Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Ich habe vor Eintritt in die Tagesordnung noch eine Reihe von geschäftsordnungsmäßigen Mitteilungen zu machen.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung wird die heutige Tagesordnung erweitert um die zweite Beratung des Einzelplans 19, Bundesverfassungsgericht, und des Einzelplans 33, Versorgung, die im Anschluß an Punkt 5, Einzelplan 07, aufgerufen werden. - Das Haus ist damit einverstanden; es ist so beschlossen.
Dann bittet mich der Herr Präsident, bekanntzugeben, daß der Punkt 6 der Tagesordnung, Wahl des Wehrbeauftragten des Bundestags, Drucksache 337, von der Tagesordnung abgesetzt werden muß. Auf Grund einer Vereinbarung des Ältestenrats hat der Präsident den Rechtsausschuß um Stellungnahme zu einer Reihe von Rechtsfragen ersucht. Der Ausschuß kann diese Stellungnahme aber erst nach der Pfingstpause abgeben, da das Gewicht der erwähnten Rechtsfragen es ihm angezeigt erscheinen ließ, zunächst einen Berichterstatter und einen Mitberichterstatter mit der Prüfung dieser Materie zu betrauen. Das Haus ist wohl mit der Absetzung einverstanden.
Weiter habe ich die Bitte der Koalitionsfraktionen bekanntzugeben, den Punkt 2 der heutigen Tagesordnung auf den Beginn der morgigen Sitzung zurückzustellen, also später aufzurufen. Auch damit, glaube ich, ist das Haus einverstanden.
Schließlich komme ich vor Eintritt in die Tagesordnung noch zu einem
Nachtrag zur Fragestunde vom 7. Mai 1958 ({0})
und rufe die zurückgestellte Frage 7 betreffend den Amtsantritt des deutschen Botschafters bei der Schweizerischen Eidgenossenschaft auf:
Warum tritt der Botschafter der Bundesrepublik Deutschland bei der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Ernst Günter Mohr, sein Amt in Bern nicht an, obwohl ihm der Schweizerische Bundesrat das Agrément schon vor längerer Zeit gegeben hat?
({1})
Das Wort dazu hat Herr Staatssekretär van Scherpenberg.
Zu der Frage ist folgendes zu sagen. Der zum Botschafter der Bundesrepublik Deutschland bei der Schweizerischen Eidgenossenschaft ernannte Dr. Ernst Günter Mohr wird seinen Dienst in Bern am 18. Juni 1958 antreten.
Ist noch eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Lenz ({0})?
({1})
- Dann ist die Beantwortung erledigt. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Ich rufe nunmehr auf Punkt 1 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu den Vereinbarungen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und den Regierungen der Vereinigten Staaten von Amerika, des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland, der Republik Frankreich, des Königreichs Dänemark, des Königreichs der Niederlande und des Königreichs Belgien über gegenseitige Hilfe gemäß Artikel 3 des Nordatlantik-Vertrags ({2}).
Das Wort zur Einbringung hat wiederum Herr Staatssekretär van Scherpenberg.
Meine Damen und Herren, der Gesetzentwurf zu den Vereinbarungen zwischen der Bundesregierung und den Regierungen der Vereinigten Staaten, Großbritanniens, Frankreichs, Dänemarks, der Niederlande und Belgiens über gegenseitige Hilfe gemäß Art. 3 des Nordatlantikvertrages, der Ihnen heute zur ersten Lesung vorliegt, betrifft eine Frage, die seit Jahr und Tag in der Öffentlichkeit des In- und Auslandes Gegenstand lebhafter Erörterungen und Kontroversen ist. Es handelt sich um die Frage, ob und in welcher Form die Bundesrepublik auch nach der Wiedergewinnung der Souveränität einen Anteil an den Unterhaltskosten der Streitkräfte tragen solle, die unsere Verbündeten auf dem Gebiet der Bundesrepublik stationiert haben. Viele sehen in solchen Zahlungen nur die Fortsetzung von Verpflichtungen aus der Besatzungszeit, die uns durch mehr oder minder einseitige Anordnung der Sieger auferlegt
waren. Sie sehen als Aufgabe der bei uns stehenden fremden Truppen nur den Schutz der Entsendestaaten selbst und ziehen daraus den Schluß, daß diese daher auch allein für die Kosten aufkommen müßten.
Meine Damen und Herren! Ich glaube zwar, daß die Einseitigkeit einer solchen Argumentation klar auf der Hand liegt. Ich halte es aber doch für notwendig, die ganze Entwicklung der Frage bis zum gegenwärtigen Stand der Dinge noch einmal darzulegen.
Schon die Bestimmungen des Finanzvertrags in der Fassung der Pariser Verträge, der noch eine ausdrückliche juristische Verpflichtung der Bundesrepublik zur Zahlung von Stationierungskosten enthielt, lassen den Gedanken der Partnerschaft und der gemeinsamen Verantwortung für eine gemeinsame Sache erkennen. Die hier für das erste Jahr der Souveränität vereinbarten deutschen Zahlungen hatten eine von Monat zu Monat sinkende Tendenz, und die Bestimmung, welche die Möglichkeit nochmaliger Verhandlungen für ein weiteres Jahr vorsah, stand unter dem Vorbehalt, daß bei der Bemessung etwaiger neuer deutscher Leistungen der Bedarf unserer Streitkräfte zu berücksichtigen war. In dieser Tendenz spiegelt sich die gemeinschaftlich zu lösende Aufgabe der Verteidigung der westlichen Welt wider. Solange es noch keine oder keine nennenswerten eigenen Beiträge der Bundesrepublik zu dieser Aufgabe gab, sollte sie sich an den Kosten des gemeinsamen Schutzes durch einen Zuschuß zu den Aufwendungen der Bündnispartner beteiligen, die im allseitigen Interesse aufgebracht werden müssen. Der Beitrag läuft mit dem Anwachsen der eigenen Leistung und damit des eigenen unmittelbaren Beitrags zur gemeinschaftlichen Verteidigungsaufgabe aus.
Als wir uns im vorigen Jahr neuen Wünschen der Entsendestaaten gegenübersahen, bestand Übereinstimmung mit unseren Verbündeten, daß als rechtliche Grundlage für die erbetenen deutschen Leistungen der Finanzvertrag nicht mehr herangezogen werden konnte. Schon die Vereinbarungen des Jahres 1956 enthalten die Feststellung, daß mit ihrem Abschluß die Bindungen des Finanzvertrages insoweit konsumiert seien.
Wenn sich die Bundesregierung trotzdem im Vorjahr entschloß, neuen Leistungen zuzustimmen, so tat sie dies in der Überzeugung, einer Bündnispflicht zu genügen, auch auf die Gefahr hin, daß ihre Handlungsweise von der einen oder anderen Seite als Nachgiebigkeit gegenüber alten Besatzungstraditionen mißdeutet werden würde. Ich glaube, daß man der Bundesrepublik andernfalls mit Recht beim damaligen Stande des Aufbaues der Bundeswehr hätte zum Vorwurf machen können, dem Geist und den Grundsätzen des atlantischen Bündnisvertrages entgegen zu handeln, die in seinem Artikel 3 die Verpflichtung der Vertragspartner zum Ausdruck bringen, „einzeln und gemeinsam durch ständige und wirksame Selbsthilfe und gegenseitige Unterstützung die eigene und geureinsame Widerstandskraft gegen bewaffnete Angriffe zu erhalten und fortzuentwickeln".
Der Aufbau der Bundeswehr war aus von uns nicht zu vertretenden Gründen zeitlich hinter den ursprünglichen Erwartungen zurückgeblieben, und das Argument war nicht unberechtigt, daß die sich hieraus ergebende Verringerung der finanziellen Belastung der Bundesrepublik einen gewissen Ausgleich zugunsten der Länder finden sollte, die im damaligen Augenblick noch die Hauptlast der gemeinsamen Verteidigung einschließlich der der Bundesrepublik trugen.
Lassen Sie mich hier einige Bemerkungen zu der Frage einschalten, welche Bedeutung nach Auffassung der Bundesregierung dem Verbleib verbündeter Truppen auf dem Gebiet der Bundesrepublik beizumessen ist. Die Stationierung von Truppen unserer Bündnispartner in der Bundesrepublik im Rahmen der Atlantischen Allianz hat in allererster Linie der Aufrechterhaltung des Friedens gedient. Für die Vergangenheit ergibt sich dies daraus, daß seit Gründung der NATO im April 1949, die den politischen und militärischen Rahmen für diese gemeinsame Verteidigungsstreitmacht darstellt, ein weiteres Vordringen der Sowjetunion verhindert werden konnte. Die Aufhebung der sowjetischen Blockade Berlins hat nicht nur einen zufälligen zeitlichen Zusammenhang mit dem Abschluß des Nordatlantikvertrages.
Die Anwesenheit von Truppen unserer Verbündeten in der Bundesrepublik wird auch weiterhin der Bewahrung des Friedens dienen. Sie stellt einen wesentlichen Bestandteil der Abschreckung dar, die einen Gegner davor warnt, irgendwelche Aktionen mit begrenzten oder größeren Zielen zu beginnen. Sie veranschaulichen täglich durch ihre Anwesenheit die Tatsache, daß jegliche Aggression unweigerlich zum bewaffneten Konflikt mit unseren Verbündeten und damit zu einem Kriege führen müsse, den zu vermeiden auch den Absichten der Sowjetunion entsprechen muß. So haben denn die alliierten Streitkräfte - in letzter Zeit in zunehmendem Maße gemeinsam mit der deutschen Bundeswehr - den unentbehrlichen Schild gebildet, durch dessen Schutz nicht nur der Friede und unsere Freiheit erhalten bleiben, sondern auch die fortschreitende Einigung des freien Europas sich, geschützt vor äußerer Einwirkung, fortentwickeln konnte und weiter entwickeln wird.
Hieraus folgt aber zugleich die entscheidende Bedeutung der Anwesenheit von Truppen unserer Verbündeten in der Bundesrepublik für unsere eigene Sicherheit. Ich brauche wohl nur darauf hinzuweisen, daß im Zuge des Aufbaus des deutschen Verteidigungsbeitrags mit der Aufstellung von Truppen praktisch erst 1956 begonnen werden konnte. Wenn diese Aufstellung nun auch im zügigeren Fortschreiten ist, so kann unser Ziel doch erst in einigen Jahren erfüllt sein. Am 1. Juli 1957 hat die Bundesregierung der NATO an großen Heeresverbänden drei Grenadierdivisionen zur Verfügung gestellt. Im Rahmen des Ihnen ja bekannten Aufstellungsprogramms folgten am 1. Januar 1958 zwei
Panzerdivisionen und am 1. April dieses Jahres an Heeresverbänden eine Gebirgsdivision und eine Luftlandekampfgruppe. Doch ist damit das endgültige Ziel noch nicht erreicht.
Nun sind diese deutschen Verbände aber keinesfalls dazu bestimmt, etwa nach und nach die bei uns stationierten fremden Truppen zu ersetzen. Der deutsche Verteidigungsbeitrag wird von NATO vielmehr voll und ganz zusätzlich benötigt, um das strategische Konzept für die Verteidigung Mitteleuropas in vollem Umfang, d. h. unter Einschluß ganz Westdeutschlands, zu verwirklichen, wenn dies eines Tages nötig sein sollte. Hierzu hält der NATO-Oberbefehlshaber für Europa bekanntlich etwa 30 Divisionen für erforderlich. Erst diese 30 Divisionen versetzen NATO in die Lage, die Verteidigung des europäischen Raumes an seinen vordersten Grenzen zu führen. Das besondere Interesse gerade der Bundesrepublik daran, daß dieses Ziel nicht aus den Augen verloren wird und die Voraussetzungen dafür erhalten bleiben, liegt auf der Hand. Wenn die in der Bundesrepublik eingesetzten Verteidigungsstreitkräfte zu schwach wären, einen Angriffsstoß so nahe wie möglich an unserer Ostgrenze aufzufangen, bliebe uns nur die Hoffnung auf eine spätere Befreiung, und was das praktisch bedeuten würde, brauche ich nicht auszumalen. Wir berauben uns aber der hierzu erforderlichen Voraussetzungen, wenn die in der Bundesrepublik stationierten Einheiten unserer Verbündeten abziehen würden.
Ich möchte in diesem Zusammenhang mit dankbarer Genugtuung kurz erwähnen, daß der jetzige Stand der Aufstellung der Bundeswehr sich nicht hätte erreichen lassen ohne die bedeutende Hilfe, die uns dabei von unseren Verbündeten auch in materieller Hinsicht zuteil geworden ist. So haben uns in großzügigster Weise die Vereinigten Staaten und Kanada zum erheblichen Teil kostenlos nicht nur Waffen und Ausrüstung zur Verfügung gestellt. Beide Länder und andere unserer Verbündeten leisten unter Einschaltung ihrer bei uns stationierten Truppenteile auch eine umfangreiche technische Hilfe und beteiligen sich fortlaufend an der Ausbildung unserer Soldaten, teils hier in der Bundesrepublik, teils bei sich zu Hause. Diese Hilfen, für die wir allen beteiligten Staaten dankbar sein müssen, werden uns auch bei dem weiteren Aufbau der Bundeswehr unentbehrlich sein. Wir sollten eine Hilfe nicht als etwas Selbstverständliches hinnehmen, sondern die Verpflichtung empfinden, auch unsererseits diejenige Hilfe zu gewähren, die in unseren Kräften liegt.
Wie sehr der Verbleib verbündeter Truppen in der Bundesrepublik auch für unsere eigene Sicherheit notwendig ist, erhellt, wenn man sich das Ausmaß der Bedrohung vergegenwärtigt, der wir gegenüberstehen. Dies gilt ganz besonders auch für die zurückliegenden Jahre, in denen wir völlig oder fast völlig ohne Waffen dastanden. Vergegenwärtigen Sie sich, daß die Sowjetunion noch heute für sich allein, d. h. ohne die durch den Warschauer Vertrag militärisch zusammengefaßten Staaten, über jederzeit einsatzbereite Streitkräfte in einer Stärke verfügt, die die der Streitkräfte jedes anderen Landes der freien Welt einschließlich der USA bei weitem übersteigt. In der sowjetischen Besatzungszone unterhält die Sowjetunion u. a. eine vollmotorisierte Angriffsarmee von reichlich 20 Divisionen, die in kürzester Frist auf dem Landwege durch Verbände aus Polen und der Sowjetunion selbst verstärkt werden könnte.
Ich habe den Eindruck, daß die nackte Zahl nicht mit der notwendigen Deutlichkeit zeigt, welcher Bedrohung wir uns gegenübersehen. Die sowjetischen Streitkräfte in der sowjetischen Besatzungszone sind in ihrer Struktur in letzter Zeit den Anforderungen einer atomaren Kriegführung angepaßt und auf den neuesten Stand der modernsten Waffentechnik gebracht worden. Zu den Divisionen gehören insbesondere sehr starke Panzer- und Artillerieeinheiten. Unsere Schätzung, daß sie über 7000 bis 8000 Panzer verfügen, ist mit aller Vorsicht vorgenommen worden.
Vergessen wir auch nicht die sogenannte Volksarmee der sowjetischen Besatzungszone, zu der noch systematisch im Bürgerkrieg geschulte Industriebrigaden und ähnliche Verbände treten. Die Volksarmee umfaßt 7 Divisionen mit 1200 Panzern. Die Zusammenballung von unter sowjetischem Kommando stehenden Streitkräften aller Art in der SBZ gegenüber der Zonengrenze und rund um Berlin stellt eine ständige Bedrohung unserer Sicherheit dar, die wohl von niemandem bestritten werden kann.
Herr Staatssekretär, darf ich einen Augenblick unterbrechen. Es scheint, daß es für das Haus schwer ist, Sie zu verstehen. Ich habe an der Lautsprecheranlage bereits die größte Lautstärke einstellen lassen und darf Sie bitten, zu versuchen, etwas lauter zu sprechen.
van Scherpenberg, Staatssekretär des Auswärtigen Amts: Es ist natürlich schwierig, am Mikrophon genau zu beurteilen, wie die Stimme am anderen Ende ankommt.
So war es schon besser, Herr Staatssekretär.
van Scherpenberg, Staatssekretär des Auswärtigen Amts: Aus all dem ergibt sich der Wert, den die Bundesregierung der Stationierung von Truppen unserer Verbündeten auf dem Gebiet der Bundesrepublik beigemessen hat und nach wie vor beimißt. Sie hat es deshalb auch sehr begrüßt, daß der Präsident der Vereinigten Staaten nach wie vor zu seinem Schreiben vom 10. März 1955 an die Ministerpräsidenten der WEU-Staaten steht, in welchem den Mitgliedstaaten der WEU u. a. die Stationierung starker amerikanischer Truppen auf dem europäischen Kontinent zugesichert wurde.
Die Regierung des Vereinigten Königreichs hat sich dankenswerterweise verpflichtet, und zwar im
Rahmen der Pariser Verträge, einen bedeutenden Teil ihrer Streitkräfte auf dem europäischen Kontinent, insbesondere in Deutschland, zu stationieren. Die in letzter Zeit vorgenommenen Verringerungen der Truppenzahl haben wir - mit Bedauern, aber auch nicht ohne Verständnis für die Zahlungsbilanzschwierigkeiten des Vereinigten Königreichs - zur Kenntnis nehmen müssen. Wir begrüßen aber die grundsätzliche Bereitschaft der britischen Regierung, an der gemeinsamen Verteidigung Westeuropas auch künftig mit starken Kräften teilzunehmen.
Auch die Streitkräfte unserer anderen Verbündeten, die in der Bundesrepublik stationiert sind, stehen auf Grund der gemeinsamen Verpflichtungen aus dem Nordatlantikvertrag auf deutschem Boden. Auch sie sind im Rahmen der strategischen Planung unentbehrlich für die Durchführung der gemeinsamen Aufgabe.
Schließlich noch ein Hinweis auf Berlin. Die Sicherheitsgarantie, welche von den Vereinigten Staaten, Großbritannien und Frankreich für das freie Berlin übernommen und bei der Konferenz der Regierungschefs der NATO im Dezember 1957 ausdrücklich bekräftigt wurde, wäre ohne die Anwesenheit der Truppen dieser Mächte in Berlin und in der Bundesrepublik ohne praktischen Wert. Solange an dem Vier-Mächte-Status für Berlin festgehalten werden muß, also bis zur Wiedervereinigung Deutschlands, müssen wir auf die Anwesenheit der verbündeten Truppen in Berlin den allergrößten Wert legen.
Lassen Sie mich nun zu der Vorlage zurückkehren. Die Bundesregierung hat - das war der Ausgangspunkt der Verhandlungen des Vorjahrs - stets betont, daß es sich um freiwillige Leistungen handle, die ihren Grund nicht in einer juristischen Verpflichtung, sondern in der Überzeugung hatten, daß gegenseitige Unterstützung im Rahmen des Zumutbaren dem Geiste und den Notwendigkeiten der Allianz entspricht. Da es im Wesen der freiwilligen Leistung liegt, daß sich der Geber die Entscheidung vorbehalten muß, ob, in welchem Umfang und auf welche Weise er helfen will, hat die Bundesregierung vor dem Abschluß der Abkommen, die Ihnen vorliegen, sowohl die Bedürfnisse ihrer Verhandlungspartner als auch die Grenzen der eigenen Möglichkeiten sorgfältigst geprüft.
Vor allem hat die Bundesregierung ihre Verbündeten damals nicht im unklaren gelassen, daß die Voraussetzung der hier vereinbarten Zahlungen, nämlich die Ungleichheit der Verteidigungslast der Bundesrepublik - verglichen mit der ihrer Verbündeten -, mit größter Sicherheit in kurzer Zeit wegfallen werde.
Das schon im Vorjahr festzustellende rasche Ansteigen unserer Verteidigungsausgaben zwang dazu, sollte nicht der eigene Verteidigungsaufbau leiden, die Gesamtsumme, die den Verbündeten insgesamt zur Verfügung gestellt werden konnte, auf 1,2 Milliarden DM zu begrenzen, was verglichen mit dem Jahr 1956 eine Senkung um fast 20 % bedeutet. Dies führte dazu, daß die Forderung der einzelnen Entsendestaaten, den gleichen Betrag wie im Vorjahr zu erhalten, abgewiesen und eine Beschränkung auf 50 % der Vorjahrssumme vorgesehen werden mußte. Allein Großbritannien und Frankreich wurden wegen ihrer besonderen finanziellen und devisenwirtschaftlichen Schwierigkeiten bevorzugt. Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß sie insbesondere im Falle Großbritanniens eine Leistung von außerordentlicher Wirksamkeit erbracht hat, die von dem großen Verständnis zeugt, welches wir den besonderen Schwierigkeiten und der besonderen Lage unserer britischen Freunde entgegengebracht haben und noch heute entgegenbringen.
Gestatten Sie mir, an diese Feststellung einige Bemerkungen zu den neuerlichen Wünschen einiger unserer Verbündeten anzuknüpfen. Wir mußten diesen sagen, daß wir grundsätzlich im Zusammenhang mit der Truppenstationierung keine Leistungen mehr erbringen können, deren unmittelbare Zweckbestimmung die haushaltsmäßige Entlastung unserer Verbündeten ist. Die besondere Situation der Bundesrepublik im ersten Aufbaustadium der Bundeswehr, in der sie erst langsam begann, die Last der Verteidigung auf sich zu nehmen, besteht nicht mehr. Betrachtet man die vor uns liegenden weiteren Aufbaujahre als Ganzes und berücksichtigt man die besonderen Faktoren, die unser politisches, wirtschaftliches und soziales Dasein bestimmen. so kann nicht mehr davon gesprochen werden, daß wir auch jetzt noch nicht unseren angemessenen Anteil an der gemeinschaftlichen Last trügen.
Aus der öffentlichen Diskussion des Auslandes geht hervor, daß dort mancherorts Vorstellungen über die Leistungkraft der deutschen Wirtschaft bestehen, die den Sinn für die Realitäten vermissen lassen. Wenn aus der Tatsache, daß die Bundesrepublik in der Vergangenheit nur geringe oder gar keine Verteidigungslasten getragen habe, die Rechtfertigung abgeleitet wird, wir müßten .sozusagen zum Ausgleich diese in der Gegenwart trotz nunmehr völlig veränderter Lage durch zusätzliche Leistungen an unsere Partner nachholen, so ist dies erstens volkswirtschaftlich gesehen ein Unding, außerdem wird aber völlig vergessen, daß das Fehlen einer größeren Verteidigungslast in den ersten Jahren nach dem Krieg der deutschen Volkswirtschaft keineswegs einen Vorsprung gegenüber anderen Ländern, sondern lediglich die Möglichkeit verschafft hat, Kriegs- und Nachkriegsverluste unvergleichbaren Ausmaßes bis zu einem gewissen Grade wieder aufzuholen.
Die Bundesregierung ist andererseits durchaus bereit, innerhalb des Rahmens ihrer Möglichkeiten an der Lösung der Probleme mitzuwirken, die sich daraus ergeben können, daß vertragliche Bindungen innerhalb der Bündnisgemeinschaft und die Planungen der NATO eine Stationierung von Truppen außerhalb des eigenen Landes verlangen, und die in allererster Linie auf dem Devisengebiet liegen.
Die NATO selbst hat zu diesem Zweck ein Verfahren ausgearbeitet, nach dem durch objektive
Sachverständige festgestellt wird, ob ein Mitgliedsland durch die Stationierung in besondere finanzielle Notlage gerät. Ohne eine solche unabhängige Äußerung können wir in Zukunft überhaupt nicht mehr an die Prüfung derartiger Fragen herangehen.
Ich möchte mich im Augenblick auf diese Bemerkungen beschränken. Sie wissen, daß über die neuen englischen Wünsche sehr schwierige und langwierige Verhandlungen im Rahmen der NATO stattgefunden haben. Sie sind noch nicht endgültig abgeschlossen. Ich glaube aber zwei Dinge versichern zu können. Erstens: Sie haben mit dem Gesetzentwurf, der Ihnen hier vorliegt, zunächst einmal unmittelbar nichts zu tun. Zweitens: Die Größenordnung ist überhaupt nicht mehr mit dem vergleichbar, was die letzten Jahre hier gebracht haben.
Sie haben die Begründung des Gesetzentwurfs gehört. Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? - Das Wort hat Herr Abgeordneter Professor Gülich,
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die vorliegenden Vereinbarungen sind nicht, wie sonst üblich, ein geschlossenes Vertragswerk, sondern sie bestehen aus Notenwechseln, Ergänzungen zu Notenwechseln, Briefwechseln und Protokollen. Ich halte das für einen Nachteil und war deshalb erstaunt, als der Herr Staatssekretär des Auswärtigen das soeben als einen Vorteil bezeichnete. Die Diskrepanz unserer Auffassungen können wir hier nicht klären. Aber ich will zu dem Nachteiligen noch einiges sagen.
Die Abmachungen sind vom 7. Juni, vom 8. Juli und vom 10. Juli vorigen Jahres datiert. Schlägt man die erste Abmachung, nämlich die Abmachung mit den USA vom 7. Juni 1957, auf, so ist man zunächst über die Ziffer 3 erstaunt, in der steht:
Sollte diese Vereinbarung nicht bis zum 1. Juni 1957 in Kraft getreten sein, wird die Bundesregierung auf Antrag der Regierung der Vereinigten Staaten und vorbehaltlich der Zustimmung der zuständigen Ausschüsse des Deutschen Bundestages eine Abschlußzahlung bis zur Höhe von 175 Millionen DM leisten.
Wir haben also das bemerkenswerte Faktum, daß ein Vertragswerk am 7. Juni abgeschlossen wird und die Klausel enthält: Sollte es nicht bis zum 1. Juni - nämlich sieben Tage vorher - von den gesetzgebenden Körperschaften ratifiziert worden sein, dann tritt das und das ein.
Meine Damen und Herren, Sie sehen an dieser Tatsache wieder die mangelnde Sorgfalt, die wir seit dem Jahre 1952 bei dem Abschluß der internationalen Verträge beklagt haben.
({0})
Ich habe damals als Sprecher meiner Fraktion auf zahlreiche formelle Unklarheiten und Unschönheiten hingewiesen, die in völkerrechtlichen Verträgen nun einmal nicht üblich, ja nicht zulässig sind und
die nur deshalb hineingekommen sind, weil die Bundesregierung vor dem Abschluß eines jeden Vertrags, eines jeden Abkommens unter Zeitdruck gestanden hat. Denn daß die Ratifikation nicht vor dem 1. Juni erfolgen konnte, war sonnenklar. Aber keiner der beteiligten Beamten hat das augenscheinlich bemerkt. Vielleicht soll es sich um ein völkerrechtliches Novum handeln.
Die Vereinbarungen, um die es hier geht, kosten die Bundesrepublik 1198,6 Millionen DM, also nur 1,4 Millionen DM weniger als die Stationierungskosten im Jahre vorher. Heute, fünf Wochen nach dem Beginn des neuen Etatjahres, in dem uns dieses Vertragswerk zur Ratifikation in erster Lesung vorgelegt worden ist, ist es klar, daß das Vertragswerk auch nicht bis zum 1. Juni 1958 ratifiziert sein wird. Das ist aber auch ziemlich gleichgültig, denn die Zahlungen von knapp 1,2 Milliarden DM sind ja zu runden 96 % längst geleistet.
({1})
Soviel ich weiß, stehen nur noch 50 Millionen aus, - jedenfalls war es vor einiger Zeit so, Das Parlament soll also jetzt einen Akt vollziehen, der nur noch eine formale Bedeutung hat.
Haushaltsmäßig haben diese Vereinbarungen ihren Niederschlag im Nachtrag zum Bundeshaushaltsplan 1957 gefunden, der jetzt, fünf Wochen nach Beginn des Haushaltsjahres 1958, vom Parlament auch noch nicht verabschiedet ist. Ich weiß, daß es im Hause Kollegen gibt, die sagen, das sei doch alles gleichgültig. Ja, meine Damen und Herren, wenn wir erst anfangen, solche Dinge gleichgültig zu nehmen - und Sie haben leider damit vor Jahren angefangen! -, dann kommt man ins Rutschen, und es findet schließlich kein Ende mehr.
Der Her Staatssekretär hat eine Reihe von interessanten Dingen gesagt und eine Reihe von noch interessanteren Dingen nicht gesagt. Ich hoffe, daß es mir gelingen wird, ihn nachher noch zum Reden zu bewegen..
Insgesamt betrugen die Stationierungskosten nach den Pariser Verträgen für das „erste Verteidigungsjahr" 3200 Millionen DM, für das „zweite Verteidigungsjahr", das am 6. Mai 1956 begann - es deckt sich nicht mit dem Haushaltsjahr , 1455 Millionen DM, im „dritten Verteidigungsjahr", also 1957, jetzt die runde Summe von 1200 Millionen DM.
Ihre rechtliche Begründung fanden die Stationierungskosten von 1956 ab in Art. 4 Abs. 4 des Finanzvertrages, in dem die Bundesregierung sich verpflichtet hat, nach Ablauf des ersten Verteidigungsjahres in Verhandlungen einzutreten. Die Bundesregierung hat hier immer behauptet, daß sie nichts mehr zu zahlen habe, daß in Zukunft eben die Besatzungsmächte all dieses zu zahlen hätten.
Die neuen, in der Drucksache 47 vorliegenden Vereinbarungen stützen sich nun auf den Art. 3 des Nordatlantikpakts; ich zitiere:
Um die Ziele dieses Vertrags besser zu verwirklichen, werden die Parteien einzeln und
gemeinsam durch ständige und wirksame Selbsthilfe und gegenseitige Unterstützung die eigene und die gemeinsame Widerstandskraft gegen bewaffnete Angriffe erhalten und fortentwickeln.
Man sieht, daß aus diesem Art. 3 des Nordatlantikpakts, der bekanntlich im Jargon der Ministerialbürokratie der Heilige-Geist-Artikel genannt wird, alles und nichts herausgelesen werden kann, daß er also keineswegs eine Grundlage für finanzielle Vereinbarungen sein kann.
Nun sagte der Herr Staatssekretär vorhin, die NATO habe ein System entwickelt, nach dem man Stationierungskosten - wenn ich es richtig verstanden habe - objektiv, jedenfalls richtig und gerecht berechnen könne. Wenn ich Sie nicht richtig verstanden habe, Herr Staatssekretär, lag es an der Unruhe des Hauses.
Ich erinnere an mein erstes Geplänkel - um mit Ortega y Gasset zu sprechen; es waren in Wirklichkeit sehr ernste Auseinandersetzungen - im Dezember 1952 in diesem Hause, wobei sich vor allem die Kollegen Bausch, Gerstenmaier und Schröder mit der Behauptung hervortaten, daß in Zukunft überhaupt keine Stationierungskosten mehr zu zahlen seien, daß die Stationierungsmächte die Kosten eben selbst trügen, daß wir dafür ja die Verträge machten. Ich erinnere an die zweite Auseinandersetzung im Februar 1955, an die sich besonders der damalige Bundesfinanzminister Schäffer erinnern sollte, an die dritte und vierte Auseinandersetzung im Juni 1956 und im Februar 1957 anläßlich der Beratung der Haushalte. Immer wieder haben die Regierungsparteien erklärt, die Verträge legten uns keine Verpflichtungen zur Zahlung von Stationierungskosten mehr auf. Immer wieder haben wir von der Opposition auf den tatsächlichen Sachverhalt hingewiesen und die tatsächliche Entwicklung richtig vorausgesehen und dargestellt.
Obgleich die Forderungen von den Stationierungsmächten ausgehen das ist klar und deutlich, man hört ja immer von diesem Drängen der Besatzungsmächte , beginnt der gesamte uns vorliegende Notenwechsel immer - selbstverständlich nachdem lange verhandelt worden war - mit einem Angebot des Bundesministers des Auswärtigen an die auswärtige Regierung, worauf der korrespondierende auswärtige Minister mit einer Antwortnote im gleichen Text reagiert. Hiermit glaubt die Bundesregierung wohl den Beweis für die Freiwilligkeit ihrer Leistungen zu liefern! Im Gegensatz dazu war es interessant, vorhin den Herrn Staatssekretär zu hören, der hier von „Zustimmung" sprach, welche „trotzdem" erfolgt sei. Ich glaube, daß die Formulierungen des Herrn Staatssekretärs des Auswärtigen dem wirklichen Sachverhalt gerechter werden.
Nun hat der Herr Bundesfinanzminister in seiner Etatrede zum Haushalt 1958 am 16. April 1958 folgendes gesagt:
Der Haushaltsplan 1958 enthält keine Ansätze mehr zur Zahlung von Stationierungskosten an verbündete Mächte. Die Bundesregierung hat 1957 erklärt, daß sie letztmalig derartige Zahlungen in Höhe von 1,2 Milliarden DM leiste, nachdem nunmehr ihre eigene Verteidigung durch die Bundeswehr in vollem Aufbau ist. Lediglich für Berlin zahlen wir noch Besatzungskosten und Auftragsausgaben an die dortigen Besatzungsmächte mit unvermindert 220 Millionen DM.
Ich wundere mich in der Tat über die Sorglosigkeit, mit der der Herr Bundesfinanzminister das hier vorgetragen hat. Er hat offensichtlich ein Konzept seines Vorgängers benutzt, der in gleichen Redewendungen den Bundestag zu bedienen versuchte.
({2})
Es ist nämlich so, Herr Bundesfinanzminister: der Bundeshaushalt 1957 hat ja auch keine Ansätze für Stationierungskosten enthalten, und der Haushalt 1956 hat mit Ausnahme der 232 Millionen DM für die Zeit vom 6. April bis 5. Mai 1956 auch keinen Ansatz für Stationierungskosten enthalten. Immer nur hinterher, in Nachträgen, sind diese Stationierungskosten durch das Parlament geschmuggelt worden, immer unter Zeitdruck, daß das Parlament gar nicht aufnehmen konnte, um was es sich überhaupt handelte. Wer interessiert sich zudem schon für einen Nachtragshaushalt? So ist es also gewesen.
Herr Bundesfinanzminister, Sie haben in Ihrer Rede vom 16. April so getan, als ob jetzt etwas Neues begänne und im Haushalt 1958 etwas Neues begonnen hätte. Wir werden sehen, ob etwas und was an Stationierungskosten in den Haushalt 1958 hineinkommen wird. Im Entwurf, Einzelplan 35, steht außer den vorhin schon erwähnten Ausgaben für Berlin natürlich keine Mark, wie in all den vorhergehenden Jahren. Aber die Ausgaben werden im Laufe des Jahres schon in die Nachträge kommen. Wenn man sie jetzt auch nicht mehr Stationierungskosten nennt, sondern schamhaft dafür einen anderen Ausdruck gebraucht, so ist das doch in der Sache genau dasselbe.
({3})
Der Herr Bundesfinanzminister, dem wir für sein schweres Amt alles Gute wünschen, und der weiß Gott keine leichte Aufgabe übernommen hat, täte besser daran, uns mit solchen Formulierungen nicht zu reizen.
Wir hören immer und haben es auch heute gehört: die Zahlungen sind einmalig, sie sind letztmalig, sie sind von nichtpräjudiziellem Charakter. Schauen wir doch einmal in die Denkschrift zu den Vereinbarungen, die wir jetzt ratifizieren sollen, hinein! Da finden wir - Drucksache 47, Seite 4, rechte Spalte - folgenden Satz:
Es hätte mit dem Sinn des Artikels 3 des Nordatlantik-Paktes nicht im Einklang gestanden, eine Wiederholung der Zahlungen ausdrücklich auszuschließen. Die Bundesregierung hat sich daher auch, einer amerikanischen Bitte entsprechend, bereit gefunden, die sich aus Artikel 3 ergebende Möglichkeit späterer Gespräche zu bestätigen.
Das ist also wieder dasselbe, was wir schon so genau kennen, was Fritz Reuter mit „Olle Kamellen" und was der Berliner Volksmund mit „Kalter Kaffee" bezeichnen. Wenn die Bundesregierung sich bestimmten Verpflichtungen nicht entziehen kann, dann soll sie vor das Parlament treten und ihr Anliegen hier auch vertreten.
({4})
Ich verstehe wirklich nicht, warum jedes Jahr aufs neue dieses Versteckspiel getrieben wird, warum nicht jedes Jahr die Vorlage zur schließlich doch unvermeidlichen Genehmigung durch das Parlament rechtzeitig unterbreitet wird.
Nach dem, was soeben vorgelesen und den Amerikanern gegenüber bestätigt wurde, ist es klar, daß die Bundesrepublik auch in Zukunft Zahlungen leisten wird. Nun komme ich zu einer ganz konkreten Frage. Wir wissen doch, daß der Herr Bundeskanzler für das Jahr 1958 bereits Abmachungen getroffen hat, Abmachungen, die ihm eben diesen herzlichen Empfang in London gesichert haben. Die „Neue Zürcher Zeitung" berichtete aus London am 23. April:
Die stärksten Ausdrücke werden verwendet, um das deutsche Publikum von der Herzlichkeit und völlig ungetrübten Atmosphäre der Begegnung auch wirklich zu überzeugen. In der deutschen Presse ist sogar das Wort vom „entscheidenden Durchbruch" in den deutsch-britischen Beziehungen zu lesen, das der Frontgeneration hierzulande
- also in England -offenbar auch einen zivilen und psychologischen Sachverhalt erst so recht glaubwürdig und gehörig dramatisch macht.
Die „Neue Zürcher Zeitung" fährt nachher fort - auf das andere komme ich zurück -:
Die Formel des Kommuniqués, die auf die Konferenz und auf die Rolle der deutschen Frage Bezug nimmt, ist sehr elastisch, um nicht zu sagen, weich gehalten.
Der Herr Bundeskanzler war über die Herzlichkeit, mit der man ihm in London begegnet ist, sehr beglückt. Nach Pressemeldungen hat er z. B. geäußert: Zu Hause - also in der Bundesrepublik, im Parlament - werde ich gebürstet, hier in London werde ich gestreichelt. - Ja, meine Damen und Herren, wie gern würden wir den alten Herrn auch streicheln, wenn er uns die Möglichkeit zu einer gemeinsamen Außenpolitik gäbe
({5})
und wenn er das Parlament immer so rechtzeitig und vollständig informierte, wie es Recht und Sitte in demokratischen Staaten nun einmal gebieten.
({6})
Das offizielle Kommuniqué der Bundesregierung sagt über die Londoner Konferenz in bezug auf die Stationierungskosten, die sich ja in Zahlen des Bundeshaushalts ausdrücken, für die der deutsche Steuerzahler aufzukommen hat, folgendes:
Der Bundeskanzler und der Premierminister gaben ihrer Freude darüber Ausdruck, daß die Grundlage einer Einigung über das Problem der britischen Streitkräfte in Deutschland gefunden worden ist. Diese Übereinkunft liegt dem Nordatlantikrat, in dem die Verhandlungen geführt worden sind, zur Zustimmung vor.
Wir möchten gern, daß sie auch dem deutschen Parlament zur Zustimmung vorgelegt werden, und wir möchten gern, daß die deutsche Presse und damit auch die deutsche Öffentlichkeit über das informiert werden, was wirklich los ist.
({7})
Ich habe deswegen an die Bundesregierung einige Fragen zu stellen. Was ist denn nun in London wirklich abgemacht worden? Die „Deutsche Zeitung und Wirtschafts-Zeitung" hat das Verdienst, am 19. April vor der Reise des Bundeskanzlers einige bemerkenswerte Mitteilungen gemacht zu haben. Genauere Anhaltspunkte gibt die englische Presse, von der ich die wichtigsten Ausschnitte mitgebracht habe. Die „Times" vom 25. April behauptet z. B., daß der Bundeskanzler Direktzahlungen für das, was man bisher Stationierungskosten genannt hat, von 12 Millionen Pfund pro Jahr - das sind rund 140 Millionen D-Mark - zunächst für drei Jahre fest zugesagt habe.
({8})
Herr Staatssekretär van Scherpenberg, wir würden hier im Parlament gern wissen, ob diese Mitteilung der „Times" richtig ist, ob der Herr Bundeskanzler eine solche Zusage gemacht hat, und wir würden gern wissen, warum Sie, Herr van Scherpenberg, heute bei der Begründung dieser Vorlage darüber nicht etwas Konkretes gesagt haben. Das sind immerhin, wenn es stimmt, für drei Jahre 420 Millionen D-Mark, die als deutscher Beitrag zu einem gemeinsamen Forschungsprogramm im Rahmen der NATO deklariert werden. Ja, meine Damen und Herren, warum müssen denn immer wieder für alte Sachen neue Namen erfunden werden? Das führt doch zur Irreführung des Parlaments und der deutschen Öffentlichkeit. Das deutsche Volk in der Bundesrepublik hat sich in seiner Mehrheit - zumindest im letzten September - so außerordentlich geneigt gezeigt, der Bundesregierung Adenauer einen großen Vertrauensbeweis zu geben. Warum erschüttert denn die Bundesregierung dieses Vertrauen immer wieder dadurch, daß sie dem Parlament keine Mitteilungen macht, daß sie die Presse und die Öffentlichkeit nicht genügend informiert?
({9})
Wenn ich richtig unterrichtet bin, kommen zu den eben genannten 420 Millionen D-Mark weitere Finanzhilfen, eine Devisenhilfe in Form eines Rüstungsvorauszahlungskontos von 50 Millionen Pfund - gleich rund 600 Millionen D-Mark - der Bundesregierung bei der Bank von England in London, aus dem innerhalb der nächsten drei Jahre britische Rüstungslieferungen an die Bundesrepublik bezahlt werden sollen. Nun gut, könnte man sagen, das ist eine Vorauszahlung, die vielleicht
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in Ordnung ist. Aber ist das richtig, Herr Staatssekretär des Auswärtigen, daß auf Grund einer Klausel über den verbleibenden Rest später verhandelt werden soll? Wenn ja, geht man also davon aus, daß ein Rest bleibt! Ist es richtig, daß diese Klausel besagt, der Rest solle keinesfalls an die Bundeskasse zurückgezahlt werden? Wenn solche Abmachung für die Zukunft getroffen sein sollten, dann sollten wir es uns bei der Ratifizierung eines Vertragswerkes, das bereits der Vergangenheit angehört, nicht so bequem machen.
Zu den beiden soeben genannten Posten kommt - nach Pressemeldungen - eine kombinierte Devisen- und Haushaltshilfe in Form von drei Rückzahlungsraten der britischen Nachkriegswirtschaftshilfe von je 7,5 Millionen Pfund, also 82 Millionen D-Mark, macht also zusammen rund 250 Millionen DM, welche vorzeitig, also längst vor der Fälligkeit, in bar zurückgezahlt werden sollen. In Höhe der vorzeitig zu zahlenden Beträge von mindestens 250 Millionen DM verschuldet sich dann der Bund bei der Deutschen Bundesbank.
Rüstungsvorauszahlungen, Forschungsbeiträge,
und wie es alles heißt, werden vermutlich auch in Zukunft aus dem Einzelplan 14, dem Verteidigungshaushalt, bestritten.
Die Times macht nun noch einige weitere, für uns gar nicht uninteressante Andeutungen, die auch wieder mit dem zusammenhängen, was der Herr Staatssekretär vorhin gesagt hat. Sie schreibt nämlich in einem Artikel „Limit of withdrawal", daß eine Verständigung mit dem Herrn Bundeskanzler auch darüber erzielt sei, daß die britischen Truppen im nächsten Jahr verringert werden sollen; darüber hat übrigens auch die Deutsche Zeitung und Wirtschafts Zeitung am 3. Mai geschrieben. Nach diesem Truppenabzug von vielleicht 9000 Mann würden dann also noch 46 000 Mann in 6 Brigaden auf deutschem Boden verbleiben. Demgegenüber war mir in den Formulierungen des Herrn Staatssekretärs, der keinerlei konkrete Angaben gemacht hat, sie aber offensichtlich machen könnte, folgendes interessant: Er begrüßte die Bereitschaft Großbritanniens, auch in Zukunft starke Truppen in der Bundesrepublik zu halten. Ich bin der Meinung, hier muß in konkreten Zahlen gesprochen werden, und entweder muß der Herr Staatssekretär des Auswärtigen diese ausländischen Pressemeldungen bestätigen oder er muß sie für unrichtig erklären.
Erinnern Sie sich doch daran, meine Damen und Herren, was die Bundesregierung vor dem Abschluß der Pariser Verträge von dieser Stelle aus alles gesprochen und versprochen hat! Wer sich nicht daran erinnert, wer es nicht weiß, sollte es in den alten Parlamentsverhandlungen nachlesen.
Nachdem ich diese Andeutungen aus der Presse gebracht habe, kommt meine konkrete Frage: Was ist bereits mit Großbritannien und was ist bereits mit den übrigen Stationierungsmächten abgesprochen worden? Oder wenn mit den übrigen Stationierungsmächten noch nichts ausgehandelt worden ist, glaubt die Bundesregierung, daß sie in Zukunft Zahlungen nur an Großbritannien zu leisten habe und die übrigen Entsendestaaten keine finanziellen
Beiträge mehr bekämen? Ich glaube, diese letzte Frage ist rein rhetorischer Natur. Es wird keinen Minister und keinen Staatssekretär geben, der von der Tribüne dieses Hauses sagen wird: Nein, nein, es geschieht nur noch für Großbritannien, weil sich Großbritannien unglücklicherweise in so großen Schwierigkeiten befindet. Ob es sich in so großen Schwierigkeiten befinden würde, wenn es sich nicht auf das Atomexperiment eingelassen hätte, ist eine andere Frage.
({10})
Ich würde niemals sagen, daß wir uns Verpflichtungen entziehen sollten. Aber wir sollen hier ja doch für Dinge geradestehen, die andere Mächte aus Gründen gemacht haben, die jedenfalls mit dem Ziel und dem Geist der NATO nicht vereinbar sind.
In diesem Zusammenhang möchte ich auch noch die Frage stellen: Was haben denn andere Mächte - das weiß sicher der Herr Bundesfinanzminister -, nämlich die übrigen Entsendestaaten, in ihre Haushaltsplanentwürfe schon an erwarteten Beträgen eingestellt, an Beträgen, mit denen sie fest rechnen?
Und noch eine Frage hierzu. Wir haben zirka 250 000 deutsche Beschäftigte bei den Stationierungsmächten. Wir wissen, daß die tarifrechtlichen Fragen höchst ungeklärt sind.
({11})
Wir wissen, daß in diesen 250 000 deutschen Beschäftigten eine tiefgebende Unruhe ist,
({12})
weil ihre Forderungen nicht erfüllt werden; ach, ich will es besser ausdrücken: weil nicht das geschieht, auf das sie wirklichen Anspruch haben. So ist es richtig gesagt.
({13})
Behandeln die einzelnen Stationierungsmächte ihre deutschen Beschäftigten verschieden, und trifft es zu, daß gerade mit den großbritannischen Stellen in Deutschland besondere Schwierigkeiten in bezug auf die deutschen Beschäftigten bestehen? Ich glaube, darüber muß doch hier mal offen gesprochen werden,
({14})
und in diesem Zusammenhang muß es gesagt werden.
Ein Letztes. Seit dem Oktober 1955 hat die Truppenvertragskonferenz fast in Permanenz getagt. Ich weiß gar nicht, wie man überhaupt so lange über einen noch so komplizierten Gegenstand tagen kann, wenn auf beiden Seiten der loyale Wille besteht, sich zu einigen. Das kann ich nicht begreifen. Im Oktober oder im September, jedenfalls im Herbst 1957 sind diese Verhandlungen vorläufig eingestellt worden. Sie sind nicht abgebrochen worden. Die Stationierungsmächte sind sehr fleißig bemüht, deutsche Leistungen zu erhalten. Dabei habe ich nicht von den sonstigen Leistungen gesprochen, die sich im Haushaltsplan in geldwerten Leistungen, in Nutzungsentschädigungen und dergleichen ausdrücken, und ich habe nichts von dem gesagt, was sich in der volkswirtschaftlichen Bilanz
negativ auswirkt und im Haushaltsplan in Zahlen nicht in Erscheinung tritt. Wann wollen denn nun eigentlich unsere verbündeten Mächte zu den deutschen Vorschlägen endgültig Stellung nehmen?
Es ist doch einfach mit dem Geist einer gemeinsamen Verteidigungsanstrengung, so wie sie sie auffassen, nicht vereinbar, daß für die Bundesrepublik weiterhin Diskriminierungen bestehenbleiben, die schon vor dem Abschluß des Generalvertrages und des EVG-Vertrags im Dezember 1952 hätten abgeschafft werden müssen, spätestens aber im Februar 1955 vor dem Abschluß der Pariser Verträge. Es ist doch einfach nicht zu begreifen, daß solche Reste besatzungsmachtlicher Auffassung noch unter unseren Verbündeten bestehen. Da ist doch irgend etwas nicht in Ordnung.
Deswegen habe ich mich bemüht, Sie auf die, wie ich hoffe, wichtigsten Tatsachen und Probleme hinzuweisen. Über alles das, was mit Stationierungskosten zusammenhängt, über das gesamte Verhältnis zu den anderen Mächten, unseren heutigen Verbündeten, wird das Parlament entweder gar nicht oder unzulänglich oder zu spät und zumindest für den Nichteingeweihten irreführend unterrichtet. Ich habe vorhin schon einmal angedeutet: mag sein, daß sich die Bundesregierung manchen Verpflichtungen nicht entzieh en kann, mag sein. Warum aber spricht sie dann nicht ganz offen, klar und wahr zu den gesetzgebenden Körperschaften, so wie es das Gesetz auch für die Bundesregierung befiehlt?
({15})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Berendsen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte meine Ausführungen damit beginnen, daß ich dein Herrn Staatssekretär van Scherpenberg namens der CDU/CSU-Fraktion zustimme. Er hat betont, wir sollten zunächst bei der Behandlung gerade dieses schwierigen Stoffes nicht vergessen, daß wir von unseren Freunden im Laufe der letzten Jahre eine große Hilfe personeller und materieller Art bekommen haben und sie auch weiterhin erhalten, daß also ein Aufrechnen von Mark und Pfennig hier ganz sicher nicht richtig ist.
Andererseits, Herr Kollege Gülich, möchte ich auch das betonen, was Sie sagten. Wir wollen uns keineswegs unseren Verpflichtungen entziehen; wir wünschen aber als Parlament rechtzeitig zu erfahren, was gespielt wird. Wir wünschen nicht Vorlagen zu bekommen, mit deren Annahme wir lediglich das billigen, was schon - wie Sie ganz richtig sagten - zu 90 % erfüllt ist, sondern möchten nun wirklich erfahren, was los ist.
Heute, bei der ersten Lesung, sollten wir uns infolgedessen darauf beschränken, das anzumelden. was wir in den Ausschußberatungen von der Bundesregierung, vom Auswärtigen Amt und vom Finanzministerium fordern werden, so wie Sie es eben schon getan haben. Ich möchte diese Forderungen kurz noch einmal konkretisieren.
Ohne Zweifel ist es richtig, daß, wie Sie eingangs sagten, vom Rechtsstandpunkt aus die Verpflichtungen aus den Pariser Verträgen, aus dem Finanzvertrag zur Leistung von Stationierungskosten mit Ablauf des ersten Verteidigungsjahres erledigt sind. Genauso ist aber sicher, daß wir gemäß Artikel 3 des NATO-Vertrages zu gemeinsamen Überlegungen angehalten sind für den Fall, daß innerhalb des Bündnisses gewisse Schwierigkeiten materieller und personeller Art auftreten.
Sie führten vorhin aus der Vorlage Drucksache 47 einen Satz an, den ich vielleicht noch einmal zitieren darf:
Es hätte mit dem Sinn des Artikels 3 des Nordatlantik-Paktes nicht im Einklang gestanden, eine Wiederholung der Zahlungen ausdrücklich auszuschließen. Die Bundesregierung hat sich daher auch, einer amerikanischen Bitte entsprechend, bereit gefunden, die sich aus Artikel 3 ergebende Möglichkeit späterer Gespräche zu bestätigen.
Dann geht es aber weiter:
Wenn jedoch die deutsche Wiederbewaffnung die vorgesehene Entwicklung nimmt, werden die Überlegungen, die jetzt zur Bejahung einer beschränkten deutschen Zahlungsfähigkeit geführt haben, später zu einer negativen Feststellung führen.
Ich hoffe, daß die Bundesregierung, Herr Staatssekretär, das, was hier in dieser Vorlage gesagt ist, dann auch in die Tat umsetzt.
Nun lassen Sie mich - damit ich Sie nicht unnötig lange aufhalte und nicht wiederhole, was meine Herren Vorredner schon gesagt haben - folgende konkrete Forderungen für die Beratung in den Ausschüssen stellen.
Einmal möchten wir die Zusicherung, daß keine Nachforderungen zu dem, was in der Vorlage steht, an uns herankommen, daß also das, was in der Vorlage steht, nun wirklich der Schluß für 1957 ist.
Zweitens möchten wir - auch das ließ, glaube ich, Herr Kollege Dr. Gülich anklingen -, daß, wenn wir auch nicht eine Koppelung des Truppenvertrages mit der abschließenden Behandlung dieser Vorlage erreichen können, doch die Bundesregierung zum mindesten klar zum Ausdruck bringt, daß der Truppenvertrag nunmehr - ich möchte sagen, bis zur dritten Lesung der Vorlage Drucksache 47 - wirklich endgültig abgeschlossen werden wird. Das ist ein Wunsch des Parlaments, und ich glaube, daß wir der Bundesregierung diesen Wunsch vortragen können.
Sie haben darauf hingewiesen, Herr Dr. Gülich - Sie haben Pressestimmen des Auslandes erwähnt --, daß gewisse Forderungen für 1958 anstehen. Sie haben die „Times" erwähnt und haben Zahlen genannt. Ich nehme an, daß der Herr Bundesfinanzminister und Herr Staatssekretär Scherpenbeg hierauf noch antworten werden, so daß es mir, der ich nicht Mitglied des Haushaltsausschusses bin, erspart bleibt, diese rein finanziellen Dinge noch
einmal zu wiederholen. Grundsätzlich aber, ich glaube das sagen zu können, möchten auch wir vom Verteidigungsausschuß aus wissen, was 1958 kommt.
Ich glaube auch, es wäre eine gute Anregung, wenn wir sagten, daß Spannungen, wie sie sich bisher in jedem Jahre vor allem zwischen Großbritannien und der Bundesrepublik ergeben haben, in Zukunft durch derartige Verhandlungen vermieden werden sollten, damit wir nicht immer wieder erneut mit denselben Schwierigkeiten zu kämpfen haben, sondern jetzt zu einem wirklichen Abschluß dieses Themas kommen. Ich habe aus dem Studium auch der deutschen Presse den Eindruck gewonnen, daß manche Entsendungsmächte noch ein wenig in Besatzungskategorien denken, vor allem in der Ausgabe der Mittel, die ihnen zugestanden werden
({0})
- ich glaube, wir sind da einer Meinung -, und es ist durchaus notwendig, darauf hinzuweisen, daß die in unserm Lande stationierten Verbände nicht besser stehen sollen als in ihrem eigenen Lande. Ein etwa noch vorhandener Überhang eines Besatzungsdenkens sollte beseitigt werden. Ich möchte also stark betonen, daß wir den Grundsatz der Sparsamkeit hier besonders beachtet wissen möchten.
Schließlich erwähnten Sie, daß - auch nach Pressemeldungen - gewisse Verhandlungsansätze für eine weitere Reduzierung der englischer Truppen auf deutschem Boden festzustellen seien. Vom Standpunkt der Verteidigung aus müssen wir die Forderung erheben, und so ist hier immer wieder gesagt worden, daß die Aufrechterhaltung der Kampfkraft - in Verbindung mit den hier geleisteten Zahlungen - als selbstverständlich angesehen wird.
Das wären die Forderungen, die von meinem Standpunkt aus vorzutragen wären; ich möchte glauben, daß sie sich mit den Ihren im wesentlichen decken. Deshalb möchte ich nicht unnötig lange all das wiederholen, was Sie schon gesagt haben, möchte vielmehr bitten, daß die Bundesregierung uns in den Ausschüssen die Auskünfte gibt, um die ich soeben gebeten habe. Wir von der Koalition sind uns darüber im klaren, daß Opfer gebracht werden müssen, und wir wollen diesen Opfern nicht ausweichen. Wir möchten aber betonen, daß wir das keineswegs und in jedem Falle freudig tun. Vielmehr erwarten wir, daß die Bundesregierung
- um noch einmal zu konkretisieren, was ich im Verlauf meiner Ausführungen gesagt habe - Nachforderungen für 1957 ablehnt, die Truppenvertragskonferenz bald zu einem Abschluß bringt und für die Beratung des Gesetzentwurfs in den Ausschüssen die soeben geforderten Auskünfte gibt.
({1})
- Wollen wir hoffen!
({2})
Die dritte Lesung dieses Gesetzentwurfs sollte erst stattfinden, wenn wir wissen, welche Gespräche gemäß Art. 3 des NATO-Vertrages stattgefunden haben - und mit welchen finanziellen Auswirkungen für den Haushalt 1958 - oder geplant sind. Als Leistungen gemäß Art. 3 des NATO-Vertrages können von Deutschland auf die Dauer gesehen nicht Geldleistungen u n d gleichzeitiger Aufbau der Bundeswehr gefordert werden. Entweder das eine oder das andere!
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Becker.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich denke, daß die Hauptfragen, die zu regeln sind, in den Ausschüssen, im Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten und im Ausschuß für Verteidigung, zu erörtern sein werden.
({0})
Es scheint mir auch aus bestimmten Gründen der auswärtigen Politik zweckmäßig zu sein, die Fragen, die wir sehr intensiv erörtern möchten, zunächst im Ausschuß zu behandeln. Aber ich möchte in kurzen Worten heute schon einiges vorausschicken: Eine offizielle Rechtsgrundlage, die uns expressis verbis verpflichtet, derartige Stationierungskosten oder einen Ersatz für solche zu zahlen, existiert nach unserer Auffassung nicht.
({1})
Auch durch eine Interpretation des berühmten Art. 3, den die Herren Vorredner schon zitiert haben, läßt sich eine solche Verpflichtung nicht irgendwie konstruieren. Jedenfalls warne ich dringend vor einer solchen Interpretation, denn ihre Konsequenzen, die Schaffung einer sogenannten neuen Rechtsgrundlage, sind zeitlich und finanziell unübersehbar.
({2})
Was uns hier vorliegt, ist praktisch doch nur der Versuch, eine neue Vereinbarung, eine Vereinbarung sui generis, zu schaffen, und hier ist wahrscheinlich der Gedanke der Kulanz, sind vielleicht auch einige Erwägungen auswärtiger Politik der treibende Teil gewesen. Hierüber werden wir besonders in den Ausschüssen eingehend sprechen müssen. Dabei wird dann auch die Gegenfrage zu stellen sein: Ist bei dieser aus dem Motiv einer Kulanz entstandenen neuen Vereinbarung nun auch das berücksichtigt, was das deutsche Volk seinerseits an ganz speziellen Opfern schon freiwillig auf sich genommen hat? Ich denke da an die Unterstützung Berlins, ich denke an die Ostzonenflüchtlinge, und ich denke an vieles andere, was der Herr Kollege Gülich schon angedeutet hat. Das sind Fragen, die im Auswärtigen Ausschuß zu erörtern sind.
Aber für heute hätte ich drei Fragen zu stellen, die die Öffentlichkeit wohl interessieren dürften.
Dr. Becker ({3})
Die erste Frage: Sind die 1,2 Milliarden schon bezahlt? Ich glaube, die Auguren lächeln, wenn ich diese Frage stelle.
({4})
- Ich weiß es, aber die Öffentlichkeit wird es interessieren, eine klare Antwort zu haben, ob sie schon bezahlt sind, ehe das Parlament seine Zustimmung gegeben hat. Wir wollen also auch wissen, mit welcher sonstigen Ermächtigung diese 1,2 Milliarden gezahlt sind und aus welchem Etattitel.
Dann die zweite Frage. Sehen wir uns die Daten der Vereinbarung an! Das früheste Datum ist der 7. Juni 1957 und das jüngste der 10. Juli 1957. Sie liegen also zehn bis elf Monate zurück. Ich frage: Welche Motive gibt es für die „übertriebene Hast", mit der uns das Auswärtige Amt und die Regierung diese Vorlage zehn bis elf Monate nach der Vereinbarung und nach der Erfüllung dieser Vereinbarung schon vorlegen? Ist das besondere Hochachtung vor dem Parlament, oder was ist es?
({5})
Die letzte Frage hat Herr Kollege Berendsen schon angedeutet. Wir wollen für das Jahr 1958 hier im Parlament gefragt werden, ehe ratifiziert und ehe bezahlt wird.
({6})
Das Wort hat Herr Staatssekretär van Scherpenberg.
Meine Damen und Herren, ich will versuchen, Ihnen in Kürze auf die wesentlichen Gesichtspunkte zu antworten, die in dieser Aussprache vorgebracht worden sind.
Zunächst zum allgemeinen. Aus zwei Gründen habe ich vor Ihnen nicht über die zur Zeit schwebenden Verhandlungen wegen gewisser Zahlungen nach 1958 berichten können; einmal weil diese Verhandlungen noch nicht abgeschlossen sind. Es ist, glaube ich, nicht üblich, im Plenum über laufende Verhandlungen zu sprechen,
({0})
- Nein, es ist fürs kommende Jahr nichts gezahlt worden, meine Herren! Ich kann Ihnen aber sagen, daß diese Verhandlungen in sehr kurzer Zeit so weit gediehen sind, daß im Auswärtigen Ausschuß oder in einem sonstigen Ausschuß, der sich dafür interessiert, darüber berichtet werden kann. Im übrigen kann ich wenigstens negativ so viel sagen, daß die von dem Herrn Abgeordneten Gülich angezogenen Pressemitteilungen über den Inhalt dieser Vereinbarungen samt und sonders unrichtig sind. In diesem Fall hat die Presse tatsächlich nicht alles gehört, und ihre Mitteilungen gehen zum Teil auf völlig falsche Nachrichten, zum Teil auf längst überholte Verhandlungsstadien zurück.
Ich glaube also, daß in diesem Punkt, wenn wir einmal in einem vertraulichen Kreise diese Dinge besprechen können, auch die Bedenken des Herrn Abgeordneten Dr. Gülich sicher zu einem erheblichen Teil ausgeräumt werden könnten.
({1}) - Ja, meine Damen und Herren.
Der Bundesregierung ist hier sehr nachdrücklich der Vorwurf gemacht worden, sie habe das Haus in diesen Dingen nicht genügend ins Vertrauen gezogen.
({2})
Ich bitte aber doch um etwas mehr Verständnis für die Schwierigkeiten, in der sich die Bundesregierung in einer solchen Angelegenheit befindet, die immerhin erhebliche finanzielle Konsequenzen hat. Wenn wir hier vor Sie hintreten und sagen: „Meine Herren, wir sind fest überzeugt, es wird gezahlt werden müssen, und wir werden auch künftig zahlen müssen", dann präjudizieren wir unsere Stellung völlig gegenüber unseren Verhandlungspartnern. Dann können wir doch nicht mehr hingehen und sagen: Wir wollen nicht zahlen. Ich glaube, hierin sollte man den Verhandlungsmöglichkeiten und Verhandlungsnotwendigkeiten wirklich etwas Rechnung tragen. Ich bin überzeugt, daß auch hierüber in den dafür zuständigen Ausschüssen ohne Schwierigkeit eine Verständigung erzielt werden kann.
Die wichtigsten Überlegungen, die hier angestellt worden sind, betrafen die Tragweite des Art. 3 des NATO-Vertrages. Die Bundesregierung ist sich natürlich über die Bedenken klar, die sich jede: rechtlichen Begründung dieser Zahlungen entgegenstellen. Von unserem Standpunkt aus bietet Art. 3 des NATO-Vertrages im ganzen genommen aber doch eine günstige Ausgangsposition. Art. 3 des NATO-Vertrages - das ist in einem der Briefwechsel ausdrücklich noch einmal festgelegt worden - statuiert eine allgemeine Unterstützungs- und Hilfeleistungspflicht. Er besagt aber in keiner Weise, in welcher Form diese Hilfeleistung erbracht werden soll.
Hier ist vom Heiligen Geist gesprochen worden. Ich habe gegen diese Bezeichnung als „HeiligerGeist-Artikel" keine Bedenken, solange man ihn nicht als den „Christkind-" oder WeihnachtsmannArtikel" bezeichnen will; das würde ich ablehnen.
Immerhin sollte man bedenken, daß gerade diejenigen großen NATO-Partner, die die großen finanziellen Leistungen erbringen, z. B. die USA und Kanada, diese Leistungen immer wieder auf Art. 3 stützen, nicht indem sie darin unbedingt eine Verpflichtung erblicken, wohl aber indem sie sagen: Dies sind Leistungen, die wir uns auf unsere Gesamterfüllung anrechnen lassen müssen. In diesem Sinne ist auch unsere Bezugnahme auf den Art. 3 aufzufassen. Wir sagen aber bewußt nicht etwa, Art. 3 involviere die Verpflichtung der Bundesregierung zur Zahlung von soundso viel Millionen oder 100 Millionen DM; das ist in keiner Weise der
Fall. Im Gegenteil, das wird auch in den Briefwechseln durch den besonderen Hinweis auf die Freiwilligkeit dieser Leistungen abgebogen. Wohl aber bedeutet die Bezugnahme auf Art. 3, daß wir einen Anspruch darauf erheben können, daß diese Zahlungen nun nicht etwa als nachträgliche Besatzungskosten angesehen, sondern daß sie uns als ein Teil der Erfüllung unserer gesamtpolitischen Verpflichtung innerhalb des NATO-Bündnisvertrages angerechnet werden.
Vielleicht noch eine kurze Antwort auf die hier aufgeworfene Frage der sonst üblichen Behandlung von Vorlagen, auch hinsichtlich des Wortlauts. Ich glaube, auch der Herr Abgeordnete Professor Gülich meinte es wohl nicht ganz ernst, als er sagte, die Herren Beamten und Unterhändler hätten es gar nicht gemerkt, daß der 7. Juni - ({3})
- Sie haben es ernst gemeint?
({4})
- Weil wir dann sämtliche Texte mit sämtlichen verhandelnden Regierungen wieder hätten ändern müssen, Texte, die zum Teil schon unterschrieben waren, und weil es, Herr Abgeordneter, auch sachlich völlig belanglos war. Wir werden nicht hergehen und eine Verhandlung neu eröffnen, wenn sachlich nichts dafür steht. Ich bitte hier vielleicht doch auch etwas aus der Erfahrung des Unterhändlers sprechen zu dürfen. Wenn Sie eine Vereinbarung einmal paraphiert und unterzeichnet haben - paraphiert worden sind diese ganzen Vereinbarungen ja zum Teil schon im März -,
({5})
dann hüten Sie sich, selbst um den Preis kleiner Unebenheiten in der Formulierung, daran nachher wieder etwas zu ändern. Denn das bedeutet die Wiedereröffnung der Verhandlung.
({6})
- Verzeihen Sie, ich spreche jetzt von der Stellung eines Unterhändlers gegenüber den anderen Unterhändlern. Ich spreche nicht von der Stellung der Regierung gegenüber Ihnen. Das ist doch bekannt: Verträge werden verhandelt und dann in der verhandelten Form dem Parlament vorgelegt. Das Parlament verhandelt ja die Verträge nicht. Deswegen kann es auch an dem Wortlaut der Verträge im einzelnen nichts ändern. Es kann nur an der Gesetzesvorlage der Regierung etwas ändern.
Ich wollte nur sagen: das ist nicht etwa übersehen worden, sondern es ist mit vollem Bewußtsein so belassen worden, weil man nicht die Gefahr laufen wollte, in dieser außerordentlich delikaten Sache plötzlich eine nun glücklich abgeschlossene Verhandlung wieder neu zu eröffnen.
Schließlich glaube ich noch eines sagen zu müssen. Hier ist, und zwar von sehr wohlunterrichteter Seite, die Frage der Nachtragsforderungen aufgeworfen worden, denn es gibt ja solche Nachtragsforderungen. Sie sind vor allem von den Vereinigten Staaten gestellt worden. Die Bundesregierung sieht aber keinerlei Möglichkeit, diesem Wunsch zu entsprechen. Eine andere Frage ist, in welcher Form der amerikanischen Regierung gegenüber unter Umständen auf anderem Gebiet ein gewisses Entgegenkommen gezeigt werden könnte. Denn die Schwierigkeit liegt darin - und ich glaube, meine Damen und Herren, Sie werden dafür vielleicht Verständnis haben -, daß der amerikanische Kongreß, also das Parlament dort, entgegen dem Votum der Administration der Meinung ist, Deutschland tue viel zuwenig und die deutsche Haltung in dieser Sache sei völlig unkooperativ.
Wie gesagt, irgendwelche laufenden Zahlungen oder Nachtragszahlungen in diesem Sinne zu machen, hat die Bundesregierung nicht die Absicht. Die Möglichkeit aber, daß z. B. auch hier eine vorzeitige Rückzahlung von Schulden angeboten werden könnte - als ein Zeichen des guten Willens -, ist nicht von der Hand zu weisen. Es ist aber noch nicht so weit.
Ich glaube, ich habe nun, im ganzen genommen, zu den Punkten Stellung genommen, die hier in der Aussprache geltend gemacht worden sind. Ich möchte abschließend sagen: ich gebe Ihnen hier nicht die Erklärung ab, es sei die letzte oder die vorletzte oder die drittletzte Zahlung, aber ich gebe die Erklärung ab, daß sich die Bundesregierung bei der weiteren Behandlung dieses Problems ausschließlich von unseren Interessen leiten lassen wird, unseren Interessen sowohl was die Zurverfügungstellung ausreichender Mittel für unsere eigene Rüstung betrifft, als auch was die Vermeidung von irgendwelchen Zahlungen anlangt, die nicht politisch und auch hinsichtlich ihrer moralischen Grundlage in jeder Beziehung - auch vor Ihnen - gerechtfertigt werden können.
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Dr. Gülich hat mich angesprochen, und ich fühle mich daher verpflichtet, ihm zu antworten.
({0})
- Ich weiß habe ich dankend anerkannt.
Herr Professor Gülich, zunächst möchte ich darauf hinweisen, daß wir, Sie haben es inhaltlich selbstverständlich respektiert, mit der Vorlage Drucksache 47 die Stationierungskostenzahlungen des Jahres 1957 und nicht die des Jahres 1958 behandeln. Hinsichtlich der Stationierungskosten 1958
- und des Problems, das Sie dabei angeschnitten haben; soweit es überhaupt zur Diskussion steht - werden wir Ihnen selbstverständlich - ich komme darauf zurück - ein ratifikationsbedürftiges Gesetz vorlegen müssen und darüber hier ausgiebig diskutieren.
Bundesfinanzminister Etzel
Ich bin der Meinung, daß ein großer Teil der Problematik, die hier behandelt worden ist, intensiver, genauer, mit besseren Angaben noch in den Ausschüssen behandelt werden sollte. Insofern stimme ich mit dem Herrn Kollegen Dr. Becker selbstverständlich überein. Ich werde auch zu 1958 gleich ein paar Worte sagen. Zunächst möchte ich aber noch etwas zu der Vorlage 1957 ausführen, weil ich der Fragestellung, vor allem des Herrn Kollegen Dr. Becker entnommen habe, daß das eine oder andere Datum vielleicht doch in Vergessenheit geraten konnte, was ja in der Tat kein Wunder ist.
Zunächst ist von Herrn Dr. Becker gefragt worden: Sind denn diese 1,2 Milliarden gezahlt und - um Himmels willen - auf Grund welcher Ermächtigung? So habe ich Ihre erste Frage verstanden. Ich möchte zunächst darauf hinweisen, daß die Bundesregierung damals sehr zeitgerecht eine entsprechende Gesetzesvorlage der zuständigen Stelle, dem Bundesrat, zugeleitet hat, nämlich am 21. Juni 1957. Der Bundesrat hat damals die Vorlage ein paarmal abgesetzt, hat sie dann aber noch in der vorigen Legislaturperiode erledigt. Dann ist sie aber in diesem Hause, also im vorigen Bundestag, nicht mehr zur Erledigung gekommen, was ja kein Wunder war. Herr Professor Gülich,
({1})
Sie kennen die damalige Situation besser als ich. Dann ist die Vorlage am 30. November 1957, also relativ schnell, erneut eingebracht worden. Ich glaube, gegen dieses Datum können Sie Einwendungen nicht erheben.
({2})
Der normale Ablauf der Dinge hat uns dann bis heute, bis zum 8. Mai geführt.
Nun ist Ihnen vielleicht nicht bekanntgeworden, Herr Kollege Dr. Becker, weil Sie nicht dem Haushaltsausschuß angehören, daß in diesem Ausschuß die Frage der Bezahlung dieser rund 1,2 Milliarden DM zweimal zur Diskussion gestanden hat, und zwar am 3. Juli 1957 und am 16. Januar 1958. Wenn ich mich nicht täusche, Herr Kollege Schoettle, hat der Ausschuß beide Male von den Ausgaben „zustimmend Kenntnis genommen", wie der technische Ausdruck wohl lautet, der neue Haushaltsausschuß am 16. Januar 1958 für den letzten Rest von 25 %. Diese Zahlungen, Herr Kollege Becker, erfolgen natürlich nur aus Vorschußmitteln des Bundes mit den üblichen Vorbehalten und können in einen Titel erst eingesetzt werden, wenn der Nachtragshaushalt Gesetz geworden ist. Insofern gehen wir wohl einen Weg, der formal in Ordnung ist und gegen den nichts eingewendet werden kann.
Herr Kollege Becker hat gefragt: Was ist gezahlt? Ich will gern die Zahlen angeben. Von den rund 1,2 Milliarden DM sind 1,150 Milliarden DM gezahlt; ein Rest von 0,05 Milliarden DM steht noch aus.
Ich persönlich bin der Meinung, daß in diesem Gesetz eine Präjudizierung für etwaige weitere Zahlungen - jedenfalls in dem Gesetz selbst - nicht enthalten ist. Das ist der Sachverhalt, wie er dem Hohen Hause vorliegt und wie ich ihn als neuer Bundesfinanzminister Ihnen darstellen muß.
Die dritte Frage, die Herr Kollege Becker gestellt hat, nämlich bezüglich der Genehmigung etwaiger Forderungen für das Jahr 1958 durch das Parlament, ist klar dahin zu beantworten, daß alle Abkommen auf der Basis des Art. 3 ratifikationsbedürftig sind. Sie bedürfen also der Ratifizierung in diesem Hause. Darüber sind wir uns vollkommen klar.
Herr Dr. Gülich hat mir vorgeworfen, ich sei in meiner Haushaltsrede hinsichtlich des Tatbestandes für 1958 - das bisher Gesagte betraf 1957 - etwas leichtfertig gewesen. Etwas boshaft hat er hinzugefügt, ich hätte wohl ein Konzept meines Kollegen Schäffer benutzt. Ich muß Herrn Schäffer hier hundertprozentig exkulpieren; ich habe kein Konzept von ihm benutzt.
({3})
- Das sollen Finanzminister ja an sich haben, daß sie geistes- und wahlverwandt sind; ich kann es nicht feststellen.
({4})
- Vielleicht.
Der Sachverhalt ist folgender. Es ist in der Öffentlichkeit völlig klar und war auch am Tage meiner Haushaltsrede am 16. April 1958 - die Sie richtig zitiert haben, Herr Professor Gülich - der Öffentlichkeit und Ihrer Partei völlig klar, daß Stationierungskosten gefordert wurden. Großbritannien hatte Forderungen gestellt, und nachdem wir erklärt hatten, wir könnten keine weiteren Stationierungskosten zahlen, war ein Gutachten dreier sogenannter weiser Männer angefordert worden, worin festgestellt werden sollte, ob Großbritannien, das ein Hilfsgesuch entsprechender Art an die NATO gestellt hatte, eine Devisenhilfe brauche. Dieses Gutachten der drei weisen Männer fiel positiv aus. Darauf hat der NATO-Rat einen Sonderausschuß der Botschafter einiger Mitgliedstaaten unter Aufsicht des Generalsekretärs Spaak zur weiteren Klärung der Frage eingesetzt. Dieser Sachverhalt ist der breiteren Öffentlichkeit dadurch bekanntgeworden, daß Herr Spaak hier in Bonn war und mit der Bundesregierung über das Problem gesprochen hat. Die Verhandlungen in dem Sonderausschuß sind zwar praktisch zum Abschluß gekommen, es steht aber noch die Behandlung einer wichtigen Frage offen. Die Behandlung dieses Punktes konnte mit Rücksicht auf die Außenministerkonferenz in Kopenhagen nicht abgeschlossen werden. Es ist damit zu rechnen, daß der Sonderausschuß im Laufe der nächsten Woche zu einem Abschluß seiner Beratungen kommt. Dann muß das Ergebnis an den NATO-Rat gehen, und dieser muß eine Entscheidung fällen. Hier kann ich nur wieder sagen: die NATO-RatsEntscheidungen werden einstimmig getroffen. Insofern haben wir hier eine Gestaltungsmöglichkeit und muß man sich praktisch mit uns verständigen.
Auch die Bundesregierung ist in dem Sonderausschuß vertreten. Dort ist vereinbart worden, daß die Ergebnisse der Verhandlungen vorerst geheimzuhalten seien. Ich habe mir erlaubt, in einem Zeitpunkt unmittelbar vor meiner Haushaltsrede einem verantwortlichen Herrn Ihrer Fraktion ein kurze In1570
Bundesfinanzminister Etzel
formation über den damaligen Stand der Verhandlungen zu geben. Ich glaube, daß ein Kontakt mit der Opposition richtig ist. Aber das war natürlich eine vertrauliche Information, die ich im Augenblick nur geben konnte. Hier, Herr Kollege Gülich - nur deswegen zitiere ich es -, bitte ich mit meiner Verteidigung gegenüber der Behauptung, ich hätte damals etwas Falsches gesagt, ansetzen zu dürfen.
Zunächst muß man sagen, daß die Verhandlungen am 17. März noch nicht abgeschlossen waren, sondern weitergegangen sind. Aber ich kann auch heute sagen, die Feststellung, daß der Haushaltsplan keine Ansätze mehr zur Zahlung von Stationierungskosten an verbündete Mächte vorsieht, traf nicht nur damals zu, sondern ich habe auch heute nicht die Absicht, hierfür außerhalb der allgemeinen Ansätze etwas Besonderes vorzusehen. Die einzige Frage ist, ob innerhalb des Rahmens der Aufwendungen für Verteidigung, deren Summe Sie ja kennen, einige Umstellungen, ohne die Summe insgesamt zu vergrößern, notwendig sind. Sie haben, Herr Dr. Gülich, in dieser Richtung eine Vermutung ausgesprochen, mit der Sie, glaube ich - das kann ich in diesem Augenblick ruhig sagen -, auf dem richtigen Wege sind. Zusätzliche Belastungen aus diesem Abkommen werden also praktisch nicht mehr auf uns zukommen. Soviel kann ich heute sagen.
Herr Staatssekretär van Scherpenberg hat bereits gesagt, daß die Vermutungen, die Sie im übrigen ausgesprochen haben, so nicht richtig sind. Die Presse hat natürlich eine ganze Menge Vermutungen aufgestellt, zu denen wir weder Stellung nehmen konnten noch auch Stellung nehmen wollten, auf Grund der allgemeinen Übung, daß man während Verhandlungen keine Nachrichten bekanntgibt, und der Tatsache, daß eine Geheimhaltungsklausel verabredet worden ist.
Aber es gibt ja eine ganze Menge anderer Möglichkeiten, Großbritannien in seiner Devisennot in einem legitimen und sehr legalen Maße zu helfen. Das ist der Inhalt der derzeitigen Besprechungen, über die wir, wenn sie abgeschlossen sind, sehr gerne dem Ausschuß, aber auch den verantwortlichen Herren Ihrer Fraktion persönlich das Notwendige vertraulich sagen wollen.
Ich darf mit allem Nachdruck betonen: Es hat mir völlig ferngelegen, hier einfach eine Umbenennung vorzunehmen. Was für die Zukunft, für das Jahr 1958, geplant ist, ist jedenfalls in wesentlichen Teilen etwas völlig anderes, auch im Rahmen der aide mutuelle. Das heißt: wir sind weggekommen von der bilateralen Verhandlung über eine Lösung des großbritannischen Devisenproblems im Rahmen des NATO-Rates.
Das ist es, was ich zu dem, was hier in der Diskussion gesagt worden ist, ergänzend und vielleicht ein wenig aufklärend beitragen kann.
({5})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Gülich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich danke den beiden Regierungsvertretern für ihre Darlegungen, die ja manches Interessante gebracht haben. Herr Bundesfinanzminister, was die Frage der Zustimmung des Haushaltsausschusses betrifft, so möchte ich darauf hinweisen, daß es eine ungute Sache ist, daß der Haushaltsausschuß Vorlagen bekommt, von denen er, ohne etwas sagen zu können, zustimmend Kenntnis nehmen soll. Das System der Vorwegbewilligungen, das mit der Einrichtung des Verteidigungshaushalts geschaffen war, war höchst unglücklich. Immerhin war das eine gesetzliche Einrichtung, die den Verteidigungsausschuß und den Haushaltsausschuß ermächtigte, für das Parlament gewisse Bewilligungen, sogar sehr große Bewilligungen auszusprechen. Aber dieses System der Vorwegbewilligungen gibt es nicht mehr.
Zu Ihrer Haushaltrede! Daß Sie subjektiv nichts Falsches gesagt haben, daß Sie dem Parlament nichts Falsches sagen wollten, davon bin ich überzeugt. Aber ich hatte doch klar zitiert, daß es mit dem Sinn des Artikels 3 nicht in Einklang gestanden hätte, eine Wiederholung der Zahlungen ausdrücklich auszuschließen. Lesen Sie Seite 2 der Begründung, rechte Spalte, da steht das ganz genau drin! Das deutet eben auf eine Wiederholung hin. Wenn aber eine Wiederholung nötig sein sollte - und jetzt folge ich dem Herrn Kollegen Becker -, dann wäre es schon gut, wenn das nicht in der Form geschähe, daß wir erst nach vielen Monaten, wenn alles ausgehandelt ist, das Ergebnis zur Ratifikation bekommen. Es wäre auch gut, wenn die Bundesregierung Gelegenheit nähme, vor dem Abschluß solcher Verhandlungen mit Vertretern des Parlaments, vor allem im Verteidigungsausschuß und im Haushaltsausschuß, die Fragen in aller Offenheit zu besprechen.
Ich muß nun noch ein Wort an Herrn Staatssekretär van Scherpenberg richten. Ich habe, gestützt auf englische Pressemeldungen, natürlich nicht Meldungen aus der englischen Radaupresse, sondern Meldungen aus der „Times", aus dem „Manchester Guardian" und aus anderen Zeitungen, eine Reihe ganz konkreter Angaben gemacht. Ich habe drei sehr konkrete Angaben gemacht über Zahlungsverpflichtungen, die der Herr Bundeskanzler eingegangen sei, und eine konkrete Angabe über eine im kommenden Jahr bevorstehende Verminderung der britischen Truppen. Es hat mich interessiert, zu hören - ich habe keinen Grund, daran zu zweifeln, und ich glaube, das ganze Parlament wird Ihnen dankbar sein -: Sie haben diese Pressemeldungen - wörtlich - „samt und sonders als unrichtig" bezeichnet. Sie fuhren fort: „zum Teil völlig falsch", „zum Teil überholt". Das gilt also nicht nur für die finanziellen, sondern auch für die militärischen Dinge. Jetzt wissen wir doch wenigstens, woran wir sind, und brauchen uns insoweit nicht mehr zu beunruhigen.
Nur das mit dem Datum, Herr Staatssekretär, nehme ich Ihnen nicht ab. Wenn man einen Vertrag paraphiert hat und da drinsteht - weil man ihn vielleicht im März paraphiert und auf die Unterschrift Anfang März gehofft hat -: Sollte der Vertrag nicht bis zum 1. Juni ratifiziert worden sein,
dann sollen die und die Wirkungen eintreten, und wenn der Vertrag dann erst am 7. Juni unterzeichnet, also abgeschlossen wurde, dann entspricht es den üblichen Gepflogenheiten wie beim Abschluß privatrechtlicher Verträge, notarieller Akte - wir sehen das ja auch dauernd bei Gesetzentwürfen, die wir später verabschieden, als gedacht war -, daß das Datum des Inkrafttretens geändert wird. Dann entspricht es den üblichen Gepflogenheiten, ein Datum, das den materiellen Inhalt der Abmachungen nicht berührt, zu verändern. Das hat doch nicht einen Rattenschwanz neuer Verhandlungen zur Folge, Herr Staatssekretär, sondern das ist doch einfach die Änderung eines Datums in technischer Beziehung, die überhaupt keinerlei Wirkungen auslöst. Und ich meine, so ein heuriger Hase bin ich ja schließlich auch nicht!
({0})
Das Wort hat Herr Staatssekretär van Scherpenberg.
Ich darf mir ein paar ganz kurze Bemerkungen zu dem erlauben, was eben gesagt wurde.
Ihren Ausführungen zur Frage des Datums, Herr Abgeordneter Gülich, kann ich leider nicht beipflichten. Wenn man eine schwierige Verhandlung abgeschlossen hat und den Gegenstand noch einmal behandelt, dann kommen unwiderstehlich wieder Dinge hoch, die man gerade mit mehr oder weniger Glück durch die Unterschrift erledigt hat.
({0})
- Durch die Paraphe. - Das ist eben nicht das gleiche wie bei einer Gesetzesvorlage oder bei etwas Ähnlichem.
Außerdem sollte man im vorliegenden Fall folgendes bedenken. Das Entscheidende war - und deswegen war dieses Datum völlig belanglos -, daß eben praktisch nach dem 1. Juni unter allen Umständen Vorauszahlungen erbeten werden sollten. Darum brauchte das Datum gar nicht geändert zu werden; höchstens hätte man den Hinweis auf das Inkrafttreten verändern können.
({1})
- Ich bitte, die Vorlage an diesem Punkt nicht scheitern zu lassen.
({2})
Zu der Frage der Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Pressemeldungen möchte ich, um hier nicht falsch verstanden zu werden, folgendes sagen. Ich kann natürlich nicht für jede Zeitung gutstehen, die irgendwelche Meldungen über diese Dinge gebracht hat. Zu den Meldungen, die der Herr Abgeordnete Professor Gülich hier angeführt hat, kann man sagen, daß jede einzelne von ihnen mehr oder weniger grobe Unrichtigkeiten enthielt. Ich kann Ihnen heute, wenn ich nicht schon den ganzen Inhalt hier mitteilen will, nicht genau sagen, welches die einzelnen Unrichtigkeiten sind. Ich bin aber sehr gern bereit, Ihnen das vertraulich mitzuteilen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Es ist beantragt, die Vorlage dem Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten als federführendem Ausschuß und dem Ausschuß für Verteidigung als mitberatendem Ausschuß zu überweisen. Wer der vorgeschlagenen Überweisung zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. - Danke. Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Überweisung ist, soweit ich sehe, einstimmig beschlossen.
Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:
a) Erste Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Häftlingshilfegesetzes ({0}) ;
b) Beratung des Antrags der Fraktion der FDP betreffend Ausdehnung der Vergünstigungen für Kriegsbeschädigte bei der Deutschen Bundesbahn auf Geschädigte im Sinne des Häftlingshilfegesetzes ({1}) ;
c) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Hilfe für politische Häftlinge nach dem Häftlingshilfegesetz ({2}).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, auf Begründung und Aussprache zu verzichten. Wortmeldungen liegen mir auch nicht vor.
Vom Ältestenrat werden folgende Überweisungsvorschläge gemacht: Der Gesetzentwurf Drucksache 329 soll an den Ausschuß für gesamtdeutsche und Berliner Fragen als federführenden Ausschuß und an den Ausschuß für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen, der Antrag Drucksache 330 an den Ausschuß für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen als federführenden Ausschuß und an den Ausschuß für gesamtdeutsche und Berliner Fragen und der Antrag Drucksache 361 an den Ausschuß für gesamtdeutsche und Berliner Fragen überwiesen werden. Wer diesen Überweisungsvorschlägen des Ältestenrates zustimmen will, der gebe das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Soweit ich sehe einstimmig beschlossen.
Dann rufe ich den Punkt 4 der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Junge Deutsche in der Fremdenlegion ({3}).
Auch hier schlägt der Ältestenrat vor, auf Begründung und Aussprache zu verzichten und die Vorlage an den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten zu überweisen. - Wortmeldungen liegen mir ebenfalls nicht vor. Wer der vorgeschlagenen Überweisung zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Danke. Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Auch das ist, soweit ich sehe, einstimmig beschlossen.
Vizepräsident Dr. Preusker
Ich rufe nunmehr Punkt 5 der Tagesordnung mit den zu Beginn der Sitzung beschlossenen Ergänzungen um die Beratung der Einzelpläne 19 und 33 auf:
Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1958 ({4}) ({5}) ;
a) Mündlicher Bericht des Haushaltsausschusses ({6}) zu Einzelplan 07 - Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz ({7}).
b) Mündlicher Bericht des Haushaltsausschusses ({8}) zu Einzelplan 19 - Bundesverfassungsgericht ({9}).
c) Schriftlicher Bericht des Haushaltsausschusses ({10}) zu Einzelplan 33 - Versorgung ({11}).
Als Berichterstatter zum Einzelplan 07 hat der Abgeordnete Dr. Schäfer das Wort. Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Schäfer.
({12})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als Berichterstatter des Haushaltsausschusses zu Einzelplan 07 darf ich auf die Drucksache 354 Bezug nehmen und zu den wichtigsten Posten folgendes vortragen:
Zu Kap 07 01 - Bundesministerium der Justiz -: Der Haushaltsausschuß hat die Personalanforderungen eingehend geprüft. Er kommt zu der Empfehlung, für die Arbeiten der Strafrechtsreform und für die Arbeiten des Referats Patentrecht je zwei Hilfskräfte der Besoldungsgruppe A 14 zu genehmigen, aber alle weiteren Personalanforderungen beim Bundesministerium der Justiz abzulehnen.
Hinsichtlich der sächlichen Ausgaben ist besonders erwähnenswert: Bei Tit. 308 beträgt der Ansatz 250 000 DM gegenüber 130 000 DM im Vorjahr. Damit sollen die Arbeiten an der Großen Strafrechtsreform so weit fortgeführt werden, daß der Entwurf eines neuen Strafgesetzbuches möglichst noch in diesem Haushaltsjahr dem Bundestag zugeleitet werden kann. Der Ausschuß schlägt vor, den neuen Ansatz von 250 000 DM zu genehmigen.
Bei Tit. 950 ist ein Betrag von 220 000 DM gegenüber 200 000 DM im Vorjahr ausgebracht. Die Mittel dienen der Sammlung und Sichtung des als Bundesrecht fortgeltenden Rechts. Die Sammlung soll fortlaufend in Teilabschnitten als Teil III des Bundesgesetzblatts veröffentlicht werden. Ein entsprechender Gesetzentwurf ist dem Bundestag bereits zugegangen. Es wird vorgeschlagen, dem Antrag zu entsprechen.
Neu ist Tit. 954 mit einem Betrag von 127 400 DM zur Deckung der Kosten des deutsch-französischen Gemischten Gerichtshofs in Saarbrücken gemäß Art. 42 des Vertrags zur Regelung der Saarfrage. Die französische Regierung hat am Ende des Rechnungsjahres den auf sie entfallenden Anteil zu erstatten. Dafür sind 45 000 DM bei Tit. 96 veranschlagt. Es wird vorgeschlagen, den Tit. 954 zu genehmigen.
Zu Kap. 07 04 - Bundesgerichtshof in Karlsruhe -: In Durchführung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen soll beim Bundesgerichtshof ein Kartellsenat eingerichtet werden. Seine Zuständigkeit bestimmt sich nach § 73 des angeführten Gesetzes. Der Senat soll mit einem Präsidenten und 6 Richtern besetzt werden. Der Ausschuß hat geprüft, ob jetzt schon die Einrichtung dieses Senats notwendig ist. Das Kartellamt in Berlin hat seine Tätigkeit erst am 1. Januar dieses Jahres aufgenommen. Der Ausschuß war deshalb der Auffassung, daß die sofortige Einrichtung des Kartellsenats nicht notwendig ist. Da andererseits die Gewinnung von geeigneten Kräften einige Zeit in Anspruch nehmen wird, schlagen wir vor, daß die Einrichtung des Senats genehmigt wird, die Stellen jedoch mit einem qualifizierten Sperrvermerk versehen werden, der erst aufzuheben wäre, wenn die Notwendigkeit der Errichtung des Senats unabweisbar geworden ist. Außerdem wird vorgeschlagen, für den Senat Stellen für zwei Hilfskräfte zu genehmigen, die ebenfalls vorläufig gesperrt wären.
Die Beschleunigung der Bearbeitung politischer Strafsachen beim Generalbundesanwalt erfordert einen weiteren Oberstaatsanwalt. Nach eingehender Prüfung schlägt der Haushaltsausschuß vor, eine Stelle der Besoldungsgruppe A 15 zu genehmigen, jedoch mit dem Vermerk, daß diese Stelle am 31. Dezember 1960 wieder wegfallen soll.
Zur ordnungsgemäßen Erledigung der Arbeiten am Bundesstrafregister schlägt der Ausschuß die Genehmigung von zwei Stellen der Besoldungsgruppe A 11 und von fünf Stellen der Besoldungsgruppe A 7 vor.
Kap. 07 05, Deutsches Patentamt in München. Der Ausschuß prüfte die Frage, ob ein neuer technischer Beschwerdesenat in der Besetzung von einem Senatspräsidenten und sechs Senatsräten eingerichtet werden sollte und ob darüber hinaus dem Antrag des Bundesministers der Justiz entsprochen werden sollte, die vorhandenen elf Beschwerdesenate um je einen Senatsrat zu verstärken. Nach eingehender Aussprache und unter besonderer Berücksichtigung der Stellungnahme des Bundesrechnungshofs kam der Ausschuß zu dem Ergebnis, daß eine rasche und zuverlässige Bearbeitung der Patentangelegenheiten durch die Errichtung eines weiteren Beschwerdesenats erreicht werden könne, die vorhandenen Beschwerdesenate aber nicht unbedingt verstärkt werden müßten. Der Ausschuß schlägt deshalb vor, dem Antrag des Ministeriums, bei Kap. 07 05 Tit. 101 die Zahl der Senatsräte von 68 auf 85 zu erhöhen, nicht zu folgen, sondern nur auf 73 zu erhöhen.
Dabei darf ich noch folgendes vermerken. Das Deutsche Patentamt ist seit 1949 in Mieträumen des Deutschen Museums in München untergebracht. Zur Freimachung des Deutschen Museums wurde ein Neubau errichtet, für den insgesamt 26,5 Millionen DM ausgegeben wurden. Der Restbetrag von 636 000 DM ist im vorliegenden Haushalt veranschlagt. Damit in Zusammenhang stehen die Kosten
für die erstmalige Anschaffung von Einrichtungsgegenständen in Höhe von 342 000 DM, die Einrichtung einer Kantine mit 135 800 DM und die Kosten der Verlegung in das neue Dienstgebäude mit 350 000 DM. Der Ausschuß schlägt die Annahme der Titel vor.
Der Haushalt des Deutschen Patentamts schließt mit einem Überschuß von 940 000 DM ab.
Zu Kap. 07 06, Oberstes Rückerstattungsgericht in Herford. Das Oberste Rückerstattungsgericht ist auf Grund des Art. 6 des Dritten Teils des Vertrages zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen gebildet worden. Das Gericht entscheidet als oberste Rechtsmittelinstanz, als Revisionsinstanz über Streitigkeiten bei Anträgen auf Rückerstattung entzogener Vermögenswerte an Opfer nationalsozialistischer Verfolgung auf Grund der in Kraft gebliebenen für die ehemals britische, amerikanische und französische Besatzungszone geltenden Rechtsvorschriften. Das Gericht hat seinen Sitz in Herford. In jeder der früheren Besatzungszonen ist ein Senat eingerichtet, der erste in Rastatt, der zweite in Herford und der dritte in Nürnberg. Der Ausschuß hat sich mit der, Frage befaßt, ob im Zuge der Aufhebung von Vorschriften der ehemaligen Besatzungsmächte die Aufhebung des Rückerstattungsgerichts angestrebt werden sollte. Der Ausschuß schlägt vor, die Bundesregierung zu ersuchen, sich in Verhandlungen mit den Vertragspartnern um die Auflösung des Obersten Rückerstattungsgerichts in Herford und um die Überleitung seiner Zuständigkeiten auf die deutsche Gerichtsbarkeit zu bemühen.
({0})
Es liegt ein Änderungsantrag - Umdruck 51 - vor, Ich schlage vor, daß zunächst dieser Antrag begründet und dann gleich in die Aussprache zu dem Einzelplan 07 einbezogen wird.
Ich gebe dem Herrn Abgeordneten Dr. Arndt das Wort.
({0})
- Der Herr Justizminister soll auf dem Wege sein.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe die Ehre, den von Mitgliedern aller Fraktionen unterzeichneten Änderungsantrag auf Umdruck 51 zu begründen. Es handelt sich dabei um einen Bundeszuschuß für die Tagung der International Bar Association - abgekürzt: IBA -, die im Juli dieses Jahr in Köln stattfinden soll. Im Haushaltsplan sind unter Titel 956 15 000 DM als Bundeszuschuß vorgesehen. Diese 15 000 DM werden jedoch nicht ausreichen, weil sich die ursprünglichen Finanzierungspläne leider nicht haben durchführen lassen. Die Finanzierungspläne werden allerdings auch von anderer Seite erleichtert werden; heute morgen habe ich die erfreuliche Mitteilung bekommen, daß der Herr Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen, wenn ihm auch Mittel aus dem Landeshaushalt nicht zur Verfügung stehen, aus den Mitteln, die dem Ministerpräsidenten persönlich anvertraut sind, einen Zuschuß von 10 000 DM zur Durchführung dieser Veranstaltung geben wird.
Die IBA ist, wie aus der Vorlage hervorgeht, eine Organisation, die aus 57 Vereinigungen besteht, Vereinigungen, die in 48 Staaten beheimatet sind. Die IBA beschäftigt sich überwiegend mit Problemen des Völkerrechts und des zwischenstaatlichen Rechts. Ihre Referenten sind international anerkannte Juristen. Die Resolutionen ihrer Kongresse werden den Vereinten Nationen übermittelt, mit denen die IBA in enger Fühlungnahme steht. Sie übt einen bedeutenden Einfluß auf internationale Abkommen und auf die innerstaatliche Gesetzgebung aus.
Bei dieser Organisation handelt es sich also nicht nur um eine, die für die juristische Fachwelt bedeutsam ist, sondern die Tagungen dieser Organisation sind von hochpolitischer Bedeutsamkeit. Das geht auch rein äußerlich daraus hervor, daß es international üblich ist, bei Veranstaltungen der International Bar Association Empfänge durch das Staatsoberhaupt zu veranstalten. So hat gelegentlich der Tagung 1950 in London die Königin von Großbritannien und Nordirland einen Empfang geneben und hat gelegentlich der Tagung 1956 in Oslo der König von Norwegen einen Empfang gegeben. Auch für die Bundesrepublik Deutschland ist beabsichtigt, daß der Herr Bundespräsident einen Empfang in Schloß Brühl veranstaltet. Also keine bloße Angelegenheit der juristischen Fachwelt, sondern eine politisch international bedeutsame Veranstaltung; für uns um so bemerkenswerter, weil diese Organisation seit Jahrzehnten nicht mehr einen deutschen Ort für ihre Zusammenkünfte gewählt hat. Die erfreuliche Tatsache, daß für dieses Jahr ein Ort in der Bundesrepublik Deutschland ausersehen ist, die Organisation bei sich zu beherbergen, ist deshalb - wie auch im Haushaltsplan hervorgehoben ist - für das deutsche Ansehen in der Welt von großer Tragweite.
Aus diesen Gründen darf ich Sie bitten, den Zuschuß entsprechend zu erhöhen, damit keine irgendwelchen Finanzierungsschwierigkeiten eintreten.
Meine Damen und Herren, Sie haben die Begründung gehört. Ich eröffne die Debatte zum Einzelplan 07 im ganzen und zu dem soeben gestellten Antrag. Wird das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Wittrock hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist in diesem Hause aus vielfältigen Gründen bei den Haushaltsberatungen der letzten Jahre nicht möglich gewesen, bei der Behandlung des Einzelplans 07 eine Justizdebatte zu führen. In diesem Jahre kann die sozialdemokratische Bundestagsfraktion unter keinen Umständen auf eine solche Debatte verzichten. Zur sachgemäßen Vorbereitung dieser Debatte halten wir es jedoch für zweckmäßig, die Aussprache in grundsätzlicher Hinsicht erst in der dritten Lesung zu führen. Sie
wissen, daß uns die Tatsache, daß heute die zweite Beratung dieses Einzelplans stattfinden würde, erst am Dienstagnachmittag bekanntgeworden ist. Allein diesem Umstand ist es zuzuschreiben, daß wir dem von uns und, wie ich weiß, auch von anderen Teilen des Hauses vertretenen Anliegen, eine Grundsatzdebatte zu den Problemen der Justizpolitik zu führen, erst bei der dritten Lesung entsprechen können.
Wir halten diese Debatte insbesondere deshalb für so notwendig, weil wir feststellen müssen, daß sich in unserem Rechtsleben Erscheinungsformen zeigen, die wir nur als skandalös bezeichnen können.
({0})
Draußen im Lande manifestiert sich ein Geist, dessen Brutstätte sich hier in Bonn befindet,
({1})
und gerade darum ist es ein legitimes Anliegen des Parlaments, die grundsätzlichen Probleme der Justizpolitik im Bereich der Bundesrepublik zu erörtern.
Was wir gerade in den letzten Wochen und Monaten an sogenannten Rechtsauffassungen gehört haben, was wir insbesondere auch von seiten der Regierungsbank an sogenannten Rechtsauffassungen manches Mal gehört haben, läßt erkennen, welcher Ungeist hier in Bonn hockt.
({2})
- Nun, Herr Kollege Dr. Weber, lesen Sie einmal die wirklich als skandalös zu bezeichnenden Ausführungen z. B. des Verfassungsministers, Bundesinnenministers und Polizeiministers Dr. Schröder nach, jene skandalösen Ausführungen, die er hier anläßlich der Debatte über den sozialdemokratischen Gesetzentwurf zur Durchführung einer Volksbefragung gemacht hat.
({3})
Wenn Sie das einmal in aller Ruhe nachlesen, dann können Sie erkennen, daß man in zunehmendem Maße in polizeistaatlicher Manier dazu übergeht, das Recht in den Dienst Ihrer parteipolitischen Bestrebungen zu stellen.
({4})
Hier wird eine Mentalität erzeugt, und zwar ist dort auf der Regierungsbank die Brutstätte - ({5})
Herr Kollege Wittrock, ich bitte, sich in Ihren Ausdrücken zu mäßigen, die haarscharf an der Beleidigung vorbeigehen.
Hier wird eine Mentalität erzeugt, die allein die Münchner Vorgänge, jene skandalöse Beschlagnahmeaktion, erklären. Jene Beschlagnahmeaktion in München ist ein klassisches Beispiel dafür, wie man die Möglichkeiten, welche der Justiz zur Verfügung stehen, politisch, parteipolitisch, CDU-politisch mißbraucht.
({0})
- Herr Kollege Dr. Weber, Sie kennen offensichtlich die Vorgänge nicht, die sich in München abgespielt haben, sonst würden Sie nicht derartige Bemerkungen machen.
({1})
- Dann möchte ich Ihnen und dem Hause in die Erinnerung rufen, was sich in München ereignet hat. Am 2. April hat sich dort ein Komitee gegen die Atomrüstung der Presse vorgestellt. Es handelt sich um ein Komitee, welchem namhafte Persönlichkeiten aus den verschiedensten Lebensbereichen angehören. Der Sprecher dieses Komitees, Herr Hans Werner Richter, hat am 2. April vor der Presse zunächst einmal darauf hingewiesen, daß die Gründung dieses Komitees „Kampf gegen die Atomrüstung" erfolgt ist, und er hat weiterhin bei der Pressebesprechung ausgeführt, daß das Komitee auf die finanzielle Unterstützung all derer, die sein Anliegen auch als ihr Anliegen ansehen, angewiesen ist. Diesem Komitee stehen nämlich nicht die Fonds und Mittel der Bundesregierung zur Verfügung.
({2})
Aus diesem Grunde ist das Komitee auf die freiwillige Mithilfe und finanzielle Unterstützung all derer angewiesen, die das gleiche Anliegen vertreten.
Am nächsten Tage, also am 3. April, hat dann die „Süddeutsche Zeitung" einen Bericht über den Ablauf der Pressekonferenz gebracht und in diesem Bericht auch die Bitte um Spenden erwähnt. Sie hat ebenfalls das Postscheckkonto des Komitees, das auf den Namen des Vorsitzenden ausgestellt war, angeführt. Noch am gleichen Tage hat der Vorsitzende des Komitees auf Grund eines ihm gegebenen Hinweises einen Antrag auf Erteilung einer Genehmigung nach dem Sammlungsgesetz gestellt.
Es ist dann einige Zeit vergangen. Jedermann hielt die Angelegenheit für eine Formsache. Der Antrag lief. Ohne daß es zu irgendwelchen weiteren Schritten und Ankündigungen gekommen war, erschienen bei dem Vorsitzenden des Komitees am 30. April morgens um 8 Uhr vier Kriminalbeamte, um eine Haussuchung vorzunehmen. Im Zuge der Haussuchung wurden sämtliche Unterlagen de:' Komitees beschlagnahmt. Es wurde die Privatpost beschlagnahmt, und man hat sogar den Durchschlag des Antrags auf Erteilung einer Genehmigung nach dem Sammlungsgesetz beschlagnahmt.
({3})
Man hat dem Vorsitzenden des Komitees verboten, mit seinem Anwalt zu telefonieren.
({4})
Man hat ihm das Telefon aus der Hand gerissen und ihn darauf aufmerksam gemacht, daß er, solange die Haussuchung durchgeführt werde, nicht zu telefonieren habe.
({5})
- Aber, verehrte Herren Kollegen von der CDU/ CSU, weshalb sind Sie so nervös?
({6})
Ihre Nervosität offenbart das ungute Gefühl,
({7})
welches Sie selbst hier im Grunde genommen haben, Herr Justizrat Dr. Weber!
({8}) Denn Sie müßten wissen, - ({9})
- Ich kenne den Fall nicht, den Sie hier anführen.
({10})
Aber es ist interessant - und es zeigt die Schwäche Ihrer Position -, daß Sie mir nichts anderes zurufen können als eine Retourkutsche.
({11})
- Gerade Sie, der Sie das Sammlungsgesetz und die Praxis, nach der dieses Gesetz angewandt wird, kennen, müßten wissen, daß es der Praxis entspricht, in all den Fällen, in denen es zu einem Verstoß gegen dieses Gesetz kommt, zunächst den Beschuldigten vorzuladen, ihn zu vernehmen und überhaupt erst einmal dem Sachverhalt auf diese Weise, so wie es eigentlich auch nur dem Wesen des Falles entspricht, auf den Grund zu gehen.
({12})
Hier ist man nicht in dieser Weise vorgegangen, sondern hat unter glatter Mißachtung auch des § 102 der Strafprozeßordnung das gröbste Geschütz aufgefahren, nur mit dem Ziel, dadurch einen politischen Effekt zu erzielen. Es kam entscheidend darauf an, einer politischen Aktion, die man als unbequem empfindet, im Rahmen Ihrer Möglichkeiten die finanziellen Grundlagen zu entziehen.
({13})
Das ist ein Beispiel, welches zeigt, in welchem Ausmaß Sie und Ihre Freunde die Mittel und Möglichkeiten, die es nun einmal in der Justizpraxis gibt, mißbrauchen.
({14})
Meine Damen und Herren, damit will ich auf die Zwischenfrage des Herrn Kollegen Vogel, der zu Beginn nicht hier gewesen ist, was das hier mit der Justizdebatte zu tun habe, noch einmal antworten. Verehrter Herr Kollege Vogel,
({15})
das ist eines der Symptome für die Justizpolitik,
({16})
die ihren Ausgangspunkt hier in Bonn hat und die Sie im politischen Raum zu vertreten haben.
({17})
Es ist nicht nur das legitime Recht, sondern es ist die Pflicht des Parlaments,
({18})
hier Mißstände aufzuzeigen und Erscheinungen, welche schon korruptiven Charakter haben, niedriger zu hängen. Wir können sie in einer wirksamen Weise nur in diesem obersten politischen Organ der Bundesrepublik Deutschland niedriger hängen.
({19})
Dieses Recht und diese Pflicht, niedriger zu hängen, werden Sie, verehrte Damen und Herren von der CDU, dem Deutschen Bundestag hoffentlich nicht bestreiten. Denn wenn Sie es bestritten, würden Sie selbst das Haus politisch entmachten.
Das ist eines der Beispiele, welche uns veranlassen, mit aller Eindringlichkeit das Anliegen anzumelden, daß es in der dritten Lesung zu einer grundsätzlichen Justizdebatte anläßlich der Beratung des Einzelplans 07 kommt.
({20})
Das Wort hat der Abgeordnete Benda.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Wittrock, wir teilen mit Ihnen den Wunsch, in der dritten Lesung dieses Teils des Haushaltsplans eine grundsätzliche Justizdebatte zu fuhren. Wir sehen dieser Debatte mit freudigen Erwartungen entgegen.
Ich darf Ihnen allerdings eines sagen, Herr Kollege Wittrock. Ich bin neu in diesem Hause und kenne die Gepflogenheiten des Hauses vielleicht nicht so gut wie Sie, der hier länger ist. Ich konnte mich schon vor der Bemerkung des Herrn Präsi1576
denten des Eindrucks nicht erwehren, daß der Stil Ihrer Ausführungen hart an der Grenze dessen liegt, was hier gestattet sein sollte.
({0})
- Herr Kollege, das geht uns nichts an? Der Kollege Wittrock hat uns soeben ausdrücklich gefragt, ob wir ihm das Recht bestreiten wollten - wie er sich ausdrückte -, die Dinge niedriger zu hängen,
also so zu reden, wie er das tut. Wir bestreiten Ihnen, meine Damen und Herren von der SPD, das Recht nicht. Jeder von uns ist in der Lage, hier vorn hinzugehen und sich so gut zu blamieren, wie er das kann.
({1})
Ich kann nur über den Stil der Ausführungen des Kollegen Wittrock sprechen. Denn was ich über die Substanz seiner Ausführungen sagen soll, weiß ich eigentlich nicht.
({2})
- Ganz kleine Substanz!
Kollege Wittrock, es ist Ihnen schon in einem Zwischenruf entgegengehalten worden, daß wir hier über den Einzelplan der Justiz sprechen. Ich darf Ihnen doch einmal etwas Ernstes sagen. Es ist eine ganz fatale Sache, wenn Sie hier die Justiz mit solchen Ausführungen angreifen, die unabhängige Justiz, die Rechtsprechung, die unabhängigen Richtern anvertraut ist und nach unserem, wie ich hoffe, gemeinsamem Willen auch anvertraut bleiben soll. Was sollen denn Ihre Ausführungen? Ich bin persönlich gar nicht in der Lage, zu den Münchener Dingen im einzelnen zu sprechen.
({3})
- Ach, Kollege Wittrock! - Ich darf noch einmal wiederholen: ich bin gar nicht in der Lage, über diese Vorfälle im einzelnen zu sprechen; ich habe gar nicht die Absicht, das zu tun. Vielleicht mag da etwas dran sein. Vielleicht geben diese Vorfälle uns ebenso wie Vorfälle in Kassel und anderswo in Hessen Veranlassung, das Sammlungsgesetz wieder einmal zu überprüfen.
({4})
Vielleicht könnte man sich darüber gemeinsam einigen und so die Dinge wieder auf ihren sachlichen Gehalt zurückführen.
Was soll, Kollege Wittrock, Ihre Charakterisierung der Rede, die der Herr Bundesinnenminister hier gehalten hat, als „skandalöse Ausführungen des Polizeiministers"? Was soll das in einer Debatte über unsere deutsche Justiz, und was ist das für ein Stil für einen Juristen, über Rechtsfragen, über Verfassungsfragen in diesem Hause zu debattieren?
({5})
Aber, meine Damen und Herren, die Dinge werden dann für mein Empfinden wirklich ernst - und ich sage das nicht nur ernst, sondern ich meine es auch ernst -, wenn hier derartige Worte gleich als Einleitung kamen. Man konnte sich vorstellen, was da folgen würde. Ich darf Sie zitieren, Kollege Wittrock. Ich glaube, daß ich es richtig mitgeschrieben habe. Sie haben gesprochen über einen Geist, dessen Brutstätte sich hier in Bonn befinde - dann haben Sie uns etwas über Symptome gesagt -, ohne uns hier des näheren etwas über die Substanz dieses Geistes auszuführen. Kollege Wittrock, das ist fatal. Es ist eigentlich nicht erlaubt, hier in dieser Weise zu sprechen und Behauptungen aufzustellen, die Sie nicht einmal untermauern und substantiieren können.
({6})
- Gut, wir unterhalten uns gern darüber. Ich will keiner Frage ausweichen. Ich will nur eine Frage anschneiden, von der ich an sich erwartet hatte, daß sie von Ihnen kommen würde. Ich bin beinahe ein bißchen enttäuscht, daß ich dazu nichts gehört habe. Es handelt sich um eine Frage, über die man wirklich ernsthaft reden muß, sehr viel ernsthafter, Kollege Wittrock, als das, glaube ich, hier von Ihrer Seite geschehen ist.
({7})
Meine Damen und Herren, ich glaube nicht, daß ein so ernstes Thema wie die deutsche Justiz Anlaß zu derartigen Bemerkungen hinüber und herüber geben sollte. Ich bitte, sich doch zurückzuhalten.
Kollege Dr. Greve, wer sich hier vorn hinstellt, stellt sich der Erteilung von Zensuren. Das gilt für den Kollegen Wittrock wie für mich. Ich bin bereit, mich der Zensurierung hier zu unterwerfen.
({0})
Darf ich nun etwas zu einer Sache sagen, von der ich eigentlich die Hoffnung hatte, daß wir uns da finden könnten. Hier handelt es sich wirklich um eine Sache, die ich persönlich und, ich glaube, auch Sie - ich hoffe es - ganz, ganz ernst nehmen. Sie gehört, glaube ich, auch in eine solche Grundsatzdebatte über unseren Justizetat und in eine Besprechung über unsere Justiz. Zu dieser Angelegenheit, die ich als ernst und schwierig empfinde, will ich für meine politischen Freunde und mich etwas sagen, weil sie nach unserer Meinung so ungeheuer
wichtig ist, daß wir darüber einfach sprechen müssen. Kollege Dr. Arndt, ich sehe Sie da gerade: wir haben das bei der einen oder anderen Gelegenheit im Rechtsausschuß gemeinsam schon gemacht; wir haben uns darin gefunden. Ich spreche über Urteile von deutschen Gerichten, die in den letzten Wochen und in den letzten Monaten ergangen sind und die uns alle, glaube ich, mit Sorge und mit Erschrecken erfüllt haben.
({1})
Das, meine Damen und Herren, ist nun wirklich eine ernste Sache. Schon um des Ansehens unserer deutschen Justiz und unserer deutschen Richter willen will ich mir hier nicht anmaßen - ich glaube, das können wir auch nicht -, den deutschen Richtern Zensuren zu erteilen. Aber: ich glaube, es ist notwendig - ({2})
- Bitte schön, Kollege Wittrock.
Bitte, Herr Kollege Wittrock!
Herr Kollege, haben Sie nicht verstanden, daß ich von Erscheinungsformen unseres Rechtslebens gesprochen habe, die man nur als skandalös bezeichnen kann, und haben Sie dabei nicht herausgehört, daß es hierbei auch um die Urteile ging, die Sie uns hier als Neuentdeckungen präsentieren wollen?
({0})
Kollege Wittrock, wollen Sie die Güte haben zuzuhören; ich will Ihnen darauf mal etwas sagen!
({0})
Verehrter Herr Kollege Wittrock, gerade das, was Sie soeben sagen, habe ich herausgehört, und gerade deswegen spreche ich es an. Denn - verzeihen Sie, ich weiß nicht, ob ich den Ausdruck gebrauchen darf; ich wage es - das ist das Infame: daß Sie das andeuten und dann von der „Brutstätte eines Geistes" sprechen, um uns das in die Schuhe zu schieben.
({1})
Ich sage es noch einmal: das ist das Unerhörte,
({2})
daß solche Dinge uns in die Schuhe geschoben werden, Dinge - ich wollte es gerade aussprechen und tue es nun mit um so mehr Nachdruck -, in denen sich das ganze Haus, ich glaube, von hüben nach drüben, finden kann: in der Verurteilung von Erscheinungsformen einer vergangenen Zeit, die gemeinsam zu überwinden wir uns gemeinsam bemühen sollten.
({3})
Der erste Schritt dazu, Kollege Wittrock, ist ja wohl,
daß man sich wenigstens auf diesem Gebiete - es
wird in diesem Hause so viel unterstellt - noch das Mindestmaß an gutem Willen und wirklich ehrlichem Wollen gegenseitig anerkennt, das in diesem Hause nach meiner Überzeugung überall vorhanden ist.
({4})
Wenn wir das nicht mehr können, weiß ich im
Grunde nicht, wozu wir hier noch stehen und reden.
({5})
Ich darf eines noch vorbringen. Ich habe es, glaube ich, deutlich genug gesagt - und ich bin bereit, es noch deutlicher zu sagen -: ich nenne jene Mörder von Brettenheim hier und überall, wo ich Gelegenheit dazu habe, auch nach dem Freispruch eines deutschen Gerichtes „Mörder", und davon gehe ich nicht ab.
({6})
Aber ich möchte dem gegenüberstellen - auch das sollte in diesem Hause einmal gesagt werden -, daß es in Deutschland Gott sei Dank auch andere Richter gibt. Ich weiß nicht, wer von Ihnen - Herr Kollege Dr. Arndt, Sie wissen es vielleicht besser als ich - jenen Amtsgerichtsrat aus dem Sächsischen kennt, der im November 1938 nach den Scheußlichkeiten, die damals passiert sind, den Mut gehabt hat, in seiner amtlichen Eigenschaft eine Strafanzeige an sein vorgesetztes Gericht gegen die Verbrecher zu erstatten, die in den Novembertagen des Jahres 1938 jene Dinge verübt haben. Auch das war ein deutscher Richter. Auch diese Menschen - hoffentlich gibt es sie noch in der deutschen Justiz; ich weiß, daß es noch viele gleichen Geistes gibt - sind unsere Richter, und wir wollen hier nicht zu einem billigen Pauschalurteil kommen.
({7})
Ich möchte zum Abschluß noch ein Wort ernster Mahnung auf diesem Gebiet an uns alle sagen. Ich glaube, daß manches auf diesem Gebiet - ich kann das in diesem Augenblick nur von mir persönlich sagen - von diesem Hause aus gemeinsam geschehen müßte. Wenn es irgendwo ein gemeinsames Anliegen gibt, dann ist es doch wohl hier. Ich glaube, man kann sagen, daß die Richter z. B. in der Affaire des Herrn Zind ihre Pflicht getan haben. Aber auch die Frage wird auftauchen, ob der Gesetzgeber seine Pflicht getan hat, ob die Möglichkeiten, hier wirklich etwas zu tun, ausgeschöpft worden sind. Das gleiche gilt ja wohl auch im Falle jenes ehemaligen Oberreichsanwalts, in dem eine Entscheidung ergangen ist, mit der niemand in diesem Hause einverstanden sein wird.
Ich habe die herzliche Bitte, daß wir diese und andere sehr ernste Fragen - es gibt noch eine ganze Reihe; ich will sie heute nicht anschneiden - in der dritten Lesung sehr viel gründlicher, als das heute geschehen konnte, und, wie ich hoffe, auch sehr viel sachlicher erörtern, als das jetzt geschehen ist.
Der Antrag Umdruck 51 wird von meinen Freunden und mir wirklich aus Überzeugung unterstützt. Wir bitten Sie, Ihre Zustimmung zu geben.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Arndt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch wenn es nicht unsere Absicht ist, schon heute in der zweiten Lesung, die uns so überraschend gekommen ist, die ausführliche Justizdebatte zu führen, die wir für unbedingt notwendig halten, so kann ich doch einige Ausführungen des Herrn Kollegen Benda nicht unwidersprochen lassen.
Herr Kollege Benda, wenn Sie aufmerksam gefolgt wären, hätten Sie bemerkt, daß Herr Kollege Wittrock von zwei verschiedenen Dingen gesprochen hat. Er hat einmal allgemein von bedenklichen Beobachtungen im deutschen Rechtsleben geredet und sich vorbehalten, darauf in der dritten Lesung einzugehen. Dazu gehört etwa der Fall, den Sie erwähnt haben: Brettenheim, Simon-Prozeß. - Er hat zweitens über einen besonderen Fall gesprochen, die Münchner Haussuchungsaktion, und für diesen besonderen Fall hat Herr Kollege Wittrock die Bundesregierung politisch und moralisch verantwortlich gemacht. Das bitte ich auseinanderzuhalten.
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- Es mag ein Mißverständnis vorliegen; mir schien es jedenfalls klar.
Über Stilfragen zu streiten, ist schwierig; namentlich die acht oder neun Jahre in diesem Hause war es schwierig, über Stilfragen zu streiten. Aber ich finde, daß es jedenfalls ein sehr schlechter Stil gewesen ist, was man jetzt in München an polizeilicher Durchsuchungsaktion
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- ja, polizeilicher, mit richterlichem Befehl; ich komme gleich noch darauf - gegen den Dichter Hans Werner Richter und das Aktionskomitee durchgeführt hat. Es besteht vielerlei Verbindung zu dem, was hier seitens der Bundesregierung ausgeführt wird und wie sich der Herr Bundesminister des Innern geäußert hat. Lesen Sie die Ausführungen des Herrn Bundesministers des Innern nach! Sie laufen doch letzten Endes darauf hinaus, daß die Sozialdemokratische Partei Deutschlands und ihre Bundestagsfraktion gewissermaßen etwas sei, was schon außerhalb des Gesetzes stehe.
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Daher kommen dann solche Aktionen, wie wir sie in München erlebt haben. - Kommen Sie nicht mit der Retourkutsche Kassel. Erstens hat in Kassel bei dem Geistlichen keine Haussuchung stattgefunden.
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Nein! Ich habe mich für die Sache sehr interessiert. In Kassel hat keine Haussuchung stattgefunden. Im übrigen denke ich über die Kasseler Vorgänge nicht anders als über die Münchener. Ich
habe - das haben Sie in der Presse lesen können
in zahlreichen sozialdemokratischen öffentlichen Versammlungen gegen die Aktion, die in Kassel stattgefunden hat, protestiert. Ich habe telegraphisch bei der hessischen Landesregierung protestiert. Ich habe telegraphisch bei meiner befreundeten Fraktion im hessischen Landtag protestiert, denn ich vertrete nicht zweierlei Meinung je nach dem, ob das auf der einen oder anderen Seite ist.'
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Ich habe bisher als einziger die Angelegenheit, und zwar unter deutlicher Anspielung auf diese Strafverfahren gegen katholische Geistliche, in den Bundestag gebracht. Wenn Sie nachlesen, werden Sie in einer Fragestunde im 2. Bundestag meine Frage finden, was die Bundesregierung zu tun gedenkt. Denn nach meiner Auffassung ist das NS-Sammlungsgesetz aus dem Jahre 1934, wenn es überhaupt je gültig zustande kam, unvereinbar mit den Grundrechten auf Glaubensfreiheit, auf freie Parteibildung und auf freie Meinungsäußerung.
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Bedauerlicherweise hat allerdings die katholische Kirche in den beiden Fällen, die dort zur Aburteilung gekommen sind, die Urteile rechtskräftig werden lassen und hat nicht das Bundesverfassungsgericht angerufen, was ich im Falle des NS-Sammlungsgesetzes für dringend erforderlich halte. Damals hat mir Herr Staatssekretär Ritter von Lex erwidert, der Bund habe gar keine Gesetzgebungszuständigkeit in der Frage des Sammlungsgesetzes, und das scheint mir leider auch richtig zu sein. Aber die Länder halten bedauerlicherweise daran fest und namentlich die von Ihrer Partei in dem Innenressort und auch sonst geführten und regierten Länder. Wir können also von Bundes wegen nichts machen, es sei denn, daß endlich einmal das Bundesverfassungsgericht über die Sache entscheidet.
Es hat aber auch Herrn Kollegen Wittrock durchaus fern gelegen, dem Amtsrichter den Vorwurf zu machen. Es gibt immerhin Entscheidungen, wenn ich sie auch für sehr irrig halte, die das NS-Sammlungsgesetz für gültig ansehen, obgleich es doch ein typisch nationalsozialistisches Gesetz ist. Ich persönlich vertrete überhaupt die Auffassung, daß Herr Hitler niemals in der Lage war, auch nur irgendein Gesetz wirksam zu erlassen, soweit es nicht durch allgemeine Billigung seitens der Bevölkerung Gewohnheitsrecht geworden ist. Der Vorwurf trifft nicht den Amtsrichter, der dort eventuell im Rechtsirrtum gehandelt hat, sondern das, worum es geht, ist etwas ganz anderes. Das ist die Tatsache, wie man hier einen Richter und justizielle Einrichtungen mißbraucht hat; denn man konnte ja seitens der zuständigen Verwaltungsbehörden in der Sache auch anders verfahren.
Wir wissen aber, daß am Vorabend jener üblen Münchener Aktion der gegenwärtige Herr Bundesminister der Justiz sich in München aufgehalten hat.
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Es gibt auch Anhaltspunkte dafür, daß sehr viel
mehr das Bundesamt für Verfassungsschutz dahinDr. Arndt
tersteht; denn man hat sich doch nicht für die armseligen 2000 DM interessiert, die das Aktionskomitee an Spenden bekommen hat. Die Bundesregierung, die 2 Millionen DM veruntreut, um Plakate anzuschlagen
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- veruntreut, habe ich gesagt, Herr Vogel -, hat es nicht nötig, das Aktionskomitee um 2000 DM zu beneiden,
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sondern man möchte die Namenslisten haben. Diese Namenslisten möchte das Bundesamt für Verfassungsschutz haben, um Terror auszuüben. Das ist das, was wir kritisieren.
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Es ist ein Mißbrauch der Justiz, so etwas zu treiben, und dagegen legen wir auch an dieser Stelle feierlich Verwahrung ein.
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Das Wort hat der Herr Bundesminister der Justiz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Vorredner war so liebenswürdig, zu erwähnen, daß ich an den Tagen der wirklichen oder angeblichen Beschlagnahme dieser Gelder bei diesem Aktionskomitee in München gewesen sei.
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Möglich, meine Damen und Herren, daß ich in München gewesen bin. Aber ich kann Ihnen ehrlich versichern: weder der Bundesminister der Justiz noch der Bundestagsabgeordnete Schäffer noch etwa das Mitglied des Landesparteivorstandes der CDU Friedrich Schäffer ist irgendwie von der ganzen Aktion verständigt worden. Es war gar kein Anlaß, ihn zu verständigen; denn hier handelt es sich um eine Aktion, die außerhalb der Justiz im Bereich des bayerischen Innenministers Otto Bezold geschehen ist, von diesem angeordnet worden ist und die allein das Sammlungsgesetz betrifft, dieses Gesetz, von dem gerade vorhin gesagt wurde, daß es heute in Gesetzgebung und Vollzug eine reine Landesangelegenheit sei. Mir ist also unverständlich, wie der Bundesjustizminister hier verantwortlich gemacht werden soll für eine Aktion, die rein in Landeszuständigkeit erfolgt ist, ohne daß er gehört zu werden brauchte, ohne daß er gehört wurde. Ich freue mich, wenn dem Bundesjustizminister mehr Gewalt und mehr Zuständigkeit zugeschrieben
werden, als er hat. Aber leider kann er nur die ausüben und verantworten, die er hat. Ich würde sehr dankbar sein, wenn künftig in den Reden auf die Zuständigkeit und Verantwortung des einzelnen angegriffenen Mitgliedes des Bundeskabinetts mehr Rücksicht genommen würde als bisher.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Weber.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich finde es merkwürdig, daß man seitens der SPD die Münchner Vorgänge ausgerechnet in die Justizdebatte hereinzieht und sich zu der Behauptung versteigt, das, was dort geschehen sei, sei Geist dieser von der CDU/CSU geführten Regierung, angesichts dessen, daß die Polizei in Bayern - was Sie auch wissen dürften - dem FDP-Minister Dr. Bezold untersteht. Und ich glaube nicht, daß man von Herrn Bezold sagen kann, daß er vom Geiste der CDU „infiziert" sei.
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- Das ist vielleicht ein anderer Ungeist! Ich gebe Ihnen gern anheim, sich mit ihm auseinanderzusetzen.
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Weshalb ich aber noch zu einer ganz kurzen Bemerkung das Wort erbeten habe, ist dies: daß es hier in diesem Hause ungerügt hingenommen wurde, daß der Herr Kollege Arndt es wagen konnte, der Bundesregierung Veruntreuung vorzuwerfen.
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Namens meiner politischen Freunde erhebe ich gegen diese Diffamierung der Bundesregierung, die mit der Aufklärung des Volkes nur ihre Pflicht getan hat, schärfsten Widerspruch.
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Herr Kollege Weber, wenn Sie glauben, meine Verhandlungsführung rügen zu sollen, dann kennen Sie den Weg: bitte, wenden Sie sich an den Ältestenrat!
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Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Oder wird das Wort noch gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann ist die Debatte über den Einzelplan 07 - Drucksache 354 - und über den Änderungsantrag Umdruck 51 geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Änderungsantrag auf Umdruck 51 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei einer Enthaltung angenommen.
Vizepräsident Dr. Becker
Wir kommen nun zur Abstimmung über den Einzelplan 07 -Drucksache 354 - mit der soeben zu Kap. 07 01 Titel 956 beschlossenen Änderung. Wer dem Einzelplan 07 unter Berücksichtigung dieser Änderung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Es bestehen Unstimmigkeiten über die Beurteilung. Ich darf bitten, die Abstimmung durch Aufstehen zu wiederholen. Wer dem Einzelplan 07 mit der beschlossenen Änderung zuzustimmen wünscht, den bitte ich aufzustehen. - Ich danke Ihnen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Ich danke Ihnen. Enthaltungen? - Angenommen.
Wir kommen jetzt zu
Einzelplan 19 - Bundesverfassungsgericht ({1}).
Hierzu der Bericht des Haushaltsausschusses. Berichterstatter ist der Abgeordnete Jürgensen. Ich darf ihm das Wort erteilen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der Beratung des Einzelplans 19 im Haushaltsausschuß haben sich gegenüber dem Regierungsentwurf nur ganz geringfügige Änderungen ergeben. Ich darf dazu auf die Drucksache 362 verweisen.
Bei Tit. 101 hat der Ausschuß die beantragte Hebung von zwei Planstellen der Besoldungsgruppe A 14 nach A 15 abgelehnt. Er glaubt, daß der Tätigkeitsbereich der beiden in Frage kommenden Beamten eine Stellenhebung nicht rechtfertigt.
Die Summen der Titel 200, 203 und 206 sind auf die Ansätze des Jahres 1957 herabgesetzt worden.
Bei dem Tit. 215 - Reisekostenvergütungen - ist der Haushaltsausschuß von dem tatsächlichen Ergebnis des Jahres 1957 ausgegangen. Der Istbetrag des Jahres 1957 beläuft sich auf 22 000 DM, und der Haushaltsausschuß glaubt, daß mit einem Ansatz von 30 000 DM für das Jahr 1958 auch unter Berücksichtigung der inzwischen gestiegenen Fahrpreise bei der Bundesbahn auszukommen ist.
Auch bei dem Tit. 870 glaubt der Haushaltsausschuß, die Herabsetzung des Ansatzes 1958 auf den Ansatz von 1957 vorschlagen zu sollen.
Ich darf Sie im Namen des Haushaltsausschusses bitten, dem Einzelplan 19 in der vom Ausschuß vorgeschlagenen Fassung zuzustimmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? - Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Einzelplan 19 gemäß Drucksache 362 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Der Einzelplan ist angenommen.
Ich rufe als letzten Punkt der Tagesordnung die Beratung des
Einzelplans 33 - Versorgung - ({0}).
auf. Hierzu liegt der Schriftliche Bericht des Haushaltsausschusses auf Drucksache 364 vor. Berichterstatter ist der Herr Abgeordnete Seidel ({1}). Darf ich bitten, das Wort zu ergreifen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für die Berichterstattung zu Einzelplan 33 - Versorgung - in zweiter Lesung erlaube ich mir, auf den Schriftlichen Bericht Drucksache 364 hinzuweisen. Ich bitte, gemäß dem Antrag des Haushaltsausschusses den Einzelplan 33 unverändert nach der Vorlage anzunehmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 33. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Der Einzelplan 33 ist angenommen.
Wir sind damit am Ende der für die heutige Sitzung vorgesehenen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages für morgen früh, 9. Mai, 9 Uhr, ein.
Ich schließe die Sitzung.