Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, vor Eintritt in die Tagesordnung muß ich auf die gestrige Sitzung zurückkommen. Ich habe mir das Protokoll in seiner Gänze durchgelesen. Es steht sehr viel mehr darin, als wir hier oben gehört haben. Ich will auf alle Einzelheiten und die ganzen Schärfen, die da zum Ausdruck gekommen sind, nicht eingehen. Ich stehe, und zwar in Übereinstimmung mit Herrn Präsidenten Gerstenmaier, auf dem Standpunkt, daß durchaus scharfe Debatten möglich sind; aber ich hätte den dringenden Wunsch, die Schärfe so zu mildern, daß nicht alles bis dicht an die Grenze dessen geht, was zulässig ist.
Ich habe aus dem Protokoll insbesondere ersehen, daß Herr Kollege Dr. Greve während der Rede des Herrn Kollegen Benda gegen den Kollegen Hilbert einen Zuruf des Inhalts gemacht hat, er habe die größten Kartoffeln. Das war zweifellos eine Anspielung auf den bekannten Spruch von dem dümmsten Bauern und den dicksten Kartoffeln.
({0})
- Einen Moment, meine Damen und Herren! Ich bitte, hier keine Szene aufzuführen. Ich bitte mich nicht zu unterbrechen. Ich will die Sache ordnen und schlichten. Ich habe dem Protokoll entnommen, daß das Haus diese Bemerkung mit Heiterkeit und nicht mit Entrüstung aufgenommen hat. Ich möchte deshalb von einem Ordnungsruf absehen. Ich bitte aber persönlich Herrn Dr. Greve, dem Herrn Kollegen eine entsprechende Erklärung abzugeben. Ich möchte versuchen, das so zu schlichten.
Es ist ferner zu der Rede des Abgeordneten Dr. Arndt folgendes nachzutragen. Der Abgeordnete Arndt hat nicht nur einmal, sondern, wie ich aus dem Protokoll gesehen habe, zweimal das Wort Untreue benutzt. Das zweite war hier oben nicht zu verstehen, weil inzwischen eine ziemliche Unruhe - teils Beifall, teils Zurufe - geherrscht hat. Ich möchte Ihnen den Text vorlesen. Er lautet:
„Die Bundesregierung, die 2 Millionen DM veruntreut, um Plakate anzuschlagen . . ."
- jetzt geht es im Protokoll weiter: „({1})"
Dann kommt die Wiederholung:
„- veruntreut, habe ich gesagt, Herr Vogel-,
Herr Abgeordneter Arndt hat an sich seine Rede in einer, wie ich unterstellen möchte und auch wohl richtig unterstelle, wohlmeinenden Absicht begonnen, nämlich in der Absicht, gewisse Schärfen, die in der Rede des Herrn Wittrock enthalten waren, zu applanieren. Er hat weiter darauf hingewiesen, daß er den Münchner Fall, der erörtert worden war, mit dem Kasseler gleichgesetzt hat, und er hat auf seine Einwirkung auf seine eigenen Freunde und seine ihm nahestehende Landesregierung im Kasseler Fall hingewiesen. Er hat also mit einer gewissen Beruhigungsabsicht sprechen wollen. Dann hat er die Behauptung aufgestellt, 2 Millionen DM seien veruntreut worden. Ich habe in der Annahme, daß er sachlich sprechen wollte, darin einen Lapsus linguae gesehen, als wenn in Wirklichkeit gesagt werden sollte, daß hier Gelder verwendet worden seien, die für einen anderen Zweck bestimmt gewesen seien. Das Wort, das er gebraucht hat -„veruntreut" , entspricht einem Tatbestand des Strafgesetzbuchs und enthält bei formeller Betrachtung allein schon einen Hinweis auf eine strafbare Handlung. Nachdem er durch die Zurufe darauf aufmerksam gemacht worden war, hätte er meiner Ansicht nach in diesen Überlegungssekunden die Möglichkeit gehabt, nunmehr in einer sachlichen Form seine Behauptung auf den sachlichen Kern zurückzuführen. Das hat er nicht getan, sondern er hat das Wort „veruntreut" erneut gebraucht und damit seine erste Formulierung unterstrichen und zugespitzt auf einen Vorwurf an den zuständigen Bundesminister, der für diese Geldausgabe verantwortlich ist. Wegen dieser zweiten Benutzung des Wortes „veruntreut" - eines Wortes aus dem Strafgesetzbuch - muß ich den Abgeordneten Dr. Arndt hiermit zur Ordnung rufen.
Wir haben ferner festgestellt, daß der Herr Kollege Dr. Weber zum Schluß der Sitzung gesagt hat: „Das ist Verleumdung!" Das bezog sich nun auf die Ausführungen des Kollegen Arndt. Ich sehe in dieser einmaligen Benutzung des Wortes „Verleumdung", obwohl es sich auch um eine im Strafgesetzbuch enthaltene Bezeichnung handelt, deshalb keine Ordnungswidrigkeit, weil meiner An1584
Vizepräsident Dr. Becker
sieht nach der Herr Kollege Weber damit nur hat zum Ausdruck bringen wollen, daß eine nicht erweislich wahre Tatsache behauptet worden sei. Ich sehe also hier von einem Ordnungsruf ab und lasse im übrigen die Frage dahingestellt, ob es gegenüber Ordnungswidrigkeiten in diesem Hause eine Wahrnehmung berechtigter Interessen gibt, wer zur Wahrnehmung dieser Interessen berechtig ist und wessen Interessen wahrgenommen werden können.
Aus diesem Anlaß darf ich aber doch darum bitten, daß Zwischenrufe einzeln gemacht werden. Wenn der Redner zum Hause hin spricht und von vielen Zwischenrufen unterbrochen wird, ist oft beim besten Willen unmöglich zu verstehen, was der Redner sagt und wie die zahlreichen gleichzeitigen Zwischenrufe im einzelnen lauten.
Dann habe ich noch eine eindringliche Bitte an Sie, meine Damen und Herren. Wir wollen einer scharf formulierten Diskussion nicht im Wege stehen, aber gehen Sie bitte nicht bis an die Grenzen dessen, was Überlegungen erforderlich macht, ob eine Ordnungswidrigkeit vorliegt oder ob die Grenzen dessen eingehalten worden sind, was geduldet werden kann.
({2})
Ich gehe nunmehr zur Tagesordnung über und rufe auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den Vertrag vom 15. Juni 1957 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich zur Regelung vermögensrechtlicher Beziehungen ({3}); Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses ({4}) ({5}).
Dazu liegt ein Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses, Drucksache 342, vor. Berichterstatter ist der Herr Abgeordnete Pietscher. - Der Abgeordnete verweist auf den Schriftlichen Bericht.
Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? - Das Wort hat Herr Dr. Atzenroth.
Meine Damen und Herren! Sie werden verstehen, daß eine Oppositionspartei Verträge mit ausländischen Staaten kritischer betrachtet als eine Regierungspartei. Die Opposition wird bei der Vorlage eines Ratifikationsgesetzes im Parlament praktisch jedesmal vor eine vollendete Tatsache gestellt. Sie hat keine Möglichkeit, Einfluß auf die Gestaltung des Vertrags zu nehmen. Sie kann nicht einmal ihre Bedenken so frühzeitig anmelden, daß eventuell noch Änderungen im Vertrag möglich wären. Die Opposition kann nur ja oder nein sagen. Das ist eine schlechte Sache.
({0})
Angesichts des geringen Interesses, das die Regierungspartei für meine Ausführungen zeigt, nehme
ich an, daß sie ohne weiteres ja dazu sagen wird.
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- Herr Präsident, bei der Unruhe kann ich zur Zeit nicht weitersprechen. Ich darf die Bitte äußern, zuzuhören oder die Gespräche draußen zu führen.
Meine Damen und Herren, ich wiederhole, daß diese Form der Behandlung von Ratifikationsgesetzen in einem Parlament eine schlechte Sache ist. Die Bundesregierung sollte sich wirklich überlegen, ob dieses Verfahren nicht geändert werden kann. Wenn sie erwartet, daß ein Gesetz über einen Vertrag mit einem fremden Staat von der Gesamtheit des Hauses angenommen wird, dann muß sie auch die Opposition frühzeitig unterrichten, mindestens einem kleinen Kreis von Vertrauensmännern die Möglichkeit geben, Bedenken schon frühzeitig vorzubringen.
Die Verträge, die uns in letzter Zeit vorgelegt worden sind, haben bei uns sehr starke Bedenken hervorgerufen. Das gilt insbesondere für alle Verträge zur Regelung vermögensrechtlicher Beziehungen. Gerade wir als eine liberale Partei müssen immer wieder laut und vernehmlich die Einstellung unserer früheren Gegner, unserer jetzigen Verbündeten, zu der Frage des Privateigentums geißeln. Durch viele dieser Verträge wird der Grundsatz der Unantastbarkeit des privaten Eigentums gröblich verletzt. Die westliche Welt, die so stolz ist auf die freiheitliche und rechtsstaatliche Gestaltung ihrer Lebensformen, handelt hier so, wie wir es den Regierungen im Osten, den Regierungen des Kommunismus, vorwerfen. Nackte finanzielle Interessen werden stärker gewertet als der im Völkerrecht verankerte Grundsatz der Freiheit des Privateigentums.
Diese Vorwürfe müssen wir an unsere jeweiligen Vertragspartner richten. Aber die Bundesregierung hat sich nach unserer Meinung zu bereitwillig solchen Forderungen ihrer Vertragspartner unterworfen. Wir sind davon überzeugt, daß man in vielen Fällen eine bessere, gerechtere Gestaltung der Verträge hätte erreichen können, wenn wir nicht zu weit nachgegeben hätten.
Hier darf nicht der Einwand gebracht werden, daß wir, die wir den Krieg verloren haben, auch zu gewissen Leistungen der Wiedergutmachung verpflichtet sind. Das steht hier nicht zur Debatte. Hier handelt es sich darum, ob die Bundesregierung solche Wiedergutmachungen zu Lasten des Privateigentums meist eines verhältnismäßig kleinen Kreises leisten darf. Wir befürchten, daß diese Vorausleistungen an Reparationen, die vorläufig von deutschen Privateigentümern getragen werden, bei einer endgültigen Friedensregelung nur sehr bedingt honoriert werden.
Mit solchen Verträgen schaffen wir aber auch einen immer größeren Kreis von geschädigten Deutschen, von Menschen, die wir eines Tages entschädigen müssen, von Menschen, die durch die Maßnahmen der Bundesregierung in schwerste Notlage gebracht wurden. Es gibt doch zahlreiche solche Personen, die sich heute nicht mehr im arbeitsfähigen Alter befinden und durch den Verlust ihres in langen Jahren sauer erworbenen Vermögens, das sie für ihr Alter sichern sollte, nun
auf Mittel der Wohlfahrt angewiesen sind. Man wende nicht ein, daß überall Härteregelungen getroffen sind. Diese Härteregelungen bieten praktisch nichts anderes als Wohlfahrtsleistungen.
Wir fragen bei dieser Gelegenheit die Bundesregierung, wann endlich sie diese Ansprüche einmal zu regeln gedenkt. Sie hat uns früher einmal ein Kriegsfolgenschlußgesetz vorgelegt, das diese Regelungen eigentlich bringen sollte. Sie mußte die Überschrift dieses Gesetzes sehr schnell ändern und es mit dem bescheidenen Titel „Kriegsfolgengesetz" versehen. Aber damals wurde versprochen, daß die letzten Regelungen nun endlich getroffen würden. Bis heute warten wir vergeblich darauf. Der Personenkreis, der davon in erster Linie betroffen ist, steht vor einer brennenden Notlage. Es wird noch dahin kommen, daß dieser Personenkreis nicht mehr in den Genuß einer etwaigen Regelung kommen kann.
Meine Damen und Herren, ich habe diese Bemerkungen vorausgeschickt, obwohl sie mit dem heutigen Gesetz nur indirekt in Verbindung stehen. Diese allgemeinen Forderungen - einmal die Forderung an unsere Partner, mit denen wir Verträge abschließen müssen, nach Rechtsstaatlichkeit und Erhaltung des Privateigentums, zum anderen die Forderung an die Bundesregierung nach Vorlegung der noch ausstehenden Entschädigungsgesetze -müssen immer wieder vorgebracht werden. Sie können nicht oft genug vor der Öffentlichkeit erhoben werden.
Nun zu diesem Gesetz! Auch in dem Staatsvertrag mit Osterreich, der hier an und für sich nicht unmittelbar zur Debatte steht, sind Enteignungen vorgenommen, ist der Grundsatz der Heiligkeit des Privateigentums schärfstens verletzt worden. Wir mußten es hinnehmen, und wir können in diesem Falle der Bundesregierung keine Vorwürfe machen; denn dieser Staatsvertrag ist ohne ihre Einwirkung zustande gekommen. Vielleicht hätte sie auf unsere westlichen Verbündeten, die ja an dem Staatsvertrag Beteiligte sind, stärker einwirken können, als es geschehen ist.
In diesem Staatsvertrag hat aber auch Österreich auf gewisse Forderungen gegenüber Deutschen verzichten müssen. So hat es auf die Forderungen, die am 8. Mai 1945 gegen Deutschland und deutsche Staatsangehörige offenstanden, mit der einzigen Einschränkung verzichtet: „unbeschadet der Gültigkeit etwa getroffener Abmachungen". Dieser Teil des Vertrags, der eine Regelung zugunsten der deutschen Schuldner enthält, soll nun in diesem neuen Staatsvertrag zum Teil wiederaufgehoben werden.
Warum dieser Staatsvertrag? Soweit er die technische Abwicklung der Rückgabe regelt, haben wir zwar gewisse Bedenken. Diese sind aber nicht so schwerwiegend, daß wir deshalb den Vertrag ablehnen würden. Soweit aber nach diesem Vertrag Forderungen von österreichischer Seite gegen Deutsche wiederaufleben sollen, die durch den Staatsvertrag vernichtet worden waren, haben wir ganz erhebliche Bedenken. Diese Bedenken hat auch der
Herr Berichterstatter in seinem Bericht sehr deutlich zum Ausdruck gebracht.
Wir fragen die Bundesregierung - der Herr Berichterstatter hat es bereits getan -: Wird hier nicht das Grundgesetz verletzt? Wird hier nicht eine Enteignung vorgenommen, zu der die Bundesregierung nicht berechtigt ist?
Art. 22 dieses Vertrags, den wir in erster Linie beanstanden, legt fest, daß eine Forderung ,als geregelt angesehen wird - also für den österreichischen Gläubiger noch besteht -, wenn der Schuldner auf eine schriftliche Zahlungsaufforderung des Gläubigers keine Einwendungen erhoben hat. Meine Damen und Herren, das widerspricht doch allen deutschen Rechtsgrundsätzen! Dadurch, daß auf ein einfaches Mahnschreiben nicht geantwortet wird, sollen Rechtsansprüche der anderen Seite begründet werden! Hier wird durch den Staatsvertrag praktisch eine Schuld, die erloschen war, zum Wiederaufleben gebracht. Das ist eine Unmöglichkeit! Das führt dann dazu - und, meine Damen und Herren, die Sie nachher ohne weiteres Ihr Ja zu dem Vertrag abgeben werden, ohne ihn genauer durchgelesen zu haben, hören Sie wenigstens jetzt einen Augenblick zu! -, daß ein deutscher Schuldner, der seine in Österreich gelegenen Vermögenswerte verloren hat, von österreichischen Gläubigern in Anspruch genommen wird, obwohl die Vermögenswerte am Stichtag, nämlich dem 8. Mai 1945, ausgereicht haben, seine Schulden gegenüber diesem Gläubiger abzudecken. Der deutsche Schuldner muß also trotz Enteignung des Vermögens noch einmal zahlen.
({2})
Das haben nicht einmal die Russen in den Verträgen gefordert, die mit ihnen abgeschlossen worden sind. Und zu einer solchen Regelung gibt sich die Bundesregierung freiwillig her! Wir sind der festen Überzeugung, daß dadurch Art. 14 des Grundgesetzes gröblich verletzt wird. Auch der Herr Berichterstatter hat diese Befürchtung in seinem Bericht schon zum Ausdruck gebracht. Warum sollen wir diesen Vertrag abschließen, wenn in dem offiziellen Bericht des zuständigen Ausschusses eine solche Befürchtung geäußert wird? Es ist doch unsere Pflicht, die Gesetze, die wir hier machen, so zu gestalten, daß das Grundgesetz mit Sicherheit nicht verletzt wird.
({3})
Man wendet ein, Schädigungen, die auf diese Weise deutschen Staatsbürgern zugefügt würden, könnten durch eine Härteregelung gemildert oder ausgeglichen werden. Nach dem Vertrag ist ein Schiedsgericht vorgesehen, aber dieses Schiedsgericht naturgemäß paritätisch zusammengesetzt - hat doch keine andere Aufgabe als die, diesen Vertrag auszulegen; und aus dem Geist des Vertrags ergibt sich, daß solche Enteignungen vorgenommen werden können. Auch wenn ich in diesem Schiedsgericht säße, könnte ich mein Gutachten nicht anders als entsprechend dem Inhalt und dem Geist des Vertrags gestalten. Das Gutachten, das dieses Schiedsgericht abgeben wird, wird also im1586
mer auf derselben Linie liegen, die ich eben kritisiert habe.
Es kommt noch ein Bruch unseres deutschen Rechtes hinzu: das Gutachten des Schiedsgerichts ist für die deutschen Gerichte bindend. Der deutsche Schuldner wird also seinem Richter entzogen. Denn der Richter darf nicht mehr nach deutschen Rechtsgrundsätzen urteilen, sondern nur nach dem, was ihm durch das Gutachten neu vorgeschrieben worden ist. Das sind doch unmögliche Gestaltungen eines Vertrages, der von großer Bedeutung sein kann.
Sagen Sie mir nicht, daß die Fälle, die ich hier dargestellt habe, vereinzelt seien. Selbst wenn es nur einen gäbe, dürften wir das Recht nicht verletzen. Aber wer von uns weiß, daß es nur einen, nur zwei oder nur zehn gibt? Niemand! In den Beratungen des Ausschusses hatte die Bundesregierung noch die Antwort gegeben: Es gibt niemanden, der durch diese Maßnahmen verletzt worden ist; wir kennen keinen Fall.
({4})
- Im Ausschuß, auf Befragen!
({5})
Schon in der Zwischenzeit hat sich der eine oder andere Fall ergeben. Aber niemand von uns weiß, was an uns noch herantreten kann und herantreten wird. Wir dürfen ein solches Gesetz nicht machen, ohne die Auswirkungen nach allen Richtungen sorgfältig überprüft zu haben.
Niemand von uns kann diesen Vertrag bis in alle seine Einzelheiten so genau studieren und untersuchen, wie es eigentlich notwendig wäre. Aber schon diese wenigen Beanstandungen, die ich hier gemacht habe, führen doch zu der Auffassung, daß der Vertrag so noch nicht ratifizierungsreif ist. Er müßte einer neuen, eingehenden Untersuchung unterzogen werden. Wir beantragen deswegen die Rückverweisung des Gesetzentwurfs an den Ausschuß zur Prüfung der inzwischen aufgetretenen erheblichen Bedenken, die in erster Linie auch von dem Berichterstatter in seinem Schriftlichen Bericht erhoben worden sind.
Wir selber aber müssen schon die Erklärung abgeben, daß wir das Gesetz selbst dann ablehnen, wenn diese geringen, von uns gewünschten Verbesserungen eintreten. Wir würden ihm nur dann zustimmen, wenn jeder Enteignungsvorgang aus dem Gesetz verschwände. Das können wir leider bei der Haltung, die die Bundesregierung in diesem Fall eingenommen hat, nicht erwarten.
({6})
Ich habe noch etwas nachzuholen, meine Damen und Herren. Ich darf wohl Ihr Einverständnis damit annehmen, daß in der zweiten Lesung sämtliche Paragraphen dieses Gesetzes einschließlich Einleitung und Überschrift - der Kern steckt ja in § 1 - gemeinsam beraten werden.
Herr Abgeordneter Atzenroth, Sie beantragen Rückverweisung an den Finanzausschuß?
({0})
Wird weiter das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Preuskerl
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch wir haben uns in den letzten Wochen sehr eingehend mit der Tragweite dieses Vertragswerks beschäftigt. Wir wissen wohl zu schätzen, daß dieser Vertrag zugunsten einer sehr großen Zahl von seit Jahren wartenden Menschen eine endgültige Bereinigung bringt; wir begrüßen deshalb diesen Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Bundesrepublik Österreich. Wir verkennen aber keineswegs das Gewicht der Argumente, die soeben von dem Kollegen Atzenroth vorgetragen worden sind. Wir hätten es sehr begrüßt, wenn Gelegenheit gegeben gewesen wäre, diese Fragen in einer gründlichen Aussprache zu klären. Da solche Fragen offensichtlich noch in einer größeren Zahl offenstehen, schließt sich die Fraktion der Deutschen Partei dem Wunsch auf Rückverweisung an den Ausschuß an.
({0})
Das Wort hat der Herr Staatssekretär.
Meine Damen und Herren! Der Vertrag, der hier zur Erörterung steht, ist in sehr eingehenden Verhandlungen zustande gekommen, in deren Verlauf mit allen Interessenten, mit den weitesten Kreisen der deutschen Wirtschaft in sorgfältigster Weise Fühlung gehalten worden war. Alle Regelungen sind daher nicht etwa leichthin getroffen worden, sondern nach sorgfältigster Abwägung des Für und Wider. Es ist bei internationalen Verhandlungen nun einmal unvermeidlich, daß die gesetzgebenden Körperschaften nicht in jedem Stadium eingeschaltet werden können. Daraus ergeben sich die Situationen, wie sie von dem Herrn Abgeordneten Atzenroth dargelegt worden sind. Bei .unserer ganzen verfassungsrechtlichen Struktur sind sie einfach naturgegeben.
Ich möchte zu dem Gesagten noch einige allgemeine Bemerkungen machen. Die Bundesrepublik gehört, wie Sie wissen, zu dem Kreis derjenigen Staaten, die den Grundsatz der Freiheit der menschlichen Persönlichkeit und damit der Sicherheit des Privateigentums in Kriegs- und Friedenszeiten vorbehaltlos anerkennen. Aus diesem Grunde ist die Bundesregierung der Auffassung, daß das während des Krieges beschlagnahmte deutsche Privatvermögen grundsätzlich den Eigentümern wieder ausgehändigt werden sollte. Daher hat es die Bundesregierung begrüßt, daß eine Reihe von Staaten, die deutsches Privatvermögen beschlagnahmt hatten, Freigaberegelungen getroffen haben. Auch die Vereinigten Staaten von Amerika haben - in der Erklärung des Weißen Hauses vom 31. Juli 1957 - beDr. van Scherpenberg
kanntlich die Absicht kundgetan, dem amerikanischen Kongreß einen Plan vorzuschlagen, demzufolge eine gerechte Abfindung ehemaliger Eigentümer beschlagnahmter Vermögenswerte erfolgen soll, um der historischen amerikanischen Politik der Unantastbarkeit des Privateigentums selbst in Kriegszeiten Ausdruck zu verleihen.
lm übrigen begrüßt es die Bundesregierung, daß sie, wie mit der Schweiz und Schweden, wie kürzlich auch mit Spanien und Portugal, nunmehr vor bald einem Jahr auch mit der Republik Österreich ein Vermögensabkommen hat abschließen können. Die Lage war hier ganz besonders schwierig und verwickelt. Durch den von den Alliierten mit Osterreich abgeschlossenen Staatsvertrag waren für die Bundesrepublik und ihre Staatsbürger Tatsachen geschaffen worden, die ohne unser Zutun zunächst eine Verschlechterung zu Lasten der betroffenen Eigentümer bedeuteten. Die Bundesregierung hat hierüber ihr Bedauern seinerzeit sehr deutlich zum Ausdruck gebracht. Sie konnte jedoch entsprechend ihren Verpflichtungen aus dem Sechsten Teil des Vertrags zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen materiell keine Einwendungen gegen die im österreichischen Staatsvertrag getroffene Regelung geltend machen. Insoweit sind wir also gebunden.
Um so mehr hat die Bundesregierung es begrüßt, daß anläßlich des Staatsbesuchs des Bundesministers des Auswärtigen in Wien im November 1955 in beiderseitigem Einvernehmen eine gemischte Kommission eingesetzt wurde, um unter Respektierung des Prinzips der Nichtantastbarkeit des Privateigentums für die sich aus dem Staatsvertrag ergebenden wirtschaftlichen, kulturellen, sozialen und rechtlichen Probleme Lösungsvorschläge auszuarbeiten, die den beiderseitigen Regierungen zur Genehmigung vorzulegen waren. Diese gemischte Kommission hat in nicht einfachen und zum Teil von beiden Seiten zäh geführten Verhandlungen den anläßlich des Staatsbesuchs des Herrn Bundeskanzlers am 15. Juni 1957 unterzeichneten Vermögensvertrag ausgearbeitet.
Der Vertrag, der im Geiste beiderseitiger Verständigungsbereitschaft zustande gekommen ist, hat sich im Rahmen der Bindungen beider Staaten halten müssen, ohne daß hierdurch ein Verzicht auf Rechte oder die Anerkennung von Tatsachen ausgesprochen worden ist über die Verpflichtungen hinaus, die sich für die Bundesrepublik aus dem Überleitungsvertrag ergeben.
({0})
- Ich komme darauf gleich noch, Herr Abgeordneter Dr. Atzenroth.
Der Vertrag sollte weder in seiner wirtschaftlichen noch in seiner politischen Bedeutung unterschätzt werden. Praktisch erhalten durch diesen Vertrag 90 % der natürlichen Personen ihr Eigentum ohne jede Schwierigkeit zurück. Von den restlichen 10 % - etwa 4500 Fälle - werden auf Grund der besonderen Bestimmungen des Vertrags im
Teil I hinsichtlich der Bewertung und Einteilung der Vermögensgruppen wiederum 90 % freigegeben werden. Die restlichen Fälle werden möglicherweise als Härtefälle im Rahmen der durch den Vertrag geschaffenen Institutionen eine billige Regelung finden.
Dieses für die deutsche Seite als durchaus positiv anzusprechende Ergebnis des Vertrags konnte jedoch nur dadurch erreicht werden, daß auch seitens der Bundesrepublik Österreich gegenüber ein Entgegenkommen bei der Auslegung der sogenannten Unbeschadetklausel in Art. 23 Abs. 3 des Staatsvertrags in bezug auf den von Osterreich ausgesprochenen Forderungsverzicht gezeigt wurde. Gerade die Unbeschadetklausel des österreichischen Staatsvertrags, die im Gegensatz etwa zu der Verzichtsklausel im italienischen Friedensvertrag eine Art Aufweichung des Forderungsverzichts ermöglicht, hat der Bundesregierung die Disposition über die ihr nach Auffassung des Bundesgerichtshofs zur Verfügung gestellten Forderungen erleichtert, ohne daß dabei Rechte der deutschen Schuldner verletzt worden sind.
Ich möchte im übrigen aber in diesem Zusammenhang doch auf etwas sehr nachdrücklich hinweisen. Aus einem Staatsvertrag zwischen dritten Staaten erwirbt der einzelne niemals einen Anspruch auf Bereicherung im konkreten Falle. Die Verzichtklausel besagt nur, daß der ursprüngliche Gläubiger die Forderung nicht mehr geltend machen kann. Sie sagt, wie auch der Bundesgerichtshof näher ausgeführt hat, nichts darüber, ob der Schuldner von seiner Schuld befreit ist. Die Forderung steht also zur Disposition des deutschen Gesetzgebers, der bestimmen kann, wer Gläubiger der Forderung sein soll Der Forderungsverzicht hat also nicht eine Rechtsposition des Schuldners geschaffen, die einen endgültigen Vermögensvorteil bedeutet und deren Entziehung etwa eine Enteignung sein könnte. Dies würde auch selbst dann gelten, wenn der österreichische Forderungsverzicht nicht unter der Unbeschadetklausel stehen würde. Insofern glaube ich, daß die Befürchtung, hier würden verfassungsmäßig gesicherte Rechte deutscher Staatsangehöriger geschädigt oder zu Unrecht angegriffen, nicht gerechtfertigt ist.
Nun werden im Zusammenhang mit diesem Vertrag sicher auch Härten auftreten. Bei derartigen Verträgen kann nicht jeder einzelne Fall von vornherein geregelt werden. Nach Auffassung der Bundesregierung bieten aber die Bestimmungen von Teil V des Vermögensvertrags die Gewähr dafür, daß besondere Härten, vor allem bei der Inanspruchnahme des deutschen Schuldners, auf ein Minimum reduziert werden. Im Verfahren vor dem Schlichtungsausschuß hat der deutsche Schuldner die Möglichkeit, alle Einwendungen geltend zu machen, die auf nach dem 8. Mai 1945 eingetretenen Umständen beruhen, welche der Schuldner nicht zu vertreten hat. Dadurch werden zunächst einmal alle diejenigen Fälle gedeckt, die eine besondere Härte für den Schuldner dann bedeuten würden, wenn sein in Osterreich in Verlust geratenes Vermögen
auf Grund nicht in seiner Person begründeter Tatsachen nach dem 8. Mai 1945 derartig vermindert worden ist, daß es zur Abdeckung seiner Schulden in Osterreich nicht ausreicht.
Ich glaube aber darüber hinaus sagen zu können, daß der Vertrag noch weitere Härteklauseln vorsieht und daß, wo diese nicht ausreichen, die Bundesregierung zweifellos alles in ihren Mitteln Stehende tun wird, um den auch bei Anwendung aller im Vertrag vorgesehenen Maßnahmen immer noch nicht ausgeglichenen Härtefällen im Rahmen des menschlich Erforderlichen und Möglichen abzuhelfen.
({1})
Bitte, Herr Abgeordneter!
Bedeutet das, daß Sie in diesem Falle Schadenersatz leisten werden?
Die Frage des Schadenersatzes ist eine rechtliche Frage. Ich habe jetzt nicht davon gesprochen und ich kann an dieser Stelle auch nicht davon sprechen, daß wir hier eine Rechtsverpflichtung anerkennen. Ich habe Ihnen aber gesagt, daß die Bundesregierung alles in ihren Mitteln Stehende tun wird, um solche Härten auszugleichen, soweit das nicht schon im Rahmen der in dem Vertrag vorgesehenen Maßnahmen möglich ist.
({0})
Und wenn deutsche Schuldner darüber zugrunde gegangen sind?
Wenn jemand gestorben ist, dann kann ich auch nichts mehr machen.
Meine Damen und Herren, ich weiß, daß dies eine schwierige Frage ist, und ich weiß, daß es eine Frage ist, die Sie bewegt. Ich möchte aber an Sie appellieren, folgendes zu bedenken. Gewiß handelt es sich auf der einen Seite um eine geringe Zahl sehr ernster Härtefälle; auf der anderen Seite berauben wir immerhin weit über 50 000 Leute der Erfüllung ihrer Ansprüche mit jedem Tag, um den wir die Ratifizierung dieses Vertrags verzögern. Wir sollten hier nicht nur an diejenigen Fälle denken, bei denen durch die Umstände besondere Härten vorliegen und deren Regelung weder die Regierung noch Sie ganz befriedigen kann, sondern wir sollten auch an die über 50 000 Leute denken, die vielleicht in bittere Not geraten würden, wenn wir jetzt dieses Vertragswerk verwerfen würden.
Zusammenfassend möchte ich sagen, daß der Vertrag nach unserer Auffassung sowohl politisch als auch wirtschaftlich einen wohlabgewogenen Ausgleich der beiderseitigen Interessen gebracht hat. Ich bitte daher, von einer Zurückverweisung der Vorlage an die Ausschüsse abzusehen. Der Vertrag muß
ja auch in Osterreich ratifiziert werden. Wir würden durch ein solches Vorgehen, ohne daß wir Aussicht hätten, irgend etwas ändern zu können, eine vielleicht monatelange Verzögerung herbeiführen, wenn wir das Vertragswerk nicht überhaupt gefährdeten. Sie wissen alle, daß sich in internationalen Situationen die Atmosphäre manchmal ändert. Ich hoffe, daß die augenblickliche Atmosphäre für die Beendigung der Arbeit an diesem Vertragswerk und damit für die Regelung dieser schwierigen und das Verhältnis zwischen der Bundesrepublik und Österreich belastenden Frage günstig ist.
Das Wort hat der Abgeordnete Pietscher; er spricht nicht als Berichterstatter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Atzenroth hat auf die großen Bedenken hingewiesen, die im Finanzausschuß wie im Rechtsausschuß geltend gemacht und erörtert worden sind.
Zu dem Antrag, die Vorlage erneut an die Ausschüsse zurückzuverweisen, möchte ich Sie doch noch einmal auf folgendes hinweisen. Der Herr Staatssekretär hat bereits ausgeführt, daß Grundlage zunächst der Überleitungsvertrag war. Schon in dem Überleitungsvertrag hat sich die Bundesrepublik bereit erklärt, die Bestimmungen über die Behandlung des deutschen Auslandsvermögens in Osterreich hinzunehmen, die in dem zukünftigen österreichischen Staatsvertrag niedergelegt werden würden.
In dem Staatsvertrag, der zwischen den Alliierten und Österreich abgeschlossen worden ist, hat nun, und zwar in Art. 23, Osterreich erstmalig vorbehaltlich bereits getroffener Regelungen auf alle Forderungen gegenüber Deutschland und deutschen Staatsangehörigen verzichtet. Das ist der Punkt, um den wir jetzt streiten. Dieser Verzicht Österreichs war mindestens eingeschränkt durch die Worte: „vorbehaltlich bereits getroffener Regelungen". Nun mußte der deutsch-österreichische Vertrag natürlich eine Klärung der Frage bringen, was unter „bereits getroffenen Regelungen" zu verstehen ist.
Ich gebe dem Herrn Kollegen Atzenroth absolut recht, daß die Formulierung, die in dem Vertrag gefunden worden ist, insbesondere unter h) - ich will mich vorsichtig ausdrücken -, deutschem Rechtsempfinden als ungewöhnlich erscheinen muß. Damit sich die Damen und Herren ein eigenes Bild über die Schwierigkeit der Frage machen können, möchte ich mit Genehmigung des Herrn Präsidenten die Formulierung wörtlich vortragen. Als geregelt gilt danach auch ein Fall,
h) wenn und soweit der Schuldner auf eine schriftliche Zahlungsaufforderung des Gläubigers die Erfüllung lediglich unter Berufung auf ein nicht im bürgerlichen Recht begründetes Leistungshindernis verweigert oder gegen das Bestreben der Forderung keine oder keine bürgerlich-rechtlich begründeten Einwendungen erhoben hat.
Mit anderen Worten heißt das: wenn der Schuldner schweigt, erkennt er an. Das ist selbstverständlich eine uns völlig unbekannte Form der Regelung.
({0})
- Herr Kollege Atzenroth hat völlig recht. Die Bedenken dagegen sind ja auch - Herr Kollege Preusker und Herr Kollege Seuffert werden das bestätigen -, wenigstens im Finanzausschuß, dem ich angehöre, erörtert worden. Die Frage ist nur, ob man eine bessere Regelung erreichen kann, und da, meine Damen und Herren, setzt natürlich auch ein gewisses Bedenken gegen diese Kritik ein. Es handelt sich um einen zweiseitigen Vertrag. Da geht es also nach dem Wort „do ut des", wenn du nehmen willst, so gib. Dieser Punkt das ergibt sich ganz eindeutig aus der Begründung - ist offensichtlich das Kriterium gewesen. Jedenfalls hat Österreich in diesem Punkt ein weitgehendes Entgegenkommen verlangt, und auf der anderen Seite hat Österreich gegeben. Es ergibt sich aus dem Vertragstext selbst und aus dem Bericht, daß mindestens in drei Punkten ein erhebliches Entgegenkommen der österreichischen Regierung vorliegt. Zum einen wird nämlich das an die deutschen Staatsangehörigen zurückzuübertragende Vermögen nach dem Wert vom 1. Januar 1948 bemessen. Der Freibetrag von 260 000 Schilling kann, wenn zwei Vermögensmassen bestehen, praktisch zweimal in Anspruch genommen werden. Schließlich bedeuten auch die Bildung der gemischten Kommission, des Schlichtungsausschusses und des Schiedsgerichtes sowie die Zusage der österreichischen Regierung, die Ausnahmeregelung in bezug auf Vermögen mit erzieherischer, kultureller, karitativer oder religiöser Zweckbestimmung so günstig wie möglich anzuwenden, ein Entgegenkommen, das man begrüßen muß.
Die Frage erhebt sich, meine Damen und Herren, ob wir weiter kommen, wenn wir eine Rücküberweisung an den Ausschuß vornehmen. Das würde bedeuten, daß die Regierung gezwungen wäre, über den Vertrag erneut zu verhandeln. Jedenfalls ich persönlich habe im Hinblick auf die jahrelangen Bemühungen beider Seiten erhebliche Bedenken, ob es dann in Kürze zu einer Verständigung käme, mit der diese Schwierigkeiten der Frage beseitigt würden.
In diesem Zusammenhang darf ich das unterstreichen, was der Herr Staatssekretär vorgetragen hat, und darf ganz kurz auf die Sicherungsklauseln zurückkommen, die der Vertrag mit dem Schiedsgericht, der Kommission und dem Schlichtungsverfahren für deutsche Schuldner vorsieht; insbesondere darf ich auf die Bestimmung des Art. 100 eingehen. Zunächst muß jeder österreichische Gläubiger, der einen deutschen Schuldner auf Grund der Bestimmungen dieses Vertrages in Anspruch nehmen will, den Schlichtungsausschuß anrufen. Nach Art. 100 des Vertrages kann der Schlichtungsausschuß in besonderen Härtefällen eine Herabsetzung der Forderung des österreichischen Gläubigers vornehmen, genauer gesagt, eine Herabsetzung empfehlen. Das ist vorhin richtig zum Ausdruck gebracht worden. Herr Kollege Atzenroth hat sich das selbstverständlich genauso gut angesehen wie ich. Dann folgt das ebenfalls obligatorische Schiedsgerichtsverfahren. Das Schiedsgericht kann mit bindender Folge die Forderung des österreichischen Gläubigers gegen den deutschen Schuldner herabsetzen. An diese Entscheidung des Schiedsgerichts ist auch das letztlich entscheidende ordentliche Gericht gebunden. Hier werden also doch eine ganze Reihe von Sicherungen eingebaut, so daß sich vielleicht von den Fällen, die jetzt anstehen, ein großer Teil in diesem Verfahren erledigen wird.
Ich darf abschließend ganz kurz auf die Bedenken zurückkommen, die der Ausschuß behandelt hat und die ich als Berichterstatter des Ausschusses auch zum Ausdruck gebracht habe. Eine Verletzung von Art. 14 des Grundgesetzes könnte wohl nur dann vorliegen, wenn man davon ausgeht, daß der im österreichischen Staatsvertrag ausgesprochene Verzicht Österreichs einen Vermögenswert der deutschen Schuldner dadurch geschaffen hat, daß er sie von ihren Verbindlichkeiten befreit hat. Wenn diese Forderungen jetzt wiederaufleben, so mag das ein Eingriff in das Eigentum sein.
Es wird aber doch sehr zu überlegen sein, ob man nicht letzten Endes, wenn man diese Frage bejaht, dahin kommen wird, daß der Bund den so Geschädigten ersatzpflichtig ist. Im Ausschuß ist erwogen worden, ob man eine derartige Verpflichtung zur Schadloshaltung schon in den Bericht aufnehmen sollte. Wir sind der Auffassung, daß das deshalb untunlich ist, weil eine Garantie für den Ausfall beim deutschen Schuldner zweifellos seinen Widerstandswillen gegenüber den Forderungen der österreichischen Gläubiger lähmen würde. Ein solcher Blankowechsel würde sicher dazu führen - ich darf Sie an die Regelung des Londoner Schuldenabkommens erinnern -, daß von vornherein eine große Anzahl von Forderungen auftreten, die man vielleicht doch ermäßigen kann, wenn man zunächst dieses Verfahren laufen läßt.
Meine Damen und Herren, ich hielt mich für verpflichtet, Ihnen die Bedenken, die der Ausschuß gehabt hat, noch einmal geschlossen vorzutragen. Ich will mich zur Frage der Rücküberweisung nicht weiter äußern. Ich gebe nur zu bedenken, daß wir, wie das der Herr Staatssekretär bereits ausgeführt hat, wenn wir jetzt zurückverweisen, wenn wir etwa gar die Regierung verpflichten, erneut zu verhandeln, um eine Änderung dieser Bestimmungen zu erreichen, allerdings erstens das Verhältnis zu Osterreich ganz sicherlich nicht besser gestalten
({1})
und zweitens die deutschen Besitzer in Österreich in fast 50 000 Fällen weiterhin, unter Umständen Jahre länger, warten lassen. Ob man das verantworten kann, meine Damen und Herren, das möchte ich Ihnen überlassen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Bucerius.
Meine Damen und Herren! Selten hat mir in diesem Hause die Verwaltung so leid getan wie heute. Herr van Scherpenberg weiß natürlich ganz genau, wie schwer die Bedenken sind, die gegen den Vertrag geltend gemacht werden können und geltend gemacht worden sind. Ich meine damit nicht die von dem Kollegen Atzenroth in die erste Feuerlinie gestellten Einwendungen, die sich aus der Tatsache ergeben, daß Österreich wie andere Länder nach dem Kriege deutsches Vermögen beschlagnahmt hat. Sich über den Tatbestand des Völkerrechtswidrigen heute zu unterhalten ist sinnlos. Es ist auch bedenklich, wenn das gerade von deutscher Seite geschieht, weil diese Völkerrechtswidrigkeit natürlich nur eine in der Kette vieler gewesen ist, deren erste Ursache sicherlich nicht in Osterreich gesetzt worden ist.
Aber die Verwaltung ist vielleicht doch genötigt, sich noch einmal näher mit dem Problem zu befassen. Ich will Ihnen einen der kritischen Fälle einmal vor Augen führen. Eine deutsche Firma errichtet in Österreich einen Betrieb. Sie wendet dazu aus eigenem Vermögen, um einen runden Betrag zu nennen, i Million Mark auf. Sie bekommt von einer österreichischen Bank - gewöhnlich der Filiale einer deutschen Bank damals - einen Kredit von 1 Million Mark. 1945 wird der Betrieb wie viele andere Betriebe kassiert, erst von den Österreichern, dann von den Russen, dann wieder zurückgegeben an die Osterreicher. Was aus solchen beschlagnahmten Betrieben wird, das wissen wir ja. Sie gehen allemal zurück, und in vielen Fällen gehen sie kaputt. Das ist die Folge, wenn man sich fremdes Vermögen aneignet. In dem Bewußtsein nämlich, daß dieser Eigentumswechsel nicht legitim ist, möchte man möglichst schnell Früchte aus dem Vermögen ziehen; und wenn man das versucht, geht man mit dem Vermögen im allgemeinen nicht gut um. Jetzt ist der Betrieb weg. Der Vertrag sieht diese Fälle auch ausdrücklich vor. Aber was geschieht dem Eigentümer? Er wird zunächst einmal nach dem Vertrag - nicht wahr, Herr van Scherpenberg - wegen der 1 Million Mark, die er von der österreichischen Bank bekommen hat, in Anspruch genommen. Und, Herr van Scherpenberg, ich habe so das Gefühl, daß Ihre österreichischen Verhandlungspartner in diesem Falle ein ganz klein wenig offener hätten sein können. Die haben nämlich die Formulare, mit denen sie die deutschen Schuldner in Anspruch nehmen, schon gedruckt, bevor wir in diesem Haus mit dem Fall überhaupt befaßt worden sind.
({0})
Da kommen schon die Leute von den österreichischen Banken in die deutschen Betriebe und schauen sich das an, was sie von den Schuldnern heute noch bekommen können. Herr van Scherpenberg, ich finde in diesem Falle geschieht ein Unrecht; und ich finde, es ist sehr einfach, dieses Unrecht auszugleichen. Es genügt wirklich eine einfache Erklärung der österreichischen Regierung, daß sie nicht gewillt ist, in solchen Fällen, in denen 1945 das Vermögen zur Schuldentilgung ausgereicht hat, heute die deutschen Schuldner in Anspruch zu nehmen. Herr van
Scherpenberg, Sie sind bis an die äußerste Grenze des Ihnen heute Möglichen gegangen, als Sie hier gesagt haben: Diese Schuldner haben den Schutz der Bundesregierung. Wir sind Ihnen für diese Erklärung aufrichtig dankbar. Mehr können Sie in Abwesenheit Ihres Ministers, in Abwesenheit des Finanzministers, in Abwesenheit des Wirtschaftsministers wahrlich in dieser Stunde nicht tun. Aber, Herr van Scherpenberg, das reicht leider im entscheidenden Augenblick nicht aus. Denn wie ist es im Wirtschaftsleben? Wenn die Forderung einmal geltend gemacht wird, ruft ihre Geltendmachung allein bereits ein solches Maß an Unsicherheit hervor, daß die betroffenen Kaufleute sich wirtschaftlich nicht halten können. Und Sie haben gesagt: „Ja, wenn sie dann tot sind, kann die Bundesregierung auch nichts ändern." Dieser Kranz auf dem wirtschaftlichen Grabe des Steuerzahlers - der reicht mir für meine Person in der Tat nicht aus.
Deshalb bin ich der Meinung, daß Sie die Gelegenheit bekommen sollten, - -({1})
- Was haben die Zurufe zu bedeuten? Machen Sie mir einen Vorwurf?
({2})
Ich bin der Meinung, daß die Bundesregierung noch einmal Gelegenheit nehmen und von uns durch Zurückverweisung der Vorlage an den Ausschuß die Gelegenheit bekommen sollte, diese eine konkrete Frage noch einmal mit der österreichischen Regierung kurz zu prüfen. Das hat im ganzen eine Verzögerung von vierzehn Tagen zur Folge, die man im Interesse des beiderseitigen Friedens wohl in Kauf nehmen sollte.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Seuffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn es schon die Regierung und wenn es die Regierungsfraktion und die Ausschußmitglieder der Regierungsfraktion nicht tun, so trete ich namens der sozialdemokratischen Fraktion diesem Antrag auf Rücküberweisung entgegen.
({0})
Daß die FDP und insbesondere Herr Kollege Atzenroth nach einer Ausschußberatung im Plenum Tatsachen vorbringt, die im Ausschuß leicht hätten geklärt werden können, wenn z. B. die Vertreter der Freien Demokraten sich im Ausschuß an den Beratungen beteiligt hätten, was sie nicht getan haben, ist nichts Neues, kommt öfters vor
({1})
und gäbe keinen besonderen Grund, hier Ausführungen zu machen. Bedauerlicherweise haben sich auch Vertreter der Regierungsfraktion, die von ihren Kollegen hätten aufgeklärt werden können, solchen Ausführungen angeschlossen. Was mir aber besonders bedenklich erscheint, ist, daß hier Ausführungen über die grundsätzliche rechtsstaatliche
Behandlung von Privateigentum in internationalen Beziehungen anläßlich eines Vertrages mit Osterreich gemacht worden sind, so daß der Anschein erweckt werden könnte, wir hätten gegenüber Osterreich in dieser Beziehung besondere Beschwerden vorzubringen: und wenn schon weder die Regierungspartei noch die Regierungsbank es notwendig findet, dem hier entgegenzutreten, so muß es eben die sozialdemokratische Opposition sein, die einige Dinge ins rechte Licht rückt.
({2})
Erstens: dieser Vertrag ist ein Ausführungsvertrag zum österreichischen Staatsvertrag, und die Enteignung des deutschen Vermögens in Österreich mit dem Rückgabeverbot für dieses deutsche Vermögen ist eine Bestimmung des Staatsvertrages, - wie wir sehr wohl wissen, eine Bestimmung, die nicht auf österreichisches Betreiben hineingekommen ist, sondern ein Teil des Kaufpreises war, den Österreich für seinen Staatsvertrag zahlen mußte. Was dieses Rückgabeverbot anlangt, so weiß jedermann, daß 260 000 Schilling die Übersetzung von 10 000 Dollar sind und aus keiner anderen Währung stammen.
({3})
Die Position der Bundesrepublik in bezug auf diesen Staatsvertrag besteht darin, daß sie, wie schon wiederholt festgestellt, unter Ihrer Zustimmung, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, und, wenn ich mich recht erinnere, auch unter Ihrer Zustimmung, meine Damen und Herren von der Freien Demokratischen Partei, aber unter unserem Widerspruch sich im Überleitungsvertrag bereits im vorhinein verpflichtet hat, das hinzunehmen, was hier im Staatsvertrag geschehen sollte und geschehen ist.
({4})
Das ist die Position der Bundesrepublik.
Zweitens: als der österreichische Staatsvertrag abgeschlossen wurde und den Österreichern darin diese Klausel auferlegt wurde, erhob sich hier im Auswärtigen Amt und auch im Palais Schaumburg sowie in der Umgebung ein Donnergrollen und ein Sturm gegen die Österreicher, der eine Zeitlang eine sehr erhebliche Spannung herbeizuführen drohte und genau das Falscheste war, was man anfangen konnte.
({5})
Die sozialdemokratische Opposition hat von Anfang an vor diesen falschen Tönen gewarnt, ist ihnen entgegengetreten und hat - Gott sei Dank mit Erfolg - verlangt, daß man die Probleme auf der Basis, auf der sie nun einmal stehen, nämlich auf der Grundlage des Staatsvertrages, und in dem Geiste auszutragen und auszuhandeln versucht, in dem sie unserer Überzeugung nach nun auch tatsächlich ausgehandelt worden sind. Denn auf der einen Seite muß ich ausdrücklich feststellen, daß das Entgegenkommen der österreichischen Seite in dem deutsch-österreichischen Vertrag innerhalb der Grenzen, die der Staatsvertrag gesetzt hat, erheblich ist. Andererseits ist es richtig, daß wir in der
Frage der Unbeschadet-Klausel beim Forderungsverzicht entgegenkommend gewesen sind.
Aber, meine Damen und Herren, wohin zielen denn die Anträge auf Rücküberweisung mit der Begründung, die ihnen gegeben worden ist? Man will in der Frage des Forderungsverzichts ein Entgegenkommen deutscherseits rückgängig machen, und man will weitere Zugeständnisse von österreichischer Seite erreichen. Meine Damen und Herren, selbst wenn das möglich wäre, möchte ich für die sozialdemokratische Opposition und für mich erklären, daß wir uns diesem Verlangen nicht anschließen würden.
({6})
Denn wenn wir für die Unversehrtheit des Privateigentums im internationalen Verkehr und für die Rechtsstaatlichkeit eintreten, werden wir die größten Bedenken haben müssen, von einer solchen Klausel Gebrauch zu machen, durch die, durch Friedensverträge, an denen wir nicht beteiligt sind, durch Staatsverträge, an denen wir nicht beteiligt sind, fremden Privaten ein Verzicht auf ihre privaten Forderungen gegen deutsche Gläubiger auferlegt worden ist.
({7})
Wir haben die allergrößten Hemmungen, so zu verfahren.
({8})
- Das ist hoffentlich sehr interessant, Herr Dr. Atzenroth!
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Ich glaube, man sollte beim Grundsatz auch bleiben, wenn man von rechtsstaatlicher Behandlung des Privateigentums spricht.
Unsere Position ist allerdings so - auch das gebe
ich zu -, daß wir uns andererseits im Londoner
Schuldenabkommen durch eine uns von den Gläubigern aufgezwungene Klausel verpflichtet haben,
({10})
derartige Regelungen in Verträgen, die uns nichts angehen, die aber in fremdes Privateigentum eingreifen, anzuwenden. Trotzdem verlangt es, glaube ich, die Ehrlichkeit und die Konsequenz, wenn wir vom Schutz des Privateigentums sprechen, daß wir von diesen Bestimmungen sowenig wie möglich Gebrauch machen. Deswegen glaube ich nicht, daß wir über diese Frage noch einmal mit Osterreich sprechen können und sollten.
Was die juristische Behandlung dieser Fragen des -Forderungsverzichts anlangt, so möchte ich der Darlegung von Herrn Staatssekretär van Scherpenberg eher zustimmen. Wie dem auch immer sei, es ist klar, daß, wenn irgendwelche Schäden entstehen - einschließlich der von Ihnen, Herr Dr. Bucerius, vorgetragenen Fälle, daß jemand auf die sogenannte Ausfallhaftung angesprochen wird -, das Schäden am Auslandsvermögen sind, und sie werden selbstverständlich in der Auslandsschädenregelung, die das Kriegsfolgenschlußgesetz vorge1592
sehen hat, zu behandeln sein wie alle anderen Auslandsschäden.
Zu dieser Schädenregelung muß auch einmal etwas gesagt werden: was die Inangriffnahme der Schädenregelung verhindert, ist, daß der größte und entscheidende Testfall, nämlich der Fall des Vermögens in den Vereinigten Staaten, deswegen nicht vorwärtskommt, weil die Bundesregierung offenbar aus politischen oder anderen Rücksichtnahmen nicht bereit ist, den deutschen Standpunkt in der Weise zu vertreten, wie er auch nach Meinung der Opposition vertreten werden müßte. Auch das muß einmal gesagt werden.
Ich trete dem Antrag auf Rückverweisung entgegen; denn - Herr Dr. Bucerius, ich will es einmal ganz offen aussprechen - dieses Gesetz ist dringlich für die 50 000 oder mehr kleinen Leute, die auf ihr kleines Vermögen warten,
({11})
ist dringlich für die karitativen und sportlichen Organisationen, die auf ihr Vermögen warten, und es besteht kein Grund, sich durch die Bedenken einiger großer Firmen aufhalten zu lassen, ob das schließliche Ergebnis in ihrer Situation, das doch noch durch eine ganze Reihe von Schlichtungskommissionen, Gerichten usw. nachgeprüft werden müßte, ihren Wünschen gerecht wird.
({12})
Das Wort hat der Herr Staatssekretär van Scherpenberg.
Meine Damen und Herren, ich darf nach dieser sehr interessanten und aufschlußreichen Aussprache noch für ein paar kurze Bemerkungen Ihr Gehör erbitten.
Ich darf zu Anfang sagen, daß hier gegenüber der österreichischen Regierung wohl irgendwie der Vorwurf erhoben worden ist, sie habe sich vorzeitig, d. h. noch vor dem endgültigen Inkrafttreten dieses Vertrags, schon mit Maßnahmen zu seiner Durchführung befaßt. Ich weiß nicht, ob dieser Vorwurf wirklich gerecht ist; denn die österreichische Regierung hat im Vorgriff auf das Inkrafttreten dieses Vertrages zweifellos auch schon sehr große Vermögenswerte endgültig freigegeben. Ich denke hier an den Besitzstand des Deutschen Alpenvereins und insbesondere an das ganze kulturelle Vermögen. Auch hier hat sie nicht das Inkrafttreten des Vertrages abgewartet.
({0})
Weiterhin möchte ich gerade noch einmal zu der Frage kurz Stellung nehmen, die der Herr Abgeordnete Bucerius aufgeworfen hat. Natürlich ergeben sich hier schwierige Situationen. Darüber ist sich die Bundesregierung klar, darüber waren wir uns während der ganzen Verhandlungen und auch schon während der Ausschußverhandlungen klar. Allein wegen dieser Frage mußten damals die Verhandlungen um, ich glaube, nochmals zwei oder drei Monate verlängert werden, nachdem sie bereits fast zu Ende waren. Ich kann nur sagen, daß alles Menschenmögliche geschah, um eine Regelung zu erreichen, die für unsere Interessen so günstig wie irgend denkbar ist. Wir hätten eine bessere Regelung damals nicht erzielen können, und wir hätten, wenn wir die Frage etwa ungeregelt gelassen hätten, außerordentlich große Vorteile, die der Vertrag uns jetzt sichert, verloren. Ich glaube Ihnen aber zusichern zu können, daß die Bundesregierung auch in Zukunft, wenn sich bei der Abwicklung des Vertrages Schwierigkeiten ergeben - und das wird in einzelnen Fällen sicher vorkommen -, nicht zögern wird, die Mittel ihrer diplomatischen Vorstellungen bei der österreichischen Regierung auszunützen, und zwar wirklich und in vollem Einsatz aller bestehenden Möglichkeiten.
({1})
Ich glaube, das ist nicht unwesentlich, gerade weil es sich um eine verhältnismäßig geringe Zahl von Fällen handelt, in denen man mit unseren Partnern tatsächlich konkret sprechen kann.
Ich kann im übrigen, wie ich Ihnen schon vorhin sagte, hier keine Erklärungen über irgendwelche rechtlichen Entschädigungsverpflichtungen abgeben. Ich kann hier nur kurz auf zwei Momente hinweisen. Zunächst einmal dürfen wir nicht übersehen, daß wir auch unter unserem Grundgesetz die einzelnen Angehörigen der Bundesrepublik nicht verschieden behandeln dürfen. Wir dürfen nicht übersehen, daß auch derjenige, der Kriegsschäden in Deutschland gehabt hat - Demontageschäden usw. , nicht von seinen alten Bankverpflichtungen oder anderen befreit wird. Letzten Endes sind der Fall desjenigen, der in Deutschland seine Fabrik durch Demontage verloren hat, und der Fall desjenigen, der sie in Österreich verliert, in der Substanz nicht sehr viel anders. Ich glaube, wir müssen hier etwas auf die Gleichbehandlung achten. Trotzdem wiederhole ich mit allem Nachdruck meine Erklärung, daß wir da, wo wir solche Härtefälle sehen, alle uns zur Verfügung stehenden Mittel anwenden werden, um diese Härten menschlich und wirtschaftlich vernünftig und anständig irgendwie auszugleichen.
Meine Damen und Herren, abschließend möchte ich Sie nochmals dringend bitten - ich spreche hier nicht nur für mich bzw. für den Herrn Bundesminister des Auswärtigen, sondern ich bin ermächtigt, dies im Namen der Bundesregierung zu sagen -, dieses Gesetz nicht an die Ausschüsse zurückzuverweisen, sondern hier heute zur Abstimmung zu bringen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Preusker.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, in ein paar Punkten dieser Auseinandersetzung bedarf es vom Standpunkt unserer Fraktion aus noch der Klarstellung.
Zu dem, was gerade der Herr Kollege Seuffert hervorgehoben hat, möchte ich ausdrücklich betonen, daß auch nach unserer Auffassung an der Regelung, so wie sie in dem österreichischen Staatsvertrag und folgend in dem Vermögensvertrag getroffen worden ist, durch eine Rückverweisung in den Ausschuß nichts mehr geändert werden wird und nach unserer Überzeugung auch gar nichts mehr geändert werden könnte.
Wir sind uns völlig klar darüber, welche schweren Bedenken sich bei allen Regelungen, die nach diesem Krieg zur Normalisierung der Verhältnisse getroffen worden sind, durch die Vermischung von Prinzipien, die, sagen wir einmal, Ausfluß eines Siegerrechtes sind, und früher als selbstverständlich erachteten Grundsätzen des bürgerlichen, des zivilen Rechtes nun einmal ergeben haben. Wir würden es natürlich begrüßen, wenn mit wachsender Entfernung von jenen Geschehnissen das, was man früher als völkerrechtlich gesichert betrachtet hat, immer stärker zum Durchbruch käme. Ohne Zweifel bedeutet dieser österreichische Vertrag namentlich für die kleinen Gläubiger einen ungeheuren Fortschritt.
Uns geht es hier um etwas ganz anderes. Die Fälle, die hier als Härtefälle bezeichnet worden sind, sind nachher ausschließlich innerhalb des deutschen Bereichs zu regeln. Uns ist es bei dem Antrag auf Rückverweisung nur um eine weitere Klärung des Maßes der Bereitschaft der Bundesregierung gegangen, solche Härtefälle nicht zu ungerechtfertigten, man kann schon sagen „Katastrophen" wirtschaftlicher Art für den einzelnen Betroffenen ausufern zu lassen.
Da hat mich allerdings eines ganz besonders betroffen, nämlich die Erklärung, die hier von Herrn Staatssekretär van Scherpenherg auf die Zwischenfrage des Kollegen Bucerius abgegeben worden ist: Ja, wenn jemand gestorben ist, dann kann man nichts mehr ändern. - Uns ging es gerade darum, zu verhindern, daß Unschuldige in demselben Augenblick „sterben" müssen,
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in dem dieser Vertrag, der so vielen eine erhebliche Vermögensrückübertragung gewährt, in Kraft tritt.
Ich darf Ihnen einmal solche Fälle, wie sie sich ereignen können, vor Augen führen. Wenn ein österreichischer Schuldner jetzt mit den Sicherheiten in Anspruch genommen wird, die damals seine Vermögenswerte in Deutschland darstellten - insofern besteht auch ein erheblicher materieller Unterschied etwa gegenüber dem inländischen Demontagefall; denn da unterstand der Betreffende seit dem Augenblick der Währungsreform deutschen Rechtsverhältnissen, und ihm wurden alle Möglichkeiten des Schutzes gesetzlicher und tatsächlicher Art gewährt -, dann sind alle danach rangierenden Schuldverpflichtungen, die im Wiederaufbau in den vergangenen Jahren eingegangen worden sind, für den deutschen Gläubiger plötzlich dubios geworden. Es kann deshalb in demselben Augenblick, in dem dieser Vertrag mit allen seinen Möglichkeiten in Kraft tritt, bereits der Fall der Überschuldung, des Konkurses eintreten, ehe überhaupt die Möglichkeiten des Schiedsverfahrens und der Härteregelung Platz greifen können.
Es hätte nach unserem Dafürhalten nur einer in dieser Hinsicht präziseren Feststellung der Bundesregierung bedurft. Wenn uns der Vertreter des Auswärtigen Amts, Herr Staatssekretär van Scherpenberg, noch erklärt, daß solche Fälle tatsächlich mit der notwendigen Achtung der Lebenserfordernisse dieser Betriebe auch behandelt werden, könnten wir unsere Bedenken zurückstellen. Denn uns liegt nichts an einer Verzögerung des Inkrafttretens des Staatsvertrages, sondern uns liegt nur daran, daß nicht durch staatsrechtliche Regelungen, die plötzlich unvermutet und, ich möchte sagen, unverschuldet über einzelne hereinbrechen, Schäden entstehen, die nicht wieder repariert werden können, weil eine spätere Hilfe zu spät käme.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Atzenroth.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Seuffert hat in diese Debatte einige Akzente durch Ausführungen gebracht, die nicht unwidersprochen bleiben dürfen. Herr Seuffert, es ist von unserer Seite völlig klar erkannt worden, daß die Enteignung des über 10 000 Dollar hinaus vorhandenen Vermögens im Staatsvertrag vorgenommen worden ist, nicht in diesem Vertrag. Das ist völlig klar, das wissen wir; das brauchten Sie uns nicht noch einmal zu sagen. Die Enteignung des höheren Vermögens ist dort vorgenommen worden, und dieser Vertrag sieht eine Regelung der Rückgabe des kleineren Vermögens vor, die wir begrüßen.
Zweitens. Wir haben niemals - ich jedenfalls nicht - Angriffe gegen die österreichische Regierung gerichtet. Meine Vorwürfe haben sich gegen die deutsche Regierung gerichtet. Ich erkenne durchaus an, daß sich die Österreicher bei der Regelung der Rückgabe der kleinen Schulden großzügig gezeigt haben, daß sie uns eine Reihe von Vergünstigungen gewährt haben, zu denen sie nach dem Wortlaut des Staatsvertrages nicht verpflichtet waren. Das ist heute absolut geklärt.
Ich will noch ein drittes Moment erwähnen, hinsichtlich dessen ich einen falschen Akzent bemerkt habe: die Dringlichkeit. Auch wir sind der Meinung, daß es im Interesse der großen Zahl der Personen - 90 %, ist gesagt worden -, die Vermögen zurückerhalten, eilig ist, mit diesem Vertrag zu Rande zu kommen. Aber der Vorwurf mangelnder Eile darf dann doch nicht gegen uns erhoben werden. Der Vertrag ist im Juni 1957 abgeschlossen worden, und wir sind jetzt im Mai 1958. Jetzt kommt es auf acht Tage an?! Monatelang, fast ein Jahr lang ist das Parlament nicht mit dieser Sache beschäftigt worden, und jetzt ist es dringend! Mindestens ein halbes Jahr hat dazwischen gelegen. Diese Dringlichkeit kann ich also nicht anerkennen.
Unser Antrag auf Rückverweisung beinhaltet keineswegs, daß von der österreichischen Regierung unter allen Umständen gefordert werden soll, wegen einer Änderung des Vertrages mit uns noch einmal in Verbindung zu treten. Das ist vielleicht - aber das ist eine Entscheidung, die die Bundesregierung aus dem Klima der Verhandlungen selber treffen muß - nicht mehr möglich. Aber deswegen ist die Rückverweisung immer noch begründet.
({0})
- Warum? In diesem Ausführungsvertrag mußte, wie Herr Kollege Seuffert richtig gesagt hat, die Bundesregierung geben und nehmen. Das Geben hat sie aber zu Lasten eines bestimmten Kreises deutscher Personen getan, und dazu war sie nicht berechtigt. Sie mußte, wenn sie in den Verhandlungen über diesen Vertrag zu der Überzeugung kam: wir müssen etwas geben!, dieses Hingeben so gestalten, daß es eben die Bundesregierung belastet und nicht einen aus irgendwelchen Gründen zufällig erfaßten kleinen Kreis von Betroffenen. Diesen Fehler können wir bei einer Rückverweisung reparieren.
Herr Pelster unterstellt mir immer wieder, ich hätte Interesse an diesen Firmen. Ich kenne keine dieser deutschen Firmen, ich habe keine einzige Verbindung mit Österreich, sondern ich trete hier nur für das Recht am Privateigentum ein, ganz gleichgültig, wem es gehört, ob es Große oder Kleine sind. Die Bundesregierung kann nicht in einem Vertrag einen Verzicht zugunsten eines bestimmten Teils des Privateigentums leisten. Sie muß vielmehr diesen Verzicht dann zu Lasten der Allgemeinheit aussprechen, und so müßten wir den deutschen Teil des Vertrages gestalten.
Das heißt noch immer nicht, daß wir alle diese Personen von ihren Verpflichtungen entbinden wollen. Der Herr Staatssekretär hat gesagt, daß nach seiner Meinung eine Verletzung des Grundgesetzes hier nicht vorliege; die deutschen Schuldner seien durch den Staatsvertrag nicht befreit, der österreichische Gläubiger habe durch den Staatsvertrag seinen Anspruch verloren. - Gut, aber heute machen die österreichischen Gläubiger ihre Ansprüche geltend, und das müssen Sie im innendeutschen Recht ausgleichen. Nach Ihrer Meinung darf der österreichische Gläubiger keine Ansprüche mehr an den deutschen Schuldner stellen. Sie könnten theoretisch in das deutsche Gesetz einsetzen: Der deutsche Schuldner hat an die deutsche Regierung zu leisten, um das wieder auszugleichen, wozu die deutsche Regierung sich in dem Staatsvertrag bereit erklärt hat. Dann haben Sie es in der Hand, nach deutschen Gesetzen unter Beachtung des deutschen Grundgesetzes die Grundsätze von Recht und Billigkeit zu wahren. Diese Änderung können wir heute, können wir in der nächsten Woche noch in dem Gesetz vornehmen, und dann ist ein großer Teil der Bedenken, die wir vorgebracht haben, behoben.
Es ist also nicht so, daß ich alle diese deutschen Schuldner freistellen wollte, obwohl sie durch den Staatsvertrag nicht freigestellt worden sind - das
ist die Erklärung, die der Herr Staatssekretär gegeben hat -; aber sie gegenüber dem österreichischen Gläubiger freizustellen, das ist unser Recht, sogar unsere Pflicht. Wir können dann nach innerdeutschem Recht entscheiden, was die deutschen Schuldner noch leisten müssen, um wenigstens einen Teil der Kasten aufzubringen, die die deutsche Bundesregierung gegenüber Österreich in diesem Vertrag übernommen hat.
Der Herr Berichterstatter - ich glaube wenigstens, er war es - hat davon gesprochen, der Staatsvertrag habe 90 % der Betroffenen das Eigentum erhalten bzw. wiedergegeben. Ich möchte hier nur klarstellen, damit keine Verwirrung entsteht, daß die Zahl von 90 % natürlich nicht die Summen betrifft.
({1})
- Richtig, Herr Professor Schmid. Ich übe ja keine Kritik daran, ich will nur klarstellen. Die großen Vermögen sind enteignet, und ich habe in diesem Zusammenhang gar nicht gegen die Enteignung gesprochen. Grundsätzlich bin ich gegen diese Enteignung, aber sie ist im Staatsvertrag ausgesprochen worden; Deutschland hat nur eine geringe Einwirkungsmöglichkeit gehabt. Das gebe ich alles zu. Ich möchte nur eine Klarstellung bringen gegenüber Vorwürfen, in denen uns solche Tendenzen unterstellt werden.
Die Schlichtungsausschüsse, die der Herr Berichterstatter hier noch einmal erwähnt hat, haben weniger Rechte, als dargelegt warden ist. Sie müssen sich im Rahmen dieses Vertrages halten. Sie müssen die Bestimmungen dieses Vertrages zur Grundlage ihres Gutachtens machen. Damit sind sie so eingeengt, daß wir bestimmte deutsche Rechtsgrundsätze nicht mehr zur Geltung bringen können, wie das sonst vielleicht möglich gewesen wäre.
Meine Damen und Herren, wir sollten uns wirklich dazu aufraffen, diese Frage noch einmal in den Ausschüssen zu untersuchen. - Das kann innerhalb einer Woche geschehen. Dann könnten wir vielleicht zu der Lösung kommen, die im Prinzip der Herr Staatssekretär ja beinahe zugegeben hat. Er hat nur nicht die Vollmacht, die schließlich allein der Bundesregierung, dem Minister vielleicht, zusteht. Aber das können wir in einer nochmaligen Beratung in den Ausschüssen vielleicht doch noch erreichen.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Krone.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir werden dem Antrag auf Rücküberweisung an den Ausschuß nicht zustimmen. Auch in unseren Reihen bestanden Bedenken; Herr Kollege Bucerius hat sie vorgetragen. Sie sind ausgeräumt worden durch die Erklärung des Herrn Staatssekretärs, die er im Namen der Bundesregierung abgegeben hat, daß die Regierung sich unter Ausnutzung aller ihr gegebenen Möglichkeiten beDr. Krone
mühen wird, einen Weg zur Regelung dieser auch von uns als ernst angesehenen Fälle zu finden. Wir begrüßen diese Erklärung und werden diesem Vertrag zustimmen.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Professor Schmid.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will nur noch ein paar Worte an Sie richten, in erster Linie um unsere Kollegen von der FDP davon zu überzeugen, daß sie gut daran täten, ihren Antrag auf Rücküberweisung an den Ausschuß zurückzuziehen. Dieser Antrag könnte so, wie er gestellt ist, auch wenn dies nicht beabsichtigt ist - daß dies nicht der Fall ist, weiß ich -, sonst nach außen nur als eine Demonstration wirken,
({0})
als eine Demonstration, die man glaubte sich leisten zu können, „weil es ja nur gegen das kleine Osterreich geht". Ich frage mich, ob man ein ähnliches Ausdeutungsrisiko auf sich nehmen würde, wenn es sich um einen anderen Partner als Österreich handelte!
({1})
Ich muß gestehen, daß ich den Rückverweisungsantrag der beiden Kollegen Preusker und Atzenroth nicht begreife. Beide Herren sind der Meinung, daß an dem Vertrag nichts geändert werden kann und soll. Was sollen wir dann also im Ausschuß noch beraten, wenn wir willens sind, dem Vertrag zuzustimmen?
Worüber wir offenbar nicht einig sind und wo die FDP meiner Meinung nach mit Recht gewisse Forderungen stellt, das betrifft nicht das Völkerrecht des Problemkreises, von dem wir handeln, sondern die Regelung innerdeutscher Rechtsverhältnisse. Deren Lösung können wir doch durch Rückverweisung der Beratung über die Zweckmäßigkeit dieses Vertrages an den Ausschuß nicht in Angriff nehmen! Dafür muß doch ein Antrag an dieses Haus gestellt werden, der die Regierung zu einem bestimmten Verhalten verpflichtet. Aber das hat doch nichts mit der Zustimmung zu diesem völkerrechtlichen Vertrage zu tun.
Wenn wir zurückverweisen sollten - ich wiederhole Gesagtes -, wird dies wie eine Demonstration wirken. Es wird dann so aussehen, als glaube man, noch einen bestimmten Druck auf den Vertragspartner ausüben zu können. Wenn Sie das auch nicht wollen, so wird es doch so aussehen! Man sollte auch den Schein meiden. Herr Kollege Bucerius, ich glaube, Sie sind mit mir einig, daß man sich auch vor dem bloßen Anschein hüten sollte.
({2})
Deswegen, meine Herren von der FDP, bitte ich Sie, doch Ihren Antrag auf Rückverweisung zurückzuziehen. Er ist gegenstandslos, was die völkerrechtlichen Auswirkungen des Vertrages, den Sie ja
auch wollen, anlangt, und politisch ist er, glaube ich, schädlich. Es wird ein Schaden angerichtet, den Sie selbst nicht wollen; das weiß ich. Und dann: es kommt auch darauf an, daß gerade bei diesem Vertrag die Zustimmung zur Ratifikation möglichst einmütig erfolgt.
({3})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Atzenroth.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die soeben erhobene Unterstellung - ({0})
- Ich weiß gar nicht, wie ich es anders ausdrücken soll, wenn man uns eine solche Haltung unterstellt; in dem Wort „Unterstellung" liegt ja auch kein Vorwurf. - Die soeben ausgesprochene Unterstellung, daß es sich hier um eine Demonstration gegen ein kleines Land handle, muß ich mit aller Entschiedenheit zurückweisen.
({1})
- Ich habe durch meine Ausführungen nachgewiesen, daß wir durchaus in der Lage sind, ohne den Vertrag selbst zu ändern,
({2})
dieses Zustimmungsgesetz zu ändern. - Herr Professor, wir beschließen hier doch nicht über den Vertrag, sondern wir beschließen ein Zustimmungsgesetz, und dieses Zustimmungsgesetz können wir ändern, ohne daß wir mit Österreich in irgendeine Beziehung treten.
({3})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Debatte ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Es liegt als erstes vor der Antrag auf Rücküberweisung an den Finanzausschuß. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Abgelehnt.
Dann kommen wir zur Sachentscheidung. Wer in der zweiten Lesung den aufgerufenen Artikeln 1, 2 und 3, ferner der Einleitung und Überschrift des Gesetzentwurfs, Drucksache 226, zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? -
Gegen einige Stimmen angenommen.
Wir komen zur
dritten Beratung.
Ich darf wohl annehmen, daß Widerspruch nicht
erhoben wird. - Widerspruch wird nicht erhoben.
Vizepräsident Dr. Becker
Ich rufe auf die dritte Beratung. Wird das Wort zur Generaldebatte gewünscht? Ich darf annehmen, nicht, denn sie hat praktisch soeben schon stattgefunden. - Dann ist die Generaldebatte geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung über das Gesetz im ganzen. Dabei darf ich darauf aufmerksam machen, daß der Ausschuß einen Zusatz zu dem ursprünglichen Text beschlossen hat, nämlich die Einfügung der Worte „mit Zustimmung des Bundesrates". Wer also in der dritten Beratung dem Gesetz mit diesem Zusatz zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Mit Mehrheit angenommen. - Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe den nächsten Punkt der Tagesordnung auf - das ist Punkt 7 der gemeinsamen Tagesordnung für gestern und heute -, nämlich:
a) Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Grundgesetzes ({0});
b) Erste Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Grundgesetzes ({1}),
c) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Vorlage eines Atomgesetzentwurfs ({2}).
Als erster hat zur Begründung des Gesetzentwurfs unter 7 a das Wort der Herr Abgeordnete Wittrock.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hat Ihnen einen Antrag auf Ergänzung des Grundgesetzes vorgelegt, der darauf hinzielt, dem Bund eine Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenz zur Regelung der Erzeugung und Nutzung der Kernenergie für friedliche Zwecke zu geben. Wir sind stets der Auffassung gewesen, daß der Bund auf eine solche Kompetenz nicht verzichten kann. Dies war auch die Ansicht der Bundesregierung in der Begründung ihrer Vorlage zum gleichen Sachgebiet, einer Vorlage, die der 2. Bundestag beraten hat. Diese Regierungsvorlage war in der 2. Wahlperiode als Drucksache 3026 eingebracht worden.
Nicht nur zur Erfüllung vertraglicher internationaler Verpflichtungen wie der der Einhaltung des Verbots zur Herstellung von Atomwaffen und der Kontrolle über die Verwendung zu liefernder Kernbrennstoffe, sondern auch zur Sicherung der Rechts- und Wirtschaftseinheit wenigstens im Bereich der Bundesrepublik ist eine Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes zur Regelung der Fragen erforderlich, die sich aus der Erschließung der Kernenergie für friedliche Zwecke ergeben. Gerade am Beginn einer neuen Entwicklungsphase in unserem gesellschaftlichen Zusammenleben können die Gefahren einer Rechtszersplitterung nicht in Kauf genommen werden. Diese Gefahren drohen, wenn der Bundesgesetzgeber nicht das Erforderliche tut. Bereits jetzt
haben, wie Sie alle wissen, einige Länder Regelungen getroffen, aber nicht aus landesegoistischen Motiven, sondern ganz einfach deshalb, weil der Bundesgesetzgeber seine Verpflichtungen bisher nicht erfüllt und für die Länder somit eine Zwangslage geschaffen hat.
Die Zuständigkeit des Bundes zur Gesetzgebung auf dem Gebiet der Kernenergie ergibt sich nicht schon aus den jetzigen Vorschriften des Grundgesetzes. Die so oft in diesem Zusammenhang zitierten Ziffern 11, 12 und 13 des Artikels 74 des Grundgesetzes mögen zwar Teile eines Atomgesetzes decken. Dennoch bleiben Lücken, die nur durch eine ausdrückliche verfassungsrechtliche Regelung geschlossen werden können. Die Richtigkeit dieser Auffassung - und nur sie wird der Bedeutung des Gebiets der Erschließung der Kernenergie gerecht
- ist bisher weder von der Bundesregierung noch von den Fraktionen des Hauses bestritten worden. Ich kann mich hierzu auf den Bericht beziehen, den der Abgeordnete Dr. Wahl mit Drucksache 3416 dem 2. Bundestag als Berichterstatter des Rechtsausschusses vorgelegt hatte.
Wir Sozialdemokraten bedauern, daß trotz dieser Sachlage die Grundgesetzergänzung, die, wie soeben ausgeführt, dem 2. Bundestag vorgelegen hatte, damals am Widerstand eines Teiles der CDU-Fraktion gescheitert ist. Wie bedauern weiterhin, daß trotz der unbestrittenen und unbestreitbaren Dringlichkeit die Bundesregierung den über ihre Absichten gebreiteten Schleier bisher nicht gelüftet hat.
Im 2. Bundestag war die Grundgesetzergänzung gescheitert, weil man auf einmal an der zuvor von allen Fraktionen akzeptierten Festlegung Anstoß nahm, daß die Gesetzgebungskompetenz auf dem Gebiet der Kernenergie nur für friedliche Zwecke
- ich unterstreiche dabei: „nur für friedliche Zwecke"; denn auf diese Worte kam es damals entscheidend an - erteilt werden solle. Einige politische Strategen der CDU, die sonst mit der Verfassung recht robust umzugehen pflegen,
({0})
gebärdeten sich plötzlich als die superpeniblen Entdecker verfassungsrechtlicher Fallen, in die die gesamte Militärkonzeption der Bundesregierung geraten könnte.
({1})
- Sie lachen, Herr Kollege Martin. Lesen Sie bitte einmal die Protokolle der letzten Sitzungen des 2. Bundestages nach. Daraus werden Sie entnehmen können, daß das, was ich hier sage, durchaus zutreffend ist.
Man entdeckte plötzlich vermeintliche verfassungsrechtliche Fallen. Man tat so, als handele es sich bei dieser Festlegung der Gesetzgebungskompetenz, die allein dem Bundesgesetzgeber ein Recht erteilen und gleichzeitig für die Ausübung dieses Rechtes eine Schranke ziehen sollte, um eine Festlegung des Umfanges der gesamten Staatstätigkeit. Man war lieber bereit, auf jede Gesetzgebungskompetenz zu verzichten, als eine Befugnis zum Erlaß von Bundesgesetzen zuzulassen, die auf eine
Atomgesetzgebung nur für friedliche Zwecke beschränkt ist.
Dies alles zeigt, in einem wie starken Maße das Denken eines Teiles der CDU von militärischen Kategorien beherrscht ist. Oder sollte das alles nur Blendfeuerwerk gewesen sein, das man hat aufsteigen lassen, um dahinter durch das Scheiternlassen des Atomgesetzes sehr handfeste wirtschaftliche Interessen zu wahren?
({2})
- Sie sagen: Au, au! Aber bitte, die Anwesenheit maßgeblicher Industrievertreter im Bundeshaus am Tage des Scheiterns des Entwurfs könnte immerhin dafür sprechen.
({3})
- Nun, wenn Sie das bestreiten, frage ich: Oder hat man vielleicht geglaubt, auf diese Weise eine parlamentarische Lage zu schaffen, die darauf berechnet war, die SPD-Fraktion zu einer mittelbaren Zustimmung zur atomaren Rüstung zu nötigen? Das sind Fragen, meine Damen und Herren von der CDU, welche Antworten verlangen.
Wir Sozialdemokraten meinen, daß mit solchen kleinen Listigkeiten der Streit über die Frage der atomaren Bewaffnung nicht geführt werden kann. Unsere Bemühungen, dem Bundesgesetzgeber die Befugnis zur Atomgesetzgebung nur für friedliche Zwecke zu geben, sind keine Phase in dem Kampf zur Vermeidung des Unglücks einer Ausdehnung des Kreises der atomar bewaffneten Mächte.
Der Sinn unseres Antrags auf Verfassungsergänzung ist klar und eindeutig: Soweit dem Bundesgesetzgeber Befugnisse zum Erlaß von Gesetzen zur Erschließung der Kernenergie erteilt werden - und sie sind zu erteilen -, dürfen die auf Grund dieser Befugnisse ergehenden Gesetze nur friedlichen Zwecken dienen. Wir wollen nicht, daß es in der Bundesrepublik Bundesgesetze gibt, welche die Möglichkeit zu einer Erschließung der Kernenergie für kriegerische Zwecke geben.
Wem dies zu weit geht, der spielt mit dem Gedanken, meine Damen und Herren, durch Bundesgesetze künftige Möglichkeiten zur Atomwaffenproduktion zu schaffen. Das würde politisch bedeuten, daß man die Revision der vertraglichen Verpflichtung zur Beachtung des Verbots der Atomwaffenproduktion anstrebt. Einen solchen Weg, meine Damen und Herren, könnten wir nicht beschreiten; und auch Sie sollten das nicht tun.
Vor die Frage gestellt, ob Sie dem Bundesgesetzgeber überhaupt keine legislativen Befugnisse zur Regelung der Probleme geben wollen, die sich aus der notwendigen Erschließung der Kernenergie ergeben, oder ob Sie ihm diese Kompetenz beschränkt auf die Gesetzgebung für friedliche Zwecke geben wollen, sollte Ihnen die Antwort nicht schwerfallen. Eine schnelle Entscheidung über unseren Antrag auf Verfassungsergänzung und unseren Antrag auf Vorlage eines Atomgesetzentwurfs ist möglich, und sie tut not!
({4})
Zur Begründung des Antrags unter Tagesordnungspunkt 7 b hat das Wort Herr Abgeordneter Dr. Rutschke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß den Herrn Kollegen Wittrock insofern berichtigen, als er der Auffassung Ausdruck gab, daß sich im vorigen Bundestag auch die Freie Demokratische Partei in jeder Weise den Standpunkt zu eigen gemacht habe, eine Grundgesetzänderung sei notwendig. Der Kollege Dr. Drechsel, der in der zweiten Legislaturperiode des Bundestages hier die Auffassung der Freien Demokratischen Partei darlegte, hat von Anfang an unmißverständlich zum Ausdruck gebracht, daß wir eine Grundgesetzänderung nicht für notwendig halten, sondern daß auf Grund der bestehenden Vorschriften der Gewerbeordnung oder des Grundgesetzes ohne weiteres das Atomgesetz erlassen werden kann.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sind nach wie vor dieser Auffassung. Wir meinen, daß in letzter Zeit diese unsere Ansicht eine Bekräftigung erfahren hat. Am 2. November 1957 hat der Professor des öffentlichen Rechts an der Universität Heidelberg, Herr Dr. Hans Schneider, in einem Schreiben folgendes zum Ausdruck gebracht:
Es leuchtet mir aber nicht ein, inwiefern eine Grundgesetzergänzung notwendig sein soll. Die notwendige Genehmigungspflicht für die Errichtung von Reaktoranlagen ließe sich ohne weiteres durch eine Novelle zur Reichsgewerbeordnung einführen. Es würde schon genügen, wenn in den Katalog der „Anlagen, welche einer besonderen Genehmigung bedürfen" ({0}) die Worte „Anlagen zur Verwendung von Kernbrennstoffen" ... eingefügt würden.
({1})
- Herr Kollege, ich komme noch darauf.
Dies würde sich auch auf Atommeiler beziehen, die nicht gewerblich benutzt werden, denn die §§ 16f. Reichsgewerbeordnung erstrecken sich auf alle dort aufgezählten gefährlichen Anlagen, ohne Rücksicht darauf, ob sie gewerbsmäßig betrieben werden oder nicht.
Dann fährt er fort:
Eine Ermächtigung zum Erlaß von BundesRechtsverordnungen liefert § 24, dessen letzte Fassung ({2}) bereits „Anlagen zur Erzeugung und Verwendung von Röntgen- oder radioaktiven Strahlen" für überwachungsbedürftig erklärt.
Es mag vielleicht ein gewisser Zweifel aufkommen, ob § 1 der Reichsgewerbeordnung nicht von vornherein festlegt, daß es sich nur um gewerbliche Anlagen handeln dürfe und insofern auch die folgenden
Paragraphen daran gebunden sind. Das bedarf noch der Überprüfung.
({3})
Wir sind der Auffassung, meine Damen und Herren, daß allein der am 1. Januar dieses Jahres in Kraft getretene Vertrag über Euratom eine gänzlich veränderte Situation geschaffen hat. Hier darf ich noch einmal auf den Bericht, den Sie, Herr Kollege Wittrock, bereits zitiert haben, den Bericht des Abgeordneten Dr. Wahl aus dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht, Drucksache 3416, zurückkommen. Darin wird gesagt - das haben ja auch Sie anerkannt, Herr Kollege Wittrock -, daß gewisse Grundlagen ohnehin im Grundgesetz gegeben sind. Aber im Bericht steht:
Die Verwendung der Kernenergie für Forschungs- und medizinische Zwecke läßt sich schwerlich unter den Begriff der Wirtschaft subsumieren.
Diese Frage ist durch Euratom geklärt, und zwar sind die Artikel 33 und 35 des Euratom-Vertrages heranzuziehen, wo sich die Bundesregierung mit Ihrer Zustimmung, meine Herren der SPD, verpflichtet hat, Ausführungsbestimmungen zu dem Euratom-Vertrag zu erlassen. Auch der Einwand, der in diesem Schriftlichen Bericht von Herrn Professor Dr. Wahl gemacht wird, daß die Genehmigung der Errichtung von Atomanlagen und die nötigen Schutzvorschriften nicht gedeckt seien, ist von vornherein durch den Euratom-Vertrag entschieden.
Wir brauchen also an sich nur noch eine Ergänzung des Euratom-Vertrages zu bringen. Denn durch den Abschluß des Euratom-Vertrages ist die Sache auf die außenpolitische Ebene geschoben worden, und hier hat der Bund ohne weiteres die Gesetzgebungskompetenz. Das ist wohl nicht zu bestreiten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich wollte mit diesem Hinweis klarmachen, daß im Ausschuß noch sehr eingehend geprüft werden muß, ob überhaupt eine Grundgesetzergänzung notwendig sein wird. Als wir trotzdem - Herr Kollege Wittrock, jetzt komme ich auf das, was Sie vorhin beanstandet haben - einen Entwurf zur Ergänzung des Grundgesetzes einbrachten, sind wir ausschließlich von folgenden Gesichtspunkten geleitet worden. Das Tauziehen um das Atomgesetz geht nunmehr drei Jahre. Der Herr Kollege Wittrock hat Ihnen bereits aufgezeigt, welche Schwierigkeiten es gegeben hat. Man hat anderen Fraktionen Zusagen gemacht und hat sie später nicht eingehalten. Es ist ein Tauziehen, das nicht länger verantwortet werden kann, und zwar nicht verantwortet werden kann gegenüber unserer Bevölkerung, den Wissenschaftlern und der Wirtschaft. Diese Gruppen haben ein Recht darauf, daß der rechtlose Zustand nun endgültig beseitigt wird.
Daran ändert auch nichts die Tatsache, daß nun die Länder durch Hilfskonstruktionen - denn mehr sind viele Gesetze der Länder nicht - hier vorerst etwas überbrücken wollten. Es arbeiten im Bundesgebiet schon zwei Reaktoren, und zwar in München
und Frankfurt; kurz vor der Vollendung oder im Bau sind Reaktoren in Hamburg, Berlin ({4}) und Karlsruhe-Leopoldshafen. Die Dringlichkeit der Regelung der Materie ist also ohne weiteres ersichtlich. Atomgesetze sind verkündet in Bayern, Hambung, Hessen und Nordrhein-Westfalen, in Beratung in Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein. Ich komme aus Baden-Württemberg und kann Ihnen daher sagen, daß das Gesetz in Baden-Württemberg keine Haftungsbestimmung enthält. Man gibt also die Bevölkerung irgendwelchen Unglücksfällen oder Zufällen preis, ohne bisher Haftungsbestimmungen in diese Gesetze eingebaut zu haben. Das sollte uns doch alle veranlassen, daran mitzuarbeiten, daß endlich ein Bundesgesetz über die Atomenergie zustande kommt. Im Lande Bremen ist ein Atomgesetzentwurf von der Bürgerschaft abgelehnt worden, und zwar, soweit ich hörte, mit der Begründung, dafür sei ja der Bund zuständig. Nun, wollen wir diesen ermunternden Aufruf der Bremer Bürgerschaft auch wirklich ernst nehmen!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte nur noch kurz auf die beiden Anträge, den der SPD in der Drucksache 30 und unseren Antrag Drucksache 266, eingehen. Wir sind der Überzeugung, daß unser Antrag - Drucksache 266 - zweckmäßiger ist, weil er umfassender ist. Die SPD hat sich ja an die Ausschußvorlage gehalten; es ist also nichts originär von ihr jetzt eingebracht, sie gibt nur das Ergebnis der Ausschußberatungen weiter. Aber es ist teilweise eine enumerative Aufzählung, und hier könnte man in Bedrängnis kommen, wenn eine jetzt nicht übersehbare Weiterentwicklung dann vielleicht wieder eine Grundgesetzänderung notwendig machen würde. Wir glauben also, unser Entwurf, der viel kürzer ist - „die Erzeugung und Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken und den Schutz gegen hierbei entstehende Gefahren" - ist allumfassender und daher zweckmäßiger. Es ist ja das gleiche damit gemeint.
Nicht zustimmen können wir allerdings dem Vorschlag zu Artikel 87 c in der Vorlage der SPD-Fraktion Drucksache 30, weil wir der Meinung sind, daß es nicht sonderlich sinnvoll ist, wenn man auf der einen Seite Euratom proklamiert, um eine Zusammenfassung zu erreichen, und auf der anderen Seite wieder auf die Bundesländer dezentralisiert. Das macht die Sache teurer und schwieriger. Wir sind der Auffassung, daß eine Zusammenfassung in Form der Bundesanstalt für Atomenergie gemacht werden sollte; das ist zweckmäßiger und besser.
Wir bitten daher - und ich beantrage es hiermit -, die Drucksache 266, Antrag der Fraktion der FDP: Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Grundgesetzes, dem Rechtsausschuß - federführend - und dem Ausschuß für Atomenergie und Wasserwirtschaft - mitberatend - zu überweisen.
Ich darf aber nochmals ausdrücklich betonen, daß man sich zunächst sehr stark mit der Frage auseinandersetzen sollte, ob die Grundgesetzänderung überhaupt notwendig ist.
({5})
Das Wort zur Begründung des Antrags unter Punkt 7c) - Drucksache 344 hat der Abgeordnete Ratzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf wohl, bevor ich Ausführungen zu dem Inhalt unseres Antrags mache, einige historische Bemerkungen vorausschicken. Ich glaube, wir sollten uns daran erinnern, daß die Bundesregierung ein Gesetz über die friedliche Verwendung der Atomenergie bereits seit dem Mai 1955 hätte erlassen können. Daraus, daß heute, drei Jahre danach, der ungeregelte Zustand immer noch vorhanden ist, kann man, glaube ich, dem Parlament in bezug auf die erste Phase keinen Vorwurf machen. Es hat immer die Regierung gedrängt. Wir hatten Aussprachen auf Grund von Initiativen des Parlaments, aber ohne den Erfolg, daß die Regierung rechtzeitig genug ein Atomgesetz vorgelegt hätte. Vor zwei Jahren, am 19. April 1956, haben wir den Gesetzentwurf der FDP beraten, der aus einem Entwurf der Interparlamentarischen Arbeitsgemeinschaft hervorgegangen ist. Dabei hat der damalige Bundesatomminister Strauß den schönen Satz gesagt: „Eile mit Weile! Lebendigkeit muß mit Vernunft gepaart sein." Ich wünschte, daß Herr Strauß diesen Satz auch heute noch auf seinem neuen Tätigkeitsgebiet beherzigte. Auf alle Fälle können wir sagen: bei der friedlichen Verwendung der Atomenergie ist es nur bei der Weile geblieben, und man hat hier mit wenig Vernunft gehandelt.
Am 22. Februar 1957 endlich hat die Bundesregierung dem Parlament einen Gesetzentwurf vorgelegt. Der damalige Ausschuß für Atomfragen hat sich, das kann man wohl sagen, redlich bemüht, diesen Entwurf rechtzeitig zu beraten, um noch vor dem Ende der Legislaturperiode des 2. Bundestages eine gesetzliche Regelung zu ermöglichen. Wir waren uns alle darüber im klaren, daß ein Gesetz notwendig ist, um der Forschung und der Entwicklung die Bahn freizugeben, damit wir den Anschluß an die anderen Länder erreichen können, und wir waren uns insbesondere auch darüber im klaren, daß ein solches Gesetz wegen der steigenden Verwendung radioaktiver Isotope erforderlich ist. Wir haben uns dann interfraktionell auf einen gemeinsamen Gesetzentwurf geeinigt. Leider ist dieser Gesetzentwurf in der zweiten und dritten Beratung gescheitert. Er ist gescheitert, weil sich einige Abgeordnete der CDU - darunter sogar einer, der an den Kompromißverhandlungen beteiligt gewesen ist - bei der Abstimmung über die Ergänzung des Grundgesetzes der Stimme enthalten haben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben heute einen gewissen Abstand von diesen Dingen. Rückblickend können wir doch sagen: Die Ergänzung des Grundgesetzes und damit das Atomgesetz sind damals gescheitert, weil zweierlei zusammenkam: einmal die Befürchtung gewisser Kreise der Industrie, die Atomenergie könnte ihr starke Konkurrenz machen, und zum zweiten vielleicht die Auffassung anderer Industriekreise, denen der Kompromiß, den wir geschlossen hatten, nicht gefiel. Daß das keine bloße Unterstellung ist, ergibt sich wohl aus einer Äußerung, die der Generaldirektor Dr. Reusch vom Ruhrbergbau vor einigen Wochen gemacht hat. Er hat nämlich in Frankfurt erklärt: „Jedes Jahr, das verlorengeht, bedeutet für uns einen Gewinn." Wen er mit „uns" meint, geht nicht ganz klar hervor. Ich nehme aber an, daß er den Ruhrbergbau meint.
Der zweite Beweggrund, der zum Scheitern der Grundgesetzergänzung führte, war die Furcht des Bundeskanzlers, diese Grundgesetzergänzung könnte die atomare Bewaffnung der Bundeswehr verhindern. Beides kam zusammen, vielleicht wurden die beiden Motive auch noch gemixt. Die Folge war, daß die Grundgesetzergänzung und das Atomgesetz verhindert wurden.
Seither ist fast ein Jahr vergangen, und wir können der Bundesregierung den Vorwurf nicht ersparen, daß sie in diesem Zeitraum keine Initiative ergriffen hat, um endlich einmal zu einer Regelung auf dem Gebiet der friedlichen Verwendung der Atomenergie zu kommen.
Viele Gründe sprechen dafür, daß wir sehr rasch zu einer Regelung kommen müssen. Die Rechtszersplitterung, die auf diesem Gebiet um sich greift, wurde hier schon angeführt. Man kann weiter sagen, daß doch der Euratom-Vertrag bundesgesetzliche Regelungen voraussetzt, damit der Bund seine Verpflichtungen aus diesem Vertrag erfüllen kann. Aber der wesentlichste Grund ist die Tatsache, daß heute der Gesundheitsschutz der Bevölkerung, insbesondere der Arbeitnehmer, im Hinblick auf die ionisierende Strahlung nicht mehr gewährleistet ist.
Der Herr Bundesminister für Atomkernenergie hat im Februar dieses Jahres in einer Fragestunde erklärt, daß die derzeitigen gesetzlichen Grundlagen nicht ausreichen, eine lückenlose Kontrolle radioaktiver Stoffe zu gewährleisten. Er mußte zugeben, der Vorfall mit dem Iridium hat gezeigt, daß auch in den Bundesländern zur Zeit keine ausreichende Strahlenschutzüberwachung durchgeführt wird. Der Minister hat damals die Abgabe von radioaktiven Substanzen an gewerbliche Wirtschaftszweige verboten. Das war zweifellos im Interesse der Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer und der ganzen Bevölkerung richtig. Auf der anderen Seite können wir, wenn wir endlich den Anschluß an die gleichwertigen Länder erreichen wollen, jetzt nicht noch ein Verbot der Verwendung dieser Stoffe aussprechen. Wir wollen ja gerade auch in der gewerblichen Wirtschaft Erfahrungen sammeln.
Seither sind weitere Pannen passiert, z. B. in Aachen mit einer Kobaltquelle, die immerhin eine Radioaktivität von 2 kg Radium aufwies, eine Menge, die es, wie ich glaube, vor dem zweiten Weltkrieg in der ganzen Welt gar nicht gegeben hat. Also die Lösung dieses Problems ist dringend geboten, und es ist an der Zeit, daß endlich etwas geschieht.
Über die Schritte, die getan werden müssen, sind wir uns im klaren. Einmal geht es darum, im Grundgesetz den Katalog zu ergänzen und mit der
Grundgesetzergänzung das Atomgesetz zu verabschieden. Hinterher kann dann auch sofort die Strahlenschutzverordnung erlassen werden.
Man sagt uns, die Strahlenschutzverordnung liege in der Schreibtischschublade des Ministers, und nur weil die notwendigen Initiativen von seiten der Regierung und auch der Mehrheit dieses Hauses nicht ergriffen worden sind, bestehen noch die Gefahren auf diesem Gebiet. Das ist ein schlechter Zustand.
Wir Sozialdemokraten haben in unserem Antrag Drucksache 344 deshalb die Regierung aufgefordert, endlich ein solches Atomgesetz vorzulegen. Wir haben in diesem unserem Antrag auch klargelegt, was unserer Meinung nach auf diesem Gebiet getan werden muß.
Es geht uns Sozialdemokraten bei dem Atomgesetz aber auch um folgendes. Einmal sollen die Bevölkerung und die Arbeitnehmer vor den Gefahren der ionisierenden Strahlen, die in immer größerem Umfang auftreten, geschützt werden. Es geht uns weiterhin darum, eine leistungsfähige und konkurrenzfähige Atomwirtschaft auf dem friedlichen Sektor zu entwickeln, weil wir der Meinung sind: es drängt, daß wir mit den anderen konkurrenzfähig werden. In den nächsten zehn Jahren werden große Investitionen in der Bundesrepublik und in Europa durchgeführt, und auf diesem Gebiet sollte doch auch die deutsche Wirtschaft konkurrenzfähig sein.
Schließlich ist es unserer Meinung nach sowohl für die Lösung der Fragen des Gesundheitsschutzes als auch für die Wettbewerbsfähigkeit einer deutschen Atomwirtschaft notwendig, daß durch das Gesetz die Forschung und die Entwicklung in der Bundesrepublik gefördert werden. Denn hier werden ja erst die Voraussetzungen geschaffen, um die anderen Aufgaben lösen zu können. Weil wir der Meinung sind, daß das oberste Ziel der gesetzlichen Regelung die Sicherheit und der Gesundheitsschutz der Bevölkerung und der Arbeitnehmer sind, halten wir eine lückenlose Kontrolle des spaltbaren Materials für unbedingt notwendig.
Wir sind weiterhin der Meinung, daß die Einfuhr und die Ausfuhr, die Verwahrung und die Verteilung am besten in die Zuständigkeit des Bundes genommen werden und man hier keinen privaten Wettbewerb schaffen sollte, weil er weniger Gewähr für Sicherheit und Kontrolle gibt. Es geht bei diesen Stoffen im Grunde genommen um so geringe Mengen, daß sich ein Wettbewerb zwischen verschiedenen Firmen gar nicht lohnt.
Der Vertreter des Bundesatomministeriums hat im Ausschuß auf die Frage, welche Mengen an Kernbrennstoffen bis 1965 denn etwa benötigt werden, die Zahl von, ich glaube, 1000 oder 1500 kg genannt; es ist etwas mehr als eine Tonne, wenn ich es richtig in Erinnerung habe. Das sind Mengen, wo es sich gar nicht lohnt, verschiedene Private einzuschalten. Wenn die Verwaltung in der öffentlichen Hand liegt, haben wir viel mehr Kontrolle und Sicherheit. Nach unserer Meinung sind die Sicherheitskontrollen am wirksamsten, wenn auch die Anlagen, die der Erzeugung und Spaltung von Kernbrennstoffen dienen, von Einrichtungen der öffentlichen Hand betrieben werden.
Man sagt uns zwar: Wenn wir den Rückstand auf diesem Gebiet aufholen wollen, ist es notwendig, daß sich die privatwirtschaftliche Initiative frei entfalten kann. Auf dem Gebiet der Forschung und der Entwicklung kann sich die private Initiative frei entfalten. Aber es ist die Frage: zeigt denn die Privatwirtschaft überhaupt eine Initiative? Wir haben doch Beispiele, die klar erkennen lassen, daß es mit der privatwirtschaftlichen Initiative schlecht bestellt ist.
Ich darf an das Beispiel der Kernreaktor-GmbH erinnern, die ein Gesellschaftskapital von 40 Millionen DM hat. Davon werden 20 Millionen von der privaten Wirtschaft und 20 Millionen vom Land Baden-Württemberg und vom Bund aufgebracht. Der Bund bringt zusätzlich noch 12 Millionen DM für die Kernbrennstoffe und weiter 1 Million DM für Betriebskosten auf. Das Stimmverhältnis im Aufsichtsrat dieser Gesellschaft ist 50 : 50. Wie der Wirtschaftsminister von Baden-Württemberg erklärte, reichen diese 40 Millionen DM nicht aus. Das war von vornherein klar, wenn man sich überlegte, daß das Vorbild für Karlsruhe, nämlich Harwell, jährlich etwa 160 oder 170 Millionen DM an laufenden Aufwendungen ausgibt.
Nun soll dieses Kapital erhöht werden. Soweit ich unterrichtet bin, erklären die nicht armen Industriellen, die hinter der Physikalischen Studiengesellschaft stehen: Wir können dazu nichts mehr beitragen, aber die 50 % Stimmen im Aufsichtsrat wollen wir behalten. - Ich meine, das läßt sich nicht ganz miteinander vereinbaren.
Wir haben auch gehört, daß im vergangenen Jahr im Bundeswirtschaftsministerium Überlegungen angestellt worden sind, wie man den Start der deutschen Atomwirtschaft fördern könne. Da hat man erwogen, daß, da die Aufwendungen pro Kilowatt zu installierender Leistung 1500 DM gegenüber 500 DM bei klassischen Kraftwerken betragen, die öffentliche Hand dieses zusätzliche Risiko von 1000 DM übernehmen solle. Es wurden Überlegungen darüber angestellt, wie man trotz dieser Zuwendungen von der öffentlichen Hand eine Einflußnahme der öffentlichen Hand möglichst verhindern könne. Man möchte, wie wir gehört haben, auch dafür sorgen, daß, wenn das besondere Risiko der Atomwirtschaft beseitigt ist, auch die öffentliche Gewalt völlig verschwindet und die Privaten hier allein schalten und walten können.
Wie wenig die Privatwirtschaft zur Übernahme von Risiken auf diesem Gebiet bereit ist, haben wir auch bei der Beratung des Atomgesetzes vor einem Jahr erlebt, als es um die Frage der Haftpflicht ging. Man war nicht einmal bereit, eine Gefährdungshaftung für 3 oder 5 Millionen DM zu tragen. Man hat gesagt: Alles muß durch eine Staats- oder Bundesgarantie gedeckt werden. Ich meine, wenn man für die Privatwirtschaft Rechte verlangt, dann muß diese auch gewillt sein, Risiken zu tragen. Man kann nicht einfach nur das, was Gewinne abwirft,
der privaten Wirtschaft überlassen und sämtliche Risiken, die gegeben sind, sozialisieren.
Daß es sich bei der Frage der Haftung um ziemlich beträchtliche Risiken handelt, zeigen die amerikanischen Vorstellungen auf diesem Gebiet. Danach sollen die Unternehmer von Reaktoren immerhin eine Gefährdungshaftung in Höhe von 50 Millionen Dollar durch Abschluß eines entsprechenden Vertrages übernehmen. Darüber hinaus will der amerikanische Staat noch weitere Risiken bis zu 500 Millionen Dollar übernehmen. Das zeigt doch, daß da ganz beträchtliche Risiken eingegangen werden müssen.
Wenn wir überlegen, daß wir bei dem damaligen Kompromiß im Atomgesetz nur eine Gefährungshaftung für die Unternehmer in Höhe von 15 Millionen DM vorsahen, wird uns klar, daß hier der öffentlichen Hand, dem Steuerzahler, zuviel aufgebürdet wird, während auf der anderen Seite den privaten Unternehmen Chancen gegeben werden, die in keinem Fall mit den Risiken übereinstimmen, die sie auf sich nehmen wollen. Auch das sind Gründe, die dafür sprechen, daß man solche Anlagen von Einrichtungen der öffentlichen Hand betreiben läßt. Damit beschreiten wir keinen Weg der Experimente, sondern halten uns an durchaus achtenswerte Vorbilder in Amerika, in England, in Holland und in anderen Staaten.
Nun darf ich noch einige wenige Bemerkungen zu unserer Forderung nach einer unabhängigen deutschen Atomkommission machen. Für uns Sozialdemokraten ist klar, daß ein wirklicher Erfolg in der friedlichen Verwendung der Kernenergie nur möglich ist, wenn die deutsche Forschung sich besser und stärker entfalten kann als bisher und wenn wir auch gewillt sind, den Forschern etwas mehr Spielraum zu geben. Wir sind der Meinung, bisher ist das Übergewicht der Verwaltung und der Bürokratie auf diesem Gebiete zu groß. Auch die deutsche Atomkommission, wie sie gebildet wurde - sie ist im Grunde genommen weiter nichts als ein beratendes Gremium für den Herrn Minister -, hat in den zurückliegenden zweieinhalb Jahren nicht das Gewicht erhalten wie z. B. die amerikanische Atomkommission oder das entsprechende englische Gremium.
Diese Atomkommission steht völlig im Schatten des Ministeriums. Wir hören und sehen von ihr eigentlich recht wenig. Nach unserer Vorstellung müßten von einer solchen Atomkommission die entscheidenden Impulse und Initiativen ausgehen. Anregungen der Atomkommission müßten nicht den Weg über das Ministerium nehmen, sondern müßten auch direkt an das Parlament und an die Öffentlichkeit gehen können. Das vermissen wir bei der deutschen Atomkommission. Dieser Mangel ist unseres Erachtens zum großen Teil dadurch bedingt, daß die Kommission im Grunde genommen keinerlei Kompetenzen hat, sondern nur ein beratendes Organ des Ministeriums ist.
Auch die Zusammensetzung der deutschen Atomkommission gefällt uns nicht ganz; sie ist etwas zu einseitig. Wenn ich richtig im Bilde bin, sind von
den 25 Mitgliedern der Atomkommission 13 Vertreter der Wirtschaft, denen nur 2 Gewerkschaftler gegenüberstehen. Ich finde, das ist ein etwas bescheidenes und unterentwickeltes Feigenblatt, denn auch die Arbeitnehmer haben ein äußerst großes Interesse an dem, was auf dem Atomgebiet geschieht. Wir möchten deshalb, daß die deutsche Atomkommission auf eine gesetzliche Grundlage gestellt wird, ferner, daß sie ein Initiativrecht hat, daß sie in der Lage ist, sich ohne ein Meinungsfilter direkt an die Öffentlichkeit, an die Parlamente und an die Regierungen zu wenden.
Wir möchten auch, daß diese deutsche Atomkommission in der Lage ist, innerhalb der deutschen Atomforschung ein etwas vernünftigeres Arbeitsklima zu schaffen. Unsere Forscher auf diesem Gebiet beschäftigen sich mit wichtigen Dingen. Es sind hochqualifizierte Persönlichkeiten. Und dann hört man, daß sie sich in einem Papierkrieg aufreiben, daß sie über die geringsten Kleinigkeiten, über einen Putzlappen oder sonst etwas, der Verwaltung auf langen Papierbögen Rechenschaft geben müssen. Wir möchten, daß dieser Zustand beendet wird. Wir könnten uns vorstellen, daß die deutsche Atomkommission, wenn sie unabhängig ist und wenn sie ein Initiativrecht hat, in der Lage wäre, auch da einen gewissen Wandel zu schaffen.
({0})
-- Bitte sehr!
Glauben Sie nicht, Herr Kollege Ratzel, daß die Atomkommission, wie sie Ihnen vorschwebt und wie sie hier in der Ziffer 9 vorgeschlagen ist, in Widerspruch stünde zu Art. 65 des Grundgesetzes, daß das eine Art Nebenregierung - neben dem Parlament und neben dem Bundeskanzler - wäre?
Nein, ich glaube nicht, daß das zu befürchten ist. Denn wir verlangen ja, daß die Atomkommission auf gesetzlicher Grundlage gebildet wird und daß sie das Recht hat, von sich aus Programme, Vorstellungen zu entwickeln und diese der deutschen Öffentlichkeit, den Regierungen und den Parlamenten vorzulegen. Damit wird weder das Recht der Parlamente noch das Recht der Regierung eingeschränkt.
Ich habe zu einigen, wie mir scheint, wesentlichen Punkten unseres Antrags Ausführungen gemacht. Ich möchte abschließend folgendes sagen. Wir haben auf dem Gebiet der friedlichen Verwendung der Atomenergie schon viel, sehr viel versäumt. Ich hoffe, daß wir nicht schon zu viel versäumt haben, so daß wir überhaupt völlig ins Hintertreffen kommen. Weil wir Sozialdemokraten wissen, welche Bedeutung die friedliche Verwendung der Atomenergie für unsere Zukunft haben wird, fordern wir die Regierung, fordern wir aber auch die Mehrheit dieses Hauses auf, dafür zu sorgen, daß endlich von der Bundesregierung, ich möchte genauer sagen: vom Bundeskanzler - denn der Bundesatomminister ist es sicher nicht - grünes Licht für
die friedliche Verwendung der Atomenergie gegeben wird. Wir Sozialdemokraten jedenfalls sind zu intensiver Mitarbeit bereit, wenn es um die Atomenergie für friedliche Zwecke geht.
({0})
Das Wort hat der Bundesminister Balke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Aus den Begründungen der Anträge glaube ich feststellen zu dürfen, daß wir über zwei wichtige Punkte einig sind: erstens über die Dringlichkeit der Angelegenheit, besonders im Hinblick auf den Strahlenschutz von Arbeitnehmern und Bevölkerung, zweitens über das Bedauern, daß wir noch nicht so weit gekommen sind, eine Atomgesetzgebung zu haben. Das Bedauern teile ich durchaus. Ich glaube aber, wir haben jetzt nicht die Aufgabe, in historischen Erinnerungen zu schwelgen, sondern haben dafür zu sorgen, daß die Angelegenheit vorankommt.
Ich habe auch den Eindruck, daß die Verzögerung, so bedauerlich sie ist, der Klärung gewisser Grundbegriffe zugute gekommen ist. Das gilt zunächst einmal von der Notwendigkeit einer Grundgesetzergänzung. Hier haben sich wohl in allen Reihen des Hauses gewisse Klärungen ergeben. Und dann ist die Verzögerung auch der Arbeit an der Strahlenschutzverordnung zugute gekommen, die wir ja erlassen müssen. Sie ist, wie Herr Kollege Ratzel gesagt hat, fertig; gerade heute tritt die zuständige Fachkommission der Deutschen Atomkommission zusammen, um den abschließenden Bericht fertigzustellen. Sie wird die Grundlage für alle Schutzmaßnahmen in dem umfassenden Bereich der Gefährdung durch ionisierende Strahlen, also auch im medizinischen Bereich, sein. Es hat sich bei der Bearbeitung dieser Fragen herausgestellt, daß ein Jahr intensiver Arbeit notwendig war, um zweckmäßige gesetzliche Bestimmungen zu schaffen. Wir finden in anderen Ländern, die sich mit der Verwertung der Atomkernenergie befassen, keine ausreichenden Vorbilder. Es mußte daher sehr viel Neues geschaffen werden.
Ich möchte ganz kurz erläutern, worum es sich bei diesem Gesetzgebungswerk handelt. Die Bundesregierung hat ein dreistufiges Gesetzeswerk vorzubereiten. Das Ziel ist zunächst einmal der umfassende Strahlenschutz als wichtigstes Gebiet. Es hat sich bei der Bearbeitung gesetzlicher Vorschriften herausgestellt, daß die bestehende Gesetzgebung, auch die Gewerbeordnung, Herr Kollege Rutschke, leider nicht ausreicht, eine Rechtsgrundlage für solche umfassenden Bestimmungen zu bilden. Das liegt insbesondere daran, daß der sogenannte medizinische Bereich einbezogen werden muß, wenn man einen umfassenden Schutz vor ionisierenden Strahlen schaffen will. Ich glaube aber, das ist eine Frage, die sehr leicht gelöst werden kann, wenn ein Atomgesetz vorliegt; denn die Strahlenschutzverordnung würde ja als Rechtsverordnung der
Bundesregierung erlassen werden und bedarf keiner gesetzlichen Regelung. Die Rechtsgrundlage für eine solche Strahlenschutzverordnung muß jedoch ein Atomgesetz sein. Dieses Atomgesetz ist auch im 2. Bundestag schon einmal erarbeitet worden. Es wurde in erster Lesung ohne Widerspruch verabschiedet. Es war eine Gemeinschaftsarbeit des damaligen Hohen Hauses. Ich kann heute für die Bundesregierung erklären, daß ein solches Atomgesetz entsprechend dem Antrag der sozialdemokratischen Fraktion Drucksache 344 zur Zeit dem Kabinett vorliegt und beraten wird, in Kürze dem Bundesrat zugehen und damit dieses Hohe Haus erreichen wird. Damit wäre eigentlich den Erfordernissen der friedlichen Verwertung der Atomkernenergie Genüge getan.
Aber es hat sich herausgestellt, daß das Atomgesetz, wenn es dieses umfassende Gebiet regeln soll, selbst wieder einer gesetzlichen Grundlage bedarf und daß hierzu eine Änderung des Grundgesetzes notwendig ist. Hierüber sind Differenzen und Diskussionen entstanden. Es hat sich auch nicht vermeiden lassen, daß der bekannte Urkonflikt zwischen Technikern und Juristen hier wieder eine Rolle spielt. Bis zum heutigen Tag ist keine absolut exakte wissenschaftliche Klärung darüber zu erzielen gewesen, ob nun eine solche Grundgesetzergänzung zwingend notwendig ist oder nicht. Ich glaube, das wird noch eine erhebliche Arbeit in den Ausschüssen erfordern. Bis jetzt aber ist die Situation für die Bundesregierung so, daß zum Erlaß eines Atomgesetzes diese Grundgesetzergänzung notwendig erscheint, und zwar erstens, damit der medizinische Bereich in die Strahlenschutzverordnung einbezogen werden kann, und zweitens wegen der Durchführung einer zweckmäßigen technischen Überwachung.
Hier bin ich mit dem Kollegen Rutschke und mit seinen politischen Freunden nicht ganz einig, daß eine solche zweckmäßige technische Überwachung durch eine zentrale Bundesoberbehörde sichergestellt sein kann. Ich beziehe mich dabei nicht zuletzt auf eine beinahe 30jährige praktische Tätigkeit auf dem Gebiet des Arbeitsschutzes und der Unfallverhütung. Ich möchte hier ganz kurz erklären - was ich schon im 2. Bundestag getan habe -, daß eine technische Überwachung solcher Gefahren mit noch unbekannten und großen Risiken betriebsnah erfolgen muß. Wir haben in der deutschen Wirtschaft seit etwa 70 Jahren hierfür ein besonderes System entwickelt. Das ist die Zusammenarbeit der gewerblichen Aufsichtsbeamten mit den Selbstverwaltungsorganisationen der Wirtschaft, den Berufsgenossenschaften und den technischen Überwachungsvereinen. Nicht zuletzt auf dieses System ist die wirtschaftlich günstige Entwicklung der deutschen Industrie zurückzuführen, weil wir hier eine sehr elastische Handhabung bei der Einführung von neuen Bestimmungen und bei neuen Verfahren hatten. Wir hätten zweifellos keine chemische Hochdrucktechnik und ähnliche neue Verfahren, die wirtschaftlich sehr wichtig geworden sind, wenn wir nicht die Möglichkeit gehabt hätten, mit diesem elastischen System AusnahmeBundesminister Dr.-Ing. Balke
genehmigungen von Gesetzen unter bestimmten Voraussetzungen zu erteilen. Es ist zwangsläufig so, daß gerade die gesetzliche Regelung technischer Tatbestände - und nichts anderes haben wir auch auf diesem Gebiet vor - der Entwicklung immer nachhinken muß. Es ist selbstverständlich, daß ein Gesetz nicht alle neuen Erfindungen sofort, wenn sie in der Wirtschaft wirksam werden können, gesetzlich regeln kann. Aus reinen Zweckmäßigkeitsgründen habe ich also auch persönlich den Standpunkt vertreten, wir sollten für die technische Überwachung eine dezentralisierte Form schaffen, die eine betriebsnahe Kontrolle ermöglicht. Das ist aber rechtlich wieder nur möglich, wenn wir eine Bundesauftragsverwaltung einführen, d. h. wenn die Ausführung dieser Kontrollbestimmungen bei den Ländern bleibt und der Bund ein Weisungsrecht bekommt. Dazu ist nun einmal nach der Sachlage eine Ergänzung des Grundgesetzes erforderlich.
Der politische Hintergrund der Differenzen, die auch Herr Kollege Ratzel geschildert hat, besteht darin, daß Befürchtungen entstanden sind, mit einer Ergänzung des Art. 74 würde der Art. 73, der die Verteidigungskompetenz des Bundes betrifft, berührt. Ich persönlich war nicht der Meinung; auch die bisher befragten Staatsrechtler haben diese Auffassung bestätigt. Immerhin wird dies einer nochmaligen Klärung im Ausschuß bedürfen. Ich habe aber den Eindruck, daß sich inzwischen die Standpunkte einander weitgehend angenähert haben.
Die vordringlichste Aufgabe ist, wie alle meine Vorredner betont haben und wie ich selbst ebenfalls betonen möchte, der Schutz vor den Gefahren durch diese neue Technik. Wirtschaftlich haben wir, glaube ich, noch nicht allzuviel versäumt, denn es ist kein Zweifel: auf diesem neuen Gebiet ist zunächst die Wissenschaft der Technik und dann die Technik der Wirtschaft vorangeeilt.
Damit hängt auch das zusammen, was Herr Kollege Dr. Ratzel in bezug auf die Initiative der Privatwirtschaft erwähnt hat. Es ist begreiflich, daß hier nicht geradezu stürmische Begeisterung herrscht. Das ist verständlich, wenn man an die riesigen Investitionsmittel denkt, die notwendig sind, um solche Anlagen zu errichten. Die Beispiele anderer Länder sind hier schlecht gewählt, denn sämtliche anderen Länder haben sich bis vor kurzem praktisch ausschließlich mit der militärischen Verwendung der Atomkernenergie befaßt. Das bedeutet natürlich, daß hierfür, wie immer in solchen Fällen, Investitionsmittel leichter zur Verfügung stehen als für wirtschaftliche Zwecke. Der Staat wird also, wenn er - und das glaube ich annehmen zu müssen - an einer solchen wirtschaftlich-technischen Entwicklung interessiert ist, eine gewisse Starthilfe geben müssen, über deren Form noch verhandelt werden muß. Die ersten Vorschläge werden zur Zeit auch mit dem Bundesfinanzministerium diskutiert, und ich hoffe, daß wir hier zu einer vernünftigen Regelung kommen.
Was nun die Vorschläge der sozialdemokratischen Fraktion in ihrem Antrag betreffend die
Vorlage eines Atomgesetzentwurfs - Drucksache 344 - anlangt, so wird man zweifellos in vielen der hier aufgeführten Punkte zu einem Einverständnis kommen. Nicht ganz wird das der Fall sein bei solchen Punkten, die der wirtschaftspolitischen Grundlinie der Bundesregierung widersprechen; aber darüber wird im Ausschuß wohl auch eine Klärung erfolgen können.
Eines möchte ich aber noch einmal sagen, Herr Kollege Dr. Ratzel - ich habe das auch bei unseren früheren Unterhaltungen immer betont -: die Behauptung, bei der Verwertung der Atomenergie könnten wir nur sicher sein, wenn der Staat oder wenn die öffentliche Hand sie betreibe, erscheint mir einigermaßen bedenklich. Denn was bisher die Staaten mit der Atomkernenergie getan haben, das möchten wir doch wohl nicht nachahmen.
({0})
Ich glaube also, man sollte ruhig der privatwirtschaftlichen Betätigung ein entsprechendes Feld einräumen.
({1})
Das wird der technischen und wirtschaftlichen Entwicklung zweifellos zugute kommen.
Ich darf vielleicht noch ein Wort zu Ihrem Vorschlag bezüglich der Deutschen Atomkommission sagen. Ich glaube doch annehmen zu dürfen, Herr Dr. Ratzel, daß Sie nicht etwa die Tätigkeit der Kommission selbst, sondern nur ihre organisatorische Form beanstanden. Ich möchte betonen, daß die Deutsche Atomkommission nicht nur aus den 25 Mitgliedern der Hauptkommission besteht, sondern im ganzen aus etwa 200 Fachleuten, die sich in den Fachkommissionen betätigen. Hier sind auch alle interessierten Gruppen ausreichend berücksichtigt. Die eigentliche mühsame Kleinarbeit wird eben in diesen Fachkommissionen geleistet. Ich kann sagen, daß die Deutsche Atomkommission sich in der bisherigen Entwicklung große Verdienste erworben hat. Deshalb wäre es von mir aus geradezu ungerecht, wenn ich sagen sollte: deshalb muß die Deutsche Atomkommission reformiert werden. Über eine zweckmäßigere Zusammensetzung und über eine Verminderung der Belastung der Mitglieder der Fachkommissionen wird ohne Zweifel zu sprechen sein. Ich muß aber auch betonen: eine solche Atomkommission darf natürlich den Art. 65 des Grundgesetzes nicht berühren. Es wird rim Grunde immer bei einem beratenden Gremium bleiben, auch wenn man ihm noch einige andere Kompetenzen zuerkennen will.
Das, was Sie, Herr Kollege Dr. Ratzel, über die Förderung der Wissenschaft gesagt haben, kann ich nur unterstreichen. Aber ich glaube, Sie berühren mit diesen Vorschlägen für das Arbeitsgebiet der Deutschen Atomkommission das Arbeitsgebiet des neugebildeten Wissenschaftsrates. Das, was Sie von der Atomkommission gefordert haben, das soll der Wissenschaftsrat erarbeiten. Ich möchte bemerken, daß die Förderungsmaßnahmen, die mein Haus auf diesem Gebiet durchführt und durchgeführt hat, in vollem Einvernehmen mit den Mitgliedern der Atomkommission, mit der Wissenschaft und auch
1604 Deutscher Bundestag - 3. Wahlperiode - 29. Sitzung. Bonn, . Freitag, den 9. Mai 1958
mit den Ländern erfolgt sind. Ich glaube, wir haben auf diesem Gebiet etwas mehr tun können, als es nach außen hin erscheint; denn diese Kleinarbeit der Förderung der Wissenschaft entbehrt sehr oft des publizistischen Glanzes.
Zu den Ausführungen der Herren Vorredner brauche ich nichts Besonderes mehr zu sagen. Wir sind uns darüber einig, daß wir in der Ausschußberatung sehr schnell zu einer Einigung kommen können, insbesondere da der Atomgesetzentwurf jetzt schon der Bundesregierung vorliegt.
Ich möchte nur noch zu dem Hauptgrund der Atomgesetzgebung, nämlich 'den Schutzmaßnahmen, ein abschließendes Wort sagen. Die politische Situation der Welt nach dem zweiten Weltkrieg hat pessimistische Beobachter zu der Überlegung geführt, wie sie in einem bekannten Buchtitel zum Ausdruck kommt, daß wir am „Ende aller Sicherheit" stünden. Wir müssen uns darüber im klaren sein, daß wir auch mit den besten Gesetzen zur Regelung der Verwendung der Atomkernenergie die moralische Haltung der Menschen nur unvollkommen beeinflussen können und daß das Problem des Mißbrauchs der Technik eine Frage an die Menschheit ist, auf die nur die ethische Verantwortung gegenüber der Zukunft eine Antwort geben kann.
({2})
Ich bin immerhin optimistisch genug anzunehmen, daß wir auf dem technischen Gebiet der Atomkernenergie, wenn wir gemeinsam und veranwortungsbewußt arbeiten, am „Anfang aller Sicherheit" stehen.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Weber.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Namens der CDU/CSU-Fraktion begrüße ich die Erklärung der Bundesregierung, daß sie mit den Vorbereitungen eines Atomgesetzes beschäftigt ist und die Ankündigung, daß in Kürze mit der Vorlage eines solchen Gesetzes zu rechnen ist. Wir halten ein solches Gesetz für dringend erforderlich und sind auch unsererseits bereit, die Bestrebungen, alsbald zur Verabschiedung eines solchen Gesetzes zu kommen, zu fördern. Deshalb sind wir auch grundsätzlich bereit, die Frage zu prüfen, ob eine Ergänzung des Grundgesetzes notwendig ist und ihr gegebenenfalls zuzustimmen. Man sollte nur behutsam an Grundgesetzänderungen herangehen. Deshalb ist die Frage zu stellen: Ist die Ergänzung des Grundgesetzes notwendig?
Nach den Ausführungen des Herrn Kollegen Dr. Rutschke könnte man allerdings zu der Ansicht kommen, daß die FDP zu ihrem Gesetzentwurf auf Ergänzung des Grundgesetzes - nur zu den beiden Gesetzentwürfen auf Ergänzung des Grundgesetzes, Drucksache 30 und Drucksache 266, spreche ich für meine Fraktion; zu dem Antrag Drucksache 344 wird Kollege Dr. Geiger für die CDU/CSU einige
Ausführungen machen - nicht mehr ernstlich stünde. Letztlich gingen die Ausführungen des Herrn Kollegen Dr. Rutschke dahin, daß er mehr der Meinung zuneige, eine Ergänzung des Grundgesetzes sei nicht notwendig, und man komme mit den Vorschriften der Gewerbeordnung aus.
Herr Kollege Wittrock hat darauf hingewiesen, daß der Rechtsausschuß seinerzeit nach eingehenden Beratungen zu dem Ergebnis gekommen sei, ohne Änderung des Grundgesetzes könne ein Atomgesetz nicht verabschiedet werden. In der Tat findet sich in dem Ausschußbericht des Kollegen Dr. Wahl - Drucksache 3416 - zur Begründung der Notwendigkeit des Atomgesetzes folgender Satz:
Aber die Verwendung der Kernenergie für Forschungs- und medizinische Zwecke läßt sich schwerlich unter den Begriff der Wirtschaft subsumieren.
Gemeint ist hier Art. 74 Nr. 11, wo aufgeführt ist, welche einzelnen Zweige der Wirtschaft unter diese Bestimmung fallen; darunter befindet sich auch das Gewerbe. Inzwischen hat man über diese Fragen weiter nachgedacht. Es kommt der Sache selbst zugute, daß Wir jetzt nicht mehr unter Zeitdruck stehen wie damals in der Schlußphase des letzten Bundestags und die Dinge in Ruhe machen können. Man ist zu der Erkenntnis gekommen, daß dieser Satz nicht unbedingt gehalten werden kann. Es ist nicht so, daß sich die einschlägigen Vorschriften der Gewerbeordnung, insbesondere § 16, lediglich auf gewerbliche Anlagen beziehen. Der Standpunkt der Wissenschaft und Rechtsprechung geht jetzt ganz eindeutig dahin, daß auch gefährliche Anlagen, die sich nicht auf gewerbliche Betriebe beziehen, unter die Vorschriften der §§ 16 und folgende der Reichsgewerbeordnung fallen, also ohne Rücksicht darauf, ob solche Anlagen gewerbsmäßig betrieben werden.
Wir werden ,uns im Ausschuß mit dieser Frage befassen müssen, ob nicht mit ,den Vorschriften der Gewerbeordnung das Ziel erreicht werden kann, das uns gemeinsam vorschwebt, ein Atomgesetz zu verabschieden. Wenn sich eine Grundgesetzänderung als notwendig erweisen sollte, um dem Bund die Kompetenz für den Erlaß eines solchen Gesetzes zu geben, wird sich die CDU/CSU dieser Notwendigkeit nicht verschließen.
Eine andere Frage ist - und insofern geht der Antrag der SPD weiter als der der FDP -, ob man auch Ausführungsbestimmungen für notwendig hält, ob insbesondere eine Auftragsverwaltung statuiert werden soll. In dieser Hinsicht stimme ich den Ausführungen des Herrn Bundesministers für Atomkernenergie zu, daß die Verwaltung möglichst dezentralisiert werden sollte - das ist der Standpunkt meiner Fraktion -, daß aber ohne Weisungsbefugnisse auf diesem Gebiet nicht auszukommen sein wird. Der Vorschlag, der in der Drucksache 30 unter Ziffer 2 gemacht wird, scheint uns infolgedessen richtig zu sein. Sollte sich bei der Beratung ergeben, daß eine Bundesauftragsverwaltung geschaffen werden muß, so wird deswegen
Dr. Weber ({0})
auf alle Fälle eine Ergänzung des Grundgesetzes notwendig sein.
Angesichts des im großen und ganzen sachlichen Verlaufs der Debatte möchte auch ich keine polemischen Bemerkungen machen, obschon einige Ausführungen des Herrn Kollegen Wittrock eine gewisse Veranlassung dazu gäben. Ich möchte mich darauf beschränken, diese zurückzuweisen, insbesondere seinen Vorwurf, daß Mitglieder der CDU-Fraktion mitunter recht robust mit der Verfassung umgingen und daß die Entschließungen Ende Juni, Anfang Juli letzten Jahres unter dem Druck wirtschaftlicher Kreise getroffen worden seien. An dieser Zurückweisung können wir uns genügen lassen, da die Ausführungen sonst keine Veranlassung zu Beanstandungen gaben.
({1})
Ich möchte für meine Fraktion erklären, daß wir uns dem Antrag anschließen werden, die beiden Anträge auf Ergänzung des Grundgesetzes an den Rechtsausschuß - federführend - und an den Ausschuß für Atomkernenergie - mitberatend - zu überweisen.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Rutschke.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte noch einige Bemerkungen zu dem Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 344 betreffend Vorlage eines Atomgesetzentwurfes machen. Die Punkte unter a bis e im ersten Teil dieser Vorlage finden durchaus unsere Zustimmung. Hier wird der Zweck eines Atomgesetzes umschrieben. Den hier aufgestellten Forderungen, Forschung und Entwicklung zu fördern, die Erzeugung und Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken der Hebung des Wohlstandes des ganzen Volkes dienstbar zu machen und Leben, Gesundheit und Sachgüter vor den Gefahren der Kernenergie zu schützen, stimmen wir absolut zu. Der Punkt zu c ist besonders wichtig. Der Herr Minister für Atomenergie und auch die anderen Herren Vorredner haben besonders darauf hingewiesen.
Er wird ergänzt durch Ziffer 6 des zweiten Teils des Antrages. Hier fordern Sie ({0}) den Versicherungsschutz gegen Atomschäden. Ich glaube, daß gerade die Frage der Haftungsbestimmungen besonders wichtig sein wird. Denn wir haben es mit einer Wissenschaft zu tun, die wohl noch in den Kinderschuhen steckt. Die negativen Auswirkungen der Atomwissenschaft können noch nicht in vollem Umfang erkannt werden. Es wird noch eine Reihe von Jahren dauern, bis man ein endgültiges Urteil über die Gefahren haben wird. Deshalb sind wir der Meinung, daß wir hier nicht mit Bestimmungen über die Haftung auskommen werden, wie sie etwa in dem Gesetz über die Haftung für Luftfahrzeuge oder für Kraftfahrzeuge bisher niedergelegt worden sind. Da ist eine Begrenzung der Haftungssumme vorgesehen, und höhere Gewalt entbindet von der
Haftung. In diesem Fall, der Anwendung von Atomenergie, müssen andere Grundsätze gelten. In den Fällen, wo durch Kraftfahrzeuge oder Luftfahrzeuge Schäden verursacht werden, wird das Risiko im allgemeinen auf die gesamte Bevölkerung verteilt sein. Bei Schäden durch Atomanlagen wird jedoch nur ein bestimmter Kreis der Bevölkerung betroffen, und zwar die Bevölkerung, die in der Umgebung eines Atomreaktors wohnt. Deshalb glauben wir, daß wir hier mit der Gefährdungshaftung allein nicht auskommen werden, sondern daß auch bei Schäden durch höhere Gewalt die etwa betroffene Bevölkerung entschädigt werden muß.
Die Entwicklung der Atomenergie ist eine nationale Frage. Es besteht in diesem Haus wohl Einigkeit darüber, daß wir für die Erhaltung unseres künftigen Wohlstandes und, um überhaupt konkurrenzfähig zu bleiben, darauf angewiesen sein werden, die Entwicklung auf dem Gebiet der Atomenergie zu fördern. Die Forderung, Herr Kollege Dr. Ratzel, daß wir bei einer bestimmten Haftungsgrenze unter Umständen auch die öffentliche Hand einspringen lassen müssen, ist eben darin begründet, daß es eine nationale Aufgabe ist, sich der Kernenergie zu bedienen. Wir denken dabei nicht an eine Bevorzugung irgendwelcher Industrien. Man würde nämlich die Entwicklung der Atomenergie sehr hemmen, wenn man die Haftungsbestimmungen allein auf Kosten einer Reaktor-Gesellschaft ins Unendliche steigerte. Denn dann würde die Entwicklung und Anwendung der Atomenergie derart teuer werden, daß niemand an solche Investitionen herangehen würde. Auch der Staat müßte sich dann sehr stark überlegen, wieweit er hier Gelder festlegen kann.
Deshalb müßte im Hinblick auf Umfang, Größe, Gefährlichkeit und Entfernung von den nächsten menschlichen Siedlungen die Genehmigungsbehörde, ob Bundesanstalt oder eine andere Behörde, festlegen, in welcher Höhe ein Vertrag mit einer Versicherung abgeschlossen werden muß. Falls es jemals zu einer Katastrophe käme, was wir alle nicht hoffen und was auch nicht anzunehmen ist, darf nicht die Bevölkerung der Leidtragende sein. Dann müßten vielmehr der Bund oder die Länder, je nachdem wie das Gesetz verabschiedet wird, eine Haftung als nationale Aufgabe übernehmen, um den Schutz der Bevölkerung zu gewährleisten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte nun zum zweiten Teil des Antrags der Fraktion der SPD kommen. Darin werden allerdings Forderungen aufgestellt, die ich - Herr Kollege Dr. Ratzel, das werden Sie mir nicht verübeln - ablehne. Denn wir Freien Demokraten haben eben eine wesentlich andere wirtschaftliche Vorstellung, als Sie sie haben.
({1})
- Das ist bekannt, das freut mich, und es wird auch weiterhin sehr lange noch bekannt bleiben.
Sie fordern unter Ziffer 4 -- diesen Punkt möchte ich vorziehen -, daß alle Anlagen einer staatlichen Konzession bedürfen. Nun, wir sind der Meinung, daß die Genehmigung einen besseren Rechts1606
anspruch des einzelnen gibt als die staatliche Konzessionierung, die ja immer in das Ermessen der Behörde gestellt ist. Wir wehren uns entschieden gegen jede staatliche Bevormundung da, wo sie nicht notwendig ist. Wenn Sie jetzt einen Einwand bringen, daß wegen der Fragen der Sicherheit eine staatliche Konzessionierung notwendig sei, so bestreiten wir das. Auch wir fordern - das habe ich Ihnen an unseren Vorstellungen über die Haftungsbestimmungen dargelegt - einen unbedingt ausreichenden Schutz der Bevölkerung. Jedes Unternehmen, das sich mit diesen Sachen befaßt, wird ja dann auf Grund unserer Haftungsbestimmungen auch die entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen treffen, uni die Versicherungsquoten nicht unnötig zu erhöhen.
Sehr gefährlich aber scheint uns die Ziffer 3 des SPD-Antrags zu sein, in dem Sie, mit dürren Worten ausgedrückt, die Forderung nach Sozialisierung eines Teils der Wirtschaft stellen. Es paßt in das Parteiprogramm der SPD; insofern habe ich dafür Verständnis, wenn Sie das fordern. Aber wir werden das ablehnen, weil wir wissen, daß die freie Wirtschaft wesentlich bessere Erfolge bringen wird
- auch auf dem Gebiet der Atomenergie - als eine staatlich gelenkte, dirigistische Wirtschaft. Und, meine sehr verehrten Damen und Herren von der CDU, ich möchte Sie bitten, genau darauf achtzugeben, was hier zu tun ist: daß Sie nicht, weil etwa die Grundgesetzänderung notwendig sein könnte - Teile Ihrer Fraktion vertreten diese Auffassung - und zu dieser Grundgesetzänderung die Stimmen der SPD notwendig sind, Konzessionen hinsichtlich einer Verstaatlichung der Wirtschaft machen. Überlegen Sie sich das wohl! Machen Sie da keine sozialistischen Experimente mit!
({2})
- Ich freue mich, wenn Sie sagen, daß ich mich beruhigen kann. Man hat es schon anders gehört: daß schon Absprachen - ob es stimmt, weiß ich nicht in dieser Richtung laufen. Wir wollen, daß sozialistische Experimente auf diesem Gebiet nicht gemacht werden.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Geiger ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Weber hat für die CDU/CSU-Fraktion zu den Grundgesetzänderungsanträgen Stellung genommen. Ich möchte mich deshalb darauf beschränken, zu dem Antrag der SPD betr. Vorlage eines Atomgesetzentwurfs
- Drucksache 344 - zu sprechen. Herr Kollege Ratzel hat diesen Antrag begründet, und ich habe den Eindruck, daß die Art und Weise, wie er es gemacht hat, sehr gut war, insofern, als er nicht auf die einzelnen Punkte im Detail eingegangen ist - denn das ist eben Aufgabe des Ausschusses -, sich vielmehr darauf beschränkt hat, kursorisch die einzelnen Punkte zu erläutern und uns seine Auffassung dazu bekanntzugeben. Ich darf daher, dem guten Beispiel des Herrn Kollegen Ratzel folgend, mich ebenfalls darauf beschränken, mehr die allgemeinen Gesichtspunkte in diesem Antrag herauszukehren. Vorher will ich aber wenigstens zwei Fragen behandeln, über die Herr Kollege Ratzel gesprochen hat.
Wenn ich Herrn Kollegen Ratzel richtig verstanden habe, so hat er erklärt, die Unternehmer hätten bisher eigentlich nicht den Mut gezeigt, das wirtschaftliche Risiko zu übernehmen, das die Beschäftigung mit der Atomkernenergie mit sich bringt. Ich glaube, daß wir der deutschen Wirtschaft im großen und ganzen wirklich nicht den Vorwurf machen können, sie sei in irgendeinem Punkt nicht risikofreudig; im Gegenteil, die deutsche Wirtschaft hat alle Aufgaben mit einer international anerkannten beispielhaften Energie und Verantwortungsfreude in Angriff genommen und hat jederzeit gezeigt, daß sie mit Erfolg an neue Aufgaben herangeht. Dasselbe wäre in der Tat auch bei dieser neuen Naturkraft, bei der Atomkernenergie, schon längst der Fall, wenn die deutsche Wirtschaft das entsprechende gesetzliche Fundament hätte. Das haben wir ihr noch nicht gegeben, und deswegen ist es auch so dringend notwendig, daß wir sehr bald die nötige Arbeitsgrundlage auf wirtschaftsrechtlichem Gebiet schaffen. Mit Herrn Minister Balke begrüße ich daher die heutige Diskussion. Ich habe sehr gern davon Kenntnis genommen, daß die Bundesregierung schon in allernächster Zeit den Entwurf des neuen Kernenergiegesetzes vorlegen wird.
Was den zweiten Punkt betrifft, der mir bei den Ausführungen des Herrn Kollegen Ratzel aufgefallen ist, so glaube ich, daß da vielleicht noch ein Mißverständnis vorhanden ist. Er meint, daß auch die deutsche Versicherungswirtschaft bei der Beratung der Frage, inwieweit die Versicherungswirtschaft das Atomrisiko übernehmen kann, zu vorsichtig gewesen sei. Meine Damen und Herren, die deutsche Versicherungswirtschaft kannte bis zum Abschluß der Beratungen über den Gesetzentwurf weder den Umfang noch die Art des Risikos. Wir haben uns ja erst gegen Ende der Beratungen darüber einigen können, ob wir eine Gefährdungshaftung oder eine Verschuldenshaftung wollen, ob wir beides koppeln wollen, wie weit wir gehen wollen usw. Solange nicht der materielle Inhalt einer Haftung bekannt ist, kann natürlich keine Versicherungsgesellschaft sagen, wie hoch die Prämie und die Versicherungssumme sein sollen. Im übrigen muß ich sagen, daß sich die Versicherungswirtschaft im Interesse der gesamten deutschen Wirtschaft immer dazu bekannt hat, bei dem Umfang des gesetzlichen Abdeckungszwanges, d. h. bei der Höhe der Prämie, die für die Abdeckung des Risikos zu leisten ist, nicht zu hoch zu gehen, um eben diesen neuen Zweig der Wirtschaft nicht allzusehr zu belasten.
Ich habe im übrigen manchmal den Eindruck, daß man das Risiko zu hoch einschätzt. Man hat von Summen von 20 und 25 Millionen DM gesprochen; Herr Kollege Ratzel hat von 50 Millionen Dollar
gesprochen. Meine Damen und Herren, solche Experimente, bei denen derartige Risiken auftreten, kommen ja bei uns im Augenblick überhaupt noch gar nicht in Frage. Dabei handelt es sich um gefährliche Experimente, die in England und in Amerika gemacht werden, und da hat man natürlich das Bedürfnis, hohe Summen festzusetzen. Dagegen sind bei den Reaktoren, die wir bisher aufgestellt haben, bei dem Ausbildungsreaktor in München oder dem Reaktor in Frankfurt am Main, die Risiken wirklich sehr begrenzt, und es hat keinen Sinn, gigantische Haftungssummen vorzusehen.
Im übrigen ist das, was die SPD hier fordert, zu einem sehr großen Teil bereits in dem Gesetz erfüllt gewesen, das dem Plenum in der letzten Legislaturperiode vorgelegt worden ist. Sie werden zugeben - das ist an die SPD gerichtet -, daß in dieser Gesetzesvorlage sehr viele Kompromisse enthalten waren. Die CDU/CSU und die Regierungsparteien überhaupt haben wirklich jedes Bemühen gezeigt, dem Hohen Hause eine Gesetzesvorlage zu erstellen, der man, materiell gesehen, eigentlich von allen Seiten hätte zustimmen können.
Natürlich müssen wir noch einige Punkte der SPD-Vorlage, die Herr Kollege Ratzel begründet hat, im Ausschuß aufs neue beraten. Ich kann jetzt schon sagen: in manchen Punkten wird die SPD allein stehen, aber wir wollen einmal in die Diskussion eintreten. Wir wollen uns überhaupt - und ich begrüße das - jetzt endlich einmal wieder praktisch mit der Sache beschäftigen. Ich möchte Sie deshalb auch gar nicht lange in Anspruch nehmen und nur dem beipflichten, was meine Vorredner in ihrem Schlußwort gesagt haben, daß wir nun sehr bald die Möglichkeit haben müssen, dieses Gesetz im Ausschuß zu behandeln.
Dafür kommen in erster Linie zwei Ausschüsse in Frage: federführend für die Fragen der Grundgesetzänderung - Drucksachen 30 und 266 - ist der Rechtsausschuß und mitberatend der Atom-ausschuß, dagegen umgekehrt beim Atomgesetzentwurf - Drucksache 344 - federführend der
Atomausschuß und mitberatend der Rechtsausschuß.
({0})
- Bisher ist dieser Antrag noch nicht gestellt worden, und ich weiß nicht, ob ich mich da zum Antragsteller machen soll.
({1})
- Offenbar ist das doch schon beantragt worden.
Stimmen wir also den Anträgen zu! Wir werden uns dann in den beteiligten Ausschüssen darum bemühen, daß die Gesetzentwürfe dem Hohen Hause sehr bald vorgelegt werden.
({2})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Dann schließe ich die Aussprache.
Zu Punkt 7 a ist der Antrag gestellt, den Gesetzentwurf Drucksache 30 an den Rechtsausschuß und den Ausschuß für Atomkernenergie und Wasserwirtschaft zu überweisen. Ist das Haus damit einverstanden? -- Dann ist so beschlossen.
Der Gesetzentwurf Drucksache 266 soll ebenfalls an den Rechtsausschuß und an den Ausschuß für Atomkernenergie und Wasserwirtschaft überwiesen werden. Das Haus ist damit einverstanden? - Dann ist so beschlossen.
Für den Antrag Drucksache 344 ist Überweisung an den Ausschuß für Atomkernenergie und Wasserwirtschaft und an den Ausschuß für Gesundheitswesen beantragt. Einverstanden? - Dann ist so beschlossen.
Damit, meine Damen und Herren, ist die Tagesordnung erledigt. Ich berufe die nächste Sitzung des Bundestages ein auf Mittwoch, den 11. Juni, 14 Uhr, und schließe die heutige Sitzung.