Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Vor Eintritt in die Tagesordnung erteile ich das Wort zur Abgabe einer Erklärung gemäß § 36 der Geschäftsordnung dem Herrn Abgeordneteten Dr. Mende.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gemäß § 36 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestags erlaube ich mir im Namen der Fraktion der Freien Demokratischen Partei folgende Erklärung abzugeben.
Auf Grund ihres Bekenntnisses zur Wiedervereinigung in Freiheit und Sicherheit, das für ihre Politik bestimmend ist, verurteilt es die Bundestagsfraktion der Freien Demokratischen Partei, daß sich ein Mitglied des Deutschen Bundestags, der CSU-Abgeordnete Dr. Hermann Mathias Görgen, Saar, in einem Artikel in der „Saarländischen Volkszeitung" vom 10. Mai 1958 mit den Forderungen eines Journalisten identifiziert hat, die darauf hinauslaufen, die deutsche Wiedervereinigung zu verhindern oder durch die Nennung scheinbarer Alternativen auf unabsehbare Zeit hinauszuschieben.
Demgegenüber weist die Fraktion der Freien Demokratischen Partei darauf hin, daß entsprechend dem Verfassungsauftrag des Grundgesetzes nur die Wiedervereinigung den deutschen Menschen in Mitteldeutschland die Freiheit zurückgeben kann.
({0})
Meine Damen und Herren, Sie haben die Erklärung gemäß § 36 der Geschäftsordnung gehört.
Ich rufe nunmehr den Punkt 1 der Tagesordnung auf:
Fortsetzung der zweiten und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Gewährung von Prämien für Wohnbausparer ({0}) ({1}) ; Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wohnungswesen, Bau- und Bodenrecht ({2}) ({3}).
Ich erteile absprachegemäß Herrn Abgeordneten Stierle das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe gestern kurz vor Schluß unserer Sitzung ausgeführt, daß die Wohnungsnot noch riesengroß ist. Wir können ihrer nur Herr werden, wenn wir bauen und nochmals bauen. Dazu ist Geld notwendig, viel Geld, und zwar von allen Beteiligten, vom Bund, von den Ländern, von den Kommunen, von den Bauherren, einerlei, ob es Wohnungsbauunternehmen oder Private sind, von den Mietern, von den Wohnungsuchenden.
Die allgemeinen öffentlichen Mittel verringern sich. Sie wissen, die Degression ist beschlossen, jährlich nehmen diese Mittel um 10 % ab. Es sind keine 700 Millionen mehr, es sind nur noch 630 Millionen.
Auch der § 7 c des Einkommensteuergesetzes ist in gewissem Sinne verschlechtert worden. Er kommt nicht mehr für den Bau von Miets- oder Genossenschaftswohnungen für Arbeitnehmer in Frage, er ist beschränkt auf Eigentumsmaßnahmen.
Wenig überzeugend ist auch, was der verehrte Kollege Dr. Hesberg gestern gerade zu diesem Punkt hier ausführte, indem er vertröstend auf die Einliegerwohnungen im Einfamilienhaus hinwies oder darauf, daß man für diesen Zweck eben irgendwo anders, bei einer Bank oder Sparkasse, sparen müsse.
Ich habe auch das Interview gelesen, das unser Finanzminister, Herr Etzel, dem „Spiegel" gegeben hat, und habe dort mit Freude erfahren, daß das allgemeine Sparprämiengesetz, das geplant ist, sein Lieblingskind ist. Ich hoffte deshalb, daß die Regierungsvorlage zum Wohnungsbauprämiengesetz - Drucksache 264 - sich freundlicher und günstiger gestalten würde, als sie dann tatsächlich ausgefallen ist. Denn wir sind uns ja offenbar darin einig, daß Sparen gut ist, daß es notwendig ist und belohnt gehört, daß es prämiiert gehört.
Die SPD hat im 24. Ausschuß vergeblich versucht, die alte weitere und bessere Fassung des Gesetzes vom März 1952 wiederherzustellen. Wir haben dort eine ganze Reihe von Anträgen gestellt. Sie sind abgelehnt worden.
Im Dezember 1954 wurde diese günstigere Fassung, die den Wohnungsbau ganz allgemein umfaßt und alle Aufwendungen für ihn prämiiert, wesentlich verschlechtert. Sie wurde eingeschränkt auf die einseitige Förderung von Eigentumsmaßnah1816
men. Das wird, glaube ich, sehr klar und deutlich, wenn man die frühere, günstige der späteren, verschlechterten Fassung gegenüberstellt.
Daraus ergibt sich eine für mich und meine Freunde groteske Situation: In der Zeit, in der es uns wohnungspolitisch noch wesentlich schlechter ging, die Wohnungsnot noch größer war, waren wir, vom Gesetzlichen her gesehen, großzügig und prämiierten alle Sparleistungen für Wohnungsbau; jetzt, wo es uns wesentlich besser geht, wo wir viel mehr tun könnten, um mit der elenden Wohnungsnot fertig zu werden, sind wir engstirniger, sind wir knickeriger und belohnen nur noch diejenigen für ihre Sparleistungen, die sich um Eigentum bemühen.
Ich frage Sie sehr im Ernst: Ist das die wohnungspolitische Zielsetzung der Regierung, und soll sie aufrechterhalten bleiben? Das wurde uns in den Ausschußberatungen mehrere Male vorgetragen und mit Nachdruck bestätigt. Ich kann mir nicht vorstellen, daß es dabei bleiben könnte.
Nun, ich meine, Sparen auf breitester Ebene und besonders hier, wo es zweckgebunden ist, sollte unsere einmütige Unterstützung und Förderung erfahren.
Der Plan, ein allgemeines Sparprämiengesetz zu schaffen, hat bei mir und sicherlich auch bei einer ganzen Reihe meiner Freunde einigermaßen bittere Gefühle ausgelöst. Ich habe mich gefragt: Warum soll denn jetzt ein neues allgemeines Sparprämiengesetz geschaffen werden, wo das alte und in seiner ursprünglichen Fassung sehr gute Wohnungsbauprämiengesetz verstümmelt vor uns liegt?
Ich bin deswegen der Auffassung: Wenn schon ein neues Gesetz geplant ist und kommen soll - wie uns ja auch gestern versichert worden ist -, dann sollte zunächst doch auch der Versuch gemacht werden, das geltende Wohnungsbausparprämiengesetz zu verbessern und möglichst seine alte Form wiederherzustellen.
Die zweite und dritte Lesung des Gesetzentwurfs Drucksache 264 ist für uns die letzte Möglichkeit, dem Gesetz eine dem sozialen Wohnungsbau günstigere Fassung zu geben. Unser Vorschlag geht dahin, es grundsätzlich bei der Vorlage Drucksache 264 zu belassen; das ist im Ausschuß auch so beschlossen worden. Wir sind aber der Auffassung, daß sie einer Erweiterung bedarf. Wir legen Ihnen zu diesem Zwecke einige Anträge vor, die Sie auf Umdruck 70 finden.
Wir beantragen erstens, eine neue Ziffer „vor 1" einzufügen, worin für § 2 Abs. 1 Ziffer 4 des Wohnungsbau-Prämiengesetzes im wesentlichen die alte Fassung vorgesehen wird und zusätzlich nur die Genossenschaftswohnungen einbezogen werden. Ausgangspunkt unserer Überlegungen ist, daß auch das Sparen für den Erwerb einer Genossenschaftswohnung Streben nach Eigentum ist und daß der Erwerb von Genossenschaftsanteilen allein dazu nicht ausreicht. Er findet auch sehr schnell seine Grenze; denn das Genossenschaftsmitglied ist nur widerstrebend bereit, mehrere Geschäftsanteile zu übernehmen, weil diese Summen ein für allemal festliegen und die Haftsumme natürlich entsprechend steigt. Daher sind wir der Auffassung, daß das über den Erwerb von Genossenschaftsanteilen hinausgehende Sparen, das zur Erlangung einer Wohnung notwendig und auch möglich ist, zu prämiieren ist. Darum haben wir vorgeschlagen, die Beiträge, die auf Grund von Verträgen mit Wohnungs- oder Siedlungsunternehmen oder Organen der staatlichen Wohnungspolitik zum Erwerb oder Bau von Genossenschaftswohnungen geleistet werden, in die Prämienbegünstigung mit einzubeziehen. Im Falle Ihrer Zustimmung würde in Art. 1 des Gesetzentwurfs Drucksache 264 die jetzige Ziffer 1 Ziffer 2.
Weiterhin beantragen wir, in Art. 1 des Gesetzentwurfs Drucksache 264 eine neue Ziffer 1 a - nach der neuen Zählung Ziffer 3-einzufügen,womit eine Änderung des § 7, Aufbringung der Mittel, angestrebt wird. Zur Zeit stellt der Bund für die Auszahlung der Prämien 100 Millionen DM und als Ausgleichsmaßnahme für die Länder, die durch ihre Prämienauszahlungen so stark belastet sind, daß ihnen der Abzug dieser Mittel von den allgemeinen Förderungsmitteln sehr schwerfallen würde, noch einmal 38 Millionen DM zur Verfügung. Insgesamt stehen also jetzt 138 Millionen DM für Prämienzahlungen bereit. Die Erfahrungen haben gezeigt, daß der Abzug der Mittel, die über diese 138 Millionen DM hinausgehen, die Länder sehr schwer trifft; denn diese Mittel werden dann von den allgemeinen Förderungsmitteln abgezogen, und das sind zur Zeit weit über 100 Millionen DM. Wenn man sich noch vergegenwärtigt, daß daneben noch die Degression der allgemeinen Förderungsmittel von jährlich 10 °/o läuft, dann muß man den Eindruck gewinnen, daß die Aussichten für den sozialen Wohnungsbau schlecht sind.
Wir beantragen deswegen, daß sämtliche Mittel, die für die Auszahlung von Prämien notwendig sind, vom Bunde gesondert zur Verfügung gestellt werden. Es heißt in der von uns beantragten Fassung des § 7:
Die für die Auszahlung der Prämien erforderlichen Beträge werden vom Rechnungsjahr 1958 an in voller Höhe jährlich vom Bund gesondert zur Verfügung gestellt und auf die Länder anteilig nach ihrer Prämienbelastung verteilt.
Das scheint mir keine unbillige Forderung zu sein. Denken Sie daran, daß - wie wir gestern schon gehört haben - beim allgemeinen Prämienspargesetz mit einem Aufkommen von etwa 2 Milliarden DM gerechnet wird; das bedeutet bei 20 % Prämie einen Aufwand von 400 Millionen DM. Wenn man sich nicht scheut, diese Belastung auf sich zu nehmen, dann sollte das, was wir auf dem hier in Frage stehenden Gebiet beantragen, auch möglich sein. Zudem werden ja beim allgemeinen Sparen auch noch all die Steuerausfälle in Kauf genommen, über die gestern gesprochen worden ist. Wenn das also auf jenem Gebiet möglich ist, warum sollte beim Wohnungsbau-Prämiengesetz dann nicht etwas sehr viel Bescheideneres angängig sein? Die wohnungspolitische Zielsetzung der Regierung kann nach meiner und sicherlich auch nach der Auffassung
eines großen Teils der verehrten Kolleginnen und Kollegen doch nicht dahin gehen, daß man etwa sagt: Wer sich um eine Miet- oder Genossenschaftswohnung bemüht, mag sehen, wie er zu seinem Geld kommt, wir begünstigen nur denjenigen, der sich Eigentum leisten kann. Das kann nicht die wohnungspolitische Zielsetzung der Regierung sein. Deswegen bitten wir Sie dringend: stimmen Sie unseren Anträgen zu.
Wenn der Wohnungsuchende bei dem Wohnungsunternehmen spart, von dem er sich eine Wohnung bauen lassen oder sie erwerben oder mieten will, ist eine enge und persönliche Verbindung gerade durch dieses Sparverhältnis gegeben. Wir sehen also nicht ein, weshalb nicht auch Sie dem Vorschlag zustimmen wollen, daß die Wohnungsunternehmen die Sparverträge mit denjenigen abschließen, die bei ihnen Wohnungen haben wollen. Wo liegt denn da eine Gefahr? Wir schaffen doch gerade damit ein enges, persönliches Verhältnis zwischen dem, der die Wohnung sucht, und demjenigen, der sie ihm beschaffen will.
Was wir beantragen, meine Damen und Herren, ist möglich ohne Gefahr für den Haushalt und ist notwendig für den sozialen Wohnungsbau. Deswegen bitten wir Sie nochmals um Zustimmung zu unseren Anträgen.
({0})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Czaja.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist notwendig, zuerst einige Mißverständnisse aufzuklären, um dann das, was uns in Koalition und Opposition trennt, klar herauszuarbeiten.
Wir sind wie die Opposition der Auffassung, daß für den Wohnungsbau und für die Beseitigung der Wohnungsnot noch Erhebliches getan werden muß, und wir beschränken uns nicht auf Erklärungen. Wenn Sie die Bundeshaushalte der letzten Jahre überprüfen, dann stellen Sie fest, daß die Regierung in steigendem Maße öffentliche Mittel für den Wohnungsbau zur Verfügung gestellt hat.
({0})
Ich nenne Ihnen Zahlen. 1956 waren es im Bundeshaushalt insgesamt - einschließlich Lastenausgleich - 2,4 Milliarden DM, 1957 über 2,6 Milliarden DM, und 1958 sind es mit den Summen, die bereits jetzt an die Länder verteilt worden sind, einschließlich des Lastenausgleichs 2,9 Milliarden DM, nachdem erst am 30. Mai 864 Millionen DM neu verteilt worden sind.
({1}) Das möchte ich vorweg unterstreichen.
Nachdem es uns, wie Kollege Stierle dankenswerterweise zugegeben hat, wesentlich besser geht, und zwar durch Anstrengungen aller in unserer Bevölkerung, aber auch dank der klugen Wirtschaftspolitik unserer Regierung, sind wir in diesem Punkt keineswegs knickeriger geworden.
({2})
Wir sind auch nicht für eine übertriebene einseitige Förderung ,der Eigentumsmaßnahmen. Wir sind aber für eine gewisse Wiedergutmachung. Meine verehrten Damen und Herren, in den Jahren seit 1949 hat die öffentliche Hand mehr als 23 Milliarden DM an öffentlichen Mitteln für den Wohnungsbau zur Verfügung gestellt. Davon sind, insgesamt betrachtet, kaum mehr als 15 bis 20 % -ich spreche von der Zeit von 1949 bis heute - dazu verwendet worden, Eigentümer in der eigenen Wohnung zu schaffen. Herr Kollege Dr. Deist hat erst in der vorigen Woche hier in der Debatte über die Howaldtswerke ganz besonders betont, daß die Opposition ein absolutes Ja zur Förderung des Eigentums sagt. Ich glaube, wir sind uns mit der Opposition auch darin einig, daß dieses Ziel jetzt dort stärker in den Vordergrund gestellt werden soll, wo es anschaulich ist, wie Dr. Deist es im Anschluß an die Bemerkungen des Kollegen Dr. Dresbach hier ausgeführt hat.
Noch eine Richtigstellung ! Es handelt sich keineswegs um ein verstümmeltes Wohnungsbau-Prämiengesetz, ,das Ihnen heute zur Abstimmung vorgelegt wind, sondern um einige Verbesserungen des geltenden Wohnungsbau-Prämiengesetzes, sogar einige von uns beantragte Verbesserungen zugunsten der Wohnungsunternehmen und auch der gemeinnützigen Unternehmen. Es ist auch keineswegs etwa so, daß man nach dem Gesetz nicht für Mietwohnungen sparen ,darf. Man darf nur bei den entsprechenden Sparinstitutionen sparen.
Was trennt uns von den Auffassungen der Opposition? Wir wollen erstens, daß die Wohnungsunternehmen bauen; sie sollen nicht generell Sparinstitutionen sein. Das Sparen soll in erster Linie bei den zugelassenen Sparinstitutionen erfolgen. Daß wir nicht gegen die Wohnungsunternehmen und insbesondere gegen die Genossenschaften als Bauträger sind zeigt der Umstand, daß wir im Ausschuß den Antrag gestellt haben. die Prämienunschädlichkeit der Abtretung von Bausparverträgen an Wohnungsunternehmen festzulegen. Insofern sind wir über die Regierungsvorlage hinausgegangen. Hier haben wir uns einmütig im Ausschuß zusammengefunden. Als Spareinrichtung hingegen wünschen wir das Wohnungsunternehmen nur in besonderen Ausnahmefällen, in denen das wohnungspolitische Ziel des Familienheimes verfolgt wird. Dieses wohnunaspolitische Ziel wird doch wohl auch von Ihnen beiaht. Im übrigen ist dann, wenn man nur für Eigenheime, für Kaufeigenheime und Kleinsiedlungen spart, auch zu übersehen, was mit den Sparsummen geschieht. und alle Vorgänge können vom Sparenden selbst bis zu seinem Bauvorhaben hin verfolgt werden.
Wir wollen aber nicht. daß das ratenweise Beibringen von Mieterdarlehen beim Bauträger selbst prämiiert wird. Bei den Beratungen zum Zweiten Wohnungsbaugesetz hat sich die SPD wiederholt gegen die Mieterdarlehen überhaupt ausgesprochen. Nach dem Antrag der SPD sollten die gemeinnützigen und die übrigen Wohnungsunternehmen immer eine besondere Förderung genießen und besonders hohe öffentliche Mittel erhalten, weil sie vorzugs1818
weise für Personen mit geringen Einkommen bauen wollten, die keine Darlehen geben könnten. Daher ist es nicht ganz verständlich, warum gerade diese Kreise so sehr wünschen, die Ansparung von Mietvorauszahlungen zu prämiieren. Es soll wohl den juristischen Personen zur Zwischenfinanzierung fehlendes Eigenkapital für das ihnen als juristischen Personen gehörende Eigentum verschafft werden. Nachdem ihnen aber bisher große Teile der vorgenannten 23 Milliarden DM zugeflossen sind und sich weitgehend in Eigentum dieser juristischen Personen verwandelt haben,
({3})
in ein Eigentum, dessen Lasten, Kapital- und Bewirtschaftungskosten vom Mieter getragen werden, sind wir jetzt nicht für eine noch weitere Begünstigung, vielmehr sind wir dafür, daß das individuelle Eigentum am Haus als das wohnungspolitische Ziel auch in diesem Gesetz besonders begünstigt wird.
({4})
Wer übrigens auf Mieterdarlehen sparen will, dem ist es unbenommen, dies bei einer Sparinstitution zu tun. Die Möglichkeit der Abtretung haben wir zugestanden, aber wir sind nicht bereit, die Eigenkapitalverstärkung der Wohnungsunternehmen in die Richtung für den Mietwohnungsbau zu lenken.
Unsere Absicht, das Familienheim zu begünstigen, führt uns auch zu unserem Antrag Umdruck 72. Die Terminologie des Zweiten Wohnungsbaugesetzes war bei der Fassung des Wohnungsbau-Prämiengesetzes noch nicht verankert. Dadurch ist wohl in Ziffer 4 vom Kaufeigenheim, nicht aber vom betreuten Eigenheim die Rede. Hier haben wir die Bedenken der Opposition nochmals geprüft und ihnen teilweise durch unseren Antrag Rechnung getragen. Wir gehen jedoch davon aus, daß jeder Versuch des Mißbrauchs beim Erwerb bereits durch Ziffer 20 der Durchführungsrichtlinien vom 12. Juli 1956 ausgeschlossen ist und daß auch in Zukunft auf Grund von § 9 Abs. 1 Ziffer 3 sichergestellt werden wird, daß Beiträge für Beträge mit festgelegten Sparraten zum Bauen nur insofern prämienbegünstigt sein können, als sie bis zur Bezugsfertigkeit vorgesehen und zu zahlen sind.
So viel zu Ziffer 1 Ihres Antrags. Wir haben also Ihren Wünschen durch unseren Umdruck 72 zum Teil Rechnung getragen. Ich glaube, es ist ein Beispiel einer guten Zusammenarbeit zwischen einer konstruktiven, anregenden Opposition und einer Mehrheit, die auf die nach ihrer Meinung berechtigten Anträge auch der Opposition hört,
({5})
um ihnen dann nach genauer Prüfung Rechnung zu tragen.
Zu Ziffer 2 Ihres Antrags möchte ich folgendes erklären. Eine weitere Übernahme von Mitteln für Prämien auf den Bund lehnen wir ab. Auch die Länder haben Aufgaben im Wohnungsbau,
({6})
und auch sie müssen einen Teil der Prämien aufbringen, die eine der stärksten Finanzierungsquellen für den Wohnungsbau erschließen, nämlich das Sparen in den Bausparkassen. Wenn man sich die Neuabschlüsse und die Summen, die zur Verfügung gestellt worden sind, vor Augen hält, merkt man auch in den Ländern, daß es sich um eine der wichtigsten Finanzierungsquellen handelt, eine Quelle, die durch diese Prämien erschlossen worden ist. Deshalb müssen auch die Länder selber etwas dazu tun, und zwar - das möchte ich ausdrücklich unterstreichen - nicht unter Kürzung der allgemeinen Wohnungsbaumittel,
({7})
sondern unter deren Erhöhung.
Meine Damen und Herren von der SPD, Sie verlangen dauernd vom Bund die Erhöhung der Mittel für die Prämie. Der Bund hat sie erhöht - Herr Kollege Stierle hat das dankenswerterweise anerkannt von 60 auf 100 Millionen DM, wozu noch die 38 Millionen kommen. Die Leistung des Bundes hat sich also in den letzten zwei Jahren verdoppelt. Wenn Sie vom Bund eine Erhöhung der Ansätze verlangen, so bleibt es Ihnen unbenommen, diese Anträge auch in den Ländern zu stellen, ,die ja bei der Steuerreform nicht ganz schlecht weggekommen sind.
({8})
Der Bund hat das Seinige getan und bringt auch heute noch einen erheblichen Teil der Prämienmittel auf. Er hat sie, wie ich ausführte, wesentlich erhöht. Wir müssen deshalb Ihren Antrag unter Ziffer 2 ablehnen; wir sind der Meinung, daß er füglicherweise in denjenigen Ländern gestellt werden muß, die ihre Wohnungsbaumittel bisher nicht angehoben haben.
({9})
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.
Ich rufe dann zunächst den Antrag Umdruck 70 Ziffer 1 auf, in der Ausschußfassung eine neue Ziffer 1 einzufügen, wie von dem Herrn Abgeordneten Stierle begründet worden ist. Wer für diese Einfügung ist, den bitte ich um ein Handzeichen. Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen?
Abgelehnt.
Dann rufe ich den Antrag Umdruck 72 auf, vor der Ziffer 1 nur einzufügen „oder eines Eigenheims", wie von Herrn Abgeordneten Czaja begründet worden ist. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Soweit ich sehe: einstimmig angenommen.
Nunmehr rufe ich Art. 1 Ziffer 1 in der Fassung des Ausschusses auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Angenommen.
Weiter liegt auf Umdruck 70 unter Ziffer 2 der Antrag vor, eine neue Ziffer 1 a einzufügen, betrefVizepräsident Dr. Preusker
fend § 7. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Abgelehnt.
Dann rufe ich Art. 1 Ziffer 2 in der vom Ausschuß nicht geänderten Fassung der Regierungsvorlage auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf Art. 2, - Art. 3, - Art. 4, - Art. 5, - Einleitung und Überschrift. - Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Angenommen.
Damit ist die zweite Beratung des Gesetzentwurfs zur Änderung des Gesetzes über die Gewährung von Prämien für Wohnbausparer geschlossen.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung
und eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Aussprache.
Wer dem Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Gewährung von Prämien für Wohnbausparer in der in der zweiten Lesung angenommenen Fassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Soweit ich sehe, ist das Gesetz einstimmig angenommen.
Ehe ich Punkt 2 der Tagesordnung aufrufe, darf ich die interfraktionelle Vereinbarung bekanntgeben, daß der Punkt 5, die zweite und dritte Beratung des Getreidepreisgesetzes, nach dem Punkt 3 vor Punkt 4 behandelt werden soll.
Ich rufe dann auf Punkt 2:
Dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung steuerlicher Vorschriften auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Ertrag und des Verfahrensrechts ({0}),
Zusammenstellung der Beschlüsse des Bundestages in zweiter Beratung ({1}).
Ich eröffne die Aussprache. Ich erteile Herrn Abgeordneten Dr. Brecht das Wort zur Begründung des ersten Antrags seiner Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir bringen auch in der dritten Lesung unseren Antrag zu § 7 c ein. Wir wünschen, daß er nicht nur zeitlich verlängert wird, sondern daß er auch sachlich wie bisher erhalten bleibt, so daß auch künftig Arbeitnehmermiet- und Arbeitnehmergenossenschaftswohnungen bedacht werden. Herr Dr. Czaja hat soeben zu einem anderen Punkt der Tagesordnung die Erklärung abgegeben, daß Sie von der Koalition durchaus bereit seien, konstruktive Vorschläge der Opposition entgegenzunehmen und zu prüfen. Nach diesen Darlegungen haben wir die Hoffnung, daß Sie auch diesen konstruktiven Vorschlag, § 7 c zu erhalten, noch in dritter Lesung annehmen werden.
Wir können uns in der Begründung auf das berufen, was ich gestern in der zweiten Lesung zur Beibehaltung der Steuerbegünstigungen für die Hergabe von Darlehen für Arbeitnehmermietwohnungen gesagt habe. Ich darf aber ergänzend folgende wenige Bemerkungen anschließen.
Herr Dr. Hesberg hat gestern entgegnet, es liege immer noch eine Begünstigung darin, daß derartige Darlehen von den Arbeitgebern abgezinst werden könnten. Das ist völlig richtig und wird von uns nicht bestritten. Das ist aber schon immer geltendes Recht gewesen, längst bevor es eine SiebenerGruppe gegeben hat und längst bevor diese Vergünstigung dagewesen ist. Das kann also nicht als Grund dafür angeführt werden, die steuerlichen Vergünstigungen, die für die Hergabe von 7c-Darlehen für Wiederaufbauten und für Eigenheime gelten, nicht in gleicher Weise auch bei der Hergabe von Darlehen für Arbeitnehmermietwohnungen anzuwenden.
Herr Dr. Hesberg hat weiter gefragt, woher die Annahme stamme, daß nunmehr in der Finanzierung des Arbeitnehmermiet- und Genossenschaftswohnungsbaues ein Betrag von 200 bis 250 Millionen DM ausfallen würde. Meine Damen und Herren, § 7 c hat einmal eine sehr große Bedeutung gehabt. Die Beträge, die an 7 c-Darlehen gegeben worden sind, sind, allerdings nur in einem Jahr, über 1,2 Milliarden DM hinausgegangen. Nach den Änderungen dieser Bestimmung sind sie etwas zurückgegangen. Aber wenn Sie etwa das Aufkommen des vergangenen Jahres zugrunde legen und unterstellen, daß wir in der Bundesrepublik etwa zur Hälfte Mietwohnungen und zur Hälfte Eigenheime bauen, dann kommen Sie - das kann ich Ihnen aus meinen beruflichen Erfahrungen sagen - auf diesen Betrag, und er würde sicherlich auch im Jahre 1958 gegeben werden, Herr Dr. Hesberg, wenn diese steuerliche Begünstigung in gleicher Weise für den Arbeitnehtnermiet- und Genossenschaftswohnungsbau aufrechterhalten würde.
Sie haben gestern erklärt, man könne ja auf die Kapitalmarktfinanzierung ausweichen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das kann man gerade bei diesen Mitteln nicht; denn es handelt sich, wie ich Ihnen gestern darlegte, um Mittel, die für die Restfinanzierung gegeben werden. Kein Kapitalgeber ,auf dem Kapitalmarkt ist nach seinen Satzungsbestimmungen in der Lage, diese Restfinanzierungsmittel zu geben. Auch der von Ihnen vorgeschlagene Ausweg über Zinszuschüsse nützt in diesem Bereich tatsächlich nichts. Ich darf auf all das verweisen, was ich gestern dazu ausgeführt habe, und nochmals bestätigen, daß es sich um die privatwirtschaftlich beste Finanzierungsform handelt. Gerade diese beeinträchtigen Sie hier.
Zum Schluß möchte ich noch einmal - für Ihre Überlegungen, meine Damen und Herren, und für Ihr Bemühen, konstruktiven Vorschlägen der Opposition nach Prüfung gerecht zu werden - auf
den engen Sachzusammenhang mit § 7 b hinweisen. Wir haben eine weitgehende Steuerbegünstigung für die Vermögensbildung und für die Investitionen auch dem Großvillenbau zugestanden. Wir haben unsere starken Bedenken gegen den § 7 b zurückgestellt. Wir haben nun an Sie die Bitte, ohne Dogmatismus an die Dinge heranzugehen und nun Ihrerseits die Einsicht aufzubringen, daß Sie das, was Sie den Beziehern großer Einkommen und der Bildung großer Vermögen über den § 7 b steuerlich zukommen lassen, dem Arbeitnehmer-Mietwohnungsbau und dem Arbeitnehmer-Genossenschaftswohnungsbau im § 7 c nicht versagen sollten.
({0})
Versagen Sie es, dann hat das nach unserer Meinung mit sozialer Gerechtigkeit nichts zu tun.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hesberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf die Ausführungen des Herrn Kollegen Brecht kann ich nur erwidern, daß wir Ihnen, meine Damen und Herren der Opposition, leider nicht iden Gefallen tun können, unsere Stellungnahme zu § 7 c zu revidieren. Es ist nun einmal notwendig, aus der grundsätzlichen Politik auf dem Gebiete der Einkommensteuer gewisse Folgerungen auch hinsichtlich einer Einschränkung dieser steuerlichen Begünstigungen zu ziehen. Ich erinnere nochmals daran, daß der restlose Fortfall für Ende dieses Jahres in Aussicht genommen war. Wenn wir den § 7 c in dieser leingeschränkten Form jetzt noch im Gesetz haben, so als letzte Möglichkeit, im Rahmen der gesamten Aufgaben dieser Steuerreform noch etwas Besonderes für den Wohnungsbau zu tun.
Herr Kollege Brecht, Sie haben Anstoß genommen an dem Hinweis, man könne die Mittel auf dem Kapitalmarkt aufnehmen, und Sie haben erklärt, der § 7 c diene und habe der Restfinanzierung gedient, und die Mittel des Kapitalmarktes könnten nicht an letzter Stelle eingesetzt werden. Sicher, das wissen wir ganz genau, und daß es geschehe, das wollen auch wir nicht. Aber es gibt doch die Möglichkeit, durch die sogenannte 1-B-Hypothek praktisch den erststelligen Raum auszuweiten und damit einen Ausgleich für den 7 c zu schaffen, insbesondere dann, wenn öffentliche Mittel in Form von Zinszuschüssen mit eingesetzt werden. Der Hinweis, den ich in der gestrigen Sitzung gemacht habe, dürfte also durchaus berechtigt sein.
Nun stellen Sie 7 c und 7 b in einen gewissen Gegensatz und meinen, wir seien hier zu großzügig. Demgegenüber darf ich betonen, daß gerade die Abschreibungsmöglichkeiten nach § 7 b in den vergangenen Jahren doch sehr wesentlich dazu beigetragen haben, private Kapitalien für den Wohnungsbau heranzuziehen und dadurch den nichtöffentlich geförderten Wohnungsbau beträchtlich auszuweiten. Dadurch haben wir den Wohnungsbau in der Zeit nach 1948 wesentlich privatwirtschaftlicher finanzieren können, als das beispielsweise zwischen den beiden Weltkriegen der Fall gewesen ist. Gerade diese Ausrichtung auf privatwirtschaftliche Finanzierung muß das Ziel unserer Wohnungsbaupolitik sein. Wir wollen den Wohnungsbau mehr und mehr von der öffentlichen Finanzierung lösen und zur privatwirtschaftlichen Finanzierung hinführen.
Ich bitte, den Antrag der Oppostion zu § 7 c abzulehnen.
({0})
Das Wort hat nochmals der Herr Abgeordnete Dr. Brecht.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur ganz kurz zu den letzten Bemerkungen noch einen Hinweis. Es wird hier so getan, als ob die Einengung des § 7 c einen Schritt in Richtung auf die Privatisierung der Wohnungsbaufinanzierung bedeutete. Es ist haarscharf umgekehrt. Sie versagen hier privatwirtschaftlich aufzubringende Finanzierungselemente einem Teil des Wohnungsbaus, nämlich idem Arbeitnehmer-Mietwohnungsbau und dem Arbeitnehmer-Genossenschaftswohnungsbau. Es ist doch durchaus möglich, daß bei einer Aufrechterhaltung des § 7 c im Sinne unseres Vorschlags die Finanzierung mit einer ersten Hypothek aus dem Kapitalmarkt, mit einer l-B-Hypothek ,aus dem Kapitalmarkt und mit 7-c-Darlehen erfolgt, so daß gerade durch die Hergabe von 7-c-Darlehen vermieden würde, daß öffentliche Darlehen gebraucht werden. Der § 7 c ist so verwendet worden und könnte auch künftig für die Form der privatwirtschaftlichen Finanzierung verwendet werden, wenn Sie nicht so stur in Ihrer Haltung wären. Das 7-c-Darlehen kann ein öffentliches Darlehen ersetzen!
({0})
Meine Damen und Herren, Sie haben die Begründung des Antrags Umdruck 79 Ziffer 1 - „Unter Nr. 6 ({0}) Buchstabe c wird der Doppelbuchstabe cc gestrichen"
gehört.
Ich lasse über diesen Änderungsantrag der Fraktion der SPD abstimmen. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das zweite war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich darf annehmen, daß die Änderungsanträge nach der Reihenfolge der Paragraphen des Gesetzes aufgerufen und begründet werden sollen. Danach kämen jetzt die Anträge zu § 10.
Zuerst hat Herr Abgeordneter Mauk das Wort.
({1})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedauere, daß der Umdruck noch nicht vorliegt. Er kann noch nicht vorliegen. Wir haben erst heute morgen eine schriftliche Zusammenfassung der gestrigen Beschlüsse bekommen. Der Antrag befindet sich bereits im Druck; er muß meines Erachtens jede Minute verteilt werden.
Herr Abgeordneter Mauk, dann empfehle ich in diesem Falle doch, von der soeben vorgeschlagenen Abstimmungsmethode wieder abzuweichen und den § 10 zurückzustellen.
Darf ich noch etwas bemerken, Herr Präsident. Der Antrag zu § 10 ist wie der Antrag von gestern ein Alternativvorschlag, der von uns nur aufgenommen wird, wenn unser Antrag zum Tarif wiederum abgelehnt werden sollte.
Dann ist es wohl richtig, so zu verfahren, wie ich soeben vorgeschlagen habe.
Ich rufe also die Ziffer 2 des Antrags Umdruck 79 auf. Wird dazu noch das Wort gewünscht?
Frau Abgeordnete Beyer!
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Der Antrag meiner Fraktion - Umdruck 79 Ziffer 2 - bezieht sich auf das von mir gestern schon behandelte Problem der Einbeziehung der Halbfamilien, d. h. der Familien, bei denen nur ein Ehegatte die volle Verantwortung für den Haushalt mit Kindern hat. Diesen Kreis wollten wir in den vollen Genuß der Vorteile des sogenannten Splitting-Systems kommen lassen. Das würde bedeuten, daß diese Leute bei dem Proportionaltarif zwei Freibeträge in Höhe von 1680 DM zugebilligt bekämen und daß für die Berechnung der Progression ihr Einkommen halbiert und sie dann für jede Hälfte ihres Einkommens Steuern zu zahlen hätten.
Ich habe bereits gestern darauf hingewiesen, daß es der Wissenschaftliche Beirat als Härte bezeichnet, wenn man diesen Personenkreis ausschließt. Nun ist der Antrag gestern abgelehnt worden.
Erlauben Sie mir einige Bemerkungen zu den Ausführungen, die der Herr Kollege Krammig gestern zur Begründung der ablehnenden Haltung der CDU/CSU gemacht hat. Er verwies darauf, bei geschiedenen Ehegatten und ledigen Müttern habe immer noch eine zweite Person mit aufzukommen. Herr Kollege Krammig, es wäre gut, wenn Sie sich einmal an die Fürsorge wendeten; dann würden Sie erfahren, wie oft von dieser zweiten Person nicht gezahlt wird. Außerdem darf man nicht vergessen, daß die Höhe der Zahlung vom Einkommen abhängt und daß der Betrag, der gezahlt wird, meistens sehr gering ist. Bei ledigen Müttern kann man nur von Alimentenzahlung sprechen. Wer in diesem Hause will ernsthaft behaupten, daß damit der Unterhalt von Mutter und Kind gesichert sei? Sehen wir uns doch die Not vieler ,dieser Mütter an! Hier kann auch nicht die Frage der Moral aufgeworfen werden. Ich sage immer: diese Mütter gehören nicht zu den schlechtesten; denn denen passiert etwas, was so in die Richtung fällt, überhaupt nicht. Wir können sie aber schlecht werden lassen, wenn wir ihnen nicht die erforderliche Unterstützung gewähren und sie, da vom Sozialen her der gleiche Tatbestand vorliegt - meistens sind sie sogar schlechter gestellt -, aus Gründen der steuerlichen Gleichheit und Gerechtigkeit steuerlich genauso behandeln
wie die Halbfamilie, die durch den Tod eines Ehegatten in diese Situation gekommen ist. Ich möchte hinzufügen, daß beim Tod eines Ehegatten in den meisten Fällen eine, wenn auch oft nur geringe Sicherheit vorhanden ist ,und ,außerdem auch die Unterstützung durch die Öffentlichkeit viel stärker ist. Es ist einfach unmöglich, einen Unterschied zu machen. Ich möchte sogar die Frage aufwerfen, ob insoweit nicht auch verfassungsrechtliche Bedenken gegen eine unterschiedliche Behandlung geltend gemacht werden müssen, da nach der Verfassung jedem Staatsbürger das gleiche Recht zuerkannt ist.
Nun ist gestern ein weiteres Unglück hinzugekommen. Auf Antrag der CDU/CSU und der DP auf Umdruck 71 - die Deutsche Partei hat zuletzt ihre Unterschrift zurückgezogen; die Abstimmung war mit einem Hammelsprung verbunden - ist zwar das Lebensalter von 55 auf 50 Jahre, gleichzeitig aber auch der Freibetrag von 900 DM auf 780 DM herabgesetzt worden. Dieser Antrag bezieht u. a. die Personen ein, die von uns gemeint sind, nämlich außer Personen, die ,das 50. Lebensjahr vollendet haben, auch Ledige, denen ein Kinderfreibetrag zusteht.
Ich glaube, wir müssen uns ernsthaft überlegen, ob das gewollt worden ist und aufrechterhalten werden kann. Der Beschluß bedeutet nämlich eine weitere Schlechterstellung der betroffenen Personen. Konsequenterweise müßten wir jetzt unseren gestrigen Antrag wiederholen. Da er aber gestern abgelehnt worden ist, sind wir sicher, daß er erneut der Ablehnung verfiele.
Die Frau Kollegin Kalinke hat nun gestern erklärt, daß sie unsere Bedenken unterstütze und daß sie versuchen wolle - so war glaube ich, ihre Argumentation - eine Lösung zu finden, die diesen Bedenken Rechnung trägt.
Mit unserem Änderungsantrag Umdruck 79 versuchen wir nun, sowohl das Unglück von gestern wiedergutzumachen, d. h. die Ausschußfassung mit dem Freibetrag von 900 DM wiederherzustellen, als auch dem besonderen Umstand Rechnung zu tragen, den ich soeben schilderte, d. h. dem Personenkreis der Halbfamilien wenigstens einen erhöhten Freibetrag von 1200 DM zu bewilligen. Das würde bedeuten, daß alle ledigen Personen, die nicht unter das neue Splittingsystem fallen, soweit sie 55 Jahre alt sind, einen Freibetrag von 900 DM erhalten und daß die Ledigen mit Kindern, die als Halbfamilien anzusprechen sind und mindestens einen Kinderfreibetrag geltend machen können, einen zusätzlichen Freibetrag von 1200 DM erhalten. Damit würde man wenigstens in etwa der Lage gerecht, die ich hier darzustellen versuchte.
Ich bitte, unter Berücksichtigung dieses Sachverhalts und vor allen Dingen unter Würdigung des Tatbestands, daß hier verfassungsrechtliche Bedenken geltend gemacht werden können, da gleiche Tatbestände vorliegen, diesem jetzigen neuen Antrag Ihre Zustimmung zu geben.
({0})
Wird zu diesem Antrag noch weiter das Wort gewünscht? - Frau Kollegin Diemer-Nicolaus.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die FDP hat bereits in der Ausschußsitzung eindeutig zum Ausdruck gebracht, daß sie eine steuerrechtliche Differenzierung der Halbfamilien nicht für möglich hält. Das Steuergesetz muß so gestaltet werden, daß hier sowohl verwitwete wie geschiedene und gegebenenfalls auch alleinstehende Frauen mit Kindern gleich behandelt werden müssen.
Ich hatte mich gestern, als dieser Antrag von der CDU abgelehnt wurde, noch zu einer Frage an ein Mikrophon gestellt; ich kam aber nicht zu der Frage. Herr Kollege Neuburger hatte darauf hingewiesen, daß bei einer geschiedenen Ehe zwei Elternteile und gegebenenfalls auch Unterhaltsansprüche da seien. Da hatte ich fragen wollen, ob er nicht aus seiner eigenen Praxis den Unterschied zwischen Theorie und Praxis gerade bei geschiedenen Ehen kennt. Da ist meistens der schönste Unterhaltsanspruch nachher nichts mehr nütze. Hier werden gerade solche Frauen - mit ihren Kindern - getroffen, deren Mann sich die schwersten Eheverfehlungen hat zuschulden kommen lassen und die aus diesem Grunde die Ehe nicht mehr fortsetzen konnten; wäre es nämlich anders, so wären ihnen die Kinder nicht zugesprochen worden.
Wir sind also in dieser Hinsicht der Auffassung, die hier von Sprechern der SPD geäußert wurde. Ich bitte Sie, Steuergesetze von moralischen Bedenken auszunehmen. Das sind Gesichtspunkte, die anderswo behandelt werden müssen. Bei den Steuergesetzen kommt es nur auf die Leistungsfähigkeit des einzelnen an.
({0})
Das Wort hat Frau Abgeordnete Pitz.
Meine Damen und Herren, es sind keineswegs dieselben Tatbestände, die hier vorliegen. Der Verwitwete - das habe ich gestern schon ausgeführt, als ich unseren Antrag begründete -, der überlebende Partner übernimmt die Verpflichtungen des verstorbenen Partners. Die Ehegatten haben bis zum Tode des einen Partners zusammengelebt, und diesem Umstand trägt auch das Steuerrecht Rechnung. Hinzu kommt, daß dann nur ein einziges Mal das Splitting in Frage kommt, nämlich für den Partner, der überlebt. Bei der geschiedenen Ehe sind es in der Regel zwei, die Unterhalt leisten können, aber auch verdienen. Dann kommt das Splitting in der Regel zweimal in Frage. Es ist aber auch denkbar, daß eine zum zweiten Male geschiedene Ehe vorliegt und das Splitting dann noch ein weiteres Mal vorkommt. Wenn Sie das bedenken, so müssen Sie vom Standpunkt der Steuer aus sagen, daß hier eine Begünstigung gegenüber den Verwitweten vorliegt, die nur einmal splitten können.
Frau Kollegin, darf ich Sie darauf aufmerksam machen, daß Sie jetzt zu einem Antrag sprechen, der heute gar nicht mehr gestellt wird? Es wird heute nicht mehr beantragt, durch Anwendung des Splitting die fraglichen Fälle den Fällen der Verwitweten gleichzustellen. Haben Sie unseren Antrag zur Kenntnis genommen? Er ist bei weitem weniger weitgehend als der gestrige.
Ich habe auf das geantwortet, was hier mündlich ausgeführt worden ist.
({0})
Wir bleiben dabei, daß die Tatbestände hier nicht vergleichbar sind, und müssen auf unserem Antrag von gestern bestehen.
Herr Abgeordneter Seuffert!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da hier offenbar auch in einigermaßen maßgebenden Kreisen keine Kenntnis dessen vorhanden ist, worum es sich handelt, möchte ich das klarstellen, worum es geht.
Wir haben gestern entsprechend dem Vorschlag des Wissenschaftlichen Beirats beim Finanzministerium beantragt, Halbfamilien, die Halbfamilien sind nicht infolge Verwitwung, sondern infolge Scheidung, Trennung oder weil aus sonstigen Gründen der zweite Partner ausfiel, den Verwitweten gleichzustellen. Das haben Sie abgelehnt.
Heute beantragen wir lediglich, den Sonderfreibetrag, der für Alleinstehende mit Kindern in der Regierungsvorlage auf 800 DM jährlich festgesetzt worden war, auf 1200 DM zu erhöhen. Wir haben im Ausschuß festgestellt, daß diese 800 DM jährlich nicht ausreichten, um zu verhindern, daß in diesen fiskalisch nicht sehr bedeutsamen, aber sozial wichtigen Fällen der Alleinstehenden mit Kindern durch die Tarifneugestaltung Mehrbelastungen eintraten. Nachdem wir das im Ausschuß festgestellt hatten, erhöhten wir diesen Freibetrag von 800 auf 900 DM. Das reicht auch nicht zu einer wenigstens annähernden Gleichstellung vor allen Dingen mit den anderen Halbfamilien aus.
Gestern haben Sie um eines mehr propagandistisch begründeten Antrags willen, die Altersgrenze für den zusätzlichen anderen Sonderfreibetrag von 55 auf 50 Jahre herunterzusetzen, diesen Sonderfreibetrag für die Alleinstehenden mit Kindern auf 780 DM heruntergesetzt und sind damit hinter den Satz der Regierungsvorlage zurückgegangen. - Doch das haben Sie getan, Herr Krammig!
({0})
- Aber die Herren hören doch sonst nicht zu, Herr Krammig.
({1})
- Schön, ich freue mich, daß sie zuhören, weil ich laut spreche.
Jetzt beantragen wir, diesen Freibetrag auf 1200 DM festzusetzen, um wenigstens eine Annäherung an den Status der anderen Halbfamilien zu erzielen. Das ist die Lage.
Weitere Wortmeldungen? Frau Kalinke!
Zum Antrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 79 Ziffer 2! Meine Freunde in der Fraktion der Deutschen Partei machen Ihnen dazu einen Vorschlag; ich glaube, wir können in dieser wichtigen Frage zu einer einheitlichen Meinung kommen, Sie brauchen ihm nur zu folgen. Wir schlagen Ihnen vor, Ziffer 2 des SPD-Antrags in folgender Weise zu formulieren:
1. Bei Steuerpflichtigen, auf die § 32 a Abs. 2 und 3 keine Anwendung findet und die nicht nach § 26 a getrennt veranlagt werden, ist ein Sonderfreibetrag
a) von 840 Deutsche Mark abzuziehen, wenn sie mindestens vier Monate vor Ende des Veranlagungszeitraumes das 50. Lebensjahr vollendet hatten, . . .
Die Herabsetzung der Grenze des 55. Lebensjahres
auf das 50. Lebensjahr hatten wir gestern in der
zweiten Lesung schon beschlossen. Wir sollten dabei bleiben.
Wir sind bereit, zur Erzielung einer einheitlichen Abstimmung auf 840 DM zu gehen, und würden uns freuen, wenn wir für diesen Kompromißvorschlag die Zustimmung des ganzen Hauses bekämen.
({0})
- Dazu spreche ich noch!
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Neuburger.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestern ist wiederholt festgestellt worden, daß die Materie schwierig sei, und sie ist tatsächlich schwierig. Ich muß daher zur Erläuterung zunächst auf unsere gestrigen Beschlüsse zurückgreifen. Wir hatten gestern beschlossen, in Ziffer 22 - das ist § 32 Abs. 3, Besondere Freibeträge - den vorn Ausschuß mit 900 DM beschlossenen Betrag auf 780 DM herabzusetzen. Sie finden das in der Drucksache 472, Seite 4 unten rechts. Es heißt dort:
Bei Steuerpflichtigen, auf die § 32 a Abs. 2 und 3 keine Anwendung findet und die nicht nach § 26 a getrennt veranlagt werden, ist ein Sonderfreibetrag von 780 Deutsche Mark abzuziehen, wenn sie entweder mindestens vier Monate vor dem Ende des Veranlagungszeitraumes das 50. Lebensjahr vollendet hatten ...
Nun wird der Antrag gestellt, diesen Betrag von 780 auf 840 DM zu erhöhen und es im übrigen bei der vorliegenden Fassung zu belassen.
({0})
Ich kann erklären, daß meine Parteifreunde diesem Änderungsantrag gegenüber gestern zustimmen - also 50. Lebensjahr und 840 DM.
({1}) ?)
- Bei b) hatten wir auch 780 DM beschlossen. Dieser Betrag soll ebenfalls - das ist mein zweiter Antrag - auf 840 DM erhöht werden, statt auf 1200 DM, wie Sie es beantragen.
Es liegt dann also zu a) der Antrag auf 840 DM vor - das ist ein Antrag quer über alle Fraktionen
- und zu b) einmal ein Antrag auf 1200 DM und von uns ein Antrag auf 840 DM.
Herr Abgeordneter Neuburger, ich darf wohl erwarten, daß ich den Änderungsantrag von Ihrer Seite auch noch schriftlich, wie es nach der Geschäftsordnung verlangt wird, bekomme.
({0})
Meine Damen und Herren, ich bitte einen Augenblick um Geduld; es ist wirklich eine schwierige Angelegenheit.
Zu Ziffer 2 unter 1. a) des Antrages der SPD Umdruck 79 sind wir mit der Änderung auf 840 DM und 50. Lebensjahr einig. Unter b) wollen wir statt der 1200 DM nur 840 DM als zusätzlichen Freibetrag.
Zunächst Frau Abgeordnete Kalinke!
({0})
Ich darf jetzt Frau Kalinke bitten, das Wort zu ergreifen. Wir können nicht noch auf der Rednertribüne Zwiegespräche veranstalten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir freuen uns, daß wir zur Ziffer 2 unter 1. a) einig sind, wenn ich recht verstanden habe. Zu Ziffer 2 unter 1. b) sind wir, wenn ich meine Freunde aus der CDU/CSU verstanden habe, noch nicht einig. Hier ist die CDU der Meinung, daß auch da nur 840 DM eingesetzt werden sollen. Wir sind der Meinung, daß der Antrag der SPD, der der weitergehende ist, richtig ist. Wir würden uns freuen, wenn wir auch zu b) um der Sache willen zu einer einheitlichen Meinung kämen. Die Fraktion der Deutschen Partei wird zu b) daher dem Antrag der SPD zustimmen.
Dann noch Frau Abgeordnete Beyer!
Frau Beyer ({0}) ({1}) Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Auch wir werden zu Ziffer 2 1. a), um die Einmütigkeit wenigstens in einer Frage herzustellen, dem Antrag zustimmen, 840 DM und das 50. Lebensjahr zu nehmen. Zu b) ist das aber unmöglich. Ich bitte doch noch einmal die Damen und Herren der CDU/CSU, diesem besonderen Umstand Rechnung zu tragen und, da man wirklich keinen Unterschied zwischen Verwitweten und sonstigen Halbfamilien machen kann, wenigstens einen erhöhten Freibetrag von 1200 DM zu bewilligen. Ich glaube nicht, Herr Finanzminister, daß der Ausfall, der dadurch eintritt, so erheblich ist, daß Sie damit Schwierigkeiten bekommen könnten. Denn die Ausfallberechnungen des Finanzministeriums sind meistens so hoch, daß sich im allgemeinen bei späteren Berechnungen die Ausfälle als viel niedriger erweisen. Ich glaube daher, daß dieser Betrag hier ohne weiteres genehmigt werden könnte.
({2})
Ich glaube, ich kann nunmehr abstimmen lassen, nachdem folgendes klar ist: Zu Umdruck 79 Ziffer 2 unter 1. a) herrscht Einmütigkeit, daß der Antrag in der Form, wie er zuletzt von Frau Kalinke und Herrn Abgeordneten Neuburger vorgetragen wurde, d. h. die Fassung, die Ihnen in der Drucksache 472 unter Ziffer 1 vorliegt, mit der Maßgabe, daß der Betrag von 780 DM in 840 DM geändert wird, nunmehr zur Abstimmung steht.
Ich darf die Abstimmung über die beiden Buchstaben trennen und annehmen, daß ich die Worte der Frau Kollegin Beyer richtig dahin verstanden habe, daß auch Sie dem Antrag zu a) zustimmen werden. - Herr Kollege Seuffert!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir kommen etwas in Schwierigkeiten, weil die Ausschußfassung diese Buchstaben a) und b) gar nicht kennt. Ich würde folgendes vorschlagen. Wie wir eben schon erklärt haben, ändern wir unseren Antrag in Ziffer 1 Buchstabe a) dahin ab, daß die Worte „900 Deutsche Mark" durch die Worte „840 Deutsche Mark" und die Worte „55. Lebensjahr" ,durch „50. Lebensjahr" ersetzt werden.
({0})
- Dann bitte ich die Sache so aufzufassen, daß
Herr Kollege Neuburger zu unserem Änderungsantrag Ziffer 1 Buchstabe b) den Änderungsantrag stellt, die Worte „1200 Deutsche Mark" durch die Worte „840 Deutsche Mark" zu ersetzen. Wenn dieser Antrag angenommen werden sollte, würde das bedeuten, daß die Ausschußfassung mit den Ziffernänderungen von gestern wiederhergestellt wird. Wenn er abgelehnt werden und unser Antrag eine Mehrheit finden sollte, würde die Ausschußfassung durch diese Fassung ersetzt.
Ergänzend darf ich sagen, daß dann entsprechend den Beschlüssen, die hier gefaßt werden, gleichgültig, wie sie gefaßt
werden, die analogen Beschlüsse zu Ziffer 32 Buchstabe b für die beschränkt Steuerpflichtigen gefaßt werden müssen.
Wir stimmen also ab über den Änderungsantrag Umdruck 79 zu Ziffer 1. a) mit der Maßgabe, daß der Betrag „900 Deutsche Mark" durch „840 Deutsche Mark", die Worte „55. Lebensjahr" durch „50. Lebensjahr" ersetzt sind. Wer idem Änderungsantrag der SPD in dieser Fassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Soweit ich sehe, ist dieser Antrag einstimmig angenommen.
Dann stimmen wir zunächst ab über den Änderungsantrag der CDU/CSU-Fraktion zu dem Änderungsantrag Umdruck 79 zu 1. b, den Betrag von 1200 Deutsche Mark durch 840 Deutsche Mark zu ersetzen. Wer ,diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Herr Kollege Neuburger!
Wir wollen nicht einen Änderungsantrag zu den 1200 Deutsche Mark stellen, sondern es liegen zwei Änderungsanträge zu der Fassung „780 Deutsche Mark" vor, einer, den Betrag auf 840 Deutsche Mark zu erhöhen - das ist unser Antrag -, und der Antrag der SPD, den Betrag von 780 Deutsche Mark auf 1200 Deutsche Mark zu erhöhen.
Wenn Sie es so haben wollen, dann müssen wir zunächst über den weitergehenden Antrag auf Umdruck 79 zu 1 b -1200 Deutsche Mark - abstimmen
({0})
- obwohl es von Herrn Kollegen Seuffert eigentlich anders vorgeschlagen war -, d. h. über den Antrag, dem § 32 Abs. 3 Ziffer 1 Buchstabe b folgende Fassung zu geben:
von 1200 Deutsche Mark abzuziehen, wenn bei ihnen mindestens ein Kinderfreibetrag vom Einkommen abgezogen wird.
Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das Präsidium ist sich einig darüber, daß das erste die Mehrheit war; der Antrag ist angenommen.
Dann müssen wir also noch zu Ziffer 32 abstimmen, wo in Buchstabe b die analogen Beträge einzusetzen sind mit 840 DM zu a und 1200 DM zu b.
({1})
- Gut, da kommt nur „840" in Betracht. - Wer dieser Formulierung mit dem Betrag „840" statt „780" zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. -Das Ergebnis ist unklar; ich darf die Abstimmung wiederholen. Ich darf klarstellen: Es handelt sich darum, nachdem hier der Betrag von 780 auf 840 DM erhöht worden ist, bei den beschränkt Steuerpflichtigen - Ziffer 32 Buchstabe b - den entsprechenden Betrag ebenfalls von 780 auf 840 DM zu erhöhen. Ich bitte diejenigen, die zuzuVizepräsident Dr. Preusker
stimmen wünschen, um das Handzeichen. - Ich stelle fest, daß auch dieser Antrag angenommen ist.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 77. Das Wort zur Begründung hat Frau Abgeordnete Dr. Diemer-Nicolaus.
Herr Präsident, ich bitte die Beratung über Ziffer 1 unseres Antrags auszusetzen. Der Umdruck 77 wurde schon in der Nacht gedruckt, und inzwischen ist für die Ziffer 1 eine andere Formulierung vorgesehen. Der Antrag wird nunmehr auf Umdruck 77 ({0}) verteilt.
Wir müssen aber mit der Beratung der übrigen Anträge der Fraktion der FDP fortfahren. Wünscht jemand zur Begründung des Antrags auf Umdruck 77 Ziffer 2 das Wort zu ergreifen? Herr Abgeordneter Mauk!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es handelt sich um genau denselben Antrag, den zu begründen ich gestern schon einmal die Ehre hatte. Ich habe gestern ausgeführt, daß wir für die mittleren Einkommen eine Senkung des Tarifs erreichen wollen. Wir sind der Meinung, daß dieser Antrag in der dritten Lesung nochmals diskutiert werden sollte. Ich bitte die Kollegen der anderen Fraktionen, sich noch einmal zu überlegen, ob wir die Ungerechtigkeit, die der Tarif für die mittleren Einkommen enthält, nicht beseitigen können. Der gestern abend gefaßte Beschluß, das Notopfer Berlin aufzuheben bzw. in die Körperschaftsteuer einzubauen, hat mir den Mut gegeben, nochmals an den Herrn Bundesfinanzminister zu appellieren, diesen Antrag auch seinerseits zu unterstützen und zu der Frage Stellung zu nehmen, ob der Steuerausfall wirklich untragbar wäre.
Falls dieser Antrag abgelehnt werden sollte, stellen wir den Alternativantrag zu § 10 a, den ich wohl im einzelnen nicht mehr zu begründen brauche.
Meine Damen und Herren, Sie haben die Begründung des Antrags der Freien Demokraten Umdruck 77 Ziffer 2 gehört. Wird dazu das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich bitte diejenigen, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen abgelehnt. - Wir kommen zu dem für den Fall der Ablehnung des Antrags Umdruck 77 Ziffer 2 gestellten Eventualantrag Umdruck 78, den § 10 a in einer geänderten Fassung wieder einzufügen. Eine Begründung ist wohl nicht mehr notwendig; sie dürfte dieselbe wie gestern sein. Wird dazu das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich bitte diejenigen, die dem Antrag Umdruck 78 zuzustimmen wünschen, um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthalten? - Bei zahlreichen Enthaltungen abgelehnt.
ich rufe auf den Antrag Umdruck 77 Ziffer 3, der sich auf die Körperschaftsteuer bezieht. Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Dahlgrün.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe bereits gestern unseren Antrag, den wir heute auf Umdruck 77 Ziffer 3 wiederholen, begründet und möchte jetzt nur noch in einigen kurzen Worten herausstellen, daß die gestrigen Abstimmungen ein paradoxes Ergebnis gebracht haben. Bei der Körperschaftsteuer, bei der wir ven einer Progression bisher nichts gewußt haben, kommen wir nämlich durch die Anträge der Mehrheitsfraktionen jetzt zu einer Progression, und zwar in den unteren Ertragsgruppen. Im Gegensatz dazu :;ihren wir bei der Einkommensteuer einen Proportionaltarif bis zu 8000 bzw. 16 000 DM Einkommen ein. Allein dieser Vergleich zeigt, daß irgend etwas an der gestern beschlossenen Regelung des Körperschaftsteuertarifs nicht stimmen kann. Ganz abgesehen davon fällt sofort auf, daß diese Regelung eine außerordentliche Komplikation bei der Körperschaftsteuer bringt, daß von Steuervereinfachung, die wir doch alle anstreben, bei einer solchen Regelung nun wirklich nicht mehr die Rede sein kann.
Bitte vergleichen Sie damit doch einmal den Vorschlag, den wir im Antrag Umdruck 77 Ziffer 3 machen, wo wir bei zwei Proportionalsätzen in den unteren Ertragsgruppen bleiben; und zwar soll die Steuer für die ersten 40 000 DM 35 %, für die zweiten 40 000 DM 40 % betragen.
Ich halte es im übrigen noch für einen besonderen Vorteil unseres Vorschlags, daß er für alle kleinen Körperschaften, alle kleinen Kapitalgesellschaften gelten soll und nicht allein für eine bestimmte Gruppe von Personengesellschaften. Es ist nicht einzusehen, warum kleine Körperschaften, die nicht personengebundene Gesellschaften sind, aber nur kleine oder mittlere Erträge haben, diesen Vorteil nicht genießen sollen.
Ich darf darauf hinweisen, daß die Regelung, wie sie gestern beschlossen wurde, auch eine gewisse Ungerechtigkeit enthält. Die beiden Sätze 47/11 % und 45/22,5 % beinhalten nämlich in manchen Fällen Ungleichmäßigkeiten. Man hätte für diese Fälle mindestens ein Wahlrecht zubilligen sollen. Wir haben uns überlegt, ob wir ein solches bringen sollten sind aber davon abgekommen, weil damit eine weitere Komplikation des schon komplizierten Körperschaftsteuertarifs geschaffen würde, und raten Ihnen, unserem Vorschlag mit einer zweistufigen Proportionalsteuer in den unteren Ertragsgruppen zuzustimmen. Dann brauchen Sie auch nicht die weitere Komplikation mit einem eventuellen Wahlrecht.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schmidt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie, den Antrag der FDP abzulehnen. Herr Kollege Dahlgrün ist sicherlich gegenüber gestern in seiner
Dr. Schmidt ({0})
Argumentation sehr viel reicher geworden. Er hat nämlich heute morgen den Artikel des Herrn Roeper in der Frankfurter Allgemeinen lesen können.
({1})
- Aber Sie haben Ihren Antrag von gestern nicht den guten Argumenten des Herrn Roeper angepaßt. Sie meinen, Sie hätten hier einen Proportionaltarif vorgelegt. Sie haben auch nichts weiter vorgelegt als eine Progression, nur eine Progression in zwei Stufen. Sie ist insofern eine unvollkommene Progression, als sie keinen Übergang darstellt, und insofern, als sie im Abs. 3 das Verhältnis der berücksichtigungsfähigen Ausschüttungen zur Aufteilung des Einkommens vorsieht. Der Antrag ist so nicht annehmbar. Herr Dahlgrün, ich darf Sie an die Beratungen im Ausschuß erinnern. Über das Ausmaß kann man natürlich streiten, das ist eine Ermessensfrage. Selbstverständlich kann man auch darüber streiten, ob nicht, nachdem wir jetzt im Einkommensteuertarif für kleine Einkommen einen Proportionaltarif vorgeschaltet haben, etwas Ähnliches in der Körperschaftsteuer möglich wäre. Aber diesen Antrag können wir unmöglich annehmen.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen hierzu nicht vor. Ich lasse über den Änderungsantrag Umdruck 77 Ziffer 3 abstimmen. Wer diesem Änderungsantrag der FDP zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen mit großer Mehrheit abgelehnt.
Der neue Antrag der Fraktion der FDP mit der geänderten Ziffer 1 des Umdrucks 77 wird im Augenblick verteilt. Mir bleibt nichts anderes übrig, als der Frau Abgeordneten Diemer-Nicolaus das Wort zu erteilen und sie zu bitten, sich in der Begründung so zu fassen, daß der Antrag verständlich wird, auch wenn der Umdruck, der gerade verteilt wird, noch nicht zur Kenntnis genommen werden kann.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich glaube, die Aufforderung des Herrn Präsidenten ist nicht so aufzufassen, als sollte ich jetzt eine sehr langatmige Begründung geben. Ich werde den Antrag deshalb so begründen, daß Sie ihn verstehen, auch wenn Sie den Umdruck 77 ({0}) noch nicht in allen Einzelheiten gelesen haben.
Bei diesem Antrag handelt es sich wiederum um die Gleichstellung der privaten Vorsorge mit der Sozialversicherungspflicht. Nachdem unser Antrag gestern zu unserer großen Überraschung von der CDU/CSU abgelehnt wurde, mußten wir unsere Gedanken neu formulieren, weil inzwischen durch den Antrag der CDU/CSU die Beträge in § 10 Buchstabe c Ziffer 3 von 1000 auf 1100 und von 2000 auf 2200 DM heraufgesetzt worden sind.
Herr Kollege Neuburger, Sie hatten mir in Ihrer Entgegnung auf die Begründung unseres Antrags im Sachlichen vollkommen recht gegeben und materiell genau das unterstrichen, was ich gesagt hatte. Sie haben darauf hingewiesen, daß die private Vorsorge gegenüber der Sozialversicherung benachteiligt ist und die Einkommensgrenze von 15 000 insofern nicht angebracht ist. Nachher haben Sie trotzdem unseren Antrag abgelehnt mit dem Hinweis, daß Sie dafür die Erhöhung der Beträge von 1000 auf 1100 und von 2000 auf 2200 vorgenommen hätten. Herr Kollege Neuburger, ich muß Sie hier doch an Ihre Ausführungen im Finanzausschuß erinnern. Sie haben dort die von mir gegebene Begründung noch ergänzt - damals waren es noch die Beträge von 1000 und 2000 DM -, mit dem Hinweis, daß diese Freibeträge für beide Versicherungsformen gelten, sowohl für die Sozialversicherung wie für die private Versicherung. Mit der von der CDU/CSU vorgenommenen Erhöhung wird deshalb keine Gleichmäßigkeit in der Besteuerung erreicht, sondern die Benachteiligung der privaten Vorsorge gegenüber der Sozialversicherung bleibt nach wie vor bestehen. Deshalb unser neuer Antrag. Es handelt sich hier wirklich um ein sehr wichtiges Problem. Denken wir daran, daß immer wieder von anderen Parteien, auch von der SPD, ganz abgesehen von der CDU, in den Versammlungen betont wird: Wir sind für den selbständigen Mittelstand; wir sind - in diesem Falle die CDU - gegen den Wohlfahrtsstaat. Dann muß man auch die entsprechenden Konsequenzen ziehen. Wenn man die Eigenverantwortung bejaht und den Willen zur Eigenvorsorge bestärken will, darf man diese Eigenvorsorge nicht steuerlich benachteiligen.
Ich möchte Sie doch nochmals bitten, unserem Antrag jetzt Rechnung zu tragen und Ihre Stellungnahme zu überprüfen. Wir haben insofern die Konsequenzen gezogen, nachdem die Erhöhung auf 1100 und 2200 DM beschlossen wurde, daß wir jetzt - daher auch die Länge unseres Antrages - die entsprechenden Beträge für die Versicherung um den gleichen Betrag herabgemindert haben und von 900 DM ausgehen. Wir wollten also praktisch nicht eine Mehrbelastung erreichen, obwohl wir nach wie vor der Auffassung sind, daß es konsequenter und richtiger gewesen wäre, man hätte in Buchstabe c die Beträge von 1000 und 2000 DM gelassen und hätte dazu neu eine einigermaßen befriedigende Gleichstellung - es ist nach wie vor keine volle Gleichstellung - der privaten, der eigenverantwortlichen Vorsorge dadurch geschaffen, daß man einen Sonderfreibetrag von 1000 DM gewährt hätte.
Wir halten dies für sehr notwendig. Wenn unser Antrag heute wiederum abgelehnt wird, darf ich Ihnen eines sagen: wir werden diesen Gedanken weiter verfolgen, und wir werden uns auch bezüglich anderer gesetzlicher Bestimmungen, z. B. Versicherungssteuer usw., wo in gleicher Weise Benachteilungen da sind, nach wie vor mit aller Entschiedenheit dafür einsetzen, daß das Bekenntnis zur Eigenverantwortung für ,das persönliche Schicksal nicht nur ein Lippenbekenntnis ist, sondern daß es sich auch in der Tat äußert.
({1})
Das Wort hat Frau Abgeordnete Kalinke.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich will es ganz kurz machen. Ich halte das Anliegen dieses Antrags für vernünftig und glaube, es gibt in der Koalition genau wie bei Ihnen gar keinen Gegensatz über Sinn und Ziel dieses Antrags. Darin stimmen wir überein. Ich meine aber - und ich glaube, ich kann auch für unsere Freunde von der CDU das gleiche sagen -, daß eine weitere finanzielle Ausweitung dieses Gesetzes heute in der dritten Lesung nicht möglich ist.
Jedoch sind meine Freunde von der Deutschen Partei der Meinung, daß diese Frage auf der Tagesordnung bleiben muß. Ich stimme der Frau Kollegin zu, daß, wer es mit der Selbstverantwortung ernst meint, alle Möglichkeiten erschöpfen muß, um einen Anreiz zur Verwirklichung der Selbstverantwortung da zu geben, wo er hingehört, nämlich in der Steuerreform. Weil diese Reform - das hat die gestrige Debatte gezeigt - nicht der Weisheit letzter Schluß ist, werden wir auf das Problem zurückkommen. Wenn wir also den Antrag heute ablehnen, dann nicht wegen des sachlichen Inhalts des Antrags, sondern wegen der finanziellen Auswirkungen, die wir zur Stunde nicht kennen und nicht übersehen können.
Meine Damen und Herren, damit kann ich wohl den Antrag Umdruck 77 ({0}) Ziffer 1 zur Abstimmung stellen. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen abgelehnt.
Da wir die Anträge Umdruck 77 ({1}) Ziffern 2 und 3 bereits erledigt haben, sind sämtliche vorliegenden Änderungsanträge behandelt.
Damit habe ich jetzt nur noch den Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, DP auf Umdruck 58 zur Beratung aufzurufen. Soll er begründet werden? - Herr Abgeordneter Dr. Becker!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir legen Ihnen die Entschließung auf Umdruck 58 vor. Wir haben gestern mit großer Mehrheit den § 7 des Einkommensteuergesetzes, der die Absetzung für Abnutzung oder Substanzverringerung enthält, angenommen. Danach ist bei beweglichen Wirtschaftsgütern die degressive Abschreibung gestattet. Die Ergänzungen des § 7 gegenüber der Regierungsvorlage sehen vor, daß auch andere Methoden der Abschreibung angewandt werden können. Damit wird den wirtschaftlichen und technischen Erfordernissen für die Abschreibung beweglicher Wirtschaftsgüter weitgehend Rechnung getragen.
Auch mit der von Handwerk, Handel und Industrie gewünschten degressiven Abschreibung auf Gebäude, die nach dein bisherigen Recht mit Einschränkungen galt, haben wir uns eingehend befaßt. Die Wirtschaft soll nicht den Eindruck haben,
daß wir dieses Problem nicht gesehen hätten. Die degressive Abschreibung auf Gebäude, die in der Regierungsvorlage ausgeschlossen ist, haben wir nur deshalb nicht beantragt, weil das Finanzministerium errechnete, daß die Einführung einen zu großen Steuerausfall bringen würde. Wir konnten es nicht verantworten, den Etat zur Zeit so sehr zu belasten.
Ohne Zweifel wird sich das Interesse der Unternehmungen dadurch in verstärktem Maße auf die Abgrenzung der Betriebsvorrichtungen, die nach § 7 wie bewegliche Güter des Anlagevermögens behandelt werden und degressiv abgeschrieben werden können, konzentrieren. Es liegt uns nun daran, daß dieser Begriff der Betriebsvorrichtungen gegenüber der bisherigen Praxis da, wo er angewandt wurde, nicht ungebührlich ausgeweitet und daß insbesondere seine gleichmäßige Anwendung auf Klein-, Mittel- und Großbetriebe jeweils im Rahmen der gegebenen Größenordnungen gewährleistet wird.
Die Fraktionen der CDU/CSU und der DP legen daher einen Entschließungsantrag vor, in dem die Bundesregierung ersucht wird, in Verbindung mit den Finanzministerien der Länder darauf hinzuwirken, daß eine gleichmäßige und gerechte Anwendung dieses Begriffes gewährleistet ist.
Ich bitte Sie, dem Antrag zuzustimmen.
({0})
Weiter liegt noch der Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Eckhardt, Dr. Dollinger, Höcherl und Genossen auf Umdruck 65 vor. Wer wünscht diese Entschließung zu begründen?
({0}) - Der Antrag soll nicht begründet werden.
Dann sind wir am Schluß der Beratung in dritter Lesung angelangt. Wünschen die Fraktionen noch vor der Schlußabstimmung Erklärungen abzugeben? - Herr Abgeordneter Dr. Dollinger!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Fraktion der CDU/CSU habe ich die Ehre, vor der Schlußabstimmung folgende Erklärung abzugeben.
Der jetzt zur Abstimmung anstehende Gesetzentwurf ist im 3. Deutschen Bundestag der erste auf Finanz- und steuerpolitischem Gebiet. Die Gesetzgebung zur Ehegattenbesteuerung ist in Einklang mit der Verfassung gebracht worden. Diesem Gedanken wurde bei den Beratungen immer wieder Rechnung getragen, und wir sind überzeugt, daß das Ziel erreicht worden ist, zumal da die Wahlmöglichkeit eingeführt worden ist. Dies hatte allerdings auch zur Folge, daß manche gewünschte Vereinfachung für die Verwaltung nicht voll erreicht werden konnte.
Der Umfang der finanziellen Entlastung des Steuerzahlers hat seine Grenzen am Bundeshaushalt und an den Haushalten der Länder. Die Berücksichtigung der Wünsche des Bundesrates 1828
und hier ist insbesondere der Einbau des Notopfers Berlin in die Körperschaftsteuer zu erwähnen - berechtigt zu der Hoffnung, daß auch im Bundesrat eine rasche Verabschiedung des Gesetzes möglich sein wird.
Die steuerliche Entlastung, die ursprünglich nach der Regierungsvorlage gegenüber dem Jahr 1956 1850 Millionen DM betragen sollte, ist durch die Beschlüsse des Finanz- und Steuerausschusses bzw. des Plenums des Deutschen Bundestages noch um weitere zirka 450 Millionen DM getiegen. Damit ist im wohlverstandenen Interesse des Steuerzahlers bei Aufrechterhaltung der finanziellen Ordnung die Grenze des Möglichen erreicht. Es muß darauf hingewiesen werden, daß die Vorlage einen stark sozialen und gesellschaftspolitischen Charakter hat. Der in der Regierungsvorlage vorgesehene Ausfall von 1850 Millionen DM verteilt sich auf die Einkommensgruppe bis zu 12 000 DM mit rund 54 %, auf die Gruppe von 12- bis 50 000 DM mit rund 31 %, auf die Gruppe von 50- his 100 000 DM mit rund 8 % und auf die Gruppe liber 1000 000 DM mit rund 7 %. Es kann also keine Rede davon sein, daß nur die großen Einkommen entlastet worden seien.
In bezug auf die Lohnsteuerpflichtigen ist festzustellen, daß weitere 2,8 Millionen Steuerpflichtige durch diese Vorlage von der direkten Steuer freigestellt worden sind, so daß rund 9,7 Millionen oder 47 % der Arbeitnehmer keine direkten Steuern mehr zu zahlen haben werden.
Der Förderung der Familien ist im Gesetz durch die Einführung des Splitting auch im Interesse der Hausfrauen und der mithelfenden Ehefrauen sowie durch die Erhöhung der Kinderfreibeträge im Sinne der Zielsetzung der CDU/CSU Rechnung getragen worden.
Von den Änderungen bei der Körperschaftsteuer erhoffen wir eine verstärkte Ausschüttung bei den Kapitalgesellschaften und dadurch eine Belebung des Kapitalmarktes. Ferner glauben wir, daß auf diese Weise ein wesentlicher Schritt in Richtung auf die Popularisierung der Aktie getan wird.
Wir freuen uns, dem deutschen Steuerzahler und der deutschen Wirtschaft am zehnten Jahrestage des Inkrafttretens der D-Mark und knapp ein Jahr nach den Bundestagswahlen diese Entlastungen bieten zu können.
Ich darf Sie daher bitten, dem Gesetzentwurf zuzustimmen.
({0})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Seuffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir stehen am Schluß einer Gesetzesberatung, die nur sehr wenige, nicht wesentliche Verbesserungen der Regierungsvorlage im Sinne der Opposition und keine Annäherung der einander gegenüberstehenden Standpunkte in den entscheidenden Fragen gebracht hat.
Gestern hat es hier bereits eine Auseinandersetzung über die Art und Weise gegeben, wie die Ausschußberatungen sich abgespielt haben. Ich brauche darüber keine weiteren Ausführungen zu machen, denn das Haus hat in der gestrigen Debatte selbst erfahren, wie sich das abgespielt hat. In der entscheidenden Phase der Ausschußberatungen gab es genauso wenig wie in der gestrigen Debatte hier irgendeine Bereitschaft zur Diskussion über ,die Argumente der Opposition, auch wenn sie zahlenmäßig exakt belegt waren. ,Es gab keine Bereitschaft, auf Zahlen zu antworten, ,d. h. es wurde mit Gegenzahlen geantwortet, und ,die Kritik an diesen Gegenzahlen wurde ignoriert. Es gab - sehr ungewöhnlich ,für eine solche Debatte - keinerlei Äußerung ides Ministeriums oder gar des Ministers. Mit einer Art von dumpfer Entschlossenheit wurden die vorgefaßten Beschlüsse exerziert.
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Feuilletons überlasse ich meistens Ihnen, Herr Kollege Dresbach; Sie machen ein ganz gutes Feuilleton!
Ich habe ,schon gestern gesagt, daß ich mich nicht in der Erörterung von Schuldfragen verlieren möchte. Die Gründe für solche Abwicklungen liegen offenbar sehr tief. Sie liegen wohl darin, daß die Mehrheitsfraktion mit - ihrer Ansicht nach wichtigeren Dingen beschäftigt ist, als gute Steuergesetze zu machen,
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und daß wegen dieser Beschäftigung bei ihr niemand in der Lage ist, eine klare Meinungsbildung und -führung zustande zu bringen. Sie ist offenbar in ihrer internen Politik zu sehr verstrickt, und das, worin alles gipfelt, ist offenbar ,der Ausgleich zwischen den innerhalb der Mehrheitspartei vertretenen Interessen.
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- Ja, aber wie!
Meine Damen und Herren von der Mehrheit, ich glaube, Sie haben Verständnis dafür, daß wir bei dieser Lage der Dinge darauf verzichtet haben, unsere Anträge und Argumente in dritter Lesung zu wiederholen.
Es ist nicht zu leugnen, daß ein wesentlicher Teil des Tarifs nach dieser Regierungsvorlage besser geordnet ist als vorher.
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Wir haben bei früheren Gelegenheiten uns oftmals so verhalten, daß wir Steuergesetzen, die wir schart kritisieren mußten, weil sie eine außerordentlich falsche Verteilung der Steuerentlastung und der Steuerbelastungen mit sich gebracht haben, obwohl sie gewisse Verbesserungen und auch gewisse Entlastungen für breite Schichten, die ihrer bedurften, enthielten, trotz aller Kritik zugestimmt haben.
Bei dieser wirklichen Tarifreform wäre Gelegenheit gewesen, auch mit einer Reihe von sozialen Ungerechtigkeiten aufzuräumen. Das ist nicht geschehen. Dafür ist die Tarilverbesserung in einem wesentlichen Teil mit außerordentlich willkürlichen mit ihr in gar keinem Zusammenhang stehenden Maßnahmen verbunden worden, denen wir nicht zustimmen können. Wir können diesem Gesetz schon deswegen nicht zustimmen, weil wir gegen die Verfassungsmäßigkeit des hier für eine bestimmte kleine Gruppe durchgeführten sogenannten amerikanischen Splitting und gegen die Finanzierung dieses Splitting durch Tariferhöhungen zu Lasten der anderen Gruppe erhebliche Bedenken haben. Dieses Gesetz enthält wieder die Steuerbegünstigung für Parteibeiträge. Mit Ihrer Entscheidung zu § 7 c werden Sie entweder eine wesentliche Beeinträchtigung des Wohnungsbaus überhaupt oder eine große Belastung der öffentlichen Wohnungsbaumittel oder einen Zustand herbeiführen, bei dem der Wohnungsbau für Arbeitnehmer so gut wie ausschließlich in die Form der Werkswohnungen mit allen ihren sozialen Gefahren gedrängt wird. Es gibt keine Begründung für die immensen Tarifkürzungen zugunsten der allerhöchsten Einkommen. Es gibt keine Begründung für die Körperschaftsteuergeschenke an die ganz großen Gesellschaften. Was hier zur Verfügung gestellt worden ist, hätte schon fast für eine wirkliche Körperschaftsteuerreform ausgereicht. Aber was hier geschieht, wird nicht dadurch besser, daß man versucht, für die kleinen Gesellschaften, zu deren Lasten sich diese Steuergeschenke wirtschaftlich auswirken, angesichts dieses Raubzuges auch noch etwas mitzunehmen.
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ich will nichts wiederholen. Wir müssen trotz der Vorteile dieses Gesetzes Ihnen die Verantwortung für diese Gesamtregelung überlassen. Wir müssen das Gesetz ablehnen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dahlgrün.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Namen der Fraktion der Freien Demokratischen Partei habe ich die folgende Erklärung zum Abschluß der dritten Beratung der Steueränderungsgesetze auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und Ertrag und vermögensteuerrechtlicher Vorschriften - Drucksachen 260 und 261 - abzugeben.
Die Fraktion der FDP hat bei Beratung dieser Vorlagen im Finanzausschuß des Bundestages zur Verbesserung der Vorschriften in wesentlichen Punkten beigetragen und kann mit Befriedigung feststellen, daß der Finanzausschuß in sachlicher Zusammenarbeit vielen Vorschlägen der FDP gefolgt ist und ihren Anliegen durch Einarbeitung entsprechender Änderungen Rechnung getragen hat. Es genügt in diesem Zusammenhang zu erwähnen,
daß z. B. erstens die Verbesserung und die Aufrechterhaltung der Bewertungsabschläge für Importwaren nach § 51 des Einkommensteuergesetzes in der bisherigen Fassung und zweitens der Fortfall der 8 %- Grenze des § 19 des Körperschaftsteuergesetzes bei der Gewinnausschüttung von Gesellschaften mit beschränkter Haftung sowie zahlreiche Verbesserungen bei der Fassung der Vorschriften über die Ehegattenbesteuerung und die Kinderfreibeträge auf Anregungen der Freien Demokraten zurückgehen oder mit ihrer Zustimmung formuliert worden sind. Dabei ist insbesondere eine alte Forderung der FDP durch die Einführung des Splitting verwirklicht worden.
Während der zweiten und dritten Beratung der Vorlagen im Plenum des Bundestages hat sich die Fraktion der FDP bewußt auf wenige, dafür aber besonders bedeutungsvolle Anträge beschränkt. Sie hat erstens zu § 10 des Einkommensteuergesetzes für alle nicht sozialversicherungspflichtigen Personen, insbesondere also für die Angehörigen der freien Berufe und des selbständigen Mittelstandes, einen zusätzlichen Absetzungsbetrag als Sonderausgabe bis zu 1000 DM beantragt, um diesem Personenkreis, wenn er aus eigener Kraft Vorsorge für das Alter trifft, ein Äquivalent für die Sozialversicherungsbeiträge zu geben, die für den Arbeitnehmer steuerfrei aufgewendet werden können.
Sie hat zweitens zum Einkommensteuertarif und zur Körperschaftsteuer Erleichterungen bei der Belastung der Mittelschichten und der Körperschaften mit kleinen und mittleren Erträgen beantragt. Dabei hat die Fraktion der FDP insbesondere hei der Körperschaftsteuer mit ihrem Vorschlage, die ersten und zweiten 40 000 DM Ertrag mit einheitlichen Steuersätzen von 35 % und 40 % zu belegen, und zwar aus Gründen der Steuergleichheit bei allen kleinen Körperschaften, nicht nur bei einer bestimmten Gruppe, auch zur Vereinfachung des Steuersystems beitragen wollen, während die Mehrheit des Hauses bei der Körperschaftsteuer für die unteren Gruppen im Gegensatz zur Einkommensteuer eine übermäßig komplizierte Progression einzuführen beabsichtigt.
Drittens hat die Fraktion der FDP bei der Neuregelung vermögensteuerrechtlicher Vorschriften beantragt, den Freibetrag für die vermögensteuerliche Behandlung von Aufwendungen für die Zukunftsvorsorge aus eigener Kraft auf 15 000 DM statt auf nur 5000 DM festzusetzen, um einen Ausgleich gegenüber der vermögensteuerfreien Sozialrente zu schaffen.
Alle diese Anträge sind von der Mehrheit der Union rücksichtslos niedergestimmt worden, ohne daß die Mehrheit in der Lage gewesen ist, durchschlagende sachliche Gründe anzuführen. Damit ist nach Meinung der Fraktion der FDP die Chance vertan worden, zu einer durchgreifenden Reform der Steuersätze zu kommen, die insbesondere im Interesse des Mittelstandes dringend geboten gewesen wäre. Mangels sachlicher Gründe bleibt nur zu vermuten, daß die Union wegen tiefgreifender Meinungsverschiedenheiten in ihren eigenen Reihen nicht in der Lage war,
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eine gerechte Lösung zu finden, und deswegen zu einer mit zahlreichen Mängeln behafteten Zwangsregelung kam. Trotz dieser Feststellung und nach Hervorhebung der Mängel wird die Fraktion der FDP bei der Schlußabstimmung der Vorlage zustimmen, um die darin enthaltenen Vorteile für die Steuerpflichtigen nicht zu gefährden und der raschen Inkraftsetzung der Gesetze zu dienen.
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Das Wort hat Frau Abgeordnete Kalinke.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Nach der dritten Lesung dieses so bedeutsamen Gesetzgebungswerkes begrüßt die Fraktion der Deutschen Partei, daß mit dieser Steuerreform ein wesentlicher Fortschritt auf dem Wege zu der Verwirklichung des Dreiklangs der Steuer- und Finanz-, der Sozial- und der Wirtschaftspolitik erzielt worden ist. Die Fraktion der Deutschen Partei ist der Meinung, daß Steuerreformen genauso wie soziale Reformen eine permanente Aufgabe sind. Nicht alle Probleme können in einer Legislaturperiode gelöst werden.
Wir freuen uns aber, daß bei diesen Beratungen eine Reihe von Verbesserungen nicht nur des Tarifs, sondern auch Verbesserungen, die - für die mittelständischen Betriebe und die Arbeitnehmer - zu einer wirklichen Entlastung der Steuerzahler geführt haben, durchgesetzt werden konnten. Wir freuen uns auch, daß in diesem Werk das Anliegen der Koalition aufgeklungen ist, auch über die Steuergesetzgebung die Eigentumsbildung und die Familienpolitik zu fördern. Wenn auch nicht alle Fragen gelöst werden konnten und noch viele Fragen offen sind, so hat die Debatte doch gezeigt, daß die Mehrheit in diesem Hause bereit ist, an der Fortentwicklung des Steuerrechts weiterzuarbeiten.
Die Fraktion der Deutschen Partei begrüßt ganz besonders, daß infolge ihrer Mitarbeit im Ausschuß, ihrer wiederholten Anregungen und ihrer positiven und konstruktiven Kritik auch an den bisherigen Plänen wesentliche Verbesserungen nicht nur bei der Körperschaftsteuer und beim Steuertarif, sondern vor allem auch bei den sozialpolitischen Anliegen der Steuerreform möglich waren. Ich freue mich, das hier sagen zu können. Da stehe ich im Gegensatz zum Kollegen Seuffert, der da meinte, daß es kein Gespräch in diesem Raum gegeben hat. Gerade die gestrige und die heutige Debatte haben gezeigt, daß Koalition und Opposition bei sozialen Anliegen unserer Zeit sehr wohl zu einer Verständigung kommen können, wenn man guten Willens ist.
Die Fraktion der Deutschen Partei begrüßt, daß entsprechend ihrem alten Anliegen das Schicksal der Frauen - besonders der älteren unter ihnen -, die nach zwei Kriegen so ungeheuer belastet sind und ohne deren Einsatz die vollbeschäftigte Wirtschaft die Voraussetzungen für eine vernünftige Steuerpolitik gar nicht hätte schaffen können,
in der Steuerpolitik Berücksichtigung finden soll. Daß dieses harte Schicksal durch die Beschlüsse zur Herabsetzung der Altersgrenze von 55 auf 50 Jahre für die Alleinstehenden und die Erhöhung der Freibeträge durch einstimmigen Beschluß gemildert werden konnte, sehe ich als ein positives Ergebnis unserer Anträge und der gemeinsamen Beratungen an.
Die Fraktion der Deutschen Partei begrüßt weiter, daß das Schicksal der Halbfamilien in zweiter und dritter Lesung unter dem Gesichtspunkt gesehen worden ist, daß Mutter und Kind in ihrer sozialen Situation nicht unterschiedlich bewertet werden dürfen je nach den Differenzierungen des Schicksals, das den einzelnen trifft, der in schweren Zeiten allein stehen muß. Viele Probleme, wie die Frage der Kindergeldreform und des Familienlastenausgleichs, die nach unserer Auffassung auch in der Steuerreform ihren Niederschlag finden müssen, stehen noch zur Lösung an.
Offengeblieben ist die Lösung der Probleme einer immer deutlicheren und gründlicheren Anerkennung der Bereitschaft zu privater und individueller Vorsorge. Wir sehen aber in dieser Steuerreform gute Ansätze zur Fortentwicklung des Rechts auf diesem Gebiet.
Die Zeit für die Beratungen war kurz. Sie war nicht ausreichend für eine Besprechung all der Probleme, die noch offengeblieben sind. So haben es meine Freunde begrüßt, daß bei der Entwicklung, die unsere Arbeitnehmer in unserer gut entwickelten, freien und vollbeschäftigten Wirtschaft erfreulicherweise genommen haben, nun auch ihrem Anliegen der Eigentumsbildung anders und besser Rechnung getragen wird als bisher. Wir würden uns freuen, wenn diese Entwicklung fortgesetzt würde und wenn in Zukunft die Möglichkeit - um ein praktisches Beispiel zu nennen -, ein Auto abzuschreiben, nicht nur den Selbständigen, sondern auch den Arbeitern und Angestellten gegeben würde. Wir sehen hierin wie in vielen anderen Fragen Wege zu einer Weiterentwicklung der Steuerreform.
Die Fraktion der Deutschen Partei hofft und wünscht, daß der Bundesrat alle Anstrengungen unterstützt, dieses Gesetz nun sehr schnell mit seiner Zustimmung in Kraft treten zu lassen, damit das große Werk der Steuerreform als ein Markstein auf dem Wege zu dem großen Dreiklang Wirtschafts-, Sozial- und Steuerpolitik aus einem Guß verwirklicht werden kann.
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Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die Beratung in dritter Lesung geschlossen. Ich darf allen Damen und Herren, die bei dieser schwierigen Materie die Geduld bewahrt haben und mitgeholfen haben, daß wir zu diesem guten Ende gekommen sind, recht herzlich danken.
Ich darf nunmehr die Damen und Herren, die dem Gesetzentwurf zur Änderung steuerlicher Vorschriften auf dem Gebiet der Steuern vom EinkomVizepräsident Dr. Preusker
men und Ertrag und des Verfahrensrechts auf Grund der Drucksache 448 in der Fassung der Beschlüsse zweiter Lesung - Drucksache 472 - mit den Änderungen in dritter Lesung, die heute beschlossen worden sind, zuzustimmen wünschen, bitten, sich zu erheben. - Ich darf um die Gegenprobe bitten. - Enthaltungen? - Das Gesetz ist damit mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe nun die Entschließungen auf, deren Annahme vom Ausschuß in Drucksache 448 vorgeschlagen wird. Ich lasse zunächst über die Entschließungen unter II abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Soweit ich sehe, sind diese Entschließungen auch einstimmig angenommen.
Ich lasse nun über den Entschließungsantrag auf Umdruck 58 abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Soweit ich sehe, auch einstimmig angenommen.
Dann ist Ihnen auf Umdruck 65 ein Entschließungsentwurf der Abgeordneten Dr. Eckhardt, Dr. Dollinger, Höcherl und Genossen vorgelegt worden. Wer diesem Entschließungsentwurf zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen ebenfalls angenommen. Damit ist Punkt 2 der heutigen Tagesordnung erledigt.
Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:
Dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung vermögensteuerrechtlicher Vorschriften ({0}). ({1})
Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe damit die dritte Beratung.
Wer dem Gesetz zur Änderung vermögensteuerrechtlicher Vorschriften - Drucksachen 261, zu 261, 449, 457 - zuzustimmen wünscht, den darf ich bitten, sich zu erheben. - Ich darf um die Gegenprobe bitten. - Enthaltungen? - Soweit ich sehe, einstimmig angenommen.
Dann rufe ich entsprechend der interfraktionellen Vereinbarung Punkt 5 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Preise für Getreide inländischer Erzeugung für das Getreidewirtschaftsjahr 1958/59 sowie über besondere Maßnahmen in der Getreide- und Futtermittelwirtschaft ({2}) ({3});
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({4}) ({5}).
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Ich frage den Herrn Berichterstatter, den Abgeordneten Dr. Pflaumbaum, ob er das Wort noch wünscht. - Das ist nicht der Fall. Wird sonst noch das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Kriedemann, bitte.
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Sozialdemokratische Partei wind dieser Gesetzesvorlage nicht zustimmen. Das ist das erstemal in all den Jahren, in denen wir hier über ein Getreidepreisgesetz zu beschließen haben. Wir haben für unser Verhalten, für unsere Ablehnung dieses Gesetzes schwerwiegende Gründe. Ich will Ihnen diese Gründe in aller Kürze vortragen und dabei vermeiden, eine Debatte über die Getreidepolitik einzuleiten, obwohl es nach meinem Gefühl und nach der Meinung meiner Freunde durchaus an der Zeit wäre, eine solche Grundsatzdebatte über unsere Getreidepolitik zu führen, nicht zuletzt unter Berufung auf die Ausführungen, die ¡der Herr Bundesfinanzminister anläßlich der Einbringung des Haushalts gemacht hat.
Unsere Gründe für die Ablehnung sind folgende.
Erstens halten wir es für absolut unzumutbar und für unerträglich, daß gegenüber den Leuten, die von der Qualität ihres Bodens, von der Struktur ihres Betriebes her gezwungen sind, Roggen anzubauen, der Roggenpreis in dem Augenblick um 10 DM herabgesetzt wird, in dem sie dabei sind, den Roggen zu ernten. Im Ernährungsausschuß ist gestern eine Entschließung angenommen worden, die dahin geht, die Regierung aufzufordern, von nun an Idas Getreidepreisgesetz schon im Herbst des ablaufenden Getreidewirtschaftsjahres vorzulegen. Sie werden es mir nicht übelnehmen, wenn ich über eine solche Entschließung alles an Hohn und Spott ausschütte, was mir zur Verfügung steht. Schließlich hat die Sozialdemokratische Partei vor Jahren einmal hier in aller Form beantragt, das Getreidepreisgesetz zu einem Zeitpunkt einzubringen, in dem sich der Erzeuger bei seinem Anbauplan noch nach der Getreidepolitik orientieren könnte. Dieser Antrag ist von der Mehrheit in aller Form abgelehnt worden. Wenn jetzt plötzlich in einer 'sehr peinlichen Situation dieselbe Mehrheit - es ist praktisch immer die CDU; alles, was schiefgeht, ist auf ihr Konto zu schreiben - eine Entschließung faßt, anstatt ihre Regierung endlich dahin zu bringen, sich so zu verhalten, wie es sich nach dem Sinn der Getreidemarktordnung eigentlich von selbst verstehen sollte, dann ist das mehr als weiße Salbe, dann ist das peinlich, und hoffentlich haben alle, die der Entschließung zugestimmt haben, diese Peinlichkeit selber gefühlt. Wie gesagt, Sie haben dasselbe vor ein paar Jahren in aller Form abgelehnt, als eis die Sozialdemokraten in einen kompletten Gesetzentwurf eingebaut hatten.
Noch einmal: Wir halten es für unmöglich, die Getreidepreise jetzt im Augenblick der Ernte für den Teil der Landwirtschaft zu senken, der auf Anbau von Roggen angewiesen ist. Wir haben inzwischen gehört, daß wir einen großen Berg von un1832
absetzbarem Roggen haben und daß wir mittlerweile zu der Praxis übergehen, Getreide mit Steuergeldern wieder so billig zu machen, daß man es exportieren kann, nachdem wir es mit unserer Getreidepolitik vorher auf einen Preis heraufgebracht haben, der für ,den Export überhaupt nicht in Frage kommt. Und wir haben im gleichen Augenblick gehört, daß dieser Berg im wesentlichen von den Leuten zusammengebracht worden ist, die von sich nicht sagen können, ,daß sie auf die Erzeugung von Roggen ,angewiesen sind, für ,die also ,die Produktion dieses Überschusses eine reine Spekulation war, hervorgerufen durch einen Roggenpreis, der in keinem Verhältnis zu anderen Getreidepreisen stand. Wenn der Regierung nun nichts anderes einfällt, als hier das Kind mit dem Bade auszuschütten, d. h. den Roggenpreis für alle zu senken, ohne Rücksicht auf die, die gar nicht ausweichen können, dann ist das sicher eine sehr einfache Maßnahme, aber nach Ansicht ,der Sozialdemokraten eine unlogische Maßnahme und, wenn Sie so wollen, eine Bankrotterklärung einer Getreidepolitik, die wir uns schon seit Jahren zu ändern bemüht haben, ohne daß wir hierbei auf irgendein Verständnis gestoßen sind.
Im Interesse der Landwirte, die von der Qualität ihres Bodens her gezwungen sind, Roggen zu bauen, halten wir es einfach für zu billig - was die Beteiligten betrifft, für zu teuer -, daß man nun kurzerhand den Roggenpreis für alle senkt, ohne Rücksicht auf die sehr unterschiedlichen Verhältnisse in unserer Landwirtschaft. Globale Maßnahmen - das erweist sich hier, und wir haben es früher schon bei der globalen Milchsubvention und bei der globalen Düngersubvention gesagt - taugen einfach nicht in einen Bereich, in dem die Verhältnisse zu unterschiedlich sind, als daß man alles über einen Kamm scheren könnte.
Der zweite Grund für die Ablehnung dieses Getreidepreisgesetzes ist für uns die Erhöhung der Futtergetreidepreise. Die Mehrheit hält es offenbar für sehr klug, jetzt, unmittelbar vor dem Gemeinsamen Markt, noch einmal schnell die Futtergetreidepreise zu erhöhen. Sie übersieht, was mit dieser Erhöhung eigentlich getan wird. Es gibt bei uns Hunderttausende von landwirtschaftlichen Betrieben, die so klein und von so unglücklicher Struktur sind, daß sie nicht davon leben können, ihren Boden zu bebauen und einen normalen landwirtschaftlichen Betrieb in Gang zu halten, sondern in die Veredelungswirtschaft gehen, z. B. Eier und Geflügel produzieren müssen. Wir wissen seit vielen Jahren, daß Eier und Geflügel noch die Produkte sind, in die die Landwirtschaft ausweichen kann. Wir haben einen großen Zuwachs des Verbrauchs dieser Produkte. Wir sehen aber - und das wird immer wieder beklagt und mit lauten Lamentationen, mit Forderungen, die Grenzen dicht zu machen, und ähnlichem begleitet -, daß der Zuwachs an Verbrauch auf diesem Gebiet ausschließlich der Einfuhr zugute kommt, d. h. den Produzenten in den uns benachbarten Ländern. Immer wieder wird unserer Landwirtschaft der Rat gegeben: „Weicht doch in diese Produkte aus; produziert nicht das, was wir eh schon zuviel haben, produziert das, was wir offensichtlich noch gebrauchen können!" Im gleichen Augenblick aber wird dann das Produktionsmittel, das Futtergetreide nämlich, noch teurer gemacht, als es bisher schon war. Die Landwirtschaft hatte bisher keine Möglichkeit, einen Teil des Mehrverbrauchs an Geflügel und Eiern an sich zu ziehen, weil ihre Produktionskosten zu hoch waren, d. h. das Futtergetreide - dessen Preis von uns hier festgesetzt wird - zu teuer war. Und nun fällt denen, die dem Gesetz zustimmen wollen, nichts anderes ein, als diese Produktionsmittelkosten noch höher zu setzen. Das bedeutet, daß mit absoluter Sicherheit ein noch größerer Teil dieser Produktion ins Ausland abwandern wird. Es bedeutet, daß soundso viele Betriebe, die bisher mit Veredelungswirtschaft noch recht und schlecht am Leben bleiben konnten, in ihren Lebenschancen weiter beeinträchtigt werden. Das halten wir für unzumutbar und unerträglich in einem Augenblick, in dem wir auch unter dem Gesichtspunkt des Gemeinsamen Marktes und unter dein Gesichtspunkt der sich verändernden Wettbewerbsverhältnisse um die Existenz eines jeden einzelnen landwirtschaftlichen Betriebes und in erster Linie um die Existenz der kleinen, der zu kleinen Betriebe kämpfen müssen.
Die Erhöhung der Futtergetreidepreise erscheint uns am Beginn des Gemeinsamen Marktes ganz besonders töricht zu sein. Jeder Mensch muß wissen, daß sich im Gemeinsamen Markt ein anderes Getreidepreisniveau durchsetzen wird und daß wir insbesondere unsere überhöhten Futtergetreidepreise nicht werden aufrechterhalten können.
Ist das nun wirklich eine redliche Behandlung der Landwirtschaft, ist das nun wirklich ein vernünftiges Verhalten gegenüber Hunderttausenden von kleinen Leuten, die hart und schwer arbeiten müssen, um am Leben zu bleiben, wenn man ihnen in einem Augenblick scheinbar die Einnahmen erhöht, in dem man selber schon weiß, daß in ganz kurzer Frist im Gemeinsamen Markt diese Preise und die damit verbundenen Einnahmen sehr grob gesenkt werden? Wir halten das für einen zu billigen Trost und für keine redliche Behandlung dieser Menschen. Auch aus diesem Grunde lehnen wir Sozialdemokraten dieses Gesetz ab.
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Weitere Wortmeldungen? - Herr Abgeordneter Pflaumbaum. Als Berichterstatter oder als Fraktionssprecher?
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- Als Fraktionssprecher, nicht als Berichterstatter. Bitte sehr!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte nur kurz zu dem von Herrn Kollegen Kriedemann erwähnten Vorschlag Stellung nehmen, der Mehrheit des Ausschusses zuzustimmen und
den Futtergetreidepreis um 10 DM anzuheben. Zur Aufklärung darf ich sagen, daß im Getreidepreisgesetz für Futtergetreide ein Von-bis-Preis festgelegt ist und daß in der Regierungsvorlage eine Erhöhung des Mindestpreises für Futtergetreide um 10 DM vorgesehen ist. Die Mehrheit des Ausschusses war der Auffassung, daß auch der Höchstpreis um 10 DM je Tonne erhöht werden sollte. Das bedeutet, da ja im Gesetz nur der Mindest
und Höchstpreis verankert ist, noch nicht ohne weiteres, daß damit auch die Effektivpreise, wie sie sich in der Wirtschaft bilden, festgelegt sind.
Die Mehrheit ging von dem Gedanken aus, daß wir in den letzten Jahren rund 4 Millionen Tonnen Roggen erzeugt haben, wovon wir für die menschliche Ernährung nur 1,5 Millionen Tonnen benötigen, und daß es unerwünscht ist, wenn die Landwirtschaft mehr als 1,5 Millionen Tonnen auf den Markt bringt. Aus diesem Grunde glaubte die Mehrheit des Ausschusses, daß es richtig sei, den Futtergerstenpreis in anderer Form an den Roggenpreis anzupassen, damit der Roggen in größerem Umfang im Bauernbetrieb als Futter verwertet wird, als das jetzt der Fall ist.
Weiterhin war maßgebend die Tatsache - und auch Herr Kollege Kriedemann hat das zum Ausdruck gebracht -, daß es erwünscht ist, den Roggenanbau auf all den Böden, die dies zulassen, zugunsten vor allem des Weizenanbaus einzuschränken.
Das waren die Gründe der Mehrheit des Ausschusses für ihren Beschluß. Ich bitte Sie, diesem Beschluß der Mehrheit des Ausschusses zu entsprechen.
Herr Abgeordneter Mauk!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Ausführungen des Herrn Kollegen Kriedemann veranlassen mich, zu einigen der von ihm angesprochenen Punkte unsere Ansicht darzulegen.
Ich verstehe vor allen Dingen nicht das, was Herr Kollege Kriedemann zur Erhöhung des Futtergetreidepreises gesagt hat. Sie wissen - wie alle, die wir im Ernährungsausschuß lange zusammengearbeitet haben -, daß der Futtergetreidepreis maßgeblich dafür ist, ob und wie sich die deutsche Landwirtschaft überhaupt rentiert. Mit der Festsetzung des Futtergetreidepreises setzen wir auch den Wert all der anderen Futtermittel fest, die von der Landwirtschaft erzeugt werden, wozu in gewissem Umfang auch das Rauhfutter gehört. Setzen wir die Preise für diese Futtermittel zu niedrig fest, so geben wir unnötig Anlaß zur Veredlungsproduktion und zerstören damit, Herr Kriedemann, die Grundlage gerade derjenigen Betriebe, für die Sie vorhin gesprochen haben.
Recht gebe ich Ihnen darin, daß es nicht angeht, wenige Wochen vor der Roggenernte eine Prämie wegfallen zu lassen, die man dem Erzeuger bis dahin in Aussicht gestellt hat. Der Erzeuger mußte
bei der Aussaat annehmen, daß diese Prämie aufrechterhalten bleibt. Mir erscheint es dringend notwendig, den Beschlüssen im Ernährungsausschuß zu folgen und wenigstens in den Gebieten, wo die Landwirtschaft auf Roggenerzeugung angewiesen ist, wo also kein Weizen gebaut werden kann, einen Ausgleich zu schaffen, und zwar entweder dadurch, daß diese Gebiete in die höchste Preisgruppe, die Preisgruppe 4, eingestuft werden, oder dadurch, daß in diesen Gebieten die Prämie auch in diesem Jahr in irgendeiner Form aufrechterhalten wird.
({0})
Herr Abgeordneter Logemann!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Getreidepreisgesetz 1958/59, das heute verabschiedet werden soll, ist für die Landwirtschaft von sehr großer Bedeutung. Deshalb ist es wichtig, daß wir uns mit der Kritik auseinandersetzen, die der Abgeordnete Kriedemann soeben bei einigen Punkten des Getreidepreisgesetzes angebracht hat.
Wir sind der Meinung - und hier folge ich Herrn Kollegen Mauk , daß der Getreidepreis der Schlüsselpreis für alle anderen landwirtschaftlichen Erzeugnisse ist. Ich begrüße deshalb den Weg, den die Bundesregierung in diesem Jahr mit ihrem Getreidepreisgesetz gegangen ist. Sie hat sich bemüht, die Getreidepreise anzuheben und damit eine gewisse Anhebung aller anderen landwirtschaftlichen Preise, die vom Getreidepreis abhängig sind, herbeizuführen. Aus diesem Grunde begrüße ich auch die Erhöhung der Reports, die hier eingeführt worden ist.
Ich verurteile - auch das darf ich sagen -, daß
man mitten im Getreidewirtschaftsjahr den Roggenanbauern durch eine Streichung der halben Lieferprämie einen Einnahmeausfall zumutet. Wir haben im Ausschuß sehr lange gerade über die Frage der Beibehaltung der Roggenlieferprämie gesprochen und sind zu der einmütigen Entschließung gekommen, die Bundesregierung zu bitten, für die Roggenanbauer auf Roggenböden, wo man also nicht auf andere Getreidearten ausweichen kann, einen entsprechenden Ausgleich jetzt noch vorzunehmen.
Ich möchte mich vor allen Dingen mit den Einwänden, die Herr Kriedemann gegen eine Anhebung der Futtergetreidepreise hier erhoben hat, auseinandersetzen und darf zur Begründung folgendes sagen. In der Bundesrepublik hängen etwa 72 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche unmittelbar mit dem Getreidepreis zusammen. 72 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche sind in ihren Erträgen lediglich über Vieh verwertbar. Deshalb können Sie sich denken, daß der Getreidepreis, vor allen Dingen der Futtergetreidepreis, einen erheblichen Einfluß auf diese große landwirtschaftliche Nutzfläche ausübt. Eine Senkung des Futtergetreidepreises bedeutet eine Senkung des Preisniveaus für fast 80 % aller landwirtschaftlichen Erzeugerpreise. Gerade deshalb sind wir der Meinung, daß wir
beim Futtergetreidepreis ein Preisniveau ansteuern müssen, das den 72 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche die Rentabilität sichert. Herr Abgeordneter Kriedemann, ich bin hier gerade gegenteiliger Meinung. Wenn man den Futtergetreidepreis niedrig ansetzt, trifft man gerade die kleinen Betriebe mit, weil ja auch in diesen Betrieben die eigene Bodenproduktion im Preis mit herabgesetzt wird.
Nun möchte ich mich gleich mit einem Einwand auseinandersetzen, der in Richtung auf den Gemeinsamen Europäischen Markt kommt. In diesem Zusammenhang werden uns immer Holland und Dänemark als Beispiel empfohlen. Es wird darauf hingewiesen, daß in diesen Ländern das Preisniveau für Futtergetreide absichtlich niedrig gehalten wird, um der Veredelungswirtschaft eine Rente zu geben. Ich möchte feststellen, daß Holland und Dänemark hier für uns nicht Beispiel sein können. Wir können den Weg, den diese beiden Länder in der Getreidepolitik gegangen sind, einfach nicht nachahmen; er ist für uns nicht gangbar. Bedenken wir doch bitte dabei, daß in den Ländern Holland und Dänemark versucht wird, den Verlust, den man bei der eigenen Bodenproduktion eben durch einen unrentablen Getreidepreis hinnimmt, durch eine verstärkte Veredelungsproduktion auszugleichen. Wenn wir den dänischen Weg gehen, bedeutet das, daß wir je Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche zu einer Schweinefleischerzeugung von 162,2 kg kommen müssen. So viel Schweinefleisch ist nämlich je Hektar in Dänemark im letzten Jahr erzeugt worden. Die Erzeugung der Bundesrepublik liegt hier aber im Augenblick bei 84,6 kg. Wir haben schon Schwierigkeiten, diese Menge unterzubringen. Ich will mich kurz fassen. Der Weg Dänemarks und auch der Versuch, in ähnlicher Form, wie es dort geschieht, einen Ausgleich über die Veredelungsproduktion zu erzielen, würde für uns eine Verdoppelung der Schweinefleischproduktion und eine Steigerung der Butterproduktion auf etwa das Zweieinhalbfache bedeuten. Ich bin der Meinung, daß für eine solche gestiegene Veredelungsproduktion in Westdeutschland und ganz Europa kein Markt vorhanden sein wird. Wir würden mit einer Senkung des Futtergetreidepreises in Richtung dieser Nachbarländer immer wieder zu einem verstärkten Zyklus in der Veredelungswirtschaft kommen. Die Berge, Herr Kriedemann, würden noch höher sein, als das heute bei einzelnen Erzeugnissen der Fall ist. In erster Linie würden davon auch die landwirtschaftlichen Kleinbetriebe betroffen werden. Ich meine, daß wir gerade hier auf einen Augenblicksvorteil, den der Getreide zukaufende Betrieb durch einen billigen Futtergetreidepreis haben könnte, verzichten müssen, weil eben nach ganz kurzer Zeit ein schwerer Rückschlag in Form des Rückgangs des gesamten Preisniveaus der Veredelungserzeugnisse die Folge sein würde.
Abschließend ist in diesem Zusammenhang zu sagen, daß nach unseren Berechnungen eine Senkung der Futtergetreidepreise um 20 % eine Preissenkung für fast alle landwirtschaftlichen Erzeugnisse um den gleichen Betrag bedeuten würde und daß schon durch das Weniger von 20 % beim Futtergetreidepreis die landwirtschaftlichen Verkaufserlöse um etwa 2,5 Milliarden DM verringert werden würden.
Die Deutsche Partei ist deshalb der Auffassung, daß der Weg, den die Bundesregierung hinsichtlich der Getreidepreisentwicklung beschritten hat, richtig ist. Gerade mit Rücksicht auf den Europagedanken darf es für uns in der Getreidepolitik keine Experimente geben. Wir dürfen nicht in holländischer Richtung marschieren, sondern haben den Auftrag, dafür zu sorgen, daß die Bodenproduktion in der Bundesrepublik rentabel bleibt. Wir dürfen dabei in der Erzeugung keinen Raum aufgeben, auch nicht auf Roggen- und Kartoffelböden.
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Herr Abgeordneter Bauer ({0}).
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte namens meiner bayerischen Freunde zu dem Getreidepreisgesetz grundsätzlich ja sagen. Wir meinen, daß uns die geringfügigen Änderungen, die wir heute zu beschließen haben, in die richtige Richtung bringen. Manche Wünsche,' die wir dabei angemeldet haben, werden wir sicher im nächsten Jahr endgültig zusammen mit der Bundesregierung verwirklichen können.
Ich möchte hier zwei Wünsche anbringen. Beim ersten stimme ich mit Herrn Kollegen Kriedemann überein. Wir möchten das Getreidepreisgesetz nicht immer unter Zeitdruck behandeln, sondern es rechtzeitiger vorgelegt bekommen. Ich weiß, Herr Minister, daß Sie auch hier mit uns übereinstimmen und daß hier doch die Verhältnisse stärker sind, als Ihr eigenes Haus in diesem Falle zu sein scheint.
Ein Zweites. Wir bedauern, Herr Minister, daß wir zunächst einmal im Gesetz die Roggenprämie halbieren mußten. Wir haben uns im Ausschuß gemeinsam bemüht - Herr Kollege Kriedemann, ich glaube, idas ist schon angesprochen worden; ich darf es noch einmal wiederholen -, einen Weg für die Neuregelung der Roggenprämie zu finden. Wir sind davon überzeugt, daß wir bei der gerechten und richtigen Verteilung der Roggenprämie - ich brauche die Gründe dafür nicht noch einmal anzuführen - auch Ihre Unterstützung, Herr Minister, und die Unterstützung der Bundesregierung haben. Meine bayerischen Freunde und, ich glaube, auch die übrigen Kollegen der CDU/CSU-Fraktion behalten sich vor, bei der Haushaltsberatung auf dieses Problem allenfalls noch einmal zurückzukommen. Ich habe nur die Bitte, Lauch an die Opposition, an die Kollegen im Ernährungsausschuß, vielleicht bis zur Haushaltsberatung doch noch irgendwie gemeinsam einen Weg zu suchen, um in Form eines interfraktionellen Antrags dafür zu sorgen, daß wir die Roggenprämie für die Gebiete und für die Betriebe, in denen der Roggenanbau nun einmal unvermeidbar ist, auch für dieses Jahr in voller Höhe behalten. Wir würden es auch als eine Ungerechtigkeit empfinden, wenn ein Bauer, der in dem guten Glauben
Bauer ({0})
an den alten Roggenpreis im Frühjahr sein Feld
bestellt hat, nachher durch ein hier beschlossenes
Getreidepreisgesetz um seinen Lohngebracht würde.
Wenn wir uns insoweit ,gemeinsam bemühen und wenn wir vor allen Dingen noch einmal das Bundesernährungsministerium bitten, mit uns Mittel und Wege zu suchen, wie wir zu einer besseren und gerechteren Lösung kommen können, dann, so glaube ich insgesamt sagen zu können, sind wir aus Bayern mit diesem Getreidepreisgesetz zufrieden.
Herr Professor Baade!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Gesetz, über das wir hier sprechen, sieht so aus, als ob es eine rein landwirtschaftliche Angelegenheit sei. Ich halte mich aber für verpflichtet, sehr nachdrücklich zu unterstreichen, daß es eine völlig irrige Auffassung ist, in diesem Gesetz eine landwirtschaftlich-technische Einzelfrage zu sehen. Dieses Gesetz schneidet tief in Zusammenhänge der gesamten Volkswirtschaft ein. Es ist unserer Überzeugung nach vor allem deswegen so unerträglich, weil wir durch die Ratifizierung des Vertrages über die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft die deutsche Landwirtschaft unwiderruflich in einen größeren Rahmen hineingestellt haben. Diejenigen, die dem Gesetz zum Vertrag über die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft zugestimmt haben, haben damit letzten Endes auf die Souveränität des Deutschen Bundestags in Fragen der landwirtschaftlichen Preispolitik zugunsten der supranationalen Instanzen, die neu geschaffen worden sind, verzichtet. Sie haben in stärkerem Maße auf die nationale Souveränität verzichtet als im Falle der Montanunion, weil die Beschlüsse, die von den supranationalen Körperschaften auf dem Gebiet des Gemeinsamen Marktes in Zukunft gefaßt werden, für die Wirtschaften der vertragschließenden Länder direkt verbindlich sind, während bei den Beschlüssen der Organe der Montanunion noch eine gesetzgeberische Bestätigung seitens der einzelnen Volksvertretungen notwendig ist.
Sie haben einem Mechanismus zugestimmt, bei dem in mindestens 12 und höchstens 15 Jahren in dem Gebiet der sechs vertragschließenden Länder keine Binnenzölle und keine mengenmäßigen Beschränkungen der Einfuhr mehr bestehen werden. Es gibt gewisse Schutzbestimmungen für die Landwirtschaft mit Mindestpreissystemen und langfristigen Verträgen. Sie alle enden spätestens in 15 Jahren. In 15 Jahren wird, wenn der Raum dieses Klein-Europas nicht vergrößert wird - natürlich sollten wir diese Vergrößerung wünschen -, der deutsche Landwirt in einer durch keinerlei Zölle und keinerlei mengenmäßige Einfuhrbeschränkunnen gemilderten Konkurrenz mit beispielsweise dem holländischen Landwirt stehen.
Ich stehe nicht an, hier ruhig zu sagen, daß ich einer von denjenigen bin, die dem Gesetz zum Vertrag über die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft nicht zugestimmt haben. Unsere Fraktion hat ja den
einzelnen Mitgliedern die Entscheidung freigestellt, und ich hatte gegen dieses Gesetz sehr große Bedenken: in erster Linie wegen der bekannten französischen und afrikanischen Bestimmungen. Aber ich habe mir auch die Konsequenzen dieses Gesetzes für die Agrarpolitik schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt nüchtern klargemacht. Sie bestehen in Folgendem: Wir waren in der Bundesrepublik von der völligen Bedarfsdeckung mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen und etwa gar von der Überproduktion an allen landwirtschaftlichen Erzeugnissen noch um Jahrzehnte entfernt. Dieses Gebiet haben wir nun aber in einen größeren Raum eingebracht, der mit Riesenschritten dem Zustand der Bedarfsdeckung, vielleicht sogar dem Zustand der Überproduktion an landwirtschaftlichen Erzeugnissen entgegeneilt. Das in dieser Stunde hier einmal festzustellen, scheint mir eine historische Notwendigkeit zu sein. Diejenigen, die diesem Gesetz zugestimmt haben, haben auch eine sehr große Verantwortung gegenüber der Landwirtschaft übernommen. Ich kann den Ausführungen von Herrn Logemann nur in dem einen Punkte zustimmen, daß natürlich von den unvermeidlichen Preissenkungen, die das Gesetz über den Gemeinsamen Markt herbeiführen wird, nicht nur diejenigen Produkte betroffen werden, deren Preise direkt gesenkt werden, sondern daß es da auch für die Landwirtschaft schmerzlich indirekte Wirkungen geben kann.
Nun zur Frage der Futtergetreidepreise! Der holländische Landwirt bekommt das eingeführte Futtergetreide zu zwei Dritteln des Preises - manchmal ist es sogar nur die Hälfte des Preises gewesen -, den der deutsche Landwirt dafür zu zahlen hat. Wenn Sie in einer solchen Situation den Futtergetreidepreis noch erhöhen, so verschlimmern Sie nur den Zustand, den wir heute schon haben. Schon heute sind die Zölle auf Eier und auf Schlachtgeflügel nicht so hoch, daß sie ein volles Äquivalent für die künstliche Verteuerung des eingeführten Futtergetreides bieten. Sie brauchen ja nur in einen Laden zu gehen, um zu sehen, in welchem Maße holländisches Schlachtgeflügel und holländische Eier im Vordringen sind. Wir haben uns nun restlos der Möglichkeit begeben, Zölle für Schlachtgeflügel und Eier beispielsweise gegenüber Holland zu erhöhen. Wir haben auch restlos auf die Möglichkeit verzichtet, hier mengenmäßige Restriktionen einzuführen. Wir haben uns sogar verpflichtet, die Restriktionen und die Zölle abzuschaffen. Wenn Sie in einer solchen Situation die Futtergetreidepreise erhöhen, so tun Sie weiter nichts, als daß Sie einen der wenigen Aktivposten der landwirtschaftlichen Bilanz, eine der wenigen Produktionen, die im Zuge der nächsten Jahre noch gesteigert werden können, aus Deutschland heraus nach Holland oder in andere Partnerländer des Gemeinsamen Marktes verlagern. Das halte ich für unerträglich, insbesondere auch im Interesse der deutschen Landwirte.
Herr Logemann, Sie haben mit einem gewissen Recht darauf hingewiesen, daß die Nachfrage nach Schweinefleisch keine übergroße Elastizität mehr hat. Selbstverständlich können wir pro Hektar der landwirtschaftlichen Nutzfläche in der Bundesrepu1836
blik nicht so viel produziertes Schweinefleisch verkaufen, wie es in Dänemark heute noch verkauft wird. Aber ich möchte Sie doch darauf aufmerksam machen, daß einer der interessantesten Aktivposten in der landwirtschaftlichen Verkaufsbilanz das Schlachtgeflügel ist. Ich darf da einige Zahlen nennen. Wir haben in den Vereinigten Staaten einen Schlachtgeflügelkonsum von 16 kg pro Kopf der Bevölkerung. Wir haben in der Bundesrepublik einen Schlachtgeflügelkonsum von nur 21/2 kg pro Kopf der Bevölkerung. Wir könnten den Schlachtgeflügelkonsum pro Kopf der Bevölkerung während der Übergangsperiode des Gemeinsamen Marktes, ich will nicht sagen: gleich auf die 16 kg der Vereinigten Staaten steigern, aber eine Steigerung auf die Hälfte des heutigen Pro-Kopf-Konsums in den Vereinigten Staaten, auf 8 kg, scheint mir durchaus diskutabel zu sein. Der Verbraucher wird gern bereit sein, von der zusätzlichen Kaufkraft, von der wir hoffen, daß sie ihm durch Rationalisierung der ganzen europäischen Wirtschaft und damit durch Steigerung der Produktivität einmal zufallen wird, einen nicht unwesentlichen Teil in zusätzlichem Konsum von Geflügel anzulegen. Die alte Forderung eines französischen Königs, daß jede Bauernfamilie zum Sonntag ihr Huhn im Topf haben soll, könnte in den Übergangsjahren des Gemeinsamen Marktes sogar in dem Sinne verwirklicht werden, daß auch jede Arbeiterfamilie sonntags ihr Huhn im Topfe hat.
Die einzige Frage, über die Sie hier zu entscheiden haben, meine Damen und Herren, ist die, ob diese zusätzlichen Hühner künftig von deutschen Landwirten für deutsche Verbraucher oder außerhalb Deutschlands für den deutschen Markt produziert werden. Deswegen halten wir den Beschluß, in dieser Zeit die Futtergetreidepreise noch zu erhöhen, für außerordentlich verhängnisvoll.
({0})
Das Wort hat der Herr Bundesernährungsminister.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf zu der abgelaufenen Diskussion einige grundsätzliche Bemerkungen machen. Das Wesentliche, was gesagt worden ist, ist einmal der Vorwurf von Herrn Kollegen Kriedemann, daß es zu lange gedauert hat, bis der Gesetzentwurf vorgelegt worden ist. Das ist eine Krankheit, die schon seit längerer Zeit besteht. In diesem Jahr konnten wir mit der Arbeit an der Vorlage erst beginnen, nachdem der Grüne Plan in seinen Richtlinien feststand und hier beschlossen war, und zwar weil die Roggenprämie zunächst hat abgebaut werden sollen, später aber Übereinstimmung dahin erzielt wurde, daß man nur mit der Hälfte vorgehen solle. Diese Frage hat nachher auch bei den Beratungen im zuständigen Ausschuß so viel Aufruhr verursacht, daß wir damit heute noch nicht zum Abschluß gekommen sind. Nur die erfreuliche Tatsache, daß das Gesetz bis zum 1. Juli verabschiedet sein muß, hat die Veranlassung dazu gegeben,
daß wir heute darüber beraten; sonst würden wir wahrscheinlich noch mehr Wochen dazu brauchen. Infolgedessen ist es eigentlich gleichgültig, ob wir im Oktober anfangen und im März oder April fertig sind oder ob wir im Februar März anfangen, wie es in diesem Falle gewesen ist, und vor Juli fertig sind. Wir hatten uns allerdings einmal vorgenommen, die Getreidepreise für zwei Jahre festzulegen, was die Arbeit etwas erleichtert hätte.
Was die Fragen des Futtergetreidepreises und des Preises der Veredelungsprodukte angeht, so möchte ich dazu folgendes sagen. Herr Dr. Baade hat mit Recht darauf hingewiesen, daß wir durch die Unterschrift unter den Vertrag von Rom geradezu verpflichtet sind, uns darum zu bekümmern, welche gemeinsame Getreidepolitik bzw. Preispolitik für landwirtschaftliche Erzeugnisse in der EWG angestrebt wird. Ich bin ständig bei den Besprechungen mit der EWG zugegen und darf Ihnen versichern: vorläufig besteht darüber, und zwar auch über die Grundsätze, keine Klarheit. Wir erleben heute in Europa einen starken Preisabfall für Veredelungsprodukte. Sie brauchen sich nur einmal den Milchkrieg in Europa anzusehen, dann werden Sie feststellen, daß es da nur sehr wenig Gemeinsames gibt, was von der Kommission gesteuert werden könnte. Deshalb müssen wir darauf achten, daß die auf die Landwirtschaft zukommenden Verluste nicht noch durch die Verluste bei der Bodenproduktion erhöht werden. Das ist ganz eindeutig das einzige, was wir im Augenblick tun können. Sollten sich durch den gemeinsamen europäischen Markt die Dinge etwa so entwickeln, wie es hier angedeutet worden ist, dann ergibt sich für uns von selber die entsprechende Einstellung. Daran können wir dann auch nichts mehr ändern. Alles, was z. B. hinsichtlich der Geflügelproduktion gesagt worden ist, ist völlig richtig. Aber wir können bei einer steigenden Produktion auf diesem Gebiet auch noch andere Wege gehen als den, die gesamte Futtergetreideproduktion auf ein erheblich niedrigeres Niveau zu senken.
Im übrigen ist es so, daß man z. B. den Roggenpreis - der auch beanstandet worden ist - im Wirtschaftsjahr senkt. Auch die Erhöhung des Roggenpreises im vorigen Jahr ist im Laufe des Wirtschaftsjahrs erfolgt, und wiederum mit Rücksicht auf das Wirtschaftsjahr hat man ihn in diesem Jahr nicht weiter heruntergesetzt, als er im vorigen Jahr heraufgesetzt worden war. Für diejenigen Böden, die auf Roggenanbau angewiesen sind, wird die Bundesregierung dem Bundestag noch eine in den Bundestagsausschüssen zu beratende Vorlage darüber machen, wie denen geholfen werden kann, die auf den Roggenanbau dringend angewiesen sind. Ich darf nur betonen, daß in sehr vielen Gegenden, auch reinen Roggenanbaugegenden, eine Ablieferung größeren Umfangs an die Einfuhr- und Vorratsstelle nicht stattgefunden hat. Wir haben eine Ernte von 3,8 Millionen t gehabt, und 1,7 Millionen t sind an die Einfuhr- und Vorratsstelle abgeliefert worden. Wir haben am 1. Juli dieses Jahres bei der Einfuhr- und Vorratsstelle einen Überschuß von mehr als 220 000 t. Da, wo es sich um große oder mittlere oder kleinere Betriebe handelt, ist es unmöglich, durch Ablieferungsprämien den Anbau
Bundesernährungsminister Dr. h. c. Lübke
eines Produkts zu forcieren, das am Markt eine Aufnahme in dem notwendigen Umfang nicht mehr findet. Ich glaube, darüber sind wir uns alle einig, deshalb hat auch der Ausschuß dem zugestimmt.
Einer weiteren Erhöhung für Futtergetreide hatten wir nicht zugestimmt. Der Ernährungsausschuß hat da die Bis-Preise noch einmal um 10 DM angehoben. Ob das sehr zweckmäßig ist und ob idas in der Praxis draußen ankommt, weiß ich nicht. Ich glaube, im Augenblick hat das nicht die Bedeutung für das laufende Jahr, die man ihm gibt. Jedenfalls ist die Heranziehung der Futtergetreidepreise an die Brotgetreidepreise schon deshalb notwendig, weil sonst eine stärkere Verfütterung von Roggen nicht eintritt. Dann verfüttert man nämlich idas billige Futtergetreide und legt uns den Roggen in die Einfuhr- und Vorratsstellen. Das kann aus finanziellen Gründen, aber auch aus rein agrarpolitischen Gründen nicht der Zweck der Übung sein.
Diese grundsätzlichen Bemerkungen wollte ich dazu machen. Ich möchte bitten, bei der Beratung der Frage der Roggenprämie nicht dazu überzugehen, Mittel, über die im Haushalt des Ernährungsministeriums schon verfügt worden ist, noch als frei anzubieten. Eine solche Planung muß in enger Zusammenarbeit mit dem Ministerium geschehen.
({0})
Herr Abgeordneter Kriedemann!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesernährungsminister weiß, daß er für mich und meine Freunde nicht in dem Sinne ein rotes Tuch ist wie die meisten oder, ich will lieber sagen, alle seine Kollegen, und daß wir gern mit ihm diskutieren, weil wir in vielen Fragen mit ihm einig sind. Wr sind nicht erst durch ihn belehrt worden, manches hat sich bei uns schon früh herumgesprochen, etwa in ,den Fragen der Agrarstruktur oder der Perspektiven der Agrarpolitik. Aber darum dreht es sich auch gar nicht. Es bleibt trotzdem so, daß wir mit ihm einig sind.
Aber ich möchte ihm doch einiges sagen. Als neulich einer meiner Kollegen im Ernährungsausschuß dasselbe gesagt hat, was er eben gesagt hat: wir müßten uns etwas für diejenigen einfallen lassen, die von ihrem Boden her auf Roggenbau angewiesen sind, und wir müßten für diese eine andere Lösung finden, als sie im allgemeinen - nämlich für die Leute, die jetzt an der Produzierung des Roggenberges aus spekulativen Gründen interessiert sind - gefunden werden kann, da ist das im Ernährungsausschuß auf Spott und Hohn gestoßen. Da hat man uns klargemacht, daß das so nicht geht. Ich möchte im Interesse dieser Leute hoffen - die gehören ja zu den ärmsten der deutschen Landwirtschaft -, daß es dem Minister mit der Unterstützung der Opposition gelingt, hier wirklich zu einer Lösung zu kommen. Es wäre nicht das erste Mal, daß eine solche Lösung gegen die Mehrheit, d. h. gegen die Partei des Ministers, gefunden wird; die vernünftigen Lösungen sind immer in dieser Richtung gefunden worden.
Nun noch etwas zu den Sprechern .der Mehrheit. Es gehört nun mal zu dem mehr oder weniger traurigen Geschäft der Regierungspartei, zu versuchen, das letzte Wort zu haben, und bei der Gelegenheit dann zu versuchen, zu beweisen, daß sie natürlich auch recht hat. Deswegen habe ich mich hier noch einmal zu Wort gemeldet. All das Lamentieren von Ihrer Seite über den Zeitdruck sollte wirklich lieber unterbleiben. Sie haben es völlig in der Hand, das Getreidepreisgesetz so früh durch Ihre Regierung vorlegen zu lassen, daß es anständig und ordentlich diskutiert werden kann und es uns erspart bleibt, so zu verfahren, wie wir auch dieses Jahr wieder verfahren sind. Aus den verschiedenen Versuchen allzu kurzsichtiger Interessentenvertreter resultiert dann der Zeitdruck, der jetzt so beklagt worden ist.
Ein anderes! In der Agrarpolitik gibt es einen ganzen Bereich, den man eigentlich nur mit Aberglauben bezeichnen kann. Da gibt es sogenannte alte Erkenntnisse und Faustregeln, die jeder schon gelernt hat und die doch längst überholt sind. Dazu gehört auch die Meinung, daß man mit dem Futtergetreidepreis die Preise für die anderen Produkte festsetze. Der Herr Minister hat eben noch einmal gesagt, was er schon gelegentlich der Debatten über den Grünen Plan ausgeführt hat: Diejenigen, die ,auf Roggenanbau angewiesen sind, sind gar nicht die, die ,den Roggenüberfluß produzieren; das sind idie anderen, die nicht darauf angewiesen sind. Diejenigen, die auf Roggenanbau angewiesen sind, erfahren ,den Preis für ihren Roggen, den Preis für ihre Kartoffeln, für dieses berühmte wirtschaftseigene Futter, dann, wenn sie ihre Schweine verkaufen. Weil sie ihren Roggen nicht abliefern und auch nicht abliefern können, sondern ihn verfüttern, ist ihnen 'der Roggenpreis verhältnismäßig gleichgültig, und er wird im Interesse einer ganz anderen Schicht in der deutschen Landwirtschaft festgesetzt. Wir haben ja neulich gehört, wer an den Roggenpreisen am meisten interessiert ist; das sind die Zuckerrübenanbaubetriebe, in deren Bilanz der Roggenpreis die größte Rolle spielt. Kein Mensch, selbst nicht der landwirtschaftliche Laie, wird glauben, daß die Leute, die Zuckerrüben anbauen, die Inhaber von typischen Roggenböden sind.
Abgesehen davon gibt es dann noch die andere Kategorie von Leuten, deren Betrieb zu klein ist, als daß sie aus dem hier immer wieder in den Vordergrund geschobenen wirtschaftseigenen Futter ihre Veredelungsproduktion, auf die sie im Interesse der Erzielung von Einnahmen angewiesen sind, aufbauen können; diese müssen zukaufen. Daran geht ganz einfach kein Weg vorbei. Es wäre ein Streit gegen das kleine Einmaleins, wenn man nicht zugeben wollte, daß mit der Erhöhung der Futtergetreidepreise diesen Leuten eine Schwierigkeit bereitet wird, die sie bisher nicht gehabt haben. Wir bereiten sie ihnen hier so „aus der la main" ; wir machen das sozusagen aus Spaß. Die Verantwortung dafür nimmt Ihnen keiner ab.
Man kann sich auf den Standpunkt stellen, den der Minister soeben eingenommen hat: Noch sind
wir ja nicht im Gemeinsamen Markt, wir wissen auch nicht, was die andern tun, also deswegen laden wir uns einmal hier einiges auf, damit wir nachher auch einiges nachzugeben haben. Trotzdem glaube ich, daß das richtig ist, was mein Freund und Kollege Baade gesagt hat, was er uns hier als Ausblick auf eine Zeit eröffnet hat, der wir alle mit großer Sorge entgegensehen müssen. Ich gehöre zum Unterschied von Ihnen - denn in der Sozialdemokratischen Partei gibt es den immer wieder zitierten Fraktionszwang nicht, wo alle dasselbe machen müssen, - ({0})
- Lachen Sie doch nicht so!
({1})
- Na, dann freuen Sie sich darüber, wie gut es uns geht und wie schlecht es Ihnen geht!
Der Minister hat soeben gesagt, er habe den römischen Verträgen über den Gemeinsamen Markt nicht zugestimmt. Ich habe zugestimmt; aber wir sind uns einig in der Sorge um die Lösung der Probleme, die der Vertrag über den Gemeinsamen Markt insbesondere für die deutsche Landwirtschaft heraufbeschwort, und wir sind uns auch einig in der Überzeugung, daß wir ohne Not mit diesem Gesetz - und das veranstalten wir einstweilen noch aus eigener Souveränität; in dieser Bundesrepublik muß ja öfter von „Souveränität" gesprochen werden - die Probleme für die deutsche Landwirtschaft noch schwieriger machen. Deswegen, weil ) wir uns nicht unnötigerweise etwas aufladen wollen, was wir uns ersparen können, werden wir Sozialdemokraten unsere Zustimmung zu diesem Gesetz versagen.
Wir haben niemals einen Zweifel an unserem Bekenntnis zur Marktordnung gelassen, niemals! Wir haben die Marktordnung nicht nur gemacht, weil sie halt optisch nett wirkte. Viele von Ihnen - aber es sitzen jetzt nicht viele von ihnen da; das ist bei der Beratung landwirtschaftlicher Gesetze in diesem Hause meistens so - haben, als die Marktordnungsgesetze beschlossen wurden, das mit ihrem „wirtschaftspolitischen Gewissen", mit ihrem oft dargelegten Bekenntnis zur Freiheit in der Wirtschaft nur mit Mühe vereinbaren können. Wir haben zur Marktordnung immer ja gesagt, weil sie, wie wir glauben, für die Landwirtschaft unverzichtbar ist. Weil wir die Marktordnung verteidigen wollen, haben wir uns auch immer als erste gegen jeden Mißbrauch der Marktordnung gewendet. Und es wird ja mit der Marktordnung, auch mit der Getreidemarktordnung, an allen Ecken und Kanten Mißbrauch getrieben. Wir haben oft den Tag prophezeit, an dem einmal jemand, so wie es dann der Bundesfinanzminister im Frühjahr dieses Jahres getan hat, etwas Kritisches über die Marktordnung sagen würde, weil sie dann zu teuer oder teilweise allzu sinnlos wird. Wir haben, und zwar nicht nur in allgemeinen Proklamationen, sondern mit konkreten Gesetzentwürfen, versucht, die Marktordnung vor Mißbrauch und auch vor den Angriffen zu schützen, die infolge des Mißbrauchs auf die
Marktordnung zukommen müssen. Wir sind dabei leider allein geblieben.
Wenn wir dieses Gesetz ablehnen, tun wir es auch, weil wir glauben, daß die Marktordnung damit überfordert und dann jenen, die die Marktordnung nicht wollen, ein neues Argument gegen die Marktordnung zugeführt wird; und die Marktordner, die Agrarpolitiker provozieren - jedenfalls auf Ihrer Seite - unglückseligerweise selber dieses Argument. Auch aus diesem Grunde lehnen wir den Gesetzentwurf ab.
({2})
Keine weiteren Wortmeldungen? - Ich rufe auf in zweiter Lesung § 1; keine Änderungen. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe!
- Enthaltungen? - Das erste ist die Mehrheit; § 1 ist angenommen.
Bei § 2 liegt der Änderungsantrag des Ausschusses vor „Futtergerste 360-400". Ist das Haus damit einverstanden?
({0})
- Dann muß ich abstimmen lassen. Wer dem Änderungsantrag des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das letzte ist die Minderheit; der Änderungsantrag des Ausschusses ist angenommen. Es heißt in § 2 also „360-400".
({1})
- Ja, Herr Kollege Kriedemann, die Entscheidung ist gefallen.
({2})
- Der Kommentar auch; das nehmen wir ins Protokoll.
§ 3, - § 4, - § 5, - § 6, - § 7, - § 8, -§ 9, - § 10, - § 11, - § 12, - Einleitung und Überschrift. - Wird das Wort gewünscht? - Es wird nicht gewünscht. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das erste ist die Mehrheit; die aufgerufenen Paragraphen sind angenommen.
Dritte Beratung.
Allgemeine Aussprache! - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Gesetz in der Form, in der es in der zweiten Lesung angenommen worden ist, also mit der vom Ausschuß vorgeschlagenen Änderung, zustimmen will, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist in dritter Lesung angenommen.
Wir kommen zu dem zurückgestellten Punkt 4; das ist der letzte Punkt unserer heutigen Tagesordnung. Ich rufe auf Punkt 4a:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Bundesbaugesetzes ({3}).
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
Dazu Punkt 4d:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Huth, Höcherl, Matthes und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Entschädigung für die Enteignung von Grundstücken, die Beschränkung von Grundeigentum und die Entziehung und Beschränkung anderer Rechte ({4}).
Ich schlage dem Hause vor, daß wir die Aussprache über diese beiden Punkte verbinden. Ich habe mich belehren lassen, daß das sachlich richtig ist. Nachher werde ich die Punkte 4 b und c aufrufen; die passen auch zusammen.
({5})
- Müssen wir die auch noch teilen, Herr Kollege Brecht? - Gut, dann werden wir diese nachher auch noch teilen. Zunächst kommt also Punkt 4 a und d. Wird das Wort zur Einbringung des Entwurfs eines Bundesbaugesetzes gewünscht? - Der Herr Bundeswohnungsbauminister hat das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Entwurf des Ihnen vorliegenden Bundesbaugesetzes gehört zu den Regierungsvorlagen, die bereits in der zweiten Legislaturperiode vorgelegen haben. Wir wurden damals mit der Beratung des Gesetzes nicht mehr fertig. Dem umfassenden Gesetzeswerk ist eine sehr eingehende Begründung beigefügt, die es Ihnen ermöglicht, in die Probleme des Gesetzes nähere Einsicht zu gewinnen. Ich kann meine Ausführungen auf einige allgemeine Bemerkungen und einige kurze Vorbemerkungen zu der Geschichte des Entwurfs beschränken, die notwendig sind, um in die Materie eindringen zu können.
Das geltende Baurecht setzt sich aus einer Vielzahl bundesrechtlicher, landesrechtlicher und kommunalrechtlicher Vorschriften zusammen, die im Verlauf einer einhundertfünfzigjährigen Rechtsentwicklung nach und nach entstanden sind. Da alle Gesetze Ausdruck der Wertvorstellungen sind, die bei ihrem Erlaß vorherrschen, und da sich diese Wertvorstellungen mit dem allgemeinen Wandel der politischen und sozialen Anschauungen ändern, passen die einzelnen Bestimmungen weder in sachlicher noch in sozialer noch in politischer Hinsicht zueinander. Altere Landesgesetze, die eine zeitbedingte Teilregelung des Baurechts enthalten, stehen neben neueren, die jeweils nur Materien oder Einzelfragen behandeln, deren gesetzgeberische Lösung jeweils als besonders vordringlich empfunden wurde. Einige Teilgebiete sind nur bruchstückweise oder gar nicht geregelt worden. Dieser Rechtszustand ist aus der geschichtlichen Entwicklung zu verstehen. Zu einer umfassenden Neugestaltung des Baurechts ist man jedenfalls in Deutschland bis heute nicht gelangt. Ansätze in dieser Richtung, die sich Ende der zwanziger und Anfang der dreißiger Jahre zu einem Reichsstädtebaugesetzentwurf verdichteten, scheiterten an der damaligen politischen Situation. Auch in der Zeit zwischen 1933 und 1945 hat man sich mit behelfsmäßigen Einzellösungen begnügt.
Um die rechtlichen Grundlagen für einen den Anforderungen des neuzeitlichen Städtehaues entsprechenden Wiederaufbau nach dem zweiten Weltkrieg zu schaffen, erließen die meisten Länder sogenannte Aufbaugesetze. Diese enthielten die dringendsten Sonderregelungen und erleichterten zweifellos die Wiederaufbautätigkeit. Sie stellten aber keine das geltende Recht ersetzende Gesamtregelung dar und ließen grundsätzliche Fragen wie etwa der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie und das Bodenbewertungsproblem unbeantwortet. Seit Jahren wird daher erneut von staatlichen und kommunalen Stellen, von Verbänden und Organisationen des Städtebaues und des Wohnungs- und Siedlungswesens, den Kirchen sowie der Wirtschaft mit zunehmender Dringlichkeit eine bundeseinheitliche Regelung des Baurechts gefordert. Der Bundestag hat sich diese Forderung mit Nachdruck zu eigen gemacht. So forderte er bereits mit seinem Beschluß vom 13. September 1951 die Bundesregierung auf, bis zum 31. Dezember 1951 den Entwurf eines Baugesetzes vorzulegen, der „das Bau-, Boden-, Planungs-, Anlieger- und Umlegungsrecht im Zusammenhang und bundeseinheitlich regeln soll". Zwar konnte dieser Termin vor allem auch aus zeitlichen Gründen nicht eingehalten werden. Der Beschluß gab jedoch Bund und Ländern Veranlassung, die gemeinsamen Vorarbeiten für die Ordnung des Baurechts zu beschleunigen. In Zusammenarbeit mit den Ländern wurde eine Sachverständigenkommission gebildet, die nach mehr als dreijähriger Tätigkeit Anfang 1956 der Öffentlichkeit den Entwurf eines Bundesbaugesetzes vorlegte.
Bei den Beratungen des Baulandbeschaffungsgesetzes, das einen Teilbereich des Baurechts aus der Gesamtregelung vorzog, zeigte sich jedoch, wie nachteilig sich das Fehlen einer einheitlichen Konzeption des Baurechts in der Bundesrepublik auswirkte. Aus diesem Grunde forderte der Bundestag bei der Verabschiedung des Baulandbeschaffungsgesetzes am 11. Juni 1953 die Bundesregierung erneut auf, bis zum 30. Juni 1954 im Rahmen des Bundesbaugesetzes oder als Sonderregelung den Entwurf eines Gesetzes über die Bodenbewertung vorzulegen und hierbei die Preisstoppvorschriften abzulösen und eine Regelung zu treffen, durch die Spekulationsgewinne am Grund und Boden ausgeschlossen werden. Auch dieser Termin konnte nicht eingehalten werden, da das Bundesverfassungsgericht erst mit seinem Gutachten vom 16. Juni 1954 die Zweifel über die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes auf dem Gebiet des Baurechts klären mußte.
Als im Sommer 1955 immer noch nicht zu erkennen war, wann denn nun endlich der Regierungsentwurf dem Bundestag vorgelegt werden würde, entschlossen sich angesichts der überall auftretenden drängenden baurechtlichen Probleme Abgeordnete aller Parteien, den von der Hauptkommission für die Baugesetzgebung erarbeiteten Entwurf in einer vorläufigen Fassung initiativ im Bundestag einzubringen. Die erste Lesung dieses Entwurfs - Bundestagsdrucksache 1813 - fand am 1. Dezember 1955 statt. Der Entwurf wurde den Ausschüssen für
) Bau- und Bodenrecht sowie für Wiederaufbau und Wohnungswesen zugeleitet.
Dieser Initiative - und das ist bemerkenswert - schlossen sich ,die führenden Wohnungsbaupolitiker aller Fraktionen durch Unterschrift an, um vor allem die Dringlichkeit des Anliegens zu unterstreichen. Diese Initiative bedeutete jedoch nicht die Zustimmung zu allen Bestimmungen des Entwurfs. Um gelegentlich aufgetretenen Meinungsverschiedenheiten zu begegnen, darf ich diese Tatsache aus meiner damaligen Tätigkeit als Vorsitzender des Ausschusses für Wiederaufbau und Wohnungswesen in die Erinnerung zurückrufen.
Schließlich wurde Ende 1956 der Regierungsentwurf für ein Bundesbaugesetz dem Bundestag vorgelegt, dessen erste Lesung am 11. Januar 1957 stattfand. Die zuständigen Ausschüsse befaßten sich mit dem Gesetz. Angesichts der Vielzahl der in diesem Bundesbaugesetz zu lösenden Fragen kam es trotz zahlreicher Beratungen in den Ausschüssen nicht mehr zu der dringend notwendigen Verabschiedung.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Ihnen heute vorliegende Entwurf entspricht in seinen Regelungen dem Regierungsentwurf der 2. Legislaturperiode, Soweit Änderungen in Teilfragen vorgenommen wurden, erfolgten sie, um den Wünschen des Bundesrates entgegenzukommen und so eine positive Stellungnahme des Bundesrates zu dem Entwurf zu erreichen. Im Gegensatz zur 2. Legislaturperiode hat diesmal der Bundesrat dem Bundesbaugesetz, das ihm die Regierung vorlegte, trotz einer Reihe von Änderungsvorschlägen im gesamten zugestimmt. - Damals hatte er ,das Bundesbaugesetz im gesamten abgelehnt. - Damit ist in sachlicher und politischer Hinsicht ,der Start für den Gesetzentwurf wesentlich erleichtert worden.
Einige Worte zu den Grundzielen des Gesetzes!
Bei den bisherigen Beratungen und Verhandlungen über einen Bundesbaugesetzentwurf bestand Übereinstimmung der Auffassungen darüber, daß der Bundesgesetzgeber mit einem Bundesbaugesetz mehr zur Verfügung stellen muß als nur weitere baurechtliche Teilregelungen neben den vielen bereits vorhandenen landesrechtlichen und bundesrechtlichen Vorschriften. Er kann sich nicht damit begnügen, ein neues Gesetz zu schaffen, sondern er muß viele überalterte, unzulängliche und provisorische Gesetze und Verordnungen durch ein besseres Gesetz ersetzen. Die Aufgabe des Bundesbaugesetzes besteht also darin, unter Vermeidung von Behelfslösungen in den Grundsatzfragen ,des Bau
und Bodenrechts tragfähige Fundamente für die Zukunft zu schaffen.
Das Gesetz soll die Aufgabe erleichtern, in unserer Zeit fortschreitender Technisierung Städte und Gemeinden zu schaffen, die Ausdruck unseres kulturellen ,und sozialen Lebens sind, Städte und Gemeinden, die ausreichend Raum für Verkehr, Arbeit, Freizeit und Erholung, Raum für Bauten des religiösen Lebens, ,der Kultur und Erziehung bieten. Vor allem aber - das List einbesonderes Anliegen, das ich hier namens der Bundesregierung zum Ausdruck
bringen möchte - soll das Gesetz die Voraussetzungen für eine gesunde Wohnungsbaupolitik schaffen und den Bau von Familienheimen vor allem für breite, einkommensschwache Volksschichten erleichtern und ermöglichen.
Bei diesen städtebaulichen Aufgaben geht es nicht nur um den Wiederaufbau, die Erweiterung oder den Neuaufbau, sondern vor allem auch um ,die Erneuerung unserer Städte. Eine wahrlich große Aufgabe harrt der Lösung, und die drängenden Rufe aus Stadt und Land, das Gesetz nun endlich zu verabschieden, lassen seine ,außerordentliche Dringlichkeit immer mehr erkennen.
Ich kann es mir ersparen, auf die Fülle der einzelnen Aufgaben dieses Gesetzes näher einzugehen, da wir heute bereits zum dritten Male innerhalb weniger Jahre in einer ersten Lesung eines Bundesbaugesetzes stehen. Lassen Sie mich nur noch eine Frage anschneiden: Ich meine die Frage der Baulandbeschaffung und Baulandbewertung, - eine Frage, die uns alle, die wir uns um den Wohnungsbau seit Jahr und Tag bemühen, in steigendem Maße belastet. Es fehlt an Bauland, es fehlt vor allem an Bauland zu gerechten Preisen. Es ist ein besonderes Anliegen des Entwurfs, das Problem der Baulandbeschaffung und das damit untrennbar verbundene Problem der Baulandbewertung in befriedigender Weise zu lösen. Die wohnungspolitischen Absichten der Bundesregierung, insbesondere ihre Bemühungen, die Eigentumsbildung auch auf dem Gebiete des Wohnungsbaues in breiten Schichten zu fördern, lassen sich mit nachhaltigem Erfolg nur verwirklichen, wenn es dem Bauwilligen erleichtert wird, das benötigte Bauland zu gerechten Preisen zu erwerben.
Die Erfahrungen mit dem Baulandbeschaffungsgesetz, das mit der Verabschiedung dieses Gesetzentwurfs außer Kraft treten soll, haben uns gelehrt, daß das Ziel, dem Bauwilligen - und vor allem den einkommensschwachen, den kinderreichen Familien - den Zugang zum Eigentum am Boden zu ermöglichen, mit den Handhaben des Enteignungsrechts allein nicht erreicht werden kann.
({0})
Es muß vielmehr in erster Linie angestrebt werden, durch Einsatz bodenordnungspolitischer Maßnahmen den Markt für Bauboden so zu ordnen, daß Bauboden auf den Markt kommt und daß eine Preisentwicklung vermieden wird, die zu sozialen Ungerechtigkeiten führt.
({1})
Das Bodenbewertungsproblem - es ist ein schweres Problem zieht sich wie ein roter Faden durch alle baurechtlichen Sachgebiete hin und wird damit zu einem der wesentlichen Probleme des Baurechts. Auch der Bundestag hat, wie sich aus der erwähnten Entschließung vom 11. Juni 1953 ergibt, schon damals klar erkannt, daß ein Baugesetz die ihm zugedachte Funktion nur erfüllen kann, wenn es gelingt, in der Frage der Bodenbewertung zu einer gerechten und praktikablen Lösung zu kommen.
({2})
Der Entwurf geht davon aus, daß bei seinem Inkrafttreten der Preisstopp für unbebaute Grundstücke nicht mehr angewendet wird; und es ist Zeit, daß er fällt, er ist längst ausgehöhlt. Der Entwurf bemüht sich, Maßnahmen einzuführen, die einer nach Aufhebung des Preisstopps etwa einsetzenden Tendenz zu übersteigerten Preisforderungen vorsorglich entgegenwirken. Diesem Ziele dienen insbesondere die in der Vorlage enthaltenen Vorschriften über die Grundstücksschätzung und die vorzeitige Fälligkeit des Erschließungsbeitrags.
Durch die Tätigkeit der Schätzstellen, die unverbindliche Gutachten erstatten, soll die weithin bestehende Unklarheit über die tatsächlichen Grundstückswerte beseitigt werden. Die guten Erfahrungen, die in einigen Ländern der Bundesrepublik seit Jahrzehnten mit derartigen Schätzstellen gemacht werden, haben die Bundesregierung veranlaßt, eine entsprechende Regelung in den Entwurf zu übernehmen. Durch Schätzsteilen kann sich auch der einzelne Bauwillige - und darum geht es uns und, glaube ich, allen Parteien insbesondere -, der in Grundstücksfragen unerfahren. ist. der einmal im Leben sein Eigenheim bauen will und im allgemeinen nur einmal in seinem Leben ein solches Geschäft abschließt, mühelos über den nach objektiven Gesichtspunkten ermittelten angemessenen Preis unterrichten. Wir erwarten von dieser Regelung, daß die Übervorteilung Unwissender, insbesondere einfacher Leute, durch Grundstücksspekulanten wesentlich verringert wird.
Als weitere Maßnahme ist vorgesehen, daß der Erschließungsbeitrag nicht, wie bisher, erst mit der Bebauung des Grundstücks, sondern bereits mit der Herstellung der Erschließungsanlage fällig wird. Hierdurch soll der Eigentümer bei wirtschaftlicher Überlegung veranlaßt werden, sein Grundstück selber baulich zu nutzen oder, wenn er dies aus bestimmten Gründen nicht will, es nicht vom Markt zurückzuhalten, sondern es an einen Bauwilligen zu veräußern. Auf diese Weise ist mit einer Vermehrung des Angebots auf dem Baulandmarkt zu rechnen. Selbstverständlich sind Vorschriften eingebaut, um Härtefällen, die durch diese Regelung auftreten könnten, zu begegnen.
Von verschiedenen Seiten wird nun die Meinung vertreten, daß diese Vorschriften, die in der Vorlage bereits enthalten sind, durch weitere Maßnahmen ergänzt werden müssen, um eine wirkliche Ordnung des Baulandmarktes zu erzielen und zu einer gerechten Lösung des Bodenbewertungsproblems zu gelangen. Dieser Auffassung schließe ich mich an. Die Bundesregierung hat bei der Beschlußfassung über die jetzige Gesetzesvorlage dieses Problem nicht nochmals im einzelnen erörtert, um den Beginn der parlamentarischen Beratung nicht wieder zu verzögern und sicherzustellen, daß die Verabschiedung des Bundesbaugesetzes im 3. Bundestag erfolgen kann. Überdies handelt es sich bei dieser Gretchenfrage der Baulandbewertung, bei der Frage: was ist ein gerechter Preis?, letztlich um eine politische Entscheidung, die der Bundestag als Träger der obersten politischen Willensbildung selbst treffen muß und treffen wird.
Die Bundesregierung hat ihrerseits alles getan, um gerade in diesen Fragen zu praktikablen und wirksamen Lösungsvorschlägen zu kommen. Ein von mir schon vor fiber einem halben Jahr berufener Wissenschaftlicher Beirat für Fragen der Bodenbewertung arbeitet an dieser Frage und prüft die gemachten Vorschläge auf ihre Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit. Die Arbeitsergebnisse dieses Wissenschaftlichen Beirats werden Ihnen nach den Ferien, bis zum Herbst dieses Jahres zugeleitet werden. Ich bin der Überzeugung, daß diese eingehenden Vorarbeiten geeignet sind, die so schwierige politische Entscheidung, ob weitere Maßnahmen zur Schaffung eines Baulandmarktes und gerechter Baulandpreise in das Bundesbaugesetz eingebaut werden sollen, zu erleichtern.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die hier vorliegende Aufgabe zählt meines Erachtens zu den schwierigsten, die der 3. Bundestag auf innenpolitischem Gebiet zu bewältigen haben wird. Diese Aufgabe drängt sehr. Es wurde schon allzuviel Zeit vertan. Wenn es überhaupt noch eine Ordnung auf diesem Gebiet in unseren Städten und Gemeinden geben soll, muß sie bald kommen. Das Nichtvorhandensein dieser Ordnung wird über Jahr und Tag Milliardenbeträge kosten, die die Allgemeinheit dort aufbringen muß, wo man in den Städten und Gemeinden nicht zeitgemäß plante, wo man den Wunsch breiter Volksschichten nach Einzeleigentum nicht befriedigt hat. Der vorliegende Entwurf des Bundesbaugesetzes zeigt einen Weg. Die Bundesländer, die Gemeinden, die Wohnungswirtschaft, vor allem aber die wohnungsuchenden Familien warten auf dieses Gesetz. Ohne eine Neuordnung des Bau- und Bodenrechts ist es nicht möglich, die große Aufgabe des Wohnungs- und Städtebaus recht zu lösen.
Gewiß stellen die Beratungen dieses Gesetzes hohe Anforderungen an den federführenden Ausschuß und das Parlament. Ich sagte bereits: vielleicht zählt dieses Gesetz zu den schwierigsten. Ich meine aber, daß sich die aufgewandte Mühe vielfach lohnen wird. Wenn ein Gesetz geschaffen wird, das den Städten und Gemeinden einen Ausdruck unserer sozialen Ordnung verleiht, lohnt sich die Arbeit eines Parlaments immer.
Das Hohe Haus hat die Entscheidung. Ich darf bitten, das Gesetz intensiv zu beraten und den Bestimmungen dieses Gesetzes Ihr freundliches Augenmerk zu widmen.
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Sie haben die Einbringung des Gesetzentwurfs gehört. Wir treten jetzt in die Aussprache ein. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Hesberg.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei den seit 1949 zwangsläufig im Vordergrund stehenden Bemühungen der Bundesregierung und des Bundestages, für Höchstleistungen im Wohnungsbau die entsprechenden finanziellen Voraussetzungen zu
schaffen, ist von jeher seitens der CDU/CSU-Fraktion nicht außer acht gelassen worden, bestimmte wohnungspolitische Zielsetzungen und auch eine neuzeitliche Gestaltung des Bau- und Bodenrechts zu verwirklichen. Galt in der ersten Legislaturperiode des Deutschen Bundestages die vornehmliche Sorge zunächst der Erschließung des in den ersten Jahren nach der Währungsreform knappen Kapitals für den Wohnungsbau und der Sicherung ausreichender Bundesmittel für den sozialen Wohnungsbau, so war doch schon eindeutig das Bemühen erkennbar, gleichzeitig auch die Eigentumsbildung zu fördern. Man übersah auch nicht die Bedeutung der Bodenordnung für die hinreichende Baulandbeschaffung. Bundesregierung und Bundestag befanden sich dabei in Übereinstimmung mit diesem Hohen Hause und dem Rat der EKD und dem Altenberger Programm der katholischen Kirche, wenn sie sich bemühten, der spekulativen Entwicklung der Baulandpreise entgegenzuwirken.
Durch die Initiative dieses Hohen Hauses kam daher 1953 das als Übergangslösung gedachte Baulandbeschaffungsgesetz zustande. Dabei war man sich wohl bewußt, daß die erstrebte Neuordnung der rechtlichen Beziehungen des einzelnen und der Gesamtheit zum Boden mit dem Grundgesetz im Einklang stehen muß, und zwar sowohl hinsichtlich der gesetzgeberischen Kompetenzen des Bundes als auch mit der Eigentumsgarantie.
Ausdruck der Initiative dieses Hohen Hauses ist auch der Initiativgesetzentwurf eines Bundesbaugesetzes, der in der 2. Legislaturperiode unter maßgeblicher Beteiligung meiner Freunde von 127 Abgeordneten aller Parteien eingebracht worden ist. Die Initiatoren brachten hiermit zum Ausdruck, daß die Vereinheitlichung und Neugestaltung des zersplitterten, uneinheitlichen und mit Mängeln behafteten, teils aus der Vorkriegszeit, teils aus der Nachkriegszeit stammenden, von den Ländern und vom Bund geschaffenen Bau- und Bodenrechts als eine gesetzgeberische Aufgabe von außerordentlicher Bedeutung anzusehen ist. Dabei waren sich die an dieser Initiative beteiligten Abgeordneten, wie der Herr Minister schon hervorgehoben hat, von vornherein der Schwierigkeiten der Materie bewußt, wie sich auch keiner der Beteiligten mit allen Einzelheiten des damaligen Entwurfs einverstanden erklären wollte. Sie wollten vor allem der Dringlichkeit des gesetzgeberischen Anliegens Ausdruck verleihen und die parlamentarischen Beratungen in Lauf setzen.
Da jedoch die kurze Zeitspanne, die uns in der vorigen Legislaturperiode für die Ausschußberatung noch zur Verfügung stand, nicht ausreichte, den Initiativentwurf und den von der Bundesregierung im Dezember 1956 vorgelegten Entwurf eines Bundesbaugesetzes abschließend zu behandeln, begrüßen wir es, daß die Bundesregierung ihren Entwurf bereits zu Beginn der jetzigen Legislaturperiode vorgelegt hat und dadurch eine gründliche Beratung ermöglicht. Die vielschichtige politische und wirtschaftliche Tragweite dieses Gesetzes und nicht zuletzt auch seine Tragweite für die kommunale Selbstverwaltung wird an die künftigen Ausschußberatungen hohe Anforderungen stellen. Wir werden uns dieser Aufgabe mit größter Sorgfalt, mit Gründlichkeit und Behutsamkeit annehmen. Dabei lassen wir uns nicht nur von den Wünschen der Wirtschaft und der Gemeinden leiten, die eine Rechtsvereinheitlichung wünschen, sondern auch von dem Erfordernis, ein tragfähiges Fundament für einen neuzeitlichen Städtebau zu schaffen. Insbesondere liegt uns auch daran, den Bauwilligen vermittels des Gesetzes den Zugang zu Grund und Boden zu erleichtern und damit der seit Jahren maßgeblichen Zielsetzung unserer Wohnungsbau-und Eigenheimpolitik auf dem Gebiete des Bau-und Bodenrechts eine adäquate Grundlage zu schaffen. Wir befinden uns dabei in Übereinstimmung mit den Stellungnahmen beider christlicher Kirchen zu diesem Gesetzentwurf.
Bei den bevorstehenden Beratungen werden wir nach Ansicht meiner Freunde der Tatsache eingedenk sein müssen, daß mit dem in Angriff genommenen Gesetzgebungswerk eine Dauerregelung angestrebt wird. Während die Aufbaugesetze der Länder, die durch das Bundesbaugesetz abgelöst werden sollen, dem Ziel zu dienen hatten, durch den Krieg verursachten Ausnahmezuständen abzuhelfen, werden wir davon ausgehen müssen, daß diese Notstände, von den durchgreifenden Sanierungsaufgaben in einer Reihe von Städten abgesehen, bald überwunden sein werden. Daher werden die Bedürfnisse normaler langfristiger Planung Richtschnur für das Bau- und Bodenrecht der Bundesrepublik sein müssen. Darum wird darauf zu achten sein, daß Beschränkungen, die in der Notzeit unmittelbar nach dem Krieg hingenommen werden mußten, nicht etwa der angestrebten Bildung neuen Eigentums entgegenwirken. Unter Berücksichtigung dieses Erfordernisses wird dem Städtebauer die erforderliche Bewegungsfreiheit zu geben sein, gesunde Wohnungsverhältnisse zu schaffen, hierfür entsprechendes Siedlungsgelände zu erschließen, der Befriedigung moderner Verkehrsbedürfnisse gerecht zu werden, Raum zu schaffen für Grün- und Erholungsflächen und nicht zuletzt auch für kirchliche und kulturelle Aufgaben.
Meine politischen Freunde sind ebenso wie die Bundesregierung der Auffassung, daß das Problem der Baulandbeschaffung und das damit zusammenhängende Problem der Bodenbewertung zu den Kernfragen rechnen, für die in dem Bundesbaugesetz eine befriedigende Lösung gefunden werden sollte. Voraussetzung für eine derartige Lösung ist ohne Zweifel die Beseitigung der noch bestehenden Preisbindungen im Grundstücksverkehr, mit der Maßnahmen verbunden sein müssen, die ein jederzeit ausreichendes Angebot an Bauland gewährleisten. Von der Tatsache ausgehend, daß Boden gestaltbar, aber nicht produzierbar ist, kommt den Vorschriften über die Planung, zur Bodenordnung und zur Erschließung ebenso große Bedeutung zu wie denen der Enteignung und der Grundstücksbewertung. Wir werden gerade diese Regelungen des Entwurfs besonders sorgfältig auf ihre Notwendigkeit, Zweckmäßigkeit und ihre Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz hin überprüfen und in unsere
Überlegungen auch die uns von dem Herrn Bundesminister für Wohnungsbau in Aussicht gestellten Arbeitsergebnisse seines Wissenschaftlichen Beirats einbeziehen.
Wenn wir uns also bevorzugt der ausreichenden Versorgung des Wohnungsbaus mit Bauland widmen wollen, werden wir allerdings nicht an der Tatsache vorbeikommen, daß die derzeitige Baulandverknappung manchenorts in nicht geringem Umfang auf Erscheinungen beruht, die durch das zur Beratung stehende Gesetz nicht beseitigt werden können, z. B. darauf, daß Gemeinden u. a. aus fiskalischen Gründen bestrebt sind, immer mehr Betriebe heranzuziehen. Aus der Tatsache, daß die Gemeinden die gegebenen Raumverhältnisse oft außer acht lassen, ergibt sich doch die immer dringlichere Raumordnung durch Bund und Länder. Diesen Aufgaben kann das Bundesbaugesetz nicht gerecht werden. Ohne raumordnende Maßnahmen, die sowohl gewisse organisatorische als auch finanzielle und Verwaltungsmaßnahmen bedingen, besteht die Gefahr, daß die auf Grund des Bundesbaugesetzes zur Durchführung gelangenden bodenordnenden und bodenpolitischen Maßnahmen unter Umständen wirkungslos bleiben.
Von den von mir erwähnten Abschnitten verdient die Erschließung eine besondere Hervorhebung.
Wir begrüßen das Bemühen um eine Reform der sogenannten Straßenanliegerbeiträge und erblicken in den vorliegenden Vorschlägen nicht allein den Versuch, überholte durch neuzeitliche Verteilungsmaßstäbe zu ersetzen, sondern auch den Versuch, eine Beteiligung der Allgemeinheit am Gesamtaufwand herbeizuführen. Dies erscheint uns um so berechtigter, weil die Straßenbaukosten schon heute weit mehr denn je - und wahrscheinlich in der Zukunft noch stärker - durch die Anforderungen des Verkehrs bestimmt werden. Die Zeiten, in denen der Verkehr Vorteile für die Anlieger mit sich brachte und auch dementsprechend höhere Belastungen durch Straßenbaukosten rechtfertigte, sind längst vorbei. Wohnungen an Verkehrsstraßen werden immer mehr entwertet. Deswegen erscheint eine Entlastung der Anlieger durch eine entsprechende Beteiligung der Gemeinden an den Steuererträgen des Verkehrs durchaus geboten.
Angesichts der Vielzahl der Probleme, die in dem vorgelegten Entwurf angesprochen werden, liegt es auf der Hand, daß meine Freunde nicht allen vorgeschlagenen Lösungen vorbehaltlos zustimmen können. Insbesondere gilt dies für einige Regelungen der Enteignungsbestimmungen. So sind wir der Meinung, die sicher auch von der Bundesregierung geteilt wird, daß der Eingriff in die private Rechtssphäre stets nur das äußerste Mittel zur Verwirklichung der dem Allgemeinwohl dienenden städtebaulichen und wohnungspolitischen Ziele bilden darf. Das ist ja auch bereits vorhin in den Ausführungen des Herrn Ministers zum Ausdruck gekommen. Wir legen daher besonderen Wert auf eine normative Klarstellung, daß private Grundstücke im Enteignungswege erst dann in Anspruch genommen werden dürfen, wenn für den betreffenden Zweck alle
Möglichkeiten, dem Baulandbedarf auf dem Grundstücksmarkt gerecht zu werden, ausgeschöpft sind und der Bedarf aus dem Grundbesitz der öffentlichen Hand, nämlich des Bundes, der Länder und der Gemeinden, nicht befriedigt werden kann. Es trifft nämlich, von einzelnen Gemeinden abgesehen, nicht zu, daß die Grundstücksreserven der öffentlichen Hand bereits weitgehend ausgeschöpft sind.
Wenn eine Neuabgrenzung des Begriffs der klassischen Enteignung angesichts der Entwicklung des Städtebaues grundsätzlich vertretbar ist, so ist andererseits ein weit über das bisherige Recht hinausgehender neuartiger Enteignungsbegriff höchst bedenklich. So lehnt z. B. ein großer Teil meiner Freunde die Enteignung von Grund und Boden für gehobene individuelle Wohnungsansprüche sowie für gewerbliche Bauvorhaben ab. Die gegen eine solche Ausweitung der Enteignungsbefugnisse sprechenden Gründe werden in den bevorstehenden Beratungen einer ernsthaften Würdigung bedürfen.
Wir nehmen auch rechtspolitische Gründe sehr ernst, die der Befürchtung zugrunde liegen, daß aus der umfassenden Regelung der städtebaulichen Enteignung im Bundesbaugesetz die Möglichkeit einer weiteren Aufsplitterung des Enteignungsentschädigungsrechts, vor allem einer unterschiedlichen Behandlung des Eigentums entstehen kann. Daher halten wir es für notwendig, einer unerwünschten Rechtsentwicklung dadurch zu begegnen, daß der in der abgelaufenen Legislaturperiode eingebrachte Entwurf eines Gesetzes über die Entschädigung für die Enteignung von Grundstücken, die Beschränkung von Grundeigentum und Entziehung und Beschränkung anderer Rechte - der von den Abgeordneten Huth, Höcherl und Genossen erneut eingebracht worden ist und mit zur Beratung ansteht -zugleich mit dem Entwurf eines Bundesbaugesetzes behandelt wird. Eine einheitliche Linie bei der Anwendung des Art. 14 des Grundgesetzes, namentlich eine Koordinierung mit den Enteignungsnormen des Bundesleistungsgesetzes, des Landbeschaffungsgesetzes usw., ist schließlich ebenso geboten wie eine unanfechtbare Lösung hinsichtlich der von uns anerkannten sozialen Bindungen des Eigentums. Es werden bekanntlich in der Öffentlichkeit schon heute Gründe dafür vorgebracht, daß § 176 des Entwurfs diesem Erfordernis nicht genügend gerecht würde. In den künftigen Ausschußberatungen wird auch dies sorgfältiger Nachprüfung bedürfen.
Es würde zu weit gehen, in diesem Augenblick auf kritische Äußerungen zum Rechtsschutz der Grundeigentümer bei der Planung einzugehen und auf die Bemängelungen der Beeinträchtigung der Vollständigkeit des Grundbuchs. Durch kritische Bemerkungen möchten wir die große Bedeutung der Vorlage nicht verkleinern. Meine Freunde hoffen daher, daß der Entwurf des Bundesbaugesetzes bei allen Schwierigkeiten der darin berührten Probleme angesichts der einmütigen Anerkennung der Notwendigkeit und Dringlichkeit einer Reform des Baurechts von allen Fraktionen dieses Hohen Hauses unter Mitarbeit aller Fachleute dieses Hohen Hauses aus dem Rechtsausschuß, dem Kommunalpolitischen und dem Wirtschaftspolitischen Ausschuß eine
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Fassung erhalten wird, die das Gesetz zu einer brauchbaren und beständigen Grundlage für den Städtebau macht. Es sollte in den künftigen Beratungen gelingen, selbst in den schwierigsten Fragen zu Lösungen zu gelangen, die den Zielsetzungen dieses Gesetzes gerecht werden, damit dieses seit Jahren von staatlichen und kommunalen Stellen, von den Kirchen, von Verbänden und Organisationen des Städtebaues, des Wohnungs- und Siedlungswesens sowie der Wirtschaft immer wieder geforderte Gesetzgebungswerk zustande kommt.
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Das Wort hat der Abgeordnete Jacobi.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundeswohnungsbauminister hat heute in abgewogener ,und, ich möchte fast sagen, zurückhaltender Weise über diesen Gesetzentwurf gesprochen, während wir Reden von ihm kennen, in denen sehr viel emphatischer und optimistischer zu dem heute in erster Lesung anstehenden Werk Stellung genommen worden ist. Er hat dieser Vorlage wiederholt schon gewisse Vorschußlorbeeren zuerteilt.
Der Herr Minister hat auf die historische Entwicklung und auf die Problematik des Baurechts hingewiesen, die vielfachen Versuche angedeutet, die ohne Erfolg gemacht worden sind, zu einem einheitlichen Bau- und Bodenrecht zu kommen, und auch darauf Bezug genommen, daß den 2. Bundestag ja schon einmal zwei Vorlagen dieser Art, ein Regierungsentwurf und ein Initiativgesetzentwurf aus den Reihen des Hauses, beschäftigt haben.
Er hat am Schluß seiner Ausführungen mit Sorge und gleichsam mahnend darauf hingewiesen, ,daß schon sehr viel Zeit verloren sei, daß es vielleicht schon ein Zu-Spät gebe. Herr Minister, ,die Verantwortung für diese Tatsache tragen nicht zuletzt Ihre Freunde im 2. Bundestag. Daß der Kommissionsgesetzentwurf zu einem Bundesbaugesetz schließlich in der Beratung nicht weiterkam, lag nicht daran, daß etwa die Opposition ,der Behandlung hindernd im Wege gestanden hätte, sondern hindernd waren Widerstände aus Ihren Reihen, Widerstände, von denen ich fürchte, Herr Bundeswohnungsbauminister, daß sie bei der Beratung der heute zur ersten Lesung anstehenden Vorlage wieder kommen werden. Wir dürfen Sie versichern, daß Sie, wenn Sie es mit Ihrem Bemühen, nun diese bundeseinheitliche Regelung zu schaffen, ernst meinen - und wir zweifeln nicht daran -, in uns unter gewissen Voraussetzungen Ihre Verbündeten finden. Wir haben aber Zweifel, ob dies auch bei allen Ihren Freunden der Fall sein wird.
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Nun, ich will auf die enttäuschende Vorgeschichte aller dieser Versuche nicht eingehen. Ich darf nur bemerken: mit der Tatsache, daß die Abgeordneten Huth, höcherl und Genossen just in diesem Augenblick wieder mit einem Sonder-Gesetzentwurf zur Frage der Enteignung auftreten, entsteht ein zusätzliches Indiz dafür, daß Sie mit ungemein großen Schwierigkeiten zu rechnen haben.
Die Regierungsvorlage hat mit den erwähnten Vorläufern gemein, daß sie den Versuch macht, der Rechtszersplitterung Einhalt zu gebieten. Insoweit verdient der Gesetzentwurf grundsätzlich Beifall. Es wird allerdings in der Ausschußberatung einer sehr eingehenden Prüfung bedürfen, inwieweit der Bund, wenn er von seinem konkurrierenden Gesetzgebungsrecht Gebrauch macht, nicht in das geltende Länderrecht im Sinne verschlechternder Bestimmungen eingreift. Einheitliches Recht ist an und für sich noch kein Fortschritt. Es kommt auf den materiellen Inhalt der Normen an. Es kommt auf ihre Praktikabilität im Alltag an. Es kommt darauf an, daß das, was durch ein Bundesgesetz abgelöst wird, dadurch besser gestaltet wird. Nach dieser Richtung hin wird der Regierungsentwurf kritisch zu untersuchen sein.
Aber in einem Punkt muß schon heute Kritik, und ich muß sagen, auch Enttäuschung angemeldet werden. In dem Bundesgesetzentwurf, der als Initiativentwurf aus den Reihen des Bundestages dem 2. Bundestag unterbreitet wurde und zu dessen Mitunterzeichnern der Herr Minister in seiner damaligen Eigenschaft als Abgeordneter gehörte - dieser Entwurf baute bekanntlich auf dem Entwurf der Hauptkommission auf -, war eine Regelung enthalten, die unter dem Begriff „Wertsteigerungsabgabe" in die Literatur eingegangen ist und von der ich fast fürchte, daß sie in der Literatur bleibt und in die Praxis nicht übergehen wird. Diese Regelung entsprach einem Beschluß des Bundestages aus dem August 1953, der Maßnahmen verlangte, durch die Spekulationsgewinne an Grund und Boden ausgeschlossen werden. Nun, das war ein Versuch.
Es ist vom Herrn Bundeswohnungsbauminister für inopportun gehalten worden, eine solche oder eine ähnliche Regelung in die Regierungsvorlage einzuhauen. Er hat uns zwar erklärt, das sei nicht geschehen, weil eine sozusagen unveränderte Regierungsvorlage aus der Vergangenheit das Kabinett schneller passiert hätte und eher die Möglichkeit bestünde, diese Dinge dann hier im Hause zu erledigen. Aber ich habe das Gefühl, daß es nicht eigentlich dieser Grund war, sondern vielmehr die Unmöglichkeit, die sich ihm offenbarte, eine solche Regelung dem Kabinett schmackhaft zu servieren. Er hat gelegentlich bei seinen vielen Verlautbarungen über die Gesamtmaterie davon gesprochen, das Parlament könne solche oder ähnliche Maßnahmen nachschieben. Nun, wir werden sehen, wer in dieser Frage wen schiebt, meine Damen und Herren!
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Jedenfalls haben wir nicht den Eindruck, daß allzuviel Optimismus berechtigt ist.
Was sich an sogenannten bodenpolitischen Maßnahmen in der Regierungsvorlage findet, sind nach unserer Auffassung unzulängliche Palliativmittel, die den immer weiter um sich greifenden Krebsschaden des Baulandmangels und der Bodenspekulation nicht zu heilen vermögen.
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Der Herr Bundeswohnungsbauminister hat - ich wies schon darauf hin - jedoch keine Gelegenheit versäumt, die Vorlage des Gesetzes als einen gleichsam säkularen Beitrag zur Überwindung vor allem der Baulandnot zu preisen. Wenn er vor Kennern der Materie sprach - ich denke an seine Rede vor dem Vorstand des Deutschen Volksheimstättenwerkes -, hat er allerdings auch gewisse Mängel des Entwurfs anklingen lassen. Das geschah heute in vorsichtiger Form ebenfalls. In gewundenen Worten hat er sich hierbei z. B. darüber geäußert, warum er nicht in der Lage gewesen ist, zur Frage der Wertabschöpfung Bestimmungen in den Regierungsentwurf einzubauen. Nun, es ist eben schwieriger, Bundeswohnungsbauminister zu sein als Abgeordneter. Immerhin nehmen wir an, daß er nach wie vor zu dem steht, was er früher mit unterschrieben hat. Wir werden ihn daran erinnern, wenn wir in der Ausschußberatung zu diesen Punkten kommen. Wir werden dann auch sehr darauf achten, wer von den ehrenwerten Abgeordneten des 2. Bundestags, die sich im 3. Bundestag finden und die damals den Initiativgesetzentwurf mit unterschrieben haben, heute noch zu ihrem Wort stehen. Das wird ein wichtiger Prüfstein für die Möglichkeiten sein, die sich überhaupt für die Regelung der Materie ergeben, die in so besorgter Form und völlig berechtigt vom Bundeswohnungsbauminister hier dargestellt worden sind und die uns beschäftigen werden. Es ist zwar zuzugeben, daß eine gleichwie geartete Wertsteigerungsabgabe nach dem bekannten Gutachten des Bundesverfassungsgerichts vom 16. Juni 1954 nicht in die Kompetenz des Bundes fällt. Aber dann muß man eben den Mut haben, daraus die Konsequenzen zu ziehen. Wir werden das erfahren.
Herr Bundeswohnungsbauminister, wir halten die Einsetzung einer sozusagen neutralen wissenschaftlichen Kommission nicht für einen geeigneten Weg. Was soll sie denn eigentlich tun? Sie kann doch nur hingehen und die vielen vorliegenden Vorarbeiten sichten, prüfen und ihre Meinung dazu dartun.
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- Aber lieber Herr Kollege Dr. Czaja, das können wir selber; das kann sogar das Ministerium. Dazu braucht man keine Wissenschaftler und Praktiker. Das ist kein Gremium, von dem etwas erwartet werden darf. Vor allem können Sie von diesen Herren, die bei dem, was man von ihnen verlangt, in einer förmlichen politischen Not sind, nicht erwarten, daß sie Ihnen eine bau- und bodenpolitische Konzeption vorlegen. Es wird also nicht sehr viel dabei herauskommen, oder mindestens nicht sehr viel mehr, als wir uns heute auf Grund der vielen Untersuchungen und Vorarbeiten schon vorstellen können, aus denen wir Schlußfolgerungen ziehen können. Immerhin, warten wir es ab.
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- Das kommt ganz darauf an, Herr Kollege Leukert. Wir haben noch nie eine Kommission in einer
Frage befürwortet, die wir selber beurteilen können und für die so viel umfangreiches Material wie hier vorliegt. Aber lassen wir das. Wir werden abwarten, ob sich die Einsetzung der Kommission lohnt. Die politische Entscheidung nimmt Ihnen die Kommission nicht ab;
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die liegt bei Ihnen. Dazu werden wir sehr aufmerksam Ihre Mitarbeit beobachten.
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Wir werden nicht nur Kritik üben, wir werden auch von uns aus dazu beitragen, diesen Entwurf zu verbessern. Sie werden zur Frage der Wertsteigerungsabgabe von der sozialdemokratischen Opposition - da zu befürchten ist, daß ein Vorschlag aus Ihren Reihen nicht kommt positive Vorschläge erhalten.
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- Verzeihen Sie, das ist keine Weissagung. Ich könnte Ihnen recht peinliche Dinge hier unterbreiten. Ich will es in einem Falle gleich tun, um Ihnen zu zeigen, wo der Feind ist. Der ist nicht auf der Linken, er sitzt in Ihren eigenen Reihen.
Die Regierungsvorlage weist aber nicht nur den Mangel auf, über den ich sprach; sie unterläßt es nicht nur, eine gleichwie geartete Wertsteigerungsabgabe zu vertreten, sondern es finden sich außer in den Grundsatzbereichen, etwa bei dem Versuch der Abgrenzung von Enteignung und entschädigungsfreier Baubeschränkung, bei dem Planungsschadenersatz oder bei den vorgesehenen Maßnahmen zur Bodenmarktbeeinflussung, eine ganze Reihe von Einzelfragen, bei denen wir nicht überzeugt sind, daß Sie die Dinge in rechter Weise anpacken.
Ich darf in diesem Zusammenhang z. B. auf die Umlegung hinweisen. Die Regierungsvorlage sieht die Umlegung nur in ihrer alten Funktion, die darin bestand, günstig bebaubare Einzelgrundstücke zu erhalten. Die Praxis der Länder arbeitet dagegen bereits mit der Einordnungs- und Entschädigungsumlegung, bei 'der iunter Umständen die Veränderung der Parzellengrenzen nicht mehr im Vordergrund steht, sondern die Regulierung 'des gesamten bauvorbereitenden und bodenordnenden Lastenausgleichs innerhalb des Umlegungsgebietes. Allein dieses Kapitel zeigt, wie sorgfältig die Frage geprüft werden muß, ob den Regierungsentwurf denn auch wirklich einer seinen vornehmsten Aufgaben, nämlich ,der Sanierung, gerecht wird. Wir fürchten, er tut es nicht. Wir sind sogar besorgt, daß er insoweit einen eindeutigen Rückschritt gegenüber dem in einzelnen Landesrechten bereits erreichten Stand darstellt.
Die durch die Regierungsvorlage angesprochenen materiellen Sachprobleme seien in den wesentlichen Punkten nur kurz angedeutet. Da ist zunächst das gemeindliche Vorkaufsrecht; es ist schlechter geregelt als in einigen Ländern. Das ,gehört mit zu den Punkten, in denen auch gegenüber den Gemeinden zum Teil völlig falsche Hoffnungen geweckt worden sind.
Schwerwiegender noch erscheinen Idle durch den
Entwurf eines Entschädigungsgesetzes - Drucksache 436 - in einbesonderes Licht gerückten
Bestimmungen der Regierungsvorlage, die sich mit dem Fragenkomplex der Eigentumsbeschränkungen und dor Entschädigung befassen. Hier hat )der Kollege Dr. Hesberg - ich darf diesmal sagen, e r hat eine Weissagung versucht; aber er kennt ja seine Mannen besser, als ich sie zu beurteilen vermag - ja auch schon bestimmte, sehr interessante und von uns nicht überhörte Vorbehalte gemacht. Die Abgrenzung der baurechtlichen Eingriffe in solche, ,die als Enteignungen gemäß Art. 14 Abs. 3 Ides Grundgesetzes zu entschädigen sind, und solche, )die als gesetzliche Eigentumsbeschränkungen auf Grund des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 entschädigungslos bleiben, ist das materielle Kernproblem des Baurechts schlechthin. Unklarheiten und Unsicherheiten stören hier )die Planungs- und Baupraxis seit langem; sie haben einem neuzeitlichen Städtebau in den letzten Jahren schwere Hemmnisse bereitet.
Die in der Regierungsvorlage anzutreffenden Lösungsversuche sind umstritten und müssen umstritten bleiben. Sowohl der Bundesrat als auch die kommunalen Spitzenverbände haben z. B. Bedenken hinsichtlich Ides Rechtsanspruches auf Übernahme eines Grundstückes, also der Erwerbspflicht, durch den Bedarfsträger hinsichtlich der Fristen. Bei Planänderungen ist an eine Entschädigung gedacht, wenn idem Betroffenen ein „besonderes Opfer" aufgebürdet wird. Diese und andere Bestimmungen werden der Verwaltungs- und Gerichtspraxis erhebliche Schwierigkeiten beredten, da es an der konkreten Inhaltsibestimmung des Eigentumsbegriffes fehlt.
Ein besonderer Prüfstein für die Brauchbarkeit des Gesetzes sind Idle Bestimmungen, die der Belebung des Bodenmarktes unter gleichzeitiger Wahrung eines erträglichen Bodenpreisniveaus 'dienen sollen. Darüber hat der Herr Minister heute ebenfalls einige Bemerkungen gemacht. Er hat die Notwendigkeit einer solchen Regelung unterstrichen. Auch in der Vergangenheit hat er wiederholt darauf hingewiesen, daß ,der Entwurf die Aufgabe habe, das vordringliche Problem der Baulandbeschaffung und die damit zusammenhängende Frage der Bewertung rdes Baubodens in befriedigender Weise zu lösen. Nun, wie sieht denn das raus? Wo bietet uns denn der Entwurf Möglichkeiten an? Nach den verschiedenen Verlautbarungen des Ministers sollen folgende Maßnahmen getroffen werden, zum Teil schon durch die Vorlage geregelt, zum Teil in der Ausschußberatung nachzuschieben: Erstens die vorzeitige Fälligkeit des im übrigen gegenüber der bisherigen Erhebungsmethode wahrscheinlich erhöhten Erschließungsbeitrages; zweitens die Einführung einer Bodenschätzung; drittens möglicherweise die Einführung eines Planungswertausgleichs. Viertens wird von )der Erhöhung der Grundsteuer für baureifes, aber baulich nicht genutztes Gelände gesprochen. Dagegen gibt es schon starke Remonstrationen. Zum Beispiel haben wir in 'diesen Tagen eine entsprechende Eingabe des Zentralverbandes ;der Haus- und Grundbesitzer mit 'der Unterschrift des
früheren Bundeswohnungsbauministers, des jetzigen Präsidenten des Verbandes, mit sehr starken Vorbehalten gegen solche Absichten erhalten. Fünftens wird rdie Aufhebung der Grundsteuervergünstigung für Trümmergrundstücke als eine Maßnahme angesehen, die geeignet erscheinen soll, auf der angedeuteten Linie zu einer Belebung des Bodenmarktes und zu einem erträglichen Bodenpreisniveau zu kommen.
Die Grundsteuer können wir heute trotz der Eingabe Ides Haus- und Grundbesitzerverbandes außer Betracht lassen. Denn sie wird im Baugesetz nicht geregelt, und Verbindliches ist über die Durchführung derartiger Pläne bisher auch sonst nicht bekanntgeworden. Es muß zudem bezweifelt werden, ob bei dem ohnehin geringen Niveau der Grundsteuer eine fühlbare Wirkung auf die Marktentwicklung erhofft werden kann. Das niederländische Beispiel läßt Skepsis berechtigt erscheinen. Jedenfalls ist Idas eine Frage, die wir sehr sachlich zu untersuchen haben.
Was den Erschließungsbeitrag anbelangt, so kann die Vorverlegung der Fälligkeit auf den Zeitpunkt der Straßenfertigstellung vielleicht einen gewissen Verkaufsdruck ausüben. Allerdings sieht der Regierungsentwurf, sofern das Grundstück nicht bebaut ist, die Stundung des Erschließungsbeitrages auf zehn Jahre vor. Wirtschaftlich ins Gewicht fällt eine solche Regelung also nicht, da der Eigentümer ja nur den anteiligen Zinsaufwand für die Jahresraten aufzubringen hat und der gezahlte Erschließungsbeitrag auf den Erwerber überwälzt wird:
Zu bedenken ist im übrigen, daß die Fälligkeit des Erschließungsbeitrages die volle Vorleistung der Gemeinde hinsichtlich des gesamten Erschließungsaufwandes voraussetzt. Diese kommunale Vorfinanzierung aber stellt ein ungemein schwieriges Problem dar, so daß zu erwägen sein wird, die Fälligkeit grundsätzlich weiter vorzuverlegen, und zwar in Raten, die mit Beginn der Erschließung entsprechend ihrem Fortgang zu entrichten sind. Wir werden nach dieser Richtung hin mit Vorschlägen im Ausschuß aufwarten und erhoffen dabei u. a. auch die Unterstützung des Präsidenten des Deutschen Gemeindetages, der ja mit dem Herrn Bundesminister für Wohnungsbau identisch ist.
Bedenklich erscheint in der Regierungsvorlage auch der Anspruchscharakter der Verrentung nach erfolgtem Straßenausbau. Hier sollte man sich auf Ausnahmefälle aus Billigkeitsgründen beschränken. Bei der Zulassung von Teilzahlungen muß der marktübliche Zinsfuß angesetzt werden, damit nicht geradezu ein spekulativer Anreiz geschaffen wird, mit einem allzu niedrigen Zinssatz ein besonderes Geschäft zu machen.
Soviel zum Erschließungsbeitrag. Die wenigen Andeutungen zeigen, wie sehr er der kritischen Durchdenkung bedarf.
Auch das Instrument der Bodenschätzung vermögen wir in der in der Regierungsvorlage vorzufindenden Form nicht als eine besonders glückliche und geeignete Lösung anzusehen. Es bedeutet eine völlige Verkennung der insoweit gegebenen MögJacobi
lichkeiten, wenn von dieser Art Bodenschätzung
eine Einwirkung auf die Bodenpreise erwartet wird.
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Warum? Die Bodenschätzung der Regierungsvorlage ist nur im Rahmen der Enteignung obligatorisch. Das ist das erste. Im übrigen erfolgt sie auf Antrag der Gerichte, der Baubehörden und der Eigentümer. Sie soll zu einer - wie heißt das schöne Wort - „Transparenz der Preise" führen. Schon dies ist zweifelhaft; denn dem Baulandbewerber, dem ja gerade an der Kenntnis der Marktpreise liegt, wird kein Schätzungsanspruch eingeräumt. Überdies erscheint es recht zweifelhaft, wie die Transparenz der Preise zu deren Senkung führen soll. Durch eine dem Baulandbewerber in allen Fällen zur Verfügung stehende Schätzungsmöglichkeit, die aber der Entwurf gar nicht kennt, könnte allenfalls einmal eine Überforderung im Einzelfall verhindert werden. Die Einführung der Schätzungsmöglichkeit wird also im Prinzip zu begrüßen sein. Sie bedarf jedoch in der angedeuteten Richtung der Verstärkung. Selbst dann kann von ihr ein entscheidend ins Gewicht fallender Einfluß auf den Bodenmarkt nicht erwartet werden.
Über den Planungswertausgleich habe ich bereits kurz gesprochen. Nach dieser Richtung hin werden wir uns im Ausschuß entweder zusammenraufen oder nicht einigen. Wir halten aber die damit angesprochenen Fragen für die zentralen Fragen dieses Gesetzentwurfs und wir werden sehen, wie weit wir damit kommen und was die vielgerühmten Gutachter, der Wissenschaftliche Beirat, uns als Ersatz für einen Planungswertausgleich oder als eine Lösung ähnlicher oder sogar gleicher Art, wie sie der Initiativentwurf in der Drucksache 1813 des 2. Bundestages vorsah, vorzuschlagen haben.
Meine Damen und Herren, ich darf zum Schluß kommen und bemerken, daß es neben der Beachtung vieler kritischer Punkte, die uns dieser Entwurf schon bei der ersten Betrachtung aufzeigt, unbedingt geboten ist, nach Möglichkeit für eine sinnvolle Befriedigung des Baulandbedarfs zu sorgen und alles daranzusetzen, daß hier gesetzliche Grundlagen geschaffen werden. Darüber hinaus wird anzustreben sein, daß die sich hierzu in erster Linie anbietende gemeindliche Bodenpolitik schon wegen der angespannten Finanzlage der Gemeinden nicht alsbald wieder wirkungslos verpufft, sondern daß sie wirkungsvoll aktiviert werden kann.
Es erscheint z. B. möglich, den wiederholt diskutierten Gedanken der Errichtung mit entsprechendem Anfangskapital zu fördernder gemeinnütziger Baulandgesellschaften zu verwirklichen. Derartige Gesellschaften müßten allerdings ständigen und wirksamen Kontrollen unterliegen. Ihre Aufgabe hätte darin zu bestehen, in Brennpunkten künftigen Baulandbedarfs vorsorglich Gelände aufzukaufen, in Gemeinschaft mit Gemeinden oder gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaften baureif zu machen und dann nicht zuletzt zur mittelbaren Beeinflussung der örtlichen Bodenpreise ohne Gewinn weiter zu veräußern.
Wir müssen uns sehr überlegen, welche Möglichkeiten sich hier anbieten, und wir hoffen dabei auf
Ihr Verständnis dafür, daß diese Dinge gründlich durchdacht werden müssen, aber nicht von vornherein abgelehnt werden dürfen. Sonst kommen wir zu keiner Heilung der unheilvollen Entwicklung, über die der Herr Bundeswohnungsbauminister bedauernd gesprochen hat.
Wir hoffen im übrigen, daß Sie mit uns zusammen eine sehr kritische Prüfung des Initiativantrags der Abgeordneten Huth und Genossen auf Drucksache 436 vornehmen. An dem Gedanken dieser Vorlage ist an sich das Prinzip, ein einziges, auf die Entschädigung beschränktes Gesetz zu machen, gut. Aber Sie werden bei sorgfältiger Nachprüfung auf eine Fülle von formalen Schwierigkeiten stoßen und Sie werden auch in materieller Hinsicht einiges entdecken, was Zweifel darüber aufkommen läßt, ob mit diesem Antrag ein wirklich reifer, durchdachter und durchführbarer Vorschlag gemacht wird.
In der Begründung z. B. sagen die einbringenden Abgeordneten einiges, was bedenklich ist. Sie setzen sich mit der beabsichtigten Aufhebung der Preisstoppvorschriften völlig unbefriedigend auseinander. Damit dies eindeutig festgehalten bleibt: Auch wir sind seit langem davon überzeugt, daß die Preisstoppvorschriften überholt sind. Es geht eben nur um die Art und Weise der Abwicklung. Es geht also um den Ersatz irgendwelcher Möglichkeiten, die wir heute noch haben, der Spekulation entgegenzutreten. Es geht aber nicht so, wie es sich mancher vorstellt, daß man zu einer ersatzlosen Aufhebung kommen darf. Nach dieser Richtung wissen wir aus den früheren Debatten, daß Sie überwiegend derselben Auffassung sind, und wir hoffen, mit Ihnen gemeinsam einen Weg zu finden. Ob er über den Gesetzentwurf der Abgeordneten Huth und Genossen möglich ist, erscheint mir zweifelhaft; denn gegen eine sondergesetzliche Regelung der Enteignungsentschädigung bestehen ernsthafte Bedenken. Ich sagte soeben schon, daß man nicht den Eindruck hat, daß dieser Entwurf bereits ausgereift ist. Auch wenn dies der Fall wäre: wenn dadurch Sonderregelungen in den jeweiligen Fachgesetzen ausgeschlossen würden, scheinen mir hier zusätzliche Schwierigkeiten zu erwarten zu sein. Alles dies ist jedenfalls sehr sorgfältig zu prüfen.
Meine Damen und Herren! Ich sprach über den Beirat, ich sprach über die Punkte, die uns bei diesem Entwurf nicht befriedigen. Das alles wird nicht dazu führen, daß wir diesen Gesetzentwurf in Bausch und Bogen beiseite schieben. Wir finden in ihm sehr viele Regelungen, denen wir - zum Teil sogar vorbehaltlos - zustimmen können. Ein Bundesbaugesetz, das wirklich dem Anliegen dient, der Baulandnot, der Rechtszersplitterung und den vielen, vielen anderen Hemmnissen eines neuzeitlichen Städtebaues zu begegnen, wird stets unsere Unterstützung finden. Wir werden vielleicht manches an Gedanken erst noch miteinander austauschen müssen, wir werden uns vielleicht auch gelegentlich streiten müssen, wir werden in diesem und jenem Punkte verschiedener Auffassung sein. Aber ich glaube, wenn der gute Wille auf allen Seiten besteht, wird vielleicht nach langer Zeit wieJacobi
der einmal mindestens ein interessanter Versuch vorliegen, auf dem Gebiete der Wohnungsbaupolitik möglicherweise doch in entscheidenden Fragen zu einem Übereinkommen, einem Einvernehmen auch mit der Opposition zu gelangen. Wir haben Zweifel, ob dies gelingt, weil wir besorgt sind, daß in Ihren eigenen Reihen keine klaren Vorstellungen und mindestens Widerstände vorhanden sind.
ich will nur auf eins hinweisen, was uns schon vor Monaten sehr besorgt gemacht hat. Wir haben gerade in diesen Tagen eine Eingabe des Volksheimstättenwerkes erhalten. Darin heißt es zum Schluß hinsichtlich des Bundesbaugesetzes:
Wir sind gewiß, daß es dieses Mal Interessengruppen nicht gelingen wird, das große Werk zu hindern oder zu gefährden, so, wie einst eine Interessengruppe das ganze Bürgerliche Gesetzbuch zu Fall bringen wollte, nur weil es den Ersatz von Wildschaden vorsah, den Hasen verursachen.
Was hier auf die lange Vergangenheit rückblickend gesagt wird, hat - das habe ich schon angedeutet - schon im 2. Bundestag eine gewisse retardierende Rolle gespielt, und jetzt, bevor wir an die Beratung des Bundesbaugesetzes gehen, finden wir in allen möglichen Stellungnahmen aus den Reihen Ihrer Freunde, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, schon ganz konkrete Andeutungen darüber, wie schwer die Beratungen sein werden, wegen der Widerstände aus Ihren Reihen. Da schreibt z. B. der Herr Kollege Stiller in der Februar-Ausgabe der „Hausbesitzerzeitung für Mittelfranken" sehr kritisch über das Bundesbaugesetz. Er nennt die Maßnahmen, die der Herr Bundeswohnungsbauminister als vordringlich und wesentlich bezeichnet hatte, ein „Bukett", das nichts anderes verschleiere als „das Sichgelüsten nach des Nächsten Gut". Meine Damen und Herren, wir können ahnen, was uns bevorsteht, wenn auf einem solchen Niveau versucht wird, mit diesem Gesetzentwurf fertig zu werden. Es wird unsere Pflicht sein, aufmerksam zu sein auch gegenüber solchen Versuchen, denen die Unsachlichkeit und der Besitzegoismus an der Stirn geschrieben sind; und wir werden als sozialdemokratische Opposition diesen Gesetzentwurf und Sie, meine Damen und Herren, bei seiner Behandlung daraufhin prüfen, was bei Ihnen Wort und was bei Ihnen Tatbereitschaft ist. Ein neuzeitlicher Städtebau setzt ein fortschrittliches Bundesbaugesetz voraus. Ob dieses Bundesbaugesetz wirklich fortschrittlich sein wird, wird von Ihnen abhängen, und danach werden wir seinen Wert zu bemessen haben.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Will.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch die Fraktion der Freien Demokratischen Partei nimmt die heutige erste Lesung des Bundesbaugesetzes - Drucksache 336 - gern zum Anlaß, die Einbringung dieser Gesetzesvorlage zu begrüßen und damit die Hoffnung zu verbinden, daß es diesmal in verhältnismäßig kurzer Zeit zu einer Verabschiedung dieser Materie kommt.
Es handelt sich dabei - das alles ist schon ausgeführt worden, deshalb kann ich mich kurz fassen - um eine besonders umfangreiche, um eine zersplitterte und um eine materiell bedeutsame Rechtsmaterie, mit der wir uns ja schon im 1. und 2. Bundestag befaßt haben, mit der sich das Bundesverfassungsgericht bereits abgegeben hat und in der schon eine Reihe von Kommissionen tätig gewesen sind. Über die, ich möchte beinahe sagen, leidige Vorgeschichte dieses Bundesbaugesetzes genügt es, sich aus der Begründung des Gesetzentwurfs zu unterrichten. Immerhin wird diese Kodifikation erreichen, daß nicht weniger als etwa 64 Gesetze und Verordnungen überflüssig werden, und wir werden damit doch die Voraussetzung für einen modernen Städtebau schaffen können, der ja eine Hauptaufgabe unserer gegenwärtigen Tätigkeit ist.
Der Gesetzentwurf in der vorliegenden Form ist auch von der Regierung nicht als absolut vollkommen angesehen worden; man hat seitens der Regierung bereits zum Ausdruck gebracht - das hat auch der Herr Bundeswohnungsbauminister Lücke heute getan -, daß Änderungen und Verbesserungen nötig sein werden. Aber es war zweifellos richtig, das Gesetz in der vorliegenden Form einzubringen, damit endlich einmal eine parlamentarische Beratung in dem zuständigen Ausschuß erfolgen kann.
Auf den eigentlichen Inhalt des Gesetzes einzugehen - wie das vorhin schon geschehen ist , halte ich im Augenblick nicht für sehr sinnvoll, da die erste Lesung doch eigentlich nur eine grundsätzliche Aussprache über die Notwendigkeit eines Gesetzes darstellen und sich nicht mit den einzelnen Paragraphen abgeben sollte, auf die es ankommen wird, wenn wir uns im Ausschuß damit - wahrscheinlich mehr, als uns lieb ist - zu beschäftigen haben werden.
Auf zwei besonders schwierige Probleme möchte ich allerdings doch einige Worte verwenden. Diese Probleme sind auch von meinem Vorredner schon erwähnt worden.
Das eine ist die Frage der Enteignung. Es genügt, wenn ich darauf hinweise, daß es selbstverständlich gerade der Freien Demokratischen Partei ein besonderes Anliegen sein wird, diese ultima ratio, diesen letzten Ausweg aus einer Notlage, den eine Enteignung darstellt, mit den Kautelen zu versehen, die nun einmal erforderlich sind, damit nicht der Charakter des Eigentums als solcher beeinträchtigt wird. Das ist im übrigen auch von seiten des Herrn Kollegen Hesberg erwähnt worden, und auch Sie selber, Herr Jacobi, habe ich so verstanden, daß Sie eine sorgfältige Prüfung der Notwendigkeit solcher Maßnahmen für angemessen und richtig halten.
Schwieriger ist natürlich die Frage der Bodenbewertung. Hierüber ist schon viel gesagt worden, und ich möchte nichts wiederholen. Hier geht es beinahe um Weltanschauungsfragen, denn bei der Frage der Bodenbewertung klingt uns noch immer
das Wort von Blut und Boden in den Ohren. Wir haben es hier einmal mit ganz massiven materiellen Interessen zu tun, dann aber auch mit einem Komplex, der nun einmal Monopolcharakter hat; Boden läßt sich nicht beliebig vermehren. Der Begriff der Bodenspekulation ist uns, die wir an Jahren reifer sind, seit Jahrzehnten geläufig, und wir wissen natürlich, welche Gefahren darin liegen. Es wird deshalb eine Hauptaufgabe sein, diese Bodenspekulation nach Möglichkeit zu verhindern. Ich habe bisher noch von keiner Fraktion eine Stimme gehört, die eine andere Auffassung verträte. Die Frage der gerechten Preisbildung wird uns also eingehend beschäftigen. Es ist schon von allen Rednern ausgeführt worden, daß es sich hier um ein sehr schwieriges Problem handelt. Aber es wird ihm schon beizukommen sein, wenn natürlich auch hier geradezu eine Kasuistik eintreten wird, mit der wir uns im Bundestag nicht beschäftigen können.
Insbesondere ist zu berücksichtigen, daß die Gemeinden angesichts ihrer wohnungspolitischen Ziele vor einer unlösbaren Aufgabe stehen würden, wenn sie nicht die Möglichkeit hätten, Bauland zu erschwinglichen Preisen, die nachher auch erschwingliche soziale Mieten ermöglichen, zu beschaffen. Das Baulandbeschaffungsgesetz in der bisherigen Form hat nicht sehr viel Erfolg gehabt. Das liegt zu einem großen Teil einfach daran, daß sich - hauptsächlich in den kleineren Gemeinden - die Gemeindeverwaltungen immer gescheut haben, ihren Bürgern - und die grundbesitzenden Bürger pflegen ja meist sehr angesehene und auch alteingesessene Personen zu sein - eine Enteignung zuzumuten. Ob sich das jetzt ändern wird, bleibt abzuwarten. Es wird weitgehend von der Textierung abhängen, die wir den betreffenden Bestimmungen geben.
Es geht eben bei der Bodenbewertung, da wir immer noch einen Verkäufermarkt haben, um ganz massive Interessen. Wir könnten natürlich das schon erwähnte Schlagwort von Blut und Boden so auslegen, daß wir sagen, Grundeigentum verpflichtet. Wenn wir die einschlägigen Bestimmungen aus dieser Haltung heraus formulieren und auslegen, müßten wir zu einem Ergebnis kommen, das, wenn es auch nicht alle Teile befriedigen kann, so doch immerhin als erfolgversprechend angesehen werden kann.
Weiterhin ist hier die Frage der Schätzstellen erwähnt worden. Ich für meine Person bin hinsichtlich des Nutzens dieser Schätzstellen - abgesehen von den wenigen Fällen der Enteignung, wo ihre Inanspruchnahme ja wohl obligatorisch ist, wie Sie richtig ausgeführt haben, Herr Kollege Jacobi - etwas skeptisch. Normalerweise sind in Fällen, wo kein adäquates Verhältnis zwischen Angebot und Forderung besteht, die Schätzungen dieser Stelle mehr oder weniger illusorisch. Denn wenn jemand bereit ist, für ein bestimmtes Stück Land sehr viel mehr zu zahlen, als es die Schätzstelle für angemessen hält, wird der Spruch der Schätzstelle einen rein theoretischen Wert haben. Aber diese Dinge müssen sich einspielen. Es liegen Erfahrungen einiger Länder vor, die nicht schlecht sind. Offenbar ist ein
gewisser regulierender Einfluß dieser Schätzstellen - wie das bei den entsprechenden Treuhandstellen für Automobile auch der Fall ist - nicht zu verkennen. Infolgedessen sollten wir es mit dieser amtlichen Schätzstelle versuchen, ohne uns der Meinung hinzugeben, daß damit eine endgültige Lösung des Problems der Bodenbewertung gegeben ist.
Ich möchte mich jetzt im Hinblick auf die vorgerückte Stunde mit diesen wenigen allgemeinen Ausführungen begnügen. Ich bin wie wir alle überzeugt, daß wir uns in unserem Ausschuß für Bau-und Bodenrecht mit diesen Dingen noch sehr eingehend zu befassen haben werden. Da von allen Seiten, auch von der Opposition, hier an den guten Willen des Hauses appelliert worden ist, glaube ich, daß dieses für unser Volksschicksal so wichtige Gesetz verabschiedet werden kann, ohne daß es darüber zu schweren Auseinandersetzungen kommt.
Die FDP stimmt also der Überweisung dieses Gesetzentwurfs an den Ausschuß für Bau- und Bodenrecht zu. Ich persönlich bin der Meinung, daß wir den Rechtsausschuß nicht als mitbeteiligt ansehen sollten, sondern ihn im Interesse der Beschleunigung immer nur bei den Bestimmungen anhören sollten, wo es erforderlich ist. Eine generelle Überweisung würde bedeuten, daß wir das Gesetz erst viele Monate, wenn nicht Jahre später verabschieden könnten, als es möglich wäre, wenn wir den Rechtsausschuß nicht generell beteiligten.
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Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Der Ältestenrat schlägt vor, den Entwurf des Bundesbaugesetzes dem Ausschuß für Wohnungswesen, Bau- und Bodenrecht - federführend - und dem Rechtsausschuß zu überweisen. Sie haben soeben gehört, daß der Kollege Will den Vorschlag gemacht hat - so habe ich es verstanden -, daß der erstgenannte Ausschuß von sich aus jeweils zu einzelnen Materien den Rechtsausschuß heranziehen soll. Ich glaube nicht, daß das geschäftsordnungsmäßig möglich ist. Ich stelle den Antrag auf Überweisung gemäß dem Vorschlag des Ältestenrats zur Abstimmung. - Bitte, Herr Kollege, zur Abstimmung!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn Sie, wie ich annehme, als das Fähnlein der Aufrechten der heutigen Aussprache aufmerksam zugehört haben, werden Sie bemerkt haben, daß insbesondere der Herr Minister wie auch Herr Dr. Hesberg in sehr eindringlicher Weise darauf hingewiesen haben, daß dieses Gesetz entscheidend ist für die Städteplanung, den Städtebau und all die Dinge, die mit der Kommune zusammenhängen.
Wenn ich jetzt beantrage, daß der Ausschuß für Kommunalpolitik mitbeteiligt wird, wird man mir sagen: Ja, wir wollen doch immer nur zwei Ausschüsse mit einem Entwurf befassen. Abgesehen davon, daß schon einmal Ausnahmen gemacht wor1850
Könen ({0})
den sind, bin ich der Meinung, daß nicht nur in den Paragraphen, in dem sachlichen Gehalt des Gesetzes die Kommunalpolitik sehr stark berührt wird, sondern auch in dem, was der Herr Minister gesagt hat, nämlich in der Aufgabe und dem Ziel dieses Gesetzes. Wenn man auf der einen Seite das Ziel dieses Gesetzes für die Gemeinden so stark herausstellt, kann man auf der anderen Seite den Fachausschuß, der sich damit zu beschäftigen hat, nicht ausschalten.
Ich darf Sie also herzlich darum bitten, daß Sie der Forderung, die von der Sache her begründet ist, nachgeben und meinem Antrag, auch den Ausschuß für Kommunalpolitik damit zu beschäftigen, entsprechen.
Die Debatte war geschlossen. Es handelt sich jetzt nur noch um die Frage der Beschlußfassung über die Überweisung an die Ausschüsse. - Herr Kollege Rasner!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Ältestenrat haben wir die Frage der Ausschußüberweisung eingehend beraten. Alle Fraktionen sind ohne Ausnahme übereingekommen, dem Hause zu empfehlen, den Entwurf an den Ausschuß für Wohnungswesen- federführend - und zur Mitberatung an den Rechtsausschuß zu überweisen, mit der Maßgabe, über die wir uns interfraktionell auch verständigt haben, daß der federführende Ausschuß in allen Fragen, die den Kommunalpolitischen Ausschuß, den Wirtschaftsausschuß oder irgendeinen anderen Ausschuß berühren, das Votum des betreffenden Ausschusses einholen soll. Das hat bisher geklappt. Alle Fraktionen waren mit dieser Methode einverstanden. Alle Fraktionen waren der Auffassung, daß wir der Behandlung von Gesetzentwürfen nicht dienen, wenn wir sie an sechs, sieben, acht Ausschüsse überweisen, sondern nur, wenn wir uns weise auf zwei Ausschüsse beschränken. Ich darf Sie bitten, wenn es irgend geht, mit dieser Maßgabe und entsprechend dieser Vereinbarung so zu verfahren, wie es vorgeschlagen ist: Ausschuß für Wohnungswesen - federführend -, Rechtsausschuß zur Mitberatung und im übrigen Heranziehung der anderen Ausschüsse.
Das Wort hat der Abgeordnete Hesberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann mich nur ,dem anschließen, was Herr Kollege Rasner dargelegt hat, und möchte hinzufügen, daß mir der Vorsitzende des Ausschusses für Kommunalpolitik und öffentliche Fürsorge seinerseits gerade geschrieben hat, man möge davon absehen, .den Ausschuß als mitberatend heranzuziehen, sondern ihn nur in der Weise beteiligen, wie ,es soeben der Kollege Rasner vorgeschlagen hat. Diese Regelung ist zweifellos die günstigste.
Das Wort hat der Abgeordnete Könen.
Herr Präsident! Meine i Damen und Herren! Ich hätte den Antrag nicht gestellt und wäre nicht zum zweitenmal hier hinaufgegangen, wenn ich nicht der Auffassung wäre, daß bei diesem Gesetz eben etwas Besonderes im Spiele ist. Man sollte die Rolle, die Herr Kollege Rasner dem Ausschuß für Kommunalpolitik zuweist, dem Rechtsausschuß zuweisen. Der Rechtsausschuß soll ja das Gesetz nicht im Hinblick auf ,allgemeine Bodenrechtsfragen bearbeiten dafür ist der Ausschuß für Bau- und Bodenrecht zuständig -, sondern er soll die verfassungsrechtlichen Fragen ,dieses Gesetzes prüfen. Das könnte er genauso gut bei einem Gesetz über Viehzählung wie bei einem Baugesetz tun. Von der Sache her ist aber der Ausschuß für Kommunalpolitik weitgehend daran interessiert.
Ich möchte deshalb empfehlen, Herr Kollege Rasner: Setzen Sie ,den Rechtsausschuß in diese Situation und lassen Sie den Kommunalpolitischen Ausschuß als mitbeteiligten Ausschuß arbeiten!
Weitere Wortmeldungen hierzu liegen nicht vor.
Meine Damen und Herren, was wir soeben als Nachklang zu einer Debatte vernommen haben, gehört eigentlich in die Debatte über die Hauptsache; denn dafür müssen die Anträge auf Überweisung gestellt werden. Die Debatte war ursprünglich geschlossen. Ich bitte Sie um Nachsicht dafür, daß ich meinerseits Nachsicht habe walten lassen.
Wir kommen zur Abstimmung. Es liegt also vor der Antrag des Altestenrats auf Überweisung an den Ausschuß für Wohnungswesen, Bau- und Bodenrecht - federführend -. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Angenommen.
Weiterhin ist vom Ältestenrat Überweisung an den Rechtsausschuß vorgeschlagen. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. -Enthaltungen? - Angenommen.
Weiter ist Überweisung an den Ausschuß für Kommunalpolitik beantragt. Wer für diesen Antrag zu stimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Antrag ist abgelehnt.
Dann haben wir noch über die Überweisung des Initiativgesetzesantrages der Kollegen Huth, Höcherl, Matthes und Genossen zu beschließen. Vom Ältestenrat ist Überweisung an den Ausschuß für Wohnungswesen, Bau- und Bodenrecht vorgeschlagen. Werden Anträge dazu gestellt? - Wohl kaum. Es könnte sich nur darum handeln - da die beiden Gesetze etwas ineinandergreifen -, daß Sie die gleichen Ausschüsse damit befassen, an die soeben Überweisung beschlossen worden ist.
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Dann darf das als beantragt gelten.
Vizepräsident Dr. Becker
Wird dazu - ich muß die Debatte darüber, weil es neu hinzugekommen ist, noch einmal eröffnen
- das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann ist auch diese Debatte geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung über die Überweisung des Gesetzesantrags, der in der Drucksache 436 niedergelegt ist, zunächst an den Ausschuß für Wohnungswesen, Bau- und Bodenrecht als federführenden Ausschuß. Wer dafür ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe.
- Enthaltungen? - Angenommen.
Wer für die weitere Überweisung an den Rechtsausschuß ist, den bitte ich gleichfalls um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Dann ist so beschlossen.
Mir wird soeben mitgeteilt, daß eine interfraktionelle Einigung dahin vorliege, die Erledigung der weiteren Punkte b und c dieses Punktes der Tagesordnung abzusetzen. Bin ich richtig orientiert? - Danke.
Dann sind wir am Ende der Sitzung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 25. Juni, vormittags 9 Uhr, und schließe die Sitzung.