichzeitig Flüchtlingen oder Aussiedlern zur Verfügung gestellt wird. Damit kommen die Sondermittel zugleich sowohl den Wohnungsbedürfnissen der bereits ansässigen Bevölkerung wie auch den Flüchtlingen und Aussiedlern zugute, die auch in diesen Wochen und Monaten tin die Bundesrepublik einströmen. Diese haben überdies den Vorteil, daß sie die billigeren Altwohnungen bekommen können. Sie können den finanziellen Vorteil gegenüber den etwas teureren, gelegentlich auch erheblich teureren Neubauwohnungen für sich nutzen.
Die Bundesregierung wird die von ihr angestrebte Planung und Durchführung einheitlicher Gesamtwohnungsbauprogramme weiter fördern. Dazu beabsichtigt sie, die im Bundeshaushalt 1959 eingesetzten Sondermittel noch vor Ende des Jahres 1958 auf die Länder zu verteilen, und zwar wiederum auf der Grundlage der sogenannten KanzlerLösung. Das gilt jedoch nicht für die im neuen Bundeshaushaltsplan wieder vorgesehene Bindungsermächtigung in Höhe von 500 Millionen DM zugunsten der im kommenden Haushaltsjahr zu erwartenden Flüchtlinge und Aussiedler. Aber auch diese Mittel werden im Bedarfsfall so frühzeitig wie möglich zur Verplanung freigegeben werden, sobald die Einsatzbedingungen hierfür feststehen. Auf diese Weise hat die Bundesregierung schon in den Jahren 1957 und 1958 die Kontinuierlichkeit des Wohnungsbaues sichergestellt, indem sie den Ländern auf Antrag die angeforderten Beträge aus der zusätzlichen Bindungsermächtigung zur vorzeitigen Verplanung freigegeben hat.
Zur Erreichung des von der Bundesregierung angestrebten Zieles ist es jedoch notwendig, daß die Bundesmittel auch von den Ländern gleichzeitig und rechtzeitig zusammen mit den entsprechenden Landesmitteln eingesetzt werden.
Um den Einsatz der Mittel zu beschleunigen, wird die Bundesregierung weiter darauf bedacht sein, nicht mehr Bindungen aufzuerlegen als notwendig. Die Bundesregierung wird dagegen bemüht sein, mit den Ländern zu einer Vereinbarung über eine wirksame Kontrolle zu gelangen. Diese Kontrolle soll sicherstellen, daß die der Höhe der bewilligten Mittel entsprechende Zahl von Flüchtlingen und Aussiedlern zumutbar untergebracht wird.
Zu Frage 3, die sich mit dem Berichterstattungssystem des Zweiten Wohnungsbaugesetzes befaßt, darf ich wie folgt antworten:
Die Berichte der obersten Landesbehörden über die Durchführung des § 30 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes und die Auswertung der noch nicht erledigten Förderungsanträge waren erstmalig zum Stichtag vom 30. Juni 1957 zu erstatten. Auf Grund von Anlaufschwierigkeiten waren diese Berichte jedoch noch unvollständig und lückenhaft. Sie konnten deshalb auch nicht, wie das vorgesehen war, bei der Verteilung der Bundeshaushaltsmittel für das verflossene Jahr, also für das Haushaltsjahr 1958, die Ende 1957 erfolgte, berücksichtigt werden.
Für das Jahr 1958 liegen die Ergebnisse der Berichte der Länder über die unerledigten Anträge auf Förderung des Baues von Familienheimen und sonstigen Wohnungen für Wohnungsuchende mit geringem Einkommen, die zum 30. Juni 1958 zu erstatten waren, nunmehr vor. Diese zeigen gegenüber 1957 eine wesentliche Verbesserung, wenn sie auch jetzt noch gewisse Mängel aufweisen. Ich bin aber weiter um eine laufende Verbesserung der Berichterstattung, insbesondere bei den Annahme- und Bewilligungsstellen, bemüht. Jedenfalls werden die Ergebnisse der diesjährigen Berichterstattung eine wichtige Grundlage für die Verteilung der Bundeshaushaltsmittel für 1959 bilden. Dies wird sich bei den Ländern, die die Berichte unter
genauer Beachtung der gemeinsam erarbeiteten technischen Anweisung erstattet haben, naturgemäß entsprechend auswirken.
Nach den Meldungen lagen am 30. Juni 1958 bei den Bewilligungs- und Annahmestellen der Länder einschließlich Berlin ({1}) die Anträge für rund 83 000 Familienheime mit rund 122 000 Wohnungen der Rangstufen I und II vor. Außer diesen Anträgen auf Förderung von Familienheimen sind weitere Anträge für die Förderung von rund 69 000 sonstigen Wohnungen der Rangstufe II für Wohnungsuchende mit geringem Einkommen unerledigt geblieben. Es ergibt sich demnach auf Grund der Länderberichte, daß Mitte dieses Jahres unerledigte Anträge auf Bewilligung öffentlicher Mittel für insgesamt rund 192 000 Vorrangwohnungen im Bundesgebiet einschließlich Berlin ({2}) vorlagen. Dabei zeigt sich, daß von den Förderungsanträgen für sogenannte Vorrangwohnungen insgesamt im Bundesgebiet rund 70 v. H. auf Wohnungen in Familienheimen kamen. Hierin kommt besonders deutlich der Wunsch weiter Volkskreise nach einem Eigenheim zum Ausdruck. Besonders verbreitet ist dieser Wunsch - und das ist eine Überraschung des Berichts - auch unter den Minderbemittelten. Denn von den Minderbemittelten stammen drei Fünftel der Anträge, die Mitte 1958 noch unberücksichtigt bleiben mußten. Die Statistik der unerledigten Anträge verdeutlicht aber auch ein zunehmendes Bedürfnis nach Förderung des Familienheimes. So war die Zahl der diesbezüglich unerledigten Anträge Ende Juni dieses Jahres um 12% höher als die Zahl der Familienheime, für die im voraufgegangenen Jahr öffentliche Mittel bewilligt wurden. Von minderbemittelten Wohnungsuchenden lagen ein Viertel mehr unerledigte Familienheimanträge vor, als im Jahre zuvor gefördert werden konnten.
Es wird weiter gefragt: Ist sichergestellt, daß alle Anträge auf Bewilligung öffentlicher Mittel zum Bau von Familienheimen von den zuständigen Bewilligungsstellen, Gemeinden usw. angenommen werden?
Meine Damen und Herren, gemeinsam mit den Ländern und dem Statistischen Bundesamt hat der Bundesminister für Wohnungsbau einen „Plan für die Berichterstattung über die Anträge auf Bewilligung von Mitteln des öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbaues" vom 3. Mai 1957 ausgearbeitet. Darin ist auch festgelegt, daß alle Anträge auf Bewilligung öffentlicher Mittel zum Bau von Familienheimen mit Ausnahme der offensichtlich nicht fördederungsfähigen Anträge entgegengenommen werden müssen, auch wenn im Zeitpunkt der Antragstellung öffentliche Mittel zur Förderung der Bauvorhaben nicht zur Verfügung stehen. Dieser im Zweiten Wohnungsbaugesetz enthaltenen Verpflichtung der zuständigen Stellen tin den Ländern wird der Bundesminister für Wohnungsbau dadurch verstärkten Nachdruck verleihen, daß er in ,den Richtlinien, die die Länder beim Einsatz der Baumittel für den sozialen Wohnungsbau 1959 zu beachten haben, nochmals auf die gesetzliche Verpflichtung zur Antragsannahme aufmerksam macht und dabei klarstellt, welche Anträge als offensichtlich nicht förderungsfähig anzusehen und deshalb nicht anzunehmen sind. Ich hoffe, daß bei der nächstjährigen Berichterstattung die zur Zeit noch bestehenden Mängel weitgehend behoben sein werden.
In der Großen Anfrage wird weiter gefragt:
Wird die Zahl der unerledigten Anträge bei der Verteilung der öffentlichen Mittel auf Landesebene berücksichtigt?
Die für das Wohnungs- und Siedlungswesen zuständigen obersten Landesbehörden sind nach § 30 Abs. 1 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes verpflichtet, bei der Mittelverteilung dafür zu sorgen, daß die unerledigten Anträge nach Maßgabe dieser Vorschrift berücksichtigt werden, um den Mittelbedarf der Bewilligungsstellen für die Förderung der dort vorliegenden Anträge den Rangstufen entsprechend decken zu können. In einem Rundschreiben vom 1. September 1958 hat der Bundesminister für Wohnungsbau die Länder nochmals auf die Beachtung dieser Vorschrift hingewiesen.
Nach § 32 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes haben die für das Wohnungs- und Siedlungswesen zuständigen obersten Landesbehörden dem Bundesminister für Wohnungsbau jährlich u. a. über die nach § 30 Abs. 1 vorgenommenen Mittelverteilungen zu berichten. Da diese Berichte noch nicht vorliegen, sollen die Länder erneut aufgefordert werden, sie einzureichen.
Schließlich fragt das Hohe Haus durch die Koalitionsparteien:
Ist gewährleistet, daß die Verteilung der Bundeshaushaltsmittel unter Wertung des Gewichts der unerledigten Anträge auf Förderung des Baues von Familienheimen und von Wohnungen für Wohnungsuchende mit geringem Einkommen erfolgt?
Die Antwort der Bundesregierung lautet: Es ist beabsichtigt, im Schlüssel für die Verteilung der Bundeshaushaltsmittel 1959 die unerledigten Anträge auf Förderung des Baues von Familienheimen und von Wohnungen für Wohnungsuchende mit geringem Einkommen neben dem Wohnungsfehlbestand zu berücksichtigen.
Zur Frage 4 der Großen Anfrage, die den Wohnungsbau für Zuwanderer, Flüchtlinge und Aussiedler betrifft, ergeht folgende Antwort der Bundesregierung. Die nachhaltigen und energischen Bemühungen der Bundesregierung zur Erleichterung und Beschleunigung der endgültig unzumutbaren Unterbringung der Zuwanderer und Aussiedler haben bereits zu deutlichen Erfolgen geführt.
Dazu folgende Zahlen: Im Monatsdurchschnitt des Jahres 1953 wurden Bundesmittel für rund 3400 Wohnungen für diesen Personenkreis bewilligt. Im Jahre 1954 waren es rund 1500 Wohnungen. Die Zahl stieg über rund 2000 im Jahre 1955 auf rund 2600 im Jahre 1956. Im Jahre 1957 betrug die Zahl der so geförderten Wohnungen monatlich 2800. Sie stieg im Monatsdurchschnitt des ersten Halbjahres 1958 auf 6000, stand im Juli 1958 bei rund 9400 und belief sich im August 1958 auf 11 600.
({3})
Im September 1958 erreichten die so geförderten Wohnungen die Zahl von 11 800. Die durchschnittliche monatliche Baufertigstellung der Wohnungen folgt diesen Zahlen. Sie stieg in der gleichen Zeit von etwas mehr als 1000 Wohnungen auf über 3200 im ersten Halbjahr 1958 und auf über 4000 Wohnungen im September dieses Jahres. Entsprechend den steigenden Bewilligungszahlen weist sie mit einigem zeitlichen Abstand ebenfalls eine progressiv steigende Tendenz auf. Den wachsenden Zahlen fertiggestellter Wohnungen folgt - wiederum in der gleichen Proportion - eine steigende Anzahl von endgültigen Unterbringungen von Flüchtlingen und Aussiedlern.
({4})
Sie haben die Beantwortung der Großen Anfrage der Fraktionen der CDU/CSU und der DP gehört. Ich frage zunächst die Herren Berichterstatter, ob sie das Wort zu den Punkten 1 b und 1 c der Tagesordnung nehmen wollen. Herr Abgeordneter von Bodelschwingh, Sie sind Berichterstatter für den Gesetzentwurf der Fraktion der SPD zur Änderung des Zweiten Wohnungsbaugesetzes. Wollen Sie dazu das Wort nehmen?
({0})
- Sie verweisen auf den Schriftlichen Bericht. Ich bedanke mich. Herr Abgeordneter Dr. Czaja?
({1})
- Desgleichen. Ich frage noch den Berichterstatter für den Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung, Herrn Abgeordneten Baier ({2}).
({3})
- Sie verzichten und verweisen auf den Schriftlichen Bericht.
Die Herren Berichterstatter verzichten. Meine Damen und Herren, dann schlage ich vor, so zu verfahren, daß die grundsätzlichen Fragen der Tagesordnungspunkte 1 b und 1 c jetzt in der allgemeinen Aussprache mit verhandelt werden. Ich muß aber nachher die Vorlagen aufrufen, weil auf jeden Fall der Gesetzentwurf mit jeder einzelnen Vorschrift aufgerufen und darüber abgestimmt werden muß.
Wir kommen also jetzt zur allgemeinen Aussprache zu den Punkten 1 a, 1 b und 1 c. Wird das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Dr. Brecht!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte eine Vorbemerkung machen, In der Presse ist teilweise so berichtet worden und in den Ausführungen von Herrn Dr. Hesberg ist es angeklungen, als ob wir heute eine große Wohnungsbaudebatte führten. Tatsächlich wollen wir uns, glaube ich, auf die wesentlichen Punkte der Großen Anfrage der Fraktionen der CDU/CSU und der DP beschränken. Wir bringen also gar nicht alle Fragen zur Sprache, die man in einer großen Wohnungsbaudebatte etwa erörtern müßte. So sprechen wir ,beispielsweise von dem größten Problem des Wohnungsbaus heute überhaupt nicht, nämlich von der Baulandnot, der Schwierigkeit, Baugelände zu angemessenen Preisen zu beschaffen. Wir sprechen auch nicht von der Umschaltung der Finanzierung, die der Herr Wohnungsbauminister nur ganz kurz anklingen ließ. Wir sprechen schließlich auch nicht von den Mieten oder dem, was der Herr Bundeswohnungsbauminister schon so oft in seinen Reden angekündigt hat, nämlich von dem Übergang der Wohnungswirtschaft zu mehr marktwirtschaftlichen Formen. All das scheidet heute aus. Ich verstehe das durchaus; denn die Behandlung der vier Fragen, die hier gestellt worden sind, ist für die Reden, die gegenwärtig draußen im Lande gehalten werden, trächtiger als die Erörterung der übrigen Probleme.
Ich möchte mich deshalb zunächst mit den vier Fragen beschäftigen. Bezüglich der ersten Frage - Versorgung junger Familien mit Wohnraum - kann man auch von unserem Standpunkt aus der Großen Anfrage der CDU/CSU- und der DP-Fraktion zustimmen, in der gesagt wird: Der Versorgung junger Familien mit Wohnraum wird im ganzen unzureichend Rechnung getragen. Das ist längst auch unsere Auffassung. Wir sind aber zu dieser Erkenntnis nicht erst gekommen, als diese Anfrage hier eingebracht worden ist, sondern wir haben uns bereits anläßlich der dritten Beratung des Haushaltsplans sehr eingehend diesem Thema zugewendet. Mit gütiger Erlaubnis des Herrn Präsidenten darf ich aus den Ausführungen, die ich damals gemacht habe, wenige Sätze verlesen. Ich habe damals gesagt:
Zu den schon in der zweiten Lesung vorgetragenen Gründen fügen wir noch einen besonderen hinzu. Die 70 Millionen DM sollen gebunden und für die Bevölkerungskreise verwendet werden, die am dringlichsten versorgt werden müssen, nämlich junge Familien, junge Ehen. Man kann nicht immer nur von Familienpolitik sprechen, sondern man muß auch einmal materiell durch den Ansatz von Mitteln etwas Besonderes tun.
Ich fuhr dann fort:
Wir bitten Sie deshalb, diese 70 Millionen DM für die Wohnungsversorgung junger Familien einzusetzen.
Es ist also nicht so, wie teilweise in der Presse gesagt wurde, als ob es erst dieser Anfrage bedurft hätte, um dieses Problem aufzuwerfen und vor die Öffentlichkeit zu bringen. Wir haben die Versorgung junger Familien mit Wohnraum nicht nur allgemein und propagandistisch, sondern ganz konkret in einem Antrag behandelt, den Sie damals mit auf Veranlassung des Herrn Bundeswohnungsbauministers abgelehnt haben.
Erst nachträglich haben wir von einem Erlaß des Herrn Bundeswohnungsbauministers vom 28. April Kenntnis bekommen, in dem dieses Thema bereits angeschnitten wurde. Wir haben uns daher darüber
gewundert, daß, obwohl die Bedeutung dieser Frage
schon Ende April klar erkannt worden war, unser
Antrag am 4. Juli dann doch abgelehnt worden ist.
Verschiedene Länder - darauf hat der Herr Bundeswohnungsbauminister mit Recht hingewiesen - haben dann helfend eingegriffen; so Hamburg und Baden-Württemberg auf Grund eines SPD-Antrags und Berlin, das eine Sonderaktion durchführte. Auch einige Städte, wie Frankfurt, Wiesbaden und Offenbach, beteiligten sich.
Im übrigen hat uns gewundert, daß in den Erklärungen der Bundesregierung die Größe und die Bedeutung dieses Problems nicht klar herausgestellt worden sind. Ich habe schon am 4. Juli darauf hingewiesen, daß wir in den nächsten Jahren einen steigenden Bedarf an Wohnungen haben werden, weil gegenwärtig - darauf hat Herr Dr. Hesberg bereits hingewiesen - jährlich etwa 180- bis 200 000 Familien mehr neu gegründet werden, als durch den Tod entfallen. Das bedeutet, daß wir in fünf Jahren einen zusätzlichen Bedarf von einer Million Wohnungen ausschließlich für junge Familien haben. Über ein Drittel des Gesamtbedarfs an Wohnungen ist also heute echter Bedarf junger Familien. Daher müssen die Ansätze zur Überwindung dieser Not wesentlich anders aussehen, als wir es hier gehört haben.
Man kann aber das Problem nicht nur statistisch, nur wohnungsbaurechtlich oder nur haushaltsrechtlich sehen. Vielmehr muß man in erster Linie von der ungewöhnlichen menschlichen Not ausgehen, unter der die jungen Familien leiden. Man muß die Sorge dieser jungen Leute, ihrer Familien und ihrer Eltern berücksichtigen, die sich nicht zu helfen wissen. Ihnen wird genau wie mir bekannt sein, daß viele junge Familien irgendwo in Untermiete in einem Leerzimmer hausen oder bei den Eltern wohnen müssen. Viele junge Familien sind auseinandergerissen: der eine Ehegatte wohnt in einem Zimmer zur Untermiete, der andere bei den Eltern, oder beide wohnen getrennt in Zimmern zur Untermiete. Grausame Zustände! Diese Situation muß mit allen Mitteln schnell überwunden werden.
Dabei wollen die jungen Menschen gar nicht etwa groß bevorzugt werden. Sie sind durchaus bescheiden. Sie wissen, daß sie keine bessere Wohnungsversorgung beanspruchen können als andere, die ebenso dringend oder noch dringender auf eine Wohnung angewiesen sind. Das, was in dem Waage-Inserat vor einiger Zeit in der Presse zum Ausdruck kam, stimmt schon. Da hieß es: „Morgen zieht das junge Paar ein, und nichts hat die beiden mehr gefreut." Allerdings war diesem Waage-Inserat - das darf ich nebenbei sagen - ein völlig unmöglicher und unbrauchbarer Grundriß beigefügt. Aber das spielt hier keine Rolle.
Die jungen Familien möchten einmal aus dieser Hoffnungslosigkeit herauskommen. Sie möchten es einmal erleben, daß sie nicht immer und immer nur zurückgestellt werden, sondern auch einmal ans Ziel kommen. Sie wollen gar nicht ein üppiges, großes Eigenheim haben. Sie wissen, daß dafür zunächst eine gewisse Lebensarbeit erforderlich ist, die nicht schon am Anfang ihrer Ehe stehen kann. Sie wollen sich durchaus mit Wohnungen begnügen, die in Größe und Ausstattung ihren dringendsten Bedarf befriedigen. Man sollte diesen wirklich vordringlichen Bedarf an Wohnungen für junge Familien nicht vorwiegend auf das Gebiet der Förderung von Familienheimen abdrängen, wie das in der Erklärung der Bundesregierung geschehen ist. Da liegt nicht die Lösung des Problems. Junge Familien haben zunächst ganz andere Bedürfnisse als die Versorgung mit einem Eigenheim; sie müssen erst Hausrat anschaffen usw., sie können die großen Lasten für ein Eigenheim vorerst gar nicht aufbringen. Viele wollen auch gar nicht sofort die berufliche Bindung an den Ort eines Eigenheims; sie sagen nicht: Hier bleibe ich und werde mich nie mehr beruflich verändern. Das sollte man doch bei all den Maßnahmen berücksichtigen, die hier getroffen werden. Man sollte auch bedenken: Auch die jungen Familien, die sich kein Eigenheim leisten können, sind Familien, die man genauso in die Familienpolitik einschließen muß wie alle anderen.
({0})
Im übrigen glaube ich, daß der Hinweis auf die Förderung des Baues von Familienheimen durch das Zweite Wohnungsbaugesetz gerade für junge Familien - mindestens so, wie es dargestellt worden ist, Herr Minister - rechtlich nicht zutrifft. Eine junge Familie wird es nämlich nach dem Zweiten Wohnungsbaugesetz, wenn sie ihre Ranggrenzen genau einhält, in aller Regel nie erreichen, ein Familienheim im ersten Rang zu bekommen. Denn die junge Familie stellt keine Ersatzwohnung zur Verfügung. Die junge Familie hat in der Regel ein Einkommen - wenn zwei verdienen -, das über der Mindestgrenze des Einkommens für Bevölkerungskreise mit geringem Einkommen liegt. Die jungen Familien gehören in der Regel auch nicht zu den „Gleichgestellten", die man da berücksichtigen kann. Es bleibt also höchstens übrig, daß die jungen Familien in die zweite Rangstufe kommen. Aber wir wissen bereits, daß bei soundso viel Bewilligungsstellen die Mittel der ersten Rangstufe für anderen Bedarf voll verbraucht werden, so daß da nichts übrigbleibt. Im übrigen: sollen denn nur solche Leute zu einem Eigenheim kommen, die etwa gut betuchte Väter oder Eltern haben, die ihnen die Lasten eines solchen Eigenheims tragen helfen oder Einsatz von Eigenkapital bieten können?
Sie ersehen daraus, meine Damen und Herren, wie dringend notwendig eine Reform des Zweiten Wohnungsbaugesetzes ist. Hier erweist sich wieder einmal, wie richtig der Sinn des SPD-Antrags ist, die Einkommensgrenze der Bevölkerungskreise mit geringem Einkommen anzuheben. Dann kann man auch einer jungen Familie, wenn beide Gatten tätig sind und wenn sie zusammen über 300 DM Einkommen haben, zu einem Familienheim verhelfen. Sie sollten das zum Anlaß nehmen, unseren Antrag auf Änderung des Zweiten Wohnungsbaugesetzes doch noch einmal ernsthaft zu prüfen.
Der Herr Minister hat gesagt - das war wohl das Wesentliche der Maßnahmen, die er ergreifen will -, daß er 80 bis 100 Millionen DM auf dem
Kapitalmarkt zu beschaffen hofft und daß er dafür Zinszuschüsse gibt. Das Entscheidende ist, daß er gesagt hat: für das Eigenkapital. Es ist also nicht so, daß damit die Gesamtkosten gedeckt werden, das betrifft nur die Spitze. Die Leute müssen also in soundso viel Fällen, wenn sie nicht zu untragbaren Lasten kommen wollen, außer den Kapitalmarktmitteln noch öffentliche Mittel haben. Sonst können die jungen Familien die Lasten der Finanzierung durch den Kapitalmarkt, der zweiten, meinetwegen der Bausparkassenhypothek, nicht tragen, und die ganze Sache bleibt irreal.
Es hat doch keinen Zweck, einem derart ernsten und wirklich großen sozialen und soziologischen Anliegen mit einer solchen Maßnahme allein gerecht werden zu wollen. Sie haben gesagt: Wir werden es dann eben im Wege der Wohnraumbewirtschaftung lösen, dadurch, daß wir bei der Verteilung von Wohnungen die jungen Familien mehr berücksichtigen. Schön und gut, Herr Minister. Wir wollen uns aber darüber klar sein, was das bedeutet: Von den Wohnungsämtern werden dann andere Bewerber, die vielleicht genauso dringend, vielleicht noch dringender Wohnungen brauchen, zurückgestellt werden. Allein dadurch, daß Sie in einer Notsituation, in der zu wenig Wohnungen da sind, die vorhandenen Wohnungen anders verteilen, lösen Sie das Problem der Versorgung junger Familien mit Wohnungen nicht. Damit nehmen Sie die Wohnungen nur anderen weg.
Natürlich können Sie einen Erlaß herausbringen, in dem gesagt wird, daß künftig schon die Verlobten in die Vormerklisten aufgenommen werden sollen. Das ist schön. Meinetwegen mag es morgen in leuchtenden Lettern in der ganzen Presse als große Maßnahme stehen. Aber das ist doch nichts Reales.
({1})
Dadurch bekommen die Leute doch keine Wohnungen. Man bekommt doch nicht schon die Wohnung, weil man früher in die Vormerklisten eingetragen wird. Was nützt es, wenn ich dann die erforderliche Dringlichkeitsstufe deshalb nicht erreiche, weil soundso viele Punkte gefordert werden und ich an die Punktzahl nicht herankomme? Damit ist es nicht zu machen. Das ist eine Maßnahme, die man treffen kann; sie bringt aber keine Lösung des ganzen Problems.
Der § 17 des Wohnraumbewirtschaftungsgesetzes steht im übrigen nach wie vor dieser Lösung entgegen. Wenn zwei Familien da sind, eine junge und eine ältere Familie, die die gleichen sozialen Tatbestände aufweisen, dann muß das Wohnungsamt der anderen Familie die Wohnung zuweisen, wenn sie länger vorgemerkt ist. Daran führt im Augenblick kein Weg vorbei.
Zustimmen möchte ich Ihrem Gedanken, Herr Minister, daß man durch alle diese Maßnahmen die jungen Leute dazu bringen soll, möglichst schon vor der Eheschließung durch eine Sparleistung zu ihrer Versorgung mit Wohnraum beizutragen. Aber was heißt das, Herr Minister? Ich kann Ihnen Hunderte von Beispielen nennen, in denen junge Leute mit 14, 16 Jahren einer Genossenschaft beigetreten sind, laufend ihre Anteile bezahlt und ihre Spargelder eingebracht haben. Wenn sie nun heiraten - sie haben darauf gewartet, daß sie jetzt eine Wohnung bekommen -, kommen sie nicht zum Zuge, weil dank des Zweiten Wohnungsbaugesetzes in solchen Fällen die Maßnahmen nicht mehr voll wirksam werden, wenn es sich nicht um Familienheime handelt. Es müßte deshalb sehr ernsthaft überlegt werden, ob man den Leuten, die eine solche Spartätigkeit entwickeln und nach dem Grundsatz: Selbsthilfe vor Staatshilfe - Ihr eigener Grundsatz - gehandelt haben, nicht mindestens die gleichen Chancen verschaffen sollte wie denen, für die das Familienheimgesetz in Frage kommt.
Ich glaube also, daß es so nicht geht. Was ich vorschlage, ist für Sie, Herr Minister, zwar schwer und unangenehm. Aber es bleibt Ihnen nichts anderes übrig, als zu sagen: Wenn wir für junge Familien wirklich etwas Reales, etwas Durchgreifendes tun wollen, etwas, was einen Sinn hat, dann müssen wir auf den SPD-Antrag zurückgreifen und dürfen nicht jedes Jahr die Förderung des Wohnungsbaus um 70 Millionen DM kürzen, sondern müssen diesen Betrag künftig wieder zur Verfügung stellen.
({2})
Herr Minister, Sie können mir nicht einwenden: Ja, das braucht man gar nicht bei der Kapitalsubvention. Wir wollen die 70 Millionen DM gar nicht unbedingt für Kapitalsubventionen eingesetzt haben. Sie können sie sehr wohl anders einsetzen, etwa in der Form einer gemischten Subvention mit Zins- oder Aufwendungszuschüssen und teilweiser Kapitalsubvention. Wir sind auf dem Gebiet gar nicht starr und stur. Wir dürfen auch einmal darauf hinweisen, daß die Länder Hamburg, Bremen und - an dritter Stelle - Hessen diejenigen sind, die prozentual im Übergang von der Kapitalsubvention zur Zins- oder Aufwendungssubvention an der Spitze stehen. Andere Länder - ,ich will sie nicht nennen - stehen hinten und haben hundertprozentig an der Kapitalsubvention festgehalten. Dagegen haben die genannten sozialdemokratisch geleiteten Länder den Übergang von der Kapitalsubvention zur Aufwendungssubvention am stärksten mitgemacht, wie aus den neuesten Statistiken hervorgeht.
({3})
- Herr Dr. Czaja, das weiß ich sehr wohl. Der Herr Minister hat aber nicht diese Form gemeint, sondern den Übergang von der Kapitalsubvention zur Aufwendungssubvention in der Form, wie sie im Zweiten Wohnungsbaugesetz unzulänglich vorgesehen ist.
Nebenbei gesagt, Herr Minister: Wenn Sie den Übergang von der Kapitalsubvention zur Zinssubvention in großem Stil haben wollen, dann müssen Sie bereit sein, das Tabu und die Bestimmungen des Zweiten Wohnungsbaugesetzes, die diesen Übergang hemmen, aufzuheben.
({4})
Kein Mensch kann von den Ländern verlangen, daß sie zins- und tilgungspflichtige Darlehen geben und dabei einmalige oder sich wiederholende Zuschüsse geben sollen. Damit wird doch die ganze Finanzlast auf die Länder verlagert.
Wir sind durchaus mit Ihnen einer Meinung: Nehmen Sie die 70 Millionen! Aber wählen Sie nicht die Kapitalsubvention, sondern meinetwegen eine gemischte Subvention. Ich habe mir einmal folgendes ausgerechnet. Wenn Sie die 70 Millionen in Form einer Kapitalsubvention gemischt mit einer Zinssubvention verwenden, dann kommen Sie, wenn Sie 5000 DM an Kapitalsubvention je Wohnung und im übrigen eine Zinssubvention geben, immerhin auf eine Größenordnung von etwa 14 000 Wohnungen; bei 7000 DM kommen Sie auf 10 000 Wohnungen. Das trägt doch schon immerhin dazu bei, das Problem zu lösen; auf jeden Fall .ist das etwas ganz anderes als die ausschließliche Berücksichtigung von zinsverbilligten Eigenkapitalmitteln für junge Familien, die mehr oder weniger von sozial begüterten reichen Eltern stammen.
Wir stellen heute zu diesem Punkt keinen Antrag, Herr Minister, da wir vor der Haushaltsdebatte 1959 stehen. Wir können Ihnen aber heute schon ankündigen, daß wir unser Anliegen in der Debatte über den Etat 1959 mit dem gleichen Nachdruck vertreten und seine Dringlichkeit betonen werden wie bei der Beratung des Haushalts 1958. Heute bitten wir nur darum, daß Sie unseren Änderungsantrag bezüglich der 70 Millionen DM nicht von vornherein ablehnen, sondern nach einem Ausweg suchen, damit wenigstens von 1959 bis 1961 die 70 Millionen DM, die ursprünglich schon einmal vorgesehen gewesen sind, voll gegeben werden. Sie haben es dann in der Hand, diesen Mehrbetrag für eine reale Maßnahme zur Förderung der jungen Familien zu binden. Wir wollen nicht mehr Geld, wir wollen nur keine Kürzung, um die Not der jungen Familien nicht zu vergrößern.
Ich komme damit zum zweiten Punkt: der Planung eines kontinuierlich durchgeführten Wohnungsbaues. Ich brauche nicht zu beweisen, daß wir seit eh und je für diese Kontinuierlichkeit eingetreten sind. Wir haben mit dafür gesorgt, daß die Vorziehung der Mittel per 1. Dezember in das Erste Wohnungsbaugesetz hineingekommen ist. Das war schon in unserem ersten Entwurf enthalten. Wir haben dann dafür gesorgt, daß das gleiche hinsichtlich der Lastenausgleichsmittel geschieht, und wir haben den Antrag 231 Ziffer 4 gestellt - damals zunächst gegen Ihren Protest -, bei den SBZ-Wohnungsbaumitteln das gleiche Verfahren anzuwenden. Es hat dann erst der Beratungen im Ausschuß bedurft, bis man zu dem Ergebnis kam, auch dort in gleicher Weise zu verfahren.
Wir freuen uns, daß der Ausschuß jetzt bei unserem Antrag wenigstens in diesem Punkt unseren Vorschlägen zugestimmt hat. Aber diese Regelungen sind nicht bei allen Mitteln getroffen worden. Sie haben in Ihrer Antwort praktisch von den SBZ-Sondermitteln gesprochen. Die Vorziehungen im Interesse eines kontinuierlichen Wohnungsbaues bestehen beispielsweise nicht beim Umsiedler-,
Bergarbeiter- und auch nicht beim Bundeswehrwohnungsbau. Und wenn Sie Bindungsermächtigungen vornehmen, wissen die Länder nie, welcher Anteil dabei auf die einzelne Wohnung entfällt. Zu einem großen Teil beruhen die Schwierigkeiten auch darauf, daß die Länder - und Sie selber übrigens auch - zu Beginn eines Jahres nicht wissen, wie groß der Bedarf für die Wohnungsbauprämien aus diesen Mitteln sein wird.
Ich will Ihnen einmal ein paar Zahlen nennen, um Ihnen zu zeigen, wie sich die Sache für dieses Baujahr abgespielt hat. Am frühesten werden die Mittel des Lastenausgleichs verteilt; sie sind am 14. Dezember gegeben worden, aber am 28. Februar und 15. April sind noch Mittel nachgekommen. Die allgemeinen Bundesmittel haben Sie am 9. Januar, einen Restbetrag von 30 Millionen DM aber erst am 12. März zugeteilt. Am 19. März kamen dann die 240 Millionen DM Bergarbeiterwohnungsbaumittel, am 30. Mai die 865 Millionen DM SBZ-Wohnungsbaumittel und am 27. Juni erst die 65 Millionen DM für die Umsiedler und Evakuierten.
Ich freue mich über Ihre Ankündigung, daß das im nächsten Jahr besser werden soll. Sie werden doch wohl zugeben müssen, daß mit solchen Verteilungen eine Kontinuität nicht gewährleistet ist. Wie wirkt sich nämlich die Sache aus? Bei den Ländern wird ein Jahresprogramm aufgestellt; sie wissen nicht genau, was im Laufe des Jahres hinzukommt, verplanen ihre eigenen Landeshaushaltsmittel, und dann kommt, meinetwegen im April oder Mai, eine weitere Zuweisung von Bundesmitteln; dann fehlen die aufzustockenden Landesmittel, so daß sie erst über den Finanzminister beschafft werden müssen; oder es muß ein Vorgriff gemacht werden. Auf jeden Fall wird bei dieser Art der Verteilung ein kontinuierlicher Ablauf, auf den es Ihnen in Ihrer Großen Anfrage ankommt, zweifellos nicht erreicht.
Sicher freuen wir uns alle, wenn diese bisher bestehenden Verzögerungen und Schwierigkeiten allmählich beseitigt werden. Diese Frage ist übrigens nicht nur ein Steckenpferd der Wohnungsbaufachleute, sondern es geht hier um ein wirkliches Anliegen. Die Beseitigung der erwähnten Schwierigkeiten ist gerade im Hinblick darauf dringend erforderlich, daß man zu einer gelockerten Kapitalmarktfinanzierung übergehen will und daß in der Baulandbeschaffung Schwierigkeiten bestehen. Außerdem wollen Sie ja selber einen stärkeren Übergang zum Zinszuschußsystem. Die rechtzeitige und zügige Bereitstellung der Mittel ist daher ein dringendes Erfordernis.
Ich komme nun zu der dritten Frage; sie klingt sehr harmlos, hat aber einen sehr, sehr ernsten Hintergrund. Damit keine Meinungsverschiedenheiten aufkommen, darf ich vorweg folgendes sagen. Meine Freunde von der SPD-Fraktion sind nach wie vor für die Förderung des Eigenheimbaues nach dem Grundsatz: Eigenheime so viel wie möglich, Mietwohnungen so viel wie nötig.
({5})
Wir haben dem Herrn Wohnungsbauminister unseren Dank dafür abzustatten, daß er diese Parole, die die SPD nicht erst jetzt verkündet, sondern die sie seit Jahren vertreten hat,
({6})
in einer Rede in Berlin als richtig anerkannt und übernommen hat.
Es wird allerdings immer wieder vorkommen, daß da oder dort einmal ein Antrag liegenbleibt. Ich glaube, Herr Dr. Hesberg hat mit Bezug hierauf von „Mängeln" gesprochen. Bei den Tausenden von Anträgen wird es immer wieder vorkommen, daß ein Antrag liegenbleibt.
Nun will ich Ihnen noch etwas sagen, Herr Minister, ohne daß ich deswegen auf die Statistik, die Sie vorgetragen haben, eingehe. Die Damen und Herren, die über diese Dinge nicht so genau Bescheid wissen, müssen das wissen. Es ist ganz selbstverständlich, daß in diesem Jahre und in den nächsten Jahren die Zahl der Anträge auf Familienheime wesentlich größer sein wird als die Zahl der Anträge auf andere Wohnungen. Das ergibt sich nämlich aus der Konstruktion des Gesetzes; denn ein Annahmezwang für die Anträge besteht nur für die Familienheimanträge; bezüglich der anderen Anträge besteht kein Annahmezwang. Nach der ganzen Propaganda - das kann ich Ihnen sagen - werden soundso viel Anträge überhaupt nicht mehr gestellt, weil man sagt: Es hat ja doch keinen Zweck; die erste Rangstufe kommt nicht in Betracht, die zweite Rangstufe wird mir nicht gegeben; ich komme also gar nicht mehr zum Zuge. Das ist ein Faktum im allgemeinen Wohnungsbau, das durchaus eine Rolle spielt. Es ist auch natürlich, daß der Einzelbauherr, auch wenn noch dies oder jenes fehlt, immer schneller mit seinem Antrag ist, eben deshalb, weil er genau weiß, daß er, wenn er ihn nicht stellt, überhaupt keine Chance mehr hat. Im übrigen wissen Sie sehr genau, daß die Statistik von den Ländern zum Teil unterschiedlich gemacht worden ist. Aber das muß man für den Anfang zweifellos hinnehmen.
Nun haben wir aber zwei unterschiedliche Bewilligungssituationen; der Herr Minister hat sie unterschieden. Da ist zunächst die Zuteilung der Mittel von den Ländern auf die Bewilligungsstellen und Gemeinden. Dazu will ich nichts sagen. Der Herr Minister hat kritisiert, daß die Berichte darüber noch nicht so ganz in Ordnung sind. Das mag sein. Aber alle Länder haben Bestimmungen, wonach solche Berichte erstattet werden müssen. Ich muß zunächst einmal unterstellen, daß bei allen Behörden der Wille besteht, eine solche gesetzliche Bestimmung auch tatsächlich einzuhalten. Darin liegt das Problem nicht.
Das Problem, über das wir heute hier sprechen, ergibt sich praktisch aus der Frage, wie die unerledigten Anträge bei der Verteilung der Wohnungsbaumittel des Bundes auf die Länder berücksichtigt werden. Hier - lassen Sie es mich offen aussprechen - wird nichts anderes versucht, als auf Grund einer solchen Ausdeutung der klaren Bestimmungen des Zweiten Wohnungsbaugesetzes eine andere Regelung zu schaffen. Im Zweiten Wohnungsbaugesetz steht ganz eindeutig, welche Grundsätze maßgebend sind, nämlich nach § 1 die Überwindung der Wohnungsnot, zugleich . . . usw.;
({7})
aber nicht „erst die Eigenheime und dann alles andere", sondern „die Überwindung der Wohnungsnot".
Es war einmal bei § 19 eine ähnliche Bestimmung vorgesehen, wie Sie sie heute haben möchten. Aber diese Formulierung des § 19 ist seinerzeit auf einen Einwand des Bundesrates gestrichen worden; sie steht also nicht drin. In § 19 steht gar nichts, was Ihnen die Möglichkeit gäbe, jetzt plötzlich nicht von der Beseitigung der Wohnungsnot, sondern von den Eigentumsmaßnahmen auszugehen. Das mag alles schön und gut sein. Aber, bitte, dann stellen Sie einen regulären Antrag auf Änderung des Zweiten Wohnungsbaugesetzes. Dann hat die Sache Hand und Fuß. Sie können nicht mit einer solchen Ausdeutung um die Dinge herumkommen.
Die Berichterstattung aus § 32 ist notwendig. Aber in der Berichterstattung liegt kein Verteilungsprinzip.
({8})
Ich möchte Ihnen deshalb sagen: Ihr Antrag unter Ziffer 3 Abs. 2 kann so nicht bleiben. Er müßte in den Ausschußberatungen geändert werden. Man wird über dies oder jenes sprechen können. Aber es geht nicht in dieser Form, über eine Auslegung der §§ 1 und 19 des Gesetzes, wo dies steht. Ich möchte davor warnen, diesen Weg weiter zu beschreiten. Wir sollten gerade für die nächsten Jahre an dem Grundsatz festhalten: Öffentliche Wohnungsbauförderungsmaßnahmen zur Beseitigung der Wohnungsnot.
Ich will dabei in den Streit, ob die Verteilung nach Landkreisen und Stadtkreisen vorgenommen werden sollte, gar nicht eingreifen. Meiner Ansicht nach wird in diesem Streit immer etwas falsch gesehen, indem wir die Gemeindegrößen vergleichen, während man längst die dicht besiedelten Gebiete - das sind immer die Stadt- und die umliegenden Landkreise - und nicht dicht besiedelten Gebiete unterscheiden sollte. Dann kommt man zu echten Bedarfsschwerpunkten, und die werden wir auch in der Verteilung der Wohnungsbaumittel tatsächlich berücksichtigen müssen. Ich will Ihnen nur eine einzige Zahl nennen. Wir haben jetzt in der Bundesrepublik bei 19,1 Millionen Erwerbstätigen immerhin 3,5 Millionen tägliche Pendler. Das ist ein Problem, das für den Verkehr eine Rolle spielt, das aber auch für den Strukturaufbau und für einen Strukturplan oder - wenn Sie wollen - für eine Besiedlungspolitik in unserer Bundesrepublik ein Faktum ist, mit dem man rechnen muß und von dem man auszugehen hat.
Aber ich glaube - ich möchte das jetzt einmal dazwischenschalten -, wir haben wahrscheinlich viel, viel dringendere Anliegen in der Frage der Verteilung der Wohnungsbaumittel auf die einzel2698
nen Länder, als etwa die Gewichtigkeit der unerledigten Anträge zu berücksichtigen. Wir haben nämlich das große Problem, von dem der Herr Minister nichts gesagt hat: die ungeheure Baulandnot, die in vielen Fällen den Wohnungsbau der nächsten Jahre viel stärker mitbestimmen wird, als das heute noch angenommen wird. Das gilt vor allem für die Preise, die dann für Bauland bezahlt werden.
Ich will Ihnen noch einen anderen Gesichtspunkt nennen, aus dem wir uns sosehr dagegen wehren, daß jetzt auf Grund einer solchen Ausdeutung plötzlich die Wohnungsbaumittel neu verteilt werden. Dies ist die Tatsache, daß Sie im nächsten Haushaltsjahr mit wesentlich weniger verbleibenden Wohnungsbaumitteln des Bundes für den allgemeinen Wohnungsbau zu rechnen haben. Wenn Sie Ihre beiden Degressionen voll durchführen, bleiben uns 560 Millionen DM. Nun wissen wir aber aus einer Vorlage des Herrn Bundesfinanzministers an einen anderen Ausschuß, daß der Bundesfinanzminister im nächsten Jahre mit Wohnungsbauprämien von 340 Millionen DM rechnet. Von diesen 340 Millionen DM würden aus dem Bundeshaushalt 100 Millionen plus 40 Millionen DM auf Grund des § 88 gedeckt werden, so daß von den 560 Millionen DM Bundeshaushaltsmitteln für den allgemeinen Wohnungsbau 200 Millionen DM für die Wohnungsbauprämien abgezogen werden. Dann bleiben Ihnen noch 360 Millionen DM für den allgemeinen Wohnungsbau. Wenn dann noch der Herr Minister seinen Dispositionsfonds von 10 Millionen DM, die ihm gegönnt seien, und die 50 Millionen DM für den Landarbeiterwohnungsbau berücksichtigt, sind es praktisch noch 300 Millionen DM, die für den allgemeinen Wohnungsbau übrigbleiben. Diesen Betrag wollen Sie nun nach dem Gewicht der zurückgebliebenen Anträge und nicht mehr ausschließlich nach dem Gewicht der Beseitigung der Wohnungsnot nach dem Zweiten Wohnungsbaugesetz verteilen.
Ich darf nun zur vierten Frage kommen; ich kann mich dabei verhältnismäßig kurz fassen. Denn hier können wir mit dem Herrn Minister unserer Freude und unserem Dank darüber Ausdruck geben, daß die Situation in der Wohnungsversorgung für die SBZ-Zuwanderer tatsächlich wesentlich besser geworden ist. Wir wollen aber nicht verkennen, daß wir auch heute noch unter den Rückwirkungen der Versäumnisse leiden, die in den Jahren 1956 und 1957 vorgekommen sind, als die Mittel des Bundes für den SBZ-Wohnungsbau in zu geringem Umfange je Wohnung und zu spät gegeben wurden. Erst die Lösung vom Dezember 1957, also vor noch nicht einem Jahr, die sogenannte Kanzler-Lösung, hat hier den Ausgleich gebracht. Immerhin sind die Mittel, die unter die Bindungsermächtigung für diese Maßnahme fielen, nicht damals, sondern erst am 30. Mai 1958 auf die Länder verteilt worden. Jetzt aber wird in den täglichen Presseerklärungen des Wohnungsbauministeriums so stolz verkündet, wie die Zahl der Baugenehmigungen oder, wie der Herr Wohnungsbauminister uns vorhin erzählte, die Zahl der Genehmigungen der Bewilligungsstellen anschwillt. Wir freuen uns darüber, sollten uns aber darüber klar sein, daß dies nichts anderes als die Auswirkung der SBZ-Sondermittel ist, die Mitte des Jahres auf die Länder verteilt worden sind.
Wir alle, unabhängig davon, welcher Fraktion wir angehören, haben wohl durchaus Anlaß, an dieser Stelle auch einmal folgendes festzustellen. Nicht nur die Bereitstellung der Mittel beim Bund und ihre Zuteilung, sondern auch die freudige Einsatzbereitschaft der Länder haben maßgeblich dazu beigetragen, daß der SBZ-Wohnungsbau weiter und stärker vorangekommen ist.
({9})
Man sollte deshalb - ich sage das ganz offen - nicht etwa jetzt während der Wahlkämpfe dieses Kapitel herausholen und ausgerechnet da in Relationen, die man so und so rechnen kann, sagen: Da seht ihr es, diese Länder sind auch hier wiederum zurückgeblieben. Wir sollten anerkennen, daß es für die Länder schwieriger ist, diese Mittel in x Verteilungen an die Gemeinden herauszubringen, daß es schwieriger für sie ist, mitten im Jahr noch Aufstockungsmittel zu gewinnen, daß es schwieriger für sie ist, noch zusätzlich die Folgekosten in diesen Siedlungsmaßnahmen zu finanzieren.
({10})
- Sie haben vollkommen recht, Herr Wehner; aber ich will es einmal nur auf diesen einen Punkt abstellen,
({11})
daß die Länder sich hier eingesetzt und versucht haben, das schwieriger gewordene Problem zu meistern, nämlich Arbeitsplätze und Wohnungen oder Bauplätze zu koordinieren und zusammenzubringen.
({12})
- Dafür werden sie leider Gottes öffentlich beschimpft, und ich bringe mein Anliegen deshalb hier vor, um im letzten Augenblick davor zu warnen, daß man diese Sache in den Wahlkampf hineinzieht.
({13})
Im übrigen möchte ich zu dem Problem der SBZ- Wohnungen noch das eine sagen: Herr Minister, Sie wissen, die großen Schwierigkeiten des SBZ- Wohnungsbaues - und Ihre Zahlen wären noch günstiger, wenn diese Schwierigkeiten nicht beständen - beruhen in der Baulandbeschaffung. Es gibt Hunderte, ja wahrscheinlich Tausende von Wohnungen, die noch nicht begonnen sind, weil es vielfach nicht gelungen ist, das Baugelände zügig oder zu angemessenen Preisen zu beschaffen, Wir haben die herzliche Bitte ,an die Bundesregierung, in der Bereitstellung von Bauland aus dem Bundesvermögen einmal etwas mehr zu tun und namentlich die Behörden anzuweisen, diesen Grundbesitz aus dem Bundesvermögen schneller, zügiger und zu angemesseneren Bedingungen bereitzustellen und nicht in der Form des langen Hinhaltens, wie das an vielen Stellen festgestellt werden mußte.
({14})
Es ist mir aufgefallen, Herr Minister, daß Sie gesagt haben, bei den 500 Millionen DM Bindungsermächtigungsmitteln gelte die Kanzler-Lösung nicht. Das kann nicht stimmen; denn das stände im Widerspruch zu dem Schreiben, das Sie der Landesregierung Baden-Württemberg geschickt haben, als sie aus den 500 Millionen DM eine erste Rate in Anspruch genommen hat. Ich möchte annehmen, daß es sich hier nur um ein Versehen in der Darstellung oder um eine Ungenauigkeit in meiner Aufnahmefähigkeit handelt. Im übrigen haben wir die Bitte, die Kanzler-Lösung für alle diese Mittel gelten zu lassen, wir haben die Bitte, daß die 500 Millionen DM alsbald den Ländern voll zugeteilt werden. Wir haben ferner die Bitte, daß Sie sich jetzt schon überlegen, ob und was an Zusatzmitteln in diesem Jahre noch erforderlich ist, um die im Jahre 1958 einströmenden Zuwanderer wohnlich zu versorgen. Es dauert dann ja immer noch ein bis anderthalb Jahre, bis es soweit ist. Gerade für eine kontinuierliche Planung wäre es notwendig, daß Sie diese Mittel alsbald verteilen, einschließlich der Mittel, die noch im kommenden Haushalt für diesen Zweck vorgesehen werden.
Ich will Ihnen zum Schluß folgende Berechnung aufmachen. Ich habe festgestellt, daß vom 1. Januar bis zum Oktober insgesamt 180 000 Zuwanderer gekommen sind, daß davon 1 % nicht anerkannt wird, daß 9,7 % Jugendliche sind und daß bei 11,5% besondere Lebensverhältnisse vorliegen. Das sind 22,2 %, so daß etwa 140 000 wohnlich zu versorgen wären. Legen Sie vier Personen je Familie zugrunde, sind es 35 000 Wohnungen. Das ist fast genau das, was Sie mit den 500 Millionen DM Bindungsermächtigungen tatsächlich machen könnten, so daß Sie einen zusätzlichen Betrag an Bindungsermächtigungen oder an Direktbereitstellungen für die volle Deckung des Wohnungsbedarfs der jetzt zu uns kommenden Zuwanderer benötigen.
Damit möchte ich die Darlegung meiner Auffassung zu den vier Punkten der Großen Anfrage abschließen. Sie haben einen Antrag vorgelegt. Über viele Punkte dieses Antrages werden wir zu einer Übereinkunft kommen können. Ich habe aber die Bitte, den Antrag in den einzelnen Punkten, wie wir es mit dem früheren SBZ-Antrag meiner Partei gemacht haben, in dem zuständigen Bundestagsausschuß zu einer eingehenden Beratung zu bringen, damit wir uns dort über diese zweifellos ernsten, wichtigen und für die zukünftige Gestaltung bedeutsamen Fragen unterhalten können. Und dann hoffen wir, Herr Minister, daß die große wohnungspolitische Debatte mit all den heiklen und schwierigen Fragen bald einmal folgen wird.
({15})
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Wohnungsbau.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Verehrter Herr Kollege Dr. Brecht, wenn das Zweite Wohnungsbaugesetz, das Wohnungsbau- und Familienheimgesetz, so miserabel wäre, wie Sie und Ihre
Freunde es immer hinzustellen versuchen, dann müßte man sich eigentlich darüber wundern, daß wir in ,der deutschen Bauwirtschaft im Augenblick 61 000 Arbeitsplätze haben, die nicht mit Arbeitern besetzt werden können.
({0})
Man müßte sich ,weiter darüber wundern, daß eis trotz der Worte vom „Totengeläut des sozialen Wohnungsbaues" und von der „Katastrophe", die alle Jahre wieder hier im Bundestag aufkreuzen, der Bundesregierung möglich ist, zu erklären, daß wir in diesem Jahre voraussichtlich die Zahl von 500 000 Wohnungen erreichen, wobei die Qualitätsverbesserung und der steigende Eigentumsanteil zu berücksichtigen sind; und ich kann namens der Bundesregierung sagen, daß für das kommende Jahr so viel öffentliche Mittel bereitgestellt sind, daß bei normaler Entwicklung auch das kommende Baujahr denselben Erfolg bringen wird.
({1})
Und, meine Damen und Herren, wenn das keine Leistungen sind, - für den Kenner der wohnungspolitischen Feinheiten war doch ein Positives Ihren Ausführungen zu entnehmen: daß Sie die „Totenglocke des sozialen Wohnungsbaues" jetzt nicht geläutet haben.
({2})
Ich bin eigentlich froh, daß Sie damit der Bundesregierung bestätigen, daß sie sozial handelt und die im Zweiten Wohnungsbau- und Familienheimgesetz festgelegte Verpflichtung einhalten will, noch einmal 1,8 Millionen Wohnungen des sozialen Wohnungsbaues zu erstellen, um damit sicherzustellen, daß die kleinen Leute zu einer angemessenen Wohnung und möglichst zu einem Eigenheim kommen.
Und nun fordern Sie unentwegt eine Änderung eines Gesetzes, weil Sie offensichtlich nicht damit einverstanden sind, daß die Vorrangstellung der Eigentumsbildung in Arbeiterhand nun wirklich zum Funktionieren kommt.
({3})
Sie, Herr Dr. Brecht, haben gesagt, in § 1 stehe, wir hätten die Wohnungsnot zu beseitigen, und so weiter, haben Sie gesagt.
({4})
- „und zugleich" ; und dann: „und so weiter". Hier möchte ich Ihre Eigenheimfreundlichkeit doch etwas aufhängen. Wenn Ihr Eigenheimbekenntnis so ehrlich ist, dann sprechen Sie aus: „und zugleich breite Kreise des Volkes durch Bildung von Einzeleigentum mit Haus und Boden zu versehen". Dies „und so weiter" könnten wir vielleicht bei der nächsten Debatte so ausdeuten,
({5}) daß es den letzten Teil auch ausdrückt.
Meine Damen und Herren! Aus der Entstehung der Vorränge muß noch einmal erwähnt werden, was ich gesagt habe: daß die CDU- und CSU-Fraktion damals durch mich als Ausschußvorsitzenden hier einen Antrag einbringen ließ, der eine quotale Bindung bestimmter öffentlicher Mittel für die Bildung von Einzeleigentum einkommensschwacher Bevölkerungskreise vorsah. Wir wollten damit sicherstellen, daß der Staatsbürger, der verwaltungsunkundig ist, bei den Behörden nicht hinten herunterfällt, wenn er mit seinem Antrag kommt. Die Regierung legte dann im Zweiten Wohnungsbaugesetzentwurf - während der Amtszeit meines verehrten Vorgängers Kollegen Dr. Preusker - einen Rechtsanspruch fest; und es war das Bestreben der Länder und Ihrer Kollegen, die die Rangstufen der Einkommensschwachen ins Gesetz hineingebracht haben und das Berichtssystem forderten.
Nun muß ich mich mit Ihnen darüber auseinandersetzen, daß dieses Berichtssystem so und so nicht funktioniert. Ich wäre glücklich, wenn die Ränge verschwinden könnten, weil sie nie von meinen Freunden gefordert worden sind. Mir liegt daran, daß das einmal klargestellt wird. Und dann ist es doch so gewesen, daß meine Fraktion in den Ausschußberatungen forderte: Wenn der Staatsbürger Maier oder Müller seinen Antrag vorlegt - er hat eine Eigenleistung erbracht -, dann soll der angenommen werden, damit er endlich zum Zuge kommt. Dem haben auch Sie zugestimmt. Nun hat der Staatsbürger in 83 000 Fällen Anträge - davon sind vier Fünftel von Einkommensschwachen - vorgelegt; sie sind bisher nicht bedient worden. Es ist doch recht, wenn die Regierung bei der Verteilung der erheblichen Bundeshaushaltsmittel dafür sorgt, daß diese Anträge vorrangig bedient werden können.
({6})
Ich betone, es sind überwiegend Einkommensschwache im Sinne des Familienheimgesetzes, die diese 83 000 Anträge bei den Bewilligungsstellen gestellt haben.
Die SPD-Fraktion fordert Änderung des Zweiten Wohnungsbaugesetzes und hat wohl - so habe ich das verstanden - in ihrem Änderungsantrag Umdruck 178 die Forderung, die Degression wegfallen zu lassen, dahin umgedeutet, daß in den Rechnungsjahren 1959 bis einschließlich 1961 mindestens 700 Millionen im Bundeshaushalt zur Verfügung gestellt werden sollten. Meine Damen und Herren, ich möchte Sie bitten, diesen Antrag abzulehnen ebenso wie den Änderungsantrag zum Zweiten Wohnungsbaugesetz.
Die Finanzierungsmöglichkeiten - ich bin darauf nur zum Teil eingegangen, die Debatte wird sicherlich noch einiges dazu bringen - sind dank der guten Entwicklung unserer sozialen Marktwirtschaft so, daß wir infolge des gewachsenen Vertrauens der Sparer in der Lage sind, in großem Umfang auf den Kapitalmarkt zurückzugreifen. Ich kann - das war bei meinen verehrten Vorgängern nicht immer so, sie waren nicht immer so sehr von der Kapitalmarktsonne beschienen - als jetziger Minister Ihnen, meine Damen und Herren, versichern, daß bei normaler Entwicklung im kommenden Jahr wiederum 500 000 Wohnungen im Bundesgebiet erstellt werden. Es ist also nicht begründet und erscheint, Herr Dr. Brecht, auch nicht als besonders phantasievoll, nun wieder mehr öffentliche Gelder zu fordern. Unsere Forderung geht dahin, die bereitgestellten öffentlichen Gelder - das strebt die Bundesregierung mit den Damen und Herren Landeswiederaufbauministern an - zu strecken, um möglichst viel Kapitalmarktgeld in den Wohnungsbau hineinzubringen. Dafür reichen die bereitgestellten öffentlichen Gelder aus. Ich bitte deshalb, den Antrag Umdruck 178 der SPD-Fraktion abzulehnen.
Auf die Frage, Herr Dr. Brecht, die Sie wegen der 500 Millionen Bindungsermächtigung stellten, darf ich zur Aufklärung folgendes antworten: Diese 500 Millionen Bindungsermächtigung, von denen ich in der Regierungserklärung sprach, sind für den Haushalt 1960 vorgesehen. Es handelt sich nicht um die von der Bindungsermächtigung betroffenen Mittel, die jetzt an die Länder zu einem Teil zur Verteilung gelangen, und dafür ist - das ist eine Sache, die der Ausschuß zu entscheiden haben wird - in die Bemerkungen zum Haushalt aufgenommen worden, daß dazu neue Einsatzrichtlinien zu erlassen sein werden. Wie die aussehen, weiß ich nicht. Es handelt sich also um die Gelder des übernächsten Jahres.
({7})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Eilers.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Für meine Freunde der Fraktion der Freien Demokraten habe ich folgendes zu erklären. Auch wir sind der Auffassung, daß die Förderung des Baues von Familieneigenheimen auch künftig verstärkt erfolgen sollte. Gleichzeitig sind wir der Meinung, daß es viele Familien geben wird, die wegen der Eigenart des Berufes des Familienvorstandes oder aus anderen Gründen kein oder noch kein Interesse daran haben, ein Eigenheim zu bauen oder zu erwerben. Das hindert uns nicht, anzuerkennen, daß in der Bundesrepublik in den letzten Jahren auf dem Gebiete des sozialen Wohnungsbaues erhebliche Leistungen vollbracht werden konnten. Es darf aber kein Zweifel darüber herrschen, daß dennoch eine große Wohnungsnot in der Bundesrepublik besteht, vor allem in den ausgebombten Städten und in den Städten, die Heimatvertriebene aus dem Osten in großer Zahl aufgenommen haben.
Wenn dem so ist, darf ich allerdings meiner Verwunderung darüber Ausdruck geben, daß der Herr Bundesminister für den Wohnungsbau vor zwei Tagen vor der Verwaltungsakademie in Köln nach Zeitungsmeldungen gesagt hat, der Bedarf werde in den nächsten Jahren bei 2,5 Millionen Wohnungseinheiten liegen, und er selbst sei über die Höhe dieses Bedarfs in den nächsten fünf Jahren überrascht. Wenn diese Meldungen der Presse zuEilers ({0})
treffen sollten, dann muß diese Ihre Äußerung, sehr verehrter Herr Minister, doch überaus nachdenklich stimmen.
Die Zahl der Wohnungsuchenden ist außerordentlich groß, auch unter denen, die ein ausreichendes Kapital für den Bau von Eigenheimen nicht nachweisen können. Wir alle wissen aus den Statistiken, daß 25 % aller Wohnungsuchenden einkommenschwach sind. Sie bilden also gewissermaßen den Bodensatz derer, die bei allen Hilfsmaßnahmen des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der Städte bisher nicht mit einer Wohnung und erst recht nicht mit einem Eigenheim versorgt werden konnten. Bei diesen 25% der Wohnungsuchenden läßt die finanzielle Leistungsfähigkeit eine Monatsmiete von höchstens 35 bis 40 DM zu. Dann aber ist es völlig ausgeschlossen, daß ein großer Teil dieser Wohnungsuchenden in der Lage ist, ein Eigenheim zu errichten, es sei denn, der Bund, die Länder und die Gemeinden wären bereit, öffentliche Mittel in einem Maße einzusetzen, das nicht mehr wirtschaftlich wäre. Wenn also die Bundesregierung an ihrer bisherigen allgemeinen Konzeption festhalten will, müßten sicherlich künftig höhere Mittel eingesetzt werden. Es muß aber etwas geschehen, um gerade diesen 25 %, den Ärmsten unter den Wohnungsuchenden, eine Hilfe zuteil werden zu lassen, denn sie hausen nun schon seit fast einem Jahrzehnt entweder in Baracken, die leider noch nicht beseitigt werden konnten, oder aber in Elendsquartieren, die dringend der Auflösung bedürfen. Für sie muß endlich etwas Zusätzliches getan werden. Das wird aber nur möglich sein, wenn man, besonders in den Städten, die Rangstufe für solche Fälle einer Änderung unterzieht.
Der Herr Minister meinte vorhin, bei den einkommenschwachen Familien werde eine Möglichkeit dadurch geschaffen, daß die vorhandenen Wohnungen durch solche Familien, die ein Eigenheim errichten wollten, geräumt würden. Das, sehr verehrter Herr Minister, ist, glaube ich, zu einem wesentlichen Teil ein Trugschluß, und zwar deshalb, weil den Vermietern das Auswahlrecht zusteht und weil sie wohl in den seltensten Fällen geneigt sein werden, solche Familien aufzunehmen, bei denen sie unter Umständen fürchten müssen, die monatliche Miete nicht zu bekommen. Ich halte daher das, was Sie als mögliche Lösung aufzeigen, für außerordentlich fragwürdig.
Wir sind mit Ihnen und mit der Regierungskoalition der Auffassung, daß man für die jungen Familien Zusätzliches, d. h. mehr tun muß, als in der Vergangenheit zu tun möglich war und als tatsächlich festzustellen ist. Auch wir sind der Meinung, daß besonders die jungen Familien die staatserhaltende Substanz darstellen können. Wie aber ist es gegenwärtig, wenn wir uns den Bau der Eigenheime anschauen? Die Auswirkungen der jetzigen Bestimmungen des Zweiten Wohnungsbaugesetzes sind doch leider so, daß man sagen kann: die junge Familie ist ohne Kind. Das Ziel des Zweiten Wohnungsbaugesetzes sollte aber doch sein, eine Hilfe für die Familie mit Kind und mit Kindern zu geben. Ich glaube, daß hier von der Bundesregierung erheblich bessere Möglichkeiten aufgezeigt werden müssen, als Sie, sehr verehrter Herr Minister, es soeben taten. Ich bin allerdings mit Ihnen der Meinung, daß die von Ihnen in Aussicht gestellten Zinsbeihilfen zur Lösung sicherlich beitragen können, obwohl ich befürchte, daß diese Zinsbeihilfen nicht ausreichen werden, gerade diesen jungen Familien eine spürbare Hilfe zu gewähren.
Wir sind mit der SPD-Fraktion dieses Hauses der Auffassung, daß Sie zunächst die 70 Millionen DM, um die Sie die 700 Millionen DM kürzen möchten, für den Bau von Familienheimen für junge Familien bereitstellen sollten, damit wir wenigstens hier den guten Willen der Bundesregierung sehen, den deklamatorischen Erklärungen auch die Tat folgen zu lassen. Wir werden also diesem Antrag der SPD unsere Zustimmung geben.
Was unserer Fraktion aber besonders am Herzen liegt, ist, daß gerade den kinderreichen Familien noch mehr Aufmerksamkeit zugewandt werden sollte, als es in der Vergangenheit der Fall war. Wir alle wissen, daß das Zweite Wohnungsbaugesetz dafür zweifellos etliche Möglichkeiten vorsieht. Die Tatsache aber ist, daß die kinderreichen Familien auch bei dieser Förderung nur selten in der Lage sind, ein Eigenheim zu errichten.
({1})
Ich bin gezwungen, ihm Rahmen dieser Debatte auch auf das Problem einzugehen, das Herr Dr. Brecht ansprach, und zwar deshalb, weil Sie, sehr verehrter Herr Minister, in der letzten Zeit mehrfach Gelegenheit genommen haben, auf diese Konzeption hinzuweisen. Ich meine das Problem der 3 1/2 Millionen Pendler in der Bundesrepublik. Dieses Problem hat ein mehrfaches Gewicht. Die Pendler sind gezwungen, ständig den Verkehr zusätzlich zu belasten. Sie haben einen zusätzlichen Verlust an Zeit, einen zusätzlichen Verbrauch an Kraft, zusätzliche Ausgaben für die Fahrten, für die Ernährung und schließlich auch für die Kleidung. Die Folge ist eine Minderung des Realeinkommens. Es kann nach meiner Auffassung kein lobenswertes Ziel der Wohnungsbaupolitik der Bundesregierung sein, nun etwa noch mehr Pendler mit all diesen Problemen entstehen zu lassen; dieser Auffassung sind Sie offensichtlich, sehr verehrter Herr Minister.
Mir liegt Ihr Erlaß vom 1. September dieses Jahres vor, den Sie an sämtliche für das Bau-, Wohnungs- und Siedlungswesen zuständigen Herren Minister der Länder gerichtet haben. Ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten daraus wohl einmal etwas vorlesen, weil ich es mit Ihren eigenen Redewendungen hier sagen und nicht von mir deklarieren möchte. Sie haben in diesem Erlaß zum Ausdruck gebracht:
Wenn ich mir auch im klaren darüber bin, daß es in erster Linie Aufgabe der Wirtschafts- und Raumpolitik sein muß, durch geeignete, marktkonforme Maßnahmen den Zuwachs an neuen, vorwiegend gewerblich-industriellen Arbeitsplätzen möglichst außerhalb der Großstädte und industriellen Ballungskerne zu halten und diesen und damit auch den neu ent2702
Eilers ({2})
stehenden Wohnungsbedarf stärker in die Randgebiete der Ballungszonen und in die Mittel- und Kleinstädte mit gewerblich-industriellen Ansatzpunkten zu lenken, so dürfte doch auch eine entsprechende Lenkung der Wohnungsbaumittel in diese nicht übersättigten Räume und die dadurch bewirkte Steigerung der Wohnungsbautätigkeit außerhalb der bisherigen stark en Zuwanderungsgebiete dazu beitragen, den Wanderungsstrom in die Ballungsräume und den dadurch entstehenden neuen Wohnungsbedarf in diesen Gebieten herabzumindern.
Meine Damen und Herren, machen Sie mich nicht für diesen Schlangensatz verantwortlich; er steht hier so drin.
Auch in Gebieten mit starkem Berufsverkehr im Einzugsbereich der Großstädte sollten der Wohnungsbedarf bevorzugt am Standort der Arbeiterwohnsitzgemeinden befriedigt und die Wohnungsbaumittel entsprechend gelenkt werden,
- und jetzt kommt das Wesentliche, worauf ich hinaus will sofern die Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte einen tragbar en Umfang nicht überschreitet.
Hier hat der Herr Minister noch davon gesprochen, daß diese Entfernung einen tragbaren Umfang nicht überschreiten dürfe.
Aber bereits im Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung vom 23. Oktober hat der Herr Bundesminister für den Wohnungsbau diese Einschränkung weitgehend fallengelassen, indem er nämlich schrieb:
Die Überwindung einer größer en Entfernung zwischen der Wohnung und der Arbeitsstätte sollte bei der allgemeinen Entwicklung des Verkehrswesens durchaus tragbar sein.
({3})
- Nein, das ist keine Wortklauberei! Warten Sie einmal, worauf ich hinausmöchte.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese bisherige „allgemeine Entwicklung des Verkehrswesens" kann doch keineswegs zu der Auffassung des Herrn Ministers ermutigen. Die Entwicklung des Verkehrs läßt es zweifellos nicht zu, den Berufsverkehr zu bestimmten Zeiten noch weiter zu verstärken. Dadurch würde man die Verkehrsverhältnisse noch mehr erschweren.
Noch wesentlicher erscheint es mir allerdings, daß in dieser Auffassung des Bundeswohnungsbauministeriums eine außerordentlich dirigistische Einstellung zum Ausdruck kommt.
({4})
- Ja, Sie mögen darüber lachen. Wir werden ja sehen, wie die Entwicklung gehen wird. Warten wir einmal ab, ob Sie von der CDU/CSU-Fraktion in drei Jahren noch Anlaß haben, über diese Dinge zu lachen.
({5})
Mit Freizügigkeit scheint diese Auffassung des Bundeswohnungsbauministeriums jedenfalls nicht mehr sehr viel zu tun zu haben. Nach meiner Meinung muß es den Wohnungsuchenden und Baulustigen weitgehend selbst überlassen bleiben,
({6})
wo sie bauen und ob sie im Eigenheim oder in Mietwohnungen leben wollen.
({7})
- Ich freue mich, daß Sie dieser Auffassung zustimmen. Wir nähern uns, wie mir scheint, doch schon einigermaßen.
Noch ein anderes wesentliches Problem darf bei der Erörterung der Wohnungsbaupolitik nicht übersehen werden. Ich meine die große Frage der Unterbringung der Obdachlosen. Diese Frage ist für die Gemeinden und Städte inzwischen zu einem Problem geworden, das sie finanziell kaum mehr zu lösen in der Lage sind. Das Problem der Unterbringung der Obdachlosen ist nach meiner Auffassung eine echte Kriegsfolge. Deshalb sollte der Bund willens sein, den Städten und Gemeinden im Rahmen des Finanzausgleichs für die zur Unterbringung der Obdachlosen erforderlichen Aufwendungen eint angemessene Beihilfe zu gewähren. Wenn Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, sich einmal in Ihren eigenen Wohngemeinden nach dieser Frage erkundigen, werden Sie erstaunt sein, wie prekär die Lage gerade bei der Unterbringung von Obdachlosen gegenwärtig bereits ist. Diese Lage wird leider in den nächsten Jahren immer bedrohlicher werden.
Die wichtigste Voraussetzung ist - und da stimmen wir mit dem Herrn Bundeswohnungsbauminister überein -, daß die Mittel rechtzeitig bereitgestellt und auch rechtzeitig von den Ländern an die Gemeinden und Städte weiterverteilt werden. In dieser Beziehung ist allerdings, muß ich sagen, in der Vergangenheit manches zu tun übriggeblieben, auch weil bürokratische Hemmnisse im Wege standen. Ich glaube, die Verteilung der Wohnungsbaumittel könnte erheblich beschleunigt werden, wenn man mehr Gebrauch von der Möglichkeit machte, die Bewilligung auf der unteren Ebene auszusprechen. Das würde eine wesentliche Hilfe bedeuten.
Die Gemeinden und Städte stehen im Brennpunkt der Wohnungsnot. Sie kennen den Wohnungsbedarf am ehesten und überschauen auch am besten alle Voraussetzungen und Möglichkeiten für einen zügigen Wohnungsbau. Deshalb sollten bei einer Novelle zu dem Zweiten Wohnungsbaugesetz diese Erwägungen berücksichtigt werden. Wir sollten versuchen, bessere Voraussetzungen zu schaffen.
Die Verlagerung auf die untere Ebene würde auch dazu führen, daß ein besserer Gleichklang mit der Ortsplanung und mit den hohen Leistungen der Gemeinden und Städte in den Wohn- und Verkehrsstraßen herbeigeführt wird. Viele Hemmnisse, die gegenwärtig auftreten, könnten wesentlich leichter und rascher überwunden werden, wenn wir einer solchen Verlagerung auf die untere Ebene endlich Raum gäben.
Eilers ({8})
Ich darf abschließend für die FDP-Fraktion erklären, daß wir dem durch die Drucksache 192 geänderten Antrag der SPD-Fraktion unsere Zustimmung geben werden.
({9})
Das Wort hat der Abgeordnete Preusker.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Brecht hat vorhin zu einer weisen Beschränkung des Themas auf die vorliegenden Anträge geraten. Es ist nicht ganz leicht, diesem Vorschlag zu folgen, denn die Probleme hängen alle miteinander zu eng zusammen. Er selbst mußte zum Schluß darauf hinweisen, man werde eines Tages die Gesamtheit der Probleme doch noch einmal diskutieren müssen. Ich möchte mich dieser Auffassung anschließen.
Ich freue mich darüber, wie sehr offensichtlich im Laufe von zwei weiteren Jahren eine Entspannung in der Problematik, die damals noch etwa hieß „Hie Mietwohnung, hie Eigenheim", eingetreten ist, sogar bis zu einem gemeinsamen Slogan hin - wenn ich dieses neue Modewort gebrauchen darf -: so viel Eigenheime wie möglich und so viel Mietwohnungen wie nötig. Ich glaube, das ist eine Basis, auf der man sich schon viel besser treffen kann.
Weil ich eben durch den Kollegen Eilers noch in einer anderen Hinsicht wieder an die Debatten der vergangenen zwei Jahre erinnert worden bin, möchte ich darüber noch etwas hinzufügen. Damals ist der Streit immer wieder besonders darum gegangen, wer denn nun planen solle: der Bund, die Länder oder die Gemeinden; wer bewilligen solle: der Bund, die Länder, die Gemeinden; wer finanzieren solle: der Bund, die Länder, die Gemeinden. Ich habe dieser Debatte, in der eine Lanze für die Gemeinden gebrochen wurde, entnommen, daß die Auffassung auf allen Seiten immer stärker Raum gewonnen hat: Derjenige, den es eigentlich angeht, nämlich der Staatsbürger selbst, solle bestimmen, wie und wo er wohnen möchte.
({0})
Ich glaube, das müssen wir langsam wieder an das obere Ende aller Überlegungen stellen. Wenn wir von da her alle Probleme einrangieren, wird sich wahrscheinlich noch vieles besser lösen lassen.
Ich war versucht, noch auf die Geschichte des Berichtssystems und die anderen Kompromisse des Zweiten Wohnungsbaugesetzes einzugehen, die im letzten den gordischen Knoten lösen sollten. Es ging um den Streit: zuviel oder zuwenig Eigenheime, zuviel oder zuwenig Mietwohnungen, zuviel Gewicht in den Landgemeinden, zuwenig Gewicht in den Städten beim Wiederaufbau, zuviel Gewicht beim Staat, zuwenig Gewicht beim Staatsbürger. Man wollte mit den Vorrangbestimmungen und Berichten in etwa zu einer optimalen Übereinstimmung zwischen Notlage und wirtschaftlichen und sozialen Möglichkeiten und Gegebenheiten kommen. Selbst wenn man bejaht, daß in vielen Städten, und vielfach in Städten des zentralen wirtschaftlichen Sogs, noch große Lücken im Wiederaufbau bzw. im Bau von Mehrfamilienhäusern vorhanden sind, wird man doch auch folgendes sagen müssen, wenn man das Problem insgesamt und volkswirtschaftlich ansieht. Durch die hier vorgesehenen Vorrangbestimmungen hat sich doch sehr vieles gebessert. Sie räumen den opfer- und eigentumswilligen, bereits über Bauland verfügenden Eigenheimern aus der Gruppe der Minderbemittelten und den gleichartigen Eigenheimern in besserer Situation - sie bekommen die Auflage der Räumung einer Ersatzwohnung - einen absoluten Vorrang ein.
Damit komme ich auf das zentrale Thema unserer heutigen Anträge: zur Zuteilung von Wohnraum an junge Familien. Ich stimme dem Kollegen Brecht zu, wenn er sagt, daß in der überwiegenden Zahl der Fälle gerade die junge Familie nicht in der Lage sein wird, schon mit dem Eigenheim anzufangen. Das wird in der Regel erst nach Jahren, mit wachsender Familie, mit zunehmender Kinderzahl, der Fall sein. Hier gehen dann Notwendigkeit, Wunsch und Fähigkeit einher. Lange Jahre werden dann noch von zusätzlichen Lasten bestimmt sein.
Aber gerade die eine Möglichkeit der Förderung - auch mit Vorrang - des Eigenheimers, der eine Ersatzwohnung zur Verfügung stellt, macht Wohnungen frei, die dann in einem normalen Fluß immer stärker den nachwachsenden jungen Familien zugute kommen. Daß das heute noch nicht restlos funktioniert, daß hier der Nachrückbedarf nicht gewissermaßen direkt erfüllt wird, sondern daß das vielfach um drei krumme Ecken geht, wissen auch wir.
Der Herr Kollege Brecht befürchtete, man wolle vielleicht indirekt das 2. Wohnungsbaugesetz durch die Ziffer 4 des vorliegenden Antrags wieder ändern. Ich glaube, man wird im Ausschuß diese Dinge sehr schnell klarstellen können. Wenn die gesetzlichen Bestimmungen einen Sinn haben sollen, dann muß der Vorrang dessen, der noch nicht zum Zuge gekommen ist, in der Gruppe, in der er einrangiert ist, beim Übertrag auf das nächste Jahr bestehenbleiben. Es muß also dann ohnehin erst einmal in einem wesentlichen Umfang dafür gesorgt werden, daß diese Gruppe abgebaut wird. Man braucht deswegen wahrscheinlich nicht noch die Schlüssel zu ändern, die im ganzen doch wieder von der Wohnungsnot geprägt werden.
Weiter wird das Problem noch mit Hilfe von Sonderprogrammen in den einzelnen Ländern je nach Bedarf - entweder mit dem Schwergewicht auf Eigenheimen oder auf Wiederaufbauten; in manchen Ländern spielt das doch eine besondere Rolle - zusätzlich angegangen werden. Auch hier gibt es noch Ausweichmöglichkeiten genug. Es fehlt eben nur eines, und ich darf das vielleicht noch einmal aussprechen: Wenn man all die Debatten verfolgt, so verlaufen sie in der Regel so, daß jeder damit anfängt, zu sagen, es sei nicht zu bestreiten, welche außergewöhnlich großen Leistungen im Wohnungsbau in der Bundesrepublik in Bund, Ländern und Gemeinden in den vergangenen Jahren; von 1949 bis jetzt, vollbracht worden seien. Ohne
Zweifel steht Deutschland im Wohnungsbau - gerechnet pro Einwohner - nach wie vor an der Spitze aller Länder Europas, auch Sowjetrußlands, oder wen wir sonst einbeziehen wollen. Wir haben von Jahr zu Jahr die Leistungen im Wohnungsbau bis zu den heutigen Rekordergebnissen gefördert und uns dabei im Grunde genommen immer entlang der Grenze der überhaupt nur denkbaren menschlichen und finanziellen Kapazität bewegt. Trotzdem sind wir immer noch nicht so weit, daß wir sagen können: die Bilanz ist ausgeglichen. Wir wissen auch, daß wir sie in einem Jahr noch nicht endgültig ausgleichen können. Es wird noch einige Jahre dauern, wobei man sich darüber streiten mag, ob man dann auf insgesamt 2,5 Millionen oder auf 2 Millionen Wohnungen, auf vier oder fünf Jahre kommt. Das ist, glaube ich, ziemlich belanglos. Die Frage läßt sich eben nicht in einem Jahr lösen, wenn es auch wünschenswert wäre.
Es geht immer darum: Was ist jeweils das Dringlichste? Wieviel kann man in einem Jahr schaffen? Dazu läßt sich sagen, daß vom Gesetzgeber niemals eine ideale Lösung erreicht werden kann. Es gibt kein Schema, das bis in die letzte Gemeinde hinein wirklich restlos paßt, sondern man wird überall gemäß der besonderen Situation einiges mit besonderen Maßnahmen bewerkstelligen müssen. Dazu aber gibt das Gesetz die erforderlichen Handhaben.
Aber einige Grundprinzipien sind wichtig. Mit welchen Mitteln kann der leidigen Wohnungsnot am schnellsten ein Ende bereitet werden? Eines hat sich ganz eindeutig erwiesen: Im ganzen können schneller und mehr Wohnungen geschaffen werden, wenn man alle diejenigen, die selbst in erheblichem Maße durch Sparen Opfer erbracht haben, fördert, als wenn man diese Aufgabe ausschließlich dem Staat und damit dem Steuerzahler aufbürdet.
({1})
Aus dieser ganz nüchternen, ich möchte sagen, primitiven Überlegung heraus sind die Gesetzgeber des Bundes und der Länder immer wieder zu der Überzeugung gekommen: Jawohl, es ist nicht nur aus politischen, soziologischen, ethischen und ideellen Gründen zweckmäßig, die Förderung des Eigentums in den Vordergrund zu stellen, sondern es handelt sich auch um eine ganz nüchterne Rechnung. Wir werden viel schneller mit der Wohnungsnot fertig werden, wenn wir möglichst denjenigen noch zusätzlich ein wenig Geld geben, die schon, ob wenig oder sehr viel, aus eigener Anstrengung und durch freien Verzicht ihren Beitrag dazu geleistet haben.
({2})
Auch aus dieser wirtschaftlichen Überlegung heraus sind wir nach wie vor der Meinung: Helfen, wo man nur helfen kann, und zwar nicht nur in der ganz engen Verknüpfung mit einem Eigenheim, sondern auch mit einer von Jahr zu Jahr wachsenden Förderung der Spartätigkeit im allgemeinen.
Eines darf ich gerade angesichts der Forderung der SPD-Fraktion auf mehr Steuermittel - die 70 Millionen DM bis 1961 - einmal hervorheben. Der Erfolg der allgemeinen Spartätigkeit zugunsten der
Förderung des Wohnungsbaus ist deutlich sichtbar geworden. Welch größeren Anteil an Kapitalmarktmitteln gegenüber früher, d. h. Mitteln der Sparkassen, der Hypothekenbanken, der Versicherungen usw., haben wir in den vergangenen Jahren, insbesondere seit 1958, wo der große Durchbruch der Sparwelle in unserem Volk sichtbar geworden ist, in den Wohnungsbau hineinstecken können, wo der Anteil der öffentlichen Mittel zwangsläufig größer sein mußte, weil er den Mangel an privater Spartätigkeit in etwa ausgleichen mußte; jetzt aber haben wir sie.
({3})
- Aber, Herr Kollege Dresbach, diese Auseinandersetzung müßten Sie eigentlich mit meinem damaligen Kollegen von der Finanz und nicht mit mir führen.
Ich möchte nur folgendes herausstellen. Bedenken Sie, meine Damen und Herren, daß wir noch vor wenigen Jahren die 7 1/2- oder 8%ige Effektivverzinsung einer erststelligen Kapitalmarkthypothek als eine zwangsläufige Begleiterscheinung des Wohnungsbaues hinzunehmen gewöhnt waren! Wir rüsten uns jetzt, für das Jahr 1959 auf den 5%igen Pfandbrief umschalten zu können, und zwar 5 & als marktkonforme Verzinsung ohne steuerliche Vergünstigung und ähnliches. Das ist also eine rund 2%ige Verzinsung der Sollzinsen im Wohnungsbau.
Es muß hier einmal ausgesprochen werden, was das bedeutet. Der Herr Kollege Brecht hat es - ich glaube, es war in Dillenburg - vor einiger Zeit auf einer Tagung auch schon gesagt. Es bedeutet, daß man praktisch etwa 2000 DM mehr an Ersthypothek auf dem Kapitalmarkt zur Finanzierung seines Hauses aufnehmen kann, ohne daß man, wie es früher der Fall gewesen wäre, in eine Kostenverteuerung kommt.
Meine Damen und Herren, das ist doch der eine große Impuls für die Belebung des Wohnungsbaus der kommenden Jahre, auf den wir große Hoffnungen setzen können: die private Spartätigkeit - ich rechne dazu, Herr Kollege Brecht, auch die Opferbereitschaft in den Genossenschaften; ich habe in den Ausschüssen wiederholt gesagt, daß ich sehr wohl einen Unterschied zwischen den Wohnungsbaugenossenschaften und Wohnungsbauunternehmen schlechthin zu machen weiß -, die allgemeine Eigentumsspartätigkeit, die Bauspartätigkeit, insbesondere das Wohnungsbauprämiensparen, und überhaupt die allgemeine große Sparwelle in unserem Volk.
Ich glaube, wir können darauf vertrauen, daß die Wohnungsnot mit Hilfe der verstärkten Spartätigkeit überwunden wird, und zwar eher, als wenn wir versuchten, aus dem so schmalen Steuerkuchen um 30, 40, 50 oder 70 Millionen DM zwischen den 10 oder 20 dringenden Bedarfsträgern - angefangen von den Renten bis hin zum Wohnungsbau oder sonst was - hin und her zu rechten. Hier gilt, meine ich, in erster Linie die Parole: entweder den reichen Staat und das arme Volk oder den arDr. Preusker
men Staat und das reiche Volk! Wenn man den bisher gegangenen Weg konsequent weitergeht, wird man sehr viel schneller zur Lösung des Problems der Unterbringung der jungen Familien, der kinderreichen Familien, der Sowjetzonenflüchtlinge und all der Menschen, die noch auf eine Wohnung warten, kommen, als wenn man sich nur an den Staat statt auch an die Allgemeinheit und insbesondere an den Sparer wendet.
({4})
Das Wort hat der Abgeordnete Mick.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind ehrlich erfreut darüber, daß wir die Sorge für die jungen Familien - und für die möchte ich hier sprechen - mit anderen, auch mit Ihnen, Herr Dr. Brecht, teilen. Die CDU hat hier keineswegs ein Erstgeburtsrecht angemeldet, sondern sie ist - davon bin ich überzeugt - genauso von dem Willen, zu helfen, durchdrungen wie andere Fraktionen dieses Hauses.
Die Opposition ist hier allerdings in einer besseren Lage als wir. Es ist immer die Rede davon, daß wir die Schlüsselmittel um 70 Millionen DM gekürzt hätten. Ich darf darauf aufmerksam machen, daß hier nicht eine Kürzung durch die CDU-Fraktion vorliegt, sondern ein Erhöhungsantrag der SPD-Fraktion. Es ist verhältnismäßig einfach, hier von nur 70 Millionen DM zu sprechen. Der Staatsbürger draußen gewinnt dann den Eindruck: „Na, wegen dieser 70 Millionen sollte man im Rahmen eines so gewaltigen Etats doch nicht allzu viel Aufhebens machen". Aber es sind nicht nur diese 70 Millionen, sondern dazu kommen weitere Milliarden. Ich erinnere hier nur an den gleichen Antrag zum SBZ-Wohnungsbau und allerhand Anträge, die im Laufe der Haushaltsberatungen gestellt worden sind.
Die Opposition, in diesem Falle die SPD, ist bei jedem Vorbringen sehr wohl in der Lage, zu sagen: „Ach, das haben wir ja längst erkannt!", „Ach, dazu haben wir unsere Anträge gestellt!" Es ist gewiß das gute Recht der Opposition, da, wo viel gegeben wird, mehr zu fordern. Allein, wer die Verantwortung in diesem Hause trägt, der hat dafür zu sorgen, daß Mark auch Mark bleibt
({0})
und daß nicht das eintrifft, wovon eben Herr Dr. Preusker sprach. Ich kann mir z. B. nicht vorstellen, wie wir, wenn wir so hantieren wollten, einmal der Bodenfrage - die ich hier ebenfalls nicht weiter vertiefen will - Herr werden sollen. Ich stimme dem, was Herr Dr. Becker anläßlich eines Rundfunkgesprächs sagte, voll zu: daß eine stabile Mark schon eine fünfzigprozentige Lösung der Bodenfrage bedeutet.
Nun haben wir aus den von der Opposition geforderten 70 Millionen im Zuge der Zinssubvention immerhin 80 bis 100 Millionen gemacht, und Sie haben aus dem Munde des Herrn Ministers gehört, daß die Regierung diese Zusage bereits verbindlich gemacht hat. Diesen Fortschritt sollte man sehen und anerkennen. Wir sind uns klar darüber, daß wir damit aus dieser Notsituation noch nicht heraus sind. Wir sind aber, meine Damen und Herren, obwohl wir ja im vergangenen Jahre rund 540 000 Wohnungen und in den Jahren zuvor eine etwa gleiche Anzahl Wohnungen gebaut haben, auch aus der allgemeinen Wohnungsnot noch nicht heraus. Sollen wir deshalb aufstecken, oder sollen wir zügig weiterarbeiten, damit wir aus dieser Not herauskommen? Wir sind uns wohl alle darüber klar, daß sich Mangel nie gerecht verteilen läßt und daß alles darauf abgestellt werden muß, den Mangel zu beseitigen. So wissen wir, daß es keine Endlösung ist, wenn wir nun über Zinssubventionen den jungen Familien helfen wollen, ein Eigenheim zu erwerben.
Wir stimmen Ihnen auch zu, Herr Dr. Brecht, daß es nicht Sache jeder jungen Familie ist, ein Eigenheim zu erwerben. Es sind zum Teil sogar die besten Kräfte innerhalb der jungen Familien, die sich nicht binden, ehe sie nicht eine feste berufliche Position haben. Sie hätten aus dem Antrag der CDU/CSU-DP ersehen können, daß wir auch diesem Teil Rechnung zu tragen versuchen. Wir verlangen ja doch, man solle nicht nur der jungen Familie eine Zinssubvention geben, die ein Familieneigenheim für sich selbst baut, sondern auch denen, die ein Eigenheim bauen und ihre Mietwohnung einer jungen Familie zur Verfügung stellen.
Man wird mit Recht einwenden, das hänge ja auch vom Hausherrn ab. Ich kann mir aber vorstellen - und ich stimme hier Ihrem Wahlspruch, Herr Dr. Brecht, hundertprozentig zu: Soviel Eigenheime wie möglich, soviel Mietwohnungen wie nötig -, daß gerade hier auch die gemeinnützige Wohnungswirtschaft manches tun könnte, um im Sinne unseres Antrages auch auf diesem Wege der Not der jungen Familie zu steuern.
Nach unserer Ansicht sollten diese Zinssubventionen auch solchen Wohnungsbesitzern zugute kommen, die ein Einfamilienhaus bauen, wenn sie für diesen Einfamilienhausbau keine Mittel des sozialen Wohnungsbaues in Anspruch nehmen, wenn sie also freifinanziert oder steuerbegünstigt bauen und damit die vorhandenen allgemeinen Schlüsselmittel nicht verringern.
Es ist ganz klar, daß als Wohnungen für junge Familien im Sinne unseres Antrages weder Bruchbuden noch Luxusappartements in Frage kommen, Räume, die entweder Bruchbuden, also menschenunwürdig sind, oder aber solche, die von der jungen Familie finanziell nicht zu erschwingen sind.
Ich bin überzeugt, wenn wir gerade die letzte im Sinne der Ziffer 1 unseres Antrages liegende Maßnahme ordentlich und bis zuletzt durchdenken, werden wir nicht nur auf einen Nutzeffekt von 80 bis 100 Millionen DM, die den jungen Familien zur Verfügung gestellt werden können, sondern schließlich auf einen bedeutend größeren Nutzeffekt kommen. Der Nutzeffekt wird meines Erachtens nur durch das Veto des Finanzministers einen oberen
Grenzpunkt finden. Wir alle sollten gemeinsam bestrebt sein, den Finanzminister so weit und so lange wie möglich auf unserer Seite zu haben.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Brecht.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nur zu einigen wenigen Bemerkungen des Herrn Ministers Lücke noch etwas sagen. Ich habe mich gewundert, Herr Minister, daß Sie auch jetzt wieder genau die gleiche Taktik gegenüber einer sachlichen Darlegung von meiner Seite anwenden, indem Sie wiederum von der Krise und der Katastrophe des Wohnungsbaues reden. Ich bitte Sie herzlich, Herr Minister, einmal meine Darlegungen nachzulesen. Sie werden kein einziges Wort darin finden, mit dem ich von einer Krise des Wohnungsbaues oder des sozialen Wohnungsbaues gesprochen habe.
ich bin mit Ihnen der Meinung, daß wir im Jahre 1958, und zwar auf Grund der Vorleistung von 1957, etwa 500 000 bezugsfertige Wohnungen erstellen werden. Aber es werden ein paar weniger als im vergangenen Jahre sein. Ich will Ihnen aber heute schon konzedieren, Herr Minister, daß die Zahl der neu erstellten Wohnungen im Jahre 1959 - das kann man heute schon sagen - gegenüber 1958 wieder steigen wird. Ich hätte als Minister gar keine Hemmungen, zu sagen, es kann sein, daß es 1958 etwas unter 500 000 Wohnungen heruntergeht, denn das ist die Konsequenz der Kapitalmarktschwäche der Jahre 1956 und 1957. Aber werfen Sie mir doch nicht immer vor, daß ich die „Krise" oder die „Katastrophe" des Wohnungsbaues an die Wand malte. Ich habe es nie getan und werde es nie tun. Trotzdem glaube ich, daß man zu dem einen oder anderen Punkt in der Sache anderer Auffassung sein kann.
Dann eine Bemerkung zu dem, was Sie über die Eigenheimförderung gesagt haben! Ich glaube, Sie haben ein ungeheures Mißtrauen gegen die SPD oder gegen mich oder gegen alle diejenigen, die auch nur ein Wort der leisen Kritik an diesem Tabu des Zweiten Wohnungsbaugesetzes wagen. Herr Minister, wir wären in der Lage und bereit, Ihnen in wenigen Tagen eine Novelle zum Zweiten Wohnungsbaugesetz vorzulegen, wie sie wirklich notwendig wäre, auch im Sinne der Umgestaltung auf die künftige Entwicklung hin. Wir tun es einfach deshalb nicht mehr, weil wir wissen: wenn der Antrag von uns kommt, wird er ja doch abgelehnt.
({0})
Weshalb denn nun dieses ungeheure Mißtrauen, daß man, wenn ich hier erkläre: Eigenheime soviel wie möglich usw., dann einen Zweifel in diese Erklärung setzt? Sie stammt doch aus unseren Reihen, Sie haben sie ja erst nachträglich übernommen. Oder wenn ich das eine Zitat abkürze und nicht in vollem Wortlaut zitiere, dann ist das für Sie ein Grund zum Mißtrauen, ob der Brecht nicht dahinter doch noch einen anderen Gedanken hat und vielleicht doch nicht die Eigenheimförderung will.
Eins will ich Ihnen sagen, Herr Minister: Übersteigern Sie den Eigenheimgedanken nicht, sondern lesen Sie bitte einmal die Seiten 80 und 81 der Bundestagsdrucksache 554 nach, wo Ihrem Ministerium gesagt worden ist, daß hier im Raume Bonn Eigenheime gebaut und gefördert worden sind mit einem Kostenaufwand von 89 000 bis 110 000 DM und daß dafür 65 000 bis 85 000 DM öffentliche Darlehen gegeben worden sind.
({1})
Ist das die Eigenheimförderung, die Sie unbedingt vertreten wollen?
Vor wenigen Tagen habe ich in einer Genossenschaft erfahren, daß dort ein Antrag vorgelegt wurde auf Förderung eines Eigenheimes ebenfalls mit 80 000 DM Baukosten bei Verwendung von 55 000 DM öffentlichen Mitteln. Herr Minister Preusker ist nicht mehr da; aber ich möchte hier doch sagen, daß mit dem Einsatz des gleichen Betrages an öffentlichen Mitteln ein Mehrfaches an sozialen Wohnungen für wirklich bedürftige Kreise gefördert werden könnte.
({2})
Ich habe gar nichts gegen diese großen Eigenheime; sollen die Leute sie bauen, soviel sie wollen. Aber es geht hier um die Frage: sollen wirklich in diesem Umfange öffentliche Gelder da hineingesteckt werden, kann das nicht in Form einer anderen Finanzierung geschehen?
({3})
Dann haben Sie von der quotalen Bindung gesprochen. Ich habe keine Kritik an dem im Gesetz vorgesehenen Berichtsystem geübt. Ich weiß, daß das ein Kompromiß gewesen ist. Aber die Kritik an dem Berichtsystem ist ja schließlich in der Regierungserklärung enthalten, nicht in meinen Ausführungen. Ich habe nichts zu Ihrer Statistik gesagt; aber jetzt bin ich doch genötigt, ein paar Worte dazu zu sagen. Es wird immer gesagt, drei Fünftel der unerledigten Eigenheimanträge entfielen auf Anträge von Bevölkerungskreisen mit geringem Einkommen. Wenn Sie das sehr exakt darstellen, dann müssen Sie bekennen, daß es nicht nur die Bevölkerungskreise mit geringem Einkommen sind, sondern daß es diejenigen sind, die im Gesetz dieser Bevölkerungsklasse gleichgestellt sind. Das sind einmal Kinderreiche und Schwerbeschädigte, sind aber auch - das wissen Sie sehr genau, sehr geehrter Herr Minister - durchaus potente, in bester Situation sich befindende Eigenheimbauherren, die nur deshalb in die erste Rangstufe kommen, weil sie ihre Wohnung einem andern zur Verfügung stellen. Man soll dann nicht so tun, als ob diese drei Fünftel alles arme Teufel, Angehörige der armen Bevölkerungskreise wären.
Lassen Sie mich zum Schluß noch zwei Dinge sagen. Sie haben uns durchaus auf Ihrer Seite, Herr Minister, wenn Sie darangingen, das Finanzierungssystem aus der Erstarrung in der Kapitalsubvention herauszubringen. Ich habe Ihnen mit Absicht vorhin die Zahlen von Hamburg, Bremen und Hessen genannt, weil sie tatsächlich - obwohl hier gelacht wurde - nach der neuesten, heute herausgekommeDr. Brecht
nen Statistik prozentual an der Spitze stehen. Das sollte man doch nicht leugnen, man sollte es anerkennen!
Aber wenn Sie ganz exakt hineinsehen, stellen Sie fest, daß in der öffentlichen Wohnungsbaufinanzierung 1958 der prozentuale Anteil der Kapitalmarktförderung trotz des Zweiten Wohnungsbaugesetzes und - entschuldigen Sie, wenn ich das sage - zum Teil wegen des Zweiten Wohnungsbaugesetzes geringer ist als im Jahre vorher. Das sollte doch zu denken geben. Es besteht wirklich Anlaß, sich einmal mit diesen Dingen ganz objektiv zu beschäftigen und zu sehen, ob man nicht zu einem anderen Finanzierungssystem kommen kann.
Dann wird gesagt „Sparen". Selbstverständlich! Es ist niemand anders als die SPD, die diese Sparförderung durchaus betreibt. Aber wir haben dann auch die Bitte und den Wunsch, daß solche Sparleistungen für die Wohnungsbauförderung - etwa in Form von Kapitalansammlungsverträgen - bei Wohnungsbauunternehmen für Miet- und Genossenschaftswohnungen ebenso prämiiert werden wie das Sparen für andere Zwecke. Wir sind hier durchaus für einen Gleichklang, für eine gleiche Berücksichtigung der Interessen und für gleiche Bedingungen.
Nun lassen Sie mich zu dem Änderungsantrag, den wir gestellt haben, noch folgendes sagen. Wir würden es sehr begrüßen, wenn Sie es doch fertigbringen könnten, den drei Punkten dieses SPD-Antrages zur Änderung des Zweiten Wohnungsbaugesetzes Ihre Zustimmung zu geben. Es ist schon lange her, daß wir das Zweite Wohnungsbaugesetz im Ausschuß beraten haben. Wenn Sie wollen, sind wir gern bereit, es noch einmal zu einer Beratung in den Ausschuß zurückzunehmen. Es wäre durchaus denkbar gewesen, daß Sie selber gekommen wären und gesagt hätten: „Ja, über diese drei Punkte der SPD wollen wir sprechen. Wir wollen noch die und die anderen Punkte hineinnehmen." Es gibt halt Änderungsnotwendigkeiten beim Zweiten Wohnungsbaugesetz, und ich bitte Sie herzlich, es einmal aus diesem ideologischen Tabu herauszulösen.
({4})
Wenn Sie aber diesem Änderungsantrag der SPD zum Zweiten Wohnungsbaugesetz nicht zustimmen, dann haben wir die Bitte, wenigstens diesem bescheidensten und wirklich sehr zurückhaltenden Antrag zuzustimmen, der auf Umdruck 178 vorliegt und der dahin geht, daß nicht für das vergangene und das laufende Jahr, sondern vom nächsten Haushaltsjahr an wieder der volle Betrag von 700 Millionen DM eingesetzt und zur Verfügung gestellt wird, wobei es ganz Ihnen überlassen bleibt, ob Sie das Geld in Form von Kapitalsubventionen oder in anderer Form geben wollen.
Auf eines möchte ich noch besonders hinweisen, weil ich das vorhin übersehen habe. Wir haben ferner die Bitte, daß Sie auch unserem Änderungsantrag zustimmen, wonach bei den Großstädten gewisse andere Regelungen der Vorrangverhältnisse zugestanden werden sollen. Es gibt jetzt nach § 101 des Gesetzes die Möglichkeit für die Stadtstaaten
Hamburg, Bremen, Berlin. Wir verlangen ja nicht, daß die anderen Großstädte alles machen können, was sie wollen, sondern wir wollen nur haben wie bescheiden sind wir geworden -,
({5})
daß der Herr Bundeswohnungsbauminister ermächtigt wird, bei den Großstädten im Benehmen mit den Ländern die Vorrangverhältnisse anders regeln zu können. Was kann man mehr tun, als nun sachlichen Bedürfnissen zu entsprechen und gleichzeitig eine Form zu finden, der man doch wirklich zustimmen kann. Wenn Sie es nicht für alle Großstädte oder für alle dichtbesiedelten Gebiete akzeptieren, dann müßten Sie so viel Verständnis haben, anzuerkennen, daß es wenigstens für die Großstädte mit mehr als 500 000 Einwohnern oder für die Siedlungsgebiete über 500 000 Einwohner einfach eine sachliche Notwendigkeit ist. Nehmen Sie doch einmal etwa das Beispiel München. Da haben wir die dauernden Klagen, daß die Zahl der Wohnungsuchenden nicht abnimmt, sondern von Jahr zu Jahr grausam zunimmt. Hier ist einfach eine andere Einstellung nötig.
Unsere Bitte geht dahin: Lockern Sie das Tabu, das ideologische Tabu um das Zweite Wohnungsbaugesetz und kommen Sie zu den Realitäten! Dann können wir gemeinsam in den weiteren Jahren die Wohnungsnot überwinden.
({6})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Czaja.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gegen Ende einer solchen Debatte muß man wohl in nüchterner Überlegung festzustellen versuchen, was als gemeinsames Ergebnis übrigbleibt und uns eint.
Ich stelle mit Freude fest, daß Herr Dr. Brecht gesagt hat - ich nehme an, namens seiner Fraktion -, daß er den Punkten unseres Antrages im großen und ganzen seine Zustimmung gehen kann,
({0})
einigen Punkten unseres Antrages, die ich noch kurz begründen muß. Wir stellen den Antrag, diese Punkte - und wir widersetzen uns nicht einer ziffernmäßigen Abstimmung - zur Abstimmung zu bringen. Gleichzeitig beantragen wir, die Drucksache 192 und den Umdruck 178 abzulehnen, die Drucksache 231 in der Form anzunehmen, in der sie der Ausschuß in Drucksache 398 einstimmig beschlossen hat.
Bevor ich aber zur Begründung dieses unseres Antrages insgesamt komme, muß ich um der Wahrheit und um der Klarheit willen, und weil das Gemeinsame am Ende wirklich bleiben soll, einige halbe Wahrheiten, die hier ausgesprochen worden sind - und dies sind immer die gefährlichsten -, richtigstellen. Da ist einmal von 60 000 oder sogar 100 000 DM für Eigenheime gesprochen worden, die vom Rechnungshof beanstandet worden sind. Herr Kollege Dr. Brecht, Sie haben aber - was
Sie wissen mußten, nachdem Sie die Drucksache zitiert haben - mit keinem Wort gesagt, daß es sich hier nicht um öffentliche Mittel im Sinne des Zweiten Wohnungsbaugesetzes handelt. Das ist nur eine halbe Wahrheit, Herr Kollege Brecht, und halbe Wahrheiten sind immer gefährlich. Es hat sich keineswegs um öffentliche Mittel und um einen öffentlichen Bewilligungsvorgang im Sinne des Zweiten Wohnungsbaugesetzes gehandelt. Das möchte ich hier eindeutig feststellen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ja.
Es handelt sich um Mittel aus dem öffentlichen Haushalt. Ich weiß sehr wohl, daß es keine öffentlichen Mittel im Sinne des Wohnungsbaugesetzes sind. Aber, Herr Dr. Czaja, sind es deshalb keine öffentlichen Mittel? Das wäre doch eine rein formale Auslegung des Begriffs der öffentlichen Mittel.
Herr Kollege Dr. Brecht, Sie kennen das Wohnungsbaugesetz mindestens so gut wie wir. Sie wissen ganz genau, daß in § 6 des Wohnungsbaugesetzes eine klare Definition dessen enthalten ist, was öffentliche Mittel sind. Hier heißt es ausdrücklich, daß Mittel, die aus öffentlichen Haushalten als Fürsorgemittel für die Beschäftigten gegeben werden, keine öffentlichen Mittel im Sinne des Wohnungsbaugesetzes sind. Hier kommen wir wieder in die halben Wahrheiten. Wir wollen hier nichts verschwimmen lassen.
Ich komme noch auf andere Dinge, Herr Kollege Brecht. Sie haben uns vorgeworfen, wir hätten hier keine große Debatte geführt. Ich muß Ihnen antworten: wir haben eine aktuelle Debatte geführt. Wir haben die Punkte herausgegriffen, die uns augenblicklich auf den Nägeln brennen. Wenn Sie eines vielleicht mit Recht hätten sagen können -auch in diesem Punkt haben Sie sich geirrt -, so wäre es das gewesen, daß wir nicht gleichzeitig die Bodenfrage zur Debatte gestellt haben. Sie haben das sogar auch gesagt. Aber, Herr Kollege Brecht, Sie haben da die Dinge etwas zu spät gesehen. Wir haben nämlich diese Debatte schon durch Ziffer 6 unserer Großen Anfrage vom Oktober des vergangenen Jahres gehabt; sie ist im Februar dieses Jahres abgerollt. Damals haben wir die Bodenfrage in ihrer ganzen Breite aufgerollt. Damals kam aus Ihren Reihen oft der Zwischenruf: „Das gehört ja gar nicht in erster Linie zum Wohnungsbau!" Bitte, lesen Sie die Drucksache nach. Ich habe sie da, ich habe extra darin nachgesehen.
Wir müssen aber noch einige andere Ausführungen über die Eigentumsfreudigkeit und Eigentumsförderung richtigstellen. Wir freuen uns darüber, daß Sie sagen: „so viel wie möglich"; aber, Herr Kollege Dr. Brecht, ich hätte mich mehr gefreut, wenn Sie namens Ihrer Fraktion daraus die Folgerung gezogen hätten. Sie haben sich aber da, wo es auf die konkreten Dinge ankam, z. B. auf die Annahmepflicht, die allen denen, die das Familienheim nicht fördern wollen, ein Dorn im Auge ist, mit einem kleinen Schlenker begnügt. Es ist hier wiederholt unterstrichen worden: Die Annahmepflicht gibt dem Staatsbürger, der ein Eigenheim will, das Recht, auch gehört zu werden; er kann darauf bestehen, daß sein Antrag von der Annahmestelle behandelt wird. Daß trotz der bindenden Vorschriften des Gesetzes nicht alle Familienheimanträge angenommen werden, das haben Sie, wie gesagt, mit einem kleinen Schlenker abgetan.
Sie haben dann gesagt: Ja, wenn irgendwo ein Antrag nicht angenommen wird, dann ist das doch nicht so schlimm; warum bringt ihr das in euren Antrag hinein? - Hier, wo es darum geht, den Willen des Staatsbürgers gegenüber den Behörden zur Geltung zu bringen - sie haben immer die Möglichkeit, im Interesse des allgemeinen Wohls zu bremsen -, haben Sie nicht mehr gesagt „so viel wie möglich". Und Sie haben dort schon gar nicht mehr gesagt „so viel wie möglich", wo es auf den nervus rerum, auf das Geld, auf die Verteilung der Mittel, ankommt. Da haben Sie den § 19 sehr eigenartig ausgelegt. Sie wollen den Punkt 4 nicht annehmen. Aber wir werden ihn hier im Hause, weil wir eine klare Zustimmung zu den konkreten Forderungen des Eigenheims wollen, auch zur Abstimmung stellen. Da also haben Sie gesagt: Ja, § 19 sieht das nicht vor. Sie haben ja recht, Herr Kollege Brecht; aber auch hier wieder haben Sie nur die Hälfte gesagt. § 19 sieht auch keine anderen Gesichtspunkte vor, die bei der Verteilung entscheidend zu berücksichtigen sind, sondern er sagt, daß diese Dinge im Einvernehmen zu regeln sind.
Nun aber wehren Sie sich, Herr Kollege - und das ist das Schwierige und Schmerzliche - dagegen, daß das Gewicht der hier vorliegenden Anträge auf Familienheime - das Gewicht der Bürger, die ein Eigenheim wünschen und dafür gespart haben - bei der Verteilung dieser Mittel berücksichtigt werde. Das ist keine echte Förderung des Familienheims. Hier sollten Sie sagen: Ja, haltet diese Gesichtspunkte bei der Verteilung der öffentlichen Mittel „so viel wie möglich" im Auge! Das, meine Damen und Herren, entspricht auch voll dem Gesetz. Der Herr Minister hat Ihnen schon über diesen Schlenker „und so weiter" etwas gesagt und darauf hingewiesen, wie Sie beim Thema Wohnungsnot und Eigentumsbildung darüber hinweggegangen sind.
Meine Damen und Herren, im Jahre 1958 m u ß man, nachdem bis Ende dieses Jahres 80 Milliarden im Wohnungsbau insgesamt und darunter 29 Milliarden öffentlicher Mittel investiert sind, zur Kenntnis nehmen, daß der Wohnungsbau gleichzeitig zwei Aufgaben erfüllt; einmal bezweckt er die Bekämpfung der Wohnungsnot, und zum andern handelt es sich um eine ungeheure Investitionstätigkeit, die endlich einmal stärker dem einzelnen, den breiten Schichten und dem Arbeitnehmer, zugute kommen soll.
({0})
Deshalb und weil im § 30 klar vorgeschrieben ist, daß die Länder bei der Verteilung der Mittel die anstehenden förderungsfähigen, aber noch nicht beschiedenen Familienheimanträge zu werten haben, muß und kann der Minister, auch der Bundesminister, wenn er dem Sinn des Gesetzes, dem Sinn des § 1, aber auch den klaren rechtlichen Vorschriften der §§ 30 und 31 Rechnung tragen will, die Mittel auf Grund des Gesamtberichts verteilen. Sonst hätten wir ja keinen Gesamtbericht verlangt. Allein um eine Statistik zu haben, hätten wir das nicht verlangt.
Sie haben ferner die Familienheimbildung für jene, die auch noch zum begünstigten Personenkreis gehören, die also keine Millionäre sind, die ihre Mietwohnung Einkommensschwachen zur Verfügung stellen und ein Eigenheim bauen wollen, negativ beurteilt. Auch da haben Sie nicht alles gesagt. Meine Damen und Herren, was soll daran Schlechtes sein? Damit wird doch Ihr Wille erfüllt. Sie sagen: Nicht alle Einkommensschwachen kommen in Eigenheime. Gut, dann sind sie in die Mietwohnung gekommen. Aber Sie haben nicht gleichzeitig Millionären zu einem Eigenheim verholfen.
({1})
- Ja, aber Sie haben es so dargestellt, Herr Kollege Brecht. Sie haben nicht Überreichen, sondern Sie haben Familien, die unter Berücksichtigung von Kinder- und ähnlichen Zulagen bis zu 9500 DM Jahreseinkommen haben, zu einem Eigenheim verholfen. Also auch dieser Punkt des Wohnungsbaugesetzes ist absolut zu bejahen.
({2})
- Sie können das dann noch ergänzen.
Meine Damen und Herren, auf die kleinen Unebenheiten will ich gar nicht eingehen. Sie meinten, in Baden-Württemberg habe die SPD den Antrag für die jungen Familien gestellt. Ich habe hier die Drucksache. Sie müssen aber die Drucksache, die davorsteht und die viel eingehender und genauer ist, nehmen. - Da lächeln Sie! - In dieser Drucksache ist der Weg aufgezeigt, den wir alle, auch Herr Preusker, bejahen, nämlich daß wir stärker als bisher mit Zinssubventionen arbeiten sollten.
({3})
Sie haben es so dargestellt, als hätte sich der Minister zu den Zinssubventionen bekannt. In seiner ganzen Rede hat der Herr Minister nicht nur von Zinssubventionen, sondern auch von der Dreigleisigkeit der Förderung des öffentlichen Wohnungsbaus - Kapitalsubventionen, Zinssubventionen und Mieten- und Lastenbeihilfen - gesprochen. Gerade das in die Debatte geworfen zu haben
- das muß ich in aller Offenheit sagen -, ist ganz gewiß ein Verdienst des Ministers Lücke. Sicherlich hat er das nicht nur aus eigenem. Er hat das nach ausländischen Vorbildern zum erstenmal hier in der Bundesrepublik stark in den Vordergrund gestellt.
({4})
- Aber es wurde heute bei den Kapitalsubventionen in den Vordergrund gestellt.
Sie haben auch nicht ganz richtig zitiert, als Sie von den SPD-Ländern sprachen, die die gemischte Subvention haben. Schauen Sie, gerade weil das der entscheidende Punkt ist, wo wir uns unterscheiden
- jetzt komme ich zur Hauptsache -, haben Sie nicht ganz genau zitiert. Die gemischte Subvention haben die Länder Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachsen, Bremen eingeführt, seit August sogar Nordrhein-Westfalen, und zwar seitdem die CDU-Regierung dort besteht,
({5})
ebenso Hessen. - Jawohl, das hat sich ausgewirkt, weil Mitte August zum erstenmal in dem größten und die meisten Wohnungen bauenden Land im laufenden Haushalt diese kapitalsparende Form der Subvention des öffentlich geförderten Wohnungsbaus eingeführt worden ist. Nehmen Sie es uns doch nicht übel, wenn wir voll Stolz sagen, daß es so gewesen ist.
Ich werde nachher ein paar negative Dinge aus Hessen und Hamburg nennen, nachdem Sie, Herr Dr. Brecht, dies angeschnitten haben. Ich habe es nicht angeschnitten. Aber nachdem Sie es angeschnitten haben, muß ich es Ihnen nachher sagen.
Meine Damen und Herren, hier gehen die Wege auseinander. Herr Dr. Brecht, Sie plädieren dauernd dafür, wir sollten die Mittel um 70 Millionen DM erhöhen. Wenn Sie konsequent in Ihrer Logik blieben und in der Betonung: wir müssen die Mittel rationell auswerten, und die SPD-Länder haben das getan, dann müssen Sie etwas ganz anderes tun. Sie müßten folgendes sagen. Im Jahre 1956 gab es fast keine gemischte Subvention. Im Jahre 1957 waren schon 10 % der Mittel, die so gemischt eingesetzt worden sind, in der gemischten Subvention gegeben, und nur über 89 % sind in der reinen Kapitalsubventionen gegeben worden. Hier sind wir der Meinung, Herr Kollege Dr. Brecht: solange es nur in einzelnen Ländern möglich ist und in anderen Ländern diese Praxis noch nicht verbreitet ist, diese für den laufenden Haushalt - ich betone: für den laufenden Haushalt - billigere Subvention der öffentlich geförderten Wohnungen anzuwenden, können wir nicht zu einer Ausweitung der vorhandenen Mittel schreiten. Man kann mit den vorhandenen Mitteln trotz der Degression - sie beträgt nicht 70 Millionen, sondern nur 33 Millionen, auch das muß man zur Richtigstellung sagen - den normalen Wohnungsbau halten. Man kann ihn sogar erweitern, wenn man das Verfahren der gemischten Subvention überall durchführt.
({6})
Herr Kollege Dr. Brecht, wenn Sie konsequent gewesen wären, hätten Sie das gesagt, was die CDU bei den Beratungen des Zweiten Wohnungsbaugesetzes gewollt hat und was damals einige Länder abgelehnt haben. Wir nämlich wollten die gemischte Subvention - eine Mischung von reiner Kapitalsubvention und objektgebundener Zinssubvention und Mieten- und Lastenbeihilfen - und
wollten dafür eine zwingende Bestimmung haben. Aber die Länder haben damals gesagt: Nein, wir wollen die Disposition darüber selbst behalten.
Wenn Sie eine Änderung des Wohnungsbaugesetzes in dem Sinne hätten herbeiführen wollen, in dem auch Herr Preusker darüber sprach, dann hätten Sie verlangen müssen, daß man diese Regelung, sei es freiwillig, sei es durch Gesetz, konsequent in den Ländern durchführt. Dann hätten Sie verlangen müssen, daß ein Teil des Wohnungsbaues wie in den von Ihnen als Vorbild genannten Ländern-und dazu gehören Schleswig-Holstein und Niedersachsen ebenso wie Hamburg und Bremen - durch kombinierte Subventionen finanziert wird. Das wäre die einzig richtige Konsequenz. Hier könnten wir uns finden. Das vielgelästerte Zweite Wohnungsbaugesetz zeigt klar, daß dies ein Weg nach vorn in die echte Freiheit ist. Wir würden dadurch ein Zwischenstadium auf dem Wege der schrittweisen Hinführung des gesamten Wohnungsbaues auf den Kapitalmarkt erreichen.
Ich sehe, wie mir Kollege Burgbacher zunickt, der immer als das ferne, heute nicht erreichbare Ziel jene amerikanische Form der Subventionierung hinstellt, durch die das Eigenheim auf Raten demjenigen vermittelt wird, der 10 % Eigenkapital aufbringt, während 90 % durch Kapitalmarktmittel gedeckt werden, die vom Staat, von der öffentlichen Hand, verbürgt sind. Freilich, das ist ein fernes Ziel; denn wir müssen zunächst jenen vollständigen Kapitalmarkt haben. Aber das Zweite Wohnungsbaugesetz mit der kombinierten Subventionierung ist das echte Zwischenstadium, der Zwischenschritt auf dem Wege, der auch von Herrn Preusker angedeutet worden ist.
({7})
Noch einige Worte zu unserem Antrag. Ich glaube, in Punkt 1 sind wir uns einig: mit diesen Zinszuschüssen soll gerade jungen Familien geholfen werden. Das bedeutet natürlich nicht, daß sie nicht auch die Rangstufen in Anspruch nehmen müssen. Auch das war ein erheblicher Irrtum von Ihnen, Kollege Brecht. Wir haben im Februar im Ausschuß genau erfahren, wieviel Prozent der Wohnungen in den Programmen der einzelnen Länder in die Kategorie der Wohnungen für Einkommensschwache und wieviel in die zweite Rangstufe fielen. Fast die Hälfte der Wohnungen gehörte in die zweite Rangstufe. Die jungen Familien können sehr wohl drankommen. - Ja, Sie schütteln den Kopf. Das sind aber Tatsachen. Ich habe die Liste da; Sie können sie einsehen. Sie enthält die Meldungen der Länder, aus denen sich ergibt, wieviel die Länder bauen wollen. Im übrigen haben Sie auch vom Herrn Minister gehört, wieviel nichterledigte Anträge von Einkommensschwachen vorliegen, die eine Förderung beanspruchen können: 68 000 für den Mietwohnungsbau und drei Fünftel von den 78 000, ich glaube, 50 000, für den Bau von Familienheimen. Das sind zusammen rund 120 000. Wir fördern im Normaljahr über 300 000 Wohnungen im öffentlich geförderten Wohnungsbau. Bleiben also 180 000 für die zweite Rangstufe übrig. Das läßt sich nicht aus der Welt dividieren.
Aber, Kollege Dr. Brecht, mit diesen Mitteln können wir Zinsverbilligungen durchführen, und mit diesen Zinszuschüssen können wir diesen jungen Familien helfen, wenn sie in der Dringlichkeitsliste richtig geführt werden. Hier haben Sie einen Irrtum begangen, gegen den wir gerade mit unserem Antrag ankämpfen wollten. Wir sind dem Herrn Minister für seine Interpretation dankbar. Nirgends steht im Wohnraumbewirtschaftungsgesetz, Herr Kollege Brecht, daß die Dringlichkeit nur von dem Zeitpunkt der Meldung abhängig ist. Damit haben Sie auch operiert, und dem wollten wir gerade entgegentreten. Es heißt im Wohnraumbewirtschaftungsgesetz ausdrücklich, daß auch die persönlichen, die sozialen und die volkswirtschaftlichen Interessen zu werten sind. Wir wollten, daß die Gesichtspunkte, die für die junge Familie sprechen, bei den Wohnungsämtern ebenfalls berücksichtigt werden, so daß sie in die Rangstufe 2 kommen.
In den Ländern, insbesondere in den Großstädten, hat sich etwas Eigenartiges eingebürgert. Ich möchte meine jetzige Heimatstadt davon nicht ausnehmen. Auf dem Wege über das eingeräumte Vorkaufsrecht - es handelt sich um privatrechtliche Kaufverträge - hat man den Bauträgern die Auflage gemacht, Wohnungen nur an solche Familien abzugeben, die mit dem Stichtag an der Reihe sind. Damit hat man die Sparwilligkeit der jungen Familien beeinträchtigt, die über die §§ 50 und 80 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes nicht nur zum Eigenheim, sondern auch zur Mietwohnung kommen können. Nach diesen Bestimmungen wird nämlich demjenigen, der 1600 bis 2000 DM Mietvorauszahlung leistet, ein Rechtsanspruch auf die Zuteilung einer Wohnung gewährt. Nun durchbrechen einzelne Gemeinden diesen nach dem Gesetz gegebenen Rechtsanspruch durch einen privatrechtlichen Kaufvertrag, zu dem sie weitgehend auf dem Wege über das Vorkaufsrecht gekommen sind. Deshalb wollten wir ganz klar herausstellen, daß auch in der Dringlichkeitsliste der Wohnraumbewirtschaftung die junge Familie, nicht nur weil sie ein Jahr später sich gemeldet hat, sondern auch in Würdigung der ganzen Situation - Kinder, Unterbringung auf zehn oder elf Quadratmeter und was da ist - richtig gewertet wird. Ich hoffe, daß Sie unserem Antrag Ziffer 1 nun voll zustimmen werden.
Mit Ziffer 2 haben wir ein ernstes Kapitel angeschnitten. Der Herr Minister hat dankenswerterweise gesagt, daß die Mittel für die Wohnungen für SBZ-Flüchtlinge und Aussiedler jetzt viel schneller abfließen und daß die Zahl der Bewilligungen - von 2000 auf 11 800 - stark. heraufgegangen ist. Das ist ein beispielloses Ergebnis. Es wurde nicht nur durch die späte Bereitstellung am 30. Mai hervorgerufen, Herr Kollege; am 30. Mai bzw. vorher brauchten die Mittel nicht bereitgestellt zu werden, weil Zehntausende, ich glaube, es waren an die 40 000 Wohnungen, für die vom Bund Mittel aus den Programmen, die im Februar 1957 bewilligt worden waren, schon bereitgestellt waren - ich werde gleich zu Hessen noch etwas sagen -, noch gar nicht im Bau waren.
Nun hat der Herr Minister ein in die Zukunft weisendes hoffnungsvolles Wort gesprochen: daß
proportional zu dieser Bewilligung und proportional zu der Zahl der bezugsfertig werdenden Wohnungen, die auch immer mehr steigt, die Flüchtlinge und Aussiedler aus den Lagern abgerufen werden. Das ist leider in vielen Orten nicht der Fall. Es ist erschreckend, zu sehen, daß, während der Bund für alle Personen, die bis zum Anfang des laufenden Rechnungsjahres gekommen sind, Mittel bereitstellt - für einige sogar im Vorgriff; für die, die bis zum 1. April kommen -, die Abberufung nicht im gleichen Verhältnis erfolgt. Ich habe hier ein amtliches Schreiben eines großen Landratsamts in meinem engeren Vaterland. Da steht, daß sich in einer Stadt von 50 000 Einwohnern über 700 Personen mehr als vier Jahre und zehn Monate im Lager befinden. Wir haben deshalb in Ziffer 2 unseres Antrags gebeten, daß die Bundesregierung endlich Möglichkeiten der Kontrolle durchsetzt.
Der Herr Bundesminister ist in einer glücklichen Lage; er ist zu beglückwünschen. Noch kein Bundesminister hat vor Ende des Kalenderjahres so viel Mittel verteilen können, wie er sie heuer nach dem Gesamtwohnungsbauprogramm verteilen kann. Er hat schon angedeutet, welche Mittel ihm zur Verfügung stehen. Ich muß sagen, daß wir ihm für die Zielstrebigkeit danken müssen, wir alle, die wir das unterstützt haben, eingeschlossen die Opposition. Aber mit der Verteilung dieser wahrscheinlich 1,7 Milliarden DM ist eine schwere Verantwortung verkoppelt; es ist auch eine schwere Versuchung für diejenigen damit verbunden, die da mitbeteiligt werden.
Nun die Vorausverteilung! Wir haben da einige Erfahrungen, Herr Kollege Dr. Brecht. Im Jahre 1956 haben wir gewaltige Mittel auf das Baujahr 1957 im Vorgriff verplant. Wir haben dann erst sehr spät gemerkt, daß diese Mittel noch im Jahre 1956 global verplant worden sind nach dem Ersten Wohnungsbaugesetz und nicht, wie es gedacht war, nach dem Zweiten Wohnungsbaugesetz. Das hat man erst sehr spät gemerkt; wir haben vorher wohl ein dumpfes Gefühl gehabt, aber gesehen hat man es erst im Herbst 1957 aus der Statistik. Ähnliches war mit der pauschalierten Kriegsfolgenhilfe vom Moment der Pauschalierung an der Fall. Deshalb wünschen wir - ich verweise auf Ziffer 2 unseres Antrages -, daß in das Gesamtprogramm klare Bindungen hineinkommen, wie es der Herkunft der Mittel entspricht, und daß auch in der Durchführung eine Kontrolle dieser Bindungen ermöglicht wird.
Wir wollen den Tausch im Wohnungsbestand. Wir wollen, daß jeder, der durch Tausch oder Neubau eine Wohnung für Flüchtlinge zur Verfügung stellt, die volle Durchschnittssumme je Person tatsächlich bekommt. Wir wollen eine klare Kontrolle, wieviel Personen je Kreis in den einzelnen Jahresabschnitten unterzubringen waren und untergebracht wurden. Während der Bauzeit wollen wir eine klare Übersicht darüber, wieviel der Mittel tatsächlich verplant, bewilligt oder nicht bewilligt worden sind, damit wir die Säumigen mahnen können, wir können sie jetzt mahnen.
Herr Kollege Dr. Brecht, Sie haben versucht, die Lage in Hessen so nett darzustellen. Darf ich Ihnen sagen, wie heute die Situation in Hessen ist: 6. Programm, Bereitstellung 5. März 1956: Hessen neben Hamburg das Land, das die wenigsten bezugsfertigen Wohnungen hatte; nämlich: Hessen 59 %, Hamburg 20 %. 7. Programm, Bereitstellung 4. Oktober 1956: Hessen und Hamburg am wenigsten bezugsfertig, nämlich 0 %.
({8})
8. Programm, Bereitstellung 27. Februar 1957: Hessen am wenigsten bewilligt, nämlich 48,2 %. 9. Programm, Bereitstellung vom Bund 27. Februar 1957 - das sind Zahlen vom 1. Juli 1958 -: Hessen am wenigsten bewilligt, nämlich 48,2%. 10. Programm, Bereitstellung der Mittel 19. Dezember 1957: Hessen neben Hamburg am wenigsten bewilligt, nämlich 0 %. 11. Programm, Bereitstellung 30. Mai 1958: Hessen neben Hamburg am wenigsten bewilligt, nämlich 0 % Das ist die Situation.
({9})
Das muß man einmal in aller Klarheit aussprechen.
Wir wünschen bessere Kontrollen, und wir sind auch sehr dafür, daß die Kontrollen geändert werden, so daß die Eigentumsbildung gefördert wird.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ja.
Darf ich in Ihre temperamentvollen Ausführungen hinein eine Frage stellen, Herr Dr. Czaja? - Ich habe von Hessen nur im Zusammenhang mit dem Übergang von der Kapitalsubvention zur Aufwendungssubvention gesprochen. Ich frage Sie also: habe ich etwa gesagt, daß Hessen bei der Verteilung der Mittel aus dem SBZ- Programm an vorderster Stelle steht?
Nein, aber Sie haben mich veranlaßt, darzustellen, wie in Hessen die Entwicklung beim SBZ-Programm gelaufen ist.
({0})
- Aber entschuldigen Sie, ich kann Ihre Meinung über die führende Stellung Hessens im Wohnungsbau doch auf den gesamten Wohnungsbau beziehen. Ich habe zuerst korrigiert, daß nicht allein Hessen und die SPD-Länder die gemischte Subvention geben. Hessen steht übrigens bei der gemischten Subvention an zweitletzter Stelle; das nur nebenbei. Ich habe die genauen Zahlen zur Hand.
Sie können mich nicht hindern, daß ich, nachdem Sie das Land Hessen in bezug auf den Wohnungsbau so herausstreichen, die tatsächliche Situation kennzeichne, die in Hessen in diesem Sektor, in einem der größten Sektoren des Wohnungsbaues, besteht, um so mehr, als Sie mit einer Andeutung gesagt haben, man solle, indem man die Dinge so oder so darstelle, das Land Hessen nicht irgendwie schlechtmachen. Ich weiß, daß sich das auf Presse2712
konferenzen und ähnliches - sie sind nicht von mir oder von uns veranlaßt worden - bezogen hat.
({1})
Eine zweite Frage? Dr. Czaja ({0}) : Bitte sehr!
Darf ich Sie tragen, was Sie in Ihrem Hauptberuf sagen würden, wenn jemand einem anderen auf eine Angelegenheit antwortete und ihn daraufhin im Zusammenhang mit einem Thema angriffe, zu dem sich der andere gar nicht geäußert hat?
Entschuldigen Sie, ich antworte Ihnen gar nicht! Ich spreche hier über den sozialen Wohnungsbau und zu unserem Antrag. Unter anderem antworte ich auch auf Ihre Ausführungen. Sie können nicht leugnen, daß Sie gesagt haben, man habe Hessen durch die Darstellung der Zahlen - so und so - irgendwie schlecht hingestellt. Das muß ich um der Wahrheit willen hier doch ganz klarstellen.
({0})
Man soll bei der Kontrolle nicht ohne weiteres etwas aufgeben, was bereits eingefahren ist, ohne daß man eine klare Konzeption hat. Darum müssen alle Beteiligten beschworen werden, diese Kontrolle im Sinne unseres Antrags zu sichern, denn wenn hier Fehlleitungen vorkommen, sieht man sie erst nach 18 Monaten oder zwei Jahren in der Statistik, und es gäbe ein katastrophales Ergebnis, wenn die großen Mittel irgendwie falsch gelenkt würden und durch den Finanzminister neu ergänzt werden müßten.
Die an der Verteilung Beteiligten haben bei der Verteilung eine große moralische Verantwortung - ich verweise hier auf Ziffer 2 unseres Antrags -vor den Familien, die bis zu 40, 60 oder 80 Personen in einem Raum wohnen, vor den Kindern, die dort aufwachsen, und vor den heroischen Akten menschlicher Sauberkeit, aber auch den furchtbaren Beispielen moralischen Niedergangs, die dort täglich gesetzt werden.
Das Schicksal unseres Jahrhunderts ist der Lagermensch. Zwar gibt es in den Lagern unserer Tage keine Bestialitäten und sein äußeres Zerfetzen menschlichen Lebens und Daseins wie in den Konzentrationslagern, aber die Last des Hausens im Massenquartier ist da, und in unserer freien Bundesrepublik hat jeder die Freiheit, dies zu sehen, sofern er es aus Gerechtigkeit und Verantwortung sehen will. Mögen unsere freien Bürger unter echtem Abwägen der oft noch schwereren wohnungsmäßigen Notstände Ortsansässiger auch den Zuwanderern in maßvollem gerechtem Verteilen das zukommen lassen, was ihr Dasein, möglichst auch in freier Luft, in unserem Lande angemessen macht. Darum der Antrag unter Ziffer 2, dem Sie hoffentlich auch zustimmen werden.
Die Anträge unter Ziffern 3, 4 und 5 zielen auf die Gewichtung der unerledigten Familienheimanträge und die Gewichtung der Mietwohnungsanträge für die Einkommenschwachen bei der Verteilung der öffentlichen Mittel nach dem Zweiten Wohnungsbaugesetz durch den Bundeswohnungsbauminister.
Ich bitte, das Bekenntnis abzulegen, daß Sie wirklich so viel Eigenheime und so viel Mietwohnungen wie möglich für die Einkommenschwachen wollen. Wollen Sie das, so werden Sie diesen Antrag einstimmig annehmen.
({1})
Das Wort hat der Herr Wohnungsbauminister.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bitte um Entschuldigung, daß ich noch einmal das Wort ergreife, aber ich möchte Sie bitten, den Antrag der CDU/CSU und der Deutschen Partei anzunehmen.
Der Wohnungsbauminister kann, soll und wird in diesem Jahr Anfang Dezember eine Summe von rund 3,5 Milliarden DM für den Wohnungsbau, SBZ-Wohnungsbau usw., verteilen bzw. Kenntnis geben von entsprechenden Bindungsermächtigungen und von Wohnungsbauprogrammen für bestimmte Zwecke in etwa dieser Gesamthöhe. Es ist notwendig, daß das Hohe Haus diese Frage diskutiert und auch weiß, wie der weitere Trend gehen soll, den wir im Wohnungsbau beabsichtigen. Ich bitte also, den Antrag anzunehmen.
Ferner muß ich noch zweierlei richtigstellen. Herr Dr. Brecht, Sie haben eine Frage angesprochen, die meines Wissens in dem Bericht des Rechnungshofes, den alle Mitglieder des Hohen Hauses erhalten haben, behandelt worden ist. Es geht um die Kritik an den angeblich überhöhten Baukosten von Wohnungen für Bundesbedienstete. Das ist eine sehr ernste Frage. Ich gehe jetzt gleich darauf ein, weil Sie mit dieser Frage die Behauptung verknüpft haben, daß das eine Eigenheimsförderung gewesen sei.
Zunächst handelt es sich um eine Kritik am Mietwohnungsbau für Bundesbedienstete. Es handelt sich also nicht - auch bei den von Ihnen genannten drei Fällen nicht - um Eigenheime. Mir liegt sehr daran, dies hier klarzustellen, und ich bitte, den Bericht genau nachzulesen. Es geht darum - die genauen Zahlen kann ich nicht sagen -, daß vor Jahren im Raum Bonn Wohnungen gefördert wurden - Herr Dr. Oeftering und Herr Kollege Dr. Dehler sowie eine Reihe von Abgeordneten haben ähnliche Wohnungen -, bei denen Bundeshaushaltsmittel für Bundesbedienstete - um die handelt es sich hier - nach der Auffassung des Rechnungshofes überhöht gegeben worden seien. Die Bundesregierung wird sich zu dem Bericht äußern. Ich möchte nicht, daß auf Grund dieser Aussprache draußen der Eindruck entsteht, es sei die Eigenheimpolitik der Bundesregierung, mit solchen überhöhten Mitteln Eigenheime bauen zu lassen.
Meine Damen und Herren, es macht mir im übrigen Sorge, daß wir in Bonn eine Fülle von Programmen haben, z. B. für die Bundeswehr, für die Bundesbediensteten, aber auch viele andere. Es liegt in der Natur der Sache, daß die Durchführung solcher Programme Schwierigkeiten mit sich bringt. Die Wohnungsunternehmen sind nicht immer bereit, hier Risiken einzugehen, so daß der Bund gelegentlich Dinge tun muß, die man normalerweise nicht zu tun braucht. Das weiß doch der Haushaltsausschuß, Herr Dr. Brecht; denn dort werden die Dinge besprochen. Wir sollten uns hüten, diese Dinge in ein schiefes Licht zu bringen.
Ich darf Ihnen dann noch, Herr Dr. Brecht, die Rechtfertigung dafür geben, warum ich wieder dieses Wort vom „Totengeläute des sozialen Wohnungsbaus" ansprach. Dieses Geläute wurde auf Ihrer Seite und gelegentlich auch von Ihnen selbst, Herr Dr. Brecht, veranstaltet. In den „Wohnungswirtschaftlichen Informationen", die Ihnen bekannt sind, Herr Dr. Brecht, schreibt der Gesamtverband der Gemeinnützigen Wohnungsunternehmen folgendes:
Als der Entwurf eines Zweiten Wohnungsbaugesetzes der Öffentlichkeit bekannt wurde, wurde diese Entwurfsfassung als „Grabgesang für den sozialen Wohnungsbau" bezeichnet, eine Äußerung, die auf der einen Seite heftigsten Widerspruch hervorrief, auf der anderen Seite als die knappste und trefflichste Beurteilung des Gesetzentwurfs angesehen wurde.
Was ich jetzt zitieren möchte, stammt von Ihnen selbst und ist etwas älteren Datums. Am 19. Mai 1958 hat Herr Abgeordneter Dr. Julius Brecht nach den Informationen des Gesamtverbandes Gemeinnütziger Wohnungsunternehmen folgendes ausgeführt - ich darf das mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten verlesen -:
Am 13. Mai arbeitete der Bundestagsausschuß für Wohnungswesen, Bau- und Bodenrecht nach langer Pause endlich all die Anträge und Vorlagen durch, die sich seit der Anfangszeit des 3. Bundestages angesammelt haben. Darunter befinden sich insbesondere zwei Anträge der SPD von grundlegender Bedeutung. Der eine Antrag erstreckte sich auf den Sonderwohnungsbau für die Zuwanderer aus der sowjetischen Besatzungszone und die Aussiedler aus den unter polnischer Verwaltung stehenden Ostgebieten. Der zweite Antrag
- beide Anträge stehen heute auf der Tagesordnung sah vor, das Zweite Wohnungsbaugesetz in einigen wenigen Punkten zu ändern . . . Was nach der Abstimmung übrigblieb, war ein Trümmerfeld an Hoffnungen und Erwartungen für den sozialen Wohnungsbau . . . Wie auf Verabredung hin wurden alle Anträge abgelehnt. So muß dieser 13. Mai als ein schwarzer Tag für den Wohnungsbau gelten.
Meine Damen und Herren, ich habe aus der Aussprache den Eindruck gewonnen, daß wir allesamt glücklich darüber sind, im laufenden und im kommenden Jahr den sozialen, den steuerbegünstigten und den frei finanzierten Wohnungsbau weiter mit Nachdruck betreiben zu können. Aus dem „Totengeläute" ist zwar noch kein Friedens- und Weihnachtsgeläute geworden; aber ich meine doch, daß dieser Tag kein schwarzer Tag, sondern ein guter Tag für den sozialen Wohnungsbau ist. Ich möchte der Hoffnung Ausdruck geben, daß es uns gelingt, in den nächsten vier bis sechs Jahren gemeinsam mit dieser Aufgabe, die zu den schwierigsten der Nachkriegszeit gehört, fertig zu werden. In diesem Anliegen waren wohl alle Parteien einig. Es wäre im Interesse der Sache gut, wenn wir im Rahmen der Grundziele des Zweiten Wohnungsbaugesetzes, deren Richtigkeit von Ihnen ja nicht bestritten werden, zusammenarbeiteten, um endlich auch dieses Gebiet in die Marktwirtschaft überführen zu können.
({0})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung. Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, die verschiedenen Drucksachen zur Hand zu nehmen, mit denen wir es zu tun haben, zunächst Drucksache 555 mit Umdruck 180. Es ist der Antrag gestellt worden, den Antrag auf Umdruck 180 dem Wohnungsbauausschuß zu überweisen. Darüber muß zuerst abgestimmt werden. Wer für diese Überweisung ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit. - Es besteht kein Einverständnis. Dann werden wir ein zweites Mal abstimmen. Ich bitte die Damen und Herren, die für die Überweisung an den Ausschuß sind, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Es ist kein Zweifel. Das letzte ist die Mehrheit.
Nunmehr muß über den Antrag selbst abgestimmt werden. Wird ziffernweise Abstimmung beantragt? - Das ist der Fall.
Zuerst Ziffer 1. Wer Ziffer 1 annehmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Ziffer 2. Wer Ziffer 2 annehmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Ziffer 3. Wer Ziffer 3 annehmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Ziffer 4. Wer Ziffer 4 annehmen will, den bitte ich, die Hand zu ,erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; Ziffer 4 ist angenommen.
Ziffer 5. Wer Ziffer 5 annehmen will, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Gegen zahlreiche Nein-Stimmen angenommen.
Wir stimmen nun über den gesamten Antrag ab. Wer zustimmen will, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Gegen einige Gegenstimmen bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Vizepräsident Dr. Schmid
Damit ist Punkt 1 a erledigt. Nunmehr Punkt 1 b der Tagesordnung:
Zweite Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Zweiten Wohnungsbaugesetzes ({0})
Bericht des Haushaltsausschusses ({1}) und
Schriftlicher Bericht. des Ausschusses für Wohnungswesen, Bau- und Bodenrecht ({2}).
({3})
Nehmen Sie bitte Drucksache 192 und Umdruck 178 zur Hand. Der Ausschuß beantragt Ablehnung; Sie kennen die Drucksache.
Zunächst habe ich abstimmen zu lassen über den Änderungsantrag Umdruck 178 zu Art. I des Entwurfs Drucksache 192. Wer zustimmen will, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! Das ist die Mehrheit; abgelehnt.
Nunmehr rufe ich auf Art. I in der Fassung der Drucksache 192. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; abgelehnt.
Art. II. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; abgelehnt.
Art. III, - Art. IV, - Einleitung und Überschrift. - Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; die Bestimmungen sind abgelehnt.
Nach § 84 Abs. 3 der Geschäftsordnung unterbleibt nunmehr jede weitere Beratung und Abstimmung.
Wir können jetzt zu Punkt 1 c übergehen:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Wohnungswesen, Bau- und Bodenrecht ({4}) über den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Sondermaßnahmen für den Wohnungsbau zugunsten der Zuwanderer und Aussiedler ({5}).
Abzustimmen ist über den Antrag des Ausschusses auf Drucksache 398. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Damit ist Punkt 1 der Tagesordnung erledigt. Ich rufe auf Punkt 2 der Tagesordnung:
Dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Lebensmittelgesetzes ({6});
Zusammenstellung der Beschlüsse des Bundestages in zweiter Beratung ({7}).
({8})
Ich eröffne die allgemeine Aussprache der dritten Beratung. Wird das Wort gewünscht? - Keine Fraktion?
({9})
- Es scheint ein Wunder zu sein, das die Uhr bewirkt hat.
({10})
- Es geschehen noch Wunder, offensichtlich nach dem Grundsatz der Einstimmigkeit.
Dann kommen wir gleich zur Abstimmung, zuerst, nachdem ich die allgemeine Aussprache geschlossen habe, zur Schlußabstimmung über den Gesetzentwurf Drucksachen 553 und 608, zu dem keine Änderungsanträge vorliegen. Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zustimmen will, der möge sich von seinem Sitz erheben! - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Gegen einige Stimmen bei zwei Enthaltungen angenommen.
Nunmehr kommen die Anträge des Ausschusses auf Seite 7 der Drucksache 553. Ich bitte, diese Drucksache und die Drucksache 29 vorzunehmen. Wir haben bisher über Ziffer 1 abgestimmt und kommen jetzt zu Ziffer 2.
Hier beantragt der Ausschuß, den von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Lebensmittelgesetzes - Drucksache 29 - als durch die Beschlußfassung zu Nr. 1 erledigt abzulehnen. Wir können das nur in der Form tun, daß wir über jede einzelne Bestimmung dieser Drucksache abstimmen.
Ich rufe auf den Gesetzentwurf Drucksache 29, Art. 1. Wer dafür ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Abgelehnt.
Art. 2, - 3, - 4, - 5, - 6, - 7, - 8, - 9, - Einleitung und Überschrift. - Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Niemand. Ich stelle fest, daß alle Bestimmungen des Gesetzes abgelehnt sind. Dann ist nach § 84 Abs. 3 der Geschäftsordnung eine weitere Beratung und Abstimmung nicht mehr zulässig.
Wir kommen nunmehr zu Ziffer 3 des Ausschußantrags. Dazu liegt zunächst der Änderungsantrag Umdruck 175 ({11}) vor. Danach sollen in Buchstabe a hinter dem letzten Wort „einzubringen" folgende Worte angefügt werden:
auch mit dem Ziel, Verstöße mit geringem Unrechtsgehalt als Ordnungswidrigkeiten zu ahnden.
Die deutsche Sprache ist offenbar außerordentlich entwicklungsfähig, wie ich an dieser Formulierung sehe.
Nach diesem Änderungsantrag soll der Buchstabe b gestrichen werden. Besteht Einmütigkeit darüber? ({12})
- Getrennte Abstimmung.
Vizepräsident Dr. Schmid
Zunächst lasse ich über Ziffer 1 des Umdrucks 175 ({13}) abstimmen. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! -Enthaltungen? - Eine Enthaltung, sonst einstimmige Annahme.
Nach Ziffer 2 soll der Buchstabe b des Ausschußantrags gestrichen werden. Wer dafür ist, den bitte ich die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen. - Das erste war die Mehrheit; Ziffer 2 ist angenommen; Buchstabe b des Ausschußantrags ist damit gestrichen.
Nunmehr stimmen wir ab über Ziffer 3 in der geänderten Fassung. Wer annehmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen angenommen.
Nunmehr Ziffer 4, die zu diesen Gesetzentwürfen eingegangenen Petitionen für erledigt zu erklären. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben.
- Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmige Annahme.
Damit ist Punkt 2 der Tagesordnung erledigt. Punkt 3:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Wirtschaftsplans des ERP-Sondervermögens für das Rechnungsjahr 1958 ({14}) ({15}) ;
Schriftlicher Bericht des Wirtschaftsausschusses ({16}) ({17}).
({18})
Berichterstatter ist der Herr Abgeordnete Lange ({19}). Herr Abgeordneter Lange zur Berichterstattung!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte Sie nur bitten, auf Seite 3 in der fünften Zeile von oben statt „455 Mio DM" einzusetzen „450 Mio DM" und in der vorletzten Zeile dieses Absatzes statt „mehr als die Hälfte" einzufügen „fast die Hälfte". Mehr habe ich nicht zu bemerken; ich darf im übrigen auf meinen Schriftlichen Bericht verweisen.
Wir treten in die zweite Beratung ein. Ich rufe auf § 1, - § 2, - § 3,
- § 4, - Einleitung und Überschrift. - Wer zustimmen will, den bitte ich, die Hand zu erheben.
- Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmige Annahme.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein. - Das Wort zur allgemeinen Aussprache wird nicht gewünscht. Ich schließe die allgemeine Aussprache. Änderungsanträge liegen nicht vor.
Wer für die Annahme des Gesetzes im ganzen ist, den bitte ich, sich von seinem Sitz zu erheben.
- Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Es liegt ein Entschließungsantrag auf Umdruck 179 vor. Wird das Wort gewünscht? - Keine Begründung? - Keine Aussprache? - Dann lasse ich abstimmen. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe!
- Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Punkt 3 der Tagesordnunng ist damit erledigt. Punkt 4 der Tagesordnung:
Wahl von weiteren Schriftführern ({0}).
Die Fraktion der CDU/CSU beantragt, daß zwei weitere Schriftführer gewählt werden, demnach der Vorstand des Bundestages um zwei weitere Mitglieder ergänzt wird. Vorgeschlagen werden die Abgeordneten Dr. Seffrin und Sühler. Wer diesen Kandidaten für das Schriftführeramt seine Stimme geben will, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Wahl fest.
Ich beglückwünsche die Kollegen Dr. Seffrin und Sühler zu der Wahl und wünsche ihnen alles Glück zu ihrem schweren Amt.
Punkt 5 der Tagesordnung ist erledigt. Punkt 6 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Kaffeesteuergesetzes ({1}).
Wird der Gesetzentwurf seitens der Regierung begründet? - Es scheint niemand zur Begründung anwesend zu sein.
Dann eröffne ich die allgemeine Aussprache. Das Wort hat Frau Abgeordnete Beyer.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Man kann es nur dankbar begrüßen, daß schon die Ankündigung der beiden Gesetzentwürfe zur Änderung des Kaffee- und des Teesteuergesetzes - Drucksachen 596 und 597
- nach der Verabschiedung im Bundeskabinett zu erheblichen Protesten in der Öffentlichkeit geführt haben. Ich möchte hinzufügen, daß eigentlich alle Abgeordneten dieses Hauses einschließlich der Bundesregierung, wenn sie sich als Europäer bezeichnen und den Vertragswerken zugestimmt haben, sich dieser öffentlichen Meinung anschließen müßten.
({0})
Nach dein Artikel 2 des EWG-Vertrages soll eine schrittweise Annäherung der Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten u. a. eine größere Stabilität, eine beschleunigte Hebung der Lebenshaltung und engere Beziehungen zwischen den Staaten fördern. Nimmt man nun die Drucksache 595, den Entwurf eines Zolltarifgesetzes und des Deutschen Zolltarifs 1959, zur Hand, dann findet man auf Seite 3 u. a. folgende Begründung:
Die Verträge verpflichten die Mitgliedstaaten mit Wirkung ab 1. Januar 1959 zu umfangreichen zolltariflichen Maßnahmen. ..
Frau Beyer ({1})
Die Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft haben ab 1. Januar 1959 untereinander für jede Ware einen Zollsatz in Kraft zu setzen, der um 10 % unter dem Ausgangszollsatz - d. i. der am 1. Januar 1957 angewandte Zollsatz - liegt. . . . Der Deutsche Zolltarif 1959 verwirklicht die erste Herabsetzung der deutschen Zölle für Waren aus der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft.
Meine Damen und Herren, wenn die Begründung des Gesetzentwurfs Drucksache 595 davon spricht, daß hier die erste Phase der Zollherabsetzung verwirklich werden soll, dann, glaube ich, müßte sie auch für uns maßgebend sein.
Ich möchte aber auch an die Diskussion um die Vertragswerke erinnern. Schon damals war man sich dieser Maßnahmen und ihrer Wirkung bewußt. Unter diesem Aspekt ist u. a. für den europäischen Gedanken von allen Seiten des Hauses geworben worden. Wäre es nun nicht ein Verpflichtung für jeden einzelnen, jetzt nicht fiskalische Erwägungen anzustellen, sondern vor allem das Politikum entscheiden zu lassen? Wie soll z. B. der Satz im Artikel 2 des Vertragswerkes: „eine beschleunigte Hebung des Lebensstandards zwischen den Staaten" überhaupt ernst genommen werden, wenn man sich heute bei der ersten Maßnahme zugunsten der Verbraucher so verhält, wie das mit den Drucksachen 596 und 597 gewollt wird? Nach den Statuten der EWG sind die Zölle gegenüber den Mitgliedstaaten im Laufe der nächsten zwölf Jahre abzuschaffen. Es ist uns allen bekannt, daß diese erste Phase mit dem 1. Januar 1959 beginnt. Aber auch die Zölle gegenüber den Nichtmitgliedstaaten, die sogenannten Außenzölle, sollen in den nächsten Jahren auf eine Höhe festgesetzt werden, die sich aus der 1957 geltenden durchschnittlichen Zollbelastung in den Mitgliedstaaten ergibt.
Wenn wir in Westdeutschland nach Darlegung der Bundesregierung heute in eine schwierige Situation kommen, so in erster Linie deshalb, weil der Kaffee- und Teezoll in der Bundesrepublik gegenüber den Zöllen auf Kaffee und Tee in den anderen EWG-Staaten noch sehr hoch ist. Man argumentiert nun von seiten der Bundesregierung weiter, da Holland und Belgien keine Zollbelastung für diese Artikel hätten, wenn wir die Beseitigung nicht herbeiführten, das heißt, nach wie vor von seiten der Importeure 26 % Zoll abgeführt werden müßten, entstehe die Gefahr, daß sich der Händler nach Holland und Belgien wende und damit die hiesigen Importeure das Nachsehen hätten, so daß wiederum eine Benachteiligung der Binnenhäfen die Folge wäre.
Nun, meine Herren und Damen, ich glaube, wir müssen uns an dieser Stelle einmal einen Moment mit dieser Behauptung der Bundesregierung befassen. Ist es nicht ein anderer Gedanke, der bei diesen beiden Gesetzentwürfen maßgebend war? Wäre es nicht z. B. auch möglich, die Position 0901 im Zolltarif auf Seite 35 nicht von 160 auf 100 herabzusetzen, sondern um genau die 10 %, die festgelegt worden sind, nämlich auf von 160 auf 144? Natürlich müßten dann die gleichen Sätze auch gegenüber den Mitgliedstaaten gelten. Das würde dann bedeuten, daß der Ausfall nicht 120 Millionen DM, wie jetzt festgesetzt, sondern nur ein Viertel davon, und zwar in vier Etappen je 10 % mit 30 Millionen DM, ausmacht. Diese 30 Millionen würden, wenn ich von den Berechnungen der Bundesregierung ausgehe, bei einem Etat von 40 Milliarden DM pro Jahr nicht soviel ausmachen. Es wären z. B. nur einige Panzer weniger im Jahr zu bauen.
({2})
- Ich nenne das nur als ein Beispiel. Ich könnte auf viele andere Dinge in der bisherigen Handhabung der Steuergesetze hinweisen. Wenn ich z. B. an die weitere Spaltung der Körperschaftsteuer erinnere und daran, daß dafür 180 Millionen DM ausgegeben wurden, dann erscheint es mir durchaus möglich, für diesen Zweck in den nächsten Jahren 30 Millionen DM auszugeben.
Aber das ist nicht das einzige. Wir sollten vor allen Dingen immer wieder an die Wirkung der Arbeit des Parlaments denken. Ich möchte hier behaupten, daß die Bundesregierung nur deshalb zu dieser Maßnahme gegriffen hat - entgegen dem, was sie in der Begründung ausführt -, weil, wenn sie jeweils um 10% herabsetzt, so wie es die Vertragswerke vorschreiben, in den nächsten Jahren auch jeweils die Verbrauchsteuer zu erhöhen wäre, um den Ausfall wettzumachen. Das bedeutet, daß die Regierung erneut in das Parlament gehen müßte. Das wäre natürlich eine unangenehme Situation. Deshalb geht man diesen Weg und nimmt die 40 % auf einmal.
Es kommt vielleicht noch der Hinweis von seiten des Bundesfinanzministeriums, daß, wenn man nur um 10% senkte, dies dem Verbraucher nicht zugute kommen würde. Hier kann ich darauf hinweisen, daß wir einige Beispiele aus der Vergangenheit haben, in denen sich sowohl Zollsenkungen als auch Verbrauchsteuersenkungen jeweils unmittelbar im Preis niedergeschlagen haben. Ich brauche nur an das Jahr 1953 zu erinnern. Dazu kommt, daß wir im Augenblick eine ausgezeichnete Weltmarktsituation haben, das heißt, es ist durchaus möglich, daß die sinkende Preistendenz auf dem Weltmarkt die Entwicklung noch begünstigt.
Ich habe vorhin schon gesagt, es muß uns darauf ankommen, die Hebung der Lebenshaltung des Verbrauchers im Auge zu behalten. Wir als sozialdemokratische Fraktion halben in den zurückliegenden Jahren wiederholt auf die Diskrepanz der Zoll- und Steuerbelastungen zwischen der Bundesrepublik und anderen europäischen Staaten aufmerksam gemacht. Alle unsere Bemühungen sind aber letzten Endes an der Hartnäckigkeit des damaligen Finanzministers gescheitert. Den neuen Finanzminister hat man mit einer ganzen Anzahl von Lorbeeren bedacht und ihn in der Öffentlichkeit als beweglicher, als großzügiger bezeichnet. Wenn man an seine frühere Tätigkeit zurückdenkt, müßte man auch zu der Auffassung kommen, daß er europäischer sein müßte. Wenn er das wäre, müßte er aber auch dem Europa-Gedanken eine weit größere Beachtung schenken. Ich meine, es ist eine sehr schlechte
Frau Beyer ({3})
Sache, wenn die erste Segnung der Vertragswerke nicht den Verbrauchern zugute kommt, sondern gleich versucht wird, sie in Verbrauchsteuern umzulegen, und zwar einzig und allein aus einem einseitigen fiskalischen Denken. Man wird hier unwillkürlich an den Ausspruch von August von Sachsen erinnert, der nach 1918 einmal gesagt hat: „Ihr seid mir schlechte Republikaner!" Hier könnte man der CDU und der Bundesregierung sagen: Ihr seid schlechte Europäer, wenn ihr draußen zwar den europäischen Gedanken vertretet, aber bei der ersten wirksamen Maßnahme sofort versagt! Wäre es nicht eine gute Sache, wenn nach dem 1. Januar 1959 in allen Läden ein Hinweis erfolgte, daß die erste Phase der Zollanpassung in den Ländern der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zu einer Kaffeepreissenkung um soundsoviel geführt habe? Wir versprechen uns natürlich alle viel mehr von dem europäischen Zusammenschluß, und ich will im einzelnen nicht auf diese Frage eingehen. Wer aber will in diesem Hause ernsthaft behaupten, daß alle Staatsbürger diese Möglichkeiten richtig erkennen und beurteilen? Hier ist die erste gute Gelegenheit, dem Europa-Gedanken neue Impulse zu geben, und wir sollten hiervon tatsächlich Gebrauch machen.
Die Bundesregierung stützt sich bei dieser Maßnahme auf Art. 17 Abs. 3 des Vertragswerkes. Ich will mich nicht auf die juristische Auslegung des Artikels 17 in Verbindung mit Art. 95 einlassen. Mir kommt es darauf an, folgendes festzustellen: Es ist doch sehr schlecht, wenn man jetzt schon beginnt, das Vertragswerk an sich zu durchlöchern.
({4})
- Schön, das Loch ist drin. Aber ich habe gerade gesagt, ich will mich nicht auf die juristische Auslegung einlassen. Wir können das ja machen. Aber die Frage ist: Müssen wir Art. 17 Abs. 3 anwenden? Sind wir als Parlament und ist die Bundesregierung gezwungen, von dem Diskriminierungsparagraphen überhaupt Gebrauch zu machen? Das ist doch die Frage. Und wenn das Loch im Vertrag ist, dann haben wir, die wir uns immer wieder zu dem europäischen Gedanken bekannt haben, hier die Möglichkeit, zu beweisen, daß wir davon Abstand nehmen.
({5})
Der Sinn des Vertrages war doch von Anfang an, zu einer Begünstigung der Einfuhr durch Herabsetzung, Beseitigung oder Ausgleichung der Zölle zu kommen und nicht bei dieser ersten Situation sofort eine andere Einnahmequelle zu suchen.
Es gibt aber auch noch andere Gründe, die als Schlußfolgerung nur die Ablehnung der Drucksachen 597 und 596 zulassen. Niemand kann bestreiten, daß eine Konsumausweitung in Deutschland noch durchaus möglich ist. Nehmen wir die Statistik des Statistischen Bundesamtes zur Hand, so werden wir feststellen, daß z. B. bei Kaffee immerhin noch eine Ausweitungsmöglichkeit besteht, unabhängig davon, daß sich auch die Verbrauchsgewohnheiten verändert haben. Nach diesen Unterlagen hatten wir 1913 einen Verbrauch von 1,95 kg je Kopf der Bevölkerung. Er ging dann zeitweise herunter und war 1938 auf 2,31 kg je Einwohner gestiegen. 1945 war er aus den uns allen bekannten Gründen wiederum sehr niedrig. Jetzt haben wir wieder einen Verbrauch, der über 2 kg liegt. Es ist aber durchaus noch an eine Ausweitung zu denken. Nehmen wir aber die kassenmäßige Auswirkung, so ist aus einer Statistik der Bundesregierung ebenfalls zu entnehmen, daß wir 1955/56 im ersten Rechnungshalbjahr eine Einnahme von 170,1 Millionen DM hatten. 1956/57 betrug diese Einnahme 193,9 Millionen DM; 1957/58 beträgt sie 218,8 Millionen DM. Bei Tee ist die Entwicklung noch günstiger, hier ist eine noch stärkere Entwicklung sowohl im Verbrauch als auch im Aufkommen festzustellen. Das mag medizinische Gründe haben, kann aber auch an der Preissituation für Kaffee liegen.
Wenn ich das hier anführe, so deshalb, um erkennbar zu machen, daß eine Konsumausweitung durchaus noch möglich ist und daß die Unkenrufe Herrn Schäffers aus dem Jahre 1952 völlig fehl am Platze waren. Wir sollten uns heute nicht derselben Argumentation bedienen. Die damaligen Berechnungen über den Ausfall sind nämlich nicht nur nicht eingetroffen, sondern wir sind längst zu Mehreinnahmen gekommen. Im übrigen ist nie bestritten worden -das muß ich in diesem Zusammenhang nochmals sagen -, daß Zoll- und Steuerermäßigungen tatsächlich dem Verbraucher zugute gekommen sind.
Wir sollten auch ein Interesse an einer Ausweitung des Imports haben. Die Wirkung wäre zur Zeit im Hinblick auf die Weltmarktlage noch überzeugender. Dazu kommt, und ich glaube, das ist entscheidend für uns, die schwierige Situation in den Erzeugerländern, die auch die Entwicklungsländer sind. Große Erklärungen über Hilfsmaßnahmen bei Reisen und Veranstaltungen können nicht ernst genommen werden, wenn man sich so verhält, wie hier vorgesehen. - Auf der anderen Seite haben auch Kredite nur eine begrenzte Wirkung, wenn ich dabei an die Zinsbelastungen denke, wie sie bei den Weltbanken heute üblich sind. Wenn wir wirklich helfen wollen, so wie wir es immer wieder zum Ausdruck bringen - bitte, ich brauche nur an den Herrn Bundeswirtschaftsminister und seine derzeitige Reise zu erinnern -, dann ist mit Herabsetzung des Zolls ohne gleichzeitige Steuererhöhung eine Möglichkeit gegeben.
Ich darf in diesem Zusammenhang auch darauf hinweisen, daß die deutschen Agrarimporte immer wieder scharf kritisiert werden. Hierbei ist eine Empfehlung der Sachverständigen des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens, kurz GATT genannt, von großer Bedeutung, wie sie vor einiger Zeit aus Genf gegeben wurde. Da wird nämlich empfohlen, die Verbrauchsteuern für Kaffee, Tee, Tabak und andere Rohstoffe zu senken, weil diese Steuern gerade in den Industrieländern zum Teil sehr hoch sind. Man argumentiert hier mit Recht, daß damit eine Beschränkung der Nachfrage nach tropischen Genuß- und Nahrungsmitteln wie auch nach anderen Erzeugnissen aus diesen Entwicklungsländern verbunden ist.
Sehen wir uns einmal die steuerliche Belastung etwas näher an, dann können wir feststellen, daß
Frau Beyer ({6})
unsere Steuern noch ziemlich hoch sind. Bei uns liegen sie für 100 kg bei 400 DM. Nur Italien übertrifft uns noch mit 463 DM. In Frankreich sind es 32 DM, während in den Beneluxstaaten die Steuern völlig in Wegfall gekommen sind.
({7})
- Aber nicht für Kaffee und Tee! Ob Sie die Steuer auf andere Waren legen wollen, ist eine zweite Frage, die in diesem Zusammenhang nicht zu diskutieren ist. Es ist doch paradox, wenn man sich in einer Zeit, da der Bundeswirtschaftsminister draußen auf seiner großen Reise Versprechungen abgibt, bei der ersten Möglichkeit, diese Versprechungen zu einem Teil zu realisieren, umgekehrt verhält.
Ich möchte mir noch eine weitere Bemerkung im Hinblick auf die. Entscheidung des Bundesrates erlauben. Dabei beziehe ich mich auf das Protokoll der Sitzung in Berlin vom 27. Oktober 1958. Hier ist aus Seite 214 zu ersehen, daß der Wirtschaftsausschuß des Bundesrates die Entwürfe des Kaffee-und Teesteuergesetzes abgelehnt hat. Dies wird damit begründet, daß handelspolitische Erwägungen eine weitere Steigerung der Importe erforderten, die nur erreicht werden könne, wenn die Ware verbilligt und dadurch der Verbrauch ausgeweitet würde. Leider hat sich dann der Finanzausschuß diesen Beurteilungen und Erwägungen nicht angeschlossen. Gegen 11 Stimmen wurden die beiden Gesetzentwürfe vom Bundesrat angenommen. Ich glaube, auch das sollte uns zu denken geben. Ich sage hier sehr bewußt, daß man eine solche Haltung des Bundesrates nicht verstehen und sich des Eindrucks nicht erwehren kann, daß man einen solchen Antrag nur aus taktischen Gründen angenommen hat.
Ich möchte zum Schluß kommen. Wir haben in diesem Hause alle die Erklärungen für den EuropaGedanken abgegeben, angefangen vom Herrn Bundeskanzler, der sich ja von Zeit zu Zeit immer wieder als guter Europäer bezeichnet. Es wäre dann aber auch ratsam, nicht schon bei dem ersten sichtbaren Erfolg das Gewissen zu belasten. Man macht sich doch unglaubwürdig, wenn man so verfährt, wie man es jetzt mit den Gesetzentwürfen Drucksachen 596 und 597 tun will. Wie wollen wir Verständnis von der Bevölkerung erwarten, wenn eines Tages mit den Vertragswerken zusammenhängende Belastungen in Kauf genommen werden müssen! Wir wissen alle, daß, wenn man das Gute will, auch das Schlechte mit einbeziehen muß. Aber wie kann man von den einzelnen Staatsbürgern Verständnis erwarten, falls tatsächlich einmal Belastungen kommen, wenn die erste Maßnahme zugunsten des Verbrauchers, die ihm präsentiert werden konnte, von uns ins Umgekehrte verwandelt wird!
({8})
Wir sollten uns doch endlich von der Schäfferschen Methode frei machen, immer wieder alles nur schwarz zu malen. Die Ausfallberechnungen, die uns von seiten des Bundesfinanzministeriums in den verschiedensten Situationen gegeben worden sind, waren immer über den Daumen gepeilt und haben sich selten bewiesen, vor allen Dingen im Zusammenhang mit Verbrauchsteuer- und Zollsenkungen, so wie ich es soeben schon mit dem Jahr 1953 beweisen konnte.
Wir sollten aber auch nicht vergessen, daß es sich bei dieser Steuer noch um eine Maßnahme aus der Besatzungszeit handelt. Die Verbrauchsteuern für Kaffee und Tee sind nach 1945 durch die Besatzungsmächte eingeführt worden. Wir hätten sie längst wieder beseitigen müssen. Ich habe an dieser Stelle bereits in einem anderen Zusammenhang auf die unsoziale Wirkung dieser Verbrauchsteuern an sich hingewiesen und dargelegt, daß, je kleiner das Einkommen, desto höher die prozentuale Belastung ist.
Dabei darf auch nicht unberücksichtigt bleiben, daß sich der Kreis der Kaffeetrinker zum großen Teil aus älteren und kranken Menschen rekrutiert. Ich will in diesem Zusammenhang nichts weiter über diese Frage sagen, da ich dieses Thema bereits wiederholt angesprochen habe.
Wir sollten unsere Entscheidung darauf gründen, daß noch eine Konsumausweitung möglich ist und der Steuerausfall, der hier zu erwarten ist, durch die Mehreinnahmen, die durch die Konsumausweitung entstehen, wieder wettgemacht wird, wie es auch 1953 der Fall war.
Nicht zuletzt sollten wir bei dieser Entscheidung auch an Europa denken. Ich glaube, hier verwässern wir den Integrationsgedanken schon bei der ersten Gelegenheit, bei der er sich auswirken könnte. Ich möchte zuversichtlich hoffen, daß hier nicht erneut auf Unkenrufe gehört wird und daß man sich bei der Entscheidung den von mir hier vorgetragenen Gedanken anschließt.
Sollte man sich hierzu aber nicht bereit finden können, dann bitte ich, noch einmal das zu überprüfen, was ich im ersten Teil meiner Ausführungen sagte, und, so wie es die Vertragswerke zulassen, eine Kürzung nicht um 40 %, sondern um 4 mal 10 % vorzunehmen, um damit jeweils nur 30 Millionen DM pro Jahr oder eineinhalb Jahre hinzunehmen. Ich glaube, das ließe sich im Rahmen des gegenwärtigen Etats, der praktisch über 40 Milliarden DM beträgt, ohne weiteres verkraften. Ich bitte Sie, von einer dieser beiden Möglichkeiten Gebrauch zu machen.
({9})
Meine Damen und Herren, zu dem bereits aufgerufenen Punkt 6 der Tagesordnung rufe ich gemäß interfraktioneller Vereinbarung noch den Punkt 7 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Teesteuergesetzes ({0}).
Ich verbinde die Aussprache über beide Gesetzentwürfe. - Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Diemer-Nicolaus.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Abgeordneten! Wahrscheinlich ist es kein Zufall, daß ausgerechnet zu einer Steuer-, zu einer Finanzfrage zwei Frauen hintereinander sprechen,
({0})
und daß auch ausgerechnet zwei Frauen sich deshalb mit der Grundsatzfrage befassen, ob mit diesen beiden Gesetzentwürfen seitens des Bundesfinanzministeriums die Weichen für die weitere Entwicklung unseres Verbrauchsteuer- und unseres Zollsystems richtig gestellt sind. Frau Kollegin Beyer hat bereits mit Recht darauf hingewiesen, daß hier eine Zollsenkung sofort wieder durch eine entsprechende Steuererhöhung neutralisiert werden soll, so daß sich die Zollsenkung auf den Preis - also zugunsten des Verbrauchers - nicht auswirken kann.
Hier habe ich sogleich eine Frage an den Herrn Bundesfinanzminister zu stellen. Ich möchte ihn fragen, ob er in den Fällen, in denen wir auf Grund des EWG-Vertrages verpflichtet sein werden, die Zölle zu erhöhen, umgekehrt auch die Steuern entsprechend senken will. Ich habe einige Bedenken, ob der Herr Bundesfinanzminister jemals eine derartige Erklärung abgeben wird.
Die FDP hat grundsätzliche Bedenken gegen den Weg, der mit diesen beiden Steuergesetzen eingeschlagen wird; denn die Möglichkeit, über Zollsenkungen zu Preisherabsetzungen zu kommen, bleibt illusorisch, wenn man auf der anderen Seite entsprechende Steuererhöhungen vornimmt.
({1})
Die meisten sind sich gar nicht darüber klar, was der Verbraucher durch die indirekten Steuern, besonders durch die Verbrauchsteuern zahlt. An Hand der Vorlagen, den beiden Gesetzentwürfen der Bundesregierung, habe ich mir einmal ausgerechnet, in welcher Höhe Kaffee und Tee mit Zöllen und Steuern tatsächlich belastet sind. Nach den Zahlen, die vom Finanzministerium gegeben wurden - dabei gehe ich von den neuen Zahlen aus -, sollen auf 100 kg Kaffee 100 DM Zoll liegen; das bedeuet je Kilogramm eine Mark. Auf 1 kg Kaffee liegt weiterhin eine Steuer von 3 DM, die jetzt auf 3,60 DM erhöht werden soll; das bedeutet, daß 1 kg Kaffee mit 4,60 DM allein an Zoll und Kaffeesteuer belastet ist. Dazu kommt natürlich noch die Umsatzsteuer und die Umsatzausgleichsteuer, die der Herr Finanzminister keineswegs anzuführen vergessen hat, als er den Ausfall berechnete. Man kann davon ausgehen, daß der durchschnittliche Kaffeepreis je Pfund etwa bei 9 DM liegt. Die Belastung mit 4,60 DM je Kilogramm ist also sehr hoch. Wenn die Steuererhöhung nicht vorgenommen würde, könnte das Kilo Kaffee um mindestens 60 Pf billiger verkauft werden.
Bei den früheren Steuersenkungen, für die sich die FDP im Bundestag eingesetzt hat, hat sich gezeigt, daß derartige Steuersenkungen von den Grossisten und nachher von den Einzelhändlern tatsächlich an die Verbraucher weitergegeben wurden. Man komme nicht mit dem Einwand, das sei kein großer Betrag. Ich erinnere an die Untersuchung von Intermarket - Sie werden sie heute auch bekommen haben - darüber, wie sich der Verbraucher verhält. Es wurde dem Verbraucher ein Loblied gesungen und festgestellt, daß heute - vor allen Dingen von den Hausfrauen - gesagt wird, sie rechneten nach wie vor mit den Pfennigen. - Erst recht wird das gelten müssen, wenn es bei einem Pfund oder einem Kilogramm um derartige Beträge geht.
Ich möchte Ihnen wegen der vorgeschrittenen Zeit die Berechnung für den Tee jetzt nicht im einzelnen vortragen. Es ergibt sich - nach dem gleichen Schema -, daß beim Tee die Belastung pro Kilogramm 6,50 DM ausmacht, also doch auch einen erheblichen Betrag. Ich bin der Auffassung, daß eine Belastung in dieser Höhe, auch prozentual gesehen, wegen der unsozialen Wirkung der Verbrauchsteuern - worauf auch meine Vorrednerin hingewiesen hat - nicht mehr zulässig ist. Wir sollten deshalb jede Möglichkeit begrüßen, von dieser übermäßigen Belastung herunterzukommen.
Der Herr Bundesfinanzminister hat gesagt, er könne den Ausfall nicht tragen.
Die beiden Gesetzesvorlagen sind auch in der Presse sofort umstritten gewesen. Es ist darauf hingewiesen worden - Frau Beyer hat das schon angeführt -, daß eine Herabsetzung der Verbrauchsteuern fast immer - ich kann nur sagen: immer - eine entsprechende Steigerung des Verbrauchs zur Folge hat. Daraufhin wurde in der Presse gesagt, seitens des Finanzministeriums sei geäußert worden, das könne man bei Kaffee und Tee nicht erwarten; hier sei praktisch eine Sättigung des Marktes erreicht. Das war für mich der Anlaß, in dem Statistischen Jahrbuch 1957 und dem von 1958 und auch im Haushaltsplan 1958 noch einmal nachzusehen, wie denn da die Zahlen lauten. Ich habe dabei festgestellt, daß eine jährliche Steigerung des Verbrauchs vorhanden war; die Steuereinnahmen haben sich nämlich entsprechend erhöht. Die Kaffeesteuer stieg von 301,5 Millionen DM im Jahre 1954 auf 448 Millionen DM im Jahre 1957, die Teesteuer von 13,9 Millionen DM im Jahre 1954 auf 17,5 Millionen DM. Die Zölle insgesamt stiegen von 1486,1 Millionen im Jahre 1954 auf 2030,1 Millionen DM im Jahre 1957. Zölle und Verbrauchsteuern haben im Jahre 1952 5,7 Millarden DM erbracht; im Haushaltsplan 1958 sind auf Grund der Ist-Einnahmen von 1957 dafür 8894 Millionen DM eingesetzt.
Ich bitte Sie, mit diesen Zahlen die Ausfälle zu vergleichen, die vom Herrn Bundesfinanzminister berechnet worden sind. Beim Kaffe - Sie können das in der Vorlage nachlesen - geht er von einem Absatz von 170 000 Tonnen aus. Ich habe mir auf Grund der Steuereinnahmen errechnet, wie hoch der Verbrauch im vergangenen Jahr gewesen ist. Nach meiner Berechnung betrug der Verbrauch im vergangenen Jahr 146 000 Tonnen. Hier widerspricht sich eigentlich der Herr Finanzminister. Einesteils sagt er, es sei nicht mit einer Steigerung des Verbrauchs zu rechnen, und auf der anderen Seite geht
er bei seiner Berechnung des Ausfalles nicht von dem früheren Verbrauch aus. Statt eines Verbrauchs von 146 000 Tonnen nimmt er einen wesentlich höheren Verbrauch - von 170 000 Tonnen - an.
Beim Tee sind die Zahlen allerdings etwa gleich. Beim Tee beträgt der gesamte Ausfall, der vom Finanzministerium berechnet worden ist, ganze 7,6 Millionen DM. Das ist nicht nur die Mindereinnahme aus der Teesteuer, sondern die gesamte Mindereinnahme einschließlich des Rückgangs der Umsatzsteuer und der Umsatzausgleichsteuer.
Beim Kaffe soll der Ausfall - aber auch wieder schon nach dem zusätzlichen Bedarf berechnet 115 Millionen DM betragen. Insgesamt handelt es sich um einen Ausfall von rund 122 Millionen DM. Er ist aber nach meiner Auffassung zu hoch geschätzt. Wenn man von dem Verbrauch für das vergangene Jahr ausgeht und danach den Ausfall berechnet, muß eine entsprechend niedrigere Zahl herauskommen. Wenn ich weiter davon ausgehe, daß eine Steigerung des Verbrauchs höhere Einnahmen bei der Umsatzsteuer, Gewerbesteuer, und was dazu gehört, bringt, dann komme ich zu dem Ergebnis, daß die Beträge nicht so hoch sein können, wie sie genannt worden sind.
Nun komme ich zu der Frage, ob bei uns die Haushaltslage wirklich so angespannt ist, daß wir diesen so unschönen Weg gehen müssen und auf 7,6 Millionen DM Teesteuer verzichten sowie den Ausfall an Kaffeesteuer in Kauf nehmen müssen.
({2})
- Ja, Sie nicken sehr ernsthaft mit den Köpfen. Die letzten Haushaltsberatungen sind noch nicht so sehr lange her. Was erfahren wir jetzt? Daß auch in diesem Haushaltsjahr Ausgabereste bleiben, deren Höhe in den Zeitungen - als Abgeordnete erfährt man so etwas immer zuerst durch die Zeitungen - mit wenigstens 2 Milliarden DM berechnet ist. Wir hören weiter, daß der jetzt aufgestellte neue Haushaltsplan sich ungefähr in der gleichen Höhe wie der alte bewegt. Unser Sozialprodukt ist zwar in diesem Jahr nicht so stark gestiegen wie in den früheren Jahren; es steigt aber nach wie vor weiter. Dadurch werden bei gleichbleibenden Steuersätzen auch die Steuereinnahmen entsprechend weiter steigen. Dann haben wir diese Ausgabenreste von wenigstens 2 Milliarden. Es kommt hinzu - das stand auch wieder in den Zeitungen -, daß beim Verteidigungsministerium statt 9 Milliarden DM 11 Milliarden DM eingesetzt werden sollen, von denen aber voraussichtlich wiederum 2 Milliarden DM nicht verbraucht werden. Weiterhin mußten für ein Prämienspargesetz 400 Millionen DM eingesetzt werden. Schon angesichts dieser wenigen Posten muß doch wohl vom Finanzministerium im Finanzausschuß eine ganz andere Begründung gegeben werden, um glaubhaft zu machen, daß der zu erwartende Steuerausfall tatsächlich nicht getragen werden könnte.
Aber uns geht es vor allen Dingen um die grundsätzliche Frage. Es geht nicht an, jetzt einfach wieder die Zollsenkungen durch Steuererhöhungen auszugleichen, sondern die Regierung muß zu dem stehen, was sie in ihrem Regierungsprogramm gesagt hat. Sie hat versprochen, die Preise, die Währung stabil zu halten und die reale Kaufkraft des Geldes zu erhalten, ja sogar zu steigern. Es ist deshalb ihre Pflicht, nicht nur Preissteigerungen zu vermeiden, sondern auch von sich aus alles zu tun, um soweit wie möglich Preisherabsetzungen herbeizuführen.
({3})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Hellwig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren ! Es tut mir etwas leid, daß ich nach den beiden liebenswürdigen Vorrednerinnen zu dem so interessanten und angenehmen Thema „Kaffee" das Wort nehmen muß,
({0})
nicht um in diese Klage einzustimmen, sondern um der Darstellung etwas zu widersprechen.
Nun liegt es vielleicht an dem Kaffeegenuß, der nach ärztlichem Urteil unmittelbar danach eine bestimmte negative Grundhaltung begünstigt,
({1})
daß alle Kaffeeliebhaber diese Vorlagen natürlich nur mit sehr gemischten Gefühlen sehen. Aber ich glaube, wir sollten doch das Thema aus dieser Ebene eines Genußmittelverbrauchs herausheben und auf die Frage abstellen, ob die hier erhobenen Vorwürfe, daß gewissermaßen eine Sünde wider den europäischen Geist begangen werde, gerechtfertigt sind.
Ich darf zunächst um die Erlaubnis bitten, die drei Vorlagen, Drucksachen 595, 596 und 597, noch einmal gemeinsam zu behandeln, obgleich die Vorlage Drucksache 595 bereits überwiesen worden ist und der Außenhandelsausschuß - wie mir der Vorsitzende des Ausschusses mitteilte - die Vorlage einstimmig gebilligt hat. Alle drei Vorlagen bilden ein Ganzes; denn was in der Vorlage Drucksache 595 gekürzt wird, wird, wenn auch nicht für den ganzen Sektor aller Zölle, die um 10 % gesenkt werden, für den Bereich des Kaffee- und Teezolls in den beiden anderen Vorlagen korrigiert.
Ich unterscheide bei meinen Ausführungen einmal die formal-rechtliche Frage, zum zweiten die Frage des Zusammenhangs zwischen der Gesamtproblematik der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der darin bestehenden Verpflichtungen und zum dritten einige wirtschaftspolitische Überlegungen. Die rein haushaltswirtschaftliche Seite dieses Themas wird mein Kollege Gewandt nach mir noch kurz behandeln.
Ich darf zunächst einmal daran erinnern, daß beim Abschluß des EWG-Vertrages ein ganz klarer Unterschied gemacht worden ist zwischen den Zöllen im allgemeinen, also vor allem den protektioDr. Hellwig
nistisch bestimmten Schutzzöllen, durch die dis inneren Wettbewerbsverhältnisse und die Marktbeziehungen gestört werden, der Wettbewerb verfälscht wird usw., auf der einen Seite und den reinen Finanzzöllen auf der anderen Seite.
({2})
Dieser Unterschied sollte doch klar herausgearbeitet werden, nachdem hier mit dem Ausdruck des Bedauerns gesagt worden ist, daß die 10%ige Zollsenkung nicht dem Verbraucher zugute komme.
Soweit es sich um protektionistische Zölle, um Schutzzölle, handelt, wird die 10%ige Senkung durchgeführt, ohne daß damit eine Erhöhung anderer Abgaben verbunden wird. Es liegt aber im Wesen des Finanzzolls, daß er praktisch den Charakter einer Verbrauchsbesteuerung hat und daher im internationalen Vergleich für die EWG und die Probleme der Harmonisierung der Steuerpolitik auch immer der Verbrauchsbesteuerung zugezählt wird. Wenn nun ein Finanzzoll im Zuge der Zollsenkung für die EWG gesenkt wird, dann ist die Frage nach einem Ausgleich durch andere Abgaben, durch Verbrauchsteuern im engeren Sinne, gestellt. Die vertragschließenden Mächte haben zu diesem Zweck in Art. 17 Abs. 3 ausdrücklich die Vollmacht eingebaut, bei den Finanzzöllen einen Ausgleich durch eine entsprechende andere Abgabe vorzunehmen. Davon macht die Bundesregierung Gebrauch. Ich bin davon überzeugt, daß andere Länder in gleicher Lage den gleichen Gebrauch machen würden bzw. machen werden, wenn sie vor dieser Frage stehen.
Ich habe bereits bei der Berichterstattung über die EWG-Verträge, als wir das Ratifizierungsgesetz in diesem Hause berieten, auf diese Tatsache hingewiesen. Frau Kollegin Beyer hat davon gesprochen, daß mit großer Mehrheit dem Vertragswerk zugestimmt worden ist. Auch ein großer Teil der Mitglieder - ich glaube, die überwiegende Mehrheit - der sozialdemokratischen Fraktion hat dem Vertragswerk mit dem Ratifizierungsgesetz zugestimmt. Damit haben Sie auch der Möglichkeit und der Legitimation der Bundesregierung zugestimmt, von dieser Bestimmung Gebrauch zu machen, Finanzzollsenkungen durch entsprechende andere Abgaben auszugleichen.
({3})
- Verzeihen Sie, meine Damen und Herren, ich habe mich bemüht, die Ausführungen in der Plenarsitzung durchzusehen, und ich habe keinen Widerspruch aus Ihren Reihen gegen diese Vollmacht, überhaupt keine Bedenken gegen dieses Verfahren gefunden.
({4})
Ich komme nun zu der weiteren Frage: Wird die Erfüllung einer grundsätzlichen Aufgabe, die den Vertragspartnern im Gemeinsamen Markt gestellt ist, durch die jetzigen Vorlagen der Bundesregierung gestört, nämlich der Aufgabe der Harmonisierung der Steuersysteme? Die Antwort muß ein klares Nein sein. Das Gegenteil ist sogar der Fall. Die jetzigen Vorlagen der Bundesregierung verbauen nichts zu dem Weg der Harmonisierung der
Steuersysteme, sie vermeiden im Gegenteil die Bildung weiterer Divergenzen in den verschiedenen Steuersystemen und in der Aufbringung der Steuern.
Ich muß uni Ihr Verständnis bitten, wenn ich einige Dinge anführe, die etwas weit hergeholt zu sein scheinen; aber sie gehören unbedingt hierher. Das Schwergewicht der steuerlichen Belastung liegt bei den indirekten Steuern, bei den Umsatz- und Verbrauchsteuern, in Frankreich und Italien mit 62 bzw. 68 % des Steueraufkommens. Das Schwergewicht bei den Steuern von Einkommen und Vermögen liegt aber in Luxemburg mit 66 % und in den Niederlanden mit 60 %. Die Bundesrepublik hat eine gute Mittelstellung; sie liegt bei 50 bis 52 %, d. h. der Anteil der direkten Steuern und der Steuern vom Vermögen ist im Gesamtaufkommen ungefähr so groß wie der der indirekten Steuern, also vom Umsatz und Verbrauch. Das gleiche gilt für Belgien.
Bei den Verbrauchsteuern im engeren Sinne, wobei hier die Zölle mit einbezogen werden, ist eine Gruppe von fünf Mitgliedsländern ganz dicht beieinander. Um 20 % des gesamten Steuereinkommens pendelt der Anteil der Verbrauchsteuern bei Belgien, bei der Bundesrepublik, bei Frankreich, bei den Niederlanden und hei Luxemburg. Lediglich Italien mit einem Anteil der Verbrauchsteuern am gesamten Steueraufkommen von 47 % macht eine Ausnahme.
An dieser Relation ändert sich durch die jetzigen Vorlagen der Bundesregierung gar nichts. Es bleibt alles im Rahmen der bisherigen Verbrauchsteuerbelastung,
({5})
weil sich die Verbrauchsteuerbelastung ja aus Zöllen und Verbrauchsteuern - für Kaffee, Tee usw. - zusammensetzt. - Nun, verehrter Kollege Schmitt ({6}), ich muß die Frage stellen, ob das primäre Ziel des EWG-Vertrages ein allseitiger Steuerabbau ist oder der Abbau von den Wettbewerb und die Wirtschaftlichkeit fälschenden Verzerrungen. Ich glaube, das letzte ist die eigentliche Zielsetzung.
({7})
Hiermit komme ich zu dem zweiten Problemkreis, der durch dieses Vertragswerk angeschnitten wird, nämlich zu den finanziellen Verpflichtungen, die auf den öffentlichen Haushalt aus diesem Vertrage kommen. Ich darf Sie auf den Bericht verweisen, den Herr Kollege Ritzel im Rahmen der Ratifizierungsdebatte erstattet hat. Er hat damals die Angaben der Bundesregierung zusammengestellt und kam auf eine finanzielle Belastung der Bundesrepublik von insgesamt etwa 2 Milliarden DM in fünf Jahren. Bei diesen finanziellen Belastungen ist der Ausfall an Aufkommen aus den Binnenzöllen mit 360 Millionen DM insgesamt für fünf Jahre zu veranschlagen. Ich brauche nicht von den Beiträgen zu den verschiedenen Einrichtungen, Sozialfonds, Entwicklungsfonds, Investitionsfonds usw.,
zu sprechen. Ich kann nur sagen: Wir wollen froh sein, wenn es gelingt - und wir werden bemüht sein, das zu schaffen -, diese Verpflichtungen, die auf den Bundeshaushalt zukommen, zu bedienen, ohne daß an irgendeiner Stelle Steuern oder Abgaben zu diesem Zweck erhöht werden müssen. Das ist ganz klar unser Ziel. Aber dann soll man uns nicht verwehren, dort, wo Einnahmenausfälle völlig legitim nach diesem Vertrag ausgeglichen werden können, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen. Dann soll man die Mittel, die in dem Vertrag den Mitgliedsländern gegeben sind, um die finanziellen Mehrbelastungen in Grenzen zu halten, auch einsetzen.
Ich glaube, daß es angesichts der insgesamt bekannten Haushaltslage nicht nur jetzt, sondern auch in Zukunft notwendig ist, vorsichtig zu disponieren. Wir können nicht einen Wechsel auf die Zukunft ausstellen und der Bundesregierung sagen: Der Ausfall an Kaffee- und Teeeinfuhrzoll wird ja durch eine Verbrauchssteigerung wettgemacht. - Nur ein kurzes Wort zu diesem Problem. Wir haben beim Kaffeeverbrauch nicht mehr die Lage von 1953. Die eine der Vorrednerinnen - oder sogar beide hat darauf hingewiesen, daß der Kaffeeverbrauch einen erfreulichen Anstieg genommen hat. Er ist von einem relativen Tiefstand bei den letzten Senkungen erheblich angestiegen, hat aber inzwischen einen Rekordstand pro Kopf erreicht, wie er selbst 1913 oder auch in den Zwischenkriegsjahren nicht erreicht worden ist.
Kaffee gehört zu den Genußmitteln, deren Konsum nicht beliebig gesteigert werden kann. Hier ist die Sättigungsgrenze irgendwo zu erreichen.
({8})
Daß diese Vermutung nicht so abwegig ist, zeigt die Verlangsamung des Verbrauchszuwachses. Wir hatten eine Zunahme des Kaffeeverbrauchs im Jahre 1955 um 16 %, 1956 um 12 1/2 %, 1957 um 13 % und in neun Monaten des Jahres 1958 um noch nicht 4 %. Diese ganz sichtbare Verlangsamung in der Steigerung des Kaffeeverbrauchs ist nicht etwa die Folge einer Verteuerung, sondern sie ist parallel mit der Kaffeepreissenkung erfolgt.
Herr Abgeordneter Hellwig, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Diemer-Nicolaus?
Bitte schön, gnädige Frau.
Frau Dr. Diemer-Nicolaus: ({0}): Herr Abgeordneter Hellwig, ist Ihnen bekannt, daß noch außerordentlich viel Kaffee-Ersatz statt Bohnenkaffee getrunken wird und daß schon deshalb eine Steigerung möglich ist?
({1})
Gnädige Frau, Sie haben völlig recht. Auch in meiner Familie wird viel Kaffee-Ersatz getrunken, aber von jenen Angehörigen, für die der Genuß von Kaffee unerwünscht, weil schädlich ist. Vielleicht untersucht man auch einmal diese Frage, ob nicht eine gesundheitliche Grenze für weitere Verbrauchssteigerungen gegeben ist.
({0})
Meine Damen und Herren, darf ich noch einmal auf die Entwicklung des Kaffeeverbrauchs zurückkommen. Wir haben beim Kaffee eine kräftige rückläufige Preisbewegung. Trotzdem ist die Konsumsteigerung absolut nicht im gleichen Verhältnis weitergegangen, wie es nach den damaligen Jahren vielleicht hätte erwartet werden können. Sie werden mir zugeben, daß bei einer solchen Entwicklung und bei der Problematik, ob der Kaffeeverbrauch wirklich noch in großem Umfang gesteigert werden kann, das Finanzministerium zumindest jetzt vorsichtig disponieren und zunächst einen Ausgleich für den Einnahmeausfall auf der Seite des Kaffee- und Teezolls herbeiführen sollte.
Nun darf ich mich einigen wirtschaftspolitischen Fragen zuwenden und dabei vor allem die Frage prüfen, die auch Frau Beyer erwähnt hat: ob es nicht möglich gewesen wäre, die Senkung des Kaffee- und Teezolls zunächst um 10 %, also schrittweise vorzunehmen und die Senkung auf den künftigen Außentarifsatz von 16 % noch zurückzustellen.
Die sogenannte Vorleistung der Bundesregierung ist nicht nur notwendig, sondern auch äußerst zweckmäßig. Bis zur Herstellung des gemeinsamen Außenzolls drohen nämlich Verkehrsverlagerungen, wenn die Unterschiede zwischen den Mitgliedsländern der EWG in der Höhe des jetzigen Einfuhrzolls derart sind, daß einige Länder erheblich über, andere erheblich unter dem künftigen gemeinsamen Tarifsatz liegen.
Das ist gerade bei Kaffee und Tee der Fall. Die Benelux-Zölle liegen beim Kaffee bei 0, beim Tee bei 10 %, während die Bundesrepublik mit ihrem derzeitigen spezifischen Gewichtszoll einen Satz von 160 DM auf den Doppelzentner beim Rohkaffee und 350 DM auf den Doppelzentner bei losem Tee hat.
Das Problem ist also durch die bisherige unterschiedliche Höhe der Zollsätze gegeben. Die Maßnahmen müssen so abgestimmt werden, daß unbeschadet des fiskalischen Einnahmebedarfs aus der Verbrauchsbesteuerung für Kaffee und Tee der deutsche Außenzoll nicht höher liegt als die Summe aus dem deutschen EWG-Binnenzoll und dem niedrigsten Außenzoll eines EWG-Landes für die Dauer dieser Übergangszeit. Würde der deutsche Außenzoll durch den Außenzoll eines anderen EWG-Landes mit unserem Binnenzoll innerhalb der EWG gegenüber diesem Lande unterschritten, dann würde sich die Einfuhr von Kaffee und Tee für den deutschen Verbraucher von den deutschen Einfuhrhäfen selbstverständlich in die Einfuhrhäfen anderer EWG-Länder verlagern.
Eine Verkehrsverlagerung wäre die Folge, der aber mit Sicherheit auch die Abwanderung aus den
deutschen Nordseehäfen folgen würde, soweit es sich um die Verarbeitung, um das Kaffeerösten, die Verpackung und um den ganzen Kaffeehandel handelt. Das ist nun einmal eine Sorge der deutschen Nordseehäfen. Sie ist doch wohl zu bekannt, als daß man sie einfach mit einer Handbewegung abtun könnte. Die deutschen Nordseehäfen fürchten vor allem, daß ihr Verkehr in die zum Atlantik näher gelegenen Häfen abwandert. Daher sollte man einer solchen Gefahr der Verkehrsabwanderung wenigstens dort begegnen, wo es in voller Übereinstimmung mit den Vertragsbestimmungen und ohne Schädigung der anderen Mitglieder, aber auch ohne diskriminierende Maßnahmen, Wettbewerbsverfälschung usw. möglich ist.
Herr Abgeordneter Dr. Hellwig, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Beyer?
Bitte schön!
Haben Sie, Herr Dr. Hellwig, übersehen, daß sowohl für die Mitgliedstaaten als auch für die Drittstaaten, d. h. die Staaten, die außerhalb des Kreises der Mitgliedstaaten stehen, gleiche Zollsätze angesetzt sind? Wenn wir das so belassen, dann kann es doch keine Diskriminierung, auch nicht eine Diskriminierung der deutschen Zollhäfen geben. Wie stellen Sie sich zu diesem Falle?
Ich muß Sie bitten, gnädige Frau, sich einmal die Entwicklung der Zollsätze im Binnenverkehr wie im Außenzoll, in der Hinbewegung zum Außenzoll bei uns und in den anderen Mitgliedsländern anzusehen, wie sie aussehen wird, wenn wir die jetzige Maßnahme so durchführen wie beabsichtigt oder wenn wir die Dinge schrittweise machen. Wenn wir die Dinge schrittweise machen entsprechend der zehnprozentigen Senkung, die Sie vorgeschlagen haben, dann ist für die ganze Phase der Übergangszeit die Summe des Eingangszolles von uns aus einem anderen EWG-Land plus dem Außenzoll des anderen EWG- Landes, das sich ja zunächst von Null im Außenzoll zum gemeinsamen Tarif hin entwickelt, immer niedriger als der deutsche Außenzoll, und das bedeutet praktisch, daß der ganze Einfuhrhandel in diese Länder abwandert.
(Abg. Frau Beyer [Frankfurt] : Darf ich eine
weitere Frage stellen?
Bitte sehr.
Herr Dr. Hellwig, ich habe ausdrücklich Holland und Belgien angeführt. Diese Länder liegen ja unmittelbar an unserer Grenze. Dort gibt es keinen Zoll, die Zollsätze sind dort weggefallen. Wenn wir nun sowohl für die Mitgliedstaaten wie für Drittstaaten die gleichen Zollsätze haben, kann die Wirkung nicht so sein, wie sie von Ihnen jetzt dargestellt wird.
Doch! Die Wirkung besteht eben darin, daß - ({0})
- Nein, nein! Es ist zuviel Zahlenmaterial, als daß ich in der Lage wäre, es hier vorzutragen.
({1})
- Ja, es ist höhere Mathematik, es ist eine sehr schwierige Rechnung, und ich hätte es begrüßt, wenn Sie sich auch einmal diese Mühe gemacht hätten, genau zu prüfen, wie es hier aussieht. Sie übersehen nämlich, gnädige Frau, daß wir bei der zehnprozentigen Senkung des deutschen Kaffeezolls ja auch für die Einfuhr aus den Beneluxländern nach wie vor von dem derzeitigen hohen Satz ausgehen. Damit ergibt sich eine Abschirmung auch gegenüber diesen Ländern, die völlig berechtigt ist. Vergleichen Sie bitte, daß wir mit den 16 %, auf die wir jetzt gehen, ja auch gegenüber den anderen EWG- Mitgliedsländern in der ersten Phase der Zollangleichung stehenbleiben. Der Binnenzoll verschwindet doch nicht sofort. Ich verstehe nicht, wie Sie meinen können, daß dann aus Belgien oder Luxemburg der Kaffee zu dem Null-Zoll hereinkommen könnte.
({2})
- So habe ich Sie verstanden.
({3})
Meine Damen und Herren! Ich glaube, es dient dem Fortgang der Beratungen, wenn wir jetzt die Damen und Herren, die sprechen, reden lassen.
Meine Damen und Herren! Es ist wirklich ein sehr kniffliges Problem.
({0})
Aber es ist doch so, daß von dem jetzigen hohen deutschen Kaffeezoll auch die Senkung gegenüber den EWG-Ländern erst beginnt, so daß doch der Schutz bleibt, bis die anderen EWG-Länder den gleichen Außenzolltarif mit 16 % herbeigeführt haben. Ich kann nur bitten, daß das im Ausschuß noch einmal sehr genau geprüft wird, und muß mich hier darauf beschränken, nun noch zu den anderen Fragen Stellung zu nehmen.
Von den Befürwortern einer Verbilligung des Kaffeeverbrauchs ist auch noch darauf hingewiesen worden, daß man hier doch etwas mehr Rücksicht auf die Kaffee-Erzeugerländer hätte üben können, denn diese wären doch angesichts der großen Kaffeeschwemme in Not usw. Besonders wird immer das Beispiel Brasilien genannt. Meine Damen und Herren, ich empfehle sehr, sich einmal anzusehen, wie sich der Anteil Brasiliens an der deutschen Kaffee-Einfuhr in den letzten Jahren entwickelt hat. Ich glaube, man kann ganz eindeutig feststellen: Wenn Brasilien seinen Anteil am deutschen Kaffeemarkt nicht hat vermehren können, wenn sich
seine Position auf dem deutschen Markt sogar verschlechtert hat, dann ist das nicht eine Wirkung des deutschen Kaffeezolls oder der deutschen Kaffeebesteuerung, sondern ist eine Folge der Preispolitik, die Brasilien im Vergleich zu anderen, jüngeren Kaffeebauländern getrieben hat. Trotz der wesentlichen Steigerung des Kaffeeverbrauchs und der Kaffee-Einfuhr bei uns ist der Anteil Brasiliens an unserer Kaffee-Einfuhr erheblich zurückgegangen. Man sollte also bei all den guten Ratschlägen, die man im Zusammenhang mit dem Thema der Kaffeeeinfuhrpolitik und der Kaffeebesteuerung bei uns gibt, doch nicht die Gründe verwechseln, die zu einem Rückgang des Anteils einiger Länder am deutschen Kaffeemarkt geführt haben.
Die haushaltswirtschaftliche Seite wird, wie ich schon sagte, mein Kollege Gewandt behandeln. Ich glaube aber hier doch abschließend schon über das Thema „Europäischer Markt" und diese Vorlage noch folgendes sagen zu sollen.
Meine Damen und Herren, wir werden als Wirkungen der Anpassung unserer Wirtschaft, unseres Steuer- und Zollsystems so viele Belastungen und Probleme vor uns haben, auch so viele Beseitigungen echter Wettbewerbsstörungen durch Schutzzölle und andere Dinge mehr, daß man an dieser Stelle, wo dieses Problem nicht gegeben ist, wirklich nur der Vorlage der Regierung zustimmen kann, nämlich die Dinge einstweilen in der steuerlichen Gesamtbelastung - Verbrauchsteuer, Zoll und Steuer - zusammenzusehen und zu belassen, aber auch in der Relation der einzelnen Steuerarten, so wie sie sind, keine voreiligen Entwicklungen einzuleiten, die uns später vielleicht leid tun könnten, und zunächst einmal abzuwarten, wie sich die anderen bei dem Thema „Finanzzölle" verhalten werden. Denn, meine Damen und Herren, auch hier liegt ein zentrales wirtschaftspolitisches Problem vor: die Versuchung nämlich, von anderen Mitgliedsländern unter dem Begriff „Finanzzölle" Ausnahmen von der jetzt zu beschließenden und durchzuführenden Zollsenkung zu erwirken, alles mögliche als Finanzzoll zu benennen und damit von den Zollsenkungen in der ersten Phase frei zu machen und diese erst in einigen Jahren durchzuführen. Das ist ein ganz großes Bedenken, eine ganz große Sorge, auf die ich auch als Berichterstatter zum Ratifizierungsgesetz damals hingewiesen habe. Ich glaube, es ist ganz richtig, daß die Bundesrepublik bei dem Problem „Finanzzölle" ein Beispiel statuiert: Finanzzölle soweit als möglich auf das, was sie zu sein haben, hinzuverlagern, nämlich Verbrauchsbesteuerung, und damit auch den Begriff der Finanzzölle, der leider im Vertragswerk noch nicht einheitlich geregelt ist, noch nicht klar definiert wird, in einer ganz bestimmten, für die weitere Integration sauberen Weise vorzubereiten und zu definieren.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Gewandt.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte in aller Kürze zu einigen Problemen des Haushalts Stellung nehmen, und zwar deshalb, weil ich meine, daß der zwar sehr charmanten, aber doch auch sehr leichten Art, mit der die Damen diese ernsten Probleme meinten ablehnen zu können, hier widersprochen werden muß.
({0})
Die Kollegin Frau Diemer-Nicolaus hat hier zur Erhärtung ihrer Argumente eine Reihe von Zeitungszitaten vorgelesen. Ich glaube, Frau Kollegin, es wäre ebensogut gewesen oder vielleicht noch nützlicher, wenn Sie nicht nur diese Zeitungen gelesen hätten, sondern auch den Haushaltsplan; denn dann wären Sie zu ganz anderen Schlußfolgerungen gekommen.
Bevor ich aber auf diese Seite eingehe, gestatten Sie mir noch eine Bemerkung zu der allgemeinen Wirkung der Zollsenkung. Es ist ja nicht so, wie hier behauptet wird, als habe der Konsument insgesamt nichts von der 10%igen Zollsenkung. Wenn Sie die Finanzvorlagen studiert und sich in dein Zusammenhang einmal die Zahlen im Einzelplan 60 für das nächste Jahr, der heute hier verteilt worden ist, angesehen hätten, würden Sie gesehen haben, daß im Zusammenhang mit der 10%igen Senkung eine Entlastung in Höhe von 175 Millionen DM eintritt. Diese 175 Millionen DM kommen zunächst einmal dem Verbraucher zugute. Es handelt sich also nur noch darum, ob die weiteren 120 Millionen DM für den Kaffee- und Teeverbrauch verkraftet werden können.
Es ist gesagt worden, daß eine Senkung der Verbrauchsteuer den Konsum erweitere. Diese These läßt sich durch Zahlen in keiner Weise beweisen. Zunächst einmal möchte ich darauf hinweisen, daß die Senkung der Zuckersteuer uns heute noch einen erheblichen Ausfall bringt und daß die Konsumerweiterung verständlicherweise nicht so groß war, daß wir die Lücke decken konnten.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte!
Kriedemann ({0}); Herr Kollege, Sie haben uns soeben empfohlen, eine bestimmte Drucksache zu lesen, und damit den Eindruck erweckt, als wenn einige Abgeordnete die Drucksachen nicht läsen. Würden Sie die Freundlichkeit haben, mir zu sagen, wann diese Drucksache hier im Hause verteilt worden ist.
Ich habe sie heute morgen aus meinem Fach entnommen.
Dann darf ich Sie darauf aufmerksam machen, daß Sie sie als Mitglied des Haushaltsausschusses entnommen haben, aber nicht als Mitglied des Hauses. Lassen Sie die Unterstellungen weg!
Ich bitte, nur Fragen zu stellen.
Wenn Sie eine solche Bemerkung machen, müssen Sie wenigstens wissen, was geschehen ist.
({0})
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie um Ruhe und darum, nachher im Laufe der Diskussion das zu widerlegen, was nach Ihrer Meinung widerlegt werden kann.
({0})
Ich verzichte, hier darauf einzugehen.
Ich wollte zunächst einmal klarlegen, daß die These, daß mit einer Senkung der Verbrauchsteuer eine so große Erhöhung des Verbrauchs eintritt, daß man den fiskalischen Ausfall ausgleicht, sich an der Zuckersteuer als falsch erwiesen hat. Das gleiche betrifft das Aufkommen aus der Kaffeesteuer. Nach den mir bekannten Unterlagen betrug das Aufkommen im Jahre 1952 560 Millionen DM und im Jahre 1957 nur 461 Millionen DM. Der Kaffeeverbrauch hat sich unabhängig von der steuerlichen Entwicklung bei gleicher fiskalischer Belastung im Laufe der letzten fünf Jahre um 70 % erhöht. Dies läßt den Schluß zu, daß die Erhöhung des Verbrauchs im wesentlichen auch eine Frage der allgemeinen wirtschaftlichen Situation ist.
Wie ist nun die Lage des Haushalts? Darauf kommt es ja an, wenn man beurteilen will, ob es möglich ist, auf 120 Millionen DM zu verzichten. Überall und in aller Öffentlichkeit ist der Finanzminister dafür gelobt worden, daß es ihm gelungen ist, den diesjährigen Haushalt so gut wie unverändert gegenüber dem Vorjahr zu unterbreiten. Ich glaube, das ist eine sehr große Leistung. Wir als Parlament sollten alles tun, den Finanzminister zu unterstützen, daß er diesen seinen Plan durchführen kann.
({0})
Nun wissen wir aber, daß schon bei diesen etwas über 39 Milliarden DM eine Deckung sehr schwierig ist. Der Finanzminister muß in sehr großem Umfange an den Kapitalmarkt herantreten. Er muß mit 3 Milliarden DM auf den Kapitalmarkt gehen. Wenn berücksichtigt wird, daß die Gemeinden und Länder mit 4 Milliarden DM auf den Kapitalmarkt gehen, so ergibt sich eine Beanspruchung des Kapitalmarktes in Höhe von etwa 7 Milliarden DM, das bei einem vermutlichen Gesamtvolumen von 10 bis 12 Milliarden DM. In diesem Haushaltsplan ist es noch nicht möglich, daß der Herr Finanzminister 1,2 Milliarden aus Rückstellungen zur Deckung des Haushalts heranzieht. Wir wissen alle, daß es im vergangenen Jahr sehr schwierig war, den Haushalt auszugleichen. Wir wissen, daß das Sozialprodukt zwar noch steigt, aber nicht mehr in der Höhe wie in den vergangenen Jahren; es ist eine ruhigere Entwicklung eingetreten.
Wir wissen ferner, daß gerade im nächsten Jahr im Zusammenhang mit dem Haushalt eine Reihe von Problemen auf uns zukommt. Wir haben zwar im Voranschlag die 6,1%ige Erhöhung der Renten schon einbezogen. Aber wie stünde der Haushalt da, wenn wir z. B. einen Vorschlag der SPD-Fraktion aufnähmen, der heute morgen in der Zeitung zu lesen ist, daß an die Rentner, die nicht unter die automatische Erhöhung fallen, eine einmalige Zahlung erfolgen soll! Das wäre eine weitere Belastung um 650 Millionen DM. Wir wissen, daß die Kriegsopfer unzufrieden sind, daß diese Frage zu erörtern ist und daß auch im Zusammenhang mit der Änderung der Kranken- und Unfallgesetzgebung gewisse Fragen des Haushalts eine erhebliche Rolle spielen. In dieser Situation wäre es nach unserer Auffassung unaufrichtig gegenüber der Öffentlichkeit, wenn man den Eindruck erweckte, als sei unsere Haushaltslage so rosig, daß man ohne weiteres auf 120 Millionen DM verzichten könne. Wir halten dies im gegenwärtigen Augenblick für unvertretbar und sind also der Meinung, daß die Vorlage des Finanzministers richtig und anzunehmen ist. Wir beantragen allerdings die Überweisung dieser Vorlage an den Finanzausschuß unter Hinzuziehung des Haushaltsausschusses und des Wirtschaftsausschusses.
({1})
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Beyer.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Herr Dr. Hellwig, ich möchte Ihnen zugestehen, daß tatsächlich Ihr europäisches Gewissen geschlagen hat, denn das ist durch Ihre aufregende Darstellung sehr deutlich geworden.
({0})
Ich möchte zur Begründung meiner Darstellung noch einiges ausführen. Sie sind, glaube ich - das ist auch aus Ihren Ausführungen erkennbar geworden -, einem Denkfehler unterlegen. Ich habe ausdrücklich ausgeführt, daß Kaffee und Tee deshalb besonders interessant sind, weil man hier über die zehnprozentige Zollsenkung hinausgeht und etwas korrigiert, was man in der Vergangenheit bereits hätte korrigieren sollen. Man war sich dieser Aufgabe bei Annahme der Vertragswerke doch bewußt. Ich habe weiter gesagt, wenn man jetzt nicht auf einmal 40%, sondern viermal 10 % nähme und diese Senkung auf die nächsten Jahre verteilte, hätte man die Möglichkeit, das auch etatmäßig zu verkraften.
({1})
- Auf diese Verkehrsverlagerung will ich gerade
eingehen, Herr Dr. Hellwig; denn auch hier sind
Frau Beyer ({2})
Sie mir die Begründung schuldig geblieben. Wenn Sie z. B. sagen, daß trotzdem eine Diskriminierung der Häfen und damit der Importeure einträte, übersehen Sie, daß, wenn wir den Zollsatz in der ersten wie in der zweiten Sparte - also sowohl für die EWG-Mitgliedstaaten als auch für Drittstaaten - auf den gleichen Satz festlegen, eine Diskriminierung nicht eintreten kann. Denn der Händler würde, falls er z. B. aus Holland oder Belgien bezieht, wo es heute keine Zollbelastung gibt, denselben Inlandszoll zu zahlen haben, wie wenn er aus Drittstaaten, d. h. aus nicht zur EWG gehörenden Staaten seinen Kaffee oder Tee bezieht. Damit kann man von einer Diskriminierung nicht mehr sprechen. Es war zur Begründung meiner Darstellung noch notwendig, das zu sagen, und ich bitte Sie, die Frage unter diesen Gesichtspunkten noch einmal zu überlegen.
Nun, Herr Dr. Hellwig, sagen Sie weiter, Finanzzölle seien gleich Verbrauchsteuern zu setzen. Dann haben wir an dieser Stelle einmal die Frage aufzuwerfen, warum wir diesen Dualismus überhaupt brauchen. Warum machen wir dann nicht entweder nur Zölle oder Verbrauchsteuern? Ich habe gleichzeitig darauf hingewiesen, daß die Verbrauchsteuern durch die Besatzungsmächte nach 1945 eingeführt wurden, und auch das müßte doch für das Haus ein Grund sein, die Verbrauchsteuern nicht weiter zu erhöhen, sondern sie zu senken oder zu beseitigen.
Weiter wurde die Frage aufgeworfen, ob Kaffee Genuß- oder Nahrungsmittel ist. Es ist sehr schwierig, das hier zu verneinen oder zu bejahen. Ich habe schon darauf hingewiesen, daß es verschiedene Gruppen gibt. Die einen sind diejenigen, die den Kaffee brauchen. Die anderen haben natürlich die Möglichkeit, auszuweichen. Jedenfalls ist es schlecht, nun unter der Verwendung des Begriffs des Genußmittels die Verlagerung vom Zoll auf Steuern zu begründen.
Herr Kollege Gewandt, ich finde, es war etwas sehr frei, uns als leichtfertig zu bezeichnen. Wenn wir Ihre Ausführungen einmal nachlesen - ich hoffe, Sie werden sie nicht korrigieren -, könnten wir diesen Einwand Ihnen gegenüber bestimmt erheben.
({3})
Wir haben - das kann ich sicherlich auch für Frau Kollegin Diemer-Nicolaus sagen - an Hand von Beispielen nachgewiesen, daß die Begründungen, so wie sie vom Bundesfinanzministerium gegeben wurden, nicht den Tatsachen entsprechen, zumindest korrigiert werden müssen.
Sie führten in diesem Zusammenhang dann andere Forderungen auf, z. B. die der Kriegsopfer. Ich begrüße, daß Sie hier deutlich sagen, daß die Kriegsopfer noch bestimmte Forderungen haben. Von uns wurden entsprechende Anträge gestellt; wir hoffen auf Ihre Unterstützung. Aber Sie können doch diese. Probleme nicht mit der Kaffee- oder Teesteuer in Zusammenhang bringen. Für uns muß doch der Sinn der Vertragswerke maßgebend bleiben. Im Art. 2 wird deutlich gesagt, daß eine schrittweise Annäherung der Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten und eine harmonische Entwicklung des Wirtschaftslebens innerhalb der Gemeinschaft herbeigeführt werden soll, und darunter wird auch eine Angleichung und Hebung des Lebensstandards verstanden.
Nun noch eine letzte Bemerkung. Wir haben in absehbarer Zeit neue Gesetzentwürfe vor uns, die die Gesellschaft- und Versicherungsteuer beseitigen sollen. Die Beseitigung dieser Steuern bringt jeweils 40 bis 50 Millionen DM Steuerausfall. Auch das werden Sie wieder beschließen. Warum geht man hier nicht dazu über und gibt einen Teil dieser Geschenke statt an bestimmte Personengruppen einmal an die Verbraucherschaft insgesamt? Da würde praktisch eine dieser Summen ausreichen. Wenn wir in Etappen vorgehen, wie ich es bereits angeführt habe, hat die Summe von 40 Milliarden DM für den Etat auf absehbare Zeit keine Bedeutung.
In meinem Kollegenkreis wurde soeben der Vorschlag gemacht, wenn man so vorgehen wolle, wie mit Drucksache 596/97 vorgesehen, solle auch der Titel des Gesetzes geändert werden. Man solle sagen: Gesetz zum Ausgleich der durch den EWG-Vertrag eintretenden Vergünstigungen; dann würde man nämlich der Sache gerecht.
({4})
Das Wort hat der Abgeordnete Kriedemann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte einen Teil dieser Debatte nicht durch einen Zwischenruf erledigt sein lassen. Der Herr Kollege Gewandt hat hier in einem besonderen Tonfall gesagt, man möge doch die Drucksachen lesen, und hat sogar gesagt, es sei besser, die Drucksachen zu lesen als etwa Zeitungen. Hat er wirklich nicht gewußt, was er damit angerichtet hat?
({0})
Das ist doch eine Bemerkung, die nicht dazu angetan ist, das Ansehen dieses Hauses zu stärken und zu festigen.
({1})
Sie unterstellen damit den Kollegen, daß sie bestimmte Drucksachen nicht lesen und ohne Kenntnis der Drucksachen hierhergehen. Dabei handelt es sich um eine Drucksache, die zwar Sie und einige andere Mitglieder des Hauses kennen, die Sie aber schon deswegen nicht hätten erwähnen sollen, weil sie Ihnen ja auf eine Weise bekanntgeworden ist - auch wenn sie in Ihrem Fach gelegen hat -, die auch nicht andeutungsweise der Geschäftsordnung und dem vorgeschriebenen Verfahren entspricht.
Wenn diese Drucksache den Mitgliedern des Haushaltsausschusses, sagen wir einmal, im Vorwege zugeleitet worden ist, ehe sie den im Grundgesetz vorgeschriebenen Weg gegangen ist, dann doch nur deshalb, um so einigermaßen auszugleichen zu versuchen, daß die Regierung, für die Sie verantwortlich sind, ein normales Verfahren durch ihre Art, den Haushaltsplan dem Bundesrat und
dem Bundestag zuzuleiten, unmöglich macht. Wenn das schon so ist, dann sollten Sie darüber doch lieber nichts sagen und nicht wegen dieser für die Regierung, für die Regierungskoalition peinlichen Angelegenheit nun noch den Mitgliedern des Hauses einen Vorwurf machen, die nicht in der Lage sind, die Drucksache zu kennen.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Rösing.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Ältestenrat hat Einverständnis darüber bestanden, daß die beiden Vorlagen auf den Drucksachen 596 und 597 nur dem Finanzausschuß überwiesen werden sollen. Ich bitte, so zu verfahren und die Vorlagen keinem anderen Ausschuß mehr zur Mitberatung zu überweisen.
Darf ich annehmen, daß der anderslautende Antrag des Abgeordneten Gewandt damit berichtigt ist?
({0})
- Das ist der Fall. Es ist also der Antrag gestellt worden, die beiden Vorlagen auf den Drucksachen 596 und 597, die die Kaffee- und die Teesteuer betreffen, an den Finanzausschuß zu fiber-weisen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei einigen Gegenstimmen ohne Enthaltungen angenommen.
Ich rufe auf Punkt 8 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des § 64 des Landbeschaffungsgesetzes ({1}).
Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage Ihnen Überweisung an den Ausschuß für Inneres vor. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Die nächsten drei Punkte der Tagesordnung, also die Punkte 9, 10 und 11, die eine ausführliche Debatte erforderlich machen, werden wir uns wohl für morgen aufheben, weil wir heute keinen dieser Punkte mehr erledigen können. - Das Haus ist damit einverstanden.
Ich rufe auf Punkt 12 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu
dem Abkommen vom 31. März 1958 zwischen
der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik über das deutschfranzösische Forschungsinstitut Saint-Louis ({2}).
Auf Begründung und Ausprache wird verzichtet. Ich schlage vor Überweisung an den Ausschuß für Verteidigung - federführend - und an den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten und an den Rechtsausschuß zur Mitberatung. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 13 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Statistik der Kosten und Leistungen im Güterverkehr mit Kraftfahrzeugen, mit Binnenschiffen und mit Eisenbahnen im Jahre 1959 ({3}) ({4}).
Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage Ihnen Überweisung an den Ausschuß für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen vor. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 14 der Tagesordnung:
Beratung des interfraktionellen Antrags betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse ({5}).
Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage Beschlußfassung gemäß dem Antrag auf Umdruck 177 vor. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Ich rufe nun noch die beiden Anträge der Fraktion der DP auf, die heute zusätzlich auf die Tagesordnung gesetzt wurden, nämlich einmal die
Beratung des Antrags der Fraktion der DP betreffend Feststellung der Lage der Familienbetriebe im Grünen Bericht ({6}),
und ferner die
Erste Beratung des von der Fraktion der DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Landwirtschaftsgesetzes ({7}).
In beiden Fällen wird auf Begründung und Aussprache verzichtet. Ich nehme an, daß Überweisung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten erfolgen soll. - Ich stelle das fest. -Widerspruch erfolgt nicht; dann ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren, ich berufe die nächste Sitzung auf morgen, Freitag, den 7. November, 9 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen.