Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 10/29/1958

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Die Sitzung ist eröffnet. Meine Damen und Herren! ({0}) In diesen Tagen hat der Tod nach einigen Männern gegriffen, die sich an hervorragender Stelle besondere Verdienste um unseren Staat erworben haben. Es ziemt uns, ihre Namen zu verkünden und ihre Verdienste zu berufen. Am Donnerstag, dem 23. Oktober, verschied in Wiesbaden der erste Präsident des Deutschen Bundestages, Dr. Erich Köhler. Vorgestern wurde er zu Grabe getragen; Bundestagspräsident Dr. Gerstenmaier und andere Mitglieder des Hauses haben ihm das letzte Geleit gegeben. Erich Köhler wurde am 27. Juni 1892 in Erfurt geboren. In Marburg, Berlin, Leipzig und Kiel studierte er die Staatswissenschaften. Nach Abschluß seiner Studien, nach der Promotion zum Doktor der Staatswissenschaften, war er als Geschäftsführer von Arbeitgeberverbänden tätig. Während der Weimarer Zeit schloß er sich der Deutschen Volkspartei an. Nach dem 30. Januar 1933 wurden ihm wegen der Abstammung seiner Frau aus einer Familie jüdischen Glaubens alle Ämter entzogen, so daß er sein Brot im Treppauf Treppab eines Versicherungsagenten verdienen mußte. Er hat unverbrüchlich zur bedrängten und verfolgten Gattin gestanden. Der Einweisung in ein Konzentrationslager entging er nur infolge des Zusammenbruchs seiner Gesundheit. Den Todeskandidaten, so meinten die Schergen, brauche man nicht mehr einzusperren. Unmittelbar nach der Kapitulation wurde Erich Köhler zum Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer in Wiesbaden berufen. Dort entfaltete er sogleich eine rege politische Tätigkeit. Er gehörte zu den Mitbegründern der CDU in Hessen und war im Jahre 1946 Mitglied der verfassunggebenden Versammlung dieses Landes. Im selben Jahre wurde er in den Hessischen Landtag berufen. Der Schwerpunkt des politischen Wirkens von Erich Köhler fiel in die Jahre nach 1947, als er das Amt des Präsidenten des Wirtschaftsrates in Frankfurt übernahm. Es fällt heute schwer, sich noch im einzelnen der ungeheuren Schwierigkeiten zu erinnern, die die damaligen ersten überzonalen Institutionen und Behörden im nachwirkenden Chaos des zusammengebrochenen Vaterlandes zu bewältigen hatten. Es leidet keinen Zweifel, daß Erich Köhler in jenen Jahren eine Arbeitsleistung vollbracht hat, die weit über seine schon durch die Leiden während der nationalsozialistischen Zeit geschwächten Kräfte hinausging. Ich übertreibe nicht: Erich Köhler hat sich in jenen Jahren im Dienste des Landes bis zur Erschöpfung verzehrt. Er war schon ein kranker Mann, als ihn der 1. Deutsche Bundestag am 7. September 1949 zum Präsidenten wählte. Man hat ihm damals eine zu schwere Last aufgebürdet. Am 18. Oktober 1950, nach nur etwas mehr als einem Jahr seiner Amtsführung, mußte er mit Rücksicht auf seinen Gesundheitszustand dieses Amt niederlegen. Dann gehörte er dem Bundestag bis zum Abschluß der zweiten Legislaturperiode, im Jahre 1957, an und war Mitglied einiger Ausschüsse. Für seine Verdienste verlieh ihm der Bundespräsident im Jahre 1957 das Große Bundesverdienstkreuz mit Stern und Schulterband. Der Name Erich Köhler wird für immer mit dem mühsamen, von so vielen Seiten her bedrohten und behinderten Neubeginn des parlamentarischen und demokratischen Verfassungslebens in Deutschland verknüpft bleiben. Wir wollen allzeit sein Andenken in Ehren halten. Der andere, der von uns ging, ist Professor Dr. Josef Marquard Wintrich, der Präsident des Bundesverfassungsgerichts. Am 19. Oktober dieses Jahres ist er im Alter von 67 Jahren seinem Amtsvorgänger, unserem unvergessenen früheren Kollegen Dr. Höpker-Aschoff, in den Tod nachgefolgt. Mit Josef Marquard Wintrich hat das deutsche Volk einen Mann verloren, der wie kein anderer dazu berufen war, über die Fundamente unserer Rechtsordnung zu wachen. In das Amt des höchsten Richters der Bundesrepublik wurde er berufen, weil er sich durch seine im ganzen Land anerkannte Tätigkeit am Bayerischen Verfassungsgerichtshof sowie durch seine Mitwirkung an dem Zustandekommen des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht und nicht zuletzt durch seine wissenschaftlichen Arbeiten über Probleme der Verfassungsgerichtsbarkeit als würdig des Vertrauens aller, ohne das dieses Amt nicht bestehen kann, erwiesen hatte. Josef Marquard Wintrich war aber nicht nur ein hervorragender Kenner des positiven Rechts. Von jeher hat er sich um die Erkenntnis der ungeschrie2606 Vizepräsident Dr. Schmid benen humanen und philosophischen Grundlagen des Rechts bemüht. Was er so fand, hat sein Welt-und Menschenbild geformt, und die Tatsache, daß er Rechtsprechung nie als bloße Technik des Umgangs mit Paragraphen aufgefaßt hat, sondern als eine Bewährungsprobe des Richters vor dem Tribunal seines Gewissens und seines Wissens um das Wesen des Menschen und seiner Ordnungen, hat es auch bestimmt, was er in seinem Richteramt getan hat. Die großen Entscheidungen des Verfassungsgerichts tragen unverkennbar die Spuren der Menschlichkeit und Geistigkeit dieses Mannes. Er wird schwer zu ersetzen sein. Er hat nicht zu den Mitgliedern dieses Hauses gehört, und so könnte sich einer wundern, daß wir ihn hier feierlich betrauern, wo man nur derer zu gedenken pflegt, die hier gewirkt haben. Stirbt aber ein Mann solchen Ranges und solcher Art dahin, ehrt sich der Deutsche Bundestag, indem er seiner ehrend gedenkt. Nun will ich einen dritten Namen nennen. Heute vor vier Jahren ist Hermann Ehlers, Präsident dieses Hauses, für immer von uns gegangen. Wir wollen an diesem Tage auch seiner in Trauer und Ehrfurcht gedenken. Sie haben sich von Ihren Plätzen erhoben. Ich danke Ihnen. Ich habe zunächst mitzuteilen, daß für den verstorbenen Abgeordneten Dr. Wolff ({1}) der Abgeordnete Dr. Schwörer mit Wirkung vom 21. Oktober in den Bundestag eingetreten ist. Ich begrüße ihn in unserer Mitte und wünsche ihm eine gute Zeit bei uns. ({2}) Für den Abgeordneten Euler, der ausgeschieden ist, rückt als Wahlmann gemäß § 6 Abs. 2 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht aus der Reihe der nicht mehr Gewählten der Abgeordnete Dr. Wilhelmi nach. Punkt 3 der Tagesordnung, die Wahl eines neuen Vertreters in ein europäisches Parlament, muß abgesetzt werden, da die berechtigte Fraktion noch keinen Namen genannt hat. Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen: Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 24. Oktober 1958 dem Gesetz zur Änderung des Luftverkehrsgesetzes zugestimmt. Der Herr Stellvertreter des Bundeskanzlers hat unter dem 22. Oktober 1958 gemäß § 32 Abs. 6 des Bundesbahngesetzes vom 13. Dezember 1951 die Jahresabschlüsse der Deutschen Bundesbahn für die Geschäftsjahre 1955 und 1956 zur Kenntnisnahme übersandt. Sie liegen im Archiv zur Einsichtnahme aus. Die Fraktion der SPD hat unter dem 24. Oktober 1958 ihren Antrag betreffend Bericht der Bundesregierung gemäß § 1273 der Reichsversicherungsordnung, § 50 des Angestelltenversicherungsgesetzes und § 71 des Reichsknappschaftsgesetzes - Drucksache 561 - zurückgezogen, da er durch den in ihm enthaltenen Terminvorschlag überholt sei. Das Wort zur Tagesordnung hat der Abgeordnete Dr. Bucher.

Dr. Ewald Bucher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000288, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Fraktion der Freien Demokratischen Partei beantrage ich, auf die heutige Tagesordnung den Entwurf eines Gesetzes über die friedliche Verwendung der Kernenergie, Drucksache 471, zu setzen. Dieser Entwurf ist von meiner Fraktion am 19. Juni dem Hohen Hause vorgelegt worden. Im Ältestenrat konnte keine Einigung darüber erzielt werden, daß er auf die Tagesordnung kommen soll. Das wurde von seiten der Koalitionsparteien damit begründet, daß die Regierungsvorlage eines Atomgesetzes dem Hohen Hause demnächst werde vorgelegt werden. Nun sind wir bestimmt die letzten, die sich nicht Zweckmäßigkeitserwägungen beugen. Aber es ist einmal zu bedenken, daß bereits ein Antrag der SPD, der auf ein Atomgesetz zielt, dem Ausschuß überwiesen ist, dieser sich also bereits mit der Materie befaßt. Zum anderen ist in diesem Fall wirklich nicht einzusehen, warum nicht der Entwurf einer Fraktion, die von ihrem Initiativrecht Gebrauch gemacht hat, hier behandelt werden soll. Wenn dann der Regierungsentwurf nachkommt, kann er ohne weitere Aussprache an den Ausschuß verwiesen werden. Wir sollten grundsätzlich das Initiativrecht des Parlaments wahren. ({0}) Dieses Initiativrecht steht bei uns leider nur auf dem Papier; nicht aus bösem Willen, sondern weil eben die technischen Voraussetzungen immer noch nicht in vollem Umfang gegeben sind, so wie sie etwa den Abgeordneten in Amerika und England zur Verfügung stehen. Wenn aber eine Fraktion, ganz gleich welche, von dem Initiativrecht Gebrauch macht, sollte man grundsätzlich nicht sagen: Nun wartet schon damit, bis die Regierung ihr Kind geboren hat. In diesem speziellen Fall kommt hinzu, daß die Geschichte des Atomgesetzes leider ein Trauerspiel darstellt. Die Notwendigkeit eines Atomgesetzes ist wohl allgemein bekannt. Denn durch die noch geltende alliierte Gesetzgebung sind wir gehindert, eine friedliche Atomwirtschaft aufzubauen, solange wir nicht selbst ein Atomgesetz haben. Nun hat die Bundesregierung bisher noch keine große Initiative in dieser Sache entfaltet. Deshalb hat die FDP bereits im April 1956 einen Entwurf vorgelegt, dem die Regierung im Dezember 1956 einen eigenen Entwurf nachfolgen ließ. Was dann in der 216. und 221. Sitzung des 2. Bundestages geschah, war leider kein Ruhmesblatt für dieses Haus. Damals haben eine Anzahl von Abgeordneten der Regierungspartei den Entwurf ihrer eigenen Regierung dadurch zu Fall gebracht, daß sie plötzlich rechtliche und sonstige Bedenken gegen die von ihnen für notwendig gehaltene Verfassungsänderung erhoben. Die Grundgesetzänderung ist damals hier gescheitert, und damit war auch das Atomgesetz begraben, weil ja nach Meinung der CDU eine Grundgesetzänderung notwendig ist. Wie schockierend dieser Vorfall war, ersah man daraus, daß sogar der zuständige Bundesminister, Atomminister Siegfried Balke, laut und vernehmlich mit seinem Rücktritt drohte, ein Vorgang, der in der Bundesrepublik sehr selten ist. ({1}) Allerdings wurde Siegfrieds Hornruf mit der Zeit dann immer leiser und verhallte schließlich völlig im folgenden Bundestagswahlkampf. Nun, diesmal hat die Bundesregierung - das muß zugegeben werden - mit dem Nachziehen auf unseren Entwurf nicht so lange gebraucht. Trotzdem sind wir aber aus grundsätzlichen Erwägungen der Ansicht, daß der einmal vorliegende Initiativentwurf einer Fraktion heute behandelt werden sollte. Wir bitten deshalb, diesen Entwurf auf die Tagesordnung zu setzen.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Ratzel.

Dr. Ludwig Ratzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001779, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion unterstützt den Antrag der Freien Demokraten. Wir beantragen aber gleichzeitig, daß unser Antrag Drucksache 496 - Überwachung radioaktiver Verseuchung - mit auf die Tagesordnung gesetzt wird. Auch dieser Antrag hat eine Vorgeschichte. Wir haben bereits im Sommer 1956 die Regierung aufgefordert, einen unabhängigen Ausschuß zu bilden, der die Situation auf dem Gebiet der radioaktiven Verseuchung untersuchen sollte, weil wir der Meinung sind, daß die Bevölkerung ein Recht hat, hier klare und objektive Aussagen zu hören. Man hat zwar einen Sonderausschuß „Radioaktivität" gebildet, aber man hat diesem Ausschuß, zu dessen Persönlichkeiten wir volles Vertrauen haben, nicht die finanzielle Unabhängigkeit gegeben, die er für seine Arbeit benötigt. Man hält ihn mittels der Finanzen am Gängelband der Regierung. Der Ausschuß hat Anfang dieses Jahres einen Bericht vorgelegt, aus dem klar hervorgeht, daß für seine Untersuchungen eine Reihe von Maßnahmen notwendig ist. Unser Antrag zieht die Quintessenz aus diesen Forderungen des Ausschusses. Ich glaube, die Untersuchung der Probleme der Radioaktivität ist heute notwendiger als im Jahre 1956. Die Zahl der Kernwaffenversuche betrug Anfang 1956 75. Sie hat sich bis Ende 1957 verdoppelt, und wir dürfen sicher sein, daß jetzt bereits weit über 200 Kernwaffenversuche durchgeführt wurden. Man sollte dieses Problem sachlich klären, damit auf Grund der objektiven Tatsachen der Druck der Weltöffentlichkeit auf die Veranstalter solcher Atomwaffenversuche größer wird. Auch sonst sind wir der Meinung, daß die Probleme der Radioaktivität geklärt werden müssen. Wir haben vor langem den Bundesminister des Innern nach radioaktiven Arzneimitteln gefragt. Wir haben eine sehr wachsweiche Auskunft bekommen. Tatsache ist, daß heute rund 3 Dutzend radioaktive Arzneimittel im Verkehr sind und die sachkundigen Arzte der Meinung sind, daß das völlig unzulässig sei. Wir sind weiter der Meinung, daß die Untätigkeit der Regierung nicht auch das Parlament verpflichtet, untätig zu sein. Wir warten seit über drei Jahren in diesem Haus auf das Atomgesetz, und seit über drei Jahren wird dieses Atomgesetz, das die friedliche Verwendung der Atomenergie regeln soll, den Interessen einiger weniger geopfert. In Genf haben Besucher gesagt, das Motto in der Bundesrepublik sei: Laßt uns die Kohlenpreise halten, Atome mögen andere spalten! ({0}) Ich glaube, das kann und darf nicht der Standpunkt des Deutschen Bundestags sein. Wir sollten zeigen, daß wir willens sind, die Zukunft der deutschen Bevölkerung, auch ihre Sicherheit und ihre Gesundheit, nicht den Interessen einiger weniger zu opfern. ({1}) Ich meine, der Herr Bundesatomminister, den wir persönlich respektieren, hätte auf Grund der Geschichte des Atomgesetzes schon längst aus dem Bundeskabinett, das ihn so desavouiert hat, ausscheiden müssen. Er hätte der Bevölkerung durch seinen Rücktritt zeigen sollen, daß in diesem Kabinett eben die Interessen einiger weniger Personen dem Wohl des ganzen Volkes vorgehen. Ich möchte Sie, meine Damen und Herren, bitten, dem Antrage der FDP und unserem Antrag auf Ergänzung der Tagesordnung stattzugeben. ({2})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat Herr Abgeordneter Schmücker.

Dr. h. c. Kurt Schmücker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002040, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, es geht nicht darum, ob wir die Frage der friedlichen Verwendung der Kernenergie und die Frage des Strahlenschutzes behandeln sollen, sondern darum, ob wir sie heute behandeln sollen. ({0}) Da möchte ich den Damen und Herren der SPD doch zunächst sagen: Ihrem Antrag auf Vorlegung eines Gesetzes - denn darum geht es ja in Ihrem Antrage - ist eigentlich schon entsprochen; denn Sie wissen, daß die Bundesregierung einen Entwurf verabschiedet und ihn bereits dem Bundesrat zugeleitet hat. Insofern ist also die Bundesregierung Ihrem Anliegen schon nachgekommen. Der Gesetzentwurf der FDP liegt uns vor. Sicherlich, Herr Bucher, wir dürfen das Initiativrecht des Parlaments nicht einschränken. Aber halten Sie es nicht zur rationellen Gestaltung der Arbeit in diesem Hause für zweckmäßig, die Termine, wenn sie so nahe beisammen liegen, zusammenzufassen und alle Vorlagen, auch die Entschließung der SPD, gemeinsam zu beraten? Ich glaube, Sie selber haben das in Ihrer Begründung schon angeführt, Sie sind nur zu anderen Folgerungen gekommen; Sie haben gesagt, aus grundsätzlichen Erwägungen. Meine Damen und Herren, ist es nicht besser, uns in diesem Falle nach der Zweckmäßigkeit zu richten? Wir wissen doch, daß der Gesetzentwurf der Bundesregierung dem Bundesrat zugeleitet ist und er in wenigen Tagen auch uns zugehen und für unsere Beratung zur Verfügung stehen wird. Demzufolge bitten wir, die beiden Anträge abzulehnen.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich lasse abstimmen, und zwar zunächst über den Antrag der Fraktion der FDP. Wer diesem Antrage zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Es ist schwer festzustellen, was die Mehrheit ist. Ich bitte, sich von den Plätzen zu erheben. - Gegenprobe! Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Ich lasse nun über den Antrag der SPD abstimmen. Wer dafür ist, den bitte ich, eine Hand zu heben. - Gegenprobe! - Dieselben Mehrheitsverhältnisse; der Antrag ist abgelehnt. Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf: Fragestunde ({0}). Frage 1 - des Herrn Abgeordneten Ritzel - betreffend internationale Regelungen der Blinkzeichen für Kraftfahrzeuge: Welche Maßnahmen plant das Bundesverkehrsministerium in bezug auf eine internationale Regelung der Blinkzeichen für Kraftfahrzeuge? Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Bundesminister für Verkehr.

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie haben, verehrter Herr Kollege Ritzel, dieses Problem schon am 19. Oktober 1955 hier im Hohen Hause angeschnitten. Ich darf Sie noch einmal daran erinnern, was auch damals schon festgestellt wurde, daß die Verwendung von Blinkleuchten an Kraftfahrzeugen im Genfer Abkommen über den Straßenverkehr vom 19. September 1949 dahin geregelt worden ist, daß Blinkleuchten im internationalen Verkehr lediglich für Fahrtrichtungsanzeiger verwendet werden dürfen. Für die Fahrtrichtungsanzeiger enthält das Abkommen Bestimmungen, denen wir unsere Vorschriften im Interesse der internationalen Vereinheitlichung der Signaleinrichtungen im Jahre 1951 angepaßt haben. Gegen diese von uns übernommene Regelung bestehen seit damals gewisse Bedenken. In der Öffentlichkeit wurde wiederholt darauf hingewiesen, daß es unzweckmäßig sei, für die Anzeige einer Richtungsänderung Winker und Blinker, also zwei verschiedene Einrichtungen, zuzulassen und für die Blinker die Verwendung von gelbem, rotem oder - nach vorn - weißem Licht zu gestatten. Die Arbeitsgruppe Kraftfahrzeugtechnik des Binnenverkehrsausschusses der Wirtschaftskommission für Europa in Genf tritt dafür ein, daß für Winker und Blinker künftig einheitlich nur gelbes Licht verwendet wird. Wir haben uns dieser Auffassung angeschlossen, um zu einer einheitlichen Lichtgebung zu kommen. Außerdem wird bei uns erwogen, künftig nur noch Blinkleuchten zuzulassen, da diese Fahrtrichtungsanzeiger gegenüber den Winkern einen größeren Auffälligkeitsgrad haben. Eine solche Regelung streben wir auch auf internationaler Ebene an; dort besteht sie leider noch nicht. Sobald die von uns angeregten internationalen Untersuchungen und Verhandlungen über diese Frage abgeschlossen sind, werden wir unser Recht den neuen - und, wie wir hoffen, bald eintretenden - internationalen Vereinbarungen anpassen.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Eine Zusatzfrage?

Heinrich Georg Ritzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001860, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ist Ihnen, Herr Bundesverkehrsminister, bekannt, daß der Automobilklub von Deutschland eine internationale Neuregelung auf der Grundlage anstrebt, die notwendigen Signale lediglich mit den im allgemeinen anerkannten Blinkzeichen zu geben, um zu erreichen, daß eine Aufmerksamkeit des vorfahrenden Wagens erregt wird? Durch eine Steigerung soll die Absicht des Überholens angezeigt werden. Das vierte Blinkzeichen soll dann höchste Gefahr andeuten. Hat sich das Bundesverkehrsministerium mit diesem Vorschlag schon befaßt? Sieht es in ihm eine geeignete Grundlage, auf der eine zusätzliche internationale Neuregelung herbeigeführt werden kann?

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Herr Kollege Ritzel, wir haben uns damit befaßt und haben diese Sache auch international zur Diskussion gestellt. Ob wir damit Erfolg haben werden, läßt sich allerdings noch nicht genau übersehen. Die Verhandlungen in Genf sind ja leider eine zähflüssige Angelegenheit. Wir verfolgen die Sache aber laufend weiter.

Heinrich Georg Ritzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001860, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich danke Ihnen.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Frage 2 - des Herrn Abgeordneten Dr. Mommer - betreffend Netzkarten für die europäischen Eisenbahnen: Warum wird die den amerikanischen Reisenden ({0}) gewährte verbilligte, zwei Monate gültige Netzkarte für die europäischen Eisenbahnen nicht auch an europäische Reisende verkauft? Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Bundesminister für Verkehr.

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Netzkarte für nordamerikanische Reisende ist im Rahmen der Union Internationale des Chemins de Fer vereinbart worden. Der Bundesminister für Verkehr hat von den Absichten der europäischen Bahnen, eine solche Netzkarte für nordamerikanische Reisende herauszugeben, erst Kenntnis erhalten, nachdem die Einführung der Karte durch die Eisenbahnverwaltungen beschlossen und durch die Société Nationale des Chemins de Fer français der Presse bekanntgegeben war. Die Mehrzahl der amerikanischen Besucher folgt erfahrungsgemäß einer im voraus festgelegten Route, die den Besuch bestimmter europäischer Städte und Sehenswürdigkeiten einschließt. Es war deshalb nach Ansicht der Eisenbahnverwaltungen möglich, die durchschnittliche Länge der Reisestrecke Bundesverkehrsminister Dr.-Ing. Seebohm in den einzelnen Ländern Westeuropas für diese nordamerikanischen Besucher einigermaßen zuverlässig zu ermitteln und danach den Gesamtfahrpreis sowie die Anteile der einzelnen Eisenbahngesellschaften an dem Fahrpreis festzusetzen. Für den Durchschnittsreisenden ergibt sich keine nennenswerte Fahrpreisermäßigung. Wohl aber wird das Abfertigungsgeschäft für die Reisenden, für die Eisenbahnen und für die Reisebüros wesentlich vereinfacht. Zunächst handelt es sich bei der Einführung der Netzkarte für nordamerikanische Reisende in diesem Jahr um einen Versuch. Wollte man ihn auf Reisende aus allen europäischen Ländern ausdehnen, müßten zunächst die europäischen Reisegewohnheiten eingehend untersucht werden; denn Europäer haben gänzlich abweichende Reisegewohnheiten. Der Preis könnte deshalb auch zweifellos für die europäischen Reisenden nicht der gleiche sein. Ob ein Bedarf dafür besteht, wird von den Eisenbahnverwaltungen als zweifelhaft bezeichnet. Jedenfalls haben sich Versuche mit Rundreisezügen und Rundreisekarten für bestimmte Routen bisher als Fehlschlag erwiesen, obwohl für diese Rundreisen eine bedeutende Ermäßigung zugestanden wurde.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001529, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Danke sehr.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Die Frage ist erledigt. Frage 3 - des Herrn Abgeordneten Wittrock - betreffend Erleichterung des Fernsprechverkehrs zwischen Mainz und Wiesbaden: Ist der Herr Bundespostminister bereit, zur Erleichterung des Fernsprechverkehrs zwischen den Nachbarstädten Mainz und Wiesbaden die Fernsprechanschlüsse beider Städte in die Telefonbücher der Oberpostdirektionen Frankfurt und Koblenz aufnehmen zu lassen? Ist der Herr Bundespostminister bereit, Maßnahmen zu treffen, daß der Fernsprechverkehr zwischen den Nachbarstädten Mainz und Wiesbaden gebührenrechtlich als Ortsverkehr behandelt wird? Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Minister für das Post- und Fernmeldewesen.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Minister:in)

Politiker ID: 11002281

Die Frage des Herrn Abgeordneten Wittrock erlaube ich mir wie folgt zu beantworten. Zum ersten Teil der Frage darf ich darauf hinweisen, daß ein Doppeleintrag von Ortsnetzen in das eigene und ein benachbartes amtliches Fernsprechbuch auf Antrag möglich ist. Die durch den doppelten Eintrag entstehenden Kosten, die nur in Höhe der eigenen Aufwendungen berechnet werden, müssen vom Antragsteller übernommen werden. Zum zweiten Teil der Frage bedaure ich mitteilen zu müssen, daß die Behandlung des Fernsprechverkehrs zwischen Mainz und Wiesbaden als Ortsverkehr nach den Vorschriften der Fernsprechordnung nicht möglich ist, weil die Entfernung zwischen beiden Ortsnetzen mehr als 8 km beträgt. Bei der günstigen Tarifgestaltung im Selbstwählferndienst kostet jedoch ein Gespräch zwischen diesen beiden Städten bis zu einer Minute Dauer nicht mehr als ,ein Ortsgespräch, also 16 Pfennig. Nach 19 Uhr ist für die Ortsgesprächsgebühr sogar ein Gespräch bis zu 11/2 Minuten Dauer möglich.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Eine Zusatzfrage? - Herr Abgeordneter Wittrock!

Karl Wittrock (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002545, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Bundesminister, sind Sie bereit, erneut in die Überprüfung des letzten Teils der Frage einzutreten, insbesondere auch im Hinblick auf eine etwaige Änderung der Fernsprechordnung, wenn ich Sie darauf hinweise, daß bereits vor dem ersten Weltkrieg praktisch in gebührenrechtlicher Hinsicht Ortsverkehr zwischen den beiden Städten bestanden hat?

Dr. h. c. Richard Stücklen (Minister:in)

Politiker ID: 11002281

Mit Rücksicht auf die Konsequenzen einer solchen Regelung im Fernsprechverkehr kann ich eine Änderung nicht durchführen. Eine Änderung der Fernsprechordnung würde bedeuten, daß ich nicht nur Mainz und Wiesbaden, sondern mit größter Wahrscheinlichkeit, ja mit Sicherheit Hunderte von ähnlich gelagerten Ortsnetzen zusammenschalten müßte. Wenn ich tariflich und haushaltsrechtlich durch eine wesentliche Verbesserung der Ertragslage der Deutschen Bundespost dazu in die Lage versetzt werde, sind solche Maßnahmen durchaus einmal in Erwägung zu ziehen.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Die Frage ist erledigt. Frage 4 - des Abgeordneten Ritzel - betreffend die Postzustellung in Offenbach am Main: Ist dem Herrn Bundespostminister bekannt, daß die in der Stadt Offenbach ({0}) seit 1. Oktober 1958 eingeführte einmalige Postzustellung pro Tag von den Kreisen der Wirtschaft als sehr nachteilig empfunden wird, daß die Zustellung unter erheblichen Verzögerungen leidet. daß die Briefträger bezahlte Überstunden in großem Umfang leisten müssen und daß diese über Gebühr belasteten Postbeamten laut Presseberichten vielfach noch nicht einmal in der Lage sind, ihr Mittagessen zu geregelter Zeit einzunehmen? Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Minister für das Post- und Fernmeldewesen.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Minister:in)

Politiker ID: 11002281

Die Frage des Herrn Abgeordneten Ritzel erlaube ich mir wie folgt zu beantworten: In den letzten Jahren ist die Zuführung des Postgutes in den frühen Morgenstunden durch bestmögliche Ausnutzung der Verkehrsmittel und durch hervorragende Abstimmung mit der Deutschen Bundesbahn so erweitert worden, daß in vielen Orten bis zu 90 % und mehr des gesamten Postaufkommens in die erste Zustellung fällt. In dem besonders verkehrsgünstig gelegenen Offenbach beträgt der Anteil der Briefe für die erste Zustellung 95,7 %; also nur 4,3 % würden für die zweite Zustellung noch zur Verfügung stehen. Bei einem Einsatz der gesamten Zusteller für eine zweite Zustellung würden die Kosten in einem krassen Mißverhältnis zum betriebs- und volkswirtschaftlichen Ergebnis stehen. Bundespostminister Stücklen Da aber die Streckenleistung eines Zustellers für einen Zustellgang unverändert bleibt, ganz gleich, ob viel oder wenig Post abgetragen wird, läßt sich auch mit der Zusammenlegung von mehreren Zustellbezirken der gewünschte Nutzeffekt kaum erreichen. Diese Frage lasse ich zur Zeit prüfen. Das Ergebnis liegt noch nicht vor. Die 45-Stunden-Woche und die schlechte Ertragslage der Bundespost zwingen mich, so kostensparend als nur möglich zu arbeiten. Dabei darf ich bemerken, daß es in mehr als 75 % aller politischen Gemeinden aus den gleichen Gründen seit langer Zeit keine zweite Zustellung mehr gibt. Nicht aus Bequemlichkeit oder gar aus Böswilligkeit schränkt die Deutsche Bundespost ihre Dienstleistungen ein, sondern einzig und allein aus Gründen der Stabilität der Tarife und aus. personalwirtschaftlichen Gründen. Weniger Arbeitszeit bei gleichen Leistungen ohne zusätzliche Rationalisierungseffekte ist nur durch Personalvermehrung und damit auch mit mehr Kosten möglich. Die Einschränkungen des öffentlichen Dienstes auch bei der Bundespost sind die Folgeerscheinung der Arbeitszeitverkürzung und der notwendigen Einsparungsmaßnahmen wegen der schlechten Haushaltslage der Deutschen Bundespost. Man sollte nicht an den Symptomen, die die Kritik hervorrufen, ansetzen, sondern an den Ursachen. Immerhin ist es der Bundespost trotz Lohnerhöhungen im Jahre 1958 gelungen, das Defizit von im Jahre 1957 131 Millionen DM im Jahre 1958 auf 90 Millionen DM herabzudrücken und weiter im Jahre 1959 auf 14 Millionen DM zu verringern. 1960 wird die Deutsche Bundespost, wenn nicht unvorhergesehene Belastungen eintreten, ohne Defizit arbeiten. Eine Gebührenerhöhung ist daher mit größter Wahrscheinlichkeit nicht mehr nötig. ({0}) In der gleichen Zeit wird sich der Ablieferungsbetrag an den Bund laufend erhöhen: 1958 298 Millionen DM, 1959 325 Millionen DM; 1960 werden es 350 Millionen DM sein. Diese Leistungen der Deutschen Bundespost, die durch den hervorragenden Einsatz des ganzen Personals erzielt wurden, sollte man nicht übersehen. Zu dem weiteren Teil Ihrer Frage, Herr Kollege Ritzel, darf ich folgendes bemerken. Wie bei allen betrieblichen Umstellungen sind auch in Offenbach Anfangsschwierigkeiten aufgetreten. In der Zwischenzeit haben sich die Zustellzeiten weitgehend normalisiert. Die Briefzustellung beginnt um 8 Uhr und ist in fast allen Bezirken zwischen 11.50 und 12.30 Uhr beendet. In einigen Bezirken werden sich in nächster Zeit noch Verbesserungen durch eine Änderung des Verteilsystems im Briefeingang erreichen lassen. Die anfänglich aufgetretenen Überstunden sind in der Zwischenzeit fast völlig fortgefallen. Während in der ersten Woche an 3 Tagen noch 191 Stunden aufkamen, sind diese jetzt auf 13 Stunden vermindert worden, wobei trotz des starken Postanfalls beim Quartalsbeginn das alte Wochenleistungsmaß von 48 Stunden im Durchschnitt nie überschritten wurde. Da die Zusteller spätestens um 12.30 Uhr ihren Zustellgang beendet haben, kann das Mittagessen - Sie haben auch diese Frage angeschnitten - zu geregelter Zeit eingenommen werden. Die Zusteller sind zwar schwer, aber nicht über Gebühr belastet, nachdem in Offenbach 56 Postablagestellen in Geschäften eingerichtet wurden. Eine in diesem Zusammenhang in einer Zeitung erschienene Abbildung eines schwer beladenen Zustellers stammt nach unserer Kenntnis aus dem Weihnachtsverkehr 1956.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Eine Zusatzfrage.

Heinrich Georg Ritzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001860, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ist aus Ihrer Antwort, Herr Bundespostminister, zu entnehmen, daß Sie die nur einmalige Zustellung der Post in Offenbach als eine endgültige Regelung betrachten?

Dr. h. c. Richard Stücklen (Minister:in)

Politiker ID: 11002281

Ich habe in meiner Antwort, Herr Kollege Ritzel, mitgeteilt, daß ich nach einer Möglichkeit suche, durch Zusammenlegung von mehreren Zustellbezirken eine zweite Zustellung durchführen zu können. Diese Frage ist aber noch nicht abgeschlossen; ich muß erst die Ergebnisse von der OPD Frankfurt bzw. Offenbach haben.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Eine weitere Frage?

Heinrich Georg Ritzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001860, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Betrachten Sie, Herr Bundespostminister, die nur einmalige Zustellung - solange sie von Ihnen veranlaßt oder mit Ihrer Genehmigung durchgeführt wird - als eine vertretbare Maßnahme in einer Großstadt, der, soweit ich weiß, einzigen Großstadt in der Bundesrepublik Deutschland, die für dieses Experiment vorgesehen ist? Ist Ihnen bekannt, Herr Bundespostminister, daß es eine Zeit gab - sie liegt allerdings einige Jahrzehnte zurück --, in der täglich viermal zugestellt wurde, und daß es ein einigermaßen peinliches Gefühl erweckt, wenn man in wenigen Stunden von Europa nach Amerika fliegen kann, aber auf der anderen Seite zwei Tage - nachgewiesenermaßen! - warten muß, bis ein Brief innerhalb des Bereichs der Ortspost zugestellt wird?

Dr. h. c. Richard Stücklen (Minister:in)

Politiker ID: 11002281

Herr Kollege Ritzel, mir ist selbstverständlich bekannt, daß vor Jahrzehnten mehrere Zustellungen auch in Offenbach stattgefunden haben. Zu dieser Zeit hat man von der Deutschen Bundespost auch nicht Unmögliches verlangt. Es war die Zeit, als die Ertragslage bei der Deutschen Bundespost ein Bestandteil des Haushalts war, als nicht nach betriebswirtschaftlichen Prinzipien der Kostenrechnung gearbeitet wurde und das Defizit des Haushalts mit Mitteln des Haushalts gedeckt wurde. Wenn ich aber nach einem Postverwaltungsgesetz arbeiten muß, das mir auferlegt, nach kaufmännischen, nach betriebwirtschaftlichen Gesichtspunkten zu arbeiten, und wenn dieses Gesetz mir auferlegt, daß ich meine Ausgaben mit meinen Einnahmen zu decken habe, daß ich meine Investitionsaufgaben ohne Steuermittel durchführen muß und daß ich daBundespostminister Stücklen zu noch Hunderte von Millionen an den Bund abliefern muß, dann, Herr Kollege Ritzel, bin ich leider nicht in der Lage, personalmäßig so zu wirtschaften, wie man das vor 20, 40 oder 50 Jahren tun konnte. ({0})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Eine dritte und letzte Zusatzfrage!

Heinrich Georg Ritzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001860, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Bundespostminister, Presseberichten zufolge haben Sie vor wenigen Tagen bei einer Pressekonferenz in Köln generell erklärt, daß nicht daran gedacht sei, die zweite Postzustellung einzustellen. Ich frage noch einmal: besteht eine Chance, daß Sie diese Erklärung, die Sie allgemein abgegeben haben, auch im Falle der Großstadt Offenbach mit ihrer für unser Wirtschaftsleben sehr wichtigen Wirtschaft anzuwenden gewillt sind?

Dr. h. c. Richard Stücklen (Minister:in)

Politiker ID: 11002281

Herr Kollege Ritzel, die Erklärung in Köln bezog sich auf den Kölner Raum, die OPD Köln. Köln liegt für den gesamten süddeutschen Raum wesentlich verkehrsungünstiger als Offenbach. Offenbach ist nach unserer Berechnung und nach unseren Feststellungen neben Frankfurt die verkehrsgünstigste Stadt. Die Post der Nachtzüge aus Hamburg, aus Hannover, aus Köln, aus dem ganzen Rheingebiet und aus dem süddeutschen Raum - aus Stuttgart, aus München und Nürnberg - trifft so rechtzeitig in Offenbach bzw. Frankfurt ein, daß eben über 95 % des gesamten Briefaufkommens in die erste Zustellung kommen. Das allein ist doch der Maßstab, ob eine zweite Zustellung gerechtfertigt ist oder nicht, nicht die Größe des Orts, nicht die Größe der Stadt. Ich werde mich hüten, den Landgemeinden und kleinen Städten immer mehr Belastungen zugunsten der Großstädte aufzuerlegen. ({0})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Die Frage ist beantwortet?

Dr. h. c. Richard Stücklen (Minister:in)

Politiker ID: 11002281

Nein, noch nicht ganz, Herr Präsident. Herr Kollege Ritzel, dessen ungeachtet habe ich ja in meiner Beantwortung aufgezeigt, daß ich mich eben im Hinblick auf die große Bedeutung Offenbachs bemühen werde, zu versuchen, durch Zusammenlegung von Zustellbezirken vielleicht doch eine zweite Zustellung gegenüber allen anderen Orten rechtfertigen zu können, die keine zweite Zustellung haben.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Die Frage ist beantwortet. Frage 5 des Herrn Abgeordneten Dröscher - die Frage betrifft die Überwachung der Post des Herrn Georg Schneider, Idar-Oberstein -: Wird die Post der Herrn Georg Schneider, Idar-Oberstein, Veitsrodt 91, überwacht oder ist sie tin Laufe des Jahres 1958 überwacht worden? Falls dies, wie der Betroffene behauptet, wirklich geschehen ist, frage ich: Warum wurde diese Überwachung angeordnet, auf Grund welcher gesetzlicher Bestimmungen wurde sie angeordnet, wer hat sie angeordnet?

Dr. h. c. Richard Stücklen (Minister:in)

Politiker ID: 11002281

Die Frage des Herrn Abgeordneten Dröscher beantworte ich wie folgt. Wie vor dem Deutschen Bundestag wiederholt erklärt worden ist, üben die drei Mächte gemäß Art. 5 Abs. 2 des Deutschlandvertrags zum Schutz der Sicherheit ihrer in der Bundesrepublik stationierten Truppen nur noch in bestimmten Fällen und in sehr begrenztem Umfang eine Überwachung des Postverkehrs aus. Die dem Geheimschutz unterliegenden Anordnungen ergehen von den zuständigen Stellen der alliierten Streitkräfte. Ich bin daher nicht in der Lage, anzugeben, ob eine bestimmte Person hinsichtlich ihres Postverkehrs einer Überwachung unterliegt.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Eine Zusatzfrage?

Wilhelm Dröscher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000422, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Bundesminister, ist es richtig, daß laut Protokoll über die Beendigung des Besatzungsregimes in der Bundesrepublik Deutschland in Art. 5 gesagt ist: Soweit diese Rechte weiterhin ausgeübt werden können, werden sie nur nach Konsultation mit der Bundesregierung ausgeübt werden? und ist diese Konsultation in diesem Falle erfolgt, und wie war die Antwort darauf?

Dr. h. c. Richard Stücklen (Minister:in)

Politiker ID: 11002281

Auf diesen Fall, also auf den Namen bezogen, kann ich Ihnen keine Antwort geben. Bei den Maßnahmen, die im Rahmen des Art. 5 Abs. 2 durchgeführt werden, wird die Bundesregierung konsultiert.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Zweite Zusatzfrage?

Wilhelm Dröscher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000422, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ist es also richtig, wenn ich aus dieser Antwort entnehme, daß in diesem Falle die Bundespost und auch die Bundesregierung konsultiert wurde?

Dr. h. c. Richard Stücklen (Minister:in)

Politiker ID: 11002281

Nein, das können Sie nicht aus meiner Antwort entnehmen. Ich habe generell gesagt, daß diese Anordnungen nach Konsultierung erfolgen. Auf diesen Fall, den Sie namentlich angeführt haben, kann ich und werde ich Ihnen keine Antwort geben. ({0}) - Hier gilt doch Geheimhaltung, Herr Kollege Menzel.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Noch eine Zusatzfrage?

Wilhelm Dröscher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000422, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Bundesminister, besteht die Möglichkeit, daß die Initiative zur Überwachung in diesem oder einem ähnlichen Falle von deutschen Stellen ausgegangen ist, etwa deshalb, weil in der von Herrn Schneider herausgegebenen Korrespondenz der Herr Bundesverteidigungsminister besonders angegriffen worden ist?

Dr. h. c. Richard Stücklen (Minister:in)

Politiker ID: 11002281

Eine Einflußmöglichkeit des Bundesverteidigungsministers liegt in keinem einzigen Falle vor. Die Deutsche Bundespost würde niemals auf Ansuchen eines Ressortministers eine Überwachung von deutscher Seite aus anordnen oder durchführen. ({0}) - Ich bin ja vorsichtig.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Frage 6 des Herrn Abgeordneten Schmitt ({0}) : Ist dem Herrn Bundespostminister bekannt, daß in anderen Ländern eine Abrechnung von Ferngesprächen im Selbstwählverkehr durchgeführt wird? Ist der Herr Bundespostminister bereit, entsprechende Maßnahmen einzuleiten, damit auch der deutsche Fernsprechteilnehmer bei den Fernsprechabrechnungen Klarheit darüber erlangen kann, für welche Ferngespräche die Post ihm Gebühren berechnet? Herr Bundespostminister, ich bitte zu antworten.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Minister:in)

Politiker ID: 11002281

Die Frage des Herrn Abgeordneten Schmitt erlaube ich mir wie folgt zu beantworten. Es ist mir bekannt, daß in einigen Ländern - in Europa nur in Belgien auch im Selbstwählferndienst Gesprächszettel ausgefertigt werden. Die Frage der Einführung eines automatischen Gebührenzetteldruckverfahrens ist auch bei Beginn des Ausbaues des Selbstwählferndienstes im Bundesgebiet geprüft worden. Technische und finanzielle Gründe sprachen entscheidend gegen eine Einführung dieses Verfahrens. Der Identifizierung des rufenden Teilnehmers stehen bei dem deutschen Schrittschaltwählersystem praktisch unüberwindliche Schwierigkeiten entgegen. Die Identifizierung könnte auch überhaupt nur in Ortsnetzen durchgeführt werden mit der Folge, daß die kostensparende Zentralisierung der Gebührenerfassungseinrichtungen bei den Knotenämtern nicht möglich wäre. Die hierdurch entstehenden zusätzlichen Aufwendungen würden neben den sehr hohen Kosten für die Zetteldrucker selbst eine Gebührenerhöhung unvermeidlich machen. Eine solche Einrichtung, bei uns durchgeführt, bei einem Selbstwählferndienst, wie wir ihn bereits heute ausgebaut haben - denn 70 % sämtlicher Ferngespräche werden bereits über die automatische Fernwahl hergestellt -, würde Hunderte von Millionen zusätzlicher Investitionen bedürfen, ohne daß ich damit auch nur im entferntesten angeben kann, was die Verwaltungsaufgaben noch zusätzlich an Belastung bringen würden. Ich darf darauf hinweisen, daß die Deutsche Bundespost Gebührenanzeiger zur Verfügung stellt, und zwar für 2 DM monatliche Gebühr, einfache Gebührenzähler, so daß der Teilnehmer unmittelbar prüfen kann, wie hoch dieses Gespräch gekommen ist, und daß die Fernmeldeindustrie für Nebenstellenanlagen Gebührenanzeiger und Gebührendrucker vermietet, so daß der verhältnismäßig kleine Kreis der interessierten Teilnehmer auch jetzt in der Lage ist, die Höhe der Gebühren für ein Selbstwählferngespräch nach Gesprächsschluß festzustellen.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Eine Zusatzfrage?

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002033, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Es ist also, wenn ich Sie richtig verstehe, so, daß die Entscheidung über eine solche Möglichkeit fiel, als der Selbstwählverkehr eingeführt wurde, und daß es jetzt praktisch zu spät ist.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Minister:in)

Politiker ID: 11002281

Diese Frage kann ich nicht ganz verneinen. Vor 50 Jahren hat die deutsche Post, und zwar im Amt Hildesheim, mit der Einführung der automatischen Selbstwahl begonnen. Inzwischen haben wir einen hohen Stand der Selbstwähltechnik erreicht. Jetzt nachträglich die Gebührenzetteldruckanlage einzubauen, würde einen ungeheuren Aufwand bedeuten. Wir sind dazu nicht in der Lage.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002033, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ist diese Frage in den letzten Jahren noch einmal geprüft worden?

Dr. h. c. Richard Stücklen (Minister:in)

Politiker ID: 11002281

Ja, selbstverständlich. Bei Ausweitung der Selbstfernwahl ist diese Frage erneut geprüft und aus den gleichen Gründen verneint worden.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002033, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Danke!

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Frage 7 des Abgeordneten Jacobi betrifft die Zahl der sogenannten KZ-Prozesse in der Bundesrepublik seit 1945: Kann darüber Auskunft gegeben werden, wieviel sogenannte KZ-Prozesse seit 1945 in der Bundesrepublik stattgefunden haben a) vor alliierten b) vor deutschen Gerichten und wieviel Verfahren 'zur Zeit noch laufen? Besteht eine Ubersicht darüber, in welchem Umfang alliierte Gerichte lediglich Delikte abgeurteilt haben, die an Angehörigen alliierter Nationen begangen worden sind, bei derartigen Prozessen also Verbrechenshandlungen an deutschen Häftlingen ohne Ahndung geblieben sind? Ist die Bundesregierung bereit und in der Lage, dafür Sorge zu tragen, daß eine umfassende Sammlung des Materials über die nationalsozialistischen Konzentrationslager erfolgt, um auf diese Weise sicherzustellen, daß auch dieses Kapitel der jüngeren Geschichte dem allgemeinen Bewußtsein zugänglich wird? Das Wort zur Beantwortung hat der Bundesjustizminister.

Fritz Schäffer (Minister:in)

Politiker ID: 11001935

Aus den Unterlagen, die mir zur Verfügung stehen, kann die Zahl der Strafverfahren wegen der in den früheren deutschen Konzentrationslagern begangenen Straftaten leider nicht entnommen werden. Ich habe die Landesjustizverwaltungen inzwischen gebeten, zu ermitteln, wie viele Verfahren wegen solcher Verbrechen bisher durchgeführt worden sind. Ebenso habe ich an das Auswärtige Amt die Bitte gerichtet, bei den Botschaften der Drei Mächte die gewünschten Zahlen zu besorgen. In welchem Umfange alliierte Gerichte lediglich Straftaten abgeurteilt haben, die an Angehörigen alliierter Nationen begangen worden sind, ist nicht bekannt. Es erscheint mir im übrigen zweifelhaft, ob die in der Presse verbreitete Behauptung, die gegen deutsche Insassen der Konzentrationslager begangenen Straftaten seien von den alliierten Gerichten nicht abgeurteilt worden, allgemein zutrifft. Bundesjustizminister Schäffer Bisher ist eine solche Feststellung meines Wissens nur in einem Fall getroffen worden. Ich darf auch darauf hinweisen, daß sich die letzte Konferenz der Justizminister in Bad Harzburg eingehend mit der Frage befaßt hat, wie die Verfolgung nationalsozialistischer Gewalttaten durch die zuständigen Strafverfolgungsbehörden der Länder schneller und wirksamer durchgeführt werden kann. Um dieses Ziel zu erreichen, haben die Justizminister und -senatoren beschlossen, eine zentrale Stelle zu schaffen, die das vorhandene und erreichbare Material auswerten und die Strafverfolgung koordinieren soll. Ich habe diese Entschließung befürwortet und jede mögliche Unterstützung des Plans zugesagt. Den letzten Absatz der Frage darf ich im Einvernehmen mit dem Herrn Bundesminister des Innern wie folgt beantworten. Die Bundesregierung ist auch weiterhin bereit, die Sammlung des Materials über die nationalsozialistischen Konzentrationslager zu fördern. Diese Aufgabe wird jedoch dadurch erschwert, daß sich die Masse des Materials in den Händen verschiedener ausländischer Mächte befindet. Das Material, zu dem die Bundesregierung bisher Zugang hat, ist bei dem Bundesarchiv, dem Staatsarchiv in Nürnberg und dem internationalen Suchdienst des Roten Kreuzes gesammelt. Im übrigen hat die Bundesregierung schon die Herausgabe und Verbreitung von Veröffentlichungen und einzelnen Materialsammlungen veranlaßt und unterstützt, um zu erreichen, daß der Öffentlichkeit ein umfassendes Bild von den Ereignissen in den nationalsozialistischen Konzentrationslagern vermittelt wird.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Eine Zusatzfrage!

Werner Jacobi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001000, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Bundesminister, darf ich dem letzten Teil Ihrer Antwort entnehmen, daß die Bundesregierung nicht bereit ist, eine amtliche Dokumentation in Auftrag zu geben oder selbst in Bearbeitung zu nehmen, anders ausgedrückt, daß eine solche amtliche Dokumentation, wie sie beispielsweise hinsichtlich der Vertriebenenprobleme erstellt worden ist, nicht ins Auge gefaßt wird?

Fritz Schäffer (Minister:in)

Politiker ID: 11001935

Ich kann nur sagen, daß sie bisher nicht in Angriff genommen ist. Ob sie in Zukunft einmal in Angriff genommen wird, muß ich vorläufig offenlassen.

Werner Jacobi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001000, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Danke.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Die Frage ist beantwortet. Frage 8 des Abgeordneten Dr. Arndt betrifft die Geschäftslage des Bundesverfassungsgerichts: Wie ist die gegenwärtige Geschäftslage des Bundesverfassungsgerichts? Ermöglicht sie die gesetzlich vorgesehene Verringerung der Richterzahl im Jahre 1959? Ist damit zu rechnen, daß die Bundesregierung ein Abänderungsgesetz zum Gesetz über das Bundesverfassungsgericht vorlegen wird, um rechtzeitig die Folgerungen aus der Geschäftslage des Gerichts zu ziehen? Das Wort zur Beantwortung hat der Bundesjustizminister.

Fritz Schäffer (Minister:in)

Politiker ID: 11001935

Das Bundesverfassungsgericht hat mir seit längerer Zeit eine Übersicht über die Geschäftslast nicht mehr übersandt. Auf meine Bitten hin habe ich jedoch eine Geschäftsübersicht für den 31. Januar 1958 erhalten. Eine vor einiger Zeit erbetene neue Ubersicht über die Geschäftsbelastung ist mir erst gestern zugegangen; ich stelle sie Ihnen, Herr Abgeordneter, auf Wunsch gern zur Verfügung. Diese Ubersicht hat mich aber zu einer Rückfrage beim Bundesverfassungsgericht veranlaßt. Nach deren Beantwortung bin ich gern bereit, auf die von Ihnen, Herr Abgeordneter, aufgeworfenen Fragen näher einzugehen. Zur Zeit bin ich jedenfalls nicht in der Lage, an die Bundesregierung mit dem Vorschlag einer Änderung des erst vor zwei Jahren vom Bundestag neu gefaßten Bundesverfassungsgerichtsgesetzes heranzutreten.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Eine Zusatzfrage!

Dr. Adolf Arndt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000047, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Bundesminister, ist Ihnen bekannt, ob nach der eigenen Auffassung des Bundesverfassungsgerichts trotz der zweifellos weiter ansteigenden Zahl der Rückstände die Herabsetzung der Richterzahl im Jahre 1959 durchführbar ist?

Fritz Schäffer (Minister:in)

Politiker ID: 11001935

Eine förmliche Unterlage habe ich nicht. Infolgedessen habe ich über diesen Punkt angefragt. Ich bin gern bereit, Sie zu verständigen, wenn ich die Antwort erhalte.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Eine zweite Zusatzfrage?

Dr. Adolf Arndt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000047, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja, im Hinblick auf die Verständigung: Innerhalb welchen Zeitraums, Herr Bundesminister, können Sie zu diesen Fragen eine 1 verbindliche Erklärung für die Bundesregierung vor dem Rechtsausschuß des Bundestages abgeben?

Fritz Schäffer (Minister:in)

Politiker ID: 11001935

Das kann ich nicht mit Bestimmtheit voraussagen. Ich darf wohl annehmen, daß ich in etwa zwei Wochen die Antwort des Bundesverfassungsgerichts haben werde. Dann bin ich bereit, Aufschluß zu geben.

Dr. Adolf Arndt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000047, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Im Rechtsausschuß? Schäffer, Bundesminister der Justiz: Ja. Dr. Arndt ({0}) : Danke.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Die Frage ist beantwortet. Ich rufe auf Frage 9 - des Abgeordneten Jahn ({0}) - betreffend ein Rundschreiben des Bundesverbandes der Deutschen Luftfahrtindustrie: Ist der Bundesregierung bekannt, daß der Bundesverband de; Deutschen Luftfahrtindustrie eV in Rundschreiben an die Flugzeughersteller dazu auffordert, Firmen der LuftfahrtzuliefererIndustrie, die nicht seinem Verband angehören, nur und erst Vizepräsident Dr. Schmid dann in Anspruch zu nehmen, wenn eine Bedarfsdeckung bei den verbandsangehörigen Firmen nicht möglich ist? Hält die Bundesregierung dieses Vorgehen für vereinbar mit den Bestimmungen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen? hält sie es für vereinbar mit der von ihr wiederholt vertretenen Auffassung, daß die mittelständische Industrie, um die es sich in erster Linie handelt, gefördert werden müsse? Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Abgeordnete Jahn meint offensichtlich das an die Flugzeughersteller gerichtete Rundschreiben des Bundesverbandes der Deutschen Luftfahrtindustrie vom 5. Oktober 1957. Dieses Rundschreiben hat folgenden Wortlaut: Anliegend überreichen wir Ihnen auf Wunsch des Wirtschaftsverbandes eisen-, blech- und metallverarbeitende Industrie e. V. eine vom Arbeitsausschuß Luftfahrt-Zulieferindustrie erstellte, alphabetisch geordnete Liste der Firmen, die nach Ansicht des vorgenannten Ausschusses für Zulieferungen auf dem Luftfahrtsektor geeignet sind. Die in dieser Liste aufgeführten Firmen sollten unseres Erachtens aber erst dann in Anspruch genommen werden, wenn eine Bedarfsdeckung bei Firmen unseres Verbandes nicht möglich ist. Das Bundeswirtschaftsministerium hat dem Verband am 27. Oktober 1958 auf § 26 Abs. 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen hingewiesen. Nach dieser Vorschrift dürfen „Vereinigungen nicht Unternehmen in der Absicht, bestimmte Wettbewerber unbillig zu beeinträchtigen, zu Bezugssperren veranlassen". Der Verband hat auf Befragen schriftlich versichert, daß er mit dem vorhin verlesenen Abs. 2 seines Rundschreibens eine solche Absicht nicht verfolgt habe. Er habe die Flugzeughersteller durch Übersendung der Firmenliste ja gerade auf außerhalb des Verbandes stehende Lieferanten hingewiesen. Als Wirtschaftsverband habe er jedoch die Interessen seiner Mitglieder zu wahren; deshalb sei ein Hinweis auf die verbandsangehörigen Zulieferfirmen nicht unterblieben. Um Mißverständnisse auszuschließen, hat der Verband nunmehr mit Rundschreiben vom 27. Oktober 1958 alle Empfänger des Rundschreibens vom 5. Oktober 1957 gebeten, den Abs. 2 des Vorjahresrundschreibens als gegenstandslos zu betrachten und zu streichen. Die im berichtigten Rundschreiben erwähnte Liste von Lieferfirmen führt auch zahlreiche mittlere und kleinere Unternehmen auf.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Eine Zusatzfrage!

Gerhard Jahn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001012, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Halten Sie diese Beantwortung durch den Verband für befriedigend? Eine weitere Frage: glauben Sie nicht, daß es notwendig ist, für eine ordnungsgemäße Überprüfung das Bundeskartellamt zu verständigen und einzuschalten?

Not found (Staatssekretär:in)

Zur ersten Frage möchte ich sagen, daß die Antwort erst gegeben werden kann, wenn sich herausstellt, wie die Praxis sein wird. Nach unserer Meinung werden die Flugzeugherstellerfirmen, die ja in der Auftragserteilung gänzlich frei sind, im eigenen Interesse durchaus bereit sein, jene Angebote zu übernehmen, die besonders günstig sind. Auf die zweite Frage, ob das Kartellamt hier eingeschaltet werden soll oder sich einzuschalten hat, möchte ich antworten, daß es sich hier um eine reine Rechtsfrage handelt. Das Kartellamt wird den Dingen zweifellos schon auf Grund dieser Vorgänge nachgehen und feststellen, ob die Rechtslage so ist, daß eingeschritten werden muß.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Eine letzte Zusatzfrage!

Gerhard Jahn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001012, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Beabsichtigt die Regierung, irgendwelche Maßnahmen zu ergreifen, um zu veranlassen, daß auch geeignete Firmen, die nicht diesem Verbande angehören, bei Ausschreibungen zur Abgabe von Angeboten aufgefordert werden?

Not found (Staatssekretär:in)

Wir werden diese Angelegenheit auf das sorgfältigste überprüfen, sind aber nach einer ersten Prüfung der Meinung, daß die Freiheit der Angebotsabgabe und die Freiheit der Auftragserteilung so weitgehend sind, daß sich keine der Flugzeugherstellerfirmen etwa durch die Empfehlung eines der Verbände gebunden fühlt.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Die Frage ist beantwortet. Frage 10 - des Abgeordneten Bading - betrifft Ernteschäden während der NATO-Manöver in Nordhessen durch britische Panzer: Entspricht die Meldung der „Deutschen Bauernzeitung" vom 9. Oktober 1958 den Tatsachen, daß britische Panzer während der NATO-Manöver in Nordhessen in den Kreisen Hofgeismar und Wolfhagen mit einer nicht zu überbietenden Rücksichtslosigkeit vorgingen und oft mutwillig große Ernteschäden verursachten", daß insbesondere a) bei Hombessen ein Panzer die in einer Reihe auf dem Felde aufgestellten, voll gefüllten Kartoffelsäcke ansteuerte und dann zermalmte, b) bei Udenhausen ein Panzer mehrmals durch ein erntereifes Rübenfeld des Landwirts Heinrich Sommer fuhr, c) ein Panzer eine auf dem Felde stehende Mähmaschine überfuhr und völlig zerstörte, d) ein Panzer eine Miete mit 250 Zentner Stroh in Brand schoß, e) durch Panzer die Musteranlagen für Aussiedlungsprojekte in Trendelburg schwer beschädigt wurden, f) in Grebenstein, an der Straße Udenhausen-Beberbeck sowie in den Gemeinden Eberschütz, Hümme, Sielen und Trendelburg die Straßen aufgerissen, Bürgersteige und Haustreppen durch Panzer demoliert wurden? Wird bei Schäden, die im Verlauf von NATO-Manövern entstehen, untersucht, ob die Sachbeschädigungen mutwillig verursacht sind, und ist die Bundesregierung bereit, in solchen Fällen sich dafür einzusetzen, daß die Täter zur Verantwortung gezogen werden? Zur Beantwortung Herr Staatssekretär Hartmann.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Benehmen mit dem Herrn Bundesminister für Verteidigung beantworte ich die Frage des Herrn Abgeordneten Bading wie folgt. Britische Truppen, die im Bundesgebiet stationiert sind, haben in der Zeit vom 23. bis 30. September 1958 in Nordhessen eine Großübung mit etwa 30 Panzern und 460 sonstigen Fahrzeugen durchgeführt. Eine genaue Übersicht über den Gesamtumfang der bei diesem Manöver verursachten Schäden ist gegenwärtig noch nicht möglich, da die Geschädigten ihre Anträge innerhalb von 90 Tagen seit Kenntnis von dem Schaden einreichen können. Die bisherigen Schadensanmeldungen und die ergänzenden Ermittlungen des für die Abgeltung der Schäden zuständigen Amts für Verteidigungslasten in Kassel machen es möglich, die gestellten Fragen bereits jetzt näher zu beantworten. Nach diesen Feststellungen liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, daß britische Panzer mit einer „nicht zu überbietenden Rücksichtslosigkeit", wie es in der Frage heißt, vorgegangen sind „und oft mutwillig große Ernteschäden" verursacht haben. Das Ausmaß der Straßen- und anderen Schäden geht unter Berücksichtigung der Zahl der beteiligten Fahrzeuge nicht über die in anderen Fällen festgestellten Schäden hinaus. Auch herrschte zwischen der Truppe und der Bevölkerung, wie sich aus Unterhaltungen mit Bürgermeistern und Bewohnern der vom Manöver betroffenen Gebiete ergab, gutes Einvernehmen. Zu den einzelnen in der Frage genannten Beispielen kann folgendes gesagt werden: Zu a. Die Meldung, daß ein Panzer die in einer Reihe aufgestellten gefüllten Kartoffelsäcke angesteuert und dann zermalmt habe, ist unzutreffend. Es ist richtig, daß zwei an verschiedenen Stellen gelagerte Haufen Kartoffeln - insgesamt ca. sechs Zentner - durch einen Panzer zerquetscht wurden. Zu b. Die Frage, ob ein Panzer durch ein erntereifes Rübenfeld des Herrn Sommer gefahren ist, kann im Augenblick noch nicht beantwortet werden. Es ist aber festgestellt worden, daß sich die Schäden durch Panzerspuren in der Gemarkung Udenhausen im gleichen Rahmen halten wie in den anderen Gemeinden. Zu c. Die Behauptung, ein Panzer habe eine auf dem Feld stehende Mähmaschine überfahren und völlig zerstört, ist in dieser Form nicht zutreffend. Es wurde ein Grasmäher beschädigt, an dem ein Rad zerbrochen ist. Ein Fachmann stellt gegenwärtig fest, ob der Grasmäher noch repariert werden kann. Zu d. Es ist nicht zutreffend, daß ein Panzer eine Miete von 250 Zentnern Stroh in Brand geschossen habe. In der Gemarkung Udenhausen ist eine offene Strohmiete auf dem Feld durch die Auspuffflamme eines Panzers in Brand geraten. ({0}) Zu e. Es kann nicht davon gesprochen werden, daß durch Panzer die Musteranlagen für Aussiedlungsprojekte in Trendelburg schwer beschädigt worden seien. Nach Aussage des Bürgermeisters von Trendelburg handelt es sich um übliche Flurschäden. Zu f. Es ist richtig, daß durch die übenden Truppen in einzelnen Gemeinden Straßenschäden verursacht worden sind. Das läßt sich jedoch praktisch schwer vermeiden, zumal es sich überwiegend um Schäden handelt, die in Kurven eingetreten sind. In Trendelburg hat weiterhin ein Panzer eine zehnstufige Treppe zum Einsturz gebracht. Weitere Treppenzerstörungen sind im gesamten Manövergebiet nicht eingetreten. Zu der abschließend gestellten Frage, ob bei Schäden, die im Verlauf von NATO-Manövern entstehen, untersucht werde, ob die Sachbeschädigungen mutwillig verursacht worden sind, und ob die Bundesregierung bereit sei, sich in solchen Fällen dafür einzusetzen, daß die Täter zur Verantwortung gezogen werden, darf folgendes bemerkt werden. Manöverschäden, die durch die im Bundesgebiet stationierten ausländischen Streitkräfte verursacht werden, müssen vor allem im Interesse der Geschädigten möglichst schnell abgegolten werden. Die Notwendigkeit, die Schäden schnell abzugelten, ermöglicht es im allgemeinen nicht, zu untersuchen, ob ein Schaden hätte verhindert werden können oder gar mutwillig verursacht worden ist. Außerdem ist bekannt, daß die Streitkräfte von sich aus strenge disziplinäre Maßnahmen ergreifen, wenn Manöverschäden verursacht worden sind, ohne daß es durch die Notwendigkeiten des Ausbildungszwecks gerechtfertigt wäre. Die ausländischen Streitkräfte haben nicht nur aus politischen, sondern auch aus finanziellen Gründen ein Interesse daran, daß möglichst wenig Manöverschäden verursacht werden. Denn nach den zwischen der Bundesrepublik und den Stationierungsmächten bestehenden Vereinbarungen haben die ausländischen Mächte 75 % der Entschädigungssummen zu zahlen. Sollten sich Anhaltspunkte dafür ergeben, daß die Streitkräfte der mutwilligen Verursachung von Manöverschäden nicht gehörig entgegentreten, so ist die Bundesregierung selbstverständlich bereit, sich dafür einzusetzen, daß die Täter zur Verantwortung gezogen werden.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Eine Zusatzfrage!

Harri Bading (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000073, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wissen Sie, daß die von mir aus der Deutschen Bauernzeitung, einem Organ des Niedersächsischen Landvolkes, zitierten Schäden nun durch diese Meldung in der ganzen deutschen Bauernschaft bekanntwerden, und sollte man nicht etwas dafür tun, daß solche übertriebenen Meldungen richtiggestellt werden?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, ich darf Ihnen für die Anregung danken. Ich stimme Ihnen vollauf zu.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Frage 11 - des Abgeordneten Schneider ({0}) - betreffend Verbreitung deutschfeindlicher Filme durch amerikanische und kanadische Fernsehstationen: Ist dem Herrn Bundesaußenminister bekannt, daß sowohl in Amerika wie in Kanada trotz aller bisherigen Vorstellungen weiterhin laufend Hetzfilme über Deutschland, die Deutschen und Vizepräsident Dr. Schmid die ehemalige Wehrmacht durch die Fernsehstationen verbreitet werden? Will die Bundesregierung nicht nachdrücklicher als bisher gegen diese Vergiftung der deutsch-amerikanischen bzw. deutschkanadischen Beziehungen vorgehen? Das Wort hat der Herr Bundesminister des Auswärtigen,

Dr. Heinrich Brentano (Minister:in)

Politiker ID: 11000263

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundesregierung ist bekannt, daß amerikanische und kanadische Fernsehsender gelegentlich auch deutschfeindliche Spielfilme der Kriegsproduktion vorführen. Es handelt sich hier um Filme, die aus der Produktion der Jahre 1938 bis 1945 stammen und die, wie wir wissen, von den Filmverleihfirmen sehr billig angeboten werden. Die Auslandsvertretungen werden im Rahmen ihrer Möglichkeiten auch in Zukunft alles tun, um die Aufführung solcher Filme zu verhindern. Es haben Gespräche sowohl mit amtlichen Stellen wie auch mit Vertretern des Filmverleihs und der Sendestationen stattgefunden. Unmittelbare Gegenmaßnahmen - ich glaube, Sie werden das verstehen - kann die Bundesregierung nicht ergreifen; denn amtliche Schritte bei den Regierungen wären zwecklos. Es handelt sich um Fernsehstationen, die auf rein kommerzieller, wirtschaftlicher Grundlage aufgebaut sind und sich dem amtlichen Einfluß entziehen. Aber ich wiederhole, wir haben auf dem richtigen Wege Vorstellungen erhoben, und die Vorführung ist nur noch sehr selten zu verzeichnen. Im übrigen glaube ich, daß die positive Unterrichtung über die Bundesrepublik inzwischen doch in ihrer Wirkung sehr viel stärker geworden ist als vereinzelte beklagenswerte Nachtsendungen privater Fernsehstationen.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Frage 12 - ebenfalls Abgeordneter Schneider ({0}) - betrifft Massenmord an Singvögeln südlich der Alpen: Was kann die Bundesregierung unternehmen, um den noch immer andauernden Massenmord an den Singvögeln, der trotz der Interventionen des Welttierschutzverbandes südlich der Alpen fortgesetzt wird, zu unterbinden? Der Herr Bundesminister des Auswärtigen!

Dr. Heinrich Brentano (Minister:in)

Politiker ID: 11000263

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir alle bedauern es, daß der Schutz der Singvögel in anderen Ländern noch nicht so weit entwickelt ist wie bei uns. Aber wir müssen uns darüber klar sein, daß wir auf amtlichem Wege nichts erreichen können. Die Vorstellungen über die Behandlung von jagdbaren Tieren gehen in den Ländern auseinander. Ich glaube, wir würden uns in eine sehr interne Frage einmischen, wenn die Bundesregierung Vorstellungen dagegen erhöbe, wie man in anderen Ländern zu dem Fang oder zur Tötung von Tieren steht. Private Initiative auf diesem Gebiet wird auch die Bundesregierung begrüßen; aber ich glaube, für amtliche Schritte ist kein Raum.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Die Frage 13 - des Abgeordneten Wehr - betrifft die Repatriierung der Frau Elfriede Kanowski: Woran liegt es, daß Sie, Herr Minister, in der Fragestunde des Deutschen Bundestages vom 17. Oktober 1958 auf die Frage 31 bezüglich der Repatriierung der Frau Elfriede Kanowski eine unzutreffende Auskunft gaben, indem Sie erklärten, die Familie Kanowski sei polnischer Staatsangehörigkeit und sie seien Juden? Der Herr Bundesminister des Auswärtigen!

Dr. Heinrich Brentano (Minister:in)

Politiker ID: 11000263

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die auf die Frage Nummer 31 in der Fragestunde am 17. Oktober 1958 im Falle der Elfriede Kanowski erteilte Auskunft war zutreffend. Ich darf ergänzend noch folgendes sagen. Die Mutter der Elfriede Kanowski hat am 10. Oktober 1957 beim Ordnungsamt der Stadt Braunschweig selbst folgendes zu Protokoll gegeben: „Bei meiner Tochter handelt es sich um das eheliche Kind aus meiner ersten Ehe mit dem Kaufmann Kanowski, der die polnische Staatsangehörigkeit besaß und mosaischen Glaubens war." Sie haben mir, Herr Kollege Wehr, nach der Fragestunde, als wir uns sahen, eine Staatsangehörigkeitsurkunde gezeigt und waren der Meinung, daß das Auswärtige Amt doch wohl unterrichtet sein müsse, daß für Fräulein Elfriede Kanowski am 27. Februar 1958 eine Staatsangehörigkeitsurkunde ausgestellt wurde. Ich glaube, Herr Kollege Wehr, Sie sind einem Irrtum unterlegen. Nach Auskunft des Präsidenten des Niedersächsischen Verwaltungsbezirks ist am 27. Februar 1958 lediglich für die Mutter der Elfriede Kanowski, für Frau Gertrud Ehlers, verwitwete Kanowski, die durch Eheschließung im Jahre 1947 die deutsche Staatsangehörigkeit wiedererlangt hat, ein Staatsangehörigkeitsausweis ausgestellt worden. Nach den bei dem Herrn Bundesminister des Innern vorliegenden Unterlagen hat der Präsident des Niedersächsischen Verwaltungsbezirks Braunschweig am 2. November 1957 nach Prüfung des Falles festgestellt: Die Übernahmebewerberin - das ist Fräulein Kanowski hat nie die deutsche Staatsangehörigkeit besessen. Der Vater des Fräulein Kanowski war polnischer Staatsangehöriger. Nur die Mutter der Übernahmebewerberin besaß bis zur Verheiratung mit dem Vater des Fräulein Kanowski die deutsche Staatsangehörigkeit. Der von Ihnen mit mir und dem Auswärtigen Amt geführte Schriftwechsel ist mir natürlich bekannt. Sie hatten unter anderem mit Schreiben vom 24. April 1958 mitgeteilt, daß Fräulein Kanowski von der deutschen Botschaft in Moskau einen deutschen Reisepaß erhalten habe. Die deutsche Botschaft in Moskau hat festgestellt, daß das nicht der Fall ist. Ihre Information muß auf einem Irrtum beruhen. Ich habe auf die besonders gelagerten Verhältnisse im Falle der Elfriede Kanowski lediglich deshalb besonders hingewiesen, um die Schwierigkeiten aufzuzeigen, vor denen wir in solchen Fällen stehen. Das wird - ich habe das schon in der letzten Fragestunde gesagt - die Bundesregierung jedoch nicht davon abhalten, alles zu tun, um auch für Fräulein Kanowski einzutreten, weil sie ganz offensichtlich auch ein Opfer nationalsozialistischer UnrechtsmaßBundesaußenminister Dr. von Brentano l nahmen war und weil nach den vielen Jahren der Trennung aus menschlichen Gründen die Möglichkeit zur Wiedervereinigung mit ihrer Mutter geschaffen werden sollte.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Eine Zusatzfrage? Wehr ({0}) : Danke schön.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Frage 14 des Abgeordneten Wehr - betreffend gesetzliche Versorgung der aus der UdSSR heimgekehrten Zivilverschleppten: Ist der Bundesregierung bekannt, daß in zunehmendem Maße aus der UdSSR heimgekehrte Personen, die jahrelang als Zivilverschleppte in der UdSSR Zwangsarbeit unter schwersten Bedingungen leisten mußten, in der Bundesrepublik keine ausreichende gesetzliche Versorgung erhalten können, wenn sie als schwerkranke und invalide Menschen heimgekehrt sind? Beabsichtigt die Bundesregierung, es bei den Bescheiden bewenden zu lassen, die die Feststellungsbehörden treffen, die sich auf die Urteile des Bundesverwaltungsgerichtes vom 5. März 1958 - BVerwG V C 584.56, BVerwG V C 545.56 - und vom 23. April 1958 - BVC 471.56 - stützen und eine Verschleppung zur Zwangsarbeit nach Rußland als „nicht im ursächlichen Zusammenhange mit Ereignissen, die mit der Kriegführung im zweiten Weltkrieg zusammenhängen", ansehen? Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um diese offensichtlich unzureichende Gesetzgebung zu ergänzen und den Personen, die stellvertretend für alle Deutschen Reparationsleistungen durch Zwangsarbeit erbracht haben und dadurch Unbill und Gesundheitsschäden erlitten, eine angemessene Entschädigung zu gewähren? Das Wort hat der Bundesminister für Vertriebene.

Prof. Dr. Dr. Theodor Oberländer (Minister:in)

Politiker ID: 11001631

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu Teil 1 Ihrer Anfrage: Personen, die als Zivilverschleppte in der UdSSR Zwangsarbeit unter schwersten Bedingungen geleistet haben und infolgedessen als schwerkranke und invalide Menschen zurückgekehrt sind, haben nach § 5 Abs. 1 Buchst. d des Bundesversorgungsgesetzes Anspruch auf Versorgung. Nach dieser Vorschrift gelten schädigende Vorgänge, die infolge einer mit der militärischen Besetzung deutschen oder ehemals deutsch besetzten Gebietes oder mit der zwangsweisen Umsiedlung oder Verschleppung zusammenhängenden besonderen Gefahr eingetreten sind, als unmittelbare Kriegseinwirkung, wenn ein Zusammenhang mit einem der beiden Weltkriege besteht. Zu Teil 2: Die Bundesregierung hat keine Möglichkeit, Bescheide über Ansprüche nach dem Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz, die von Feststellungsbehörden getroffen wurden, abzuändern. Solche Feststellungsbescheide können nur mit den im Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz vorgesehenen Rechtsmitteln angefochten werden. Die von Ihnen genannten Urteile des Bundesverwaltungsgerichts stimmen in ihrem Tenor mit der Auffassung des Deutschen Bundestages, wie sie bei der Verabschiedung der 2. Novelle zum Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz zum Ausdruck gekommen ist, überein. Danach ist zu unterscheiden zwischen einem ursächlichen Zusammenhang mit Ereignissen, die unmittelbar mit der Kriegführung des zweiten Weltkrieges zusammenhängen, und den Kriegsfolgeereignissen. Ob eine Verschleppung zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion im Herbst 1945 noch „im ursächlichen Zusammenhang mit Ereignissen" stand, „die unmittelbar mit der Kriegführung des zweiten Weltkrieges zusammenhingen", oder ob sie aus politischen oder anderen Gründen erfolgte, kann nur nach der Lage des Einzelfalles beurteilt werden. Zu Teil 3: Der Referentenentwurf einer Novellierung des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes liegt vor. Er enthält allerdings keine Härteklausel, weil eine solche bei den früheren Beratungen im Bundestag ausdrücklich abgelehnt worden ist. Die Behandlung der Novelle kann jedoch Gelegenheit geben, die von Ihnen aufgeworfenen Fragen zu erörtern und Härten auszumerzen.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Keine Frage mehr? - Die Frage ist beantwortet. Frage 15 - der Abgeordneten Frau Renger - betreffend Wohnraum für Studenten: Ist der Bundesregierung bekannt, daß in den Universitätsstädten, besonders aber in Bonn, Tausende von Studenten zu Beginn des Wintersemesters ohne Unterkunft sind? Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung vorgesehen, um den Studenten Wohnraum zu beschaffen, und was gedenkt sie zu tun, um die überhöhten Mietforderungen auf dem Wohnungsmarkt zu unterbinden? Das Wort hat der Staatssekretär im Bundesinnenministerium.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Frage der Frau Abgeordneten Renger darf ich wie folgt beantworten. Der Bundesregierung ist die allgemeine Wohnungsnot der Studenten bekannt. Sie hat - neben dem allgemein noch vorhandenen Wohnungsfehlbestand und dem starken Zuzug in einer Reihe von Großstädten - folgende Gründe: 1. Viele große Wohnungen sind im Krieg zerstört worden. 2. Die bisherigen Neubauten gestatten nur in wenigen Fällen eine Untervermietung. 3. Die Studentenzahl ist in den letzten zehn Jahren von 96 000 auf 162 000 gestiegen. Um dieser Wohnungsnot abzuhelfen, hat die Bundesregierung seit dem Jahre 1952 aus Mitteln des Bundesjugendplans in jährlich steigendem Umfange den Bau von Studentenwohnheimen mit bisher 11,5 Millionen DM gefördert. Für das Jahr 1958 wurden 3 Millionen DM bereitgestellt. Für 1959 sind 4,5 Millionen DM vorgesehen. Zur Zeit stehen insgesamt rund 240 Studentenwohnheime mit rund 16 000 Plätzen zur Verfügung. Der weitere Bau von Studentenwohnheimen ist geplant und wird eine Entlastung auf dem Zimmermarkte bringen. Die gegenwärtige Preisüberforderung bei Untermieträumen ist Ausdruck der stark gestiegenen Nachfrage nach derartigen Räumen, die auf den verschiedensten Ursachen beruht. Es kann angenommen werden, daß im Zuge der Erstellung von Neubauten mit mehr Wohnfläche eine Entspannung des Marktes eintritt. Ein besonderer Notstand für die Unterbringung der Studenten im Raum Bonn besteht nicht. Nach den getroffenen Feststellungen wird es, von geringen Ausnahmen abgesehen, möglich sein, allen wohnungsuchenden Studenten ein Zimmer zu ver2618 schaffen. Bemerkenswert ist, daß der Vorsitzende des Allgemeinen Studentenausschusses der Universität Bonn in einer Zuschrift an die „Welt" darauf hingewiesen hat, die Zimmerpreise für Studenten hätten sich zum Teil erst auf Grund der Presseveröffentlichungen zu diesem Thema erhöht; Wucherpreise stellten eine Ausnahme dar.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Keine Zusatzfrage! Die Frage ist beantwortet. Wir kommen nun zu Frage 16 - des Herrn Abgeordneten Dewald - betreffend Wohraum für Studenten aus den Entwicklungsländern: Sind der Bundesregierung die großen Schwierigkeiten der Studenten aus den Entwicklungsländern bekannt, in deutschen Universitätsstädten Wohnung zu finden? Ist die Bundesregierung bereit, diesen unhaltbaren Zuständen dadurch abzuhelfen, daß sie besondere Mittel aus dem vom Bundestag zur Verfügung gestellten Fonds für Entwicklungsländer für den Bau von Hostels ({0}) für farbige Studenten am Sitze der Hochschulen nach dem Beispiel anderer Länder bereitstellt? Was gedenkt die Bundesregierung in Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden zu tun, um die da und dort so sichtlich in Erscheinung getretene Abneigung privater Wohnungsgeher gegen farbige Studierende durch entsprechende Aufklärungsarbeit zu bekämpfen und einer Diskriminierung des deutschen Ansehens in den Entwicklungsländern vorzubeugen? Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Bundesminister des Auswärtigen.

Dr. Heinrich Brentano (Minister:in)

Politiker ID: 11000263

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundesregierung sind die großen Schwierigkeiten bekannt, von denen Herr Kollege Dewald spricht. In den zuständigen Gremien - der Ständigen Konferenz der Bundesminister und der Westdeutschen Rektorenkonferenz - hat die Bundesregierung vielfach auf die Notwendigkeit einer Abhilfe hingewiesen. Den internationalen Wohnheimen werden Bundeszuschüsse mit Vorrang zur Verfügung gestellt. Der vom Bundestag bewilligte Fonds für Entwicklungsländer ist auf bilaterale Hilfsmaßnahmen im Ausland festgelegt. Mittel für den Bau von Studentenwohnheimen stehen daher aus diesem Fonds nicht zur Verfügung. Dem Ziele der Bundesregierung, Studenten aus den Entwicklungsländern eine von jeder Diskriminierung freie Ausbildungsmöglichkeit an den Hochschulen der Bundesrepublik zu gewähren, kann so glaubt die Bundesregierung - eine isolierte Unterbringung in besonderen Studentenheimen nicht dienlich sein. In enger Zusammenarbeit mit den zuständigen Landes- und Hochschulbehörden sowie der studentischen Selbstverwaltung wird die Bundesregierung auch weiterhin werbend dafür eintreten, daß den ausländischen Studierenden neben dem Studienplatz an den Hochschulen auch eine angemessene Unterbringung gewährleistet wird. Aus Mitteln des Betreuungsfonds für ausländische Studierende wurden in den letzten drei Jahren an fast allen Hochschulen Klubräume zur Förderung des menschlichen Kontakts zwischen deutschen und ausländischen Studierenden geschaffen. Zentralen Organisationen und den Auslandsämtern der Hochschulen, die sich der Betreuung der ausländischen Studierenden und Praktikanten widmen, wurden in den Hochschuljahren 1956 bis 1958 Beihilfen in Höhe von 5 Millionen DM aus Bundesmitteln zur Verfügung gestellt. Zahlreiche Veranstaltungen, die sich gerade auch der besonderen Probleme der afrikanischen und asiatischen Studenten annahmen, wurden unterstützt. Die Bundesregierung glaubt, daß die Aufrufe an die Bevölkerung, die von verschiedenen zentralen Organisationen ausgingen, nicht ohne Widerhall geblieben sind. Sie würde es begrüßen, wenn sich besonders die Kreise, denen die wirtschaftliche Entwicklung in der Bundesrepublik wieder ausreichenden Wohnraum ermöglicht hat, bereitfänden, ausländischen Studierenden, die als unsere Gäste hier sind, ihre Häuser zu öffnen.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Für eine Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dewald!

Georg Dewald (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000378, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Glaubt denn der Herr Bundesminister des Auswärtigen nicht, daß eine Herausnahme von Mitteln aus dem Fonds für entwicklungsfähige Länder für eine solche Maßnahme, die Beschaffung von Wohnraum für ausländische Studierende wobei ich nicht daran denke, die farbigen Studenten zu isolieren , eine sehr zweckmäßige Hilfe für die Entwicklungsländer wäre und sicherlich von großem Nutzen für unsere Beziehungen zu diesen Länder wäre?

Dr. Heinrich Brentano (Minister:in)

Politiker ID: 11000263

Herr Kollege, ich bin gern bereit, diese Frage einmal im Haushaltsausschuß zu besprechen. Die Mittel stehen mit einer gewissen Zweckbindung zur Verfügung. Nach der Zweckbindung, die der Haushaltsausschuß den Mitteln gegeben hat, wäre ich im Augenblick nicht berechtigt, sie dafür zu verwenden. Aber ich teile Ihre Auffassung, daß es sich hier wirklich um Maßnahmen handelt, die im Interesse der Entwicklungsländer und unserer politischen Tätigkeit dort liegen. Ich bin sehr gern bereit, diese Frage im Haushaltsausschuß zu besprechen.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Die Frage ist beantwortet. Wir kommen zur Frage 17 - des Herrn Abgeordneten Dr. Fritz - betreffend Elektrifizierung der Strecke Ludwigshafen-Homburg: Ist die Deutsche Bundesbahn in der Lage, im Jahre 1959 mit den Elektrifizierungsarbeiten an der Strecke Ludwigshafen-Homburg ({0}) zu beginnen? Wie weit ist der Stand der Planung und Finanzierung gediehen, und wann werden die Elektrifizierungsarbeiten beendet sein? Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Bundesminister für Verkehr.

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Planung für die Elektrifizierung der Strecke Ludwigshafen-Homburg ({0}) ist so weit fortgeschritten, daß mit der Vergabe der Aufträge für die Elektrifizierungsarbeiten im Jahre 1959 begonnen werden könnte. Die Verhandlungen der Bundesbahn über die Finanzierung mit den Anliegerländern waren jedoch bisher ohne Erfolg. Die Bundesbahn und der BundesBundesverkehrsminister Dr.-Ing. Seebohm minister für Verkehr sind weiter bemüht, die erforderlichen Kredite in Höhe von mindestens 120 Millionen DM zu beschaffen. Gewisse Teilfinanzierungsmöglichkeiten zeichnen sich ab. Allerdings wird die Bundesbahn wie bei den bisherigen Länderkrediten für Elektrifizierungsmaßnahmen darauf sehen müssen, daß ihr die über einen Effektivzinssatz von 5 % hinausgehenden Kapitalkosten abgenommen werden. Die Verhandlungen über die Finanzierung schweben noch. Sobald die Finanzierung sichergestellt sein wird, kann nach etwa 3 Jahren, die wir für die Herstellung der Anlagen brauchen, mit der Aufnahme des elektrischen Betriebes auf dieser Strecke gerechnet werden.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Die Frage ist beantwortet. Frage 18 - des Herrn Abgeordneten Dr. Bucher - betreffend Außerung des Generals Heusinger anläßlich der Manöver der Bundeswehr: Ist es richtig, daß General Heusinger - so die Stuttgarter Zeitung vom 30. September 1958, Seite 4 - anläßlich der Manöver der Bundeswehr geäußert hat, in einem zukünftigen Krieg werde die Bundeswehr in weiten Räumen kämpfen müssen, wie bereits die Wehrmacht im letzten Krieg im großen Rußland? Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Staatssekretär im Bundesministerium für Verteidigung.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf die Frage wie folgt beantworten. General Heusinger sagte im Rahmen der Schlußbesprechungen der Bundeswehrmanöver in Munster wörtlich: Wir müssen uns darauf einstellen, in einem künftigen Krieg, den der Himmel verhüten möge, mit unterlegenen Kräften gegen eine militärische Überlegenheit kämpfen zu müssen, und werden einen Kampf auf großen Gefechts breiten zu erwarten haben. Die Schwierigkeiten eines solchen Kampfes haben wir im zweiten Weltkrieg in dem Feldzug gegen Rußland immer wieder erlebt. General Heusinger hat damit allgemein auf die Schwierigkeiten hinweisen wollen, die eine kräftemäßig unterlegene Armee gegenüber einem zahlenmäßig überlegenen Gegner hat. Er wählte als Beispiel die Situation der deutschen Truppen in Rußland während des zweiten Weltkrieges und meinte damit, daß eine gut geschulte untere und mittlere Führung in der Lage sein sollte, mit ihren Truppen auch überlegenen Kräften standzuhalten, wobei die schnelle Überwindung weiter Räume notwendig werden kann. General Heusinger gebrauchte diese Formulierung außerdem als Hinweis auf die Kriegserfahrungen, wie man sie ständig in der militärischen Presse aller Sprachen lesen kann. Er wollte mit ihnen - mit Rücksicht auf die weitere Ausbildung der Bundeswehr -- die Notwendigkeit einer klaren Schwerpunktbildung der Kräfte des Verteidigers an den entscheidenden Punkten nachweisen.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Die Frage ist beantwortet. Die für die Fragestunde vorgesehene Zeit ist abgelaufen. Die nicht beantworteten Fragen werden schriftlich beantwortet oder können in der nächsten Fragestunde wiederholt werden. Ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung auf: Nachwahl eines vom Bundestag zu entsendenden Mitgliedes des Ausschusses nach Artikel 77 Abs. 2 des Grundgesetzes ({0}). Hier hat die Fraktion der CDU/CSU für das ausgeschiedene ordentliche Mitglied des Vermittlungsausschusses, Dr. Meyers, den Abgeordneten Dr. Otto Schmidt ({1}) vorgeschlagen. Wir kommen zur Wahl. Wer den Vorgeschlagenen wählen will, der möge die Hand erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Wahl fest. Punkt 5 der Tagesordnung: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 25. April 1958 über Allgemeine Fragen des Handels und der Seeschiffahrt zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken und des Entwurfs eines Gesetzes zu dem Konsularvertrag vom 25. April 1958 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken ({2}). Das Wort zur Begründung hat der Herr Bundesminister des Auswärtigen.

Dr. Heinrich Brentano (Minister:in)

Politiker ID: 11000263

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung hat mit der Ihnen vorliegenden Drucksache dem Hohen Haus den Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 25. April 1958 über Allgemeine Fragen des Handels und der Seeschiffahrt zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken sowie den Entwurf eines Gesetzes zu dem Konsularvertrag vom gleichen Datum zwischen den gleichen Vertragspartnern vorgelegt. In der Sowjetunion ist die Behandlung der Verträge mit der Erteilung der Zustimmung durch das Präsidium des Obersten Sowjets am 18. September dieses Jahres abgeschlossen worden. Die dem Hohen Hause vorliegenden Drucksachen enthalten eine ausführliche Begründung der beiden Verträge. Ich darf mich daher wohl auf diese Begründung beziehen und mich im übrigen darauf beschränken, noch eine zusammenfassende politische Würdigung des gesamten Vertragswerkes zu geben. Die Verträge gehen auf die Besprechungen zurück, die der Herr Bundeskanzler im September 1955 in Moskau mit der Regierung der Sowjetunion geführt hat. Soweit sie sich mit den Fragen des Handels und der Schiffahrt befassen, waren sie bereits Gegenstand schriftlicher Erörterungen in den vor dem Herbst 1955 gewechselten Noten. Den Abschluß Bundesaußenminister Dr. von Brentano eines Konsularvertrages hat der damalige sowjetische Ministerpräsident, Herr Bulganin, erstmals in seinem Schreiben vom 5. Februar 1957 an die Bundesregierung angeregt. Mit dem Abschluß dieser Moskauer Verhandlungen haben nunmehr die Beziehungen zwischen den beiden Staaten auf einigen wichtigen Teilgebieten eine vertragliche Grundlage erhalten. Ich nenne in erster Linie das Problem der Repatriierung. Es handelt sich hier um eine Frage, deren politische Bedeutung zunächst nicht unmittelbar zu erkennen ist. Aber es geht hier um das Schicksal von Menschen, die in ihre Heimat zurückkehren wollen, oder auch solchen, die mit ihren in Deutschland lebenden Angehörigen vereinigt werden wollen. Gerade dieser menschliche Aspekt des Problems hat die Bundesregierung veranlaßt, in den Verhandlungen immer von neuem um eine Erfüllung dieses im wahrsten Sinne des Wortes humanitären Anliegens zu ringen und schließlich auch einer Regelung zuzustimmen, die nicht allen unseren Wünschen entspricht, die aber unter den gegenwärtigen Verhältnissen wohl die bestmögliche Lösung darstellt. Ich drücke die Hoffnung, aber auch die Überzeugung aus, daß die Vereinbarungen nicht nur ihrem Wortlaut, sondern auch ihrem Sinne nach erfüllt werden. Es handelt sich um Vereinbarungen, deren Inhalt und Verwirklichung das deutsche Volk tief berühren. Der Konsularvertrag regelt die Tätigkeit der Konsularabteilungen der beiderseitigen Botschaften. Er findet nur dann für die Tätigkeit von Konsulaten Anwendung, wenn solche auf beiderseitigen Wunsch errichtet werden. Das Abkommen über grundsätzliche handelspolitische Fragen - seinem Inhalt nach eine Art kleiner Handelsvertrag - soll den Volkswirtschaften beider Staaten zugute kommen. Die Bedeutung des Vertragswerkes liegt aber wohl nicht nur darin, daß auf wichtigen Gebieten des zwischenstaatlichen Lebens eine konkrete Regelung der beiderseitigen Beziehungen erreicht wurde. Sie liegt vor allem auch auf politischem Gebiet. Die Bundesregierung hat sich zur Annahme des sowjetischen Vorschlages vom 5. Februar 1957 entschlossen, um in Fortführung der mit der Aufnahme politischer Beziehungen eingeleiteten Politik die Möglichkeit eines Gesprächs wahrzunehmen. Da die mit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen verbundene Erwartung, daß eine Vermehrung der Kontakte zu einer Verbesserung der Beziehungen zwischen beiden Staaten führen würde, sich nicht erfüllte, bot sich hier eine Möglichkeit, konkrete Fortschritte zu erzielen. Über die Notwendigkeit einer Verwirklichung dieses Zieles stimmten die beiden Regierungen in ihren Auffassungen grundsätzlich überein. Mit der Unterzeichnung des Vertragswerkes ist das deutsch-sowjetische Verhältnis in einen neuen Abschnitt eingetreten. Die Tatsache des positiven Abschlusses der Verhandlungen ist in beiden Ländern begrüßt worden. Die Bundesregierung hat anläßlich der Unterzeichnung des Vertragswerkes in Bonn die Gelegenheit wahrgenommen, in einer allgemeinen Aussprache mit dem Ersten Stellvertretenden sowjetischen Ministerpräsidenten Fragen des deutsch-sowjetischen Verhältnisses zu erörtern. Sie hat dabei auch ihre grundsätzliche Bereitschaft zum Ausdruck gebracht, auf eine stetige Verbesserung dieses Verhältnisses, die ja im Interesse beider Völker liegt, hinzuarbeiten. Sie sieht in diesem Vertragswerk einen ersten Schritt zur Schaffung einer vertraglichen politischen Grundlage, die sich zum Nutzen beider Staaten auswirken wird. Die Bundesregierung ist der Überzeugung, daß die Durchführung der Verträge, die sie mit großer Sorgfalt beobachten wird, geeignet ist, diese deutschsowjetischen Beziehungen weiter auszubauen. Sie hofft auch, daß die wirtschaftlichen Kontakte, die sich aus dem gegenseitigen Warenverkehr ergeben werden, die aufrichtigen und friedlichen Absichten des deutschen Volkes unterstreichen und seinen guten Willen zum Ausdruck bringen werden. mit der Sowjetunion in einem guten Verhältnis zu leben. Die Verhandlungen, die in Moskau geführt wurden, waren schwierig. Zuweilen schien es, daß eine Verständigung nicht erzielt werden könne. Die Bundesregierung war aber immer ernsthaft bemüht, auch kritische Situationen zu überwinden. Es liegt mir daran, hier an dieser Stelle der deutschen Delegation unter der Führung des Botschafters Lahr ein Wort des aufrichtigen Dankes für die hingebungsvolle und verantwortungsbewußte Arbeit zu sagen. ({0}) Ich weiß wohl, daß wir außergewöhnliche Anforderungen an alle Mitglieder der Delegation gestellt haben. Die Delegation ist diesen Anforderungen aber gerecht geworden. Meine Damen und Herren, ich möchte mich auf diese allgemeinen Bemerkungen zu dem Vertragswerk beschränken und möchte Sie bitten, den beiden vorliegenden Gesetzen Ihre Zustimmung zu geben.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Die Vorlage ist eingebracht und begründet. Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Kalbitzer.

Hellmut Kalbitzer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001057, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit der Einbringung dieses Gesetzentwurfs treten wir in einen neuen Abschnitt der deutsch-sowjetischen Beziehungen ein. Die Verbesserung dieser Beziehungen ist für alle Deutschen zu ernst, um in diesen Beziehungen heute noch Platz für ideologische Auseinandersetzungen zu lassen. Unsere Geschichte ist übervoll von gegenseitigen Anfeindungen in der Vergangenheit; das Ergebnis war der zweite schreckliche Weltkrieg mit all seinen Folgen. Mit dem vorliegenden Vertrag werden erste Schritte unternommen, diese grausame Vergangenheit zu überwinden und eine nüchterne gegenseitige Abgrenzung der Interessen zu finden. Wir haben den Eindruck, daß die uns vorliegenden Abkommen diese Aufgabe erfüllen, und begrüßen deshalb, daß dieser Gesetzentwurf eingebracht worden ist. Erlauben Sie mir einige kurze zusätzliche Bemerkungen. Alle Verhandlungsvorschläge, die zu diesem Abkommen geführt haben, sind von der Sowjetunion ausgegangen, und sie haben nach von beiden Seiten sehr beharrlich geführten Verhandlungen zu einem fairen Abkommen geführt. Wir müssen zugeben, daß die Sowjets sich an die gegebenen Zusagen gehalten haben, und wir sollten uns das für die weiteren Beziehungen zwischen beiden Seiten merken. Noch eines darf man dabei nicht übersehen. Noch 1955 galt es in der Bundesrepublik als absolut unmöglich, mit der Sowjetunion Beziehungen aufzunehmen - bis es zu einer ganz speziellen weltpolitischen Situation kam, in der unsere Bundesregierung plötzlich vor die Wahl gestellt wurde, entweder auch in der westlichen Welt als Störenfried hingestellt zu werden oder die Beziehungen mit der Sowjetunion aufzunehmen. Der Herr Bundeskanzler tat damals das einzig Richtige, indem er die vorherigen Theorien über den Haufen warf und nach Moskau fuhr und verhandelte. Seitdem das geschehen ist, gibt es auch nicht einmal mehr das Scheinargument gegen die Aufnahme von Beziehungen zur Sowjetunion und demzufolge die Aufnahme von Beziehungen zu allen übrigen Ostblockländern. Die gegenwärtige Situation, in der wir nur mit der Vormacht des Ostens, der Sowjetunion, diese Beziehungen aufnehmen, sie aber mit allen anderen Ländern des Ostens ablehnen, ist in jeder Hinsicht inkonsequent und politisch auf die Dauer absolut unhaltbar. Zu der Entwicklung des uns vorliegenden Handelsabkommens ist noch zu sagen, daß durch dieses Handelsabkommen praktisch die Embargopolitik der vergangenen Jahre, also die Politik der Handelsbeschränkungen gegenüber dem Osten, endgültig überholt ist und im besten Falle noch ein formales Schattendasein führt. Damit ist auch ein psychologisches Hemmnis für die Normalisierung unserer Beziehungen gegenüber dem Osten Gott sei Dank gefallen. Wir bedauern, daß das uns vorliegende Ratifizierungsgesetz sehr spät eingebracht wird; denn das Abkommen selbst ist, wie Sie wissen, bereits im April von den Regierungen beschlossen worden. Wir bedauern diese Verspätung der Einreichung insbesondere deshalb, weil zwar infolge des Abschlusses dieses Abkommens bereits ein großer Personenkreis den Bestimmungen über die Repatriierung unterliegt und davon erfaßt worden ist, aber ein nicht ganz kleiner Teil von Menschen - und man muß sich ja hierbei um das Schicksal jedes einzelnen Menschen kümmern - heute noch in der Sowjetunion verbleibt, obwohl diese Menschen gute Aus sichten haben, nach Deutschland zurückzukommen, wenn dieser Vertrag ratifiziert sein wird. Wir kennen eine große Zahl von Einzelfällen, in denen die Rückkehr deshalb noch ausgesetzt ist, weil der Vertrag nicht ratifiziert ist. Das heißt, an der schnellen Ratifizierung hängt zwar nicht das Schicksal von ganzen Bevölkerungsgruppen, aber doch einer größeren Zahl von einzelnen Personen, und wir sollten uns das Schicksal jedes einzelnen angelegen sein lassen. Deshalb sollten wir uns mit der Ratifizierung jetzt mehr beeilen, als sich die Bundesregierung mit der Einbringung des Gesetzes beeilt hat. ({0}) Nachdem uns dieses Handels- und Konsularabkommen jetzt vorliegt, steht der Abschluß eines Kulturabkommens mit der Sowjetunion zur Debatte. Hierüber gibt es in der westdeutschen Öffentlichkeit zwei Meinungen. Die eine geht dahin, daß man Kulturabkommen mit der Sowjetunion grundsätzlich deshalb nicht schließen könne, weil in Ost und West verschiedene Systeme, verschiedene gegensätzliche Auffassungen von persönlicher Freiheit herrschten. Ich glaube, gerade weil wir die westliche Auffassung von persönlicher Freiheit und Unabhängigkeit haben, sollten wir nicht fürchten, auch ein solches Kulturabkommen zu schließen und damit unser Selbstvertrauen in unsere freiheitlichen Grundsätze zu dokumentieren. ({1}) Wir sollten den Strom geistigen Austauschs nicht ungenützt lassen, auch wenn wir wissen, daß er im Osten kanalisiert ist. Ich vertraue da auf die stärkere Wirkung unserer besseren Prinzipien. ({2}) Unter völliger Anerkennung der Tatsache, daß ungleiche Prinzipien herrschen, sollten wir bei diesem Kulturabkommen auch nicht die Tendenz verfolgen - ich habe mir sagen lassen, daß sie in einem Teil der Ministerialbürokratie vorherrscht -, nun auch unsererseits zu kanalisieren, um mit den von uns nicht geteilten Grundsätzen der Sowjetunion gleichzuziehen. Der Fall Pasternak ist wohl das jüngste deutliche Zeichen für diese Einstellung in der Sowjetunion, aber wir sollten uns nicht davon anstecken lassen. Wir haben das bessere Prinzip der geistigen, der individuellen Freiheit, und wir können nichts davon gewinnen, wenn wir nun die sowjetischen Grundsätze eines Kulturabkommens etwa auch bei uns einführen wollten. Das hieße auch auf unserer Seite den kulturellen Austausch zu arg zu beschneiden und in Reglementierungen zu fassen. Ein letztes Wort an die Damen und Herren der Regierungsparteien. Man hat gehört, daß ein Teil der Damen und Herren der Regierungsparteien der Meinung seien, daß sie sich bei der Abstimmung über diesen Vertrag der Stimme enthalten könnten. Sie würden dann, wenn das eine ernsthafte Intention von Ihnen wäre, eine Situation heraufbeschwören wie beim Israelvertrag. Ich meine, das würde nicht mehr und nicht weniger als eine Täuschung der Öffentlichkeit bedeuten. Wenn Sie dieser Bundesregierung durch Ihr Wort, durch Ihre Stimme das Regieren ermöglicht haben, müssen Sie auch bereit sein, eine Konsequenz dieser Politik zu tragen, die auch von uns als Opposition mitakzeptiert wird. Sie können sich jetzt nicht aus billiger Propaganda aus der Verantwortung für diese Konsequenzen drücken. Sie würden, wenn Sie in diesem Falle eine solche Flucht aus der Verantwortung versuchten, nur eine böse Illusion nähren, nämlich als ob für uns Deutsche - und solche Tendenzen gibt es in rechtsextremistischen Kreisen - eine Politik der weiteren Ignorierung, der weiteren Nichtbeachtung des großen östlichen Nachbarn, der Sowjetunion, möglich wäre. Wir haben mit dem uns vorliegenden Vertragsentwurf einen guten Schritt zum politischen Realismus in den Ost-West-Beziehungen getan. Bitte, honorieren Sie diesen Vertrag genau so, wie auch die Opposition es tun wird. ({3})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Birrenbach.

Dr. Dr. h. c. Kurt Birrenbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000183, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn ich im Namen meiner Parteifreunde von der CDU/ CSU zu den beiden Vertragswerken, die dem Hohen Hause zur Ratifizierung vorgelegt sind, Stellung nehme, so darf ich mich zunächst darauf beschränken, einige Bemerkungen an meinen Vorredner, Herrn Kalbitzer, zu richten. Meine Fraktion ist genau wie die SPD und, wie ich glaube, auch alle anderen Fraktionen dieses Hauses der Meinung, daß dieses Vertragswerk eine wichtige Etappe im Rahmen der deutsch-sowjetischen Beziehungen darstellt. Es ist also in keiner Weise richtig, daß irgendein Teil meiner Fraktion der Meinung wäre, man sollte hier Stimmenthaltung üben. Im Gegenteil. Ich möchte zwar der Prüfung der Zukunft nicht vorgreifen. Aber das kann ich Ihnen sagen: die ganze Fraktion ist der Meinung, daß das Abkommen, das die deutsche Delegation unter Leitung des Botschafters Lahr in monatelangen Verhandlungen in Moskau schließlich zustande gebracht hat, eine ausgezeichnete und abgewogene Leistung darstellt, der wir im Prinzip nur alle unsere Zustimmung geben können. Das heißt, es muß hier ein Mißverständnis der Opposition vorliegen, das mir völlig unverständlich ist. Wenn Sie dieses Vertragswerk in Zusammenhang mit Wünschen in bezug auf die Ostblockländer bringen, so darf ich Ihnen sagen, es wäre zweckmäßig, der Prüfung dieser schwierigen Probleme heute nicht vorzugreifen. Sie wissen, daß der Auswärtige Ausschuß mit diesen Fragen heute noch befaßt ist. ({0}) - Warten wir das Ergebnis ab. Herr Wehner, Sie wissen, daß wir über diese Frage gesprochen haben, und es ist noch in keiner Weise klar, wie das endgültige Ergebnis aussieht. Die Diskussion dieser beiden Vorlagen ist nicht die richtige Gelegenheit, zu diesen Punkten Stellung zu nehmen. Wenn Herr Kalbitzer davon gesprochen hat, man hätte sich endlich von dem Embargo befreit, dann muß ich ihm folgendes sagen. Es ist richtig, daß die Embargobestimmungen wesentlich eingeschränkt sind. Die Russen haben im Laufe der Verhandlungen, wie Sie wissen, zu 0,8 % des ganzen Warenvolumens Warenwünsche geäußert, die unter das Embargo gefallen wären. Wenn ich Sie aber darauf hinweise, daß im Rahmen dieses Abkommens beispielsweise zwei Kohleaufbereitungsanlagen mit einer Produktionskapazität von 2 Millionen t und 8 Millionen t pro Jahr, außerdem schwere Werkzeugmaschinen auf die Liste B gesetzt worden sind, die vor zwei Jahren noch auf der Embargoliste gestanden hatten, so können Sie daraus ersehen, daß die deutsche Delegation, die in Moskau verhandelt hat, diese Frage so behandelt hat, wie Sie es nur hätten wünschen können. Zur Frage der Verspätung muß ich Ihnen folgendes sagen. Die gesamte Materie ist sehr komplex. Sie bedarf noch einer sehr eingehenden Prüfung in den Ausschüssen. Wenn Sie, Herr Kalbitzer, aber behaupten, daß dadurch die Repatriierung verzögert worden sei, so ist Ihnen, glaube ich, folgendes entfallen. Das Repatriierungsabkommen ist als solches nicht ratifizierungspflichtig. Es unterliegt also nicht der Entscheidung des Bundestages, sondern ist bereits in Kraft getreten. Die Russen haben auf Grund dieses Abkommens in den letzten Monaten seit der Unterzeichnung des Abkommens bereits mehr als 2000 zurückgehaltene Personen in die Heimat zurückgeschickt. Daraus können Sie entnehmen, daß von einem negativen Effekt dieser „Verzögerung" überhaupt keine Rede sein kann. Ich darf dann im Namen meiner Fraktion in wenigen Worten zu den Abkommen selbst Stellung nehmen. Die Abkommen müssen - das ist selbstverständlich, und dahin geht mein Antrag - an die zuständigen Ausschüsse, d. h. den Auswärtigen Ausschuß, den Wirtschaftsausschuß und den Außenhandelsausschuß, überwiesen werden. Sie werden in diesen Ausschüssen schon deswegen eingehend geprüft werden müssen, weil auf der einen Seite die Materie, wie gesagt, sehr komplex ist und weil auf der anderen Seite dieses Vertragswerk, wie auch Herr Kalbitzer sagt, eine wichtige Etappe im Rahmen der deutsch-sowjetischen Beziehungen darstellt. Um so sorgfältiger sollte man die Abkommen prüfen, zumal, da daraus das Problem erhellt, wie wir in Zukunft das deutsch-russische Verhältnis auf dem Außenhandelssektor gestalten können. Der Herr Außenminister hat die Vorgeschichte dieses Abkommens bereits im wesentlichen geschildert. Ich darf mich deshalb auf eine kurze Bemerkung beschränken. Die beiden Abkommen, die der Ratifizierung durch dieses Hohe Haus unterliegen, sind für sich allein nicht ohne weiteres verständlich; man muß sie einbauen in den großen Zusammenhang mit dem Waren- und Zahlungsabkommen, dem Warenprotokoll für das Jahr 1958 und dem Repatriierungsabkommen, über die ich bereits gesprochen habe. Das Waren- und Zahlungsabkommen ist auf drei Jahre abgeschlossen. Es fixiert klare Kontingente. Insofern sind wir dem russischen Wunsch entgegengekommen. Das Volumen des Abkommens beträgt etwa 3,15 Milliarden DM. Über die Zuwachsraten wird im Laufe der nächsten Jahre gesprochen. Die Kontingente werden jährlich festgesetzt. Es ist kein Swing vereinbart. Die Einfuhrliste, die dem Abkommen annexiert ist, enthält im wesentlichen die klassischen Produkte des russischen Außenhandels, d. h. Lebensmittel, gewisse industrielle Rohstoffe, Baumwolle, Flachs und Hanf, also die Produkte, die die Sowjetunion heute üblicherweise absetzt. Das Gesamtvolumen beträgt etwa 400 bis 450 Millionen DM. Bei einer Gesamteinfuhr von 31,7 Milliarden DM im Jahre 1957 würde sich diese Einfuhr also auf etwa 1,5 % der deutschen Gesamteinfuhr belaufen. Die Ausfuhr beschränkt sich im wesentlichen auf Maschinen und Ausrüstungen für die Investitionsgüter- und die Konsumgüterindustrie. Interessant ist, daß praktisch der größte Teil der Positionen Gesamtausrüstungen für Betriebe und Werke enthält, und zwar im wesentlichen für die Stahlindustrie, Maschinenindustrie, Bergbau, Fahrzeugindustrie, die chemische Industrie, den Schiffsbau und die Konsumgüterindustrie, so daß den Russen hier ein Sortiment angeboten ist, wie es für sie nicht interessanter sein könnte. Ich habe schon auf die Kohleaufbereitungsanlagen und die schweren Werkzeugmaschinen verwiesen, Produkte, die für die Russen von größter Bedeutung sind. Was die Rohstoffliste anlangt, so liefern wir Walzmaterial, Kabel, Kaltwalzband, Stapelfasern, Kunstseidegarne etc. Das Konsumgüterkontingent ist relativ klein. Insgesamt umfaßt die Ausfuhrliste etwa 1,3 bis 1,5 % der deutschen Ausfuhr. Noch einige Worte zum Handels- und Schifffahrtsvertrag, der ein sogenannter kleiner und kein klassischer ist, sondern sich auf eine Reihe von konkreten Bestimmungen beschränkt. Die deutsche Konzession in der Frage der Meistbegünstigung beschränkt sich auf einige Positionen. Die Meistbegünstigung als solche findet im übrigen eine entscheidende Einschränkung in bezug auf die EWG, die Montan-Union und die Freihandelszone. In letztgenanntem Fall ist lediglich ein Konsultationsrecht vorgesehen. Weiterhin haben beide Vertragsteile keinen Anspruch auf Liberalisierung, auf die Erteilung von Einfuhr- und Ausfuhrbewilligungen, auf Verbilligungsmaßnahmen usw.. Kontingente sind zwar vereinbart, und es besteht eine Verpflichtung, alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um sie zu erfüllen, aber kein verbindlicher Anspruch auf ihre Einhaltung. Bei den Schiffahrtsfragen herrscht das Prinzip der Nichtdiskriminierung. Es ist weiter eine Handelsvertretung vereinbart worden, und zwar nach dem Muster der Vertretung, die auf Grund des letzten Vertrages von 1925 in Berlin errichtet worden ist. Schiedsvereinbarungen mit entsprechenden Vollstreckungsmöglichkeiten sind vorgesehen. Der Konsularvertrag ist ein klassischer Konsularvertrag. Auf fünf Jahre eingerichtet, stellt er die konsularische Tätigkeit auf eine klare rechtliche Grundlage. Er stipuliert die entscheidenden Funktionen des Konsuls und sieht die Notwendigkeit des Exequaturs vor. Wichtig ist, daß zunächst die konsularische Tätigkeit praktisch auf beide Botschaften beschränkt wird. Weitere Konsulate sind an sich zunächst nicht vorgesehen, es sei denn auf Grund einer besonderen Vereinbarung. Der Grundsatz der Amtsimmunität ist vereinbart. Die Konsularbeamten haben die Privilegien, die bei internationalen Vereinbarungen dieser Art üblich sind. In der Presse ist geäußert worden, daß eine Berlin-Klausel fehle. Sie wissen, daß die Russen es grundsätzlich ablehnen, zum Problem Berlin in Teilabschnitten Stellung zu nehmen. Da sie de facto mit der Einbeziehung West-Berlins sowohl in den Handelsaustausch al s auch auf der konsularischen Seite einverstanden sind, können wir im Interesse der Westberliner mit dieser Art der Regelung durchaus zufrieden sein. Ich habe versucht, Ihnen gewissermaßen ein Gesamtbild der beiden Verträge zu geben. Beide Verträge samt dem Warenvertrag, dem Warenprotokoll 1958 und dem Repratriierungsabkommen sollten den Ausschüssen zugewiesen werden, wo wir in den nächsten Monaten Gelegenheit haben, uns im einzelnen mit der Gesamtproblematik zu beschäftigen. Da wir in allen Fraktionen dieses Hauses der Meinung sind, daß dieses Vertragswerk von großer Bedeutung ist und eine wichtige Etappe im Rahmen der deutsch-sowjetischen Beziehungen darstellt, verdient eis auch, entsprechend gewürdigt und erörtert zu werden. Ich beantrage deshalb, das gesamte Vertragswerk, das uns heute in der Vorlage 545 zugeleitet worden ist, an die drei zuständigen Ausschüsse zu überweisen. ({1})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die allgemeine Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung. Es ist der Antrag gestellt, die Vorlage zu überweisen, und zwar das Handels- und Schiffahrtsabkommen an den Außenhandelsausschuß - federführend - und den Ausschuß für Auswärtige Angelegenheiten - mitberatend -, den Konsularvertrag an den Ausschuß für Auswärtiges - federführend - und den Außenhandelsausschuß - mitberatend -. Ist das Haus damit einverstanden? - Dann ist so beschlossen. Meine Damen und Herren, ich habe ein Versäumnis gutzumachen, denn ich habe unterlassen, Punkt 2 der Tagesordnung aufzurufen. Ich hole das hiermit nach: Nachwahl eines deutschen Mitgliedes der Versammlung der europäischen Gemeinschaften ({0}) Der Abgeordnete Dr. Elbrächter hat sein Mandat niedergelegt. Die Fraktion der Deutschen Partei hat an seiner Stelle den Abgeordneten Dr. Schild vorgeschlagen. Ich bitte diejenigen, die dafür sind, daß der Abgeordnete Dr. Schild gewählt wird, um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Wahl fest. Ich rufe auf Punkt 6 der Tagesordnung: Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Dittrich, Horn, Dr. Rüdel ({1}), Frau Dr. Vizepräsident Dr. Schmid Steinbiß, Dr. Stammberger, Schneider ({2}) und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über das Apothekenwesen ({3}). Zur Begründung erteile ich das Wort dem Abgeordneten Dr. Dittrich.

Dr. Stefan Dittrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000393, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Juni 1958 hat in Auslegung des Art. 12 des Grundgesetzes objektive Zulassungsbestimmungen für die Errichtung neuer Apotheken für verfassungswidrig erklärt und damit in Abkehr von dem bisherigen Konzessionssystem die unbeschränkte Niederlassungsfreiheit für Apotheker statuiert. Dadurch ist für das Apothekenrecht eine Situation geschaffen, die eine gesetzliche Neuregelung auf der Basis dieses Urteils des Bundesverfassungsgerichts dringend erforderlich macht. Deshalb haben sich über 100 Mitglieder der Fraktion der CDU/CSU, der FDP und der DP ent schlossen, einen Initiativgesetzentwurf einzubringen, damit das Apothekenwesen bundeseinheitlich geregelt wird. Mit diesem von uns beantragten Gesetz soll der offensichtlich fortschreitenden Zersplitterung auf dem Gebiete des Apothekenrechts Einhalt geboten werden. ({0}) Sie wissen, meine Damen und Herren, daß die Länder in den vergangenen Jahren darangegangen sind, eigene Apothekengesetze zu schaffen. Sie taten dies, um auf diese Weise der sich anbahnenden Rechtsunsicherheit zu begegnen. Das Apothekenrecht, das bisher überwiegend eine Materie des Länderrechts gewesen ist, ist außerordentlich vielgestaltig und gehört nach der Feststellung des Bundesverfassungsgerichts zu den unübersichtlichsten Rechtsmaterien. Seine Bestimmungen sind, so sagt das Bundesverfassungsgericht, für den Rechtsunterworfenen weder klar erkennbar noch mit hinreichender Sicherheit feststellbar. Durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist nun eine außerordentliche Unübersichtlichkeit eingetreten. Es erscheint uns notwendig, draußen wieder für eine Rechtssicherheit auf diesem Gebiet zu sorgen und deshalb den Entwurf dieses Apothekengesetzes so bald wie möglich zu behandeln. Gestatten Sie mir, daß ich Ihnen kurz die Situation darlege, die sich nach den bisherigen Anträgen in diesem Hohen Hause ergibt. Die SPD-Fraktion behandelt in ihrem Entwurf über das Arzneimittelrecht in wenigen Paragraphen - es sind, glaube ich, sieben oder acht - auch die Materie des Apothekenrechts. Sie will - so sind die Ausführungen der Sprecherin der SPD-Fraktion in Berlin zu verstehen - die Materie des Apothekenrechts zusammen mit der des Arzneimittelrechts behandelt wissen. So jedenfalls habe ich Frau Dr. Hubert in Berlin verstanden. Wir meinen dagegen, daß die Situation nach diesem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Juni 1958 so weit geklärt ist, daß wir an dem früheren Grundsatz, das Apothekengesetz solle zusammen mit dem Arzneimittelgesetz verabschiedet werden, nicht mehr festzuhalten brauchen. Einmal handelt es sich bei dem Apothekengesetz um ein reines Standesrecht der Apothekerschaft. Zum zweiten hat uns aber auch das Bundesverfassungsgericht, also das höchste deutsche Gericht, dargelegt, in welchem Rahmen ein neues Apothekengesetz geschaffen werden kann. Es hat uns also gleichsam eine Richtschnur für unser Tätigwerden gegeben. Deshalb glaube ich, daß das Argument, beide Materien, Arzneimittelrecht und Apothekenrecht, müßten zusammen verabschiedet werden, im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht mehr zieht. Die Bundesregierung hat am Anfang dieser Legislaturperiode einen Gesetzentwurf eingebracht, der mit der Rechtssituation, wie sie sich heute nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ergibt, nicht mehr im Einklang steht. Ich möchte deshalb meinen, daß die Bundesregierung diesen Gesetzentwurf entweder nicht mehr aufrechterhalten wird oder jedenfalls in den Ausschußberatungen an das bestehende Recht, das durch das Bundesverfassungsgerichtsurteil geschaffen ist, anzupassen wünscht. Ich habe davon Kenntnis, daß sich die Bundesregierung mit dem Gedanken getragen hat, einen neuen Apothekengesetzentwurf einzubringen. Weiterhin haben wir uns die Frage zu stellen, ob ein eigener Gesetzentwurf der Regierung, nachdem dieser Gesetzentwurf von einer so großen Anzahl von Abgeordneten aus den Reihen der CDU/CSU, der FDP und der DP eingebracht worden ist, in diesem Hohen Hause überhaupt noch eingebracht werden muß. Der von dieser großen Anzahl von Abgeordneten eingebrachte Gesetzentwurf über ein Apothekenrecht will sich den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts anpassen. Er will also die Rechtsunsicherheit im Apothekenwesen durch eine bundesgesetzliche Regelung beseitigen. Dieser Apothekengesetzentwurf will aber auch die Prinzipien des Grundgesetzes hinsichtlich der Freiheit der Berufswahl verankern und von sich aus der Rechtsstellung des Apothekerberufes als eines gewerblichen freien Berufes des Gesundheitswesens, wie das Bundesverfassungsgericht es ausgedrückt hat, Rechnung tragen. Zugleich soll in dem dem Hohen Hause vorgelegten Gesetzentwurf mit Rücksicht auf das überragende Gemeinschaftsgut der Volksgesundheit für das Apothekenwesen die Rechtsgrundlage geschaffen werden, die für die Stellung und Funktion der Apotheke im Arzneimittelverkehr unerläßlich ist. Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir bei dieser ersten Lesung, nur wenige Grundsätze herauszuarbeiten. Ich habe bereits eingangs erwähnt, daß uns die Bearbeitung dieser Materie vordringlich erscheint, und ich habe ausgeführt, daß es nach unserer Meinung nicht tunlich ist, dieses Apothekengesetz erst mit dem Arzneimittelgesetz zu verabschieden, weil die Verabschiedung des Arzneimittelgesetzes bei der außerordentlich schwierigen Materie und den verschiedenen Interessen, die sich in diesem Gesetz widerspiegeln, ohne Zweifel noch eine lange Zeit auf sich warten lassen wird. Dir, Dittrich Was uns bei diesem Gesetzentwurf vorschwebt, ist, die alte, gute, jahrhundertealte Apotheke im Interesse unserer Gesundheitspflege aufrechtzuerhalten, soweit das im Rahmen der Grundsätze des Urteils des Bundesverfassungsgerichts überhaupt noch möglich ist. Wir möchten deshalb die Apotheke nach Möglichkeit im Besitz eines Apothekers wissen. Wir wollen den Mehrbesitz möglichst hintanhalten. Wir wollen auch, soweit das im Rahmen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts möglich ist, den Fremdbesitz in den Hintergrund schieben. Vor allem wollen wir verhindern - das möchte ich im Interesse unseres Mittelstandes sagen -, daß sich Kapitalunternehmungen an Apotheken beteiligen können. Wir wollen vor allem zur Verhinderung der Gefährdung der Volksgesundheit der Gefahr einer Vertrustung des Apothekenwesens entgehen. Wir wollen die Möglichkeit der Verwaltung der Apotheke schaffen. Wir wollen im Interesse der Witwe und der Kinder von Apothekern aber auch die Möglichkeit der Verpachtung geben. Im Zusammenhang mit der Verpachtung werden wir zu überprüfen haben, ob wir nicht da und dort, wo besondere Härten durch den Verkauf der Apotheke eintreten könnten, Milderungen vorsehen sollten, um vor allem von dem obersten Grundsatz, von dem wir uns bei diesem Gesetzentwurf leiten lassen müssen, nämlich dem des Eigentums, nicht abzuweichen. Es geht uns darum, im Interesse der Volksgesundheit ein Apothekengesetz zu schaffen, das diesen Grundsätzen der Erhaltung der Volksgesundheit gerecht wird. Ich weiß sicher, daß auch mit Hilfe der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei, deren Intentionen hinsichtlich der Schaffung eines Apothekengesetzes unseren ähneln, ein Gesetz geschaffen werden kann, durch das der Apothekerstand erhalten bleibt und mit dem unsere Verwaltung etwas anzufangen weiß. ({1})

Dr. Max Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000130

Sie haben die Begründung gehört. Ich eröffne die Debatte. - Das Wort hat der Abgeordnete Lange.

Erwin Lange (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001283, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedauere eigentlich, aus Anlaß dieser Vorlage zu dem Problem Arzneimittelwesen und Apothekenwesen für meine Fraktion noch einmal etwas sagen zu müssen. Aber wir sind doch in diese merkwürdige Lage durch das - lassen Sie es mich einmal so formulieren - Versagen der Bundesregierung auf diesem Gebiete hineingekommen. ({0}) Die Bundesregierung hat von vornherein versäumt, wie vor Jahr und Tag gefordert, ein Gesetz über das Arzneimittelwesen vorzulegen. Es ist ihr vom Bundesverfassungsgericht am 11. Juni bescheinigt worden, daß das die vordringliche Aufgabe gewesen wäre und nicht die, ein mehr oder minder fragwürdiges Apothekengesetz vorzulegen. Wir haben als sozialdemokratische Fraktion mit der Drucksache 485 dem Hause eine Verhandlungsgrundlage angeboten. Wir haben in dieser Drucksache 485 - sie ist in der ersten Lesung in Berlin behandelt worden - das Gesamtproblem so, wie es auch nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Juni dieses Jahres gelöst werden sollte, angefaßt und Lösungsvorschläge angeboten. Wir haben vorgeschlagen, im Gesamtrahmen einer Regelung des Arzneimittelwesens die Apotheke als Hersteller und auch die Apotheke als Verteiler einzubeziehen, weil wir die übrigen Hersteller und den übrigen Handel ebenfalls im Arzneimittelgesetz erfassen müssen. Die Bundesregierung hat weiterhin darauf bestanden, einen eigenen Gesetzentwurf vorzulegen. Gut, das kann man ihr nicht einmal verargen. Sie hat aber in diesem Entwurf zu einem Arzneimittelgesetz die Apotheken eindeutig ausgeschlossen und wird wahrscheinlich beabsichtigen - wenn die Worte des Kollegen Dittrich einen Sinn haben -, noch einmal einen eigenen Entwurf vorzulegen. Aber was hätte dann näher gelegen, als daß die Bundesregierung ihre Vorlage über die Regelung des Apothekenwesens, die ja diesem Hause immer noch Kummer bereitet, in dem Augenblick zurückgezogen hätte, in dem das Bundesverfassungsgericht sein Urteil gesprochen hat. Wenn es auch nicht ausdrücklich über diese Vorlage sein Urteil gesprochen hat, so hat es doch erkennbar auch diese Vorlage als nicht verfassungsmäßig betrachtet. Man muß manchesmal den Eindruck haben, daß auf der Seite der Regierung das notwendige Fingerspitzengefühl in der Beurteilung und Beachtung von höchstrichterlichen Urteilen, in diesem Fall eines verfassungsgerichtlichen Urteils, fehlt. Es wäre also nützlich und gut, wenn die Regierung in diesem Zusammenhang eine eindeutige Erklärung dergestalt abgäbe, daß das Apothekengesetz, das diesem Hause noch vorliegt und das anerkanntermaßen verfassungswidrig ist, zurückgezogen wird. Nun noch eine Bemerkung zu der Vorlage, nicht über den Inhalt der Vorlage, denn der Inhalt der Vorlage stimmt weitgehend mit dem überein, was in dem sozialdemokratischen Antrag Drucksache 485 betreffend den Entwurf eines Gesetzes über die Herstellung und das Inverkehrbringen von Arzneimitteln enthalten ist. Wir haben den Versuch gemacht, in diesem Entwurf in einem etwas größeren Umfange, als hier vorhin behauptet - insoweit möchte ich Herrn Dr. Dittrich doch korrigieren -, in zwei Abschnitten das Apothekenwesen in dem vorhin genannten Sinne zu regeln. Das Ganze umfaßt 26 Paragraphen und bedeutet der Sache nach das gleiche, was diese von über 100 Kollegen unterzeichnete Vorlage bedeutet. Aber begeben wir uns - immer im Hinblick auf das, was hier versäumt worden ist - mit der Vorwegregelung dieses Komplexes nicht auch schon wieder auf einen Weg, der geeignet ist, gegen das, was im Bundesverfassungsgerichtsurteil festgestellt ist, zu verstoßen? Begeben wir uns da nicht schon wieder auf einen Weg, der im Hinblick auf die Beachtung verfassungsgerichtlicher Urteile auch durch das Parlament etwas fragwürdig erscheint? Was verschlüge es, wenn man - das ist auch die Frage an die Antragsteller -, falls man die Druck2626 Lange ({1}) sache 485, also den Entwurf der Opposition, zur Beratungsgrundlage macht, tatsächlich in die Verhandlungen über ein Gesetz über das Arzneimittelwesen einträte? Das ist doch das, Herr Kollege Dr. Dittrich, was in diesem Zusammenhang nach unserer Überzeugung mit Rücksicht auf das Bundesverfassungsgerichtsurteil notwendig wäre. Ich will mich gar nicht weiter zu den Bemerkungen hinsichtlich der Überschneidung von gesundheitspolitischen und wirtschaftspolitischen Erwägungen äußern. Ich will nur eines sagen: daß wir hier ein Beispiel haben, bei dem man die vernünftige Mitte unter Anerkennung des Gesundheitspolitischen auch im Wirtschaftspolitischen finden muß. Der Versuch ist in beiden Fällen gemacht worden. Aber was wir nach unserer Überzeugung hier wegen des Vorhandenseins des bundesverfassungsgerichtlichen Urteils nicht können, ist, zu versuchen, für einen kleinen Sektor von Arzneimittelherstellern und dem Grunde nach auch für einen kleinen Sektor von Arzneimittelverteilern vorweg eine gesetzliche Regelung zu schaffen. Lassen Sie uns gemeinsam den Versuch unternehmen, ein Arzneimittelgesetz zustande zu bringen - ein gründlich beratenes Gesetz; ich glaube, darin sollten wir übereinstimmen -, und lassen Sie uns auch gemeinsam feststellen, daß die Behörden der Länder die für die Erteilung der Erlaubnis zuständigen Stellen auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 11. Juni dieses Jahres zu verweisen haben. Die dafür zuständigen Stellen können sich nicht vom Boden des Urteils des Bundesverfassungsgerichtes entfernen. Insoweit sind also die Länderregierungen gebunden. Sie üben die Aufsicht über die anderen Organe aus, die ihnen nachgeordnet sind und unterstehen, die sie entsprechend unterrichten und anweisen müssen, so daß bis zur Verabschiedung eines umfassenden Arzneimittelgesetzes, das wir gern möchten, die Gefahr, die Sie, Herr Dr. Dittrich, hier geschildert haben und die möglicherweise auch die anderen Antragsteller sehen, nicht ohne weiteres zu entstehen braucht. ({2}) - Sicher, das ist richtig. Aber sicher ist auch das richtig und für jeden Staatsbürger erkennbar: Da das Bundesverfassungsgericht in diesem Fall eine so umfassende Begründung seines Urteils gegeben hat, wird der Gesetzgeber sich über diese Urteilsbegründung nicht hinwegsetzen, also kein gegenteiliges Gesetz verabschieden können. Insoweit kann sich jedes Exekutivorgan ausrechnen, daß ein Verstoß gegen die in der Begründung festgestellten Grundsätze praktisch zur Annullierung der erteilten Erlaubnis oder zum Aufleben der nicht erteilten Erlaubnis führen würde. Insoweit sehen wir also keine Bedenken, und unser Wunsch wäre es - wenn Sie schon ein solches Interesse haben, und das Interesse, möglichst schnell eine Regelung für das gesamte Bundesgebiet zu finden, ist bei allen vorhanden -, daß der Versuch gemacht wird, in den beteiligten Ausschüssen in die Beratung unserer Vorlage einzutreten. ({3})

Dr. Max Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000130

Das Wort hat Herr Staatssekretär Dr. Anders.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da Herr Abgeordneter Lange das Verhalten der Bundesregierung in diesem Punkte kritisiert hat, möchte ich folgendes erklären. Es war seitens der Bundesregierung niemals beabsichtigt, nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Juni 1958 den Regierungsentwurf eines Gesetzes über das Apothekenwesen vom 30. November 1957 - Drucksache 35 - in seiner bisherigen Gestalt weiterzuverfolgen. Er sollte mit der Einbringung eines neuen Regierungsentwurfs auch formell für erledigt erklärt werden. Nachdem inzwischen zwei Initiativgesetzentwürfe zur Regelung des Apothekenwesens eingebracht worden sind, wird die Bundesregierung entscheiden müssen, ob sie sich mit einer Stellungnahme gegenüber den Initiativgesetzentwürfen begnügen will. Diese Entscheidung wird unverzüglich getroffen werden.

Dr. Max Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000130

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Stammberger.

Dr. Wolfgang Stammberger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002215, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur kurz einige Worte zu dem, was Herr Kollege Lange gesagt hat. Herr Kollege Lange, Sie gehen immer wieder von der Ansicht aus, daß zwischen dem Arzneimittelgesetz und dem Apothekengesetz ein gewisser integrierender Zusammenhang bestehe. ({0}) - Ich habe Ihnen bereits bei der ersten Lesung Ihres Arzneimittelgesetzentwurfs in Berlin gesagt, daß das nach unserer Auffassung nicht der Fall ist. Das Arzneimittelgesetz regelt die Ware, und das Apothekengesetz regelt die Berufsordnung für diesen Beruf. Die Rechtsanwaltsordnung finden Sie ja auch nicht in der Zivilprozeßordnung, obwohl in dieser auch manches über die Aufgaben der Anwälte steht. Ich möchte nur diesen einen Vergleich ziehen, obwohl ich noch sehr viele andere dieser Art ziehen könnte. Im Gegensatz zu Ihnen, Herr Kollege Lange, bin ich der Auffassung, daß wir gerade wegen des Karlsruher Urteils so schnell wie möglich zu einem Apothekengesetz kommen müssen.

Dr. Max Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000130

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Wolfgang Stammberger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002215, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Bitte sehr!

Erwin Lange (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001283, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Stammberger, warum haben Sie dann über den auch von Ihnen unterzeichneten Gesetzentwurf geschrieben: Entwurf eines Gesetzes über das Apothekenwesen? Warum haben Sie nicht geschrieben: Ordnung des Apothekerberufs?

Dr. Wolfgang Stammberger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002215, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege, ich muß schon sagen: das ist eine Haarspalterei, die nicht einmal unter uns Juristen üblich ist! ({0}) Sollte das aber das einzige sein, Herr Kollege, was Sie hindert, unserem Antrage zuzustimmen, dann sind wir gern bereit - ich glaube, Herr Kollege Dittrich wird mir zustimmen -, den Antrag sofort entsprechend zu ändern. Und nun will ich Ihnen sagen, warum ich der Auffassung bin, daß wir möglichst schnell zu einem Apothekenrecht kommen müssen: weil zwar nicht rechtlich, aber gesetzlich durch das Karlsruher Urteil eine gewisse Unsicherheit eingetreten ist; denn wir haben jetzt nicht nur ganz verschiedene, teilweise miteinander divergierende Ländergesetze, sondern ein großer Teil dieser Ländergesetze ist zudem auch noch verfassungswidrig, weil sie meist die Konzession voraussetzen. Nun ist es unbedingt erforderlich - gerade weil im Augenblick auf Grund des Karlsruher Urteils neue Apotheken wie das Kraut aus dem Boden schießen -, sobald wie möglich ein - und da gehen wir einig - dem Karlsruher Urteil entsprechendes neues Apothekengesetz zu schaffen. Weil die Probleme, die auf Grund dieses Urteils noch bestehen, sehr gering sind, bin ich der Auffassung - das werde ich auch im Ausschuß vertreten, Herr Kollege -, daß wir dieses Apothekengesetz sogar noch vor dem Arzneimittelgesetz verabschieden sollten; denn das Apothekengesetz wird uns nach der augenblicklichen Rechtslage nicht mehr lange beschäftigen, während uns das Arzneimittelgesetz wahrscheinlich eine sehr, sehr lange Zeit beschäftigen wird. ({1})

Dr. Max Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000130

Das Wort hat nun Frau Abgeordnete Dr. Hubert.

Dr. Elinor Hubert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000969, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Stammberger, es ist keineswegs eine Haarspalterei, ob man eine Berufsordnung oder ein Gesetz über das Apothekenwesen macht. Aber mit Bezug auf das hier angezogene Urteil des Bundesverfassungsgerichts sind wir der Meinung, daß man dies - das Apothekenwesen - nicht vorweg lösen kann. Das Bundesverfassungsgericht hat ausdrücklich gesagt: Zum Schutze der Gesundheit ist es allerdings durchaus möglich, hinsichtlich des Apothekerberufes und hinsichtlich des Betriebs und der Herstellung von Arzneiwaren in der Apotheke Sonderregelungen zu treffen. Man kann aber Regelungen für die Apotheke nicht unter den Oberbegriff „Schutz der Gesundheit" treffen, wenn man vorher nicht alle übrigen Möglichkeiten des Gesetzgebers ausgeschöpft hat, in bezug auf die Dinge etwas zu tun, bei denen die Gefährdung der Gesundheit viel größer ist, nämlich bei den 80 bis 90 % Arzneiwaren, die nicht in der Apotheke, sondern von der Industrie hergestellt werden. Wenn Sie sich das Urteil des Bundesverfassungsgerichts genau durchlesen, werden Sie sehen, daß gerade darauf vom Verfassungsgericht besonderer Nachdruck gelegt worden ist. Das Verfassungsgericht sagt nämlich: Wenn ihr für die Apotheken Regelungen zum Schutze der Gesundheit treffen wollt, müßt ihr vorher Vorschriften für die weit umfangreichere und damit gefährlichere Arzneimittelherstellung industrieller Art treffen. Darum sind wir der Meinung, daß wir das Apothekenwesen im Zusammenhang mit dem Arzneimittelgesetz regeln müssen.

Dr. Max Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000130

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Elinor Hubert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000969, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja!

Dr. Wolfgang Stammberger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002215, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Dr. Hubert, ist es nicht vielmehr so, daß das Bundesverfassungsgericht gesagt hat, bevor man zu einem Apothekenmonopol komme, müsse man im Arzneimittelrecht gewisse Beschränkungen treffen? Da aber das Bundesverfassungsgericht die Konzession für verfassungswidrig erklärt, steht diese Frage gar nicht mehr zur Debatte; denn wir wollen ja alle keine Konzession.

Dr. Elinor Hubert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000969, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Nein, Herr Kollege Stammberger, da haben Sie mich mißverstanden. Diese Frage steht gar nicht zur Debatte. Hier sind gewisse Regelungen für die Apotheken vorgesehen. Herr Kollege Dittrich wies darauf hin, Sie möchten verhindern, daß z. B. ein Apotheker mehrere Apotheken hat oder daß Kapitalgesellschaften Apotheken gründen. Das sind Eingriffe, und diese Eingriffe können nur gemacht werden, wenn ein übergeordnetes Gut, nämlich die Gesundheit, es erfordert. Da sind wir uns doch völlig einig. Hierzu sagt das Bundesverfassungsgericht: Das könnt ihr dann aber nicht nur für 10 % dieser Waren oder für einen ganz kleinen Sektor regeln, sondern dann müßt ihr eben für alle Gebiete Regelungen treffen, auf denen die Gesundheitsgefährdung eintritt. Sie tritt bei der industriellen Herstellung genauso, ja in verstärktem Maße ein. Darum meine ich, daß wir die ganze Arzneimittelfrage nur im Gesamtrahmen und nur gleichzeitig regeln können.

Dr. Max Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000130

Wird das Wort weiter gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Die Aussprache ist geschlossen. Es ist die Überweisung an den Ausschuß für Gesundheitswesen - federführend - und an den Wirtschaftsausschuß sowie den Rechtsausschuß - zur Mitberatung - vorgeschlagen. Ich darf wohl annehmen, daß der Herr Antragsteller damit einverstanden ist. Werden weitere Anträge hierzu gestellt? - Das ist nicht der Fall. Wir kommen zur Abstimmung. Wer für die Überweisung an den Ausschuß für Gesundheitswesen - federführend - und an den Wirtschaftsausschuß sowie den Rechtsausschuß - zur Mitberatung - ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Danke. Ich bitte um die Gegenprobe. - Es ist so beschlossen. Vizepräsident Dr. Becker Aus verschiedenen Teilen des Hauses ist mir der Wunsch vorgetragen worden, den Punkt 9 der Tagesordnung vor der Verhandlung des Punkte 8 zur Debatte zu stellen. - Ich höre keinen Widerspruch. Ich darf annehmen, daß Sie damit einverstanden sind; dann ist so beschlossen. Ich rufe Punkt 9 der Tagesordnung auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Lebensmittelgesetzes ({0}). Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Gesundheitswesen ({1}) ({2}). ({3}) Es liegen hierzu Änderungsanträge auf den Umdrucken 169 und 170 vor. Ich erteile zunächst der Frau Abgeordneten Dr. Steinbiß als Berichterstatterin das Wort. ({4}) - Frau Kollegin Dr. Steinbiß bezieht sich auf ihren Schriftlichen Bericht. Ich richte die Frage an Frau Abgeordnete Keilhack, ob sie das Wort als Berichterstatterin wünscht. ({5}) - Das ist auch nicht der Fall. Dann treten wir in die Beratung des Gesetzes im einzelnen ein. ({6}) - Es wird mir mitgeteilt, daß noch einige Anträge nachkommen werden. Darf ich 'fragen, ob sich diese Anträge auf die ersten Paragraphen beziehen werden? ({7}) Kommt noch einer? - Würde er eventuell mündlich vorgetragen werden, wenn der betreffende Paragraph zum Aufruf kommt? - Ich würde vorschlagen, so zu verfahren, daß er später noch gedruckt vorgelegt wird. Wir kommen also bei der Einzelberatung zu Art. 1 in der Ausschußfassung. Hierzu liegen vor ein Antrag auf Umdruck 169 Ziffer 1 und ein Antrag auf Umdruck 170 Ziffer 1. Der Antrag Umdruck 169 Ziffer 1 a) und b) bezieht sich auf Art. 1 Nr. 5, der Antrag Umdruck 170 Ziffer 1 auf Art. 1 Nr. 6. Wer begründet den Antrag Umdruck 169 Ziffer 1 zu Art. 1 Nr. 5? - Zur Begründung hat das Wort der Abgeordnete Dr. Stammberger.

Dr. Wolfgang Stammberger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002215, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der federführende Ausschuß hat mit Mehrheit die Kennzeichnungspflicht beschlossen. Wir Freien Demokraten wollen auch jetzt ;in der zweiten und dritten Lesung an diesem Prinzip festhalten. Wir sind aber nicht der Meinung, daß sich die Kennzeichnungspflicht auch auf die sogenannten technischen Hilfsstoffe erstrecken sollte, die nur vorübergehend und eigentlich nicht zum Zwecke des späteren Verzehrs in das Lebensmittel gebracht worden sind. Die technischen Hilfsstoffe haben eine gewisse Sonderregelung dadurch erfahren, daß wir sie aus dem Verbotsprinzip herausgenommen und die Regelung nach dem Mißbrauchsprinzip gestaltet haben. Wir sind daher der Meinung, daß man nicht grundsätzlich von der Kenntlichmachung ausgehen, sondern hier an Stelle der - wenn auch durch Ausnahmen eingeschränkten - Muß-Vorschrift eine Kann-Vorschrift setzen sollte. Ich darf darauf hinweisen, daß unsere Anträge zu a) und b) in einem gewissen Zusammenhang stehen; denn der Ersatz für die nach Ziffer 1 a) des Antrages zu streichenden Worte ist der neue Abs. 2 - Ich bitte um Entschuldigung. Ich habe 'bereits den zweiten Antrag begründet. Ich möchte den ersten Antrag begründen, der die Kenntlichmachung der Strahlen betrifft.

Dr. Max Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000130

Zu § 4 c, wenn ich recht verstanden habe, in Art. 1 Ziffer 5?

Dr. Wolfgang Stammberger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002215, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ja, zu § 4 c. - Meine Damen und Herren! Bei den sehr knappen Abstimmungsverhältnissen im Ausschuß ist ein unschönes Ergebnis dadurch zustande gekommen, daß wir zwar bei den Fremdstoffen die Kennzeichnungspflicht beschlossen, daß wir es aber bei den Strahlen bei der von der Regierung vorgeschlagenen Kann-Vorschrift belassen haben. Wir sind der Auffassung, daß auch für Strahlenbehandlung grundsätzlich die Kennzeichnungspflicht eingeführt werden und die Regierung nur ermächtigt werden sollte, durch Rechtsverordnung Ausnahmen zuzulassen, wenn die Behandlung nach Art und Dosierung unbedenklich ist und der Verbraucher durch die Unterlassung der Kenntlichmachung in seiner berechtigten Erwartung nicht getäuscht werden kann. Das erscheint uns deshalb erforderlich, weil wir ja ebenso wie die Fremdstoffzusätze auch die Strahlenbehandlung nach dem Verbotsprinzip behandelt haben. Die Mehrheit des Ausschusses hat damit den Standpunkt vertreten, daß auch die Behandlung mit Strahlen nur zulässig sein soll, wenn eine ausdrückliche Genehmigung vorliegt. Das setzt meines Erachtens auch eine entsprechende Regelung hinsichtlich der Kennzeichnungspflicht voraus. Wir beantragen daher in Ziffer 1 a unseres Antrags Umdruck 169, in § 4 c Satz 2 die Worte „und vorschreiben, wie die so behandelten Lebensmittel kenntlich zu machen sind" zu streichen, und beantragen in Ziffer 1 b unseres Antrags, einen neuen Abs. 2 anzufügen, wonach die Strahlenbehandlung grundsätzlich kennzeichnungspflichtig ist und die Regierung lediglich ermächtigt wird, durch Rechtsverordnung Ausnahmen zuzulassen, wenn die Behandlung nach Art und Dosierung unbedenklich ist und der Verbraucher durch die Unterlassung der Kenntlichmachung in seiner berechtigten Erwartung nicht getäuscht werden kann. ({0})

Dr. Max Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000130

Meine Damen und Herren, ich habe, nachdem ich dem Abgeordneten Stammberger das Wort erteilt hatte, vom Büro einen neuen Antrag erhalten. Das ist der Umdruck 172. Er enthält eine Reihe von Anträgen der Fraktion der SPD. Dieser Umdruck wird, wie mir mitgeteilt worden ist, demnächst verteilt werden. Ich habe ferner einen Umdruck 173 mit Anträgen der Fraktion der CDU/CSU erhalten. Herr Abgeordneter Stammberger hat soeben den Antrag Umdruck 169 Ziffer i zu § 4 c begründet. Ich mache darauf aufmerksam, daß in dem Antrag der SPD Umdruck 172 unter Ziffer 1 a schon der § 4 a angesprochen wird. Ich möchte nun, um Klarheit bei der Abstimmung zu haben, zunächst den soeben begründeten Antrag - bzw. den korrespondierenden Antrag der SPD - zu § 4 c erledigen lassen, sehe mich dazu aber nur dann in der Lage, wenn Annahme oder Ablehnung des Antrags zu § 4 a keine indirekte Wirkung auf § 4 c hat. Darf ich die Schriftgelehrten zu diesem Gesetz fragen, wie sie dazu stehen. ({0}) - Ich höre, daß keine Wechselbeziehung besteht. Wir können also den soeben begründeten Antrag zu § 4 c zunächst erledigen. Ich bitte aber gleichzeitig, weil im Umdruck 172 unter Ziffer 1 b zu § 4 c Satz 2 ein Änderungsantrag - ({1}) - Ich habe vor zwei Minuten erklärt, Herr Kollege, daß dieser Antrag verteilt wird. Mir liegen die Anträge vor. Wenn Sie wünschen, daß die Sitzung unterbrochen wird, bis die Anträge schriftlich vorliegen, bitte ich, diesen Antrag zu stellen. ({2}) - Ich stelle anheim, einen Antrag zu stellen. - Bitte, Herr Kollege Stammberger.

Dr. Wolfgang Stammberger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002215, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es handelt sich hier um ein Gesetz von erheblicher Bedeutung, dessen Beratung ja auch von der Öffentlichkeit mit grollen Erwartungen verfolgt wird. Ich halte eine überstürzte Behandlung für untunlich, bei der, weil die Anträge noch nicht vorliegen, solche Pannen passieren, wie mir eine soeben bereits passiert ist. Ich möchte daher namens meiner Fraktion beantragen, die Sitzung zu unterbrechen, bis allen Abgeordneten des Hauses sämtliche Anträge zugegangen sind. ({0}) - Ich beantrage eine Sitzungspause bis 14 Uhr. Es empfiehlt sich dann natürlich, gleich die Mittagspause einzubeziehen.

Dr. Max Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000130

Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Mommer.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001529, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Es ist richtig, wir sollten nicht weiterberaten, ehe wir nicht die Anträge schriftlich vorliegen haben. Aber wir können inzwischen etwas anderes tun, nämlich die anderen Punkte der Tagesordnung erledigen. Ich bitte also, die zweite Beratung dieses Gesetzes zu unterbrechen und zunächst die weiteren Punkte der Tagesordnung vorzunehmen. ({0})

Dr. Max Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000130

Dann kann ich den Antrag Mommer zur Abstimmung stellen. ({0}) - Punkt 8 soll ganz zurückgestellt werden. Jetzt ziehen wir aber Punkt 10 und die folgenden Punkte vor. So habe ich wohl recht verstanden. Ich halte dieses Verfahren auch für richtig und darf wohl das allgemeine Einverständnis dazu annehmen. Die Beratung des Punktes 9 der Tagesordnung wird hiermit unterbrochen. Wir werden uns verständigen, wann wir sie fortsetzen - spätestens nach Erledigung der übrigen Tagesordnungspunkte mit Ausnahme des Punktes 8, der nach wie vor hinter Punkt 9 zurückgestellt bleibt. Herrscht hierüber Einverständnis? - Ich stelle das fest. Dann rufe ich den auch noch nicht erledigten Punkt 7 der Tagesordnung - der sich aber schnell erledigen läßt - auf: Erste Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den Fristablauf ({1}). Wird der Antrag begründet? - Das ist wohl nicht der Fall. Wortmeldungen liegen auch nicht vor. Ich rufe die erste Beratung auf. - Ich schließe die Debatte. Es ist vorgeschlagen, den Entwurf an den Rechtsausschuß zu überweisen. Werden weitere Anträge hierzu gestellt? - Das ist nicht der Fall. Dann bitte ich diejenigen, die der Überweisung dieser Vorlage an den Rechtsausschuß zustimmen, um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Die Überweisung ist beschlossen. Nunmehr rufe ich Punkt 10 der Tagesordnung auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Haager Übereinkommen vom 1. März 1954 über den Zivilprozeß ({2}). Mündlicher Bericht des Rechtsausschusses ({3}) ({4}). ({5}) Wird das Wort zur Berichterstattung gewünscht? - Bitte schön!

Elfriede Hamelbeck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001126, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir, die Berichterstattung zu den Punkten 10 und 11 der Tagesordnung miteinander zu verbinden, da die beiden Gesetze in innerem Zusammenhang stehen. Der Deutsche Bundestag hat den Entwurf eines Gesetzes zum Haager Übereinkommen vom 1. März 1954 über den Zivilprozeß - Drucksache 350 und den Entwurf eines Gesetzes zur Ausführung dieses Übereinkommens - Drucksache 351 - in seiner 27. Sitzung vom 7. Mai 1958 dem Rechtsausschuß zur alleinigen Beratung überwiesen. Der Rechtsausschuß hat beide Entwürfe in seiner 27. Sitzung am 1. Oktober 1958 in Berlin abschließend behandelt und die in den vorliegenden Mündlichen Berichten gestellten Anträge beschlossen. Ich möchte noch bemerken, daß der Rechtsausschuß entsprechend seiner bisher stets geübten Praxis zur Einleitungsformel in dem Gesetzentwurf Drucksache 350 die Auffassung vertreten hat, darüber, ob das Ratifizierungsgesetz der Zustimmung des Bundesrates bedürfe, sei nicht vom Rechtsausschuß zu beschließen. Er hat daher die Auffassung des Bundesrates, daß das Gesetz seiner Zustimmung bedürfe, nur zur Kenntnis genommen. Der Ausschuß ist dabei von der Auffassung ausgegangen, daß nicht der Bundestag, sondern der Herr Bundespräsident über die Zustimmungsbedürftigkeit zu befinden habe. Gegen die Aufnahme der Zustimmungsklausel bestehen seitens des Rechtsausschusses jedoch keinerlei Bedenken. Das dem Ratifizierungsgesetzentwurf auf Drucksache 350 zugrunde liegende Abkommen regelt den zwischenstaatlichen Rechtshilfeverkehr. Es löst insoweit das Haager Abkommen über den Zivilprozeß vorn 17. Juli 1905 ab und schließt eine Lücke in dem Verhältnis zwischen der Bundesrepublik und Frankreich, da nach französischer Auffassung das bisherige Abkommen durch den Krieg außer Kraft getreten ist. Das neue Übereinkommen hält sich im wesentlichen in den gleichen Grenzen wie das alte. So befaßt es sich wiederum mit der Erledigung von Zustellungsanträgen und Rechtshilfeersuchen sowie mit der Befreiung von der Sicherheitsleistung für Prozeßkosten und mit der Gegenseitigkeit bei der Bewilligung des Armenrechts. Es verbessert und vereinfacht in diesen Fragen den zwischenstaatlichen Rechtsverkehr in mehrfacher Hinsicht. Den Katalog der Verbesserungen im einzelnen aufzuführen, erscheint hier nicht erforderlich. Ich möchte nur darauf hinweisen, daß der Ausschuß sich eingehend mit der Frage der Vollstreckbarerklärung von Kostenentscheidungen ohne Anhörung der Parteien befaßt und geprüft hat, ob hier der fundamentale Grundsatz des rechtlichen Gehörs nicht verletzt werde. Der Rechtsausschuß hält eine Anhörung der Parteien in diesem Falle für entbehrlich, weil die Vollstreckbarerklärung nur eine Konsequenz, nicht aber eine Ergänzung der Entscheidung in der Hauptsache, also der Kostenentscheidung, ist. In bezug auf die Vollstreckbarerklärung genügt es nach Meinung des Ausschusses zur Wahrung des rechtlichen Gehörs, wenn der Betroffene nach Zustellung der Vollstreckbarerklärung Gelegenheit hat, sofortige Beschwerde einzulegen. Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs war auch hei Behandlung des Ausführungsgesetzes Drucksache 351 Gegenstand eingehender Beratungen. Der Ausschuß einigte sich darauf, in § 6 Abs. 1 zur Klarstellung die Worte „ohne Rücksicht auf den Wert des Beschwerdegegenstandes" einzufügen, um damit zu betonen, daß als Korrelat zur fehlenden Anhörung stets die sofortige Beschwerde gegeben sei. Die Einfügung des § 10 a entsprach einer Empfehlung des Bundesrats, der sich der Ausschuß angeschlossen hat. Namens des Ausschusses darf ich als Berichterstatterin das Hohe Haus bitten, den in den Drucksachen 556 und 557 gestellten Anträgen zu entsprechen. ({0})

Dr. Max Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000130

Ich danke der Frau Berichterstatterin. Wir kommen zur Aussprache, zunächst zu Punkt 10. Ich eröffne die Aussprache. Ich rufe auf die Artikel 1, - 2, - 3, - Einleitung und Überschrift. - Wird dazu das Wort gewünscht? Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Wer die Artikel 1, 2, 3, Einleitung und Überschrift anzunehmen wünscht, den bitte ich uni das Handzeichen. Danke schön. Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - In zweiter Lesung angenommen. Wer dem ganzen Gesetz zuzustimmen wünscht, den bitte ich auch um das Handzeichen. - Angenommen. Ich rufe dann auf die dritte Lesung. Ich eröffne die Generaldebatte. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Debatte. Ich rufe auf das gesamte Gesetz mit den Artikeln 1, 2, 3, Einleitung und Überschrift und bitte alle diejenigen, die dem Gesetz zustimmen wollen, sich freundlichst von ihren Plätzen zu erheben. - Ich danke Ihnen. Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das Gesetz ist in dritter Lesung angenommen. Ich rufe jetzt auf Punkt 11 der Tagesordnung: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ausführung des Haager Übereinkommens vom 1. März 1954 über den Zivilprozeß ({0}). Mündlicher Bericht des Rechtsausschusses ({1}) ({2}). ({3}) Unsere verehrte Frau Berichterstatterin hat den Bericht auch zu diesem Punkt bereits erstattet. Ich rufe auf § 1, - 2, - 3, - 4 - und 5 - in der Ausschußfassung. Anträge hierzu liegen nicht vor. Ich bitte diejenigen, die diesen Paragraphen zuzustimmen wünschen, um das Handzeichen. - Es scheint sehr viele Enthaltungen zu geben. Darf ich nochmals fragen: wer diesen aufgerufenen Paragraphen in dem Tagesordnungspunkt 11 zu §§ 1 bis 5 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Danke schön. Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? Angenommen. Vizepräsident Dr. Becker Ich mache nunmehr darauf aufmerksam, daß zu § 6 Abs. 2 der Ausschuß einen Änderungsantrag gestellt hat. Ich nehme an, daß jetzt § 6 zusammen mit diesem Antrag des Ausschusses, der unstreitig ist, zur Abstimmung gestellt werden kann. Das Wort hierzu scheint nicht gewünscht zu werden. - Das ist der Fall. Dann kommen wir zur Abstimmung über § 6 in der Fassung, die der Ausschuß beantragt. Wer § 6 in dieser Fassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Angenommen. Ich rufe weiter auf die §§ 7, - 8, - 9 - und 10, zu denen keine Änderungsanträge vorliegen. Wird das Wort hierzu gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wir kommen zur Abstimmung über die soeben aufgerufenen §§ 7 bis 10. Wer ihnen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Angenommen. Ich rufe nun § 10 a in der vom Ausschuß beantragten Fassung auf. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Debatte. Wer dem § 10 a in der Formulierung des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Danke schön. Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Angenommen. Ich rufe auf §§ 11 und 12. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den §§ 11 und 12 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Angenommen. Einleitung und Überschrift. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Angenommen. Damit ist das Gesetz in zweiter Lesung angenommen. Wir kommen zur dritten Beratung. Ich eröffne die Generaldebatte. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Debatte. Wir kommen zur Abstimmung über das Gesetz im ganzen. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich sich zu erheben. - Danke schön. Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das Gesetz ist in dritter Lesung angenommen. Ich rufe nunmehr auf Punkt 12 der Tagesordnung: Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SDP, FDP, DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Soldatengesetzes ({4}). Mündlicher Bericht des Ausschusses für Verteidigung ({5}) ({6}). ({7}). Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Merten. Wünscht der Herr Berichterstatter ,das Wort? - Das ist nicht der Fall. Wir kommen dann zur Beratung im einzelnen. Ich rufe auf Art. 1, - Art. 2, - Einleitung und Überschrift. Wortmeldungen liegen nicht vor. Wer Art. 1 und Art. 2 sowie der Einleitung und der Überschrift in der Fassung des Ausschußantrags Drucksache 559 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Danke schön. Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das Gesetz ist in zweiter Lesung angenommen. Wir kommen zur dritten Beratung. Ich eröffne die Generaldebatte. Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Debatte ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung über das Gesetz im ganzen. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich freundlichst zu erheben. - Danke schön. Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das Gesetz ist in dritter Lesung einstimmig angenommen. Ich rufe nunmehr Punkt 13 der Tagesordnung auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung des Gesetzes über die Einschränkung der Verwendung von Maschinen in der Zigarrenindustrie ({8}). Schriftlicher Bericht des Wirtschaftsausschusses ({9}) ({10}). ({11}) Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Wehr. Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? Das ist nicht der Fall. Dann wird auf den Schriftlichen Bericht Bezug genommen. Wir kommen jetzt zur Einzelberatung. Der Antrag geht dahin, den Gesetzentwurf unverändert in der Fassung der Vorlage anzunehmen. Ich rufe auf §§ 1, 2, 3, Einleitung und Überschrift. Änderungsanträge liegen nicht vor. Wird zu den aufgerufenen Bestimmungen das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich stelle die soeben aufgerufenen §§ 1, 2 und 3 sowie Einleitung und Überschrift in der zweiten Lesung zur Abstimmung. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Gegen eine Stimme angenommen. Ich rufe zur dritten Beratung auf und eröffne die Generaldebatte. - Das Wort wird nicht gewünscht. Die Debatte ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung in der dritten Lesung. Wer für §§ 1, 2 und 3 sowie Einleitung und Überschrift ist, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Gegen eine Stimme angenommen. Ich rufe nunmehr auf Punkt 14 der Tagesordnung: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Viehzählungsgesetzes ({12}). Vizepräsident Dr. Becker Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({13}) ({14}). Berichterstatter ist der Herr Abgeordnete Dr. Pflaumbaum. Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? ({15}) - Der Herr Berichterstatter verzichtet und verweist auf den Schriftlichen Bericht. Wir kommen zur Einzelberatung. Ich verweise auf Drucksache 579 - rechte Spalte - und rufe auf die Artikel 1, 2, 3, 4, Einleitung und Überschrift. Abänderungsanträge hierzu liegen nicht vor. Wird im einzelnen das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer in der zweiten Lesung den Artikeln 1, 2, 3 und 4 sowie der Einleitung und Überschrift zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? In zweiter Lesung angenommen. Wir kommen zur dritten Beratung. Ich eröffne die allgemeine Aussprache. - Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Debatte ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der dritten Lesung zuzustimmen wünschen, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - In dritter Lesung angenommen. Ich rufe auf Punkt 15 der Tagesordnung: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Bodenbenutzungserhebung und Ernteberichterstattung ({16}). Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({17}) ({18}). Berichterstatter ist der Herr Abgeordnete Seither. Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? ({19}) - Der Herr Berichterstatter verzichtet. Wir kommen zur Einzelberatung. Ich verweise auf die Beschlüsse des Ausschusses - Drucksache 580, rechte Seite -. Änderungsanträge liegen nicht vor. Ich rufe deshalb insgesamt auf §§ 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 7 a, 8, 9, 9 a, 10, 11, 12, 13, 14, 15 und 16 sowie Einleitung und Überschrift. Wortmeldungen dazu liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung. Wer den soeben aufgerufenen Paragraphen sowie der Einleitung und Überschrift zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. Enthaltungen? - Gegen eine Stimme angenommen. Wir kommen zur dritten Beratung. In der zweiten Lesung sind keine Änderungsanträge angenommen worden. Wird in der dritten Beratung eine Generaldebatte gewünscht? - Das ist, wie ich sehe, nicht der Fall. Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz im ganzen, also den §§ 1 bis einschließlich 16, der Einleitung und der Überschrift zuzustimmen wünscht, den bitte ich freundlich, sich zu erheben. Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das Gesetz ist in dritter Lesung einstimmig angenommen. Ich rufe nunmehr auf Punkt 16 der Tagesordnung: Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen betr. Entlastung der Bundesregierung wegen der Bundeshaushaltsrechnung für das Rechnungsjahr 1955 auf Grund der Bemerkungen des Bundesrechnungshofes ({20}). Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann ist die Debatte geschlossen. Vorgeschlagen ist Überweisung an den Haushaltsausschuß. Werden weitere Anträge hierzu gestellt? - Das ist nicht der Fall. Dann bitte ich alle diejenigen, die der Überweisung dieser Vorlage an den Haushaltsausschuß zuzustimmen wünschen, um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Es ist so beschlossen. Ich rufe auf Punkt 17 der Tagesordnung: Beratung der Übersicht 3 des Rechtsausschusses ({21}) über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht ({22}). Wird das Wort hierzu gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Eine Debatte findet also nicht statt. Der Antrag des Ausschusses lautet: „Der Bundestag wolle beschließen, von einer Äußerung zu den nachstehend aufgeführten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht abzusehen." Werden weitere Anträge hierzu gestellt? - Das ist nicht der Fall. Dann stelle ich diesen Antrag zur Abstimmung. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Es ist so beschlossen. Damit haben wir die Tagesordnung bis auf die Punkte 8 und 9 erledigt. Entgegen dem vorhin gefaßten Beschluß, nach dem Punkt 8 nach Punkt 9 behandelt werden sollte, ist vorgeschlagen worden, jetzt zunächst Punkt 8 vorzunehmen. Ist das Haus damit einverstanden? ({23}) - Dann ist so beschlossen. Ich rufe also Punkt 8 der Tagesordnung auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Errichtung des Bundesamtes für zivilen Bevölkerungsschutz ({24}). Schriftlicher Bericht des Aussschusses für Inneres ({25}) ({26}). ({27}) Berichterstatter ist der Herr Abgeordnete Maier ({28}). Wünscht der Berichterstatter das Wort? ({29}) Vizepräsident Dr. Becker - Der Berichterstatter ist krank. Der Schriftliche Bericht liegt vor. Ich nehme an, daß das Haus von ihm Kenntnis genommen hat. Wir kommen nunmehr zur Beratung im einzelnen. Ich darf bitten, die Drucksache 576 zur Hand zu nehmen. Soeben wird mir ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 171 vorgelegt. Ist er verteilt? ({30}) - Also er ist verteilt. Er enthält Änderungsanträge zu § 2 Abs. 1 und zu § 2 Abs. 3. Ich rufe zunächst den § 1 auf. Wird zu diesem Paragraphen das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer dem § 1 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - § 1 ist in zweiter Lesung angenommen. Nunmehr rufe ich den § 2 und dazu den Antrag auf Umdruck 171 Ziffer 1 auf. Der Antrag wird vom Herrn Kollegen Diel begründet. Er hat das Wort.

Anton Diel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000385, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe den Antrag meiner Fraktion zu § 2 Abs. 1 Buchstabe a zu begründen. Die vorgeschlagene Fassung a) die Ausbildung leitender und führender Kräfte für den Luftschutz einschließlich des Luftschutzhilfsdienstes nach einheitlichen Richtlinien, soll an die Stelle der jetzt bestehenden Fassung „die Ausbildung leitender Luftschutzkräfte nach einheitlichen Richtlinien" treten. Ich glaube, die Ausschußmitglieder waren sich alle einig darin, daß sich in der Bevölkerung durch die Schaffung eines Bundesamts für zivilen Bevölkerungsschutz die irrige Auffassung breitmacht, damit sei für den Katastrophenfall alles bestens geregelt. Das ist doch wohl nicht der Fall. Deshalb haben wir jetzt diesen Änderungsantrag eingebracht. Denn uns kommt es darauf an, daß dieses Bundesamt nicht unter dem Motto arbeitet: Es ist alles halb so schlimm. Ich glaube, meine Damen und Herren, wir sind uns darüber alle einig. Ich möchte dazu keine weiteren Ausführungen machen. Diese Dinge dürfen nicht verniedlicht werden. Die atomaren und nuklearen Waffen können nicht verniedlicht werden, sondern diese Fragen müssen sehr ernst genommen werden. Die Bevölkerung hat auch ein Anrecht darauf, so weit wie möglich hierüber aufgeklärt zu werden. Deshalb bitte ich Sie, unserem Änderungsantrag zuzustimmen. Vielleicht, Herr Präsident, darf ich gleich die Ziffer 2 miterledigen, damit ich das Hohe Haus nicht länger als notwendig aufhalte. In der Ziffer 2 beantragen wir, an Stelle der Fassung, wie sie in dem Entwurf der Regierung steht, folgende Formulierung: Dem Bundesamt obliegt auch die Unterrichtung über Aufgaben und Maßnahmen des zivilen Bevölkerungsschutzes und die Aufklärung über die begrenzten Möglichkeiten gegenüber Angriffen mit nuklearen Waffen. Die Neufassung dient der Klarstellung über den Umfang der Ausbildung und entspricht im übrigen der bisherigen Praxis bei der Bundesanstalt für zivilen Luftschutz. Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, unseren beiden Änderungsanträgen zuzustimmen, damit gesichert ist, daß auch die Zivilbevölkerung draußen die entsprechende Aufklärung bekommt. Ich danke Ihnen. ({0})

Dr. Max Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000130

Das Wort hat Herr Staatssekretär Ritter von Lex.

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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf zu den Änderungsanträgen Umdruck 171 folgendes ausführen. Der erste Änderungsantrag erweitert die Fassung „die Ausbildung leitender Luftschutzkräfte", die in der Formulierung des § 2 nach dem Beschluß des Ausschusses enthalten ist, um die Ausbildung auch der führenden Kräfte. Die Bundesregierung hat dagegen Bedenken. Sie bittet, es bei der Ausschußfassung zu belassen. Denn die Vorschrift, die der Ausschuß formuliert hat, überträgt wortgetreu die bisherigen Aufgaben der Bundesanstalt für zivilen Luftschutz dem künftigen Bundesamt. Zu den bisherigen Aufgaben der Bundesanstalt gehörte aber lediglich die Ausbildung leitender Luftschutzkräfte und nicht auch diejenige einfacher Führungskräfte. Die Ausbildung der einfachen Führungskräfte obliegt nach § 10 Abs. 1 des Ersten Gesetzes über Maßnahmen zum Schutze der Zivilbevölkerung normalerweise den Ländern und Gemeinden. Im übrigen kann der Bund gemäß § 10 Abs. 2 des Ersten Gesetzes zum Schutze der Zivilbevölkerung ohnehin Ausbildungsstätten für die zentrale Ausbildung von Führungskräften des Luftschutzhilfsdienstes errichten. Diese zentralen Ausbildungsstätten werden in enger organisatorischer Verbindung mit dem Bundesamt für zivilen Bevölkerungsschutz stehen. Schließlich hätte der Antrag der SPD-Fraktion zur Folge, daß das Bundesamt alle Führungskräfte des Luftschutzes auszubilden hätte ohne Rücksicht darauf, ob eine zentrale Ausbildung tatsächlich erforderlich ist. Damit aber würde nach Auffassung der Bundesregierung in die Ausbildungshoheit der Länder und Gemeinden nach § 10 Abs. 1 des Ersten Gesetzes zum Schutze der Zivilbevölkerung in einem solchen Maße eingegriffen werden, daß wohl Schwierigkeiten beim Bundesrat zu befürchten wären. Die Bundesregierung bittet daher, dem Änderungsantrag Ziffer 1 nicht stattzugeben. ({0}) Aber wenn man sie vermeiden kann, sollte man sie vermeiden. Zu dem zweiten Änderungsantrag, der sich auf § 2 Abs. 3 Satz 2 des Gesetzentwurfs bezieht, darf ich folgendes ausführen. Mit der Fraktion der SPD ist die Bundesregierung der Auffassung, daß die Zuständigkeit des Bundesamtes für zivilen Bevölkerungsschutz für die Aufklärung sich auch auf die Grenzen des zivilen Bevölkerungsschutzes erstreckt. Die Bundesregierung ist aber der Meinung, daß die vom Ausschuß gewählte Fassung, wonach das Bundesamt über die Möglichkeiten des zivilen Bevölkerungsschutzes aufzuklären hat, diesem Gesichtspunkt bereits hinreichend Rechnung trägt. Darüber hinaus diese Schutzmöglichkeiten im Gesetz selber bereits als begrenzt zu qualifizieren würde die Aufklärungsarbeit des Bundesamtes von vornherein auf eine Tendenz festlegen, die der wissenschaftlichen Erkenntnis und der technischen Entwicklung der Schutzmöglichkeiten vorgreift. Die Bundesregierung bittet daher, auch dem Änderungsantrag Ziffer 2 nicht stattzugeben.

Dr. Max Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000130

Das Wort hat der Abgeordnete Kühlthau.

Walter Kühlthau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001243, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion wird den beiden Änderungsanträgen nicht zustimmen. Dein ersten deshalb nicht, weil die Gründe, die Herr Staatssekretär von Lex dargelegt hat, es uns ratsam erscheinen lassen, nicht neue Schwierigkeiten hervorzurufen, die sich vor allem im Hinblick auf die Mitarbeit der Länder in diesen Fragen ergeben könnten. Bezüglich des zweiten Antrags möchte ich darauf hinweisen, daß der letzte Satz in Abs. 3 deis § 2 nach sehr langen Erörterungen im Innenausschuß zustande gekommen ist. Wir sind der Meinung, die auch Herr Staatssekretär Ritter von Lex äußerte, daß die jetzige Formulierung alles bezüglich Aufklärung über Aufgaben, Möglichkeiten und Maßnahmen des zivilen Bevölkerungsschutzes erfaßt und daß damit auch alles erfaßt ist, was das Bundesamt zur Unterrichtung der Bevölkerung zu tun hat. Diese Formulierung ist seinerzeit nach, ich betone, langen Erörterungen im Innenausschuß zustande gekommen. Sie entspricht nach meinem Dafürhalten in vollem Umfange dem Anliegen der SPD. Ich möchte daher bitten, es bei der im Ausschuß beschlossenen Fassung zu belassen.

Dr. Max Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000130

Ich bin gebeten worden, mitzuteilen, daß in der Ziffer 2 des Änderungsantrages der Fraktion der SPD auf Umdruck 171 eine kleine textliche Änderung vorzunehmen ist. Die Ziffer 2 soll folgendermaßen lauten: Dem Bundesamt obliegt auch die Unterrichtung über Aufgaben und Maßnahmen des zivilen Bevölkerungsschutzes und die Aufklärung über die begrenzten Schutzmöglichkeiten hei Angriffen mit nuklearen Waffen. Ich bitte freundlichst, davon Kenntnis zu nehmen Weitere Wortmeldungen zu diesen Änderungsanträgen liegen nicht vor. Die Debatte hierzu ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Ich stelle zunächst die Ziffer 1 des Umdrucks 171 zur Abstimmung. Wer ihr zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. Das Ergebnis ist zweifelhaft. Ich bitte diejenigen, die zuzustimmen wünschen, sich von den Plätzen zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Auch dieses Ergebnis ist zweifelhaft. Wir kommen zur Auszählung. Ich bitte, den Saal zu räumen und die Auszählung zu beschleunigen. Ich bitte, die Türen zu schließen. Die Auszählung beginnt. Ich bitte, die Türen zu öffnen. - Die Abstimmung ist geschlossen. Ich gebe Ihnen das Ergebnis der Abstimmung wie folgt bekannt. Mit Ja haben 149 Abgeordnete gestimmt, mit Nein 174, und 1 Stimmenthaltung ist zu verzeichnen. Damit ist der Antrag abgelehnt. Ich stelle jetzt den Umdruck 171 Ziff. 2 zu § 2 Abs. 3 zur Abstimmung. Die Debatte darüber ist geschlossen. Ich bitte diejenigen, welche diesem Antrag mit der textlichen Änderung, die ich vorhin hekanngegeben habe, zuzustimmen wünschen, um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt. Wir kommen nunmehr zu § 2 in der Fassung des Ausschusses. Wer § 2 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Stimmenthaltungen? - Ist angenommen! Ich rufe dann die §§ 3, - 3 a, - 4 - und 5 auf, zu denen keine Änderungsanträge vorliegen. Ich rufe weiter auf: Einleitung und Überschrift. - Wer diesen aufgerufenen Paragraphen sowie der Einleitung und Überschrift zuzustimmen wünscht - ich nehme an, daß Wortmeldungen nicht vorliegen; dies ist nicht der Fall , den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. -Stimmenthaltungen? - Das Gesetz ist damit in zweiter Lesung angenommen. Wir kommen zur dritten Beratung Ich eröffne die Generaldebatte. Es ist mir mitgeteilt worden, daß Erklärungen hierzu abgegeben werden sollen. Ist das der Fall? - Das Wort hat Herr Abgeordneter Schmitt ({0}).

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002033, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident!' Meine Damen und Herren! Ich habe die Ehre, im Auftrage der sozialdemokratischen Fraktion mitzuteilen, daß wir der Errichtung des Bundesamts für zivilen Bevölkerungsschutz zustimmen. Wir hoffen nach dem Verlaufe der Ausschußberatungen, daß die Errichtung des Bundesamtes das Innenministerium tatsächlich von der Durchführung hoheitlicher Aufgaben entlastet, so daß mit der Errichtung des Amts eine Vereinfachung der Verwaltung erreicht wird. Wir werden jede Gelegenheit benutzen, zu prüfen, ob dieses Ziel verwirkSchnitt ({0}) licht und bei allen weiteren Entscheidungen des Ministeriums auch beachtet wird. Wir begrüßen in diesem Zusammenhang dankbar, daß der Ausschuß einmütig der Auffassung Ausdruck gegeben hat, daß der Naine des Amts nicht dazu dienen soll, der Bevölkerung für den Fall eines Krieges mit nuklearen Waffen Sicherheit vorzutäuschen. Da die Bezeichnung des Aufgabenkreises für das neue Bundesamt durch die Bestimmungen des Grundgesetzes festliegt, verzichtet die SPD darauf, diese Frage noch einmal in den Plenarberatungen anzusprechen. Wir bedauern allerdings in diesem Zusammenhang, daß unser Änderungsantrag wegen der Klarstellung der Aufgaben des Amts abgelehnt worden ist; denn dieser Antrag hätte die Auffassung des Ausschusses über die Aufgabenstellung des Amts stärker zum Ausdruck gebracht. Die SPD-Fraktion hofft, daß mit der Annahme der Entschließung über die Zuständigkeiten auf dem Gebiete der Zivilverteidigung künftig Auseinandersetzungen im Sinne der Entschließungen des Hohen Hauses verhindern werden. Sosehr wir eine gesetzliche Regelung begrüßt hätten, so erhoffen wir angesichts der Einmütigkeit des Hauses bei dieser Entschließung, daß keine Schwierigkeiten entstehen. Die SPD-Fraktion würde aber ihren Pflichten nicht gerecht werden, wenn sie die Verabschiedung dieses Gesetzes nicht dazu benutzte, einige grundsätzliche Bemerkungen über den Schutz und die Hilfe für die Zivilbevölkerung im Kriege mit nuklearen Waffen zu machen. Mit dem Ankauf der 24 amerikanischen Artillerieraketen vom Typ „Honest John" hat die praktische Ausbildung der Bundeswehr mit Atomwaffen begonnen. Es ist sicher nur eine Frage der Zeit, wann jenseits der Elbe russische Artillerieraketen gleichen Kalibers den sowjetzonalen Streitkräften zur Verfügung gestellt werden. Wir möchten daher heute mit aller Klarheit zum Ausdruck bringen, daß - im Gegensatz zu der schnellen Aufrüstung - die Frage des zivilen Schutzes und der Hilfe für die Zivilbevölkerung im Ernstfall auch mit der Verabschiedung dieses Gesetzes keinen Schritt weitergekommen ist. Es handelt sich hier lediglich um organisatorische Maßnahmen. In der Gesamtfrage tappt die deutsche Öffentlichkeit nach wie vor in einem beängstigenden Dunkel. Denn bis auf das vorn Bundestag verabschiedete Luftschutzgesetz, das im Innenministerium konserviert wird, fehlt es an jeglichen Maßnahmen. So fehlen z. B. bisher noch die allgemeinen Verwaltungsvorschriften zum ersten Luftschutzgesetz. Bis heute ist also das erste Luftschutzgesetz noch nicht verwirklicht. Während einerseits Helfer für den Luftschutz geworben werden, wissen Städte und Kreise noch nicht; wie im Ernstfall eine Alarmierung der Menschen erfolgen soll. Es fehlt ein Schwerpunktprogramm, aus dem hervorgeht, welche Städte und Gebiete auf Grund ihrer Bevölkerungsdichte mit Vorrang geschützt werden müßten. Wenn auch die Vorarbeiten für eine zentrale Warnanlage und eine zentrale Befehlsstelle in Bonn im Verhältnis zu allen sonstigen Maßnahmen recht weit gediehen sind, so muß doch mit aller Deutlichkeit ausgesprochen werden, daß diese zentralen Anlagen nur dann einen Sinn haben, wenn es auch ein vollständiges Warnsystem für das ganze Land und vor allem Möglichkeiten zum Schutze und zur Hilfe für die Bevölkerung gibt. Die sozialdemokratische Fraktion hält es für ihre Pflicht, in die Erinnerung zurückzurufen, was der Herr Bundesinnenminister bei der Verabschiedung des Ersten Gesetzes über Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung ausgeführt hat. Der Herr Innenminister stand damals noch unter dem frischen Eindruck seiner Amerikareise, die ja für den damals bevorstehenden Bundestagswahlkampf 1957 richtig gelegt worden war. Er hat hier damals von einem großzügigen Programm der Regierung für den zivilen Bevölkerungsschutz gesprochen, er hat über den Aufbau des Warndienstes gesprochen, er hat über die Inangriffnahme baulicher Maßnahmen gesprochen. Ich möchte hier nur mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten ein Zitat aus seiner damaligen Rede bringen: Ich glaube auch nicht, daß der hier genannte Jahresbeginn 1959 der früheste Termin zu sein braucht, sondern mir schwebt vielmehr eher vor, daß man gegebenenfalls in einer initiative des Hohen Hauses sehr schnell die Folgerungen aus dem Ergebnis der jetzt laufenden Versuche ziehen kann. Auch in der Frage der Organisation und Befehlseinrichtung und in der Frage des Notstandsrechts ist der Herr Bundesminister über Vorentwürfe und provisorische Maßnahmen nicht hinausgekommen. Eine Regierung, die ein Volk mit dem Atomkrieg konfrontiert und nicht die Konsequenzen für die Zivilbevölkerung zieht, handelt nicht verantwortlich. ({1}) Wenn die Regierung die Rüstung in dem Rahmen, in dem sie sie durchführt, für erforderlich hält, dann ist es um so weniger verständlich, daß sie praktisch nichts für den Schutz und die Hilfe für die Bevölkerung tut. Eine Regierungsmehrheit, die auf dem Gebiet der Wehrgesetzgebung über zwanzig Gesetze verabschiedet hat, deren Ausgaben für die Rüstung im Verhältnis zu den Ausgaben für den Schutz der Zivilbevölkerung wie 100 : 1 sind und die durch keine Bedenken zu halten war, hat für den Schutz der Bevölkerung praktisch nichts getan. ({2}) Selbst ein langerwartetes Gutachten, ob und in welchem Umfang im modernen Krieg Schutzmöglichkeiten bestehen, fehlt heute noch immer. Die besten Erklärungen und die schönsten Programme können ihre Untätigkeit auf diesem Gebiet nicht länger verschleiern. Niemand kann behaupten, daß der Bund seinen Verpflichtungen für den Schutz der Zivilbevölkerung in den letzten Jahren gerecht geworden ist. Und selbst die geringen Mittel, die Sie Schmitt ({3}) aufwenden wollen, meine Damen und Herren, wollen Sie noch auf die Länder und Gemeinden weiter verteilen, um den Bund in dieser Angelegenheit zu entlasten. Wir müssen hier auch den Versuchen des Herrn Innenministers widersprechen, wie er sie hei der Debatte um das erste Luftschutzgesetz unternommen hat, die Verantwortlichkeit für die bisherige praktische Untätigkeit zwischen Regierung und Parlament zu verschieben. Die Mehrheit des Bundestages und die von ihr getragene Regierung tragen für alle bisherigen Versäumnisse die Verantwortung. Wir halten es heute für unsere Pflicht, diese Lage dem deutschen Volk mit aller Eindringlichkeit darzulegen. Im übrigen darf ich auf das eingangs Gesagte hinweisen, daß meine Fraktion dem Gesetz und der vorgeschlagenen Entschließung zustimmt. ({4})

Dr. Max Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000130

Das Wort hat Herr Staatssekretär Ritter von Lex.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Schmitt ({0}) hat in seinen Ausführungen beanstandet, daß die Bundesregierung es bisher unterlassen habe, Schwerpunkte auf dem Gebiete des zivilen Bevölkerungsschutzes herauszuarbeiten, daß sie es unterlassen habe, das Notstandsrecht, das Notstandsprogramm weiterzuentwickeln, daß sie überhaupt auf dem gesamten Gebiet des zivilen Bevölkerungsschutzes bisher beinahe nichts vorwärtsgebracht habe. Ich darf dazu folgendes sagen. Wenn man behauptet, die Bundesregierung habe keine klare Vorstellung davon, wie in einem atomaren Krieg - Gott möge ihn verhüten - der Schutz der Zivilbevölkerung auszusehen habe, dann darf ich darauf erwidern: Die Bundesregierung hat schon wiederholt gerade auch in diesem Hohen Hause darauf hingewiesen, daß sie bei aller Erkenntnis der furchtbaren Schwere der in einem modernen atomaren Krieg auf uns zukommenden Probleme der Auffassung ist, daß es doch gewisse Grundgedanken gibt, denen man nachgehen muß und die man verwirklichen soll. Ich darf sie hier einmal kurz wiederholen. Wir sind der Auffassung, daß ein rasch und sicher arbeitendes Warnsystem zunächst einmal das allervordringlichste und allerwichtigste ist. ({1}) - Herr Abgeordneter, wir sind ja daran, es einzurichten. Wir haben schon eine Anzahl von Warnämtern fertiggestellt, wir werden in diesem Jahr noch weitere Warnämter fertigstellen, und wir werden im nächsten Jahr den Rest der zehn Warnämter fertigstellen. Das sind aber Einrichtungen mit einer zum Teil außerordentlich komplizierten, schwierigen, wenn auch sehr wirkungsvollen technischen Apparatur. Da müssen bestimmte Lieferfristen eingehalten werden, da müssen die Durchführungsarbeiten gemacht werden. Das alles kostet eben Zeit. Gerade auf dem Gebiete des Bundeswarnsystems haben wir das absolut gute Gewissen, daß wir alles eingeleitet und alles vorbereitet haben und auch schon einen solchen Fortschritt erreicht haben, daß wir sagen können: auf diesem Gebiet übertrifft uns keine Nation, die der NATO angehört, und keine europäische Nation. ({2}) Wir sind uns völlig darüber klar, daß zu unseren Aufgaben die Aufstellung eines starken Luftschutzhilfsdienstes gehört. Nun wird man mir sagen: „Wo steht denn bisher dieser Luftschutzhilfsdienst?" Ich darf auch hier darauf hinweisen: Wenn wir, wie wir uns vorgenommen haben, über 200 000 Mann für den Luftschutzhilfsdienst auf die Beine bringen wollen - notabene: auf dem Boden der Freiwilligkeit -, so ist das eine Aufgabe von einer solchen Schwierigkeit, daß demgegenüber sogar der Bundesverteidigungsminister, der sich auf die Wehrpflicht stützen kann und der bisher rund 150 000 Mann aufgestellt hat, eine leichtere Situation vorfindet, als wir sie vorfinden. Aber wir sind daran. auch das Problem des Luftschutzhilfsdienstes zu meistern. Wir sind daran, die Voraussetzungen zu schaffen, die notwendig sind, um einen solchen Luftschutzhilfsdienst bereits in Friedenszeiten vorwärtszubringen. Wir werden in absehbarer Zeit auch dem Hohen Hause ganz grundsätzliche Fragen vorzutragen haben. - Ich weiß genau, was Sie mich fragen wollen, Herr Abgeordneter. Sie werden sagen: „Wo wollen Sie denn auf dem Boden der Freiwilligkeit die Leute herkriegen?" Ich darf Ihnen sagen, ich bin immer noch so viel Idealist, daß ich mir sage: es wird gelingen, einen bestimmten Prozentsatz zu bekommen. Es wird vor allen Dingen dann gelingen, wenn das verwirklicht wird, was dei Bundesverteidigungsminister vorhat: in der Novelle zum Wehrpflichtgesetz den Leuten, die sich uns für den Luftschutzhilfsdienst zur Verfügung stellen, die Befreiung vom Wehrdienst zuzusichern, solange sie bei uns für den Luftschutzhilfsdienst und damit für den Schutz der Zivilbevölkerung tätig sind. Damit wird ein Anreiz ausgeübt werden, der uns die Möglichkeit bietet, entsprechende Formationen aufzustellen. Wir sind uns darüber klar, daß eine unerhört schwierige Frage die des Schutzraumbaues ist. Wir wissen auch, was es für uns bedeutet, daß der glänzende Test, den die von uns entwickelten Schutzraumtypen bei den Experimenten in Nevada gefunden haben - was uns zunächst eine gewisse Beruhigung zu geben schien -, dadurch vielleicht eine gewisse Abschwächung zu erfahren scheint oder tatsächlich erfahren hat, daß wir jetzt nicht nur mit den interkontinentalen Raketen, sondern auch mit den radioaktiven Niederschlägen zu rechnen haben und infolgedessen daran denken müssen, nicht nur - wie es im ersten Gesetz vorgesehen war - für die Städte mit über 10 000 Einwohnern Schutzmaßnahmen bei Neubauten vorzusehen, sondern quer durch das ganze Bundesgebiet auch in den kleineren Gemeinden gewisse Schutzmaßnahmen namentlich gegen radioaktive Niederschläge zu treffen. Ich darf aber dem Hohen Hause sagen: wir sind daran, diese Maßnahmen durchzudenken. Wir sind ja gehalten, noch in diesem Jahre uns vor dem Hohen Hause zum Problem der Schutzraumpolitik zu äußern und zu sagen, zu welchen Ergebnissen wir ,auf Grund der neuesten Untersuchungen im Benehmen mit dem Bundeswohnungsbauminister, der für die technischen Fragen in erster Linie federführend ist, gekommen sind. Ich darf auch hier nicht verschweigen, daß wir das außerordentlich weittragende Problem gewisser Teilevakuierungsmaßnahmen im Auge behalten müssen. Dabei sind wir uns darüber klar, daß Evakuierungen natürlich dann keinen Sinn mehr haben, wenn bereits die ganze furchtbare Schwere des atomaren Krieges, und wäre es auch nur in radioaktiven Niederschlägen, auf unserem Lande lastet, sondern daß es darauf ankommt, so rechtzeitig gewisse Evakuierungsmaßnahmen einzuleiten, daß man eben, bevor das große Unglück passiert, bereits in der Lage ist, die am meisten gefährdeten Teile unserer Bevölkerung in den am stärksten atomar unter Umständen gefährdeten Gebieten rechtzeitig in Bewegung zu setzen.. ({3}) Ich darf noch eines sagen. Vielleicht erinnern sich die Damen und Herren daran, daß im Haushalt 1958 auf dem Gebiete der zivilen Notstandsplanung zum ersten nicht unerhebliche Beträge bereitgestellt worden sind und daß wir gemeinsam mit den anderen Ressorts dabei sind, die Aufgaben der Bevorratung mit Nahrungsmitteln, die Aufgaben des Verkehrs, die Aufgaben des Nachrichtenwesens, die Aufgaben der sanitären Versorgung durchzudenken und auch ihre Lösung von Schritt zu Schritt weiterzutreiben. Nun ist gesagt worden, die Bundesregierung sei weitestgehend untätig geblieben. Ich glaube das zum Teil schon durch meine Ausführungen widerlegt zu haben. Aber vielleicht darf ich noch eine weitere Tatsache anführen. Wenn man einen Blick darauf wirft, was in den letzten Jahren an Mitteln für das vorläufige Luftschutzprogramm und für das sogenannte zivile Notstandsprogramm von diesem Hohen Hause bereitgestellt worden ist, dann - so meinen wir - müßte der Vorwurf, daß nichts geschehen sei, in sich zusammenfallen. ({4}) Ich darf vielleicht in Erinnerung rufen, daß die Bundesregierung bereits im Juli 1955 ihr vorläufiges Luftschutzprogramm aufgestellt hat. Für dieses Programm haben wir bisher einschließlich der sogenannten Bindungsermächtigungen immerhin die Summe von 420 Millionen DM erhalten. ({5}) - Ich glaube, ich habe Ihnen bewiesen, daß das, was wir getan haben, doch in einer gewissen Relation zu den zu stellenden Anforderungen steht. Die Dinge müssen auch alle durchdacht und geformt werden. Wenn man mir hier Vorhaltungen macht, möchte ich nur wünschen, daß die Herren, die diese Vorhaltungen machen, einmal gezwungen werden, selber diese unerhört schwierigen Vorgänge zu durchdenken und die Verantwortung dafür zu tragen. ({6}) - Wir nehmen jede Unterstützung dankbar an, und wir werden bei der Beratung des Haushalts 1959 wieder Gelegenheit haben, von dieser Unterstützung Gebrauch zu machen. Ich darf aber vielleicht jetzt in meinen Ausführungen fortfahren. Wir haben dieses Luftschutzprogramm inzwischen durch ein Sofortprogramm der zivilen Notstandsplanung ergänzt. Im Einzelplan 36 des Haushaltsplans für das Jahr 1958 ist jetzt wohl der größte Teil aller Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung zusammengefaßt. Diese Maßnahmen werden nicht nur vom Innenminister, sondern auch von den anderen Ressorts vorbereitet; in dem genannten Einzelplan ist aber der größte Teil dieser Maßnahmen zusammengefaßt. Er gibt damit einen gewissen Überblick darüber, was in unserem Staate für den zivilen Bevölkerungsschutz getan wird, insbesondere auf dem weiten Feld der zivilen Notstandsplanung. Ich darf Ihnen sagen, daß wir im Haushaltsjahr 1958 für die zivile Notstandsplanung, die über das Luftschutzprogramm hinausgreift, 208 Millionen DM einschließlich der Bindungsermächtigungen erhalten haben. Wenn Sie alle Mittel für den Bevölkerungsschutz zusammenzählen, kommen Sie auf eine Summe von weit über 600 Millionen DM. Nun darf ich aber hierzu noch etwas sagen, meine Damen und Herren. Ich war Mitte Oktober wieder zwei Tage in Paris zu der Sitzung des Oberausschusses der NATO für die zivile Notstandsplanung. Wir haben dort die Berichte aller anderen NATO-Länder gehört. Bei diesen Beratungen konnten wir feststellen, was die anderen bisher gemacht haben und welche Mittel sie bisher bereitgestellt haben. Ich persönlich habe aus der Übersicht, die ich da gewonnen habe, den Eindruck mitgenommen, daß wir uns mit dem, was wir bisher auf diesem Gebiet getan haben und was wir bisher bereitgestellt haben, sehr wohl sehen lassen können und daß wir auf dem Gebiet des zivilen Bevölkerungsschutzes mit in der ersten Reihe der NATO-Nationen marschieren. ({7})

Dr. Max Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000130

Das Wort hat der Abgeordnete Kreitmeyer.

Reinhold Kreitmeyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001210, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Im Namen der Fraktion der Freien Demokratischen Partei darf ich folgendes erklären. In der Drucksache 576 beunruhigt der folgende Satz des Herrn Berichterstatters die Fraktion sehr: Der Ausschuß hat sich im Laute seiner Beratungen vor allem mit der Frage beschäftigt, ob und inwieweit im modernen Krieg Schutzmöglichkeiten bestehen. Die Vertreter der Opposition haben bedauert, daß diese Frage von der Regierung bisher nicht vorgeklärt wurde. Das war am 14. Mai. Im Juli - am 2. oder 3. Juli, kurz bevor wir auseinandergingen -, als wir den Haushalt in dritter Lesung berieten, hatten die Freien Demokraten bei der Beratung des Einzelplans 36 den Antrag gestellt, man möge die Bundesregierung auffordern, bis zur Einbringung des nächsten Haushalts ein Weißbuch über die zivile Notstandsplanung zu erstellen. ({0}) Die Fraktionen der Sozialdemokratischen Partei und das möchte ich besonders erwähnen - der Deutschen Partei haben gebeten, diesen Antrag ohne Aussprache sofort anzunehmen und nicht in einem Ausschuß verschwinden zu lassen. All die Ausführungen, die der Herr Staatssekretär vor wenigen Minuten gemacht hat, sind nur der schlagende Beweis, daß für uns alle zusammen ein außerordentliches Bedürfnis besteht, endlich zu wissen, wie das wenige Geld, das für den zivilen Bevölkerungsschutz überhaupt zur Verfügung steht, so sinnvoll wie nur möglich angewandt wird. Dies ist das Anliegen der Freien Demokraten gewesen. Wir würden uns sehr gern überraschen lassen, wenn in den nächsten sieben Wochen noch ein solches Weißbuch erschiene. Wir bedauern aber, wiederum in Beratungen über den nächsten Haushalt einzutreten, in dem diese Frage abermals nicht geklärt ist; wir finden das schlechthin verantwortungslos. ({1}) Darüber täuschen uns auch nicht die Maßnahmen, die in der Zwischenzeit geschehen sind, denen wir hier durchaus anerkennend und zustimmend gefolgt sind. Wir haben nur die große Sorge - und hier, Herr Staatssekretär, will ich ein Wort der Entschuldigung für Sie und Ihr Haus aussprechen -, daß es unmöglich ist, eine solche Vorfrage allein vorn Innenminister klären zu lassen, wenn nicht der gesamte Verteidigungsrat dabei eingeschaltet wird. Denn das ist doch das entscheidende Gremium, das diese Vorfrage klären kann. Da Sie schon so stark herausgestellt haben, was bisher geschehen ist, darf ich Ihnen noch eine Empfehlung mitgeben. Wenn wir also über gewisse Auswirkungen des nuklearen Krieges nicht ganz im klaren sind, sollten wir eins festhalten: der gesamte Bevölkerungsschutz ist machtlos und hilflos, wenn sich nicht die technischen Dienste auf einen Höchststand größtmöglicher Ausbildung wie des Materials befinden. Das sind, glaube ich, jene Kader; ich erinnere nur an die selbstlose und aufopfernde Arbeit, die unsere freiwilligen Feuerwehren draußen im Lande leisten. Geben wir denen, geben wir dem Technischen Hilfswerk zunächst einmal die modernsten Mittel für ihre zivilen, friedlichen Aufgaben, tun wir gleichzeitig ein Werk, Herr Staatssekretär, das in jedem Falle auch dem Gesamten zugute kommen wird. Mit Geldmittelbewilligung allein ist es noch nicht geschehen. Wenn wir fragen, was vom Einzelplan 36, im vergangenen Juli bewilligt, bis heute praktisch durchgeführt wird - nun, wir wollen hoffen, daß die Ausgabenreste, die entstanden sind, nicht verschwinden. Für diese Ausgabenreste wollen wir uns besonders einsetzen. Schließlich kommt es darauf an, auch in der praktischen Ausführung ein wesentliches Stück voranzukommen. Da bedarf es dringend der von uns geforderten Vorklärung. Die Aufklärung der Bevölkerung ist nur möglich, wenn wir mit Mut und Offenheit diese heiklen Dinge in einem Weißbuch behandeln. Im übrigen darf ich für die Fraktion der Freien Demokraten erklären, daß wir dem Gesetz unsere Zustimmung geben. ({2})

Dr. Max Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000130

Das Wort hat der Abgeordnete Kühlthau.

Walter Kühlthau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001243, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf für die Fraktion der CDU/ CSU erklären, daß wir dem vorliegenden Gesetz gleichfalls zustimmen werden. Im Hinblick auf das, was Herr Kollege Schmitt ({0}) dargelegt hat, bin ich dankbar, daß Herr Staatssekretär von Lex einmal auf das hingewiesen hat, was in der Vergangenheit schon eingeleitet und getan worden ist, wobei wir uns darüber im klaren sind, daß gerade auf dem Gebiet des Bevölkerungsschutzes nie zuviel getan werden kann. Ich glaube aber, daß wir uns eine Diskussion über Fragen des zivilen Bevölkerungsschutzes - es fiel auch hier das Wort von den nuklearen Waffen und von der ersten Raketenbeschaffung - in diesem Augenblick ersparen sollten, da es sich doch nur um ein Organisationsgesetz handelt, das zunächst organisatorisch die Voraussetzungen für einen wirksamen Aufbau des zivilen Luftschutzes schaffen soll. Das ist doch der Sinn dieses Gesetzes, über den wir uns im Ausschuß in vollem Umfange im klaren waren. Wir erwarten von der Bundesregierung, daß, nachdem dieses Bundesamt errichtet worden ist, nunmehr eine Reihe von Einzelmaßnahmen auf dem Gebiete des Luftschutzes ergriffen werden. Mit der Schaffung des Bundesamtes sind nach unserem Dafürhalten jedenfalls elastischere Voraussetzungen gegeben, als sie sonst bei dem doch etwas schwerfälligen Ministerialapparat gegeben wären. Wir erwarten vor allem auch einen baldigen Ausbau der Luftschutzgesetzgebung, da das im vorigen Bundestag verabschiedete Luftschutzgesetz nur ein erstes Gesetz war, und sehr wesentliche Fragen, wie insbesondere die Berücksichtigung von Luftschutzinteressen bei baulichen Maßnahmen, die Kostenverteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden und auch die Frage des Werkschutzes, seinerzeit zum Teil ausgegliedert worden sind und dringend der gesetzlichen Regelung bedürfen. Ich habe keinen Zweifel, daß diese Probleme uns in der Zukunft im Innenausschuß sehr stark beschäftigen werden, da wir der Auffassung sind, daß wir diesem Problem unsere ganze Aufmerksamkeit widmen müssen. Darf ich Sie, meine Damen und Herren, gleichzeitig davon unterrichten, daß unsere Fraktion auch der vom Bundestagsausschuß für Inneres angenommenen Entschließung zustimmen wird, wonach alle Angelegenheiten des zivilen Bevölkerungsschutzes zum Aufgabenbereich des Bundesministers des Innern gehören sollen, da uns sonst die Sorge drängen würde, daß die Belange der Bevölkerung bei der Luftschutzplanung zu kurz kommen würden, wenn die Zuständigkeit des Innenministeriums nicht klipp und klar festgelegt wäre. Wir waren uns darüber klar, daß wir in die Organisationsgewalt der Bundesregierung nicht eingreifen durften, und haben daher gemeinsam im Ausschuß zum Ausdruck. gebracht und ich bitte Sie auch hier im Plenum, dieser Entschließung zuzustimmen -, daß wir von der Bundesregierung erwarten, daß sie der Auffassung des Hohen Hauses bei der Regelung der Geschäftsverteilung in Fragen des zivilen Bevölkerungsschutzes Rechnung tragen wird. ({1})

Dr. Max Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000130

Das Wort hat der Abgeordnete Schmitt ({0}).

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002033, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ausführungen des Herrn Staatssekretärs veranlassen mich, noch einige Worte zu sagen. Was Sie, Herr Staatssekretär, heute in allgemeinen Worten über die Bemühungen der Regierung gesagt haben, das sagen Sie alle Jahre wieder. Ich habe gestern noch einmal die Protokolle der letzten Haushaltsberatungen durchgesehen. Ich könnte Ihnen vortragen, daß Sie hier Jahr für Jahr dasselbe gesagt haben: Ja, wir sind dran; wir kommen dran; bald ist es so weit usw. Aber die Dinge gehen nicht weiter. Ich weiß, die Verantwortung dafür tragen das Kabinett und die Mehrheit des Hauses, die diese Regierung trägt. Ich mache Ihnen persönlich daraus keinen Vorwurf. ({0}) Aber das muß hier noch einmal mit aller Deutlichkeit gesagt werden. Nun will ich nicht auf die Problematik der Warnzeiten überhaupt eingehen. Denken Sie an die Raketen mit 30 000 km Stundengeschwindigkeit und einer Minutengeschwindigkeit von 500 km bei einer Reichweite der Radargeräte von 500 km! Was kommen da für Probleme auf uns zu! Wir sind noch weit von den Verhältnissen in anderen Ländern entfernt, und ich kann nicht verstehen, daß Sie hier kühn erklären, wir marschierten mit unseren Bemühungen an der Spitze. ({1}) Das heißt doch wirklich die Dinge auf den Kopf stellen. Für die hier so kühn vor dem Plenum aufgestellte Behauptung werden Sie uns im Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung den Beweis liefern müssen. Meine Damen und Herren, Sie haben doch in Ihrer Fraktion in dem Herrn Professor Pascual Jordan einen ausgezeichneten Fachmann, ({2}) der doch die deutsche Öffentlichkeit freundlicherweise darüber verständigt hat, daß man fünf Jahre in unterirdischen Städten leben kann, bis sich der Atomgestank verzogen hat. Wann werden Sie denn einmal das, was dieser freundliche Herr der deutschen Öffentlichkeit empfiehlt, in die Tat umsetzen und wenigstens mit dem Minimalprogramm beginnen? Ich glaube, daß Sie auf diese Fragen der deutschen Öffentlichkeit Antworten schuldig sind. Diese Antworten haben Sie auch heute nicht gegeben. ({3})

Dr. Max Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000130

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung in der dritten Lesung. Ich rufe auf die §§ 1 bis 5 sowie Einleitung und Überschrift. Wer diesem Gesetz in der dritten Lesung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das Gesetz ist einstimmig angenommen. Ich bitte, noch einmal die Drucksache 576 zur Hand zu nehmen. Wir haben noch über die Anträge des Ausschusses zu beschließen, und zwar zunächst über Ziffer 2. Der Herr Kollege Kühlthau ist in seinen Ausführungen schon auf die Entschließung eingegangen. Ich nehme an, daß sich auch die Generaldebatte hierauf erstreckt hat. Wer dieser Entschließung - Ziffer 2 des Ausschußantrages - zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Angenommen. Ferner ist der Antrag unter Ziffer 3 noch zu verabschieden, alle zu dem Gesetzentwurf eingegangenen Petitionen für erledigt zu erklären. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Angenommen. Damit ist Punkt 8 der Tagesordnung erledigt. Es fehlt nur noch Punkt 9, der heute nachmittag beraten wird. Wir unterbrechen jetzt die Sitzung. Sie wird wieder aufgenommen um 15 Uhr. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Die Sitzung ist wieder eröffnet. Wir fahren fort mit der Beratung des bereits aufgerufenen Punktes 9 der Tagesordnung, also des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Lebensmittelgesetzes. Der Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 169 Ziffer 1 ist begründet. Ich Präsident D. Dr. Gerstenmaier eröffne die Aussprache dazu. Wird das Wort gewünscht? ({0}) - Bitte sehr, sprechen Sie von hier aus!

Dr. Viktoria Steinbiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002233, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident, wir hatten vorhin eine Pause eintreten lassen, da noch nicht alle Anträge vorlagen. Wir wollten die Anträge so ordnen, daß sie in der dem Gesetz entsprechenden Reihenfolge behandelt werden können. Wenn wir richtig vorgehen wollen, muß jetzt der SPD-Antrag auf Umdruck 172 Ziffer 1 a zu § 4 a Abs. 2 behandelt werden. Diesen Antrag wollen wir annehmen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Meine Damen und Herren, vielleicht können wir uns auch noch über das Verfahren einigen. Dieser Antrag auf Umdruck 172 Ziffer 1 a ist noch gar nicht aufgerufen und begründet. In meinen Aufzeichnungen steht, daß der Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 169 Ziffer 1 begründet, aber noch nicht debattiert worden sei. Das ist doch richtig? - Ich möchte wissen, ob dazu das Wort gewünscht wird. - Frau Abg. Keilhack, möchten Sie dazu etwas sagen? ({0}) - Herr Abgeordneter Stammberger, ich teile hier das Schicksal des größeren Teiles des Hauses, der nicht so sachverständig ist wie die Mitglieder des Hauses, die führend an der Bearbeitung dieser Vorlage beteiligt gewesen sind. Also, helfen Sie uns hier bitte einmal.

Dr. Wolfgang Stammberger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002215, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Verwirrung, die es heute morgen bei Beginn der Beratung zum Lebensmittelgesetz gab, da eine Anzahl von Änderungsanträgen noch nicht vorlag, habe ich zunächst irrtümlich unseren Antrag auf Umruck 169 Ziffer 2 a begründet. Als ich diesen Irrtum bemerkt hatte, begründete ich sofort anschließend unseren Antrag auf Umdruck 169 Ziffer 1, so daß ich ihn jetzt nicht mehr zu begründen brauche. Falls Wortmeldungen dazu nicht vorliegen sollten, könnten wir daher mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zur Aussprache übergehen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Ich schlage vor, daß wir dem folgen. Das Wort dazu hat Frau Abgeordnete Dr. Steinbiß.

Dr. Viktoria Steinbiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002233, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wir haben im Ausschuß beschlossen, im Lebensmittelgesetz die Anwendung von ionisierenden und ultravioletten Strahlen ausdrücklich für zulassungspflichtig zu erklären. Ihre Anwendung ist von sich aus also verboten. Wir glauben, damit den Erfordernissen Genüge getan zu haben, so daß eine Täuschung des Verbrauchers jetzt nicht erfolgen kann. Wir wollen, soweit das möglich ist, die chemische Konservierung möglichst durch physikalische Verfahren ersetzen. Wir haben es aber auch getan, um z. B. zu erreichen, daß bei Bestrahlungen der Milch das Vitamin D aktiviert wird. In beiden Fällen wird jedoch die Behandlungsweise so begrenzt werden müssen, daß nach menschlichem Ermessen keine anderen Wirkungen als diejenigen, die wir erreichen wollen, erzielt werden. Ich bitte Sie daher, den Antrag der Fraktion der FDP abzulehnen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Weitere Wortmeldungen? - Frau Abgeordnete Keilhack! Einen Augenblick, Frau Abgeordnete, verzeihen Sie, wenn ich hier etwas für die Arbeitsplanung des Hauses dazwischensage. Meine Damen und Herren, es ist notwendig, daß morgen Ausschüsse tagen. Ich sehe nicht ein, wie ich einigen Wünschen stattgeben und den morgigen Tag von der Präsenzpflicht freistellen könnte. Das geht nicht. Die Ausschüsse müssen morgen arbeiten; sonst kommt dieses Haus allmählich in Verdrükkung. Ich bitte daher die Damen und Herren Ausschußvorsitzenden, ihre Ausschüsse so rechtzeitig - noch während der Plenarsitzung - anzusetzen, daß morgen gearbeitet werden kann. ({0})

Irma Keilhack (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001076, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Meine Damen und Herren! Ich möchte unseren Antrag Umdruck 172 Ziffer 1 Buchstaben b und c begründen. Er ist identisch mit dem von Herrn Stammberger begründeten und von der FDP eingebrachten Antrag. Wir möchten uns ihm anschließen. Ich will zur Sache nicht mehr viel sagen. Ich möchte dafür plädieren, daß die Zulassung der Strahlenbehandlung, die in diesem Gesetz steht, nicht genügt, sondern daß über die Zulassung hinaus auch noch die Kennzeichnung als notwendig für den Verbraucher anerkannt und im Gesetz fixiert wird. Es ist notwendig, daß er Aufklärung über die Zusammensetzung oder Bearbeitung der Lebensmittel erhält, um es ihm selbst zu ermöglichen, zu wählen, welche Lebensmittel er kaufen will. Das heißt, er soll wissen, wie sie zusammengesetzt oder behandelt sind. Vielleicht ,erscheint das im Augenblick nicht als so notwendig. Aber ich mache Sie darauf aufmerksam, daß diese Novelle einen grundsätzlich neuen Weg gegen die Gefährdung der Volksgesundheit durch denaturierte Nahrungsmittel einschlägt. Dazu gehört auch, daß man die Offenlegung der Fremdstoffzusammensetzung und auch die Offenlegung der Strahlenbehandlung in diesem Gesetz mit verankert. Es handelt sich hier nicht um Perfektionismus; dieser wird von niemandem in diesem Hause beabsichtigt. Das wird auch dadurch ausgedrückt, daß wir in unserem Antrag unter c - wie im Antrag der FDP - die Möglichkeit haben, Ausnahmen von der Kennzeichnungspflicht für StrahlenbehandlunFrau Keilhack gen durch den Verordnungsgeber, d. h. das Ministerium, zuzulassen. Unter diesen Umständen, glaube ich, besteht für niemanden ein Hemmnis, unserem Antrag zuzustimmen. Ich bitte Sie sehr, das zu tun, weil ich glaube, daß es im Interesse der Verbraucher liegt und niemandem schadet.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Weitere Wortmeldungen dazu? - Frau Abgeordnete Kalinke!

Margot Kalinke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001058, Fraktion: Deutsche Partei (DP)

Zu dem Antrag der Freien Demokratischen Partei und zu dem gleichlautenden Antrag der Sozialdemokratischen Partei erkläre ich für die Fraktion der Deutschen Partei, daß wir diesen Anträgen zustimmen werden, weil sie nur logisch und sinnvoll das fortsetzen, was im Ausschuß beschlossen ist. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor. Meine Damen und Herren, wir stimmen über die gleichlautenden Anträge Umdruck 169 Ziffer 1 und Umdruck 172 Ziffer 1 Buchstaben b und c ab. Wenn diese Anträge erledigt sind, rufe ich Antrag Umdruck 172 Ziffer 1 Buchstabe a auf. Jetzt besteht wohl Klarheit darüber, daß, wenn wir über den FDP-Antrag abstimmen, gleichzeitig aber den Änderungsantrag der SPD Umdruck 172 abgestimmt wird. Wer dem Änderungsantrag Umdruck 169 Ziffer 1 bzw. Umdruck 172 Ziffer 1 Buchstaben b und c zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. Gegenprobe! - Das kann ich nicht entscheiden. Ich nehme an, daß meine Kolleginnen und Kollegen gleicher Meinung sind, daß das nicht überschaut werden kann. Hier müssen wir schon einmal einen Hammelsprung machen. Ich gebe das Ergebnis der Auszählung bekannt. Mit Ja haben 187, mit Nein 124 Mitglieder des Hauses gestimmt; enthalten haben sich 6. Der Änderungsantrag der Fraktion der FDP Umdruck 169 Ziffer 1 und der Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 172 Ziffer 1 Buchstaben b und c sind hiermit angenommen. ({0}) Jetzt kommen wir zu dem Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 172 Ziffer 1 a. Wird zur Begründung das Wort gewünscht? - Frau Abgeordnete Keilhack.

Irma Keilhack (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001076, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Änderungsantrag Umdruck 172 Ziffer 1 a soll nur klarstellen, daß zu den Voraussetzungen eines Nichtfremdstoffes, wie er in diesem Paragraphen im Lebensmittelgesetz definiert ist, nicht alle dort benannten fünf Eigenschaften zusammengehören. Das heißt, die Qualifikation als Nichtfremdstoff soll nicht erst erfolgen, wenn ein „Stoff" verdauliche Kohlehydrate, verdauliche Fette, verdauliches Eiweiß u n d natürlichen Gehalt an Vitaminen, Provitaminen, Geruchs- und Geschmacksstoffen enthält, sondern es soll genügen, wenn er eine dieser Stoffgruppen enthält. Dann also würde der Stoff schon nicht mehr unter die Fremdstoffe fallen. Es hat eine Ansicht kursiert, daß die Formulierung im Gesetz, das Wort „und", eine kumulative Auslegung erfahren könnte, die natürlich von niemandem im Ausschuß gewollt ist. Nach unserer Meinung sollte daher eine Klarstellung durch einen Änderungsantrag erfolgen, damit das Gesetz nicht z. B. in der Rechtsprechung anders ausgelegt wird, als es gemeint ist. Deshalb bitte ich um Annahme unseres Antrages. Frau Dr. Steinbiß hat, glaube ich, für ihre Fraktion schon von vornherein zugestimmt, so daß keine Komplikationen zu erwarten sind.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Wird dazu noch das Wort gewünscht? - Keine Wortmeldungen. Ich lasse über den Änderungsantrag auf Umdruck 172 Ziffer 1 a abstimmen. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Der Antrag ist einstimmig angenommen. In Artikel 1 Nr. 5 wird also in § 4 a Abs. 2 das Wort „und" in „oder" geändert. Wir kommen zu dem Änderungsantrag auf Umdruck 173 Ziffer 1, Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU. Wird dazu das Wort gewünscht? Zur Begründung Herr Abgeordneter Dr. Elbrächter.

Dr. Alexander Elbrächter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000461, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir waren uns im Ausschuß im Grunde genommen in der Sache völlig einig. Es soll unter allen Umständen verhindert werden, daß Thyreostatica, d. h. Schilddrüsenhormone, und oestrogene Hormone in Lebensmitteln enthalten sind. Wir beantragen, die Bundesratsfassung wiederherzustellen, und zwar aus zwei Gründen. Erstens hat sich nach der Abstimmung im Ausschuß herausgestellt, daß durch die Fassung des Ausschusses ,das Verfüttern von natürlichen Futtermitteln unter Umständen verboten wäre. Es ist nämlich so, daß in bestimmten natürlichen Futtermitteln, wie Klee, Heu, Zuckerrübenschnitzel, Sojamehl usw., oestrogen wirkende Stoffe enthalten sind. Daran ist natürlich nie gedacht. Das ist auch im Ausschußbericht betont worden. Nur gilt für den Richter selbstverständlich nicht das, was im Ausschußbericht steht, sondern es gilt das, was im Gesetz steht. Um also Klarheit zu schaffen, müssen wir die Ausschußfassung unter allen Umständen revidieren und klarstellen, daß das Verfüttern von solchen Futtermitteln nicht verboten ist. Nun könnte man das natürlich so erreichen, wie es die SPD vorschlägt, indem man einen Nachsatz bringt. Wir von der CDU/CSU-Fraktion sind aber der Meinung, daß es aus rechtssystematischen Gründen besser ist, auf die Bundesratsfassung zurückzugehen, weil dann eine deutliche Trennung zwischen den Lebensmitteln bleibt, die im Lebensmittelgesetz, ,also hier, behandelt werden, und den Futtermitteln, die in einem kommenden Futtermittelgesetz behandelt werden sollen. Wir glauben, das auch verantworten zu können, da kein anderes Verfahren in der Praxis bekannt ist als das hier verbotene Verfahren des Einpflanzens oder Einspritzens solcher Stoffe. Das Verfüttern über den Magen-Darm-Kanal hat nicht die gleichen physiologischen Auswirkungen wie das Einspritzen und das Einpflanzen, weil damit keine Depotwirkung erreicht werden kann. Eine Gefährdung des Menschen durch diese Methode des Verfütterns ist also viel geringer. Falls sie trotzdem als gegeben erachtet werden sollte, müßte eine entsprechende Änderung im Futtermittelgesetz vorgenommen werden, wo Konzentrationen solcher Stoffe in Futtermitteln verboten werden müßten. Ich bitte das Haus, hier der Rechtssystematik zu folgen und dem Antrag der CDU/CSU-Fraktion auf Wiederherstellung der Bundesratsfassung stattzugeben.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Wird dazu das Wort gewünscht? - Bitte sehr, Herr Abgeordneter Dr. Bärsch!

Dr. Siegfried Bärsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000074, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es handelt sich hierbei leider nicht nur und auch nicht in erster Linie um eine Frage der Rechtssystematik. Es ist auch nicht so, daß im Ausschuß in bezug auf das, was jetzt von der CDU vorgeschlagen wird, Einverständnis geherrscht hätte. Der von der CDU vorgelegte Änderungsantrag bewirkt vielmehr eine wesentliche materielle Änderung der Bestimmung. Die Bestimmung besagt jetzt, daß es verboten ist, Thyreostatica und Sexualhormone Tieren zu verabreichen, und zwar in jeder Form: als Einpflanzung, als Einspritzung und in der Form der normalen üblichen Verfütterung. Durch den CDU-Antrag soll jetzt die Verfütterung aus dem Verbot herausgenommen werden. Es soll also in Zukunft möglich sein, wenn die Voraussetzungen dafür gegeben sind, solche Stoffe den Tieren über den Magen-Darm-Kanal zuzuführen. Die Begründung von Herrn Elbrächter ist etwa folgende: Das sei nicht gefährlich, weil bei der Verfütterung und der Aufnahme dieser Stoffe über den Magen-Darm-Kanal gewissermaßen die Verarbeitung im Körper mehr oder weniger sofort erfolge und im Tier keine Restsubstanzen vorhanden blieben, die später beim Verzehr vom Menschen aufgenommen würden. Insofern hat Herr Elbrächter durchaus recht. Aber das ist nur die vordergründige Seite des Problems, noch nicht das ganze Problem. Denn was tun Sie damit, daß Sie mit Hilfe von Thyreostatica, das heißt also Stoffen, die die Schilddrüsenfunktion bremsen, oder mit Hilfe von Hormonen das Wachstum des Tieres beschleunigen und in bestimmter Weise beeinflussen? Wenn ich es einmal ganz kraß sagen darf, dann würde ich es so ausdrücken: Sie machen das Tier krank. Sie bringen das natürliche feinregulierte Stoffwechselgleichgewicht dieses tierischen Organismus in Unordnung, und zwar mit einer sehr klaren Zielsetzung: damit das Tier möglichst fett und möglichst schnell fett wird. Wir wissen bisher noch nicht sehr viel darüber, was für biologische und biochemische Reaktionen durch solche Beeinflussung des Stoffwechsels im Tier herbeigeführt werden können. Die Forschung ist auf diesem Gebiet noch nicht allzuweit fortgeschritten. Auf alle Fälle muß ich als Arzt feststellen, daß beim Menschen solche Stoffwechselentgleisungen eindeutig Krankheiten genannt werden und zum Teil als sehr schwere Krankheiten bekannt sind. Wir sind deshalb der Auffassung, daß die Verfütterung dieser Stoffe aus dem Verbot nicht herausgenommen werden darf, zumal da der einzige Gesichtspunkt, der dafür spricht, ausschließlich wirtschaftlicher Natur ist: Man will schneller und billiger schlachtreife Tiere produzieren. Wir wissen uns bei dieser Forderung in durchaus guter Gesellschaft. Ich darf Ihnen mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten zur Kenntnis bringen, was der letzte Deutsche Ärztetag in Garmisch-Partenkirchen, also ein durchaus sachverständiges und gewichtiges Gremium, zu dieser Frage geäußert hat, nämlich: Jede Beimengung schädlicher Fremdstoffe in die Nahrungsmittel und die Einpflanzung, Einspritzung und Verfütterung von Hormonen und Antibiotika zur Verlängerung der Haltbarkeit und Beeinflussung des Fleisch- und Fettansatzes bei Tieren sollen verboten werden. Das ist eine eindeutige Aussage. ({0}) - Herr Kollege, ich bin Ihnen für diesen Zwischenruf sehr dankbar. Ich weiß nicht, ob wir für unsere Gesetzgebung immer und in jedem Falle das zum Vorbild nehmen sollen und können, was im Ausland zur Zeit geltendes Recht ist, ({1}) sondern ich meine, daß wir gegebenenfalls bereit sein müssen, da, wo es das gesundheitliche Interesse der Bevölkerung verlangt, auch dem Ausland gegenüber einmal einen oder zwei Schritte voraus zu sein, ({2}) selbst wenn dadurch eine vorübergehende - das wollen wir durchaus zugeben -, aber in Grenzen zu haltende wirtschaftliche Schwierigkeit auftritt. Diese Schwierigkeit kann überwunden werden. Ich glaube jedenfalls, daß der deutsche Verbraucher uns dankbar sein wird, wenn wir hier an dem strikten Verbot festhalten. ({3})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Wird dazu das Wort gewünscht? - Bitte sehr, Herr Abgeordneter Reith!

Dr. Eckhard Reith (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001816, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist allgemein bei allen Ärzten bekannt, daß die oestrogenen Hormone im Magen-Darm-Trakt zerstört werden. Aus diesem Grunde werden ja ärztlicherseits alle peroral geDr. Reith gebenen Hormone des Ovars oral oder sublingual verabreicht, d. h. schon im Munde zur Auflösung gebracht, da sie sehr rasch zerstört und sehr rasch abgebaut werden. Zweitens ist zu bedenken, daß wir dann auch den Landwirten verschiedene Futtermittel verbieten müssen, da allgemein bekannt ist, daß Thyreostatica ich denke an das Kraut - und auch oestrogene Stoffe in den Pflanzen genauso vorhanden sind wie in aller lebenden Substanz. Aus diesem Grunde können wir, wie schon Herr Elbrächter angeführt hat, auf keinen Fall die Verfütterung von oestrogenen Stoffen in das Gesetz mit einbauen. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Frau Abgeordnete Kalinke!

Margot Kalinke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001058, Fraktion: Deutsche Partei (DP)

Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich möchte mich hier nicht in das Streitgespräch der Mediziner einmischen. Tch glaube aber, Herr Dr. Bärsch hat das Rechte gesagt, als er erklärte: „Wir wissen noch nicht sehr viel darüber." Wir werden uns ganz gewiß auch beim Arzneimittelgesetz über dasselbe Problem noch einmal sehr gründlich unterhalten müssen. Solange wir noch nichts Entscheidendes wissen, scheint mir die Begründung des Kollegen Elbrächter richtig zu sein, und es erscheint mir auch sinnvoll, hier der Bundesratsfassung und damit dem Antrag der CDU/ CSU zu folgen. Das soll nicht ausschließen, daß es uns vorbehalten bleiben muß, in dem Zeitpunkt, wo wir mehr und Genaueres wissen, dieses Gesetz fortzuentwickeln und zu ändern. Das ergibt sich ohnehin aus der Entwicklung. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Frau Abgeordnete Keilhack!

Irma Keilhack (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001076, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Meine Damen und Herren! Die ersten Bedenken, die im Ausschuß für Gesundheitsfragen, in dem das Lebensmittelgesetz behandelt worden ist, wegen dieses Passus auftauchten, entstanden nicht durch den Wunsch, Futtermittel verwendbar zu machen, denen Hormone beigesetzt sind, sondern durch den Wunsch, Futtermittel weiter verwenden zu können, die natürliche Hormone als Bestandteile haben. Wir sind zwar der Meinung gewesen, der Text des § 4 b Ziffer 2 schließe das ein, weil wir glaubten, der Halbsatz „um die Beschaffenheit des Fleisches oder den Fleisch- oder Fettansatz zu beeinflussen" beinhalte - und wir sind in dieser Meinung von Wissenschaftlern und Juristen bestärkt worden -, daß solche Futtermittel, die natürliche Hormone enthalten, nicht gemeint sind. Wir haben uns aber, um das ganz klar und unzweifelhaft zu machen, bereit gefunden, den Änderungsantrag Umdruck 176 hier einzureichen. Wenn das die einzige Meinungsverschiedenheit war - und nach den wirklich sehr nachhaltigen Diskussionen im Ausschuß schien es so zu sein , bin ich allerdings erstaunt, daß man hier eine ganz neue Absicht vorbringt, nämlich auch Futtermittel, denen Hormone zugesetzt sind, aus dem Verbot der Lebensmittelrechtsnovelle herauszunehmen bzw. das Verbot dem Futtermittelgesetz zu überlassen. Ich glaube, das geht nicht. Wir haben in das Lebensmittelgesetz sehr bewußt und in monatelanger, sehr überlegter und sehr detaillierter Arbeit alles das hineingenommen, was zu Lebensmitteln wird - und das wird natürlich jedes Tier, das kurz vor dem Schlachten steht -, und haben es deshalb für richtig befunden, diesen Passus betreffend Futtermittel so hineinzunehmen, wie er drinsteht. Ich bitte Sie, sich das einmal von diesem Gesichtspunkt aus zu überlegen und zu bedenken, daß die erste Novelle, die bekanntlich bereits kurz vor Auflösung des letzten Bundestages fertig war und an der der damalige Lebensmittelgesetz-Unterausschuß mehr als ein Jahr sehr eingehend gearbeitet hat, dieselben Bestimmungen enthielt, wie sie auch jetzt im Ausschußbeschluß, wiederum nach monatelanger Arbeit, niedergelegt worden sind. Ich bin der Meinung, daß wir hier mit einem neuen Text, so wie die CDU ihn vorlegt, in sehr großer Eile, so aus der Hand, über eine Formulierung abstimmen, von der keiner von Ihnen, die Sie hier sitzen, oder jedenfalls nur ein ganz geringer Teil, wissen kann, welche Folgen das hat. Ich möchte anknüpfen an die vorausgegangenen Erklärungen meines Parteifreundes Dr. Bärsch und Sie noch einmal bitten, dem CDU-Antrag, der nicht übersehbare Weiterungen gegenüber dem ursprünglichen Text nach sich zieht, nicht zuzustimmen, sondern unseren Antrag anzunehmen. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Meine Damen und Herren, mir leuchtet ein, daß der Antrag Umdruck 176 - was ich jetzt aus den Ausführungen der Frau Abgeordneten Kailhack entnommen habe - zum Problem gehört. Ich verbinde deshalb die Aussprache. Beide Anträge sind begründet; oder wollten Sie, Frau Abgeordnete Keilhack, zur Begründung Ihres Änderungsantrages Umdruck 176 noch etwas Weiteres sagen? ({0}) - Dann schlage ich dem Hause vor, daß die beiden Änderungsanträge in der Aussprache miteinander verbunden werden. Wir werden nachher zuerst über den Antrag Umdruck 173 Ziffer 1 und dann über den Antrag Umdruck 176 abstimmen. - Das Wort hat Herr Abgeordneter Elbrächter.

Dr. Alexander Elbrächter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000461, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur noch wenige Sätze. Ich möchte Herrn Bärsch sagen, daß wir in der Sache im Ausschuß einig waren. Wir haben den Antrag - ich weiß nicht, ob Frau Keilhack oder Frau Strobel ihn gestellt hatte -, den Ausdruck „einzupflanzen" bzw. „einzuspritzen" zu ändern in „zu verabfolgen", ja einstimmig angenommen. Wir sind uns in der Sache wirklich einig. Wir wollen verhindern, daß in der Tierfütterung Verfahren Eingang finden, die dem menschlichen Körper nicht zuträglich sind. - Das ist das eine, was ich bemerken möchte. Und das Zweite, Herr Kollege Bärsch. Ich bin zwar kein Mediziner; ich glaube aber feststellen zu dürfen, daß durch die Methode des Verfütterns bestenfalls ein Hormonspiegel im Blut erreicht werden kann, der nicht größer ist als der, der durch die übliche Methode des Kapaunisierens entsteht. Dann müßten Sie auch das Kapaunisieren verbieten.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Abgeordneter Bauknecht!

Bernhard Bauknecht (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000110, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie dringend, dem Änderungsantrag der CDU zuzustimmen. Sie ermöglichen sonst einen Wettbewerb, bei dem die deutsche Landwirtschaft unter den gegebenen Verhältnissen wirklich den kürzeren zieht. Wie können Sie denn verhindern, daß die dänischen Rinder, die nach Deutschland hereinkommen, so gefüttert werden, oder daß das Geflügel, das aus dem Ausland kommt, nach diesem System kapaunisiert wird, wie vorhin Herr Elbrächter sagte? Sie verbieten es nicht, sondern essen dieses Fleisch heute mit Wonne. Sie verbieten aber uns, die gleichen Methoden anzuwenden, die dem Ausland erlaubt sind. Das geht unter gar keinen Umständen. Die Landwirtschaft hätte hier derartige Nachteile, daß sie unter diesen Umständen nicht bestehen könnte. ({0}) Wenn einmal international festgestellt wird, daß der Mensch dadurch gesundheitliche Schäden davonträgt, dann kann das Gesetz geändert werden.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Abgeordneter Dr. Bärsch!

Dr. Siegfried Bärsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000074, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Für diese Ausführungen, sehr verehrter Herr Kollege, haben wir allen Grund Ihnen dankbar zu sein, ({0}) weil Sie ganz offen gesagt haben, worum es hier geht, daß sich hier zwei Dinge gegenüberstehen: ein wirtschaftliches Interesse - dessen Existenz ich keinesfalls generell in Abrede gestellt habe, nur veranschlage ich es bei weitem nicht so hoch, wie Sie - und ein gesundheitspolitisches Interesse auf der anderen Seite. Sie sagen: Solange das im Ausland weiter geschieht, müssen auch wir es so weitermachen. Soll es erst einmal im Ausland anders gemacht werden, gemäß dem schönen Spruch: Hannemann, geh du voran! Ich weiß nicht, ob das in einer solchen Frage eine vertretbare These ist. Entweder wir sind der Überzeugung, daß hier gesundheitliche Schäden entstehen können, die wir vorläufig nicht zu übersehen vermögen, weil, wie ich bereits sagte, die Forschung auf diesem Gebiet noch nicht allzu weit fortgeschritten ist. Dann müssen wir das Verbot fordern. Oder wir sind anderer Meinung. Dann können wir es lassen. Sie, Herr Kollege Bauknecht, leugnen zwar das gesundheitliche Risiko nicht, wollen aber trotzdem das Verbot durchlöchern. Herr Kollege Elbrächter, Sie sehen meines Erachtens die Frage zu sehr im Quantitativen. Sie stellen immer nur darauf ab, daß der Hormonspiegel bei der Verfütterung nicht zu hoch werden darf und auch die Hormone nicht zu lange im Blute bleiben dürfen. Ich betone demgegenüber, daß das nur die eine Seite der Sache ist. Die andere Seite stellt sich so dar, daß das Stoffwechselgleichgewicht des Tieres gestört, und zwar nachhaltig in einer Weise gestört wird, die wir beim Menschen ohne jede Einschränkung als Krankheit bezeichnen, zum Teil als schwere Krankheit. ({1}) Sie wollen die Störung in Kauf nehmen, um einen wirtschaftlichen Effekt zu erzielen. Wir sind der Meinung, daß wir es auf ein solches Risiko nicht ankommen lassen dürfen. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch ein letztes Wort sagen. Ich will damit die Sache nicht zu sehr ausweiten. Wir sind uns doch wohl alle darüber einig, daß der Mensch in unserer Zeit vor allem einer großen Gefahr ausgesetzt ist, nämlich der Gefahr, daß die Zivilisation seine Lebensbedingungen in immer stärkerem Maße in einen Gegensatz zu seinen natürlichen Anlagen bringt. Entwicklungen können wir auf verschiedenen Gebieten unseres Lebens nicht ausweichen, z. B. im Beruf. Aber dieser Tatbestand, daß wir uns auf verschiedenen Gebieten unseres Lebens mit einer mehr oder weniger künstlichen Umwelt abfinden müssen, zwingt uns, überall dort dagegen anzukämpfen wo kein ausreichender Grund vorhanden ist, der Natur in den Arm zu fallen. ({2}) Das fängt bei der Aufzucht des Schlachtviehs mit Hormonen an und endet z. B. bei den Versuchen, die vor einiger Zeit ein französischer Forscher anstellte. Es gelang ihm, durch Einspritzen bestimmter Nukleinsäuren Erbmerkmale von Enten zu ändern. Manche Illustrierte knüpfen bereits daran Betrachtungen über die Möglichkeit, auf diese Weise in der Zukunft auch beim Menschen in seine Entwicklung einzugreifen. ({3}) - Sicher, dieses Beispiel ist extrem und reicht etwas weit. Aber lassen Sie uns den Anfängen wehren! ({4})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat die Frau Abgeordnete Dr. Lüders.

Dr. Dr. h. c. Marie Elisabeth Lüders (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001391, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei dieser Diskussion ist es für mich und wahrscheinlich auch für manchen anderen wichtig, von der Regierung zu hören, wie weit sie mit einem sogenannten Futtermittelgesetz bereits ist. Wann kann man damit rechnen, daß dieses Futtermittelgesetz erscheinen wird, oder hat das noch jahrelang Zeit, wie so manches andere Gesetz Zeit gehabt hat, dessen Erscheinen uns als für die nächste Zukunft bevorstehend angepriesen wurde? Wenn das womöglich noch jahrelang dauert, dann bleibt der augenblickliche Zustand bestehen, der mir nach vielem, was hier ausgeführt worden ist, erheblich fragwürdig zu sein scheint. Dann müßte man ja auch wissen - und die Regierung kann vielleicht dazu Stellung nehmen -, wie sich die Behörden verhalten sollen bei der vorhin erwähnten Einfuhr von Tieren und vor allen Dingen von Geflügel aus dem Ausland, das mit den genannten Methoden behandelt worden ist und hier an die ahnungslose Bevölkerung verkauft wird. ({0}) Die Folgen, die durch solche Einspritzungen und die Wirkung dieser Mittel entstehen, scheinen doch nicht so ganz harmloser Natur zu sein, wie es von manchen gern dargestellt wird, wobei ich keineswegs unterstellen will, daß diese Verharmlosung wirtschaftliche Gründe hat, sondern man hält sie vielleicht wirklich nicht für bedenklich. Aber ich würde gern von der Regierung auf beide Fragen eine Antwort haben, da ich mich entscheiden soll, ob ich ja oder nein sage. ({1})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Reith.

Dr. Eckhard Reith (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001816, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es geht hier darum, ob sich das Fleisch eines mit oestrogenen Stoffen - entweder durch Einspritzung, durch Fütterung oder durch Einpflanzung - behandelten Tieres von dem eines anderen Tieres unterscheidet, das diese Stoffe nicht erhalten hat. Wir haben keinerlei Beweise oder wissenschaftliche Arbeiten darüber, daß dieses Fleisch vergiftet ist. Es geht darum, daß wir die Menschen nicht dazu zwingen könnten, dies oder jenes zu essen. Man soll auch einen Menschen nicht zu seiner Gesundheit zwingen. Wer der Meinung ist, daß diese oder jene Tiere stoffwechselkrank sind, ({0}) der darf auch nicht das Fleisch einer Mastgans oder eines Mastochsen essen, denn diese Tiere sind genauso stoffwechselkrank. ({1}) Es geht ja nicht darum, wo die Krankheit sitzt, sondern es geht darum, ob das Fleisch eines stoffwechselkranken Tieres vergiftet ist. Diese Frage steht hier zur Debatte. ({2})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Weitere Wortmeldungen? - Herr Dr. Bärsch.

Dr. Siegfried Bärsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000074, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Meine Damen und Herren! Ich wollte an sich die Diskussion nicht so weit vertiefen; aber die Ausführungen des verehrten Herrn Kollegen Dr. Reith, der die Injektion oder Verfütterung solcher Substanzen in jedem Falle als harmlos bezeichnet, sind medizinisch sehr bedenklich. Daß das Tier, dem ich Thyreostatica injiziere, implantiere oder verfüttere und dessen Energiestoffwechsel dadurch wesentlich herabgedrückt wird, in seinem Stoffwechsel gestört ist, stoffwechselkrank ist, scheint mir unbestritten zu sein, Herr Kollege. Darüber hinaus sehe ich mich jetzt veranlaßt, Sie auf die Arbeit eines französischen Wissenschaftlers hnzuweisen, die mir im Laufe des heutigen Tages von meinem Kollegen Professor Bechert zur Verfügung gestellt worden ist. In dieser Arbeit wird darauf hingewiesen, daß die Behandlung von Menschen mit Oestrogenen und die Berührung mit solchen Stoffen bei der Herstellung in verschiedenen Fällen zu Krebs geführt haben, ({0}) - Natürlich, das ist ein Experiment unter extremen Bedingungen; da haben Sie völlig recht. Experimente pflegt man immer unter bestimmten, teilweise extremen Bedingungen durchzuführen, um die Grenzwirkung bestimmter Substanzen zu erkennen. Das beweist doch eindeutig, daß wir es vor allem bei den Oestrogenen nicht mit so harmlosen Substanzen zu tun haben. Wer die Konstitutionsformel dieser Hormone kennt, weiß, in welch gefährlicher Nachbarschaft sie sich zu den Konstitutionsformeln der sogenannten praecancerösen Stoffe - der Stoffe, die Krebs erzeugen können - befindet. Ich will das nicht weiter vertiefen. Ich möchte mich aber dagegen wenden, daß die Dinge hier verniedlicht werden und gesagt wird: Es sind bisher noch keine Schädigungen nachgewiesen worden. Es ist wissenschaftlich bisher auch nicht nachgewiesen, daß nichts passieren kann, und das mahnt zur Vorsicht. ({1})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Reith.

Dr. Eckhard Reith (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001816, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Die Konstitutionsformel der oestrogenen Stoffe wie überhaupt sämtliche Sexualhormone mit karzinogener Wirkung hängt damit zusammen, daß sowohl bei den Hormonen als auch bei den karzinogenen Stoffen eine Vermehrung der Zellsubstanz stattfindet. Aber wir sind nicht in der Lage zu behaupten, daß die Hormone in einer bestimmten Dosierung - und darum geht es ja - giftige Wirkungen oder kanzerogene Wirkung haben. Die Hormone sind in der Natur überall so stark vorhanden, daß wir sie laufend - sowohl therapeutisch als auch physiologisch - brauchen. Davon machen wir als Ärzte laufend Gebrauch. Es besteht - und das ist die entscheidende Frage - kein Grund, Fleisch von einem Tier, das zuviel oder zuwenig oder normal Hormone erhalten hat, gegenüber einem anderen Fleisch zu verwerfen, das angeblich keine dieser oestrogenen Stoffe enthält. Darum geht es, und da haben wir keinerlei Anlaß, etwas in einem Gesetz zu verankern, was, wie Sie selber behaupten, noch ungeklärt ist und wobei die Tatsachen dafür sprechen, daß die Hormone eher physiologisch als toxisch wirken.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Frau Abgeordnete Keilhack!

Irma Keilhack (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001076, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Meine Damen und Herren! Ich will zu den medizinischen Auseinandersetzungen nichts beitragen, möchte aber Herrn Dr. Reith darauf aufmerksam machen, daß wir ja gerade mit unserem Änderungsantrag berücksichtigen wollen, daß es Futtermittel gibt, die natürliche Hormonstoffe enthalten und die deshalb nicht dem Verbot unterliegen sollen. ({0}) - Ich kann mich dazu nicht äußern, Herr Dr. Reith, weil ich kein Mediziner bin. Ich möchte mich vielmehr dem Problem zuwenden, das Herr Abgeordneter Bauknecht hier aufgerollt hat, dem Problem der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Fleisch-, der Veredlungs- oder gar der Futtermittelindustrie. Herr Bauknecht, mir liegt gerade ein Schreiben der Bundesstelle für Außenhandelsinformationen vor, wonach in Belgien bei der Herstellung von Alkoholika, auch bei Likören, in jüngster Zeit auch Methylalkohol verwendet wird. Sie werden doch deshalb nicht sagen, daß wir in der Bundesrepublik auch mit Methylalkohol arbeiten sollten. Insofern gibt es eine Konsequenz: wenn das Ausland mit Stoffen arbeitet, die gesundheitlich bedenklich oder gar schädlich sind, dann ist das für uns kein Grund, dieselbe Art der Bearbeitung oder des Zusetzens von Fremdstoffen zu konzedieren. ({1}) Vielleicht haben Sie den Entwurf des Gesetzes zur Änderung des Lebensmittelgesetzes nicht in seinen einzelnen Bestimmungen gelesen, was man ja nicht verlangen kann; denn es ist wirklich ein Spezialgesetz. In § 21 Abs. 4 steht: In den nach diesem Gesetz zu erlassenden Verordnungen dürfen an die aus dem Ausland eingeführten Lebensmittel und Bedarfsgegenstände keine geringeren Anforderungen gestellt werden als an gleichartige inländische. Ich glaube, diese Bestimmung, die im Gesetz niedergelegt werden soll, stellt ein Sicherung dar. Wie sie nachher in Form einer nachhaltigeren Lebensmittelüberwachung praktiziert wird, ist ein anderes Kapitel. An uns allen liegt es, das zu bewerkstelligen. ({2})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Siemer.

Dr. J. Hermann Siemer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002174, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident, meine verehrten Damen und Herren! Natürlich kann man - ich knüpfe hier in die Ausführungen meiner Vorrednerin an - nicht sagen: Weil die Ausländer den Schritt tun, um in den Brunnen zu fallen, sollen wir ihn auch tun. Aber zunächst ist es nicht bewiesen, verehrte Frau Keilhack, daß bei der Verfütterung dieser Stoffe irgendwelche nachteilige Folgen zu verzeichnen sind. Ein Weiteres. Wenn Sie den Schritt tun, den Sie hier vorhaben, müssen Sie natürlich auch die Konsequenz ziehen und alle Importe - gerade bei Geflügel kommt ja die Verfütterung dieser Stoffe in großem Maße in Betracht - ebenso verbieten. ({0}) - Bitte, ich frage, ob das überhaupt möglich ist. Sie müssen erst den Nachweis führen, daß diese Stoffe schädlich sind. Das setzen Sie ja voraus; den Nachweis haben Sie noch gar nicht geführt, sondern Sie nehmen es an. Ich erinnere mich bei dieser Diskussion an eine Auseinandersetzung, die wir vor ungefähr 25 Jahren hatten, als man mit der sogenannten biologischdynamischen Wirtschaftsweise begann - das ist die Art des Wirtschaftens auf pflanzlichem Gebiet -, als große Experten und Doktoren nachzuweisen versuchten, daß die Fütterung der Pflanzen mit Mineralstoffen Krebs hervorrufe. Nach 20 Jahren ist es inzwischen um diese Methode der biologischdynamischen Wirtschaftsweise still geworden, mit der man nachzuweisen trachtete, daß nur die Pflanze, die im Humus wächst und keine Kunststoffe erhält, dem Menschen zuträglich sei. Ich wüßte nicht, wo wir heute stünden, wenn wir uns der Wissenschaft verschlossen hätten und diesem neuen Zug in der Landwirtschaft gefolgt wären. Etwas Ähnliches erleben wir jetzt auf dem Fütterungssektor. Da kommen sehr kluge, weise Leute und entdecken, daß die sogenannten Mischfutterfabriken etwas herstellen, was dem Tier nicht zuträglich ist. Nun, ich darf Ihnen sagen - und als Landwirt beschäftige ich mich auch damit -: ich bin zu der Überzeugung gekommen, daß es jedenfalls nicht nachteilig für den Menschen ist, wenn man die Tiere nach wissenschaftlichen Erkenntnissen füttert. Von den sonstigen wirtschaftlichen Vorteilen will ich gar nicht reden. Aber es ist schon immer so gewesen, daß dann, wenn ein wissenschaftlicher Fortschritt auftritt, ganz kluge Leute, die es besser wissen wollen, glauben, diesen Fortschritt hemmen zu müssen. Es ist durch nichts bewiesen, daß unsere heutige Fütterungstechnik falsch ist. Wenn sich aber durch exakte wissenschaftliche Untersuchungen erweisen sollte, daß wir auf dem falschen Wege sind, so kann man ja demnächst bei dem bereits vorliegenden Futtermittelgesetz diesen Dingen zu Leibe gehen. Da ist der Ort, wo diese Frage ernstlich diskutiert werden kann. Sie können also mit der Maßnahme, die Sie ergreifen wollen, höchstens viel Unheil anrichten. Dem Menschen aber, dem Sie ja dienen wollen, dienen Sie damit nicht. Das Problem der Gesunderhaltung liegt nicht darin, zu versuchen, oestrogene Stoffe herauszuhalten. Diese gibt es in der Natur in vielen Futterarten. Das Problem liegt vielmehr bei dem Verbrauch von Genußmitteln, für die das deutsche Volk 15 Milliarden DM ausgibt. ({1})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Abgeordneter Bauknecht!

Bernhard Bauknecht (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000110, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich möchte nur eine Frage an Frau Kollegin Keilhack richten. Welche Möglichkeit haben Sie, bei Importen von lebenden oder toten Tieren nachzuweisen, daß diese mit entsprechenden Futtermitteln gefüttert worden sind? Sobald Sie diese Möglichkeit haben, können Sie die Importe verbieten. Solange sie aber nicht besteht, können Sie auch uns keine Zwangsjacke auferlegen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung, zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU Umdruck 173 Ziffer 1. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; der Änderungsantrag auf Umdruck 173 Ziffer 1 ist angenommen. Frau Abgeordnete Keilhack, ich frage Sie, ob damit der Änderungsantrag auf Umdruck 176 erledigt ist. ({0}) - Dann lasse ich über ihn nicht mehr weiter abstimmen. ({1}) - Wir wollen diesem trauten Zwiegespräch einen Augenblick lauschen. ({2}) Herr Staatssekretär, das Haus interessiert sich für Ihre Auskunft. Aber wenn Sie sie spätergeben wollen, sind Sie darin natürlich vollkommen frei. Die Regierung kann jederzeit das Wort nehmen. Der nächste Änderungsantrag ist der Antrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 170 Ziffer 1. Wird zur Begründung das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Dr. Dittrich!

Dr. Stefan Dittrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000393, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Behandlung des letzten Änderungsantrages zeigt uns schon, mit welch außerordentlich schwieriger Materie wir uns heute nachmittag zu beschäftigen haben. Man müßte meines Erachtens Mediziner, Nahrungsmittelchemiker und Jurist gleichzeitig sein, um dieses Gesetz in allen Teilen bearbeiten zu können. Der Änderungsantrag Umdruck 170 Ziffer 1, den ich zu begründen habe, wird sicher nicht eine solche Debatte hervorrufen wie der letzte Antrag. Die Fraktion der CDU/CSU beantragt nämlich, in Art. 1 Nr. 6 in § 5 a in der vierten Zeile des Abs. 1 hinter den Worten „für Wirtschaft" die Worte „und in den Fällen der Nr. 5, soweit eine Behandlung nach § 4 c erfolgt, mit dem Bundesminister für Atomkernenergie und Wasserwirtschaft" einzufügen. Ich darf Sie, meine Damen und Herren, darum bitten, in dem Änderungsantrag Umdruck 170 Ziffer 1 vor den Worten „für Atomkernenergie und Wasserwirtschaft" . die Worte „mit dem Bundesminister" einzufügen. Bei diesem Antrag handelt .es sich um die Frage der Zulassung ionisierender Strahlen, bei der unter allen Umständen der Bundesminister für Atomkernenergie und Wasserwirtschaft gehört werden soll, der ja für die friedliche Anwendung der Atomenergie verantwortlich ist. Ich bitte Sie, diesem Antrag Ihre Zustimmung zu erteilen. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Wird dazu das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? Einstimmig angenommen. Nun folgt der Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 169 Ziffer 2. Wird zur Begründung das Wort gewünscht? ({0}) - Einen Augenblick, Herr Abgeordneter Elbrächter! ({1}) - Möchten Sie den Antrag begründen? ({2}) - Zur Geschäftsordnung muß ich Ihnen gar nicht jederzeit das Wort geben, vor allem dann nicht, wenn schon ein Punkt aufgerufen ist. Bezieht sich das, was Sie sagen wollen, auf diesen Antrag? - Na schön!

Dr. Alexander Elbrächter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000461, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident, ich darf darauf aufmerksam machen, daß der Antrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 173 Ziffer 2 der weitergehende Antrag ist. Wenn also der CDU-Antrag angenommen würde, würde sich der Antrag der Fraktion der FDP erledigen. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Frau Kollegin Strobel, ich kann nie vorher wissen, was einer sagt. Hier habe ich treuherzig das Wort zur Geschäftsordnung gegeben, und es erweist sich, daß es falsch war.

Dr. Alexander Elbrächter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000461, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Es tut mir leid. Ich bitte aber darauf aufmerksam machen zu dürfen, daß es meinen Freunden und mir zweckmäßig erscheint, diesen weitergehenden Antrag zuerst zu begründen, weil es dann für das Haus leichter ist zu folgen, als wenn wir uns zunächst eine Begrün2648 dung für einen Antrag anhören, der als Eventualantrag sicherlich von uns unterstützt würde. Der Sache wäre es sicher dienlich, zunächst unseren Antrag begründen zu lassen, - jenseits aller Betrachtungen zur Geschäftsordnung.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort zur Begründung des Änderungsantrags Umdruck 169 Ziffer 2 Buchstabe a hat Herr Abgeordneter Dr. Stammberger.

Dr. Wolfgang Stammberger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002215, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es handelt sich hierbei um den Antrag, den ich heute früh versehentlich bereits begründet habe. Wenn ich trotzdem noch einmal das Wort ergreife, so nur deshalb, weil ich auf den Unterschied zwischen unserem Antrag und dem inzwischen eingegangenen Antrag der SPD Umdruck 172 Ziffer 2 Buchstabe a aufmerksam machen möchte. Wir wollen beide praktisch das gleiche: wir wollen die technischen Hilfsstoffe aus der starren Kennzeichnungspflicht herausnehmen. Sie wollen es lediglich mit Ausnahmevorschriften tun. Wir wollen es durch eine Umwandlung in eine Kann-Vorschrift erreichen, weil wir der Meinung sind - das habe ich heute früh bereits ausgeführt, und darauf nehme ich nunmehr Bezug -, daß die technischen Hilfsstoffe im Gesetz aus den bereits dargelegten Gründen nicht nach dem Verbotsprinzip, sondern nach dem Mißbrauchsprinzip behandelt wurden und daß dem Mißbrauchsprinzip auch nur die Kann-Vorschrift für die Kenntlichmachung entspricht.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Meine Damen und Herren, ich verbinde jetzt einmal die beiden Änderungsanträge in der Aussprache. Ich rufe deshalb gleichzeitig den Antrag Umdruck 173 Ziffer 2 auf. Wird dazu das Wort gewünscht? ({0}) Antrag Umdruck 173 ist der Antrag, der hier konkurrriert. Welches der weitgehende ist, darüber kann man sich sehr streiten. Herr Abgeordneter Unertl, wollten Sie dazu sprechen? - Bitte sehr!

Franz Xaver Unertl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002355, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag Umdruck 173 Ziffer 2 beschäftigt sich mit der Änderung der Ausschußvorlage und will die Fassung der Regierungsvorlage wiederherstellen. Dies ist der weitergehende .Antrag. Ich nehme an, daß die Begründung jetzt vielleicht einige Diskussionen, die noch kommen könnten, vorwegnimmt. Nach dem, was bisher geschehen ist und was wir bisher erlebt haben, sieht es so aus, als ob man entweder Chemiker oder Arzt oder Wissenschaftler sein müßte, um hier mitreden zu können. ({0}) Ich bin das nicht, sondern bin einer der Bewohner der Bundesrepublik, ein Mensch, der sehr einfach erzogen ist und sich mit den Gesetzen abzufinden hat, die der Deutsche Bundestag beschließt. Ich möchte nun ganz unverblümt - auch auf die Gefahr hin, daß das zutrifft, was der Herr Kollege Stammberger in liebenswürdiger Weise angekündigt hat: daß er mich zur Schnecke macht und daß noch einiges dazukommt ({1}) etwas sagen und dabei aus meinem Herzen keine Mördergrube machen. Die Damen und Herren dieses Hohen Hauses, die mich kennen, wissen, daß ich den Mut habe, gelegentlich auch Worte auszusprechen, die nicht immer ganz populär sind. Ich habe mich in den letzten Wochen und Monaten, als die Diskussionen in der Öffentlichkeit und in der Presse und vor allen Dingen auch gelegentlich der Entschließungen vieler Verbände im Gange waren, immer wieder darüber gewundert, daß man bei der durch diese Novelle vorgenommenen Teilreform des Lebensmittelrechts ein Problem in den Vordergrund stellte, das am Rande eine gewisse Bedeutung hat, aber in keiner Weise die Kernfrage, über die wir heute zu entscheiden haben, berührt. Das ist die in der Ausschußfassung niedergelegte Pflicht zur sogenannten Deklaration oder Kennzeichnung der Lebensmittel, denen auch nach der Verabschiedung dieser Novelle fremde Stoffe zugesetzt werden. Ich will Ihnen vorweg sagen, daß ich diese Frage wohl für eine recht laut geäußerte, aber nicht für die entscheidende im ganzen Lebensmittelrecht halte. Ich habe den Eindruck gewonnen, daß sich diejenigen, die am lautesten nach einer totalen Deklaration rufen, leider nicht die Mühe gemacht haben, den uns vorliegenden Gesetzentwurf einmal gründlich und sorgfältig zu studieren. Was geschieht nun infolge dieser Novelle? Fremde Stoffe werden als Zusätze zu Lebensmitteln durch den § 4 a ein für allemal verboten. Das ist das Wesentliche, das Hauptsächliche. Daran, glaube ich, sind wir alle gleich interessiert. ({2}) Was hat es, da wir doch eine reine Verbotsgesetzgebung haben, dann noch für einen Sinn, die totale Kennzeichnungspflicht einzuführen? Die Regierung - und das ist der Sinn der Reform - soll ermächtigt werden, durch Rechtsverordnungen, die der Zustimmung des Bundesrates bedürfen, solche Fremdstoffe als Zusätze zu Lebensmitteln zuzulassen, die sie selbst, gestützt auf Gutachten qualifizierter Sachverständiger, für gesundheitlich völlig unbedenklich hält. Wenn ich davon ausgehe, können gesundheitlich bedenkliche Fremdstoffe den Lebensmitteln in der Zukunft also überhaupt nicht mehr beigegeben werden. Anscheinend aber gehen diejenigen, die heute so sehr nach dem totalen Deklarationszwang rufen, immer noch von der falschen Voraussetzung aus, auch weiterhin könnten Zusatzstoffe, die gesundheitlich irgendwie bedenklich wären, in die Lebensmittel kommen. Das Deutscher Bundestag - 3. Wahlperiode - 47. Sitzung. Bonn, Mittwoch; den 29. Oktober 1958 2649 Unerti ist nach der Verbotsgesetzgebung ja völlig ausgeschlossen! ({3}) Wenn wir also jede Gefährdung der Gesundheit durch das in dieser Novelle statuierte Verbotsprinzip ausschließen, muß man sich fragen, wie bereits erwähnt: warum diese Deklaration schlechthin?

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Franz Xaver Unertl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002355, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte, Herr Präsident.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Frau Kollegin Kalinke!

Margot Kalinke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001058, Fraktion: Deutsche Partei (DP)

Herr Kollege Unertl, ist Ihnen bekannt, daß auch vor dem Skandal um die Verwendung von Nitrit ein Verbotsgesetz bestand und daß das Nitrit trotzdem verwendet worden ist?

Franz Xaver Unertl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002355, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Das ist mir bekannt, und ich bin der letzte, der sich gegen eine strafrechtliche Verfolgung wendet. Hier geht es aber nur um die Kennzeichnungspflicht für Zusätze, die sowieso nicht in unsere Lebensmittel kommen können, weil sie verboten werden.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Noch eine Zusatzfrage?

Margot Kalinke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001058, Fraktion: Deutsche Partei (DP)

Gestatten Sie eine Zusatzfrage, sehr verehrter Herr Kollege. Sind Sie der Meinung, daß, wenn in jedem Schlachterladen gekennzeichnet worden wäre, daß kein Nitrit verwendet werde, die Wirkungen die gleichen gewesen wären?

Franz Xaver Unertl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002355, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich bin der Meinung, daß der Hersteller das überhaupt hätte unterlassen müssen. Dann hätte der Vertrieb dieser Mittel nicht stattfinden können, und dann wären auch die Skandale ausgeblieben. ({0}) Ich will auch die Notwendigkeit nicht ganz ausschließen, daß die Bundesregierung ermächtigt wird, durch eine Rechtsverordnung festzulegen, daß bestimmte Zusatzstoffe gekennzeichnet werden sollen, so z. B. die demnächst zuzulassenden Färbungsmittel. Die Frau Kollegin Strobel hat den Zuruf gemacht, ich hätte den Ausschuß mit meiner Weisheit oder, wenn ich sie richtig verstehe, mit meiner Anwesenheit beglücken mögen. Wenn ich die Diskussion heute hier richtig verstanden habe, wäre man mit dieser einfachen menschlichen Weisheit in diesem Ausschuß ja nicht zurechtgekommen. ({1}) Denn dort hat man Haarspalterei betrieben, und die Streitigkeiten gingen hin und her. Daß die Ausschußarbeit keine vollkommene ist, beweisen die vielen Debatten, die gerade heute bei den kleinsten Änderungspunkten bereits ausgelöst wurden. Der Gesundheitsausschuß hat mit einer Zufallsmehrheit die uns jetzt vorgelegte Form von § 5 a Abs. 2 und 3 angenommen. Ich glaube, das Maß ist überschritten, wenn er die Regierung zwingen will, alle Lebensmittel, denen von vornherein gesundheitlich unbedenkliche Stoffe zugesetzt worden sind, zu kennzeichnen. Sie werden mir entgegenhalten, daß der Absatz 3 der Regierung die Möglichkeit lasse, von dieser grundsätzlichen Verpflichtung Ausnahmen zuzulassen. Aber sehen Sie sich doch einmal den Wortlaut dieses Absatzes 3 an! In diesem Absatz 3 wird davon geredet, daß die Ausnahme zulässig ist, wenn die Verwendung der Zusatzstoffe der allgemeinen Verkehrsauffassung entspricht und der Verbraucher in seiner berechtigten Erwartung nicht getäuscht wird. Meine Damen und Herren, Sie wissen, wie ich bereits sagte, daß ich als einfacher Mensch kein gewiegter Jurist bin und nicht mit juristischen Fähigkeiten aufwarten kann. Aber ich glaube, wir sollten eis doch dabei belassen, nicht mehr Übertreibungen als unbedingt notwendig anzustreben, wenn wir ein Verbotsgesetz machen. Wenn ich den Text der Ausschußfassung lese, meine ich, daß es ein Widerspruch wäre, der Regierung die Möglichkeit zu geben, vom totalen Deklarationszwang abzusehen, wenn die Verwendung fremder Stoffe der allgemeinen Verkehrsauffassung entspricht. Was heißt denn hier „allgemeine Verkehrsauffassung"? Oder glauben Sie etwa, die Regierung könnte es unternehmen, einen Zusatzstoff zuzulassen, dessen Verwendung der allgemeinen Verkehrsauffassung widerspricht? Und was heißt denn die Verbrauchererwartung? Der Begriff der Verbrauchererwartung ist insoweit berechtigt, als der Verbraucher erwarten darf, daß ihm Lebensmittel verkauft, verabreicht oder sonstwie zugänglich gemacht werden, die eben gesundheitlich nicht bedenklich sind. Da ist bereits ein notwendiges Sicherheitsventil in § 4 a der Novelle vorhanden. Wenn die Regierung schon einmal aus besonderen Überlegungen die Kenntlichmachung für erforderlich hält, weil medizinische Erkenntnisse dies als zweckmäßig erscheinen lassen, sollte man sie, wie das der Regierungsentwurf - darauf wollen wir wieder hinaus - vorsieht, dazu ermächtigen. Aber man sollte nicht in jedem Fall die Regierung zwingen, diese Kenntlichmachung vorzuschreiben. Was wird denn für diese Kenntlichmachung ins Feld geführt? Die größten Rufer unter den Streitern, die den Totalitarismus und die vollkommene Kennzeichnungspflicht fordern, übersehen völlig, daß in der 3. Legislaturperiode des Bundestags der uns hier vorliegende Entwurf eine ganz andere Form und Gestalt angenommen hat als der Entwurf, der dem 2. Deutschen Bundestag vorlag. ({2}) Die Damen und Herren dieses Hohen Hauses, die sich seit langer Zeit schon mit den Fragen beschäftigt haben, werden mir zugeben, daß die Konstruktion des ersten Regierungsentwurfs eine Abgrenzungsliste vorsah. Diese Abgrenzungsliste hätte allerdings eine weitergehende Kennzeichnung notwendig gemacht. Nun hat man aber auf diese Abgrenzungsliste verzichtet und einstimmig im Gesundheitsausschuß eine Definition des Begriffes „Fremdstoffe" gefunden, die ganz andere Voraussetzungen schafft. So wie der Begriff „Fremdstoff" heute in § 4 a Abs. 2 definiert worden ist, kann es keinen Zwang zur totalen Deklaration geben. Ich berufe mich hier auf keinen Geringeren als den Vorsitzenden der Farbstoffkommission der Deutschen Forschungsgemeinschaft, den Herrn Professor Druckrey aus Freiburg, der noch am 23. Juni in einer Sitzung des Gesundheitsausschusses, in der er als Sachverständiger der deutschen Forschungsgemeinschaft angehört wurde, erklärte, eine sinnvolle Regelung sei nur die, dem Bundesminister des Innern von Fall zu Fall die Entscheidung darüber zu überlassen, ob deklariert, ob gekennzeichnet werden soll oder nicht. ({3}) Das ist aber genau der Standpunkt, den der Regierungsentwurf von vornherein einnimmt. Deswegen sind meine Freunde aus der ChristlichSozialen und Christlich-Demokratischen Union der Meinung, daß wir die Regierungsvorlage auf jeden Fall wiederherstellen sollten. Wir sind es der Bevölkerung schlechthin schuldig, Gesetze zu machen, die einfach und verständlich sind und die es nicht notwendig machen - das war bereits in der bisherigen Diskussion 'angeklungen -, daß eine Novelle fällig wird und bereits in Vorbereitung sein muß, bevor das Gesetz im Bundesanzeiger veröffentlicht wird. Meine Damen und Herren, ich darf jetzt einmal von den anderen Fragen abweichen und zu einem Beispiel überleiten. Wir haben uns gestern in der Fraktionssitzung sehr lange über die Fragen der Kennzeichnungs- und Kenntlichmachungspflicht unterhalten. Wir haben es uns auf keinen Fall leicht gemacht, und ich bin der letzte, der hier etwa Verallgemeinerungen den Vorzug gibt. Ich möchte betonen, daß wir - meine Freunde wie ich - sehr daran interessiert sind, ein Gesetz zu schaffen, das der Erhaltung und Förderung der Gesundheit dient. Ich komme auf den Schriftlichen Bericht zu § 5 a zurück, der Ihnen allen vorliegt. Wir wollen die dort behandelte Vorschrift in der Form der Regierungsvorlage hergestellt haben. In dem Ausschußbericht heißt es wörtlich: Die Mehrheit des Ausschusses konnte sich hinsichtlich der Kenntlichmachung von zugelassenen fremden Stoffen nicht entschließen, dem Regierungsentwurf zuzustimmen, sondern hat sich der Empfehlung des Bundesrates angeschlossen. Danach müssen grundsätzlich die zugelassenen fremden Stoffe in Lebensmitteln kenntlich gemacht werden. Das ließe ich gelten, wenn wir ein Mißbrauchsgesetz und nicht ein Verbotsgesetz hätten. In dieser Ausschußfassung steckt aber ein Pferdefuß: die Vorschrift gilt sowohl für verpackte als auch für lose in dein Verkehr gebrachte Lebensmittel. Die Kennzeichnungspflicht obliegt dem Hersteller, dem Großhändler, dem Einzelhändler, der Gastronomie und den Einrichtungen zur Gemeinschaftsverpflegung, also den Kantinen. Bei dem Weiteren habe ich ein schlechtes Gefühl, weil ich an das Ladenschlußgesetz denke. Ausnahmen sind von zwei Voraussetzungen abhängig, nämlich davon, daß ein Stoff nach allgemeiner Verkehrsauffassung wie bereits gesagt - verwendet wird und daß die Verbrauchererwartung durch die Unterlassung der Kenntlichmachung nicht getäuscht wird. Ich habe ran meine Freunde, die sich mit der Materie noch mehr und länger befaßt haben als ich, die Frage gestellt: Wie sieht Fes denn nun in den Gaststätten aus? Es ist kein Geheimnis, daß ich Gastwirt bin. ({4}) - Lieber Herr Kollege Stammberger, nicht aha; das ist eine sehr ernste Geschichte. Die Gaststätteninhaber haben heute in bezug auf das Personal und durch sonstige Belastungen schon große Schwierigkeiten. Man sollte ihnen deshalb nicht neuerdings durch dieses Gesetz noch Aufgaben übertragen, die dann zu guter Letzt doch nicht durchgehalten werden können und zum Polizeistaat in neuer Form führen, weil die Überwachung eines Gesetzes schließlich von der Polizei oder von den Organen des Staates vorgenommen wird. Ein Beispiel! Die Wirtin Meier ist nicht nur Wirtin auf dem Lande, sondern auch Bäuerin und hat ein kleines landwirtschaftliches Anwesen zu bewirtschaften. Sie hat auch noch für die Kinder zu sorgen. Sie kocht für ihren Mann, ihre Kinder und für einige Gäste ein Mittagessen. Der ledige Dorfschullehrer, der Kaminkehrermeister und der Postbote finden sich dazu ein. Weil dieses von der Frau Meier auf ihrem eigenen Küchenherd für die Familie gekochte Mittagessen an Fremde verabreicht wird, wird die Vorschrift mit dem Deklarationszwang wirksam. Eine Speisekarte ist in diesen Wirtschaften, die zu Tausenden auf dem Lande da sind, bisher unbekannt. Nun soll sie wegen des Deklarationszwanges noch mit irgendeinem Anhang versehen werden. Jetzt werden Sie mir sagen: Ja, so wollen wir es nicht; so weit wollen wir doch nicht gehen. Aber das Gesetz sieht vor, daß Ausnahmen nicht gemacht werden. Der Polizeistaat kommt dann in neuer Form, wenn der Polizist durch die Konkurrenz, durch die bösen anderen und durch die Nachbarn gezwungen ist, darauf zu sehen, daß das Gesetz eingehalten wird. ({5}) - Sie sagen: Der setzt sich dazu und ißt mit. Wenn der Anhang zum vorgeschriebenen Zettel nicht da ist, die Speisekarte nicht vorliegt und die Kennzeichnungspflicht nicht erfüllt ist, macht er sich auch noch mit strafbar. Wir müssen doch alles dagegen tun, daß solche gesetzlichen Vorschriften verabschiedet werden. Das Parlament, der Deutsche Bundestag, die Abgeordneten dieses Hauses haben alle Anstrengungen zu machen, Gesetze zu verabschieden, die man uns draußen auch abnimmt. Ich nenne nur das Gesetz über die Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle, das Ladenschlußgesetz und noch einige solche, z. B. das Kindergeldgesetz ({6}) und die Alterssicherung in der Landwirtschaft! ({7}) - Ja, meine Damen und Herren, freuen Sie sich darüber, daß ein Abgeordneter der Regierungspartei den Mut hat und so ehrlich ist, das einmal einzugestehen, was die Opposition nicht fertigbrachte und auch bei uns nicht ganz geschickt angefaßt wurde? ({8}) - Draußen, meine Damen und Herren von der Opposition - Sie brauchen sich gar nicht so zu freuen -, hält man Sie an dem ganzen Vorgehen für genauso schuldig wie uns. Draußen müssen wir uns alle miteinander mit dieser Materie befassen. Ich erkläre, daß ich nicht bereit bin, die vom Ausschuß vorgeschlagene Fassung zu unterstützen. Wir möchten das Hohe Haus dringend bitten und wirklich darum ersuchen, dem Änderungsantrag der CDU/CSU-Fraktion zuzustimmen, in Artikel 1 Nr. 6 den § 5 a Abs. 2 in der Fassung der Regierungsvorlage wiederherzustellen. Es wird soviel von den Erwartungen - auch den Erwartungen der Verbände - gesprochen. Ein Schreiben nach dem anderen wird uns auf den Tisch gelegt. Gerade weil die Verwirrung draußen sehr groß ist, müssen wir alles tun, um nicht weitere Verwirrung zu stiften, um die Verwirrung, die bereits besteht, nicht noch größer zu machen. Im übrigen ist es auch zu fragen, was denn die Überwachung, was der Apparat kostet, der hier aufgebaut werden soll. Wir reden in Versammlungen so gern vom Verwaltungsabbau, von Einsparungen. Hier gibt uns der Gesetzgeber durch das Verbotsgesetz eine Möglichkeit, uns diesen ganzen Apparat zu sparen. Wir sind aber drauf und dran, die Bürokratie, die wir sonst bekämpfen, der wir zu Leibe rücken wollen, neu aufzublähen, ihr neuen Nährboden zu geben unnd neue Stellen zu schaffen. Gerade Sie, meine Damen und Herren von der Freien Demokratischen Partei, darf ich daran erinnern, daß von Ihnen der Antrag stammt, festzulegen, daß bei jeder Mehrausgabe der Haushaltsausschuß gefragt werden soll. Dann muß man sich auch in diesem Falle einmal Gedanken machen und dafür sorgen, daß dem Steuerzahler, demjenigen, der die öffentlichen Mittel aufbringt, nicht mehr aufgebürdet wird, als notwendig ist. Wir sind absolut dafür, daß den Herstellern von Lebensmitteln durch ein Gesetz gesagt wird, was sie zu unterlassen haben. Aber ich glaube, wir haben überhaupt eine zu große Angst bei allem, was wir an Lebensmitteln zu uns nehmen. Wenn ich mir vor Augen halte, daß die Zahl der Menschen 'ständig steigt und daß die Menschen durchschnittlich älter werden als früher, dann meine ich, die Lebensmittelherstellung kann doch nicht so schlecht sein, wie wir sie gern hinzustellen versuchen. Entweder man geht sehr stark davon aus, mit diesen Gesetzen politische Geschäfte zu machen. Dagegen müssen wir uns wehren, weil die Frage zu ernst ist. Dafür, daß die heutigen Lebensmittel nicht alle vergiftet sind und die Menschen älter werden, haben wir je zwei Beweise unter uns: die sehr verehrte Präsidentin Frau Dr. Lüders und den Herrn Bundeskanzler Konrad Adenauer. ({9}) Darf ich zum Schluß kommen und die Bitte wiederholen: Sorgen Sie mit meinen Freunden aus der Christlich-Demokratischen und Christlich-Sozialen Union dafür, daß der vorliegende Antrag angenommen und die Regierungsvorlage wiederhergestellt wird. Wenn man das nicht will, könnten wir ja gleich ein Gesetz machen, in dem wir sagen: Jedem Bundesbürger ist der Genuß von Lebensmitteln überhaupt verboten; ({10}) die Ausnahmen bestimmt Herr Professor Gabel mit Zustimmung des Bundesrates. ({11}) Meine Damen und Herren! Auch die Sorgen der vielen Verbraucherverbände sind nach meinem Dafürhalten überspitzt. Sorgen wir selber durch eine klare Formulierung und durch die Annahme dieses Antrages dafür, daß man draußen mit dem Gesetz auch etwas anfangen kann und daß nicht von vornherein, wie ich bereits sagte, die Durchführung dieses Gesetzes zu den größten Schwierigkeiten führt und das Parlament wieder in den Ruf gebracht wird, daß wir zu schnell gearbeitet haben, daß wir es uns zu wenig überlegt haben. Die Materie ist zu ernst, und deshalb die Bitte, den Antrag auf Wiederherstellung der Regierungsvorlage zu unterstützen. ({12})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Es liegen eine Reihe von Wortmeldungen vor. Zur Klarstellung möchte ich dem Hause folgendes vorschlagen: Ich rufe jetzt noch auf den Umdruck 172 - Änderungsantrag der Fraktion der SPD -- Ziffer 2 a, damit die Gesichtspunkte der SPD hier noch in das Gespräch gebracht werden können. Im übrigen, Herr Abgeordneter Elbrächter, habe ich mir Ihren geschäftsordnungsmäßigen Hinweis inzwischen überlegt. Ich komme zu dem Schluß, daß der Antrag der Fraktion der FDP Ziffer 2 a der weitergehende ist. Ich gebe ohne weiteres zu, Herr Kol2652 Präsident D. Dr. Gerstenmaier lege Elbrächter - runzeln Sie bitte nicht die Stirn; je nachdem, welche Prämisse man annimmt, ist die conclusio hier eine andere -, man kann auch andersherum schließen. Ich gehe von der Situation aus, von der das Gesetz ausgeht. Bis jetzt ist nichts; und wenn nach dem Entwurf der Regierung vorgeschrieben werden kann, ist das weniger, als wenn in der Fassung des Antrags der Fraktion der FDP bzw. in dem Beschluß des Ausschusses vorgeschrieben wird, daß die Kennzeichnung zu erfolgen hat. Das ist ein weitergehender Antrag, das ist ein weitergehender Gesichtspunkt. Ich schlage dem Hause vor, daß wir - weil das die einfachste Überlegung ist - dieser Überlegung folgen und so abstimmen: Wir werden nachher zuerst über Umdruck 169 Ziffer 2 a abstimmen, dann über Umdruck 173 Ziffer 2, den Änderungsantrag der CDU/CSU, der soeben begründet worden ist. Wird der Änderungsantrag der Fraktion der CDU/ CSU angenommen, entfällt, Frau Abgeordnete Strobel, meiner Meinung nach Ihr Antrag auf Umdruck 172 Ziffer 2 a, ({0}) weil dann nämlich der Absatz 3 ins Leere fällt. - Besteht darüber Klarheit? ({1}) - Aber hören Sie: über den FDP-Antrag wird ja zuerst abgestimmt. Ich muß aus zwingenden Gründen, wie mir scheint, zuerst über den FDP-Antrag abstimmen lassen. Erst wenn über ihn abgestimmt ist, wird über den CDU/CSU-Antrag abgestimmt, vorausgesetzt, daß der FDP-Antrag nicht angenommen wird. Wird der FDP-Antrag angenommen, ist die Situation natürlich in materieller Hinsicht, aber auch in formeller Hinsicht für den CDU/CSU-Antrag aussichtslos; denn das Haus hat sich dann ja schon anders entschieden. - Wir werden also so verfahren. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Stammberger.

Dr. Wolfgang Stammberger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002215, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Aus den Gesetzen, die der Herr Kollege Unertl hier als schlecht bezeichnet hat, ersehen Sie schon, wie vorsichtig man mit Vorschlägen aus diesen Reihen sein muß. ({0}) Herr Kollege Unertl, in den „Stuttgarter Nachrichten" von gestern stand eine sehr interessante Meldung. Nach diesem Bericht hat der Frauenausschuß der CDU !in Baden-Württemberg in einer an die CDU-Bundestagsfraktion gerichteten Resolution die Beschlüsse des Gesundheitsausschusses begrüßt und - so heißt es in dieser Meldung -die Fraktion gebeten, alles zu tun, um dem teilweise in der Öffentlichkeit erhobenen Vorwurf, die von der CDU getragene Regierung beuge sich gerade bei diesem Gesetz den Forderungen bestimmter Wirtschaftskreise, den Boden zu entziehen. Nun, meine Damen und Herren von der CDU, ich habe das Gefühl, Ihre Parteifreundinnen oder Parteigenossinnen - ich weiß nicht, wie man das bei Ihnen nennt - in Baden und Württemberg hatten bereits nicht ganz zu Unrecht trübe Vorahnungen dessen, was heute hier passiert. ({1}) Wenn Herr Unertl schon Bezug nimmt auf ein Gespräch, das wir vorhin scherzhaft geführt haben - haben Sie keine Angst, ich mache Sie nicht zur Schnecke! -, ({2}) wäre es vielleicht interessant, auf andere Gespräche einzugehen, die in den letzten Tagen geführt worden sind. Die an der Beratung dieses Gesetzes interessierten Mitglieder aus allen Fraktionen haben ja bis zuletzt im Gespräch miteinander über eventuelle Änderungsanträge gestanden, und da ist mir mehrfach mündlich und sogar schriftlich - nicht wahr, Herr Kollege Elbrächter - gesagt worden, man denke selbstverständlich gar nicht daran, an dem Prinzip der Kennzeichnungspflicht zu rütteln oder es auch nur einzuengen. Wenn man nun plötzlich von gestern abend auf heute früh einen derartigen Antrag, der das ganze Prinzip wieder umschmeißt, auf den Tisch des Hauses gelegt bekommt, dann fragt man sich natürlich - fragt man sich, ich möchte gar nichts unterstellen; davon bin ich weit entfernt -: was ist denn nun geschehen? Und wenn dieser wichtigste Antrag der ganzen heutigen Debatte - nach meiner Überzeugung ist es der wichtigste - nicht von einem Mitglied des Ausschusses, sondern von einem Außenstehenden begründet wird, dann möchte ich doch fragen: was steckt dahinter? Herr Kollege Unertl, was Sie hier in gar nicht ungeschickter Form geliefert haben, ist ein bemerkenswerter Beitrag zu der psychologischen Kriegführung gegen dieses Gesetz, die das Zustandekommen dieses Gesetzes im vorigen Bundestag schon einmal verhindern konnte. ({3}) Sie haben von den angeblich finsteren Absichten der Ausschußmehrheit gegenüber der armen Witwe Maier, so hieß sie wohl, gesprochen, jene angeblichen finsteren Absichten, die die Ausschußmehrheit bei ihren Beschlüssen gehegt hat. Da möchte ich Sie, der Sie bei diesen Beratungen nicht dabei waren und vielleicht auch nicht dabei sein konnten, doch einmal fragen, wer Ihnen diese Dinge denn so hinterbracht und so erzählt hat. Es wäre interessant, zu hören, warum derjenige, der das getan hat, nicht selbst hier heraufkommt und zu diesen Dingen spricht. - nenne mir, Muse, den Mann, hat schon der alte Homer gesagt, ({4}) womit ich natürlich nicht behaupten will, Herr Kollege Unertl, daß Sie eine Muse sind. ({5}) Sie haben von der „totalitären Kennzeichnungspflicht", von dem Kennzeichnungszwang bis herDr. Stammberger unter zur Speisekarte bei der Witwe Maier gesprochen. Wenn Sie bei den Ausschußberatungen dabei gewesen wären oder wenn man Sie richtig unterrichtet hätte - ich will unterstellen, daß Sie einer falschen Information zum Opfer gefallen sind; ich weiß nicht, was da vorgegangen ist -, wüßten Sie, daß wir uns gerade z. B. über die Frage der Speisekarte sehr eingehend unterhalten haben. Wir haben gesagt, daß das einer der Gründe ist, warum wir keine „totalitäre Kennzeichnungspflicht", um Ihren Ausdruck zu gebrauchen, in das Gesetz einbauen können, weshalb der Bundesregierung seitens der Opposition das volle Vertrauen in dieser Frage geschenkt wird, weshalb wir ihr eine Ermächtigung einräumen wollen, die Dinge so zu gestalten, wie sie nun wirklich dem gesunden Menschenverstand entsprechen. ({6}) Nun haben Sie bei Ihrer Argumentation etwas Bestechendes, aber nicht Stichhaltiges gesagt, Herr Kollege Unertl. ({7}) Sie haben nämlich gesagt, da wir sowieso das Verbotsprinzip haben und sowieso nur Dinge zugelassen werden, die unbedenklich sind - sonst würden sie eben nicht zugelassen -, brauchen wir auch keine Kenntlichmachung. Wie gesagt, das ist zunächst einmal bestechend. Ich will Ihnen aber nur zwei der vielen Gründe, die dagegen sprechen, entgegenhalten, die beiden Gründe, die nach meiner Ansicht wohl die wichtigsten sind. Der erste Grund: Ich sehe nicht ein, Herr Kollege Unertl, warum der Verbraucher nicht wissen soll, was er kauft. ({8}) Wenn er Wäsche, Schuhe oder ein Auto kauft, will er ja doch auch wissen, was er kauft. Warum soll er es denn bei den Lebensmitteln, soweit es angebracht ist, nicht ebenfalls wissen? ({9}) Das ist doch ein sehr vernünftiger Standpunkt der Verbraucher, den ich jedenfalls teile. Der zweite Grund: Frau Kollegin Steinbiß, das ist nun der Standpunkt Ihrer Fakultät, jener heute schon in einem anderen Zusammenhang von Herrn Kollegen Dr. Bärsch zitierte Beschluß des Deutschen Ärztetages in Garmisch-Partenkirchen im Juni dieses Jahres. Wir sind ja beide dort gewesen. Dort haben sich die Ärzte sehr nachdrücklich für möglichste Kennzeichnung, ausgehend von dem Grundsatz der Kennzeichnungspflicht, ausgesprochen. Sie haben das aus einem Grunde getan, der auch jedem „ärztlichen Laien" einleuchtet. Sie sagen nämlich: Das, was als unbedenklich angesehen ist, wird immer auf den Normalfall zugeschnitten. Nun gibt es aber sehr viele Leute mit allergischer Veranlagung, mit Magenkrankheiten. Es gibt Kindernahrung, Säuglingsnahrung und dergleichen, wo man eben nicht von einem Normalfall sprechen kann und wo man selbst unbedenkliche Zusätze nach Möglichkeit vermeiden möchte, wo also der Verbraucher wissen muß, was er kaufen soll, weil ihm der Arzt gesagt hat: Das und das mußt du nach Möglichkeit lassen. Der Arzt aber hat deshalb diesen Rat gegeben, weil eben der Normalfall hier aus diesen oder jenen Gründen nicht besteht. Ich bin kein Arzt. Darum habe ich vorhin bei der Ärztedebatte - mich freut es ja, daß auch Ärzte verschiedener Meinung sind, nicht nur die Juristen - nicht eingegriffen. Aber das leuchtet selbst dem Verstand eines „ärztlichen Laien" ein, den ich immer noch habe, obwohl ich jetzt Vorsitzender dieses Ausschusses bin. Nun, Herr Kollege Unertl, sprechen wir mal ganz offen: es sind gewisse Sonderwünsche, die dahinterstehen, hier die Sonderwünsche des Hotel- und Gaststättengewerbes, die im übrigen gar nicht beeinträchtigt werden, weil ich fest davon überzeugt bin, daß man bei wenigen wirklich gravierenden Ausnahmen diesen Wünschen durchaus entsprechen wird. Aber, Herr Kollege Unertl, wenn Sie wüßten, was alles für Wünsche auf gesonderte oder bevorzugte Behandlung an uns während der Beratung des Gesetzes herangetragen worden sind! Hätten wir allen diesen Wünschen auf eine Extrawurst nachgegeben, dann hätten wir heute einen Wurstladen, aber kein Lebensmittelgesetz. ({10}) Aus diesem Grunde sind wir Freien Demokraten der Überzeugung, daß wir grundsätzlich an der Kennzeichnungspflicht mit den im Gesetz vorgesehenen Ausnahmen festhalten sollten, und bitten Sie, dem Antrag der CDU auf Umdruck 173 Ziffer 2 Ihre Zustimmung zu versagen. Ich bin fest davon überzeugt, Herr Kollege Unertl, daß Sie nun nicht der Meinung sind, ich hätte Sie zur Schnecke gemacht. ({11})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Abgeordnete Horn.

Peter Horn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000959, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir ein anschließendes kurzes Wort zu dem Umdruck 173 Ziffer 2. Ich glaube, wenn man von einigen Dingen am Rande, die in der bisherigen Debatte aufgetreten sind, absieht, muß man dem Hause als ganzem bescheinigen, daß von beiden Seiten mit großer Verantwortung, mit großem Verantwortungsbewußtsein um die Gestaltung dieses Gesetzes gerungen wird. Eine solche ernste Auseinandersetzung um eine derartige Gesetzesvorlage entspricht ohne Zweifel der außerordentlichen Bedeutung, die dieses Gesetz für unsere gesamte Bevölkerung hat. Deshalb sehe ich mich verpflichtet, einige Dinge richtigzustellen, die jetzt in der Debatte vorgebracht wurden. Herr Kollege Dr. Stammberger, es ist keinesfalls so, wie Sie es auf Grund der Notiz der „Stuttgarter Nachrichten" unserer Fraktion jetzt gern unterstellen möchten, als ob hier „irgendwelche" Dinge gemacht worden wären. ({0}) - Das ging aber aus Ihren Ausführungen eindeutig hervor. Ich sehe mich deshalb veranlaßt, dem Hohen Hause folgendes zu sagen. Ich habe zwar auch nicht an den Beratungen des Gesundheitsausschusses als solchen teilgenommen; aber wie das wohl jede Fraktion macht, so haben auch wir vor Beginn der Ausschußberatungen uns in unserem Kreise eingehend über die Materie unterhalten und gewisse Richtlinien besprochen, nach denen wir bei den Beratungen vorgehen wollten. Bei dieser mehrfachen Besprechung ist in unserem Kreise einmütig festgelegt bzw. die Absicht bekundet worden, daß wir uns bei diesem besagten Paragraphen auf den Boden der Regierungsvorlage stellen, also auch im Ausschuß dahin arbeiten wollen, daß die Regierungsvorlage angenommen wird, und zwar weil wir bei der Wichtigkeit eines solchen Gesetzes - das ist ein sehr gewichtiger Grund - doch glaubten verhindern zu sollen, daß in diese Paragraphen ein Perfektionismus gerät, der der Sache wahrscheinlich nicht dienlich ist. Wir jedenfalls hatten und haben das Vertrauen zur Bundesregierung, daß sie auch bei der Handhabung einer Bestimmung, wie sie die Regierungsvorlage vorsieht, die Dinge mit dem Verantwortungsbewußtsein behandelt, das wir auch nicht besser anwenden könnten. Sie mögen darüber denken, wie Sie wollen: ich glaube, es ist unbedingt notwendig, daß wir in der Anwendung dieser Bestimmung irgendwie etwas beweglich und elastisch bleiben. Man kann nicht von vornherein einfach sagen: das, was nun der Ausschußbeschluß vorsieht, ist d i e Lösung. Der Ausschußbeschluß ist ja übrigens nur - aus besonderen Umständen - durch eine Zufallsmehrheit zustande gekommen, ({1}) und er stellt jedenfalls nicht die Auffassung aller oder der Mehrheit - im Grunde genommen ist es so - dar; ich wiederhole: es war eine Zufallsmehrheit. Wenn wir über die Dinge wirklich verantwortungsbewußt entscheiden sollen, können wir nicht anders, als hier - indem wir der Bundesregierung diese Verantwortung in erster Linie überlassen - so vorgehen, daß wir im Gesetz selber einen schädlichen Perfektionismus, der durch eine totale Kennzeichnungspflicht gegeben wäre, vermeiden und der Regierung, wie ich schon sagte, die Elastizität und die Bewegungsfreiheit, die hier unerläßlich ist, gewähren. Als wir seinerzeit zu dem Ergebnis kamen, uns auf den Boden der Regierungsvorlage zu stellen, haben - das möchte ich, gewissen Andeutungen gegenüber, ganz klar und eindeutig sagen - keinerlei Interessenstandpunkte eine Rolle gespielt. Wir haben uns vielmehr nur von unserem Verantwortungsbewußtsein leiten lassen, indem wir glaubten, es so wie in der Regierungsvorlage machen zu sollen, weil das den vielseitigen Notwendigkeiten und Schwierigkeiten, die nun einmal in diesem Gesetz enthalten sind, am besten Rechnung trägt und uns am besten um diese Schwierigkeiten herumbringt, Ich möchte also das Hohe Haus bitten, unserem Änderungsantrag zuzustimmen. Wir sind überzeugt, daß wir damit der Sache am ehesten und am besten gerecht werden. ({2})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat Frau Abgeordnete Strobel.

Käte Strobel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002272, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Herren und Damen! Vielleicht darf ich gleich dort beginnen, wo Herr Kollege Horn geendet hat. Herr Kollege Horn hat uns mitgeteilt, daß die CDU-Fraktion schon vor Beginn der Ausschußberatungen in diesem speziellen Falle beschlossen hat, auf alle Fälle für die Regierungsvorlage zu sein. Sagen Sie, was haben denn Ausschußberatungen überhaupt noch für einen Sinn, ({0}) wenn Sie in diese Ausschußberatungen mit einer vorgefaßten Meinung gehen? ({1}) In diesen Ausschußberatungen ist eine Reihe von Sachverständigen gehört worden, und wir waren uns bei der guten Atmosphäre, die in diesem Ausschuß geherrscht hat, immer darüber einig, daß bei der Anhörung von Sachverständigen beide Meinungen vertreten wurden und daß sowohl die Vertreter der Regierungsvorlage als auch die Vertreter der Vorlage der SPD, die es in diesem Fall auch gab, solche Sachverständigen benennen konnten. Darüber hinaus möchte ich aber doch einmal fragen: wer macht denn eigentlich die Regierungsvorlage? Ich habe gerade bei dieser Ausschußberatung einen ungeheuren Respekt vor dem großen Wissen der Herren Ministerialbeamten bekommen, die für dieses Gesetz verantwortlich zeichnen. Aber wenn Sie sich so festlegen, daß Sie sagen: Wir stimmen auf alle Fälle für die Regierungsvorlage, ganz gleich, was in diesem Ausschuß bei den Beratungen an Kenntnissen durch die Sachverständigen vermittelt wird, dann stimmen Sie eigentlich für eine Vorlage, die von einigen wenigen Ministerialbeamten erarbeitet worden ist. Ich glaube nicht, daß das nun ein richtiger Stil für eine parlamentarische Demokratie ist. Zu meinem Bedauern habe ich gesehen, daß der Appell unserer Kollegin, Frau Dr. Lüders, an die Regierung, sie möge sich zum Futtermittelgesetz und ihren Absichten äußern, völlig unbeantwortet geblieben ist. Warum eigentlich? Wir mußten feststellen, daß weder der Herr Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten noch sein Staatssekretär bei der Beratung eines für die Ernährung unseres Volkes so wichtigen Gesetzes anwesend waren. ({2}) Das ist auch eine Angelegenheit, die von uns keinesfalls unbeanstandet bleiben darf. Ich hatte eigentlich zunächst nicht die Absicht, mich mit den von Herrn Unertl vorgetragenen ArFrau Strobel gumenten zu beschäftigen; aber da sie einmal vorgetragen worden sind, muß man es wohl tun. Ich möchte, ähnlich wie es der Vorsitzende des Ausschusses getan hat, sagen: Dem Gesundheitsausschuß war mit der Arbeit an dem Lebensmittelgesetz ganz bestimmt keine bequeme Aufgabe gestellt. Die Mitglieder aus allen Fraktionen, die daran teilgenommen haben, haben sich die Sache nicht leicht gemacht, sondern viel Arbeit und viel Interesse darauf verwandt, nicht nur hier im Hause. sondern vor allen Dingen auch dadurch, daß sie sich im Rahmen ihrer sonst zur Verfügung stehenden Zeit im ganzen Lande mit den Menschen in Verbindung gesetzt haben, die über die Durchführung der Lebensmittelgesetze -- z. B. die Lebensmittelüberwachung - oder über den Stand der Ernährungswissenschaft - z. B. die Herren der Deutschen Forschungsgemeinschaft - besser Bescheid wissen als der Abgeordnete; denn nicht jeder von uns kann ein Lebensmittelchemiker sein. In dem Ausschuß hat es nicht in erster Linie ärztliche Debatten gegeben - diese gab es, wenn es sich um besondere Fragen gehandelt hat -, vielmehr sind die Debatten, wenigstens für meine Begriffe, vom gesunden Menschenverstand geführt worden. Ich setze also gern voraus, daß jeder Bundestagsabgeordnete über ein Stück gesunden Menschenverstandes verfügt. Es ist gesagt worden, in dem Ausschuß sei eine Zufallsmehrheit zustande gekommen. Meine Damen und Herren, eine Zufallsmehrheit gibt es anscheinend immer dann, wenn sich einmal einige Damen und Herren aus der Regierungspartei entschließen, gegen die Regierungsvorlage und gegen die in diesem Fall vorgefaßte Meinung zu stimmen. ({3}) Die Mehrheit ist nicht etwa zustande gekommen, weil die CDU nicht mehr ganz anwesend und die SPD voll anwesend war, sondern sie ist mit den Stimmen von Mitgliedern der CDU/CSU zustande gekommen. Auch das muß gesagt werden. Nun zu den Sachfragen, die Herr Unertl angeschnitten hat. Da ist Z. B. der Hinweis, daß zunächst in der Regierungsvorlage, die dem 2. Bundestag eingereicht worden sei, eine Abgrenzungsliste vorgesehen gewesen sei und daß nun, nachdem es in diesem Gesetz die Abgrenzungsliste nicht mehr gebe, eine andere Situation geschaffen worden sei. Nun möchte ich gleich, damit darüber keine falschen Auffassungen entstehen, sagen: wir haben es eigentlich bedauert, daß die Abgrenzungsliste in diesem Gesetz gestrichen worden ist. Wir haben uns jedoch von vornherein vorgenommen, im Plenum nur noch Anträge zu stellen, die entweder zur Verdeutlichung unbedingt notwendig sind oder bei denen es sich um echte wesentliche Meinungsverschiedenheiten handelt. Weil die Abgrenzungsliste nicht mehr besteht, sind eben die Ausnahmen notwendig geworden. Warum sich Herr Unertl so sehr an der Auffassung stößt, daß man Ausnahmen nur zulassen sollte, wenn keine Täuschung der Verbrauchererwartung möglich sei, ist mir eigentlich nicht recht verständlich. Vom Podium des Bundestages aus sollte man eigentlich nicht sagen, daß man solche Ausnahmen, die eine Täuschung der Verbrauchererwartung ausschließen, nicht gern habe. Denn schließlich und endlich geht es doch in diesem Gesetz darum, daß der Verbraucher sowohl vor Gesundheitsschädigung als auch vor Täuschung geschützt wird. Das ist mit ein Anliegen dieses Gesetzes. Herr Unertl hat außerdem gesagt, wenn dieser Deklarationszwang eingeführt werde, werde ein sehr großer Kostenaufwand für die Überwachung erforderlich, und das sei zu teuer. Nun, meine Damen und Herren, es wäre sehr angenehm, wenn man aus den Kreisen der CDU/CSU das Wort „Das ist zu teuer" auch einmal bei anderen Gelegenheiten hörte. ({4}) Wenn es um die Volksgesundheit geht, dann ist Ihnen eine Ausgabe zu teuer. Bei anderen Gelegenheiten, wo gerade das Gegenteil der Gesundheit des Volkes erreicht wird, haben sie Milliarden im Überfluß. ({5}) Herr Unertl hat u. a. auch Herrn Professor Druckrey zitiert. Ich wollte Herrn Professor Druckrey eigentlich erst später zitieren. Aber ich muß es jetzt im Zusammenhang mit der Aussage des Herrn Unertl tun. Wie schon gesagt, hat der Ausschuß Sachverständige gehört. Herr Professor Druckrey ist der Vorsitzende der Farbenkommission der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Bei der Unterhaltung mit den Sachverständigen lag die Äußerung des Herrn Professor Druckrey, die Herr Unertl zitiert hat, vor der Äußerung, die ich jetzt zitiere. Wir haben im Gespräch mit den Sachverständigen versucht, die Dinge klarzustellen. In diesem Zusammenhang hat Herr Dr. Dittrich dem Herrn Professor Druckrey eine Frage gestellt, die dieser wie folgt beantwortet hat. Er sagte, daß er für den grundsätzlichen Deklarationszwang eintrete, weil nur dieser wirklich Klarheit schaffe; der Gesetzgeber müsse selbstverständlich die Möglichkeit haben, das Nähere zu bestimmen. Er bejahte dann eine Frage des Ministerialdirigenten Forschbach, ob anstatt des Gesetzgebers nicht der Verordnungsgeber gemeint sei, und fügte hinzu, von seiten des Gesetzgebers müsse die Deklarationspflicht vorgeschrieben werden. Der letzte Satz der Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation laute, daß alle Verordnungen und Gesetze, die die Kontrolle von Lebensmittelzusätzen beträfen, nutzlos seien, wenn sie durch das Gesetz nicht erzwungen werden könnten. ({6}) Ich glaube, das ist eine klare Aussage dieses sehr bekannten Wissenschaftlers. Nun möchte ich Ihnen aber auch nicht vorenthalten, wie anscheinend gerade diese klare Aussage dieses Sachverständigen auf die Ausschußmitglie2656 der gewirkt hat. Nach Abschluß der Ausschußberatungen hat der Bayerische Rundfunk Herrn Dr. Stammberger, Herrn Dr. Dittrich und mich gebeten, hier im Bundestag in einem Gespräch am runden Tisch zum Lebensmittelgesetz Stellung zu nehmen. In diesem Gespräch kam natürlich auch die Frage der Kennzeichnungspflicht auf. Ich zitiere jetzt wörtlich Herrn Kollegen Dr. Dittrich: Die Kennzeichnungspflicht ist im Gesetz verankert. Dazu haben wir unsere Stimme gegeben. ({7}) - Im Ausschuß, ja. Der Ausschuß hat aus der Kann-Vorschrift eine Muß-Vorschrift gemacht. Wir sind gleichermaßen glücklich darüber, daß diese generelle Kennzeichnungspflicht durchgesetzt wurde. ({8}) Was heißt „im Ausschuß"? Herr Dr. Dittrich hat das im Bayerischen Rundfunk gesagt. Meine Damen und Herren, reden Sie mit zwei Zungen? Hier reden Sie gegen die Kennzeichnungspflicht, und in der Öffentlichkeit reden Sie dafür. Was nützt es denn dem Wähler, wenn Sie ihm sagen: „Im Ausschuß habe ich dafür gestimmt, und im Plenum stimme ich nicht mehr dafür?"

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Käte Strobel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002272, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Bitte schön, Herr Dr. Dittrich.

Dr. Stefan Dittrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000393, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Kollegin Strobel, eine Zwischenfrage: Kommt es in Ihrer Fraktion nicht auch vor, daß verschiedene Mitglieder verschiedener Ansicht sind? Zweitens möchte ich Ihnen noch die Frage stellen: Wissen Sie, wie ich bei der Schlußabstimmung oder bei der Abstimmung über diesen Änderungsantrag stimme?

Käte Strobel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002272, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Dr. Dittrich, ich freue mich sehr, Ihrer Antwort zu entnehmen, daß Sie beabsichtigen, in der Schlußabstimmung für die Kennzeichnungspflicht zu stimmen. ({0}) Es kam mir darauf an, zu zeigen, daß derjenige, der im Ausschuß imstande war, die Argumente der Sachverständigen zu hören, obwohl er vorher, wie uns Herr Horn mitteilte, von seiner Fraktion auf die Regierungsvorlage verpflichtet worden war, auf Grund seines gesunden Menschenverstandes gegen die Regierungsvorlage gestimmt hat. ({1}) - Das haben Sie schon immer behauptet. Aber aus dem, was Herr Horn sagte, ging eigentlich das Gegenteil hervor, und Sie dürfen uns nicht verargen, wenn wir einen solchen Diskussionsbeitrag dann auch in der Debatte benützen. Worauf es ankommt, ist folgendes. Herr Unertl, der sich hier gegen die Kennzeichnungspflicht ausgesprochen hat, war leider nicht in der Lage, die Sachverständigen zu hören; Herr Dittrich war dazu in der Lage. Ich möchte in dem Zusammenhang noch etwas anderes sagen, auch im Hinblick darauf, wie sehr die unmittelbare Kenntnis der Dinge ihre Wirkung hat und wie sie wieder verschwindet, je länger diese unmittelbare Kenntnis zurückliegt. Ich erinnere mich an die Auseinandersetzungen, die es in der Öffentlichkeit gab, als die Nitrit-Skandale aufkamen. Sie wissen alle, daß diese Nitrit-Skandale in Stuttgart begannen. Ich habe mich damals sehr gefreut, in den Zeitungen zu lesen, daß unser Kollege Bausch bereit war, nicht nur einen sehr strengen Verbraucherschutz, sondern gleich die Beseitigung des Nitrit-Gesetzes zu fordern. Das lag auch auf dieser Linie. Unter dem unmittelbaren Eindruck der Geschehnisse ist man bereit, entsprechend zu handeln. In diesem Zusammenhang darf ich sagen, daß Frau Kollegin Kalinke vorhin durchaus recht hatte. In Stuttgart ist ein Test durchgeführt worden. Man hat nachher gesagt: Die Hausfrauen wollen ja gar keine Wurst, die nicht mit Nitrit behandelt ist. Nun, meine Damen und Herren, wenn für die zugelassene Nitritmenge von vornherein ein Deklarationszwang bestanden hätte, wäre es zu diesen Skandalen vielleicht gar nicht in dem Ausmaß gekommen. Man muß das auch unter diesem Gesichtspunkt sehen. Nun will ich hier unabhängig von der bisherigen Debatte noch ein paar Bemerkungen machen. Ich weise darauf hin: bei der Ausschußvorlage handelt es sich im Wortlaut nicht etwa um einen SPD-Antrag, sondern darum, daß der Vorschlag des Bundesrates vom Ausschuß mit Mehrheit akzeptiert worden ist. Im Bundesrat sind doch die Länder vertreten, denen erstens die Kosten aus dem Gesetz entstehen, die zweitens die meisten Erfahrungen mit der Praktizierung dieses Gesetzes haben und die drittens die neuen Bestimmungen durchführen müssen. Wenn schon der Bundesrat für die Kennzeichnungspflicht eintritt, brauchen wir nicht zu sagen, wir wüßten es besser als die, die das Gesetz durchführen müssen, und zu behaupten, das sei unpraktikabel. Die Stellungnahme des Bundesrates folgt in erster Linie den Vorschlägen des Innenausschusses, und im Innenausschuß sitzen die für die Überwachung Zuständigen. Da vorhin von Herrn Unertl gesagt wurde, der jetzige Entwurf sehe ganz anders aus als die erste Regierungsvorlage im 2. Bundestag, Will ich noch auf folgendes hinweisen. Im Bundesrat hat Herr von Lautz von der saarländischen Regierung zu dieser Regierungsvorlage im Zusammenhang mit der Kennzeichnungspflicht u. a. gesagt: Wenn man sich die Empörung der Bevölkerung über die zunehmend aufgedeckten Lebensmittelskandale vor Augen hält, dann könnte man darauf gefaßt sein, daß die neue RegieFrau Strobel rungsvorlage gegenüber der ersten noch verschärft wäre. Bei genauerer Prüfung hat man jedoch den Eindruck, daß sie eher hier und dort gemildert worden ist. Er sagt weiter: Eine weitere Erweichung der neuen Regierungsvorlage, die ebenfalls schon öffentliche Kritik gefunden hat, sehe ich darin, daß ... die frühere Muß-Vorschrift für das Kenntlichmachen zu einer Kann-Vorschrift gemildert worden ist. Das ist auch die Meinung des Bundesrats; denn dieser Antrag ist im Bundesrat angenommen worden. Ich hatte vorhin schon Herrn Professor Druckrey zitiert; das ist ein sachverständiger Wissenschaftler. Ich möchte auch einen sachverständigen Arzt zitieren, den wir im Ausschuß gehört haben. - Meine Damen und Herren, ich bitte Sie sehr, nicht ungeduldig zu werden, weil ich das in dieser Breite aufrollen muß. Die Angelegenheit ist so wichtig, daß wir uns nicht gestatten können, darüber hinwegzugehen, ohne genau informiert zu sein. - Herr Professor Dr. Marquardt von der Freiburger Universität, der im 2. Bundestag als sachverständiger Arzt gehört worden ist, hat zur Deklarierung gesagt: Von mir aus gesehen ist die Deklarierung deswegen nicht so furchtbar wichtig für den Verbraucher. Sie ist auch wichtig für den Verbraucher, das will ich nicht bestreiten; aber sie ist besonders wichtig für den Arzt. Denn nur durch eine Deklarierung auf dem Nahrungsmittel kann das Interesse des Arztes auf Schädigungen gelenkt werden, die eventuell durch Fremdstoffe entstehen. Und so weiter; es gäbe da noch mehr zu zitieren. Herr Unertl hat gesagt: „Ja, aber die Fremdstoffe, die jetzt zugelassen werden, sind doch keine bedenklichen Fremdstoffe; es werden doch nur noch unbedenkliche zugelassen. Wozu soll man die nun eigentlich auch noch deklarieren?" Zu den Argumenten, die in diesem Zusammenhang schon vorgetragen worden sind, möchte ich noch eines beisteuern. Es ist leider so, daß man, wenn man die Versorgung der Bevölkerung sicherstellen will, noch ein bißchen Zeit braucht, bis die richtigen Mittel gefunden sind, die auf alle Fälle unbedenklich sind. Wir sind bei den Ausschußberatungen immer wieder auf einzelne Lebensmittel gestoßen, bei denen man noch ganz bestimmte Stoffe braucht, wenn nicht ein Versorgungsnotstand eintreten soll. Ich will Ihnen zwei Beispiele nennen. Das eine ist das Hexamethylentetramin, das bei der Fischmarinadenherstellung verwendet wird. Ich glaube nicht, daß jemand in diesem Hohen Hause behaupten will, Hexamethylentetramin sei unbedenklich. Aber anscheinend kann man vorläufig nicht darauf verzichten. Das zweite Beispiel, das ich nennen will, ist Diphenyl. Diphenyl ist immer sehr umstritten gewesen; es ist das Mittel zur Behandlung der Zitrusfrüchte. Sachverständige haben uns gesagt, bei der Abwägung, ob man auf Diphenyl verzichten und damit etwa die Versorgung der Bevölkerung mit Zitrusfrüchten und den notwendigen Vitaminen einschränken oder ob man es benutzen und damit den Vitaminbedarf sicherstellen wolle, müsse man wohl das stärkere Gewicht auf die Sicherstellung des Vitaminbedarfs legen, weil das Diphenyl unbedenklich sei. Also müssen wir Diphenyl weiter zulassen. Es gibt aber viele Menschen, die es nicht vertragen, und für diese Menschen brauchen wir eben bei diesen nicht unbedenklichen Fremdstoffen den Deklarierungszwang. Es ist nicht etwa so, daß sie alle unbedenklich seien. Ich glaube also, das muß man auch einmal sagen. ({2}) - Was heißt: „die Regierung kann"? Ich habe Ihnen vorhin zitiert, daß so wichtige Organisationen wie die Weltgesundheitsorganisation und die FAO der Meinung sind, dazu brauche man den gesetzlichen Zwang. Das Gesetz allein bietet uns die Sicherheit; die Regierung muß dazu verpflichtet sein. Zum Abschluß darf ich noch auf etwas aufmerksam machen, was bei der Abstimmung den einen oder anderen ein bißchen zum Nachdenken veranlassen sollte. Der Gesundheitsausschuß des Bundestages hat zu diesem Gesetz mehr Eingaben bekommen als zu vielen anderen Gesetzen zusammen. Es steht heute bereits fest, daß von allen Eingaben mehr als die Hälfte - und es sind einige hundert Eingaben, meine Damen und Herren - sich mit dem Deklarierungszwang beschäftigt und vom Bundestag verlangt, daß er den Deklarierungszwang einführt. Unter den nicht wenigen, die diese Eingaben gemacht haben, sind z. B. 80 Bundesorganisationen der deutschen Frauenverbände, darunter alle katholischen Frauenverbände, alle evangelischen Frauenverbände; sie sind hier einzeln mit ihren Unterschriften aufgeführt. Auch die Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände, in der alle Verbraucherorganisationen von Rang und Namen zusammengefaßt sind und von deren Führung man wahrlich nicht sagen kann, daß sie sozialdemokratisch sei, hat eine Eingabe gemacht. Nun, meine Damen und Herren, Sie haben zu entscheiden. Sicher ist das eine Entscheidung von außerordentlicher Bedeutung. Wir bitten Sie dringend, hier den gesunden Menschenverstand walten zu lassen, alle wirtschaftlichen Interessen gegenüber den gesundheitlichen Interessen der Verbraucher zurückzustellen und den Antrag der CDU abzulehnen. ({3}) Wir beantragen namentliche Abstimmung.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Es wird namentliche Abstimmung beantragt. Der Antrag ist ausreichend unterstützt; 50 Mitglieder sind da. Wird die namentliche Abstimmung zu dem Antrag der FDP auf Umdruck 169 beantragt? ({0}) Präsident D. Dr. Gerstenmaier Für den CDU-Antrag beantragen Sie namentliche Abstimmung. Also für den FDP-Antrag Umdruck 169 Ziffer 2 a, über den wir zuerst diskutierten, wird keine namentliche Abstimmung beantragt? Nein. Das Wort hat Frau Abgeordnete Kalinke.

Margot Kalinke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001058, Fraktion: Deutsche Partei (DP)

Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Wegen der großen Liebe der Preußen zu den Bayern - ich bekenne mich zu dieser Liebe ({0}) kann ich natürlich jetzt nicht das tun, was unser Kollege Stammberger auch nicht tun wollte, nämlich den Kollegen Unertl „zur Schnecke machen". ({1}) Das wäre ohnehin schrecklich, weil ich ja niemals versuchen würde, nun einem starken Mann hier in dieser Form - sei es mit geistigen oder anderen Mitteln - zu Leibe zu rücken. ({2}) Ich möchte aber nach dieser freundlichen Eröffnung sagen, daß wir Frauen in diesem Hause - dabei darf ich auch die Kolleginnen und meine Koalitionsfreundinnen aus der CDU/CSU miteinschließen -den lebhaften Wunsch haben, daß es nach dieser Debatte einmal anders sein möge als gewöhnlich, daß es nicht nur um vorgefaßte Meinungen und Beschlüsse gehen möge, sondern daß es hier in diesem Hause noch einmal möglich sein möchte, daß einer den anderen überzeugen kann. ({3}) Deshalb denke ich, daß auch der Kollege Unertl meinen Wunsch versteht und daß wir alle auf Einsicht hoffen können. Es ist kein Zweifel, daß der CDU-Antrag die Kernfrage dieses Gesetzes berührt und daß es sich eben um d a s Thema handelt. Der Kollege Unertl hat nach dem Sinn der Kennzeichnungspflicht gefragt, da wir doch eine Verbotsgesetzgebung haben. Nachdem schon meine Vorredner geantwortet haben, möchte ich nichts wiederholen, nur folgendes hinzufügen: Das Klarste und Verständlichste - und für Klarheit und Verständnis hat ja auch Herr Unertl plädiert - ist doch, daß der Verbraucher in die Lage versetzt wird, zu prüfen und festzustellen, ob er getäuscht wird. Ich bin ganz gewiß nicht verdächtig, Verteidigerin einer absoluten Perfektion in der Gesetzgebung zu sein; ich bin auch nicht „verbotsgläubig". Ich meine aber, für alle an der Gesundheit unseres Volkes ernsthaft und verantwortungsbewußt interessierten Kreise muß kenntlich gemacht werden, was unsere Lebensmittel an Zusätzen enthalten. Nun ist vom Kollegen Unertl Verschiedenes zur Diskussion gestellt worden. Er hat sich wohl - und ich habe bei Gott Sinn für Humor - einen Spaß mit uns erlaubt, als er uns die Geschichte von der Frau Meier - hieß sie so? - erzählte, jene reizende Geschichte mit dem Tisch in der Gaststätte, an dem die Frau Meier die Honoratioren des Dorfes verpflegt. Aber ich hoffe, er wollte sich keinen Spaß mit uns erlauben, als er bei dieser ernsten Frage davon sprach, daß unter Umständen jedem Bundesbürger das Essen verboten werden sollte. Aber seien Sie nun nicht unwillig, wenn ich für diejenigen, die sich vielleicht nicht in ausreichendem Maße um die Probleme bemühen konnten, weil andere Sorgen und Probleme sie beschäftigten, hier im Hause ganz einfach deutlich mache, worum es uns, die wir für die Kennzeichnung eintreten, geht. Wir wollen, daß viele, die es nicht wissen, wie sehr und wie oft sie getäuscht werden könnten- darin bin ich mit der Kollegin Strobel völlig einig -, gewarnt und zum Nachdenken und Prüfen ermahnt werden. Frau Strobel hat uns ein Zitat von Professor Marquardt in Erinnerung gebracht, daß nämlich die Deklaration besonders wichtig für den Arzt sei. Ich möchte hinzufügen: für den Arzt und für den Verbraucher. Ich möchte dieses Problem, nachdem ich mich mit dem Diskussionsredner Unertl leider auseinandersetzen mußte, von nun an in der Debatte nur vom Standpunkt der Gesundheitspolitik behandeln, denn das ist der wirkliche Sinn dieses Gesetzes. Auf die einfache Frage, worum es geht, darf ich Ihnen vielleicht mit einigen Sätzen antworten, die Herr Professor Dr. med. Kollath, der Professor für Hygiene und Bakteriologie in Freiburg ist, in seiner Schriftenreihe zur politischen Hygiene in seinem ausgezeichneten Werk „Zivilisationsbedingte Krankheiten und Todesursachen" unter anderem ausgeführt hat. Mit Genehmigung des Herrn Präsidenten möchte ich, damit auch dem einfachsten Gemüt - wobei Sie das bitte nicht falsch verstehen wollen ({4}) klar wird, um was es hier geht, zitieren. „Der Verbraucher könnte" - so sagt Professor Kollath nämlich - „ausgesprochen Pech haben, wenn er auf der Speisekarte des Tages einige Dinge findet, die er vielleicht nicht beurteilen kann." Lassen Sie mich weiter berichten und zitieren, was Herr Professor Kollath uns in bezug auf eine Tagesspeisekarte vor Augen führt. Die Sache ist für alle, die um den Bestand und die Zukunft unseres Volkes besorgt sind, so ernst und erschreckend, daß Sie sich das anhören sollten. Zum Frühstück beginnen wir in der Regel mit Kaffee. Er enthält Schellack- oder KolophoniumGlasur, auch Farbstoffe. Bei den Brötchen verweist Professor Kollath auf die insektiziden Stoffe, auf die zusätzlichen Reste von Bleichmitteln oder Backhilfsmitteln wie Bromate, Borate, Perkarbonate, Persulfate. ({5}) Bei der Margarine sind die billigen Sorten oft aus gehärteten Fetten hergestellt; eventuell werden sie durch Extraktionsmitteln wie Tetrachlorkohlenstoff usw. gewonnen. Die Marmelade, die wir zum FrühFrau Kalinke stück nehmen, hat als Konservierungsmittel Benzoesäure, Salicylsäure, die vitaminschädigend ist - wir leben ja im Zeitalter des Glaubens an die Vitamine -, ferner enthält sie Anilinfarben. Der Apfelsinensaft - wer von Ihnen hätte ihn nicht schon aus der Dose in der Gaststätte bekommen und abgelehnt - enthält Thioharnstoff oder Diphenyl - die Kollegin hat es eben schon erwähnt -, die besonders für die Schilddrüse schädlich sind. Die Mediziner werden mir bestätigen, was es bedeutet, wenn selbst der Obstsaft - im Zeitalter des Antialkoholismus so sehr empfohlen - Kaliumpyrosulfat und schweflige Säuren enthält. Die Milch ist, falls sie hitzekonserviert ist, im Eiweißmolekül geschädigt. Nun kommt das Mittagessen, und ich fange hier mit der Suppe der Frau Meier an, die Konservierungsmittel und Farbstoffe enthält, mit den Teigwaren, die es dazu gibt und bei denen es wie bei den Brötchen ist, und dem Tafelwasser, das Katadyn-Silber enthält und hemmend auf Darmbakterien wirkt. Das einzige ist noch das bayrische Bier - auf das komme ich noch -, das hier harmlos zu sein scheint; Sie haben ja ein Reinheitsgesetz in Bayern. Ich will mich nicht mit Fischen und Vorgerichten befassen, darauf hat meine Vorgängerin schon hingewiesen. Wir kennen alle die Gefahren der Konservierungsmittel von der giftigen Borsäure bis zu dem, was uns bei den Seefischen etc., beim Fleisch und bei den Bratfetten begegnet. Schließlich hat sogar der Nachtisch in den Nachspeisen alle die Zutaten, die jede Hausfrau mit Recht besorgt machen sollten. Bei diesen Beispielen, die hier genannt worden sind, soll auch das Brot nicht vergessen werden. Wie viele Familien müssen heute nach Brot suchen, das noch aus naturbelassenem Mehl gebacken ist! Ich will nicht von den Apfelsinen und den Zitronen sprechen; das haben wir in der ersten Lesung sehr ausführlich getan. Aber lassen Sie mich aus diesem Buch von Professor Kollath den Schlußsatz des Kapitels, in dem er über das Frühstück spricht, anführen, um damit die Entwertung unserer Nahrungsmittel durch nahrungsfremde Zusätze aufzuzeigen und um damit an die Verantwortung des Parlaments zu appellieren. Professor Kollath sagt hier: Der unbedingte Schutz des Verbrauchers steht über sämtlichen wirtschaftlichen und wirtschaftspolitischen Interessen, auch über Interessen von Spezialindustrien, die sich auf den Vertrieb von chemischen Lebensmittelzusätzen eingestellt haben. Die Ursache dieser Irrwege ist das Fehlen einer eindeutigen, die Gesundheit schützenden Lebensmittelgesetzgebung und das Überwiegen chemischer und wirtschaftlicher Gesichtspunkte. Darum geht es in dieser Debatte. Es wurde hier auf den Gemeinsamen Markt, auf Europa und den Wettbewerb hingewiesen. Lassen Sie mich dazu in Ergänzung dessen, was meine Kollegin Strobel schon gesagt hat, allen, die nach mir sprechen werden, in Erinnerung rufen, daß die Grundforderungen der europäischen Wissenschaft, die hier in Bad Godesberg am 1. Mai 1954 erneut beschlossen und bestätigt worden sind, doch die sind, daß Nahrungsmittel keine nahrungsfremden Zusätze enthalten und nicht künstlich gefärbt werden sollen. Wenn wir das nun verbieten, dann müssen wir - und das ist eine sehr ernste Frage - denjenigen, die Nahrungsmittel einkaufen und sie zu sich nehmen, auch die Möglichkeit geben, festzustellen, ob der wahre Wert der Lebensmittel dem Preis entspricht, den sie dafür bezahlen, und ob das Verbot beachtet wird. Im „Gesundheitsspiegel" war unlängst in einer Betrachtung über das Lebensmittelgesetz zu lesen, daß reine Lebensmittel für Europa auch vom Kongreß der europäischen Wissenschaftler in Paris gefordert worden sind. Darüber ist in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" im August 1958 sehr ausführlich berichtet worden. „Die Wahrheit auf die Etiketten" heißt es in dieser Forderung, und der Publizist Karl Jetter hat auf zwei langen Spalten in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" für alle, die daran interessiert sind, darauf hingewiesen, was diese Deklarierung und was „die Wahrheit auf den Etiketten" wirklich bedeutet, indem er sich für den Deklarierungszwang einsetzte. Nun hat Herr Kollege Unertl auf die Schwierigkeiten der Gastronomie hingewiesen. Das hat mich deshalb besonders interessiert, weil mir eine interessante Berichterstattung in der Zeitschrift „Gastwirt und Hotelier", die in München erscheint, aufgefallen war. Ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten daraus zitieren. Am 26. Juni 1958 war in dieser Zeitschrift zu lesen - eine wohlwollende Kommentation des Gesetzes -, daß es als ein Erfolg der Nahrungsmittelwirtschaft angesehen wird, daß man nun eine Bestimmung einführen will, wonach die Regierung für bestimmte Fremdstoffe die Kennzeichnungspflicht jeweils selbständig verordnen kann. Schließlich wird dann darauf hingewiesen, daß interessierte Kreise hoffen, der Bundestag werde über die Beschlüsse des Gesundheitsausschusses hinweggehen. - So weit die Zeitung „Gastwirt und Hotelier" in München! Wir hoffen, daß der Bundestag über die Beschlüsse des Ausschusses nicht hinweggehen wird. In Bayern gibt es ja ein Reinheitsgesetz, und es ist für die Preußen, die gern bayerisches Bier trinken, ein wenig witzig gewesen, festzustellen, daß das norddeutsche Bier nicht nach Bayern kommen darf, wahrscheinlich weil es gezuckert ist. Ich verstehe nicht genug von den Gesetzen der Bierbraukunst; aber ich meine, wenn schon chemische Zusätze in Bayern nicht erlaubt sind, wieviel mehr sollten sich unsere bayerischen Freunde dafür einsetzen, daß wir hier in diesen Dingen nicht etwas vertreten, was das ernste Problem lächerlich machen könnte. ({6}) - Nein, es geht nicht um das bayerische Bier, es geht auch nicht um das Geschäft irgendeiner Gruppe, es geht auch nicht um die Einfuhr aus einem Land in das andere. Es geht um das Recht auf Gesundheit, das heute eine politische Forderung ist. ({7}) Wenn ich neulich in einer anderen sozialpolitischen Debatte gesagt habe, daß der Staat nicht das Recht auf Gesundheit garantieren kann, so setze ich dem entgegen die Pflicht des Parlaments, die einzelnen Bürger zur Pflicht zur Gesunderhaltung zu ermahnen und ihnen dafür die Chancen und die Voraussetzungen in der Gesetzgebung zu geben. ({8}) Der Staat gibt Millionen für die Erhaltung und Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit aus, und immer wieder wird von Rehabilitation als der großen Aufgabe unserer Zeit gesprochen. Weit mehr noch gibt der Staat für die Opfer mangelhafter, nicht rechtzeitiger Vorsorge aus, und unsere Sozialpolitik muß sich tagtäglich befassen mit dem Problem der Überalterung, mit dem Problem der Gesunderhaltung, der Vorbeugung, der Verhinderung frühzeitiger Invalidität und all der modernen Krankheiten, die uns so große Sorgen machen, weil sie die Mittel der Steuerzahler beanspruchen. Dazu gehört aber doch vor allem eine gründliche Untersuchung und möglichst vorurteilsfreie Betrachtung all der Zivilisationsschäden und ihrer Ursachen. Ich will bei Gott nicht sagen, daß die Ernährung allein die Ursache unserer Zivilisationsschäden ist. Sie ist aber ganz gewiß mit eine entscheidende Ursache. Diese Pflicht zur Gesundheit durch Maßnahmen des Staates zu fördern, ist doch unser aller sozialpolitischer und gesundheitspolitischer Auftrag. ({9}) - Herr Präsident, würden Sie es mir weniger schwer machen. Die Unterhaltungen sind so laut, daß es für den Redner sehr schwer ist. ({10}) Ich glaube, das Thema ist so ernst, daß man sich bei seiner Behandlung konzentrieren sollte, auch wenn man nicht daran 'interessiert ist. Die Zivilisationskrankheiten steigen weiter an. Meine Herren und Damen, wir alle sind von ihnen bedroht, Sie in diesem Hause, vor allem aber alle Staatsbürger und die Kinder, die morgen unsere Aufgaben fortführen müssen. Wir alle befinden uns in einer großen Gefahr, auf die mutige Ärzte immer wieder hingewiesen haben, von Pettenkofer über Virchow, der schon in den neunziger Jahren erklärt hat, daß eine vernünftige Staatsverfassung das Recht des einzelnen auf eine gesundheitsgemäße Existenz unzweifelhaft festlegen muß. In einem der berühmten Bücher von Professor Winslow, das in Deutschland viel besprochen und unter dem Titel „Gesundheit ist Wirtschaftsgut" erschienen ist, ist über die Probleme des Zusammenhanges auch mit den wirtschaftlichen Interessen einiges sehr Deutliches gesagt. Ich kann hier auf dieses Buch, das von der Weltgesundheitsorganisation empfohlen ist, nur hinweisen; jeder wird darin wertvolle Hinweise auch bezüglich der wirtschaftlichen und finanziellen Belastung unserer Länder finden, nämlich der Belastung unserer Steuerzahler in den Ländern durch Zivilisationskrankheiten und ihre Folgen. Wir alle in diesem Hause sind uns bei diesem Gesetz und ebenso bei dem Arzneimittelgesetz, das Regierung und Parlament schaffen wollen, einig, daß es nicht nur darum geht, den Hunger in der Welt zu bekämpfen, sondern auch darum, die Gefahren, die durch verfälschte Lebensmittel und Arzneien entstehen, zu beseitigen. Wir wissen, daß der längeren Lebenserwartung nicht eine bessere und längere Gesundheit entspricht und daß trotz längerer Lebenserwartung die Leistungsfähigkeit immer mehr absinkt. Und wenn auch diejenigen, die dieses Problem von anderen Gesichtspunkten als dem der Gesundheit her sehen, darüber lächeln mögen, meine Kollegen, so muß ich Ihnen sagen, daß dieses Problem eines der ernstesten unserer Zeit ist und daß es das Geld unserer Steuerzahler und die Tränen vieler Eltern kosten wird, wenn wir nicht dafür sorgen, daß die Schäden an der Volksgesundheit so weit als nur möglich verhindert werden. Und dazu gehört, daß man die schöne These: „Vorbeugen ist besser als Heilen" nicht immer nur dann anwendet, wenn sie schön klingt, sondern auch dann, wenn die Etikettierung oder die Anbringung eines Vermerks auf einer Speisekarte unangenehm ist. Ich glaube nicht, daß sie schwierig ist. Wir haben Gott sei Dank jene böse Zeit überstanden, wo auf den Speisekarten stand: „50 Gramm Fleischmarken" oder „20 Gramm Fettmarken". Es wird jetzt einfacher sein, auf die Speisekarten zu schreiben, daß in der betreffenden Gaststätte nur Lebensmittel verwendet werden, die vorschriftsmäßig gekennzeichnet sind. Und gönnen wir doch auch der Industrie, die Speisekarten herstellt und vertreibt, daß sie sie gleich mit einem solchen Vordruck herstellt; dann haben die kleinen Gaststätten, die keine Schreibmaschine haben, die Möglichkeit, sie dort zu beziehen. Im Zweifelsfalle, meine Herren und Damen, sollten wir uns immer für den einsetzen, der sich hier nicht vertreten lassen kann; das sind die Verbraucher, vor allem unsere Hausfrauen, ({11}) das sind diejenigen, die meistens zu kurz kommen. Im Zweifelsfalle, wenn Interessen zur Diskussion stehen, muß uns als dem Parlament, das dem ganzen Volke verantwortlich ist, die Gesundheit unseres Volkes immer das wichtigste aller Probleme sein. Ich habe in der ersten Lesung davor gewarnt, die Probleme dieses Gesetzes in der Öffentlichkeit zu dramatisieren. Heute muß ich leider davor warnen, die Probleme dieses Gesetzes in diesem Hause zu bagatellisieren. Heute muß ich Sie, meine Kollegen in allen Fraktionen, dringend bitten, das, was hier vorgetragen worden ist, doch mit dem ganzen Ernst zu sehen, mit dem ein mutiger Mann, nämlich Herr Professor Dr. Fechner aus Tübingen, in einem Brief an die „Frankfurter Allgemeine Zeitung" vor dem Endspurt dieses Gesetzes gemahnt hat, daß doch der Bundestag der auch vom Bundesrat nun geforderten Änderung, die der Ausschuß mit Mehrheit übernommen hat - ich will mich nicht darüber ergehen, wie diese Mehrheiten zustandegekommen sind; das ist hier sehr deutlich gemacht worden -, folgen möchte. Denn die Gesundheit unseres Volkes steht wirklich auf dem Spiel, und der Staat, der ihr den Schutz verweigert, verstößt gegen seine Grundpflicht, auch in der sozialen Aufgabe Vorsorge zu treffen gegen Schäden, die entstehen könnten. In der heutigen Debatte wird nicht nur an irgendwelche Zweckmäßigkeitserwägungen appelliert, die heutige Debatte appelliert an Ihr Gewissen, meine Damen und Herren. Es geht darum, ob wir uns für ein engstirniges Nützlichkeitsdenken und seine sekundären Folgen - die so oft unbedacht sind -entscheiden oder ob wir uns für den unbedingten Schutz des Verbrauchers, für den Schutz unserer Familien, unserer Kinder, unserer arbeitenden Menschen entscheiden, ob wir wirtschaftlichen und wirtschaftspolitischen Interessen den Vorrang geben, ob wir die Interessen von Spezialindustrien, wie Professor Kollath gesagt hat, wichtiger nehmen als das Ziel des Lebensmittelgesetzes. Sein Ziel kann nur sein, die Gesundheit zu schützen. Darum bitte ich auch unseren Koalitionskollegen Elbrächter, der bei der Begründung des ersten Absatzes in Artikel 1 Nr. 5 auf die Vernunft der Bundesratsfassung hingewiesen hat - wir haben ihm zugestimmt -, sich nun zu überwinden und sich in der nächsten Rede, die er ja sicher halten wird, als Vertreter des ganzen Volkes anzusehen. Noch so bevorrechtigte Argumente können alle nicht den Vorrang vor dem Auftrag haben, den wir haben, und wir müssen uns bei einem Gesetz, das der Gesundheit dient, mutig auch für Unbequemes entscheiden. Ich bitte meine Kollegen aus der CDU/CSU: Tragen Sie dazu bei, indem Sie Ihren eigenen Antrag noch einmal überprüfen! Kommen Sie mit uns zu einer freiheitlichen Entscheidung für die Ausschußvorlage! Nicht der Wettbewerb im wirtschaftlichen Bereich, sondern der Wettbewerb um die Hintanstellung aller Interessen hinter die Gesundheit unseres Volkes muß die Parole dieses Entschlusses sein. ({12})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Ehe ich das Wort weiter gebe, gebe ich bekannt, daß der Ausschuß für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen morgen vormittag 9.30 Uhr tagt. Der Ausschuß für Kommunalpolitik und öffentliche Fürsorge tagt ebenfalls morgen vormittag um 9.30 Uhr. Schriftliche Einladungen sind unterwegs. Wir fahren fort. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Bausch.

Paul Bausch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000116, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich sehe mich zu meinem Bedauern genötigt, hier zu erklären, daß ich mich mit dem Antrag der CDU/CSU auf Umdruck 173 nicht einverstanden zu erklären vermag. Ich möchte Sie im Gegenteil bitten, diesen Antrag abzulehnen. Ich kann mich auch nicht mit den Begründungen für diesen Antrag, die mein verehrter Kollege Unertl und mein verehrter Kollege Horn gegeben haben, einverstanden erklären. Sie wissen ja, meine Damen und Herren, daß es in meiner Fraktion keinen Fraktionszwang und keine Uniformität gibt. ({0}) Im Grundgesetz steht geschrieben, daß ein Abgeordneter nur seinem Gewissen zu folgen hat und an Aufträge nicht gebunden ist. Ich möchte dies hier ausdrücklich sagen, weil in der Öffentlichkeit da und dort der Eindruck besteht, daß dieses verbindliche Gebot des Grundgesetzes für meine Fraktion nicht verbindlich sei. Ganz das Gegenteil ist richtig. Wir haben in der CDU/CSU-Fraktion die Möglichkeit, zu jedem Problem, über das hier zu entscheiden ist, frei und unabhängig Stellung zu nehmen. Aus dieser Unabhängigkeit heraus möchte nun auch zu dem Problem Stellung nehmen, das jetzt zur Entscheidung steht. Mein lieber Kollege Unertl hat freiweg geredet, so wie ihm der Schnabel gewachsen ist. ({1}) - Das ist die bayerische Art. Es ist auch die schwäbische Art. Herr Kollege Unertl, in meinem Lande gibt es ein altes Sprichwort, das sich vor allem auf die Bauern bezieht und das heißt: „Was der Bauer nicht kennt, das frißt er nicht." ({2}) Damit soll gesagt werden, daß gerade der Bauer das Bedürfnis hat zu wissen, was in dem drin ist, was er zu sich nimmt. ({3}) Solchen Sprichwörtern, die sich durch Jahrhunderte hindurch eingebürgert haben, wohnt eine tiefe Wahrheit inne. Ich möchte sagen, daß jedenfalls in meinem Lande nicht nur der Bauer das Bedürfnis hat zu wissen, was er ißt, sondern daß dieses Bedürfnis jeder Staatsbürger hat. Es ist tatsächlich so, daß in breiten Schichten der Bevölkerung der Unwille darüber, daß den Menschen unserer Zeit heute vielfach Lebensmittel vorgesetzt werden, deren Inhalt sie überhaupt nicht kennen, sehr weit verbreitet ist. Ich kann mich keiner öffentlichen Versammlung erinnern, in der ich über dieses Problem gesprochen und meinen Standpunkt vertreten habe, in der ich nicht die wärmste Zustimmung bekommen habe, wenn ich gefordert habe, daß endlich einmal auf dem Gebiet des Lebensmittelverkaufs Klarheit und Wahrheit einziehen müssen. ({4}) Wir haben jetzt weltberühmte Philosophen gehört, die gesagt haben, man könne die Freiheit nur auf der Basis der Wahrheit erhalten. Aber wäre es nicht eine großartige Sache, wenn wir zunächst einmal auf diesem elementaren Gebiet der Lebensmittelerzeugung und der Lebensmittelfeilbietung dafür sorgten, daß Klarheit und Wahrheit einkehren und Bausch, daß jeder Käufer, der in ein Geschäft kommt, weiß, was ihm dort angeboten wird? ({5}) Wenn er sich dann für das Schlechte und Minderwertige entscheidet, ist das seine Privatsache. Aber er soll wissen, was gut ist und was schlecht ist, was natürlich ist und was unnatürlich, was mit künstlichen Stoffen durchsetzt ist. Das soll er wissen, und das soll ihm gesagt werden. Und deshalb müssen wir für den Kennzeichnungszwang eintreten, meine Damen und Herren. ({6}) Und wäre es denn nicht eine gute Sache, wenn das, was in anderen Ländern längst eingeführt ist, auch bei uns eingeführt würde? Gehen Sie in Amerika, gehen Sie in anderen Ländern in ein Lebensmittelgeschäft, so können Sie auf den Pakkungen, die dort verwendet werden, ohne weiteres lesen, was darin enthalten ist und mit welchen chemischen Bestandteilen die Ware durchsetzt ist. Ich habe mir von einer deutschen Fabrik, in der Nitrit hergestellt wird, eine Packung kommen lassen, um zu sehen, was darauf geschrieben ist, und ich habe mir erlaubt, dort auch anzufragen, ob diese Packung gekennzeichnet ist. Ich habe hier so eine Packung. Es ist eben nicht gekennzeichnet, meine Damen und Herren, wieviel Nitrit in der Ware enthalten ist. Das ist falsch und verkehrt. Wenn einer dieses Blutgift zu sich nehmen will, dann mag er es tun. Aber auf der Packung soll gekennzeichnet sein, daß und in welchem Ausmaß das betreffende Nahrungsmittel mit diesem Blutgift durchsetzt ist. Das müssen wir fordern, und daß das nötig ist, kann, glaube ich, im Ernst niemand bestreiten. Vor zwei Minuten bekam ich ein Schriftstück in die Hand gedrückt, überschrieben „Evangelische Informationsbriefe". Mit Genehmigung des Herrn Präsidenten darf ich vielleicht einige Sätze daraus verlesen. Da heißt es: 9 % aller untersuchten Lebensmittelproben mußten, wie die Untersuchungsergebnisse des Staatlichen Lebensmitteluntersuchungsamtes in Oldenburg zeigen, im letzten Jahre beanstandet werden. Die meisten Beanstandungen gab es bei Bier, Branntwein und Likör mit 22,4 % der Proben. ({7}) Bei Obst, Marmeladen und Obstsäften wurden 17,4 % beanstandet, bei Süßwaren und Speiseeis 12,8 %, bei Backwaren, Mehl, Teigwaren und Nährmitteln 10,7 %, bei Speisefett 10,6 %. Gebessert haben sich die Verhältnisse nur bei Milch und Milcherzeugnissen. Bei Speisefetten war besonders Schmalz oft nicht einwandfrei. Bei Markenbutter waren 13 % der Proben verdorben oder infolge von Geschmacks- oder Geruchsfehlern abgewertet. Neun von hundert Proben hatten zu hohen Wassergehalt. Recht unerfreulich verliefen die Prüfungen bei den Mettwürsten. 50 % hatten einen überhöhten Fettgehalt. Neuerdings wird durch Färbung des Fettes ein reichlicher Fleischanteil vorgetäuscht. Brotproben mußten zu 42 % beanstandet werden, weil Übergewicht festgestellt wurde. Bei frischem Obst betrugen die Beanstandungen 22 %, weil es ohne Kenntlichmachung chemisch konserviert war. Diese Zahlen stellen einen unüberhörbaren Ruf nach einem klaren Lebensmittelgesetz und einer wirksamen und schlagkräftigen Überwachung dar. Meine Damen und Herren, wir machen uns tatsächlich zu Anwälten der Staatsbürger unseres Volkes, wenn wir dafür eintreten, daß ein klares Lebensmittelgesetz verabschiedet wird. Nach meiner Überzeugung gehört dazu auch der Kennzeichnungszwang. ({8}) Es wird davon gesprochen, die Interessenten ständen gegen diese Forderung der Staatsbürger. Meine Damen und Herren, man sollte solche pauschalen Meinungen nicht vortragen! Jetzt erst, heute nachmittag, kam ein führender Mann des Lebensmitteleinzelhandels meines Landes hierher ins Bundeshaus und ließ mir sagen: „Der Lebensmitteleinzelhandel unseres Landes tritt für den Kennzeichnungszwang ein, einfach deshalb, weil er das Bedürfnis hat, seine Kunden ehrlich zu bedienen." Herr Kollege Unertl, auch in dem ehrbaren Gastronomengewerbe gibt es sehr viele, die das Bedürfnis haben, ihre Kunden ehrlich und redlich zu bedienen. ({9}) Das ist meine Auffassung. Lassen Sie einmal in diesem ehrbaren Gewerbe der Gastronomen abstimmen! Dann werden Sie sehen, daß Sie nicht die Mehrheit auf Ihrer Seite haben. ({10})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Abgeordnete Unertl.

Franz Xaver Unertl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002355, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, die Diskussion nimmt jetzt Formen an, wie man sie ähnlich auf einer Wahlversammlung feststellen könnte. ({0}) Herr Kollege Bausch, ich kannte einen Professor, der war noch ängstlicher als Sie; der machte 50 Jahre lang jede Türklinke mit dem Taschentuch auf und zu, um sich nicht zu infizieren. Aber er ist schon längst gestorben! ({1}) Das, was jetzt hier in der Diskussion aufkommt, ist weiter nichts als Angstmacherei und die Verächtlichmachung von einzelnen Berufsständen. ({2}) Ich verwahre mich dagegen, daß man erklärt, die Gaststättenbetriebe hätten es nötig, daß man ihnen mehr auf die Finger sieht, oder sie wären an der Schärfe interessiert, die jetzt in dieses Gesetz mit dem Kennzeichnungszwang hineinkommt. ({3}) - Einige wird es immer geben, und die werden wir mit den strengsten Gesetzen auch nicht zur Ordnung bringen. Aber den weitaus größten Teil der mit Nahrungsmitteln und mit unserem Ernährungsgut handelnden oder Lebensmittel herstellenden Betriebe muß ich hier in Schutz nehmen. Meine Freunde und ich sind nicht gegen das Verbot oder nicht gegen die Kennnzeichnungspflicht von Mitteln, die nun einmal im öffentlichen Interesse gekennzeichnet werden müssen. Der Grund, weshalb wir die Regierungsvorlage wiederherstellen möchten, liegt darin, daß wir Gefahren in der Ausübung des Zwangs sehen, der hier beschlossen werden soll. Ich habe bereits gestern gesagt: Wenn wir alle Lebensmittelüberwachungsbeamten einer korrekten Schulung unterzogen hätten, könnte man den Dingen ruhiger entgegensehen. Aber wie wird man denn Überwachungsbeamter? Es soll folgende Fälle geben: bis zum 21. Lebensjahr Hilfsarbeiter oder landwirtschaftlicher Dienstbote, dann kommt er zur Polizei, macht einige Kurse mit und wird zur Lebensmittelüberwachung abgeschoben. Diese Fälle möchten wir unterbinden und davor möchten wir warnen; denn das Gesetz muß ja draußen vollzogen werden. Das andere hat Herr Kollege Horn sehr treffend gesagt. Er hat auf die Ungleichheit der Gesetzgebung verwiesen, die wir auf jeden Fall verhindern möchten. Herrn Kollegen Stammberger ins Stammbuch: Niemand hat mir die Sache hinterbracht, und niemand hat mir einen Auftrag gegeben! Ich habe nur den Bericht durchgelesen, in dem gerade von einem Zwang die Rede ist. Dieser Zwang könnte uns vielleicht nach einem Jahr dazu zwingen, im Bundestag wieder Änderungen zu beschließen. Im übrigen lehne ich ein Gesetz ab, das Streitereien, der Führung von Prozessen, den Anzeigen bei der Polizei Vorschub leistet oder den unterentwickelten Rechtsanwaltskanzleien helfen soll. ({4})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat Herr Abgeordneter Mensing.

Friedrich Mensing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001472, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich denke nicht daran, bei einem so ernsten Problem dazu beizutragen, das Haus in Heiterkeit zu versetzen. ({0}) Ich appelliere aber an Ihre Sachlichkeit, vor allem an Sie, Herr Kollege Kriedemann, meine Ausführungen genauso ruhig anzuhören, wie ich Ihre Ausführungen ruhig anhöre. ({1}) - Bei anderen Gelegenheiten haben Sie ja hier genügend gesprochen. Es fällt mir sehr schwer, heute das Wort zu nehmen, denn ich bin Vorsitzender eines Berufsstandes, der, wie Sie wissen, in den letzten Jahren sehr stark im Rampenlicht der Offentlichkeit gestanden hat. Vor allem das NitritProblem hat nicht nur mir als Vorsitzendem, sondern auch meinem ganzen Berufsstand viel Ärger und Kopfschmerzen bereitet. Daß es auch Bedauern hervorgerufen hat, werde ich Ihnen noch im Laufe meiner Ausführungen begründen. Ich bin überzeugt, daß der Großteil der Nitrit-Sünder in diese Affäre hineingeschlittert ist, und daß es für diese unbescholtenen Bürger, die vorher nie vor dem Gericht gestanden haben und deren Leben eigentlich nur aus Arbeit besteht, mehr als peinlich gewesen ist, nunmehr abgeurteilt zu werden. Herr Kriedemann, Sie können mir glauben: ich lache nicht darüber; für mich ist die Sache sehr ernst. ({2}) - Lieber Herr Kollege, wir wollen doch die Dinge hier nicht verzerren! Sie bringen mich mit den Zwischenbemerkungen doch nicht aus meinem Konzept. Ich möchte Ihnen sagen, daß viele Berufskollegen bei mir in der Wohnung gewesen sind, die vollkommen niedergeschlagen darüber waren, daß sie sich in einer solchen Situation befanden. Wenn ich heute überhaupt zu diesem ernsten Problem Stellung nehme, dann tue ich es nur deshalb, weil hier von verschiedenen Seiten das Fleischergewerbe angesprochen wurde und die Nitrit-Affäre angeschnitten wurden. Gestatten Sie mir, daß ich Ihnen in aller Offenheit folgendes sage. Ich bekenne mich grundsätzlich zu einer Bereinigung aller lebensmittelrechtlichen Fragen und begrüße alle Maßnahmen, die den Schutz der Gesundheit des Verbrauchers auf dem Gebiete der Ernährung sicherstellen sollen. Sie werden mir aber auch gestatten, daß ich einmal näher auf die Nitrit-Affäre eingehe. Die Nitrit-Affäre hat zu einer Angstpsychose geführt, weil sie der Öffentlichkeit von einem Teil der Presse tendenziös zur Kenntnis gebracht wurde. Diese Pressemitteilungen erfuhren eine Untermauerung durch ständige beunruhigende Erklärungen großer Organisationen. Die ganze Nitrit-Affäre ist von diesen Gruppen sehr einseitig behandelt worden. Dadurch wurde in der Verbraucherschaft eine wahre Giftpsychose ausgelöst, die vielen Berufsständen schwer geschadet hat. Vielleicht ist folgendes für Sie interessant. Wir haben ein Nitrit-Gesetz. Dieses Gesetz war allerdings in Vergessenheit geraten. Es war deshalb in Vergessenheit geraten, weil, wie feststeht, die Überwachungsstellen in den letzten zehn Jahren nicht einen einzigen Fall feststellten, in dem Nitrit verarbeitet worden war. Interessant ist weiter, daß in einer Anzahl von Ländern das Natriunmitrit erst im Frühjahr in die Gruppe 3 der Giftliste aufgenommen wurde.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Abgeordneter?

Friedrich Mensing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001472, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte!

Margot Kalinke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001058, Fraktion: Deutsche Partei (DP)

Herr Kollege Mensing, darf ich Sie gerade wegen des Ernstes, mit dem Sie dieses Problem behandeln, folgendes fragen. Meinen Sie nicht, daß es wegen der großen, wie Sie sagen, Angstpsychose, die erzeugt wurde, außerordentlich beruhigend wirken würde, wenn sich gerade die Schlachter in ihrer Gesamtheit für eine Kennzeichnungspflicht einsetzten?

Friedrich Mensing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001472, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sie machen es mir leicht. Wären Sie im Bilde, würden Sie wissen, daß das deutsche Fleischergewerbe es gewesen ist, das seit Jahren im Ernährungsministerium vorstellig geworden ist und verlangt hat, daß endlich eine Verordnung erlassen wird, nach der die Qualitätsunterschiede kenntlich gemacht werden müssen. Daran sind wir sehr interessiert. Weiter mag es für Sie interessant sein, daß bei der DLG-Leistungsschau, die alle Jahre stattfindet, 80 % aller Einsendungen aus dem Fleischergewerbe herrühren. Daraus mögen Sie ersehen, daß der Vorwurf völlig abwegig ist, mein Berufsstand habe ein Interesse daran, minderwertige Waren herzustellen. Außerdem kommt folgendes hinzu, Frau Kalinke. Ich weiß genau: wenn Sie feststellen, daß Ihr Fleischermeister in Goslar, bei dem Sie kaufen, seine Ware verschlechtert, dann werden Sie sich das ein-, zweimal gefallen lassen und dann ein Haus weitergehen. ({0}) - Bitte!

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort zu einer Zwischenfrage hat Frau Abgeordnete Kalinke.

Margot Kalinke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001058, Fraktion: Deutsche Partei (DP)

Ich meine, es geht nicht um die Verschlechterung. Wir würden es alle außerordentlich begrüßen, Herr Kollege, wenn Sie uns sagten, ob Sie nicht auch der Meinung sind, daß die Ablehnung des CDU-Antrags und die Annahme des Ausschußantrags auch dazu beitragen würden, gerade das Schlachtergewerbe von einer großen Sorge zu befreien und die von Ihnen mit Recht erwähnte Unruhe zum Verschwinden zu bringen. Sind Sie weiter der Meinung, Herr Kollege, daß, ebenso wie für Nitrit ein Verbotsgesetz bestand, das vergessen wurde, nicht auch dieses Verbotsgesetz hier und da in Vergessenheit geraten könnte, wenn wir etwa den CDU-Antrag annähmen?

Friedrich Mensing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001472, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich persönlich bekenne mich dazu, die Regierungsvorlage wiederherzustellen. ({0}) - Ja, ich komme darauf. - Dann mag man nachher auf dem Wege der Beratungen mit den einzelnen Berufsgruppen und auf dem Verordnungswege die entsprechenden Maßnahmen treffen. Ich denke nicht daran, Ihnen eine so präzis gestellte Frage zu beantworten, und zwar deshalb nicht, weil wir in der Vergangenheit die Erfahrung gemacht haben, daß dann gerade die Überwachungsstellen über den schwächeren Teil der Wirtschaft herfallen, und das sind die Klein- und Mittelbetriebe. Da wünschen wir natürlich von vornherein Klarheit in einer solchen Verordnung. ({1}) - Ich habe nicht recht mitgekriegt, was Sie damit zum Ausdruck bringen wollten. ({2}) Weiter möchte ich hier sagen: daß mit der Verarbeitung von Nitrit im Fleischergewerbe, wie ich Ihnen schon sagte, kein Mißbrauch getrieben wurde, geht daraus hervor, daß in den letzten zehn Jahren vor der Stuttgarter Affäre tatsächlich keine Bestrafungen erfolgten. Nun zu den Stuttgarter Vorfällen. Durch einen Zufall ist die ganze Angelegenheit ins Rampenlicht der Öffentlichkeit gerückt worden. Ich war genauso wie viele in der Öffentlichkeit davon überrascht, daß Nitrit über die zulässigen Mengen hinaus verarbeitet wurde. Nehmen Sie bitte auch einmal folgendes zur Kenntnis und betrachten Sie die Dinge einmal von der rein psychologischen Seite! Wir verarbeiten seit Jahrzehnten im Fleischergewerbe das Nitrit-Pökelsalz. Dieses Nitrit-Pökelsalz wird in den staatlichen Salinen hergestellt. Daher war für die meisten Nitrit kein Gift, wie es nachher in der Öffentlichkeit avisiert wurde. Und nun weiter! Wenn es ein Giftpräparat Herr Kollege Kriedemann - gerade weil Sie sich über meine Ausführungen so freuen, darum wende ich mich an Sin -, oder wenn man gewußt hätte daß es ein Giftpräparat ist, dann hätte das Fleischergewerbe - darin werden Sie mir doch wohl recht geben - zum mindesten verlangen können. daß darüber gewacht wurde, daß der Hersteller solcher Giftpräparate den Nachweis darüber zu führen hat, an wen er sie verkauft. Und wenn der Handel derartige Giftpräparate - ich sage absichtlich: Giftpräparate - in Umlauf gebracht hat, dann hätten meine Kollegen erwarten dürfen, daß diese Stoffe genauso wie in den Apotheken in Schachteln oder Gläsern vertrieben wurden, auf denen in nicht mißzuverstehender Form das Warnungszeichen „Gift" stand. Diese Kennzeichnungspflicht war nicht vorhanden. Ich denke nicht daran, meine Berufskollegen etwa reinwaschen zu wollen. Was auf dem Deutschen Fleischerverbandstag in Ludwigshafen ausgeführt wurde, gilt für mich auch heute. Wer gegen ein Gesetz verstößt, muß damit rechnen, daß er eine entsprechende Bestrafung erhält. ({3})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Abgeordneter?

Friedrich Mensing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001472, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nein, ich denke nicht daran, nachdem ich schon ein paarmal unterbrochen worden bin, mich hier weiter unterbrechen zu lassen. Ich unterbreche Sie ja auch nicht, Herr Kollege Kriedemann. ({0}) - Über parlamentarischen Stil wollen wir uns nicht unterhalten. Über den Geschmack kann man verschiedener Meinung sein. ({1}) - Nein, in diesem Falle geht es, verehrter Herr Kollege, um die Ehre meines Berufsstandes. ({2}) - Sind Ihnen meine Ausführungen so peinlich und unangenehm? ({3}) Weiter möchte ich folgendes sagen. Wenn man die Zusammenhänge berücksichtigt, wobei ich noch weitere ähnliche Gesichtspunkte hinzufügen könnte, ergibt sich doch ein wesentlich anderes Bild von der Nitrit-Angelegenheit, als es bislang in den Gerichtssälen und in der Öffentlichkeit entworfen wurde. Bisher sah es schlicht und einfach so aus, als ob ein Großteil des Fleischergewerbes aus purer Gewinnsucht und in der hinterhältigen Absicht, die Wurstwaren zu färben, den Verbraucher in Lebensgefahr gebracht habe. Jeder, der sich mit der Frage beschäftigt, weiß, daß der betreffende Gewerbetreibende mit der Verarbeitung von einigen Gramm Nitrit kein Geschäft machen konnte. Gewinnsucht hat also nicht vorgelegen. Man sollte auch nicht von Täuschungsabsicht sprechen. Das hat Stuttgart gezeigt. Nach der Aufdeckung der Nitrit-Fälle hat es die Stuttgarter Fleischerinnung mehrere Wochen lang abgelehnt, für einen Teil ihrer Wurstwaren Nitritsalz oder rötende Präparate zu verwenden. Man hat Wurst- und andere Fleischwaren mit und ohne Nitritsalz zum Verkauf gestellt. Und was hat sich ergeben? Daß das Fleischergewerbe sehr schnell darauf verzichten mußte, Ware ohne Nitritsalz herzustellen, weil der Käufer die andere Ware vorzog. ({4}) Man wünscht eben, daß die Ware, die man kauft, auch ein gewisses Aussehen hat. Ich möchte noch einmal feststellen: Es geht mir keineswegs um den Versuch einer Rechtfertigung der Vergehen gegen das Nitrit-Gesetz. Ich sagte schon: Gesetz ist Gesetz. Genauso wie wir diese Rechtsbrüche verurteilen, müssen wir aber auch die Einseitigkeit, die Übertreibung und die Unaufrichtigkeit verurteilen, mit denen die Nitrit-Angelegenheit im Gerichtssaal behandelt wurde. Keiner ist in der Lage, den Nachweis zu erbringen, daß infolge der Verarbeitung von Nitrit in diesem Zeitabschnitt Todesfälle zu verzeichnen gewesen oder Menschen wegen irgendwelcher Beschwerden auf Grund des Wurstgenusses in Krankenhäuser eingeliefert worden sind. Man durfte also erwarten, daß die Urteilssprüche der Unbescholtenheit dieser Menschen Rechnung getragen hätten. Aber Menschen in Bausch und Bogen zu verurteilen, im allgemeinen zu mehreren tausend Mark Geldstrafe, zum Aushang des Urteils im eigenen Geschäftslokal und zu mehrmonatigen Gefängnisstrafen, - meine Herren, schlagen Sie einmal an Ihre Brust und ziehen Sie eine Parallele mit Gerichtsurteilen wegen anderer Delikte! Dann werden Sie mir darin recht geben, daß die Gerichte hier zu weit gegangen sind. Ich freue mich, feststellen zu können, daß die Berufungsverhandlungen nun meist eine andere Rechtsprechung ergeben. Damit möchte ich zum Schluß meiner Ausführungen an Sie appellieren, der Gerechtigkeit zum Siege zu verhelfen. Wenn wir heute feststellen, daß viele dieser Menschen zu hart bestraft wurden, ({5}) dann wäre es vielleicht angebracht, bei der Verabschiedung dieses Gesetzes der Regierung nahezulegen, in einer Amnestie ({6}) einmal die Vergehen, die zur Aburteilung standen, einer Nachprüfung zu unterziehen. - Hoffentlich werden meine gewerblichen Mittelständler Ihr Gesicht, Herr Kriedemann, sehen und feststellen, mit welcher Freude Sie hier sitzen. ({7})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Einen Augenblick, Herr Abgeordneter. Ich muß jetzt nach § 40 der Geschäftsordnung Sie zur Sache verweisen. Hier stehen zur Entscheidung der Änderungsantrag der FDP Umdruck 169 Ziffer 2 a und der Änderungsantrag der CDU/CSU Umdruck 173 Ziffer 2. Ich bitte, dazu zu sprechen und vor allen Dingen Gerichtsentscheidungen hier nach Möglichkeit nicht weiter zu behandeln.

Friedrich Mensing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001472, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich habe hier lediglich das Wort genommen - ({0}) -- Es gehört eine lebhafte Phantasie dazu, Herr Kriedemann, so etwas zu behaupten. Jeder, der mich als Redner kennt, weiß, daß ich es nicht nötig habe, nach Manuskript zu sprechen. Das wissen Sie und auch Ihre Freunde in der Fraktion, die mich aus Versammlungen kennen, ganz genau. Ich möchte zum Schluß noch einmal darum bitten, die Nitrit-Affäre doch aus unserem Blickfeld zu sehen. Auch wir betrachten sie als eine bedauerliche Angelegenheit, in der aber in erster Linie Unwissenheit den Ausschlag gegeben hat.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Dittrich.

Dr. Stefan Dittrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000393, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hätte mich zu diesem Thema nicht zu Wort gemeldet, wenn mich nicht Frau Strobel zitiert hätte. Ich bestreite nicht, damals in einer Rundfunkdiskussion berichtet zu haben, daß wir in Abänderung der Regierungsvorlage im Ausschuß für Gesundheitswesen zu dem Ergebnis des Deklarationszwanges gekommen sind. Frau Kollegin Strobel hätte aber der Wahrheit wegen auch das Weitere zitieren müssen, was ich zum Ausdruck gebracht habe, nämlich, daß meine Fraktion der CDU/CSU in dieser Frage nicht einheitlich ist, und ich meine, das ist doch nicht zum Schaden. Denn seien wir uns über eines klar: eine weltpolitische Frage ist diese Frage des Deklarationszwanges nicht, doch weiß Gott nicht! Diejenigen, die den Deklarationszwang nicht wünschen, wollen dieses Gesetz nicht mit dem Hintergedanken verabschiedet wissen, daß nun überhaupt keine Deklaration mehr erfolgen sollte. Das Petitum ist doch lediglich das, die Regierungsvorlage wiederherzustellen, um der Regierung die Möglichkeit zu geben, in den Fällen, in denen sie es für notwendig hält, eine Deklarationspflicht auszusprechen. ({0}) Meine Damen und Herren, wir müssen doch die Dinge ins rechte Licht rücken und dürfen nicht so tun, als ob diejenigen, die einen Änderungsantrag gestellt haben, meinten, es gäbe nun in unsere, Lebensmittelgesetzgebung überhaupt keinen Deklarationszwang mehr. Frau Kollegin Strobel hätte aber meines Erachtens auch die Pflicht gehabt, wenn sie schon sachlich berichten und sachliche Ausführungen machen will, zu sagen, daß es nicht nur die Ansicht des Herrn Professor Druckrey gibt, der einen absoluten Deklarationszwang gefordert hat. Es gibt vielmehr Wissenschaftler, Professoren zur genüge, die mein Kollege Elbrächter dann sicher zitieren wird, die sich gegen diesen absoluten Deklarationszwang aussprechen. ({1}) Es ist doch nicht so, daß die Wissenschaft in dieser Frage einheitlich wäre. Wann gibt es denn überhaupt einmal so einen Fall, daß die Wissenschaft einhelliger Meinung ist. Ich hätte mich zu diesem Thema nicht zu Wort gemeldet, wenn mich nicht Frau Kollegin Strobel unvollständig zitiert hätte. ({2}) Ich stehe auf dem Standpunkt, daß wir diese Fragen in aller Ruhe ausdiskutieren sollten. Ich sage Ihnen ganz offen, Frau Kollegin Strobel, in meiner Fraktion gibt es keinen Fraktionszwang, wie es anderswo vorkommen soll. ({3}) Frau Kollegin Strobel, bei der namentlichen Abstimmung kann in meiner Fraktion der CDU/CSU jeder so entscheiden, wie er es vor seinem Gewissen verantworten kann. ({4}) Gott sei Dank ist es noch so ({5}) in einer parlamentarischen Gemeinschaft, wie sie die Fraktion der CDU/CSU darstellt. Verzeihen Sie, meine Damen und Herren von der SPD, ich habe doch nicht behauptet, daß es bei Ihnen diesen Zwang zur Abstimmung in einer gewissen Richtung gibt. ({6}) Warum regen Sie sich denn hier überhaupt auf? Was wir anstreben, meine Damen und Herren - -({7}) - Oh, Herr Schröter, Sie können doch nur Zwischenrufe machen. Hier oben haben Sie doch noch nie gesprochen. Ich sage Ihnen eines, meine Damen und Herren: Wir sind alle bestrebt, ein Lebensmittelgesetz zu machen, das den Verhältnissen gerecht wird, das aber auch vor allem - und hiermit komme ich zum Schluß - in der Öffentlichkeit praktikabel ist. ({8})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Ehe ich das Wort erneut erteile, gebe ich bekannt, daß der Ernährungsausschuß morgen früh 9.30 Uhr zusammentritt. Das Wort hat die Abgeordnete Frau Dr. Lüders.

Dr. Dr. h. c. Marie Elisabeth Lüders (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001391, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur einige wenige Worte. Meine Kollegin Strobel hat schon ein Wort an die Regierung gerichtet und gefragt, weshalb sie auf meine beiden sehr klaren Fragen überhaupt nicht eingegangen ist. Ich wäre doch dankbar, wenn ein Regierungsvertreter, vielleicht ein Vertreter eines anderen Ministeriums, der aber an dieser Debatte sehr interessiert ist, uns trotzdem sagte. wo das Hindernis dafür gelegen hat, daß die Fragen nicht beantwortet wurden. Ich verstehe eines nicht, verehrte Anwesende warum hat denn jemand vor der Kennzeichnungspflicht Angst? ({0}) Das ist doch gar nicht nötig. Von dem, der einen Anlaß dazu gibt, bei dem irgend etwas nicht ganz in Ordnung ist, würde ich das verstehen. Ich bin der Meinung, daß es solche Leute kaum gibt. Wenn es sie aber gibt und sie dementsprechend gesetzeswidrig handeln, werden sie erwischt und hoffentlich auch entsprechend bestraft werden. ({1}) Ich will hier auf die Frage, ob die Strafen in den Nitrit-Affären zu hoch oder zu niedrig waren, nicht eingehen. Wir haben hier keine Justizdebatte und können wohl auch keine Anträge besprechen oder entgegennehmen, die auf eine Amnestie hinausgehen. Das wäre doch ein reichlich weites Feld. Ich glaube - wie gesagt - man braucht keine Angst vor einer Kennzeichnung zu haben. Eine Kennzeichnung wird aber nicht durch ein Verbot überflüssig. Wir erleben doch immer wieder - die Regierung und auch die Landesregierungen, denen die Überwachung obliegt, machen kein Hehl daraus -, daß die Zahl der Überwachungsbehörden zu klein ist und daß ihre Ausbildung, ihre Fähigkeit der Beurteilung und ihre Zeit und Kraft nicht so sind, daß sie den Sachen nachgehen können. Darauf ist es zurückzuführen, was der Herr Fleischermeisterkollege vorhin vorgetragen hat, daß diese Dinge nicht bemerkt worden sind, so daß er selber keine Ahnung davon hatte, wie ich ihn verstanden habe, daß es so etwas gibt. Das zeigt, daß bei der Durchführung des seit langem bestehenden Nitrit-Gesetzes doch ganz erhebliche Mängel bestehen; leider haben sie sich erst nachträglich gezeigt. Kein Mensch von uns hat die Absicht gehabt, zu unterstellen, daß weiteste Kreise des ehrlichen Fleischergewerbes, auf dessen Kenntnisse und Arbeit wir alle angewiesen sind, solche unlauteren Machenschaften betrieben hätten. Ich frage mich aber doch immer wieder, ob wir hier eigentlich ein allgemeines Interesse für alle Bevölkerungskreise oder ein doch zu bemerkendes Einzelinteresse behandeln. Einzelinteressen sollten hier vollkommen zurückstehen, einerlei, welcher Beruf, welches Gewerbe davon betroffen werden. ({2}) Die Linie, die einzig und allein zu verfolgen ist, ist das Interesse der Allgemeinheit. Ich bin überzeugt, daß hier niemand unter den Kollegen ist, der andere Interessen haben könnte. Niemand, der sich mit den Dingen zum Schutze der Gesundheit der Allgemeinheit befaßt, würde es befürworten, daß es Menschen gibt, die daraus ein Geschäft machen, über Gesundheitsfragen zu verhandeln und zu entscheiden. Es wurde von den berechtigten Interessen des Verbrauchers gesprochen. Es wurde gesagt, daß er nicht getäuscht, auch nicht einmal enttäuscht werden dürfe. Verehrte Anwesende, die Männer haben damit weiter nichts zu tun, als daß sie das essen, was ihnen von uns vorgesetzt wird. Ich möchte aber, daß wir ihnen in Zukunft nur das vorsetzen, was tatsächlich so ist, daß wir es verantworten können. ({3}) Ich kann mich, wenn ich lustig bin, krankmachen, so viel ich will. Aber ich möchte nicht daran beteiligt sein, daß ich einem anderen einen Schaden zufüge. Wir werden auf dem Lebensmittelmarkt im weitesten Sinne des Wortes in bezug auf unsere Erwartungen ganz erheblich enttäuscht und getäuscht. Vielleicht kennen Sie die sehr schöne Novelle von Fontane mit dem Titel „Irrungen und Wirrungen". Da sagt die Frau zu ihrem Manne, dem Gärtner, beim Spargelverkauf, er solle doch nicht immer nur die schönen dicken weißen Spargel nach außen tun und den „Murks" nach innen hineinstecken. So ist es bei sehr vielen Lebensmitteln; außen sieht es täuschend wundervoll aus, und innen befindet sich eben doch ein gewisser Murks. ({4}) - Das überlassen Sie vielleicht mir. Es reicht bei mir noch, um das zu beurteilen. - Wenn wir z. B. gefärbtes Obst, gefärbte Konserven, gefärbte Säfte bekommen, dann sind zweifellos unter den Färbemitteln sehr viele völlig unschädliche Mittel. Aber wer garantiert dafür, daß nicht morgen etwas hineinkommt, was noch schöner und dauerhafter färbt, was aber in höchstem Grade zu beanstanden ist? Wir wollen wissen, was wir kaufen, ({5}) wir wollen wissen, wofür wir unser Geld ausgeben, weiter gar nichts, und das wollen wir wissen im Interesse der gesamten Bevölkerung. Max Weber, der ja Ihnen allen bekannt ist, hat einmal ein sehr interessantes Buch mit dem Titel „Politik als Beruf" geschrieben. Ich möchte nicht hoffen, daß man es eines Tages nötig hat oder es erlebt, daß eine Broschüre geschrieben wird: „Politik als Geschäft", oder gar: „Lebensmittelpolitik als Geschäft". ({6})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Herr Staatsskretär des Bundesinnenministeriums.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nicht unhöflich erscheinen. Ich nahm an, daß Frau Abgeordnete Lüders vorhin auf eine Auskunft seitens des zuständigen Ressorts Wert lege, und wollte da nicht eingreifen. Inzwischen habe ich mich darüber unterrichtet, daß sich zur Zeit das Futtermittelgesetz in Überarbeitung befindet. Im übrigen ist mir ein Schreiben vorgelegt worden, das der Herr Ernährungsminister am 3. Juli 1958 - es ist also ein ganz neues Schreiben - an den Vorsitzenden des Ausschusses für Gesundheitswesen, Herrn Dr. Stammberger, gerichtet hat. In diesem Schreiben hat er dahin Stellung genommen, daß nach den bisherigen Untersuchungen die Verfütterung von Stoffen mit oestrogener Wirkung in kleinsten Mengen in Verbindung mit anderen Futtermitteln keinen Einfluß auf die Menschen zu haben scheine und daß es unter Berücksichtigung dieser Tatsache nicht vertretbar erscheine, bereits vor Abschluß der laufenden Untersuchungen durch das Lebensmittelgesetz die Verfütterung von Stoffen mit oestrogener Wirkung grundsätzlich zu verbieten, zumal da dies nötigenfalls durch die Futtermittelgesetzgebung erfolgen müßte. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Elbrächter.

Dr. Alexander Elbrächter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000461, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Darf ich an die letzten Bemerkungen der sehr verehrten Frau Alterspräsidentin anknüpfen. Meine Legitimation, zu diesem Problem zu sprechen, leite ich allerdings davon ab, daß ich mehr als 25 Jahre in der Lebensmittelwirtschaft tätig gewesen bin und daher glaube, die Dinge von der Sache her beurteilen zu können, aber auch ebenso leidenschaftslos. Es komme mir also niemand hier mit dem Vorwurf eines Interessentenstandpunktes. Er ist schon deswegen gegenstandslos - ich erkläre das von vornherein, da ja auch meine sehr verehrte Koalitionskollegin Frau Kalinke mich darauf angesprochen hat -, weil die Branche, in der ich tätig war, den Kennzeichnungszwang hat. Ich bin also persönlich völlig uninteressiert daran, welche Regelung gewählt wird. Mir liegt aber daran, doch noch einmal dem Hause klarzumachen, worum es eigentlich geht. Was hier gesprochen wurde, war sehr stark von Emotionen getragen. ({0}) Das ist das gute Recht, namentlich wenn man sich nicht unbedingt beruflich zu den Sachkennern zählen kann; es ist das gute Recht, mit Emotionen zu arbeiten und auch Emotionen zu erliegen. Wir wollen aber doch versuchen, noch einmal das Kernproblem herauszuarbeiten. Es handelt sich hier nicht um die Alternative: Wirtschaftsfragen oder Gesundheitspolitik. Wir alle bekennen uns zu dem Vorrang der Gesundheit. Es geht hier einfach um eine verschiedene Gesetzestechnik. Die Regierung will eine Kann-Vorschrift und will es in ihr Ermessen gestellt wissen, wann und wie deklariert werden muß. Der Bundesrat - Frau Kollegin Strobel hat mit Recht darauf hingewiesen, daß hier als Alternative zur Regierungsfassung im Prinzip die Bundesratsfassung steht - sagt: „Wir wollen eine Kennzeichnungspflicht. Aber wir wissen, daß wir diese totale Kennzeichnungspflicht nicht durchführen können, und daher müssen wir der Regierung das Recht zuerkennen, Ausnahmen zu gestatten." Frau Kollegin Strobel, ich hoffe, daß wir uns einig sind. Sie haben die Sachverständigen Professor Druckrey und Marquardt, die Mediziner bzw. Physiologen sind, hier zitiert. Es ist richtig, daß Professor Druckrey sich dem Sinne nach so geäußert hat; das wird gar nicht bestritten. Aber die Sachverständigen der Überwachung, die doch nun wirklich tagtäglich mit diesen Fragen zu tun haben - denn wir kennen ja eine Deklarationspflicht schon durch die Kennzeichnungsverordnung -, haben sich ganz anders geäußert. Diese haben gesagt, bei dieser Gesetzeskonstruktion, die keine Freiliste kennt, also eine Abgrenzungsverordnung, wo einfach - ich bezeichne es als einen gesetzestechnischen Trick - gewisse Fremdstoffe, die physiologisch Fremdstoffe sind, gesetzestechnisch aber nicht als Fremdstoffe behandelt werden - das ist die Konstruktion der Fassung in der 2. Legislaturperiode; diese Fassung haben wir abgelehnt -, wenn eine solche Fremdliste nicht da ist und ein Ausweichen auf diese Abgrenzungsliste nicht da ist, muß man der Regierung die Möglichkeit geben, von Fall zu Fall zu entscheiden, ob und wie deklariert wird. ({1}) Es spielt der Sache nach - das bitte ich doch sehr zu beachten - gar keine Rolle, ob ich von einer Kann-Vorschrift ausgehe und die Regierung von sich aus nach pflichtgemäßem Ermessen - ich betone das: nach pflichtgemäßem Ermessen - entscheiden muß, wann sie die Deklaration vorschreiben muß und wann nicht, oder ob ich von der Bundesratsfassung, einer Muß-Vorschrift ausgehe und dann den Weg der Ausnahmen gehe. Nun werden die Anhänger der Muß-Vorschrift sofort sagen: „Aber dann können wir es doch bei dem belassen, was der Ausschuß beschlossen hat." Wenn ich mich hier überhaupt noch einmal zum Wort gemeldet habe, so deshalb, um Verständnis zu wecken für die Bedenken der Regierung gegenüber einer MußVorschrift. Das ist nicht etwa - wie es in der Presse schon wieder dargestellt worden ist - eine Aufweichung - das Wort ist bereits gefallen - der strengen Deklarationspflicht, sondern die Regierung sagt sich sehr richtig: Ausnahmen sind laut Ausschußfassung an bestimmte Bedingungen geknüpft. Frau Kollegin Strobel, wir haben gar nichts gegen die Tendenz dieser Ausnahmebedingungen. Aber sie führen zu einer praktischen Konsequenz. Es ist nämlich, Herr Stammberger, nicht richtig, was Sie gesagt haben - wir haben uns gerade gestern in unserer Fraktion eingehend darüber belehren lassen müssen, das war der springende Punkt - daß man Ausnahmen gestatten kann hinsichtlich der Art des Vertriebs oder der Abgabe von Ware. ({2}) Früher war das möglich; man konnte abgepackte Ware kennzeichnungspflichtig machen, man konnte lose Ware in veränderter Form kennzeichnungspflichtig machen. Bei Abgabe im Gastwirtsgewerbe war eine solche Kennzeichnung meistens nicht gegeben, mit Ausnahme der Angabe der Verwendung von Margarine usw. Also wie gesagt, wenn eine solche Ausnahme nicht mehr möglich ist, kann die Regierung sie natürlich auch nicht mehr gestatten. Sie kommt also zu dieser praktischen Konsequenz, die Kollege Unertl in seiner bajuwarischen Weise hier lebhaft geschildert hat. Das ist sicher zweifelsfrei. Aber ein weiteres Handicap für die Regierung, wenn sie die Ausnahmefassung vor sich liegen hat und zu praktizieren hat! Dann werden nämlich die Ausnahmen verwaltungsgerichtlich nachprüfbar. Es gibt nämlich so etwas wie einen Artikel 3 des Grundgesetzes, wonach alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind. Nun könnte ein Hersteller oder Händler oder Gastwirt auf die Idee kommen: „Warum wird dem eine Ausnahme gestattet, warum nicht mir?" Die Regierung befürchtet also eine Flut von Verwaltungsstreitverfahren. Dieser Gefahr sieht sie sich nicht gegenüber, wenn es bei der Regierungsfassung bleibt. Das ist der praktische Grund. Es gibt natürlich einen psychologischen Grund -das will ich ganz offen bekennen -, der uns von der CDU-Fraktion bewogen hat, die Regierungsfassung wiederherstellen zu lassen. Eine Regierung wird bei einem Gegenstand, der so im Brennpunkt der öffentlichen Meinung steht, natürlich immer angegriffen, attackiert werden von den Puristen, von den Gesundheitsfanatikern. Die gibt es; die wollen wir auch leben lassen. Das sollen sie machen, wie sie wollen. Aber sie können praktisch in dieser Frage kaum mitreden. ({3}) - Ich komme gleich darauf zurück. Jede Ausnahmeregelung, selbst wenn sie noch so vernünftig ist - ich werde gleich einige Beispiele geben -, wird als ein Durchbruch, eine Erweichung des Verbotsprinzips, des Kennzeichnungsmuß ausgelegt. Ich darf nur an die etwas merkwürdige Karikatur auch eines Herrn Professor in der FAZ erinnern, wo der Regierung bzw. dem Referenten dieser Vorwurf bereits gemacht wurde. Ich bin aber davon überzeugt, daß derselbe Professor das Lebensmittelgesetz nie gelesen hat, geschweige denn, daß er etwas davon versteht. So geht das nicht, und vor diesen unberechtigten Angriffen möchten wir die Regierung bewahren. ({4}) Ich glaube, daß das ein verständliches und legitimes Anliegen der größten Fraktion der Regierungskoalition ist. Im übrigen muß ich noch etwas korrigieren. Es ist nicht so, wie es z. B. Herr Kollege Bausch dargestellt hat, daß die USA den Kennzeichnungszwang kennen. Die USA haben einen totalen Kennzeichnungszwang für Konservierungsmittel und Farbstoffe. Ich bin überzeugt, daß auch wir entsprechend der bisherigen Praxis - da haben wir es nämlich schon - zu der gleichen Haltung gegenüber diesen Stoffgruppen kommen. Ohne jede Diskussion wird das so kommen. Die Schweiz nimmt einen ganz anderen Standpunkt ein, einen Standpunkt, der sehr logisch und konsequent ist, den wir aber in Deutschland nie geteilt haben. Wir haben immer ein Kompromiß gemacht. Die Schweiz sagt nämlich: Die Frage des Gesundheitsschutzes wird bei der Zulassung des fremden Stoffes entschieden; wenn dieser Stoff, geprüft durch Wissenschaftler, wissenschaftliche Gremien, zugelassen ist, können wir die Verantwortung dafür - ich zitiere jetzt nur den Schweizer Standpunkt - nicht den Konsumenten auflasten. ({5}) Das ist der ganz konsequente Schweizer Standpunkt. Die Schweiz kennt also praktisch überhaupt keine Deklarationspflicht. Von 18 Staaten, deren Verhältnisse auf diesem Gebiet ich habe untersuchen können, gibt es nur in der Türkei eine totale Deklarationspflicht. Das nur mal zur Aufklärung und zur Versachlichung der Debatte! Nun gibt es natürlich zwei Argumente, die für die Kennzeichnungspflicht sprechen und mit denen wir uns hier auseinanderzusetzen haben. Sie sind zwar schon erwähnt worden; aber ich will es noch einmal versuchen, um den ganzen Fragenbereich doch noch einmal von mir aus abschließend zu behandeln. Das eine Argument ist der Standpunkt des Konsumenten: Ich will wissen, was ich esse. - Frau Präsidentin Lüders hat das sehr gut gesagt. - Das ist eine Glaubensfrage, keine rationale Frage, und dagegen kann man nicht viel argumentieren. ({6}) Das müssen wir hinnehmen, und wer dieser Meinung ist, - in Gottes Namen, den versuche ich auch nicht zu überzeugen. Wenn aber die Kennzeichnungspflicht mit einer Forderung der Ärzte wegen Auftretens von Allergien begründet wird, so habe ich, obwohl ich nicht Mediziner bin, sehr starke Bedenken. Immerhin habe ich mich aus konkretem Anlaß leider mit Allergien befassen müssen, und ich weiß so viel, daß die die Allergie auslösenden Stoffe in erster Linie Naturstoffe sind. Ich erinnere an den Genuß von Erdbeeren, das klassische Beispiel. Ich darf weiter daran erinnern, daß manche Menschen so empfindlich sind, daß allergische Erscheinungen auftreten, wenn sie sich in einer Entfernung von zwei Metern von gewissen Pflanzen - Blumen, Primeln - aufhalten. Ich kenne einen konkreten Fall. Selbstverständlich glauben wir, daß bestimmte Stoffgruppen-Chemikalien vielleicht auch allergische Reaktionen bei manchen Menschen auslösen werden. Wo dort eine Gesetzmäßigkeit erkannt werden kann - leider kennen wir sie noch nicht -, würde das selbstverständlich ein Anlaß sein, solche Stoffgruppen von der Verwendung auszuschließen. Also auch wieder: bei der Zulassung muß die Frage des Gesundheitsschutzes geprüft werden. Die Kennzeichnung schützt den Konsumenten, der anfällig ist, gegen Allergien nicht, und der Arzt kann im Grunde genommen auch nicht allzuviel damit anfangen; denn die Empfindlichkeit dieser Personenkreise ist so groß, daß selbst ganz geringe Mengen dieser Stoffe, Millionstel Gramm Reststoffe von bestimmten Fremdstoffen zu allergischen Erscheinungen führen können. Also wer weiß, wie eine allergische Krankheit behandelt werden muß, der weiß auch, daß man solch einen armen Menschen praktisch in einen luftleeren Raum setzen und ihm Stoff für Stoff zuführen müßte, um zu wissen, worauf dieser arme Patient reagiert. Ich muß das mal, auch als Nichtmediziner, in aller. Ausführlichkeit sagen, damit Sie begreifen, warum uns dieses Argument der Ärzte nicht durchgreifend erscheint. Nichts gegen die ärztliche Wissenschaft! Nun will ich Beispiele geben, warum wir Ausnahmen machen müssen. Wasser ist ein typischer Fall. Aus hygienischen Gründen muß leider Wasser heute noch chloriert oder mit Ozon oder mit Phosphaten behandelt werden. Täten wir das nicht bei unseren Wasserverhältnissen in der Bundesrepublik, übrigens in der ganzen industrialisierten Welt, würden wir eine schwere Seuchengefahr heraufrufen. Nun frage ich Sie: wollen Sie wirklich eine Kennzeichnung beim Wasser durchführen? Wie wollen Sie es machen? An jeden Wasserhahn ein Schild zu hängen, das ist doch unmöglich. Ein zweiter Fall, ein Beispiel, das, wenn ich nicht irre, die Herren Professor Werner und Niemeyer gegeben haben. Manchmal kann eine Kennzeichnung auch zur Irreführung des Konsumenten führen. Beispiel: Eigelb muß gesetzlich mit Benzoesäure konserviert werden wegen der Salmonellagefahr, Typhuserkrankungen usw. Wenn ein Gebäck vom Konditor mit Benzoesäure hergestellt wird, wäre es doch witzlos, den geringen Benzoesäuregehalt, der aus dem Vorprodukt stammt, kennzeichnen zu wollen. Das würde nämlich bei den Hausfrauen, die einigermaßen Vorstellungen haben, den Irrtum erwecken können, als wenn dieses Gebäck besonders haltbar wäre. Es ist ja Benzoesäure drin. Das ist eine völlig falsche Vorstellung; die Mengen sind viel zu gering. Also in einem solchen Fall kann man einfach nicht kennzeichnen; da muß die Regierung die Möglichkeit haben, nach der jetzigen Fassung, die besser ist, Ausnahmen zu machen. Wir würden die Regierungsfassung herstellen. Ein drittes Beispiel. Nehmen Sie es mir nicht übel, daß ich Ihre Zeit noch einmal so ausführlich in Anspruch nehme, aber es muß gesagt werden, damit wir zu sachlichen Entscheidungen kommen. Gerade Sie - Sie haben heute die Mehrheit hier - haben die Kennzeichnung auch bei Strahlenbehandlung beschlossen. Das führt wiederum zu einer Reihe von Ausnahmen. Beispiel: bei der Fischfiletfabrikation ist es in modernen Betrieben üblich geworden, aus hygienischen Gründen, um die Keimzahl der Luft und damit die Infektions- und Verderbnisgefahr des Fischerzeugnisses so gering wie möglich zu halten, die Räume mit ultravioletten Strahlen zu behandeln. Selbstverständlich dringen diese Strahlen auch auf das Fischfilet. Es wäre aber wahnwitzig - entschuldigen Sie den drastischen Ausdruck -, das kennzeichnen zu wollen oder das gar zu fordern. Darüber sind wir uns, glaube ich, auch einig. Wir zwingen also - und das ist die Konsequenz der ganzen Sache - aus der Sache heraus die Regierung zu einer Reihe von Ausnahmeverordnungen, die eben einen völlig falschen Eindruck in der Öffentlichkeit erwecken. Ich hoffe, daß das klargezogen ist, und ich möchte doch bitten, daß wir wirklich zu einer sachlichen Entscheidung kommen und die Unterstellungen, daß hier etwa Sonderinteressen eine Rolle spielten, beiseite zu lassen. Darum geht es tatsächlich nicht. Ich fühle mich berechtigt, das mit aller Deutlichkeit zu sagen. Meine Freunde sind nun in einer etwas schwierigen Lage hinsichtlich der Abstimmung. Ich kann mich in einer Geschäftsordnungsdebatte nicht mit dem Herrn Präsidenten messen, weil ich viel zu wenig Ahnung davon habe. Es ist entschieden worden, daß zuerst über den Antrag der FDP abgestimmt wird. Meine Freunde sind der Sache nach mit der FDP einer Meinung für den Fall, daß es bei der jetzigen Ausschußfassung bleibt. Wenn wir dennoch jetzt gegen diesen Antrag stimmen, so nicht der Sache wegen, sondern einfach der Reihenfolge der Abstimmungen wegen, weil wir sonst nicht mehr zu den Abstimmungen kommen würden, wenn ich die Geschäftsordnung, Herr Präsident, richtig interpretiere, über unseren Änderungsantrag auf Wiederherstellung der Regierungsvorlage. Sie werden unseren begreiflichen Wunsch verstehen, daß dieser Antrag noch zur Abstimmung kommt. Nur deswegen, Herr Stammberger - das haben Sie eingesehen - müssen wir jetzt in dieser Sache gegen Ihre Vorlage stimmen, obwohl wir, wenn die Ausschußfassung bestehenbliebe, in der Sache mit Ihnen einer Meinung sind. Ich hoffe, daß diese Ausführungen immerhin die ganze Diskussion vom Emotionellen wieder auf das rein Sachliche zurückgeführt haben. ({7})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Abgeordneter Dr. Elbrächter, der Präsident ist nicht durch eine präzise Vorschrift der Geschäftsordnung gezwungen, immer den weitestgehenden Antrag zuerst zu nehmen. Aber es ist feststehender Brauch, so zu verfahren, und ohne Not soll ein Präsident nicht von einem feststehenden Brauch des Hauses abweichen. Nun, nach welchem Gesichtspunkt soll man entscheiden, was weitergehend ist? Hier muß ein einleuchtendes, klares Argument den Ausschlag geben, und dieses einleuchtende, klare Argument ist für einen Laienverstand wie den meinen in dieser Sache folgendes: daß eine Kann-Vorschrift niemals so weit geht wie eine Muß-Vorschrift. Die Muß-Vorschrift nimmt den Gesetzgeber in einem sehr viel strengeren und weitergehenden Maße in Anspruch als die Kann-Vorschrift. Ist das klar, meine Damen und Herren? ({0}) Deshalb muß ich entscheiden, auch wenn es vielleicht anders herum praktischer wäre: Erst kommt der FDP-Antrag, zu dem mir übrigens noch ein Änderungsantrag der SPD angekündigt ist. Wenn dieser Änderungsantrag eingebracht ist - er kommt gleich nachher -, dann wird erst über diesen Änderungsantrag der SPD zum Änderungsantrag der FDP abgestimmt, und dann läuft die Maschine ganz wie vorgesehen. Jetzt hat das Wort der Herr Abgeordnete Bauer ({1}).

Josef Bauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000107, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich Ihnen, Frau Kalinke, eine Erklärung abgeben. Als Sie vorhin sprachen, hat sich bei einem Teile meiner Freunde eine große Unruhe gezeigt, und Sie Bauer ({0}) waren darüber etwas böse. Ich will Ihnen sagen, warum wir unruhig geworden sind. Wir sind unruhig geworden, weil Sie uns die Analyse dieses Speisezettels vorgelesen haben, und wir haben uns die Frage vorgelegt: Was werden wir unter diesen Umständen heute abend wohl essen können? ({1}) - Allerdings, ausgezeichnet! Hier sind wir wieder einmal einig. Ein Zweites! Sehr verehrte Frau Alterspräsidentin, ich wage Ihnen kaum zu widersprechen, aber ich will trotzdem den Versuch unternehmen. Sie haben die Frage aufgeworfen, ob es denn jemanden gebe, der Angst vor dieser klaren Kennzeichnungspflicht habe. Aus einem Teil dieser Debatte könnte man durchaus den Eindruck bekommen haben, verehrte Frau Alterspräsidentin, es könne niemanden geben, der Angst habe; denn nach unseren Wünschen sollen ja zunächst generell alle Stoffe verboten werden, und nur nach einer Erlaubnisliste dürfen dann bestimmte Dinge wieder gestattet werden. Wer soll also Angst davor haben? Der einzelne Fabrikant bekommt ja von uns bzw. von der Regierung auf Grund dieses Gesetzes die Erlaubnis, bestimmte Dinge beigeben zu können. Wovor soll er sich dann eigentlich fürchten? Sehr verehrte Frau Alterspräsidentin, trotz der ausgezeichneten Ausführungen des Kollegen Elbrächter, durch die sich viele meiner Einwände erübrigen, will ich doch noch einmal den Versuch unternehmen zu sagen, worauf es bei dieser Geschichte ankommt. Aber zuvor noch ein Wort an Sie, Frau Kollegin Kalinke! Sie haben hier ein sehr hartes Wort ausgesprochen. Sie haben davon gesprochen, daß es um das Recht auf Gesundheit gehe. Diese Fragestellung enthält doch wieder einmal ganz zwangsläufig die Gegenfrage, ob etwa die Antragsteller des Antrags, den ich hier vertrete, irgend jemandem in unserer deutschen Bevölkerung dieses Recht versagen wollten. Das ist doch nicht die Fragestellung! Ich habe mich überhaupt deshalb zu Wort gemeldet, weil ich den Eindruck hatte, daß ein großer Teil dieser Debatte falsch gelaufen ist. Hier kam folgende Fragestellung heraus: Bist du für oder gegen die Kennzeichnungspflicht? Diese Alternative aber ist einfach falsch; denn die Kennzeichnungspflicht soll ja in keinem Falle abgeschafft werden. Herr Kollege Elbrächter hat sich bemüht, das noch einmal in aller Deutlichkeit herauszustellen. Ich möchte hinzufügen, daß wir unserer Bevölkerung den größeren Gefallen erweisen, wenn wir den Weg der Regierungsvorlage gehen und grundsätzlich sagen: Wir wollen zunächst alle Fremdstoffe verbieten, dann in der Einzelregelung einzelne Fremdstoffe herausnehmen und gleichzeitig die Regierung veranlassen, die Art und Weise der Kennzeichnung dieser Fremdstoffe zu regeln. Es ist einfach psychologisch falsch - ich unterstreiche das, was Herr Kollege Elbrächter gesagt hat -, zunächst bei der Bevölkerung den Eindruck zu erwecken, als ob alles verboten sei, und dann Stück für Stück dieses sogenannte Verbot wieder aufzuweichen. Dann muß in der Bevölkerung der falsche Eindruck entstehen, daß wir im ersten Augenblick nur etwas vormachen wollten und uns von vornherein genau bewußt war, daß wir das nicht durchhalten können. Ich bin der Meinung, daß der umgekehrte Weg, nämlich diese Kennzeichnungspflicht Stück für Stück zu erarbeiten und von Fall zu Fall einführen, von der Bevölkerung am besten verstanden werden wird. Sie bekommt damit im Laufe der Entwicklung dieses Gesetzes den Eindruck, daß die Regierung bemüht ist, mehr und mehr den berechtigten Wünschen der Verbraucher Rechnung zu tragen. Es besteht auch gar kein Zweifel, daß auf beiden Wegen dasselbe erreicht wird. Das materielle Recht wird doch in keinem Fall geschmälert, sondern es geht einfach um die Frage, ob diejenigen Kollegen recht haben, die erklärt haben, das Gesetz in der Fassung der Ausschußvorlage sei kaum praktikabel - dafür sind eine Reihe von, wie ich glaube, berechtigten Gründen angeführt worden -, oder ob jene Kollegen recht haben, die sagen: Nein, totale Kennzeichnungspflicht und dann Ausnahmen davon. Meine Damen und Herren, wir beschreiten mit dieser Kennzeichnungspflicht - auch das hat Herr Kollege Elbrächter gesagt - ein Neuland. Wir begeben uns mit diesem Gesetz wiederum auf ein neues Gebiet, und ich glaube, daß wir gut daran tun, nicht von vornherein Verbote aufzustellen, die wir hinterher nicht durchhalten können. Es ist doch ein alter Grundsatz, daß jene Gesetze die schlechtesten sind, die erlassen und verkündet werden und die sich dann hinterher in der Durchführung als unmöglich erweisen. Ich meine, wir sollten den umgekehrten Weg gehen. Meine Freunde und ich haben das Vertrauen zur Bundesregierung und sogar zur Ministerialbürokratie, das Sie, Frau Kollegin Strobel, heute ein bißchen angeknabbert haben. Ich hoffe, daß ich mit diesem kleinen Beitrag noch einmal im wesentlichen das unterstrichen habe, was der Kollege Elbrächter gesagt hat, und daß sich unsere Auffassungen allmählich näher kommen. Aber noch eins zum Schluß: Die Frage, wer für das deutsche Volk und seine Gesundheit mehr oder weniger tun will, darf hier überhaupt nicht gestellt werden, sondern wir sollten uns sachlich darüber unterhalten, welcher Weg der beste ist. Im Ziel sollten wir uns einig sein. Das gilt auch für viele andere Fragen. ({2})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat Frau Abgeordnete Keilhack.

Irma Keilhack (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001076, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Meine Herren und Damen! Ich will die Diskussion nicht verlängern, weil die Standpunkte für und wider deutlich zum Ausdruck gebracht worden sind. Ich möchte den Änderungsantrag der SPD auf Drucksache 172 begründen, weil es für jemanden, der am Gesetz nicht mitgearbeitet hat, außerordentlich schwer ist, aus den Bruchteilen von Gesetzestexten zu ersehen, was gemeint ist. Auf Umdruck 172 haben wir unter Ziffer 2 beantragt, in § 5 a Abs. 3 hinter den Worten „Verwendung der fremden Stoffe" die Worte einzufügen: „oder das Vorhandensein von Resten der in Abs. 1 Nr. 2 a und 4 bezeichneten Stoffe". Die hier im Gesetz festgelegte Deklarierungspflicht - die auch nach unserer Meinung, nicht nur nach der Ansicht von Herrn Bauer, Herrn Mensing und Herrn Unertl, durchführbar sein muß - bedarf in bestimmten Fällen der Ausnahmen. Diese Ausnahmen sind in der Nr. 3 des genannten § 5 a festgelegt. Sie umfassen aber - und das ist ein Mangel an Vollständigkeit des Gesetzestextes - nur die „fremden Stoffe". Sie umfassen nicht die noch an Lebensmitteln vorhandenen Restbestände von Schädlingsbekämpfungsmitteln und Hilfsstoffen. Wenn das nicht hineinkommt, gibt es bei der Realisierung der Kennzeichnungspflicht sicher Schwierigkeiten. Damit es diese Schwierigkeiten nicht gibt, d. h. damit der Verordnungsgeber, die Bundesregierung, die Ausnahmen von der Deklarierungspflicht nicht allein auf „fremde Stoffe" zu beschränken braucht, sondern auch auf die Restbestände z. B. an Schädlingsbekämpfungsmitteln und technischen Hilfsstoffen erstrecken kann, haben wir den vorliegenden Antrag gestellt. Dadurch wird am Sinn der Gesetzesbestimmung nichts geändert. Der I Antrag dient lediglich der Praktikabilität des Gesetzes. Deshalb sollte er von Ihnen angenommen werden. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Meine Damen und Herren, ich kann den Antrag jetzt nicht so schnell vervielfältigen und verteilen lassen. Ich habe richtig verstanden, Frau Abgeordnete Keilhack: auf dem Antrag auf Umdruck 169 Ziffer 2 a soll in der zweiten Zeile nach dem Wort „Stoffen" eingefügt werden „oder an Resten der in Absatz 1 Nr. 2 a und 4 bezeichneten Stoffe". Das wäre die erste Änderung. Außerdem soll dann der dritte Satz des § 5 a Abs. 2 in der Fassung des Änderungsantrags der Fraktion der FDP auf Umdruck 169 Ziffer 2 a gestrichen werden. ({0}) - Die Ausschußfassung würde bestehenbleiben. Auf jeden Fall wäre damit aber Ihr Antrag auf Umdruck 172 Ziffer 2 a erledigt. ({1}) Nun hat das Wort Herr Abgeordneter Dr. Stammberger.

Dr. Wolfgang Stammberger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002215, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin durchaus der gleichen Meinung wie Herr Kollege Bauer ({0}), daß wir uns in dem Bestreben, eine gute Lösung zu finden, einig sind. Ich bin auch durchaus der Meinung von Herrn Kollegen Unertl, daß wir von jeder Verächtlichmachung Abstand nehmen sollten. Nur, Herr Kollege Unertl, was soll dann Ihre Bemerkung, dies sei ein Gesetz zur Aufbesserung unterentwickelter Anwaltsbüros? ({1}) Daß Sie mich nicht gemeint haben, weiß ich. Denn ich habe mir bei der Behandlung dieses Gesetzes nun wirklich nicht den Ruhm verdient, ein warmherziger Befürworter von Lebensmittelsündern zu sein. D i e Chance habe ich mir eh verdorben. Aber, Herr Kollege Unertl, wenn ich vorhin vielleicht etwas scharf mit Ihnen ins Gericht gegangen bin, dann deswegen, weil Sie eben dem Ausschuß in corpore eine unüberlegte Handlungsweise unterstellt haben. Sie haben von Haarspalterei, von Zufallsabstimmungen, von übereilten und unüberlegten Beschlüssen gesprochen. Ich muß sagen, ich lobe mir den Herrn Kollegen Horn, der, obwohl er eine andere Auffassung als ich vertritt, letzten Endes doch alle Mitglieder dieses Ausschusses, auch die Mitglieder Ihrer Fraktion, für ihre Arbeit in Schutz genommen hat. Herr Kollege Mensing, ich glaube, Ihre Verteidigungsrede für die Metzger war an dieser Stelle nicht notwendig; denn der Ausschuß hat bewiesen, daß er weit davon entfernt ist, wegen einiger Sünder, die es nun einmal leider überall gibt, einen ganzen Berufsstand zu diffamieren. Sie werden vielleicht noch wissen, Herr Kollege Mensing, daß der Bundesrat zunächst einmal vorgeschlagen hatte - und die Bundesregierung hat dem zugestimmt - daß bei allen in der Lebensmittelwirtschaft tätigen Personen ohne Rücksicht auf den Verdacht des Vorliegens einer strafbaren Handlung grundsätzlich nicht nur die Geschäftsräume, sondern auch alle Wohnräume ohne weiteres kontrolliert werden sollten. Meine Damen und Herren, wie Sie wissen, hat sich der Ausschuß einmütig gegen diesen Vorschlag gestellt und ihn als viel zu weitgehend abgelehnt. Der Herr Kollege Unertl hat die Frage der Überwachung angeschnitten und gesagt: Das Gesetz taugt nichts, weil die Überwachung nichts taugt. Herr Kollege Unertl, ich glaube, Sie tun der Überwachung, die im übrigen ja ,gar nicht Sache des Bundes, sondern Ländersache ist, unrecht. Wenn die Über wachurig nichts taugt, dann in erster Linie deshalb nicht, weil zu wenig Geld da ist. Es ist sehr erfreulich, daß man bei den diesjährigen Etatberatungen in den Ländern und in den Gemeinden, die ja teilweise auch dafür zuständig sind, dieser Notwendigkeit, größere Mittel bereitzustellen, Rechnung getragen hat. Nun, Herr Kollege Bauer, noch etwas zu Ihren Ausführungen. Sie haben gesagt, man solle der Kennzeichnungspflicht deshalb nicht zustimmen, weil man sie letzten Endes doch wieder durchlöchern würde. Herr Kollege Bauer, aus demselben Grunde müßten Sie dann auch das Verbotsprinzip ablehnen. Denn hier sagen wir ja zunächst auch: wir verbieten die Behandlung mit Strahlen, wir I verbieten den Zusatz von Fremdstoffen, es sei denn, daß durch die Verordnungen unter bestimmten Voraussetzungen Ausnahmen hierfür genehmigt werden. Herr Kollege Dittrich, Sie haben letzten Endes recht. Ich will Ihnen einmal ganz offen sagen: man kann theoretisch mit beiden Lösungen das gleiche erreichen. Man kann durch eine Lockerung des Kennzeichnungszwanges im Verordnungswege dasselbe erreichen wie durch eine Einführung von Verpflichtungen durch eine Kann-Vorschrift. Aber, Herr Kollege, auf den Ausgangspunkt kommt es an. Denn wir wollen uns doch einmal über eines klar sein. Wenn dieses Gesetz verabschiedet ist ({2}) - jawohl, Herr Kollege, in dieser Hinsicht bin ich mit Ihnen einer Meinung -, dann setzt das große Rennen ein. Sie wissen, was ich meine. Der Herr Kollege Elbrächter war noch drastischer und hat sogar von Attacken auf die Regierung gesprochen, die zu erwarten seien. Ich muß sagen, bei dieser Diskussion heute wetteifern Koalition und Opposition geradezu, die Regierung vor solchen Attacken in Schutz zu nehmen. Wir wollen uns einmal darüber klar sein - und darauf kommt es letzten Endes an -, daß es bei den Verordnungen einen großen Unterschied machen wird, ob ich die Kennzeichnungspflicht bei der Kann-Bestimmung dadurch verhindern kann, daß ich die Verordnung ganz einfach verhindere, oder aber ob ich mich durch die Muß-Vorschrift in einer Ausnahme-Verordnung ganz offen zur Freiheit von der Kennzeichnungspflicht bekennen muß. ({3}) Das ist ein wesentlicher psychologischer Unterschied. Ich glaube, Herr Kollege Elbrächter, daß wir gerade dadurch die Regierung vor Attacken in Schutz nehmen können, daß wir an der vom Ausschuß beschlossenen Fassung festhalten. ({4})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Keine weiteren Wortmeldungen. Wir kommen zur Abstimmung. Wir stimmen erstens über den Änderungsantrag der SPD zum Änderungsantrag der FDP Umdruck 169 Ziffer 2 Buchstabe a ab. Wer diesem Änderungsantrag der sozialdemokratischen Fraktion zu dem Änderungsantrag der FDP Umdruck 169 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; der Änderungsantrag der SPD zum Änderungsantrag der FDP ist abgelehnt. Wir kommen nun zur Abstimmung über den Änderungsantrag der FDP Umdruck 169 Ziffer 2 Buchstabe a. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Das ist die große Mehrheit. Wir sind uns darüber im klaren, daß damit der Änderungsantrag der CDU/CSU Umdruck 173 Ziffer 2 erledigt ist. Jetzt kommt Absatz 3. In diesem Fall halten Sie Ihren ursprünglichen Änderungsantrag aufrecht? - Lassen Sie ihn fallen? - Der Änderungsantrag Umdruck 172 Ziffer 2 a ist erledigt; er ist zurückgezogen. Zu Absatz 3 liegt damit kein Änderungsantrag mehr vor. Ich rufe auf den Änderungsantrag der Abgeordneten Höcherl, Unertl, Bauer ({0}) und Genossen Umdruck 174 zu Nr. 10. Wird der Änderungsantrag begründet? - Das Wort hat der Abgeordnete Höcherl.

Hermann Höcherl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000912, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bevor ich zur Begründung komme, bitte ich, mir eine kurze Bemerkung zu erlauben. Herr Kollege Unertl hat vorhin einige Erklärungen zu dem Gesetz über die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, zum Ladenschlußgesetz und zu anderen Gesetzen abgegeben. Das waren persönliche Erklärungen. Im Namen der CDU/CSU-Fraktion darf ich sagen, daß wir nach wie vor zu diesen Gesetzen und zu der Verantwortung für diese Gesetze stehen, ({0}) wie wir es überhaupt so zu halten pflegen, daß wir unsere Verantwortung in vollem Umfang auf uns nehmen. Mit diesen Gesetzen wurde einer ganzen Reihe von großen Bedürfnissen in weiten Bereichen der Öffentlichkeit Rechnung getragen. Ich glaube, wir haben uns mit den Leistungen aus diesen Gesetzen den Dank der Bevölkerungsteile verdient, die davon den Nutzen haben. ({1}) Selbstverständlich kann man über die Wege und die Methoden bei solchen Dingen ganz verschiedener Meinung sein. Wir sind auch nicht der Auffassung, daß man nicht von Zeit zu Zeit überprüfen sollte, ob sich die eine oder andere Methode bewährt hat, und aus den Erfahrungen der Praxis lernen sollte. Nun kurz eine Begründung zu dem Änderungsantrag Umdruck 174. Wir haben damit einen Änderungsantrag des Bundesrats wieder aufgenommen und übernehmen auch die Begründung des Bundesrats. Der Bundesrat ist der Meinung, daß die Tatbestände, die in diesem Antrag aufgeführt sind, keine kriminellen Tatbestände sind, sondern daß es sich um Ordnungswidrigkeiten und um Verwaltungsunrecht handelt. Nun hat die Mehrheit des Ausschusses in den Strafbestimmungen sehr harte Strafen, und zwar durchweg kriminelle Strafen, auch für diese leichten, geringfügigen Tatbestände vorgesehen. Ich bin der Meinung, wir sollten schon aus Gründen der rechtlichen Sauberkeit und einer guten Rechtssystematik nicht Verwaltungsunrecht und kriminelles Unrecht in einen Topf werfen. Darüber hinaus möchte ich folgendes sagen. Uns bewegt bei dem ganzen Gesetz und auch bei dieser Strafvorschrift eine große Befürchtung: daß die Großen mit ihrer geschliffenen Organisation durch die Maschen schlüpfen und die Kleinen wiederum diejenigen sein werden, die die Last - auch die strafrechtliche Last - der Verantwortung am allermeisten trifft. Ich kann nicht einsehen, daß man, wie es der Ausschuß vorgeschlagen hat, jeden Übertretungssünder dieser Art, ich möchte bald sagen: zusammen mit Betrügern, Dieben und vielleicht Abtreibern in ein und dasselbe Gefängnis stecken soll. Es müssen schon Unterscheidungen gemacht werden. Das ist der Sinn dieses Antrags. ({2}) Die Damen und Herren, die für die vom Ausschuß vorgeschlagene scharfe Fassung waren, die also eine gewisse Inquisitionsfreudigkeit an den Tag legten, haben wir dadurch zu entschädigen versucht, daß wir die Strafvorschriften bei den Ordnungswidrigkeiten etwas verschärft haben, indem wir bei vorsätzlichen Zuwiderhandlungen Geldbußen bis zu 50 000 DM und bei fahrlässigen Zuwiderhandlungen Geldbußen bis zu 10 000 DM vorgesehen haben. Außerdem sollen die Verjährungsfrist auf zwei Jahre gestreckt, die Einziehungsmöglichkeiten verschärft und außerdem die Kostenpflicht ausgedehnt werden. Ich glaube, das ist ein Kompromißvorschlag, der rechtlich sauber ist und dem verschiedenen Gewicht der Schuld bei den jeweiligen Zuwiderhandlungen Rechnung trägt. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin ehemaliger Richter. Ich bin zur Milde gestimmt und wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir auf dem Weg der Milde folgen wollten. ({3})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Staatssekretär Anders vom Bundesministerium des Innern.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gegen den Antrag Umdruck 174 muß ich seitens der Bundesregierung Bedenken anmelden. Der Antrag deckt sich, wie bereits Herr Abgeordneter Höcherl erwähnt hat, mit den Beschlüssen des Bundesrates. Die Bundesregierung hatte seinerzeit bei ihrer Stellungnahme zu den Empfehlungen des Bundesrates bereits darauf hingewiesen, daß sie dieser Empfehlung nicht zustimmen könne. Sie habe seinerzeit, bei Ausarbeitung des Entwurfs, überprüft, ob und inwieweit einzelne Zuwiderhandlungen gegen das Lebensmittelgesetz als Ordnungswidrigkeiten zu ahnden seien, habe sich aber davon überzeugen müssen, daß die Frage der Ordnungswidrigkeit im Zusammenhang mit dem gesamten Lebensmittelrecht, also nicht nur innerhalb des Lebensmittelgesetzes, gesehen werden müsse. Sie sei daher der Auffassung, daß diese Frage zurückgestellt werden müsse und ihre Lösung der geplanten Lebensmittelrechtsreform vorbehalten werden solle. Die Lage hat sich seitdem nicht geändert. Von den Ausschüssen, die mit dem Entwurf beschäftigt waren, insbesondere vom Rechtsausschuß, ist die Frage eingehend überprüft worden. Der Rechtsausschuß hat sich die Bedenken der Bundesregierung zu eigen gemacht. Ich wäre Ihnen daher dankbar, wenn Sie diesen Antrag nicht annähmen, sondern es bei der Ausschußfassung beließen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Wird hierzu noch das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Wittrock!

Karl Wittrock (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002545, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Problematik, die diesem Antrag zugrunde liegt, ist Gegenstand eingehender Erörterungen gewesen. Das weiß ich von meiner Fraktion, und ich weiß es außerdem von dem Rechtsausschuß des Bundestages. Wir sind in diesen Gremien nach all den Überlegungen zu dem Ergebnis gekommen, daß es nicht gut wäre, wenn wir jetzt bei einer Teilregelung unseres Lebensmittelrechts eine so fundamentale Grundsatzfrage behandeln und abschließend entscheiden wollten. Ich will Ihnen offen sagen, daß es sowohl bei meinen Freunden wie auch wahrscheinlich in Ihrer Fraktion eine ganze Reihe von Kollegen gibt, die dem grundsätzlichen Anliegen durchaus aufgeschlossen gegenüberstehen. Aber diese grundsätzliche Sympathie enthebt uns nicht der Verpflichtung, auf die Einheitlichkeit der Normierung der strafrechtlichen Vorschriften dieses gesamten Rechtsgebietes zu achten. Das ist eine sehr wichtige Angelegenheit, und ich glaube, sie ist so wichtig, daß das Haus diese Wichtigkeit anerkennen sollte. Das Haus sollte diesem Antrag nicht zustimmen und die grundsätzliche Entscheidung dieser Problematik der ohnehin in Aussicht stehenden Reform des gesamten Rechtsgebiets vorbehalten. Aus diesen Überlegungen heraus bitte ich um die Ablehnung dieses Änderungsantrages.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Wird noch das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Höcherl!

Hermann Höcherl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000912, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann den Einwand der Regierung nicht gelten lassen. Ebensowenig kann ich mich mit den Ausführungen und Einwänden des Kollegen Wittrock einverstanden erklären. Es ist richtig, daß unser Lebensmittelstrafrecht einem Dschungel gleicht; dafür tragen wir aber keine Verantwortung. Wenn wir hier ,ein Teilgebiet regeln, dann müssen wir uns bewußt sein, daß es sich um die Regelung einer Strafrechtsangelegenheit handelt, in der wir nicht nach formellen Dingen entscheiden dürfen, sondern jede Möglichkeit ausnutzen müssen, eine gerechtere Lösung zu finden, weil es sich ja um Schuldtatbestände und schwere Ehrenfolgen handelt. Wenn wir hier nach formellen Gründen verfahren wollten, müßten wir uns meines Erachtens einen gewissen Vorwurf machen. Ich darf Sie bitten, daß wir bei solchen Regelungen schon dort, wo wir die ersten kleinen Möglichkeiten haben, etwas zu verbessern, nach der besseren Einsicht und nach dem richtigen Maßstab, nämlich dem des Gewissens, verfahren. Ich bitte Sie deswegen, unseren Vorschlag anzunehmen. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort wird nicht mehr gewünscht. Ich komme zur Abstimmung. Wer dem Änderungsantrag der Abgeordneten Höcherl, Unertl, Bauer ({0}) und Genossen Vizepräsident Dr. Jaeger auf Umdruck 174 Ziffer 1 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letzte ist unzweifelhaft die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt. Ich rufe auf Nr. 11 mit dem Umdruck 174 Ziffer 2. Wird hierzu noch das Wort gewünscht? - Das ist nicht ,der Fall. Wer 'dem Änderungsantrag der Abgeordneten Höcherl, Unertl, Bauer ({1}) und Genossen auf Umdruck 174 Ziffer 2 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letzte ist die Mehrheit. Auch dieser Antrag ist abgelehnt. Meine Damen und Herren, ich komme zurück zu § 5 d und rufe auf die Umdrucke 169 Ziffer 2 b und 172 Ziffer 2 b. Die Anträge sind sinn- und wortgleich. Wird hierzu das Wort gewünscht? ({2}) Bitte, Herr Dr. Stammberger.

Dr. Wolfgang Stammberger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002215, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie der Herr Präsident bereits ausgeführt hat, sind beide Anträge gleichlautend. Über die Frage, was man unter der Ausschußfassung „ein jeweils auszuwählender Kreis" zu verstehen habe, hat es im Ausschuß eine lebhafte Debatte gegeben. Die Regierungsvertreter haben den Standpunkt vertreten, daß das kein fester Kreis sei, sondern daß die Regierung die Möglichkeit habe, jeweils einzelne Sachverständigengutachten anzufordern, je nachdem, was sie für notwendig hält. Wir sind der Meinung - und dieser Standpunkt wird von weiten Kreisen nicht nur der Verbraucherschaft, sondern auch der Lebensmittelwirtschaft geteilt -, daß man diese Sachverständigen gemeinsam anhören sollte. Wir wollen wohlgemerkt keinen Beirat bilden; daher ausdrücklich die Worte „jeweils auszuwählende Kommission". Aber es scheint Tuns ,doch zweckmäßig zu sein, daß die Sachverständigen gemeinsam gehört werden, damit jeder die Argumente des andern kennenlernt, damit man darüber sprechen kann und damit man hinterher nicht wieder - nun nehme ich schon wieder die Regierung in Schutz; ich komme mir heute schon beinahe wie ein Angehöriger einer Koalitionspartei vor - der Regierung den Vorwurf machen kann: Bei der Rechtsverordnung hast du die anderen gehört, und uns hast du nicht gehört; da sind wieder Dinge gedreht worden, die unschön sind; da hat man wieder einem Lobbyistendruck nachgegeben! Alle diese Dinge kann man vermeiden, wenn man nach dem Motto „Audiatur et altera pars", zu deutsch: „Man soll auch den anderen Teil hören", in einer gemeinsamen Sitzung durch eine jeweils ,auszuwählende Kommission diese Sachverständigen aus den im Gesetz vorgesehenen Kreisen hört. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Steinbiß.

Dr. Viktoria Steinbiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002233, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir bitten Sie, diesen Antrag abzulehnen. Sie denken vielleicht, „Kreis" und „Kommission" seien ungefähr gleich. Aber das sind sie nicht. Herr Stammberger sagt, daß er nicht die Kommission zu einem Beirat kommen lassen will. Trotzdem wird sich die Kommission allmählich zu einem Beirat entwickeln. Solche Beiräte haben wir schon genügend; auch die Ministerien brauchen nicht noch mehr. Nun sagen Sie, daß sich die einzelnen Vertreter an einen Tisch setzen sollen. Aber die Regierung will ja nicht eine abgestimmte Meinung haben, sondern sie will das Urteil des Vertreters ,der Verbraucher wissen und das der Vertreter von Wissenschaft und Forschung. Es ist nicht damit getan, daß hier eine Abstimmung erfolgt, sondern es soll das Urteil eines jeden Flügels oder einer jeden Gruppe gehört werden. Die Regierung hat zudem die Möglichkeit, ein solches Urteil schriftlich anzufordern. Wenn sie eine Abstimmung für notwendig hält, dann kann sie sie herbeiführen, wenn sie will. Wir haben aus dem angeführten Grunde unserer Regierung gerade den Auftrag gegeben, eine Einzelberatung und keine Gruppenberatung herbeizuführen. Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, daß die Kommission sich allmählich doch zu einem Beirat ausweitet, und das wollen wir nicht. Darum bitte ich meine Freunde von der CDU/CSU, diesen Antrag abzulehnen. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat die Frau Abgeordnete Keilhack.

Irma Keilhack (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001076, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Wir haben den gleichen Antrag gestellt, wie ihn Herr Stammberger hier begründet hat. Ich möchte Ihnen einmal klarlegen, was für ein wichtiger Bestandteil dieses Gesetzes das beratende Gremium ist, das in § 5 d vorgesehen wurde. Dieses Gremium muß mit dem Verordnungsgeber, das heißt mit der Bundesregierung, als beratendes Organ die Vorschriften in die Praxis umsetzen, die in den gesetzlichen Bestimmungen aus der Sachlage heraus oft eine etwas weiche Formulierung erhalten mußten. Die Regierung muß z. B. die Ausnahmen von dem Fremdstoffverbot nach dem Prinzip erlassen. „soweit sie mit dem Schutz des Verbrauchers vereinbar sind". Solche und ähnliche Formulierungen gibt es noch mehrere im Gesetz. Sie sind juristisch wahrscheinlich nicht immer leicht auslegbar. Die Gefahr von vom Gesetzgeber ungewollten Eingrenzungen oder Ausweitungen dieser Bestimmungen liegt deshalb auf der Hand, wenn nicht ein Gremium wirklich hochqualifizierter Berater durch sachverständige Beiträge diese Gesetzesbestimmungen ausführen helfen würde. Dieses Gremium soll auf Grund seiner fachlichen Qualifikation beraten. Es wirken in ihm Persönlichkeiten mit, die das Vertrauen der Verbraucherkreise oder der Wirtschaftsvertretungen besitzen oder die aus der Lebensmittelüberwachung oder von der wissenschaftlichen Forschung kommen. Dieser Per2676 sonenkreis soll über die Strahlenzulassung beraten, über das Verbot gesundheitlich bedenklicher Behandlungsverfahren, über die Zulassung fremder Stoffe, auch über die Zulassung von Ausnahmen von diesem Lebensmittelgesetz und über verschiedene andere Dinge mehr. Das ist keine leichte Verantwortung. Wir meinen, daß ein solches beratendes Organ sich am runden Tisch zu einem Gespräch zusammensetzen muß. Nach unserer Vorstellung ist es auch aus der Sache heraus, bei der sehr umfassenden Materie, wo Zweifelsfragen zu klären oder vielleicht nur Gutachten ,einzuholen sind, gar nicht möglich, daß man diese Persönlichkeiten in Auslegung des § 5 d nun als Einzelgutachter ansieht. Wir glauben, daß manche beabsichtigten Stellungnahmen - davon sind auch Wissenschaftler nicht ausgeschlossen - sich Gespräch mit ,anderen, die vielleicht eine andere Meinung vertreten, ändern können und erst dadurch die Ausgewogenheit eines Urteils und des Rates entsteht. Wir meinen, daß die Mitarbeit sehr viel produktiver wird, wenn nicht der Einzelgutachter, sondern ein Gremium tätig wird, das Beratungsgegenstände im Gespräch klärt. Wir halten es allerdings auch nicht für möglich, daß es mehr oder weniger verbindlich Beschlüsse faßt. Die letzte Verantwortung für die Verordnungen trägt natürlich die Regierung, das ist ganz klar. Allenfalls kann, wie das auch bei anderen Beratungsorganen der verschiedenen Ministerien der Fall ist, durch Mehrheits- und Minderheitsgutachten eine Darstellung der verschiedenen Auffassungen erfolgen. Wenn das Prinzip der Heranziehung von Einzelgutachtern gültig sein soll, wenn der § 5 d diese Auslegung erhält, wird man in Beratungsergebnissen dieses Kreises oft sicher viel mehr hineingeheimnissen, als wenn sie in einem offenen, freien, wissenschaftlichen und fachgerechten Gespräch erfolgen. Das möchten wir also im § 5 d sehen. Wir hätten gar keinen Änderungsantrag gestellt, weil wir auch nach den ganzen Ausschußberatungen angenommen hatten, daß es sich nur um eine solche Funktion und um nichts anderes handeln könnte. Am Ende der Ausschußverhandlungen wurde diese Auffassung jedoch in Zweifel gezogen, und der Ausschuß meinte in seiner Mehrheit, dieser - wie es im Gesetz heißt - „Kreis von Sachkennern" sei eben nur als eine Summe von Einzelgutachtern zu verstehen. Weil wir das aber nicht wollen - und wir vertreten damit die gleiche Meinung, die viele außerhalb des Parlaments in den Verbraucherkreisen, in den Kreisen der Wissenschaftler, bei der Lebensmittelüberwachung, aber auch in der Wirtschaft haben -, möchten wir es verdeutlicht haben. Deshalb haben wir in unserem Antrag statt „ein jeweils auszuwählender Kreis von Sachkennern", als neuen Textvorgeschlagen: „eine jeweils auszuwählende Kommission von Sachkennern". Uns erscheint, wie gesagt, diese Kommission als ein so wichtiges Mitwirkungsorgan für den Gesetzgeber und auch als eine so wichtige Informationsmöglichkeit für die Öffentlichkeit - und wir wollen doch Verordnungen machen, die das Licht der Öffentlichkeit nicht zu scheuen brauchen -, daß wir Sie sehr bitten, zur Klarstellung des § 5 d die von uns vorgeschlagene Fassung anzunehmen. Ich darf noch eine kleine Bemerkung machen. Ich habe Ihnen meine Auffassung - die die Auffassung meiner Fraktionsfreunde ist - über unsere Vorstellung von diesem beratenden Gremium gesagt. Dieses Gremium wird feststellen, was verbotene fremde Stoffe etc. sind, und nur diesem Kreis obliegt es, die Definierung dafür zu finden. Ich möchte das deshalb hier noch einmal deutlich machen, weil in dem Mündlichen Bericht in dem Teil, den meine Kollegin Frau Dr. Steinbiß gemacht hat, einige konkrete Beispiele für Nichtfremdstoffe aufgeführt sind, so daß man annehmen könnte, diese Beispiele seien auf Grund von Ausschußmeinungen angeführt. Sie sind Ausschuß nicht diskutiert und auch nicht beschlossen worden. Es sind Beispiele, die Frau Dr. Steinbiß von sich aus hier angeführt hat und die - und deshalb sage ich es - sowohl das beratende Organ nach § 5 d wie auch den Gesetzgeber nicht präjudizieren können. Ich möchte das der Ordnung halber hier erwähnt haben, damit diese Teile des Berichts nicht als eine stillschweigende Akzeptierung, d. h. als unser Einverständnis gedeutet werden können. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat Frau Abgeordnete Kalinke.

Margot Kalinke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001058, Fraktion: Deutsche Partei (DP)

Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Nachdem die Frau Kollegin Keilhack ,einige Zusammenhänge ,deutlich gemacht hat - wofür ich Ihr danken möchte -, brauche ich weder auf die Protokolle der Ausschußverhandlungen noch auf den Unterschied - wie ihn die Regierung deutlich gemacht hat - zwischen dem auszuwählenden Kreis und der Kommission einzugehen. Ich habe nur noch den Wunsch, hier ganz klar auszusprechen: Nach der Erfahrung mit Beiräten mancher Art - einer dieser Beiräte, vor dem ich gewarnt hatte, hat sich ja nun sielbst aufgelöst - sind auch wir gegen neue Beiräte. Wir wollen keine neue Institution und keinen Beirat. ({0}) Es ist auch falsch, daß die Frau Kollegin Steinbiß meinte, eine solche Kommission werde ein Kreis sein, der immer dieselben Persönlichkeiten umfasse und damit indirekt zu einem Beirat werden könne. Wenn es immer dieselben Persönlichkeiten wären, dann wäre Ihre Besorgnis, man könnte auf dem Umwege zu einem Beirat kommen, berechtigt. Herr Kollege Stammberger und Frau Kollegin Keilhack haben aber ganz deutlich gesagt, aus den völlig verschiedenen Sachgebieten werde sich ergeben, daß ganz verschiedene Persönlichkeiten hinzugezogen werden. Aus diesen sachlichen Gründen halten wir es für zweckmäßig, den Antrag der FDP anzunehmen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Wird weiter das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich kann gemeinsam abstimmen lassen über den Umdruck 169 - Antrag der FDP - und den Umdruck 172 - Antrag der SPD -, jeweils Ziffer 2 b. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. Der Vorstand ist sich nicht einig. Ich darf versuchen, die Frage durch Erheben von den Plätzen zu entscheiden. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Vorstand ist sich auch jetzt nicht einig. Meine Damen und Herren, wir kommen zur Auszählung. Meine Damen und Herren, ich darf das Ergebnis der Auszählung bekanntgeben. Mit Ja haben 141 Mitglieder des Hauses gestimmt, mit Nein 163, enthalten haben sich 2. Der Antrag ist abgelehnt. Damit sind alle Änderungsanträge zu Artikel 1 behandelt. Ich lasse nun über den Artikel 1 als Ganzes abstimmen. Wer ihm mit den angenommenen Änderungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. Das erste war die große Mehrheit; der Artikel ist angenommen. Ich rufe auf Artikel 2, - 3, - 4, - 5. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; es ist so beschlossen. Ich rufe Artikel 6 auf, dazu den Umdruck 170 Ziffer 2. - Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Dittrich.

Dr. Stefan Dittrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000393, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der CDU/CSU erlaubt sich, folgenden den Art. 6 Absatz 1 betreffenden Änderungsantrag zu stellen: Die nachstehenden Gesetze und Verordnungen bleiben bis auf weiteres unberührt, auch soweit danach der Zusatz fremder Stoffe im Sinne des durch dieses Gesetz neu eingefügten § 4 a Abs. 2 des Lebensmittelgesetzes zu einzelnen Lebensmitteln zulässig ist: . . Dann folgen die Verordnungen und Gesetze. Insgesamt sind 16 Ziffern aufgeführt. Ich bitte aber, bei den Ziffern 15 und 16 eine kleine Änderung vorzunehmen, und zwar nach dem Wort „Verordnungen" in Ziffer 15 die Worte „und Dienstanweisungen" zu streichen und bei Ziffer 16 ebenfalls die Worte „und Dienstanweisungen" zu streichen und nach „Verordnungen" einen Punkt zu machen, - wie wir überhaupt einen Punkt machen sollten. ({0}) Es handelt sich hier nur um eine neue Fassung der Präambel des Absatz 1. Es sind lediglich redaktionelle Änderungen, die sich als zweckmäßig erweisen. Ich hoffe deshalb auf Ihre Zustimmung.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Wird noch das Wort gewünscht? -- Das ist nicht der Fall. Wer dem Änderungsantrag der Fraktion der CDU/ CSU auf Umdruck 170 Ziffer 2 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen; es ist so beschlossen. Ich lasse über den Artikel 6 nunmehr als Ganzes mit der beschlossenen Änderung abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen; es ist so beschlossen. Ich rufe auf Art. 7, - 8, - 9, - Einleitung und Überschrift. -- Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; es ist angenommen. Die zweite Beratung ist beendet. Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Rösing.

Josef Rösing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001874, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem der Gesetzentwurf in der zweiten Lesung wesentliche Änderungen erfahren hat, widerspreche ich namens meiner Fraktion der dritten Lesung. Wir bitten, die dritte Lesung in einer der Plenarsitzungen der nächsten Woche durchzuführen. Im Ältestenrat kann der genaue Termin der dritten Lesung festgelegt werden. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Der Widerspruch ist, da fünf Mitglieder des Hauses widersprechen können, weiß Gott ausreichend unterstützt. Damit sind wir am Ende der heutigen Tagesordnung. Ich bitte Sie jedoch noch einen Augenblick um Ihre Aufmerksamkeit. Die nächste Sitzung des Bundestages findet nicht morgen statt, ich berufe sie vielmehr auf Donnerstag, den 6. November, 15 Uhr. Außerdem darf ich darauf aufmerksam machen, daß eine Viertelstunde nach Beendigung der Sitzung - das wäre um 20 Uhr 5 Minuten - im Fraktionssaal der CDU/CSU die konstituierende Sitzung der Deutschen Gruppe der NATO-Parlamentarierkonferenz stattfindet. Die Sitzung ist geschlossen.