Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 10/17/1958

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Die Sitzung ist eröffnet. Vor Eintritt in die Tagesordnung darf ich Herrn Abgeordneten Müller ({0}) zu seinem heutigen 60. Geburtstag gratulieren. ({1}) Wir kommen zum 1. Punkt der Tagesordnung: Fragestunde ({2}). Frage 1 des Abgeordneten Ritzel: Ich frage den Herrn Bundesminister der Finanzen, ob die in einer Sitzung des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages genannten Termine zur Vorbereitung des Haushaltsentwurfs 1959 his zum Tage der Beantwortung dieser Frage eingehalten werden konnten. Ich frage weiter, ob nicht in bezug auf die notwendigen Haushaltsverhandlungen des Bundesministers der Finanzen auf Abteilungsleiter- und Chefebene eine Beschleunigung ermöglicht werden kann. Das Wort hat Herr Staatssekretär Hartmann vom Bundesministerium der Finanzen.

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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter! Die bisher genannten Termine für die Aufstellung des Bundeshaushalts 1959 sind eingehalten worden. Die Bundesregierung wird den Haushaltsentwurf so rechtzeitig feststellen, daß die erste Beratung in diesem Hohen Hause Anfang Dezember stattfinden kann. Die von Ihnen angeregte Beschleunigung der Besprechungen ist seit Wochen im Gange.

Heinrich Georg Ritzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001860, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Danke!

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Frage 2 stelle ich zurück. Frage 3 hat sich erledigt; sie ist zurückgestellt worden. Frage 4 des Abgeordneten Dr. Menzel: Stimmt es, daß die Bundesregierung einigen westdeutschen Zeitungen wenige Tage vor den Landtagswahlen im Lande Nordrhein-Westfalen die Beschlagnahme ihrer Ausgaben angedroht hat, falls sie über die aus den Akten der Staatsanwaltschaft in Bonn ersichtlichen schweren Korruptionsfälle leitender Beamten einiger Bundesministerien berichten würden? Das Wort hat Herr Staatssekretär Anders vom Bundesministerium dès Innern.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Antwort lautet: nein.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine Zusatzfrage? - Herr Abgeordneter Menzel!

Dr. Walter Menzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001476, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, wie erklären Sie sich dann, daß einige Zeitungen, die die bereits zur Veröffentlichung bestimmten Nachrichten über die inzwischen ja bekanntgewordenen Korruptionsfälle in den Nachrichtendienst aufgenommen hatten, diese wieder herausgenommen haben, nachdem ihnen aus Bonn eine entsprechende telefonische Anweisung zugegangen war.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, meine Antwort beruht auf Rückfragen bei sämtlichen Bundesministerien. Was Sie erwähnen, ist uns nicht bekannt. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie uns dieses Material zur Überprüfung übergäben.

Dr. Walter Menzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001476, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Haben Sie auch beim BundesPresse- und Informationsamt rückgefragt?

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Wir haben auch beim BundesPresse- und Informationsamt rückgefragt.

Dr. Walter Menzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001476, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Danke!

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Frage 5 des Abgeordneten Ritzel: Ich frage die Bundesregierung: Weisen Teile der Bundesrepublik eine Steigerung der Radioaktivität in Form einer Strahlenverseuchung besonderen Ausmaßes auf? In weichem Verhältnis geht diese Strahlenverseuchung über die früheren Feststellungen hinaus, und welche Maßnahmen abwehrender und aufklärender Art beabsichtigt die Bundesregierung zum Schutze der Bevölkerung zu ergreifen? Das Wort hat der Herr Bundesminister für Atomkernenergie und Wasserwirtschaft.

Dr. - Ing. Dr. h. c. Siegfried Balke (Minister:in)

Politiker ID: 11000083

Herr Abgeordneter, ich habe die Antwort auf Ihre Frage in drei Abschnitte geteilt.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001529, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, ich habe schon in früheren Jahren Fragen dieser Art gestellt, und jedesmal drückten Sie die sichere Erwartung aus, daß noch „in diesem Sommer" eine Regelung erfolgen werde. Für wann können Sie jetzt eine solche Erwartung aussprechen?

Dr. Heinrich Brentano (Minister:in)

Politiker ID: 11000263

Herr Kollege Mommer, ich habe meine damalige Erklärung abgegeben nach dem damaligen Stand der Sache, nach den Erklärungen, die der amerikanische Präsident Eisenhower abgegeben hatte, und nach den Informationen, die uns über die Vorbereitungen im Kongreß zugegangen sind. Ich bedaure es selbst nicht weniger als Sie, Herr Kollege, daß diese Hoffnungen nicht in Erfüllung gegangen sind. Ich möchte mich deswegen auch heute nicht etwa darauf einlassen, Ihnen eine neue Frist zu nennen. ({0}) Die Entwicklung erlaubt es mir nicht, ich sage es in aller Offenheit, und ich beklage das. Aber Sie dürfen überzeugt sein, daß die Bundesregierung und ich nichts unversucht lassen werden, um diesen - ich sagte es schon - sehr unerfreulichen Zustand zu beenden.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001529, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, teilen Sie meine Meinung, daß durch dieses Verhalten der amerikanischen Regierung sowohl deren eigenes Prestige als auch Ihr Prestige, das der Bundesregierung, sehr strapaziert werden in einer Frage, die von großer menschlicher Bedeutung ist und die außerdem heilige westliche Grundsätze betrifft?

Dr. Heinrich Brentano (Minister:in)

Politiker ID: 11000263

Herr Kollege Mommer, ich habe in meiner Antwort schon gesagt, daß ich diese Entwicklung als eine unerfreuliche Belastung des deutschamerikanischen Verhältnisses betrachte. Ich habe auch in meinen Gesprächen sowohl in Washington wie beim amerikanischen Botschafter gerade auf die menschliche Seite des Falles hingewiesen. Ich habe darauf hingewiesen - und werde es auch weiter tun -, daß es unbillig ist und eine ungeheure menschliche Härte darstellt, daß alte Menschen, die damit rechnen, ihr kleines Guthaben oder Vermögen von drüben zurückzuerhalten, nun immer noch warten müssen und daß viele vielleicht darüber sterben.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Ich komme zur Frage 6 - Abgeordneter Ritzel - betreffend die Befriedigung der ehemaligen Eigentümer von Grundstücken, die vor 20 und mehr Jahren zur Errichtung von Autobahnen abgetreten wurden: Ich frage die Bundesregierung: Wie weit sind die rechtlichen Auseinandersetzungen und die sachlichen Voraussetzungen zur endlichen Befriedigung des Personenkreises gediehen, der noch zu Zeiten des Reichsautobahnbauamtes vor 20 und mehr Jahren Grundstücke zur Errichtung von Autobahnen abgetreten hat, ohne bis jetzt angemessen entschädigt worden zu sein? Das Wort hat der Herr Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, die von Ihnen erwähnten Ansprüche aus der Inanspruchnahme von Grundstücken für den Bau von Reichsautobahnen haben sich gegen das Unternehmen Reichsautobahnen gerichtet und sind in dem am 1. Januar 1958 in Kraft getretenen Allgemeinen Kriegsfolgengesetz abschließend geregelt. Soweit das Gesetz eine Erfüllung dieser Ansprüche vorsieht, müssen die Anspruchsberechtigten ihre Ansprüche bis Ende dieses Jahres bei den für sie zuständigen Oberfinanzdirektionen anmelden. Die Direktionen haben die Ansprüche zu prüfen und gegebenenfalls zu Lasten des Bundes zu befriedigen. Die Oberfinanzdirektionen haben ihre Arbeiten nach dem Inkrafttreten des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes unverzüglich aufgenommen. Unklarheiten, die bei der Bearbeitung von Ansprüchen gegen das Unternehmen Reichsautobahnen zunächst aufgetreten waren, sind durch Richtlinien beseitigt worden, die der Bundesminister der Finanzen am 19. Juni 1958 im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Verkehr hat ergehen lassen. Die sachlichen Voraussetzungen für die Befriedigung von begründeten Ansprüchen aus der Inanspruchnahme von Grundstücken zum Bau der Reichsautobahnen sind ,somit geschaffen. Die Oberfinanzdirektionen prüfen laufend die eingehenden Anmeldungen und befriedigen laufend die nach den gesetzlichen Vorschriften zu erfüllenden Ansprüche. Sollten Ihnen, Herr Abgeordneter, Fälle bekannt sein, in denen vielleicht eine ungebührliche Verzögerung der Bearbeitung eingetreten ist, so bin ich gern bereit, sie besonders prüfen zu lassen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ritzel!

Heinrich Georg Ritzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001860, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, sind bei dem Personalstand der Oberfinanzdirektionen die Voraussetzungen für eine rasche Bearbeitung der Fälle gegeben? Das ist meine erste Frage. Meine zweite Zusatzfrage ist: Sind bereits in größerer Zahl Fälle positiv oder überhaupt - auch negativ - erledigt worden, und sind Garantien dafür gegeben, daß es nicht bei dem Bescheid der Oberfinanzdirektion bleibt?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, mir ist nicht bekanntgeworden, daß die Oberfinanzdirektionen nicht über das genügende Personal verfügen. Ich werde mich aber auf Ihre Anregung hin gern einmal danach umhören. Wir können dann vielleicht einmal im Haushaltsausschuß demnächst darüber sprechen, vorausgesetzt, daß der Haushaltsausschuß bereit sein sollte, eine gewisse Verstärkung des Personals der Direktionen für diese Arbeiten in Angriff zu nehmen. Über den augenblicklichen Stand der Arbeiten kann ich Ihnen in diesem Augenblick nichts sagen. Ich will es aber gerne feststellen und darf Ihnen einen schriftlichen Bescheid geben. 1951 bereit erklärt, in besonderen Notfällen wirksame Hilfe auch solchen Personen zuteil werden zu lassen, die jetzt im Ausland leben und die aus Gründen der Rasse, des Glaubens, der Weltanschauung oder der politischen Überzeugung verfolgt und Opfer von Menschenversuchen sind, denen aber mangels der Wohnsitzvoraussetzungen oder aus Gründen ein Wiedergutmachungsanspruch auf Grund der in den Ländern des Bundesgebiets geltenden Entschädigungsgesetze nicht zusteht. Das gesamte innerdeutsche Wiedergutmachungsrecht wird aber von dem Grundsatz beherrscht, daß eine Wiedergutmachung nicht an Personen gewährt wird, die in Staaten leben, mit deren Regierungen die Bundesrepublik Deutschland diplomatische Beziehungen nicht unterhält. Dieser Grundsatz ist im Bundesentschädigungsgesetz, im Bundesrückerstattungsgesetz. im Bundesgesetz zur Wiedergutmachung für die im Ausland lebenden Angehörigen des öffentlichen Dienstes und im Bundesgesetz zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Kriegsopferversorgung festgelegt. Von diesem Grundsatz kann daher erst recht in den Fällen nicht abgewichen werden, in denen auf die Leistung einer Entschädigung kein Rechtsanspruch besteht, diese vielmehr in das Ermessen der Verwaltung gestellt ist. Für den Ausschluß der in den sogenannten Ostblockstaaten lebenden Verfolgten sind auch noch folgende Erwägungen maßgebend. Die Durchführung der vorgenannten Wiedergutmachungsgesetze und auch des Kabinettsbeschlusses vom 26. Juli 1951 erfordert bei im Ausland lebenden Verfolgten eine umfangreiche Tätigkeit der deutschen diplomatischen Vertretungen. Der Sachverhalt ist durch Vernehmung von Zeugen aufzuklären, und oft ist auch eine eingehende Einvernahme des Antragstellers selbst notwendig. Es müssen vertrauensärztliche Gutachten über den Gesundheitszustand des Verfolgten eingeholt und Ermittlungen über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers angestellt werden. Diese Möglichkeiten bestehen beim Fehlen einer deutschen diplomatischen Vertretung nicht. Der interministerielle Ausschuß, der über die Anträge auf Grund des Kabinettsbeschlusses vom 26. Juli 1951 entscheidet, hat aus diesen Gründen bisher stets die Behandlung von Anträgen abgelehnt, wenn der Antragsteller in einem Lande lebt, mit dem keine diplomatischen Beziehungen bestehen. Ich darf schließlich noch darauf hinweisen, daß Polen auf der 13. Sitzung des Wirtschafts- und Sozialrates der Vereinten Nationen selber den Standpunkt vertreten hat, daß die Regierung der Bundesrepublik für Unterstützungsleistungen an im Ausland lebende Opfer nicht zuständig sei, da dies Sache der Staaten sei, deren Staatsangehörigkeit die Opfer besitzen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort zu einer Zusatzfrage hat der Abgeordnete Könen.

Willy Könen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001156, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, sind Sie nicht der Auffassung, daß die in dem Beschluß des Bundeskabinetts vom 26. Juli 1951 bezeichneten Umstände, nämlich „mangels der Wohnsitzvoraussetzungen oder aus anderen Gründen", durchaus auf die Frauen anwendbar wären, denen im KZ von der angeblichen Ärztin Hertha Oberhäuser die Beine gebrochen und mit Glassplittern infiziert worden sind? Das ist eine weltbekannte Angelegenheit. Sind Sie der Auffassung, daß wir eine Botschaft brauchen, um festzustellen, daß die Frauen krank und siech sind?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, ich habe zunächst darauf hingewiesen, daß es sich um rechtliche Gründe handelt, aus denen diese Leistung nicht an Angehörige von Staaten gewährt werden kann, mit denen wir keine diplomatischen Beziehungen haben. Ich habe eine Reihe von Gesetzen aufgezählt, die das Hohe Haus beschlossen hat; die Bundesregierung hat die Aufgabe, die vom Parlament beschlossenen Gesetze durchzuführen, sie kann die Gesetze nicht ändern. Der interministerielle Ausschuß hat in fortgesetzter Praxis denselben Standpunkt eingenommen und einnehmen müssen. Also kann auch ein einzelnes Ministerium davon nicht abgehen.

Willy Könen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001156, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, ich bedauere das sehr. Darf ich Sie dann darum bitten, mir durch Ihr Haus mitteilen zu lassen, wie groß der Personenkreis der davon Betroffenen ist, die ja nichts dafür können, daß wir in den Ländern, in denen sie jetzt leben, keine diplomatischen Vertretungen haben?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, ich werde gerne feststellen, wie groß der Personenkreis ist, und Ihnen darüber eine Mitteilung machen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Ich rufe auf die Frage 10 - des Herrn Abgeordneten Hilbert - betreffend Abgeltung von Besatzungsschäden: Ist die Bundesregierung bereit, dem Bundestag alsbald eine Änderung des Gesetzes zur Abgeltung von Besatzungsschäden vorzulegen, wonach Schäden, die infolge von Vergewaltigung von Frauen durch die Besatzungstruppen entstanden sind, von dem Schädigungstermin 1. August 1945 ausgenommen sind, nachdem durch Erlaß des Bundesministers der Finanzen vom 17. Dezember 1956 Nr. II E/1 - BL 1112 - 352/56 - 0 4250 Vergewaltigungen von Frauen durch Besatzungstruppen als Besatzungsschäden anerkannt und daher nach den Vorschriften des Gesetzes zur Abgeltung von Besatzungsschäden entschädigt werden sollen? Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Staatssekretär des Bundesministeriums der Finanzen.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, für Körper- und Gesundheitsschäden, die durch eine vor dem 1. August 1945 erfolgte Vergewaltigung verursacht wurden, bietet § 5 Abs. 2 des Bundesversorgungsgesetzes bereits die Möglichkeit, eine Entschädigung zu leisten, so daß eine Änderung des Gesetzes über die Abgeltung von Besatzungsschäden nicht erforderlich ist. Eine andere Frage ist es jedoch, ob auch Leistungen für die Aufwendungen gewährt werden können, die der Mutter durch den Unterhalt eines bei gemeine Maß hinausgehender, stärkerer Anstieg ist in der Bundesrepublik nicht eingetreten. Er ist auch nicht durch die zunehmende Anwendung radioaktiver Stoffe in Forschung, Medizin und Technik zu erwarten, da bei der behördlichen Genehmigung des Umgangs mit radioaktiven Stoffen ausreichende Schutzmaßnahmen angeordnet werden. Der gestiegene Radioaktivitätspegel steht immer noch in ausreichendem Abstand zur Gefährlichkeitsgrenze. Er ist in diesem Jahr nicht stärker angestiegen als im Vorjahr. Zum zweiten Punkt: Die räumliche Verteilung der Radioaktivität. In der Bundesrepublik wird im allgemeinen im süddeutschen Raum ein höherer Radioaktivitätspegel als im norddeutschen Raum gemessen. Auf eine Gefährdung der süddeutschen Bevölkerung kann daraus nicht geschlossen werden. Zum dritten Teil: Maßnahmen abwehrender und aufklärender Art. Die Radioaktivität der Luft, des Wassers, der Böden und der Lebensmittel wird laufend durch Messungen überwacht. Wie bekannt ist, werden diese Überwachungsmaßnahmen von verschiedenen Bundesanstalten, insbesondere vom Deutschen Wetterdienst und von einer Reihe von Instituten der Länder und privater Gesellschaften, die teilweise Zuschüsse des Bundes erhalten, durchgeführt. Für den Strahlenschutz wichtige radiobiologische Forschungen und Entwicklungsarbeiten auf dem Gebiete der Strahlungsmeßtechnik und der Dekontaminationstechnik werden mit Bundeszuschüssen gefördert. Zur Unterrichtung der Öffentlichkeit über Strahlengefahren wird aus Mitteln meines Haushalts die Herausgabe von Informationsblättern, Druckschriften, Diapositivreihen und Filmen ermöglicht.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Abgeordneter Ritzel zu einer Zusatzfrage!

Heinrich Georg Ritzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001860, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sie sagen, Herr Bundesminister, daß die Strahlenverseuchung in der Bundesrepublik trotz der gesteigerten Bedrohung Süddeutschlands nicht über das allgemeine Maß hinausgehe. Mich würde interessieren zu erfahren: Was versteht man unter dem Begriff „allgemeines Maß?" Ist es die Bedrohung der Bundesrepublik im Vergleich zu anderen Ländern? Wie kann dann meine Frage über ein besonderes Ausmaß genauer beantwortet werden? Ich möchte das besondere Ausmaß nicht an der allgemeinen Bedrohung, die sich etwa von der Wüste von Nevada oder von der Sowjetunion aus über die Welt verbreitet, gemessen wissen, sondern meine Frage lautet: Ist das allgemeine Maß ein besonderes Maß, das eine echte Bedrohung darstellt?

Dr. - Ing. Dr. h. c. Siegfried Balke (Minister:in)

Politiker ID: 11000083

Herr Kollege Ritzel, ich habe die Meßwerte tabellenförmig zusammengestellt und kann sie hier unmöglich vortragen. Sie würden aber daraus die Werte in den einzelnen Meßbezirken ersehen. Die Konzentrationen der einzelnen radioaktiven Stoffe, die man mit den Meßmethoden nachweist, liegen in den Niederschlägen noch etwa bei einem Hundertstel der zulässigen Konzentrationen für Dauergenuß. Die zulässigen Konzentrationen werden durch Vereinbarungen der internationalen Radiologenkongresse usw. festgelegt. Es handelt sich also um internationale Vereinbarungen, die auf dem Stand der Wissenschaft und den bisherigen Erfahrungen beruhen. Über die Frage, ob die internationalen Toleranzgrenzen, wie man sie nennt, wissenschaftlich-theoretisch fundiert sind oder nicht, besteht innerhalb der Wissenschaft noch Streit. Wir halten uns vorläufig an die international vereinbarten Werte.

Heinrich Georg Ritzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001860, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich danke Ihnen, Herr Minister.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Ich komme nunmehr zur Frage 2 des Abgeordneten Dr. Mommer betreffend Rückgabe des in den Vereinigten Staaten beschlagnahmten deutschen Vermögens: Wieviel Jahre müssen die Anspruchsberechtigten leben, um Aussicht zu haben, die Rückgabe des in den Vereinigten Staaten von Amerika beschlagnahmten deutschen Vermögens noch zu erleben? Das Wort hat der Herr Bundesaußenminister.

Dr. Heinrich Brentano (Minister:in)

Politiker ID: 11000263

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf die Frage des Herrn Kollegen Mommer darf ich folgendes antworten. Das Hohe Haus hat sich bereits mit dem gegenwärtigen Stand der Vermögensbeschlagnahme in den Vereinigten Staaten in seiner von allen Parteien angenommenen Entschließung vom 4. Juli 1958 näher befaßt. Ich kann es mir deshalb wohl ersparen, nochmals auf die Einzelheiten einzugehen. Die Entschließung ist dem State Departement durch den Botschafter der Bundesrepublik übermittelt worden. Der Herr Bundeskanzler und ich selbst haben ferner dem Botschafter der Vereinigten Staaten die Enttäuschung der Bundesregierung über diese Entwicklung ausgedrückt. Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß angesichts der gemeinsamen Anstrengungen, in denen die Vereinigten Staaten und die Bundesrepublik im Interesse der friedlichen Entwicklung in der freien Welt verbunden sind, die letzte Belastung des deutsch-amerikanischen Verhältnisses sobald wie möglich verschwinden sollte. In diesem Sinne hat auch der Bundeswirtschaftsminister Erhard auf der Weltbankkonferenz in New Delhi gegenüber den amerikanischen Gesprächspartnern Stellung genommen. Zur Zeit werden von der Bundesregierung entsprechend den Entschließungen dieses Hohen Hauses weitere Vorbereitungen getroffen, um im Wege eines Meinungsaustausches von Regierung zu Regierung Möglichkeiten für eine schnelle und befriedigende Lösung zu finden.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Abgeordneter Dr. Mommer zu einer Zusatzfrage!

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Ich komme zur Frage 7 - des Abgeordneten Dr. Menzel - betreffend finanzielle Unterstützung von Werkszeitungen industrieller Unternehmungen durch das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung: Trifft es zu, daß das Bundespresse- und Informationsamt die Werkszeitschriften industrieller Unternehmungen unterstützt? Welche Beträge sind hierfür in den letzten Jahren aufgewandt, und welchen Unternehmungen sind Beträge für die Herausgabe von Werkszeitschriften gezahlt worden? Das Wort hat der Herr Staatssekretär des Presse- und Informationsamtes. voll Eckardt, Staatssekretär des Presse- und Informationsamtes: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf die Frage dahin beantworten: Werkszeitschriften sind vom Presse- und Informationsamt der Bundesregierung nicht unterstützt worden. Demgemäß sind für die Herausgabe von Werkszeitschriften von dem Amt auch keine Zahlungen an industrielle oder sonstige Unternehmen geleistet worden.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Zu einer Zusatzfrage der Abgeordnete Dr. Menzel!

Dr. Walter Menzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001476, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ist Ihnen der Streit zwischen dem Herrn Bundespostminister und der Industrie bekannt, die damals, als der Bundespostminister die Postgebühren für die Werkszeitungen erhöhe und ich verweise auf den Industrie-Kurier -, forderte, ehe Herr Stücklen das tue, möge er sich doch einmal mit dem Bundespresseamt in Verbindung setzen, da dieses die Werkszeitschriften fördere? von Eckardt, Staatssekretär des Presse- und Informationsamtes: Ich weiß nicht, wie das genannte Presseorgan zu dieser Äußerung kommt. Ich habe bereits vor Monaten - ich kann das Datum im Augenblick aus dem Kopf nicht sagen -, als diese Meldungen durch die deutsche Presse gingen - sie sind auch von anderen Zeitungen übernommen worden -, in der Pressekonferenz ausführlich dazu Stellung genommen und habe die Frage im gleichen Sinne wie heute vor dem Hohen Hause beantwortet. Ich habe seinerzeit, um die Frage ganz korrekt zu beantworten, hinzugefügt, daß das Bundespresseamt regelmäßig, d. h. etwa einmal im Jahr, eine Journalistengruppe aus dem Kreise der Werkszeitschriften nach Bonn einlädt, um sie im besonderen über die Sozial- und Wirtschaftspolitik der Bundesregierung zu informieren. Das erfolgt in demselben Maße und in demselben Stil, wie zahlreiche Journalistengruppen aus dem In- und Ausland von uns nach Bonn eingeladen werden, um sich einmal in der Arbeit der Behörden und der Ministerien umzusehen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Ich komme zur Frage 8 - des Abgeordneten Wienand - betreffend die finanzielle Belastung der Gemeinden im Raume Bonn durch die Verlegung der Bundesregierung nach Bonn: Sind der Bundesregierung die den Gemeinden im Raume Bonn durch die Verlegung der Bundesregierung nach Bonn entstandenen zusätzlichen kommunalen Aufgaben und deren besondere finanzielle Lasten, z. B. auf dem Gebiet des Straßen-, Schul- und Wohnungswesens und der Versorgungsanlagen, bekannt? Ist die Bundesregierung bereit, einen Ausgleich dieser Belastungen durch eine finanzielle Hilfe des Bundes vorzunehmen? Welche Gemeinden sind nach Meinung der Bundesregierung davon betroffen, und wann gedenkt sie diesen Gemeinden 70 helfen? Das Wort hat der Staatssekretär des Bundesministeriums der Finanzen.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, die den Gemeinden im Raume Bonn durch die Verlegung der Bundesregierung nach Bonn entstandenen zusätzlichen kommunalen Aufgaben sind der Bundesregierung bekannt. Sie hat für die Aufschließungsmaßnahme und Folgeeinrichtungen für die in den Gemeinden Bonn, Bad Godesberg und Duisdorf seit 1957 in Angriff genommenen Wohnsiedlungen für Bundesbedienstete bereits Bundesmittel in Höhe von rund 7,3 Millionen DM zur Verfügung gestellt. Die Bundesregierung ist auch künftig bereit, Bundesbeiträge zu solchen kommunalen Bauvorhaben im Raume der Bundeshauptstadt zu erörtern, bei denen ein überwiegendes Bundesinteresse klar erkennbar ist. Die erforderlichen Mittel werden im Entwurf des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1959 vorgesehen werden. Die Bundesregierung geht dabei von der Erwartung aus, daß auch das Land Nordrhein-Westfalen besondere Ausgleichsmaßnahmen zugunsten der Gemeinden in diesem Raum trifft. Durch die finanzielle Hilfe des Bundes waren in der Vergangenheit die Gemeinden Bonn, Bad Godesberg und Duisdorf betroffen. Es wird geprüft, ob die Voraussetzungen für eine Hilfe auch zugunsten weiterer Gemeinden vorliegen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Frage 9 - des Abgeordneten Könen ({0}) - betreffend Betreuung der polnischen Frauen, die im KZ Opfer der Experimente der Ärztin Dr. Oberhäuser wurden: Ist der Bundesregierung der Inhalt der WDR-Sendung „Echo des Tages" vom 12. Juli 1958 bekannt, die über das Schicksal der polnischen Frauen, die im KZ Opfer der Experimente der Ärztin Dr. Oberhäuser wurden, berichtete, diese Frauen seien heute krank und siech und würden in ihrer Notlage durch die amerikanische Zeitschrift „Saturday Review", die polnische Regierung und den Verband polnischer KZ-Häftlinge unterstützt, während deutsche Stellen sich bisher um sie nicht gekümmert hätten? Warum wird diesen Frauen keine deutsche Hilfe gewährt? Befürchtet die Bundesregierung nicht eine Schädigung unseres Ansehens im Ausland, wenn die Absicht verwirklicht wird, diese Frauen zur ärztlichen Behandlung und sozialen Betreuung nach den Vereinigten Staaten zu bringen, während von deutscher Seite nichts für sie getan wird?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, der Inhalt der WDR-Sendung „Echo des Tages" vom 12. Juli 1958 ist mir im Augenblick nicht bekannt. Dem Bundesministerium der Finanzen liegen jedoch die Entschädigungsanträge von 72 in Polen lebenden KZ-Häft Ingen vor, an denen angeblich im KZ medizinische Menschenversuche vorgenommen wurden. Die Bundesregierung hat sich in einem Beschluß vom 26. Juli der Vergewaltigung gezeugten Kindes entstehen. Das Bundesministerium der Finanzen hat mit Rundschreiben vom 17. Dezember 1956 die Gewährung eines Ausgleichs entsprechend der gemäß § 1708 BGB zu leistenden Zahlung des unehelichen Vaters vorgesehen. Diese Regelung hat ihre Grundlage in § 40 des Gesetzes über die Abgeltung von Besatzungsschäden. Sie mußte daher auf die Fälle beschränkt werden, die als Besatzungsschäden im Sinne des Gesetzes angesehen werden können, also auf Gewaltakte, die sich in der Zeit vom 1. August 1945 bis 5. Mai 1955 ereignet haben. Eine Ausdehnung dieses Rundschreibens auf vorhergehende Fälle hätte eine Änderung des im Besatzungsabgeltungsgesetz festgesetzten Stichtages zur Voraussetzung. Das würde aber Rückwirkungen auf andere vor diesem Stichtag verursachte Schäden haben; denn dieser Stichtag, der 1. August 1945, ist in der gesamten Kriegsfolgengesetzgebung, insbesondere im Allgemeinen Kriegsfolgengesetz und im Lastenausgleichsgesetz, als Abgrenzungszeitpunkt vorgesehen. Eine Änderung des Stichtages würde also erhebliche Rückwirkungen haben. Ich darf mitteilen, daß das Bundesministerium der Finanzen sich bewußt ist, daß Fälle, in denen bei einer Vergewaltigung durch Angehörige von Besatzungstruppen vor dem 1. August 1945 ein Kind gezeugt wurde, besondere Härtefälle darstellen können. Es ist zur Zeit eine Prüfung im Gange, in welcher Weise diesem Personenkreis geholfen werden kann. Die Prüfung wird in Kürze abgeschlossen sein, und zwar, wie ich heute schon sagen kann, positiv. Ich werde mir erlauben, Sie von dem Ergebnis zu unterrichten.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Keine Zusatzfrage. Wir kommen zur Frage 12 - des Abgeordneten Dr. Fritz ({0}) - betreffend Anpassung der Zahl der Planstellen an die Zahl der Dienstposten bei der Deutschen Bundesbahn: Hält die Bundesregierung den bei der Deutschen Bundesbahn vorhandenen Unterschied zwischen der Anzahl der Dienstposten und der geringeren Anzahl der hiezu genehmigten Planstellen, welcher im Gegensalz zu anderen Verwaltungen bewirkt, daß rd. 40 000 Bundesbahnbeamte mehrere Jahre höherwertige Arbeit leisten, ohne das dieser Arbeit entsprechende Entgelt zu erhalten, für gerechtfertigt und vertretbar? Was hat die Bundesregierung veranlaßt, um entsprechend der Entschließung des Deutschen Bundestages vorn 28. Juni 1957 bei der Deutschen Bundesbahn die Zahl der Planstellen an die Zahl der Dienstposten anzupassen? Das Wort hat der Herr Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf die Frage Nr. 12 des Herrn Abgeordneten Dr. Fritz wie folgt beantworten. Durch den Stellenplan für das Geschäftsjahr 1958 sind die Anstellungs- und Beförderungsverhältnisse bei der Deutschen Bundesbahn fühlbar verbessert worden. Im gehobenen Dienst sind 408 neue Planstellen, und zwar ausschließlich Beförderungsstellen neu bewilligt worden. Im mittleren Dienst beträgt die Vermehrung 2138 und im einfachen Dienst 4932 Planstellen. Hierdurch wurde der Unterschied zwischen Dienstposten und Planstellen sowohl in den Eingangs- als auch in den Beförderungsämtern wesentlich verringert mit der Folge, daß die Wartezeiten bis zur Übernahme in das Beamtenverhältnis und bis zu einer Beförderung verkürzt wurden. Mit dieser Maßnahme ist für das Geschäftsjahr 1958 unter Beachtung der Verkehrsentwicklung bei der Deutschen Bundesbahn die genannte Entschließung des Deutschen Bundestages vom 28. Juni 1957 berücksichtigt worden. Die Anstellungsverhältnisse sind bei der Deutschen Bundesbahn mit denen der Deutschen Bundespost vergleichbar. Hinsichtlich der Beförderungsverhältnisse liegt die Deutsche Bundesbahn nicht ungünstiger als andere Bundesverwaltungen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Keine Zusatzfrage. Die Fragen 11 und 13 sind von den Fragestellern zurückgestellt worden. Wir kommen zur Frage 14 - des Abgeordneten Dr. Menzel - betreffend Auslieferungsersuchen der Bundesregierung an die ägyptische Regierung im Fall Dr. Eisele: Ist die Bundesregierung bereit, der deutschen Öffentlichkeit nunmehr die wirklichen Daten mitzuteilen, aus denen zu ersehen ist, welcher Zeitspanne es von dem Bekanntwerden der Flucht Dr. Eiseies nach Ägypten bis zur Übergabe des Auslieferungsersuchens an die ägyptische Regierung, und zwar mit den Daten der einzelnen Stadien der Bearbeitung des Auslieferungsbegehrens, bedurft hat? Wie kommt es, daß der Öffentlichkeit verschiedene Daten über die Absendung des Auslieferungsersuchens mitgeteilt worden sind, und warum mußten zwischen der Fertigstellung des Gesuches ({0}) und der Aushändigung des Auslieferungsersuchens an die ägyptische Regierung ({1}) zwölf Tage vergehen, obwohl auch in jener Zeit täglich Flugverbindungen zwischen der Bundesrepublik und Kairo bestanden? Ist die Bundesregierung bereit, den genauen Wortlaut dieses Auslieferungsersuchens zu veröffentlichen? Das Wort hat der Herr Bundesminister des Auswärtigen.

Dr. Heinrich Brentano (Minister:in)

Politiker ID: 11000263

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf die Fragen des Herrn Kollegen Dr. Menzel darf ich folgendes antworten. Frage 1: Ich darf wohl im Einverständnis mit Ihnen, Herr Kollege Menzel, diese Frage als beantwortet unterstellen, da sie in der Bundespressekonferenz erschöpfend behandelt worden ist. Frage 2: Der Öffentlichkeit sind keine verschiedenen Daten über die Absendung des Auslieferungsersuchens mitgeteilt worden. Sollten abweichende Daten in der Presse veröffentlicht worden sein, so müßte das auf einem Mißverständnis beruhen, Es bestand kein Anlaß, die Auslieferungsunterlagen durch einen Sonderboten nach Kairo zu schicken, da auch mit einem regelmäßigen Kurier die nach dem ägyptischen Recht einzuhaltende Frist gewahrt werden konnte. Zu Frage 3: Die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Kairo hat der Regierung der Vereinigten Arabischen Republik das Auslieferungsersuchen in der Form einer Verbalnote übermittelt. Die Veröffentlichung einer derartigen Note, die mit der Übergabe in den Verfügungsbereich der ausländischen Regierung gelangt, ist im diplomatischen Verkehr an sich nicht üblich. Im vorliegenden Falle Bundesaußenminister Dr. von Brentano ist aber das Auswärtige Amt bereit, wenn Sie damit einverstanden sind, Herr Kollege Menzel, dem Ausschuß für Auswärtige Angelegenheiten den hier vorliegenden Wortlaut der Verbalnote der Bundesrepublik Deutschland in Kairo zur Kenntnis zu bringen, falls der Ausschuß das wünscht.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Keine Zusatzfrage. - Ich komme zur Frage 15 des Abgeordneten Leicht betreffend Richtlinien des Bundesministers des Innern vom 7. Februar 1958 zu § 115 des Bundesbeamtengesetzes: Ist die Bundesregierung nicht der Meinung, daß die Richtlinien des Bundesministers des Innern vorn 7. Januar 1958 - II 5 -26 212 - 5053'57 - zum § 115 des Bundesbeamtengesetzes eine unbillige Härte mit sich bringen, da dadurch die Versorgungsbezüge auch für diejenigen versicherungspflichtigen Beschäftigungszeiten gekürzt werden, die zur Erhöhung des Ruhegehaltsatzes nicht erforderlich sind, weil der Höchstruhegehaltsatz von 75 v. H. erreicht ist? Ist der Herr Bundesinnenminister nicht der Meinung, daß es besser wäre, die Richtlinien Nr. 7 und 8 zu § 115 des Bundesbeamtengesetzes in ihrer ursprünglichen Fassung gelten zu lassen, da der Wegfall dieser Richtlinien keine Stütze in der auf Grund des Beamtenrechtsrahmengesetzes geänderten Fassung des § 115 des Bundesbeamtengesetzes findet und diejenigen versicherungspflichtigen Beschäftigungszeiten betrifft, die sich nicht erhöhend auf die Versorgungsbezüge auswirken? Zur Beantwortung Herr Staatssekretär Anders!

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Antwort lautet: Die Bundesregierung ist nicht der Meinung, daß die vorläufigen Richtlinien vom 7. Januar 1958 zu § 115 des Bundesbeamtengesetzes in der seit dem 1. September 1957 geltenden Fassung eine unbillige Härte mit sich bringen. Wenn die zu § 115 des Bundesbeamtengesetzes in seiner ursprünglichen Fassung erlassenen Richtlinien aufrechterhalten worden wären, so hätte dies infolge der Steigerung der Renten auf Grund der Rentenreform in vielen Fällen dazu geführt, daß Rente und Beamtenversorgung ein vom Gesetzgeber nicht gewolltes Ausmaß erreicht hätten. Die Neufassung des § 115 Absatz 2 des Bundesbeamtengesetzes verfolgte gerade den Zweck, die Kumulierung von Renten- und Versorgungsbezügen auf ein sachlich vertretbares Maß zu beschränken. Für bereits abgeschlossene Versorgungsfälle sehen die Richtlinien eine Besitzstandswahrung vor. Die vorläufigen Richtlinien vom 7. Januar 1958 sind inzwischen nach Abstimmung mit den beteiligten Stellen in die endgültigen Richtlinien vom 26. September 1958 übernommen worden.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Keine Zusatzfrage. - Die Fragen 16 und 17 werden im Einvernehmen mit dem Fragesteller schriftlich beantwortet. Ich komme zu Frage 18 - Abgeordneter Dr. Ratzel - betreffend radioaktive Arzneimittel: Trifft es zu, daß in einer großen Zahl von Arzneimitteln ({0}) langlebige radioaktive Substanzen enthalten sind? Trifft es weiter zu, daß sogar Präparate auf dem Markte sind, die während der Schwangerschaft und der Stillperiode verordnet werden, obwohl sie radioaktiv sind? Gibt es trotz der noch immer ausstehenden Strahlenschutzverordnung keine gesetzliche Handhabe, um die Herstellung und den Vertrieb dieser nach Ansicht der Strahlenbiologen gefährlichen Präparate zu unterbinden? Zur Beantwortung Herr Staatssekretär Anders!

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Antwort lautet: Soweit festgestellt werden konnte, werden zur Zeit im Bundesgebiet nur von einem Hersteller Arzneispezialitäten, die langlebige radioaktive Substanzen enthalten, hergestellt. Der Hersteller dieser Arzneispezialitäten hat mitgeteilt, daß zur Zeit drei innerlich anzuwendende Präparate und 16 Salben unter Zusatz einer strahlenden Substanz, einem radioaktiven Mineral, hergestellt werden. Diese Arzneimittel enthalten die strahlenden Substanzen in einer Konzentration, die den hundertsten Teil der zulässigen Toleranzdosis beträgt. Gesundheitliche Schädigungen durch diese Mittel, die zum Teil seit 1908 im Verkehr sind, sind nicht beobachtet worden. Eines dieser Präparate, das als Nährsalz angeboten wird, wird auch zur Verwendung während der Schwangerschaft und in der Stillperiode empfohlen. Schädliche Wirkungen auf Mutter und Kind durch dieses Präparat sind nicht bekannt geworden. Auf Grund der Tatsache, daß gesundheitliche Schädigungen durch diese Mittel bisher nicht bekannt geworden sind, gibt es keine gesetzliche Handhabe, die Herstellung und den Vertrieb dieser Arzneimittel mit radioaktiven Stoffen zu unterbinden. Sofern es sich ergäbe, daß diese Mittel eine starke physiologische Wirkung ausüben und ihre Anwendung ohne ärztliche Verschreibung gesundheitsgefährdend wäre, könnten sie der Rezeptpflicht unterstellt werden; bisher ist das nicht der Fall. Für Mittel und Gegenstände, deren Wirkung ganz oder teilweise auf Radium oder andere radioaktive Stoffe zurückgeführt wird, bestehen hinsichtlich der Werbung folgende Beschränkungen: 1. Es darf für sie nur bei Ärzten, Zahnärzten, Tierärzten, Apothekern und Personen, die erlaubterweise Handel damit treiben, geworben werden. 2. Das Aufsuchen von Bestellungen auf diese Mittel und Gegenstände ist verboten.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Zu einer Zusatzfrage an Stelle des Abgeordneten Dr. Ratzel der Abgeordnete Dr. Bechert.

Dr. Dr. h. c. Karl Bechert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000123, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Darf ich fragen: Wer hat die Angaben über die Konzentration von radioaktiven Stoffen in diesen Arzneimitteln nachgeprüft? Ist das irgendwie amtlich nachgeprüft worden? Das ist die erste Zusatzfrage? Die zweite soll die sein: Ist dem Ministerium bekannt, daß radioaktive Strahlung auch Erbschäden erzeugen kann? Wenn also gesagt wird, es seien bisher noch keine Schäden festgestellt worden, so müßte doch bei einer solchen Behauptung mit berücksichtigt werden, daß nach neuerer Kenntnis - etwa aus dem letzten Jahrzehnt - solche Erbschäden, die durch radioaktive Strahlung erzeugt werden, in der Regel erst nach vielen Generationen zum Vorschein kommen. Mit anderen Worten: ich frage: Ist bei der Antwort des Ministeriums berücksichtigt worden, daß solche Präparate auch daraufhin geprüft werden müßten, ob die Strahlenmenge, die sie bei der Anwendung liefern, auf die Erbkörper einen Schaden für zukünftige Generationen, für die Nachkommenslinien der bestrahlten Personen, bedeuten können?

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Zur ersten Zusatzfrage darf ich bemerken, daß die Unterlagen für diese Antwort amtlich überprüft worden sind. Zur zweiten Zusatzfrage darf ich auf meine Antwort zur Hauptfrage verweisen, in der festgestellt worden ist, daß Arzneispezialitäten, die irgendwelche Gefährdung bedeuteten, nicht im Verkehr sind.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Damit komme ich zur Frage 19 - des Abgeordneten Bauer ({0}) - betreffend die Errichtung eines Schießplatzes bei Berchtesgaden: Besteht im Bundesverteidigungsministerium ernstlich die Absicht, das Wimbachgries bei Berchtesgaden als Schießplatz zu verwenden, und wird - wenn dies tatsächlich der Fall sein sollte - keine andere Möglichkeit gesehen als die Zweckentfremdung eines der wertvollsten deutschen Voll-Naturschutzgebiete? Das Wort hat Herr Staatssekretär Dr. Rust vom Bundesministerium für Verteidigung.

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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf folgendes antworten. Das Wimbachgries bei Berchtesgaden war in der Tat als Schießplatz der Bundeswehr in Aussicht genommen. Es besteht nunmehr jedoch die Möglichkeit einer erweiterten Benutzung der Reiteralpe auch für Übungen mit scharfem Schuß. Sobald hierzu die zu erwartende Zustimmung der bayerischen Staatsregierung vorliegt, wird der für das Wimbachgries laufende Raumordnungsantrag zurückgezogen werden.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Keine Zusatzfrage. - Ich komme zur Frage 20 - des Abgeordneten Bauer ({0}) - betreffend Aufhebung der Unterscheidung von Evakuierten in Außen- und Binnen-Evakuierte: Welche Möglichkeiten werden im Bundesvertriebenenministerium gesehen, um die zu erheblichen Ungerechtigkeiten führende Unterscheidung in „Außen-Evakuierte", d. h. solche, die in ein anderes Bundesland umgesiedelt werden, und „Binnen-Evakuierte", d. h. solche, die innerhalb eines Landes zurückzuführen sind, fallen zu lassen? Ist man bereit, dazu beizutragen, gerade den finanzschwächeren Ländern durch die Mittelzuweisung bei der Rückführung der noch sehr zahlreichen älteren Binnen-Evakuierten bessere Hilfe als bisher zu leisten? Der Herr Staatssekretär im Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung hat wiederholt, zuletzt auf die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD, Drucksache 159, am 12. Februar 1958, erklärt, daß die Binnenrückführung der Evakuierten den Bundesländern obliegt. Dazu veranlassen sie folgende Gründe. Für die Binnenrückführung sind insgesamt noch 51 000 Wohnungseinheiten erforderlich. Somit kann die Rückführung innerhalb von drei Jahren durchgeführt werden, wenn die Länder jährlich rund 17 000 Wohnungseinheiten aus dem allgemeinen, von der Bundesregierung in dem Ihnen bekannten Umfang mitfinanzierten Wohnungsbauprogramm für die Binnenevakuierten vorbehalten. Da im Bundesgebiet jährlich mit Hilfe der vom Bund bereitgestellten allgemeinen Wohnungsbauförderungsmittel etwa 330 000 Wohnungen im Sozialen Wohnungsbau erstellt werden, bedeutet das, daß 5 v. H. der im Sozialen Wohnungsbau erstellten Wohnungen ausreichen, um den Bedarf für die Evakuierten zu decken. Zumal die Rückführung der Evakuierten in der Masse abgewickelt ist, sieht ,die Bundesregierung keinen Anlaß, die bisher vertretene Auffassung aufzugeben.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Keine Zusatzfrage. - Frage 21 - des Abgeordneten Bauer ({0}) - betreffend Unfälle und Gefährdungen deutscher Straßenverkehrsteilnehmer durch militärische Schwerstfahrzeuge: Welche Schritte hat die Bundesregierung unternommen oder gedenkt sie zu unternehmen, um Unfälle und Gefährdungen deutscher Straßenverkehrsteilnehmer durch militärische Schwerstfahrzeuge tunlichst zu verhindern und die Sicherheit in dieser Richtung vor allem auf belebten Hauptverkehrswegen zu gewährleisten? Der Herr Staatssekretär im Ministerium für Verkehr.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf die Anfrage im Einvernehmen mit dem Herrn Bundesminister für Verteidigung wie folgt beantworten. Die Bundeswehr darf nach § 48 der Straßenverkehrsordnung von den Verkehrsvorschriften abweichen, „soweit dies zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben unter gebührender Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dringend geboten ist". Der militärische Schwerverkehr der Bundeswehr ist aber von dieser Befreiungsvorschrift angenommen. Der militärische Schwerverkehr darf nur durchgeführt werden, wenn entweder wie beim zivilen Schwerverkehr dazu eine Erlaubnis der Straßenverkehrsbehörde nach § 5 der Straßenverkehrsordnung erteilt wurde oder wenn hierfür Straßen benutzt werden, die durch Vereinbarungen mit den Straßenverkehrsbehörden und den Trägern der Straßenbaulast für den Militärverkehr freigegeben worden sind. Für den Abschluß solcher Vereinbarungen sind gemeinsame Richtlinien des Bundesministers für Verteidigung und des Bundesministers für Verkehr ausgearbeitet worden, die in Kürze in Kraft treten werden. Durch diese Richtlinien wird sichergestellt werden, daß die Belange des zivilen Verkehrs auch auf den für den schweren Militärverkehr freigegebenen Straßen in ausreichendem Maße gewahrt bleiben. Die Bundeswehr hat außerdem durch Einrichtung besonderer Verkehrskommandanturen dafür gesorgt, daß jeder militärische Verkehr, der die öffentlichen Straßen und Wege übermäßig in Anspruch nimmt, erfaßt und straff gelenkt wird. Ferner hat der Bundesminister für Verteidigung durch Dienstvorschriften und Erlasse die Einordnung des militärischen Verkehrs in den allgemeinen Verkehr geregelt. Auch für die Stationierungsstreitkräfte gilt grundsätzlich das deutsche Verkehrsrecht. Jedoch besteht für den militärischen Schwerverkehr der Stationierungsstreitkräfte keine Erlaubnispflicht. Dies ließ sich bei Abschluß des jetzt geltenden Truppenvertrags noch nicht erreichen. Im Rahmen der laufenden Verhandlungen über die Ablösung des geltenden Truppenvertrags durch ein neues Vertragswerk - ein Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut - haben sich aber die Entsendestaaten bereit erklärt, Vereinbarungen über ein Straßennetz abzuschließen, auf dem der überschwere Verkehr abgewickelt werden soll. Diese Vereinbarungen werden zur Zeit mit den Stationierungsstreitkräften vorbereitet und sollen sobald wie möglich in Kraft treten.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Keine Zusatzfrage! Ich komme zur Frage 22 - des Abgeordneten Dr. Ratzel - betreffend Unterstützung der Karlsruher Kernreaktor GmbH. Sind der Bundesregierung die außerordentlichen finanziellen Schwierigkeiten der Karlsruher Kernreaktor GmbH bekannt, die nicht nur die rechtzeitige Fertigstellung des Reaktors in Frage stellen, sondern auch die Entlassung von Personal notwendig machen? Welche Sofortmaßnahmen gedenkt die Bundesregierung zur Beseitigung dieses akuten Notstandes zu ergreifen? Was gedenkt die Bundesregierung angesichts der Tatsache, daß die ursprünglich vorgesehenen Mittel völlig unzureichend sind, zu tun, um sicherzustellen, daß die Karlsruher Anlage den Erfordernissen der deutschen Atomforschung entsprechend ausgebaut wird? Zur Beantwortung der Herr Bundesminister für Atomkernenergie und Wasserwirtschaft!

Dr. - Ing. Dr. h. c. Siegfried Balke (Minister:in)

Politiker ID: 11000083

Zum ersten Teil der Frage, Finanzierung der Kernreaktor Bau- und Betriebs-Gesellschaft mbH: Die Bundesregierung hat dein beiden Mitgesellschaftern an der Kernreaktor Bau- und Betriebs-Gesellschaft mbH ihre Bereitschaft, sich gemeinsam mit den beiden anderen Gesellschaftern im bisherigen Verhältnis der Anteile an einer Kapitalzufuhr für die Gesellschaft bis zu 60 Millionen DM und, soweit erforderlich, auch darüber hinaus zu beteiligen, mitgeteilt. Sofern dies nicht zur Fertigstellung des Reaktors und zum Ausbau der bereits errichteten drei Institute ausreichen sollte, hat sich die Bundesregierung mit der Ausgliederung eines oder gegebenenfalls aller dieser Institute aus der Kernreaktor Bau- und BetriebsGesellschaft mbH und der Eingliederung in ein anderes Unternehmen bereit erklärt, so daß die für die Institutsbauten veranschlagten Mittel dann für die Fertigstellung des Reaktors verwendet werden können. Durch diese Maßnahmen ist die Fertigstellung des Reaktors nach den von der Geschäftsführung vorgelegten Investitionsplänen nach Auffassung der Bundesregierung gewährleistet. Zum zweiten Teil der Frage, Entlassung von Personal durch die Kernreaktor Bau- und Betriebs-Gesellschaft mbH: Die Erwägungen über eine mögliche Entlassung von Personal haben mit der Frage der Bereitstellung der Investitionsmittel nichts zu tun. Die technische Abteilung/Reaktor der Kernreaktor Bau- und Betriebs-Gesellschaft mbH, die etwa 95 Beschäftigte umfaßt, wird in einigen Monaten mit der Fertigstellung des Reaktors ihre Tätigkeit im wesentlichen beenden können. Sie soll nun nach Vorschlägen der Geschäftsführung, die am 14. Oktober 1958 vorn Aufsichtsrat und der Gesellschafterversammlung gebilligt wurden, mit neuen Aufgaben zum Bau von Einrichtungen für das gesamte Reaktorzentrum Karlsruhe beauftragt werden. Die Weiterbeschäftigung des gegenwärtig in der technischen Abteilung/Reaktor zusammengefaßten Konstruktionspersonals wird jährlich 1,1 bis 1,2 Millionen DM erfordern. Soweit diese Kosten nicht von dritter Seite aufgebracht werden, werden sie nach einem Zusatzvertrag zwischen dem Bund, dem Land Baden-Württemberg und der Kernreaktor Finanzierungs-Gesellschaft mbH im Verhältnis 3:2 vom Bund und dem Land Baden-Württemberg getragen. Sofortmaßnahmen zur Beseitigung eines akuten Notstandes sind demzufolge nicht erforderlich. Zum dritten Teil der Frage, Ausbaupläne: Die Bundesregierung beabsichtigt, im Haushalt 1959 Mittel für die erste Stufe eines etwa 70 Millionen DM umfassenden Bauprogramms zur Errichtung weiterer Institute bereitzustellen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Zu einer Zusatzfrage hat das Wort an Stelle des Abgeordneten Dr. Ratzel der Abgeordnete Dr. Bechert.

Dr. Dr. h. c. Karl Bechert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000123, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ist die Bundesregierung bereit, ihr besonderes Augenmerk darauf zu richten, daß nicht bei eventuell knapp werdenden Mitteln die Sicherheitsmaßnahmen im Karlsruher Reaktor zu kurz kommen?

Dr. - Ing. Dr. h. c. Siegfried Balke (Minister:in)

Politiker ID: 11000083

Die Sicherheitsmaßnahmen, Herr Kollege Bechert, stehen im Vordergrund aller dieser Überlegungen.

Dr. Dr. h. c. Karl Bechert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000123, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich danke.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Ich komme zur Frage 23 - des Abgeordneten Paul - betreffend Lieferung von Funkgeräten für den Truppengebrauch durch private Firmen an souveräne afrikanische Staaten: Ist es richtig, daß durch Maßnahmen der Bundesregierung die Lieferung von Funkgeräten für den Truppengebrauch durch private Firmen an souveräne afrikanische Staaten verzögert worden ist und daß die Zustimmung zu solchen Lieferungen vorn Ausgang von Verhandlungen mit der französischen Regierung abhängig gemacht wird? Das Wort hat der Herr Bundesminister des Auswärtigen.

Dr. Heinrich Brentano (Minister:in)

Politiker ID: 11000263

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bundesaußenminister Dr. von Brentano Auf die Frage des Herrn Kollegen Paul darf ich folgendes erwidern: Es entspricht der Politik der Bundesregierung, deutsche Kriegswaffen und deutsches Kriegsgerät nicht in akute Unruheherde zu liefern. Die Bundesregierung nimmt diese Haltung im Interesse des Friedens ein. Im vorliegenden Falle, auf den der Herr Kollege Paul anspielt, konnte die französische Regierung davon überzeugt werden, daß bei den zur Lieferung kommenden Tornisterfunkgeräten die Gefahr einer Weiterleitung in das Kriegsgebiet in Nordafrika nicht bestand. Die durch diese Konsultation entstandene unwesentliche Verzögerung wurde durch die Tatsache, daß die Lieferung schließlich zur Zufriedenheit aller interessierten Stellen ausgeführt werden konnte, mehr als aufgewogen. Es kann keine Rede davon sein, daß „die Zustimmung zu solchen Lieferungen vom Ausgang von Verhandlungen mit der französischen Regierung" abhängig gemacht wird. Jedoch hält die Bundesregierung eine freiwillige und unverbindliche Konsultation eines befreundeten Staates für geboten, wenn dadurch schwerwiegende Mißverständnisse vermieden werden können.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Keine Zusatzfrage. Ich komme zur Frage 24 - des Abgeordneten Dr. Brecht - betreffend Auflösung bzw. Verkleinerung des Deutschen Bauzentrums. Treffen die Nachrichten zu, daß das in Köln vor wenigen Jahren gegründete Deutsche Bauzentrum wieder aufgelöst oder wesentlich verkleinert und umgestaltet werden muß, obwohl der Bund nach dem Bericht in der Bundestagsdrucksache 522 dafür allein in den Jahren 1954 bis 1957 insgesamt 1 211 500 DM bereitgestellt und auch im Bundeshaushalt 1958 nochmals mehrere hunderttausend Deutsche Mark vorgesehen hat? Wenn dies zutrifft, was sind die wirklichen Gründe für diese Entwicklung, und was ist beabsichtigt, künftig an Stelle des Bauzentrums für die Fortführung bau- und namentlich wohnungswirtschaftlicher Forschungen und deren Auswertung zu tun? Das Wort hat der Herr Bundesminister für Wohnungsbau.

Paul Lücke (Minister:in)

Politiker ID: 11001387

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Nachrichten, Herr Dr. Brecht, über eine Auflösung des Deutschen Bauzentrums e. V. in Köln treffen nicht zu. Es sind von unserem Hause Änderungen in der Organisation vorgenommen worden, die auf einen erheblichen Ausbau der als vorbildlich anerkannten Dokumentationsarbeit des Bauzentrums und eine Verstärkung und Beschleunigung der Verbreitung von Forschungsergebnissen abzielen. Die Vertretung der Belange der Bundesrepublik in internationalen Gremien wird weiter unverändert vom Deutschen Bauzentrum wahrgenommen. Andere Arbeitsgebiete, insbesondere in der Information, werden gemäß Vereinbarung mit in ähnlicher Richtung tätigen Einrichtungen ganz oder teilweise von diesen übernommen. Damit ist es ermöglicht worden, daß der Bundeszuschuß künftig weiter gesenkt werden kann und so gut wie ausschließlich nur noch für die Dokumentationstätigkeit des Deutschen Bauzentrums eingesetzt werden wird.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine Zusatzfrage? - Herr Abgeordneter Dr. Brecht.

Dr. Julius Brecht (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000255, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich habe in meiner Frage nach den wirklichen Gründen für die Veränderungen gefragt. Können Sie, Herr Bundesminister, sagen, aus welchen inneren Anlässen heraus diese zwar nicht Auflösung, aber Umgestaltung innerhalb des Bauzentrums notwendig geworden ist?

Paul Lücke (Minister:in)

Politiker ID: 11001387

Innere Gründe sind mir nicht bekannt.

Dr. Julius Brecht (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000255, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Würden Sie nicht vielleicht in Ihrem Hause einmal nachprüfen, ob nicht in der Konstruktion des Bauzentrums von Anfang an insofern ein Fehler enthalten war, als diese Forschungseinrichtung allzu sehr in eine direkte Abhängigkeit von dem interessierten Wirtschaftszweig einerseits und in eine unmittelbare weisungsgebundene Abhängigkeit vom Ministerium gebracht war, wodurch die Forschungstätigkeit neben der sehr wertvollen Dokumentation - die durchaus anerkannt wird - doch von Anfang an unter gewissen Schwierigkeiten stand, so daß diese Methoden eventuell bei einer Umgestaltung jetzt ausgeräumt werden könnten?

Paul Lücke (Minister:in)

Politiker ID: 11001387

Sollten diese Bedenken bestanden haben, so werden, glaube ich, die vorgesehenen Änderungen, die ich vorgetragen habe, diesen Zustand verbessern.

Dr. Julius Brecht (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000255, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Danke schön.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Ich komme zur Frage 25 - des Abgeordneten Dr. Mommer -: Wie muß sich der Kraftfahrer verhalten, wenn - wie es nicht selten vorkommt - am Beginn einer Baustelle ein Verbotsschild eine Geschwindigkeitsbeschränkung anzeigt, am Ende der Baustelle aber die Beschränkung nicht durch ein Schild gemäß Bild 21 a StVO aufgehoben wird? ({0}) Der Herr Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter Dr. Mommer, ich beantworte Ihre Frage wie folgt. Wenn das Verkehrszeichen für die Geschwindigkeitsbeschränkung hinter der Baustelle nicht wiederholt wird, so darf die vor der Baustelle erlaubte Fahrgeschwindigkeit wieder aufgenommen werden, auch wenn das Bild 21 a, also die weiße Scheibe mit dem schwarzen Querbalken als Zeichen für das Ende der Geschwindigkeitsbeschränkung nicht aufgestellt ist. Das ergibt sich aus der Rechtsprechung über den Geltungsbereich von Gebots- und Verbotszeichen. Hiernach richtet sich der Geltungsbereich nach den örtlichen Verhältnissen. Damit übereinstimmend ist nach den Vorschriften der StraßenverStaatssekretär Dr. Seiermann kehrsordnung das Ende des Geltungsbereichs kenntlich zu machen, wenn dies nicht aus den örtlichen Verhälnissen entnommen werden kann. Auf den großen Baustellen, besonders auf den Bundesautobahnen, wird die Beschilderung im allgemeinen jetzt sorgfältig ausgeführt. Das gleiche kann man nicht von allen anderen Baustellen sagen. Aus diesem Grunde werden gegenwärtig bundeseinheitliche Richtlinien für die Verkehrsregelung an Arbeits- und Unfallstellen ausgearbeitet. Diese werden auch für die Anordnung von Geschwindigkeitsbeschränkungen, Überholverboten und anderen verkehrsregelnden Maßnahmen einheitliche Hinweise geben.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine Zusatzfrage? - Herr Dr. Mommer.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001529, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, jetzt weiß ich, was ich tun muß, wenn ein Schild nicht da ist. Sagen Sie mir bitte noch, was ich tun muß, wenn ein Schild da ist und z. B. im Sommer da steht „Langsam fahren! Glatteisgefahr!" ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das kommt sehr häufig vor.

Not found (Staatssekretär:in)

Ich habe das selbst auch erlebt. Sie brauchen sich bestimmt nicht im Sommer an dieses Schild zu halten. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Ich sehe, daß die Beantwortung der Frage zur Zufriedenheit des Kraftfahrers Dr. Mommer ausgefallen ist. Frage 26 - des Abgeordneten Schneider ({0}) - über Wiederherstellung des freien Wettbewerbs in der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung: Welche Schritte gedenkt der Herr Bundeswirtschaftsminister zu unternehmen, um den freien Wettbewerb in der KraftfahrzeugHaftpflichtversicherung wiederherzustellen? Der Herr Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Bundeswirtschaftsministerium untersucht zur Zeit sehr eingehend die Möglichkeiten, den Wettbewerb in der Kraftfahrversicherung durch eine freiere Gestaltung der Prämien oder in sonstiger geeigneter Weise zu verstärken. Allerdings sind die Aussichten für einen freien Wettbewerb in der Prämiengestaltung angesichts der Bestimmungen des Kartellgesetzes nicht sehr groß, da für die Kraftfahrversicherung im Falle der Aufhebung der staatlichen Preisbindung besondere Bedingungen gelten würden. Die Entscheidung in dieser Angelegenheit ist für die gesamte Sachversicherung insofern von großer Bedeutung, als der Kraftfahrversicherung im Rahmen der Sachversicherung eine überragende Bedeutung zukommt. Auf sie entfällt rund die Hälfte des Prämienvolumens der ganzen Sachversicherung. Der Schadenverlauf und die Kostenlage werden daher eingehend untersucht. Die Auswertung der Untersuchungsergebnisse ist nahezu abgeschlossen, so daß den beteiligten Kreisen der Versicherungswirtschaft und der Versicherungsnehmer in wenigen Wochen Gelegenheit gegeben sein wird, ihre auf Grund dieser Erkenntnisse zu formulierenden Wünsche für die künftige Gestaltung der Kraftfahrversicherung im einzelnen mit dem Bundeswirtschaftsministerium zu behandeln. Wie mir bekanntgeworden ist, haben sich bereits in den letzten Tagen die Kraftfahrversicherer mit der künftigen Tarifgestaltung befaßt. Die bisherigen, noch nicht ganz abgeschlossenen Erhebungen haben ergeben, daß die Anzahl der Schadenfälle zwar zurückgegangen ist - nicht zuletzt auf Grund der Geschwindigkeitsbegrenzung -, daß aber andererseits der Schadensbetrag, der für die Regulierung des einzelnen Schadenfalles aufgewendet werden muß, gestiegen ist. Es erscheint also fraglich, ob mit einem Rückgang der Prämien zu rechnen wäre, selbst wenn ein freier Wettbewerb hergestellt wird. Bei der nach Abschluß der Erhebungen zu treffenden Entscheidung werden außer wirtschaftspolitischen und versicherungswirtschaftlichen Überlegungen auch die Gesichtspunkte zu berücksichtigen sein, die sich aus dem bevorstehenden Abschluß eines europäischen Abkommens im Rahmen des Europarates über die Einführung der obligatorischen Haftpflichtversicherung für Kraftfahrzeuge ergeben werden. Selbstverständlich wird aber das Bundeswirtschaftsministerium entsprechend seiner grundsätzlichen wirtschaftspolitischen Auffassung bestrebt bleiben, auch auf diesem Gebiet trotz seiner Besonderheiten Lösungen zu finden, die eine wettbewerbsgerechte Prämiengestaltung ermöglichen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Keine Zusatzfrage. Die Frage 27 wird im Einvernehmen mit dem Antragsteller schriftlich beantwortet. Ich komme zu Frage 28 - des Abgeordneten Schneider ({0}) - betreffend Auswirkungen der holländischen Hafenbaupolitik auf die deutschen Nordseehäfen: Wie beurteilt die Bundesregierung die möglichen Auswirkungen der holländischen Hafenbaupolitik auf die deutschen Nordseehäfen? Das Wort hat der Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beantworte die Frage des Herrn Abgeordneten Schneider ({0}) wie folgt: Die Niederlande haben Mitte September mit dem Bau eines neuen Großhafens - genannt Europoort - unmittelbar an der Mündung des neuen Wasserweges in die Nordsee begonnen. In der ersten Ausbaustufe, die mit einem Aufwand von rund 170 Millionen DM bis zum Jahre 1960 beendet werden soll, sollen Anlagen für die Abfertigung von Massengutschiffen von 65 000 t Tragfähigkeit und in einer weiteren Baustufe Anlagen für die Abfertigung von Schiffen von 100 000 t und mehr hergerichtet werden. Der Bau dient in erster Linie der Anpassung an die im überseeischen Massengutverkehr von 01, Erz und Kohle sich immer mehr durchsetzenden Großfrachter. Auch in dem übrigen benachbarten Ausland, z. B. in Belgien, Frankreich und den Niederlanden, werden Pläne zum weitgehenden Ausbau der dort vorhandenen Hafenanlagen erörtert. Der großzügige Ausbau der Seeverkehrswirtschaft in den Niederlanden und im übrigen benachbarten Ausland zwingt die Bundesrepublik, auch ihre Häfen und die damit in Verbindung stehenden Verkehrswege der kommenden Entwicklung anzupassen, wenn wir nicht Gefahr laufen wollen, daß unsere Häfen bei dem in allernächster Zeit zu erwartenden verschärften Wettbewerb in den Hintergrund gedrängt werden. Nach den Bestimmungen unseres Grundgesetzes ist der Ausbau der Hafenanlagen Sache der Küstenländer. Es ist anzunehmen, daß diese sich bereits eingehend mit dem Problem befassen. Aufgabe der Bundesregierung ist es, die seewärtigen Zufahrtsstraßen nach unseren Häfen soweit wie möglich den Verhältnissen des Großschiffsverkehrs anzupassen und für leistungsfähige Verbindungswege mit dem Hinterland zu sorgen. An der Unterelbe, der Unterweser, der Ems und der Jade sind bereits seit einiger Zeit Baggerarbeiten im Gange. Die Bundesregierung wird sich in allernächster Zeit in einem Vierjahresplan u. a. mit dem Ausbau der deutschen Seewasserstraßen und ihrer Anpassung an die Verkehrsbedürfnisse des heutigen Überseeverkehrs befassen. Auch an dem Ausbau der binnenwärtigen Verkehrswege unserer Häfen wird laufend gearbeitet. Verwiesen sei nur auf die Bauten am Dortmund-Ems-Kanal, die Mittelweserkanalisierung und dein Bau der Autobahn von Hamburg über Hannover nach Süddeutschland. Darüber hinaus wird geprüft werden müssen, ob und inwieweit die übrigen Hinterlandverbindungen unserer Häfen weiter verbessert werden können. Dies gilt insbesondere für die Verbindungen unserer am weitesten östlich gelegenen Häfen Hamburg und Lübeck. Bei der Ausgestaltung unserer Seehafenwirtschaft werden nicht nur die Bedürfnisse der Bundesrepublik und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, sondern auch die Verkehrsbedürfnisse zu berücksichtigen sein, die sich im Falle der Wiedervereinigung ergeben. Alsdann werden unsere Häfen entsprechend den geographischen Gegebenheiten wieder als Überseehäfen für weite Teile des mitteleuropäischen Raumes zu dienen haben. Eine Zurückstellung der Anpassung unserer Häfen an die Erfordernisse des modernen Überseeverkehrs bis zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung würde ausländischen Häfen ein derartiges Übergewicht geben, daß auch nach einer Wiedervereinigung die Weiterentwicklung unserer Häfen schwierig wäre.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Keine Zusatzfrage. Zur Beantwortung der Frage 29 - des Abgeordneten Wegener - betreffend Wiederherstellung der Autobahnbrücke über das Lahntal bei Limburg: Trifft es zu, daß die bei Kriegsende zerstörte Autobahnbrücke über das Lahntal bei Limburg nicht in ihrer ursprünglichen Form, sondern aus wirtschaftlichen Erwägungen mit Vollwandträgern auf dünnen Stahlstützen wiederaufgebaut werden soll? Soll die Behelfsform, zu der man sich bei der provisorischen Wiederherstellung nach dem Kriege nur unter Zurückstellung stärkster Bedenken entschließen konnte, zur Dauerform werden? wieder der Herr Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Frage des Herrn Abgeordneten Wegener beantworte ich wie folgt. Für den Wiederaufbau der Autobahnbrücke über das Lahntal bei Limburg werden eingehende Untersuchungen angestellt, um eine Formgebung zu finden, die der Landschaft des Lahntales an dieser Stelle gerecht wird und die wirtschaftlich vertretbar ist. Dabei wird u. a. auch eine Ausführung der Brücke als stählerner Vollwandträger überprüft, bei der aber keinesfalls dünne Stahlstützen, sondern massive Pfeiler in Betracht gezogen werden. Eine solche Ausführung würde dem Beschauer ein wesentlich günstigeres Bild bieten als der jetzige Behelfszustand mit Fachwerküberbau und dünnen Stahlstützen. Eine Entscheidung ist erst nach Abschluß der Untersuchungen möglich.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine Zusatzfrage? - Das ist nicht der Fall. Die Frage 30 ist vom Fragesteller zurückgezogen. Ich komme zu Frage 31 - des Abgeordneten Wehr - betreffend Repatriierung noch . in der UdSSR befindlicher deutscher Staatsbürger: Ist der Bundesregierung bekannt, daß die mit dem Moskauer Vertrag vom 25. April 1958 ausgehandelte Repatriierung noch in der UdSSR befindlicher deutscher Staatsbürger auf Schwierigkeiten stößt, soweit es sich um die Willenskundgebung der Repatrianden bei den örtlichen Milizbehörden zwecks Erlangung der Ausreisegenehmigung handelt? Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um diesen Personen zu helfen bzw. die Behörden der UdSSR zu veranlassen, daß deren örtliche Milizorgane im Geiste der Repatriierungserklärung vom 8. April 1958 tatsächlich handeln? Ist die Bundesregierung bereit, in besonderen Fällen, wie im Falle der Elfriede Konowski, z. Z. in Gorod Karaganda, Ulica Amangildy 12, Kasachskaja SSR, die, vor 20 Jahren auf Grund nationalsozialistischer Verfolgung als 10jähriges Kind von den Eitern getrennt, über das Zuchthaus Wolfenbüttel, Polen, nach Sibirien verschleppt wurde, Einzelverhandlungen außerhalb des Repatriierungsübereinkommens zu führen? Warum hat die Bundesregierung, obwohl ihr der Fall Konowski bekannt ist, der in der Repatriandenliste unter dem Aktenzeichen IB3 - 13 127 - B - Liste So 2006 geführt wird, keine solche Verhandlungen geführt? Ist der Bundesregierung bekannt, daß solche Einzelverhandlungen durchaus möglich sind und auch Erfolg haben? Das Wort hat der Herr Bundesminister des Auswärtigen.

Dr. Heinrich Brentano (Minister:in)

Politiker ID: 11000263

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Frage des Herrn Kollegen Wehr beantworte ich wie folgt. Bundesaußenminister Dr. v. Brentano Es ist der Bundesregierung bekannt, daß Deutsche in der Sowjetunion, die auf Grund der deutschsowjetischen Vereinbarungen vom 8. April 1958 zur Ausreise berechtigt sind, in einer Reihe von Fällen bei den örtlichen sowjetischen Milizbehörden auf Schwierigkeiten gestoßen sind, wenn sie die Genehmigung zur Ausreise in die Bundesrepublik beantragt haben. Im allgemeinen handelt es sich nach den bisherigen Feststellungen um Schwierigkeiten bürokratischer Art, die sich hemmend auf die Ausreise auswirken. Es hat den Anschein, daß einzelne Milizbehörden nur zögernd an die Verwirklichung der Vereinbarung herangehen. Die deutsche Botschaft in Moskau steht weisungsgemäß in einer ständigen Verbindung mit dem sowjetischen Außenministerium, um an Hand von Einzelfällen auf eine Abstellung der auftretenden Schwierigkeiten hinzuwirken. Die Bundesregierung wird sich auch weiterhin mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln für eine rasche und vollständige Durchführung der am 8. April 1958 getroffenen Vereinbarung einsetzen. Zu dem Fall der Elfriede Konowski ist folgendes zu sagen: Nach den Feststellungen des Herrn Bundesministers des Innern ist Fräulein Konowski von Geburt polnische Staatsangehörige und hat zu keinem Zeitpunkt die deutsche Staatsangehörigkeit erworben. Ihr Vater war polnischer Staatsangehöriger jüdischen Glaubens. Die Familie Konowski ist im Jahre 1938 nach Polen ausgereist. Die Mutter der Genannten ist ein Jahr später nach Deutschland zurückgekehrt. Ihre Tochter Elfriede blieb in Polen zurück. Der Herr Bundesminister des Innern hat Fräulein Konowski deshalb auf die Übernahmeliste gesetzt, weil sie offenbar infolge der nationalsozialistischen Maßnahmen Deutschland verlassen hat und ihr die Wiedervereinigung mit ihrer Mutter ermöglicht werden sollte. Es muß aber darauf hingewiesen werden, daß die Möglichkeiten der deutschen Botschaft in Moskau in diesem Falle auf Grund der bestehenden Rechtslage begrenzt sind. Die Botschaft versucht zur Zeit zu klären, welchen Schwierigkeiten Fräulein Konowski im einzelnen bei der Erlangung der Ausreisegenehmigung gegenübersteht. Erst nach Vorliegen dieser Angaben kann über das weitere Vorgehen entschieden werden. Auf die Frage, warum zugunsten Fräulein Konowskis noch keine Einzelverhandlungen aufgenommen wurden, darf ich antworten, daß die deutsche Botschaft in Moskau bei der Unzahl der Anträge gezwungen ist, eine gewisse Reihenfolge einzuhalten und daß sie sich bisher weisungsgemäß vordringlich solcher Fälle angenommen hat, deren Lösung zur Beseitigung von Schwierigkeiten in einer möglichst großen Anzahl Bleichgelagerter Fälle beitragen konnte. Wie erwähnt, hat die deutsche Botschaft in Moskau bereits eine große Anzahl von Einzelfällen an die sowjetischen Behörden herangetragen. Die Bundesregierung glaubt sagen zu können, daß diese Bemühungen in verschiedenen Fällen zu einem günstigen Ergebnis geführt haben. Ob dies auch für den besonders gelagerten Fall Konowski zutrifft, muß abgewartet werden.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Keine Zusatzfrage. Meine Damen und Herren, die 60 Minuten der Fragestunde sind abgelaufen. Die nicht beantworteten Fragen werden wie üblich schriftlich beantwortet. Die nächste Fragestunde ist am Mittwoch, dem 29. Oktober; Sperrfrist für eingehende Fragen ist Freitag, der 24. Oktober, 12 Uhr. Ich komme zu Punkt 2 der Tagesordnung: Große Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Reform des Bundesversorgungsgesetzes ({0}). Das Wort zur Begründung der Großen Anfrage hat der Abgeordnete Pohle.

Kurt Pohle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001728, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im vorparlamentarischen Raum waren in dieser Woche zwei Veranstaltungen von Bedeutung. Sie lane haben Gelegenheit gehabt, die Suchausstellung des Deutschen Roten Kreuzes und der kirchlichen Verbände zu besichtigen. Sicher haben Sie dabei das Gefühl gehabt, daß es auf diesem Gebiet noch viel zu tun gibt, daß noch viele Schicksale aufzuklären sind. Als ich so im Vorbeigehen von einer Frau die Äußerung hörte: „Was sie in 13 Jahren nicht gefunden haben, werden sie auch jetzt nicht finden", da war ich ein wenig erschüttert; denn es kommt doch wohl darauf an, den Eltern oder den Frauen Gewißheit über das Schicksal der Männer und Söhne zu geben, und wenn es auch 15 oder 16 Jahre dauert. ({0}) Das ist doch wohl einer mühseligen Arbeit wert, und wir sollten sie uns auch etwas kosten lassen. Es gab eine zweite Veranstaltung, die uns hier im Hause nur zu einem Teil in Anspruch genommen hat, die aber auch von großer Bedeutung war. Die Kriegsgräberfürsorge hat die Abgeordneten der einzelnen Fraktionen gebeten, von ihrer Arbeit Kenntnis zu nehmen. Die Karten der Soldatengräber, die über Europa und einen Teil der übrigen Welt verstreut sind, brachten uns wieder einmal eindringlich zum Bewußtsein, wie grausam der Tod damals bei uns Ernte gehalten hat. Ich möchte all den Helferinnen und Helfern, die sich in der Vergangenheit und Gegenwart bemüht haben, unseren Kameraden würdige Grabstätten zu schaffen und Schicksale aufzuklären, von dieser Stelle aus meinen tiefempfundenen Dank aussprechen. Im Deutschland-Union-Dienst konnte ich heute folgende Zeilen lesen: Ob solchen Aufgaben mit polemischen Anträgen im Parlament während des Reifens der Entscheidung gedient wird, mag dahingestellt sein. Wenn unsere Große Anfrage als ein polemischer Antrag gewertet werden soll, dann weiß ich nicht, was man in diesem Hause überhaupt noch darf und was man nicht mehr darf. Man darf doch wohl wenigstens noch fragen! ({1}) 2570 Deutscher Bundestag - 3. Wahlperiode - 46. Sitzung. Bonn, Freitag, den 17. Oktober 19i8 Man darf doch noch wegen einer gültigen Aussage an die Regierung herantreten! Wir werden bei der Tagung des Weltfrontkämpferverbandes am 17. November in Holland mit dem Herrn Minister Blank und vier Angehörigen seines Ministeriums zusammensitzen und uns über die Probleme der Kriegsopferversorgung in der ganzen Welt unterhalten. Ich möchte aber schon hier etwas über die Zielsetzung der Regierung wissen und mir den Bescheid nicht erst in Holland holen müssen. ({2}) In dem Augenblick, in dem die Legislaturperiode eines Parlaments zu Ende geht, ist alles untergegangen, was es bisher nicht erledigt hat. Aber es gibt so etwas wie ein Testament, und praktisch hat uns das zweite Parlament der Bundesrepublik Deutschland ein Testament hinterlassen. Es hat sich bei der Verabschiedung der Sechsten Novelle quer durch alle Fraktionen einmütig dazu bekannt, daß der dritte Bundestag die große Aufgabe hat, das Bundesversorgungsgesetz zu reformieren. Der Herr Minister Blank wird festgestellt haben, daß in der Großen Anfrage der SPD-Fraktion ein Teil seiner eigenen Gedanken niedergelegt worden ist. Wenn also etwas in dieser Großen Anfrage polemisch sein sollte, dann wären das schließlich die Gedanken des Herrn Ministers Blank, die er den drei großen Ausschüssen vor einigen Monaten zur Kenntnis gebracht hat, als er darlegte, welche Vorstellungen er über die Gestaltung des Rentensystems, die Anrechnung des sonstigen Einkommens, die stärkere Berücksichtigung des Berufsstandes, die Änderung der Vorschriften über die Heilbehandlung und die Kapitalabfindung hat. Das sind Punkte. die auch Minister Blank als neuralgisch angesehen hat. Diese Fragen sind auch nach seiner Ansicht nicht vollkommen gelöst und müssen in irgendeiner Form in einer künftigen Novelle zum Bundesversorgungsgesetz besser berücksichtigt werden. Herr Minister Blank hat aber nicht gesagt, wie er sich das denkt. Wir möchten hier doch zu erfahren versuchen: Wo geht der Weg hin und wie können wir schon im parlamentarischen Rahmen das vorbereiten helfen, was sich dann einmal segensreich auswirken soll. Wir fragen also in aller Offenheit - nicht polemisch, aber aus dem Gefühl, daß darüber einmal eine gültige Aussage gemacht werden muß -: Wann gedenkt die Bundesregierung dem Bundestag den Gesetzentwurf zur Reform des Bundesversorgungsgesetzes vorzulegen? Ein Jahr dieser Legislaturperiode ist jetzt herum. Wir müssen darüber, was in den nächsten drei Jahren auf dem Gebiet der Kriegsopferversorgung geschehen soll, irgendeine Vorstellung entwickeln. Wir können auf die vielen Anfragen, die an uns gelangen, nicht immer antworten: Demnächst, Genaues ist noch nicht bekannt. Wir möchten wirklich einmal wissen, ob in absehbarer Zeit eine Vorlage der Bundesregierung hier in diesem Hause erscheint oder nicht. Der zweite Punkt unserer Anfrage betrifft die Probleme, die ich soeben schon angeführt habe. Naturgemäß interessiert uns, mit welchen Mehraufwendungen im Haushaltsplan die Bundesregierung für die Reform des Bundesversorgungsgesetzes rechnet. Auch in dieser Beziehung sind nämlich von der Bundesregierung und ihren Organen in der Öffentlichkeit widersprechende Erklärungen abgegeben worden. Wenn man die letzten Tagesnotizen liest, die darüber in der Presse erschienen sind, könnte man sagen: Ihr, die ihr eingehet, lasset alle Hoffnung fahren! Denn wenn in dieser Reform des Bundesversorgungsgesetzes keine zusätzlichen Mittel hineingepumpt werden, meine Damen und Herren, dann wird es eben keine Reform, sondern eine rückschrittliche Maßnahme werden. Darüber müssen wir uns klar sein. ({3}) Noch etwas anderes bedrückt uns schwer. Die Reform wird ja nicht von heute auf morgen verabschiedet werden, und kein Mensch in diesem Hause kann daran interessiert sein, daß es eine ,,Holterdiepolter-Reform" wird, die unter Zeitdruck verabschiedet wird. Wir möchten keine Wiederholung dessen, was wir schon bei einigen Novellen erlebt haben. Daher ist wohl die Frage berechtigt, ob nicht Maßnahmen ergriffen werden sollten, um hinsichtlich der Rentenaufbesserung eine Zwischenlösung zu erzielen. Auch hier möchten wir gern von der Bundesregierung wissen, welche Gedanken sie sich gemacht hat und ob sie dem Gedanken einer solchen Zwischenlösung grundsätzlich nähertreten will. Wir verlassen uns nicht auf das, was in der Presse gestanden hat: „Vorerst keine Erhöhung der Kriegsopferrenten" usw. usw., sondern wir möchten hier von der Bundesregierung eine Auskunft erhalten, die hieb- und stichfest ist. Meine Damen und Herren, als das Bundesversorgungsgesetz im Jahre 1950 verabschiedet wurde, war es ein Kind der Not. Keiner von uns konnte eine gültige Aussage über die wirtschaftliche und finanzielle Entwicklung in der Bundesrepublik machen. Wir haben jetzt andere Verhältnisse. Wir, die sozialdemokratische Bundestagsfraktion, haben die Überzeugung, daß die Entwicklung des Bundesversorgungsgesetzes nicht mit der Entwicklung des Sozialprodukts Schritt gehalten hat und daß auf diesem Gebiet ein echter Nachholbedarf vorhanden ist, der befriedigt werden sollte. Im Bundesversorgungsgesetz sind noch eine ganze Reihe offenbarer Ungerechtigkeiten enthalten, die ausgebügelt werden müssen. Meine Damen und Herren, nehmen Sie zur Kenntnis: Wir Sozialdemokraten wollen mit dieser Großen Anfrage nicht polemisieren, sondern wir wollen helfen! ({4})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort zur Beantwortung der Großen Anfrage hat der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung.

Theodor Blank (Minister:in)

Politiker ID: 11000195

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Beantwortung der Großen Anfrage fällt mitten hinein in die Vorarbeiten zur Änderung des Kriegsopferrechtes. Die Versorgung der Opfer beider Weltkriege verpflichtet das ganze deutsche Volk. Es ist daher kein Zufall, daß das erste vom Bundestag einmütig angenommene sozialpolitische Gesetz das Bundesversorgungsgesetz war. Nachdem die Besatzungsmächte 1945 die alten Versorgungsgesetze außer Kraft gesetzt hatten und die Länder ab 1947 nur gewisse unterschiedliche Zwischenlösungen bringen konnten, war es dann ein besonderes Anliegen des 1. Deutschen Bundestages, die Not und Sorgenlast der Menschen zu mindern, die durch die beiden Weltkriege an Leib oder Leben Schaden erlitten haben. Auch in der Folgezeit waren der Gesetzgeber wie auch die Bundesregierung ständig bemüht, die Kriegsopferversorgung zu einem würdigen, lebensnahen und sozial gerechten Gesetzeswerk auszubauen. Das zeigen die einmütig beschlossenen sechs Novellen zum Bundesversorgungsgesetz, die erhebliche Verbesserungen in der Rentenhöhe und in den Bestimmungen über die Anrechnung des sonstigen Einkommens, sodann aber auch doch eine Erweiterung des berechtigten Personenkreises brachten. So haben sich die Grund- und Ausgleichsrenten von 1950 bis heute im Durchschnitt mehr als verdoppelt. Bei den Kriegerwitwen erhöhten sie sich sogar um mehr als um das Anderthalbfache. Der Wert der Kriegsopferversorgung kann aber auch nicht allein - wie dies vielfach in der breiten Öffentlichkeit geschieht - nach der Höhe der Rentenleistungen bemessen werden. Eine echte Sozialpolitik muß bestrebt sein, die Gesundheit und Arbeitsfähigkeit jedes einzelnen zu erhalten oder wiederherzustellen. Diese Maßnahmen der Rehabilitation, zu denen auch das Schwerbeschädigtengesetz mit der bevorzugten Unterbringung und Sicherung des Arbeitsplatzes zählt, müssen auch weiterhin im Vordergrund aller beabsichtigten Maßnahmen stehen und nicht - das ist bisher unbestritten -die Rentenleistungen. Durch großzügige Arbeits- und Berufsförderung sind die Betroffenen wieder in den Arbeitsprozeß einzugliedern und durch geeignete Hilfen wirtschaftlich so zu stellen, daß sie ihren Lebensunterhalt nicht nur mit Rentenleistungen zu bestreiten gezwungen sind. Diese Bemühungen der Bundesregierung haben auch Erfolg gehabt. Der Anteil der Empfänger einer Ausgleichsrente an der Gesamtzahl der Berechtigten hat sich in der Zeit von 1952 bis 1958 trotz der mehrfachen Erhöhungen der Ausgleichsrenten und der Einkommensgrenzen sowie der erheblichen Verbesserungen der Anrechnungsbestimmungen laufend verringert. Von etwa 700 000 Schwerbeschädigten erhalten nur 60 000 die volle Ausgleichsrente, von denen noch etwa 20 000 den Arbeitsämtern als arbeitsuchend gemeldet sind. Daraus ist zu ersehen, daß der weitaus größte Teil der Schwerbeschädigten wieder in den Arbeitsprozeß eingegliedert ist und damit auch an dem gestiegenen Wohlstand teil hat. D e n Versorgungsberechtigten aber, die über kein weiteres oder nur geringes sonstiges Einkommen verfügen, sollte wirksam und angemessen durch Maßnahmen der Rehabilitation oder durch entsprechende Erhöhung der Renten geholfen werden. Die Bundesregierung glaubt jedoch mit diesem Hohen Hause darin einig zu sein, daß Vorschläge, die jeden Sinn für die Wirklichkeit vermissen lassen, keine geeignete Diskussionsgrundlage sind, zumal für die Ausgabe von zusätzlichen Milliardenbeträgen sachliche Notwendigkeiten nicht erkennbar sind. Die einzelnen Punkte der Großen Anfrage beantworte ich wie folgt. Zu 1: Eine sozial gerechte und befriedigende Lösung verlangt umfangreiche und eingehende Vorarbeiten. Ihre Ergebnisse und Erkenntnisse sind noch mit den einzelnen Ressorts, den Ländern und dem Beratenden Beirat für Fragen des Versorgungsrechts zu erörtern und abzustimmen. Erst dann kann der Gesetzentwurf dem Bundesrat zugeleitet werden. Die Bundesregierung wird alle Möglichkeiten ausnutzen, den Ablauf des weiteren Verfahrens zu beschleunigen. Mit einer entsprechenden Gesetzesvorlage kann Anfang des nächsten Jahres gerechnet werden. Zu 2 a: Die Bundesregierung ist nach eingehender Prüfung zu der Überzeugung gelangt, daß an dem Grundsatz der Zweiteilung der Renten festzuhalten ist. Die Grundrente soll entsprechend ihrem Charakter als Festrente unabhängig von anderen Einkünften unantastbar bleiben. Es wird zu prüfen sein, inwieweit die Ausgleichsrenten, die der Sicherstellung des Lebensunterhalts dienen, in ihrer jetzigen Höhe noch diesem Zweck gerecht werden und wie der Leistungsgedanke hierbei noch gefördert werden kann. Zu 2 b: Die Bundesregierung erwägt, die Bestimmung über die Anrechnung sonstigen Einkommens zu vereinfachen und zu verbessern. Zu 2 c: Es ist vorgesehen, die Abgeltung eines Berufsschadens im Grundsatz beizubehalten und hierbei die Schwerstbeschädigten und die Witwen, die durch den Verlust ihres Ehemanns einen sozialen Abstieg haben hinnehmen müssen, besonders zu berücksichtigen. Zu 2 d: Die Bundesregierung beabsichtigt nicht, das System der Leistungen zu ändern. Zu 2 e: Es ist vorgesehen, die Vorschriften über die Heil- und Krankenbehandlung auf Grund der praktischen Erfahrungen systematisch neu zu fassen und auch teilweise zum Zwecke der Klarstellung zu ergänzen. Zu 2 f: Die Bundesregierung war und bleibt ständig bemüht, neben der Förderung des allgemeinen Wohnungsbaues noch weitere zusätzliche Mittel den Kriegsbeschädigten und -hinterbliebenen im Wege der Kapitalabfindung, insbesondere für die Errichtung von Eigenheimen, zur Verfügung zu stellen. Hierfür werden bis Ende 1958 ca. 600 Mil2572 Bundesarbeitsminister Blank lionen DM verausgabt sein. Allein bis zum 31. März 1958 haben 85 000 Beschädigte und Witwen eine Kapitalabfindung erhalten, die es ihnen ermöglichte, für sich und ihre Familie eine würdige und angemessene Unterkunft zu schaffen. Die Vorschriften über die Kapitalabfindung haben sich nach Auffassung der Bundesregierung vollauf bewährt. Grundsätzliche Änderungen sind daher nicht in Erwägung gezogen. Zu 3: Da die Vorarbeiten noch nicht abgeschlossen sind, lassen sich heute - mitten in den Verhandlungen über den Finanzbedarf des Bundes für das Jahr 1959 - noch keine näheren Angaben über notwendig werdende Mehraufwendungen machen. Zu 4: Da in absehbarer Zeit mit der Vorlage eines Gesetzentwurfs zur Reform des Bundesversorgungsgesetzes zu rechnen ist, wird eine Übergangsregelung nicht für zweckmäßig gehalten. Zusammenfassend darf ich feststellen, daß das Schwergewicht der Neuordnung des Kriegsopferrechts nach Meinung der Bundesregierung ,auf die Wiederherstellung der Gesundheit, die Wiedereingliederung in den Arbeitsprozeß und auf andere Maßnahmen der Rehabilitation zu legen ist. Die Bundesregierung ist davon überzeugt, daß das der richtige Weg ist, um den Beschädigten die innere Ausgeglichenheit und das Gefühl zurückzugeben, ein vollwertiges Glied der Gemeinschaft zu sein. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Die Große Anfrage ist beantwortet. Eine Aussprache wird gewünscht. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Frau Abgeordnete Dr. Probst.

Dr. Maria Probst (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001753, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Große Anfrage der sozialdemokratischen Fraktion - Drucksache 434 - datiert vom 11. Juni dieses Jahres, also von einem Zeitpunkt, an dem der Beratende Beirat für Versorgungsrecht beim Bundesarbeitsministerium seine Stellungnahme noch nicht abschließend erarbeitet hatte. Die Beratungen des Beirates nahmen den Zeitraum vom 6. November 1957 bis zum 28. Juni 1958, also acht Monate, in Anspruch. Der Beirat setzt sich zusammen aus sieben Vertretern der Kriegsopferverbände, sieben Ländervertretern und vier sozial erfahrenen Persönlichkeiten. Daß die Bundesregierung das Ergebnis der Arbeiten des Beirates abwartet, wird von dem ganzen Hohen Hause bejaht. In dem Beirat ist der berechtigte Personenkreis selber vertreten. Es liegt uns allen daran, daß die Gesetzenwürfe der B undiesregierung durch das Anhören der Vertreter des Personenkeises lebensnahe gestaltet werden. ({0}) Was soll dann eine Anfrage der Opposition an die Bundesregierung während der Sitzungsperiode dies Beirates? ({1}) Solche detaillierten Anfragen in einem Zeitpunkt, in dem noch nicht einmal der Beirat sein Votum abgegeben hat, unterbrechen in der Tat den natürlichen Reifeprozeß eines demokratischen Gesetzes ({2}) und führen zu vorzeitigen Präjudizierungen, die der Sache selber, der Sache der Kriegsopfer, die uns allen so sehr am Herzen liegt, nicht nützen. ({3}) Das parlamentarisch übliche und sicherlich in vielen Fällen probate Mittel einer Einwirkung auf eine Regierung zur Beschleunigung von Maßnahmen kann im Falle der Vorbereitung der Neuordnung der Kriegsopferversorgung doch nur behutsam angewendet werden. ({4}) Ich beziehe mich auf den Herrn Kollegen Pohle, der als Vorsitzender des Kriegsopferausschusses eine umfassende, eine gründliche, ja eine geradezu wissenschaftliche Arbeit - ich zitiere wörtlich, Herr Kollege Pohle - als erforderlich bezeichnete, um die Neuordnung vorzubereiten und durchzuführen. Hier sei ein Zeitdruck, wie er bei der Verabschiedung der letzten Novellen zu beklagen gewesen sei, nicht am Platze. ({5}) Diese Auffassung steht in voller Übereinstimmung mit der Auffassung der Kriegsopfer, die von allen Verantwortlichen eine gründlich vorbereitete und ausgereifte gesetzgeberische Leistung erwarten. ({6}) Ich darf ferner auf eine Meinungsäußerung des Herrn Vorsitzenden Kollegen Pohle Bezug nehmen, die er ebenfalls im Kriegsopferausschuß gemacht hat. Er sagte, er lege Wert darauf, nachdem mehrere Novellen in der Vergangenheit auf Initiativanträge des Hohen Hauses zurückgegangen seien, daß dieses Mal die Bundesregierung selber einen Gesetzentwurf vorlege, wobei es vor allem auch auf die Stellungnahme des Bundesrates ankomme; es sei wesentlich, die Stellungnahme der Länder zu hören. Im Augenblick der Vorlage der Drucksache 434, deren detaillierte Fragen unmittelbar ins materielle Recht eingreifen, hatten die Länder weder im Beirat ihre Meinung abschließend bilden können, noch waren sie in der Lage, zu einem Entwurf der Bundesregierung selbst Stellung zu nehmen. Es müssen, und zwar im Interesse des betroffenen Personenkreises selbst, Bedenken angemeldet werden gegen alles, was zur vorzeitigen materiellen Präjudizierung führen kann, in einem Stadium, in dem sich die Gesetzesvorlage noch in Vorbereitung befindet und in dem der natürliche Reifeprozeß noch nicht abgeschlossen ist. Auf keiner Seite besteht ein Zweifel über die Notwendigkeit der Neuordnung der Kriegsopferversorgung. Der Herr Bundesarbeitsminister hat die Notwendigkeit der Neuordnung begründet in seinem Bericht über Pläne und Absichten auf den Gebieten der Sozialpolitik, des Arbeitsrechts und der Versorgung, den er am 13. Februar 1958 vor den Ausschüssen für Arbeit und Sozialpolitik und Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen gegeben hat. Er hat anerkannt, daß das Bundesversorgungsgesetz, eines der großen und bedeutenden Sozialgesetze, von dem 3,8 Millionen Berechtigte betroffen sind, in mehrfacher Hinsicht zu anderen wichtigen Sozialgesetzen in enger Beziehung steht. Er hat darauf hingewiesen, daß der Gesetzgeber 1950 Gesetze zugrunde legen mußte, die heute geändert sind oder vor einer Änderung stehen. Ich ergänze: Der Gesetzgeber mußte gleichzeitig Notständen begegnen - darauf hat Herr Pohle mit Recht hingewiesen -, zu deren Beseitigung noch keine gesetzliche Regelung gefunden worden war. Ich erinnere daran, daß am 20. Dezember 1950, als das BVG verkündet wurde, weder das Lastenausgleichsgesetz noch das Fremdrentengesetz noch das 131er-Gesetz noch das Rentenzulagengesetz noch das Rentenaufbesserungsgesetz bestanden haben. Inzwischen ist die wirtschaftliche und sozialpolitische Entwicklung fortgeschritten. Es ist ein unbestreitbares Verdienst der Bundesregierung und des Hohen Hauses, rechtzeitig erkannt zu haben, daß inmitten einer veränderten sozialen Umwelt die sozialen Leistungen dem veränderten Lebensstandard lebensnah anzupassen sind. Die Erkenntnis, daß eine echte Sozialreform nicht bei einzelnen Gesetzen und Gesetzesgruppen haltmachen könne und dürfte, ist in der Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers vom Oktober 1953 niedergelegt, in der er ausdrücklich eine umfassende Sozialreform forderte. Es heißt darin wörtlich: „Das Ziel muß auf zwei Wegen erreicht werden; erstens durch eine weitere Erhöhung des Sozialproduktes und zweitens durch eine umfassende Sozialreform." Der Bundeskanzler hat wiederholt: „Die Bundesregierung wird ein umfassendes Sozialprogramm vorlegen." Dieser Programmpunkt der Regierungserklärung von 1953 entspricht der Erkenntnis, daß die sozialpolitischen Tatbestände in einer Gesamtschau als ein Ganzes in ihrer Verflechtung untereinander und zugleich in ihrer engen Verklammerung mit dem volkswirtschaftlichen und dem gesellschaftlichen Gefüge im allgemeinen gesehen und in sozialer Gerechtigkeit gesetzgeberisch gestaltet werden müssen. ({7}) Derselbe Gedanke kommt zum Ausdruck in der Ausdehnung des Geschäftsbereichs des Bundesministeriums für Arbeit auf die Sozialordnung schlechthin, die vom Herrn Bundesarbeitsminister als eine echte Koordinierungsaufgabe in einer umfassenden sozialpolitischen Sicht gedeutet worden ist. Wie notwendig eine solche Harmonisierung des neugeschaffenen Sozialrechts der deutschen Bundesrepublik ist, mögen nur einige wenige Tatsachen erhellen. Das Hohe Haus hat sich in seiner Sitzung in Berlin bereits mit der Frage der Erziehungsbeihilfen beschäftigt. Damals ist festgestellt worden, daß 22 verschiedene Erziehungsbeihilfen existieren bei durchaus vergleichbaren Tatbeständen. Es gibt 14 verschiedene Arten von Kindergeld, 10 verschiedene Arten von Waisenrenten, 8 verschiedene Leistungen für Witwen, 5 verschiedene Pflegezulagen usw. Diese Entwicklung, die notgedrungen aus dem gebotenen Zeitdruck der Beseitigung der Notstände erwachsen ist, bedarf dringend einer Abstimmung. Jetzt ist es an der Zeit, im Rahmen der umfassenden Sozialreform zugleich die Koordinierung der einzelnen Rechtsgebiete vorzunehmen und sie aufeinander hin zu ordnen und diese Gesichtspunkte bei Neuschöpfung von Gesetzen im Auge zu behalten. Ich darf im Namen meiner politischen Freunde der Überzeugung Ausdruck geben, daß das Ziel eine echte Koordinierung des Sozialrechts aus der Gesamtschau heraus sein muß, unbeschadet der Eigenständigkeit der einzelnen Rechtsgebiete. Wir sind der Auffassung, daß zur Erreichung dieses Zieles die Schaffung einer rechtsvergleichenden Übersicht über das deutsche Sozialrecht notwendig und vordringlich ist, um so mehr als von den europäischen Gremien bereits intensiv an einer Bestandsaufnahme des europäischen Sozialrechts zum Zwecke der Harmonisierung gearbeitet wird. Eine solche Gesamtschau der sozialen Leistungen und ihrer Verflechtungen bildet die unabdingbare Voraussetzung für eine gerechte und befriedigende Neuordnung der Kriegsopferversorgung. Wie ich schon dargelegt habe, ist das Bundesversorgungsgesetz mehr als andere Gesetze mit einer Reihe von großen Sozialgesetzen aufs engste verbunden. Ich darf den Herrn Bundesarbeitsminister zitieren: Wenn aber die gesamte Sozialgesetzgebung einer grundlegenden und umfangreichen Neuordnung unterzogen wird, bleibt es nicht aus, daß dies seine Rückwirkung auf die Kriegsopferversorgung hat. In der Tat bestehen schon heute erhebliche Rückwirkungen der Rentenversicherungs-Neuregelungsgesetze, des Unterhaltssicherungsgesetzes, des Soldatenversorgungsgesetzes, des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte, des Kindergeldgesetzes. Die sich daraus ergebenden Probleme sind im BVG bis heute keineswegs befriedigend gelöst und können ohne eine Neuordnung der Kriegsopferversorgung nicht bereinigt werden. Es werden Rückwirkungen durch die Neuordnung der Krankenversicherung und vor allem durch die Neuregelung der gesetzlichen Unfallversicherung entstehen. Dem BVG und der Unfallversicherung liegen vergleichbare Tatbestände zugrunde, die einer besonders sorgfältigen Durchleuchtung bedürfen. Inzwischen ist das BVG auch Grundlage des Versorgungsrechts der Bundeswehr geworden. Es hat wehrpolitische Bedeutung erlangt. Ich stimme der Auffassung voll zu, daß die Art und die Höhe der Versorgung der Wehrdienstbeschädigten nicht ohne Einfluß auf die Wehrfreudigkeit und die Bereitschaft bleiben, bei der Ableistung des Wehrdienstes unvermeidbare Opfer an Leben und Gesundheit in Kauf zu nehmen. Schließlich muß bei allem, was gesetzgeberisch geschieht, dafür Sorge getragen werden, daß sich eine Angliederung des Rechts der Saarkriegsopfer an das Recht der Bundesrepublik organisch voll. zieht. Meine Damen und Herren, die Kriegsopfer haben bewiesen und beweisen täglich auf neue, daß sie in einem heroischen Einsatz ihres Leistungswillens bestrebt sind, am Wiederaufbau unseres Vaterlandes mitzuwirken. Sie haben als Schaffende unter Aufbietung der noch verbliebenen und der neugewonnenen Kräfte einen bedeutenden Beitrag zur Vermehrung des deutschen Sozialprodukts und zur Überwindung ihres eigenen schweren Schicksals geleistet, ohne den ein so rascher Wiederaufstieg unseres Volkes nicht möglich gewesen wäre. In dankbarer Würdigung der Größe des für das Vaterland gebrachten und fortwirkenden Opfers bekennen wir uns, so wie wir es bisher durch die Tat bewiesen haben, auch in Zukunft zu der Verpflichtung, den Opfern des Krieges im Rahmen einer gerechten Sozialordnung eine würdige Versorgung zu gewähren. Es gereicht dem Hohen Hause zur Ehre, daß die Beschlüsse, mit denen das Recht der deutschen Kriegsopfer geschaffen und erweitert worden ist, immer einstimmig gefaßt worden sind. Darin liegt das Bekenntnis, daß das ganze deutsche Volk in allen seinen Teilen sich verpflichtet fühlt, eine Ehrenschuld an den deutschen Kriegsopfern abzutragen, und daß es bereit ist, dafür Opfer zu bringen unter Verzicht auf die Erfüllung anderer Forderungen, mögen sie noch so dringlich sein. Es war in der Tat in der Vergangenheit so, daß die Priorität des Rechtes der Kriegsopfer gewahrt worden ist, und es wird in der Zukunft wieder so sein; sie kann aber in Zukunft nur gewahrt werden unter bewußter Zurückstellung von Forderungen anderer Personenkreise. Daraus erhellt, daß es dem deutschen Volk in allen seinen Teilen ernst ist mit seiner Verpflichtung zur Dankbarkeit gegenüber den Opfern des Krieges. ({8})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Bazille.

Helmut Bazille (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000121, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß bedauern, daß bereits zu Beginn dieser Aussprache ein Akzent durch den Versuch gesetzt worden ist, der Opposition Motive bei der Einbringung dieser Großen Anfrage zu unterstellen, die nicht sachgerecht sind. Der Herr Bundesminister für Arbeit hat, wie mir scheinen will, recht überzeugend dargetan - und er befindet sich hierbei in Übereinstimmung mit der Opposition -, daß die Neuordnung der Kriegsopferversorgung notwendigerweise eine zeitraubende Angelegenheit sein muß, wenn sie von dem seitherigen Verfahren der Aufpfropfung neuer Rechtsgedanken und -inhalte auf das bestehende Recht abgehen und dem Sprachbegriff der Reform auch in Tat und Wahrheit entsprechen soll. Von dieser Überlegung ausgehend, glaubte sich die Opposition verpflichtet, auch den ungefähren zeitlichen Rahmen feststellen zu sollen, um von dorther die Erkenntnis gewinnen zu können, ob Überbrückungsmaßnahmen für die Zwischenzeit notwendig sind. Sie hat sich bis jetzt jedweder Anträge in der Sache enthalten und hat durch diese Große Anfrage lediglich zunächst einmal versucht, die Meinungen im Hause abzuklären. Zweck dieser Aussprache kann es auch nicht sein, in die Erörterung sachlicher Details einzutreten. Vielmehr müssen die politischen Aspekte der Versorgung hier einmal offen diskutiert werden. Ich glaube, hier ist zunächst die Vorfrage zu stellen, ob sich denn die Mehrheitsfraktionen und die Bundesregierung noch zu der Auffassung bekennen, daß die Kriegsopferversorgung als ein nationalpolitisches Anliegen hohen Ranges von allen Parteien gemeinsam getragen werden soll, und zweitens, ob sich die Mehrheitsfraktionen uneingeschränkt zu den Erklärungen bekennen, die vor Beendigung der Legislaturperiode des 2. Bundestages in diesem Hause zur Frage der Neuordnung abgegeben worden sind. Denn es wäre geradezu unerträglich, wenn bei den Kriegsopfern die Vorstellung aufkäme, daß sie, die dem Vaterlande das Beste und Kostbarste gaben, was sie besaßen, einem nicht eingelösten Wahlversprechen zum Opfer fallen. Meine Damen und Herren! Wer den Gesetzgebungsrhythmus wie wir kennt, weiß, daß hier ein Jahr vorbereitender Arbeit für ein umfangreiches Gesetzgebungswerk keine lange Zeit ist. Für die Menschen draußen, die oft noch in erdrückender Not leben - trotz sechs Novellen zum Bundesversorgungsgesetz -, ist ein Jahr eine unendlich lange Zeit. Es ist deshalb notwendig, daß das Parlament, wenn es schon keine konkreten Gesetzgebungsmaßnahmen berät, wenigstens eine Bekundung seiner Absichten und seines Willens auf diesem Gebiet vor der deutschen Öffentlichkeit abgibt. Nun hat es der Zufall gefügt, daß noch vor der Beratung unserer Anfrage die Verbandstage der großen Kriegsopferverbände stattfanden. Bei dieser Gelegenheit hat der Herr Bundesminister für Arbeit für die Bundesregierung einige Erklärungen abgegeben, die mich nötigen, in eine Auseinandersetzung, in eine harte Auseinandersetzung mit seinen Auffassungen einzutreten, um so mehr als diese Auffassungen nicht nur seine Auffassungen sind, sondern auch in weiten Teilen der deutschen Öffentlichkeit vertreten werden. Um welche Auffassungen handelt es sich? Ich darf mit freundlicher Genehmigung des Herrn Präsidenten aus der Rede des Herrn Bundesarbeitsministers die entscheidenden Sätze zitieren. Der Minister hat ausgeführt: Ich werde mich mit meiner ganzen Kraft dafür einsetzen, daß der Personenkreis, der zu den wirklich Bedürftigen innerhalb der Kriegsopferversorgung zählt, das erhält, was ihm auch gebührt. Ich glaube auch, meine Damen und Herren, daß zugunsten dieser Versorgungsberechtigten die übrigen Kriegsopfer, die über eine geordnete und gesicherte Existenzgrundlage verfügen, auf erhöhte Forderungen verzichten werden, soweit und solange sie finanziell von der Gemeinschaft nicht erbracht werden können. An anderer Stelle führt der Herr Minister aus - es gibt da eine gewisse Übereinstimmung mit dem, was er vorhin hier dargelegt hat -: Wenn es mir möglich wäre, in jedem einzelnen Fall durch geeignete Hilfen und Maßnahmen den einzelnen Rentenempfänger in eine Situation zu versetzen, die es ihm leicht machte, auf die Rente zu verzichten, würde ich meinen ganzen Ehrgeiz darin setzen, eine solche Sozialreform durchzuführen. Meine Damen und Herren, eine solche Auffassung über die Notwendigkeiten bei der Gesetzgebung für die Kriegsopfer ist beim besten Willen mit anderen Notwendigkeiten unserer rechtsstaatlichen Ordnung nicht in Einklang zu bringen. Um was handelt es sich denn bei der Versorgung, wenn hier Renten bezahlt werden? Es handelt sich doch darum, daß der Staat einen Verlust ausgleicht, den der einzelne Bürger dadurch erlitten hat, daß er einem Gesetz Folge leistete, das ihm aufgab, Leben und Gesundheit für die Allgemeinheit einzusetzen. In der nüchternen Sprache der Juristen, die ich hier allen Sprüchen von Ehrensold und Ehrenpflicht vorziehe, handelt es sich um einen Aufopferungsanspruch. Demokratische Rechtsstaatlichkeit bedeutet ja nicht nur das Vorhandensein einer Gewaltenteilung, bedeutet nicht nur das Gebundensein der Gewalten an die Verfassung, sondern bedeutet im Kern auch einen gesunden Wechsel von Rechten und Pflichten zwischen Bürger und Staat. Wo der Staat und die Gesellschaft die Hingabe der Gesundheit kraft Gesetzes vom einzelnen Bürger verlangt, ist er notwendigerweise verpflichtet, Äquivalente zu schaffen, die den Forderungen des Rechts und der Billigkeit entsprechen. Was ist 'denn Gesundheit? Herr Minister, Sie sprachen in Ihren Reden von ideellen Werten. also solchen, die materiell nicht darstellbar sind. Sie befinden sich dabei im Widerspruch zu den Gedanken. die in Jahrtausenden von der denkenden Menschheit entwickelt worden sind, wo immer sie sich über die Bedeutung der Gesundheit im Leben des Menschen auseinandergesetzt hat. Schon Demokrit, der große Grieche, hat den Spruch geprägt „Gesundheit erflehen die Menschen von den Göttern". Als in diesen Tagen ein 'amerikanischer Millionär in New York seinem Leben durch einen Sprung aus dem Fenster seines Arbeitszimmers auf die Walstreet ein Ende machte, da fanden seine Hinterbliebenen einen Zettel auf dem Schreibtisch, der nur die Worte enthielt: „Wer sein Vermögen verloren hat, hat nichts verloren. Wer seine Gesundheit verloren hat, hat alles verloren." Meine Damen und Herren, Gesundheit ist Besitzstand, hoher, köstlicher menschlicher Besitzstand, denn ohne Gesundheit kann kein Besitz erzeugt werden. Sie ist die Voraussetzung für das menschliche Tätigwerden. Gerade Sie von der CDU, die Sie doch immer so sehr die Berücksichtigung des privaten Eigentums fordern, die Sie sich gegen jeden noch so gut gemeinten Versuch einer Verstaatlichung von privatem Eigentum wenden, Sie laufen hier Gefahr, einer Tendenz das Wort zu reden, gewissermaßen die menschliche Gesundheit zu vergesellschaften, ({0}) dem Staate zu gestatten, über diese Gesundheit zu verfügen, ohne Äquivalente zu schaffen, zu meinen, wenn man den Betreffenden, dem seine Gesundheit genommen wurde, wieder in ausreichende wirtschaftliche Verhältnisse bringt durch Maßnahmen der Arbeitsförderung und der Rehabilitation, dann könne man auf weitere Äquivalente in Geld und Geldeswert verzichten. ({1}) Meine Damen und Herren, dieser Versuch einer Vergesellschaftung der Gesundheit des einzelnen würde den Staat in eine Situation bringen, deren Schrecklichkeit nur noch durch die der totalen Versklavung des Bürgers im Staate übertroffen würde. Wo der Staat vom einzelnen so wie heute wieder durch die allgemeine Wehrpflicht Leben und Gesundheit fordert, erwächst ihm die Pflicht, nach dem Maße des ihm Möglichen Äquivalente zu schaffen. Man komme mir hier nicht mit dem Einwand, man könne dieses Äquivalent für die verlorene Gesundheit nicht mit Geld darstellen. Gewiß, man kann verlorene Gesundheit nicht käuflich zurückerwerben. Gewiß, was hier an Opfern vom Bürger verlangt wird, ist irgendwo nicht mehr wiedergutzumachen, auch nicht mit größten finanziellen Anstrengungen. Aber darüber kann doch nicht der leiseste Zweifel bestehen, daß man mit Geld eines kann: Erleichterungen schaffen und ein so geschmälertes Leben wieder lebenswerter machen. Diese Menschen haben Frauen, haben Kinder, und sie sind mit Geld durchaus in der Lage, es diesen ihren Angehörigen ein klein wenig zu entgelten, daß sie ihr schweres Los teilen. Im übrigen gibt es in der westlichen Welt auch Normen dafür, wie die Gesundheit materiell in etwa zu bewerten ist. Denken Sie an das Recht auf dem Gebiet der Haftpflicht! Denken Sie - um an einen Gesetzgebungsakt zu erinnern, der hier im Hohen Hause vollzogen wurde - an die Entschädigung der politisch Verfolgten für gesundheitliche Einbußen! Ich glaube nicht, daß es irgend jemanden im Hause gibt, der da meint, der Gesetzgeber habe etwa in einer frohen Geberlaune des Guten zuviel getan, als er für diesen Personenkreis Festrenten festlegte, die das Vielfache dessen ausmachen, was in der Kriegsopferversorgung gezahlt wird. Man weiß also sehr wohl, daß Geld ein Mittel ist, um solche Einbrüche in die Lebenssphäre des Menschen in etwa ausgleichen zu können. In diesem Zusammenhang ein Wort zur Frage nach der Leistungsfähigkeit der Volksgemeinschaft. Auch hier kann ich dem Minister nicht folgen, wenn er wie gebannt auf das Budget des Bundes starrt. Die Leistungsfähigkeit unseres Volkes drückt sich nicht im Budget des Bundes aus, sondern findet ihren Ausdruck in der Höhe des Sozialprodukts, d. h. in der Höhe der Werte, die von der gesamten Gesellschaft innerhalb dieses Staates erzeugt werden. Wenn in diesem Zusammenhang die Rede davon ist, daß Verzichte zugemutet werden müßten, weil diese Leistungsfähigkeit nicht oder noch nicht in vollem Umfang hergestellt sei, dann muß ich Ihnen sagen, Herr Minister: ich bin nicht bereit, den Kriegsbeschädigten und -hinterbliebenen zuzumuten, die Last dieses Verzichts auf ihre schmalen Schultern zu nehmen. Wenn ich mich so im deutschen Volk umsehe, ich glaube, ich finde noch Millionen Bürger, bei denen der wirtschaftliche Buckel so wohlgerundet ist, daß dort die Last des Verzichts einen gemäßeren Platz haben würde. ({2}) Das ist die Frage, die wir im Kern zu beantworten haben: Wieweit ist dieses Volk, wieweit ist dieser Staat jetzt, nach Überwindung der Notzeit, nach Erreichung eines durchaus als befriedigend zu kennzeichnenden allgemeinen Lebensstandards in der Lage, auch seinen Kriegsopfern einen Platz zuzuweisen, der frei ist von dem penetranten Geruch öffentlicher Wohlfahrt, der frei ist von jenen Peinlichkeiten, die unter anderem darin bestehen, daß vom Bürger ein Offenbarungseid verlangt wird, ehe er in den Genuß gesetzlicher Leistungen gelangen kann? ({3})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Rutschke.

Dr. Wolfgang Rutschke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001909, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Fraktion der Freien Demokratischen Partei begrüßt es, daß die Probleme der Kriegsopferversorgung jetzt hier zur Sprache gekommen sind. Wir begrüßen daher auch die Große Anfrage. Herr Kollege Bazille sagte, daß die Neuordnung bzw. die Überprüfung des Gesetzes eine Aufgabe aller Parteien sei, daß die Kriegsopferversorgung nicht in irgendeiner Form parteipolitisch abgestempelt sein dürfe, sondern daß es eine Aufgabe des gesamten Parlaments sei, für die Opfer des Krieges eine gerechte Regelung zu finden. Hier stimmen wir Ihnen von ganzem Herzen zu. Wir wollen, daß eine gerechte Regelung getroffen wird. Auf der andern Seite machte Herr Kollege Bazille der CDU den Vorwurf, sie wolle eine Vergesellschaftung der Gesundheit betreiben. Wir freuen uns über die Erkenntnis, daß mit der Vergesellschaftung, wenigstens auf diesem Gebiet, nichts getan ist. ({0}) Der Herr Bundesminister für Arbeit hat uns davon in Kenntnis gesetzt, daß eine Zwischenregelung nicht zu erwarten sei, sondern daß die Bundesregierung beabsichtige, im kommenden Frühjahr eine ausführliche Regelung vorzulegen. Ich habe an den Herrn Minister nur eine Bitte: vielleicht könnte man einmal das Problem der unerledigten Fälle aufgreifen, wozu man ja nicht unbedingt eine gesetzliche Regelung braucht, denn das könnte man im Verwaltungswege machen. Es bedrückt uns alle in diesem Hause, daß sich die unerledigten Fälle häufen und daß die Kriegsopfer unangemessen lange auf ihre Entschädigungszahlung warten müssen, besonders auch im Rekursverfahren. Es ist erfreulich, daß zu einem Teil gewisse Besserungen festzustellen sind, leider also nicht auf allen Gebieten. Ich darf mir noch einen besonderen Hinweis erlauben. Man sollte einmal innerhalb der Verwaltung darauf achten, daß die Behörden dort, wo sie von dem Sozialgericht oder in den Rechtsmittelinstanzen nicht recht bekommen, keine ungerechtfertigten Rekurse einlegen. In so manchen Fällen fühlt sich nämlich der entscheidende Angestellte oder Beamte verpflichtet, nun ein Rechtsmittel einzulegen. Keiner ist erfreut, wenn eine andere Stelle seine Entscheidung umstößt und ihm sagt, er habe unrecht gehabt. Das ist menschlich verständlich. Aber hier sollte im Wege der Aufsicht etwas getan werden, damit die wirklich dringlichen Fälle nun auch erledigt und nicht durch unnötige Einsprüche der Behörde blockiert werden; genauso wie wir von den Kriegsopfern erwarten, daß sie in unbegründeten Fällen einsichtig sind und keine ungerechtfertigten Beschwerden einlegen oder Prozesse anstrengen. Hier muß der Staat mit gutem Beispiel vorangehen. ({1}) Das Problem kann im Wege der Verwaltung gelöst werden. Wer die Memoranden der großen Kriegsopferverbände gelesen hat, wer den Ausführungen des Herrn Ministers für Arbeit und Sozialordnung sowohl auf den Tagungen der Verbände in Düsseldorf und Godesberg als auch in seiner Stellungnahme in diesem Hause aufmerksam gefolgt ist, kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß sich keiner der Beteiligten zu einer wirklichen Reform des Versorgungsrechts durchringen konnte. Dabei soll nicht verkannt werden, daß den Vorschlägen der Verbände in manchen Punkten durchaus zugestimmt werden kann. Grundlegende Reformgedanken vermögen wir jedoch nur schwer zu erkennen. So ist zu dem Problem der anlage- und altersbedingten Leiden kein neuer Vorschlag gemacht worden. In dieser schwierigen Frage will man sich mit dem fragwürdigen Begriff des Härteausgleichs begnügen. Die Frage der Beweislast wird jedoch nicht angeschnitten Vorschläge zu den Fragen des immer noch unbefriedigend arbeitenden ärztlichen Gutachterdienstes sowie zur Verwaltungsvereinfachung vermißt man gänzlich. Wirtschaftliche Grundsätze und solche einer Verbesserung der Heilbehandlung wurden nur unzulänglich berücksichtigt. Die individuelle Berufsschadensrente wird abgelehnt. Dafür soll ein verwaschenes System einer Berufsschadensrente in verschiedenen Stufen zur Anwendung kommen. Was übrigbleibt, sind erhöhte Grundrenten, Ausgleichs- bzw. Ergänzungsrenten, Zulagen und nochmals Zulagen. Auch das Ministerium läßt den positiven Willen zu einer wirklichen Reform völlig vermissen. Was also wird das Ergebnis sein? Diese Frage ist sehr schnell zu beantworten. Das Ergebnis wird ein Tauziehen zwischen dem zuständigen Ressortminister und den Verbänden sein, dessen zwangsläufiges Opfer der Finanzminister ist. Das Ergebnis wird also ein keine Teile befriedigender Kompromiß sein. Das Ganze nennt sich dann Siebente Novelle, der mit Sicherheit eine achte, neunte und zehnte Novelle folgen wird, so wie die Jahreszeiten, wie Sonnenschein und Regen einander folgen. Wer die Probleme wirklich bis in ihre letzten rechtlichen, moralischen und politischen Feinheiten kennt, ist erschüttert darüber, was den 4 Millionen Kriegsopfern als angebliche Reform vorgesetzt werden soll. Noch mehr erschüttert ist man, wenn man sieht, welche Hoffnungen in diesen vom Schicksal hart betroffenen Menschen erweckt werden, Hoffnungen, die auf diese Weise niemals erfüllt werden können. Aber selbst wenn sie erfüllt würden, das Los dieser Menschen würde auch dadurch nicht entscheidend, auf keinen Fall aber in gerechter Weise geändert. Das Bundesversorgungsrecht wird mit der Methode der ständigen Novellierungen nur immer weiter ausgeflickt und immer komplizierter; zuletzt aber bleibt es doch der alte, zerschlissene Uniformrock, der niemand recht paßt. Das Hohe Haus weiß, was wir Freien Demokraten oft genug an dieser Stelle zum Ausdruck gebracht haben: Wir wollen weder den Versorgungsstaat noch den Wohlfahrtsstaat - das sind zwei Worte für ein und dieselbe Sache -, wir wollen allein den freiheitlichen Rechtsstaat, seinen Bürgern verpflichtet durch seine soziale Haltung allen gegenüber. Allein ein solcher Staat entspricht unserem Denken. Rechtsstaatliches Denken auf der Grundlage eines unteilbaren Rechts aber verlangt keine neuen Novellen zum Bundesversorgungsgesetz, sondern die Änderung des Systems im Rechtsaufbau. Mit noch so vielen Novellen kann der dem jetzigen Bundesversorgungsgesetz zugrunde liegende Strukturfehler, die Zweiteilung in eine Grundrente mit Rechtsanspruch und eine Ausgleichsrente, verbunden mit einer Bedürftigkeitsprüfung, nicht beseitigt werden. Die Bundestagsfraktion der Freien Demokraten ist darum der Auffassung, daß man nur durch eine Reform des Grundaufbaues des Gesetzes den berechtigten Forderungen unserer Kriegsopfer entsprechen kann. Gleichzeitig hat ein neues Versorgungsrecht einheitliches Recht sowohl für die Opfer beider Weltkriege als auch für die Angehörigen der neuen Bundeswehr zu gestalten. Dabei muß der Grundsatz gelten, daß der Wehrdienstgeschädigte nicht schlechter gestellt sein darf als der Zivilgeschädigte. ({2}) Zwei ethische Grundsätze sollten der Reform des Versorgungsrechts zugrunde liegen: Für den Beschädigten muß alles und dies so schnell wie möglich getan werden, damit seine Gesundheit wiederhergestellt und seine gesellschaftliche und wirtschaftliche Wiedereingliederung ermöglicht wird. Gerecht sein heißt nicht, jedem das Gleiche, sondern jedem das Seine zu geben. ({3}) Auf diesen Grundgedanken aufbauend wird die Bundestagsfraktion der Freien Demokratischen Partei einen Entwurf zu einem neuen Bundesversorgungsgesetz erarbeiten, der sich in seinem Finanzbedarf im Rahmen des Möglichen bewegt und erstens die nahtlose Eingliederung des Versorgungsrechts in unser Sozialsystem auf der Grundlage der wirklichen Berufsschadensrente gewährleistet, zweitens in der Frage des Kausalzusammenhangs die Beweislast dem Staat auferlegt und drittens einen unabhängigen und an keinerlei Weisung gebundenen ärztlichen Gutachterdienst sicherstellt. Es kann nicht meine Aufgabe sein, jetzt und an dieser Stelle zu den Einzelheiten des sich noch in der Ausschußarbeit meiner Fraktion befindenden Gesetzentwurfs Stellung zu nehmen. Seien Sie jedoch versichert, meine Damen und Herren, daß der Ihnen noch in diesem Jahr von uns zugehende Entwurf in seinen Grundzügen den Forderungen aller Beteiligten weitgehend gerecht werden, zukünftige Novellen möglichst überflüssig machen wird und in seinem Aufbau einfach, klar und für jeden verständlich sein wird. In dem Bemühen, dies zu erreichen, erbitten wir schon jetzt Ihrer aller Mitarbeit. Letztlich wollen wir doch alle nur eines: die Menschen, die uns in ihrer Not anvertraut sind, einmal zufrieden sehen und sie hinsichtlich ihrer Forderungen und Hoffnungen nicht immer wieder neuen Enttäuschungen ausliefern. Das wäre eine gute soziale Politik. ({4})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat Frau Abgeordnete Kalinke,

Margot Kalinke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001058, Fraktion: Deutsche Partei (DP)

Meine Herren und Damen! Nach der bitteren Klage des Kollegen Bazille will ich gleich zu Beginn meiner Ausführungen erklären, daß die Fraktion der Deutschen Partei die Anfrage der SPD-Fraktion begrüßt, weil sie uns Gelegenheit gibt, auch unsererseits zu grundsätzlichen Fragen Stellung zu nehmen. Ich möchte mich auch gleich zu Beginn ganz offen zu der Meinung des Kollegen Bazille bekennen - ich glaube, ich darf das auch im Namen meiner Freunde von der ChristlichDemokratischen und der Christlich-Sozialen Union sagen - daß die Erledigung der Kriegsopferfragen auch in Zukunft eine nationale Angelegenheit des ganzen Volkes und damit eine Sache aller Fraktionen in diesem Parlamente sein soll. Aber lassen Sie mich in dieser Stunde etwas aussprechen, was ich als Sprecherin in so vielen sozialpolitischen Debatten in diesem Hause heute nicht versäumen möchte. Ich möchte dem Bundesminister für Arbeit für seine Rede, die er am 15. September in Berlin in der Gesellschaft für sozialen Fortschritt. gehalten hat, insbesondere für seine grundsätzlichen Ausführungen zu den zentralen Fragen der modernen Sozialpolitik, zum Ordnungsbild unserer Gesellschaft, zur Verteidigung der Freiheit auch in der Sozialpolitik und zum Problem der Gleichheit meinen persönlichen Dank sagen. Aber ich glaube, ich darf auch den Dank all derjenigen in diesem Hause aussprechen, die mit mir der Meinung sind, daß die Auseinandersetzung über Grundsatzfragen unserer Sozialpolitik, wie sie in jener bedeutsamen Rede erfolgt ist, auch der beste Auftakt für die Reform des Bundesversorgungsgesetzes sein wird. Ich habe in vielen Einzelfragen die gleichen Grundsätze seit mehr als zehn Jahren in der deutschen Öffentlichkeit und in diesem Hause vertreten. Darüber hinaus habe ich den Wunsch, hier offen zum Ausdruck zu bringen, daß bei aller Anerkennung des bisher Geleisteten doch eine Fülle von Fragen offen sind, über die wir mit allem Freimut in diesem Hause miteinander sprechen sollten. Nicht die Kriegsopfer sind schuld und nicht sie dürfen darunter leiden, daß die amtliche Sozialpolitik der Vergangenheit und auch der vergangenen Legislaturperioden, deren Erbe der neue Bundesminister für Arbeit übernehmen mußte, nicht immer die Grundlagen und Unterlagen für eine einwandfreie Fundierung aller Beratungen geboten hat und daß sie manchmal die Anwendung solcher Grundsätze, zu denen wir uns doch heute und jetzt in großer Mehrheit in diesem Hause bekennen, vermissen ließ. Darum stimme ich den Ausführungen des Ministers bei der Beantwortung des Punktes 1 der Anfrage darin zu, daß die Vorarbeiten für die Fortentwicklung des Bundesversorgungsrechts mit allergrößter Sorgfalt in Angriff genommen werden müssen. Ich freue mich, daß auch die Sprecher der Opposition in diesem Hause, was diese Frage angeht, mit den Regierungsparteien voll übereinstimmen. Für die notwendige parlamentarische Auseinandersetzung und Arbeit, der wir uns alle stellen werden, brauchen wir Zeit und vor allen Dingen ausreichendes und gutes Tatsachenmaterial. Daß der Strukturwandel der Gesellschaft und sein Einfluß bei den sozialpolitischen Fragen und Forderungen immer wieder zitiert wird, gehört zur Mode. Daß wir diesen Einfluß aber auch im Falle der Kriegsopferversorgung grundsätzlich untersuchen und berücksichtigen müssen, scheint mir ebenso unbestreitbar zu sein. Ich stimme mit der Kollegin Probst völlig darin überein, daß die Koordinierung aller sozialen Leistungen und aller gesetzlichen Bestimmungen nun nicht mehr länger zurückgestellt werden kann. Wir möchten auch vor weiteren Teillösungen warnen, die vielleicht in den nächsten Wochen und Monaten vorgeschlagen werden könnten. Nach meiner Meinung besteht kein Anlaß zu den Besorgnissen, die der Sprecher der Freien Demokratischen Partei hier ausgesprochen hat, da niemand, der die Situation kennt, sich bereit finden wird, notwendige Koordinierungen durch Teillösungen zu beeinträchtigen, vielleicht sogar zu verhindern. Wir würden vor weiteren Teillösungen nicht nur in der Bundesversorgung, sondern auch bei der Fortsetzung der Sozialreform von dem Minister zu gegebener Zeit in diesem Hause gerne hören, welches aus einer Gesamtschau der sozialen Probleme sein Leitbild für die künftige Entwicklung der Sozialpolitik in unserer freiheitlichen Gesellschaftsordnung ist, deren Maß und Zielsetzung. Auch wir bekennen uns zu dem Testament des zweiten Bundestages, von dem Herr Kollege Pohle sprach, nämlich - das möchte ich ganz deutlich sagen, damit es zu keinem Mißverständnis kommt - auch im dritten Bundestag dem sozialen Fortschritt zu dienen. Das gilt auch für eine notwendige Reform des Bundesversorgungsgesetzes. Aber Reformen müssen nicht unbedingt Revolutionen sein. Es gilt zu prüfen, was erhalten werden kann, was sich bewährt hat und was verbessert werden muß, weil es nicht ausreicht oder sich nicht bewährt hat. Ich freue mich, als letzte Rednerin hier feststellen zu können, daß zwischen dem Bundesminister für Arbeit, den Regierungsparteien und der Opposition doch Übereinstimmung dahingehend zu bestehen scheint, daß wir hier und heute keine Einzelfragen, keine Einzelforderungen - auch nicht solche, wie sie die Kriegsopferverbände den Fraktionen telegrafisch zugeleitet haben - diskutieren sollten, ehe wir nicht den Referentenentwurf und die Vorstellungen der Regierung kennen. Der Herr Kollege Bazille hat in dieser Debatte einige Fragen gestellt, die uns - ich will mich aber dazu nicht verführen lassen - veranlassen könnten, sehr gründliche sozialethische Auseinandersetzungen einzuleiten und uns vielleicht in sozialphilosophischen Betrachtungen darüber zu ergehen, was die Gesundheit ist. Es ist kein Zweifel, daß seit Jahrhunderten, ja, seit dem Bestand der Menschheit die Gesundheit als höchstes Gut von Gott und den Göttern erfleht wird. Aber keine Weltgesundheitsorganisation, auch nicht einmal die gründlichsten Reformausschüsse haben uns bisher sagen können, was Gesundheit ist, wie man sie in Paragraphen fassen sollte. Ich kann auch hier nur wiederholen, was der Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit anläßlich der Tagung des Hartmann-Bundes sehr offen, sehr deutlich und meiner Meinung nach sehr richtig gesagt hat, daß es kein Recht auf Gesundheit geben kann, daß es allerdings - und darin stimmen wir sicher überein - eine Verpflichtung des einzelnen gibt, seine ihm von Gott gegebene Gesundheit zu bewahren, und eine Verpflichtung des Staates, Maßnahmen zur Wiedergewinnung der Gesundheit zu treffen und Hilfen zu ihrer Erhaltung zu geben. Darüber, Herr Kollege Bazille, besteht doch gar kein Zweifel in diesem Hause, darüber sind wir doch alle in Vergangenheit, Gegenwart und - ich hoffe - auch in der Zukunft einig. Sie haben recht: mit Geld allein ist gewiß niemandem die Gesundheit wiedergegeben. Aber ein altes Volkswort sagt: „Mit Geld weint es sich leichter." Wer wollte diesen lebensnahen Spruch in der Sozialpolitik nicht zumindest in die Betrachtungen einbeziehen?! Wer sollte oder wer wollte, wie Sie meinen, den Kriegsopfern Verzichte zumuten, die wir nicht allen Teilen unseres Volkes gleichermaßen zumuten müssen?! Lassen Sie mich mit Rücksicht auf die Fülle der Probleme, die anstehen, die philosophischen Betrachtungen über die Gesundheit heute nicht fortsetzen. Aber lassen Sie uns ganz deutlich gemeinsam bekennen, daß kein Zweifel darin besteht, daß alle Hilfen zur Erhaltung der Gesundheit und zur Wiedergewinnung der Gesundheit einen besonderen Vorrang in unserer Gesetzgebung haben müssen. Ich weiß nicht, woher der Sprecher der FDP weiß, welcher Regierungsentwurf vorgelegt werden wird. Ich kenne ihn nicht, und ich nehme an, daß der Herr Minister und das Kabinett ihn auch noch nicht kennen. Deshalb möchte ich mich auf seine Ausführungen hier nicht einlassen. Aber ich möchte noch ein Wort zu der Frage der besonderen Verantwortung für die Opfer des Krieges sagen. Zur moralischen Verantwortung bekennen sich die Regierungsparteien zweifelsohne. Aber zu ihr gehört auch, Herr Kollege Bazille, die Grenzziehung, die die Sozialethik gebietet, nämlich die Grenzziehung zwischen der Pflicht zur Versorgung aller derjenigen, die der Hilfe der Gemeinschaft bedürfen, und der Garantie der Freiheit für den Teil der Opfer des Krieges und ihrer Hinterbliebenen, die zur Selbsthilfe bereit sind und einen Anspruch an uns haben, daß wir sie in dieser Bereitschaft unterstützen. Wir alle werden aus den Erfahrungen der Vergangenheit lernen müssen. Die Verabschiedung der großen Reformgesetze der Rentenreform vor den Wahlen stand unter keinem guten Stern. Auch jetzt vor den bevorstehenden Landtagswahlen sollten wir alle sehr vorsichtig sein gegenüber den schwer realisierbaren Forderungen und Versprechungen der Organisationen. Ich nehme an, ich habe den Kollegen Pohle recht verstanden, daß auch die Opposition dieser Warnung zustimmt. Daß eine „Reform" des Bundesversorgungsgesetzes nicht zu Rückschritten führen darf - Kollege Pohle befürchtet das -, sondern fortschrittlich sein wird, ist doch unser aller Anliegen. Man sollte solche Formulierungen nicht wählen. ({0}) Nicht die Änderung des Systems oder die Erfüllung aller Wünsche der Organisationen wird entscheidend dafür sein, sondern ganz allein die gründliche und ernsthafte Prüfung der wirklichen Lage der Kriegsopfer, und darum sollte es uns gemeinsam gehen. Was den Punkt 2 der Großen Anfrage der SPD angeht, so neige ich der Auffassung der Bundesregierung zu, daß an dem Grundsatz der Zweiteilung festzuhalten ist. Ich meine aber, daß nicht allein die Höhe des Ausgleichs überprüft werden muß, sondern daß wir auch ein aktuelles Problem diskutieren müssen, nämlich das der Dynamisierung der Rentenansprüche. Ein Referent des Bundesarbeitsministeriums hat im Bundesarbeitsblatt beklagt, daß die Reform aus einem Guß nicht möglich sei, weil sie zeitlich nacheinander und schrittweise erfolgen müsse. Die Beratung und das Inkrafttreten verschiedener Gesetze über Versicherung, Versorgung oder soziale Hilfe braucht aber nicht aus unterschiedlichem Guß zu sein, wenn man sich über die Grundkonzeption klar ist. Das Dilemma der Dynamik in der Rentenreform und ihrer revolutionären Rentenformel ist allen, die den Mut haben, aus Erfahrungen zu lernen, in diesen Wochen recht offenbar geworden. Hier muß sich das Parlament entscheiden, ob es verantworten will, daß die in Vergangenheit und Gegenwart umstrittene Rentenanpassung auf der Grundlage einer dynamischen Rentenformel und ihrer automatischen Anwendung für die Zukunft ohne Schaden bestehenbleiben kann. Wenn die Mehrheit sich dafür entscheidet, dann darf die gleiche Leistung auch den Kriegsopfern nicht versagt werden. Diese Entscheidung wird eine der wichtigsten sein, die in diesem Hause noch vor der Reform des Bundesversorgungsgesetzes getroffen werden müssen. Ich will es mir nicht so leicht machen und sagen: wer A sagt, sagt auch B, zur Not das ganze Abc. Ich meine, Gerechtigkeit und Gleichbehandlung aller stellen uns vor Probleme, über die wir hier ganz offen sprechen müssen. Eine große Zeitung hat in diesen Tagen - ich darf mir erlauben, mit der Genehmigung des Herrn Präsidenten einen kurzen Ausschnitt daraus zu zitieren - geschrieben, daß sich die große Regierungspartei in Folge ihres vorschnellen Handelns dazu bereit finden müßte, Rentner mit zweierlei Maß zu behandeln, und daß der Herr Bundesarbeitsminister die undankbare Aufgabe habe, Ansprüche und Wünsche der Kriegsbeschädigten und Hinterbliebenen mit Argumenten abzulehnen, die zwar aus fiskalischer Sicht gerechtfertigt, einem Sozialpolitiker aber schlecht anstünden. Es heißt dann weiter in dem Aufsatz: Im Grunde geht es darum, daß das Bundesarbeitsministerium gewillt ist, auf die Kriegsbeschädigten eben jene Grundsätze anzuwenden und beizubehalten, die man für die Sozialversicherten im Zuge des Durchbruchs einer neuen Konzeption bewußt abgelehnt hat. Ich will das Problem der Dynamik, ohne im Augenblick dazu Näheres auszuführen, nur als eine der Grundsatzfragen in die Debatte stellen, deren Lösung wir nicht ausweichen können. Mit der gleichen Entschiedenheit, mit der ich mich in diesem Hause immer für eine ausreichende Rentenerhöhung für die Kriegsopfer und ihre Hinterbliebenen eingesetzt habe, wenn sie zur Diskussion stand, habe ich gegen die Einführung des dynamischen Prinzips in die Rentenformel mit vielen guten Gründen hier gestritten. Daher meine ich, es ist meine Verpflichtung und mein gutes Recht, jetzt folgendes zu sagen. Wenn man im Rahmen rechtsstaatlichen Denkens - das Sie als Sprecher der FDP hier betont haben, das aber nicht nur Sie in diesem Hause meinen, sondern mit Ihnen, meine ich, die große Mehrheit dieses Hauses, ja, ich glaube, alle Fraktionen dieses Hauses ohne Ausnahme verteidigen - und unter Berücksichtigung der finanziellen und volkswirtschaftlichen Situation zu einer differenzierten Behandlung der Renten käme, so täte man den Kriegsopfern unrecht, die im sozialen Gefüge immer noch einen besonderen, einen bevorzugten Platz verdienen. ({1}) Die Beantwortung dieser Grundsatzfragen der Versorgung wird auch mit der Frage nach dem sozialpolitischen Effekt gekoppelt sein, z. B. nach dem Effekt solcher Forderungen wie der genereller Grundrentenerhöhungen. Wir werden sehr genau prüfen müssen, wohin solch eine Forderung führt und welche sozialpolitischen Wirkungen sie hat. Wir werden weiter prüfen, welche Finanzierungsvorschläge diejenigen machen werden, die die Wunschkataloge der Kriegsopferverbände oder das großzügig anerkannte Recht des Saarlandes, wie es gestern schon in der Debatte deutlich wurde, etwa in ihren Vorschlägen oder in nächster Zeit in Anträgen aufnehmen werden. Dieser Bundestag darf kein Gesetz beschließen, dessen Finanzierung unklar und ungesichert ist. Das Parlament darf nichts beschließen, was es den Betroffenen nicht auch in Zukunft garantieren kann. Ich kann dem Bundesminister für Arbeit nur dankbar sein für den Mut und die Aufrichtigkeit, mit der er bei der Tagung des Reichsbundes in Düsseldorf denen die Wahrheit gesagt hat, die sich nicht darüber klar zu sein scheinen, daß die 3,6 Milliarden, die wir jährlich für die Kriegsopferversorgung ausgeben, nicht einfach um 4 Milliarden erhöht werden können. Ich habe den Mut, mit ihm zu sagen, daß wir hier nicht über Utopien, sondern über realisierbare Forderungen sprechen sollten. ({2}) Wir entnehmen der Antwort des Ministers mit Befriedigung, in welch erfreulichem Maße es möglich war, die Geschädigten in die vollbeschäftigte Wirtschaft einzugliedern, sie an der Wohlstandsmehrung zu beteiligen und vielen von ihnen den Weg zur Selbsthilfe, zur Eigentums- und Kapitalbildung zu eröffnen. Insofern ist also die Konzeption des Bundesversorgungsgesetzes nicht ohne Erfolg gewesen! Es scheint mir gerecht, hier deutlich zu machen, was der Minister in Zahlen ausdrückte: daß es doch vor allem darum geht, den noch übriggebliebenen 73 000 Schwerbeschädigten zu garantieren, daß sie nicht auf die Fürsorge angewiesen sein werden, die Witwen- und Waisenrente unter Vorrang zu erhöhen und alle die Probleme zu lösen, die wegen der Anrechnungsbestimmungen zu so vielen Unzuträglichkeiten geführt haben. Einigkeit bestand und besteht doch sicherlich unter uns, sowohl in der Debatte im Mai 1957 wie heute, daß der Staat den Kriegerwaisen gegenüber besondere Verpflichtungen hat und Vorteile auf Grund der Bestimmungen über Ausbildungs- und Erziehungsbeihilfen nicht durch Anrechnungsbestimmungen wieder aufgehoben werden dürfen. Ich meine, daß vor allem dem erfreulicherweise nicht mehr großen Teil der Kriegsopfer, die sich nicht auf Selbsthilfe und Selbstvorsorge stützen können, die zwar arbeitswillig, aber kaum arbeitsfähig oder besser nicht arbeitseinsatzfähig sind, die aus dem Beruf ausscheiden mußten oder kurz vor dem Ausscheiden stehen, die auf Grund der Vertreibung aus der Heimat in abgelegenen Gebieten an Wohnsitzen fernab von Arbeitsplätzen leben müssen, vor allen unser Interesse und unsere Hilfe gelten sollte. Wir wissen, daß der Bundeshaushalt angespannt ist - und ich habe den Mut, das in dieser Grundsatzdebatte auszusprechen -, daß die Steuereinnahmen rückläufig sind und die hohen Zuwachsraten des Sozialprodukts in den vergangenen Jahren des Wiederaufbaus nur mühsam aufrechtzuerhalten sein werden. Wir erwarten daher, daß alles, was uns zur Reform des Bundesversorgungsgesetzes vorgeschlagen wird, die Voraussetzungen erfüllt, daß die Leistung garantiert wird - dadurch nämlich, daß die Währung fest bleibt -, den Arbeitskräften die Arbeitsplätze erhalten bleiben können und keine neuen Steuern erhoben werden. Auch die Sozialdemokratische Partei kennt den Haushaltsplan. Es ist ihr gutes Recht, die Regierung heute nach ihren Plänen zu fragen, wie es die Pflicht der Regierung ist, zur gegebenen Zeit ihre Vorstellungen über Ziel und Umfang der Reform bekanntzugeben. Dem freien, aber in sozialer Mitverantwortung gebundenen Menschen eine Basis der Selbstverantwortung und Chancen zur Selbsthilfe in Freiheit zu geben, ist ein mit der freien Marktwirtschaft und der christlichen Soziallehre gleichermaßen übereinstimmendes Ziel. Das gilt auch trotz, ja vielleicht erst recht wegen aller sozialen Strukturänderungen. Genauso wie die Hoffnung der Empfänger von Renten aus der Sozialversicherung auf höhere Renten und auf Gleichbehandlung gerichtet ist, soweit die laufend steigende Rentenbemessungsgrenze und die soeben vom Kabinett beschlossene Erhöhung in Frage kommen, sind die Hoffnungen und Wünsche der Kriegsopfer und ihrer Hinterbliebenen darauf gerichtet, nicht vergessen zu werden, aber auch nicht schlechter behandelt zu werden. Es ist ein schwieriges Problem und ein verantwortungsvoller Auftrag für uns alle gemeinsam, die Erkenntnisse der Auseinandersetzung über die Grenzen der staatlichen Sozialpolitik auf die Gesetzespraxis zu übertragen, die Freiheit zu bewahren und sie in die rechte Spannung zu versetzen. Lassen Sie mich daher hier die Hoffnung aussprechen, daß wir bei der Beratung der Regierungsvorlage wie bei der großen Arbeit an dem Bundesversorgungsgesetz und seinen Novellen auch in Zukunft einer Meinung darüber bleiben werden, daß wir alle Lösungen, wie sie auch werden, aus dem parteipolitischen Kampf herausnehmen und gemeinsam nach Wegen suchen müssen, den Beschädigten und den Opfern des Krieges ein Höchstmaß an Wohlstand und Freiheit zu verschaffen. Wir dürfen dabei nicht vergessen, daß zwei GrupFrau Kalinke pen in unserem Volke ein hohes Beispiel von Einsicht und Verantwortung gegeben haben: die Kriegsopfer und die Heimatvertriebenen. Sie sollten auch in Zukunft würdig und gerecht behandelt werden. ({3})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Die Annahme der Rednerin, als letzte zu sprechen, ist keineswegs gerechtfertigt. Das Wort hat der Abgeordnete Rasch.

Hugo Rasch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001776, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben uns auf Grund der Großen Anfrage der sozialdemokratischen Fraktion heute mit Grundsatzproblemen der Kriegsopferversorgung zu beschäftigen. Ich glaube, ich bin berechtigt, zu sagen, daß wir Sozialdemokraten da eine andere Auffassung haben als die Frau Kollegin Dr. Probst. Wir fühlen uns verpflichtet, zu fragen, welche Vorstellungen die Regierung nun hat. Sie wissen, wir sind nicht beteiligt an den Apparaturen der Regierungsgewalt, und wir glauben, berechtigt zu sein, hier einige Fragen zu stellen. Ich bin auch nicht der Meinung, Frau Dr. Probst, daß es gut ist, hier über den Mißstand zu klagen, daß wir z. B. 14 Gesetze und Verordnungen betreffend Erziehungsbeihilfen haben oder daß wir verschiedene Gesetze haben, die Fragen der Versorgung von Witwen regeln. Das ist nicht hier zu klären, sondern das hätten Sie, die Sie nun schon neun Jahre regieren, doch ermöglichen können! ({0}) Sie haben doch die Möglichkeit gehabt, mit Ihrer Mehrheit in diesem Hause all das in Ordnung zu bringen, was Sie heute glauben beanstanden zu müssen. Nach meiner Überzeugung ist der Herr Bundesarbeitsminister nicht im Recht, wenn er hier erklärt, daß die Versorgungsrenten für die Beschädigten um 100 % und für die Kriegerwitwen sogar um 150 % gestiegen seien. Herr Minister, bei den Kriegerwitwen z. B. erklärt sich das doch daraus, daß wir die Klassifizierung der Versorgung dieser Witwen beseitigt haben. Wir haben bei Schaffung der Sechsten Novelle erklärt, wir machen keine Klassifizierung mehr, wir geben allen Witwen einen Anspruch. So ist es gekommen, daß alle Kriegerwitwen heute mindestens 70 DM im Monat erhalten. - Das nur als eine Feststellung vorweg! Weiter darf ich hier doch auch feststellen, daß keine einzige Novelle zum Bundesversorgungsgesetz, die dieses Hohe Haus verabschiedet hat, von der Regierung vorgelegt wurde. Alle sechs Novellen, mit Ausnahme der Vierten, die sich lediglich mit Krankenversicherungsproblemen beschäftigt, sind durch die Initiative politischer Parteien zustande gekommen, und ich sage ja auch nichts Unwahres, wenn ich feststelle, daß von diesen fünf zum mindesten drei durch die sozialdemokratische Fraktion eingebracht worden sind. Das ist lediglich die Feststellung einer Tatsache. Nun darf ich, um einmal auf einige nackte Feststellungen zu kommen, einen Satz zitieren: Die Bundesrepublik ist zur Zeit aus wirtschaftlichen und finanziellen Gründen nicht in der Lage, eine bessere Versorgung der Kriegsopfer zu gewähren; aber sobald sich die wirtschaftliche und finanzielle Situation des Bundes gebessert hat, wird man diese bessere Versorgung unverzüglich nachholen. So etwa steht es in der Begründung der Bundesregierung zum Bundesversorgungsgesetz im Jahre 1950. Ich darf Sie, meine Damen und Herren, noch daran erinnern, daß im Mai vergangenen Jahres alle Parteien durch ihre Sprecher erklären ließen, es müsse dringende Aufgabe des Hohen Hauses und der Regierung sein, nunmehr die Reform der Kriegsopferversorgung energisch zu beginnen. Von Mai 1957 bis Oktober 1958! - Das ist nach meinen Begriffen doch schon eine enorme Zeit. Ich möchte jetzt einmal ein paar Zahlen nennen, die doch ein gewisses Licht auf die Situation werfen. Wir hatten 1950/51 einen Bundeshaushalt von 14,68 Milliarden DM; davon betrug der Anteil für die Versorgung der Kriegsopfer 2,34 Milliarden DM, also 15,9 %. Wir haben im Haushalt 1958/59 eine Haushaltsendsumme von 38,72 Milliarden DM, und für die Versorgungsleistungen stehen 3,58 Milliarden DM zur Verfügung, also 9,5 %. Dann darf man sich nicht hierherstellen und sagen, die Anteile im Bundeshaushalt seien gleich geblieben. Nein, das ist nicht wahr, genau das Gegenteil ist der Fall. Der Anteil ist von 15 % auf 9 % zurückgegangen. Wenn wir uns dann noch vor Augen halten, daß auch die soziale und wirtschaftliche Situation eine andere geworden ist, dann müssen wir doch feststellen, daß es endgültig an der Zeit ist, nun mit dieser Reform Ernst zu machen. Noch zwei Zahlen! Wir haben 1950 laut Statistiken des Bundesarbeitsministeriums 2,8 Millionen Versorgungsberechtigte gehabt und hatten im Jahre 1957 3,7 Millionen Versorgungsberechtigte. Fs muß hinzugefügt werden, daß sich von 1953/54 ab die Zahl der Versorgungsberechtigten nach unten bewegt. Wenn wir das Problem betrachten, müssen wir alle zu der Überzeugung kommen, daß man hier nicht immer noch von der Eigensorge und der Eigenhilfe der Kriegsopfer reden sollte. Die Zahlen sagen zur Genüge, daß die deutschen Kriegsopfer sich diszipliniert in das deutsche soziale und wirtschaftliche Leben eingeordnet haben. Das ist eine Tatsache, daran gibt es gar nichts zu deuteln. Man sollte auch nicht immer nur von der Milliardensumme, den 3 bis 4 Milliarden DM, reden; man hat dann doch auch die Pflicht, dieser Zahl die Zahl der anspruchsberechtigten Kriegsopfer gegenüberzustellen. Wenn man das gegeneinander aufwiegt, wird das Verhältnis schon ein anderes. Wie hoch sind die Kriegsopferrenten, und bei welchen Beschädigungsmerkmalen werden Renten gezahlt? Ich darf aus dem Gesetz selbst vorlesen. Ein dreißigprozentig Beschädigter erhält an Grundrente zur Zeit 30 Deutsche Mark. Und was für eine Beschädigung hat dieser Mann oder diese Frau? Nach dem Katalog gilt als dreißigprozentige Be2582 schädigung z. B. die Absetzung eines Fußes oder der Verlust eines Auges. Als vierzigprozentig Beschädigter gilt z. B. jemand, dem ein Bein bis zum Knie amputiert worden ist oder der den Verlust sämtlicher Finger einer Hand zu beklagen hat. Ein Teil der so betroffenen Menschen soll ja so etwa nach dem Willen des Arbeitsministeriums z. B. in der Unfallversicherung in Zukunft bei der Rentengewährung ausgeschlossen werden, und die übrigen sollen zum Teil abgefunden werden. - Es müßte hier doch einmal festgestellt werden, wie hoch die Beschädigungsgrade sind. Nun wird man mir vielleicht sagen: „Es gibt ja noch Ausgleichsrenten!" Sicher gibt es Ausgleichsrenten. Aber diese werden nur dann gewährt, wenn die Bedürftigkeitsvoraussetzungen der öffentlichen Fürsorge erfüllt sind. Das betrachten die deutschen Kriegsopfer, meiner Überzeugung nach zu Recht, als eine Diskriminierung. Wir müssen auch feststellen, daß in den vergangenen Jahren für die Kriegsopferversorgung niemals ein Nachtragshaushalt notwendig war, sondern daß die gesamten Rentenleistungen für die Kriegsopfer aus dem regulären Haushalt gedeckt werden konnten. Hier muß es doch auch in Zukunft Möglichkeiten geben, wesentliche Verbesserungen durchzuführen. Der Herr Minister selbst hat heute morgen und auch in verschiedenen früheren Reden davon gesprochen, daß es mit sogenannten gezielten Leistungen leichter sei, die wirklich Betroffenen zu versorgen. Mein Kollege Bazille hat schon darauf hingewiesen, daß es nach rechtsstaatlichen Prinzipien eine Unmöglichkeit ist, in vollem Umfang zwischen dem zu unterscheiden, der noch erwerbsunfähig und deshalb arbeitslos ist, und dem, der in seinem Beruf und in einem Betrieb seinem Erwerb nachgeht. Hier muß doch einmal die Frage gestellt werden, ob denn all die Worte in der Vergangenheit, die da lauteten „Ehrenbürger der Nation" oder „Dank des Vaterlandes", nur Deklarationen gewesen sind oder ob man nun ernsthaft gewillt ist, sich dieser Worte zu erinnern, um den deutschen Kriegsopfern gerecht zu werden. Herr Minister, ich nehme es Ihnen nicht übel, ich habe ja auch in meiner Antwortrede auf Ihre Ausführungen in Düsseldorf erklärt, ich bin Ihnen sogar dankbar, daß Sie Ihre Vorstellungen zum jetzigen Zeitpunkt bekanntgegeben haben, man kann sich dann ja darauf einstellen. Aber ich halte es nicht für gut, wenn ein Minister den Versuch macht, die Kriegsopfer in ihren Interessenorganisationen in Gegensatz zueinander zu bringen, und man sollte sich doch gerade auch in der Regerung und in diesem Hohen Hause bemühen, berechtigten Ansprüchen Genüge zu tun. Es ist auch nicht wahr, Frau Kollegin Dr. Probst und Herr Minister, daß man sich in der Vergangenheit nicht mit diesen Problemen einer Reform der Versorgung beschäftigt hätte. Mir ist bekannt, daß z. B. die Landesregierung Bayern schon im Herbst 1956 Ihnen und verschiedenen interessierten Kreisen einen eigenen Entwurf zur Verfügung gestellt hat. Ich kenne zwar nicht dessen finanzielle Auswirkungen, aber ich weiß ungefähr, daß sich die danach notwendigen finanziellen Aufwendungen in etwa mit den Summen decken, die Ihr eigener Versorgungsheirat aufgestellt hat. Ich bin auch nicht Ihrer Auffassung, Herr Minister, daß es sich in jedem Falle um Traumvorstellungen und Utopien handelt. Wir haben doch immerhin einige Beispiele, die zeigen, daß es früher auch anders sein konnte. Ich darf an die Weimarer Republik erinnern, die erheblich höhere Leistungen aufgebracht hat, und ich bin der Meinung, daß das, was die Weimarer Republik vollbracht hat, auch für die Bundesrepublik Deutschland möglich sein müßte. Es ist nicht gut, von Traumvorstellungen zu sprechen, wenn man derartige „Träumer", so muß ich sie jetzt einmal nennen, im eigenen Beirat für Versorgungsrecht sitzen hat. Mir ist bekannt, daß auch die Forderungen oder Vorschläge des Beirats einen Mehraufwand von über drei Milliarden vorsehen, um eine Reform durchzuführen, die nach seiner Meinung notwendig ist. Nun werden sie sagen: Wie kommt der Mann dazu, hier über Dinge zu sprechen, die der Beirat erarbeitet hat? Ich möchte das genau erklären. Ich habe das nicht von einem Mitglied des Beirats, ich habe das nicht aus dem Ministerium, sondern ich habe hier eine Pressemitteilung aus „Wirtschafts- und Sozialpolitik - Informationsdienst für die deutsche Wirtschaft" vom 15. September 1958, ({1}) wo alle diese Ergebnisse, zu denen der Beirat gekommen ist, aufgezeigt sind. ({2}) Das ist die Vorstellung des Beirats. Ich möchte doch bitten - deshalb haben wir ja heute diese Diskussion -, in Zukunft den Vorschlägen des Beirats in mehrfacher Hinsicht Folge zu leisten und ihn nicht, wie in den vergangenen Jahren, dazu zu gebrauchen, Vorstellungen, die dieses Hohe Haus hatte, nicht zu realisieren. Das wollte ich zu dieser Angelegenheit einmal sagen. Es gibt noch andere Fragen, die wir hier wenigstens beispielsweise einmal ansprechen müssen. Ich denke da an die Anrechnungsbestimmungen. Meine Damen und Herren, der Herr Arbeitsminister hat in der Diskussion über die Härten bei der Rentengesetzgebung auf die jetzige Aussprache verwiesen. Ich darf hier feststellen, daß gerade die Ärmsten unter den deutschen Kriegsopfern, die gleichzeitig Sozialversicherungsrenten beziehen, von der Erhöhung der Sozialrenten keinen Gewinn hatten, weil die erhöhten Leistungen in der Sozialversicherung durch den Fortfall der Ausgleichsrenten aufgehoben wurden. Also was die eine Hand gegeben hat, hat die andere wieder genommen. Wie kurios die Sache ist, sehen Sie, wenn Sie dieses Gesetz nach seinem sachlichen Inhalt betrachten. Ich habe hier einen ganz krassen Fall. Eine kriegsbeschädigte Frau - sie ist im Kriege durch Bomben 60 % beschädigt worden - wurde nach dem Kriege geschieden. Wir erleben leider oft den Fall, daß Ehemännern die beschädigte Frau nicht mehr so gut gefällt; aber das brauchen wir hier nicht zu untersuchen. Nun haben wir folgendes erlebt. Wir, die Gesetzgeber, haben die Grundrenten erhöht, die nach dem Gesetz dazu bestimmt sind, die besonderen Ansprüche des Beschädigten abzugelten. Aber was stellen wir fest? Ein deutsches Gericht, das die Scheidung ausgesprochen hat, hat den Mann zur Zahlung eines monatlichen Unterhalts in Höhe von 300 DM verurteilt. Jetzt erhält zwar die Frau eine Erhöhung ihrer Grundrente, aber in Wirklichkeit erhält sie diesen Mehrbetrag doch nicht, weil der Mann ihr nur einen entsprechend geringeren Betrag zu zahlen braucht. Die Anrechnungsbestimmungen in diesem Gesetz sind also so kurios, daß nicht die Beschädigten die Begünstigten sind, sondern diejenigen, die für die Beschädigten aufzukommen haben. Das ist doch wohl schlechthin eine Unmöglichkeit, die wir nicht hinnehmen sollten. Einer weiteren Klärung bedarf unbedingt auch der im Gesetz enthaltene Begriff des anlagebedingten Leidens. Wir haben im Bundesversorgungsgesetz Härteklauseln, auf Grund deren es verschiedentlich gelungen ist, dem, der eine Kriegsbeschädigung glaubhaft nachweist, eine Rente zu gewähren. Aber es gibt in der Versorgung noch Hunderte, ja, Tausende von Fällen, in denen die Mediziner einfach nicht wissen, wo dieses Leiden herrührt. Da streiten sich nun die Professoren seit Jahr und Tag, und immer geht es zu Lasten des Klägers, weil er nach diesem Gesetz beweispflichtig ist. Wenn sich die großen deutschen Mediziner nicht einig werden und nicht begründen können, daß es so oder so ist, dann sollten wir doch auch von Gesetzes wegen sagen: Hier ist es notwendig, den Antragsteller günstiger zu stellen. Dann haben wir nämlich das aus der Welt geschafft, daß wir ganz kranke und gebrechliche Menschen noch immer den Weg zur Fürsorge gehen lassen müssen. Bei einem Problem bin ich der Frau Kollegin Dr. Probst dankbar, daß sie es angesprochen hat. Dieses Versorgungsgesetz gilt ja auch für die Pflichtsoldaten der Bundeswehr. Wir Sozialdemokraten halten es für notwendig, auch den Soldaten der Bundeswehr erst einmal grundsätzlich zu sagen, was sie bzw. ihre Angehörigen erwartet, wenn sie einen Unfall erleiden oder wenn sie dabei gar tödlich verletzt werden. Da auch Männer his zum 45. bzw. 55. Lebensjahr Wehrübungen machen müssen, kann es passieren, daß ein Wehrpflichtiger, der eine Übung ableistet, tödlich verunglückt. Seine Hinterbliebenen haben dann Ansprüche nach diesem Versorgungsgesetz, und die sind wesentlich schlechter als die Ansprüche, die sie gehabt hätten, wenn der Mann in seinem Beruf verunglückt wäre. Ich darf Ihnen das einmal an einem Beispiel zeigen. Wenn ein Bäckergeselle in seinem Beruf verunglückt, der ein Einkommen von 500 DM gehabt hat, dann erhält seine Witwe, wenn sie noch nicht 45 Jahre alt ist, keine Kinder hat und nicht krank ist, 100 DM im Monat. Nach dem Bundesversorgungsgesetz erhält die Witwe 70 DM. Ist aber die Witwe des Bäckergesellen über 45 Jahre alt und hat sie noch ein Kind zu versorgen, dann erhält sie nicht 100, sondern 200 DM, während die Witwe des Mannes, der im Manöver verunglückt, 70 DM erhält. Die Waise würde beim Tode des Vaters ebenfalls 100 DM im Monat erhalten; nach dem Bundesversorgungsgesetz bekommt sie 20 DM. Wir müssen das auch einmal in diesem Hause aufzeigen. Bevor die Regierung ihre Pläne vorlegt, muß die Opposition, das ist richtig, sagen, welche Tatbestände ihres Erachtens so wichtig sind, daß sie bei der kommenden Reform berücksichtigt werden müssen. Nun kommt noch ein weiteres Problem auf uns. Gestern ist in diesem Hause über die Frage der wirtschaftlichen Angliederung der Saar gesprochen worden. Wie sieht es denn mit der Versorgung an der Saar aus? Dort ist das alte System des Reichsversorgungsgesetzes erhalten, und die Leistungen, gegründet auf einen Rechtsanspruch, liegen um ca. 30 bis 40 % höher als in der Bundesrepublik. Es ist ganz selbstverständlich, daß die Kriegsopfer an der Saar beunruhigt sind, wenn sie an den 1. Januar 1960 denken; sie wissen nicht, ob es ihnen dann genauso ergeht wie 1950 den Kriegsopfern in einigen deutschen Bundesländern; diese haben auf Grund des Bundesversorgungsgesetzes weniger Leistungen erhalten als nach den bis dahin gültigen Landesgesetzen. Wie kurios die Geschichte heute schon ist, sehen Sie an folgendem. Ein Kriegsbeschädigter ist dienstlich vom Saarland nach Rheinland-Pfalz versetzt worden. Dort hat man ihm die höheren Versorgungsbeträge weggenommen. Auf der andern Seite ist ein Kriegsbeschädigter, auch dienstlich, von Nordrhein-Westfalen in das Saarland versetzt worden; da hat man ihm die höheren Beträge des Saarlandes verweigert. ({3}) Meine Damen und Herren, das muß doch bereinigt werden, und ich glaube, daß das bei einigermaßen gutem Willen auch möglich ist. Zum Schluß noch ein Wort zum Problem der Elternversorgung. In den Verwaltungsvorschriften haben wir einen häßlichen Satz; sinngemäß lautet er etwa: Das Verhalten des Gefallenen wird wohl so gewesen sein wie das der Übriggebliebenen, also der lebenden Kinder. Die Versorgungsverwaltung beurteilt einen Antragsteller, der Elternrente haben will, nach dem Verhalten der Lebenden. Daß das zum Teil berechtigt ist, will ich gar nicht bestreiten, aber nicht berechtigt ist es meines Erachtens, sich darauf zurückzuziehen und kategorisch zu erklären: So wie der jetzt noch lebende Sohn sich verhält, so wird sich auch der Gefallene benommen haben. Ich habe die herzliche Bitte, daß schon heute in dem Entwurf für ein neues Bundesversorgungsgesetz diese unsere Gefallenen diskriminierenden Merkmale beseitigt werden. Wir haben schon gesagt: Wir wünschen eine baldige Reform und sind der Meinung, daß diese auch möglich ist. Sie haben genauso wie meine Fraktion Telegramme und Eingaben der verschiedenen Verbände erhalten. Es wäre gut, wenn sich dieses Hohe Haus und die Bundesregierung bei den zu leisten2584 den Vorarbeiten darauf besännen, daß die Verbände bei der Betrachtung der Grundrente im wesentlichen das gleiche im Auge haben. Der Kollege von der Freien Demokratischen Partei war so freundlich, uns hier einen Entwurf anzukündigen. Er sagte, der Inhalt werde allen Teilen gerecht werden. Ich kann mich erinnern, daß einmal jemand auf dem Reichstag zu Worms zu Martin Luther gesagt hat: Mönchlein, du gehst einen schweren Gang! Ich habe also nicht die große Hoffnung, daß es möglich sein wird, allen Teilen gerecht zu werden. Aber wir sollten alle dafür eintreten, daß dieses Versorgungswerk so ausfällt, daß es den Rechtsansprüchen der deutschen Kriegsopfer Genüge tut.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Hugo Rasch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001776, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Bitte sehr!

Dr. Wolfgang Rutschke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001909, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege, sind Sie der Meinung, daß es unmöglich wäre, einen Entwurf vorzulegen, der allen Teilen gerecht wird? Handelt es sich dabei um ein Prinzip, das Sie vertreten, oder nur um eine persönliche Auffassung?

Hugo Rasch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001776, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege, die theoretische Möglichkeit gehe ich gern zu. Ich habe auch nicht gesagt, daß es unmöglich ist, sondern lediglich, daß ich nicht ein so großer Optimist bin wie Sie. Ich habe mich jeder sachlichen Entscheidung über Ihre Ankündigung enthalten, und dabei möchte ich auch bleiben. Nun haben wir von dem Herrn Bundesarbeitsminister vernommen, daß er und auch die Bundesregierung nicht beabsichtigen, schon jetzt im Vorwege höhere Leistungen zu gewähren. Aus der Presse haben wir entnehmen können, daß auch der Fraktionsvorstand der größten Partei dieses Hauses, der CDU/CSU. diese Auffassung vertritt. Das heißt, man ist nicht bereit, Abschlagszahlungen oder Übergangszahlungen zu gewähren. Ich darf für meine Fraktion erklären: Wir werden dem Flohen Hause in den nächsten Tagen Vorschläge zu dem Zweck überreichen, den deutschen Kriegsopfern schon vor der endgültigen Reform des Bundesversorgungsgesetzes zu helfen. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Herr Bundesarbeitsminister.

Theodor Blank (Minister:in)

Politiker ID: 11000195

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich war zunächst nicht willens, mich noch einmal zu Wort zu melden, weil ich ja in der Antwort den Standpunkt der Regierung dargelegt habe. Ich will jetzt auch nur ganz wenige Worte sagen. Ich will etwas zurückweisen, was der Herr Abgeordnete Rasch hier gesagt hat. Er hat nämlich einen falschen Eindruck erweckt, indem er Dinge einander gegenüberstellte, die man nicht einander gegenüberstellen kann. ({0}) - Vielleicht sind Sie so freundlich, mich anzuhören. Er brachte das Beispiel von der Bäckerswitwe, die im Falle des Todes ihres Mannes, wenn sie über 45 Jahre alt sei und ein Kind habe, 200 DM bekommen könne, nach dem Bundesversorgungsgesetz dagegen nur 70 DM. Das stimmt ja gar nicht. Er vergleicht hier die Witwenrente aus der Unfallversicherung mit der Grundrente für die Witwe. Diese Witwe mit einem Kind würde nach unserem derzeitigen Leistungsrecht an 250 DM bekommen können. ({1}) So kann man solche Vergleiche nicht machen. Noch ein Zweites. Herr Rasch behauptet hier ganz kühn, die Ausgleichsrente, das müsse man wissen, werde ja nach Fürsorgeprinzipien gewährt. Auch hier nur einige wenige Zahlen. Sie alle werden wissen, daß der Fürsorgerichtsatz, der in den einzelnen Ländern verschieden ist, bei 180 bis 190 DM liegt. Die Behauptung des Herrn Rasch soll offenbar den Eindruck erwecken, jemand, der ein Einkommen von 180 DM habe, bekomme keine Ausgleichsrente mehr. Denn er hat ausdrücklich gesagt: nach den Fürsorgerichtlinien. Darf ich Ihnen ganz kurz folgende Zahlen nennen. Ein lediger hundertprozentig Kriegsbeschädigter könnte neben seiner Grundrente immerhin 625 DM Einkommen erzielen, ehe seine Ausgleichsrente total wegfiele. Herr Kollege Rasch, ich weiß nicht, wie Sie zu der Behauptung kommen, daß hier gleiche Grundsätze wie in der Fürsorge zur Anwendung kämen. Ein Verheirateter könnte immerhin bis zu 650 DM verdienen, ehe seine Ausgleichsrente durch Anrechnung total aufgezehrt wäre, ein Verheirateter mit einem Kind 680 DM und ein Verheirateter mit zwei Kindern 700 DM. Ich verzichte darauf, noch weitere Zahlen zu nennen und zu sagen, wie es bei den zu 50 % Beschädigten ist. Das Problem der Grundrente und der Ausgleichsrente muß behandelt werden. Ich verzichte bewußt darauf, das hier und jetzt zu tun, wie das auch die anderen Damen und Herren getan haben. Aber ich verwahre mich dagegen, daß hier vor der deutschen Öffentlichkeit der Eindruck erweckt wird, die Ausgleichsrente werde nach den Prinzipien des Fürsorgerechts gewährt. Deshalb werde ich nicht nur dem Bundestag, sondern auch der ganzen deutschen Presse eine kurzgefaßte und allgemeinverständliche Darstellung der gegenwärtigen Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz übergeben. ({2})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Abgeordnete Maucher.

Eugen Maucher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001443, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte ursprünglich nicht vor, das Wort zu ergreifen. Aber die Ausführungen des Herrn Kollegen Rasch veranlassen auch mich, einige Bemerkungen zu machen. Ich möchte vor allen DinMaucher gen vermeiden, daß diese Diskussion in der Öffentlichkeit einen falschen Eindruck hinterläßt. Meiner Auffassung nach ist das Klagelied: „Ihr habt die Mehrheit gehabt, warum habt Ihr es nicht getan?" nicht gerechtfertigt. Bei den bisherigen sechs Novellen waren wir uns doch alle darüber einig, daß so schnell wie möglich geholfen werden müsse. Man hatte manche Wünsche, die offengeblieben sind. So haben auch wir noch manche Wünsche, die wir gerne erfüllt sehen möchten. Aber es ist völlig falsch, an der Realität vorbeizugehen. Meine Kollegin Frau Dr. Probst hat unsere grundsätzliche Auffassung, der wir alle zustimmen können, eindeutig dargelegt. Mein verehrter Kollege Rasch, es ist sehr leicht, zu sagen: Warum habt ihr, die ihr doch die Mehrheit habt, es nicht schon längst beschlossen? Sie haben weiter die Bemerkung gemacht, zur Neuordnung der Kriegsopferversorgung seien schon längst Vorschläge gemacht worden, und Sie haben in diesem Zusammenhang den Entwurf des Landes Bayern erwähnt. Es ist aber nicht Aufgabe der Länder, hier Vorschläge zu machen. Das muß vielmehr Aufgabe des Bundes sein. Deshalb - das ist heute ganz richtig gesagt worden - ist im Kriegsopferausschuß einheitlich der Wunsch zum Ausdruck gebracht worden, einen Regierungsentwurf zu erhalten. Ein solcher Entwurf würde den Ländern im Rahmen des Grundgesetzes die Möglichkeit geben, zu dieser Frage Stellung zu nehmen. Man könnte auch ruhig ironisch die Frage aufwerfen: Hätte das Land diesen Vorschlag gemacht, wenn es die Finanzierung hätte tragen müssen? So müssen wir immer auseinanderhalten, wer in dieser Hinsicht die Verantwortung zu tragen hat, und das sind wir alle in diesem Hause. So komme ich zu dem Ergebnis, daß es eigentlich nicht zweckmäßig und sinnvoll ist, uns alle Einzelheiten heute vor Augen zu führen und zu diskutieren. Es ist an sich unsere Aufgabe und liegt auch im Interesse der deutschen Kriegsopfer, uns in den kleineren Kreisen, in den zuständigen Gremien mit diesen Dingen praktisch auseinanderzusetzen. Die Lehren der Vergangenheit und auch die der Zukunft werden nicht zu dem Ergebnis führen, daß die Verbände und das Arbeitsministerium sich auseinanderraufen, wobei der Finanzminister das Opfer ist. Ich glaube vielmehr sagen zu dürfen, daß sich gerade auch hier die Verbände bemüht haben, in allem Ernst zu einer Lösung zu kommen, die den Kriegsopfern gerecht wird. Gerade in diesen Fragen ist eine gute Zusammenarbeit festzustellen, aber auch notwendig. Des weiteren trägt man immer wieder unter finanziellen und haushaltsrechtlichen Gesichtspunkten Zahlen über die Versorgungsleistungen vor. Es ist notwendig, hierzu einmal folgendes zu sagen. Gerade das Ausgleichsrentensystem hat gezeigt - die Zahlen sagen es in aller Deutlichkeit, da sie in den letzten Jahren geringer geworden sind -, daß die deutschen Kriegsopfer bereit waren, das Ihrige zu tun und an dem Aufbau des Vaterlandes mitzuwirken. Nun sollten wir darin einig werden, aus dem bis jetzt vorhandenen System die Folgerungen zu ziehen, die zu einer gerechten Lösung führen. Wohl niemand in diesem Hause und in der deutschen Öffentlichkeit wird behaupten, meine Fraktion und die Bundesregierung seien nicht bereit, alles zu tun, was im Bereich des Möglichen liegt. Wir werden alles versuchen, eine Lösung zu finden, der das ganze Haus zustimmen kann. Ich würde es außerordentlich bedauern, wenn die Einheit der Auffassung, die bisher in der Praxis der Kriegsopferversorgung in ihrer Gesamtheit bestand, gestört würde. Deswegen bedaure ich auch, Herr Kollege Rasch, daß Sie versucht haben, in die Debatte einen gewissen Unterton hineinzubringen. Dies wäre besser unterblieben. Aber wir müssen trotzdem im Interesse unserer deutschen Kriegsopfer eine Lösung finden, die der Gesamtheit gerecht wird. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat Herr Abgeordneter Ritzel.

Heinrich Georg Ritzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001860, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mir nur wenige Bemerkungen erlauben, insbesondere in bezug auf die finanzpolitischen Auswirkungen einer Reform des Bundesversorgungsgesetzes. Herr Bundesminister Blank hat zu der Frage 3 der Großen Anfrage meiner Fraktion, die da lautet: „Mit welchen Mehraufwendungen im Haushaltsplan rechnet die Bundesregierung bei der Reform des Bundesversorgungsgesetzes?", nach meinen stenographischen Notizen erklärt, daß noch keine näheren Angaben über Mehraufwendungen gemacht werden könnten. Vorher, bei einer allgemeinen Erörterung der Großen Anfrage, hat der Herr Bundesminister erklärt, daß keine sachliche Notwendigkeit für Milliardenausgaben erkennbar sei. Es gehört zum Wesen der Großen Anfrage, daß auf sie auch eine Antwort, und zwar eine faßbare Antwort mit nachweisbaren Tatsachen erteilt wird. Der Erhalt einer solchen Antwort ist eben der Inhalt unseres Begehrens. Nachdem Sie nicht im Detail geantwortet haben, Herr Bundesminister, möchte ich mir gestatten, einige wenige Fragen an Sie zu richten. Da der Bundestag von der Bundesregierung im gegenwärtigen Stadium nicht über die Gestaltung des Haushaltsplans 1959 orientiert wird, sind wir auf Pressemitteilungen angewiesen. Der Staatssekretär im Bundesfinanzministerium Hartmann hat heute morgen in bezug auf die Termine zur Einbringung des Bundeshaushalts 1959 beruhigende Zusicherungen gegeben. Wenn wir aber nach dem Inhalt des Bundeshaushalts fragen, dann sind wir, wie gesagt, auf Presseberichte angewiesen. Ich stütze mich dabei vorsichtigerweise auf Zeitungen der Regierungskoalition, im vorliegenden Fall auf einen Bericht in der „Bonner" oder „Kölnischen Rundschau." Dort heißt es, es verlaute - offensichtlich aus dem Bundesfinanzministerium -, daß die Anforderungen der Ressorts zur Gestaltung des Bundeshaushalts 1959 eine Gesamtendsumme von 45 Milliarden DM gebracht hätten und daß in den Vor2586 besprechungen - von denen der Herr Staatssekretär im Bundesfinanzministerium heute morgen ohne Inhaltsangabe auch gesprochen hat - 2 Milliarden DM gestrichen worden seien. Nach der Absicht des Bundesfinanzministeriums sollen laut Presseberichten weitere 1,8 Milliarden DM, im ganzen also 3,8 Milliarden DM gestrichen werden. Nun, Herr Bundesarbeitsminister, meine Frage: Mit welchen Mehraufwendungen im Rahmen des jetzigen Standes und der ursprünglichen Anforderungen rechnet Ihr Ministerium in bezug auf eine Reform des Bundesversorgungsgesetzes? Diese Frage hätten Sie, verehrter Herr Minister, auf Grund der Großen Anfrage heute dem Parlament beantworten müssen. Da sie nicht beantwortet worden ist, erlaube ich mir, die spezielle Frage noch einmal in Erinnerung zu bringen. Nach den Erklärungen, die der Herr Bundesarbeitsminister zu Frage 1 hier gegeben hat, ist mit einem Gesetzentwurf zur Reform des Bundesversorgungsgesetzes erst Anfang nächsten Jahres zu rechnen. Die Frage nach der Kostenhöhe ist unbeantwortet geblieben. Wenn ein Gesetzentwurf Anfang 1959 dem Hohen Hause vorgelegt wird, dann bedeutet das nach allen Erfahrungen, daß er als Gesetz günstigstenfalls, wenn er keine rückwirkende Kraft erhält, zum 1. April 1959, also zu Beginn des neuen Haushaltsjahres, in Kraft gesetzt werden kann. Aus Kreisen der Bundesregierung sind auch Stimmen lautgeworden, daß keine Möglichkeit gesehen werde, etwa eine - na, sagen wir es auf gut Deutsch - Abschlagszahlung auf die zu erwartende künftige Reform zu geben. Man hört auch, daß keine erheblichen Mittel, weder für eine Abschlagszahlung noch für eine wirklich nennenswerte Reform der Bundesversorgung, zur Verfügung stünden. Heute morgen las ich eine Notiz über nicht angeschaffte Schützenpanzer. Es sind sehr erhebliche Beträge im Einzelplan 14, die es sehr wohl erlauben würden, den Kriegsbeschädigten zweier Weltkriege und den Hinterbliebenen eine Zuwendung bis zum Eintreten einer wirklich wirksamen Reform zu machen. ({0}) - Wir werden Ihnen Gelegenheit geben, über die Frage der Finanzierung in den Ausschußberatungen noch ein Wort zu sagen. - Herrn Kollegen Maucher, der vorher dankenswerterweise die 5. Novelle in Erinnerung gebracht hat, darf ich ebenso wie das ganze Hohe Haus darauf hinweisen, unter welchen Geburtswehen damals die Bewilligungen zustande kamen, die mit dem 1. April 1957 - wenn ich mich nicht irre - wirksam wurden. Frau Kollegin Dr. Probst, muß ich Sie an Ihren eigenen Leidensweg, an Ihren Kampf mit Ihrer Fraktion, mit Ihren Haushaltsexperten erinnern? Muß ich Sie daran erinnern, daß der Herr Bundesfinanzminister von einst, Herr Schäffer, den Betrag von, wenn ich nicht irre, im ganzen 400 Millionen DM bereitgestellt hatte, mit denen im Rahmen der 5. Novelle eine Reform durchgeführt werden sollte? Erst in letzter Stunde und unter dem Eindruck der Protestaktionen der Kriegsopfer ist es gelungen, eine einigermaßen zufriedenstellende 5. Reform unter Dach und Fach zu bringen. Wir sollten verhindern, daß sich derartige Vorgänge wiederholen und wir sie noch einmal erleben müssen. Ich bin sicher, daß bei der Beratung des Gesetzes, sobald es der Herr Bundesarbeitsminister vorgelegt haben wird - nachdem der Effekt errechnet ist, der aus den Änderungsanträgen resultieren dürfte -, die Möglichkeit vorhanden sein wird, im Rahmen des Haushaltes 1959 eine angemessene Deckung hierfür ebenso wie die Deckung einer einstweiligen Zahlung nachzuweisen, die noch zu Lasten des Rechnungsjahres 1958 geht. Bei dieser Ehrenschuld unseres Volkes gegenüber den Kriegsopfern können nicht die Maßstäbe angelegt werden, die auf anderen Gebieten angelegt werden. Ich will die materielle Debatte in bezug auf Vergleiche, etwa mit der Unfallversicherung, schon mit Rücksicht auf die späte Stunde der Sitzung nicht noch ausdehnen. Aber ich darf Ihnen, meine Damen und Herren, doch sagen, daß es sich hier - das sage ich besonders auch dem Herrn Bundesarbeitsminister - letzten Endes nicht um einen Akt der Sozialfürsorge, sondern um die Befriedigung eines Rechtsanspruches - und um nichts anderes - handelt, der angemessen auszustatten ist. Wir haben in den letzten Tagen die nützliche und verdienstvolle Zusammenstellung des Bundeshaushalts 1958 erhalten. Als vorhin der Herr Bundesarbeitsminister von den Richtsätzen in der sozialen Fürsorge sprach - ihre Festsetzung ist ja nicht eine Aufgabe des Bundes, aber sie werden vielfach als Maßstab für Bundesleistungen benützt -, kam mir diese Sache wieder in Erinnerung. Übrigens, Herr Bundesarbeitsminister, einen Vorschlag zu den Richtsätzen! Wenn ich Sie recht verstanden habe, sprachen Sie von Richtsätzen - vermutlich im Durchschnitt gemeint - von 180 DM. Es wäre sehr nützlich, dem Hause, mindestens in einem Fachausschuß, nachzuweisen, ob die Höhe des Richtsatzes, von dem Sie in Ihren Annahmen und Berechnungen ausgehen, wirklich gerechterweise als Basis dienen kann. Ich kenne Richtsätze, Herr Bundesminister, die erheblich unter dem von Ihnen angegebenen Satz liegen. Aber nun noch ein Letztes. Draußen wird - und das geschieht durch diese Drucksache wieder - immer aufs Neue ein falscher Eindruck erweckt. Wenn Sie hier lesen - erst dargestellt im Kreis der Ausgaben, dann hinten in den Erläuterungen -, daß für soziale Sicherung im ganzen 14 214,9 Millionen ausgegeben werden, und Sie dann im einzelnen finden, was sich in diesem Begriff „soziale Sicherung" alles versteckt - Gesundheit, Sport, Jugendpflege, Versorgung der Personen nach Artikel 131 GG etc., eine Sache, die ganz woanders etatisiert oder wenigstens klassifiziert gehört, als sie hier klassifiziert wird -, dann werden Sie feststellen, daß es notwendig ist, dem deutschen Volke in bezug auf den Umfang, die Art und die Zusammensetzung der Renten der Kriegsopfer ganz klaren und reinen Wein einzuschenken. Ich glaube, Herr Bundesminister, es wäre nützlich gewesen und es würde für die ganze Bundesregierung nützlich sein, bei der Beantwortung von Großen Anfragen etwas mehr ins Detail zu gehen, etwas gründlicher zu sein, um dem Parlament das zu ermöglichen, was das Parlament erstrebt und worauf es ein Recht hat: auf Grund konkreter offizieller Unterlagen .eine eigene Meinungsbildung zu den Plänen der Bundesregierung zu gewinnen. Geschieht das nicht, dann brauchen Sie sich nicht zu wundern, wenn da oder dort irgendeine überbordende Anforderung erfolgt. Ich sage Ihnen ganz offen, meine Fraktion und mit ihr ich stehen auf dem Boden einer sehr nüchternen realpolitischen Einschätzung der verschiedenen Möglichkeiten. Wir unterscheiden uns dabei aber von ihnen in bezug auf die Verteilung des Kuchens. Vor Jahr und Tag habe ich an dieser Stelle schon einmal aus anderem Anlaß darauf hingewiesen. Wir unterscheiden uns von Ihnen in bezug auf die Verteilung der Möglichkeiten, die der Haushalt bietet, grundlegend. Und das wird bei den Beratungen erneut zum Ausdruck kommen; dessen dürfen Sie versichert sein. ({1})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Herr Bundesarbeitsminister.

Theodor Blank (Minister:in)

Politiker ID: 11000195

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nur ein paar kurze Bemerkungen. Sie stellen an mich Fragen, Herr Ritzel. Die 1 SPD-Fraktion hat eine Große Anfrage an die Bundesregierung gerichtet. Die Bundesregierung hat diese ihre Antwort beschlossen, und ich habe sie vorgetragen. Ich bin gar nicht in der Lage, diese Antwort in irgendeiner Form zu ändern oder auszuweiten oder zu ergänzen; dazu bedurfte es eines Beschlusses der Bundesregierung. Nun aber zu dem Punkt, der Ihnen am Herzen liegt. Sie sagen, über die Verteilung des Kuchens - so haben Sie wörtlich gesagt - beschlösse das Parlament. Das hat noch nie jemand bestritten. Aber diese Haushaltsfragen - das wissen Sie als Haushaltsexperte der SPD viel besser als ich -werden im Parlament behandelt. Ich bin heute nicht in der Lage - und ich würde weit über das hinausgehen, was meines Amtes ist -, Ihnen schon eine Haushaltsrede vorweg im Namen des Finanzministers zu halten. Ich habe daher der Antwort der Bundesregierung zu Punkt 3 nichts mehr hinzuzusetzen. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Abgeordneter Ritzel hat das Wort.

Heinrich Georg Ritzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001860, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wenn Sie schon, Herr Bundesminister, der Antwort der Bundesregierung, die das Kabinett beschlossen hat, nichts hinzuzufügen haben, dann könnten Sie vielleicht doch den Deckel etwas lüften. Ich frage jetzt ganz konkret und nicht ohne Ursache: Wie hoch ist die Anforderung für die Kriegsopfer im Rahmen der ursprünglichen Planung, die zu einem Gesamtabschluß des ersten Entwurfs des Bundeshaushalts 1959 mit 45 Milliarden führte? Wieviel ist von dem Arbeitsministerium im Rahmen der ersten Abstriche im Gesamtbetrag von 2 Milliarden nachgegeben worden, und wieviel werden Sie im Rahmen der weiteren Abstriche, die mit 1,8 Milliarden geplant sind, nachgeben? ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Abgeordneter Rasch!

Hugo Rasch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001776, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesarbeitsminister hat hier erklärt, er werde der Presse eine Mitteilung unterbreiten, aus der ersichtlich werde, daß ein 100%ig erwerbsunfähiger Lediger 625 DM nebenher verdienen und dann noch die Ausgleichsrente erhalten könne. ({0}) - So haben Sie es gesagt, und so habe ich es verstanden. ({1}) - Dann wird sie total gestrichen; gut, auch akzeptiert. Nun steht im Gesetz: Grundrente für einen Erwerbsunfähigen 140 DM im Monat, Ausgleichsrente 160 DM im Monat. Aber dann heißt es in § 33: Ausgleichsrente ist nur insoweit zu gewähren, als sie zusammen mit dem sonstigen Einkommen folgende Monatsbeträge nicht übersteigt: bei Erwerbsunfähigkeit 195 Deutsche Mark. Das steht da drin. Sie haben ausdrücklich auf den Ledigen verwiesen, Herr Arbeitsminister. Nehmen Sie es mir nicht übel, wenn ich sage: Sie sind Verteidigungsminister gewesen, Sie sind jetzt Arbeitsminister, und wenn Sie so addieren und diese Ergebnisse zusammenbringen, kann ich Ihnen den guten Rat geben, Finanzminister zu werden. Dann kämen wir vielleicht über unser Dilemma hinweg. ({2}) Noch eine andere Sache. Sie haben den Vergleich mit der Fürsorge bestritten. Ich kenne die Fürsorgerichtsätze verschiedener Bundesländer nicht; ich kenne die von Nordrhein-Westfalen: für eine alleinstehende Frau 73 DM, Miete kann gewährt werden bis zu einem Betrage von 50 DM, macht zusammen 123 DM. Hier habe ich eine Rechtsverordnung zu § 33 des Bundesversorgungsgesetzes - Sie haben sie doch wohl erlassen, Herr Arbeitsminister -, aus der hervorgeht, daß das Einkommen einer Witwe, das 136 DM im Monat übersteigt, auf die Ausgleichsrente der Waise anzurechnen ist. Bin ich denn so weit von der Wahrheit entfernt, wenn der Fürsorgerichtsatz 123 DM beträgt und hier bei der Versorgung jede Mark, die 136 DM übersteigt, auf die Ausgleichsrente der Waise angerechnet wird? Das deckt sich doch im vollen Umfang. Ich möchte mich auch dagegen verwahren, Herr Arbeitsminister, daß Sie mir unterstellen, ich hätte hier unrichtig berichtet. Und dann, Herr Kollege Maucher: Wir wollen ja so freundschaftlich und kameradschaftlich zusammenarbeiten, wie wir es in den vergangenen Jahren getan haben. Aber das darf doch nicht so weit führen, daß Sie glauben, uns den Schnabel zubinden zu müssen, wenn wir hier auf Tatbestände aufmerksam machen, die einmal gegeben sind. Das dürfen wir, das werden wir, und das haben wir getan. Ich glaube, Herr Arbeitsminister, Sie haben wohl die Pflicht, in Ihrem Hause einmal zu fragen, ob das, was Ihnen berichtet wird, immer richtig ist. ({3})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Keine weiteren Wortmeldungen? ({0}) - Keine weiteren Wortmeldungen; die Aussprache ist geschlossen. Damit ist Punkt 2 der Tagesordnung von heute erledigt. Punkt 3 der Tagesordnung: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Ausübung der Berufe des Masseurs, des Masseurs und medizinischen Bademeisters und des Krankengymnasten ({1}). Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Gesundheitswesen ({2}) ({3}). Berichterstatterin: Abgeordnete Frau Wolff ({4}). ({5}) Das wird verbunden mit dein Punkt 4: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Ausübung des Berufs der medizinisch-technischen Assistentin ({6}). Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Gesundheitswesen ({7}) ({8}). Berichterstatterin: Abgeordnete Frau Blohm. ({9}) Ich schlage vor, daß wir zunächst die zweite Beratung des Entwurfs Drucksache 41 bzw. Drucksache 353 erledigen, dann die zweite Beratung des Entwurfs ({10}) und dann die dritte Beratung der beiden Vorlagen miteinander verbinden. Wird das Wort zur Berichterstattung zum Entwurf Drucksache 41 gewünscht? Die Frau Berichterstatterin verzichtet. Ich rufe in der zweiten Beratung den § 1 auf. Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 73 Ziffer 1 vor. Wird dazu das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Lange ({11}) zur Begründung!

Erwin Lange (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001283, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe, bevor ich diesen Antrag begründe, noch eine Bitte. Sie haben soeben, Hen Präsident, unter Zustimmung des Hauses schon festgestellt, daß die Punkte 3 und 4 gemeinsam behandelt werden. Es wäre aber nützlich, wenn wir in der Begründung der Anträge zu beiden Entwürfen auch jetzt in der zweiten Lesung ähnlich verfahren könnten, weil nämlich die Grundsätze praktisch gleichartig sind. Wenn Sie dazu das Einverständnis des Hauses einholen würden, wäre ich Ihnen dankbar.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Einen Augenblick, Herr Abgeordneter! Wir müssen doch hier in der zweiten Lesung eins ums andere abhandeln; erst kommt die eine Vorlage und dann die andere. Oder wollen Sie gleich jetzt in der Begründung auch etwas zu der zweiten sagen? ({0}) - Dann hat das Haus nichts dagegen. Das Haus ist für Zweckmäßigkeit. Sie haben das Wort.

Erwin Lange (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001283, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident, der Grund ist einfach der, daß die Erwägungen, die bei beiden Gesetzen angestellt werden müssen, gleichartig sind. Deshalb würde ich weiter um die Erlaubnis bitten, in der Einzelberatung auch einige grundsätzliche Bemerkungen zu den Gesetzen zu machen. Dann können wir uns vielleicht die Grundsatzdebatte in der dritten Lesung ersparen. ({0}) Wenn das soweit geregelt ist, sage ich herzlichen Dank und will nun unsere Anträge begründen. Ich darf vorweg darauf hinweisen, daß wir eine ähnliche Auseinandersetzung in der 2. Legislaturperiode um das Krankenpflegegesetz gehabt haben und daß wir uns im Zusammenhang mit dieser Auseinandersetzung im Grunde genommen alle darüber klar gewesen sind, daß es für eine künftige gesetzliche Regelung der Heil- und Heilhilfsberufe wünschenswert wäre, wenn eine Gesamtvorstellung entwickelt würde, ganz zu schweigen von einer Gesamtvorstellung hinsichtlich der berufsrechtlichen Regelung überhaupt bei den Berufen, bei deren Ausübung Gefahr für Leib und Leben Dritter zu befürchten ist. Nun liegen in diesem Zusammenhang wieder zwei Gesetze vor - ja, sind sie nun Berufsbezeichnungsgesetze oder sind sie Berufsordnungsgesetze? -, die auch nur Teilstücke lösen und das Gesamtproblem der Heil- und Heilhilfsberufe einfach nicht anfassen. Aus verschiedenen Unterhaltungen, die im Laufe der Zeit - außerhalb des Ausschusses - geführt worden sind, geht hervor, daß man auf der einen Seite kein Berufsordnungsgesetz machen möchte, auf der anderen Seite eine Berufsbezeichnung schützen möchte, um einen bestimmten Berufsausbildungsgang sicherzustellen. Wenn man sich Lange ({1}) aber die Formulierung des § 1 in beiden Gesetzen anschaut - er ist praktisch in beiden Gesetzen gleichartig formuliert -, dann kann man sich doch des Eindrucks nicht erwehren, daß hier unterschiedliches Recht geschaffen wird. In dem einen Gesetzentwurf heißt es: „Wer eine Tätigkeit unter der Bezeichnung . . . ausüben will, bedarf der Erlaubnis." In dem anderen Entwurf heißt es: „Wer eine Tätigkeit unter der Berufsbezeichnung ... ausüben will, bedarf der Erlaubnis." Wenn ich hier also für die Ausübung einer Tätigkeit unter einer bestimmten Berufsbezeichnung Erlaubnispflicht vorschreibe, dann ermögliche ich damit auf der anderen Seite anderen, die diese Tätigkeit nicht unter dieser Bezeichnung ausüben wollen, den ungehinderten Zugang zu einer so gearteten beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit. Das ist, glaube ich, eindeutig, und ich hoffe, daß auch die Juristen - ich bin ja ein Laie in dieser Frage - das nicht bestreiten werden, mindestens nach den Unterhaltungen, die ich mit einer Reihe Juristen in diesem Zusammenhang gehabt habe. Das also sind die Fragen, die man in diesem Zusammenhang klären müßte. Wenn man hier also einen bestimmten Berufsausbildungsgang sicherstellen will, wenn man nicht der Meinung ist, daß hier Gefahr für Leib und Leben Dritter zu befürchten ist, daß man also Voraussetzungen für die Berufsausübung zu schaffen habe, dann darf doch, damit eine einheitliche Behandlung aller Staatsbürger, wie sie das Grundgesetz fordert, gewährleistet ist, dem Grunde nach nur darinstehen, daß, wer eine Berufsausbildung im Sinne dieses Gesetzes absolviert hat, das Recht habe, die und die Berufsbezeichnung zu führen. Damit ist eine Berufsbezeichnung eindeutig an die Voraussetzung einer bestimmten Berufsausbildung geknüpft. Damit ist nichts gesagt über den Zugang zur Berufsausübung, den Zugang zur beruflichen wie gewerblichen Tätigkeit. Wir sind also der Meinung, daß die Formulierung im Entwurf dem Sinne eines Berufsausbildungsoder erweiterten Berufsausbildungsgesetzes mit dem Ziel, die Berufsbezeichnung dann auf Grund der Berufsausbildung zu schützen, nicht entspricht. Sie geht praktisch über das so gedachte Ziel - wenn es so gedacht war - hinaus, geht also dem Grunde nach zu weit. Dies insbesondere zu dem Gesetz über die Ausübung der Berufe des Masseurs, des Masseurs und medizinischen Bademeisters und des Krankengymnasten. Bei dem anderen Gesetzentwurf kann man auf Grund der vorbehaltenen Tätigkeiten - § 15 und folgende - den Eindruck haben, daß man hier in der Tat ein Berufsausübungsgesetz schaffen, d. h. bestimmte Voraussetzungen für die Berufsausübung gesetzlich sicherstellen und daran die Berufsausübung knüpfen wollte. Ich sage: diesen Eindruck kann man haben. Wenn man so etwas wollte - und für diesen Zweck haben wir jetzt Formulierungshilfe geleistet, und in dem Sinne sind unsere Anträge zu verstehen -, wenn man der Meinung ist, daß die Ausübung eines Heil- oder Heilhilfsberufes Gefahr für Leib und Leben der lieben Mitbürger bedeuten kann, daß jemand, der die Dinge nicht kennt, der ungeübt ist, der keine Voraussetzungen mitbringt, jemanden gesundheitlich ernsthaft schädigen kann, und wenn man deshalb Sicherungen einbauen will, dann muß man andersherum verfahren. Dieses „Andersherum" ist genau das, was wir auch damals beim Krankenpflegegesetz festgestellt haben: daß nämlich, wer die und die Tätigkeit berufsmäßig ausüben will, der Erlaubnis bedarf. Nur so wäre das zu machen. Wir haben damals gesagt: wer die Krankenpflege berufsmäßig ausüben will, bedarf der Erlaubnis; und wir haben dann gesagt, an welche Voraussetzungen sie geknüpft ist. Wir sagen hier: wer als Masseur, Krankengymnast usw. berufsmäßig tätig sein will, bedarf der Erlaubnis; und mit der Erlaubnis verbinden wir das Recht, die Berufsbezeichnung zu führen. - Es ist das vielleicht ein bißchen schwierig; ich will auch das Haus in dieser Beziehung nicht überfordern. Es wäre nützlich gewesen, wenn diese Dinge bei der Ausschußberatung hätten zur Sprache kommen können; daran hat vermutlich niemand gedacht. Wenn man das also so wollte, müßte man unseren Anträgen entsprechen. Diese Anträge haben dem Grunde nach den Sinn, hier einheitliches Recht zu schaffen, entweder nach der einen oder nach der anderen Seite. Wenn man uns also sagt: „Ein Berufsordnungsgesetz haben wir nicht gewollt, die Voraussetzungen für die Ausübung des Berufs haben wir nicht regeln wollen", dann soll man eben ein Berufsbezeichnungsgesetz machen, um eine bestimmte einheitliche Berufsausbildung - für die es viele Gründe gibt - zu gewährleisten. Das ist ja angeblich das Ziel dieser Gesetze. Wir würden aus den dargelegten Gründen den Gesetzen in der Fassung, wie sie in diesem Punkte formuliert sind, die Zustimmung verweigern müssen, weil durch sie unserer Überzeugung nach unterschiedliches Recht geschaffen würde. Es könnte jemand - das ist meine Auffassung, und lassen Sie sie mich auch deutlich sagen - auf Grund dieser Formulierung - und damit steht das Krankenpflegegesetz auch noch einmal in Frage - eine Verfassungsklage anbringen. Wir wissen ja seit dem 11. Juni dieses Jahres durch das Bundesverfassungsgerichtsurteil hinsichtlich der Apotheker und Apotheken einiges mehr über solche Dinge. ({2}) -Nicht so stürmisch, Herr Stammberger. ({3}) - Ich habe nicht gesagt, ich will's anrufen. Wenn man mit debattieren will, muß man auch zuhören. Ich habe gesagt, daß auch von dieser Seite her die Sache zweifelhaft erscheinen kann. ({4}) Ich sage, zweifelhaft erscheinen kann. Ich maße mir gar nicht an, das Urteil des Bundesverfassungs2590 Lange ({5}) Berichts, wenn es in einer solchen Sache einmal angerufen werden sollte, vorwegzunehmen. Ich werde mich hüten. Ich bin kein Jurist. ({6}) - Es ist ja gut, daß man das merkt. Immerhin möchte ich von den Juristen, die das eigentlich wissen müßten, eindeutig festgestellt wissen, was denn die Erlaubnispflicht in diesem Zusammenhang bedeutet. Erlaubnispflicht in diesem Zusammenhang ist nämlich völlig überflüssig. Man hindert diejenigen, die einen bestimmten Ausbildungsgang haben, der mit einer bestimmten Berufsbezeichnung, wie man es gewollt hat, enden soll, einfach daran, ihrem Beruf ungehindert nachzugehen. In dem Zusammenhang, wenn Sie das Gesetz nämlich als Berufsbezeichnungsgesetz wollen, gehen Sie zu weit und schaffen in der Tat zweierlei Recht. Die Auseinandersetzungen in den Gesprächen mit unseren Juristen haben uns gezeigt, daß unter den Voraussetzungen, wie sie hier formuliert sind, das Ziel, das die Mehrheit des Ausschusses erreichen sollte, nicht erreicht werden kann, ohne daß der Grundsatz der Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt würde. Auf diese Zusammenhänge glaubte ich hinweisen zu müssen. Die anderen Vorschläge, die in unseren Anträgen enthalten sind, ergeben sich zwangsläufig aus dem Vorschlag, den wir zum § 1 gemacht haben. Ich kann es mir also ersparen, auch angesichts der Beanspruchung dieses Hauses, weiter darauf einzugehen. Ich bin nur der Meinung, verehrte Kolleginnen und Kollegen, daß man mit dem Gesetz das gesteckte Ziel so wenig wie seinerzeit mit dem Krankenpflegegesetz erreichen kann. Wenn die Information richtig ist, die durch die Presse geht - und nur darauf kann ich mich jetzt beziehen -, wäre das, was hinsichtlich der Heil- und Heilhilfsberufe, in diesem Fall unter besonderer Berücksichtigung des Krankenhauspersonals, im Arbeitsministerium erarbeitet wird, nämlich über Arbeitszeit, Arbeitsbedingungen und sonstige Dinge, etwas nützlicher. Meine Bitte und auch die Forderung unserer Fraktion in diesem Zusammenhang gehen dahin, die Bundesregierung möge sich zunächst darüber äußern, wie sie das alles für die Heil- und Heilhilfsberufe, die sie unter einem bestimmten Aspekt sieht, ordnen oder regeln will, wie sie die Voraussetzungen schaffen will für die Berufsausübung, ob mit oder ohne Einschränkungen. Unsere Forderung ist also, daß sie aus einer umfassenden Vorstellung, wie das seinerzeit beim Krankenpflegegesetz zugesagt worden ist, mit diesem ständigen Klecker- und Stückwerk aufhört: hier einen Beruf, dort einen Beruf, wobei kein Mensch mit Sicherheit sagen kann, wie die Gesamtentwicklung ist. Es geht hier dem Prinzip nach nur um ein entsprechendes Rahmengesetz, in das im einzelnen keine besonderen Vorschriften über Berufsausbildung hineingenommen werden müssen; sie müssen nur umgrenzt werden im Sinne einer Ermächtigung an die Bundesregierung nach Art. 80 des Grundgesetzes. Auf diese Regelung kommt es an, und deshalb legen wir so entscheidenden Wert darauf, daß der § 1 von vornherein sauber formuliert wird - das sagen wir nach der einen oder anderen Seite - und nicht die Möglichkeit unterschiedlicher Auslegung und unterschiedlicher Rechtsstellung offenläßt. Ich wäre also dankbar, wenn die Entscheidung des Hauses in diesem Sinne fiele. Ich habe nicht die Absicht, einen Antrag auf Rückverweisung oder dergleichen zu stellen, sondern mir liegt lediglich daran, auf die Problematik hinzuweisen. So, wie diese beiden Gesetze vorliegen, werden wir ihnen aus den soeben genannten Erwägungen auch in der dritten Lesung nicht zustimmen können. Ich sage das deshalb, weil ich nach der Auseinandersetzung um das Krankenpflegegesetz - denn da sind wir mit unseren Vorstellungen auch nicht zu Rande gekommen - nicht glaube, beim Hause Eindruck gemacht zu haben. Deshalb sind wir also so frei, diese Erklärung auch schon für die dritte Lesung abzugeben.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Stammberger.

Dr. Wolfgang Stammberger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002215, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als kürzlich ein Fraktionskollege von mir, Herr Kollege Atzenroth, in zweiter und dritter Leseung zu Ausschußbeschlüssen sprach, an denen er nicht selbst teilgenommen hatte, ({0}) kam ein Kollege Ihrer Fraktion, Herr Kollege Lange - das war der Herr Kollege Seuffert -, und sprach ihm hier ungefähr das Recht ab, zu den Dingen überhaupt zu sprechen, weil er bei den Beratungen nicht dabeigewesen sei. Nun, ich bin kein Retourkutscher, Herr Kollege Lange, ({1}) sondern ich möchte tolerant sein, gewissermaßen liberal sein, was ich aus politischer Überzeugung bin, und möchte lediglich mein Bedauern aussprechen, daß wir Ihre sicherlich gutgemeinten Ratschläge nicht bei der Debatte im Ausschuß haben hören können. Ich möchte zunächst zwei Irrtümern entgegentreten. Der eine Irrtum ist der, daß es sich hier lediglich um eine gutgemeinte Formulierungshilfe handle, um eine Unebenheit, die zu beseitigen sei. Es handelt sich hier vielmehr um eine grundsätzliche Frage. ({2}) Der zweite Irrtum ist der, daß wir uns mit diesen Dingen im Ausschuß nicht beschäftigt hätten. Wir haben uns mehrere Sitzungen lang eingehend mit diesem Problem befaßt und haben dazu sogar eine Reihe von Sachverständigen aus den beteiligten Verbänden gehört. Daß wir uns zum Schluß, Herr Kollege Lange, einmütig - meiner Erinnerung nach auch mit den Stimmen Ihrer Fraktion ({3}) der Auffassung der beiden Regierungsentwürfe angeschlossen haben, hat zwei gute Gründe. Erstens wollen Sie nicht nur die Berufsbezeichnung schützen, also denjenigen, der seinen Ausbildungsgang hinter sich gebracht hat, sondern Sie wollen auch die Berufsausübung schützen. Das ist juristisch ein außerordentlich schwieriges Problem. Denn dann müssen Sie den Tätigkeitsbereich so genau umreißen, daß der Strafrichter - um es einmal ganz drastisch zu formulieren - eindeutig sagen kann: Hier hast du gegen das Gesetz verstoßen, weil du diese Tätigkeit ohne entsprechende Ausbildung ausgeübt hast. Ein Beispiel, Herr Kollege! Der Masseur eines Sportvereins massiert den Hundertmeterläufer vor dem Start; dann ist er ein Sportmasseur. Während des Laufs bekommt der Läufer einen Muskelkrampf. Greift der Sportmasseur jetzt ein, dann wird er zum Heilmasseur, weil hier eine vorübergehende gesundheitliche Schädigung vorliegt. In Wirklichkeit aber müßte er dem Mann erklären: Es tut mir leid, ich kann dir nicht helfen, denn ich habe die erforderliche Ausbildung nicht hinter mich gebracht. Wo wollen wir da die Grenze ziehen? Das wäre - um etwas pro domo zu sprechen - ein gefundenes Fressen für die Rechtsanwälte, wenn die Formulierung so gewählt würde, wie Sie sie haben möchten. Denn wir würden einen Rattenschwanz von Judikatur bekommen, wenn wir diese Bestimmung in der Praxis anwenden wollten. Das ist der erste Grund. Der zweite Grund ist der: Wir haben uns im Ausschuß bereits Gedanken darüber gemacht, wann das Gesetz in Kraft treten soll. Der Ausschuß hat das Inkrafttreten des Gesetzes bereits weitestgehend hinausgezögert. Heute liegen eine ganze Reihe Anträge vor - ich bin an keinem von ihnen beteiligt, aber alle haben etwas für sich, Herr Kollege -, die bezwecken, das Inkrafttreten des Gesetzes noch weiter zu verzögern, und zwar aus dem einfachen Grund, weil wir die Sorge haben müssen, daß wir dann, wenn wir die Berufsausübung schützen, wenn also nur noch ausgebildetes Personal, das oft nur Hilfsarbeit für den Arzt leistet, diese Tätigkeit ausüben kann, die notwendigen, im Sinne des Gesetzes ausgebildeten Hilfskräfte einfach nicht zur Verfügung haben werden. Daß wir sie nicht zur Verfügung haben, liegt daran, daß die Schulen von den Ländern noch eingerichtet werden müssen. Darauf hat aber weder der Bundestag mit diesen Gesetzen Einfluß noch die Bundesregierung; das ist Ländersache. Was wird nun die Folge sein? Man wird dann, wenn das Gesetz in Kraft tritt, entweder soundso viele Arbeiten in der ärztlichen Praxis, im Krankenhaus usw. einstellen müssen, oder - was leider das Normale wäre - man wird einfach im Interesse der Kranken und Heilungsuchenden munter und ununterbrochen gegen dieses Gesetz verstoßen müssen. Herr Kollege, eine solche Gesetzgebung, deren Folgen wir schon im voraus kennen, möchten wir auf keinen Fall mitmachen. Nun werden Sie mich fragen: Warum dann überhaupt das Gesetz? Dafür gibt es auch wieder zwei Gründe. Zunächst einmal hat der Verfassungsgesetzgeber in Art. 74 Ziffer 19 des Grundgesetzes dem Bundesgesetzgeber zur Aufgabe gemacht, alle Heilberufe - dazu gehören natürlich auch die Heilhilfsberufe - bundeseinheitlich zu regeln. Wenn Sie einmal in den beiden Gesetzentwürfen nachschauen, welcher Rattenschwanz von bisher geltenden Gesetzen auf Landesebene, die teilweise einander völlig widersprechen, endlich zu einem bundeseinheitlichen Gesetz zusammengefaßt wird, dann werden Sie die Notwendigkeit einsehen. Der zweite Grund, weshalb wir uns für dieses Gesetz aussprechen und weshalb auch bisher landesrechtliche Vorschriften dasein mußten, ist der, daß es notwendig ist, die Berufsausbildung zunächst einmal gesetzlich zu regeln und in der Berufsbezeichnung auch denjenigen, der die Berufsausbildung hinter sich gebracht hat, entsprechend zu schützen. Nur auf die Berufsausbildung kommt es uns an. Sie sprachen verschiedentlich das Krankenpflegegesetz an, Herr Kollege. Das alles steht in keinem Widerspruch zum Krankenpflegegesetz. Im Gegenteil, wir haben bei den Beratungen immer das bereits geltende Krankenpflegegesetz herangezogen und teilweise die Formulierung der Regierung etwas umgestellt, um zu den gleichen Formulierungen wie beim Krankenpflegegesetz zu kommen. Ich darf auf die Strafvorschriften und verschiedenes andere mehr verweisen. Nun Ihre weitere Frage: Warum haben wir verschiedene Gesetze? Warum haben wir nicht alle diese Dinge in ein Mammutgesetz hineingebaut? Als Antwort darauf möchte ich mir - als Mitglied einer Oppositionspartei - die Begründung der Bundesregierung zu eigen machen. Die Regierung hat ausführlich begründet, warum verschiedene Gesetze notwendig sind. Ich kann es mir deshalb ersparen, Ihre Zeit noch weiter in Anspruch zu nehmen. Ich bin in meiner Eigenschaft als Jurist angesprochen worden. Herr Kollege Lange, mit dem Apothekergesetz hat das gar nichts zu tun. Das Bundesverfassungsgericht hat lediglich gesagt, daß es in Zukunft bei den Apotheken die Bedürfnisprüfung nicht mehr geben kann. Das heißt mit anderen Worten: jeder, der einen Ausbildungsgang als Apotheker hinter sich gebracht hat, kann nun in Gottes Namen eine Apotheke eröffnen. Das ist verfassungsmäßig. Und jeder, der seinen Ausbildungsgang als Masseur, als Bademeister, als medizinischtechnische Assistentin oder sonst irgend etwas hinter sich gebracht hat, kann diesen Beruf nach diesem Gesetz ausüben und kann sich entsprechend bezeichnen. Wer es nicht getan hat, der kann sich eben nicht entsprechend bezeichnen. Ich möchte einmal denjenigen sehen, der mit wirklich guten Gründen auf den Gedanken kommt, die Gesetze als verfassungswidrig anzusehen. Darüber hinaus ist das Krankenpflegegesetz schon längst in Kraft getreten, und ich habe noch nie gehört, daß jemand seine Verfassungsmäßigkeit angezweifelt hat. Der Antrag der SPD steht etwas im Gegensatz zu dem, was die Kollegen dieser Fraktion im Ausschuß vorgetragen haben. Ich sage das nicht als eine Spitze gegen sie, aber sie haben sich aus wohlerwogenen Argumenten heraus unserer Auffassung angeschlossen, trotz mancherlei Bedenken, die nicht nur in Ihrer Partei, sondern auch in der CDU und in der DP bestanden. Wir waren jedoch nach einer eingehenden Überprüfung der Angelegenheit einmütig der Meinung, daß man der Regierung hier folgen müsse. Aus diesem Grunde bitte ich Sie, die Anträge der SPD zu den beiden Gesetzentwürfen abzulehnen. ({4})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat Frau Abgeordnete Kalinke.

Margot Kalinke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001058, Fraktion: Deutsche Partei (DP)

Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Die Grundlage für die heutige Debatte über das Problem der Berufsausbildungsgesetze sind die Anträge der Fraktion der Deutschen Partei, die schon am 6. Oktober 1953 gestellt worden sind. Ich bekenne hier ganz offen, auch wir hätten es seinerzeit begrüßt, wenn es möglich gewesen wäre, nicht nur die Berufsbezeichnung, sondern auch die Berufsausübung sowohl der Krankengymnastinnen wie der medizinisch-technischen Assistentinnen zu schützen. Aber in einer Debatte, die sich nun über fünf Jahre erstreckt, ist deutlich geworden, daß wir hier zu einem Abschluß kommen müssen, zu einer Regelung der Dinge, und zwar nicht nur aus Gründen unserer Verfassung, sondern auch aus vielen anderen Gründen. Ich will sie jetzt nicht aufzählen, weil sie in großer Breite im Ausschuß diskutiert worden sind und auch im Bericht ihren Niederschlag gefunden haben. Ich glaube, daß das heute und jetzt so wichtig ist, weil die Debatte in der Öffentlichkeit, nicht nur bei den beteiligten Krankengymnasten und medizinisch-technischen Assistentinnen, bei den Gehilfinnen und Schwestern, sondern auch bei den Krankenhäusern und Ärzten durch falsche, unzulängliche oderunzureichende Informationen belastet ist. Wir sollten auch hier und heute nicht die Debatte bei der Beratung des Krankenpflegegesetzes wiederholen; ich bin mit dem Redner der SPD absolut darin einig, daß dieses Gesetz unvollkommen ist. Aber ich habe damals beim Krankenschwestern-Problem gesagt und sage es heute wieder: ich sehe in diesen Gesetzen einen Ansatzpunkt für eine Weiterentwicklung. Nicht nur der Berufsausbildungsgang sollte sichergestellt werden, sondern es sollte vor allem im Interesse der Volksgesundheit dafür gesorgt werden, daß die so ausgebildeten Krankengymnasten und medizinisch-technischen Assistentinnen für die Aufgaben, deren Lösung ihnen vorbehalten sein sollte und für die eben eine besondere Ausbildung nötig ist - das haben wir in einem Katalog festzulegen versucht -, ein Vorrecht und einen bestimmten Schutz bekommen. Lange Debatten über die Schwierigkeit der Abgrenzung der Tätigkeiten sollten wir heute nicht mehr führen. Aber, Herr Kollege Lange, wenn Sie sagen, daß Sie mit Ihren Anträgen Formulierungshilfe für eine Lösung dieses Problems gegeben haben, so müßte ich eine ganze Reihe von Fragen an Sie richten, die Sie erst einmal beantworten sollten. Ich fürchte, daß Sie mit dieser sogenannten Formulierungshilfe das Problem noch komplizieren würden. Selbstverständlich lag die größte Schwierigkeit von Anfang an darin, das Arbeitsgebiet des Krankengymnasten von dem der Masseure und der pflegerischen Gymnastik abzugrenzen. Dasselbe gilt für die Abgrenzung bezüglich der medizinisch-technischen Assistentin von der angelernten, nicht voll ausgebildeten Gehilfin, oder der Krankenschwester oder der Sprechstundenhilfe, die auch in Zukunft einen Teil der Aufgaben erfüllen wird und erfüllen soll, für die es gar nicht genügend technische Assistentinnen gibt und geben wird. Eine juristisch einwandfreie Abgrenzung - Herr Kollege, auch ich bin keine Juristin - zwischen verwandten Berufen mit vielfachen Überschneidungen ist immer sehr schwierig. Darauf haben sich ja gerade die Gewerkschaftsverbände, deren Sprecher Sie sicher sind, und die Masseurverbände immer wieder berufen. Sie und auch Ihre Parteifreunde haben den Standpunkt vertreten, daß es keine Grenzen gebe und daß daher die Vereinheitlichung der Berufe die natürliche Folgerung sei. Sie haben das heute nicht so deutlich ausgesprochen. Aber das ist doch der Hintergrund bzw. das Ziel, und da liegt natürlich ein Trugschluß. Daß es Schwierigkeiten einer juristischen Abgrenzung gibt, besagt doch keineswegs, daß keine wesentlichen sachlichen Unterschiede zwischen den Berufsgruppen bestehen. Solche Abgrenzungen sind für den Sachverständigen ganz deutlich erkennbar und werden in der Praxis schon längst beachtet. Eine schärfere Abgrenzung der in Betracht kommenden Berufsgruppen ist hier auch um so weniger notwendig, als der verordnende Arzt in jedem Falle allein zu entscheiden hat; er hat zu verantworten, wem er seine Patienten anvertraut. Er wird immer sehr wohl überlegen, ob er einen Patienten zu einem Masseur, zu einem Bademeister oder zu einer gut ausgebildeten Krankengymnastin schickt. Damit ist die Abgrenzung praktisch in die Hand des Arztes gelegt. Ihm kann niemand diese Entscheidungsfreiheit verwehren; niemand kann ihm auch die Verantwortung abnehmen. Allein die vorgeschriebene Ausbildung der Krankengymnastinnen und der medizinisch-technischen Assistentinnen an den staatlich anerkannten Lehranstalten gibt Gewähr für die sachgemäße Ausführung der vom Arzt verordneten Behandlungen oder Untersuchungen. Denn die genaue Kenntnis des erkrankten Organsystems oder der Voraussetzungen für die Untersuchung ist nun einmal notwendig. Darüber haben wir uns im Ausschuß sehr gründlich unterhalten, und die Kenntnis dieser Zusammenhänge setze ich auch bei den Antragstellern voraus. Ich glaube, Sie wissen auch, daß die gleichen Kenntnisse und Voraussetzungen bei den anderen Berufsgruppen, die Sie einbezogen haben möchten, eben nicht gegeben sind. Als ich Ihren Antrag las, habe ich mir zwei Fragezeichen gemacht. Ich habe mich gefragt, was ein „medizinischer Bademeister" und eine „medizinische Badeanstalt" ist. Dann habe ich einzelne Ärzte gefragt, und ein sehr namhafter Mann, der in der Wissenschaft eine bedeutende Rolle spielt, hat mir geschrieben, schon ehe mein Brief bei ihm angekommen war, welche großen Bedenken er gegen den SPD-Antrag hat. Er hat bestätigt, daß nicht nur er, sondern auch namhafte Ärzte an dem Gebrauch des Wortes „medizinisch" in bezug auf „medizinische Badeanstalten" und „medizinische Bademeister" mit Recht Anstoß nehmen. Was soll es bedeuten? Eine ärztlich geleitete Badeanstalt ist doch offenbar nicht von Ihnen gemeint. Manche Entwicklungen der letzten Zeit lassen auch den Ausdruck „medizinischer Bademeister" als recht bedenklich erscheinen. So habe ich gehört, daß die im Nordwestdeutschen Verband der medizinischen Hilfsberufe zusammengeschlossenen Masseure jetzt einen Verband der Physiopraktiker gegründet haben. Ich will auf das Problem nicht näher eingehen. Den Sachkennern ist es bekannt, und wir wissen ja, daß die Wurzeln für solche Entwicklungen in England zu suchen sind. Zum Schluß stelle ich fest: Die Mehrheit des Ausschusses hat sich nach schwierigen Diskussionen, das soll nicht verschwiegen werden, mit Recht darauf beschränkt, die Ausbildung der betreffenden Berufsgruppen in ihren Grundzügen festzulegen, die Berufsbezeichnung an die vorgeschriebene Ausbildung zu knüpfen und bestimmte Aufgaben eben den so ausgebildeten Krankengymnasten und medizinisch-technischen Assistentinnen vorzubehalten, um Mißbräuche und Schädigungen zu verhindern. Ich würde es sehr bedauern, wenn die sozialdemokratische Fraktion diesen Gesetzen heute nicht zustimmte und damit nicht zur Erreichung des Endziels beitrüge. Die Regierungsvorlage, die im Arbeitsministerium vorbereitet wird - ich begrüße es, daß sie vorbereitet wird -, ist eine Ergänzung, aber keineswegs ein Ersatz für dieses Gesetz. Dieses Gesetz betrachten wir als einen guten Anfang für eine Neuordnung unter Anwendung der Erkenntnisse der modernen Medizin im Interesse einer guten Gesundheitspolitik. Wir werden den SPD-Antrag ablehnen, dem Gesetz aber in zweiter und dritter Lesung zustimmen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat Frau Abgeordnete Blohm.

Irma Blohm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000201, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem Frau Kalinke und Herr Dr. Stammberger hier so ausführlich zu dem Antrag der sozialdemokratischen Fraktion Stellung genommen haben, möchte ich mich diesen Ausführungen anschließen und für meine Fraktion bitten, den Antrag der SPD-Fraktion abzulehnen. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Abgeordneter Lange!

Erwin Lange (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001283, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Gestatten Sie mir noch eine Bemerkung! Kollege Stammberger brachte vorhin einen historischen Rückblick auf eine bestimmte Debatte. ({0}) - In Ordnung! Folgendes ist bei der Beurteilung dessen, was hier geschieht, für uns entscheidend. Ich habe vorhin nichts gegen die Notwendigkeit der Vereinheitlichung der Berufsausbildung usw. gesagt, sondern habe diese Notwendigkeit ausdrücklich anerkannt. Aber mit dieser nach unserer Meinung unkorrekten Formulierung in § 1 schießen Sie einmal über das Ziel hinaus und bleiben im anderen Falle - und bei den medizinisch-technischen Assistentinnen wollen Sie doch eine Kleinigkeit mehr, wie ich aus Ihren Ausführungen entnommen habe hinter dem gesteckten Ziele zurück. Dadurch, daß Sie den Termin des Inkrafttretens verhältnismäßig weit hinausschieben wollen und hier auf die besonderen Erfordernisse der Berufsausbildung hingewiesen haben, wird im Grunde deutlich, daß dieses Gesetz im Augenblick nicht erforderlich ist, d. h. daß es verfrüht ist, jedenfalls dann, wenn die jetzige Formulierung des § 1 beibehalten wird. Wenn Sie nur sagten: Wer eine entsprechende Berufsausbildung nach diesem Gesetz durchlaufen hat, hat das Recht, die und die Berufsbezeichnung zu führen, wäre der Fall ausgestanden und wir hätten keinerlei Bedenken. Ich weise deshalb auf diesen Zusammenhang hin, weil durch die für die Heilberufe und die Heilhilfsberufe notwendigen Regelungen, wenn sie so erfolgen, wie es hier vorgesehen ist, Gefahren entstehen können. Nur deshalb habe ich vorhin das Krankenpflegegesetz angezogen. Natürlich haben Sie sich an den Wortlaut des Krankenpflegegesetzes gehalten; das bescheinige ich Ihnen hier. Aber wir waren damals schon anderer Meinung. Es war schon damals so und ist auch heute noch so, daß derartige Regelungen Rückwirkungen auf Wünsche hinsichtlich der Berufsordnung und des Schutzes der Berufsbezeichnung in völlig anderen Bereichen - nämlich auf dem gewerblichen Sektor und dem Sektor der übrigen freien Berufe - haben können. Deswegen legen wir so entscheidenden Wert darauf, daß die zu treffende Regelung mit den gegebenen Möglichkeiten in Übereinstimmung steht. Daher sind wir nicht in der Lage, Ihren Wünschen zu entsprechen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Stammberger.

Dr. Wolfgang Stammberger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002215, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Lange, Sie sind schon wieder, weil Sie an den Sitzungen nicht teil2594 genommen haben, einem Irrtum unterlegen. Wir setzen das Gesetz deshalb erst später in Kraft, weil der Ausbildungsgang nach dem neuen Gesetz erst begonnen werden kann, wenn das Gesetz da ist. Bevor nach dem neuen Gesetz gearbeitet werden kann, muß erst Zeit für die Ausbildung sein. Daher muß, ganz gleichgültig, wann dieses Gesetz kommt, zwischen der Verkündung und dem Inkrafttreten immer ein gewisser Zwischenraum sein, während dessen die Leute ausgebildet werden. Das ist doch selbstverständlich.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Keine weiteren Wortmeldungen zu der vorweggenommenen allgemeinen Aussprache dritter Lesung und zur Aussprache über den Änderungsantrag. Wir kommen zur Abstimmung über Ziffer 1 des Antrags Umdruck 73 zu § 1. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das zweite ist die Mehrheit; abgelehnt. Wer § 1 in der vorliegenden Fassung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das erstere ist die Mehrheit; § 1 ist in der Vorlage der Regierung angenommen. Zu § 2 liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 73 Ziffer 2 a und b vor. ({0}) - Er ist schon begründet worden. - Das Haus ist darüber einig, daß es keiner Abstimmung mehr bedarf, da der Antrag erledigt ist. Der Änderungsantrag Umdruck 76 Ziffer 1 betrifft eine redaktionelle Änderung. Besteht darüber Einmütigkeit? Die Sachverständigen müssen das wissen. ({1}) - Das Haus ist mit dieser redaktionellen Änderung einverstanden; das wird festgestellt. Ferner liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 129 vor, ein Antrag der Abgeordneten Lang ({2}), Dr. Franz, Höcherl und Genossen. Wird dieser Änderungsantrag begründet? - Bitte, Herr Abgeordneter Lang!

Georg Lang (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001281, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Änderungsantrag Umdruck 129 sieht eine Änderung bzw. Streichung der Bestimmung über die Mitwirkung des Bundesministers des Innern vor. Verschiedene Äußerungen in Rundfunk und Presse zu Beginn der dritten Legislaturperiode des Deutschen Bundestages ließen erkennen, daß von verschiedenen Seiten eine Erweiterung der Kompetenzen des Bundes bei der Gesetzgebung über das Gesundheitswesen angestrebt wird. Das Grundgesetz gibt dem Bund im Gegensatz zur Weimarer Verfassung jedoch nicht die Gesetzgebungszuständigkeit für das gesamte Gesundheitswesen, sondern zählt die vom Bund zu regelnden Teilbereiche einzeln auf. Wir Antragsteller haben gegen die Ihnen vorliegende Ausschußfassung ernste verfassungsrechtliche und verwaltungstechnische Bedenken, da sie vor allem die Länderrechte einengen und beschneiden würde. Für die in Umdruck 129 vorgeschlagene Fassung wird auf die entsprechende Bestimmung des § 2 Abs. 2 des Krankenpflegegesetzes vom 15. Juli 1957 verwiesen, deren ursprüngliche Fassung nach dem Regierungsentwurf die gleiche war, wie sie in dem obigen Gesetzentwurf vorgesehen war. Zur Begründung der Änderung bzw. Streichung der Mitwirkung des Bundesministers des Innern darf ich folgendes anführen. Durch das Widerspruchsrecht des Bundesministers des Innern würde eine unzulässige Mischverwaltung begründet, da dieses Widerspruchsrecht im Ergebnis einem Recht auf Zustimmung zu Verwaltungsakten der Landesbehörden gleichkäme. Überdies fehlen die Voraussetzungen für einen überregionalen Verwaltungsakt des Bundesministers des Innern, da der erstrebte Zweck, die einheitliche Beurteilung der im Ausland erworbenen Ausbildung, auch durch den Erlaß allgemeiner Verwaltungsvorschriften erreicht werden kann. Die Erteilung einer Erlaubnis an Personen, die eine im Ausland erworbene gleichwertige Ausbildung nachweisen, ist nicht so bedeutungsvoll, daß die Vorlage jedes einzelnen Falles an den Bundesminister des Innern erforderlich erschiene. Das vorgesehene umständliche Verfahren wird vermieden, ohne daß die einheitliche Handhabung in den Ländern leidet, wenn der Bundesminister des Innern die Länder darüber unterrichtet, in welchen ausländischen Staaten die Ausbildung der deutschen Ausbildung gleichkommt. Der Bundestag hat das Krankenpflegegesetz ohne die vorstehende von der Bundesregierung vorgeschlagene Ergänzungsbestimmung verabschiedet. Da den Berufen der Masseure, medizinischen Bademeister, Krankengymnasten und medizinisch-technischen Assistentinnen kaum ein größeres Gewicht zukommt als dem Beruf der Krankenpfleger und der Krankenschwestern, dürfte sich auch bei diesen eine soche Bestimmung erübrigen. Auch wir Antragsteller messen den beiden zur Verabschiedung anstehenden Gesetzesvorlagen keine allzu große Bedeutung zu. Es geht uns darum, die Rechte der Länder zu wahren, und deshalb bitte ich Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, als echte Förderalisten - soviel ich weiß, sind das die meisten in diesem Hause -, unserem Abänderungsantrag auf Umdruck 129 zu § 2 Absatz 3 zuzustimmen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat Frau Abgeordnete Blohm.

Irma Blohm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000201, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es tut mir außerordentlich leid, daß ich gegen unsere eigenen Fraktionskollegen sprechen muß. Aber der Antrag lautet: Die Erlaubnis kann nur Personen erteilt werden, die eine außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes erworbene gleichwertige Ausbildung nachweisen. Es ist aber nichts darüber gesagt, wer diese Erlaubnis erteilt. Nach diesem Wortlaut kann sie auch jeder Arzt oder irgendwer sonst erteilen. Es ist also nicht einmal gesagt, daß das Land die Erlaubnis erteilen muß. Wir bitten daher die Antragsteller der CSU, in diesem Punkt der Ausschußfassung zuzustimmen. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Abgeordneter Dr. Bärsch!

Dr. Siegfried Bärsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000074, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist sicher, daß, wenn in diesem Paragraphen nicht das Einvernehmen des Bundesministers des Innern besonders gefordert würde, die Erlaubnis ausschließlich durch die zuständige Länderbehörde zu erteilen wäre. Ich gebe ohne weiteres zu, Herr Kollege Lang, daß wir hier mit dem Einbau des Einvernehmens des Bundesministers des Innern bis hart an die Grenze der Bundeskompetenz herangegangen sind, vielleicht sogar die Grenze deutlich berührt haben. Durch Ihre Ausführungen könnte aber ein nicht ganz richtiger Eindruck darüber hervorgerufen werden, was uns im Ausschuß veranlaßt hat, das Einvernehmen des Bundesministers des Innern vorzusehen. Es ist weniger an diejenigen Masseure und medizinisch-technischen Assistentinnen gedacht, die im Ausland eine gleichwertige Ausbildung erworben haben, als vielmehr vor allem an diejenigen, die ihre Ausbildung zwar auch außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes erworben haben, aber nicht im Ausland, sondern in der sowjetisch besetzten Zone Deutschlands. Es kommt uns darauf an, zu verhindern, daß gegenüber diesen Deutschen von den einzelnen Ländern der Bundesrepublik unterschiedliche Maßstäbe hinsichtlich der Erlaubniserteilung angewandt werden. In diesem Punkt reicht die Angelegenheit weit über das eigentlich Fachliche des Gesetzes hinein ins Politische. Wir wollen gewissermaßen verhindern, daß über die Spaltung des Vaterlandes hinaus eine weitere partikularistische Zersplitterung innerhalb der Bundesrepublik hinsichtlich der Handhabung dieser Regelung eintritt. Das trifft nebenbei gesagt nicht nur für diese Berufe zu, sondern gilt auch für viele andere Dinge und wird sich im Laufe der weiteren Entwicklung sicher zu einem immer bedeutsameren politischen Problem herausbilden. Deshalb sollten wir dafür sorgen, daß der Bundesminister des Innern als die übergeordnete Klammer eine einheitliche Beurteilung der Fragen durch die Länder sicherstellt. Aus diesen Gründen bitte ich Sie herzlich, die Ausschußfassung beizubehalten. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich lasse über Umdruck 129 abstimmen. Wer ihm zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Das sind drei Stimmen. Wer dagegen ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Jetzt steht der § 2 in der Ausschußfassung unter Einschluß der redaktionellen Änderungen, die wir beschlossen haben, zur Abstimmung. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - § 2 ist angenommen. Ich rufe die §§ 3 bis 15 a auf. Änderungsanträge dazu liegen nicht vor. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! -Angenommen. Bei § 16 soll eine redaktionelle Änderung vorgenommen werden. - Das Haus ist mit dieser redaktionellen Änderung einverstanden; sie ist angenommen. Wird zu § 16 das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer § 16 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Angenommen. Zu den §§ 17 bis 20 liegen keine Änderungsanträge vor. Wird das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer diesen Paragraphen zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Angenommen. Zu § 21. liegt auf Umdruck 165 ein interfraktioneller Antrag vor. Auf Begründung wird verzichtet. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Angenommen. Jetzt rufe ich den § 21 in der so geänderten Fassung sowie die Einleitung und die Überschrift auf. - Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Angenommen. Jetzt rufe ich den Gesetzentwurf in Drucksache 355 auf. Zu § 1 liegt auf Umdruck 74 Ziffer 1 ein Änderungsantrag vor. Es handelt sich wohl wieder um das gleiche Problem, Herr Abgeordneter Lang. Die Begründung ist bereits erfolgt. Wortmeldungen liegen nicht vor. Wer dem Änderungsantrag Umdruck 74 Ziffer 1 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das letzte ist die Mehrheit; der Änderungsantrag ist abgelehnt. Ich stelle jetzt den § 1 in der Ausschußfassung zur Abstimmung. Wer ihm zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Der § 1 ist angenommen. § 2! Hier liegt wieder ein Änderungsantrag auf Umdruck 128 vor, der wieder das gleiche Problem betrifft. Herr Abgeordneter Lang, halten Sie den Antrag aufrecht oder ziehen Sie ihn zurück? ({0}) - Dann muß ich darüber abstimmen lassen. Wer dem Änderungsantrag der Abgeordneten Lang, Dr. Franz und Genossen auf Umdruck 128 zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Der Antrag ist abgelehnt. In § 2 soll dann wieder eine redaktionelle Änderung vorgenommen werden. Statt „§ 9" soll es „§ 10" heißen. - Das Haus ist damit einverstanden und nimmt diese Änderung zur Kenntnis. Präsident D. Dr. Gerstenmaier Wer dem § 2 mit dieser redaktionellen Änderung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Angenommen. §§ 3, - 4, - 5, - 6, - 7, - 8, - 9, - 10, -11, - 12, - 13, - 14. - Keine Wortmeldungen. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Angenommen. § 15! Dazu liegt auf Umdruck 67 unter den Ziffern 1 a und b ein Änderungsantrag vor. Herr Abgeordneter Dürr zur Begründung!

Hermann Dürr (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000424, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe die Ehre, den Antrag des Kollegen Spitzmüller auf Umdruck 67 zu begründen. Der Zweck dieses Antrags ist lediglich der, das Gesetz praktisch durchführbar zu machen; denn was hilft ein noch so schön und wohlklingendes Gesetz, wenn es Makulatur wird, weil es in der Praxis nicht eingehalten werden kann? Wie ist der Sachverhalt? Die Ausschußfassung sieht vor, daß der Vorbehalt, gewisse Tätigkeiten dürften nur von den aufgeführten Personen ausgeübt werden, nicht gelten soll für Personen, die diese Tätigkeiten in der Praxis eines Arztes oder Zahnarztes unter seiner ständigen Aufsicht und ausschließlichen Verantwortung ausüben. Die Ausnahme gilt also in praxi für die Sprechstundenhilfe. Nun gilt aber das, was zu dieser Ausnahme für die Sprechstundenhilfe geführt hat, in ziemlich genau gleicher Weise auch für das Hilfspersonal in kleinen Krankenhäusern. Durch den Antrag soll erreicht werden, daß erforderlichenfalls auch das Hilfspersonal diese Tätigkeiten ausüben kann, aber nur unter ständiger Aufsicht und ausschließlicher Verantwortung des behandelnden Arztes oder Zahnarztes. Das heißt natürlich nicht: unter Aufsicht und Verantwortung des hohen Chefs, der oben drüber schwebt, sondern unter ständiger Aufsicht und ausschließlicher Verantwortung jenes behandelnden Arztes, der, wenn er die Ergebnisse liest, die erarbeitet worden sind, auf Grund seiner eigenen Untersuchung sagen kann: „Das kann nicht stimmen; da muß ein Fehler drin sein", und der deshalb Fehler, die immer möglich sind, viel leichter erkennen kann als jeder andere. Das Gesetz über die medizinisch-technischen Assistentinnen bringt einen zusätzlichen Bedarf an medizinisch-technischen Assistentinnen für die Krankenhäuser. Die Bestimmung des § 16 soll am 1. Juli 1961, vielleicht auch am 1. Januar 1962 in Kraft treten; das kommt auf das Ergebnis der Abstimmung über die Änderungsanträge an. Wir haben jetzt bereits zu wenig medizinisch-technische Assistentinnen. Wir werden durch dieses Gesetz einen weiteren Fehlbedarf bekommen, der möglicherweise - ich greife auf Schätzungen auf Grund von Erhebungen der Deutschen Krankenhausgesellschaft zurück - 6000 Personen betragen wird. Dabei ist noch nicht eingerechnet, daß medizinisch-technische Assistentinnen manchmal ihren Beruf deshalb nicht ausüben, weil sie sich verheiraten. Es ist ja immer schwer, zu schätzen, wieviel das sein werden. Die Vermehrung der Ausbildungsstätten, die allein in der Lage wäre, diesen Fehlbedarf zu decken, ist Ländersache. Meine Damen und Herren, können wir sagen: Setzen wir dieses Gesetz einmal in Kraft, und dann sollen die Länder sehen, wie sie in allergrößter Schnelligkeit die Ausbildungsstätten in ungeahntem Ausmaß vergrößern? Alle unsere Bundesländer sind nicht etwa Länder der unbeschränkten Möglichkeiten, und wir können von ihnen nicht alles verlangen. Der erste Lehrgang nach Inkrafttreten dieses Gesetzes wird etwa am 1. April des kommenden Jahres beginnen. Er wird bis zum 1. April 1961 dauern. Sechs Monate Praxis kommen hinzu. Dann hätten wir also den 1. Oktober 1961. Glauben Sie, daß ein verstärkter Lehrgang in der Lage wäre, den gesamten Fehlbedarf zu decken? Der Änderungsantrag ist auch sachlich gerechtfertigt; denn die Beobachtungsmöglichkeit, die der behandelnde Arzt im kleinen Krankenhaus hat, entspricht durchaus der Beobachtungsmöglichkeit und der Möglichkeit, auf Grund eigener Überwachung die Verantwortung zu übernehmen, die der praktische Arzt in seiner Praxis hat. Ich sprach von den kleinen Krankenhäusern und möchte dazu sagen, daß das gar kein unwichtiger Prozentsatz ist. 55% unserer Krankenhäuser haben weniger als 100 Betten. Aber diese 55 % aller Krankenhäuser haben nur 16 % der gesamten Bettenzahl. Hier erhebt sich, wenn dieses Gesetz in der Ausschußfassung in Kraft gesetzt würde, noch eine Frage: Was geschieht denn, wenn in einem recht kleinen Landkrankenhaus die einzige medizinischtechnische Assistentin krank wird oder in Urlaub geht? Dann wird vielleicht - der Jurist würde sagen: wegen Notstands - mit sehr gutem Gewissen ein Gesetz übertreten. Es entspricht doch nicht dem Zweck eines Gesetzes, von vornherein zuzugestehen, daß es mangels praktischer Durchführbarkeit mit recht gutem Gewissen übertreten wird. Und was wäre die letzte Folge? Die letzte Folge wäre, daß die hier - ich glaube, mit Recht - prophezeiten Entwicklungen im Jahre 1961 einträten und im Jahre 1962 eine Novelle zu diesem Gesetz erforderlich machten. Meine Damen und Herren, ich darf Sie herzlich bitten, diesem Antrag Ihre Zustimmung zu geben. Denn wenn Sie ihn ablehnten, würden Sie bereits heute dem 4. Deutschen Bundestag Arbeit aufhalsen. Er müßte dann nämlich dieses Gesetz novellieren. Das aber wollen wir unseren Nachfolgern nicht unbedingt zumuten. Es genügt, wenn wir, falls notwendig, etwa drei Monate vor Schluß der Legislaturperiode die Arbeit auf den nächsten Bundestag verschieben. Heute wollen wir bestimmt noch nicht damit anfangen. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Frau Abgeordnete Kalinke!

Margot Kalinke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001058, Fraktion: Deutsche Partei (DP)

Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich bitte den Herrn Kollegen von der Freien Demokratischen Partei, der für seinen abwesenden Kollegen gesprochen hat, nicht böse zu sein, wenn ich nicht im einzelnen auf seine AusfühFrau Kalinke rungen eingehe. Seine Argumente sind lang und breit im Ausschuß behandelt worden. Ich bedauere sehr, daß der Kollege Spitzmüller heute nicht hier sein kann, um seinen Antrag zu vertreten. Nicht nur ich, sondern die CDU/CSU und die DP und, ich glaube, auch die FDP hätten ihm geraten, seinen Antrag zurückzuziehen. Ich bitte namens der CDU/CSU- und der DP-Fraktion und aller der Kollegen, die die gleiche Auffassung vertreten, diesen Antrag abzulehnen und begründe meinen Vorschlag in aller Kürze wie folgt: Das Gesetz, das wir heute beschließen werden, schafft die Grundlagen für die Mehrausbildung von technischen Assistentinnen. Der Antrag der Kollegin Steinbiß und Genossinnen, den wir nachher annehmen werden, schafft die Möglichkeit, das Inkrafttreten der strittigen Paragraphen bis zum 1. Januar 1962 zurückzustellen. Der Herr Kollege Spitzmüller wird dann - ich hätte es ihm lieber vorher allein gesagt, wenn er hier gewesen wäre - auch in seinem eigenen Sanatorium ganz bestimmt die technische Assistentin bekommen, die er heute noch nicht hat. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Keine Wortmeldungen; wir kommen zu den Abstimmungen. Wer dem Antrag Umdruck 67 Ziffer 1 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Niemand ist dafür; dann brauche ich auch keine Gegenprobe zu machen. Der Antrag ist abgelehnt. Wer § 16 in der Fassung des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Angenommen. Über § 15 in der Fassung des Ausschusses muß noch abgestimmt werden. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe. - Angenommen. §§ 17, - 18, - 18 a, - 19, - 20, - 21, - 22 und 23. - Keine Wortmeldungen. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Angenommen. Wir kommen zu dem Änderungsantrag auf Einführung eines § 23 a, Umdruck 67. Herr Abgeordneter, wollen Sie erneut begründen? ({0}) Wer dem Änderungsantrag Umdruck 67 Ziffer 2 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Keine Stimme dafür; damit ist die Sache erledigt. § 24, kein Änderungsantrag. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Angenommen. § 25! Hierzu liegen Änderungsanträge auf den Umdrucken 166 und 167 vor. ({1}) - Zunächst Umdruck 166 zu § 25 Abs. 1! Wird der Antrag begründet? Es ist ein interfraktioneller Antrag. - Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Angenommen. Dann Umdruck 167 zu § 25 Abs. 2. ({2}) Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Steinbiß.

Dr. Viktoria Steinbiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002233, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Antrag Umdruck 167 ändert den Antrag Umdruck 166 dahin, daß die §§ 15 und 16 des Gesetzes am 1. Januar 1962 in Kraft treten sollen. Er verlängert also die Zeit um ein Jahr, und zwar aus den Gründen: zu wenig Assistentinnen, zu wenig Ausbildungsstätten, und um den Krankenhäusern die Möglichkeit zu geben, sich umzustellen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Wird dazu das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Antrag Umdruck 167 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Der Antrag ist angenommen. Damit ist der Antrag Umdruck 166, soweit er sich auf den Abs. 2 bezieht, entsprechend geändert. Wer dem § 25 in der so geänderten Fassung, der Einleitung und Überschrift zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! -Angenommen. Wir kommen zur dritten Lesung. Ich kehre zur Vorlage Drucksache 353 zurück und frage, ob in der dritten Lesung zur allgemeinen Aussprache das Wort gewünscht wird. - Das ist nicht der Fall. Änderungsanträge sind nicht mehr gestellt. Wer der Vorlage Drucksache 353 in der durch die Annahme der Änderungsanträge in der zweiten Lesung veränderten Fassung in dritter Lesung zustimmen will, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; dieses Gesetz ist angenommen. Wer der Vorlage auf Drucksache 355 in der durch die Annahme der Änderungsanträge in der zweiten Lesung geänderten Fassung zustimmen will, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit. Auch dieses Gesetz ist angenommen. Damit sind wir am Schluß unserer heutigen Tagesordnung angelangt. Ich berufe die nächste Sitzung ein auf Mittwoch, den 29. Oktober 1958, 9 Uhr vormittags. Die Sitzung ist geschlossen.