Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Vor Eintritt in die Tagesordnung spreche ich die Glückwünsche des Hauses Herrn Kollegen Cillien zum 65. Geburtstag aus.
({0})
Die Glückwünsche zur Genesung spreche ich unserem lange erkrankt gewesenen Kollegen Dr. Becker aus,
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der gestern wieder erschienen ist, sich heute aber aus anderen Gründen beurlauben lassen mußte.
Damit, meine Damen und Herren, kommen wir zur Tagesordnung. Punkt 1:
Fragestunde ({2})
Die Frage 1 des Herrn Abgeordneten Menzel betrifft den Fall Strack:
Stimmt es, daß der Herr Bundesaußenminister den Anwälten des Ministerialrats Strack vorgeschlagen hat, Herrn Strack zum deutschen Botschafter in Pretoria zu ernennen, falls Herr Strack auf die weitere strafrechtliche Verfolgung gegen den früheren Staatssekretär im Auswärtigen Amt und jetzigen Präsidenten der Kommission der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und andere leitende Beamte des Auswärtigen Amtes verzichtet?
Zur Beantwortung hat der Herr Bundesminister des Auswärtigen das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es trifft zu, daß das Auswärtige Amt Herrn Ministerialrat Strack befragt hat, ob er bereit sei, wieder in den auswärtigen Dienst einzutreten und einen Posten als Botschafter zu übernehmen, Diese Anfrage ist jedoch in keiner Weise von dem Verhalten des Herrn Strack in dem anhängigen, in der Anfrage erwähnten Strafverfahren abhängig gemacht worden.
Eine Zusatzfrage wird nicht gestellt.
Die Frage 2 des Herrn Abgeordneten Ehren betrifft die Wahrung der kulturellen Eigenständigkeit und des Volkstums nichtdeutscher Flüchtlinge in der Bundesrepublik:
Was tut die Bundesregierung, um den nichtdeutschen Flüchtlingen in der Bundesrepublik durch Förderung des Schulwesens, ihrer kulturellen Zusammenschlüsse und ihrer Religionsgemeinschaften bei der Wahrung der kulturellen Eigenständigkeit und des Volkstums zu helfen?
Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär des Bundesministeriums für Vertriebene.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist grundsätzlich Aufgabe der Länder, die kulturellen Einrichtungen und Organisationen der heimatlosen Ausländer und der nichtdeutschen Flüchtlinge zu betreuen. Um jedoch diesem Personenkreis die Erhaltung der nationalen Eigenart zu erleichtern und so das Beispiel einer guten Nationalitätenpolitik zu geben, hat die Bundesregierung über die eigenen und zwischenstaatlichen Verpflichtungen hinaus seit 1956 jährlich 300 000 DM allein an materieller Unterstützung beigesteuert.
Insgesamt wurden im letzten Haushaltsjahr 21 verschiedene Nationalgruppen durch 71 Einzelzuweisungen verschiedener Größenordnung unterstützt. Vornehmlich wurden gefördert die kulturellen und sozialen Einrichtungen - Ergänzungsschulen und Bibliotheken - sowie Organisationen einschließlich ihrer Zeitschriften der Ungarn, Jugoslawen, Rumänen, Russen, Ukrainer, Tschechen, Polen und der Völker im baltischen Raum. Wesentliche Unterstützung erhielten auch die nationalen Religionsgemeinschaften der Russen, Ukrainer, Turkestaner, Kaukasier, Bosniaken und Kalmücken.
Die Organisationen dieses Personenkreises erhielten bisher von ihren Freunden in der freien Welt Zuwendungen in einem in die Millionen gehenden Umfang. Wie in den letzten Monaten bekanntgeworden ist, werden im kommenden Haushaltsjahr die Zuwendungen weitgehend wegfallen. Ob die Anforderungen der Emigrationsgruppen sowohl an die Länder als auch an den genannten Titel im Bundeshaushalt infolgedessen steigen werden, wird sich erst im Laufe des Sommers überblicken lassen.
Eine Zusatzfrage? - Keine Zusatzfrage.
Meine Damen und Herren, der Herr Abgeordnete Ritzel bittet mich, die Frage 33 vorzuziehen, da er nachher dienstlich dringend beansprucht ist. Ist das Haus einverstanden? - Das ist der Fall.
Ich rufe also auf Frage 33 des Abgeordneten Ritzel betreffend konservierte Fische aus atomar-verseuchten Gewässern:
Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung ergriffen, um die Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland vor Gesundheitsschäden zu bewahren, die durch den Verzehr konservierter Fische entstehen können, die aus atomar-verseuditen Gewässern stammen?
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister des Innern!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Antwort lautet wie folgt. Bereits seit dem Jahre 1955 werden von der Bundesforschungsanstalt für Fischerei auf den Fischmärkten Hamburg-Altona, Cuxhaven und Bremerhaven regelmäßig Radioaktivitätsmessungen an konservierten Fischen vorgenommen. Darüber hinaus untersucht die Bundesforschungsanstalt ausländische Fischwaren, insbesondere Thunfisch in Öl, der aus Japan eingeführt wird.
Den Meßergebnissen konnte bisher in keinem Fall ein Hinweis auf eine vorliegende radioaktive Verseuchung entnommen werden. Das Verbot in § 3 des Lebensmittelgesetzes, Lebensmittel in den Verkehr zu bringen, deren Genuß die menschliche Gesundheit zu schädigen geeignet ist, reicht in Verbindung mit den laufend durchgeführten Kontrollen aus, um die Bevölkerung vor Gesundheitsschäden zu bewahren.
Keine Zusatzfrage.
Frage 3 des Abgeordneten Ehren betreffend zahlenmäßige Erfassung der in den Jahren 1945/46 entlassenen Kriegsgefangenen, Zivilinternierten und -verschleppten:
Ich frage den Herrn Bundesvertriebenenminister, ob beabsichtigt ist, die im Zusammenhang mit der Verabschiedung des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes am 2. Juli 1953 vom Deutschen Bundestag geforderte zahlenmäßige Erfassung von Kriegsgefangenen, Zivilinternierten und Zivilverschleppten, die in den Jahren 1945 und 1946 in das Bundesgebiet und nach dem Land Berlin entlassen worden sind und dort ständigen Aufenthalt genommen haben, noch durchzuführen, nachdem durch die Verabschiedung des Zweiten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes im Jahre 1956 die Entschädigungsfrage für diesen Personenkreis ihren Abschluß gefunden haben dürfte.
Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär des Bundesministeriums für Vertriebene.
Die allgemeine Abneigung gegen statistische Sondererhebungen veranlaßte mich, die Erhebung der Heimkehrerjahrgänge 1945/46 zunächst im Zusammenhang mit der Wohnraumzählung des Jahres 1956 zu versuchen. Infolge technischer Einwände der Statistischen Landesämter wurde dieser Plan nicht durchgeführt. Ich bin gegenwärtig bemüht, die Erhebung der bevorstehenden allgemeinen Volkszählung anzuhängen. Ziel der Befragung soll die Gewinnung von Zahlen über die Gefangenen in den einzelnen Gewahrsamsländern sein, aufgegliedert nach Kriegsgefangenen, Zivilinternierten und Zivilverschleppten, nach Geschlecht und nach Entlassungsjahr. Dabei soll für die Entlassungsjahrgänge 1945 und 1946 die Gesamtdauer des Gewahrsams - in Monaten ausgedrückt - erkennbar werden. Ich bin der Oberzeugung, daß dieser im Zusammenhang mit der Volkszählung vorgesehenen Erhebung praktisch, politisch und wissenschaftlich der höchst erreichbare Aussagewert zukommen wird. Sie dürfte auch für alle in Betracht kommenden Zwecke verwendbar sein.
Zusatzfrage? - Keine Zusatzfrage.
Frage 4 des Herrn Abgeordneten Wegener betreffend Einschränkung der Vergünstigungen für Schwerbeschädigte durch die Deutsche Bundesbahn:
Billigt der Herr Bundesinnenminister die mit Wirkung vom
1. Februar 1958 erfolgte Einschränkung der Vergünstigungen für Schwerbeschädigte, die darin besteht, daß Schwerbeschädigte mit amtlichem Ausweis, die bisher in allen Zügen der Deutschen Bundesbahn die 1. Wagenklasse mit einem Fahrausweis der
2. Wagenklasse benutzen durften, diese Vergünstigung nur noch in Zügen wahrnehmen können, die auch die 2. Wagenklasse führen, also nicht mehr in Fernschnellzügen, obgleich neben dem Fahrpreis für die 2. Wagenklasse der Sonderzuschlag in voller Höhe gezahlt wird?
Wird der Herr Bundesinnenminister sich für eine Aufhebung dieser seit dem 1. Februar 1958 gültigen Einschränkung einsetzen?
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister des Innern!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Antwort an den Kollegen lautet wie folgt.
Die Einschränkung der tariflichen Vergünstigungen für Schwerkriegsbeschädigte bei der Deutschen Bundesbahn ist ohne meine Mitwirkung erfolgt. Auf Vorstellungen bei dem Herrn Bundesminister für Verkehr hat sich die Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn bereit erklärt, mit Wirkung vom 1. Mai dieses Jahres die Benutzung der 1: Wagenklasse mit Fahrtausweis 2. Klasse durch Schwerkriegsbeschädigte wie bis zum 1. Februar 1958 zuzugestehen. Das bedeutet, daß Schwerkriegsbeschädigte bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen auch in Zukunft in sämtlichen Fernschnellzügen mit Ausnahme der Fernschnelltriebwagen mit Fahrtausweis 2. Klasse die 1. Wagenklasse benutzen können.
Zusatzfrage? - Keine Zusatzfrage.
Frage 5 - des Herrn Abgeordneten Rehs - betreffend Entschädigung nach dem Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz:
Billigt die Bundesregierung das Ergebnis der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, daß die vertriebenen ostpreußischen Frauen und Männer, die 1945 in sowjetrussische Gefangenschaft gerieten, zwangsweise registriert und jahrelang unter fürchterlichen Umständen zu schwerster körperlicher Arbeit kommandiert wurden, keine Entschädigung nach dem Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz erhalten, weil angeblich ihr Arbeitseinsatz nicht mehr in unmittelbarem Zusammenhang mit den Kriegsereignissen gestanden" habe?
Ist die Bundesregierung bereit, aus dieser Entscheidung die notwendigen gesetzgeberischen Folgerungen zu ziehen?
Der Herr Staatssekretär des Bundesvertriebenenministeriums!
Ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, das sich mit der Ablehnung einer Entschädigungsleistung aus dem Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz an einen nach Kriegsende zwangsweise zu Arbeiten herangezogenen Ostpreußen befaßt, war mir bis vorgestern lediglich aus wenigen Zeilen einer Pressemeldung bekannt. Wortlaut und Begründung gingen mir erst am 21. April zu. Ob mich Urteil und Begründung veranlassen, der BunStaatssekretär Dr. Nahm
desregierung gesetzgeberische Folgerungen vorzuschlagen, kann erst nach eingehender Prüfung der ausführlichen Urteilsbegründung und nach einer Beratung mit den beteiligten Ressorts gesagt werden.
Ich erbitte Ihr Einverständnis, die Frage so bald wie eben möglich je nach Ihrem Wunsch mündlich oder schriftlich beantworten zu dürfen.
Zusatzfrage? - Keine Zusatzfrage.
Frage 6 des Abgeordneten Reitzner betreffend deutsche Staatsbürgerschaft für Volksdeutsche in Österreich:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die deutschen Konsulate in Österreich jenen Volksdeutschen, die unter die Kannbestimmungen des deutschen Staatsbürgerschaftsregelungsgesetzes fallen und deren Ansuchen um die Staatsbürgerschaft seit Jahren nicht erledigt worden sind, nun zureden, die Gesuche zurückzuziehen? Billigt die Bundesregierung dieses Vorgehen der deutschen Konsulate?
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister des Auswärtigen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die deutschen Konsulate in Österreich haben keine Weisung erhalten, Volksdeutschen, die auf Grund des § 9 Abs. 1 des Ersten Gesetzes zur Regelung von Fragen der Staatsangehörigkeit Einbürgerungsanträge gestellt hatten, die nicht erledigt sind, nunmehr „zuzureden", die Gesuche zurückzuziehen. Die Konsulate haben die bei ihnen eingereichten An-I träge vielmehr nach Eingang der erforderlichen Unterlagen stets an die zuständigen Inlandsbehörden abgegeben. Infolgedessen kann ich die in dieser generellen Form gestellte Frage mit Nein beantworten.
Auf Ersuchen einer deutschen Staatsangehörigkeitsbehörde haben Konsulate der Bundesrepublik in Österreich in vereinzelten Fällen auf Amtshilfeersuchen den Antragstellern nahegelegt, ihre Anträge zurückzuziehen. Dies waren Einbürgerungsbewerbungen, die nach Lage des Falles und nach der Beurteilung durch die zuständige Behörde der Ablehnung verfallen wären.
Der Herr Bundesminister des Innern hat mich im übrigen dahingehend unterrichtet, daß bis zum 31. März 1958 die für die Mehrzahl der hier in Rede stehenden Anträge zuständige Bundesstelle für Verwaltungsangelegenheiten des Bundesministers des Innern in Köln 4745 Anträge der mit der Anfrage gemeinten Art positiv entschieden, aber nur 131 Anträge abgelehnt hat, so daß daraus die Grundhaltung des Bundesministers des Innern dieser Gruppe von vertriebenen Volksdeutschen gegenüber wohl zu erkennen ist.
Ich darf nochmals darauf hinweisen, daß die Konsulate hier nur zur Amtshilfe tätig geworden sind, und ich glaube, daß weitere Fragen an den Herrn Bundesminister des Innern zu richten wären.
Zusatzfrage? - Keine Zusatzfrage.
Frage 7 - des Herrn Abgeordneten Reitzner - betreffend Unterbringung deutscher Staatsbürger in Österreich nach Auflösung der UNREF-Lager:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß in österreichischen Flüchtlingslagern deutsche Staatsbürger untergebracht sind, denen von den deutschen Vertretungen in Osterreich geraten wurde, in Osterreich zu verbleiben? Was gedenkt die Bundesregierung für die betroffenen deutschen Staatsbürger zu tun, nachdem diese UNREF-Lager nun aufgelöst werden?
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister des Auswärtigen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf die Frage des Herrn Kollegen Reitzner darf ich folgendes antworten.
Der Bundesregierung ist bekannt, daß sich in österreichischen Flüchtlingslagern noch deutsche Staatsangehörige befinden. Soweit solche Lager aufgelöst werden, können dort bisher untergebrachte deutsche Staatsangehörige ohne weiteres in die Bundesrepublik übersiedeln. Deutsche Staatsangehörige, die in Osterreich bleiben wollen, haben nach dem Gmundener Abkommen und der „Bonner Vereinbarung" auch weiterhin Anspruch auf Hilfeleistungen, das sind Fürsorgeleistungen, Kriegsopferversorgung und Versorgungsbezüge nach dem Gesetz zu Artikel 131.
Danke. Ich stelle keine Zusatzfrage.
Es wird keine Zusatzfrage gestellt.
Frage 8 - des Abgeordneten Regling - betreffend Auflösung des Bundesbahnausbesseringswerks Lübeck:
Wann wird die Bundesregierung über den Beschluß des Verwaltungsrates der Deutschen Bundesbahn, der die Auflösung des Bundesbahnausbesserungswerkes Lübeck vorsieht, und über den Einspruch, den die Landesregierung Schleswig-Holstein gemäß § 52 des Bundesbahngesetzes eingelegt hat, entscheiden?
Ist der Bundesregierung bekannt, daß bereits jetzt, ohne daß ein solcher Entscheid vorliegt, die Umsetzung von Betriebsangehörigen und damit die Aushöhlung des Werkes in der Zonengrenzstadt Lübeck durchgeführt und im großen Umfange weiter vorbereitet wird?
Der Herr Bundesminister für Verkehr zur Beantwortung!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gegen den Beschluß des Verwaltungsrates der Deutschen Bundesbahn vom 29. Januar 1957, das Ausbesserungswerk Lübeck im Zuge der notwendigen Rationalisierung spätestens Ende 1957 stillzulegen, hatte der Minister für Wirtschaft und Verkehr des Landes Schleswig-Holstein Einspruch erhoben. Über diesen Einspruch hat die Bundesregierung am 17. April 1958 wie folgt entschieden:
Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß der Verwaltungsrat der Deutschen Bundesbahn bei diesem Beschluß alle Umstände, insbesondere die Stellungnahme des Landes Schleswig-Holstein, eingehend gewürdigt und bei der Entscheidung angemessen berücksichtigt hat. Sie hält daher die Anfechtung des Beschlusses für unbegründet.
Bundesverkehrsminister Dr.-Ing. Seebohm
Zum zweiten Teil Ihrer Anfrage bemerke ich: Nachdem ich nach eingehender Würdigung aller Umstände die Stillegung des Ausbesserungswerkes gemäß § 14 Abs. 4 d des Bundesbahngesetzes genehmigt habe, hat die Bundesbahndirektion Hamburg die Versetzungen der für Hannover vorgesehenen Bediensteten vorbereitet. Mit Ausnahme eines einzigen Arbeiters, der selbst den Wunsch äußerte, sofort umzuziehen, ist jedoch bis jetzt noch kein Angehöriger der Belegschaft versetzt worden.
Nach dem neuesten Stand sollen die Werkstättenarbeiter des Werkes Lübeck folgendermaßen untergebracht werden: In Lübeck bleiben beschäftigt 154, nach Hannover gehen 95, in andere auswärtige Bundesbahndienststellen gehen 13, infolge Invalidisierung oder auf Grund eigener Kündigung scheiden aus 40. 28 Fälle müssen noch geklärt werden.
Eine Zusatzfrage? - Bitte, Herr Abgeordneter Regling!
Herr Minister, darf ich fragen, ob bei diesem Beschluß, der erst nach über einem Jahr im Umlaufverfahren vom Kabinett gefaßt worden ist, auch die Kabinettsbeschlüsse berücksichtigt worden sind, nach denen die Wirtschaftskraft im Zonenrandgebiet gefördert werden sollte - wobei sogar unterstellt wurde, daß auch die Privatwirtschaft gewisse Risiken eingeht? Die Bevölkerung Lübecks ist der Meinung, daß diese Frage nicht genügend berücksichtigt worden ist. Denn das Werk Lübeck hat nie unrentabel gearbeitet.
Dazu darf ich zunächst einmal bemerken, Herr Kollege, daß der Bundesregierung sehr eingehend vorgetragen worden ist, welche Verhandlungen seit dem Beschluß des Verwaltungsrates der Bundesbahn von meinem Hause und von der Bundesbahn mit der schleswig-holsteinischen Landesregierung und mit der Stadt Lübeck geführt worden sind, und daß dabei Zusicherungen gegeben wurden, entsprechende zusätzliche Aufträge der Bundesbahn in den Lübecker Raum zu legen. Darüber hat die Deutsche Bundesbahn mir ausführlich berichtet. Diese Berichte liegen auch den Stellen in Schleswig-Holstein vor. Nach diesen Unterlagen ist festzustellen, daß die Bundesbahn in ausreichendem Umfang Aufträge für Lübeck vorgesehen hat. Daß sie sie zum Teil nicht nach Lübeck vergeben konnte, lag daran, daß die entsprechenden Lübecker Industrien diese Aufträge nicht annahmen. Diese ganzen Fragen sind also eingehend behandelt worden.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Regling!
Da durch die Vorwegmaßnahmen der Bundesbahn der Beschluß des Kabinetts praktisch nur noch eine formelle Bestätigung, die Stillegung des Werks also Tatsache geworden ist, bleibt mir die Frage - die Sie jetzt eben selbst anschnitten -, ob beabsichtigt ist, zusätzliche
Arbeiten in den Raum Lübeck hineinzugeben. Es ist Ihnen sicher bekannt, daß der Bürgermeister der Hansestadt Lübeck die bisherigen Aufträge als nicht ausreichend angesehen hat. Sie entsprechen in ihrem Umfang nach seiner Meinung nicht den gegebenen Versprechungen. Dürfen wir damit rechnen, daß weitere zusätzliche Aufträge in den Raum Lübeck hineingehen?
Ich sagte Ihnen soeben, daß der Lübecker Industrie weitere zusätzliche Aufträge angeboten worden sind, daß diese aber von ihr nicht angenommen wurden. Die Bundesbahn kann ja nicht Aufträge vergeben, wenn sie nicht jemand findet, der die Aufträge ausführen will.
Das wird bezweifelt.
Frage 9 - Herr Abgeordneter Börner - betreffend versuchte Erpressung politischer Flüchtlinge aus der Tschechoslowakei:
Sind der Bundesregierung die Tatbestände bekannt, die in der Presse ({0}) über die versuchte Erpressung politischer Flüchtlinge aus der Tschechoslowakei zu Spionagediensten berichtet wurden? Entspricht die in dem Artikel aufgezeigte Mitwirkung deutscher Organe des Verfassungsschutzes den Tatsachen?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Antwort lautet wie folgt.
Ich darf verweisen auf die Stellungnahme der Bundesregierung vom 28. März - Drucksache 313 -, die dem Hause gedruckt vorliegt als Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP Drucksache 279. Danach hat es sich bei dem Ehepaar Cebotarev um Agenten des sowjetischen bzw. tschechischen Nachrichtendienstes gehandelt.
Ich habe im übrigen durch meinen Vertreter im Ausschuß für Inneres des Hohen Hauses schon mitteilen lassen, daß ich nach Abschluß der laufenden Ermittlungen dem Ausschuß für Inneres über diese Sache weiter berichten möchte.
Eine Zusatzfrage?
Darf ich fragen, Herr Minister, wie Sie die Tatsache, daß in der Stellungnahme der Bundesregierung, Drucksache 313, der Ehemann Cebotarev als ein politischer Agent des tschechischen Nachrichtendienstes bezeichnet wird, mit der ebenfalls in die Zuständigkeit Ihres Ministeriums fallenden Tatsache vereinbaren wollen, daß - nach meinen Informationen - Herr Cebotarev das Asylrecht in der Bundesrepublik erhalten hat?
Ich verweise auf die Stellungnahme vom 28. März und behalte mir einen weiteren Bericht an den Ausschuß für Inneres nach Abschluß der Ermittlungen vor.
Eine zweite Zusatzfrage? - Darf ich Sie darüber hinaus noch fragen, ob Ihnen bekannt ist, daß die Ehefrau die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen soll, und ist insbesondere unter diesem Gesichtspunkt die versuchte Rückführung in das Gebiet der sowjetisch besetzten Zone mit dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland in Einklang zu bringen?
Zu dieser Frage werde ich nach Abschluß der Ermittlungen im Ausschuß für Inneres Stellung nehmen.
Keine weitere Zusatzfrage.
Frage 10 - Herr Abgeordneter Spitzmüller - betreffend Ansprüche der Margarete Schwarz, Warberg, nach § 72 des Gesetzes gemäß Art. 131 des Grundgesetzes:
Was beabsichtigt der Herr Bundesinnenminister zu tun, um der Witwe des am 28. April 1915 in Göttingen geborenen und am 7. Februar 1945 in Hermsdorf bei Strehlen gefallenen Unteroffiziers Friedrich Schwarz, Margarete Schwarz, Warberg, Dorfstraße 3, zur Anerkennung ihrer Ansprüche nach § 72 des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Artikel 131 des Grundgesetzes fallenden Personen zu verhelfen, deren Durchsetzung bei dem Landesversorgungsamt Hannover - Aktenzeichen P 16 Nachvers. Sch. 434 h - bisher daran gescheitert ist, daß bei dem Versorgungsamt Braunschweig die Akten mit den erforderlichen Unterlagen verlorengegangen sind?
Die Antwort lautet wie folgt.
In der Versorgungsangelegenheit der Frau Schwarz ist gemäß § 60 des Gesetzes zu Art. 131 des Grundgesetzes der Niedersächsische Sozialminister als oberste Dienstbehörde zuständig. Allein durch den Verlust der Akten darf der Antragstellerin kein Rechtsnachteil erwachsen. Nach § 81 a des Gesetzes zu Art. 131 können bei Fehlen von Urkunden für die Geltendmachung von Rechten als Beweismittel auch eidesstattliche Versicherungen von Zeugen oder notfalls des Antragstellers selbst zugelassen werden. Ich werde den Herrn Niedersächsischen Sozialminister bitten, die Angelegenheit unter diesem Gesichtspunkt zu überprüfen.
Eine Zusatzfrage!
Herr Minister, halten Sie es für korrekt, daß eine Dienststelle einem Antragsteller über Monate und Jahre hinweg den Rechtsweg verbaut mit Behauptungen wie „Ihre Akten befinden sich in einem Arbeitsgang", „Die Akten sind zur Zeit nicht auffindbar; die Pensionsabteilung wurde aber gebeten, trotz Fehlens der Hauptakte Ihren Antrag weiter zu bearbeiten", obwohl dies bei Fehlen des Hauptbeweisstückes erfolglos bleiben muß?
Herr Kollege, es fällt mir schwer, zu dem Verhalten von Behörden Stellung zu nehmen, die nicht im Kompetenzbereich der Bundesregierung liegen. Trotzdem möchte ich sagen, daß es in Fällen wie denen, von denen Sie gerade einen behandeln, sehr gut ist,
daß es Abgeordnete gibt, die sich hier - aber vielleicht auch auf der Landesebene - solcher Dinge annehmen können.
Keine Zusatzfrage.
Frage 11 - Herr Abgeordneter Dr. Leiske - betreffend Bundeszuschuß für die Entsendung einer deutschen Mannschaft zu den Segelflug-Weltmeisterschaften:
Ist die Bundesregierung bereit, im Interesse der Förderung des deutschen Segelflugsports und seiner Weltgeltung den für die Entsendung einer deutschen Mannschaft zu den Segelflug-Weltmeisterschaften im Juni 1958 in Polen vorgesehenen Bundeszuschuß von 8000 DM zu erhöhen und insoweit die für den einzelnen Piloten kaum tragbare persönliche Belastung von mehr als 2000 DM zu verringern?
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister des Innern.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Antwort an den Herrn Kollegen Dr. Leiske lautet wie folgt:
Der Deutsche Aeroklub erhält im Rechnungsjahr 1958 aus den Mitteln des Sportfonds des Bundesministeriums des Innern wie in den Vorjahren einen angemessenen Betrag von voraussichtlich - ich sage: voraussichtlich - etwa 30 000 DM. Er kann daraus auch die Teilnahme an den Segelflug-Weltmeisterschaften in Polen finanzieren. Im übrigen ist diese Finanzierung nach Auskunft des Aeroklubs inzwischen bereits durch die Zuschüsse, die die Landesverbände des Aeroklubs geleistet haben, voll gesichert; die Teilnehmer brauchen also keine eigenen Mittel aufzuwenden.
Keine Zusatzfrage.
Frage 12 - Herr Abgeordneter Dr. Leiske - betreffend Erforschung der Gliederung des Aktienbesitzes nach Groß-, Mittel- und Kleinaktionären:
Erkennt die Bundesregierung das wirtschaftspolitische Bedürfnis für eine Erforschung der Gliederung des Aktienbesitzes bei den Aktiengesellschaften nach Groß-, Mittel- und Kleinaktionären an?
Ist sie bereit, eine solche bundesstatistische Erhebung in Angriff zu nehmen?
Welche Hindernisse stehen gegebenenfalls einer solchen Erhebung entgegen?
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister für Wirtschaft.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung hat sich eine möglichst große Beteiligung des Publikums am Kapital der Aktiengesellschaften zum Ziele gesetzt. Sie hat daher auch erhebliches Interesse daran, festzustellen, ob und inwieweit die von ihr in Vorschlag gebrachten Maßnahmen für eine Dekonzentration des Aktienbesitzes Erfolg haben. Ein wirtschaftspolitisches Bedürfnis für eine Erforschung der Verteilung des Eigenkapitals am Kapital der Aktiengesellschaften ist demnach zu bejahen.
Bundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhard
Das Statistische Bundesamt hat bereits Untersuchungen über das Eigentum am Kapital der deutschen Aktiengesellschaften angestellt, deren Ergebnis im Band 188 der Statistik der Bundesrepublik Deutschland veröffentlicht ist. Danach erfolgte eine Aufgliederung des Eigentums am gesamten Aktienkapital nach dem Stand von Ende 1956 mit insgesamt 23,7 Milliarden DM: In Schachtel- und Dauerbesitz 14,2 Milliarden DM oder 60%, in übrigem Aktienbesitz 9,5 Milliarden DM oder 40 %, vorwiegend im Publikumsbesitz. Es wäre von Interesse, zu erfahren, auf welchen Personenkreis sich der sogenannte Publikumsbesitz verteilt und welche Größenordnungen für den Umfang des Aktienbesitzes bei den Publikumsaktionären in Frage kommen. Wie das Statistische Bundesamt in seinem Bericht feststellt, hat es noch keine brauchbare Form für die Ermittlung einer soziologischen Gliederung der freien Aktionäre und der Schichtung ihres Aktienbesitzes finden können.
Die Bundesregierung prüft zur Zeit mit dem Statistischen Bundesamt und den zuständigen Verbänden die Frage, inwieweit eine Repräsentativerhebung bei den Depotbanken zu den gewünschten Ergebnissen führen könnte. Zur Durchführung der Repräsentativerhebung wäre allerdings ein Gesetz oder eine Verordnung nach § 6 des Gesetzes über die Statistik für Bundeszwecke vom 3. September 1953 erforderlich.
Keine Zusatzfrage.
Frage 13 - Herr Abgeordneter Dr. Schmidt ({0}) - betreffend Schornsteinfegerwesen:
Ist der Herr Bundeswirtschaftsminister bereit,
a) die als Bundesrecht in Kraft befindliche Verordnung des Verwaltungsamtes für Wirtschaft auf dem Gebiete des Schornsteinfegerwesens vom 3. Oktober 1947 im Hinblick auf den teilweise sehr erheblichen Rückgang in der Belegung der Häuser und auf die wesentliche Qualitätsverbesserung der Brennmaterialien zu überprüfen bzw. aufzuheben,
b) die Kehrordnungen im wesentlichen den Ländern zu überlassen?
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister für Wirtschaft.
Die Frage zu a) beantworte ich wie folgt:
Der Bundesminister für Wirtschaft ist bereit, erneut die Frage zu prüfen, ob die Verordnung des Verwaltungsamtes für Wirtschaft des amerikanischen und britischen Besatzungsgebiets über Maßnahmen auf dem Gebiet des Schornsteinfegerwesens in der britischen Zone vom 10. März 1947 und ihre Ausführungsbestimmungen vom gleichen Tag ohne Beeinträchtigung der Feuersicherheit aufgehoben werden können.
Zu b) :
Mit der Aufhebung der genannten Verordnung würden gemäß § 8 der Verordnung über das Schornsteinfegerwesen vom 28. Juli 1937 auch die Länder der früheren britischen Besatzungszone für den Erlaß der Kehrordnungen in vollem Umfang zuständig sein.
Keine Zusatzfrage.
Frage 14 - Herr Abgeordneter Dr. Schmidt ({0}) - betreffend Entschädigung der Fischereigenossenschaft Drage:
Ist der Herr Bundesverkehrsminister bereit,
a) den durch den Bau der Elbstaustufe Geesthacht hart getroffenen Fischerfamilien der Fischereigenossenschaft Drage, mit denen noch keinerlei Verhandlungen über die Ablösung der betroffenen grundbuchlich eingetragenen Fischereirechte eingeleitet sind, u. a. entsprechende Entschädigungen zu gewähren, die auch die Schäden einschließen, die durch frühere Regulierungen entstanden und vom Herrn Bundesverkehrsminister anerkannt sind,
b) den Fischern bei ihrer beruflichen Umstellung ausreichende Unterstützung und Hilfe zu gewähren,
e) sicherzustellen, daß an der Staustufe Fischtreppen angelegt werden?
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister für Verkehr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wegen des Baues der Elbstaustufe Geesthacht sind mehrere Planfeststellungsverfahren bei verschiedenen Landesbehörden anhängig. In diesen Planfeststellungsverfahren werden auch die Entschädigungen festgestellt, die wegen der etwaigen Verletzung des Rechts eines Dritten zu zahlen sind, soweit die Ausbaumaßnahmen hierfür ursächlich sind.
Über die Ansprüche der Fischereigenossenschaft Drage hat zunächst der Herr Regierungspräsident in Lüneburg zu entscheiden. Diese Entscheidung muß abgewartet werden. Sind die Beteiligten mit der Höhe der festgesetzten Entschädigung nicht einverstanden, so können sie vor den Zivilgerichten klagen, die dann endgültig entscheiden. Der Bund wird die rechtskräftig festgestellten Entschädigungsverpflichtungen selbstverständlich erfüllen.
Ich darf im übrigen noch bemerken, daß ich mich sehr darum bemüht habe, wegen der Entschädigungsansprüche der Fischer, die aus der Elbregulierung in den dreißiger Jahren gegen das Deutsche Reich entstanden waren, nachträglich einen angemessenen Ausgleich zu finden. Bestimmte Schadensersatzansprüche der Fischereigenossenschaft Drage habe ich jedoch nicht anerkennen können. Wenn der von mir gewünschte Ausgleich jetzt durch das inzwischen beschlossene und erlassene Allgemeine Kriegsfolgengesetz unmöglich geworden ist, so bedaure ich das sehr, muß aber dazu bemerken, daß das Allgemeine Kriegsfolgengesetz für zahlreiche Gläubiger des Deutschen Reichs leider ähnliche unvermeidbare Härten mit sich gebracht hat.
Verhandlungen über einen Ankauf der Fischereirechte durch meine Verwaltung sind nach dem Erlaß des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes zunächst zum Erliegen gekommen. Ich hoffe jedoch, daß es im Wege weiterer Verhandlungen gelingen wird, eine Lösung zu finden, die den Interessen der Fischer gerecht wird. Der von meiner Verwaltung erstrebte Ankauf der Fischereirechte hätte sowohl für sie als auch für die Fischer den Vorteil, daß Auseinandersetzungen über Entschädigungsansprüche vermieden werden.
Bundesverkehrsminister Dr.-Ing. Seebohm
Es erscheint verständlich, daß die Mitglieder der Fischereigenossenschaft Drage nach den Erfahrungen, die sie in der Vergangenheit wegen ihrer Entschädigungsansprüche aus der Elbregulierung in den 30er Jahren gemacht haben, jetzt mit gewisser Sorge den Auswirkungen entgegensehen, die sich für ihren Beruf möglicherweise aus dem Bau der Elbstaustufe Geesthacht ergeben können. Ich bitte jedoch, überzeugt zu sein, daß die von den Fischern, insbesondere auch die von der Fischereigenossenschaft Drage erhobenen Ansprüche im Rahmen des Möglichen erfüllt werden. Finanzielle Maßnahmen zur Unterstützung der Fischer sind ressortmäßig Sache des Herrn Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Für die Wasser- und Schiffahrtsverwaltung ist es aber seit jeher eine Selbstverständlichkeit gewesen, bei allen wasserbaulichen Maßnahmen auf die Belange der Fischerei entsprechend Rücksicht zu nehmen. Demgemäß ist auch beim Bau der Elbstaustufe Geesthacht von vornherein ein Fischpaß vorgesehen.
Frage 15 - des Herrn Abgeordneten Schmidt ({0}) - betreffend Änderung der Zollvorschriften wegen des über die Zollgrenze wechselnden Weideviehs:
Ist der Herr Bundesfinanzminister bereit,
a) die Zolldienststellen anzuweisen, daß das aus den unmittelbar an den Zollgrenzen gelegenen Weiden ausbrechende und über die Zollgrenzen wechselnde Vieh nicht als Zollgut zu behandeln ist,
b) die Allgemeine Zollordnung dahingehend zu ändern, daß Haustiere, die in den Monaten Mai bis November sich auf den unmittelbar an den Zollgrenzen gelegenen Weiden befinden und Ober die Zollgrenze ausbrechen, als „freilebende Tiere" zu betrachten sind?
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf davon ausgehen, daß die hier gestellte Anfrage sich nur auf inländisches Vieh bezieht, das von im Zollgebiet gelegenen Weiden ausgebrochen und über die Zollgrenze ins Zollausland gewechselt ist.
Ein tatsächliches Bedürfnis vorausgesetzt, bin ich bereit, durch eine Ergänzung der Allgemeinen Zollordnung für derartiges Vieh eine Regelung zu treffen, durch die vermieden wird, daß das Vieh beim Wiedereingang über die Zollgrenze Zollgut wird. Es ist dabei daran gedacht, durch eine Erweiterung der Tatbestände des § 11 Abs. 2 der Allgemeinen Zollordnung inländisches Vieh, das von Weiden des Zollgebiets ausgebrochen und über die Zollgrenze gewechselt ist, von der Gestellung zu befreien. Dies würde zur Folge haben, daß das Vieh beim Wiedereingang in das Zollgebiet nicht Zollgut, sondern Freigut sein würde. Ich bin auch bereit, schon vor der Änderung der Allgemeinen Zollordnung die Zollstellen anzuweisen, im Sinne der in Aussicht genommenen Änderung zu verfahren.
Frage 16 - des Herrn Abgeordneten Meyer ({0}) - betreffend Ergänzung des Katalogs der Berufskrankheiten;
Ist dem Bundesarbeitsministerium bekannt, daß in letzter Zeit wiederholt Erblindungen insbesondere bei Arbeiterinnen eingetreten sind, die mit methylalkoholhaltigen Lacklösungsmitteln, beispielsweise in Bleistiftfabriken, in Berührung kommen?
Ist bekannt, daß das Sozialgericht in Nürnberg die Gewährung einer Unfallrente für eine auf diese Weise Erblindete mit der Begründung ablehnte, daß ein solcher Unfall „nicht bekannt" sei? Ist daran gedacht, diese Berufserkrankung in den neuen Katalog der seit längerer Zeit angekündigten 6. Berufskrankheiten-Verordnung aufzunehmen und genügend lange zurückzudatieren, damit die zurückliegenden Fälle erfaßt werden?
Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem Bundesarbeitsministerium ist glücklicherweise von wiederholten Fällen von Erblindungen von Arbeitern oder Arbeiterinnen, die mit methylalkoholhaltigen Lösungsmitteln in Berührung kommen, nichts bekannt. Auch eine Umfrage, die wir sofort veranstaltet haben, bei dem Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften, bei der Süddeutschen Holz-Berufsgenossenschaft und bei der Chemischen Berufsgenossenschaft sowie bei dem Werkarzt der Badischen Anilin- und Sodafabrik hat nichts ergeben.
Bekannt ist lediglich ein Fall der Vergiftung einer Arbeiterin in Nürnberg. Über die Ansprüche, die die Arbeiterin aus dieser Vergiftung glaubte herleiten zu können, ist vor dem Sozialgericht in Nürnberg verhandelt worden. Das Sozialgericht hat eine Entschädigung abgelehnt, aber nicht mit der Begründung, die Sie, Herr Abgeordneter, in Ihrer Anfrage angeführt haben, sondern deswegen, weil die Erblindung durch Methanol keine Berufskrankheit im Sinne der Fünften Berufskrankheiten-Verordnung sei und weil ein Arbeitsunfall nicht vorliege. Inzwischen hat sich die Süddeutsche Holz-Berufsgenossenschaft durch das Gutachten eines Augenfacharztes davon überzeugen lassen, daß doch ein Arbeitsunfall vorgelegen hat. Deswegen ist die Verletzte entschädigt worden.
Zu dem dritten Teil Ihrer Anfrage darf ich sagen, daß Erblindungen durch Methanol in den Katalog der in Vorbereitung befindlichen Sechsten Berufskrankheiten-Verordnung aufzunehmen bisher nicht beabsichtigt ist, da ein Bedürfnis für die Anerkennung einer solchen Berufskrankheit bisher nicht anerkannt werden konnte. Akute Vergiftungen mit Methanol werden beim Vorliegen auch der sonstigen Voraussetzungen als Arbeitsunfälle entschädigt. Erfahrungen über Fälle eindeutiger beruflicher Schädigung durch chronische Einwirkung von Methanol liegen aber bei den staatlichen Gewerbeärzten der Länder und bei den Werkärzten nicht vor. Sollten in Zukunft solche chronischen Vergiftungsfälle auftreten, so würde selbstverständlich eine Ergänzung des Katalogs der Berufskrankheitenverordnung erneut erwogen werden müssen.
Ich darf noch darauf verweisen, daß die Träger der Unfallversicherung chronische Vergiftungen durch Methanol auch schon dann wie eine Berufskrankheit entschädigen könnten, wenn die in dem Referentenentwurf des Unfallversicherungsgesetzes vorgeschlagene Regelung Gesetz würde.
Keine Zusatzfrage?-Frage 17-der Abgeordneten Frau Renger - betreffend Einsetzung von Eilzügen in Oldenburg:
Ist der Herr Bundesverkehrsminister bereit, im Interesse des ostholsteinischen Berufs- und Fremdenverkehrs mit der Deutschen Bundesbahn dahingehend Verhandlungen aufzunehmen, daß die Strecke Burg/Fehmarn-Großenbrode-Oldenburg-NeustadtLübeck mit drei Eilzügen versehen wird, und zwar mit direktem Anschluß ab Lübeck nach Hannover-Süddeutschland bzw. Hamburg-Rheinland und zurück?
Ist der Herr Bundesverkehrsminister bereit, dafür zu sorgen, daß die Stadt Neustadt ({0}) dreimal täglich mit Neumünster und mit Kiel durch einen Eilzug verbunden wird?
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister für Verkehr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Sommerfahrplan, der vom 1. Juli an in Kraft tritt, wird auf der Strecke Großenbrode-Lübeck ein weiteres Saison-Eilzugpaar eingelegt. Es verkehren dann auf dieser Strecke werktäglich 9 Personenzugpaare und 3 Eilzugpaare, von denen 2 in Heiligenhafen beginnen und enden. Die Strecke Burg-Heiligenhafen ist in Lütjenbrode mit 9 Personenzugpaaren an diesen Verkehr angeschlossen. Ebenso bestehen in Lübeck gute Übergänge im Verkehr mit Hamburg und Lüneburg sowie weiter in Richtung West- und Süddeutschland.
Wie mir die Bundesbahn berichtet, hat sie das neue Eilzugpaar vorgesehen, obwohl das Gebiet mit Omnibussen ausreichend bedient wird und mit einer Verkehrssteigerung auf der Schiene daher nicht gerechnet werden kann.
Zu der zweiten Frage darf ich mitteilen, daß die Strecke Neustadt-Eutin mit 9 Personenzugpaaren befahren wird, die sämtlich in Eutin gute Anschlüsse in Richtung Kiel und Neumünster haben. Der Verkehr ist aber so gering, daß die Bundesbahn davon absehen mußte, zusätzliche Eilzugverbindungen zwischen Neustadt, Kiel und Neumünster einzurichten. Personenzüge in Eilzüge umzuwandeln, erscheint gerade hier nicht zweckmäßig, weil damit die kleineren Orte benachteiligt und die Reisezeiten nur geringfügig verkürzt würden.
Bei dieser Sachlage sehe ich mich bei dem gegenwärtigen Zustand zu meinem Bedauern nicht veranlaßt, auf die Bundesbahn im Sinne weiterer Verbesserungen in diesem Gebiet einzuwirken.
Zusatzfrage? - Keine Zusatzfrage.
Frage 18 - des Herrn Abgeordneten Meyer ({0}) - betreffend Höchstrenten nach dem Rentenneuregelungsgesetz:
Welchen Rechtsstandpunkt nimmt das Bundesarbeitsministerium hei der Erhöhung von Renten um 15 Dreizehntel bei Erreichung der Altersgrenze von 65 Jahren in bezug auf die Höchstrenten ein?
Teilt das Bundesarbeitsministerium den Standpunkt der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, daß keine Erhöhung mehr stattfindet, wenn die Höchstgrenzen bereits nach den Bestimmungen der -Übergangsvorschriften der Renten-Neuregelungsgesetze erreicht wurden, oder ist die Entscheidung des Sozialgerichts in Ulm richtig. daß hei der Umwandlung der Rente in ein Altersruhegeld die Höchstbeträge nicht zur Anwendung kommen?
Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär im
Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die aufgeworfene Rechtsfrage ist bei den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit anhängig, aber noch nicht endgültig entschieden. Die Sozialversicherungsträger beabsichtigen, eine Entscheidung des Bundessozialgerichts in dieser Frage herbeizuführen. Unter diesen Umständen erscheint es dem Bundesarbeitsministerium nicht als angezeigt, dazu jetzt hier eine Stellungnahme abzugeben, weil darin ein Eingriff in ein schwebendes gerichtliches Verfahren erblickt werden könnte.
Zusatzfrage? - Keine Zusatzfrage.
Frage 19 - der Abgeordneten Frau Herklotz - betreffend Entschädigung der sogenannten Abrißgeschädigten:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß in den Grenzkreisen Zweibrücken und Pirmasens durch Maßnahmen des damaligen Reichsstatthalters im Jahre 1941 ganze Dörfer abgerissen wurden? Weiß die Bundesregierung, daß die meisten dieser „Abrißgeschädigten" aus eigener Kraft ihre Häuser wieder aufgebaut h ab en?
Ist die Bundesregierung als Rechtsnachfolgerin der deutschen Reichsregierung bereit, diese „Abrißgeschädigten" für die Verluste zu entschädigen?
Wie rechtfertigt die Bundesregierung, daß sie die vor 1945 vom Staat wiederaufgebauten Gebäude vor Jahresfrist den Besitzern zwar unentgeltlich übereignet hat, von den Eigentümern der nach 1945 wiederaufgebauten Häuser aber verlangt, die Lasten des Wiederaufbaus allein zu tragen?
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieser Anfrage liegt folgender Sachverhalt zugrunde. Bei Ausbruch des Krieges im Jahre 1939 wurde entlang der deutschfranzösischen Grenze innerhalb einer im Schußbereich französischer Artillerie gelegenen Zone die gesamte Bevölkerung nach Mitteldeutschland evakuiert, weil zu befürchten war, daß dieses Gebiet Kampfgebiet würde. Im Verlauf der Kampfhandlungen bis zum Frankreichfeldzug wurde in der Tat das vorgenannte geräumte Gebiet - die sogenannte Rote Zone - durch feindliche Artillerie beschossen, wobei nach und nach zumindest ein erheblicher Teil der Gebäude durch Treffer zerstört oder beschädigt wurde.
Die Zerstörungen bildeten die Veranlassung zu einer nach dem Frankreichfeldzug begonnenen Neuordnungsmaßnahme in diesem Gebiet.
Drei Gruppen von Schäden sind zu unterscheiden:
1. Reine Kriegssachschäden oder Kriegssachschäden in Verbindung mit solchen Abrißschäden, die in unmittelbarem Zusammenhang mit Kriegsereignissen stehen, z. B. Niederlegung von Gebäuden, um freies Schußfeld für die Artillerie zu gewinnen. In diesen Fällen liegt ausschließlich ein Schaden nach § 13 des Lastenausgleichsgesetzes vor.
2. Schäden durch Abriß von Gebäuden als Folge schwerer Kriegssachschäden, wenn der Abriß im wesentlichen aus Sicherheitsgründen erfolgte.
Diese Schäden werden ebenfalls wie reine Kriegssachschäden im Lastenausgleich berücksichtigt.
Bundesfinanzminister Etzel
3. Schäden, die aus Abriß unbeschädigter oder nur geringfügig beschädigter Gebäude aus Gründen städtebaulicher Art oder aus Gründen der Schaffung landwirtschaftlicher Mittel- und Großbetriebe entstanden sind. Da die geringfügigen Schäden, die im Zusammenhang mit kriegerischen Ereignissen standen, keinen Einfluß auf den Einheitswertvergleich vor und nach der Schädigung haben konnten, können sie nach den Vorschriften des Lastenausgleichsgesetzes und des Feststellungsgesetzes nicht berücksichtigt werden.
Bei einer Repräsentativerhebung Anfang April 1958 über die Verhältnisse in der von den Schäden in der Roten Zone am meisten betroffenen Stadt Hornbach wurde festgestellt, daß in 496 Fällen insgesamt zerstörter Gebäude nur 15 Fälle reine Abrißschäden betreffen. Aus der Erhebung ergab sich, daß dort eine größere Anzahl von Geschädigten von der Möglichkeit der Inanspruchnahme von Aufbaudarlehen bereits Gebrauch gemacht hat. So wurden in 28 Fällen gewerbliche Aufbaudarlehen im Gesamtbetrag von rund 130 000 DM, in 24 Fällen landwirtschaftliche Aufbaudarlehen im Gesamtbetrag von rund 155 000 DM und in 47 Fällen Aufbaudarlehen für Wohnungsbau im Gesamtbetrag von rund 275 000 DM aus Mitteln des Ausgleichsfonds gewährt. Daneben sind Landesdarlehen bewilligt worden.
Es verbleibt schließlich noch die Beantwortung der Frage, in welcher Weise diejenigen Personen entschädigt werden sollen, die als reine Abrißgeschädigte wegen dieser Schäden Leistungen nach
dem Lastenausgleichsgesetz nicht verlangen können. Diesen Personen stehen nach dem Wortlaut der vorerwähnten Verordnung vom 2. Dezember 1940 Schadensersatzansprüche gegen das Reich zu. Diese Ansprüche haben ihre Regelung im Allgemeinen Kriegsfolgengesetz gefunden und sind dort - ebenso wie die große Masse aller sonstigen gegen das Reich gerichteten Ansprüche - als erloschen erklärt worden. Soweit jedoch die Betroffenen durch den Untergang ihrer Ansprüche in eine Notlage geraten sind, können ihnen auf Grund der im Allgemeinen Kriegsfolgengesetz getroffenen Härteregelung Beihilfen gewährt werden, und zwar in Form von Unterhaltsbeihilfen, Hausratsbeihilfen, Ausbildungsbeihilfen und Darlehen zum Existenzaufbau. Soweit diese Geschädigten zugleich Schuldner des Reiches sind, können sie sich wegen ihrer Entschädigungsansprüche durch Aufrechnung mit den Gegenforderungen des Reiches befriedigen, sofern die beiderseitigen Forderungen sich vor dem Währungsstichtag bereits aufrechenbar gegenübergestanden haben. Dieser Tatsache wird voraussichtlich nicht unwesentliche praktische Bedeutung im Zusammenhang mit den Schäden in der Roten Zone zukommen, da das Reich in einer nicht unerheblichen Zahl von Fällen an der Stelle abgerissener Gebäude Neubauten errichtet hat und dem Reich insoweit Bereicherungsansprüche gegenüber den Grundeigentümern zustehen. Ein Verzicht der öffentlichen Hand auf diese Bereicherungsansprüche ist bisher in keinem Falle erfolgt. Er ist auch für die Zukunft nicht vorgesehen, da er zu einer un-
gleichmäßigen Behandlung der Abrißgeschädigten führen würde, je nachdem, ob im Einzelfall ein Ersatzbau aus öffentlichen Mitteln in der Vergangenheit errichtet wurde oder nicht.
Keine Zusatzfrage.
Frage 20 - Herr Abgeordneter Rademacher - betreffend Aufwendungen für die Beseitigung oder Sicherung unbeschrankter Bahnübergänge:
Wie hoch ist der Betrag, den die Deutsche Bundesbahn für die Beseitigung oder Sicherung unbeschrankter Bahnübergänge, z. B. für
a) bahnseitig bediente Schranken,
b) selbsttätige Schranken,
c) Blinkanlagen,
d) Über- oder Unterführungen,
im Jahre 1957 aufgewandt hat und im Wirtschaftsjahr 1958 aufzuwenden gedenkt?
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister für Verkehr!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf die Anfrage unseres Herrn Kollegen Rademacher, der ja Mitglied des Verwaltungsrates der Deutschen Bundesbahn ist, wie folgt beantworten.
Der Vorstand der Deutschen Bundesbahn hat mich dahin unterrichtet, daß im Geschäftsjahr 1957 für Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit an unbeschrankten Bahnübergängen etwa 14 Millionen DM ausgegeben wurden. Die Frage nach dem Betrag, den die Deutsche Bundesbahn für die Beseitigung oder Sicherung unbeschrankter Bahnübergänge durch Sicherungsanlagen im Jahre 1957 aufgewendet hat, läßt sich allerdings ohne zeitraubende Erhebungen nicht eindeutig beantworten, weil die Bundesbahn in ihren Ausgaben nicht nach beschrankten und unbeschrankten Bahnübergängen unterscheidet. Die Summe von 14 Millionen DM bezieht sich jedoch zum weitaus größten Teil auf Maßnahmen an unbeschrankten Bahnübergängen.
Im einzelnen wurden dabei folgende Maßnahmen getroffen: 580 Blinklichtanlagen sind insgesamt angelegt worden. Davon sind 414 bis Jahresende in Betrieb genommen worden, 14 stehen in Verbindung mit automatischen Halbschranken. Weitere 11 automatische Halbschranken befanden sich am Jahresende im Bau. 436 Bahnübergänge wurden aufgehoben. Davon wurden 23 durch Brückenbauwerke ersetzt. In zahlreichen Fällen wurden die Sichtverhältnisse an Bahnkreuzungen verbessert. Verbesserungen an beschrankten Bahnübergängen haben etwa weitere 10 Millionen DM erfordert. In diesen Beträgen von 14 bzw. 10 Millionen DM sind die Kostenanteile Dritter, also der Baulasträger der Straßen, nicht enthalten. Im Geschäftsjahr 1958 beabsichtigt die Bundesbahn nach ihrem Jahresvoranschlag, Maßnahmen in etwa gleichem Umfange durchzuführen.
In diesem Zusammenhang möchte ich erwähnen, daß der Bundesbahn in jedem Jahr für Bedienung, Unterhaltung und Erneuerung sämtlicher Bahnüber1288
Bundesverkehrsminister Dr.-Ing. Seebohm
gänge Kosten in Höhe von etwa 170 Millionen DM entstehen.
Die Anzahl der höhengleichen Bahnübergänge war Ende 1957: Bahnübergänge mit Schranken 17 176, Bahnübergänge mit Blinklichtanlagen 1008, Bahnübergänge ohne Schranken oder Blinklichtanlagen 20 195, insgesamt also 38 379.
Keine Zusatzfrage.
Ich rufe auf Frage 21 - Herr Abgeordneter Dr. Menzel - betreffend den Begriff des standesgemäßen Umgangs bei der Bundeswehr:
Was hat der Herr Bundesverteidigungsminister gegen die Belehrungen eines Truppenkommandeurs unternommen, der Umgang eines Oberleutnants mit der Tochter eines Metzgermeisters sei nicht standesgemäß?
Gleichzeitig rufe ich auf die Frage 24 - Herr Abgeordneter Mensing -, die denselben Sachverhalt betrifft:
Ist dem Bundesverteidigungsministerium bekannt, daß nach Pressemeldungen ein höherer Offizier einem ihm unterstellten Leutnant nahegelegt haben soll, den Verkehr mit einer Fleischermeisterstochter abzubrechen, da es mit der Stellung eines deutschen Offiziers nicht vereinbar sei, mit der Tochter eines Metzgermeisters zu tanzen oder sich gar zu verloben?
Zur Beantwortung der Fragen 21 und 24 der Herr Bundesminister für Verteidigung.
Ich beantworte die beiden Fragen folgendermaßen. Die Pressemeldungen beziehen sich auf eine Sendung des Westdeutschen Rundfunks am 31. Januar 1958, die als letzte Folge der Sendereihe über die Bundeswehr „Richt Euch - wonach" ein Interview mit dem Bundesverteidigungsminister brachte. Im Verlauf dieses Interviews wurde von dem Rundfunkreporter folgender Vorfall geschildert:
Bei einem Ball in Norddeutschland riet ein Kommandeur einem seiner jungen Offiziere, er möge doch etwas mehr Distanz von seiner Tanzpartnerin halten, weil sie nun, das ist also etwas grotesk, aber es ist tatsächlich so geschehen -, weil sie die Tochter eines Metzgermeisters sei.
Auf die anschließende Frage des Interviewers, wie
solchen „Anfängen" zu wehren sei, habe ich erwidert - ich zitiere aus der Sendung von damals -:
Ernster wird es schon, wenn jemand sagt, er soll sich vor einer bestimmten Tanzpartnerin hüten oder von ihr mehr Abstand halten, weil sie bürgerlichen Charakters oder weil sie bürgerlicher Herkunft sei. Ich würde gerne
- so lautete meine Antwort an den Reporter weiter diesen Fall nachprüfen, ob es genauso ist; denn ich habe bei vielen Behauptungen schon festgestellt, daß eine genaue Nachprüfung einen ganz anderen Sachverhalt ergeben hat.
Schließlich habe ich gesagt:
Ich würde der Tendenz, man solle keine bürgerlichen Allianzen eingehen, mit größter Schärfe entgegentreten.
Da der Interviewer - damals wie heute - nicht bereit ist, nähere Angaben zu machen, und andere Anhaltspunkte zur Ermittlung des Sachverhalts nicht vorhanden sind, besteht leider keine Möglichkeit einer Nachprüfung im einzelnen und damit auch keine Möglichkeit eines Einschreitens dagegen im Einzelfall.
Durch die wortgetreue Wiedergabe des Interviews vom 31. Januar 1958 im Heft 4/58 der „Information für die Truppe" wurden aber Vorgang und Stellungnahme des Bundesverteidigungsministers hierzu der Truppe bekanntgegeben. Es ist nun Sache der Kommandeure und Einheitsführer als der verantwortlichen Träger soldatischer Erziehung, die Wirkung dieser Stellungnahme in geeigneter Weise zu vertiefen.
Keine Zusatzfrage. - Frage 22 - Herr Abgeordneter Schmitt ({0}) - betreffend Bekanntgabe der Einberufungstermine zur Bundeswehr:
Besteht die Möglichkeit, daß die Tatsache der Einberufung den Wehrpflichtigen etwa 2 bis 3 Monate vor dem Einberufungstermin bekanntgegeben werden kann?
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister für Verteidigung.
Nach § 13 Abs. 7 Satz 2 der Musterungsverordnung soll der Einberufungsbescheid vier Wochen vor dem Einberufungstermin ergehen. Diese Frist wurde bisher bei der Einberufung zum Grundwehrdienst regelmäßig gewahrt. Die Wehrpflichtigen wurden ferner bei der Musterung grundsätzlich über den voraussichtlichen Einberufungstermin unterrichtet, so daß sie frühzeitig Gelegenheit hatten, sich auf die bevorstehende Einberufung einzurichten.
Die Einberufungsbescheide können erst ergehen, wenn der Bedarf an Wehrpflichtigen endgültig feststeht. Diese Festlegung war bei den zurückliegenden Einberufungen aus Ausrüstungs- oder Unterbringungsgründen immer nur vor dem Einberufungstermin, allerdings bestimmungsgemäß, möglich. Infolgedessen ließ sich auch bisher die in der Musterungsverordnung vorgesehene Einberufungsfrist nicht erweitern. Ich beabsichtige jedoch, die Einberufungsfrist über vier Wochen hinaus zu verlängern, sobald die Unterkunftsverhältnisse es mir gestatten, die personellen Planungen auf längere Sicht zu treffen und jeweils feste Einberufungstermine zu bestimmen. Ob sich dabei eine Verlängerung der Einberufungsfrist bis zu drei Monaten in absehbarer Zeit durchführen läßt, ist im Augenblick noch nicht zu übersehen.
Es wird mir bereits bei dem im Laufe dieses Jahres noch bevorstehenden Einberufungen möglich sein, die Einberufungsfrist in gewissem Umfange über vier Wochen hinaus zu verlängern, so daß schon in Kürze eine Erleichterung für die Wehrpflichtigen und Betriebe eintreten wird.
Keine Zusatzfrage. - Frage 23 - Herr Abgeordneter Maier
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
({0}) - betreffend Pensionsansprüche der Angehörigen des ehemaligen Deutschen Nachrichtenbüros:
Ist der Bundesregierung bekannt, wer der Vermögensnachfolger des aufgelösten ehemaligen Deutschen Nachrichtenbüros ist? Weiß die Bundesregierung, daß es noch eine kleine Zahl von Angestellten gibt, die vertragliche Pensionsansprüche an die ehemaligen Alterssicherungseinrichtungen dieser Institution haben?
Ist die Bundesregierung bereit, falls der Vermögensnachfolger die Bundesrepublik oder eine der Bundesregierung nachgeordnete Behörde sein sollte, dafür Sorge zu tragen, daß den pensionsberechtigten Angehörigen des ehemaligen Deutschen Nachrichtenbüros ihre vertraglichen Rechte aus der Vermögensmasse gesichert werden? Hat die Bundesregierung Vorstellungen darüber, auf welche Weise diese Ansprüche befriedigt werden können?
Der Herr Bundesminister des Innern zur Beantwortung!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! -Die Antwort lautet wie folgt. Vermögensnachfolger der liquidierten Deutschen Nachrichtenbüro GmbH ist die reichseigene Telos Verwaltungs-GmbH. Diese befindet sich ebenfalls in Liquidation. Der Liquidationserlös ist auf den Bund übergegangen.
Der Bundesregierung ist bekannt, daß ehemalige Angestellte des DNB vertragliche Pensionsansprüche gegen diese Gesellschaft geltend gemacht haben. Die Ansprüche sind von den Liquidatoren als rechtlich unbegründet abgelehnt worden. Klage wurde trotz Aufforderung nicht erhoben. Da nicht erwiesen ist, daß vertragliche Ansprüche bestanden haben, können Zahlungen aus dem Liquidationserlös nicht geleistet werden. Leistungen nach dem Gesetz zu Art. 131 des Grundgesetzes können nicht erfolgen, da das DNB vom Gesetzgeber nicht in die Anlage A zu § 2 des Gesetzes aufgenommen worden ist. Weitere Möglichkeiten, die erhobenen Ansprüche zu befriedigen, sieht die Bundesregierung leider nicht.
Keine Zusatzfrage. - Frage 25 - Herr Abgeordneter Burgemeister - betreffend Zahl der Anträge auf Gewährung eines Zuschusses gemäß § 18 a des 131er-Gesetzes:
Ist die Bundesregierung in der Lage, mitzuteilen,
a) in wie vielen Fällen Anträge auf Gewährung eines Zuschusses gemäß § 18 a Abs. 3 des 131er-Gesetzes bis zum Ablauf der festgesetzten Frist gestellt wurden,
b) in wie vielen Fällen der Herr Bundesfinanzminister gemäß § 18 b Abs. 2 des 131er-Gesetzes die Umwandlung von Planstellen in ku- oder kw-Stellen beantragt hat?
Die Antwort auf den ersten Teil der Frage lautet wie folgt. Nach vorläufiger Zählung sind bei der Bundesstelle für Verwaltungsangelegenheiten des Bundesministers des Innern - Bundesausgleichsstelle - bis zum Ablauf der festgesetzten Frist, d. h. bis zum 31. März dieses Jahres, insgesamt 6694 Anträge auf Zusicherung eines Zuschusses nach § 18 a des Gesetzes zu Art. 131 des Grundgesetzes gestellt worden. Es handelt sich hierbei nur um Anträge für solche unter Kapitel I des Gesetzes fallende Unterbringungsteilnehmer, für die der Bund Träger der Versorgungslast ist. Die Zahl der Anträge auf Gewährung eines Zuschusses an sonstige Träger der Versorgungslast kann zur Zeit noch nicht angegeben werden.
Die Antwort zum zweiten Teil der Frage lautet: Bisher sind etwa 850 Anträge von Bundesressorts auf Schaffung von ku- oder kw-Stellen nach § 18 b Abs. 2 des Gesetzes nach Art. 131 im Bundesministerium der Finanzen eingegangen. Diese werden zur Zeit überprüft. Der Bundesminister der Finanzen ist bemüht, in wenigen Wochen den Gesamtantrag auf Schaffung von kw- und ku-Stellen im Einvernehmen mit mir dem Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestags vorzulegen.
Zusatzfrage? - Keine Zusatzfrage. - Frage 26 - Herr Abgeordneter Rasch - betreffend Auswertung von Angaben und Skizzen über die Lage von deutschen Kriegsgräbern:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Umsiedler aus den zur Zeit unter polnischer Verwaltung stehenden deutschen Ostgebieten Tausende von Angaben und Skizzen über die Lage von deutschen Kriegsgräbern aus dem zweiten Weltkrieg mitbringen?
Was tut die Bundesregierung, um diese Angaben und Skizzen auszuwerten, damit den vielen in der Bundesrepublik noch in Ungewißheit Tiber das Schicksal ehemaliger Soldaten lebenden Menschen Auskunft gegeben werden kann?
Zur Beantwortung der Staatssekretär für Vertriebene!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Rahmen der aus Mitteln des Bundesvertriebenenministeriums finanzierten Suchdienstarbeiten werden die aus den zur Zeit unter polnischer Verwaltung stehenden deutschen Ostgebieten eintreffenden Aussiedler im Lager Friedland durch Kräfte des Suchdienstes des Roten Kreuzes auch nach Angaben über deutsche Kriegsgräber aus dem zweiten Weltkrieg befragt. Soweit die Angaben Namenshinweise enthalten, werden sie unmittelbar im Rahmen der durch den DRK-Suchdienst in München betriebenen Schicksalsklärung der rund 1,25 Millionen Wehrmachtvermißten ausgewertet. Diese Suchdienststelle steht mit den Angehörigen der Vermißten in Verbindung und verständigt sie über wesentliche Neuerkenntnisse. Allgemeine Auskünfte und Skizzen über die Lage von Kriegsgräbern werden dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge zur Auswertung zugeführt. Zwischen dem Suchdienst und dem Volksbund besteht ein laufender Austausch von Erkenntnissen, so daß auch daraus unter Umständen Unterlagen für die Arbeit des DRK-Suchdienstes gewonnen werden können.
Nach Auskunft des Suchdienstes, und zwar der Leitstelle Hamburg, sind in der Zeit vom 1. Januar his zum 31. März 1958 im Lager Friedland über deutsche Kriegsgräber aus dem zweiten Weltkrieg 1095 namentliche Meldungen und 6250 allgemeine Angaben gemacht worden. Dabei wurden 3880 Skizzen übergeben oder aus dem Gedächtnis angefertigt.
Keine Zusatzfrage. - Frage 27 - des Herrn Abgeordneten Rasch - betreffend Herabsetzung der Pflichtquote zur Beschäftigung Schwerbeschädigter und Erweiterung des Kreises der Anspruchsberechtigten:
Ich frage die Bundesregierung, ob eine Pressemitteilung vom 28. Februar d. J. zutreffend ist, nach der die Bundesregierung die Absicht hat, die Pflichtquote zur Beschäftigung Schwerbeschädigter herabzusetzen.
Hat die Bundesregierung Pläne, den anspruchsberechtigten Personenkreis nach dem Schwerbeschädigtengesetz zu erweitern?
Der Herr Staatssekretär des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Zahl der nichtbesetzten Pflichtplätze für Schwerbeschädigte ist zur Zeit sehr viel größer als die Zahl der arbeitslosen Schwerbeschädigten und der ihnen gleichgestellten Personen. Um nun die Zahl der Pflichtplätze für Schwerbeschädigte mit den Bedarfszahlen in ein der Wirklichkeit entsprechendes Verhältnis zu bringen, ist daran gedacht, Betriebe mit 7 bis 9 Arbeitsplätzen von der Beschäftigungspflicht freizustellen. Die Verpflichtung dieser Betriebe nämlich, einen Schwerbeschädigten zu beschäftigen, kommt einer Pflichtquote von 11,1 bis 14,3 % gleich. Die durchschnittliche Pflichtquote für die Wirtschaft und die Verwaltung im Bundesgebiet beträgt dagegen nur 5,6%.
Das Soldatenversorgungsgesetz hat schon die Beschädigten der neuen Wehrmacht in den Personenkreis der Schwerbeschädigten einbezogen und ihn damit erweitert. Es erscheint zweckmäßig, bei einer Reform des Schwerbeschädigtengesetzes in den Personenkreis der Schwerbeschädigten auch solche Personen im Sinne des § 4 des Häftlingshilfegesetzes einzubeziehen, deren Erwerbsfähigkeit um mindestens 50% gemindert ist.
Der Grundgedanke des Schwerbeschädigtengesetzes sollte nach unserer Auffassung erhalten bleiben: daß nämlich dieses Gesetz dem Schutze solcher Personen dient, die ihre gesundheitliche Schädigung im Dienst der Allgemeinheit erlitten haben. Es ist daher nicht beabsichtigt, alle Schwerbeschädigten ohne Rücksicht auf die Ursache ihrer Beschädigung in das Gesetz einzubeziehen.
Zuverlässige Unterlagen stehen erst zur Verfügung, wenn die Erhebung der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung über die Zahl der beschäftigungspflichtigen Betriebe und der beschäftigten Schwerbeschädigten nach dem Stande vom 1. November 1957 ausgewertet ist. Wir rechnen mit den Ergebnissen Anfang Juni. Erst aus dieser Erhebung läßt sich ersehen, ob und wie die Pflichtquoten den veränderten Arbeitsmarktverhältnissen angepaßt werden sollten.
Ich darf noch darauf hinweisen, daß nach § 2 des Schwerbeschädigtengesetzes bestimmte Personen mit den Schwerbeschädigten gleichgestellt werden können, um ihre Eingliederung in das Arbeitsleben zu erleichtern. Bisher sind etwa 86 000 Gleichstellungen ausgesprochen worden.
Herr Abgeordneter Rasch zu einer Zusatzfrage.
Ist daran gedacht, die Beschäftigungspflichtquote bei Bundesbehörden und Landesbehörden ebenfalls herabzusetzen?
Nein, daran ist nicht gedacht.
Frage 28 - des Abgeordneten Rehs - betreffend Landkarten in den Auslandsvertretungen der Bundesrepublik.
Billigt die Bundesregierung, daß sich im Wartesaal der Botschaft der Bundesrepublik in Madrid, Hermosilla 4, mit der Bezeichnung „Sobre Via Ferrea A Través De Alemania", also mit der Bezeichnung „Deutschland", Werbe-Landkarten befinden, die vollständig nur das Gebiet der Bundesrepublik enthalten, die deutsche Mittelzone nur andeutungsweise und bis Berlin und die deutschen Ostgebiete überhaupt nicht wiedergeben?
Ist die Bundesregierung bereit, durchgreifend dafür zu sorgen, daß von den Auslandsvertretungen der Bundesrepublik und be-senders in ihren Räumen künftig kein Kartenmaterial mehr verwendet wird, das im Ausland die Vorstellung hervorrufen muß, als ob Deutschland nur aus der Bundesrepublik bestehe?
Der Herr Bundesminister des Auswärtigen zur Beantwortung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die von dem Herrn Kollegen Rehs beanstandete Karte ist inzwischen von der Botschaft Madrid dem Auswärtigen Amt übermittelt worden. Es handelt sich nicht um eine Landkarte, sondern um einen bunten Werbeprospekt, der der Botschaft vom Werbeamt der Deutschen Bundesbahn zur Verfügung gestellt wurde.
Das Auswärtige Amt hat diese Gelegenheit aber zum Anlaß genommen, alle Vertretungen der Bundesrepublik in einem Runderlaß darauf hinzuweisen, nur solche Karten aufzuhängen, die Deutschland als Ganzes in seinen Grenzen von 1937 wiedergeben.
Frage 29 - des Herrn Abgeordneten Hansing - betreffend Gewährung des Haushaltstages bei Dienststellen der Bundeswehr im Lande Bremen:
Ist die Anweisung der Wehrbereichsverwaltung II und des Wehrbereichskommandos II, den weiblichen Arbeitnehmern bei Dienststellen der Bundeswehr im Lande Bremen keinen Haushaltstag mehr zu gewähren, durch das Bundesverteidigungsministerium veranlaßt worden, obwohl nach dem Bremischen Gesetz über den Hausarbeitstag vom 29. Juni 1948 diesen weiblichen Arbeitnehmern ein solcher bezahlter Hausarbeitstag zusteht, oder bestreitet der Herr Bundesverteidigungsminister, daß das Bremische Gesetz über den Hausarbeitstag vom 29. Juni 1948 partielles Bundesrecht geworden ist?
Der Herr Bundesminister für Verteidigung zur Beantwortung.
Das Bundesministerium für Verteidigung bestreitet nicht, daß weibliche Bundesbedienstete, die die Voraussetzungen des § 2 des bremischen Hausarbeitstagsgesetzes erfüllen, d. h. regelmäßig an allen sechs Werktagen der Woche beschäftigt werden, Anspruch auf einen Hausarbeitstag haben. Es hat in dieser Frage weder durch einen Erlaß an die Wehrbereichsverwaltung II noch an das Wehrbereichskommando II für das Land Bremen eine einschlägige Regelung getroffen.
Eine Zusatzfrage? - Bitte sehr.
Herr Minister, mir liegt eine Abschrift eines Aushangs der bremischen Dienststellen vor. Sind Sie, wenn ich Ihnen diese Abschrift zur Verfügung stelle, bereit, diesen Fall noch einmal zu prüfen?
Ich bin selbstverständlich bereit, den Fall zu prüfen. Ich kann Ihnen aber vielleicht noch eine kurze Erläuterung geben. In einem Rundschreiben vom 29. September 1954 hatten das Bundesinnenministerium und das Bundesfinanzministerium unter Hinweis auf den Tarifvertrag vom 24. September 1954 angeordnet, daß der bezahlte Hausarbeitstag grundsätzlich wieder zu gewähren sei; der Hausarbeitstag dürfe allerdings nach den Bestimmungen der Hausarbeitstagsgesetze der Länder Hamburg, Bremen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen nicht gewährt werden, soweit in Bundesdienststellen der sogenannte umschichtig freie Samstag eingeführt worden sei.
Es sind nun mehrere Urteile des Bundesarbeitsgerichts ergangen, die sich aber ausnahmslos auf das Land Nordrhein-Westfalen beziehen. Die Rechtslage, soweit sie Niedersachsen betrifft, ist noch nicht geklärt. Es ist ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Hannover ergangen, das ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts nicht anerkennt, aber Revision gegen das Urteil zugelassen hat. Deshalb ist für uns die Rechtslage in Niedersachsen - nicht in Bremen - zur Zeit nicht so geklärt, daß eine klare Entscheidung getroffen werden kann. Die Bestimmungen des bremischen Gesetzes werden vom Ministerium in vollem Umfange anerkannt. Ich bitte Sie deshalb, mir die Abschrift, wie Sie in Aussicht gestellt haben, zu geben; dann werde ich eine Überprüfung im einzelnen veranlassen.
Frage 30 des Herrn Abgeordneten Hansing betrifft die Einstufung der beamteten Nautiker:
Ist dem Herrn Bundesverkehrsminister bekannt, daß, nachdem die Vorschläge über die Anhebung der Besoldung der beamteten Nautiker ihren Niederschlag in der Besoldungsordnung A - Anlage zum Bundesbesoldungsgesetz vom 27. Juli 1957 - gefunden haben, durch Üherleitungsvorschriften zum Bundesbesoldungsgesetz beispielsweise die Schiffsführer der Feuerschiffe, die alle Inhaber des Patents „Kapitän auf großer Fahrt" ({0}) sind, durch Umbenennung vom „Seekapitän" zum „Kapitän" um die Vorteile der Anhebung gebracht worden sind, weil mit dieser Umbenennung auch gleichzeitig das Festhalten an der alten Besoldungsgruppe verbunden ist?
Hält der Herr Bundesverkehrsminister diese Handhabe für gerecht, und verzichtet er in Anbetracht dieses Tatbestandes in Zukunft auf die Forderung des Patents A 6 bei der Anstellung von Bewerbern für diese Position?
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister für Verkehr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die nautischen Beamten des gehobenen Dienstes der Inspektorengruppe, zu denen auch die Führer der Feuerschiffe gehören, führten früher die Amtsbezeichnung „Seekapitän". Durch das Bundesbesoldungsgesetz sind sie unter Änderung ihrer Amtsbezeichnung in „Kapitän" in die - ihrer früheren Besoldungsgruppe A 4 c 2 entsprechende - neue Besoldungsgruppe A 9 übergeleitet worden. Mit dieser Änderung der Amtsbezeichnung ist besoldungsmäßig also eine Schlechterstellung nicht eingetreten. Im Gegenteil erhält heute der Kapitän eine unwiderrufliche ruhegehaltsfähige Stellenzulage von 40 DM. Ebenso ist auch mit der Änderung der Amtsbezeichnung der früheren Oberseekapitäne - frühere Besoldungsgruppe A 4 b 1 - in Seekapitäne und ihre Überleiung in die dem Oberinspektor entsprechende neue Besoldungsgruppe A 10 keine Verschlechterung erfolgt. Vielmehr ist für die nautische Laufbahn des gehobenen Dienstes der Aufstieg in die Besoldungsgruppe A 11, die Gruppe der Amtmänner, mit der neuen Amtsbezeichnung „Seeoberkapitän" und die Besoldungsgruppe A 12, die Gruppe der Oberamtmänner, mit der Amtsbezeichnung „Seehauptkapitän" ermöglicht worden.
Die neue Besoldungsordnung ist im übrigen ebenso wie die Überleitungsübersicht, aus der sich die Änderung der Amtsbezeichnung ergibt, eine Anlage und damit Bestandteil des neuen Bundesbesoldungsgesetzes, das der Deutsche Bundestag in dieser Fassung beschlossen hat. Eine allgemeine Anhebung der Besoldung der beamteten Nautiker ist jedoch nicht Gesetz geworden. Ein Urteil darüber, ob eine solche Maßnahme, die der Deutsche Bundestag mit großer Mehrheit beschlossen hat, als „gerecht" anzusehen ist oder nicht, möchte ich mir versagen. Ich darf nur darauf hinweisen, daß die entsprechenden Beschlüsse des Deutschen Bundestags von den ursprünglich von mir gemachten Vorschlägen abweichen.
Das Patent A 6 wird für alle nautischen Beamten des gehobenen Dienstes ebenso wie für entsprechende Angestellte gefordert werden müssen. Daran muß aus fachlichen Gründen auch in Zukunft festgehalten werden, unabhängig davon, wie die Einstufung der betreffenden Beamten nach dem Gesetz erfolgt ist.
Meine Damen und Herren, die Frage 31 ist zurückgezogen, Frage 32 wird wie üblich schriftlich beantwortet; die Fragestunde ist beendet.
Damit komme ich zu Punkt 2 der Tagesordnung:
Wahl eines weiteren Stellvertreters des Präsidenten.
Wird zum Wahlvorschlag das Wort gewünscht? Das Wort hat Herr Abgeordneter Schneider ({0}).
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Namens der Koalition schlage ich als weiteren Vertreter des Herrn Präsidenten des Hauses Herrn Bundesminister a. D. Dr. Preusker vor.
Werden andere Vorschläge gemacht? - Andere Vorschläge werden nicht gemacht.
Dann kommen wir zur Wahl. Ich mache darauf aufmerksam, daß nach § 2 der Geschäftsordnung der
Bundestag die Stellvertreter des Präsidenten mit verdeckten Stimmzetteln wählt. Gewählt ist, wer die Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen der Mitglieder des Bundestags erhält, d. h. 260 Stimmen müssen für den vorgeschlagenen Kandidaten abgegeben werden. Die Berliner Mitglieder des Hauses sind voll stimmberechtigt.
Damit keine Unklarheiten bestehen: Wir haben in diesem Hause die Übung, daß wir nur die vorgeschlagenen und vom amtierenden Präsidenten bekanntgegebenen Kandidaten zur Wahl zulassen. Es hat also keinen Sinn, wenn nachher 40 oder 50 Zettel abgegeben werden, auf denen andere Namen stehen. Diese Stimmzettel werden als ungültig gewertet. Ich erinnere daran, weil bei der Wahl des Präsidenten in Berlin diese Übung auf einiges Befremden gestoßen ist. Ich habe mich inzwischen mit der Rechtslage befaßt und folge dem Kommentar - nicht der Geschäftsordnung; die Geschäftsordnung sagt darüber nicht aus -, weil er mir richtig erscheint. Er besagt: Nur die vorgeschlagenen und vom amtierenden Präsidenten bekanntgegebenen Kandidaten können gewählt werden. Damit soll ausgeschlossen werden, daß irgendwelche, sagen wir einmal, scherzhaft gemeinte Stimmen abgegeben werden. Es hat wenig Zweck, wenn wir hier etwa noch den früheren Kollegen Loritz wählen wollten.
({0})
Somit können bei der Abstimmung nur die für die
hier genannten und vorgeschlagenen Kandidaten
abgegebenen Stimmen als gültig gewertet werden.
Bis jetzt ist nur ein Vorschlag gemacht worden. Vorgeschlagen ist der Herr Abgeordnete Dr. Preusker. Ich darf Sie bitten, meine Damen und Herren, die weißen Stimmkarten zu benutzen und darauf den Namen des Kandidaten zu schreiben, dem Sie Ihre Stimme zu geben wünschen, in diesem Fall also dem Abgeordneten Preusker, oder blanke Zettel abzugeben. Die Stimmkarten sind in die dazugehörigen Umschläge zu stecken. Die Schriftführer werden die Namen nach dem Alphabet aufrufen. Bemühen Sie sich dann bitte nach vorn, sobald Sie an der Reihe sind. Ich darf zwei Schriftführer bitten, an die Urnen zu treten.
Der Namensaufruf beginnt.
Die Abstimmung ist geschlossen. Ich unterbreche die Sitzung, bis die Auszählung beendet ist. Meine Damen und Herren! Die Abstimmung hat ergeben, daß 236 Mitglieder des Hauses ihre Stimmen für den vorgeschlagenen Kandidaten, Herrn Dr. Preusker, abgegeben haben. 182 Stimmen sind gegen ihn abgegeben worden bzw. sind ungültig.
Damit, meine Damen und Herren, kommen wir nach § 2 Abs. 2 der Geschäftsordnung zu dem zweiten Wahlgang.
({1})
- Zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Mommer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Angesichts der Wichtigkeit der Tagesordnung, die wir auch noch zu erledigen haben, beantrage ich, daß wir den zweiten Wahlgang auf eine andere Sitzung vertagen.
({0})
Zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Schneider ({0}).
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte dem Antrag des Kollegen Mommer widersprechen. Die Geschäftsleitung des Hauses hat in den letzten Wochen und Monaten verschiedentlich darunter gelitten, daß die Führung des Hauses nicht ausreichend sichergestellt war.
({0})
- Leitung oder Führung. Herr Mommer, regen Sie sich bitte über Ihre eigenen Dinge auf und fassen Sie sich an Ihre eigene Nase.
({1})
Ich beantrage daher, daß der zweite Wahlgang jetzt vorgenommen wird, und schlage für den zweiten Wahlgang namens der Fraktion der Deutschen Partei und der CDU/CSU erneut den Kollegen Preusker vor.
Meine Damen und Herren! Zunächst wird über den Vertagungsantrag abgestimmt. Wer dem Antrag des Herrn Abgeordneten Mommer auf Vertagung dieser nach der Geschäftsordnung notwendigen zweiten Abstimmung stattgeben will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir treten also in den zweiten Wahlgang ein. Nach der Geschäftsordnung können neue Bewerber vorgeschlagen werden. Wird von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht? - Davon wird kein Gebrauch gemacht. Erforderlich sind auch im zweiten Wahlgang 260 Stimmen. Zur Wahl steht der Herr Abgeordnete Dr. Preusker.
Die Abstimmung beginnt. Ich darf bitten, mit dem Aufruf der Namen zu beginnen. - Die Abstimmung ist geschlossen. Ich unterbreche die Sitzung. Meine Damen und Herren, ich gebe das Ergebnis der zweiten Abstimmung bekannt. Auch dafür gelten nach § 2 der Geschäftsordnung die Vorschriften, daß die Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen der Mitglieder des Bundestags, d. h. also 260 Stimmen, abgegeben werden muß. Für Herrn Dr. Preusker sind in diesem zweiten Wahlgang 228 Stimmen sowie 196 Nein-Stimmen abgegeben worden. Damit ist also auch dieser zweite Wahlgang ohne Ergebnis.
Nun kommen wir nach der Geschäftsordnung zum dritten Wahlgang. - Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Herr Abgeordnete Dr. Mommer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens meiner Fraktion schlage ich als Kandidaten unseren Kollegen Erwin Schoettle vor.
({0})
Herr Abgeordneter Rasner zur Geschäftsordnung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Koalition schlägt erneut den Abgeordneten Dr. P r e u s k e r vor.
Im übrigen sind wir der Meinung, daß das Vorschlagsrecht durch die Nichtnominierung im zweiten Wahlgang konsumiert ist und daß nach der Geschäftsordnung kein anderer Vorschlag gemacht werden kann.
({0})
Da es sich aber hierbei um eine Frage von prinzipieller Bedeutung handelt, möchten wir, daß sie im Geschäftsordnungsausschuß behandelt wird. Da auf der anderen Seite Wert darauf gelegt wird, daß diese Wahl heute auch im dritten Wahlgang - ({1})
Einen Augenblick! Meine Herren, wenn ein Zwischenruf in diesem Augenblick unangebracht war, dann war es wirklich der. Deshalb rüge ich ihn.
Unter der ausdrücklichen Betonung, daß das Akzeptieren eines zweiten Vorschlags im dritten Wahlgang keine präjudizielle Wirkung hat, sind wir damit einverstanden, daß eine Stichwahl zwischen den beiden vorgeschlagenen Kandidaten durchgeführt wird.
Meine Damen und Herren, ich schlage dem Hause vor, so zu verfahren. Es erspart uns damit ganz schwierige geschäftsordnungsmäßige Erwägungen. Ich habe mich mit dem Herrn Vorsitzenden des Geschäftsordnungsausschusses und mit meinen eigenen sachverständigen Beratern darüber unterhalten. Die Situation wäre schwierig.
Ich schlage dem Hause vor, daß wir deshalb im Sinne des § 127 der Geschäftsordnung, der auf jeden Fall mit einer Zweidrittelmehrheit auch eine Abweichung zulassen würde, so verfahren und daß wir deshalb im dritten Wahlgang unter der Voraussetzung, daß später eine Klärung durch den Geschäftsordnungsausschuß erfolgt, in diese Stichwahl eintreten. Vorgeschlagen sind der Herr Abgeordnete Schoettle von der SPD und der Herr Abgeordnete Dr. Preusker für die Koalition.
Die Abstimmung beginnt. Meine Damen und Herren, ich muß leider fragen, ob alle Mitglieder des Hauses ihre Stimmkarte auch persönlich abgegeben haben, - die Mitglieder
des Präsidiums sind davon entbunden, sie haben es durch Diener machen lassen; wenn der Präsident den Stuhl verläßt, ist die Sitzung aufgehoben. Hat jedermann seine Stimmkarte persönlich abgegeben? - Die Abstimmung ist geschlossen. Die Auszählung beginnt. Ich mache dem Hause den Vorschlag, daß wir, während die Auszählung läuft, in die Behandlung des Tagesordnungspunktes 3 eintreten und die Begründung der Großen Anfrage der SPD und nach Möglichkeit auch die Antwort der Regierung noch vor der Mittagspause hören. Ist das Haus damit einverstanden? - Einverstanden.
Ich rufe damit Punkt 3 auf:
Große Anfrage der Fraktion der SPD betr. Finanzielle Verpflichtungen aus dem Verteidigungshaushalt ({0}) und ihre kassenmäßige Erfüllung ({1}).
Das Wort zu ihrer Begründung hat der Abgeordnete Schmidt ({2}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als im Jahre 1955 im Februar in diesem Saale die viertägige Ratifikationsdebatte wegen der Pariser Verträge stattfand, trug der damalige Generalberichterstatter, der Kollege Furler, vor, es sei die Absicht, innerhalb von drei Jahren 500 000 Soldaten aufzustellen, gegliedert in 12 Divisionen. Gleichzeitig wurde von Regierungsseite vorgetragen, daß man finanziell für diesen Zweck pro Jahr zunächt einmal 9 Milliarden DM im Haushalt einsetzen würde.
Beide Planungen haben schon damals und seither sehr starke Kritik gefunden. Auf der einen Seite haben wir gesagt, eine so große Bundeswehr sei in drei Jahren gar nicht aufzubauen, und zum anderen ist schon in der Ratifikationsdebatte von einer größeren Zahl von Oppositionssprechern dargetan worden, daß es niemals mit 3 mal 9 gleich 27 Milliarden DM plus einigen Milliarden amerikanischer Hilfe sein Bewenden haben würde, sondern daß wahrscheinlich die Zahl eher richtiger mit 60 Milliarden zu beziffern sei. Und aus ausländischen Quellen ist dargelegt worden, daß das sachverständige Ausland sogar von 81 Milliarden damals sprach, - alles bezogen auf die 500 000 Soldaten, die damalige Planung von Herrn Blank.
Übrigens ist die Zahl von 9 Milliarden DM jährlich - ich habe das durch das Sprechregister des Bundestages in der letzten Woche ausziehen lassen - in den damaligen Debatten und seither ungefähr 20- oder 30mal in diesem Hause genannt worden, - ein Rocher de bronze sozusagen; inzwischen hat er sich aufgelöst, wie wir alle wissen.
Aber schon in der damaligen Debatte haben sich die Sprecher der Mehrheit und hat sich die Bundesregierung immer wieder geweigert, die vielfach wiederholte Frage der Sozialdemokratie nach der Gesamtsumme, die diese Aufrüstung ausmachen würde, zu beantworten. So hat z. B. der damalige
Schmidt ({0})
Finanzminister Schäffer am 25. Februar 1955 in der Ratifikationsdebatte zu den Pariser Verträgen laut Protokoll des Bundestages erklärt: ich kann heute die Gesamtkosten nicht mit Zahlen aufstellen, für die mir jede Unterlage fehlt. Nun, das ist vor drei Jahren gewesen. Wir haben nicht mehr Februar oder März 1955, wir haben jetzt April 1958, und man kann also hoffen, scheint mir, daß die Unterlagen, die Herrn Schäffer seinerzeit nicht zur Hand waren, wenigstens heute dem Herrn Etzel zur Hand sind, so daß man wenigstens heute erstmalig, nachdem drei Jahre lang weiter geplant wurde und Erfahrungen gesammelt wurden, etwas über die Gesamtkosten hören kann.
Die beiden kritischen Vorhersagen sind eingetroffen: der Herr Minister Blank stürzte über die Unerfüllbarkeit seiner und des Kanzlers Aufstellungspläne. Trotz aller gesetzlichen, trotz aller haushaltsrechtlichen Vollmachten und Möglichkeiten, über die die Mehrheit des Hauses bisher geboten hat, gab es am Ende des zweiten Haushaltsjahres, des zweiten Aufbaujahres bei der Bundeswehr nur 70 000 Soldaten.
Als zu diesem Zeitpunkt der Minister Strauß sein Amt übernahm, erfuhr die Planung erstmalig eine drastische Revision. Noch bevor er Minister war, kündigte Strauß an, daß er von 500 000 auf nunmehr 350 000 Mann heruntergehen würde, und zweitens kündigte Strauß an, daß es sich nicht darum handle, diese 350 000 in drei Jahren aufzustellen, wie vorher von Blank gewollt, sondern nunmehr
B) innerhalb von insgesamt sechs Jahren, nämlich bis zum 31. März 1961.
Wenn man zurückrechnet, bedeutet das, daß unter der Adenauer-Blankschen Planung drei Jahre lang im Schnitt jährlich 185 000 Soldaten hinzukommen sollten, während nach der Straußschen Planung sechs Jahre lang im Schnitt jährlich ungefähr 60 000 Soldaten hinzukommen würden. Das heißt, die Revision, die Strauß gegenüber der Planung seines Vorgängers vorgenommen hat, war eine Verringerung des jährlichen Wachstums der Bundeswehr auf ein Drittel des vorher geplanten Wachstumsprozesses, - immerhin eine bedeutsame Revision.
Aber offenbar ist auch diese zweite Planung, die revidierte, auf ein Drittel zusammengestrichene Planung nicht einzuhalten. Schon daraus erhellt, wie gigantomanisch die erste Planung gewesen sein muß, nachdem selbst die zweite, die nur ein Drittel umfaßt, nicht durchgeführt werden kann. Sie kann nicht etwa deshalb nicht durchgeführt werden, weil die Soldaten fehlen, sondern vor allem, weil auch in diesem, auf ein Drittel verminderten Tempo weder die Kasernen noch die Flugplätze noch die Flugzeuge noch die Panzer beschafft werden können. Sie können rein technisch nicht beschafft werden. Und im übrigen: wenn sie technisch beschafft werden könnten, dann würden wir schon in den vergangenen Jahren vor die schwierige Frage gestellt worden sein, vor die wir Sie nun mit unserer Großen Anfrage stellen möchten, nämlich vor die Frage, wie das finanziert werden soll.
Der Finanzminister Etzel hat in seiner Haushaltsrede vor wenigen Tagen eine Reihe unserer Fragen schon vorweg beantwortet. Unsere Große Anfrage datiert vom 13. Februar. Herr Etzel hat die Gelegenheit der Haushaltsrede benutzt, eine Reihe von Antworten vorwegzunehmen. Er hat dargetan, daß, obwohl in den vergangenen drei Haushaltsjahren - drei Jahre von Strauß Sechsjahresperiode sind abgelaufen - haushaltsrechtlich phantastische Mittel zur Verfügung standen, 1955 doch nur 100 Millionen DM ausgegeben worden sind. Es konnte gar nicht mehr ausgegeben werden, obwohl Herr Blank mit seiner Dienststelle jahrelang sehr sorgfältig den Aufbau der Bundeswehr vorbereitet hatte. Im nächsten Haushaltsjahr wurden 3,5 Milliarden ausgegeben, und in dem jetzt abgelaufenen Haushaltsjahr 1957 werden es wahrscheinlich 5,5 Milliarden DM sein; da besteht zwar eine Divergenz zwischen Äußerungen von Herrn Etzel und Äußerungen von Herrn Strauß; ich nehme an, 5,5 Milliarden wird ungefähr das Richtige treffen. Damit sind nach den Darlegungen des Herrn Finanzministers für die Bundeswehr bis heute insgesamt 9 Milliarden DM ausgegeben worden.
Es zeigt sich, daß man weder Kasernen noch Panzer noch Flugzeuge noch Flugplätze aus dem Hut zaubern kann, sondern diese Dinge brauchen Planung, Entwicklung, Erprobung, und erst dann kann man an die Produktion gehen, und sie dauert auch ihre Zeit. Wenn es schon zu Napoleons Zeiten und auch zu Hitlers Zeiten nicht möglich war, Armeen aus dem Boden zu stampfen, so erst recht nicht zu Blanks und Strauß' Zeiten. Wir leben in einem technischen Zeitalter in der Mitte des 20. Jahrhunderts, und alle diese Dinge brauchen ihren normalen organischen Ablauf.
Auf der Gegenseite dieser nicht vollziehbaren Geldansätze - wo man also das Geld gar nicht loswerden konnte - haben sich infolgedessen Ausgabereste angesammelt, Haushaltsansätze früherer Jahre, die rechtlich noch bestehen. Man hat das Geld nicht ausgegeben und ist nun offenbar verschiedener Meinung darüber, ob man es noch ausgeben kann oder nicht. Es scheint verschiedene Meinungen zwischen dem Finanzressort und dem Verteidigungsressort zu geben. Der erste Finanzminister ist in diesem Streit im vorigen Herbst unterlegen. Der neue Finanzminister scheint hier sehr starke Vorsätze zu haben. Wir werden den Ausgang abwarten müssen.
Nachdem in den vergangenen Jahren schon einige Streichungen vorgenommen worden sind, belaufen sich diese Haushaltsreste heute immerhin auf rund 6 Milliarden D-Mark. Außerdem will die Mehrheit im Haushaltsjahr 1958 weitere 10 Milliarden D-Mark für die Bundeswehr bewilligen. Das ist zwar nicht der ganze Verteidigungshaushalt, es kommen noch 700 Millionen D-Mark hinzu, und es kommt noch das hinzu, was man den Engländern noch vorauszahlen will; das lasse ich im Augenblick alles heraus. Für Herrn Strauß stehen also 10 Milliarden D-Mark plus 6 Milliarden D-Mark Haushaltsreste, das sind 16 Milliarden D-Mark, zur Verfügung.
Schmidt ({1})
Ausweislich des Haushaltsentwurfs, der uns vor wenigen Tagen hier vorgelegt worden ist, wären außerdem 15 Milliarden D-Mark Bindungsermächtigungen, die noch nicht konsumiert sind, vorhanden. Wenn man das zusammenzählt, dann ergibt das 16 Milliarden D-Mark plus 15 Milliarden D-Mark gleich über 30 Milliarden D-Mark Dispositionsmasse in den Händen des Bundesverteidigungsministers; d. h. er kann - vom Bewilligungsstandpunkt des Hauses aus gesehen - über mehr als 30 Milliarden D-Mark disponieren.
Wir haben schon früh von der Irrealität und von der Unvollziehbarkeit dieser bisherigen Geldansätze gesprochen. Das Zahlenbild, das uns Herr Etzel gegeben hat - zum Teil in den Allgemeinen Vorbemerkungen zu seinem Haushaltsentwurf, zum Teil in seiner Haushaltsrede - und das auf diese 30 bis 31 Milliarden D-Mark Dispositionsmasse zur Verfügung des Verteidigungsministers hinausläuft, kann uns nicht mehr überraschen. Bei dieser Gelegenheit darf ich das Haus darauf aufmerksam machen, daß nach den Mitteilungen des Herrn Etzel im Rechnungsjahr 1957 für die Bundeswehr de facto, kassenmäßig, 51/2 Milliarden D-Mark ausgegeben wurden; vielleicht sind es 5,6 Milliarden D-Mark, das wird die Endabrechnung noch korrigieren. Andererseits geht er davon aus, daß im Haushaltsjahr 1958 per Kasse 10 Milliarden D-Mark ausgegeben würden. Ich mache Sie auf die Differenz aufmerksam. Die kassenmäßige Verausgabung für Zwecke der Bundeswehr steigt also von 1957 auf 1958 um 80 %; 80 % innerhalb eines einzigen Jahres! Das ist eine der Tatsachen, die uns zu den Fragen bewegt, die ich Ihnen heute zu begründen habe.
Übrigens sind wir nicht überrascht, daß Herr Etzel die Streichung der alten Ausgabereste anstrebt, wie er jüngst vor der Presse gesagt hat. Er hat auch in seiner Haushaltsrede erklärt, daß die Frage der alten Ausgabereste bis spätestens 1959 entschieden werden müsse. Ich nehme an, daß das heißt: bis zur Erstellung des Haushaltsentwurfs 1959. Vielleicht können wir das heute noch etwas genauer hören. Wir gehen davon aus, daß Herr Etzel in dies er Frage sicher recht hat. Es ist ja schon ein Anfang gemacht worden mit Hilfe der eigenartigen - wenn ich es richtig sehe: bisher einmaligen - Vorbemerkung im Haushaltsentwurf 1958 zu Beginn des Einzelplans 14. Ober dem Einzelplan 14 steht nämlich dick gedruckt folgendes: Wenngleich dir, Verteidigungsminister, einschließlich der Haushaltsreste von früher, 151/2 Milliarden DM bewilligt worden sind, so darfst du doch nur 10 ausgeben. Ich nehme nicht an, daß diese Art von Regel die Regel im Bundeshaushalt werden soll, Herr Minister Etzel, und Sie werden das sicherlich bereinigen wollen. Das ist doch sicher, wie ich hoffe, nur ein einmaliger Notbehelf. Er führt im übrigen das Bewilligungsrecht des Hauses völlig ad absurdum. Wenn nämlich das Haus in früheren Jahren „auf Vorrat" einen solchen Berg von Bewilligungen ausgesprochen hat und der Finanzminister dem Verteidigungsminister Jahr für Jahr sagt: Nur so viel darfst du ausgeben, kannst dir aber innerhalb des großen Kuchens aussuchen, welche Ausgaben du im einzelnen für richtig hältst, dann wird damit die Budgetkontrolle des Parlaments ad absurdum geführt.
Übrigens glaube ich, daß Finanzminister Etzel selber durchaus ein Gefühl dafür hat, daß diese Entwicklung eine ungute Entwicklung ist. In seiner Haushaltsrede kommt mehrfach die Floskel vor, „unter normalen Verhältnissen" oder „in normalen Zeiten" könne man das so nicht machen. Dreimal hat er diese Floskel gebraucht, um deutlich zu machen, daß wir finanziell eben nicht unter normalen Verhältnissen und nicht in normalen Zeiten leben.
Das Anormale der Verteidigungsfinanzierung scheint uns schon da angefangen zu haben, wo sich in den vergangenen drei Jahren die Mehrheit, ohne sehr viel zu überlegen, sehr großzügig bereit gefunden hat, für bestimmte Programme riesenhafte Summen zur Verfügung zu stellen. Sie erinnern sich an die heißen Debatten hier im Hause. Damals geschah das noch in der Camera obscura der beiden Ausschüsse, des Verteidigungsausschusses und des Haushaltsausschusses. Sie erinnern sich: das ging zunächst nicht ans Plenum, sondern die beiden Ausschüsse bekamen die Rechte, die das Plenum eigentlich hatte, von der Mehrheit delegiert, und dort wurden diese Programme beschlossen. Sie erinnern sich an die Debatte über Schützenpanzer-, Panzerwagen-, Flugzeug- und Kraftfahrzeugprogramm. Wir haben damals in aller Öffentlichkeit festgestellt, daß diese Programme nicht nur qualitativ nicht richtig ausgereift waren - das ist eine Sache für sich, die uns nicht heute interessiert -, sondern daß sie auch quantitativ in keiner Hinsicht gerechtfertigt waren. Ich erinnere mich an die Beschimpfungen, die ich persönlich habe hinnehmen müssen, als ich bei der Schützenpanzervorlage von Leichtfertigkeit sprach. Heute hat uns das Verteidigungsministerium tatsächlich längst recht gegeben. In der Tat haben Sie, ohne es der Öffentlichkeit zu sagen, die Zahl der Schützenpanzer auf 60 % von dem gedrosselt, was Sie damals mit so viel Begeisterung beschlossen haben. Tatsächlich haben Sie auch die Zahl der Panzer auf 45% der seinerzeit beschlossenen Zahl begrenzt. Inzwischen haben Sie auch selbst gemerkt, daß das Kraftfahrzeugprogramm., das für 156 000 Mann ausreichen sollte, tatsächlich so bemessen war, daß es für 250 000 Soldaten ausreicht.
Und wieviel hat der Verteidigungsminister auf Grund der bisherigen Bindungsermächtigungen in Anspruch genommen? Die Mehrheit dieses Hauses hat sie in den Jahren 1956 und 1957 beschlossen. Daraus waren his zum 31. März 1958, also bei Schluß des letzten Haushaltsjahres, insgesamt 15 Milliarden aufgelaufen. Von diesen 15 Milliarden DM Bindungsermächtigungen, die damals so ungeheuer wichtig und eilig waren und unbedingt beschlossen werden mußten - das konnte gar nicht erst ins Plenum kommen, sondern mußte „vorweg bewilligt" werden -, hat er 3 Milliarden DM gebraucht, natürlich nicht per Kasse, sondern er ist über diesen Betrag Verpflichtungen eingegangen, hat
Schmidt ({2})
also Verträge oder Vorverträge abgeschlossen. Die übrigen 12 Milliarden DM Bindungsermächtigungen sind bisher gar nicht gebraucht worden. Infolgedessen war es gar nicht notwendig, sie damals in jener Eile zu beschließen.
Im Verteidigungsausschuß ist uns unter „Geheim" eine Vorlage darüber gemacht worden, für welche Zwecke im einzelnen von den 15 Milliarden DM die Ermächtigung zur Bindung tatsächlich ausgenutzt worden ist, d. h. Bindungen eingegangen worden sind. Ich weiß nicht, ob ich befugt bin, aus dieser Vorlage Zahlen zu nennen. Ich will es lieber nicht tun, sondern nur zusammenfassend feststeilen, daß sich unter den 12 Milliarden DM, die noch gar nicht zu Bindungen ausgenutzt wurden, allein 8 Milliarden DM befinden, die damals für Schützenpanzer, für Panzerwagen, für Kanonen, für Munition, für Flugzeuge, für Schiffsbauten und ähnliches schwere Gerat geplant gewesen sind. Übrigens steht auf der anderen Seite - das ist auch eine Folge dieser überstürzten Planung -, daß bei dem handelsüblichen Gerät, bei dem sogenannten weichen Gerät, d. h. den Spinden in den Kasernen oder Socken oder Stiefeln - das nennt man im Rüstungsjargon weiches Gerät; hoffentlich sind die Spinde nicht ganz so weich -, zum Teil sehr viel mehr beschafft worden ist, als die Bundeswehr im Augenblick brauchte. Da haben sich zum Teil - nicht gerade bei Spinden, aber auf anderen Gebieten - große Vorräte angesammelt, weil man vielleicht geglaubt hat, die Socken gleich für 500 000 Mann kaufen zu müssen, und gar nicht bedacht hat, daß das so schnell nicht nötig ist.
({3})
- Vielleicht kann Herr Strauß nachher antworten,
ob die Strümpfe wenigstens mottensicher eingekauft
sind, damit sie später noch verwendungsfähig sind.
({4})
- Ich würde wünschen, Sie machten sich Sorgen über diese Dinge, verehrter Herr Kollege.
({5})
Es gibt nämlich auch heute noch keine verbindlichen Beschaffungspläne oder Rüstungspläne oder auch nur Rahmenpläne. Es gibt nicht einmal für die konventionellen Waffen wirklich eine Gesamtplanung, die uns vorgelegt worden wäre. Vielleicht hören wir das heute zum erstenmal. Das wäre schön, es wäre immerhin seit Bestehen der Dienststelle Blank, seit dem Jahre 1950 oder 1951, seit sieben Jahren das erstemal, daß wir aus offiziellem Regierungsmund eine Planung für die Rüstung bekämen. Es wäre eine tolle Sache, wenn die Große Anfrage der Opposition das heute provozieren könnte. Ich bin wirklich gespannt, ob das heute angekündigt wird.
Die Sorgen, die man auf der anderen Seite haben muß - um dem Zwischenrufer auch das noch einmal zu sagen -, beziehen sich zum Beispiel darauf, daß die Fülle der Geldansätze, über die das Verteidigungsministerium verfügt, zu allerhand Sünden
verführt, nicht nur zum Ankauf von zu vielem weichen Gerät. Das könnte noch hingehen, das kann man ja vielleicht später noch verwerten. Aber diese Fülle verführt auch zu anderen, ganz eigenartigen Erscheinungen. Es muß doch schon ziemlich dick sein, wenn der Rechnungshof in offizieller Denkschrift feststellt, daß bei der Vergabe von Rüstungsaufträgen die wirtschaftlichen Gesichtspunkte in Zukunft stärker berücksichtigt werden müßten und daß Millionen hätten gespart und wirtschaftlicher verwandt werden können. Das hat der Rechnungshof festgestellt und nicht ein Oppositionsabgeordneter.
({6})
Oder was ist das eigentlich für eine Praxis, die wir heute vor drei Wochen im Verteidigungsausschuß erlebten! Nachdem gerade am Tage vorher das Plenum beschlossen hat, daß die Bundeswehr nunmehr Atomwaffen bekommt, will im Verteidigungsausschuß die Mehrheit, daß das auch konkretisiert wird. Da soll also über die Matadore Beschluß gefaßt werden. Die Oppositionskollegen sagen: Wir können euch nicht daran hindern, wenn ihr das unbedingt wollt; aber dann müßt ihr auch eine Haushaltsvorlage machen; denn ihr kriegt sie ja nicht geschenkt, sondern ihr sollt sie kaufen, habt ihr selbst gesagt. Das war eine völlig naive Vorstellung von diesen Sozialdemokraten! Denn die Bundesregierung sagte: Nein, die Mittel sind schon längst, schon im Jahre 1955/56 bewilligt. Dabei hat sie einen Haushaltstitel zu Rate gezogen, der lautet, wie ich glaube: 625 Millionen DM für Flugzeuge - da war genau aufgeführt, wieviel Millionen davon für Jagdflugzeuge, für Transportflugzeuge, für Marineflugzeuge, für Heeresflieger, für Schulflugzeuge, für Hubschrauber und für Bodentrainer. Es war eine große Summe, ich glaube, von insgesamt 625 Millionen, die im einzelnen aufgeschlüsselt war. Dann sagte das Verteidigungsministerium: Das ist ein Titel für Flugzeuge, und Matadore fliegen ja auch. Infolgedessen kann man aus diesem Titel die Matadore kaufen. Ich warte noch auf den Tag, wo uns mit Hilfe solcher Kunststücke bewiesen wird, daß das Parlament durch die Vorausermächtigungen, durch die Vorausbewilligungen, durch die Bindungsermächtigungen des Jahres 1956 haushaltsrechtlich womöglich auch schon dem Kauf von Atombomben zugestimmt habe.
({7})
Es war übrigens interessant, daß der Kollege Kliesing, den ich persönlich sehr schätze, sich in dieser Debatte im Verteidigungsausschuß so weit hat hinreißen lassen, zu sagen: Die haushaltsrechtliche Legitimität für die Beschaffung von Matadoren interessiert mich nicht im geringsten.
({8})
- Als er dann merkte, was für einen Bock er geschossen hatte, fügte er hinzu: Im Verteidigungsausschuß! Im Haushaltsausschuß sei das etwas an- deres.
({9})
Schmidt ({10})
Darauf habe ich den Antrag gestellt, der Verteidigungsausschuß möge, damit der Haushaltsausschuß auch merkt, worum es geht, den Haushaltsausschuß ersuchen, die haushaltsrechtliche Grundlage dieses Matador-Ankaufs zu prüfen. Das hat dann die Mehrheit im Verteidigungsausschuß abgelehnt. Es sei nicht ihre Sache, sich dafür zu interessieren. Inzwischen habe ich gehört, daß das Verteidigungsministerium selbst, jedenfalls die Beamten, kalte Füße bekommen haben. Jetzt haben sie einen ganz anderen Titel für ihre Matadore herangezogen.
({11})
- Das stimmt nicht? Nun, wir werden es ja nachher hören.
({12})
- Wollen Sie mir sagen, Herr Kollege, daß Sie z. B. diesen Titel für die Beschaffung von Flugzeugen auch dazu verwenden wollen, die Bodenradarlenkstationen für die Matadore daraus zu kaufen? Sind das auch Schulflugzeuge oder Hubschrauber? Diese Sache ist nicht in Ordnung, und die Beamten Ihres Hauses, Herr Minister, haben das gemerkt. Die haben, weil sie nach haushaltsrechtlichen und nicht nach politischen Prinzipien handeln und ihren Kopf durchsetzen wollen, etwas Sorgen, und ich hoffe, daß diesen Sorgen wenigstens nachträglich Rechnung getragen wird.
Da ich gerade dabei bin, darzutun, zu welchen Fehlleistungen die Geldfülle verführen kann, möchte ich auf eine dpa-Meldung vom 25. Februar dieses Jahres zurückkommen. Ich habe das Original des Ministerialblattes des Verteidigungsministeriums nicht zur Hand, auf das sich diese Meldung bezieht. Danach soll der Verteidigungsminister in seinem Ministerialblatt beklagt haben, daß seine Mitarbeiter in verschiedenen Fällen das Gebot der Sparsamkeit verletzt hätten. Er habe beklagt, daß bei der Ausrüstung der Bundeswehr Vorratskäufe getätigt würden, und zum Schluß heißt es wörtlich:
Ich
- der Minister werde dafür sorgen, daß gegen die Verantwortlichen, die sich in dieser Hinsicht schuldig machen, im Disziplinarwege vorgegangen wird und daß sie dem Bund den ihm enstandenen Schaden ersetzen.
Herr Minister, wer ist denn für den Schaden verantwortlich, der hier dem Bund entstanden ist? Doch Sie und nicht Ihre Beamten!
({13})
Wer hat denn die Beamten in diese Hetze hineingezwungen? Wer hat denn die Beamten gezwungen, mit der heißen Nadel zu nähen und Dinge zu bestellen, die noch gar nicht geprüft waren? Das war doch nicht der freie Wille dieser Beamten und Offiziere! Die Bundesregierung hat die Verantwortung! Es ist also geradezu grotesk, wenn Sie in Erlassen und im Ministerialblatt sagen, Sie würden die Beamten zur Verantwortung ziehen, die irgendeine
Sache gekauft haben, obwohl sie noch nicht ausreichend geprüft war. Ihr habt doch den Druck dahintergesetzt, nun stellt euch gefälligst wenigstens vor eure Beamten, die das ausführen müssen!
({14})
Auf der anderen Seite ist zugegeben, die Handhabung der Rüstungsvergabe ist überaus lax. Da werden ganz hübsche Geschäfte gemacht. Ich meine nicht diese kleinen Fische in Koblenz, wenn da so ein Amtsrat einen Anzug bekommt. Das ist sehr verwerflich, und, um Gottes willen, wir wollen selbstverständlich, daß das ausgemerzt wird. Aber das sind wirklich die ganz kleinen Fische, Stichlinge sind das nur. Es gibt aber auch Karpfen, es gibt auch Walfische, es gibt auch Haifische. Wir würden sehr wünschen, daß man in Koblenz auch wenigstens mal einen Karpfen zu fassen gekriegt hätte und nicht immer nur die kleinen Amtsräte, die Stichlinge, an die man sich hält, um an ihnen die weiße Weste zu demonstrieren, die man gern haben möchte.
({15})
In diesem Zusammenhang die Frage - das ist ein persönliches Hobby von mir, Hobby reimt sich auf lobby, -: Was ist eigentlich mit der Lobbyistenliste? Weswegen wehrt sich eigentlich die Regierung, wehrt sich die Mehrheit dieses Hauses dagegen, daß wir endlich eine Liste der Lobbyisten kriegen, die beim Ministerium, bei der Regierung und beim Parlament Einfluß zu nehmen trachten auf die Vergabe von Rüstungsaufträgen? Ich will Ihnen genau sagen - das nehme ich auf meine persönliche Kappe -, weswegen sich die Mehrheit dieses Hauses dagegen wehrt: weil die Sorge besteht, daß nicht nur einer, sondern eine ganze Zahl von Mitgliedern dieses Hauses auf jener Liste erscheinen müßten!
({16})
Wie lange ist es eigentlich her, daß der Präsident Berg vom Bundesverband der Deutschen Industrie feierlich erklärt hat, die deutsche Industrie sei an der Rüstungserzeugung nicht interessiert? Vor wenigen Tagen hat derselbe Herr einen Brief an das Verteidigungsressort geschrieben, in dem er sagt, daß die deutsche Industrie eine angemessene Beteiligung verlange. Wie lange ist es eigentlich her, daß der Herr Krupp erklärt hat, er wolle niemals wieder Kriegsgerät liefern? Nun, ich habe aus den Unterlagen des Verteidigungsministeriums festgestellt, daß auch die Firma Krupp inzwischen an die Bundeswehr liefert. Das große Rüstungsgeschäft, nicht das über die Socken und über die Spinde, über die in Koblenz verhandelt wird, vollzieht sich in der Bundesrepublik nach wie vor ohne jede nennenswerte politische Kontrolle, und es wird schon wieder recht schön verdient, meine Damen und Herren; davon habe ich mich im Laufe der letzten zwei Jahre überzeugen können.
Nun aber zum Kernpunkt. Unsere Frage 1 lautet:
Wie hoch schätzt die Bundesregierung den Gesamtaufwand für Verteidigung vom Beginn der Aufstellung der Bundeswehr bis zur Erreichung der vorläufigen Aufstellungsziele, d. h. für den Zeitraum der Haushaltsjahre 1955 bis 1960 einschließlich,
Schmidt ({17})
bis zu dem berühmten 31. März 1961? Früher hat man, auch in der Ratifikationsdebatte im Februar 1955, immer gesagt: Den Rüstungsaufwand bestimmen zwar die NATO-Empfehlungen Jahr für Jahr; aber da die NATO-Empfehlungen nur einstimmig gegeben werden können, kann uns nichts empfohlen werden, was wir nicht selber wollen. Diese Argumentation wiederholt sich viele Male in der Ratifikationsdebatte aus dem Munde der Regierung. Deshalb mag die Frage der Opposition nun doch wohl legitim sein: Welchen Empfehlungen in bezug auf die finanzielle Auswirkung haben Sie denn nun eigentlich im NATO-Rat zugestimmt?
Das vollzieht sich so, daß die NATO jedes Jahr einen Fragebogen an ihre Mitglieder schickt, der sich immer auf drei Jahre bezieht: Was sind die Absichten für das nächste Jahr, was sind die Absichten für das übernächste Jahr, und welches sind die Absichten für das dritte Jahr? Auf Grund der Antworten auf diesen Fragebogen kommt es dann zu den Empfehlungen im NATO-Rat. Die Empfehlungen im NATO- Rat binden für das erste Jahr. Die auf Grund des NATO-Fragebogens, der im letzten Herbst eingereicht wurde, zustande gekommenen Empfehlungen z. B. binden fest für den Lauf von 1958, sie sagen, was 1959 voraussichtlich geschehen soll, und sie legen eine Planung für das fest, was 1960 geschehen soll. Das ist in den vergangenen Jahren immer der Gang der Dinge bei den NATO-Fragebogen gewesen, so auch im letzten Jahr.
Nun, wir wissen aus den Pressekonferenzen des Verteidigungsministers, daß er für das dritte Jahr, das Planungsjahr, das, sagen wir mal, am 31. März 1961 abläuft, 325 000 oder 350 000 Soldaten haben will. Wie die im einzelnen gegliedert sein sollen - Marine, Luftwaffe, Heer -, das ist geheim; darüber darf man hier nicht sprechen. Wir wissen nicht ganz genau, was er für den 31. März 1960 voraussichtlich annimmt. Ich persönlich vermute, daß die Zahl nach den bisherigen Planungen bei 250- oder 260 000 Soldaten liegen müßte.
Wir wissen aber einigermaßen genau - das kann ich sagen, auch ohne das ich irgendwelche Geheimhaltungsvorschriften aus dem Verteidigungsausschuß verletze -, was er für den 31. März 1959 haben will, heute in einem Jahr. Das können wir nämlich seinem Haushaltsvorentwurf 1958/59 entnehmen, wo er Planstellen angefordert hat. Er hat 230 000 Militärplanstellen angefordert, und wenn ich einmal großzügig bin und zugeben will, daß er vielleicht 30 000 Überhang braucht, so nehme ich an, daß er jedenfalls als Aufstellungsziel für den 31. März 1959, heute in einem Jahr, mit 200 000 Soldaten rechnet.
Es steht übrigens auch in der Presse zu lesen, daß bis dahin beim Heer 7 Divisionen aufgestellt sein sollen. Das würde sich mit der Zahl 200 000 etwa vertragen, wenn man das abzieht, was für die Marine und die Luftwaffe benötigt wird. 7 Divisionen ist übrigens eine interessante Zahl. Heute in einem Jahr will die Bundeswehr 7 Divisionen der NATO unterstellt haben. Wissen Sie, wieviel die Franzosen der NATO zur Verfügung gestellt haben? Auf dem Papier 5. Ein Teil davon ist in diesen schmutzigen Krieg in Algerien verwickelt, aber immerhin sind es wenigstens auf (lem Papier 5. Die deutsche Bundeswehr soll heute in einem Jahr der NATO aber schon 7 Divisionen zur Verfügung stellen. Das heißt, die Franzosen werden wir im Lauf dieses Jahres einholen und überholen.
Wenn die Bundesregierung im NATO-Fragebogen ihre Aufstellungsabsichten für die nächsten drei Jahre der NATO bekanntgab, also die feste Bindung für ein Jahr eingeht und die voraussichtliche Zahl für das zweite Jahr und die Planung für das dritte Jahr angibt, dann wird sie sich dabei ja auch Gedanken darüber gemacht haben, ob sie das finanziell leisten kann. Im übrigen enthält der NATO-Fragebogen immer zwei Teile, einen militärischen und einen finanziellen Teil. Wir sind im Verteidigungsausschuß auf unser Ersuchen hin zwar unterrichtet worden über den Inhalt - im groben natürlich - des militärischen Teils, mit keiner Silbe und keinem Wort jedoch über den Inhalt des Finanzteils des diesjährigen NATO-Fragebogens bzw. der deutschen Antwort. Vielleicht könnten wir das heute zur Beantwortung unserer großen Anfrage hören. Wir möchten wissen: Was hat denn die Bundesregierung angegeben an finanziellem Aufwand für das Jahr 1958 als fest bindend, für das Jahr 1959 als voraussichtlich und für das Jahr 1960 als geplant? Als Herr Kollege Gülich Ihnen im Februar 1955 hier vorrechnete - wir alle hatten damals noch keine große Erfahrung, es war gar nicht so leicht, solche Schätzungen einigermaßen zu fundieren -, daß diese 500 000 Soldaten des Herrn Blank 60 bis 80 Milliarden kosten würden, da hat der damalige Finanzminister Herr Schäffer gesagt: „Reich der Fabel!" Dieser Ausdruck fiel aus seinem Munde. „Reich der Fabel", komme gar nicht in Frage. Aber Herr Schäffer hat niemals von sich aus eine Gesamtzahl genannt.
Übrigens war nicht nur Herr Schäffer hier im Kreuzverhör. Herr Erhard kriegte beispielsweise auch solche Zwischenfragen. Herr Erhard sagte am 26. Februar 1955 - das muß man noch einmal wieder vorlesen, weil es wirklich so nett ist, es ist beinahe zum Lachen - zunächst:
Wir werden keine größeren Verpflichtungen
auf uns nehmen, als Sie bewilligen wollen.
Da machte der Kollege Welke ihm den Zwischenruf: „Und was kostet der Spaß nun insgesamt?" Darauf sagte Herr Erhard böse:
Dann lassen Sie das doch die Amerikaner bezahlen!
({18})
Steht so im Protokoll des Bundestages! Das war die ganze Antwort, und keine anderen Antworten sind gekommen auf die immer wiederholte Frage: „Wenn es angeblich nicht 60 Milliarden kostet, wieviel kostet es dann?"
Das ist drei Jahre her; es ist acht Jahre oder sieben Jahre nach Inslebentreten der Dienststelle Blank, es ist ein halbes Jahr nach Abgabe des NATO-Fragebogens im vorigen Herbst. Es ist jetzt April 1958. Sie haben drei Jahre lang Erfahrungen im Aufbau der Bundeswehr. Jetzt müßten Sie doch eigentlich in der Lage sein, uns zu sagen, Herr Etzel und Herr Strauß, was die Sache kosten soll. Das
Schmidt ({19})
möchten nämlich nicht nur wir, das möchte das ganze deutsche Volk wirklich einmal wissen.
({20})
Wir können doch nicht annehmen, daß Sie der NATO Aufstellungsziele militärischer Art genannt haben, ohne sich über die Kosten und ohne sich über Ihre finanzielle Leistungsfähigkeit klargeworden zu sein.
Nachdem die Regierung so viele Jahre über die Gesamtkosten geschwiegen hat, hat sich nun die deutsche Presse über dieses Thema hergemacht, ob Sie „Die Welt" aufschlagen oder die „Deutsche Zeitung und Wirtschaftszeitung" oder den „Rheinischen Merkur"; der ist ja hier, nun: Ihr Hofblatt.
({21})
Vielleicht sollte man die Rüstungszahlen nur aus dem „Rheinischen Merkur" zitieren; die sind auch nicht angenehm für den Herrn Strauß, aber da bin ich jedenfalls nicht in der Gefahr, daß man mir das für eine sozialdemokratische -
({22})
- Ja, es kann allerdings durchaus sein, Herr Wehner, daß man nun neuerdings auch in bezug auf den „Rheinischen Merkur" vorsichtig wird. Sie wissen ja, was sich mit dem Herrn Wenger zugetragen hat.
({23})
Das kann man nicht wissen. Aber ich glaube doch nicht, daß sie sich von dem Wenger ernsthaft absetzen; dazu haben die Leute da unten bei seinem Vortrag viel zu sehr Beifall geklatscht.
({24})
Sie haben also der NATO geschrieben, was Sie bis zum 31. März 1961 planen; und der „Rheinische Merkur" hat festgestellt und „Die Welt" hat festgestellt, daß das ungefähr 55 Milliarden insgesamt kostet.
({25})
Die Zahlen variieren; manche Zeitungen schreiben: 52 Milliarden, einige schreiben: 521/2 Milliarden, einige schreiben: 57 Milliarden, einige schreiben: 60 Milliarden. Ich will einmal ganz vorsichtig und bescheiden sein und davon ausgehen, daß es 55 Milliarden sind. Das wird der Wahrheit einigermaßen nahekommen.
Nachdem Sie bisher 9 Milliarden ausgegeben haben und 10 Milliarden in den Haushaltsplan für das Jahr 1958 einsetzen - macht 19 Milliarden -, würden also für die restlichen beiden Haushaltsjahre 1959 und 1960 insgesamt 35 oder 36 Milliarden bleiben.
({26})
Und der „Rheinische Merkur" hat offenbar recht, wenn er sagt, daß das im Jahre 1959 mindestens 15 Milliarden sein würden, und der „Rheinische Merkur" hat offenbar richtig gerechnet - Adam Riese beherrscht er wenigstens -, daß das im Jahre 1960 20 Milliarden sein würden. Offenbar hat auch „Die Welt" recht, die vor wenigen Tagen schrieb, es würden im ersten Jahr, 1959, 16 Milliarden sein. Es kommt ja heute auf eine Milliarde gar nicht mehr an; ob 15 oder 16 Milliarden, das ist ja gar nicht mehr so wichtig.
({27})
Offenbar hat auch der Finanzminister recht, der auf Seite 59 der Allgemeinen Vorbemerkungen zum diesjährigen Haushaltsentwurf hat schreiben lassen, es sei zu erwarten, „daß nach Ingangkommen der Aufrüstung die tatsächlichen Ausgaben für eigene Verteidigungsstreitkräfte weit über die bisherigen Jahresansätze hinausgehen werden". Da heißt es nicht: weit über die bisherigen Kassenausgaben, sondern: weit über die bisherigen Ansätze hinausgehen. Die Ansätze waren bisher 9 bzw. 10 Milliarden. Ich glaube, daß Herr Minister Etzel mit dieser Prognose recht hat. Es wäre nur interessant, heute zu erfahren, wie weit die tatsächlichen Ausgaben über die bisherigen Ansätze hinausgehen werden.
({28})
Herr Minister Etzel, ich möchte in diesem Zusammenhang auf unsere Frage Nr. 2 aufmerksam machen, welche Beträge im Rahmen dieses Gesamtbetrages für unbemannte Flugkörper und für Raketenwaffen vorgesehen sind. Ich möchte hinzufügen: das soll natürlich auch insbesondere die Atomwaffen einschließen, die Sie neuerdings beschaffen wollen, allerdings mit Ausnahme der Wasserstoffbomben, Herr Kiesinger; das haben Sie ja ausdrücklich vor der Abstimmung klargemacht, daß Sie die einstweilen noch nicht wollen.
({29})
Bisher ist nach der Unterrichtung, die uns im Verteidigungsausschuß zuteil geworden ist, in den Gesamtplanungen nur die Aufstellung von drei Bataillonen mit Nike-Raketen, Flakraketen enthalten. Ich weiß gar nicht, ob die nun auch Atomköpfe kriegen sollen, - wahrscheinlich. Aber das ist alles, was in den bisherigen Programmen vorgesehen war. Nicht drin waren bisher Matadore. Nicht drin waren irgendwelche anderen taktischen Atomwaffen. Nicht drin waren irgendwelche taktischen Raketen. Nicht drin war das, was für die Luftverteidigung wirklich in der Masse notwendig wäre. Ich höre immer wieder diese ominöse Zahl, daß 26 Nike-Verbände geplant seien. Ich kann mir nicht recht vorstellen, daß das Ernst ist; denn das allein würde ja, wie Herr Strauß selber zugeben muß, 50 bis 60 Milliarden kosten. Es ist völlig utopisch, sich das vorzustellen.
Wir möchten also gern wissen: was würde Ihre Raketenrüstung und Ihre Atomrüstung kosten, oder ist das alles auch noch im Schoße der Zukunft, und wir hören es vielleicht heute in drei Jahren einmal? Sie müssen sich doch darüber Vorstellungen gemacht haben. Oder wollen Sie uns heute antworten, daß die Atom- und Raketenrüstung erst nach 1961 komme, daß sie haushaltswirtschaftlich einstweilen noch gar nicht relevant sei und daß Sie selber schon
Schmidt ({30})
bereuen, im vorigen Monat soviel davon gesprochen zu haben? Das könnte ja auch eine Antwort sein.
Ich möchte die Frage hinzufügen: Was ist eigentlich bei Ihren Planungen an sogenannten Kriegsvorräten drin? Ich weiß - und ich bin gar nicht so böse darüber -, daß Sie keine Kriegsvorräte haben. Das macht mir die Sache einstweilen etwas ungefährlicher. Sie haben offenbar weder Treibstoff noch haben Sie Munition. Neuerdings habe ich gehört, daß Sie nicht nur in der Türkei, sondern auch in Portugal Munition bestellen. Das sind ja überhaupt neuerdings Wallfahrtsstätten geworden: Portugal, Spanien,
({31})
alles Vorbilder westlicher Demokratie, wie wir in der letzten außenpolitischen Plenardebatte gehört haben!
({32})
Ich bitte um allgemeine Ruhe für den Redner.
Ich kann es ja verstehen, wenn der Abgeordnete Majonica empfindlich ist, wenn man immer auf Formosa zu sprechen kommt. Aber Sie müssen doch erst den Beweis liefern, daß wir unsere demokratischen Vorbilder im Osten suchen. Jedenfalls suchen wir sie weder in Portugal noch in Formosa, Herr Majonica.
({0})
- Ich hatte eigentlich gar nicht die Absicht, über Formosa zu sprechen, Herr Majonica. Das provozieren Sie nur, wenn Sie Zwischenrufe machen. Es fällt nämlich schwer, wenn man Sie sieht, nicht an Formosa zu denken!
({1})
Meine Damen und Herren! Ich glaube, es ist doch zweckmäßig, sich wieder der Rüstungsfinanzierung zuzuwenden.
Meine Damen und Herren! Ich möchte auf die Frage der Kriegsreserven zurückkommen. Wenn die Situation so brennend ernst wäre, wie der Bundeskanzler uns heute vor vier Wochen hier klargemacht hat, wenn der Aggressor morgen vor der Tür stünde - es könnte
ja sein, daß er recht hat -, wenn es also so furchtbar notwendig wäre, die Bundeswehr so schnell wie möglich schlagkräftig zu machen, wäre es nur logisch, den Leuten nicht nur Kanonen, sondern auch Munition zu geben. Dann wäre es nur logisch, den Soldaten nicht nur Autos, sondern auch Benzin für die Fahrzeuge zu geben. Das haben Sie aber nicht getan. Sie können mit den Vorräten, die Sie heute haben, höchstens 14 Tage Krieg führen, in Wirklichkeit, wie wir wissen, noch nicht einmal das. Sie würden- und das ist, jetzt nur vom Finanziellen her, meine Sorge -, wenn Sie nur für zwei oder drei Monate im Vorrat haben wollten, für Treibstoff, für Munition, für Ersatzteile, für die Ersetzung von Ausfallfahrzeugen ein Volumen von noch einmal 7 bis 10 Milliarden DM brauchen, wie ich schätze. Besteht eigentlich die Absicht, diese Vorräte nun auch noch zu beschaffen? Eine ganz klare Frage, die ich sehr klar beantwortet haben möchte! Sollen diese sogenannten Kriegsvorräte, über die häufig im internen Kreis. des Verteidigungsministeriums debattiert worden ist - man hat sie bei gewissen Programmen auch schon einmal eingesetzt und hat sie dann wieder gestrichen -, auch noch beschafft werden oder nicht? Wenn sie beschafft werden sollen, dann frage ich: wieviel soll dafür ausgegeben werden?
Ich komme nun auf die Frage 6 zu sprechen. Nehmen wir einmal an, daß der Herr Etzel heute tatsächlich als erster Bundesminister den Freimut aufbringt, uns zu sagen: Jawohl, die Sache kostet 55 Milliarden; oder 53 oder 58 Milliarden, nehmen wir es nur einmal an. Dann steht aber immer noch die Frage 6 an: In welchen Zeiträumen soll das zu effektiven Kassenausgaben führen? Bisher müssen wir annehmen: bis zum 31. März 1961. Es ist für uns allerdings sehr schwer, uns darüber ein genaues Bild zu machen. Wir genießen nicht die Vorzüge, die der Bundesverband der Deutschen Industrie genießt.
({0})
Dem BDI hat nämlich kürzlich, im vergangenen Herbst, der Verteidigungsminister einen Überblick über die längerfristige Bedarfsdeckungsplanung der Bundeswehr gegeben. Als das dann in der Wirtschaftspresse zum Teil angegriffen und kommentiert wurde, gab es eine Berichtigung aus dem Verteidigungsministerium. Ich beziehe mich jetzt nur auf die Berichtigung und lese sie Ihnen einmal vor - das ist so nett und fängt schon in der ersten Zeile so interessant an -: „Im Einvernehmen mit dein Bundesverband der Deutschen Industrie teilt das Bundesverteidigungsministerium mit, . . ."
({1})
In dieser „im Einvernehmen mit dem BDI" herausgegebenen Berichtigung steht dann später, in informellen Erörterungen - natürlich ist das informell; denn formell hätte es ja in dieses Haus gehört ({2})
Schmidt ({3})
sei der Wirtschaft ein Überblick über den Stand der abgeschlossenen und der mit Sicherheit zu erwartenden Aufträge, ferner auf Grund der Haushaltsvoranschläge ein unverbindlicher Überblick über die Rüstungskäufe der kommenden Jahre gegeben worden. „Die Arbeiten an dieser Übersicht werden im Ministerium fortgesetzt. Ihre Ergebnisse sollen mit der Wirtschaft noch in diesem Jahr" - das war der letzte Herbst - „besprochen werden." Das ist nun aber der Wortlaut aus Ihrem Hause, Herr Minister, und nicht ein Text, den die Presse daraus gemacht hat; also der Wirtschaft wird wenigstens etwas erzählt, wenn man auch nicht ganz sicher sein mag, ob alles stimmt und stichhaltig ist, was ihr erzählt wird. Der Öffentlichkeit wird wieder etwas anderes erzählt. Am 26. Februar 1958 hat der Herr Minister Strauß ein Interview im Bayerischen Rundfunk gegeben. Da hieß es wörtlich: „Es läßt sich heute nicht voraussagen, bis zu welchem Betrag in den Jahren 1959, 1960 und 1961 die 10 Milliarden überschritten werden." - Früher waren es 9, jetzt sind es 10, aber es läßt sich nichts voraussagen. Ich bin nur gespannt, ob der Herr Etzel heute den Herrn Strauß Lügen strafen wird und doch etwas voraussagt. Er muß ja eigentlich, er kann ja nicht wieder sagen: Ich weiß noch nicht, was es kostet. Also eigentlich müßte der Herr Etzel nun wenigstens etwas voraussagen, obwohl der Herr Strauß vor acht Wochen erklärt hat, es lasse sich nichts voraussagen.
Die sozialdemokratische Opposition ist nicht die einzige, die verlangt hat, daß endlich ein Plan aufgestellt und veröffentlicht wird, damit man sich darauf einstellen kann, sowohl bei den militärischen Planungen als vor allen Dingen auch bei den finanzwirtschaftlichen Planungen - Haushalt, Steuern und alles, was daran hängt - und auch bei der Wirtschafts-, Konjunktur- und Devisenpolitik.
Ich möchte noch einmal zitieren dürfen, Herr Präsident, was ich schon vor mehr als einem Jahr bei Gelegenheit einer anderen Rüstungsfinanzierungsdebatte hier vorgelesen habe, nämlich die Denkschrift des Bundesrechnungshofs, die diesem Hohen Hause am 21. Juli 1956 zugegangen ist. So alt ist das Ding schon. Damals haben Beamte im Rechnungshof folgendes geschrieben:
Die Aufstellung der deutschen Streitkräfte hat bedeutsame Probleme finanzieller, organisatorischer und güterwirtschaftlicher Art aufgeworfen. Wenn sie ohne empfindliche Störung für die deutsche Volkswirtschaft gelöst werden sollen, so ist eine Gesamtplanung erforderlich, welche die Verteidigungsmaßnahmen sinnvoll in den volkswirtschaftlichen Ablauf einordnet. Dabei muß auch der Umfang der ausländischen Sach- und Finanzhilfe festgestellt und ferner geklärt werden, wieweit der Bedarf im Ausland gedeckt werden soll, sei es aus konjunkturpolitischen Gründen oder sei es, weil der Aufbau der eigenen Rüstungswirtschaft mit den Wirtschaften der übrigen Länder abgestimmt werden muß.
Und dann kommt der Satz, auf den es hier ankommt:
Die beteiligten Ministerien werden bald einen I Gesamtplan aufstellen müssen.
So stellt der Rechnungshof im Sommer 1956 fest. Wir sind jetzt bald im Sommer 1958. Als ich das damals hier im Hause vorlas, antwortete für den seinerzeitigen Finanzminister der Staatssekretär Hartmann - es ist interessant; wenn ich auch das zitieren darf, Herr Präsident -:
Herr Abgeordneter Schmidt hat mehrfach nachdrücklich die Aufstellung eines Zahlungsplans verlangt. Es ist bekannt, daß der neue Herr Bundesverteidigungsminister . . . internationale Verhandlungen führt, nach deren Abschluß er in der Lage ist, einen sogenannten Aufstellungsplan, daraus hervorgehend einen Zeitplan, daraus hervorgehend einen Zahlungsplan und einen güterwirtschaftlichen Plan aufzustellen. Diese Pläne werden so schnell wie möglich fertiggestellt . . . werden.
Das war immerhin am 13. Dezember. 1956. Herr Hartmann hat also angekündigt, sogar vier Pläne so schnell wie möglich fertigzustellen. Wo sind die Pläne eigentlich? Können Sie sie heute vorlegen, Herr Etzel? Entweder haben Sie sie nicht, oder sie müssen so schlecht sein, daß Sie sich scheuen, sie der deutschen Öffentlichkeit vorzulegen.
({4})
Inzwischen hat in diesem Frühjahr auch der Deutsche Bundesrat verlangt, daß ein Gesamtplan für drei Jahre vorgelegt werde, nämlich für die drei restlichen Jahre der Aufstellungsperiode bis 1961. Und das ist weiß Gott kein unbilliges Verlangen; vom Bundesverkehrsminister verlangt man auch, daß er einen Zehnjahresplan für seinen Straßenbau vorlegt, und dieser machte bisher nur ein Sechstel des Betrags aus, den der Verteidigungsminister ausgibt. Wir möchten also, daß wir wirklich einen Plan bekommen mit der zeitlichen Aufgliederung der Aufstellungsvolumina, mit der Aufgliederung nach Inlandsausgaben und Auslandsausgaben - das ist für den wirtschaftspolitischen und währungspolitischen Aspekt dieser Sache von wesentlicher Bedeutung - und drittens mit einer Spezifikation des schweren Geräts nach Art und Anzahl.
({5})
Wir möchten wirklich ausgeschlossen haben, Herr Krammig, daß wir im Jahre 1958 erfahren, wir hätten die Atombomben tatsächlich schon 1956 bewilligt, ohne es zu merken. Das möchten wir ausgeschaltet wissen.
({6})
- Hören Sie, Herr Kollege: wenn die Opposition
nicht für die parlamentarische Kontrolle dieses Gebarens sorgte, - Sie würden das doch niemals tun.
({7})
Außerdem kann ich mir vorstellen, daß, wenn man eine Schulklasse aus Würzburg hier oben sitzen hat, man drei oder vier CSU-Kollegen hin1302
Schmidt ({8})
schickt, um den Schülern klarzumachen, was die CSU-Politik in Deutschland sei, und ich kann mir vorstellen, daß sie diesen Schülern mit dem Argument kommen: Da die Sozialdemokraten ja den Verteidigungshaushalt ablehnen, sind sie gegen jeden Soldaten und gegen die Verteidigung. Unter uns müssen Sie doch wohl wenigstens zugeben, daß wir, wenn wir z. B. den Straßenhaushalt des Herrn Ministers Seebohm ablehnen, weil er uns falsch strukturiert erscheint, weil wir kein Zutrauen zu der Verkehrspolitik des Herrn Seebohm haben, deswegen weder gegen den Straßenbau schlechthin sind noch mit der Postkutsche fahren wollen. Das können Sie meinetwegen den Schülern erzählen, aber lassen Sie solche naiven und läppischen Argumente aus diesem Hause heraus!
({9})
Wenn es bei den 55 oder 52 Milliarden - wieviel es sind, werden wir ja hoffentlich von Herrn Etzel hören - oder bei den 60 Milliarden DM, wie der „Rheinische Merkur" geschrieben hat, bis einschließlich 31. März 1961 bleiben sollte, Herr Etzel, dann wissen Sie ja, daß das nur mit ganz tollen finanzwirtschaftlichen Kunststücken geht. Ich kann mir nicht denken, daß es bei diesen 55 Milliarden bleiben soll. Wenn es aber dabei bleiben sollte, dann - das hat der „Rheinische Merkur" gesagt - müßte die Einkommensteuer um 20 bis 25% erhöht werden.
({10})
- Hat er gesagt! Dann muß es doch wohl stimmen, wenn es im „Rheinischen Merkur" steht.
({11})
Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung", die ja nun auch eine gegenüber der Regierung freundliche Zeitung ist, ist darauf gekommen, man brauche ja im Finanzministerium nicht bloß zu erwägen, die Steuerschraube anzudrehen, sondern könne es vielleicht viel einfacher, viel geräuschloser machen wollen. Der Herr Eick, der Wirtschaftsredakteur der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung", ist ja kein ganz nebensächlicher Mann. Er schreibt:
Wenn die Ideen, die gegenwärtig in den Hirnen einiger Bonner Ministerialbeamter herumspuken, Realität werden sollten, werden wir - durch ein finanzielles Zauberkunststück verführt - eines Tages einen solchen Rüstungsetat haben, daß uns schwarz vor Augen wird.
({12})
Das ist also wiederum nicht etwa der „Vorwärts"; das ist die „Frankfurter Allgemeine Zeitung".
({13}) - Noch schwärzer geht's gar nicht!
Zu demselben Thema schreibt die „Deutsche Zeitung":
Gerüchte über geplante Devisenanleihen bei
der Notenbank oder die Befürchtung, der Bund
werde am Ende auch in anderer Form auf die
Notenpresse zurückgreifen, sollten die Regierung geradezu ermuntern, rechtzeitig klaren Wein einzuschenken.
Das möchten wir ja mit unserer heutigen Anfrage nur erreichen: daß sie endlich einmal klaren Wein einschenkt.
Neuerdings habe ich gehört, daß in Kreisen der Industrie offenbar auch schon die Ansicht vertreten wird, es sei vielleicht gar nicht schlecht, daß man, wenn es über Amerika auch nach Europa und der Bundesrepublik hin zu einem Konjunkturabschwung käme, Rüstungsdefizite womöglich als Konjunkturstabilisator zur Verfügung hätte. Vielleicht wäre es gut, wenn die Regierung auch hier einmal erklärte, daß das nur Hirngespinste in gewissen Kreisen des Bundesverbandes der Deutschen Industrie sind, nicht aber Hirngespinste „im Einvernehmen mit dem Verteidigungsministerium".
Es gibt ja auch noch die Möglichkeit, daß die zivilen Ausgaben, z. B. die Ausgaben für den Straßenbau oder andere zivile Aufgaben, gesenkt werden, daß Sie etwa für den Luftschutz überhaupt nichts tun, obwohl die Ausgaben für den Luftschutz, wenn die Gefahr so groß ist, wie sie der Herr Bundeskanzler malt, genauso wichtig wären wie die Ausgaben für die Bundeswehr. Aber das wäre auch noch möglich.
Ich möchte für meine Person heute eine Prognose wagen. Ich glaube nicht, daß diese 52 oder 55 oder 60 Milliarden DM von der Regierung im Ernst angesteuert werden können. Ich möchte die Prognose wagen, daß wir im Laufe dieses Jahres eine zweite Revision des Aufstellungsprogramms der Bundeswehr bekommen werden, die genauso einschneidend sein wird wie die erste damals beim Abgang des Herrn Blank.
({14})
- Nein, der geht natürlich nicht, wenn das geändert wird. Das ist eine andere Situation als bei Blank.
Es ist eine sehr schwierige Sache, politische Prognosen zu machen. Aber ich möchte das tun und bin überzeugt, daß Sie im Laufe dieses Jahres 1958 Ihre ganze Bundeswehrplanung auch finanziell vollständig umbauen müssen. Wenn Sie es nicht tun sollten - das kann ich mir aber gar nicht vorstellen -, dann werden Sie uns allerdings in ganz entsetzliche finanzielle und wirtschaftliche Zustände führen.
Übrigens glaube ich, daß Sie Ihre bisherigen Vorhaben auch technisch gar nicht bis 1961 bewerkstelligen könnten, selbst wenn Sie das Geld dann irgendwo wegnähmen und für diesen Zweck zur Verfügung stellten. Ich habe den Eindruck, daß - vielleicht im leisen Hintasten auf diese zweite Revision der Aufstellungsplanung - wenn nicht im Verteidigungsministerium, so doch offenbar im Finanzministerium sehr ernsthafte Erwägungen darüber im Gange sind, ob es nicht zweckmäßig sei, die Aufstellungsplanung von 350 000 Soldaten per 31. März 1961 auf 250 000 zu senken. Vielleicht ist es für den Herrn Etzel heute noch zu früh, darüber zu sprechen. Vielleicht ist er aber auch in der Lage,
Schmidt ({15})
zu diesen Erwägungen einiges zu sagen. Ich weiß, daß diese Erwägungen schon ziemlich weit gediehen sind. Es sind offenbar sogar noch weitergehende Erwägungen da; die müssen ja da sein, denn das, was Sie bisher angefangen haben, läßt sich mit Vernunft auf keinen Fall zu einem Ende führen.
Wir stellen alle diese Fragen einmal aus finanzwirtschaftlichen, steuerlichen, haushaltswirtschaftlichen Gründen, zum anderen aus konjunkturpolitischen, preiswirtschaftlichen, währungspolitischen Gründen - wir möchten wissen, woran wir dann sind -, schließlich aber auch aus einer gewissen Sorge um die Truppe, um die es sich handelt. Die wird ja dauernd hinaus- und hereinmanövriert, rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln; sie kommt niemals zur Ruhe. Jetzt wird die Aufstellungsplanung im Laufe dieses Jahres wiederum geändert werden. Das ist überhaupt keine Truppe, das ist ein ewiger Verschiebebahnhof, Herr Strauß!
({16})
Dauernd werden die Menschen hin- und hergeschoben, sie können sich gar nicht erst heimisch fühlen, da werden sie schon wieder anderswohin versetzt.
({17})
Zum Schluß die Frage 8: ob es in der deutschen Finanzgeschichte Beispiele dafür gibt, daß der Gesamthaushalt des Deutschen Reiches jemals in ähnlichen Verhältnissen von Ausgabenresten und Bindungsermächtigungen begleitet war. Nun möchte ich nicht, daß Sie uns antworten: jawohl, das sei zwischen 1914 und 1918 der Fall gewesen und zwischen 1939 und 1945. Das möchte ich nicht, daß Sie die Kriegszeiten zum Vergleich heranziehen.
Ich habe mir die Verteidigungshaushalte und die Rechnungslegung der Weimarer Zeit angesehen und habe festgestellt, daß es dort nicht entfernt eine Parallele zu dem gibt, was hier heute zelebriert wird. Herr Etzel hat selber von diesen Haushaltsresten gesagt, in normalen Zeiten gebe es so etwas nicht. So steht es in seiner Rede darin.
Ich bin dabei auch auf gewisse historische Parallelen gestoßen.
({18})
Man muß sich - Herr Kiesinger - an das Jahr 1913 erinnern, an die damalige Heeresvermehrung und die gleichzeitige Steuervorlage. Hier wird doch in Bonn von Wehrsteuer oder Ergänzungsabgabe geredet. Hat nicht Herr Etzel in seiner Haushaltsrede Andeutungen gemacht? Können wir das vielleicht einmal klar hören, ob das wirklich notwendig wird wegen dieser 55 Milliarden oder ob man von, Regierungsseite erklärt: Nein, daran denken wir nicht und wir bleiben dabei? - Bleiben etwa bei dem Programm, das Herr Etzel aufgestellt hat, als er noch nicht Finanzminister war, mit Steuersenkung und so? Vielleicht kann er das erklären. Das würde eine Antwort sein.
Ich habe das Gefühl, die Bundesregierung möchte sich in dieser Frage nicht festlegen. Es wird immer weiter gewurschtelt. „Mal sehen, wie weit man kommt. Das deutsche Volk wird sich daran gewöhnen, es wird sich auch an die Atombomben gewöhnen." Das ist so die Taktik, mit der Sie die ganze Geschichte betreiben.
({19})
Bei dem historischen Rückblick bin ich auf den Panzerkreuzer A gekommen. Wissen Sie, was der gekostet hat? Das ist geradezu stecknadelkopfminimal, wenn man es mit Ihrer Sache vergleicht: 80 Millionen Reichsmark der umstrittene Panzerkreuzer A, verteilt auf vier Jahre. Und was gab das für einen Sturm damals! Daran werden sich insbesondere meine Freunde noch genau erinnern.
({20})
- Nun, erinnern Sie mich nur nicht daran, wie der Hitler gekommen ist; sonst müßten wir noch auf andere historische Parallelen zurückgreifen, lieber Herr!
Das waren also Bindungsermächtigungen, um mich im Haushaltsjargon auszudrücken, in Höhe von 60 Million, verteilt auf drei Jahre. Im ersten Jahr sollten 20 Millionen per cassa ausgegeben werden, und eine Bindungsermächtigung bestand für weitere 60 Millionen, auf drei Jahre verteilt. 80 Millionen kostete das ganze Schiff. Heute kostet einer von den acht Zerstörern, die Herr Strauß in Bau hat, 85 Millionen, allein ein Zerstörer!
Oder ein anderer Vergleich post Weimar. Der Herr Hitler hat im Jahre 1936 insgesamt für Rüstungs- und Wehrmachtzwecke 10,3 Milliarden ausgegeben, 10 Milliarden Reichsmark! Ich verkenne nicht, daß die Mark damals vielleicht etwas mehr wert war als unsere. Dafür hatte der Hitler aber auch keine Kriegsfolgelasten, er brauchte auch nicht die ganzen Versehrten, die ganzen Vertriebenen, die ganzen Wohnungen, alles das zu finanzieren. Im Jahre 1937, zwei Jahre vor Kriegsausbruch, hat Herr Hitler 11 Milliarden ausgegeben. Vergleichen Sie das mal mit Ihrer Zahl von 15 Milliarden - nach dem „Rheinischen Merkur" - für 1959 und von 20 Milliarden für 1960! Vergleichen Sie das mal mit den Hitlersehen Zahlen! Vergleichen Sie die Gesamtzahlen! Vom Haushalt des Jahres 1934 an, dem ersten, den Herr Hitler von sich aus gestalten konnte, bis zum Haushaltsjahr 1939, bis zum Kriegsbeginn, also innerhalb von genau fünfeinhalb Jahren hat Hitler für die Rüstung insgesamt - einschließlich des letzten Pfennigs Wehrsold für den letzten Obergefreiten - 60 Milliarden Mark ausgegeben
({21})
- einen Moment, ich rede hier doch keinen Pappenstiel! -, einschließlich der Mefo-Wechsel, Herr Etzel! Vergleichen Sie diese Zahl von 60 Milliarden Mark, auf fünfeinhalb Jahre verteilt,
({22})
Schmidt ({23})
mit Ihrer Zahl, auf sechs Jahre verteilt, um zu sehen, mit welchen Quantitäten Sie arbeiten!
({24})
Wir sind auf Ihre Argumentation sehr gespannt. - In den Jahren 1935 und 1936 - auch danach habe ich mich erkundigt - hatte Herr Hitler - -; ach, Herr Dr. Hellwig, Sie haben dasselbe Buch wie ich, lesen Sie doch nachher selber die Zahlen vor, wenn Sie heraufkommen!
({25})
- Die tut auch mal etwas Vernünftiges, Herr Hellwig.
({26})
- Ab und zu; warum soll ich nicht auch mal nett sein?
Ich möchte zum Schluß zwei oder drei Pressestimmen aus wiederum unverdächtigen Zeitungen
- in meinen Augen sind zwar sozialdemokratische Zeitungen nicht verdächtig, aber in Ihren Augen müssen sie ja verdächtig sein -, zunächst aus der „Deutschen Zeitung" vorlesen. Da steht z. B.: „Die Bundesregierung dürfte sehr bald gezwungen sein, zum zweiten Male seit 1955 ihre vorläufigen Aufstellungsziele für die Bundeswehr zu überprüfen."
3, Werden wir das heute hören, Herr Etzel oder Herr Strauß? In einem anderen Aufsatz der „Deutschen Zeitung" steht: „Die SPD-Anfrage" - die ich heute begründen durfte - „bietet aber dennoch Gelegenheit, in aller Öffentlichkeit darzulegen, warum es bereits jetzt für unmöglich gehalten wird, daß die nach den vorliegenden Plänen für 1959 und 1960 aufzubringenden 35 Milliarden aus Steuereinnahmen bereitgestellt oder mit Hilfe von Anleihen frei gemacht und überhaupt termingerecht ausgegeben werden können." Werden wir das heute hören, Herr Etzel, daß Sie zugeben, daß Ihre Pläne - wörtlich - „bereits jetzt für unmöglich gehalten werden"?
Ein anderer Leitartikel der Wirtschaftspresse schließt mit den Worten: „Solange die Bundesregierung nicht einmal in groben Zügen überzeugend dargelegt hat, wie sie sich die Bewältigung der auf sie zukommenden Aufgaben denkt, solange scheint der im Lager ihrer politischen Gegner gehegte Argwohn verständlich." Dieser Artikel trägt die Überschrift „Sprengstoff Rüstung". Wir meinen, unser Argwohn ist nicht nur verständlich, er ist nach allem, was wir bisher zur Rüstungsfinanzierung gehört haben oder vielmehr nicht gehört haben, nur allzusehr gerechtfertigt.
({27})
Meine Damen und Herren, ich darf zunächst das Ergebnis des dritten Wahlgangs der Wahl des vierten Vizepräsidenten bekanntgeben. Es wurden 426 Stimmen abgegeben.
Davon entfielen auf den Abgeordneten Dr. Preusker 233 Stimmen, auf den Abgeordneten Schoettle 167 Stimmen. Enthalten haben sich 26 Abgeordnete. Nach den Bestimmungen der Geschäftsordnung ist damit im dritten Wahlgang der Abgeordnete Dr. P r e u s k er zum vierten Vizepräsidenten dieses Hauses gewählt.
Ich frage Sie, Herr Abgeordneter Dr. Preusker, ob Sie bereit sind, die Wahl anzunehmen.
Ich nehme die Wahl an!
({0})
Sie haben die Wahl angenommen. - Meine Damen und Herren, ich darf Sie doch bitten, das Ergebnis einer geschäftsordnungsmäßig vorgenommenen Abstimmung mit Ruhe und Würde aufzunehmen.
({0})
Meine Damen und Herren, namens des Hohen Hauses spreche ich dem Abgeordneten Dr. Preusker die Glückwünsche des Hauses zur Wahl zum Vizepräsidenten aus.
({1})
- Das gehört zu den parlamentarischen Bräuchen, meine Damen und Herren!
Wir treten nunmehr in die Mittagspause ein. Um 15 Uhr werden wir die Sitzung fortsetzen.
Die Sitzung ist unterbrochen.
({2})
Die Sitzung wird wieder aufgenommen.
Zur Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der sozialdemokratischen Fraktion erhält der Herr Bundesminister der Finanzen das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich gebe jetzt die Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Fraktion der SPD. Anschließend wird mein Kollege, der Bundesverteidigungsminister Strauß, zusätzliche Ausführungen machen.
Ich beantworte die Frage 1 wie folgt. Nach dem Scheitern der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft mußte ein neuer Weg zur Verteidigung der europäischen Freiheit gefunden werden, der nur durch einen unmittelbaren deutschen Beitrag im Rahmen der NATO möglich war. Der Aufbau der deutschen Bundeswehr vollzog sich nach den Richtlinien der NATO. Die Erfahrungen anderer Länder ließen für die Aufstellung der Friedensstärke der Bundeswehr einen Gesamtaufwand von etwa 52 Milliarden D-Mark für einen Zeitraum von mindestens sechs Jahren wahrscheinlich erscheinen.
Bundesfinanzminister Etzel
Ich möchte der antragstellenden Fraktion in einer Zwischenbemerkung erklärend und ergänzend folgendes sagen. Sie haben für sechs Jahre gefragt und haben dabei an die Haushaltsjahre 1955 bis 1961 gedacht. Herr Schoettle, ich glaube daß das vielleicht etwas unpräzise ist. Ich habe die Zeit bis zum 31. März 1961 genommen; das sind die sechs Jahre, für die allein wir Ziffern haben.
Der Betrag von 52 Milliarden D-Mark liegt unterhalb dessen, was einige vergleichbare Verbündete - gemessen am Bruttosozialprodukt - für die gemeinsame Verteidigung aufwenden. Ein solcher Vergleich berücksichtigt allerdings nicht die besonderen Lasten der Bundesrepublik, die ihr darüber hinaus aus den Folgen des Krieges auferlegt sind.
Inzwischen hat sich gezeigt, daß der Aufbau der Bundeswehr nicht so schnell und nicht so zügig verwirklicht werden kann, wie dies früher angenommen wurde. Nach dem heutigen Stand darf erwartet werden, daß die geplante Aufstellung der Heeresverbände im wesentlichen bis zum Rechnungsjahr 1961, die Ausrüstung der Einheiten der Marine und der Luftwaffe jedoch bis in das Rechnungsjahr 1963 hinein dauern wird. Für diese Entwicklung sind in erster Linie organisatorische und technische Gründe maßgebend. Bei der Verteidigungsplanung und ihren Kosten muß auf eine Bewaffnung Gewicht gelegt werden, die der eines potentiellen Angreifers gleichwertig ist.
Die Höhe des deutschen Verteidigungsbeitrags - nämlich 52 Milliarden D-Mark - wird jährlich neu geprüft und jeweils den veränderten politischen, technischen, finanziellen und militärischen Bedürfnissen angepaßt. Deshalb ist eine genauere abschließende Finanzplanung für einen längeren Zeitraum nicht möglich. Die Umstände, die den Finanzbedarf im einzelnen bestimmen, wandeln sich ständig.
Ich mache eine persönliche Zwischenbemerkung: im Augenblick ist die NATO in einer völligen Umrüstung begriffen.
Die Bundesregierung hat einer modernen Bewaffnung der Bundeswehr grundsätzlich zugestimmt; sie hat sich aber vorbehalten, die Einzelheiten jeweils zu prüfen und festzustellen, inwieweit die notwendigen Maßnahmen wirtschaftlich und finanziell tragbar sind. Die Bundesregierung ist sich dabei bewußt, daß die Verteidigung der Freiheit erhebliche materielle Anstrengungen erfordert. Sie ist entschlossen, ihre internationalen Verpflichtungen zur gemeinsamen Verteidigung der Freiheit zu erfüllen. Dabei hofft sie, daß internationale Abmachungen so bald und so weit wie möglich zu einer allseitigen, kontrollierten Beschränkung der Rüstungen führen.
Die Bundesregierung lehnt - und damit antworte ich ausdrücklich auf das, was Herr Kollege Schmidt ({0}) heute morgen gefragt hat - eine Kreditschöpfung zu Rüstungszwecken durch Notenbankkredite ab. Auch läßt das Gesetz über die Deutsche Bundesbank eine solche Finanzierung nicht zu. Die letzte Entscheidung über die Höhe des Rüstungsaufwandes bleibt dem Parlament bei der
Verabschiedung der jährlichen Haushaltspläne vorbehalten. Darin liegt der Wille der Bundesregierung - das sage ich jetzt wieder privat -, das Deckungsprinzip unter allen Umständen zu respektieren.
Die Antwort der Bundesregierung auf die Frage 2 hat folgenden Wortlaut. Der Haushaltsausschuß und der Verteidigungsausschuß des Bundestags haben zugestimmt, daß die Bundesregierung zur Aufstellung einiger Einheiten mit Nike- und Matador-Flugkörpern außerplanmäßige Ausgaben bis zu 172 Millionen DM leiste.
Ich darf auf die Frage des Herrn Kollegen Schmidt ({1}) hier antworten: es ist eine Zustimmung zu außerplanmäßigen Ausgaben gewesen; der Haushaltsausschuß und der Verteidigungsausschuß haben hier zugestimmt.
Bei diesen Beschaffungen handelt es sich ausschließlich um Waffen zu Ausbildungszwecken mit konventionellen Gefechtsköpfen. Die an die Herstellerfirmen und Herkunftsländer hierfür zu zahlenden Aufwendungen werden aus den bisherigen Haushaltsansätzen dadurch entnommen, daß entsprechend andere Waffen nicht beschafft werden.
Ich beantworte die Frage 3. Für die Bundeswehr wurden bisher ausgegeben:
im Rechnungsjahr 1955 rund 0,1 Milliarde DM, im Rechnungsjahr 1956 rund 3,4 Milliarden DM, im Rechnungsjahr 1957 rund 5,5 Milliarden DM,
insgesamt also rund 9 Milliarden DM.
Daneben sind in den Rechnungsjahren 1955 bis 1957 folgende Zahlungen für restliche Besatzungskosten, Stationierungskosten und gegenseitige Verteidigungshilfe gemäß Art. 3 des Nordatlantikpakts geleistet worden:
1955 3,78 Milliarden DM,
1956 1,69 Milliarden DM,
1957 1,2 Milliarden DM,
insgesamt 6,67 Milliarden DM.
Ich komme zur Frage 4 nach den Ausgabenresten. Die Ausgabenreste, d. h. die gesetzlich bewilligten, aber nicht ausgegebenen Haushaltsansätze der Rechnungsjahre 1955, 1956 und 1957, betrugen am 31. März 1958 rund 6 Milliarden DM.
Zu Frage 5: Die Bindungsermächtigungen ändern sich jährlich, da die Bindungsermächtigungen des Vorjahrs fortlaufend durch Haushaltsansätze des nachfolgenden Haushaltsplans abgelöst werden. Die Gesamthöhe der Bindungsermächtigungen des Haushaltsjahrs 1957 betrug 15 222 494 400 DM. Die Gesamthöhe ermäßigt sich nach dem Entwurf des Haushaltsplans 1958 geringfügig auf 15 216 663 700 DM.
Die Frage 6, die sich nur auf die Verwendung der Ausgabenreste und der Bindungsermächtigungen bezog und nicht, wie Herr Kollege Schmidt heute morgen meinte, auf das Ganze, wird entsprechend diesem Inhalt der Frage wie folgt beantwortet. Die Ausgabenreste und Bindungsermächtigungen werden im Laufe der folgenden
Bundesfinanzminister Etzel
Haushaltsjahre zu tatsächlichen Kassenausgaben. Im Jahre 1958 soll der beantragte Gesamtrahmen von 10 Milliarden DM kassenmäßig nicht überschritten werden. Auch die Haushaltsansätze für die folgenden Rechnungsjahre sollen auf den erwarteten tatsächlichen Kassenbedarf abgestellt werden. Der Einzelplan 14 des Verteidigungsministeriums für 1958 enthält einen entsprechenden Haushaltsvermerk:
Ausgaben aus übertragenen Bewilligungen früherer Jahre dürfen geleistet werden, soweit ihnen entsprechende Minderausgaben im Rahmen der veranschlagten Gesamtausgabe von 10 Milliarden DM gegenüberstehen.
Ich möchte hier wiederum klarstellen, und zwar auf eine Bemerkung von Herrn Kollegen Schoettle in der Haushaltsdebatte, daß diese meine Notiz durchaus ernst gemeint ist und daß hier nicht wieder der Fuß zwischen die Tür gestellt werden soll. Es ist genauso gemeint, wie es dort expressis verbis steht.
Zu Frage 7: Der Abfluß der Kassenmittel richtet sich - das ist die obere Begrenzung - nach der in die Haushaltspläne der kommenden Jahre einzusetzenden Deckung. Ich wiederhole den Satz, weil er sehr wichtig ist: Der Abfluß der Kassenmittel richtet sich - das ist die obere Begrenzung - nach der in die Haushaltspläne der kommenden Jahre einzusetzenden Deckung. Die Haushaltspläne der kommenden Jahre werden wie bisher nach Art. 110 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes in Einnahmen und Ausgaben auszugleichen sein.
In diesem Rahmen richtet sich der Abfluß der Kassenmittel nach dem Fortschritt des Baues der Truppenunterkünfte, Übungsplätze, Flugplätze und der sonstigen baulichen Anlagen. Entsprechend dem Fortschritt dieser Bauten werden die Soldaten einberufen und die Beschaffungen durchgeführt. Bei den Beschaffungen läßt sich vor Abschluß der einzelnen Beschaffungsverträge nicht der Zeitpunkt für die Auslieferung der Waffen und des Geräts und damit auch nicht der Zeitpunkt für die Bezahlung vorausberechnen. Daher ist es weder möglich noch zweckmäßig, einen Gesamtzahlungsplan für einen Zeitraum aufzustellen, für den der Zeitpunkt der Fertigstellung der Bauten und der Auslieferung von Waffen und Gerät zu unbestimmt ist.
Eine den Anspruch auf Richtigkeit erhebende Gliederung in Inlandsausgaben und Auslandsausgaben ist nicht möglich; denn bei den abzuschließenden Verträgen werden Angebote von den verschiedensten Stellen eingeholt, und erst der Vergleich der Angebote nach Qualität, Preis, Lieferfähigkeit und Nachschubmöglichkeit ermöglicht den Zuschlag. Es läßt sich voraussehen, daß bei dem sogenannten harten Gerät die Lieferungen wie bisher überwiegend aus dem Ausland kommen und die Kassenmittel dorthin fließen werden.
Zur letzten Frage, Frage 8: In der deutschen Finanzgeschichte gibt es kein Beispiel dafür, daß aus dem absoluten Nichts eine moderne, volltechnisierte Bundeswehr aufgebaut wird.
Die Bauten für Kasernen, Übungsplätze und international benutzte Flugplätze sowie die Entwicklung und Beschaffung von modernen Waffen und sonstigem modernem Gerät erfordern für die meisten Einzelmaßnahmen einen längeren Zeitraum als ein Haushaltsjahr. Daher entstehen zwangläufig erhebliche Ausgabenreste.
Bei mehrjährigen Vorhaben werden vom Deutschen Bundestag in den Haushaltsplan nur die Erstansätze aufgenommen. Um jedoch einen Überblick über die in den Erstansätzen liegenden Vorbelastungen der künftigen Haushaltspläne zu haben, werden die zweiten, dritten und Anschlußansätze in der Form von Bindungsermächtigungen in die Erläuterungen des Haushaltsplans aufgenommen. Dieses System entspricht den Vorschriften der §§ 8, 13 und 30 der Reichshaushaltsordnung.
Die Ausgabenreste und Bindungsermächtigungen sind in den ersten Haushaltsplänen seit dem Beginn der Aufstellung der Bundeswehr angewachsen und werden in der zweiten Hälfte der Aufstellung der Bundeswehr durch einzusetzende Deckungsbeträge und Haushaltsansätze wieder abgebaut, so wie ich es schon in meiner Haushaltsrede gesagt habe. Nach Beendigung der Aufstellung und Ausrüstung der Bundeswehr werden Ausgabenreste und Bindungsermächtigungen einen normalen Stand wie in anderen Einzelplänen des Haushaltes haben.
Soweit die Antwort der Bundesregierung.
({2})
Zur Ergänzung der Antwort der Bundesregierung hat das Wort der Herr Bundesminister für Verteidigung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Antwort auf die in der Großen Anfrage der SPD gestellten konkreten Fragen ist von dem Herrn Bundesminister der Finanzen für die Regierung erteilt worden. In der Begründung der Großen Anfrage hat Kollege Schmidt noch einige Probleme aufgerollt und einige Fragen gestellt, die im Zusammenhang mit dem Gesamtthema stehen, die aber bei der Lektüre der Anfrage selbst nicht von vornherein bekannt sein konnten. Ich darf deshalb vielleicht einige erläuternde Bemerkungen machen zu den Ausführungen, die Kollege Schmidt in der Begründung der Großen Anfrage gemacht hat, und zu den Fragen, die er bei dieser Begründung gestellt hat.
Er hat seine Ausführungen darauf abgestellt, daß die erste Planung von 500 000 Soldaten in drei Jahren aus einer Reihe von Gründen nicht einzuhalten war, in erster Linie aus Gründen der Unterbringung, aber sicherlich auch aus einer Reihe von anderen Gründen. Es ist richtig, und es ist auch den Fragestellern bekannt, daß nach Ablauf etwa eines Jahres nach Inkrafttreten der Verträge vom 5. Mai 1955 so viel Erfahrungen gesammelt waren, daß man die ursprüngliche, theoretisch aufgestellte Planung den tatsächlichen Gegebenheiten und den naturgemäß vorhandenen, zum Teil aber
Bundesverteidigungsminister Strauß
auch künstlich geschaffenen Schwierigkeiten anpassen konnte. Diese Planung ist so geändert worden, daß für den Aufstellungszeitraum vom 1. Januar 1956 bis zum 31. März 1961, also für fünf Jahre und drei Monate, die Bundeswehr etwa 340 000 Mann umfassen sollte.
Wie Kollege Etzel ausgeführt hat - ich möchte das im einzelnen noch etwas genauer sagen -, vollzieht sich die Aufstellung der Bundeswehr programmgemäß, organisch ohne wesentliche Änderungen seit dem Oktober 1956 bis heute nach den gegenüber der NATO angegebenen Zahlen und Terminen, also nach dem damals aufgestellten Programm. Es kann keine Rede davon sein, daß nach der ersten großen Revision im Herbst 1956 nun eine zweite große Revision des Programms, wiederum wegen einer fehlerhaften Kalkulation und einer Unterschätzung der Schwierigkeiten, notwendig werde. Kollege Schmidt hat heute eine sichere Prognose aufgestellt, daß nun der zweite Sprung nach unten von 350 000 Mann auf 250 000 Mann käme. Ich weiß nicht, ob Sie in dem Zusammenhang vielleicht auch die Zahl der Jahre vermehren wollen.
({0})
- Nach meiner Erinnerung haben Sie davon gesprochen, daß auch die neue Planung nicht einzuhalten ist und daß nach Ihrer Schätzung eine Verminderung auf vielleicht 250 000 notwendig sein wird. Wenn Sie es anders gesagt hätten, brauchte ich es ja nicht aufzugreifen. Ich darf hier feststellen, daß diese Prognose falsch ist, daß sie nicht den Tatsachen entspricht. Wir haben seit dem Oktober 1956 sämtliche Aufstellungstermine eingehalten; wir haben die damals aufgestellten Pläne im großen und ganzen mit geringfügigen Änderungen auch erfüllt. Ein Zuwachs der Bundeswehr von jährlich 60 000 bis 70 000 Mann, wie er nunmehr seit Oktober 1956 eingetreten ist, ist möglich, ist technisch durchzuführen, bringt keine Strukturgefahr und wirft keine unlösbaren Probleme auf. Diese zweite große Revision wird also nicht kommen. Wenn man nach dem Gesetz der Kürzung um 40 % alle zwei Jahre fortfahren würde, käme man nach 250 000 Mann eines Tages mit 60 % von 250 000 Mann, und damit wäre dann vielleicht der Stand erreicht, der aus anderen Gründen von Ihnen als wünschenswert geschildert wird. Die Planung von 350 000 Mann wird also eingehalten.
Ich möchte hier, wie ich es bereits im Ausschuß aus einem anderen Anlaß vor der Öffentlichkeit getan habe, wiederholen, daß die Gesamtaufstellung der Bundeswehr mit dem 1. April 1961 nicht abgeschlossen ist. Bis zum 31. März 1961 wird im großen und ganzen das Heer in seiner Friedenssollstärke aufgestellt sein, darunter, so wie die Pläne bis jetzt sind, die 12 Divisionen. Es wird nach dem 1. April 1961 vielleicht nur mehr geringfügig um einige ergänzende und unterstützende Einheiten
vergrößert werden. Ich habe immer erklärt, daß die Aufstellung der Marine und der Luftwaffe aus technischen Gründen, die sowohl im Ausbildungsprogramm wie in Beschaffungsschwierigkeiten und in der raschen technischen Entwicklung liegen, in die Jahre 1962 und 1963 hineinreichen wird. So ist die Planung aufgestellt worden, so ist sie mit dem Finanzminister, so ist sie auch mit der NATO abgesprochen worden, und so wird sie auch Schritt für Schritt zu einem organischen Wachstum der Bundeswehr durchgeführt.
Ich darf einen weiteren von Kollegen Schmidt angeschnittenen Punkt berühren. Er hat davon gesprochen, daß der Bundesverteidigungsminister über ein Dispositiv von 30 Milliarden DM verfüge. Das ist nicht richtig, Kollege Schmidt. Denn Bindungsermächtigungen sind keine Ausgabenberechtigungen. Bindungsermächtigungen sind Ausrufezeichen. Bindungsermächtigungen sind Mahnungen daran, daß ein Programm, das sich über mehrere Jahre erstreckt, begonnen worden ist und daß bei der Aufstellung der folgenden Haushaltspläne die Fortsetzung dieses Programms natürlich einkalkuliert werden muß. Aber Bindungsermächtigungen enthalten keine Ausgabenberechtigung.
({1})
- Es gibt ja Programme, Kollege Schoettle, die sich über mehrere Jahre erstrecken sollen.
({2})
Die Aufstellung einer Planung, die Sie endlich haben wollen, ist ohne das System der Bindungsermächtigungen überhaupt nicht möglich.
({3})
Wenn Sie gegen Bindungsermächtigungen sind, sind Sie damit auch gegen die Aufstellung jeglicher Planung.
({4})
Nein, ich stelle hier nur sachlich richtig. Kollege Schmidt hat von einem Ausgabendispositiv von 30 Milliarden DM gesprochen. In diesen 30 Milliarden DM, die er angeführt hat, sind 15 Milliarden DM Bindungsermächtigungen enthalten, die kein Ausgaberecht darstellen; das wissen Sie sehr genau. Andererseits wird von Ihrer Seite hier in diesem Hause wie in der Öffentlichkeit schon immer sehr heftig gegen Bindungsermächtigungen polemisiert. Ich erlaube mir, hier festzustellen, daß eine sehr vorsichtige, in Umrissen gehaltene Aufstellungsplanung ohne Bindungsermächtigungen überhaupt nicht möglich ist. Wer eine Planung verlangt, muß dem System der Bindungsermächtigungen zustimmen, und wer gegen Bindungsermächtigungen ist, nimmt sich selber damit auch die Möglichkeit, eine Planung zu verlangen.
({5})
Das eine schließt das andere naturgemäß aus.
Bundesverteidigungsminister Strauß
Aber dieses Dispositiv des Verteidigungsministers beträgt auch nicht den jährlichen Haushaltsansatz plus die Haushaltsreste - auch das geht zu weit -, sondern beträgt das, was im Einvernehmen mit dem Finanzminister als Deckung im Haushaltsplan eingesetzt ist und vom Parlament als Deckungssumme beschlossen ist.
Bei einer Aufstellungsplanung, die sich über fünf Jahre, zum Teil aber vielleicht sogar in das siebente Jahr hinein erstreckt, ist es natürlich notwendig, daß Ausgaben kassenmäßig bedient werden, die im Haushaltsplan 1956 aufgeführt waren, aber aus irgendwelchen Gründen - Änderungen der Planung, technischen Schwierigkeiten, sonstigen Schwierigkeiten - im Jahre 1956 nicht voll geleistet werden konnten, die aber dann im Jahre 1957 oder 1958 anfallen. Wenn sie aber im Jahre 1957 oder jetzt im Jahre 1958 aus früheren Haushalten anfallen, so hat sich der Verteidigungsminister mit dem einverstanden erklärt, was Sie in dem Vorspruch zum Haushaltsplan 1958, Einzelplan 14, finden. Das sollte doch gerade von Kollegen Schmidt gebilligt werden, das sollte ja gerade mit Beifall akzeptiert werden diese Einschränkung, daß der Verteidigungsminister sich verpflichtet, im Haushaltsjahr 1958 keine Ausgaben zu leisten, die über die Deckungssumme von 10 Milliarden DM hinausgehen; und wenn er Ausgaben leistet aus den Haushaltsansätzen der vergangenen Jahre 1956 und 1957 - ich weiß nicht, ob 1955 noch etwas darin ist -, dann verpflichtet er sich, von den Ansätzen für das Jahr 1958 so viel nicht zu bedienen, wie er aus den vergangenen Haushalten noch bedienen will, um die Gesamtdeckungssumme von 10 Milliarden DM nicht zu überschreiten.
Ich glaube, das ist ein System, das so vorsichtig abgesprochen und so vorsichtig abgewogen ist, daß - um hier nur eine Tatsache festzustellen - irgendwelche Überraschungen finanzpolitischer Art, geschweige denn wirtschafts- oder konjunkturpolitischer Art oder anderer Art daraus überhaupt nicht entstehen können.
({6})
Kollege Schmidt hat fernerhin erklärt, der Finanzminister Etzel strebe eine Streichung der Ausgabenreste an. Das ist nicht richtig. Er strebt nicht eine Streichung der Ausgabenreste generell an, sondern er strebt an - und darin haben wir uns 'ebenfalls geeinigt -, daß die Ausgabenreste gestrichen werden, soweit sie nicht in die folgenden Jahre hinein übergeführt werden müssen. Wenn z. B. im Haushaltsjahr 1955, 1956 und jetzt 1957 in den Haushaltsplänen bestimmte Ausgaben für Personalien, Löhne, Gehälter und ähnliche Dinge vorgesehen waren, so braucht man die nicht in das Jahr 1958 und 1959 zu übertragen. Das macht eine Summe von 600 Millionen DM. Darum hat der Finanzminister in seiner Etatrede die Ausgabenreste per 31. März mit 6 Milliarden DM beziffert. Er würde sie per Anfang April mit 5,4 Milliarden DM bezeichnen müssen, weil die 600 Millionen DM Ausgabenreste tatsächlich wegfallen, da kein Anlaß besteht, sie noch in die folgenden Haushaltsjahre zu übertragen. Bei den anderen Haushaltsresten hat der Verteidigungsminister die Möglichkeit, die damals vorgesehenen Ausgaben vorzunehmen, d. h. die damaligen Programme schrittweise zu erfüllen. Er muß aber, soweit sie den Betrag von 10 Milliarden DM im Haushaltsjahr 1958 überschreiten, aus dem Haushaltsansatz 1958 das nicht bedienen - wenn ich den Ausdruck gebrauchen darf -, was damit in der Gesamtsumme dann über 10 Milliarden DM hinausgehen würde.
Es ist auch nicht richtig, wenn Kollege Schmidt sagt, eine Deckung von 10 Milliarden DM für insgesamt 15,5 Milliarden DM mache das Kontrollrecht des Parlaments illusorisch; oder Sie sagen jetzt auf einmal umgekehrt, Kollege Schmidt, es sei bedauerlich, daß der Verteidigungsminister die 16 Milliarden DM, die das Parlament in der Addition seiner Beschlüsse zur Verfügung gestellt hat, jetzt nicht ausschöpfen könne. Er müßte eigentlich die 16 Milliarden DM ausgeben können; er kann aber nur 10 Milliarden DM ausgeben; also sei der Wille des Parlaments illusorisch gemacht. - Ich glaube, das wäre doch wirklich keine stichhaltige Argumentation. Es sind 16 Milliarden DM an Ausgaben aus der Vergangenheit und im Haushaltsjahr 1958 vorgesehen; aber im Haushaltsjahr 1958 können von den 16 Milliarden oder richtig gesagt 15,4 Milliarden DM nur 10 Milliarden DM tatsächlich ausgegeben werden. Was jedoch ausgegeben wird, ist ja in den Haushaltsplänen vorgesehen. Man kann also nicht sagen, daß das Kontrollrecht des Parlaments illusorisch wird, wenn von 16 oder 15,4 Milliarden DM theoretischer Ausgabenberechtigung in Wirklichkeit nur 10 Milliarden DM ausgegeben werden. Was unter den Begriff der 10 Milliarden DM fällt, liegt ja in den Haushaltsplänen fest, ist vom Parlament genehmigt, und wenn davon abgewichen werden soll wie bei den Matador-Flugkörpern, werden die zuständigen Ausschüsse dazu um ihr Votum gebeten, um eine haushaltsrechtlich einwandfreie Lösung zu ermöglichen, eine andere Lösung, als wir sie uns ursprünglich vorgestellt haben, aber eine Lösung, die nach Aussage der Experten hieb-und stichfest ist.
Es ist auch nicht so, daß die Programme für Panzerwagen, Flugzeuge und Schiffe in größter Eile in der Camera obscura bewilligt worden seien, also in einem verdunkelten Raum. Denn alles, was auf dem Wege der Vorwegbewilligung beschlossen worden ist, ist in den folgenden - gedruckten - Haushaltsplänen als ein echter Posten eingesetzt und mit den entsprechenden Kürzungen auch tatsächlich bewilligt worden.
Kollege Schmidt stellt mit Recht fest, daß von den 15 Milliarden DM Bindungsermächtigungen nur 3 Milliarden DM ausgenutzt worden sind, daß sie also nicht nötig gewesen seien. Dann ist aber die Feststellung, sie seien nicht nötig gewesen, unzutreffend. Gerade die Bindungsermächtigungen sind notwendig, damit eine Planung aufgestellt werden kann. Ich gehe der Reihenfolge nach die Gesichtspunkte durch, die Kollege Schmidt genannt hat. Die Bindungsermächtigungen waren notwendig; sie sind ein Merkposten für die Zukunft, damit das
Bundesverteidigungsminister Strauß
Ministerium bei der Ausarbeitung des Haushaltsentwurfs, das Kabinett bei der Verabschiedung und der Haushaltsausschuß bei seinen Beratungen wissen, welche zukünftigen Belastungen durch die begonnenen Programme auftreten werden. Eine Reihe von Programmen zieht sich ja zwangsläufig immer über einen Zeitraum von mehreren Jahren hin. Dazu gehören sowohl Bauprogramme wie auch eine Reihe von technischen Beschaffungsprogrammen.
Kollege Schmidt hat sehr emphatisch die Kritik des Bundesrechnungshofs erwähnt. Ich darf mich daher mit dieser Kritik etwas auseinandersetzen. Ich darf zunächst feststellen, daß sich diese Kritik auf das Rechnungsjahr 1955 bezieht, also auf einen Zeitraum, in dem die allerersten Erfahrungen gesammelt werden mußten, in dem naturgemäß aus Mangel an Personal, aus Mangel auch an Ausbildung dieses Personals, aus Mangel an Erfahrung in diesen Dingen sicherlich manche Fehler, sicherlich auch Versäumnisse begangen wurden.
({7})
Aber es ist die Frage zu stellen, ob wir nicht Versäumnisse dadurch begangen haben, daß wir dieses Personal nicht rechtzeitig schon vor der Aufstellung der Bundeswehr bewilligt haben, um dann mit den Aufstellungsterminen einigermaßen nach den politischen und sonstigen Notwendigkeiten vorangehen zu können.
Der Rechnungshof muß bei der Beschaffung naturgemäß die wirtschaftlichste Lösung empfehlen. Aber ich darf feststellen, daß gerade aus der Mitte dieses Hauses - durchaus mit Recht; ich möchte dem gar nichts entgegensetzen - Wünsche geäußert und Beschlüsse gefaßt worden sind, die dem Prinzip der absoluten Wirtschaftlichkeit widersprechen. Denn die Berücksichtigung - um für die Beschaffung von weichem Gerät nur ein paar Beispiele zu nennen - von Notstandsgebieten, Zonengrenzgebieten, die Berücksichtigung von Mittelstandsbetrieben, die Berücksichtigung von Flüchtlingsbetrieben, die Berücksichtigung von Betrieben Schwerversehrter - lauter anerkennenswerte und notwendige Vorhaben - steht naturgemäß im Widerspruch zu dem Prinzip der chemisch reinen Wirtschaftlichkeit, die ohne Rücksicht auf alle sozialen Härten oder wirtschaftlichen Wünsche durchgeführt werden müßte.
({8})
Aber gerade der Verteidigungsminister hat sich bemüht, den Wünschen des Mittelstandes, den Wünschen aus dem Bereich der heimatvertriebenen Wirtschaft, den Wünschen aus dem Bereich der Schwerversehrten so weit wie möglich, soweit er es noch mit seinem Gewissen und seiner Regreßpflicht in Einklang bringen konnte, gerecht zu werden, und diese Wünsche sind von Abgeordneten aller Fraktionen an ihn herangetragen worden.
({9})
Daß es nur in einem partiellen Umfang möglich war, sei nicht bestritten. Aber wenn er es getan hat, dann darf er nicht nachher deshalb getadelt werden, daß er nicht nach den Grundsätzen der
chemisch reinen Nützlichkeit gehandelt habe. Da ließen sich dann durchaus andere Maßstäbe aufstellen. Da ließe sich sicherlich manche Mark im absoluten Sinne einsparen. Aber es geht nicht nur um die Mark im absoluten Sinne; es geht auch noch um andere Dinge, wie ich sie soeben erwähnt habe: Hilfe für bestimmte Gebiete, für bestimmte Personenkreise oder zumindest ihren Anteil an den Aufträgen für die Ausrüstung der Bundeswehr. Das muß gegeneinander abgewogen werden. Hier kann auch der Verteidigungsminister nicht ein Exekutivorgan des Bundesrechnungshofs werden, wenn ich das hier in allem Freimut und bei voller Anerkennung der geschätzten Tätigkeit des Bundesrechnungshofes sagen darf.
Der Hauptvorwurf des Bundesrechnungshofs richtet sich gegen die sogenannte Kopflastigkeit im Aufbau der Bundeswehr, alles bezogen auf das Jahr 1955/56. Die Denkschrift stammt vom 4. Juli 1957, blickt also nunmehr schon auf das Alter von neun Monaten zurück. Die Kopflastigkeit ist dadurch bedingt, daß bei der Einstellung von Ausbildungspersonal und von Führungspersonal immer so lange ein bestimmter Vorlauf eingehalten werden muß, bis die Friedens-Sollstärke erreicht ist. Man kann durchaus über die Zweckmäßigkeit von Stellen höherer Art mehr oder weniger diskutieren, aber daß ein Vorlauf notwendig ist, steht außer jedem Zweifel. Unsere gesamten Stäbe für die Bundeswehr, seien es die militärischen, seien es die Truppenstäbe, seien es die höheren Kommandostäbe, seien es die entsprechenden Organisationen im Ministerium, sind, auch proportional gesehen, wesentlich geringer als alles, was an Vergleichbarem mit dem Ausland angeführt werden kann. Die amerikanischen, englischen und französischen Stäbe sind wesentlich stärker besetzt als die deutschen Stäbe aller Art. Man kann hier auch nicht die Vergleichszahlen der Reichswehr anführen. In der Vergangenheit ist das Stichwort „Umrüstung" sehr stark von der Opposition in der politischen Debatte verwendet worden. Die Technisierung - und nicht nur die Technisierung mit einem langsamen Entwicklungstempo, sondern mit einer, ich möchte beinahe sagen, nach dem Tempo der geometrischen Progression gesteigerten Entwicklung - bringt es mit sich, daß heute eine unverhältnismäßig höhere Zahl von technischem, militärischem und Verwaltungspersonal für die Aufstellung und den Unterhalt einer Streitkraft erforderlich ist, als es jemals früher der Fall gewesen ist, und bis die Friedenssollstärke erreicht ist, muß ein bestimmter Vorlauf eingehalten werden. Wie groß er zu sein hat oder nicht zu sein hat, ist eine andere Frage.
Dann sei auch nicht vergessen - das Wort könnte leicht mißverstanden werden, ich sage es trotzdem, weil es eine objektive Feststellung ist -, daß der Gesundheitszustand einer Reihe von führenden militärischen und technischen Mitarbeitern im Verteidigungsministerium fürchterlich schlecht ist. Das ist zum Teil auf die Überlastung zurückzuführen, zum Teil auch darauf, daß wir den weitaus höchsten Prozentsatz an Kriegsbeschädigten aller Beschädigtengrade eingestellt haben, Menschen, bei deren Arbeitsleistung man ja auch das Ausmaß
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ihrer körperlichen Schwäche mit berücksichtigen muß, obwohl sich gerade dieser Kreis in der Pflichterfüllung nichts nachsagen läßt.
Der Bundesrechnungshof hat Schwierigkeiten bei der Gebührniszahlung angeführt. Es ist das Wehrersatzwesen kritisiert worden. Wir haben ja bei der Umstellung der Gesamtplanung im Oktober 1956 die Planungen im Wehrersatzwesen selbst erheblich reduziert. Was hier beanstandet wird, ist die ursprüngliche Planung, ist aber nicht mehr das, was jetzt an Wehrersatzwesen noch aufgebaut worden ist, ist ja im Umfang gering genug. Der Bundesrechnungshof hat auch die Umstellung des sogenannten Beschaffungsamtes, der Abteilung 11 des Verteidigungsministeriums, in ein Amt für Wehrtechnik und Beschaffung und hier den Übergang vom Funktionsprinzip zum Geräteprinzip ausdrücklich als eine begrüßenswerte und positive Maßnahme anerkannt. Es ist nicht richtig, daß das Gutachten des Bundesrechnungshofs nur negative Punkte enthält, wie man naturgemäß aus der Rede eines Oppositionsabgeordneten entnehmen muß. Der Bundesrechnungshof wendet sich sehr stark gegen die dezentrale Beschaffung. Ich bin nicht ganz der Auffassung des Bundesrechnungshofs. Wenn Sie zu Hause bei Ihren Landesregierungen und in Ihren Wahlkreisen fragen, welche territorialen, regionalen Wünsche dort vorliegen, dann werden Sie hören, daß jede Landesregierung, gleichgültig, wie sie zusammengesetzt ist und welche Koalition sie bildet, den Wunsch hat, daß die Wirtschaft ihres Landes in einem entsprechenden Anteil an dem Gesamtbeschaffungswesen der Bundeswehr beteiligt wird. Das ist aber wieder mit dem Prinzip der rein zentralen Beschaffung nicht vereinbar. Wir haben deshalb trotz der Bedenken des Bundesrechnungshofs die Beschaffung bei dem weichen Gerät weitgehend dezentralisiert. Wir haben gewisse Bremsen eingebaut insofern, als Vergleichsangebote noch aus einem zweiten Land eingeholt werden müssen, und ferner dadurch, daß bei Aufträgen von einer bestimmten Größe die Zustimmung des Amts für Wehrtechnik und Beschaffung eingeholt werden muß.
Aber es war der ausgesprochene Wunsch der Landesregierungen, daß auch die Wehrbereichverwaltungen und die Wehrbereichkommandos ein Beschaffungsrecht bekommen und daß nicht alles zentral von einer Stelle aus beschafft wird. Ich glaube, diese Kritik am Verteidigungsministerium wäre genauso groß, wenn nicht noch größer ausgefallen, wenn das System der zentralen Beschaffung sozusagen chemisch rein durchgeführt worden wäre.
Was die Entwicklungsaufträge anbetrifft, so herrschen zwischen uns und dem Rechnungshof zum Teil verschiedene Auffassungen. Aber eine Rüstung läßt sich nicht so aufbauen, daß man auf den Markt geht und sich aussucht, was man haben will. Auf bestimmten Gebieten, vor allen Dingen dann, wenn man der technischen Entwicklung Rechnung tragen muß, müssen Entwicklungsaufträge gegeben werden, z. B. für Zerstörer, für U-Boote, die sich über eine Reihe von Jahren erstrecken und wo die technischen und militärischen Gesichtspunkte eben andere sein müssen als die des Bundesrechnungshofs. Der Bundesrechnungshof soll ruhig sein Ausrufezeichen,
seine Warnung sagen. Wir können aber seine Hinweise nicht auf allen Gebieten und nicht in allen Einzelheiten beachten, wenn wir nicht wieder gegen grundsätzliche, schwerwiegende Interessen anderer Art verstoßen wollen. Ich bin auch nicht der Auffassung - und bin nach den bisherigen Erfahrungen nicht von dieser Auffassung abgewichen -, daß z. B. der vom Rechnungshof gewünschte Selbstkostenerstattungspreis das wirklich wirtschaftliche System ist. Es hat sich in einer Reihe von Fällen gezeigt, daß das System des Festpreises, wenn man Vergleichsmöglichkeiten unter verschiedenen inländischen und ausländischen Lieferanten hat, dem Konkurrenzprinzip viel stärker Rechnung trägt als ein Selbstkostenerstattungssystem, das geradezu oft eine Attraktion für eine kostspielige Kalkulation bietet, die in jeder Einzelheit nachgeprüft werden muß, die wieder eines ganzen Stabes von Experten und Fachleuten bedarf, welche aber auch nicht in der Lage sind, bei den Tausenden von Geräten, bei den Millionen von Teilen - es sind 5 oder 6 Millionen Teile insgesamt - die Kalkulation in allen Einzelheiten wirklich stichhaltig nachzuprüfen.
Ich darf noch einen weiteren Punkt anführen, den Kollege Schmidt erwähnt hat, nämlich den Sparerlaß. Hier hat er in sehr dramatisierender Weise gesagt, die Schuld trage die Regierung und sie solle jetzt nicht den Beamten Strafen dafür androhen, daß sie die Weisung der Regierung ausführen. Entweder hat der Kollege Schmidt den Sparerlaß nicht gelesen und kennt ihn nicht, oder er hat ihn nicht verstanden, oder er hat seinen Sinn hier falsch wiedergegeben. Der Sparerlaß sagt nichts dagegen, daß Beamte die Planungen ausführen sollen. Der Sparerlaß wendet sich am Ende des Haushaltsjahrs gegen den Unfug, wie er gerade im staatlichen Beschaffungssystem häufig vorkommt, gegen die Torschlußpanikkäufe, mit denen der Haushaltstitel ausgeschöpft werden soll.
({10})
Wenn Torschlußpanikkäufe getätigt werden, nur um den Haushaltstitel auszuschöpfen, dann betrachtet der Verteidigungsminister das als eine Sünde am Steuerzahler, als eine Fehlverwendung von öffentlichen Geldern.
({11})
Wenn die Titel auf bestimmten Gebieten nicht sinnvoll ausgegeben werden können, dann mögen sie am Ende des Jahres entweder auf das neue Jahr übertragen werden oder in anderen Fällen wegfallen. Wo Torschlußpanikkäufe von Revisionen festgestellt werden, werden sie geprüft und die dafür Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Um sie aber vorsorglich davor zu bewahren, ist diese Warnung am Ende des Haushaltsjahres erschienen, diesen Unfug bei dem großen Finanzvolumen des Verteidigungsministeriums nicht nachzuahmen, wie er ohne Zweifel als eine ständige Gefahr gerade im Beschaffungswesen der öffentlichen Hand mit seinen Jahresplänen festzustellen ist. Der Wortlaut dieser Formulierung, Herr Kollege Schmidt, die Sie heute so dramatisch verwendet haben, stammt gerade von den Beamten - ich möchte
Bundesverteidigungsminister Strauß
mich hier nicht hinter sie, sondern vor sie stellen; ich stehe selbstverständlich zu dem Wortlaut -, die ihrerseits zur Rechenschaft zu ziehen wären, wenn solche Fehlverwendungen vorgekommen wären. Ich glaube, man kann dem Grundsatz, Torschlußpanikkäufe zu verhindern, nur zustimmen und einen solchen Sparerlaß nicht kritisieren, jedenfalls nicht mit Recht kritisieren.
Sie haben gefragt: Warum werden in Koblenz nur kleine Fische gefangen? Wir haben den Untersuchungen der Staatsanwaltschaft in jeder nur denkbaren Weise Unterstützung gewährt. Wir haben in jeder für uns überhaupt nur möglichen Weise an der Aufklärung dieser Vorfälle mitgewirkt. Es ist ein eigenes Dezernat im Verteidigungsministerium eingerichtet worden.
Gott sei Dank ist es nun etwas ruhiger geworden. Aber ich möchte in diesem Zusammenhang doch auch etwas anderes sagen. In diesem Amt in Koblenz - jetzt Amt für Wehrtechnik und Beschaffung - sitzen so viele untadelige Offiziere, Beamte, Angestellte und Arbeiter, daß die Mitarbeit in diesem Amte nicht schon wegen der Verfehlung einzelner als eine moralische Belastung oder gar als eine Herabsetzung für diese anderen gewertet werden darf.
({12})
Man soll auch hier mit gerechten Maßstäben messen. Wenn sich in einem großen Amt in Bonn - ich glaube, es war das Besatzungskostenamt - nach Zeitungsnotizen vor kurzem die klare Veruntreuung eines Betrags von 11/2, Millionen DM herausgestellt hat, wenn es in Nordrhein-Westfalen einen Bauskandal mit phantastischen Summen gibt - es sind in der Hauptsache wohl Besatzungsbauten -, dann möchte ich mich dazu nicht äußern, sondern nur feststellen: Der Gesamtumfang dessen, was sich bisher bei den Ermittlungen in Koblenz herausgestellt hat, macht nur einen Bruchteil dessen aus, was sich anderswo gezeigt hat. Der Radau aber, der darüber gemacht worden ist, ist genau umgekehrt proportional.
({13})
Anderswo wird zugedeckt, hier aber wird die geringste Kleinigkeit dramatisch aufgebauscht.
({14})
- Ich möchte doch bemerken: In einem der beiden Fälle, die ich vorhin genannt habe, nämlich bei dem Bauskandal in Nordrhein-Westfalen, konnte der Leiter der Bauabteilung nur gerade noch durch den § 51 des Strafgesetzbuchs vor der Staatsanwaltschaft gerettet werden. Hier war aber das Ausmaß der Berichterstattung, das Ausmaß der Kritik und das Ausmaß der echten oder künstlichen Entrüstung wesentlich geringer als bei den Vorfällen in Koblenz, wo bei 130 Verfahren nur ein Bruchteil dessen zur Debatte stand, was anderswo, nun ja, als eben leider vorhanden hingenommen worden ist.
({15})
- Nicht Strafverfahren, Ermittlungsverfahren! Ich bin gerne bereit, im Ausschuß darüber die genauen Einzelheiten vorzutragen.
Ferner hat Herr Kollege Schmidt von der Lobbyisten-Liste gesprochen. Ich würde wünschen, daß sich der Ausschuß für Verteidigung noch einmal mit diesem Problem befaßt und eine klare Definition dieses Begriffs gibt. Wir haben keinen Grund, die Lobbyisten-Liste nicht vorlegen zu wollen, nicht den geringsten Grund! Aber der Begriff „Lobbyist" wird so leichtfertig verwendet. Es gibt ja bei weitherziger Auslegung beinahe keinen Ministerpräsidenten, der nicht zu den Lobbyisten zu zählen wäre, keinen einzigen!
({16})
Es gibt sehr viele Abgeordnete, die sich, ohne daß deshalb ihr Name auch nur im geringsten in einen Mißkredit kommen darf, für Betriebe in ihrem Wahlkreis oder in ihrem Lande oder für bestimmte Personengruppen oder für bestimmte Schichten einsetzen.
({17})
Das ist ihr gutes Recht. Ich möchte auch kein Wort dagegen sagen. Darum bitten wir um eine Abgrenzung, um eine klare Definition des Begriffs „Lobbyist". Denn wir können nicht einfach die Namen all derer, die einmal im Ministerium vorgesprochen oder an das Ministerium geschrieben und um Berücksichtigung einer Firma gebeten haben, in alphabetischer Reihenfolge veröffentlichen. Wir haben auch keinerlei Apparat, um feststellen zu können, aus welchen Motiven sie es getan haben.
({18})
Da kann von eventuell unlauteren Motiven bis zu den einwandfreiesten Motiven der produktiven Abgeordnetentätigkeit alles gegeben sein.
({19})
Ich habe die Dinge nur einmal so dargestellt, wie sie sich uns bieten. Wir bitten um eine klare Definition des Begriffs „Lobbyist". Dann ließe sich durchaus darüber reden. Aber es darf nicht so dargestellt werden, als ob hier ein großer Vorhang vor einer geheimnisvollen Liste zugezogen würde.
Das Verteidigungsministerium hat am 1. Juli 1957 an den stellvertretenden Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses, den Kollegen Erler, einen Brief geschrieben, in dem unsere Stellungnahme zur Lobbyisten-Liste klar dargelegt worden ist. Ich darf mich vielleicht auf diese Bemerkungen beschränken.
Nun möchte ich noch zu einigen mehr oder minder grundsätzlichen Punkten Stellung nehmen. Das eine ist die Aufstellungsplanung und ihre Änderung. Ich habe von der einen großen Änderung gesprochen, die im Oktober 1956 erfolgen mußte. Seit dieser Änderung bestand kein Anlaß mehr, daran wesentliche Korrekturen vorzunehmen. Ich sage es hier jetzt aber ganz laut und deutlich, daß eine Revision erfolgen wird, nicht eine Revision deshalb, weil auch die zweite Planung irreal und uto1312
Bundesverteidigungsminister Strauß
pisch gewesen wäre, sondern deshalb, weil die von der NATO beschlossene Modernisierung der Schildstreitkräfte, die von sämtlichen NATO-Staaten im Grundsatz einstimmig angenommen worden ist, natürlich eine Änderung der Planung notwendig macht.
Das liegt nicht an der Fehlerhaftigkeit der bisherigen Planung, sondern das liegt an dem politischen Beschluß, den die Verteidigungsminister der der NATO angehörenden Staaten im Technischen und im Militärischen auszuführen haben. Dieser Beschluß bekennt sich im Grundsatz zur Modernisierung. Ich habe in Paris ebenso wie die anderen 13 anwesenden Verteidigungsminister die Modernisierung - wie Kollege Etzel vorher bekanntgegeben hat - im Auftrage der Bundesregierung im Prinzip angenommen, habe aber erklärt, daß alle technischen, wirtschaftlichen, finanziellen, organisatorischen und personellen Probleme zuerst im einzelnen geprüft werden müssen, damit uns das Ergebnis dieser Prüfung in die Lage versetzt, eine Neuplanung vorzunehmen, die die alte Planung mit dem Grundsatz der Modernisierung in Einklang zu bringen vermag. Beides soll, wie ich in Paris ausgeführt habe, dem Grundsatz Rechnung tragen, daß auch die Modernisierung der Streitkräfte mit der wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit der NATO-Staaten im Einklang stehen muß, damit nicht das, was an äußerer Sicherheit gewonnen wird, an innerer Stabilität verlorengeht.
({20})
Gerade aus dieser Überlegung heraus ist es nicht möglich, eine Rüstungsplanung am Beginntage für einen Zeitraum von fünf oder von sieben Jahren aufzustellen, eine Planung, die dann Abschnitt für Abschnitt in die Wirklichkeit überführt wird. Das mag für die Zeit von 1925 bis 1930 möglich gewesen sein; das mag auch noch für die Zeit von 1930 bis 1935 möglich gewesen sein. Aber eine technische Planung des Jahres 1953/54 ist heute überholt. Wenn man darauf Investitionen, Beschaffungen vornimmt, sei es aus dem Auslande, sei es aus dem Inlande, wird man erleben, daß die Planung noch vor der Auslieferung der bestellten Güter hinsichtlich ihres Umfangs, möglicherweise auch hinsichtlich ihrer Art hinfällig geworden ist, das Programm jedenfalls einer erheblichen Ergänzung bedarf. Das ist nicht eine Kritik an meinem Vorgänger. Er hat unter denselben Schwierigkeiten gelitten, die naturgemäß heute in jedem Verteidigungsministerium bestehen. Was vom damaligen Standpunkt aus durchaus zu Recht geplant worden ist, ist im Jahre 1957/1958 in der damaligen Fassung nicht mehr aufrechtzuerhalten.
Ich habe aber auch noch etwas anderes dazu zu sagen. Mit der Aufstellung einer Rüstungsplanung soll nicht der Anstoß gegeben werden, irgendwelche wirtschaftspolitische Dispositionen danach zu treffen. Teilen wir doch den Gesamtbereich der Beschaffungen einmal auf, das, was Geld kostet: Bauwesen, Beschaffung von Textilien, Beschaffung von weichem Gerät, von Unterkunftsgerät, und Beschaffung von hartem Gerät sowie Beschaffung von Verpflegung, die ja keine Schwierigkeiten macht.
Auf dem Bausektor hat das Verteidigungsministerium nie mehr als 21/2 Milliarden DM im Jahre, sogar weit darunter, zur Verfügung gehabt oder ausgegeben. Das heißt: was auf diesem Gebiet angefallen ist, was in diesem Jahre anfällt, was in den folgenden Jahren anfallen wird, hält sich im Rahmen der normalen Kapazität der Bauwirtschaft, die in keiner Weise überfordert wird. Überall in den deutschen Ländern außerhalb von NordrheinWestfalen haben wir eine gewisse Unterauslastung der Bauwirtschaft, die sehr an Aufträgen interessiert ist, weil sie genügend andere Aufträge nicht hat. Trotzdem lehnen wir den Grundsatz ab, daß Rüstungsaufträge eine Konjunkturspritze oder einen Konjunkturpuffer darstellen. Wir sind weder Sanitätsrat für die Wirtschaft noch eine Sanierungsorganisation, noch bieten wir eine Möglichkeit, auf einem Rüstungsauftrag bequem auszuruhen.
Was auf dem Gebiet der Fahrzeugindustrie, insbesondere auf dem Gebiet der schweren Fahrzeuge anfällt, ist angesichts des zu verzeichnenden Rückgangs des Bedarfs an Lastwagen und Fahrzeugen schwerer Art mühelos zu bewältigen. Dasselbe trifft zu für leichte Fahrzeuge. Bei den Unterkunftsgeräten - Möbel, Spinde, Aschenbecher usw. - gibt es überhaupt kein Kapazitätsproblem irgendwelcher Art, bei dem man einen Rüstungsplan bräuchte. Dasselbe gilt für Textilien. Bei schwerem Gerät ist eine Beschaffung sowieso nur mit einer langfristigen Planung, mit gezielten Spezialverhandlungen vor der Auftragsvergabe durchzuführen.
Ich wundere mich, daß man Ihrerseits immer einen Beschaffungsplan verlangt. Denn der Beschaffungsplan wird sonst gerade von denen verlangt, an deren wirtschaftspolitischem Gebaren der Kollege Schmidt und seine Freunde heftig Kritik üben. Wir wollen nicht haben, daß die Wirtschaft im Vertrauen auf sichere Rüstungsaufträge Dispositionen trifft, die ihre Tätigkeit außerhalb des Spiels der Marktwirtschaft und außerhalb des Spiels der Konkurrenz stellen.
({21})
Jetzt komme ich zu dem ominösen „Einvernehmen", Herr Kollege Schmidt. Wir haben einen solchen Übersichtsplan gegeben - einen Plan, der für Sie nicht neu ist; Sie kennen ihn ja aus den Ausschußberatungen seit Jahr und Tag, auch mit seinen jeweiligen Korrekturen -, wollten aber nicht, daß die interessierten Wirtschaftszweige diesen Plan sozusagen als Berechnungsgrundlage, als Kalkül, als Dispositionsbasis für ihre eigenen Investitionen benutzen. Wir wollen, daß die Deckung des zivilen Inlandsbedarfs, die Deckung der exportwirtschaftlichen Bedürfnisse durch Rüstungsaufträge nicht gestört wird. Das ist uns bisher im Einvernehmen mit dem Wirtschaftsministerium gelungen, und es besteht nicht der geringste Grund, anzunehmen, daß von der Bedarfsdeckungsseite her irgendwelche Störungen auftreten, etwa weil ein unerwarteter Stau auf einem Engpaßgebiet einträte. Wir wollen einen Bedarfsdeckungsplan nicht, erstens, weil er auf längere Sicht, über eine Reihe von Jahren sowieso technisch überholt ist, und zweitens,
Bundesverteidigungsminister Strauß
weil er zu falschen oder unerwünschten Dispositionen führen würde, wie ich eben in einigen Punkten auszuführen mich bemüht habe.
Herr Kollege Schmidt hat in dem Zusammenhang einige Einzelheiten gebracht. Wir haben die Bewilligungen des Parlaments natürlich nicht voll ausgenutzt, und es war richtig, sie nicht voll auszunutzen. Es war richtig, mit der Beschaffung von Rüstungsgütern so schrittweise vorzugehen, daß man sich bei dem Entschluß zum nächsten Schritt für den jeweils übernächsten Schritt noch nicht gebunden hat. Das bringt die Möglichkeit mit sich, die Bundeswehr in ihren Aufstellungsplanungen dem jeweiligen Stand der Technisierung anzupassen. Es bringt auch die Möglichkeit mit sich, Waffen und Gerät, die man infolge der Monopolstellung gewisser Firmen zu sehr hohen Preisen beziehen müßte, unter Ausnutzung freier Konkurrenzproduktion wesentlich billiger zu beziehen. Wir haben jetzt nicht alle Panzer für die Aufstellung der 12 Divisionen bestellt, weil wir auf dem Gebiet im Einklang mit der NATO und mit den übrigen Partnern der Westeuropäischen Union neue Pläne haben. Dasselbe gilt auf dem Gebiet der Flugzeuge. Das ist nicht Unsicherheit, nicht Entschlußlosigkeit, nicht Säumigkeit oder Geheimnistuerei, sondern das ist das ehrliche Streben, das Geld des Steuerzahlers so sparsam wie möglich und angesichts des geplanten Zwecks so sinnvoll wie möglich auszugeben.
({22})
Kollege Schmidt hat insbesondere die Ermächtigung auf dem Gebiet der Flugzeugbeschaffung kritisiert, die wir nur in sehr geringem Umfang ausgenutzt haben. Ich darf diesen Fall abschließend geradezu als ein Musterbeispiel darstellen. Wir haben einen Bedarf an weiteren Flugzeugen, gleichgültig, wie die technische Entwicklung läuft, für Ende 1959 / Anfang 1960. Die Entscheidung muß heute fallen, weil die Auslieferung auch schon der ersten sich über zwei Jahre erstreckt. Damit ist zunächst die Frage zu prüfen: Inland oder Ausland. Wir wollen uns mit Absicht nicht von vornherein festlegen, daß so viel im Inland untergebracht wird und so viel im Ausland untergebracht werden muß. Wir haben festgestellt, daß allein schon die Drohung mit einer inländischen Konkurrenzproduktion bei den Verhandlungen mit einem ausländischen Lieferanten sehr nützlich sein kann. Wenn dieser Lieferant aber auf Grund des Rüstungsplans weiß, daß wir uns genau festgelegt haben, daß wir in Verhandlungen wirtschaftlicher Art überhaupt keine Bewegungsmöglichkeit haben, dann werden auf diese Weise Hunderte von Millionen zum Fenster hinausgeschmissen, die sonst erspart werden können. Deshalb braucht das Verteidigungsministerium eine gewisse Bewegungsfreiheit. Wir haben alle englischen Flugzeuge geflogen, haben das französische, das schwedische Flugzeug getestet, haben sämtliche amerikanische Typen getestet. Bis heute steht nicht fest, welches Flugzeug genommen wird. Das wird sich erst bei den Verhandlungen herausstellen. Es wird das wirtschaftlichste Angebot bei etwa gleicher technischer Leistung berücksichtigt werden.
Nur so ist es möglich, in wirklich sinnvoller Weise und, trotz der großen Ausgaben, so sparsam wie möglich dem gerecht zu werden, was wir im Rahmen des Bündnisses nun einmal zu leisten haben, um den politischen Auftrag auszuführen, unter dem wir stehen und unter dem das Bündnis steht: den Ausbruch eines Krieges unmöglich zu machen.
({23})
Meine Damen und Herren, der Zahl der Wortmeldungen darf ich wohl entnehmen, daß das Haus die Aussprache über die Antwort der Bundesregierung wünscht. Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Schoettle.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Behandlung dieser Großen Anfrage ist ihrer Form nach wieder einmal eine Neuerung; denn auf die Antwort der Regierung, die Herr Bundesfinanzminister Etzel korrekt, ihrem Sinne nach allerdings in einer von uns noch zu beurteilenden Weise gegeben hat, ist eine polemische Rede des Herrn Bundesverteidigungsministers gefolgt.
({0})
- Entschuldigen Sie, es ist ja nicht üblich, daß eine Antwort der Regierung auf eine Große Anfrage gleich von einer Polemik eines zweiten Redners begleitet wird.
({1})
Warum sind Sie so empfindlich, wenn ich Herrn Strauß etwas sage, was ihm doch in guten Treuen gesagt werden kann. Er hat in seiner Rede seine übliche Technik wieder angewandt, zunächst einmal der Argumentation des Vorredners einen kleinen Knick beizubiegen, um sich einen Popanz zurechtzubauen, gegen den er nachher polemisieren kann. Das ist doch die übliche Methode. Daß er dabei bei Ihnen billigen Beifall findet, steht auf einem ganz anderen Blatt.
({2})
- Ich weiß, Sie sind vielleicht etwas unangenehm berührt, wenn man Ihnen das sagt. Trotzdem müssen Sie es sich gefallen lassen.
Aber lassen Sie mich zur Sache kommen. Es war die Absicht der sozialdemokratischen Fraktion, mit ihrer Großen Anfrage die Regierung zu veranlassen, in der Frage der Kosten unserer Rüstung endlich die Karten auf den Tisch zu legen. Eine Absicht, die wir nicht erst jetzt und zum erstenmal bekundet haben. Eine Absicht, mit der wir uns in guter Gesellschaft befinden, nicht etwa mit bösartigen Gegnern der Regierung, sondern z. B. mit dem Bundesrechnungshof, der schon in seiner Denkschrift zur Bundeshaushaltsrechnung für das Rechnungsjahr 1954 die Aufstellung eines Gesamtfinanzierungsplans angeregt hat. Der Bundesrat hat in seiner 188. Sitzung vom 14. Februar ebenfalls einen solchen Gesamtfinanzierungsplan vorgeschlagen. Das
hat nichts mit dem Beschaffungsplan zu tun, gegen dessen Möglichkeit der Bundesverteidigungsminister vorhin polemisiert hat. Darüber kann man verschiedener Meinung sein. Immerhin sollte man bei einer 'derart gewaltigen Unternehmung, wie es die Aufstellung der Bundeswehr im Zeitraum von wenigen Jahren ist, doch zu einem bestimmten Zeitpunkt die Möglichkeit haben, eine Übersicht über die finanziellen Konsequenzen der Pläne zu bekommen. Das scheint nicht nur vom finanzwirtschaftlichen Gesichtspunkt der Bundesregierung, sondern unter allen Gesichtspunkten, vor allem auch vom volkswirtschaftlichen Standpunkt aus, notwendig zu sein.
({3})
Zu diesem Thema wird aber mein Freund Heinrich Deist im Laufe der Debatte noch einige Bemerkungen zu machen haben.
Wir haben in diesem Hause Debatten über die Kosten der Aufrüstung der Bundesrepublik erlebt, in denen die Behauptungen der Opposition mit ganz bestimmten Qualifikationen versehen worden sind. Ich habe vor mir eine Niederschrift aus der 62. Sitzung des Bundestages vom 16. Dezember 1954. Es gab damals eine lange Debatte, in der der Herr Kollege Kiesinger die Zahlen der sozialdemokratischen Fraktion über die Kosten der Rüstung als reine Phantasiezahlen bezeichnete. Herr Erler hat in der 62. Sitzung vom 16. Dezember 1954 daraufhin zur Erwiderung das Bulletin in englischer Sprache zitiert, in dem es ausdrücklich hieß, daß für das Haushaltsjahr 1955 der Aufwand für Verteidigungszwecke auf 9 Milliarden DM festgesetzt sei. Da die Kosten der deutschen Wiederaufrüstung, so sagte damals der Herr Kollege Erler, wenn sie sich über eine Periode von etwa drei Jahren erstreckte, in einigen Kreisen auf etwa 50 bis 60 Milliarden DM geschätzt werden, mag die Summe, die man in dem deutschen Bundeshaushalt zur Verfügung gestellt hat, nicht ausreichen, um diese Rechnung zu bezahlen. Herr Erler schloß seinerzeit mit der Bemerkung, er fühle sich unter diesen Umständen nun doch verpflichtet, die Bundesregierung zu bitten, dem Hohen Haus hier klaren Wein einzuschenken.
Der Kollege Erler hat also damals eine Summe genannt, die ungefähr dem entspricht, was der Herr Bundesfinanzminister heute als den wahrscheinlichen Umfang der Rüstungskosten bis zum FrühJahr 1961 bezeichnet. Das hat man damals als reine Phantasiezahlen bezeichnet.
({4})
Man darf doch die Frage stellen, wie es heute damit steht, nachdem man offenbar auf Grund der Erfahrungen nicht anders kann, als eben diese Zahlen zuzugeben.
({5})
Die Höhe der tatsächlichen Kosten war bisher doch weitgehend Gegenstand der Spekulation. Man war auf Rechnungen angewiesen, bei denen nicht alle Faktoren bekannt sein konnten, auf Informationen aus dem Hintergrund und auf Schätzungen.
Die Frage ist jetzt erlaubt, meine Damen und Herren: Hat die Auskunft der Bundesregierung, die wir heute vom Herrn Bundesfinanzminister bekommen haben - von dem, was der Herr Bundesverteidigungsminister gesagt hat, will ich hier schweigen -, nun tatsächlich Klarheit geschaffen? War beabsichtigt, Klarheit zu schaffen? Oder ist nicht vielmehr in einige der Angaben, die hier gemacht worden sind, doch berechtigter Zweifel zu setzen?
Schließlich geht es uns - das möchte ich mit allem Nachdruck noch einmal betonen - darum, den Umfang der Belastung zu erfahren, da er angesichts der Bedeutung für die öffentliche Finanzwirtschaft, ja, für die ganze Volkswirtschaft, unbedingt in seinem vollen Gewicht erkannt werden muß. Was wir jetzt wissen, scheint mir und meinen Freunden eindrucksvoll, um nicht zu sagen, schlimm genug. Es war immerhin ein Versuch des Herrn Bundesfinanzministers - das muß man anerkennen -, den Tatsachen etwas näher zu kommen.
Wenn man sich die Frage stellt, was die Bundesregierung nun tatsächlich gesagt hat, entdeckt man einige Unterschiede. Wenn ich sagen würde, man entdeckt einige Nuancen, wäre das vielleicht etwas zu milde ausgedrückt. Man entdeckt also einige Unterschiede in den Äußerungen von Herrn Etzel und Herrn Strauß, Herr Etzel hat gesagt, daß für die zwei Haushaltsjahre 1959 und 1960, also bis zum 31. März 1961, von den 52 Milliarden, die insgesamt für die Planung in Aussicht genommen sind, noch 31 Milliarden haushaltsmäßig zu verkraften sind. Die 19 Milliarden DM, die bisher einschließlich der 10 Milliarden DM des Haushalts 1958 veranschlagt sind, müssen ja von den 52 Milliarden DM abgesetzt werden, wobei ich unterstelle, daß Herr Etzel tatsächlich nach bestem Wissen und Gewissen die Summe fixiert hat, die augenblicklich überschaubar ist. Die Meinungen darüber gehen ja auseinander, und Pressemeldungen zufolge rechnet man auch mit Zahlen, die bis zu 60 Milliarden DM reichen. Aber das kann man im Augenblick außer Betracht lassen, und ich muß da auch meinem Freunde Wehner mit seinem Zwischenruf recht geben: Auf eine Milliarde mehr oder weniger kommt es bei diesen Größenordnungen schon fast nicht mehr an! - 31 Milliarden DM sind also auf jeden Fall zu verkraften, auch nach dem Herrn Bundesfinanzminister.
Nicht beantwortet und nach wie vor offen bleibt die Frage, wie denn das geschehen soll, ohne daß die Konsequenzen eintreten, von denen nicht nur wir Sozialdemokraten, sondern auch ganz andere Leute, z. B. der „Rheinische Merkur", der hier schon zitiert worden ist, sprechen, nämlich die Konsequenzen erstens für den Ausgleich des Bundeshaushalts, zweitens für die Beschaffung der Deckungsmittel und drittens für das, was sich aus den Notwendigkeiten der Beschaffung dieser Deckungsmittel zwangsläufig ergibt.
Der Herr Verteidigungsminister hat im Gegensatz zum Bundesfinanzminister erklärt, daß die Planungen, die jetzt vorliegen, restlos und vollkommen durchgeführt werden, während man aus den Äußerungen des Herrn Bundesfinanzministers doch
ein gewisses Zögern feststellen konnte, eine Bereitschaft, im Lichte der Haushaltserfordernisse, im Lichte der Notwendigkeit Deckungsmittel zu beschaffen, zu bremsen, auszusetzen, zu verzögern. Er hat insbesondere die Marine und die Luftwaffe dabei erwähnt. Das ist schon, glaube ich, angesichts (er Ausrüstung der beiden Waffengattungen, die ja besonders kostspielig ist, ein ganz beträchtliches Stück. Aus den Ausführungen des Herrn Verteidigungsministers hat man eigentlich nichts dergleichen gehört.
({6}) - Ich bin kein Militärsachverständiger. Ich habe mich mit dieser Frage nicht so intensiv beschäftigt. Ich sehe die Dinge in erster Linie von haushaltsund finanzwirtschaftlichen Überlegungen her.
Nun hat man ja schon den Bundeshaushalt 1958 - und der Herr Bundesfinanzminister weiß selber, welche Schwierigkeiten er dabei gehabt hat - mit Mühe und Not ausgeglichen, und zwar unter Heranziehung von 3 Milliarden DM Kassenmitteln und der Einplanung einer Anleihe, über deren Erreichung man verschiedener Meinung sein kann. Jedenfalls hat schon der Haushalt 1958 ein Defizit aufzuweisen, das nur mit großen Schwierigkeiten gedeckt worden ist. Wenn man nun die Frage stellt, wie das denn demnächst aussehen wird, wenn z. B. der Haushalt 1959 aufzustellen ist, wo man doch ohne allzuviel Phantasie annehmen muß, daß der Verteidigungshaushalt dann, entsprechend dem Gesamtvolumen der Verteidigungskosten, etwa 15 Milliarden DM beanspruchen wird bei sonst stationärer Entwicklung, d. h. wenn alle übrigen Positionen gleich bleiben, dann kann man durchaus der Meinung sein, daß das Problem des Haushaltsausgleichs - und ich spreche jetzt nur von dem - in Wirklichkeit nahezu unlösbar ist.
({7})
Die kommenden Haushalte, mindestens bis 1961, werden unter demselben Stern stehen. Es ist uns heute nicht gesagt worden, wie man dieses Problem lösen will. Nur eines ist sowohl vom Herrn Bundesfinanzminister wie auch - so glaube ich mich zu erinnern - vom Herrn Bundesverteidigungsminister wieder gesagt worden: man werde nicht zu Mitteln greifen, die etwa inflationären Charakter hätten. Nun, das bleibt abzuwarten. Die Berufung auf das Bundesbankgesetz ist zwar tröstlich, aber sie ist keineswegs eine Gewähr, daß nicht Mittel und Wege gesucht werden, mit denen man um die unangenehme Aufgabe herumkommen will, die tatsächlichen Kosten der Rüstung auch mit normalen Mitteln zu bestreiten und aufzubringen, d. h. dem Volke die Wahrheit darüber zu sagen, was dieses Unternehmen tatsächlich kostet.
({8})
Schließlich ruhen schon die Grundelemente des Haushalts 1958 auf recht zweifelhaften Fundamenten. Ich nenne nur zwei. Zum Beispiel ist höchst umstritten die Frage, ob das Sozialprodukt sich weiter in dem Maße steigern wird, wie man das
in den vergangenen Jahren erlebt hat, und ob sich dann daraus auch die Folgerungen für das Steueraufkommen ergeben, wie sie die vergangenen Jahre gezeigt haben. Dabei ist hinzuzufügen, daß im Haushalt 1958 - und das ist uns in der Haushaltsdebatte bereits gebührend vor Augen geführt worden - insofern noch eine gewisse Erfolgschance liegt, als die Veranlagung der Einkommen- und Körperschaftsteuer für 1956 und 1957 erst recht spät beginnt und infolgedessen da noch ein gewisses Polster drin ist. Auf alle Fälle ist eines sicher - und aus dem, was der Herr Bundesfinanzminister hier gesagt hat, scheint mir auch nichts anderes hervorzugehen -: daß, wenn der Bund die Planungen des Herrn Bundesverteidigungsministers in vollem Umfang und in der in Aussicht genommenen Zeit durchsetzen will - das ist ja die Politik der Regierung -, die bisherigen Mittel der Finanzierung nicht ausreichen und daß man dann andere Wege suchen muß.
Wenn man sich überlegt, welche Wege das sein könnten, dann kommt man zu dem Ergebnis, daß die Steuerermäßigungen, die gegenwärtig in diesem Hause beraten werden, angesichts der kommenden Dinge sich eigentlich recht gespenstisch ausnehmen
({9})
und daß höchstwahrscheinlich - vielleicht will man das heute noch nicht in vollem Umfange wahrhaben - weit eher Steuererhöhungen auf einer Reihe von Gebieten in Aussicht genommen werden müssen, damit die Mittel aufgebracht werden können, die zur Beschaffung der geplanten Rüstungsgegenstände nötig sind. Die Ergänzungsabgabe - das Wort ist hier schon von meinem Kollegen Schmidt ausgesprochen worden - ist heute nicht mehr nur eine Angelegenheit ferner Überlegungen, sondern eine in greifbare Nähe gerückte Realität, auf die sich die Bürger dieses Landes einrichten sollten.
Eine ganze Reihe ähnlicher Überraschungen werden im Schoße der nächsten Zukunft liegen. Denn schließlich wird die Rüstung in dem Gesamtvolumen der öffentlichen Finanzwirtschaft einen immer größeren Umfang annehmen, ein immer größeres Gewicht erlangen. Es wird dann die Frage auftauchen, welche anderen Aufgaben entweder zurückgestellt werden müssen oder für welche anderen Aufgaben noch Geld beschafft werden muß. Auch das ist eine Frage, die in diesem Zusammenhang überlegt werden muß. Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat zwar der arbeitenden Bevölkerung in der Bundesrepublik vor einiger Zeit geraten, sie solle den Gürtel enger schnallen und eine Stunde mehr arbeiten. Außerdem haben wir auch heute wieder gehört, daß die Verteidigung der Freiheit Opfer kostet. Den Umfang der Opfer und die Schultern, die sie tragen müssen, nennt man in diesem Augenblick noch nicht in voller Offenheit. Die Wahrheit ist: um alle Forderungen des Verteidigungshaushalts zu decken, dürfte eine Steuererhöhung in einer Größenordnung - man kann hier natürlich auch um einige Millionen D-Mark danebengreifen - von rund 5 Milliarden
nötig sein. Sie würden gebraucht werden, um die Lücken zu schließen, die diese Planungen in die öffentliche Finanzwirtschaft reißen.
Was ergibt sich, wenn man nicht nur die Rüstung im Auge hat, sondern auch daran denkt, daß entscheidende andere Aufgaben seit Jahren vernachlässigt worden sind? Ich nenne in diesem Zusammenhang nur drei: die sozialen Aufgaben, die sich in Verbindung mit der auch heute noch fälligen Sozialreform unabweisbar steigern werden, die Aufwendungen für die kulturellen Aufgaben, die der Bund weitgehend auch finanziell wird mittragen müssen - ich erinnere an die Debatte der vorigen Woche, in der selbst die Bundesregierung durch den Herrn Bundesinnenminister ein gewaltiges Defizit an Institutionen und an ausgebildeten Menschen zugeben mußte -, und die Verkehrsausgaben, für die Herr Seebohm Anfang dieses Monats in Stuttgart einen Bedarf von 881/2 Milliarden DM bis 1966 angemeldet hat, wobei er sein Programm als ein Minimalprogramm bezeichnete, das trotz des hohen Wehrhaushalts verwirklicht werden müsse. Von der Finanzierung, von der Art der Aufbringung der Mittel ist heute auch nicht andeutungsweise die Rede. Und doch kann man diese Dinge nicht einfach beiseite schieben, wenn man die Frage nach dem Gesamtumfang der Rüstungskosten stellt, weil sie eben nur ein Teil der Aufgaben und der Verpflichtungen sind, die der Bund auf sich nimmt, ein Teil, der nur unter Vernachlässigung anderer Aufgaben in vollem Umfang befriedigt werden kann, wenn man nämlich der Meinung ist, daß nichts wichtiger ist als die Rüstung. Wir dagegen sind der Meinung, daß es noch viele andere Aufgaben gibt, die erfüllt werden müssen, wenn dieses Land nicht unter dem Druck der Rüstung auf vielen anderen Gebieten in einen Rückstand gelangen soll, der nie wieder eingeholt werden kann.
({10})
Wenn Sie nicht, meine Damen und Herren, die finanzwirtschaftliche Katastrophe wollen - und ich glaube nicht, daß Sie sie wollen -, dann müssen Sie den Mut aufbringen, die Wahrheit zu sagen und mehr als das Quentchen Wahrheit, das heute der Bundesfinanzminister vor dem Hause ausgebreitet hat. Sie müssen nicht nur unserem eigenen Volk die Wahrheit über die Kosten der Rüstung und über die Möglichkeiten ihrer Aufbringung sagen, sondern auch den Partnern der Bundesrepublik in der NATO. Denn eines sollten wir unter keinen Umständen akzeptieren: einen Vergleich mit den Rüstungsaufwendungen von Ländern, die Jahrzehnte gebraucht haben, um ihre Armeen aufzubauen, und die ihre ganze öffentliche Finanzwirtschaft seit vielen, vielen Jahren auf einen Punkt orientiert haben, den die Bundesrepublik niemals erreichen kann, weil sie im Zuge der geschichtlichen Entwicklung mit Lasten bedacht worden ist, die in keinem anderen Land vorliegen und die man mit gutem Recht auch als Kriegsfolge- und Verteidigungslasten bezeichnen kann.
({11})
Der Vergleich mit Amerika oder mit anderen Ländern, die, ich weiß nicht, wieviel Prozent ihres Nationaleinkommens in die Rüstung stecken, scheint nach meiner Meinung für die Bundesrepublik völlig unmöglich zu sein.
Ganz abgesehen davon müßte man dann auch einmal etwas sorgsamer analysieren, wie denn die Rüstungsaufwendungen dieser vergleichbaren oder verglichenen Länder zustande kommen. Wenn man z. B. die amerikanische Presse aufmerksam verfolgt, dann entdeckt man, daß ein Teil der amerikanischen Rüstungskosten weit weniger dem Zwang der Notwendigkeit als vielmehr der Unfähigkeit entspringt, zu koordinieren, richtig zu planen und aufeinander zuzuordnen. Das Nebeneinander und Gegeneinander in den amerikanischen Ministerien und in der Verteidigungsorganisation bedingt einen beträchtlichen Teil der amerikanischen Rüstungsaufwendungen.
({12})
Ich glaube, wir sollten uns nicht auf solche Vergleiche einlassen. Ich hoffe, daß wir nicht solche Wege gehen, auch wenn sie von Bundesgenossen vielleicht als empfehlenswert bezeichnet werden. Wir sollten diese Vergleiche gar nicht anstellen, sondern sollten die Proportionen aus unseren eigenen Möglichkeiten finden, aus unseren eigenen Bedürfnissen, aus unseren eigenen Verhältnissen.
({13})
Da hilft alles nichts, und wenn Herr Strauß es heute auch weit von sich gewiesen hat, es hilft nichts als der resolute Entschluß, das, was man geplant hat, zu überdenken und von dem hohen Roß herabzusteigen, das der Herr Bundesverteidigungsminister bestiegen hat, als er das Amt von seinem Vorgänger Blank übernahm, und das inzwischen doch etwas zu lahmen begonnen hat.
Ich finde, meine Damen und Herren - und damit will ich für meinen Teil zu Ende kommen -, was uns heute gesagt worden ist, ist nicht das, was unser Parlament, was unser Volk über die Dinge wissen müßte, die die sozialdemokratische Bundestagsfraktion in ihrer Großen Anfrage über die finanziellen Verpflichtungen aus dem Verteidigungshaushalt und ihre kassenmäßige Erfüllung gefragt hat.
({14})
Die Antwort ist man uns in der Hauptsache schuldig geblieben. Ich glaube, wir haben in dieser Debatte auf diesem Gebiete noch einiges nachzuholen und an die Regierung noch einige Fragen zu stellen. Dafür, denke ich, werden meine Freunde sorgen, die jetzt in der Debatte noch das Wort ergreifen werden.
({15})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Vogel.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin meinem verehrten Herrn Vorredner sehr dankbar, daß er diese für das ganze deutsche Volk sicher sehr beDr. Vogel
deutsame Debatte in einer sachlichen Weise geführt hat, und ich möchte von vornherein sagen, daß ich auch gedenke, so zu verfahren.
Aber ich muß mir eine Vorbemerkung gestatten, Herr Kollege Schoettle. Sie sahen sich veranlaßt, gegen den Herrn Bundesverteidigungsminister den Vorwurf zu erheben, er habe hier eine unnötige Polemik begonnen. Es ist nun in diesem Hohen Hause, ich möchte einmal sagen, ein Stil der Form der Begründungen eingerissen, der mir nicht ganz dem Sinn einer „Großen Anfrage" zu entsprechen scheint. Denn wenn ich zusätzlich zu der Begründung einer Großen Anfrage neue Fragen stelle und zu gleicher Zeit mit der Stellung dieser neuen Fragen auch in eine eigene Polemik eintrete, dann fordere ich ja doch eine neue Antwort heraus,
({0})
eine Antwort, die über die Regierungsantwort hinausgeht. Denn die Regierung kann ja nicht im voraus ahnen, was der Betreffende, der die Anfrage begründet, vorbringen wird.
({1})
Wenn der Herr Bundesverteidigungsminister darauf geantwortet hat, und zwar, wie meine Freunde und ich meinen, durchaus sachlich geantwortet hat,
({2})
dann besteht meiner Überzeugung nach kein Anlaß, das als eine Stilwidrigkeit oder als eine Verletzung der guten Spielregeln dieses Hauses anzusehen.
({3})
Aber lassen Sie mich gleich auch auf einige Punkte eingehen, die Sie selber angerührt haben.
Ich möchte zunächst eines vorausschicken. Nichts wäre ja doch törichter, als von der Regierungskoalition anzunehmen, daß sie etwa an diese Riesenausgabe von 10,7 Milliarden DM leichten Herzens heranginge. Auch uns würde es sicher viel mehr liegen, hier Anträge aus unseren eigenen Reihen einzubringen, um Milliardensummen für Schulbau, für Förderung des Nachwuchses in der Forschung, für den Bau von Krankenhäusern, für den Wegebau, für die Einrichtung kultureller Institute und für ich weiß nicht wieviele andere der großen, noch vor uns liegenden Aufgaben einzubringen. Es wäre sicher auch für uns viel leichter, das unseren Wählern verständlich zu machen, als hier für Ausgaben einzutreten, die nicht sehr populär sind. Wir wissen, daß sie nicht sehr populär sind. Aber wir fühlen uns verpflichtet - und wir haben stets zu dieser Verpflichtung gestanden -, die innere Sicherheit immer neben die äußere Sicherheit zu stellen.
({4})
Wir haben uns nie befugt gefühlt, von unseren Verbündeten zu verlangen, daß sie allein die volle Last der Verteidigungsausgaben auch für dieses Volk, nicht nur für sich selber, übernehmen, während wir sozusagen in einer Oase des Wohlstandes, der sozialen Sicherheit und der Zufriedenheit
hier inmitten einer bis an die Zähne aufgerüsteten Welt verblieben. Sicherlich - Sie sprechen von „unlösbaren Problemen" - werden eine Reihe sehr ernster Probleme aufgeworfen. Aber lassen Sie uns doch einmal zurückschauen, wie sich die Dinge entwickelt haben.
Die EVG stellte uns damals schon vor sehr schwer lösbare Probleme. Aber wenn Sie sich einmal den Haushalt des Jahres 1954 ansehen und in Vergleich dazu stellen, was damals vom deutschen Volke, von der Bundesrepublik an Besatzungsleistungen aufgebracht werden mußte, dann ist doch unbestreitbar, daß das, was heute mit 10,7 Milliarden DM an Verteidigungsleistungen aufgebracht wird, einen weitaus kleineren Prozentsatz des Umfangs des Haushalts von 39,2 Milliarden DM ausmacht. Das ist eine unbestreitbare Ziffer. Der Bundesfinanzminister und der Bundesverteidigungsminister haben ja auch alle Mühe gehabt - Sie können das den Vorbemerkungen zum Haushalt entnehmen -, diese Dinge dem Ausland begreiflich zu machen.
Ich stimme Ihnen, Herr Kollege Schoettle, völlig zu, daß wir einen einheitlichen und gemeinsamen Kampf darum führen müssen, daß die großen Aufwendungen, die wir als Kriegsfolgeleistungen bezeichnen, auch von der andern Seite anerkannt werden. Wir sind leider bis jetzt damit noch nicht so durchdrungen, wie das wünschenswert wäre. Wir haben lediglich einen Teil der Verteidigungslasten von Berlin angerechnet erhalten, und man hat zwar typischerweise die 131er-Lasten anerkannt, aber das, worauf wir den größten Wert gelegt hätten, nämlich die Anerkennung der großen Leistungen für über 10 Millionen Heimatvertriebene, für die Unterbringung der in jedem Jahre neu hereinströmenden Sowjetzonenflüchtlinge, für die Kriegsopfer und für die zahllosen anderen Geschädigten des zweiten Weltkrieges, ist leider bis heute in den NATO-Besprechungen nicht erfolgt. Ich glaube, Regierungskoalition und Opposition sind sich völlig einig in dem gemeinsamen Bestreben, auch die anderen Bündnispartner davon zu überzeugen, daß das anrechnungswürdige und anrechnungsfähige Leistungen sind.
({5})
Aber nun zurück zu unseren eigenen Möglichkeiten. Sie haben das Gespenst der „Ergänzungsabgabe" an die Wand gemalt. Sie ist seinerzeit in einer Situation entstanden, in der diese Möglichkeit wahrscheinlich noch gar nicht recht ins Auge gefaßt worden war; denn als der sehr vorsorgliche Bundesfinanzminister, Herr Fritz Schäffer, den Finanzausgleich mit den Ländern mühselig aushandelte, hat er diese Möglichkeit kaum im Sinn gehabt.
Aber eins muß ich doch ganz offen sagen. In was für einem Dilemma befinden wir uns eigentlich jetzt bei jeder Haushaltsdiskussion! Senkt der Bundesfinanzminister die Steuern, dann muß er sich unter Umständen den Vorwurf anhören, er handle im Grunde genommen gegen seine eigenen Interessen; denn er müsse ja vielleicht im nächsten Jahre neue
Steuern anfordern. Senkt er die Steuern nicht, kommt ihm die gemeinsame Opposition der deutschen Wirtschaft auf den Hals, und Sie finden dann plötzlich das Institut „Steuern und Finanzen" zu unserem Vergnügen in einer seltenen Eintracht auch mit Ihnen zusammen. Denn auf der einen Seite sind die Steuersenkungen ungeheuer erwünscht, und ich habe noch niemand gehört, der auf Ihrer Seite bei der neuen Steuersenkung gegen die Herausnahme der 4 Millionen aus der Einkommen- und der Lohnsteuer polemisiert hätte. Das wird hingenommen. Auch ich bin der Überzeugung, daß diese Herausnahme der 4 Millionen, von einer ganz anderen Seite her gesehen, eine höchst fragwürdige Sache ist. Die Loslösung von vier Millionen Arbeitnehmern von jeder Leistung an den Staat ist auf die Dauer keine sehr gute Maßnahme. Aber wie dem auch sei, wenn eine Ergänzungsabgabe kommen sollte, dann würde sie nach der Durchführung der Steuerreform doch verzweifelt nahe dem kommen, was Sie, Herr Kollege Schoettle, im Grunde genommen einmal mit einer „Wehrsteuer" gefordert haben.
({6})
- Richtig, Sie nicht. Aber ich erinnere Sie daran, was damals in München von Ihnen gefordert wurde, als die „Mobilisierung des Geistes" in die Wege geleitet worden ist. Was hat damals Herr Troeger gesagt, und was haben damals andere aus Ihren Reihen gesagt, ich glaube, Herr Staatssekretär Brandt und andere?
({7})
- Ja, das ist manchmal hei Ihnen nicht ganz klar auseinanderzuhalten, wer nun eigentlich überhaupt für die Fraktion und für die Partei spricht.
({8})
Als ich heute morgen die Zeitungen las, sah ich Ankündigungen, die Sozialdemokratische Partei würde heute ihre Konzeption über die Verteidigungsausgaben darlegen. Ich sagte: endlich passiert jetzt einmal etwas!
({9})
- „Kommt noch!", höre ich eben. Wir wollen das konstatieren! Wir wollen es mit Vergnügen entgegennehmen, daß von Ihrer Seite einmal gesagt wird, welches eigentlich Ihre Vorstellung ist, was Sie auszugeben bereit sind und wie teuer die Bundeswehr sein soll, die Sie sich vorstellen.
({10})
- Herr Kollege Erler, der Bundesverteidigungsminister hat doch zumindest eine sehr klare und dezidierte Antwort hinsichtlich des Aufbaus der Bundeswehr gegeben. Er hat Ihnen gesagt: Sie wird ungefähr 52 Milliarden kosten. Zu gleicher
Zeit hat er Ihnen aber auch gesagt - und das wissen Sie doch, Herr Kollege Erler, als ein Fachmann auf diesem Gebiet am besten -, daß es zur Zeit wirklich unmöglich ist, genau zu sagen, was er im Jahre 1961 exakt brauchen wird. Die Erfahrung hat gezeigt, daß das, was wir bis jetzt geplant haben, in keinem Haushaltsjahr erreicht worden ist. Warten wir ruhig einmal ab, was im Jahre 1959, 1960 und 1961 auf uns zukommen wird. Ich weiß wirklich nicht, warum wir uns im voraus den Kopf über Dinge zerbrechen sollen, die wir von einem Haushaltsjahr zum andern werden lösen müssen.
Ich gebe Ihnen zu: es bleibt zunächst ein gewisser Rest von etwa 6 bis 10 Milliarden offen. Man wird im Jahre 1960 und 1961 darüber entscheiden müssen, wie man ihn decken oder ob man soviel verausgaben will. Bis jetzt haben wir schließlich nur folgendes getan, und das hat ja auch der hier vom Kollegen Schmidt vielzitierte Fritz Schaff e r bereits im Jahre 1954 gesagt. Er hat damals dem Sinne nach sehr klar ausgesprochen: Was immer auch die Belastungen sein mögen, die auf uns zukommen, sie finden ihre Grenze an dem, was der Bundestag beschließen wird. Bitte, das ist klar gesagt worden, und wir haben es jedes Jahr bei der Einbringung des Haushalts und bei der Verabschiedung des Haushalts wiederholt. Wir haben gar keinen Grund, davon abzugehen. Ich möchte heute noch einmal ausdrücklich erklären: das, was in den kommenden Jahren geschehen wird und geschehen muß, wird im Rahmen dessen bleiben, was die deutsche Volkswirtschaft verkraften kann und was geschehen kann, ohne daß irgendwie eine inflationäre Entwicklung einreißt.
Ich komme jetzt zu einem Problem, das uns größere Sorgen bereitet. Es kann uns nicht gleichgültig sein, Herr Kollege Erler, wie Ihre Fraktion zur NATO steht. Ich persönlich war, das muß ich ganz offen sagen, dankbar, daß Sie damals erklärt haben, Sie dächten gar nicht daran, aus der NATO auszutreten. Dieses Wort war jedenfalls geeignet, die Glaubwürdigkeit Ihrer Aussagen gegenüber dem Ausland zumindest zu unterbauen. Es tut mir leid, daß Ihr Fraktionsvorsitzender gerade hinausgegangen ist; ich wollte auch ihn an das erinnern, was er in Washington erklärt hat. Damals erklärte er, auch die sozialdemokratische Fraktion habe am demokratischen Aufbau der Bundeswehr mitgewirkt. Auch das mußte, zumindest in amerikanischen Ohren, beruhigend klingen.
({11})
Herr Kollege Schmidt hat sich heute morgen mit besonderer Emphase dagegen verwahrt und hat es ein „läppisches Beginnen" genannt, daß wir ihm vorgehalten haben, Sie hätten dem Verteidigungshaushalt nicht zugestimmt. Herr Kollege Schmidt ({12}), ich wäre ohne weiteres Ihrer Auffassung, daß man das verurteilen müsse, wenn nicht andererseits von seiten Ihrer Fraktion so große neue Ausgaben - Mehrbewilligungen - gefordert worden wären, daß sie nur aus den Verteidigungsausgaben gedeckt werden konnten.
({13})
Man kann nicht auf der einen Seite sagen: Ich stehe zur NATO und trete aus der NATO nicht aus, wenn man auf der anderen Seite Ausgaben verlangt, von denen man ganz genau weiß, daß sie nur dann zu decken sind, wenn dafür die Verteidigungsausgaben verwandt werden. Gegen diese Art und Form der Ausgabenanforderungen haben wir uns dabei gewandt, und wir haben gesagt, daß das in unseren Augen keine Methode ist, unsere eigenen Aussagen gegenüber der NATO glaubwürdiger zu machen.
Hier ist auch der Vergleich mit der Reichswehr und ihrem Aufbau in den Jahren 1921 bis 1933 gezogen worden. Meine Damen und Herren, Vergleiche mit dieser Zeit, auch mit dem berühmten Panzerkreuzer, scheiden aus unserer Betrachtung vollkommen aus. Ich glaube, rückschauend haben es der vor einigen Tagen verstorbene Feldmarschall Gamelin und andere französische Generale und Politiker vielleicht sehr bitter bereut, damals der Reichswehr unsinnige Bestimmungen auferlegt zu haben. So ist in der Folge der törichte und politisch verwerfliche Ausweg gefunden worden, Waffen, die in Deutschland nicht hergestellt werden konnten, in der Sowjetunion zu entwickeln und dort weiter zu produzieren.
Wenn man damals bei der Reichswehr mit Papplafetten gearbeitet hat, um Panzerziele vorzutäuschen und derartige Dinge, wenn die Reichswehr mit ihren 100 000 Mann nicht die geringste Möglichkeit hatte, hartes Gerät anzuschaffen, dann können auch die damaligen Ausgaben nicht in einen Vergleich mit den zwingenden Ausgaben gebracht werden, die heute eine voll mechanisierte und voll motorisierte Armee von 12 Divisionen und vor allen Dingen heute eine moderne Luftwaffe verursachen.
Was uns in den nächsten Jahren Sorgen bereitet, sind nicht die Unterhaltung, die Aufstellung, die Bekleidung und die Bewaffnung mit konventionellen Geräten für die 350 000 Mann, sondern es sind die neuen zusätzlichen Ausgaben für Panzer, vor allen Dingen für Flugzeuge, Schiffe, Radargeräte und für modernste Waffen. Das sind die Dinge, die heute ins Gewicht fallen, aber nicht die sogenannten fortlaufenden Ausgaben.
Aber wir könnten hier gemeinsam in ein viel nützlicheres Gespräch eintreten, wenn endlich Ihr von der Presse angekündigter Entwurf käme, aus dem zu ersehen wäre, was in Ihren Augen eine Bundeswehr kosten würde und was S i e dafür auszugeben bereit sind. Wir würden dann auch klarer sehen, was Sie unter einer Verteidigungsmacht verstehen. Die Öffentlichkeit würde dann hören, was Sie an Waffen dafür für notwendig halten, und dann würden wir vielleicht zu unserem Erstaunen hören, daß das, was in den vergangenen Jahren als „alte Klamotten", als „Schrott" bezeichnet worden ist, wahrscheinlich höchst brauchbar ist für das, was Sie sich unter Ihrer Bundeswehr vorstellen. Sie werden wahrscheinlich mit demselben Wasser kochen müssen, mit dem bis jetzt gekocht worden ist.
Was nun die einzelnen Beschaffungen und die Reduktion, die vor einiger Zeit einsetzte, anbelangt,
so können wir, glaube ich, im Haushaltsausschuß - das nehme ich für mich und meine Freunde in Anspruch - durchaus darauf hinweisen, daß wir von unserer Seite aus eine Reihe von sehr einschneidenden Anträgen gestellt haben und daß wir auch in Zukunft die Innehaltung des Gebots der Sparsamkeit keineswegs Ihnen von der Opposition überlassen werden.
Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir hoffen, daß der Stuttgarter Parteitag der SPD - ich hatte das bereits in der vorigen Woche ausgeführt - uns der Wahrheit und der Klarheit, die wir beide gemeinsam wünschen, einen Schritt näherbringen wird. Ich beneide Sie nicht um die Schwere der Entschlüsse, die Sie dort zu fassen haben werden. Ich weiß - ich erinnere mich deutlich daran, ich war damals ein junger Mann, und Herr Kollege Schoettle und Herr Kollege Ritzel und einige andere aus Ihren Reihen werden sich deutlich daran erinnern -, was damals im Reichstag bei der Panzerkreuzer-Vorlage geschah. Ich sage das offen. Ich persönlich habe kein Interesse, daß sich diese Ereignisse bei Ihnen wiederholen. Wir hätten vom staatspolitischen Gesichtspunkt aus gar kein Interesse daran; denn Sie sind d i e Oppositionspartei, und ich stehe auf dem Standpunkt, es ist für uns von staatspolitischem Interesse, daß auch die Oppositionspartei ihrerseits ein klares Verhältnis zur Verteidigung dieser Bundesrepublik gewinnt, und daß sie auch ein klares Bekenntnis dazu ausspricht.
({14})
Ich kann vielleicht nebenbei bemerken, daß alle diejenigen, die sich zum Rapacki-Plan bekennen, auch die Konsequenzen dieses Plans vor Augen haben müssen; denn ein Rapacki-Plan ohne eine hinreichende bundesrepublikanische Sicherung durch die Bundeswehr scheint mir überhaupt von vornherein als Konzeption unmöglich zu sein.
({15})
- Nein! Sie liegen doch, wenn Sie zu einer verdünnten Zone kommen - ({16})
- Entschuldigen Sie, Sie haben den Rahmen so weit spannen wollen, nicht wir. Nicht wir haben die Große Anfrage eingebracht.
({17})
Wenn Sie aber darauf zu sprechen kommen, müssen
Sie sich auch von unserer Seite vorhalten lassen,
Herr Kollege Erler: Wo ist die Grenze dessen - ({18})
- Kollege Wehner, wir befassen uns ja gemeinsam mit Rüstungsfragen, und wir tun das seit einigen Jahren. Was aber den Sachverstand hinsichtlich des Rapacki-Plans und seiner militärischen Kosten anbetrifft, so ist, glaube ich, mein Sachverstand mindestens so groß wie Ihrer; zumindest ist Ihrer nicht größer.
Eines möchte ich aber doch einmal klar sagen: Wer hier auf derartige politische Planungen eingeht, muß doch - als Voraussetzung - dafür sorgen, daß zunächst einmal unser eigener Verteidigungsstand einen gewissen Grad erreicht. Ohne einen solchen Rückhalt ist doch meinem Dafürhalten nach eine solche Diskussion nutzbringend überhaupt nicht zu führen.
Aber ich möchte noch auf andere Punkte eingehen, die Herr Kollege Schoettle und Herr Kollege Schmidt hier angesprochen haben. Herr Kollege Schoettle, Sie sprachen von 5 Milliarden DM Steuern mehr und forderten in dieser Beziehung eine klare Antwort. Diese Antwort muß gegeben werden. Es ist nicht meine Sache, Ihnen hier darauf zu antworten; es ist Sache des Bundesfinanzministeriums, darauf zu antworten. Aber ich glaube, daß die Möglichkeiten, die in der Antwort der Regierung aufgezeigt worden sind, durchaus einen Weg zeigen, wie in den nächsten Haushaltsjahren Ausgaben und Einnahmen vernünftig abgeglichen werden können. Es gibt bestimmte Reserven; sie sind Ihnen bekannt. Da ist der noch völlig von der Regierung unangetastete deutsche Anleihemarkt. Es existieren bestimmte Möglichkeiten des Waffenbezugs aus dem Ausland. Da sind auch Kreditmöglichkeiten. Darüber hinaus gibt es auch den automatischen Steuerzuwachs aus dem erhöhten Produktionszuwachs. Und es gibt dann letzten Endes auch noch Sondermöglichkeiten wie die Ergänzungsabgabe. Es bietet sich eine Fülle von Möglichkeiten, und wir werden uns ja mit ihnen bei der Einbringung des Haushalts 1959 sofort befassen müssen.
Sie haben auf die großen Aufgaben hingewiesen, die unserem Volke parallel mit den bisher angesprochenen Aufgaben gestellt sind. Wir sind stolz darauf, daß wir es bis jetzt fertiggebracht haben, trotz der Verteidigungsausgaben eine ganze Reihe dieser großen Aufgaben zu erfüllen.
({19})
Ich glaube, darauf, daß wir ein so gewaltiges Problem wie die Rentenreform bewältigen konnten,
dürfen wir doch immerhin alle gemeinsam stolz sein.
({20})
Darüber, daß daneben natürlich noch eine ganze Reihe riesiger Aufgaben vor uns stehen, ist sich niemand mehr im klaren als wir. Wenn allerdings mit Ziffern wie 88,5 Milliarden DM allein für den Verkehrshaushalt operiert wird, dann möchte ich auch den betreffenden Minister bitten, mit seinen Zahlenwünschen in den nächsten Jahren etwas vorsichtiger zu sein.
({21})
Denn ich glaube, das Maßhalten gilt für alle Ressorts gleichmäßig. Natürlich sind hier und da Wünsche vorhanden, für die wir Verständnis haben. Sie können aber nicht sämtlich innerhalb der nächsten Jahre - jedenfalls nicht zu gleicher Zeit erfüllt werden.
({22})
Ich nehme an, daß Herr Kollege Dr. Deist zur Begründung der Großen Anfrage der SPD noch
einige weitere Ausführungen machen wird. Ich möchte mich auf das beschränken, was ich hier vorzutragen hatte.
Aber, Kollege Schoettle, eines möchte ich am Schluß doch noch feststellen. Sie haben gesagt, wenn diese anderen Aufgaben nicht gelöst werden könnten, würde das einen riesigen Rückschlag für uns bedeuten. Ich möchte Ihnen darauf folgendes sagen. In meinen und meiner Freunde Augen wäre der schlimmste Rückschlag, den dieses Volk überhaupt erleiden könnte, der, wenn es in den nächsten Jahren von seinen Verbündeten allein gelassen werden würde, allein zwischen diesen beiden großen Blöcken des Ostens und des Westens
({23})
Die schlimmste Gefährdung des hohen sozialen Standards, den wir bis jetzt erreicht haben, würde dann eintreten, wenn dieses Volk die Grundlage seiner Sicherheit verlöre; es wäre schlimm, wenn es sich später einmal den Vorwurf machen müßte, daß es zur rechten Zeit vergessen hat, neben seiner sozialen Sicherheit auch für seine äußere Sicherheit Sorge zu tragen.
({24})
Das Wort hat der Abgeordnete Schultz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch ich will mich bemühen, in der sachlichen Atmosphäre des Hauses zu verbleiben. Ich darf an den Anfang meiner Ausführungen eine Erinnerung an die Debatte im März stellen. In dieser Debatte wurden Zweifel an der Verteidigungsbereitschaft der Freien Demokraten geäußert. Ich möchte deshalb gleich am Anfang meiner Ausführungen ein klares Bekenntnis zur Landesverteidigung und damit zum Aufbau der Bundeswehr stellen.
({0})
Unsere Einschränkung bezüglich der atomaren Bewaffnung ist bekannt. - Wenn Sie mich weiter anhören, wird Ihnen klar, was wir unter Landesverteidigung zu verstehen wünschen.
Allerdings glauben wir, daß mit diesem Bekenntnis nicht das Recht der Kritik an den vorgesehenen Maßnahmen berührt werden kann. Wir werden uns immer wieder erlauben, Vorschläge zu machen und auf Fehlentwicklungen hinzuweisen. Wir sind der Meinung, daß wir, nachdem wir die NATO-Verpflichtungen eingegangen sind, zu ihnen stehen müssen. Wir glauben aber, daß man auch in der NATO Verständnis für unsere besondere Lage haben muß. Herr Kollege Vogel hat ja vorhin unterstrichen, daß man sich gemeinsam bemühen will, für diese unsere besondere Lage bei der NATO um Verständnis zu ersuchen. Ich finde, wir sind damit noch nicht weit gekommen. Man muß doch dort Vorstellungen auch mit Aussicht auf Erfolg vertreten können, wie man sich seinen Beitrag zur Abwehr des Kommunismus innerhalb der freien Welt denkt. Es ist an sich verwunderlich, daß man
ein solches Bekenntnis an den Anfang einer Rede stellen muß, aber angesichts der Art, wie insbesondere im März hier diskutiert worden ist, scheint mir das notwendig zu sein. Ich finde, daß man nicht Debatten über Verteidigung führen kann, in denen man auf eine Kritik mit der Gegenfrage antwortet, ob man das deutsche Volk dem Bolschewismus ausliefern wolle. Das ist doch, ich muß es sagen, von der Seite der Mitte sehr oft getan worden.
({1})
Herr Kollege Schmidt und Herr Bundesverteidigungsminister Strauß haben schon auf die Reduzierung der Planung der Bundeswehr von Anno dazumal, als noch Herr Blank Verteidigungsminister war, Bezug genommen. Aber man muß noch einmal ganz klar herausstellen: das Programm, das damals aufgestellt war, hat doch zu gewissen Fehlentwicklungen geführt, und zwar dahingehend, daß in der Bundeswehr die oberen Ränge - bei den Offizieren und auch bei den Unteroffizieren - übersetzt sind und daß dadurch die jungen Leute jetzt nicht befördert werden können. Auch das muß man erkennen und muß man aussprechen können.
Herr Minister Strauß meinte, daß auch Blockierungen im Aufbau der Bundeswehr stattgefunden hätten, die sozusagen im eigenen Machtbereich hätten vermieden werden können. Wenn er damit darauf anspielen sollte, daß vielleicht der Gesetzgebungsgang manchmal etwas lange gedauert hat, dann muß man natürlich fragen, ob das nicht eben in der Art der Demokratie liegt. Wenn man die Demokratie als Staatsform haben will, muß man das auch hinnehmen. Wenn man sie nicht haben will, muß man zur Diktatur übergehen, in der von oben befohlen wird. Ich glaube nicht, daß das im Sinne von uns allen liegt.
({2})
- Sie sagen, man darf die Verzögerungen nicht kritisieren? Doch, man kann sie schon kritisieren. Man muß sich etwas Realisierbares vornehmen, und Sie werden doch nicht behaupten, daß die Aufstellung von 500 000 Mann in drei Jahren zu realisieren gewesen ist.
({3})
Wir haben auf diese Unmöglichkeit der Realisierung der seinerzeitigen Planung schon hingewiesen, bevor der Wechsel im Ressort eintrat, und wir begrüßen, daß man das danach eingesehen hat. Aber man muß sich auch heute noch überlegen, ob das, was jetzt in der Planung ist, tatsächlich durchgeführt werden kann. Die Erfüllung der Planung ist schwierig wegen der ständigen Weiterentwicklung der Waffen, wegen der technischen Vervollkommnung, die sie erfahren, wegen der ständigen Veränderungen, denen sie unterliegen. Man weiß nicht, mit was man ausrüsten soll, insbesondere auf dem Gebiet der Luftwaffe. Man kann auch in der Unterbringung die Aufstellung der Truppe nicht so vorantreiben, wie man das gern möchte. Wir begrüßen
an sich, daß man hier, wie Herr Strauß sagte, vorsichtig vorangeht, und wir möchten, daß das auch in der Zukunft so bleibt.
Andererseits sind wir von der NATO schon öfters gerügt worden, daß wir unseren Verpflichtungen nicht nachkämen. Ich weiß nicht, wie damit die Meinung von Herrn Bundesminister Strauß zu vereinbaren ist, daß die Aufstellungsziele immer eingehalten worden seien. Man sollte sich überlegen, ob es gut ist, wenn man sich wegen solcher Erfüllungslücken dauernd ins Gebet nehmen lassen muß. Wir sollten so planen, daß die Pläne auch realisiert werden können.
Dabei müssen wir daran denken, daß wir vor noch nicht allzu langer Zeit, 1949, überhaupt noch keine Wiederbewaffnung haben wollten, daß 1950 noch kein militärisches Spielzeug hergestellt werden sollte. Wir sind also des Militärs sehr gründlich entwöhnt worden und mußten ganz von vorne anfangen, und zwar unter Vorzeichen, die keinen Vergleich mit früher zulassen. Dazu kommt die Veränderung in der Kriegstechnik, in der Waffentechnik, die uns vor ganz neue Situationen stellt. Was wußten wir schon von elektronischer Steuerung und dergleichen, alles Dinge, mit denen man sich erst vertraut machen muß und die in jedem Falle erst eine Ausbildung erforderlich machen.
Man spricht jetzt glücklicherweise davon, daß bei der Aufstellung der Truppe Qualität vor Quantität gehe. Das scheint auch uns richtig zu sein. Die Qualität liegt aber unserer Ansicht nach zunächst im Geist der Truppe und erst in zweiter Linie bei den Waffen. Das haben wir doch im vergangenen Krieg erlebt, wo wir in jeden Feldzug waffentechnisch unterlegen gegangen sind und in der Führung und im Ausbildungsstand überlegen waren und so die Anfangserfoltg errungen haben. Wir haben auch deswegen das unvermeidbare Ende so lange hinausgezögert, weil wir in der Führungsqualität überlegen waren. Aber wir wurden durch die überlegene Wirtschafts- und Rüstungskapazität der damaligen Gegner außer Gefecht gesetzt. Nun kommt es doch wohl darauf an, in der Truppe Qualität auch durch einen entsprechenden Ausbildungsstand zu erreichen, und das läßt sich eben nicht übers Knie brechen; die Zeit spielt dabei eine große Rolle.
Wir hatten in diesem Hause lange Auseinandersetzungen über die Dauer der Dienstzeit. Man ging von 24 Monaten über 18 Monate schließlich auf 12 Monate herunter, nicht aus militärischen, sondern aus rein wirtschaftlichen Gründen. Militärische Notwendigkeiten mußten zurückgestellt werden. Es ist klar, daß auch unter den heutigen fortschrittlichen Ausbildungsmethoden innerhalb eines Jahres nicht das erreicht werden kann, was sich in 24 Monaten erreichen läßt. Das ist besonders wichtig bei dem Charakter der Divisionen, die wir aufstellen; diese Divisionen sollen ja stets einsatzbereit sein. Die Schwierigkeiten, denen wir bei der Aufstellung begegnen, bestehen darin, daß gleichzeitig mit der Grundausbildung der Rekruten die Verbandsausbildung vor sich gehen muß, daß gleichzeitig Neuaufstellungen gemacht werden und
daß schließlich immer ein Teil der Truppe auf Kommando ist, daß er also nicht da ist. Das sind Dinge, die, wenn man völlig neu anfängt, das Tempo einer Aufstellung ohne Zweifel ungünstig beeinflussen.
Ich darf mir in diesem Zusammenhang einen Vorschlag erlauben, der zwar erst bei der Besprechung des Verteidigungshaushalts gemacht werden sollte; aber da würde es wahrscheinlich schon zu spät sein. Können wir, Herr 'Minister, nicht endlich dazu kommen, daß wir innerhalb der Bataillone Ausbildungskompanien schaffen, die die Grundausbildung der einzuziehenden Wehrpflichtigen übernehmen und die Truppe, die einsatzfähig sein soll, von dieser Kleinarbeit entlasten? Das bedeutet selbstverständlich eine Vermehrung des Ausbildungspersonals um etwa 6- bis 8000 Köpfe, die nötig sind, um 30 000 Wehrpflichtige, die mehr eingestellt werden müssen, auszubilden und in die Schule zu nehmen. Es schiene uns angezeigt, diesen Gedanken schon im Rahmen des Haushalts 1958 zu verwirklichen. Eine Verwendung von Mitteln für diesen Zweck wäre eine sehr sinnvolle Ausgabe für die Verteidigung. Ich glaube, daß das zur Beschleunigung der Ausbildung und zu einem besseren Ausbildungsstand innerhalb der Truppe beitragen würde.
Bisher wurde fast nur davon gesprochen, was die Divisionen kosten, die frisch aufgestellt werden müssen: die Divisionen des Heeres und die Einheiten der Luftwaffe und der Marine. Man muß aber doch auch in Betracht ziehen, was der laufende Unterhalt der Truppe kostet. Das scheint mir doch sehr wichtig zu sein, und zwar auch wieder im Hinblick darauf, daß diese Truppe laufend einsatzbereit sein soll, daß man also sozusagen mit ihr für den Einsatz rechnen kann. Die einmaligen Ausgaben werden für 1958 auf 6 Milliarden D-Mark beziffert, die fortdauernden Ausgaben auf 4 Milliarden D-Mark. Ich glaube, daß das nicht ganz ausreichen wird.
Die Betriebsausgaben wenn man sie so nennen
will - werden sehr unterschiedlich beurteilt. In
ausländischen Zeitungen kann man lesen, daß der laufende Unterhalt mit der Weiterentwicklung der Waffen einer Panzerdivision 0,9 Milliarden D-Mark im Jahr kostet. Da scheinen die 4 Milliarden D-Mark als laufender Unterhalt etwas niedrig gegriffen zu sein. Es wäre interessant, vom Bundesverteidigungsministerium einmal zu erfahren, wie hoch der laufende Aufwand für eine einsatzbereite Kampftruppe ist.
({4})
Wir hören immer das neue Schlagwort: Doppelzweckdivisionen - Umrüstung der NATO. Auch das müßte von der Regierung, die dieser Umrüstung zugestimmt hat, in die Planung mit einbezogen werden. Man müßte doch ungefähre Vorstellungen darüber haben, was diese Doppelzweckdivisionen kosten. Außerdem möchte ich fragen, wie da die Ausbildung vorangetrieben werden soll und wie man es schaffen will, wenn man in der jetzt begonnenen Ausbildung plötzlich auf etwas
ganz Modernes umschaltet. Auch hier schiene mir eine gewisse Stetigkeit notwendig zu sein; sie wäre letzten Endes auch für die Verteidigung nicht schlecht.
Die Ausgaben für die Bundeswehr sind aber doch nur ein Teil der Verteidigungslasten. Wir wissen doch heutzutage alle, daß wir nicht mehr mit Lagen rechnen können, auf die alte Begriffe angewendet werden könnten, daß wir also eine Front hätten und daß hinter der Front das Heimatkriegsgebiet wäre. In einem Konfliktsfall ist vielmehr das ganze Volk mit in die Auseinandersetzung hineingezogen. Folglich gehören zu Verteidigungsplanungen auch die Kosten für den sogenannten zivilen Bevölkerungsschutz und letzten Endes auch die Kosten für die territoriale Verteidigung, die im Haushalt zum Teil auch berücksichtigt sind.
Ich glaube, daß wegen der geographischen Lage der Bundesrepublik als Anrainer des vermutlichen Gegners besondere Verhältnisse vorliegen. Kommt es zu einem örtlichen Konflikt, so wird er nicht an einem Tag und auch nicht durch die Luftwaffe oder durch die Raketen entschieden, Die kämpfende Truppe in Gestalt der NATO-Divisionen muß doch den notwendigen Rückhalt sowohl in einer territorialen Landesverteidigung als auch in einer kampfwilligen Bevölkerung haben. Wird diese Seite der Verteidigung, nämlich der zivile Bevölkerungsschutz, vernachlässigt, dann sinkt auch der Wert der kämpfenden Truppe, und gleichzeitig sinken die Chancen, sich in einer Auseinandersetzung zu behaupten. Mir scheint, daß bei den Überlegungen, die in der NATO angestellt werden, die besondere Lage der Bundesrepublik nicht genügend gewürdigt wird. Wir sollten darauf dringen, daß man sich mit der Lage „Örtliche Konflikte" etwas mehr beschäftigt als mit der Lage „Atomschlag gleich Pearl Habour". Ohne Zweifel sind die Ausgaben für die territoriale Verteidigung, für den zivilen Bevölkerungsschutz mittelbar auch Beiträge zur Sicherheit der übrigen westlichen Welt.
Nun komme ich zu der Frage: Wie sind die Anforderungen des Wehrprogramms an die Leistungen der Volkswirtschaft anzupassen, was und wieviel können und müssen wir zur Verteidigung der freien Welt leisten? Auf diese Frage wurde auch schon vom Herrn Kollegen Schoettle eingegangen. Er nannte einen ganzen Blumenstrauß von Problemen, die mit der Verteidigung zusammenhängen. Was können wir also fordern, und was können wir leisten? Zunächst einmal sind wir uns wohl darüber einig, daß die Art, wie man im Westen lebt, wie man die Lebenshaltung führt, schwerlich eine Einschränkung erträgt. Es kommt dabei darauf an, ob man davon überzeugt ist, daß man eine solche Einschränkung in der Lebenshaltung auf sich nehmen muß; denn sie läßt sich hier nicht diktieren. Die Überzeugungskraft der Parole „Wohlstand für alle!" ist ohne Zweifel groß, ebenso die der Parole „Sicherheit für alle!" Leider hat man bisher immer nur jeweils eine der Parolen benutzt und nicht beide miteinander in Beziehung gesetzt. Im übrigen hat man die Wohltaten des Staates für den einzelnen Bürger in den vergangenen Jahren so reichlich
ausgeschüttet, daß der Volkswirtschaft neben der I Rüstung Lasten aufgebürdet sind, die auch der größte Fleiß und die größte Intelligenz nicht meistern können. Man vergaß auch hier manchmal, daß man erst dem einen etwas nehmen muß, um es dem anderen geben zu können.
Ich glaube, in diesem Zusammenhang sagen zu dürfen, daß gerade auf dem sozialen Gebiet in der vergangenen Zeit recht viel getan worden ist und daß wir hier nicht so schnell einen Rückstand befürchten müssen. Auf anderen Gebieten, insbesondere auf dem Gebiet der Kulturpolitik, ist der Rückstand, in den wir geraten sind, sehr viel gefährlicher. Wenn wir die innere Sicherheit mit der äußeren garantieren wollen, müssen wir uns bereitfinden, in unserer Volkswirtschaft einen bestimmten Betrag für die Rüstung aufzuwenden. Dieser Betrag kann so ungefähr bei 9 bis 10 Milliarden DM liegen; er kann aber nicht bei anderen Haushalten eingespart werden. Ich glaube nicht, daß es möglich ist, zugunsten der Rüstungsfinanzierung z. B. die Fortentwicklung der Landwirtschaft zu stoppen.
({5})
- Selbstverständlich auch nicht des Weinbaus, obwohl der bisher am wenigsten aus diesem großen Topf bekommen hat. Man kann es auch nicht so machen, daß man von den Mitteln, die für bestimmte Dinge eigentlich zweckgebunden sind oder zumindest dafür verwandt werden sollten, wie
es z. B. das Mineralölsteueraufkommen für den Straßenbau ist, etwas abzweigt und die Lücke dann durch ein Verkehrsfinanzgesetz wieder auffüllt.
Ich glaube, das deswegen sagen zu dürfen, weil, wie ich vorhin schon andeutete, die Zeit der Kabinettskriege vorbei ist, weil wir heute dauernd in der geistigen Auseinandersetzung mit dem vermutlichen Gegner leben, weil wir auch im sogenannten Frieden in der Auseinandersetzung leben. Die akute Kriegsgefahr scheint mir durch die Atombombe als solche vermindert, weil der Ausgang einer Auseinandersetzung auch für den Gegner ungewiß ist. Aber die Auseinandersetzung findet eben auf den anderen Gebieten statt, auf dem geistigen und auf dem wirtschaftlichen Gebiet. Wir sind zwar, glaube ich, in Europa momentan verhältnismäßig uninteressant. Es geht doch um den Einfluß von Ost und West im Vorderen Orient, in Afrika, in Asien. Wer wird in dem Kampf um die Seele der Bandung-Völker siegen?
Wir können gar nicht darauf verzichten, auch hier unsererseits finanzielle Verpflichtungen einzugehen und etwas zu tun, um auch auf diesem Gebiet einen Beitrag für die gemeinsame Verteidigung der westlichen Welt zu leisten. Diese Einsicht ist auch bei der Regierung vorhanden. Herr Bundesminister Strauß hat in der Debatte im März gesagt, man könne den Kommunismus nicht mit Atombomben besiegen. Da stimme ich ihm völlig zu. Aber ich habe das Gefühl, wir tun nichts, um uns, wenn wir ihn mit Atombomben nicht besiegen können, auf die geistige Auseinandersetzung vorzubereiten
bzw. die Entwicklung unseres Potentials für die geistige Auseinandersetzung vorwärtszutreiben, - auch wenn Sie den Kopf schütteln, Herr Kollege Schlick. Es ist bedauerlich, daß wir heute immer noch den Schichtunterricht in den Schulen haben.
({6})
- Das ist gar nicht abwegig, sondern das gehört zu diesem Komplex. Man kann heute die Rüstung nicht für sich allein betreiben. Das ist etwas, was wir zusammen sehen müssen.
({7})
- Sicher habe ich etwas davon gehört.
({8})
- Ich habe speziell von dem Schulproblem gesprochen, das dazugehört, Herr Kollege Schlick.
({9})
Es scheint mir auch notwendig zu sein, daß man den ländlichen Gemeinden Hilfen für Lehrerdienstwohnungen und dergleichen mehr gibt. Das sind Dinge, die im argen liegen. Es ist vielleicht abwegig, das in diesem Hohen Hause zu sagen. Aber wenn man aus einem Dorf kommt, dann sind das Dinge, die einem auf den Nägeln brennen.
Wir hatten vorige Woche eine Debatte über das Fehlen des technischen Nachwuchses. Dabei hat unser Kollege Zoglmann - wenn ich zitieren darf - gesagt:
Es ist in der Tat so, daß ohne Forschung und ohne Förderung des technischen Nachwuchses, ohne alle diese Prämissen, ohne ein starkes wirtschaftliches Potential auch ein Verteidigungspotential nicht vorstellbar ist.
Darunter steht: „Sehr richtig! bei der FDP." Ich glaube, das ganze Haus hätte da eigentlich „Sehr richtig!" sagen können und müßte sich auch in seinen finanziellen Überlegungen danach richten.
Zusammenfassend möchte ich unsere Auffassung dahingehend festlegen: Die Bereitschaft zur militärischen Verteidigung der Bundesrepublik im Rahmen der NATO ist bei uns vorhanden. Die Höhe der aufgewandten Mittel muß sich nach den wirtschaftlichen und finanzpolitischen Möglichkeiten richten. Auf keinen Fall darf übersehen werden, daß die beste Rüstung nichts nützt, wenn der Widerstandswille eines Volkes durch eine zerrüttete Wirtschaft und soziale Spannungen wegen der Überrüstung zerbrochen und der kommunistischen Infiltration Tür und Tor geöffnet ist.
({10})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Deist.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach den Ausführungen unseres Kollegen Dr. Vogel scheint es mir notwendig zu sein, auf den Sinn dieser Debatte, die letzten Endes durch die Große Anfrage bestimmt wird, hinzuweisen. Wir haben gefragt: Welche finanziellen und wirtschaftlichen Folgen hat die Rüstungspolitik der Bundesregierung? Das ist das Thema unserer Debatte, über das wir uns hier zu unterhalten haben.
Das Problem, um das es dabei geht, ist: Wie kann eine sinnvolle, wirksame Landesverteidigung vereinbart werden mit der Notwendigkeit wirtschaftlicher und finanzieller Stabilität, ohne die es Sicherheit einfach nicht gibt?
({0})
Wir stellen diese Frage deswegen, weil wir den Gegner im Osten für hart, rücksichtslos und gefährlich halten.
({1})
Wir legen auf diese Feststellung Wert, weil wir aus unseren Erfahrungen wissen, daß der russische Kommunismus den Kampf mit dem Westen nicht nur rein primitiv mit militärischen Mitteln ausficht,
({2})
sondern daß seine wichtigsten und entscheidenden Waffen, mit denen er bisher meist Erfolg gehabt hat, die soziale Unterwühlung und die geistige Zersetzung sind.
({3})
Darum ist das entscheidende Problem, vor dem wir stehen, wenn wir überhaupt von Sicherheit und Freiheit reden wollen, ob wir eine Methode finden, bei der die wirtschaftlichen und sozialen Grundlagen Deutschlands gesund erhalten werden. Aus diesem Grunde haben wir unsere Anfrage gestellt, und deshalb möchte ich jetzt auch zu der Antwort des Herrn Bundesfinanzministers übergehen.
Ich darf seine Antwort in vier Punkten zusammenfassen. Der Bundesfinanzminister hat zunächst einmal bestätigt, daß die Rüstungsaufwendungen so wie geplant bis zum Jahre 1961 eine Größenordnung zwischen 50 und 60 Milliarden annehmen werden, wie das seit langem in der Presse behauptet wurde, ohne daß es uns seit sieben Jahren möglich war, von der Bundesregierung wirklich eine klare Antwort zu bekommen.
({4})
- Worin stand es?
({5})
- Ich habe im Bundeshaushalt nicht gelesen, daß die Aufwendungen für die Rüstung 50 bis 60 Milliarden betragen würden.
Der Herr Bundesfinanzminister hat weiterhin angegeben, daß in dieser Zeit bis 1961 12 Divisionen des stehenden Heeres aufgebaut würden; einige
Aufwendungen für die Ausrüstung der Marine und der Luftwaffe würden allerdings erst in die Jahre 1962 und 1963 fallen. Ich möchte zunächst anerkennen: es ist das erste Mal, daß wir durch unsere Große Anfrage erreicht haben, daß die Bundesregierung hier im Bundestag im Hinblick auf die Größenordnung der Rüstungskosten wenigstens Rede und Antwort steht.
({6})
Dann aber hat der Herr Bundesfinanzminister erklärt, daß es nicht möglich sei, auch nur einen überschläglichen Bedarfsplan und einen überschläglichen Finanzplan für die nächsten Jahre zu geben. Das entwertet die Angabe einer bloßen Gesamtzahl von 52 Milliarden schon beträchtlich.
Eine dritte Feststellung! Der Herr Bundesverteidigungsminister hat uns erklärt: Es gibt keine ähnliche grundlegende Umstellung wie die, die im Jahre 1956 vorgenommen wurde. Das Ganze läuft programmgemäß weiter ohne wesentliche Änderungen; es wird nur die Beschaffung gewisser Ausrüstungsgegenstände bis 1962 und 1963 verschoben, weil das aus technischen Gründen gar nicht anders zu machen ist.
Die vierte Feststellung, die für die Beurteilung der Antwort wesentlich ist: Wir befinden uns in einer umfassenden Umrüstung innerhalb der NATO, d. h. wir befinden uns auf dem Wege zur Ausrüstung der NATO-Truppen und damit auch der deutschen Truppen zunächst einmal mit taktischen Atomwaffen. Das bedeutet, daß das ganze bisherige ehrgeizige, von militärischem Großmachtdenken diktierte Rüstungsprogramm aufrechterhalten wird. Damit verlieren alle Zahlenangaben, die uns vorgelegt worden sind, stark an Glaubwürdigkeit.
Meine Damen und Herren, wir wissen, daß in den 52 Milliarden, die der Herr Bundesfinanzminister genannt hat, nicht die Beschaffung von Kriegsvorräten enthalten ist. Diese Kriegsvorräte werden Sie ja wohl nicht erst nach fünf Jahren anlegen wollen; sie müssen doch wohl im Laufe des Aufbaus der Wehrmacht beschafft werden. Wir haben heute gehört - und dem ist nicht widersprochen worden -, daß es sich dabei um einen Betrag zwischen 7 und 10 Milliarden handelt.
Ein Zweites. Wir haben keine ausreichenden Angaben darüber bekommen, wie Sie sich denn die atomare Ausrüstung der Bundeswehr vorstellen. Wir wissen nur eines: daß die geheimnisvollen Verhandlungen über das Rüstungsdreieck ItalienFrankreich-Deutschland weitergehen und sich offenbar nach allen Äußerungen, die wir bekommen können, mit den Fragen der atomaren Entwicklung befassen. Es ist uns bisher trotz ständiger Fragen nicht möglich gewesen, hierzu eine einzige konkrete Antwort zu bekommen.
({7})
Meine Damen und Herren, wir wissen doch auch seit kurzem, insbesondere durch eine Fernsehrede des Herrn Bundesverteidigungsministers, daß in der Verteidigungskonferenz bei der NATO die Atomrüstung nicht nur beschlossen worden ist, sonDr. Deist
dern daß wir nach den Worten des Bundesverteidigungsministers mit dem Anlaufen der Ausrüstung mit Atomwaffen in etwa zwei Jahren rechnen müssen. Das ist vor dem Ende der Periode, in der diese 52 Milliarden bis ,zum Jahre 1961 - verbraucht würden.
Über zivile Verteidigung, über Luftschutz und über Notstandsplanung haben wir gar nichts gehört. Sie können uns doch nicht die Zahl von 52 Milliarden vorlegen und alles das, was mit einer atomaren Bewaffnung notwendig verbunden ist, einfach außer Diskussion lassen. Oder wollen Sie damit sagen: Luftschutz ist bei atomarer Bewaffnung überhaupt nicht möglich, so daß wir es nicht nötig haben, dafür Posten in die Rechnung einzusetzen?
Meine Damen und Herren, ich muß auf dieses Kapitel etwas weiter eingehen; denn es rührt an die Glaubwürdigkeit der Zahlenangaben, die wir hier bekommen. Einer Ihrer Atomsachverständigen, der Physiker Professor Jordan, hat im Jahre 1956 in seinem Buch „Der gescheiterte Aufstand" folgendes geschrieben:
Aber wer will uns erzählen, daß auch der Mensch der Zukunft nur auf der Erdoberfläche leben wird? Wenn der Atomkrieg noch für fünf Jahrzehnte vermieden werden kann, so wird die Menschheit längst darauf eingerichtet sein, ohne Schwierigkeit und ohne Unbequemlichkeit einmal fünf Jahre unter der Erde zu bleiben, bis der Atomgestank draußen abgeklungen ist.
({8}) Und dann heißt es weiter:
So werden auch die Erdmenschen schon in näherer Zukunft einige Jahre des Ausgehverbots gut überstehen, sofern bis dahin die unterirdischen Städte fertig sind, welche die einzig mögliche Stadtform der Zukunft sind.
Meine Damen und Herren, wo sind die Kosten für die unterirdischen Städte oder wenigstens für die Vorbereitung darauf in Ihren 52 Milliarden?
({9})
Meine Damen und Herren, wenn Sie uns hier solche Zahlen vorlegen, dann darf ich auch einmal auf eine Veröffentlichung des Bundeswehrmajors Kohler in Heft 4 der „Wehrkunde" verweisen. Da wird über ein Planspiel geschrieben. Das ist ja wohl nicht für einen Fall, der vielleicht nach zehn Jahren einmal vorkommen kann, sondern für einen Fall, der als mögliche Realität von einem Militär berücksichtigt werden muß. In diesem Planspiel wird davon ausgegangen, daß ein 150-km-Streifen an der Zonengrenze evakuiert wird. In fünf Tagen sollen 14 Millionen Menschen 400 km weit getrieben werden. Dafür werden 50 ausgesparte Straßen benutzt. Ein Fußmarsch von täglich 24 km ist vorgesehen. 50 000 Evakuierungspolizisten haben dafür zu sorgen, daß Verstöße gegen die Marschdisziplin mit scharfen Maßnahmen geahndet werden.
({10})
Da heißt es:
Ein aus Individualisten zusammengesetztes Volk ist heute ein Widerspruch in sich.
({11})
Die Straßen werden hermetisch abgeriegelt.
Und jetzt kommt das, was finanzielle Bedeutung hat:
An den Straßen müssen Wasserstellen hergerichtet werden, Behelfsunterkünfte und alles, was für die Durchführung eines solchen fünftägigen Riesentransports erforderlich ist. Im Aufnahmegebiet müssen Barackenlager, Zeltstädte, Lebensmitteldepots, Wasser-Pipelines, Notstromversorgung, ärztliche Versorgung und dergleichen eingerichtet werden.
Und dabei rechnet der menschenfreundliche Major damit, daß Verletzte und Kranke nur 10% ausmachen, weil er nämlich unterstellt, daß der Feind in diesen ersten fünf Tagen noch nicht mitspielt, daß nämlich keine Straßenzerstörungen vorkommen, daß keine Verluste durch Waffeneinwirkung
({12})
und keine Ausfälle durch Strahlung und Verseuchung eintreten.
Meine Damen und Herren, wenn wir uns die von Ihnen genannte Zahl von 52 Milliarden ansehen und demgegenüber dieses - wie soll ich sagen - doch geradezu gespenstische Programm des militärischen Größenwahnsinns, dann können Sie doch weiß Gott nicht von uns verlangen, daß wir derartige Zahlenangaben von 52 Milliarden als bare Münze hier für unsere Auseinandersetzung annehmen.
({13})
Eine Erleichterung auf finanziellem und wirtschaftlichem Gebiet ist nur möglich, wenn Sie von Ihrem ehrgeizigen, unrealistischen und von militärischem Großmachtdenken diktierten Wehrprogramm abrücken.
Skeptisch macht uns auch, daß der Herr Bundesfinanzminister und der Herr Bundesverteidigungsminister sich heute wiederum geweigert haben, einen umfassenden Bedarfs- und Finanzplan vorzulegen. Wir haben von meinem Freunde Helmut Schmidt gehört: es war dem Bundeswirtschaftsministerium nicht unmöglich, dem Bundesverband der Industrie Pläne vorzulegen und mit ihm zu sprechen, damit die Industrie sich 'in ihrer Produktion darauf einrichten kann. Uns werden solche Pläne verweigert. Der Herr Bundesverteidigungsminister sagte vorsichtshalber, es sei nicht möglich, Pläne für fünf bis sieben Jahre vorzulegen. Wie wäre es, wenn Sie uns wenigstens für die nächsten zwei, drei Jahre einen Beschaffungs- und einen Finanzplan vorlegten? Das müßte doch zumindest im Rahmen der Möglichkeiten liegen.
Meine Damen und Herren, ich zitiere jetzt nicht den Bundesrechnungshof für die Jahre 1955 und 1954. Der Bundesrechnungshof hat auch in einem Bericht, der uns im Dezember 1957 vorgelegt worden ist, wiederum einen Finanzplan verlangt,
der die Ausgaben und ihre Deckung für die kommenden Jahre darlegt. Der Bericht fährt fort:
. . ., wenn man nicht Gefahr laufen will, in eine finanzielle Lage zu geraten, aus der befriedigende Auswege nur schwer zu finden sein werden.
So der Bundesrechnungshof!
Meine Damen und Herren, wer schützt uns denn davor, daß in drei, vier Jahren in den Vorbemerkungen des Haushaltsplans nicht eine ähnliche Bemerkung steht, wie sie in den Allgemeinen Vorbemerkungen für den Haushaltsansatz des Jahres 1955 gewählt wurde? Da steht nämlich, der im Haushalt 1955 mit einem globalen Jahresansatz in der Höhe von 9 Milliarden eingesetzte Verteidigungsbeitrag sei vornehmlich taktisch zu verstehen gewesen. Nun, mir scheint, daß ein wesentlicher Teil der Zahlen und der Darlegungen, die wir heute bekommen haben, nach alledem, was ich hier gesagt habe, ebenfalls durchaus taktisch zu verstehen sind.
({14})
Der Herr Bundesfinanzminister hat offenbar von den 60 Milliarden, die allgemein als richtig angesehen werden, nicht weiter herunterrechnen können als auf 52 Milliarden. Nun, die Spanne zwischen 52 und 60 Milliarden - ohne atomare Rüstung, ohne Luftschutz, ohne Kriegsvorrat usw. - ist nicht wesentlich. Die Schlußfolgerung daraus ist: Wenn bis 1957 9 Milliarden ausgegeben waren und wenn für das Jahr 1958 etwa 10 Milliarden reine Verteidigungsausgaben vorgesehen sind, zusammen also 19 Milliarden, dann bleiben je nach der Schätzung von 52 oder 60 Milliarden Gesamtkosten noch 33 bis 41 Milliarden für die nächsten beiden Jahre, wovon vielleicht die eine oder andere Milliarde ruhig noch in das nächste Jahr hineingenommen werden kann. Die paar Milliarden, die nach 1962/63 hinübergenommen werden, können im Hinblick auf den globalen Charakter der Zahlenangaben des Bundesfinanzministers ruhig außer Betracht gelassen werden. Dann kommt man also zu dem gleichen Ergebnis wie der hier bereits mehrfach zitierte „Rheinische Merkur", daß uns nämlich eine Steigerung der Rüstungsausgaben - wobei es auf die eine oder andere Milliarde gar nicht ankommt - bevorsteht, die wirtschaftlich einfach nicht mehr zu verkraften ist.
Der Herr Bundesverteidigungsminister hat am 15. Februar vor dem Wirtschaftsausschuß der CSU in München eine Bemerkung gemacht, die er offenbar für beruhigend hält. Er hat nämlich gesagt: Nach den jetzigen Planungen - dabei ist mir nicht klar, ob er damit die vom Februar oder die von heute meinte - werden unsere Verteidigungslasten in Prozenten des Sozialprodukts etwa gleich hoch liegen wie in Großbritannien und in Frankreich. Nun, meine Damen und Herren, ich weiß nicht, ob das eine Beruhigung sein kann. Wer einmal die OEEC-Zahlenvergleiche nachsieht, der wird bemerken, wie stark die Investitionstätigkeit in
Großbritannien dadurch gehemmt ist, daß dieses Land so hohe Rüstungslasten auf sich nehmen mußte,
({15})
daß durch die geringe Investitionstätigkeit Großbritanniens Stellung auf dem Weltmarkt und seine Stellung im Commonwealth außerordentlich beeinträchtigt ist und daß darin ein nicht unwesentlicher Grund für die Pfundkrise liegt. Ich weiß auch nicht, ob Frankreich ein gutes Beispiel ist. Frankreich ist durch seine hohe Rüstungsbelastung in eine wirtschaftliche und finanzielle Krise geraten, die die Stabilität ganz Europas in Frage stellt; dabei wird in Nordafrika auch noch die Position der freien Welt geschwächt.
Meine Damen und Herren! Wir plädieren, wie klargeworden sein dürfte, nicht für Ablehnung jeder Landesverteidigung. Die Landesverteidigung muß sich aber in jedem Fall in einem Rahmen halten, der die wirtschaftliche und finanzielle Stabilität nicht gefährdet. Auf diesem Gebiet haben wir hier in Deutschland eine wesentlich größere Aufgabe zu erfüllen als andere Länder, die weiter von der Grenze zum Osten entfernt sind.
Das Problem der Rüstungswirtschaft liegt doch in folgendem. Je höher die Rüstungswirtschaft getrieben wird, um so größere Teile des wirtschaftlichen Potentials dienen nicht mehr der zivilen Versorgung, der friedlichen Weiterentwicklung, sondern dienen eben - das ist der Zweck der Rüstungswirtschaft - militärischen Zwecken. Die Produktion von Rüstungsgütern dient nicht dem Verbrauch. Wenn Rüstungsgüter überhaupt einen wirtschaftlichen Wert haben, dann allenfalls nach kurzer Zeit Schrottwert. Außerdem werden innerhalb der Rüstungswirtschaft Dienste und Leistungen aufgebracht, die ebenfalls nicht der friedlichen Entwicklung dienen. Das heißt, alles, was dem zivilen, dem friedlichen Entwicklungsgang entzogen wird, belastet die Volkswirtschaft. Da befinden wir uns in Deutschland nun in einer besonderen Lage. Wir betreiben nämlich die Aufrüstung, den Aufbau einer Wehrmacht in diesem Umfang in einer Zeit, in der wir die Lasten des vergangenen Krieges noch nicht annähernd bewältigt haben.
({16})
Darum dürfen wir, wenn wir die Belastung des Sozialprodukts, die Belastung der deutschen Volkswirtschaft und die Auswirkungen auf die deutsche Volkswirtschaft betrachten wollen, nicht nur mit den Kosten der Bundeswehr rechnen, sondern müssen die Lasten des vergangenen Krieges zu der Belastung, die auf dem Sozialprodukt ruht, hinzuzählen. Dann allerdings schrumpft das große Wort des Deutschland-Union-Dienstes vom Haushalt der Sozialleistungen auf ein Minimum zusammen. Ich weiß nicht, ob der Herr Bundesfinanzminister dann noch Wert darauf legen kann, zu behaupten, wir hätten einen Etat der sozialen Sicherheit, in dem 40% Sozialleistungen und nur 17% Rüstungsleistungen enthalten sind. Mein Freund Schoettle hat bereits darauf hingewiesen, daß das eine Irreführung ist, daß in den Sozialleistungen auch PensionsDr. Deist
lasten für Bundesbedienstete, die 131er-Kosten, Wohnungsbau und ähnliche Ausgaben enthalten sind. Wenn man einmal nach dem uns vorgelegten Funktionenplan die Lasten für die neue Bundeswehr und die Lasten des verlorenen Krieges zusammenrechnet, dann kommt man für die neue Bundeswehr - einschließlich Berlin-Zuschuß - auf rund 12 Milliarden und für die Kosten des verlorenen Krieges noch einmal auf 12 bis 13 Milliarden. Das sind 24 bis 25 Milliarden für Kriegskosten der Vergangenheit und der Zukunft, das sind 60% des Haushalts, und die echten normalen sozialen Lasten schrumpfen dann auf 5,3 Milliarden und damit auf 14 % des Haushaltsplans zusammen. Das scheint mir für die Beurteilung dieses Haushaltsplans und seiner Auswirkungen auf die Wirtschaft und die finanzielle Entwicklung nicht ganz ohne Bedeutung zu sein.
({17})
Die gesamte Belastung der Volkswirtschaft mit diesen Kosten beträgt, wenn ich die Kosten der Länder und Gemeinden für die Beseitigung von Kriegsschäden, die Kosten in den Zonengrenzgebieten und dergleichen mehr hinzuzähle, insgesamt rund 30 Milliarden.
({18})
- Vielleicht lassen Sie mich zunächst einmal meine Argumentation zu Ende führen. Ich rechne zur Zeit aus, was S i e ausgeben.
({19})
Zunächst scheint es mir für die Beurteilung Ihrer Rüstungspolitik wichtig, festzustellen, was Sie ausgeben und welche Folgen diese Ausgaben haben werden. Auf die andere Frage werde ich zu gegebener Zeit zurückkommen.
({20})
Also das sind 15 % des Sozialprodukts. Eine solche Belastung ist einfach ohne Störung einer gesunden wirtschaftlichen Entwicklung nicht möglich.
({21})
- Sie werden gleich sehen, daß wir nicht abzuwarten brauchen, sondern daß ich Ihnen die Beweise dafür schon heute vorlegen kann, und Sie sollten nicht noch versuchen, diese Belastung zu bagatellisieren. Das macht nämlich das Tragen dieser Kosten nur um so schwerer. Weil so große Teile des Sozialprodukts verlorengehen, darum müssen wichtige wirtschaftliche, soziale und kulturelle Aufgaben zurückstehen.
Uns erscheint es wichtig, daß wir uns hier nicht nur in Milliarden bewegen, sondern daß wir uns und den anderen, die es hören wollen, doch einmal sagen, was konkret dahintersteckt, was an Stelle dieser Ausgaben an sozialen, wirtschaftlichen und sonstigen Leistungen möglich wäre, damit wir die Folgewirkungen wirklich übersehen können. Die 60 Milliarden und vielleicht einiges mehr für Aufrüstung werden im Zeitraum von einigen wenigen Jahren aufgebracht. Für den Straßenbau brauchen wir 35 Milliarden, nur um ihn fit zu machen. Davon entfallen 22 Milliarden auf den Bund. Aber diese 22 Milliarden können wir nicht in fünf, nicht in sechs Jahren aufbringen, dazu brauchen wir zehn Jahre, obwohl wir voraussehen können, daß der Straßenverkehr binnen weniger Jahre zusammenbricht, wenn wir nicht einiges mehr tun als bisher!
({22})
Im Augenblick, 13 Jahre nach Kriegsschluß, haben wir im Wohnungsbau immer noch einen Bedarf von dreieinhalb Millionen Wohnungen zu decken, und zwar ohne die Bereinigung der Elendsquartiere und ohne den Wohnungsbau für die Zugewanderten. Der Aufwand, der dadurch mit etwa 10 bis 15 Milliarden auf den Bund zukommt, muß auf 8 bis 10 Jahre verteilt werden. So weit muß die Lösung des Wohnungsbauproblems nach Kriegsende nochmals zurückgestellt werden!
({23})
- Regen Sie sich nicht auf! Wenn wir über die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Kriegslasten sprechen, gehören solche Vergleiche unbedingt dazu!
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Wir haben in der letzten Debatte über Bildungsfragen festgestellt, daß bei uns noch 33 000 Klassenräume fehlen. Das ist ein Bedarf von 3,5 bis 4,5 Milliarden DM. Nach den bisherigen Erfahrungen müssen wir die Beseitigung dieses dringenden Notstandes ebenfalls auf acht bis zehn Jahre aus' dehnen.
Das tragischste Kapitel ist, daß wir nach dem Haushaltsplan nicht in der Lage sind, auch jetzt offenbar noch nicht, für die Förderung von Wissenschaft und Forschung die erforderlichen Beträge bereitzustellen. Da diese Dinge mit der wehrtechnischen Forschung zusammenhängen, lassen Sie mich darüber einiges sagen. Der Bundesfinanzminister hat in seiner großen Haushaltsrede festgestellt, daß für die Förderung von Wissenschaft und Forschung im Jahre 1957 570 Millionen DM, im Jahre 1958 800 Millionen DM ausgegeben worden seien, daß dieser Betrag also um 230 Millionen DM gestiegen sei. Er hat dafür den Beifall der Regierungskoalition gefunden. Diese Erhöhung um 230 Millionen DM entfällt mit 132 Millionen DM auf Wehrtechnik, während für die ganze übrige friedliche Entwicklung nur 98 Millionen DM Forschungsmittel übrigbleiben.
({25})
So sollen von dem ganzen Betrag von 800 Millionen DM für Forschungszwecke, auf die sich der Bundesfinanzminister berufen hat, allein 300 Millionen DM für Wehrtechnik ausgegeben werden.
Ich begegnete hier soeben einigem Kopfschütteln, weil ich solche Ausführungen mache; sie scheinen mir notwendig zu sein, da diese Rüstungsaufwendungen häufig so bagatellisiert werden, wie das früher einmal der Herr Bundeswirtschaftsminister getan hat. Er sagte:
Im ganzen gesehen möchte ich noch einmal
sagen, daß wir dieser Rüstungsaufgabe mit
aller Ruhe begegnen können, daß sie uns vor kein Problem stellen kann, das uns aus dem seelischen Gleichgewicht bringen müßte.
Ich weiß nicht, wie das mit dem seelischen Gleichgewicht ist. Ich möchte jedoch ein paar weitere Zahlen nennen, die vielleicht zeigen, wie das wirtschaftliche und das finanzielle Gleichgewicht jedenfalls von solchen Ausgaben berührt wird.
Ein Zerstörer kostet 100 Millionen DM. An Mitteln für die Studentenförderung fehlen uns in diesem Jahre 80 Millionen DM. Mit den Mitteln für 12 Zerstörern, die vorgesehen sind, könnten wir für 15 Jahre diesen Fehlbedarf bei der Studentenförderung decken.
({26})
Das ganze Schiffbauprogramm kostet 3 Milliarden DM. Das ist für drei Jahre der Fehlbedarf an
Förderungsmitteln für Wissenschaft und Forschung.
Ein Panzer kostet etwa 500 000 DM. Die Mittel für zwei Panzer reichen zum Bau einer achtklassigen Schule. Mit den 4 Milliarden DM für das gesamte Panzerprogramm können Sie den ganzen Fehlbedarf an Schulräumen decken.
({27})
- Ich habe nicht die Absicht, mich im luftleeren Raum von Zahlen zu bewegen, sondern ich will auf den Tisch legen, was diese Zahlen faktisch für die Wirtschaft und die Gesellschaft bedeuten.
({28})
Ungeachtet dieses Protestes nenne ich noch eine weitere Zahl. Eine Bataillonskaserne kostet 20 Millionen DM. Dafür können annähernd 1000 Wohnungen errichtet werden.
({29})
Das gesamte Rüstungs-Bauprogramm umfaßt 10 Milliarden DM. Das heißt, der gesamte Fehlbedarf im Straßenbauprogramm für die nächsten Jahre oder der gesamte Zuschußbedarf des Bundes für die Errichtung von 31/2 Millionen Wohnungen könnte daraus gedeckt werden.
Warum sage ich das?
({30})
Ich möchte deutlich machen, welche Zukunftsbelastung für das deutsche Volk aus einer derart forcierten Rüstung und aus derart übertriebenen Rüstungsaufgaben folgen kann.
({31})
Ich möchte darauf hinweisen, daß wir, wenn dieses übertriebene Rüstungsprogramm weiter so vorangetrieben wird, vor der Gefahr stehen, eines schönen Tages in die Nähe von wirtschaftlich, sozial und kulturell unterentwickelten Gebieten zu kommen.
({32})
Wenn wir eine Debatte über den Stand von Wissenschaft und Forschung haben, pflegen Sie, die Bundesregierung und der Wissenschaftsrat und alles, was da ist, festzustellen, wie stark wir in Deutschland mit unseren Aufwendungen für Wissenschaft und Forschung zurück sind. Wenn wir das mit den Riesenbelastungen in Zusammenhang brinden, die aus der Rüstung auf uns zukommen, dann ist das wiederum ein Wort zuviel gesagt.
({33})
Derartige Aufwendungen sind geeignet, das wirtschaftliche und soziale Gleichgewicht Deutschlands für die Zukunft entscheidend zu stören.
Aber es kommt nicht nur auf die Zukunftsbelastung an. Rüstungskosten müssen auch heute getragen werden. Das Wesen der Rüstungswirtschaft besteht, wie gesagt, darin, daß ein Teil des Produktionspotentials für die Fertigung von Rüstungsgütern und daher nicht für die Fertigung von zivilen Gütern zur Verfügung steht. Das heißt, bei gleichbleibender Erzeugung würde bei gleichbleibender Nachfrage ein geringeres Angebot vorhanden sein. Mit anderen Worten: eine solche Entwicklung führt zu einer Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage und damit zu Preissteigerungstendenzen. In der dynamischen Wirtschaft steigt die Nachfrage ständig. Das Problem ist, ob die steigende Gesamtproduktion sowohl die steigende normale, zivile Nachfrage wie auch die zusätzliche Rüstungsnachfrage decken kann.
Der Bundeswirtschaftsminister ist Optimist. Er hat eine Rechnung aufgemacht und gesagt, bei einem Sozialprodukt von 210 Milliarden DM könnten wir durch einen dreijährigen Produktivitätszuwachs - vermutlich durch Mehrarbeit - insgesamt eine Mehrleistung von 36 Milliarden DM hervorbringen. Wenn man dann dem Staate gebe, was des Staates sei, dann bleibe mehr als die Hälfte für die Erhöhung des Lebensstandards und für die Anreicherung von Vermögen übrig. Nun, der Herr Bundeswirtschaftsminister hat sich verrechnet. Wenn er nämlich drei Jahre mit 3 % rechnet, kommen etwa 19 bis 20 Milliarden und nicht 36 Milliarden DM heraus. Ich weiß nicht, ob er bei dem Ansatz von 36 Milliarden DM etwa eine 21/2%ige ständige Entwertung der Mark mit einkalkuliert hat.
({34})
Jedenfalls wird auch nach dieser Rechnung praktisch der gesamte reale Zuwachs der Produktivität für den zusätzlichen Rüstungsbedarf in Anspruch genommen. Das heißt, für die Steigerung des Lebensstandards bleibt nichts übrig.
Nun mag es Menschen geben, die sagen: In einer solchen Zeit muß man auch in Kauf nehmen, daß eine Steigerung des Lebensstandards nicht mehr stattfindet. Der Herr Bundeswirtschaftsminister gehört dem Vorstand der Deutschen Gruppe der Europäischen Vereinigung für wirtschaftliche und soziale Entwicklung an. Diese ,Gruppe hat im Jahre 1956 eine Denkschrift veröffentlicht, in der es heißt:
Die Einfügung der Rüstungsnachfrage in die
volkswirtschaftliche Gesamtnachfrage ist in
einer Zeit der Vollbeschäftigung nur unter Zurückdrängung anderer Nachfrage möglich. Abwegig ist die Hoffnung, daß der Zuwachs des Sozialprodukts für die Rüstung reserviert bleiben könnte. Man weiß aus Erfahrung, daß diese Möglichkeit an einer sozialen Gesetzmäßigkeit scheitert. Wenn die private Nachfrage des einzelnen durch wachsende Einkommen nicht wenigstens die Aussicht hat zu steigen, ist dieses volkswirtschaftliche Wachstum kaum möglich.
Das „Handelsblatt" hat es noch einfacher und klarer gesagt, indem es meinte, „zu rüsten, ohne den Lebensstandard zu beeinträchtigen, das ist ein Rezept, das noch nicht erfunden worden ist".
Das weiß im Grunde genommen auch der Herr Bundeswirtschaftsminister, Darum sein Schrei nach Mehrarbeit. Er weiß nämlich, daß ohne Beeinträchtigung des Lebensstandards die Rüstungskosten einfach nicht zu decken sind. Damit bleibt die Aufgabe, die Nachfrage nach Investitions- und Konsumgütern zugunsten der Rüstungswirtschaft einzuschränken. Daran führt kein Weg vorbei, wenn man Rüstungspolitik treibt. Die einzige Frage ist: Wer trägt die Kosten?
Es gibt im Grunde genommen nur drei Möglichkeiten, um den zivilen Bedarf einzuschränken und ihn dem steigenden Rüstungsbedarf anzupassen. Es gibt die Möglichkeit einer restriktiven Kredit- und Geldpolitik der Bundesbank, es gibt die Möglichkeit der Steuererhöhung, und es gibt die dritte Möglichkeit darüber sind sich alle Wissenschaftler und Praktiker einig -, mit Hilfe der Inflation den Konsumverzicht bei den Beziehern fester Einkommen zu erzwingen.
Von der restriktiven Kreditpolitik haben wir Gott sei Dank nichts gehört. Sie würde nämlich bedeuten, daß durch Kreditbeschränkung die Beschäftigung so weit eingeengt wird - durch Betriebsstillegungen und Arbeiterentlassungen -, daß der Verbrauch gedrosselt wird. Einen solchen Übermut, das möchte ich annehmen, bringt auch diese Regierung nicht auf.
Die zweite Möglichkeit wäre Steuererhöhung. Ich möchte es ganz deutlich aussprechen, daß es - auch darüber besteht eigentlich, wenn man sich intern unterhält, kein Streit - nur eine normale Möglichkeit gibt, Rüstungskosten zu decken, nämlich durch Steuererhöhungen. Nun, die Bundesregierung hat diesen Weg bisher nicht beschritten - im Gegenteil! - obwohl sie weiß, daß ihr Etat in diesem Jahr effektiv nicht gedeckt ist und daß auf sie in den nächsten Jahren Probleme zukommen, von deren Tragweite uns der Herr Bundesfinanzminister einige Vorstellungen in seinen Vorbemerkungen vermittelt hat. In diesem Augenblick wagt uns die Bundesregierung jedenfalls noch nicht zu sagen, sie wolle Steuern erhöhen. Bei dem Ausmaß, das die Steigerung der Rüstungskosten annimmt und das pro Jahr etwa zwischen 4 und 5 Milliarden beträgt, ist es überhaupt zweifelhaft, ob diese Steigerung durch eine im. Rahmen des Normalen liegende Steuererhöhung kompensiert werden kann.
Wenn diese beiden Wege ausscheiden, dann gibt es eine drastische Einschränkung zugunsten der Rüstungsausgaben nur noch auf dem Wege über langsame, aber stetige Preissteigerungen. Wir sollten uns darüber klar sein, daß die Bundesregierung diesen Weg bereits seit einigen Jahren beschreitet.
({35})
- Ich will Ihnen sehr deutlich antworten. Wir sind der Auffassung, wenn eine Regierung schon eine solche Rüstungspolitik betreibt, dann hat sie eine Rüstungssteuer auf hohe Einkommen und hohe Vermögen zu erheben.
({36})
Herr Abgeordneter Dresbach, ich bitte Sie, sich vorher zu Wort zu melden, damit ich den Redner fragen kann, ob er eine Zwischenfrage gestattet.
({0})
Herr Dr. Dresbach, es kommt ganz darauf an, was man unter „höheren Einkommen" versteht.
({0})
- Fragen Sie nur noch weiter, dann sage ich einige Worte dazu.
Mein Freund Seuffert hat Ihnen im Zusammenhang mit der Steuerdebatte einige deutliche Worte darüber gesagt, was wir darunter verstehen. Er hat doch den Nachweis geführt, daß ein wesentlicher Teil dieser Steuersenkung - in größerem Umfang - den ganz, ganz großen Einkommen zuläuft.
({1})
Aber vielleicht sind wir gar nicht so weit voneinander entfernt, Herr Dr. Dresbach, wenn Sie mir darin zustimmen, daß Rüstungsausgaben durch Steuern auf die hohen Einkommen und auf die hohen Vermögen gedeckt werden sollten. - Aber darüber wollte ich ja gar nicht sprechen. Die Bundesregierung hat diesen Weg jedenfalls bisher nicht beschritten. Mir scheint auch, daß die Bundesregierung diesen Weg nicht zu beschreiten gedenkt. In der jüngsten Vergangenheit hat sie jedenfalls einen ganz anderen Weg eingeschlagen. Wenn es richtig ist, daß steigende Rüstungsausgaben nur zu ver1330
kraften sind, wenn die zivile Nachfrage eingeschränkt wird, muß die Bundesregierung konsequenterweise Maßnahmen treffen, die diese Einschränkung der zivilen Ausgaben bewirken. Was hat diese Bundesregierung aber getan? Sie hat durch eine ständige Ausweitung der zivilen Nachfrage und durch ständige Auslösung inflationärer Prozesse eine Lösung dieses Problems geradezu unmöglich gemacht. - Das sage nicht ich, sondern Sie können es in den Allgemeinen Vorbemerkungen des Herrn Bundesfinanzministers zum Haushaltsplan nachlesen.
Was steht in den Allgemeinen Vorbemerkungen des Herrn Bundesfinanzministers zum Haushaltsplan über die Juliusturmpolitik? Da steht, daß bis zum Jahre 1955 ständig Milliardenbeträge stillgelegt wurden, d. h. daß sie nicht in den Konsum geflossen sind, daß sie nicht als Nachfrage aufgetreten sind. Zuletzt waren es im Jahre 1955 3 Milliarden DM. Im Jahre 1956 erfolgte keine Stillegung von Geldmitteln. Das heißt - und das ist auch aus den Vorbemerkungen des Herrn Bundesfinanzministers zu entnehmen -, durch die Politik der Bundesregierung sind bereits im Jahre 1956 3 Milliarden DM zusätzliche Nachfrage auf dem inneren Markt geschaffen worden.
({2})
Für das Jahr 1957 ergibt sich nach den Feststellungen des Herrn Bundesfinanzministers eine Verminderung der Juliusturmmittel von 7 Milliarden auf 3 Milliarden DM, d. h. wiederum eine Kaufkraftschöpfung, eine Geldschöpfung von 4 Milliarden DM. Der Haushaltsplan des Jahres 1958 macht uns in dieser Hinsicht nun allerdings allergrößte Sorgen. Wie der Herr Bundesfinanzminister den Mut hat, wiederum 3 Milliarden aus dem Juliusturm einfach als Einnahme einzusetzen und in der augenblicklichen konjunkturellen Situation damit 3 Milliarden DM neue Nachfrage zu schaffen, ist einfach unerfindlich.
Aber es ist auch die Frage, ob es dem Herrn Bundesfinanzminister möglich ist und ob es gut ist, in der augenblicklichen Situation für Rüstungsfinanzierung Anleihen im Betrage von 1,6 Milliarden DM aufzunehmen. Wir sollten uns wenigstens darin einig sein, daß die Aufnahme von Anleihen für Rüstungszwecke in jedem Falle eine unzweckmäßige und unglückliche Finanzierungsmaßnahme ist.
({3})
Der Herr Bundesfinanzminister hat bei der Etatberatung auch zugegeben, daß seine Einnahmeschätzungen unter Zugrundlegung einer Zunahme des Sozialprodukts von 7% vielleicht doch etwas zu weit gehen, daß wir also damit rechnen müssen, daß bereits dieser Etat über jene 4,6 Milliarden DM hinaus ein Loch aufweist. Außerdem hat er eingeräumt, daß die Auswirkungen der Steuersenkung und die Erhöhung der Kriegsopferversorgung - die er selbst für notwendig hält - im Etat noch nicht berücksichtigt sind. Schließlich sind auch die Stationierungskosten, die der Herr Bundeskanzler seinen englischen Freunden bei seinem Besuch eingebracht hat, noch nicht einkalkuliert. Was nützt
uns da eine Rede über das Deckungsprinzip, was nützt es uns da, wenn gesagt wird, Kreditschöpfung über Notenbankkredite lehne man ab, wenn auf der anderen Seite Kreditschöpfung aus dem Juliusturm als eine selbstverständliche Sache hingenommen wird?!
Bei dieser Entwicklung müssen wir damit rechnen, daß im kommenden Haushaltsjahr ein Defizit von 6 bis 8 Milliarden DM zu decken ist, das Sie nun nicht mehr rechnerisch aus dem Juliusturm decken können. Diese defizitäre Finanzpolitik in Zusammenhang mit den ständig steigenden, inflationär wirkenden Außenhandelsüberschüssen, die ebenfalls eine Folge der Politik der Bundesregierung sind, ist die entscheidende Ursache dafür, daß schon in der Vergangenheit die Kosten der Politik der Bundesregierung im wesentlichen durch Preiserhöhungen abgewälzt wurden. In den letzten drei Jahren hatten wir im Durchschnitt eine Steigerung der Lebenshaltungskosten von 2 bis 3 % zu verzeichnen. Vom Frühjahr des vergangenen Jahres bis zu diesem Frühjahr waren es nunmehr 4,5 %. Das macht deutlich, welche finanziellen Folgen in der Zukunft auf uns zukommen müssen, wenn diese Politik mit gesteigerten Anforderungen der Rüstungswirtschaft so, wie es nunmehr in Aussicht steht, weiterhin betrieben wird. Diese Steigerungsbeträge können praktisch nicht mehr aus dem Zuwachs des Sozialproduktes gedeckt werden. Wir müssen daher auch in Zukunft mit einer stärkeren Steigerung der Preise und damit mit einer langsamen, aber sicheren Erschütterung von Währung und Wirtschaft rechnen.
Über ein Thema ist hier heute nicht gesprochen worden, das in der Öffentlichkeit ständig behandelt wird. Es tut mir leid, ich fühle mich verpflichtet, dazu einige Worte zu sagen. Obwohl ganz klar ist, daß der Umfang der Geld- und Nachfrageschöpfung über Juliusturm-Auschüttung und über Außenhandelsüberschüsse in die Milliardenbeträge geht und mit der Frage der Lohnerhöhungen gar nichts mehr zu tun hat, wird heute allüberall davon gesprochen, daß die Stabilisierung der Wirtschaft, die durch eine solche Politik untergraben wird, allein durch eine sinnlose Erhöhung der Lohneinkommen gefährdet sei. Ich meine, um dieser Diffamierung entgegenzutreten, muß auch zu diesem Problem am heutigen Tage hier etwas gesagt werden.
Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat sich nicht gescheut, in seinem Lagebericht für Februar 1958 folgendes auszuführen:
Einer Stabilisierung des Preisniveaus als der wichtigsten Voraussetzung für die Aufrechterhaltung der guten Konjunktur in der Bundesrepublik steht gegenwärtig allerdings die Lohnpolitik im Wege.
- Es war im März 1958, als er das schrieb. Durch Lohnerhöhungen, die deutlich über den gesamtwirtschaftlichen Produktivitätsfortschritt hinausgehen, wird der stabilisierende Effekt sinkender Rohstoffpreise und beachtlicher Rationalisierungserfolge immer wieder zunichte gemacht.
Kein Wort von Rüstungsfinanzierung, kein Wort vom ständigen Einfuhrdefizit von mehreren Milliarden Mark!
Wenn der Herr Bundeswirtschaftsminister das vor einem Jahr geschrieben hätte, hätte er vielleicht noch einen Anschein von Berechtigung für seine Auffassung geltend machen können. Denn im Jahre 1956 waren die Nettolöhne und -gehälter um etwa 11 % gestiegen, während das Bruttosozialprodukt nur um etwa 10% zugenommen hatte. Daraus ergab sich ein Verbrauch, der tatsächlich etwa 1,3% höher lag als die Zunahme des Bruttosozialprodukts. Die Nettolöhne und -gehälter betrugen im Jahre 1955 63 Milliarden D-Mark. Diese 1,3 % machten eine Milliarde bei einem Bruttosozialprodukt von 175 Milliarden D-Mark, bei einer Kreditschöpfung aus dem Juliusturm von 3 Milliarden D-Mark und bei einem Einfuhrdefizit von 3 Milliarden D-Mark, d. h. 6 Milliarden inflationäre Nachfrageexpansion. Aber selbst in diesem Jahre wäre es unfair gewesen, eine solche Behauptung aufzustellen; denn hier handelte es sich um einen Nachholbedarf für die zurückgebliebenen Löhne des Jahres 1955. In diesem Jahre betrug nämlich der Zuwachs des Bruttosozialproduktes 14% und die Steigerung der Nettolöhne nur 13%; und der private Verbrauch stieg sogar nur um 11 %.
Aber wir haben das ganze Jahr 1957 hinter uns und stehen am Anfang des Jahres 1958. Der Herr Bundeswirtschaftsminister, der ständig selbst Lageberichte über die Wirtschaft herausgibt, muß doch auch wissen, wie sich die Löhne und Gehälter im Laufe dieses Jahres entwickelt haben. Dabei ist folgendes festzustellen. Die Zuwachsrate der Löhne und Gehälter gegenüber dem Vorjahr betrug im ersten Quartal 1957 noch 12 %, im zweiten und dritten nur noch 8 % und im vierten nur noch 7 %. Das heißt: die Zuwachsrate der Löhne und Gehälter zeigt absolut sinkende Tendenz. Infolgedessen konnte der Herr Bundesfinanzminister in den Vorbemerkungen zum Haushaltsplan auch feststellen, daß sich das Sozialprodukt und der private Verbrauch in gleicher Weise um 7,5 % erhöht haben, und er fügt hinzu: Das bedeutet, daß von dieser Seite im Jahre 1957 keine Strukturveränderung eingetreten ist. Das ist mal ein ehrliches Wort darüber, daß über die Lohnerhöhungen des Jahres 1957 keine solche Kaufkraftschöpfung eingetreten ist, sondern daß die Preissteigerungen andere Ursachen hatten,
({4})
nämlich die Kassendefizite und Einfuhrdefizite in Höhe von rund 8 Milliarden im Jahre 1957. Im Grunde genommen waren die letzten Lohnsteigerungen nur ein Ausgleich für die Preissteigerungen, die auf die Rüstungs-, Wirtschafts- und Finanzpolitik der Bundesregierung zurückzuführen sind. Damit komme ich zu der Behauptung des Herrn Bundeswirtschaftsministers, daß die Löhne den realen Produktivitätszuwachs wesentlich überschritten hätten. Die Löhne sind im Jahre 1957, wie er selbst angibt, nominell um 6,5 % angestiegen; eine Preiserhöhung von 3% abgezogen, ergibt eine
reale Lohnerhöhung von 3,5 %, während der reale Produktivitätszuwachs je Stunde 4,5% betragen hat.
({5})
- Nein, Herr Kollege Hellwig, der Witz ist der, daß Sie immer realen Produktivitätszuwachs und nominelle Lohnerhöhung vergleichen.
({6})
Nun, Herr Kollege Hellwig, wir werden Gelegenheit haben, uns über dieses Problem noch einmal zu unterhalten. Jedenfalls, wenn Sie nominelle Lohnerhöhung mit realem Produktivitätszuwachs vergleichen, nehmen Sie das bereits in die Rechnung hinein, was Sie beweisen wollen: daß nämlich die höheren Löhne die Preissteigerungen verursacht hätten. So einfach läßt sich die Rechnung nicht durchführen. Jedenfalls bleibt die Tatsache bestehen, daß die Lohnerhöhungen des vergangenen Jahres und dieses Jahres nur einen Ausgleich der durch die Politik der Bundesregierung hervorgerufenen Preissteigerungen herbeigeführt haben, ja, hinter diesen Preissteigerungen zurückgeblieben sind.
({7})
Schon heute läßt sich feststellen, daß bereits in der Vergangenheit bei verhältnismäßig geringen Anforderungen an die Rüstungswirtschaft, bei weiterer Ausweitung, bei steigender Produktivität zwar im Jahre 1957 die Gewinne der Unternehmungen und die Dividenden sich wesentlich erhöht haben, daß es aber der Arbeitnehmerschaft mit ihren Lohnkämpfen nicht möglich war, die Preissteigerungen dieses Jahres wieder voll wettzumachen; denn die Rüstungsausgaben haben eine Höhe und ein Tempo angenommen, das im Zusammenhang mit der Außenhandelspolitik und mit einer untauglichen Kartell- und Kreditpolitik eine ständige Preiserhöhung unvermeidlich macht.
Meine Damen und Herren, Sie mögen das nicht sehr gerne hören. Vielleicht sind die Ausführungen des Herrn Bundesfinanzministers in seinen Allgemeinen Vorbemerkungen überzeugender für Sie. Es heißt dort auf Seite 7: Der Bundeshaushalt beginne „nunmehr bei steigenden Verteidigungsausgaben in einem Zeitpunkt expansiv zu wirken und die Geldschöpfung durch die Einlösung der Gold-und Devisenzugänge zu verstärken, in dem die Vollbeschäftigung praktisch erreicht ist". Hat damit der Herr Finanzminister eigentlich etwas anderes gesagt, als was ich soeben über die Wirkung der Finanzpolitik der Bundesregierung behauptet hatte, wenn auch mit anderen Worten? An anderer Stelle - auf Seite 64 - heißt es, der Abbau der Kassenbestände - und wir bauen nach den Plänen
des Herrn Bundesfinanzministers in 1958 wieder 3 Milliarden DM ab- komme daher einer Geldschöpfung gleich, die tendenziell preissteigernd wirke. Der Bundesfinanzminister weiß, daß man infolgedessen eine solche Geldschöpfung nicht vornehmen darf. Aber er resigniert. Er sagt nämlich, eine solche vernünftige Politik könne er wegen der Begehrlichkeit der Interessenten - das sind doch ja wohl jene Gruppen, die in der Nähe der Bundesregierung und der Koalition sitzen;
({8})
bitte lesen Sie das nach - und wegen der Bewilligungsfreudigkeit des Parlaments -das muß ja wohl die Mehrheit der Koalition sein - nicht treiben. Darum muß es bei dieser preissteigernden Ausgabenpolitik bleiben, auch wenn sie Haushalt und Wirtschaft überfordert. Meine Damen und Herren, nun hören Sie bitte genau zu: Aus einigen Zahlenangaben, die die Bundesregierung gegeben hat, muß man schließen, daß das die bewußte Politik der Bundesregierung auch für die Zukunft ist. Sie hat nämlich in den Erläuterungen des Bundesfinanzministers zum Haushalt den nominellen Zuwachs des Bruttosozialprodukts mit 7% angegeben. Und im März dieses Jahres hat sie der Montanunion eine Vorschau geliefert, in der mit einem realen Sozialproduktzuwachs von 41/2% gerechnet wird. 7 % nominell und 41/2% real! Darin kann doch nur eine Preissteigerung von 21/2% liegen, wenn sie nicht in einem Falle falsche Zahlen angegeben hat.
Ich meine es durchaus ernst mit dieser Beweisführung und damit, daß die Kosten Ihrer übertriebenen Rüstungspolitik und der daraus resultierrenden Augabenpolitik, die Sie ungeachtet aller schönen Redensarten befolgen müssen, über steigende Preise von allen denen getragen werden müssen, die feste Einkommen beziehen oder die nicht in der Lage sind, ihre Einkommen den Preissteigerungen anzugleichen.
Hinzu kommt diese makabre Aussicht auf Ihre Steuerpolitik: im Augenblick jene Steuersenkungen, von denen ich gesprochen habe. Und dann die Steuererhöhungen, von denen in den Couloirs gesprochen wird. Dort spricht man von der Erhöhung indirekter Steuern und von der Erhebung einer Kopfsteuer in den Gemeinden, also Steuerlasten, die die breiten Schichten zu tragen haben, die schon durch die laufenden Preissteigerungen am stärksten getroffen werden. Das ist eine Politik, die die wirtschaftlichen Grundlagen einer gesunden Entwicklung und das soziale Gefüge aufs schwerste gefährdet.
Nun, meine Damen und Herren, ein letztes Wort zu Ihren Fragen. Sie haben gefragt: Wie teuer wird denn das eigentlich bei euch? Ich will um diese Frage nicht herumgehen.
({9})
In den wehrpolitischen Debatten - wir wollen heute ja wohl nicht wieder die ,wehrpolitische Debatte aufnehmen -- haben wir zunächst einmal klargestellt, daß unsere Wehrpolitik in dem Rahmen einer Sicherheits- und Außenpolitik gesehen werden muß, die sich von der Ihrigen wesentlich unterscheidet. Infolgedessen muß Ausrüstung und Aufbau der Bundeswehr nach unseren Vorstellungen an anderen Maßstäben gemessen werden als im Rahmen einer Außenpolitik, wie sie die Bundesregierung heute betreibt.
({10})
Wir haben klargemacht, daß im Rahmen unserer Sicherheitsvorstellungen sowohl an die Größe als auch an die Ausrüstung der Bundeswehr geringere Anforderungen gestellt werden können und müssen, und zwar nicht nur im Interesse Deutschlands, sondern auch deshalb, weil die von uns vertretene Sicherheitspolitik dem gesamteuropäischen und dem weltpolitischen Friedensinteresse dient.
({11})
Eine atomare Ausrüstung fällt daher sowieso schon aus.
Dann ein zweites, meine Damen und Herren. Wir haben heute begründet - ob Sie die Begründung anerkennen oder nicht, muß mir gleichgültig sein -, wir haben jedenfalls versucht, zu begründen, daß Ihre Aufrüstung, so wie sie sich auch nach Ihren Plänen entwickeln muß, geradezu ein wirtschaftlicher und finanzieller Wahnsinn ist, weil dadurch nämlich das wirtschaftliche und soziale Gefüge zutiefst erschüttert wird.
({12})
- Ich werde mich hüten, irreale Prophezeiungen zu machen. Sie können sich an der Entwicklung der vergangenen Jahre ausmalen, wohin diese Rüstungspolitik führen wird, wenn sie so weiter getrieben wird. Meine Damen und Herren, wir werden nur leider um die Möglichkeit eines Beweises gebracht werden, weil Sie binnen kürzester Frist genau wie im Jahre 1956 durch die Realitäten gezwungen sein werden, auch Ihre heutige Rüstungsplanung wesentlich umzustellen. Den Weg dazu haben Sie sich ja bereits offen gehalten. Aber, darüber können wir uns unterhalten, wenn es so weit ist. Das können wir uns in Seelenruhe ansehen.
Aber aus diesen Überlegungen ergibt sich eins: daß der Rüstungsaufwand, der nach unseren Vorstellungen im Rahmen einer sinnvollen und wirksamen Landesverteidigung notwendig ist, jedenfalls um mehrere Milliarden unter den von Ihnen angeforderten Beträgen liegen wird.
({13})
- Meine Damen und Herren, ich glaube, mehr können Sie von einer Oppositionspartei an realer Auskunft wirklich nicht verlangen.
({14})
Wenn die Bundesregierung hier erklärt: Soweit wir sehen, bis zum Frühjahr 1961 52 Milliarden; ob wir sie ausgeben, wissen wir nicht; vielleicht nehmen wir 6 bis 8 Milliarden heraus, über die wir dann
im Jahre 1961 entscheiden müssen! Und wenn Sie uns dann überhaupt keine näheren Angaben machen, nicht einmal für das nächste Jahr, obwohl Sie Ihre Planungen ja doch wohl haben, obwohl Sie Bestellungen herausgegeben haben, obwohl Sie ständig Soldaten einziehen, dann können Sie doch von der Opposition nicht erwarten, daß sie weitergehende Zahlenangaben macht als Sie, die Sie doch die Rüstung tatsächlich betreiben. Wir können Ihnen nur eines sagen:
({15})
Der Rüstungsaufwand muß jedenfalls darauf Rücksicht nehmen, daß das Ausmaß der Belastungen in der Zukunft nicht so groß sein wird, daß wir in der gesamten wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung so weit in Rückstand kommen, daß wir auf wirtschaftlichem, sozialem und kulturellem Gebiet als eine Nation zweiter Klasse dastehen.
({16})
Die Rüstungsausgaben dürfen nicht höher sein, als daß sie durch laufende Steuern gedeckt werden können, so daß die Stabilität der Währung unter allen Umständen gesichert wird.
({17})
Außerdem muß der Rüstungsstand so gehalten werden, daß ein angemessener Beitrag zur Steigerung des Lebensstandards möglich ist, ohne den es keinen Fortschritt, ohne den es keine Landesverteidigung
und ohne den es auch keine Sicherheit gibt. Ich möchte noch einmal betonen: das ist eine Vorstellung, die uns pro Jahr mehrere Milliarden erspart. Dazu ist allerdings eines notwendig - und darum glaube ich Ihnen, daß Sie sich auf diese Vorstellung nicht recht einstellen können -: daß Sie Ihr Programm des militärischen Größenwahns aufgeben.
({18})
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Wirtschaft.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit meinem Nürnberger Landsmann Hans Sachs möchte ich sagen: Euch macht ihr's leicht, mir allerdings nicht schwer.
({0})
Denn, meine Damen und Herren, was hier geboten wurde, ist so flach, daß es sich selbst charakterisiert. Ich muß schon sagen, der tiefe Ernst um das deutsche Schicksal findet eine würdigere Sprache als diese hämischen Verdächtigungen gegen die Regierung, wie sie hier vom Kollegen Deist vorgetragen worden sind.
({1})
Aber es paßt zum Prinzip. Denn es ist ganz offenkundig: die ganze Debatte ist darauf angelegt, daß
nun zu der Furcht vor dem Atomtod noch die Furcht
vor der Inflation hinzukommen soll, und wenn dann
die Lebensangst in allen Bereichen geweckt ist,
({2})
dann, glauben Sie, sei das die richtige Politik. Herr Deist befürchtet, daß wir in eine geistige Zersetzung geraten könnten. Meine Herren, nichts ist mehr geeignet, unser Volk in eine geistige Zersetzung zu treiben, als diese Art der Kritik!
({3})
Herr Deist hat hier einige Rechenkunststücke vorgeführt, die ich ins rechte Licht rücken möchte. Da war die Logik völlig verbogen, da waren Ursache und Wirkung völlig verkehrt. Er sagte: Die Lohnerhöhungen - ich nenne die Zahlen, wie sie wirklich sind - betrugen gegenüber dem Vorjahr 7%, die Preissteigerungen betrugen 31/2%, also ist der effektive Zuwachs an Lohn nur 31/2 %. De facto liegen die Dinge ganz anders. Weil man die Löhne um 7 % erhöht hat, während die Produktivität nur um 31/2% fortgeschritten ist, konnte der reale Zuwachs auch nicht höher sein als der Zuwachs an Produktivität. Deshalb mußten die Preise um 31/2% steigen, um diese Fehlrechnung, diese Milchmädchenrechnung auszugleichen.
({4})
Ich stehe nämlich zu dem, was ich sagte. Wenn die Stundenlöhne - ich nehme jetzt die Zahlen des vergangenen Jahres - um 7% gestiegen sind - die Brutto-Wochenlöhne wegen der verkürzten Arbeitszeit nur um 5 % -, die Produktivität pro Arbeitskraft aber um 21/2% gestiegen ist, dann können Sie sich auf den Kopf stellen, und Sie können sagen, was Sie wollen, dann müssen die Preise steigen. Und das haben sie auch getan,
({5})
aber nicht wegen der Rüstungspolitik und wegen der schädlichen Finanzpolitik.
({6})
Im übrigen, meine Damen und Herren: Wer hat denn eigentlich die Wirtschaftspolitik geleitet und verantwortet, die die D-Mark aus einem Nichts zu einer der härtesten Währungen der Welt machte? War das vielleicht die Inflationspolitik, die wir getrieben haben?
({7})
Schauen Sie sich um in der Welt! Welche Länder haben denn die größten Preissteigerungen zu verzeichnen gehabt? Nicht die Länder, die eine bewußte Marktpolitik getrieben haben wie die Bundesrepublik und die Schweiz, sondern die sozialistischen Länder.
({8})
Herr Bundeswirtschaftsminister, ich bitte einen Augenblick um Gehör. Es wurde vorhin von der Nervosität gesprochen. Ich bitte doch, auf keiner Seite den Verdacht aufkommen zu lassen, als ob dieses Gefühl irgendwie vorherrscht.
({0})
Das nächste Beispiel: Nehmen Sie Finnland! In Finnland hat ein sehr tüchtiger Notenbankpräsident die Regierung übernommen. Er ist von der sozialistischen Regierung gestürzt worden, weil er den antiinflationistischen Kurs gesteuert hat.
({0})
Es bleibt wenig mehr übrig, wenn Sie die ganzen geschichtlichen Demonstrationen nehmen.
Im übrigen, Herr Kollege Schoettle, habe ich niemals gesagt, das deutsche Volk sollte den Gürtel enger schnallen. Ich habe nur gesagt: Das deutsche Volk kann nicht mehr konsumieren, als es erzeugt; und ich glaube, das ist richtig. Wenn es ein Verbrechen gewesen sein soll, daß ich sagte, es stünde uns besser an, eine Stunde länger zu arbeiten, -ja, dann muß ich heute nach Ihren Ausführungen sagen: Nein, danach müßten wir noch fünf Stunden länger arbeiten. Denn ich bestreite nicht die Wichtigkeit der von Ihnen angeführten mannigfachen Aufgaben. Das ist natürlich sehr schön, und ich stimme im einzelnen zu. Aber dann halten Sie es für richtig und klatschen Beifall, wenn man mit einem Sprung die Arbeitszeit von 48 auf 45 Stunden reduzieren will! Das paßt doch nicht in die Landschaft. Die drei Wochenstunden machen bei unserem Sozialprodukt 15 Milliarden DM aus. Die könnten wir auf alle Fälle mehr haben, wenn wir anstatt 45 Stunden 48 Stunden arbeiteten. Und wenn wirklich so ungeheuer dringliche Aufgaben vorliegen, dann sollten wir diesen Weg gehen. Aber Sie können nicht sagen, daß das, was die Regierung vertritt, unmöglich ist, und einer Politik Beifall zollen, die in jedem Fall den Zuwachs des Sozialprodukts durch Verkürzung der Arbeitszeit schmälert.
Im übrigen ist meine Rechnung natürlich richtig, als ich sagte, daß, - ({1})
- Bitte, nehmen Sie den Bleistift, rechnen Sie mit; das geht nämlich nach Adam Riese. - Ich habe gesagt, wenn wir von einem Sozialprodukt von 200 Milliarden Gegenwartswert ausgehen und nur ein Zuwachs von 3% im Jahr erreicht wird, dann macht das für die drei Jahre zusammen ein Mehr von 36 Milliarden Mark aus. Es stimmt haargenau. Im ersten Jahr ist ein Zuwachs von 3 % gleich 6 Milliarden, im zweiten Jahr beträgt der Zuwachs gegen heute dann 6% gleich 12 Milliarden, sind 18 Milliarden;
({2})
und im dritten Jahr ist ein Zuwachs gegenüber heute von 9 °/o, sind 18 Milliarden. Sind 36 Milliarden
D-Mark. Herr Deist, Sie haben nicht aufgepaßt, Sie waren nicht im Unterricht.
({3})
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Deist zu einer Zwischenfrage.
Herr Bundeswirtschaftsminister, haben Sie wirklich, als Sie das Exempel das erstemal durchrechneten, im ersten Jahre mit einer realen Produktivitätssteigerung von 3% gerechnet, aber im nächsten Jahr nicht auf das natürlich erhöhte Sozialprodukt um 3, sondern auf einmal 6 %- daß sich die Produktivität so verschnellert - und dann im dritten Jahr nicht nur auf das erhöhte Sozialprodukt natürlich wiederum 3, sondern jetzt auf einmal 9 %? Das ist doch eine völlig unmögliche Rechnung, zu meinen, innerhalb von drei Jahren steigere sich auf diese Weise das Sozialprodukt im ersten Jahr um 3, im zweiten um 6 und im dritten um 9%.
Herr Deist, Sie haben wieder falsch argumentiert. Ich sagte: in drei Jahren insgesamt 36 Milliarden. Denn wenn ich im ersten Jahr von 206 Milliarden ausgehe und eine Steigerung um 3% nehme, dann sind das von heute gerechnet auf das nächste 6 Milliarden Mark. Im zweiten Jahr rechne ich wieder von heute aus gesehen 3% plus 3 % im nächsten Jahr, - ({0})
- Nein! ({1})
- Nein, die 206 behalten Sie ja sowieso.
({2})
- Ich würde Ihnen empfehlen, die Dinge einmal ganz ruhig zu durchdenken.
({3}) Denn ich habe nämlich recht.
({4})
An der Rechnung sind schon mehr gestrauchelt, aber sie stimmt; Sie können überzeugt sein!
({5})
Aber ich werde sie Ihnen vervielfältigt zuleiten und Ihnen vorrechnen; Sie werden zugeben müssen, daß meine Rechnung stimmt.
({6})
Wir haben die Rechnung übrigens schon einmal im Wirtschaftspolitischen Ausschuß aufgemacht, und sie ist von Ihnen anerkannt worden.
({7})
Gestatten Sie noch einmal eine Zwischenfrage - des Abgeordneten Professor Baade -?
Eine Frage vom Professor an Professor. Sind Sie nicht mit mir darüber einig, daß in der neueren Wirtschaftsgeschichte fast jede Arbeitszeitverkürzung zu einer solchen Produktivitätssteigerung geführt hat, daß Ihre gesamte Rechnung falsch ist, die Sie eben hier vorgeführt haben?
({0})
Herr Kollege Professor Baade, es ist sicher richtig: die Rechnung geht nicht exakt auf.
({0})
- Selbstverständlich! In einer dynamischen Wirtschaft kommt man mit der reinen Quantitätstheorie nicht ganz aus.
({1})
Aber das kann doch nicht besagen und Sie selber glauben es doch auch nicht, daß man auf die Dauer und immer die Löhne über dem Produktivitätsfortschritt halten kann.
({2}) Und darum geht es doch.
({3})
Meine Damen und Herren, es ist sicher auch richtig: es gibt für jeden Staat und für jedes Volk eine Rangordnung der Werte, und es ist völlig richtig, daß wir das, was wir für die Rüstung ausgeben, neben den sozialen Leistungen und allem anderen in ein gemäßes Verhältnis bringen. Aber sind Sie nicht der Meinung, daß die Sicherheit eines Volkes einen ganz hohen Rang einnimmt? Ich behaupte niemals, daß Rüstungsausgaben im rein ökonomischen Sinne produktiv sind. Aber sie erlangen das höchste Maß an Produktivität, wenn ein Volk in Sicherheit seiner friedlichen Arbeit nachgehen kann.
({4})
Und das scheinen Sie im ganzen vergessen zu haben. Sie sagen: Alles, was wir an Kriegsfolgelasten zu tragen haben, alles, was in Deutschland noch zu leisten ist, ist anderen Ländern nicht aufgebürdet. Ja, wir haben auch einiges mehr zusammengeschlagen als die anderen Länder, und es ist nun unser Schicksal, wenn wir stärker belastet sind.
Wenn Sie im übrigen die Steuerbelastungen der einzelnen Länder betrachten, dann kommt für uns gar keine so starke Überbelastung heraus. Wenn wir feststellen, daß einer Verteidigungslast zwischen 8 und 10% des Sozialprodukts in den wichtigsten anderen Ländern bei uns nur 5 % gegenüberstehen, dann, glaube ich, ist das wohl das, was die freie Welt von uns als Mitwirkung an der Verteidigung und an der Sicherung der freien Welt verlangen kann.
({5})
Wir können eben nicht alles. Wir müssen das eine oder das andere auch zurückstellen. Im übrigen möchte ich meinen, wir sind in den letzten zehn Jahren auf allen Gebieten doch ganz gut vorangekommen, und niemand ist dabei zu kurz gekommen.
({6})
Die wirtschaftliche Stabilität Europas ist nicht durch Rüstungsaufwendungen gefährdet, sondern es sind ganz andere Sünden, die hierfür die Ursache abgeben.
({7}) Das möchte ich mit aller Deutlichkeit sagen.
({8})
Heute früh hat der Bundesfinanzminister erklärt: Die Bundesregierung wird sich keiner fragwürdigen, keiner inflationären Mittel, keiner Notenbankkredite, keines Notenbankgeldes für die Rüstung bedienen. Kollege Deist aber hat argumentiert, als ob wir heute früh fast das Gegenteil hier proklamiert hätten. So kann man doch nicht Kritik üben, daß man zuerst den Gegnern mit hämischer Sprache alle unschönen und unwahrhaftigen Dinge unterstellt und darauf dann seine Argumentation gründet!
({9})
Meine Damen und Herren, es ist also völlig falsch, von einer defizitären Finanzpolitik zu sprechen und immer auf die Rüstung als Quelle der Preissteigerungen, auf die Quelle einer notwendig sich ausbreitenden Inflation hinzuweisen. Wenn die Rüstungsausgaben, wie hoch sie auch sind, aus dem ordentlichen Haushalt gedeckt werden oder wenn, was auch durchaus in Ordnung ist, gegebenenfalls Anleihen aufgenommen werden, dann ist dieser Vorgang vom Standpunkt der Preispolitik und der Stabilität der Preise aus völlig neutral. Daraus zu folgern, daß eine Inflation auftreten müßte, ist eine bewußte Irreführung des deutschen Volkes.
({10})
Wenn man das so sieht, wie hier die Bundesregierung und die Koalitionsparteien kritisiert werden, dann muß ich sagen: wer hat denn eigentlich Deutschland wieder aufgebaut?
({11})
Das ist ja wieder eine bewußte Verdrehung, denn ich meine natürlich unsere Wirtschaftspolitik, unsere wirtschaftspolitische Konzeption.
({12})
Bundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhard
Wir haben eine Wirtschaftspolitik betrieben, die Sie befeindet und befehdet haben - zehn Jahre lang!
({13})
Ich glaube, das sollte dem deutschen Volk in jedem Augenblick gegenwärtig sein.
({14})
Es ist jetzt gerade zehn Jahre her,
({15})
daß ich im Frankfurter Wirtschaftsrat meine Antrittsrede gehalten habe, eine Rede von 32 Seiten. Die kann ich heute dem deutschen Volk zu lesen geben. Jeder Satz ist da in Ordnung. Aber Sie haben mich gereizt. Ich werde die Rede zusammen mit den Reden Ihrer Partei veröffentlichen.
({16})
Das scheint mir ein gutes Aufklärungsmittel zu sein, denn daran ist nichts zu deuteln.
({17})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Hellwig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der erste Teil dieser Debatte hatte einen Verlauf, der zu der Hoffnung berechtigte, daß auch die Fortsetzung von demagogischen Überspitzungen und für die billigste Propaganda berechneten Gegenüberstellungen freibleiben würde. Leider ist es ausgerechnet dem Kollegen Dr. Deist, dessen sachliches Diskutieren wir im allgemeinen schätzen, vorbehalten geblieben, hier bekannte Gegenüberstellungen, wie „Kasernen oder Wohnungen", „Zerstörer oder Studentenförderung" und ähnliches zu bringen.
({0})
Herr Dr. Deist, ich bedaure das außerordentlich;
denn damit haben Sie sich auf ein Niveau begeben,
({1})
das in den letzten Wochen eigentlich nur durch ein Flugblatt, herausgegeben vom Vorstand der SPD, entwickelt worden ist.
({2})
- Herr Wehner, ich spreche Ihre Kollegen ja auch nicht als Gewerkschaftsführer und Herrn Dr. Deist nicht als Aufsichtsratsmitglied in bestimmten Unternehmungen an. Ich darf bitten, mich hier als Abgeordneten zu respektieren.
({3}) Ich meine jenes Flugblatt des Parteivorstandes der SPD vom Februar dieses Jahres, worin unter der Überschrift „Wußten Sie das?" acht Punkte zusammengestellt waren, die angeblich alle auf das Konto der CDU/CSU gehen. Der erste Punkt war der Umfang der Atomrüstung bei den Weltmächten, und der letzte Punkt war die Höhe der Branntweinsteuer. Meine Damen und Herren, das ist das Niveau einer ganz billigen Massenpropaganda, in der die Alternative einfach falsch gestellt wird.
({4})
Ich werde zu dem Thema dieses Flugblattes nachher noch einiges andere zu sagen haben. Aber von Herrn Dr. Deist derartige Dinge zu hören, hat, glaube ich, nicht nur meine Freunde peinlich berührt.
Zunächst eine kurze Bemerkung zu dem Thema Rüstungskosten überhaupt. Ich glaube, hier ist eine Klarstellung notwendig, und diese Klarstellung ist auch in der Antwort der Regierung eindeutig erfolgt: Bestimmte historische Reminiszenzen - nämlich an die Aufrüstungspolitik Hitlers, die man gern wecken möchte, sind völlig unangebracht. Der Kollege Schmidt hat nach einer Schrift des Instituts für Finanzen und Steuern den Rüstungsaufwand der dreißiger Jahre bis zum Beginn des Krieges 1939 in der Gesamthöhe von 60 Milliarden angegeben, und er hat das mit dem derzeit vorauszusagenden Rüstungsbedarf der Bundesrepublik verglichen. Herr Kollege Schmidt, wenn hier keine falsche Parallele provoziert werden sollte, dann hätte gesagt werden müssen, daß man 60 Milliarden Reichsmark nicht mit 60 Milliarden D-Mark gleichsetzen darf,
({5})
sondern daß den 60 Milliarden Reichsmark des Herrn Hitler kaufkraftmäßig mindestens über 120 Milliarden DM, d. h. erheblich mehr als doppelt soviel als der Rüstungsbedarf nach den Angaben der Bundesregierung, entsprechen würden. Das kommt auch in der Verhältniszahl dieses Rüstungsbedarfs zum Sozialprodukt zum Ausdruck. Sie können in den Angaben, die ich nachher bringen werde, die Verhältniszahlen zum Sozialprodukt im einzelnen noch miteinander vergleichen. Hier darf ich mich darauf beschränken, festzustellen, daß unter Hitler der Rüstungsbedarf noch vor dem Kriege bis auf über 20 % des Volkseinkommens im Jahr gesteigert wurde. Die Planung für das Jahr 1958 mit 10,7 Milliarden sieht bei der Bundesrepublik eine Inanspruchnahme des Volkseinkommens in Höhe von 6,5 % vor. Man darf also, wenn man Vergleiche mit der Aufrüstung Hitlers in ihren finanziellen Größenordnungen zieht, nicht einfach Zahl neben Zahl stellen, sondern muß die wirklichen Größenordnungen miteinander vergleichen. Wer das nicht tut, muß sich dem Vorwurf aussetzen, daß ihm ganz bewußt daran liegt, eine historische Parallele in der öffentlichen Meinung herauszufordern.
({6})
Ich glaube, wir sind uns auch in diesem Hause darüber einig, daß das eigentliche Problem der Rüstungsfinanzierung nicht so sehr die finanzwirtschaftliche Seite, sondern die güterwirtschaftliche Seite ist. Wir wissen, mit welchen Mitteln die Staaten in der Lage sind, auf der finanzwirtschaftlichen Seite nominell einen Haushaltsausgleich herbeizuführen. Wir wissen, welche verhängnisvolle Quelle hier gerade die Kredit- und Geldschöpfung durch den Staat geboten hat. Wir nehmen mit Beruhigung, aber auch mit einer ernst genommenen Verpflichtung die Versicherung der Bundesregierung entgegen, daß eine Finanzierung der deutschen Rüstung durch Kreditschöpfung bei der Bundesbank nicht beabsichtigt sei und daß im übrigen die Tragbarkeit aller Ausgaben laufend im Verhältnis zu den wirtschaftlichen und finanziellen Möglichkeiten überprüft werden solle.
Die allgemeine Gleichstellung ist ja sehr leicht, sie ist primitiv. Aber sie ist da, wo man zwei Inflationskatastrophen erlebt hat, natürlich naheliegend. Diese allgemeine Gleichstellung „Rüstung gleich Inflation" gilt zunächst nur dort, wo in überstürzter Aufrüstung und insbesondere in Kriegen das Mittel der Kreditschöpfung eingesetzt worden ist. Sie gilt aber weiß Gott nicht dort, wo eine vernünftige Einplanung dieses Bedarfs in die volkswirtschaftliche Gesamtleistungsfähigkeit erfolgt.
Was geschieht denn in den ständigen Verhandlungen mit der NATO? Seit Jahren wird doch von Anbeginn an bei der NATO nach dem Erfordernis gearbeitet, die finanzielle und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Mitglieder zu prüfen und den Verteidigungsaufwand in einem erträglichen Rahmen miteinander zu besprechen. Glaubt denn wirklich jemand, daß die Länder der freien Welt, die in der NATO vereinigt sind, aber auch die anderen freien Länder, die neutral sind und die Verteidigungsaufwand betreiben müssen, aber nicht zuletzt auch die Bundesrepublik, daß diese Länder alle es riskieren wollten, dem Weltkommunismus vorzuarbeiten, indem wir der Leninschen Empfehlung, die kommunistische Revolution durch die Zerstörung der Währungen der anderen Länder vorzubereiten, Vorschub leisten? Halten Sie uns wirklich für solche Dummköpfe, daß wir den Staat vernichten wollten, den wir in diesen zehn Jahren nunmehr aufgebaut haben?
({7})
Die heutige Lage - und infolgedessen die Fragestellung - ist, wie gesagt, mit jenen katastrophalen Inflationsfolgen der verlorenen Kriege nicht gleichzusetzen. Wir wissen, wie tief die Erfahrung mit zwei verlorenen Kriegen und zwei Währungskatastrophen dem deutschen Volk unter die Haut gegangen ist. Wir wissen, was Kriegsfolgen, Besatzung, Zerstörung, Reparationen usw. hier noch mit beigetragen haben. Aber es muß abgelehnt werden, daß man in der öffentlichen Diskussion dem Aufbau der deutschen Verteidigungstruppe, der Finanzierung einer Erstaufstellung und ihrer Ausstattung in begrenztem Umfang - auf längere Zeit verteilt und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit angepaßt, dazu noch im Rahmen eines weitgespanntenVerteidigungssystems, wodurch wesentliche Kosten auf eine breite Grundlage verteilt werden - mit der einfachen Parole „Rüstung gleich Inflation" entgegentritt. Das wird der Verantwortung und dem Ernst, mit dem wir an diese Aufgabe herangehen, einfach nicht gerecht.
({8})
Es hat auch einige Andeutungen in bezug auf die Rüstungskonjunktur und die Spekulation gegeben, die in der wirtschaftlichen Gesamtentwicklung durch die Rüstung in Aussicht stehe. Ich möchte ganz eindeutig sagen - diese Frage wird nachher noch zu vertiefen sein -, daß wir in der Beurteilung des derzeitigen Rüstungsaufwands in konjunktureller Hinsicht, hier im Hause, glaube ich, gar nicht weit auseinander sind. Wir sind uns des Problems voll bewußt, daß bei einer nach wie vor hohen Konjunktur, wenn auch bei verlangsamter Expansion, ein binnenwirtschaftlich zu deckender Rüstungsbedarf nunmehr noch hinzugefügt wird. Es wird die Frage gestellt, ob das bei der derzeitigen Kapazitätsausnutzung in Ordnung geht oder nicht, und es wird ja auch die Frage gestellt, ob etwa eine Dämpfung der Nachfrage vorliegt, ob etwa konjunkturelle Stützungen aus dem Rüstungsbedarf kommen. Ich darf hier schon ganz eindeutig sagen: Wer eine Konjunkturstützung aus der Rüstung der deutschen Bundeswehr erwartet, verkalkuliert sich. Dafür, daß diese Rechnung aufgehen könnte, reichen die Größenordnungen im ganzen nicht aus. Bei einem Jahreszuwachs des Sozialprodukts von etwa 14 bis 15 Milliarden DM und einem Jahreszuwachs der privaten Verbraucherausgaben von 10 bis 11 Milliarden DM ist der Effekt von 10 Milliarden DM Verteidigungsausgaben pro Jahr - zumal ja auch in den vergangenen Jahren schon ständig Ausgaben für diesen Titel erfolgten - wahrlich nicht so hoch einzusetzen, daß man billigerweise sagen könnte, es bestehe die Erwartung, daß damit die Konjunktur gestützt werden könne.
Meine Damen und Herren, ich muß nochmals die Ausführungen in der Regierungserklärung unterstreichen, nach denen die Rüstungsfinanzierung im Rahmen der volkswirtschaftlichen Leistungsfähigkeit erfolgen soll. Wörtlich:
Die Bundesregierung lehnt eine Kreditschöpfung zu Rüstungszwecken durch Notenbankkredite ab. Auch läßt das Gesetz über die Deutsche Notenbank eine solche Finanzierung nicht zu.
Und ebenso in diesem Zusammenhang der Satz über die Erklärungen der Bundesregierung bei den jüngsten NATO-Besprechungen, daß die Einzelheiten jeweils zu prüfen sind und daß festzustellen ist, wie weit die notwendigen Maßnahmen wirtschaftlich und finanziell tragbar sind.
In diesem Zusammenhang stellt sich natürlich sofort die Frage nach der Auflösung von Kassenreserven aus dem Guthaben bei der Bundesbank. Im Haushalt 1958 sind 3 Milliarden DM eingesetzt, und insoweit liegt in ihrer Reaktivierung eine Geldschöpfung vor. Ihre Wirkung auf die volkswirt1338
schaftliche Gesamtsituation wird davon abhängen, wieviel im Inland und wieviel im Ausland ausgegeben wird. Bei über 4 Milliarden DM Zahlung an das Ausland und weiteren Ausgaben für den Rüstungsbedarf, der im Ausland durch Einkäufe gedeckt werden soll, dürfte ein inflationärer Effekt dieser 3 Milliarden DM im Inland kaum zu befürchten sein.
Dann ist von der Auflösung der Kassenreserven des Juliusturms in den vergangenen Haushaltsjahren gesprochen worden. Meine Damen und Herren, deren Auflösung ist nicht für Rüstungszwecke erfolgt, sondern für die Verwirklichung von Ausgabenbeschlüssen, an denen dieses Haus in allen Fraktionen mitgewirkt hat. Ich möchte den sehen, der sich hier von Mitverantwortung freispricht. Wir werden nachher noch zu prüfen haben, ob in den vergangenen Jahren überhaupt eine Erhöhung der Rüstungsausgaben vorgelegen hat.
Herr Dr. Deist, alle Ihre Behauptungen zu diesem Thema wären dann ernst zu nehmen, wenn in den Jahren 1955 bis 1957 für die Rüstung mehr ausgegeben worden wäre als in den Vorjahren für die Besatzungskosten.
({9})
Das aber ist nicht der Fall. Wir werden das gleich des einzelnen zahlenmäßig unter Beweis stellen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich nun etwas Grundsätzliches zu der Berechnung des möglichen Rüstungsaufwandes sagen. Die NATO hat - daran werden Sie sich alle erinnern - zunächst immer wieder durch Vergleiche des Sozialprodukts, der Steuerbelastung usw. eine mehr finanzielle Größenordnung zu entwickeln versucht, und auch dem deutschen Verteidigungsbeitrag im Zusammenhang mit der EWG lagen derartige Berechnungen zugrunde. Seit dem Truppenvertrag von 1955 wird der Verteidigungsbedarf vorrangig in „physical terms", d. h. in bestimmten militärischen Leistungen - Produktion und Ausrüstung - ermittelt. Trotzdem können wir nach wie vor nicht auf diese Vergleichsrechnungen, bezogen auf Bruttosozialprodukt oder Volkseinkommen, verzichten.
Wenn man von der Seite der Opposition sagt, daß man solche Vergleiche ablehne, weil die deutschen Kriegsfolgelasten und die Ausgaben, die für die allgemeine Sicherheit - siehe Berlin usw. - notwendig sind, dabei nicht in gebührendem Umfang Berücksichtigung fänden, so ist das sicher ein Standpunkt, der bei dem Vergleich auf internationaler Ebene, innerhalb der NATO und außerhalb, eine Berechtigung hat. Das hat auch die Bundesregierung immer vertreten. Aber wir dürfen doch nicht die Augen davor verschließen, daß diese Rechnung von den anderen uns gegenüber aufgemacht wird, daß von den anderen uns gegenüber gesagt wird: „Euer effektiver Verteidigungsbeitrag bleibt hinter dem zurück, bezogen auf das Bruttosozialprodukt oder Volkseinkommen, was in anderen, auch finanziell und wirtschaftlich wesentlich schwächeren Ländern geleistet wird; und wenn ihr von Lebensstandard und von Wiedergesundung der
deutschen Wirtschaft sprecht, dann wollen wir anderen auch einmal wissen, ob diese Gesundung, dieses Wiederkommen des deutschen Exports, diese Hebung des Lebensstandards innerhalb der Bevölkerung durch Einkommensteigerung und durch Verbesserung der sozialen Leistungen nicht überhaupt erst möglich geworden ist, weil andere Länder - für euch - einen höheren Verteidigungsbeitrag aufbringen als ihr selbst." Das ist doch die Auseinandersetzung, in der wir heute international stehen.
Ich muß hier doch kurz einige Zahlen bringen und dabei darauf aufmerksam machen, daß zwei Vergleiche notwendig sind.
({10})
- Ich weiß nicht, was er in vielen Briefen geschrieben hat; das hat mit dieser Frage wohl nichts zu tun.
({11})
- Herr Wienand, Sie wissen ganz genau, daß wir in der internationalen Diskussion eine gemeinsame Sprache führen sollten. Das ist völlig selbstverständlich. Ich habe Ihnen auch gesagt, daß ich die von Ihren Herren geäußerten Auffassungen in der Richtung verstehe, daß sie die Verhandlungsposition an dieser Stelle nicht verschlechtern wollen. Aber wir müssen auf der anderen Seite sehen - und nur das habe ich bisher gesagt -, daß die anderen auch rechnen und uns Vorwürfe machen, mit denen wir uns auseinanderzusetzen haben.
Ich möchte also hier zwei Dinge nebeneinander behandeln: das ist einmal die zeitliche Entwicklung der deutschen Besatzungs- und Verteidigungskosten, und zum anderen sind es einige internationale Vergleiche. Wir haben in den Jahren 1951 und 1952 sowohl absolut wie im Verhältnis zum Sozialprodukt mehr für Besatzungskosten aller Art ausgegeben als in allen seitherigen Jahren mit Ausnahme des Jahres 1957, für das ich die abgeschlossenen Zahlen noch nicht ganz vorliegen habe. Die Zahlen sind: 1951 6,6 %, 1952 5,9 %, 1956 3,8 % des Bruttosozialprodukts; auf das Volkseinkommen bezogen: 1951 8,7 %, 1952 7,8 %, 1956 5,0%. Hier, Herr Dr. Deist, ist die Widerlegung Ihrer These, daß die Preisentwicklung der letzten drei Jahre durch eine inflationäre Rüstungspolitik verursacht worden sei. Denn die effektiven Verteidigungsausgaben, absolut wie relativ, sind in den Jahren 1955, 1956, 1957 niedriger als 1951 und 1952 gewesen.
({12})
Nun zum internationalen Vergleich! Er ist nicht einfach, und man muß hier sämtliche Vorbehalte machen, die von der Opposition hinsichtlich der unsichtbaren, in dieser Rechnung seitens der NATO nicht anerkannten Verteidigungslasten vorgebracht worden sind: Berlin, Bundesgrenzschutz und viele andere Kriegsfolgenprobleme. Aber muß es uns nicht doch sehr, sehr nachdenklich stimmen, wenn wir
sehen, daß nicht nur in Ländern wie den USA, Großbritannien und Frankreich, sondern auch in den Niederlanden, in Norwegen, Belgien und Dänemark, ja sogar in kleineren Ländern wie der Türkei und Griechenland entweder ein höherer Anteil des Sozialprodukts hierfür ausgegeben wird oder aber
- die Vergleichsberechnungen sind unterschiedlich
- ein höherer Betrag für den Verteidigungsaufwand pro Kopf der Bevölkerung aufgebracht wird?! Muß uns das nicht nachdenklich stimmen?! Ich darf auch erwähnen - ich werde nachher noch auf diese Frage zu sprechen kommen -, daß wir uns auch Schweden gegenüber, einem Land, welches nicht der NATO angehört, bei einem Vergleich mit unseren Anstrengungen sehr, sehr bescheiden zurückhalten müssen.
Was die innerdeutsche zeitliche Entwicklung angeht, so ergibt diese Rechnung zunächst eines: Würde der höhere Prozentsatz der Inanspruchnahme des Bruttosozialprodukts von 1951 und 1952 bei dem heutigen, wesentlich gestiegenen Sozialprodukt zugrunde gelegt, so würde in der gleichen Relation zum Sozialprodukt ein Betrag von 13 bis 15 Milliarden DM im Jahre gegenüber nur 10 Milliarden, die zunächst für das Jahr 1958 eingesetzt sind, erscheinen. Dabei ist zu beachten, daß bei einem kräftig gestiegenen Sozialprodukt auch ein relativ größerer Prozentsatz als bei einem niedrigeren Sozialprodukt volkswirtschaftlich verkraftet werden kann. Das war ja gerade die These, mit der wir immer die einfache Prozent-Vergleichsrechnung zwischen gewissen Ländern mit hohem Sozialprodukt und der Bundesrepublik im Zustand von 1950 bis 1952 abgelehnt haben.
Man sollte auch sehen, wie sich bestimmte Größenordnungen in unserer Volkswirtschaft in diesen Jahren entwickelt haben. Die Steigerung des Sozialprodukts haben wir schon wiederholt genannt. Sie hat ja ihren Niederschlag in anderen Zahlen gefunden. Die Masseneinkommen sind von 1950 bis 1957 um 123 % gestiegen, die privaten Verbrauchsausgaben um 97 %. Wenn man damit vergleicht, wie sich die wirklichen Verteidigungsausgaben entwickelt haben, muß man zu der Ansicht kommen, daß wir in der internationalen Auseinandersetzung über diese Relation mit einer Fortsetzung unter Beibehalten der derzeitigen Größenordnungen kaum noch mit gutem Gewissen antreten können.
Was mich aber besonders bestürzt und mich veranlaßt hat, den Weg zu erwähnen, den die schwedische Regierung mit ihren jüngsten Steuervorlagen eingeschlagen hat, das ist die Entwicklung des Verbrauchs von Genußmitteln, etwa von Tabakwaren, Bier und Kaffee. Wir haben eine Zunahme des Verbrauchs in dieser Zeit festzustellen von Tabakwaren um 42 %, von Bier um 118%, von Kaffee um 183%, bei den Ausgaben der westdeutschen Bevölkerung für Toto und Lotto - jawohl, auch eine Form, in der sich die Ausgabefreudigkeit und -fähigkeit der Bevölkerung niederschlägt! - eine Steigerung in diesen 10 Jahren um 256%. Angesichts derartiger Entwicklungen wäre es an der Zeit, der Bevölkerung einmal offen die Frage zu stellen: Glaubt man wirklich, daß diese Entwicklung auch des Genusses
- wir sind keine Puritaner - alternativ in Vergleich zu der Verteidigung und deren Anforderungen an die volkswirtschaftliche Gesamtleistung gesetzt werden kann?!
({13})
Ich habe noch einiges zu der güterwirtschaftlichen Seite zu sagen, und zwar insbesondere im Hinblick auf die Frage: Reichen die Kapazitäten aus, wird hier etwas auf die Hochkonjunktur mit voll ausgelasteten Kapazitäten aufgepfropft? Ich glaube, die güterwirtschaftliche Seite ist weitgehend überschätzt worden. Zunächst, was den sogenannten weichen Bedarf angeht: Die Erstausstattung mit Textilien - das war schon vor Jahren so - macht vielleicht die halbe Monatserzeugung der ganzen deutschen Textilindustrie aus. Ähnliche Größenordnungen gelten für die Erstausstattung mit Hausrat, mit Lederwaren und ähnlichen Dingen. Gerade in diesen Konsumgüterbereichen stehen heute, weil sie auf den Nachholbedarf der Bevölkerung in den ersten Jahren des Wiederaufbaus abgestellt worden sind, ganz erhebliche Kapazitäten zur Verfügung. Die Lage hat sich auch beim Bau gegenüber dem Zustand vor zwei Jahren, als eine sogenannte Überhitzung der Bautätigkeit festzustellen war, erheblich geändert. Das Gesamtvolumen der deutschen Rüstungsaufträge für die Bauwirtschaft bleibt unter dem, was allein für Besatzungsaufwand und anforderungen auf dem Bausektor erforderlich war. Soweit es sich um diese Dinge handelt, ist also weder zu einer Dramatisierung in den Erwartungen, noch zu Spekulationen, noch zu einer Dramatisierung in den Befürchtungen ein Grund vorhanden.
Kommt die Frage: Rüstung im engeren Sinne, nämlich Dinge, für die im allgemeinen deutsche Produktionskapazitäten überhaupt nicht oder kaum noch vorhanden sind. Hier ist die Frage gestellt worden, ob die Industrie noch zu ihrer Auffassung von vor einigen Jahren stehe, als sie die kalte
r Schulter - wie man sagt - gezeigt und erklärt habe, sie habe an Rüstungsaufträgen überhaupt kein Interesse, weil damit neue kostspielige Investitionen verbunden seien. Ich kann hier Ausführungen von einer Pressekonferenz des Hauptgeschäftsführers des Bundesverbandes der Deutschen Industrie zitieren, die also allgemein zugänglich waren und wo ganz klar gesagt wird:
Die Behauptung, die deutsche Industrie habe in der Frage der Rüstungsaufträge eine Schwenkung um 180 Grad gemacht - indem sie sozusagen von ihrer früheren Abneigung gegenüber Rüstungsaufträgen abrücke und nunmehr solchen Aufträgen nachzulaufen beginne - oder wünsche gar, eine Rüstungsautarkie herbeizuführen, ist völlig absurd. Im Prinzip sollten natürlich
- so heißt es in einer Erklärung von Ende 1956 die im Haushalt vorgesehenen Rüstungsausgaben im großen und ganzen der heimischen Industrie in Form von Aufträgen zukommen. Eine Vergabe ins Ausland sollte nur erfolgen erstens, wenn das Gerät in Deutschland nicht gefertigt werden kann - Kapazitätsmangel -,
zweitens, wenn das Gerät nur in einer Stückzahl benötigt wird, die den Aufbau einer eigenen Fertigung nicht rechtfertigen würde, drittens, wenn die Qualität, Preisstellung, Lieferzeit und -bedingungen im Ausland wesentlich günstiger sind. Im Prinzip also keine Einwendungen gegen Käufe im Ausland.
Ich glaube, auch heute vertritt die Industrie keine andere Auffassung. Sie hat sich wiederholt für die internationale Arbeitsteilung, d. h. die Arbeitsteilung innerhalb der NATO-Mächte, vor allem der europäischen NATO-Mächte ausgesprochen. Sie erwartet nur, daß im Rahmen dieser Arbeitsteilung, wenn Rüstungsaufträge in andere Länder gelegt werden, die deutsche Industrie mit Vorlieferungen an andere Stellen beteiligt wird, damit ein Ausgleich - im Sinne einer wirklichen Arbeitsteilung - herbeigeführt wird.
Ich muß hier etwas einflechten. Wie reagieren die Arbeitnehmer gewisser Betriebe, wenn es sich um die Frage der Stützung dieser Betriebe mit Rüstungsaufträgen handelt? Wir haben aus der jüngsten Vergangenheit das Beispiel der Henschel-Werke in Kassel. Hier haben sich die sozialdemokratische Regierung von Hessen, die sozialdemokratische Stadtverwaltung und ebenso der Betriebsrat verständlicher- und legitimerweise bemüht, für die Sanierung dieses Unternehmens die Rüstungsaufträge einzuschalten.
({14})
Das ist eine völlig vernünftige Haltung, die die Betreffenden da eingenommen haben. Aber ich warne davor, daß dieses Beispiel Schule macht und man an allen möglichen Stellen in der Wirtschaft, auch draußen im Lande außerhalb der Wirtschaft, nun sagt, der Rüstungs-Auftraggeber, d. h. also der Verteidigungs- oder der Wirtschaftsminister, sollten der Sanitätsrat sein, der Mißstände oder sonstige Fehlentwicklungen unserer Unternehmung - auch im Bereiche öffentlicher Unternehmungen - zu sanieren hat.
({15})
Wenn das allgemeine Auffassung würde, müßte ihr ganz entschieden widersprochen werden.
Ich kann nur unterstreichen, was schon in den Ausführungen der Regierungssprecher und auch des Kollegen Dr. Vogel vorgebracht worden ist, daß ein langfristiger Rüstungsplan mit festen Zahlen und natürlich auch festen Ansätzen für Material eine ganz bedenkliche Seite hat; er würde nämlich zur Grundlage langfristiger konjunktureller Rüstungsspekulationen gemacht werden. Gerade das ist etwas, was wir keinesfalls wollen. Daher erscheint die elastischere Handhabung dieser Dinge auch in der Auftragsvergabe, in der Abwägung der verschiedenen Angebote, der einzig vernünftige Weg zu sein, um den spekulativen Mißbrauch einer langfristigen, detaillierten technischen Planung einzuschränken oder nach Möglichkeit ganz zu vermeiden.
Lassen Sie mich nun zu den Ausführungen des Kollegen Dr. Deist noch einiges sagen, und zwar insbesondere zu den Punkten, bei denen er das Problem der finanziellen Stabilität, ohne die es keine Sicherheit gibt - das wird von uns völlig unterschrieben -, in Zusammenhang mit den Rüstungskosten bringt.
Was von dem Vergleich der Rüstungskosten des Jahres 1957 mit denen der vorhergegangenen Jahre zu sagen ist, habe ich bereits dargelegt. Aber ich muß hier doch noch etwas völlig anderes erwähnen, den eigentlichen Grund für die Entwicklung der Preise in den letzten zwei, drei Jahren.
Herr Dr. Deist versuchte, dem Problem Lohnbewegung - Preisbewegung wegen der Überschreitung des volkswirtschaftlichen Produktivitätszuwachses durch die eingetretene Lohnbewegung aus dem Wege zu gehen, indem er nicht die nominelle Lohnbewegung, sondern die Reallohnbewegung mit der Entwicklung der Produktivität verglich. Nun, Herr Dr. Deist, ein Vergleich hinsichtlich der Entwicklung des Lohnes hat überhaupt nur dann Sinn, wenn man die nominelle Lohnbewegung mit der realen Produktionsentwicklung in Vergleich setzt; denn der Reallohn, mit dem Sie vergleichen wollen, ist ja erst das Ergebnis des Vergleichs von nomineller Lohnbewegung und Realproduktionsbewegung. Sie können das Ergebnis aus diesem Vergleich, nämlich den Reallohn, nicht als das zu Vergleichende bereits vorher einsetzen; sonst ist nämlich Ihre Aussage völlig wertlos; man kann daraus nichts mehr ablesen.
Um das deutlich zu machen, möchte ich einmal den Lohneffekt nicht als Einkommen, sondern als Kostenelement auf der Seite der Produktion darstellen. Der nominelle Lohn tritt ja auf der Kostenseite als Kostenfaktor auf. Ihm gegenüber steht das Realproduktionsergebnis, das mit diesen Kosten erzielt wird. Folgendes ist das Bild des Jahres 1957; ich vergleiche dabei die Monatsdurchschnitte Januar und Februar der beiden Jahre 1957 und 1958 miteinander. Das Produktionsergebnis je Beschäftigten ist in diesem Vergleichszeitraum nur um 1,1 %, die Lohn- und Gehaltssumme je Beschäftigten dagegen um 4,9 % gestiegen. Oder auf die Arbeiterstunde bezogen: das Produktionsergebnis je Arbeiterstunde ist in diesem Zeitraum um 6,1 %, die Lohnsumme je Arbeiterstunde aber um 9,2% gestiegen.
Hier haben Sie die Quelle der Preisbewegung. Es ist keine Inflationsentwicklung oder Preisbewegung auf Grund einer Einkommensausweitung im landläufigen Sinne, sondern es ist eine Bewegung, die auf Grund der Kostensteigerung, auf Grund der Übersteigerung des nominellen Einkommens über das Produktionsergebnis eingetreten ist. Wenn man über die Ursachen der Preisbewegung in diesen zwei, drei Jahren spricht, sollte man das doch ganz eindeutig unterstreichen. Wir befinden uns hier in guter Gesellschaft, auch international. Ich verweise auf die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, auf die Internationale Arbeitsorganisation und was auf diesem Gebiete sonst noch tätig ist.
Es ist ein offen ausgesprochenes Geheimnis, wie es Kollege Professor Baade einmal genannt hat: das Hexeneinmaleins anzuwenden, nämlich die nominellen Löhne über die Steigerung der Produktion hinaus zu steigern, ist eben auch bei uns nicht gelungen. Darauf hat Herr Professor Baade an einer bemerkenswerten Stelle, ich glaube, in den „Gewerkschaftlichen Monatsheften", schon vor längerer Zeit einmal ganz eindeutig hingewiesen.
Wenn wir uns ansehen, Herr Dr. Deist, wo denn eigentlich der Preisauftrieb in diesen Jahren, vor allem im letzten Jahr, eingetreten ist, dann sehen wir doch gerade die Wirtschaftszweige, wo arbeitsintensive Kosten entstehen, wo der Anteil der Löhne und der Arbeitskosten im allgemeinen Sinne überdurchschnittlich hoch ist und wo daher eine Steigerung der Löhne über die Produktivitätssteigerung hinaus auch sofort zum Kostenproblem wird. Das sind der Steinkohlenbergbau, die Bauwirtschaft, die Verkehrswirtschaft, in der verteilenden Wirtschaft der Handel, die Landwirtschaft und einige Dienstleistungszweige, nehmen Sie etwa einmal den Bereich der Hausangestellten oder den Bereich der Friseurleistungen. Überall, wo ein sehr großer Anteil der Löhne, d. h. der Arbeitskosten, die eigentliche Kostenlage bestimmt, war der Kostenauftrieb in den letzten zwei, drei Jahren am stärksten. Man sollte also wirklich davon abrücken, die Preisentwicklung in den letzten Jahren und insbesondere im Jahre 1957 mit einer Erhöhung der Lebenshaltungskosten um 3,5 % einfach auf inflationäre Rüstungspolitik zurückzuführen.
Nun muß ich zu der Frage übergehen, die von Herrn Dr. Deist nur sehr zögernd angeschnitten worden ist, der Frage, was denn sonst möglich wäre, wenn man die derzeitige Verteidigungspolitik der Bundesregierung nicht bejaht, eine andere außenpolitische und wehrpolitische Konzeption verlangt und bei dieser auf eine notwendige Landesverteidigung nicht verzichtet. Was ist dann die Folge? Herr Dr. Deist, Sie haben gesagt, der Maßstab werde dann eben ein anderer. Ja, wir müssen den Maßstab suchen. Ich glaube, Sie geben mir recht, wenn ich sage, daß man diesen Maßstab dort suchen kann, wo ja auch für Ihre außen- und wehrpolitische Konzeption seit langem eine Art Maßstab gesucht und gefunden wird, nämlich bei der Politik einer bündnisfreien, aber die eigene Landesverteidigung bejahenden Haltung. Das ist Schweden. Ich glaube, dieses Beispiel ist wiederholt von Ihren Außenpolitikern genannt worden.
Wir haben drei Länder im freien Europa außerhalb der NATO: Osterreich, die Schweiz und Schweden. Mit Österreich, das erst in den Anfängen des Aufbaues seiner eigenen Verteidigungstruppe steht, ist ein Vergleich kaum möglich, es sei denn, daß man auf die außerordentliche Beschleunigung der Ausgaben und die Erhöhung der Ansätze in den letzten Jahren zurückkommt. Im Verhältnis zum Bruttosozialprodukt sind die Prozentsätze bisher relativ gering. Aber es ist eine wesentliche Beschleunigung eingetreten und auch weiter zu erwarten.
Ob ein Vergleich mit der Schweiz mit ihrem bewährten, aus langer Tradition her aufgebauten und bestehenden Verteidigungssystem für uns möglich ist, die wir erst am Anfang einer Erstausstattung stehen, eben von Null an aufbauen müssen, das möchte ich doch sehr bezweifeln. Man kann sicher den Erstaufbau von Null an nicht mit dem Verteidigungsaufwand der Schweiz auf Grund ihres militärischen Potentials aus der Vergangenheit heraus bis in die jüngste Zeit hinein vergleichen. Wir lehnen einen Vergleich mit der Schweiz, die im ganzen, auch bezogen auf das Bruttosozialprodukt, einen niedrigeren Anteil für die Verteidigung aufwendet, als für uns nicht geeignet ab.
Man wird sagen, auch Schweden habe seine alte Verteidigungstruppe, und man könne dann auch Schweden mit uns nicht vergleichen. Nun, die Dinge liegen etwas anders. In Schweden steht man vor der großen Aufgabe einer Neuorganisation der Verteidigung, wobei ganz bewußt auch eine technische Modernisierung gemeint ist.
Schwierig wird es nun, die Ausgaben Schwedens mit denen bei uns zu vergleichen, denn der Vergleich, auf das Bruttosozialprodukt bezogen, entspricht nicht den NATO-Berechnungen, so daß man hier nach verschiedenen Rechnungen teils zu einem niedrigeren Anteil, teils zu einem höheren Anteil vom Bruttosozialprodukt für die Verteidigung für 1957 kommt als bei uns. Aber es gibt einen anderen Vergleich, die Pro-Kopf-Ausgabe 1957: Schweden pro Kopf der Bevölkerung 63 Dollar, die Bundesrepublik 54 Dollar. Ich klammere mich nicht an derartige rein zahlenmäßige Vergleiche. Offenbar ist die Neutralität, ist der Bündnisstatus, bei dem eine bestimmte Landesverteidigung bejaht wird, keinesfalls billiger als die Rüstungskosten der Bundesrepublik, vor allem nicht, wenn es sich, wie in unserem Falle, um die Erstausstattung handelt.
({16})
Ich muß hier einiges zu den Anstrengungen Schwedens unter der verantwortlichen Führung einer sozialistischen Regierung, einer sozialistischen Minderheitsregierung sogar, sagen. Die Neuordnung der schwedischen Landesverteidigung wird zur Zeit vorbereitet auf Grund eines Gutachtens des Oberbefehlshabers der schwedischen Streitkräfte vom Oktober des vorigen Jahres. Er hatte mehrere Kostenvoranschläge aus dem Jahre 1954 zu überprüfen und hat alle vier zurückgewiesen mit der Begründung - ich zitiere nach dem Bericht der „Neuen Zürcher Zeitung" aus Stockholm vom 28. Oktober 1957 -:
Diese würden
- so wird festgestellt, nämlich die Kostenvoranschläge der im Jahre 1948 von der Staatsführung aufgestellten Zielsetzung für die schwedische Landesverteidigung nicht mehr entsprechen, um so weniger, als das bündnisfreie Schweden keine vorbereitete Hilfe zu erwarten habe.
Hier wird doch einmal deutlich gesagt, daß das
bündnisfreie Schweden keine vorbereitete Hilfe zu
erwarten habe. Hieraus - und das wird auch in
anderen Äußerungen der schwedischen Politiker immer wieder deutlich - ergibt sich eine tatsächliche Besserstellung der Bundesrepublik, denn sie kann auf die Leistungen eines umfassenden Bündnissystems zurückgreifen.
({17})
- Herr Wehner, Sie wissen ganz genau, daß es viele Gemeinschaftseinrichtungen - um z. B. vom Luftwarndienst und ähnlichen Dingen zu sprechen - gibt, in denen die Bundesrepublik auf die Gesamtleistung eines großen Verteidigungssystems zurückgreifen kann.
Weiter heißt es in diesem Gutachten:
Soll die schwedische Armee auf weite Sicht eine ausreichende Schlagkraft erhalten, so müßten Atomkampfwaffen beschafft werden. Schwedische Atomwaffen könnten nach den Berechnungen der militärischen Führung in etwa zehn Jahren hergestellt werden.
Man will sie im eigenen Land herstellen, und man will dementsprechend hohe Investitionen für Forschung und Experimente durchführen.
Zur Begründung seiner Forderung führt der Oberbefehlshaber dann u. a. aus, die Lager von Atomkampfmitteln in den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion hätten sich rascher vergrößert, als erwartet wurde. Man müsse davon ausgehen, daß Nuklearwaffen in einem allfälligen Weltkriege jedenfalls zur Anwendung gelangen würden, und dann heißt es zum Schluß in diesen Ausführungen, Kernwaffen stellten sich übrigens auch in vielen Fällen im Verhältnis zur Wirkungskraft billiger als konventionelle Waffen.
Ich glaube, auch dieses Gutachten in einem sozialistisch regierten Lande sollte bei uns Beachtung finden, insbesondere wenn hier die Mehrkostenbelastung im Zusammenhang mit der Atomrüstung in Vergleich bzw. Gegensatz zu den Kosten der konventionellen Bewaffnung gesetzt wird.
({18})
Herr Abgeordneter Hellwig, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Erler?
Bitte schön!
Herr Kollege Hellwig, sind Sie bereit, dem Bundestag darüber hinaus auch mitzuteilen, daß die schwedische Regierung - das war das Ergebnis ihrer Beratung des Gutachtens - sich dieser Konsequenz in bezug auf die Atomaufrüstung nicht angeschlossen hat?
Ich komme darauf zu sprechen, Herr Erler. Der neue Verteidigungsplan in Schweden bringt für das Haushaltsjahr 1958/59 eine
wesentliche Erhöhung des Rüstungsbudgets. Die Grundlage dafür ist ein Kompromiß, welches die sozialistische Minderheitsregierung mit den bürgerlichen Oppositionsparteien zustande gebracht hat. Es besteht allseitiges Einverständnis darüber, daß - wörtlich - in den kommenden Jahren mit Rücksicht auf die technische Entwicklung ein automatischer Anstieg der Rüstungsausgaben um jährlich 2,5 % in Rechnung gestellt werden soll.
Und wie soll diese Erhöhung der Rüstungsausgaben finanziert werden? Meine Damen und Herren, nicht, wie es hier vorhin als eine verständlicherweise rein sozialistische Empfehlung gegeben worden ist: Die Ergänzungsabgabe würde ohnehin auf der Einkommensteuer aufgebaut - das ist vorhin in der Zwischenfrage geklärt worden -, sondern - in Schweden - durch eine vermehrte Verbrauchsbesteuerung. Durch die Februar-Beschlüsse des schwedischen Reichstags sind erhöht worden die Besteuerung von alkoholischen und anderen Getränken, Benzin, Zigaretten, Haushaltsstrom, Lotteriegewinnen, ja, es wurde sogar eine Zuckersteuer neu eingeführt. Die derzeitigen Schwierigkeiten der Minderheitsregierung, von denen wir gelesen haben, sind wohlgemerkt nicht auf die Erhöhung des Wehretats zurückzuführen, sondern hängen mit der geforderten Erhöhung der Sozialabgaben zusammen.
Nun zu der Frage der Atombewaffnung. Ich zitiere auf Ihre Frage, Herr Erler, den Bericht aus Stockholm aus der „Welt der Arbeit" vom 24. Januar 1958, wörtlich:
In der Verteidigungsfrage geht es darum, ob die Forderung der Militärfachleute nach Einführung von Robotwaffen und nuklearen Kampfmitteln erfüllt werden wird oder nicht. Die Entwicklung der internationalen Situation wird über das Schicksal dieser Forderung entscheiden. Das letzte Wort darüber wird nicht in Stockholm, sondern in den Hauptstädten der Großmächte gesprochen werden.
Diese Frage ist also zurückgestellt worden, sie ist nicht entschieden, sie ist offengeblieben. Nach Ausführungen des schwedischen Verteidigungsministers wird die Entscheidung möglicherweise erst in einigen Jahren fallen.
Aber was hat der schwedische Ministerpräsident in diesem Zusammenhang in einer Radioansprache gesagt? Das ist, glaube ich, die entscheidende Illustration zu unserer Frage: Was kostet der bündnisfreie Status, wenn man eine Landesverteidigung nicht a priori überhaupt ablehnt?
Der Ministerpräsident Erlander
- ich zitiere nach dem Stockholmer Bericht der Neuen Zürcher Zeitung vom 7. Februar gab in einer Radioansprache der Auffassung Ausdruck, daß Schweden in der heutigen Situation internationalen Wettrüstens kein anderer Weg als der einer Modernisierung und Stärkung der Streitkräfte verbleibe, um der bündnisfreien Außenpolitik des Landes Respekt zu verschaffen. Ein potentieller Angreifer
- so heißt es weiter müsse sich von vornherein darüber im klaren sein, daß das schwedische Volk bereit und wohlgerüstet sei, um seine Freiheit zu verteidigen.
Damit ergibt sich doch für uns die Schlußfolgerung - ({0})
- Nein, verzeihen Sie,
({1})
es handelt sich um die Schlußfolgerung: Auch die SPD kann offenbar vor dem deutschen Volk nicht erklären, daß eine von ihr empfohlene bündnisfreie Stellung weniger Rüstungskosten erfordere als der von der Bundesregierung eingeschlagene Weg.
({2})
Weiterhin ergibt sich aus diesen schwedischen Erfahrungen und Feststellungen: Auch dort, im bündnisfreien Zustand, gibt es keine exakte langfristige Planung, sondern es muß laufend eine Anpassung der Pläne an die technisch-militärische und an die politisch-militärische Entwicklung stattfinden. Die großen Unbekannten der Zukunft stehen vor uns ebenso wie vor Ländern, die den Weg der bündnisfreien Stellung beschritten haben.
Herr Kollege Hellwig, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Herrn Erler?
Herr Kollege Hellwig, Sie haben gesagt, daß man in Schweden den Aufwand von 56 Dollar pro Kopf der Bevölkerung in den nächsten Jahren um 21/2% vermehren will. Würden Sie uns vielleicht rasch einmal vorrechnen, zu welchen Prozentsätzen man kommt, wenn man in der Bundesrepublik den bisherigen Aufwand nach den Plänen der Bundesregierung vermehrt? Können Sie dann noch die Behauptung aufrechterhalten, daß Sie es billiger machen als die Schweden?
Ich glaube, Herr Erler, Sie können nicht die durch außergewöhnliche Umstände in den Jahren 1955 bis 1957 eingetretene Senkung der effektiven Ausgaben hierfür als Ausgangspunkt eines Vergleichs mit Schweden nehmen. Denn in Schweden liegt ja der Aufwand seit Jahren höher als bei uns.
({0})
Und die dritte Feststellung aus diesen schwedischen Überlegungen: Auch dort im bündnisfreien Zustand wagt man nicht, ein absolut unwiderrufliches Nein zur Frage der Atomrüstung.
({1})
sondern ein relatives und macht die Entscheidung von der internationalen Entwicklung zur Abrüstung abhängig.
({2})
Meine Damen und Herren, damit komme ich zu den abschließenden Fragen in diesem Zusammenhang an die sozialdemokratische Opposition.
Erstens. Welches ist denn Ihre reale Konzeption über die Verteidigung der Bundesrepublik, gleichgültig ob innerhalb oder außerhalb der NATO?
Zweitens. Welchen Aufwand sehen Sie wirtschaftlich und finanziell als notwendig und als volkswirtschaftlich möglich an? Wo ist die Grenze der Belastbarkeit, vor allem im Hinblick auf die Leistungen anderer Länder, auch unter sozialistischen Regierungen?
Drittens. Halten Sie alle Ausgaben- und Verbrauchsentwicklungen, z. B. den Milliardenaufwand für Genußmittel, für Spiel und Toto, für einen unabdingbaren Teil unseres Lebensstandards, dessen Verkürzung, etwa zugunsten einer Verteidigung, nicht einmal zur Diskussion gestellt werden dürfte?
({3})
Viertens. Wie wollen Sie die Minderleistung der Bundesrepublik - wenn sie fortgesetzt werden sollte - gegenüber anderen, wirtschaftlich und finanziell zum Teil schwächeren Ländern rechtfertigen? Wo bleibt die vielgepriesene internationale Solidarität der Sozialisten?
({4})
Wollen Sie wirklich Vorteile aus den höheren Verteidigungsanstrengungen anderer Länder ziehen?
({5})
Fünftens. Wie denken Sie sich die Verteidigungskosten bei einer bündnisfreien Landesverteidigung?
({6})
Meine Herren, ich bitte, sich zu beruhigen. So spät am Abend wollen wir hier keine weiteren Auseinandersetzungen.
({0})
- Herr Kollege Wehner, hier darf jeder sagen, was er lustig ist.
({1})
- Jetzt lassen Sie mich mal ausreden; vielleicht darf der Präsident hier auch noch einmal etwas sagen; ausnahmsweise.
({2})
- Meine Damen und Herren, ich komme auch ohne den Beifall aus. Ich bedanke mich zwar, weil er immer herzstärkend ist. - Lieber Herr Kollege Wehner, wenn hier jemand von sozialistischer Solidarität redet, dann sollten Sie das doch nicht als eine Beleidigung ansehen.
({3})
Herr Präsident, ich bitte es nicht als eine Kritik meinerseits anzusehen, wenn ich sage: ich sage diese Dinge nicht, weil ich es lustig finde, sondern weil es mir hiermit bitter ernst ist. Ich glaube, das deutsche Volk darf gerade bei der Agitation, die nunmehr draußen im Lande getrieben wird, auch von den Veranstaltern dieser Agitation verlangen, daß sie ihre Generalkonzeption aufdecken.
({0})
Oder wollen Sie auch in dieser Frage mit leeren Händen vor das deutsche Volk treten?
({1})
Damit komme ich zum Schluß. Wir wehren uns, meine Damen und Herren, und werden kämpfen gegen jene falsche Alternative, die da fragt: Soziale Sicherheit oder politisch-militärische Sicherheit? Es sind hier eine ganze Fülle von Dingen, für die die öffentlichen Ausgaben natürlich noch gesteigert werden sollten. Aber es muß doch einmal ganz klar gesagt werden, und gerade die Worte von Herrn Erlander haben es unterstrichen: Es geht zunächst um die Freiheit und die Sicherheit.
({2})
- Herr Wehner, ich darf mir wohl erlauben, die politischen und sozialen Gesinnungsgenossen Ihrer eigenen Partei zu zitieren. Ich glaube, es ist unser gutes Recht, daß wir hier auf einen erheblichen Zwiespalt und auf die weitgehende Isolierung der deutschen Sozialdemokratie im Lager der europäischen Sozialisten aufmerksam machen.
({3})
Ich muß Ihnen hier noch weiter folgendes zur Alternative sagen. Diese Alternative ist einfach falsch; denn erst im Schutze von Freiheit und Sicherheit der freien Welt und von uns als gleichberechtigtem Partner der freien Welt ist die soziale Sicherheit bei uns ausgebaut, sind ihre wirtschaftlichen Grundlagen in den letzten Jahren geschaffen worden. Es geht bei uns nicht um die Frage „Freiheit oder soziale Sicherheit?", d. h. „Militärische Sicherheit oder soziale Sicherheit?", sondern es geht zunächst um die Ausgangslage: Ohne Freiheit und politische Sicherheit keine soziale Sicherheit!
({4})
Meine Damen und Herren! Es gibt ein Wort, das leider die deutschen Sozialdemokraten zu wenig kennen, ein Wort des in Amerika hochangesehenen Gewerkschaftsführers Samuel G o m p er s, der in den 20er Jahren am Ende seines von harten Arbeitskämpfen erfüllten Lebens einmal fast resignierend sagte: „Die Menschen ahnen ja gar nicht, wieviel Sicherheit sie gerade in der Freiheit haben." Bei uns scheinen es auch viele noch nicht zu ahnen.
({5})
Herr Abgeordneter Hellwig, wenn ich sage, daß hier jeder sagen kann, was er lustig ist, so ist das eine etwas volkstümliche Redeweise. Ich will damit nicht behaupten, daß hier jeder das sage, wozu er lustig ist. Es bezieht sich insbesondere nicht auf den Redner, der soeben gesprochen hat. Aber es bleibt dabei: was hier gesagt wird, steht in der Verantwortung des Redners. Der Präsident greift nicht gern zur Glocke, und er gängelt schon gar nicht gern das Haus. Er muß dafür sorgen, daß eine gewisse Grenze nicht überschritten wird; aber er ist beim Ziehen dieser Grenze denkbar großzügig. Ich möchte doch, daß es in diesem Hause dabei bleibt. Ich sage das auch deshalb, weil eine ganze Reihe von Leuten angefangen haben, mich von außen her zu belehren, daß man hier viel strenger sein müßte. Das möchte ich nicht.
Als nächster Redner hat Herr Abgeordneter Dr. Starke das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Angesichts der vorgerückten Stunde werde ich mit Zahlen zu diesem Thema nicht mehr kommen, nachdem wir schon soviel Zahlen gehört haben. Ich möchte in dieser Stunde auch nicht mehr auf alle Details der Rüstungsfragen eingehen. Mir liegt vor allen Dingen daran, zu sagen, daß es angesichts eines Teiles der Ausführungen, die wir gehört haben, notwendig erscheint, noch einmal darauf hinzuweisen, von welcher tiefgreifenden Bedeutung die heutige Erörterung dieses Themas ist. Von seiten der Sozialdemokratischen Partei sind hier Ausführungen gemacht worden, die es dem Herrn Bundeswirtschaftsminister mindestens zu einem Teil relativ leicht gemacht haben zu antworten. Denn es ist jetzt wohl nicht der Zeitpunkt, wo man mit all dem, mit dem Sie, Herr Kollege Deist, gedroht haben, drohen soll.
({0})
- Das mußte allerdings kommen.
({1})
- Das hat mit einer Bewährungsrede nichts zu tun.
Ich möchte zu Beginn gleich sagen, daß es sicherlich nicht richtig ist, wenn wir dieses Thema nur in dem engen Sinne der Rüstungskosten sehen. Es dürfte vielmehr notwendig sein, daß man die Gesamtkonzeption einmal untersucht, von der aus all das entstanden ist, was heute hier erörtert werden muß.
Ich will mich kurz fassen. In dem uns vorgelegten Haushalt betragen die Rüstungsausgaben rund 10 Milliarden. Wir wissen, daß wir 6 Milliarden Ausgabenreste haben, und wir kennen den Vermerk, daß die Ausgabe der Ausgabenreste und die Ausgaben aus dem laufenden Haushalt zusammen nicht mehr als 10 Milliarden ergeben sollen. Wenn das, was mit diesen Ausgaben abgedeckt werden soll, ernst gemeint ist - und das ist es ohne Zweifel -, dann zeigt die Zusammenstellung für die nächsten Jahre - und es ist egal, ob für
die nächsten Jahre oder für dieses Jahr - ein ungedecktes Loch. In den Ausführungen des Herrn Bundesfinanzministers ist nachzulesen, daß dieses Loch abgedeckt werden muß oder daß, wie er sich ausdrückt, Einnahmen und Ausgaben hier aufeinander abgestimmt werden müssen. Kurz gesagt: es ist ganz klar, daß dann ein über die 39 Milliarden dieses Haushalts hinausgehendes Mehr an 3 oder 6 Milliarden auf uns zukommt. Das muß man sich ganz klar vor Augen halten, und vielleicht haben die langen Ausführungen das doch nicht so ganz deutlich gemacht. Diese neuen zusätzlichen Ausgaben über die 39 Milliarden hinaus sind nun einmal abzudecken, und das ruft die Gefahr von Steuererhöhungen hervor. Mir kommt es heute darauf an, das einmal zu beleuchten. Selbst wenn der Fall in diesem Jahr nicht eintreten sollte, so sehen wir doch den Tatbestand, aus dem heraus die Steuererhöhungen kommen werden, klar vor uns. Das kann man feststellen.
Wir wissen - ich brauche das nur anzudeuten -, daß die Ergänzungsabgabe gewissermaßen im Hintergrund steht, daß man sie in Reserve hat, um sie rechtzeitig einzusetzen. Hier möchte ich noch einiges aus der heutigen Debatte herausgreifen. Wir haben gehört, daß eine weitere Verschiebung bei den Rüstungsausgaben nicht stattfinden wird. Das ist nicht nur von einem Mitglied der Bundesregierung, sondern von allen drei Mitgliedern der Bundesregierung, die heute gesprochen haben, gesagt worden. Darüber hinaus ist das auch von den Sprechern der Regierungskoalition betont worden. Wenn wir einmal davon ausgehen, daß keine Verschiebung von Ausgaben über die vorgesehenen Zeitpunkte hinaus stattfinden wird, haben wir diese Mehrausgaben in den kommenden Jahren abzudecken. Das bedeutet, da zugleich eine Rüstungsfinanzierung aus bewußter Kreditschöpfung hier eindeutig abgelehnt worden ist, Steuererhöhung. Das ist das erste, was ich festhalten möchte.
Da wir Freien Demokraten nicht wie die Sozialdemokratische Partei - sie ließ es heute mindestens offen - gegen den Aufbau einer Verteidigung sind, da wir nicht gegen Verteidigungsausgaben sind und da wir auch mit der ursprünglich vorgesehenen Höhe von 9 Milliarden jährlich einverstanden waren, müssen wir uns mit diesem Problem und der nun entstandenen Situation etwas mehr auseinandersetzen. Diese Auseinandersetzung kann nicht die Verteidigungskosten allein betreffen - über die Fragen, wofür und für welche Waffen die Ausgaben im einzelnen erfolgen, möchte ich jetzt nicht sprechen; vielmehr möchte ich die Verteidigungskosten als ein Ganzes nehmen -, sondern wir müssen über sie hinaus die Gesamtkonzeption der Bundesregierung ins Auge fassen. Hier setzt besonders unsere Kritik an. Insofern muß das Thema heute über die eigentliche Frage hinaus etwas erweitert werden. Wir haben uns mit diesen Rüstungslasten einverstanden erklärt gerade im Hinblick auf die Wirtschaftspolitik, die seit Jahren von den Freien Demokraten, in der Regierung und in der Opposition, im Vertrauen auf die Erfolge dieser Wirtschaftspolitik
unterstützt worden ist. Ich möchte hier ausdrücklich einfügen, was ich Ihnen vorhin schon gesagt habe: wir Freien Demokraten wollten den Bundeswirtschaftsminister heute mit dieser Debatte nicht angegriffen sehen; denn wenn überhaupt ein Teil der Regierungspolitik diese Verteidigungsausgaben ermöglicht, ist es die von dem Bundeswirtschaftsminister inaugurierte Wirtschaftspolitik. Insofern haben wir also eine andere Zielrichtung in dem, was wir vorzutragen haben. Wir möchten aber glauben, daß sich der Bundeswirtschaftsminister hier ein wenig zu Unrecht angegriffen fühlte, auch von der Sozialdemokratischen Partei.
Ich möchte nun noch einmal auf die Gesamtkonzeption der Bundesregierung in ihrer Haushaltspolitik, in ihrer Finanzpolitik im großen zusammenfassend eingehen. Wenn wir Freien Demokraten - und hier möchte ich mich nicht auf meine eigenen Reden vor der Wahl, sondern auf von uns immer wieder in diesem Hause gemachte Äußerungen beziehen -, gestützt auf unsere Ansicht, daß auf Grund dieser Wirtschaftspolitik, die die Bundesregierung längst vorher, vor vielen Jahren, begonnen hat und die sie durchgeführt hat, ein hohes Maß von Verteidigungsausgaben möglich war, das bejaht haben, wenn wir das zugegeben haben, dann haben wir aber ebenso deutlich immer wieder unsere warnende Stimme erhoben, neben diesen Verteidigungsausgaben zugleich andere Aufgaben in genau demselben Maße anzufassen.
Ich darf das hier einmal mit einigen Worten zusammenfassen. Wenn man neben dem Wiederaufbau nach einem solchen Zusammenbruch allgemein und auf allen Gebieten zu gleicher Zeit diese Verteidigungspolitik durchführt, wie es die Bundesregierung getan hat und tut, und wenn man sich auf der anderen Seite in einem solch starken Maße dem Gedanken des Wohlfahrtsstaates nähert, wie es im Wahljahr geschehen ist, worauf wir immer wieder hingewiesen haben, entsteht nicht allein von den Verteidigungslasten her, sondern insgesamt von diesem Weg zum Wohlfahrtsstaat u n d aus den Verteidigungslasten heraus das Übermaß an Ausgaben, welches eine notwendige Folge dieser Gesamtkonzeption der Bundesregierung ist.
({2})
Ich beziehe mich ausdrücklich auf die vielen Reden und all die Ausführungen, die wir Freien Demokraten immer wieder gemacht haben, um diesen Zusammenhang darzustellen. Selbst eine Wirtschaftspolitik, die zu solchen Erfolgen geführt hat, muß und kann auf die Dauer nicht zu vollen Erfolgen führen, wenn dieses Übermaß an Ausgaben, welches mit der Konzeption der Bundesregierung notwendig verbunden ist, nun Wirklichkeit wird.
Wir müssen uns das Loch im Haushalt, das heute sichtbar ist, noch einmal vor Augen halten. Wenn wir die Mehrausgaben infolge einer Aufstockung auf die bereits jetzt gegebenen 39 Milliarden DM, die ganz sicher auf uns zukommen, die durch Steuererhöhungen abzudecken sind, und andererseits die eingeführten Maßnahmen auf sozialpoli1346
tischem Gebiet, die nun weiter wirken und deren Ausgaben weiterlaufen, im Zusammenhang sehen, müssen wir doch feststellen, daß wir dies auch bei gesteigerter Wirtschaftskraft nicht verkraften.
Ich stelle dies dar in einem Augenblick - deshalb habe ich das vorhin auch zur Sozialdemokratischen Partei gesagt -, wo sich die Bundesregierung relativ leichttut, auf die Große Anfrage zu antworten, aus dem einfachen Grund, weil, wie Sie alle wissen, ein gewisses Umdrehen der Linie in der Wirtschaftsentwicklung gegeben ist. Wir haben nicht mehr die Hochkonjunktur wie in den vergangenen Monaten und im vergangenen Jahr. Wenn diese Hochkonjunktur weitergegangen wäre, wenn nicht Einflüsse von außen, die sehr gefährlich sind, diese Linie umgebogen hätten, stünden wir in dem jetzt vorgelegten Haushalt hinsichtlich der Lasten, die insbesondere aus der Verteidigungspolitik und aus der Sozialpolitik notwendigerweise erwachsen, vor einer ganz anderen Situation.
Wir dürfen nie vergessen, daß sich die Bundesregierung heute in der Beantwortung leichttut, und wir müssen daran denken, wieviel schwerer sie sich täte, wenn sich die wirtschaftliche Entwicklung der letzten Monate des vergangenen Jahres so fortgesetzt hätte. Wir Freien Demokraten weisen darauf deshalb hin, weil wir glauben, daß bei der gesteigerten wirtschaftlichen Tätigkeit, auf die wir alle wieder hoffen - sie wird in einigen Monaten, vielleicht im Herbst kommen -, diese Situation viel schärfer hervortreten wird. Dann werden sich unsere Bedenken, die wir immer wieder geäußert haben, bestätigen, daß das Doppelte an Ausgaben - sozialpolitisch und verteidigungspolitisch - viel eher sichtbar wird. Im Herbst wird sich viel deutlicher zeigen, wie sehr wir recht hatten, als wir vor einer solchen Entwicklung warnten. Wir Freien Demokraten sind darüber natürlich ganz besonders bedrückt, weil wir wissen, daß wenn diese Situation eintritt, wenn die Überziehung der Möglichkeiten in Westdeutschland deutlich zutage tritt, dies dann nicht etwa der Gesamtkonzeption der Bundesregierung, sondern der Wirtschaftspolitik angelastet werden wird, die allein so lange Jahre hindurch diese Ausgaben überhaupt ermöglicht hat. Gerade weil wir das wissen, und weil wir diese Wirtschaftspolitik bejahen, wollen wir im Zusammenhang mit dieser Großen Anfrage der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei noch einmal deutlich sagen, was nach unserer Meinung notwendigerweise kommen muß.
Ich erkenne an - das ist nun einmal meine Art, und ich kann das auch im Namen meiner Freunde sagen -, daß der eine auf sozialpolitischem Gebiet, der andere auf verteidigungspolitischem Gebiet Anstrengungen bis zum letzten für notwendig hält. Aber schließlich ist die Bundesregierung dazu da, alles zusammenzufassen und so auszugleichen, daß dadurch ein Ganzes entsteht, das die Kräfte, die wir durch die Wirtschaftspolitik erlangt haben, nicht übersteigt. Ich sage noch einmal: bei einer wiederum günstigen Wirtschaftsentwicklung, wie
wir sie alle wollen, wird sich das etwa im Herbst noch stärker auswirken.
Ich kann den Kollegen Hellwig nicht verstehen, wenn er die Hitlerschen Rüstungskosten mit den heutigen vergleicht. Denn wir wissen doch, daß wir diese Rüstung auf eine mehr oder weniger vollbeschäftigte Wirtschaft aufpfropften und aufpfropfen müssen, während wir damals, besonders am Anfang, eine unterbeschäftigte Wirtschaft, hervorragend rationalisiert, mit freien Kapazitäten hatten, auf die die Rüstung aufgebaut wurde. Das war ein Vergleich, der nicht dazu dient, die Dinge ins rechte Licht zu setzen.
Noch etwas anderes. Bekenntnisse vor diesem Hause und von diesem Podium aus, daß man die Rüstung nicht mit Geldschöpfung finanzieren wolle, nehmen natürlich auch wir Freien Demokraten hin. Es gibt niemanden, der etwas mit Geldschöpfung machen will oder der sagt: Ich will das auf inflationärem Wege finanzieren. Das Leidige bei der ganzen Situation ist aber doch, daß die Finanzierung aus Geldschöpfung unbemerkt, ja gegen den Willen derer, die verantwortlich sind, eine Notwendigkeit wird. Das sind die berühmten Situationen, in denen sich dann auch die Notenbank nicht mehr den Staatsnotwendigkeiten, wie es heißt, verschließen kann, sosehr sie auch bisher immer dagegen gekämpft hat.
Hier soll nicht von böser Absicht gesprochen werden, sondern von den Notwendigkeiten, die sich aus der Gesamtpolitik, wie ich sie charakterisiere, ergeben werden. Es kam uns darauf an, das hier noch einmal ganz klar herauszustellen.
Ich will auch noch einmal hervorheben, warum es der Regierung heute relativ leicht wurde, die Große Anfrage zu beantworten. Jedem von uns ist bekannt, daß, nachdem es früher hieß: Wir wollen gar keine Rüstungsaufträge in der deutschen Wirtschaft, gebt sie ins Ausland, das führt nur zu Fehlinvestitionen, jetzt der Ruf erschallt: Wir brauchen die Rüstungsaufträge, um die Konjunktur nicht weiter abgleiten zu lassen. In einem solchen Moment ist es relativ leicht, diese Anfrage zu beantworten. Aber vergessen wir doch bitte das eine nicht! Diese Situation ist für uns alle unerwünscht. Wir alle wollen ja doch nicht, daß das weiter so bleibt. Wir alle können doch nicht wünschen, daß die wirtschaftliche Entwicklung so bleibt oder gar noch ein Stück nach unten abgleitet, sondern wir wollen sie ja wieder nach oben ziehen. Und dann wird sich die geschilderte Gesamtkonzeption wieder in ihrer vollen Schwere auswirken.
Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat vorhin von den Sünden in Westeuropa gesprochen, und da er es zur Sozialdemokratischen Partei hinüber sagte, meinte er wohl, ohne es auszusprechen, Lohnpolitik und Gewerkschaftspolitik. Ich möchte hier einmal einen anderen Zusammenhang nennen. Gerade die von der Bundesregierung insgesamt verfolgte Politik hat dazu geführt, daß es mitunter so schwer wird - und das wird auch uns Freien Demokraten oft sehr schwer -, die auf mehreren Seiten gegeDr. Starke
bene Verantwortung für die gesamte Entwicklung klarzustellen. Es ist nämlich nicht mehr nur die Lohnpolitik und es ist nicht nur die Gewerkschaftspolitik, sondern es ist eben gerade auch diese Gesamtkonzeption der Politik der Bundesregierung mit ihren haushaltsmäßigen Folgen und den sich daraus ergebenden Preissteigerungstendenzen, die den lohnpolitischen Kampf verschärft. Das wollen wir nicht aus den Augen verlieren. Auch das muß einmal ganz deutlich und ganz nüchtern und sachlich hier festgestellt werden.
({3})
Nun werden Sie fragen - ich wollte hier keine langen Ausführungen machen -: Was ist nun die Gegenkonzeption? Ich will nicht auf Rüstungsfragen eingehen; darüber hat schon mein Kollege Schultz für die Freien Demokraten gesprochen. Ich möchte nur eines sagen. Herr Kollege Hellwig hat gemeint: soziale Sicherheit, politische Sicherheit, es kommt auf die Freiheit an. Nun, wir Freien Demokraten stehen sicher nicht in dem Verdacht, im Innern wie nach außen hin die Freiheit nicht als das höchste Gut anzusehen. Das ist es, was ich hier zum Schluß hervorheben möchte. Was wir Freien Demokraten wollen, was wir möchten und was wir hier anregen, ist: sollte man nicht gegenüber der Bevölkerung, wenn man diese Verteidigungspolitik mit ihren Ausgaben - ohne daß ich auf die Ausgaben im einzelnen eingehen möchte - bejaht und für notwendig hält, wenn man andererseits die sozialpolitische Entwicklung auch für notwendig hält, sollte man dann nicht etwas deutlicher - deutlicher insbesondere als 1957, als die Wahl bevorstand - auch von den Opfern sprechen, die diese Rüstungs- und Verteidigungspolitik nun einmal erfordert?
({4})
Ich gebe Ihnen zu, daß Herr Hellwig heute davon gesprochen hat, und ich muß auch heute wieder insbesondere den Bundeswirtschaftsminister ausnehmen. Er ist ja sehr stark angegriffen worden, als er von der Frage der Arbeitszeit sprach und sagte, daß die Verkürzung der Arbeitszeit insbesondere mit dieser Verteidigungspolitik natürlich gar nicht zusammenpaßt, daß man beides gar nicht vertreten kann, daß man nur das eine oder das andere vertreten kann. Das weiß man, und das hat der Bundeswirtschaftsminister heute ausgeführt. Ich wünschte nur - das möchte ich noch einmal ausdrücklich feststellen -, daß die Bundesregierung diese Gedanken, von Herrn Erhard ausgesprochen und dann von Herrn Hellwig aufgegriffen, als eine Art Regierungserklärung vor dieses Haus und damit vor die Öffentlichkeit bringt.
({5})
Denn mir scheint doch, daß da etwas zuwenig getan worden ist und daß man sich in diesem Fall etwas zu leicht getan hat. Denn daß man sich das, was an Folgen aus diesem Zuviel entsteht, sei es sozialpolitisch, sei es verteidigungspolitisch, sei es ein Zurückbleiben auf kulturellem und auf dem Erziehungsgebiet, auch schon vor der Wahl ausmalen
konnte, ist doch wohl ohne Frage. Man hat es damals nicht betont, man hat es damals übergangen, und es nützt nichts, daß man es nur hier gelegentlich einer Anfrage der Sozialdemokratischen Partei einmal hervorhebt.
Deshalb lag mir daran, dies für die Freien Demokraten hier zu sagen. Wir bejahen vieles, wir verneinen auch vieles von dem, was hier heute gesagt worden ist. Wir sind für die Verteidigungspolitik und wir haben ihr zugestimmt. Wir sind auch für soziale Sicherheit. Aber man muß wissen, daß man für beides ist, und man muß die Kosten, die notwendigerweise mit der Verteidigung und mit der sozialen Sicherheit verbunden sind, aufeinander abstimmen. Man darf nicht eine Politik betreiben, die am Schluß zu Ausgaben führt, die das hohe Niveau wieder gefährden, das wir in kurzer Zeit auf Grund der Wirtschaftspolitik der Bundesrepublik erreicht haben. Das ist das, was heute wieder einmal hier zu sagen uns Freien Demokraten am Herzen lag.
Dazu darf ich noch ein Einzelbeispiel bringen. Wir haben hier vor wenigen Wochen über die Tariferhöhungen der Bundesbahn gesprochen. Vergessen wir doch nicht, in welcher Situation wir uns alle vor wenigen Monaten sahen bezüglich der Preissteigerungen, der Überbeschäftigung und allen Folgen, die daraus entstanden. Welch glückliche Situation für die Bundesregierung, daß sie diese Große Anfrage gerade jetzt in der Atempause einer abgeschwächten wirtschaftlichen Entwicklung beantworten kann! Ich habe an dieser Stelle über die Tariferhöhungen der Bundesbahn gesprochen. Was -sind die Folgen? Wir wissen es, was der Präsident der Bundesbahn gefordert hat: Trotz der Tariferhöhungen brauchen wir die Subventionen im Bundeshaushalt, die eigentlich beseitigt werden sollten; wir brauchen sie angesichts der Lohnforderung, die auf die Bundesbahn zukommt, in der vollen Höhe des Vorjahres wieder.
Das ist die Situation, aus der heraus - als einem Einzelbeispiel - wir das beurteilen müssen, was heute gesagt worden ist. Nicht, daß wir uns etwas leichter tun, daß wir die Gefahren verschoben sehen; nein, sie können morgen, wenn die wirtschaftliche Entwicklung weiter so läuft, wie wir alle es wollen, wieder in voller Schwere vor uns stehen. Ich möchte nicht hoffen, daß wir im Herbst in einer ganz anderen Situation dasselbe Thema wieder erörtern müssen. Dann würde sich erst in voller Deutlichkeit und Schärfe zeigen, wie richtig wir Freien Demokraten die Situation heute anläßlich dieser Großen Anfrage dargestellt haben.
({6})
Meine Damen und Herren, ich bin gebeten worden, noch einmal darauf aufmerksam zu machen, daß das Haus doch darüber befinden möchte, ob es nun Schluß machen oder bis 21 Uhr weitertagen will. Um 20 oder 20.30 Uhr findet der Vortrag des Generalsekretärs der NATO, des Herrn Ministers außer Diensten Spaak, im Auditorium Maximum der Universität Bonn statt. Ich bin gebeten worden, mich im Hin1348
blick darauf zu bemühen, daß um 20 Uhr Schluß gemacht wird. Ich kann das von mir aus nicht entscheiden. Wir haben im Ältestenrat darüber gesprochen, und es wurde dort gesagt, man werde es von der Situation abhängig machen. Nun ist die Situation folgendermaßen: Wir haben im Augenblick noch zwei Redner auf der Liste, Herrn Kollegen Leber von der SPD und Herrn Kollegen Stingl von der CDU.
({0})
- Nein? Den Gefallen wollen Sie Herrn Spaak, dem NATO-Generalsekretär doch nicht tun!
({1})
Abstimmungen gibt es nicht, das Haus wäre beschlußunfähig. Ich nehme an, daß noch mehr Kollegen weggehen. Die Debatte geht also weiter. Der Abgeordnete Stingl verzichtet.
({2})
- Das kann der Präsident nicht erzwingen. Er kann dem Hause nur gut zureden. Aber das hat doch keinen Zweck.
Das Wort hat der Abgeordnete Leber.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat vorhin - sicher im Zustand einer gewissen Erregung - gesagt: Wissen Sie denn nicht mehr, wer Deutschland aufgebaut hat? Was war denn damals vor zehn Jahren, als ich kam? - Meine Damen und Herren, ich unterstelle sicher nicht, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister gemeint hat, er habe diesen Aufbau allein vollzogen. Ich möchte nicht verkleinern, was der Herr Bundeswirtschaftsminister bei diesem Aufbau selbst auch mit in die Waagschale geworfen hat. Aber diesen Wiederaufbau haben in erster Linie viele Millionen arbeitender Menschen draußen im Lande geleistet, und das soll man hier im Hause nicht verkleinern.
({0})
Wenn der Herr Bundeswirtschaftsminister ein besonderes, nicht im Rahmen des Üblichen liegendes Verdienst dabei hat, dann ist es das, daß er in jeder Situation dafür gesorgt hat, daß die Großindustrie und das Großverdienertum dabei in recht ordentlicher Weise ihre Geschäfte gemacht haben.
({1})
Mein Kollege Dr. Deist hat hier nüchterne Zahlen genannt und er hat daraus Schlußfolgerungen gezogen. Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat darauf in einer Art und Weise reagiert, mit der er dem Stil, den der Herr Bundeskanzler selber im Wahlkampf geübt hat, schon recht nahe gekommen ist. Der Herr Bundeskanzler hätte vielleicht darauf gesagt: Es jeht uns doch heute allen viel besser als vor zehn Jahren! - Das wäre noch viel einleuchtender gewesen als die Bemerkungen, die der Herr Bundeswirtschaftsminister gemacht hat.
Im Laufe dieser Debatte ist öfter gesagt worden, nicht zuletzt die Löhne seien schuld an dem, was wir in der letzten Zeit an Preissteigerungen zu verzeichnen gehabt haben. Ich komme darauf gleich noch mit ein paar Beispielen zu sprechen. Der Herr Kollege Dr. Hellwig hat insbesondere davon gesprochen, die Produktivität falle vor allem in Industriezweigen, die einen hohen Lohnanteil haben, ins Gewicht. Gestatten Sie mir, daß ich am Beispiel des Baugewerbes einmal zeige, was sich dort in den letzten Jahren getan hat. Wir haben im Jahre 1956 ein Bauvolumen von 24,75 Milliarden DM gehabt. Das Bauvolumen im Jahre 1957 hat 25 Milliarden DM betragen, lag also um eine Viertelmilliarde höher als im Vorjahr. Auch wenn man in Rechnung stellt, daß die Baupreise im Jahre 1957 gegenüber 1956 rund 5 % höher lagen, so ergibt sich doch ein beachtlicher Produktivitätszuwachs, wenn man berücksichtigt, daß diese Leistung im Jahre 1957 mit 110 000 Menschen weniger erbracht worden ist und daß die restlichen Arbeitnehmer, die im Baugewerbe geblieben sind, durchschnittlich sechs Stunden im Monat weniger geleistet haben. Ich bitte Sie, das einmal zu überprüfen. Dann werden Sie sehen, daß Preissteigerungen auch in diesem Wirtschaftszweig trotz hoher Lohnintensität in diesem Ausmaße nicht nötig gewesen wären.
Sie haben auf Schweden verwiesen, Herr Kollege Dr. Hellwig. Sie haben den Anteil, der dort pro Kopf der Bevölkerung in die Rüstung gesteckt wird, mit den deutschen Zahlen verglichen. Sie hätten auch einen anderen Vergleich anstellen und hätten sagen sollen, daß trotz der Leistungen, die Schweden für die Rüstung erbringt, das Realeinkommen der breiten Masse der Bevölkerung in Schweden rund zweieinhalb mal größer ist als in der Bundesrepublik.
({2})
Ich glaube, daß es notwendig ist, zu sagen, daß diese Länder - darauf kommt es, glaube ich, sehr an - neben den Verteidigungsausgaben, die sie leisten, nicht vergessen, daß sie auch noch soziale Aufgaben haben. Wenn Sie auf Schweden als Vorbild hinweisen, dann ist es angebracht, auch auf die sozialen Leistungen, die dort vollbracht worden sind, aufmerksam zu machen. Wesentlich ist, daß dort - und das unterscheidet uns gründlich von diesen Ländern -, nicht Verteidigungsleistungen ganz losgelöst von allen anderen Aufwendungen erbracht werden. Wesentlich ist auch, daß die Belastung, die effektiv entsteht, viel gerechter auf die Gesamtheit der Bevölkerung verteilt wird, als das bei uns der Fall ist.
Sie haben zum Schluß besonders auf den amerikanischen Gewerkschaftsführer Gompers verwiesen und haben seine Ansicht über die Freiheit zitiert. Herr Kollege Dr. Hellwig, ich bin der Meinung, daß Gompers unter Freiheit etwas ganz anderes verstanden hat als Sie und viele andere Leute.
({3})
Unter Freiheit kann man nämlich vieles verstehen, und bei uns hier im Lande gibt es sehr viele Leute, die verstehen bestimmt etwas anderes darunter als der amerikanische Gewerkschaftsführer Gompers. Freiheit schließt nämlich Verantwortung und Sinn für Gerechtigkeit auch der Gemeinschaft gegenüber ein. Freiheit ohne Verantwortung gibt es nicht.
({4})
Bei uns wird aber unter Freiheit von sehr vielen Leuten nichts anderes verstanden als die Freiheit, sich der Allgemeinheit und besonders den breiten Massen der Bevölkerung gegenüber so rücksichtslos zu verhalten, wie das nur irgendwie geht.
({5})
Meine Kollegen Schoettle und Deist haben hier über das Ausmaß der Rüstungskosten, über das Verhältnis der Rüstungskosten zum allgemeinen Haushalt gesprochen. Ich brauche das nicht weiter zu erörtern, möchte aber eine besonders interessante Variante aus diesem Thema hier einmal näher beleuchten, nämlich die Frage, wie die Rüstung bei uns finanziert wird. Ich halte das für eine sehr wesentliche Sache. Wie wird die Belastung, die sich aus dem Rüstungsaufwand ergibt, auf die breiten Schichten, auf die Gesamtbevölkerung in unserem Staate verteilt? Der Herr Bundeswirtschaftsminister - und nicht nur er allein -, der Herr Bundeskanzler, alle Männer, die hier in der Regierungskoalition sitzen, haben vor den Wahlen, wenn sich die Gelegenheit dazu geboten hat, erklärt: „Wir müssen rüsten, das Land muß verteidigt werden; aber das kann und muß geschehen, ohne
Bi daß der Lebensstandard der Bevölkerung dadurch beschnitten wird." Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat unter anderem dazu folgendes gesagt:
Ich habe schon seit Jahren immer wieder betont, daß jeder deutsche Verteidigungsbeitrag nicht begleitet sein darf von einem Absinken des Lebensstandards und einer Verschlechterung der sozialen Verhältnisse unseres Volkes, sondern daß es vielmehr unsere Aufgabe sein müsse, durch eine erhöhte Produktivität und zusätzliche Anstrengungen der Volkswirtschaft jenes Mehr an Aufwendungen nicht nur auszugleichen, sondern zu übersteigern.
Das heißt also, wir sind nicht nur in der Lage, zu vermeiden, daß der Lebensstandard gesenkt wird, sondern durch das Mehr, durch den Zuwachs, können wir sogar den Lebensstandard noch in einem bescheidenen Maße steigern, wenn wir nicht den ganzen Zuwachs für uns und für den Konsum in Anspruch nehmen wollen.
Der Herr Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung noch darauf hingewiesen, daß der Anteil der öffentlichen Hand am Sozialprodukt zugunsten der privaten Haushalte und der Vermögensbildung bei den breiten Massen der Bevölkerung verringert werden müsse. Ich halte die Feststellung, die der Herr Bundeskanzler dort getroffen hat, für sehr notwendig. Aber ich werfe hier die Frage auf, wieviel tatsächlich getan wird, um dieses Ziel zu erreichen.
Zum Beweis dessen, wie es tatsächlich ist, möchte ich mit freundlicher Genehmigung des Herrn Präsidenten ein paar Sätze aus einem Büchlein zitieren, das ich Ihnen allen zum Lesen empfehle. Der Mann, der das geschrieben hat, ist kein Gegner der freien Marktwirtschaft und kein Gegner der Wirtschaftstheorien, die der Bundeswirtschaftsminister experimentiert, sondern er steht seinem Prinzip nahe.
({6}) - Reithinger. Er schreibt:
Man wird kaum von der Wahrheit abweichen, wenn man feststellt, daß nach zehn Jahren sozialer Marktwirtschaftstheorie der Fiskus und die großen Kapitalgesellschaften reicher, das
Volk in seiner Gesamtheit ärmer ist als vor dem Kriege.
({7})
- Entschuldigen Sie, meine Damen und Herren, ich zitiere nur.
Ein Teil des relativen deutschen Wirtschaftswunders ist rein optisch dadurch bedingt, daß die Bundesrepublik den neuen Reichtum in das öffentliche Schaufenster gestellt hat ... und die unzureichende Vermögensbildung der Bevölkerung im dunkeln läßt, während die anderen Länder die Vermögensbildung in der Bevölkerung kräftig unterstützen und in das Schaufenster die öffentlichen Schulden stellen. Dadurch kommt das kuriose Ergebnis zustande, daß eine christlich-demokratische Regierung, die ununterbrochen das Bekenntnis zu Privateigentum und Sozialstaat im Munde führt, in Wirklichkeit den Reichtum bei der öffentlichen Hand und den großen Kapitalgesellschaften konzentriert hat und damit in die Nähe administrativ gelenkter totalitärer Staaten gerät, während die Vertreter kapitalistischer Wirtschaftsprinzipien, z. B. die USA, den sozialen Reichtum breit verteilen und sozialistisch regierte Länder wie zeitweise England, Frankreich, skandinavische Länder, die private Vermögensbildung auf Kosten der Verschuldung im öffentlichen Sektor fördern. Die Akkumulation der Reichtumsbildung in der Zehnjahresperiode 1949 bis 1957 ist in der Bundesrepublik genau nach den Erwartungen von Karl Marx erfolgt und nicht nach den Theorien von Ludwig Erhard.
({8})
- Meine Damen und Herren, das schreibt kein Kommunist, das schreibt kein Sozialdemokrat, sondern das schreibt ein uralter, erklärter Anhänger der freien Marktwirtschaft.
({9})
Bei solchen Vorstellungen, unter solchen Erwägungen, bei solchen Erkenntnissen ist es dringend nötig, daß man untersucht, wie man in der jetzt vor uns liegenden Sphäre das, was die Gemeinschaft, das, was das Volk erarbeitet, verteilt, daß man zu klären versucht, in welchem Maße die verschiedensten Schichten unserer Bevölkerung an der Finan1350
zierung der Rüstung beteiligt werden. Vor den Wahlen hat man gesagt, der Lebensstandard der Bevölkerung dürfe nicht gesenkt werden und werde auch nicht gesenkt. Dann hat der Bundeswirtschaftsminister, so wie das in den letzten Jahren üblich gewesen ist, eine Weihnachtsbotschaft „an sein Volk" verkündet. Es war die bekannte Rede, die er in München gehalten hat. Ich habe sie hier und möchte Ihnen daraus einige Sätze vorlesen. Er sagte, es genüge die bescheidene Einsicht, daß wir nur nicht den gesamten Leistungszuwachs der nächsten Jahre für unsere eigenen privaten Zwecke in Anspruch nehmen dürften, aber eben doch immer noch ein Mehr gewinnen könnten. - Das sagte er damals. Aber er erklärte seinerzeit weiter, das seien
nicht die Freunde, sondern die Feinde des Volkes,
die ihm wohl immer neuen und größeren Gewinn versprächen, obwohl nur zu oft die Beherrschung des kleinen Einmaleins genüge, die volkswirtschaftliche Unmöglichkeit zu erweisen.
Meine Damen und Herren, das erste war ein Versprechen, und das andere ist die Konsequenz daraus. Er sagt nämlich, die, die zu diesem Opfer nicht bereit seien und dem Volke mehr versprächen, als sie halten könnten - der Wirtschaftsminister hat ja versprochen, der Lebensstandard werde nicht gesenkt -,
({10})
seien die Feinde des Volkes. Passen Sie gut auf, was ich Ihnen zu sagen habe! Ich bin nämlich der Meinung, daß die Freiheit die Sache aller ist, nicht nur der breiten Massen der Bevölkerung. Ich will Ihnen folgendes Beispiel nennen; das können Sie nachrechnen.
Ein Baufacharbeiter hat im Jahre 1957 einen Wochenlohn von 108,90 DM verdient. Die Preisentwicklung war im Laufe des Jahres 1957 verhältnismäßig ruhig.
({11})
- Ich komme gleich darauf zu sprechen. Die Preise haben sich bis Ende des Jahres 1957 verhältnismäßig gehalten.
({12})
- Ich komme schon noch darauf; nur nicht zu früh rufen!
({13})
- Wir haben das nicht nur in Tarifverhandlungen
zugegeben, sondern haben sogar einen Vertrag über zwei Jahre abgeschlossen, mein Herr! Ende des Jahres 1957 traten dann Preissteigerungen ein. Diese Preissteigerungen auf dem Gebiete der Ernährung, der Heizung und der Mieten schmälerten die Kaufkraft des Lohnes dieses Baufacharbeiters um 4,82 %! Das können Sie beim Statistischen Bundesamt erfragen. Sie können das selber überprüfen.
Durch den Fortfall der Subventionen wurden große Teile der Arbeitnehmerschaft in unserer
Wirtschaft in besonderem Maße betroffen. Ich will Ihnen ein Beispiel aus dem Baugewerbe nennen. Nach den Ermittlungen des Statitischen Amts der Stadt Frankfurt sind rund 60 % der in Frankfurt tätigen Bauarbeiter außerhalb des Stadtgebietes ansässig. Sie müssen täglich im Durchschnitt eine Strecke von 40 km zurücklegen, um zu ihren Arbeitsplätzen zu kommen. Das heißt, daß 60%, weil sie nicht ständig an ihrem Arbeitsplatz wohnen können, da dieser wechselt, Mehrkosten infolge der erhöhten Tarife im Berufsverkehr haben, die 3,2 % des Lohnes ausmachen. Bedenken Sie, allein höhere Aufwendungen für Ernährung von 4,82 % und zusätzliche Aufwendungen für gestiegene Fahrkosten von 3,2 %! Das sind Mehraufwendungen von 8,02%, die zu tragen sind.
Es sind Lohnerhöhungen durchgeführt worden. Ohne Streik, ohne Arbeitskampf, das werden Sie feststellen, ist nirgends ein Stückchen mehr erreicht worden. Die Lohnerhöhungen betragen 3,7%. Das ist ein Ausmaß, das nicht bereinigt, was an Mehrbelastungen auf die Menschen zugekommen ist. Aus 8,02 % Mehrbelastung und 3,7% Lohnerhöhung ergibt sich eine echte Kaufkraftschmälerung von 4,32%, gemessen an dem Lohn von vor den Bundestagswahlen.
Der Herr Bundeswirtschaftsminister Erhard hat in München erklärt, er empfinde es als richtig, wenn wir bereit wären, angesichts der großen Dinge, die vor uns liegen, eine Stunde mehr zu arbeiten. Meine Damen und Herren, wenn der Mann das, was er durch die Ereignisse der letzten Monate an Kaufkraftschwund hat hinnehmen müssen, durch Mehrarbeit ausgleichen will, dann muß er hei einer um 4,32 % gesunkenen Kaufkraft seines Lohnes und einem Stundenlohn von 2,42 DM eine Stunde und 57 Minuten mehr arbeiten! Soviel länger muß er arbeiten, um die gleiche Kaufkraft in seiner Lohntüte zu haben, die er vor einem Jahr oder vor der Bundestagswahl hatte.
({14})
- Ich bin gerne bereit, Ihnen diese Zahlen zu geben. Diejenigen unter Ihnen, die schweigen, wissen, daß das in Ordnung ist. So ist es in vielen Fällen, so ist es der Arbeitnehmerschaft im Durchschnitt ergangen. Was in den letzten Monaten an Preissteigerungen zu verzeichnen war, hat man durch Lohnerhöhungen nicht wettgemacht. Auf diese Weise ist den Menschen der Gürtel wirklich enger geschnallt worden.
({15})
Meine Damen und Herren, ich habe in der Eisenbahn gesessen, und da haben sich zwei Unternehmer unterhalten. Ich sehe sie manchmal im Bundestag verkehren. Sie essen hier gelegentlich zu Mittag, weil das Essen hier besser ist als anderswo.
({16})
Dann haben sie sich erzählt - sie wußten nicht, wer ich war, weil ich neu im Bundestag bin -: Wie
wird das gehen, wie wird die Geschichte finanziert, wie soll das werden? Dabei hat der eine gesagt: Den Maulkorb höher hängen! Dann werden sie von sich aus schon mehr arbeiten. Sie werden erleben, wie das im Sommer 1958 sein wird. - Meine Damen und Herren, das ist das Opfer, das den breiten Massen der Bevölkerung in unserem Lande zugemutet worden ist.
Wie sieht es in anderen Kreisen unseres Staates aus?
({17})
- Die Rede werde ich vielleicht auch am 1. Mai halten. Man kann das gar nicht oft genug sagen.
({18})
Meine Damen und Herren, wie ist es in anderen Kreisen unseres Volkes gewesen? So wie es den Arbeitnehmern ergangen ist, ist es vielen Menschen in unserem Staat ergangen. Ich weiß, es ist hier schon darüber gesprochen worden, es ist gestreift worden. Ich möchte aber noch einmal darauf zurückkommen. Mir ist bekannt, daß Anfang des vergangenen Jahres, im März, Vertreter der Wirtschaft, nach Wirtschaftszweigen geordnet, bei dem Herrn Bundeswirtschaftsminister waren. Ich habe ein Rundschreiben eines Verbandes - meine Damen und Herren, ich stelle es Ihnen gerne zur Verfügung -, in dem ein Verbandsvertreter, der an diesen Besprechungen, die im Hause des Herrn Bundeswirtschaftsministers abgehalten worden sind, teilgenommen hat - der Herr Bundeswohnungsbauminister war ebenfalls dabei -, seinen erstaunten Landesverbänden mitteilt, der Herr Bundeswirtschaftsminister habe erklärt, vor den Wahlen müsse die Industrie bereit sein, ein Opfer zu bringen; denn ohne daß Preissteigerungen bis zum Wahltag vermieden würden, seien die Wahlen nicht zu gewinnen. Wenn die Industrie aber bereit sei, ein solches Opfer zu bringen und auf überhöhte Gewinne bis zu den Wahlen zu verzichten - das steht wörtlich darin, meine Damen und Herren -, dann sei das nach den Wahlen ein Pluspunkt. Ich sage hier nichts, was ich nicht beweisen kann.
({19})
Ich habe Leute gefragt, die bei dieser Besprechung dabeigewesen sind.
({20})
- Herr Bundeswirtschaftsminister, ob Sie es widerlegt haben oder nicht, ich weiß es nicht, ich habe es ja noch nicht gehört. Jedenfalls ist das eine sehr schwerwiegende Behauptung, die nicht damit abgetan ist, daß Sie hier über den Tisch rufen: Das habe ich schon widerlegt.
({21})
- Ja, vielleicht offiziell. Aber, Herr Bundeswirtschaftsminister, ich habe schon oft festgestellt, daß zwischen Ihren offiziellen Äußerungen und dem, von dem man hört, was manchmal in Ihrem Amt und in Ihrer Anwesenheit gesprochen wird, bedenkliche Unterschiede bestehen.
({22})
Früher, als ich mit politischen Dingen noch nicht so viel Berührung hatte wie jetzt, habe ich mir immer gedacht: Na, das wird immer mal vorkommen, daß eine Regierung mit bestimmten Interessengruppen etwas abkartet, wie das auch hier offenbar geschehen ist. Aber dann habe ich mir auch vorgestellt: Wenn das herauskommt, daß auf eine solche Art politischer Schleichhandel getrieben worden ist, dann ist der Mann, der ihn betrieben hat, eigentlich überfällig; dann muß er aus dem Amt ausscheiden.
({23})
- Sie mögen das für eine sehr harte Bezeichnung halten.
({24})
- „Politischer Schleichhandel" habe ich gesagt.
Herr Abgeordneter Wehner, Sie haben recht. „Politischer Schleichhandel", das lasse ich passieren; aber nicht deshalb, weil es mir gefällt, sondern weil mir die Freiheit in diesem Hause noch mehr gefällt. Deshalb lasse ich es passieren.
({0})
- Einen Augenblick, Herr Kollege Metzger! Weil ich die Pflicht dazu habe? Lesen Sie doch einmal bei meinem Landsmann Schiller nach über Pflicht und Neigung! Das muß nicht unbedingt ein Widerspruch sein.
({1})
- Der Beifall freut mich, mindestens für Friedrich Schiller.
({2})
Meine Damen und Herren, ich möchte auf etwas weiteres hinweisen, nämlich auf das, an dem sich meiner Auffassung nach die Preissteigerungen der letzten Monate entzündet haben. Die Bundesregierung ist scheinbar Bindungen eingegangen, die sie zu allzu großer Toleranz den Leuten gegenüber verpflichtet hat,
({0})
die an diesen Preissteigerungen ein Interesse haben.
({1})
Die Subventionen, die nach der Diskussion in diesem Hause gestrichen worden sind, liegen auf der1352
selben Ebene. Vergessen Sie doch bitte nicht, daß diese Subventionen in erster Linie die breiten Massen der Bevölkerung belastet haben und daß man auf anderen Gebieten, wo man auch Subventionen gezahlt hat, sie nicht gestrichen hat, sondern sie noch weiterhin zahlt! Ich erinnere Sie an die Einlösung des Versprechens, das der Herr Bundeskanzler den Zuckerrübenbauern gegeben hat. Dort hat man noch nach den Wahlen versucht, neue Subventionen zu gewähren, aber da, wo die breiten Massen der Bevölkerung belastet werden, hat man sie gestrichen.
Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat von Preisentzerrung geredet. Ich habe das Gefühl, es ist dabei nicht nur um eine Preisentzerrung gegangen, sondern es ist ihm in erster Linie darauf angekommen, seinen Kollegen Etzel und Strauß zur Finanzierung der Rüstungsaufgaben Schützenhilfe zu leisten, denn der Bund hat echte Ausgaben, die er sonst tätigen müßte, dabei erspart. Das Entscheidende aber ist: die Belastung trifft die breiten Massen der Bevölkerung. Das sind doch wesentliche Dinge, die man sehen muß.
Dazu kommt, daß in einer Situation, in der die vielen Millionen Arbeitnehmer in unserem Staat eine echte Schmälerung ihres Lebenstandards hinnehmen müssen,
({2})
gleichzeitig die Dividenden der großen Kapitalgesellschaften erhöht werden.
({3})
Der Reallohn ist - das behaupte ich und beweise es Ihnen auch ({4})
- Sie waren vorhin nicht da, als ich die Zahlen genannt habe - in den letzten zwölf Monaten gesunken. Der Arbeitnehmer hat heute in seiner Lohntüte nicht mehr die Kaufkraft, die er vor zwölf Monaten einmal drinhatte.
({5})
- Die Gewerkschaftlichen Monatshefte sind fast so tolerant wie der Herr Präsident dieses Hauses;
({6})
sie lassen auch Leute reden, die mal eine andere Auffasung vertreten.
({7})
Die Dividenden sind bei sehr vielen Kapitalgesellschaften auf 12% gestiegen, und sie wissen so gut wie ich, daß eine ganze Anzahl von Gesellschaften überlegen, ob sie nicht von 12 auf 15% gehen sollten. Die Frage wird ernsthaft diskutiert. Man verzichtet lediglich aus psychologischen Gründen darauf, das zu tun.
Aber, meine Damen und Herren, vergessen Sie bitte folgendes nicht. In der gleichen Zeit, in der die Bundesregierung und der Herr Bundeswirtschaftsminister den breiten Massen der Bevölkerung Belastungen auf eine solche Art zumuten, werden dem Großverdienertum Gratisaktien angeboten, steuerfreie Geschenke, Vermögenszuwachs in einer Zeit, in der man den breiten Massen der Bevölkerung gegenüber von einem nationalen Opfer spricht.
({8})
- Entschuldigen Sie, meine Damen und Herren, das ist eine Sache, über die kann man natürlich reden.
({9})
Es steht fest, daß der Lebensstandard der Lohn-und Gehaltsempfänger gesunken ist und daß auf der anderen Seite Steuergeschenke der Regierung als Vermögenszuwachs in die Hände derer gegeben werden, die sie zu bekommen haben.
({10})
- Das wird doch bei der Bundesregierung diskutiert. Wenn ich mich nicht täusche, werden die ersten Vorlagen in der nächsten Zeit auf uns zukommen.
Etwas ist weiter sehr bedenklich, meine Damen und Herren. Alle die, die noch arbeiten, können sich gegen die Auswirkungen dieser wirtschaftspolitischen Manipulationen wehren. Ich verweise auf die Rentner. Ihnen hat man vor den Wahlen die Rentenerhöhung gegeben und hat sie ihnen noch mit einem persönlichen Brief des Herrn Bundeskanzlers und des Herrn Bundesarbeitsministers avisiert. Die Renten, die vor den Wahlen den Leuten attestiert worden sind, sind in der Zwischenzeit in aller Stille um 5 % abgewertet worden.
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- Entschuldigen Sie, meine Damen und Herren, der Index für die Lebenshaltung der mittleren Verbrauchergruppe - der Rentner liegt sicher nicht in der mittleren Verbrauchergruppe; denn diese beruht auf einem Einkommen von etwa 400 DM - ist vom März 1957 bis zum Februar 1958 um 4,5 % gestiegen. Wenn man das auf ein niedrigeres Einkommen überträgt, bei dem der Faktor Ernährung - wie beim Rentner - noch einen größeren Teil des Einkommens ausmacht, dann ist es sicherlich nicht übertrieben, wenn ich sage: Um 5% ist die Kaufkraft des Rentners geschmälert. Wahrscheinlich ist das noch eine schmale Bemessung.
({12})
- Ich finde, Sie sind alle recht oberflächlich mit Ihren Zwischenrufen.
({13})
Meine Damen und Herren, man hat heute hier sehr viel von der Vernunft des Lohnempfängers gesprochen. Ich hätte gern einmal die Ansicht des Herrn Bundeswirtschaftsministers dazu gehört. Ich habe in dieser Sache viel von ihm gehört, aber etwas nicht; ich will Ihnen sagen, was ich meine. Der Herr Professor Röpke - sicher nicht Sozialist oder vielleicht verdächtig, ein geheimes Ehrenmitglied der Gewerkschaften zu sein -, hat im März 1957 in Paris vor französischen Unternehmern ein Referat gehalten - Sie können das nachlesen; ich stelle es Ihnen gern zur Verfügung -, und zwar. über das Thema,
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warum sich die wirtschaftliche Entwicklung der Bundesrepublik und Frankreichs so unterschiedlich vollzogen hat. Professor Röpke hat in Paris vor französischen Unternehmern - ich glaube nicht, daß er das auch vor deutschen sagen würde, weil die Gefahr bestünde, daß es bekannt würde ({15})
erklärt, der deutsche Aufbau, das, was man bei uns als Wirtschaftswunder bezeichnet, sei nicht nur darauf zurückzuführen, daß bei uns tüchtige Unternehmer vorhanden seien und die Wirtschaftspolitik nicht schlecht sei, sondern in erster Linie darauf, daß die Arbeitnehmerschaft in den Jahren des Rufhaus, in diesen zehn Jahren, ein außerordentlich beachtliches und größeres Maß an Vernunft gezeigt habe als sonst in Europa.
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Warum sagt man das dann hier nicht? Warum wirft man dem Arbeitnehmer bei jeder Gelegenheit Unvernunft vor?
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Warum wirft man ihm bei jeder Gelegenheit vor
- so wie es auch heute in diesem Hause wieder geschehen ist -, daß die Löhne, weil sie die Produktivitätsquote übersteigen würden, die Preissteigerungen auslösen, und wer weiß was alles?
Ich will Ihnen eines sagen. Die Arbeitnehmerschaft ist sich sehr wohl bewußt gewesen, - ({18})
- Ich bestreite gar nicht, daß Sie dazu gehören.
- Meine Damen und Herren, die Arbeitnehmerschaft ist sich in den zehn Jahren des Aufbaues sehr wohl bewußt gewesen, daß sie Opfer zu bringen hatte. Sie ist sich allerdings auch klar darüber - vielleicht bestreiten Sie das auch -, daß der Verzicht und das Opfer der Allgemeinheit in den Jahren des Aufbaues in der Zwischenzeit in den Händen von einigen Zehntausend Leuten leider zu Eigentum erstarrt ist.
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Wo hätte es denn sonst herkommen sollen, wenn es nicht von der Allgemeinheit erspart worden wäre?
Meine Damen und Herren, die Arbeitnehmerschaft beobachtet auch, und es geht eine tiefe Unruhe durch die Millionen von Menschen draußen,
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auf welche Weise die Rüstung in dem nun vor uns liegenden Abschnitt finanziert werden soll - ob es auch wieder so geschieht, daß die Massen zu verzichten haben, daß den Massen ein nationales Opfer zugemutet wird, daß die Massen eine Stunde mehr arbeiten sollen, und die anderen verdienen in aller Stille und in aller Offenheit an dem Geschäft.
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Meine Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Heck hat in der Sitzung am Freitag Ausführungen gemacht, von denen ich der Auffassung bin, daß sie wichtig sind. Herr Kollege Heck hat hier davon gesprochen, daß neben die Rüstung in der Auseinandersetzung zwischen Ost und West die geistige Macht tritt. Der Herr Bundesinnenminister sprach zwar davon, daß das in erster Linie eine sittliche Frage sei. Ich bin der Meinung, das ist eine politische Frage. Chruschtschow hat vor einem Jahr in Kiew verkündet, daß der Krieg in Richtung Butter geht. Deshalb tritt neben die Rüstung, deshalb tritt neben die geistige Macht die soziale Macht der Gruppen, die nun in der Auseinandersetzung zwischen Ost und West miteinander ringen. Alle, die an der Lösung dieser Spannungen zwischen Ost und West und an einem Bestehen der westlichen Welt in diesen Spannungen interessiert sind und die daran glauben, daß diese Spannungen ohne Krieg gelöst werden können, müssen bereit sein, dafür zu sorgen, daß die soziale Ordnung in diesem Staat und in der westlichen Welt so fundiert wird, daß die Menschen in der Lage sind, daran zu glauben, daß es gerecht zugeht, daß nicht viele arbeiten müssen und nur wenige ernten können.
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Nur dann wird diese Auseinandersetzung zwischen West und Ost in der richtigen Weise bestanden werden können.
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Diese Auseinandersetzung ist seit Jahren im Gange. Sie wird weitergehen. Die primitivste Art, die Spannungen zwischen Ost und West zu beseitigen, ist der Weg über eine kriegerische Auseinandersetzung. Es gibt hier in diesem Hause niemanden, der das möchte.
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Ich unterstelle auch, daß es keinen Deutschen gibt, der der Auffassung ist, daß man diese Spannung auf eine kriegerische Weise lösen kann. Wenn es gelingt, diesen Krieg zu vermeiden - und das ist
unser aller Hoffnung -, dann wird die Auseinandersetzung zwischen Ost und West, zwischen der Welt des Ostens und der Welt des Westens - bleiben; es wird ein Ringen und eine Konkurrenz des Geistes, es wird ein Ringen der Bildung und der Ausbildung,
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ein Wettbewerb der sozialen Ordnung und des materiellen Wohlstandes sein; es wird ein Bewähren der inneren Festigkeit, der sittlichen und der moralischen Werte, die den Völkern innewohnen, aber auch - und das wird sicher eine der wesentlichen Grundlagen sein - ein Ausdruck der Zufriedenheit bei den Bürgern beider Welten sein. Diese Auseinandersetzung der Kräfte des Friedens wird letztlich die Entscheidung über den Bestand des Bolschewismus im Osten oder unseres westlichen Freiheitsideals erbringen. Diese Auseinandersetzung wird mit allen nichtmilitärischen Mitteln, die es überhaupt gibt, und auf allen Ebenen geführt werden. Sie wird nicht von dem Volk bestanden werden können, das letztlich die größten Stapel an Granaten und Geschossen aller Art und die gefülltesten Arsenale, aber Bürger aufzuweisen hat, die von der Gerechtigkeit der bestehenden Ordnung nicht erfüllt sind. Für Rekorde an Dividenden westdeutscher Aktionäre, für die ständig steigenden Vermögenswerte in den Händen weniger kann kein denkender Mensch bereit sein, den Kopf hinzuhalten.
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Die Antwort auf diese Frage, meine Damen und Herren, kann man nicht in so leicht verständlicher Weise geben, wie es der Herr Bundeskanzler tut, wenn er sagt: Es geht uns doch heute allen besser als vor zehn Jahren!
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Meine Damen und Herren, darum geht es nicht, daß es uns heute besser geht als damals. - Sie brauchen nicht so gehässig „Marxist" zu rufen, mein lieber Kollege.
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Ich könnte Ihnen einiges darauf erwidern. Ich will Ihnen aber nur das sagen: In der Zeit, in der viele von Ihnen - und es hängt ja hier manches auch mit Christentum und mit Gerechtigkeit zusammen - ihre damalige politische Auffassung nicht mit der Zugehörigket zu einer Kirche in Einklang bringen konnten, habe ich als Ministrant in einer katholischen Kirche am Gottesdienst mitgewirkt.
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Ich bin damals nicht aus der Kirche ausgetreten, während manche von Ihnen ihre politische Auffassung damals nicht mehr mit der Zugehörigkeit zu einer Kirche in Einklang bringen konnten, und ich trete heute nicht aus, weil manche von Ihnen wieder drin sind.
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Sie haben deshalb gar keine Veranlassung, hier solche Zwischenrufe zu machen.
Das, was ich meine, wenn ich von Fortschritt rede, ist folgendes. Ich darf mit freundlicher Genehmigung des Herrn Präsidenten ein paar Worte zitieren, die der Jesuitenpater Professor Oswald von Nell-Breuning vor zwei Jahren vor katholischen Unternehmern gesprochen hat:
Der Osten hat in großem Umfang - so sagte er
ein neues soziales System eingeführt, eine Sozialreform im vollen Sinne des Wortes, eine strukturelle Reform der Gesellschaft vollzogen. Im Westen redet man von Sozialreform. Es zeigt sich ein eigentümliches Vorherrschen restaurativer Tendenzen. Es ist besorgniserregend, wie selbstzufrieden gefährlich die westliche Welt in ihren sozialen und ökonomischen sowie ihren politisch-demokratischen Verhältnissen ist. Trotz vieler wirtschaftlicher Erfolge ist in Westdeutschland etwas Vergleichbares, was uns vorwärtsgebracht hätte, nicht vorhanden, die fällig gewordene Überwindung des Kapitalismus nicht verwirklicht, sind nur sehr geringe Fortschritte im Sinne einer strukturellen Reform der Gesellschaft zu verzeichnen.
Meine Damen und Herren, das ist nicht von einem Marxisten, sondern von Professor von Nell-Breuning!
Die Bundesrepublik liegt an der Nahtstelle zwischen Ost und West. Niemand denkt daran, den freien Völkern des Westens, dem wir verbunden sind, den Rücken zu kehren. Im Rahmen der gemeinsamen Bemühungen des Westens, gegenüber dem Osten zu bestehen, ist es aber sicher nötig, die Frage zu bedenken, ob der Bundesrepublik nicht eine besondere Aufgabe in den vielseitigen Auseinandersetzungen zufällt. Ich meine nicht die Rolle, daß die Bundesrepublik das Fußvolk zu stellen hat. Die Bundesrepublik muß ein Musterbeispiel an sozialer Ordnung und fortschrittlichen Wirkens werden. Das wäre eine Rolle an der Nahtstelle zwischen Ost und West. Um in dieser Rolle besonders im Hinblick auf den Osten bestehen zu können, braucht die Bundesrepublik nicht einen Abbau ihres sozialen Standards, wie er hier in den letzten Monaten geschehen ist.
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Die Rüstung zerrüttet auf lange Sicht unsere sozialen Verhältnisse. Wenn die Frage gestellt ist, was auch aus politischen Gründen den Vorrang haben muß, dann muß die Antwort lauten: In der Bundesrepublik ist wegen der besonderen Lage dieses Landes eine Frontzulage zur sozialen Ordnung nötig und nicht ein Rückgang unseres sozialen Standards,
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so viel Wohlstand und soziale Ordnung und soziale Gerechtigkeit,
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daß dieser Staat in den Herzen seiner Bürger ein
verteidigenswertes Anliegen ist. Diese Aufgabe darf
durch den Rüstungsaufwand nicht in den Hintergrund gedrängt werden, wie es offensichtlich geschieht und noch mehr in der Zukunft geschehen wird.
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Das Wort hat der Abgeordnete Stingl.
({0}) Das Wort hat der Abgeordnete Erler.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Beantwortung der Großen Anfrage haben wir von der Bundesregierung vernommen, daß für einen gewissen Teil der Verteidigungskosten -- denn alles war da offenbar noch gar nicht drin - in den nächsten Jahren mit einem Gesamtaufwand von 52 Milliarden Mark gerechnet werden müsse. Als man in der Diskussion darauf kam, daß eventuell das Programm wegen der Haushaltslage des Bundes sogar etwas gestreckt werden müsse, da wurde niemandem ganz klar, auf welchen Zeitraum genau sich diese 52 Milliarden eigentlich verteilen. Das ist nun auch verständlich; denn diese 52 Milliarden DM beziehen sich im wesentlichen auf den geplanten Aufbau der Bundeswehr zunächst im Rahmen der herkömmlichen Bewaffnung. Das, was durch Ihre Grundsatzentscheidung vor wenigen Wochen auf dem Gebiet der Atombewaffnung und auch der Raketenbewaffnung eingeleitet worden ist, käme erst hinzu. Wir wissen, daß es sich bei den Kosten dieser, wie es so schön heißt, modernsten Waffen um astronomische Beträge handelt, die noch um ein Mehrfaches den jetzt vorgesehenen Kostenrahmen übersteigen würden.
Ich möchte nun Ihre Aufmerksamkeit auf ein Sonderproblem lenken, das wir in diesem Hause verschiedentlich zu klären versucht haben. Trotz aller Bemühungen sind uns der Bundesverteidigungsminister und auch der Bundesaußenminister auf alle drängenden Fragen die Antwort schuldig geblieben. Wir möchten nämlich gern wissen, was es eigentlich im Zusammenhang mit den Rüstungsplänen der Bundesregierung mit dem vielberufenen Rüstungsdreieck zwischen der Bundesrepublik Deutschland, Frankreich und Italien und ähnlichen Vereinbarungen auf sich hat, die jeweils zwischen mehreren Teilnehmerstaaten der Westeuropäischen Union abgeschlossen worden sind. Wir sind nicht damit zufrieden, wenn uns der Herr Bundesverteidigungsminister versichert: Dort werden nur konventionelle Waffen entwickelt. Er versucht damit, uns über einen entscheidenden Teil der Vereinbarungen im dunkeln zu lassen.
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Ich finde, Dementis können die Vorlage von Texten nicht ersetzen. Angesichts der Erklärungen, die wir aus England, aus Frankreich und Italien zu diesen Abkommen bisher gehört haben, müssen wir auch im Zusammenhang mit dieser Kostendebatte die Frage stellen: Was ist dort beabsichtigt? Vor allem
fragen wir: Wie wird es dann mit der finanziellen Abwicklung eines solchen künftigen gemeinsamen Rüstungsprogramms gehalten werden? Da soll man das Haus doch nicht mit der geringsten Vereinbarung von allen trösten, nämlich mit der über das Ballistische Institut von Saint Louis. Sie soll dem Bundestag gnadenweise zur Ratifikation vorgelegt werden, während wir die anderen Texte, die Rahmenvereinbarungen, bisher nicht gesehen haben. Ich werde auf diesen Komplex noch ein wenig zurückkommen müssen.
Gestatten Sie mir aber vorher angesichts des Gangs der Debatte noch ein paar Bemerkungen zu anderen Fragen, die hier angeschnitten worden sind. Ich kann mir denken, daß ein Mann wie der Herr Bundeswirtschaftsminister gar keine Sorgen hat bei dem Aufkommen einer eventuellen Mitwirkung der Bundesrepublik Deutschland an einer kostenfressenden Atomwaffenproduktion.
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- Jawohl, sprechen wir das ruhig einmal aus; denn wer so rechnet wie der Bundeswirtschaftsminister, um den Kollegen Hellwig zu zitieren - das erinnert mich fast an das „Hexeneinmaleins", das er beschworen hat -, dem kann nicht mehr viel passieren, der macht aus 9,55 % ohne weiteres auch 18% Das stört den weiter gar nicht.
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- Wieso? Soll ich Ihnen das noch einmal vor' rechnen, weil es so reizend war, oder haben Sie es schon wieder vergessen?
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Das erinnert mich an jenen Mann, der einstmals versucht hat, die Kosten für den deutschen Verteidigungsbeitrag mit der Herstellung künstlicher Diamanten zu decken.
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Oder sollte das vielleicht sogar derselbe Mann gewesen sein? Das ist immerhin auch möglich.
Doch lassen wir die Rechenkunststücke des Herrn Bundeswirtschaftsministers, und kommen wir zu der Frage zurück, die ich in diese Debatte mit hineinbringen möchte, nämlich zu den Kosten für die sogenannten modernsten Waffen, die in der Beantwortung der Großen Anfrage vom Herrn Bundesfinanzminister ausdrücklich genannt worden sind. Es handelt sieh dabei eindeutig nicht um eine Entscheidung anderer, die wir ausführen müssen. Man soll sich hier nicht hinter der NATO verstecken,
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sondern jeder Staat ist auch in dieser Frage für das, was er tut, selbst verantwortlich.
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Das haben z. B. die skandinavischen Staaten sehr klar herausgestellt. Aus welchen Gründen auch immer, sie wollen keine Atomwaffen haben. Uns wird hier die sozialistische Solidarität vorgehalten. Sie könnten sich von dieser Solidarität eine Scheibe
abschneiden und sich auch auf diesem Gebiet nach den skandinavischen Staaten richten.
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Nun ist die Grundsatzentscheidung - so haben wir es vorhin gehört - für die Modernisierung gefallen. Und der Herr Verteidigungsminister hat gesagt, das, was die Verteidigungsminister getan hätten, seien nur die Konsequenzen gewesen. Sie hätten nur die technische Durchführung jener Grundsatzentscheidung, die bereits gefallen ist, übernommen. Diese ist also wohl in diesem Hause gefallen. Nun verstehe ich den Kollegen Heck überhaupt nicht mehr, der in Versammlungen in seinem Wahlkreis jeden mit gerichtlicher Klage bedroht, der behauptet, er habe hier im Hause für die Atombewaffnung der Bundeswehr gestimmt.
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Was denn anderes als eine Entscheidung für die Atombewaffnung der Bundeswehr ist denn jene Entscheidung damals gewesen, als es sich um die Grundsatzentscheidung handelte, die die Verteidigungsminister nur noch auszuführen haben!
All das bringt uns wieder einmal zu der Erkenntnis, daß die Bundesregierung derartige Fragen Schritt für Schritt so zu lösen sucht, daß sich der Bürger eines Tages einer vollendeten Tatsache gegenübersieht, ohne daß er vorher überhaupt recht begriffen hat, worum es geht.
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Die Bundesregierung spricht von modernsten Waffen. Herr Kollege Kiesinger hat neulich hier die Wasserstoffbombe von diesen modernsten Waffen ausdrücklich ausgenommen. Ob also die Wasserstoffbombe schon altmodisch ist oder ob er sie aus anderen Gründen ausgenommen hat, blieb dabei offen. Aber wenn Sie schon das Stichwort von den modernsten Waffen ausgeben, dann gibt es eigentlich keine Grenze. Heute sagt man, die Wasserstoffbombe gehöre nicht dazu. Was wird man morgen sagen?
Gestern - das war 1954 - hat man hier im Bundestag gesagt, die Bundesrepublik verzichte nicht nur auf die Produktion, sondern - ich wiederhole -, um Vorbild zu sein, auch auf den Gebrauch der Atomwaffen. Später hat man behauptet, man habe das gar nicht gesagt. Der Bundeskanzler hat sich dann gewundert, daß das Wort „Gebrauch" im Protokoll gestanden hat, obwohl nach dem Text der Verträge tatsächlich nur die Produktion von Atomwaffen ausgeschlossen war.
Der Herr Bundeskanzler hat eine Untersuchung verlangt, wie dieses Wort in das Protokoll hineingekommen sei. Ich nehme an, daß die Untersuchung stattgefunden hat. Das Haus hat darüber bisher keine amtliche Mitteilung bekommen, meines Wissens jedenfalls nicht. Ich habe mich selber einmal erkundigt: Wie war denn das? Denn die Frage interessiert uns doch schließlich. Ich habe feststellen können, daß die Stenographen übereinstimmend das Wort „Gebrauch" notiert hatten und daß der Herr Bundeskanzler dieses Protokoll so abgezeichnet hat.
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Nun, meine Damen und Herren, ich will nicht ungerecht sein. Vielleicht hat der Herr Bundeskanzler damals wirklich nicht Gebrauch, sondern Produktion gemeint. Gesagt hat er jedenfalls Gebrauch. Versprechen ist keine Schande. Das kann jedem mal passieren. Dann soll man sich aber die Methode abgewöhnen, andere dafür zu verdächtigen.
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Wie nämlich im Zusammenhang mit den Verteidigungskosten der Herr Bundeskanzler mit Korrekturen zur Hand sein kann, wenn er etwas Gefährliches ausgeführt hat, dafür gibt es noch ein weiteres interessantes Beispiel. Am 8. Dezember 1952 veröffentlichte das Bulletin der Bundesregierung eine Rede, die der Herr Bundeskanzler am 5. Dezember hier gehalten hatte. Diese Rede beschäftigt sich mit dem Thema des heutigen Tages. Da zitiert zunächst der Herr Bundeskanzler den Herrn Ollenhauer und meint:
Herr Ollenhauer hat gesagt ... :
Jeder weiß, daß wir doch gar nicht in der Lage sind, die 40 Milliarden, die zur Ausrüstung notwendig sind, aufzubringen. Nun, Herr Blank hat mir eben erklärt, Herr Ollenhauer wisse durch die Unterrichtung, die er gegeben hat, genau, daß die Vereinigten Staaten sich verpflichtet haben, uns die neuesten und besten Waffen in diesem Werte
- laut Bulletin! zu stellen.
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Ich habe im Protokoll nachgelesen, und da steht auf Seite 11458 plötzlich nicht mehr „in diesem Werte", sondern „in diesem Heere". Das macht das Zitat zwar sachlich richtiger, aber raubt ihm jeden Sinn für die Debatte; denn da ging es um die 40 Milliarden. Hier hat der Kanzler einen Irrtum berichtigt, obwohl er damals in der Debatte bei uns jedenfalls einen anderen Eindruck zu erwecken versucht hat.
Das geschieht öfter in diesem Hause, daß in dieser Weise je nach den Notwendigkeiten der Debatte mit schillernden Formulierungen die gewünschte Wirkung heraufbeschworen wird, obwohl man weiß, daß sich das mit den sachlichen Feststellungen und den Tatsachen nicht deckt.
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Meine Damen und Herren, kommen wir zurück zu dem Verzicht auf die Herstellung von Atomwaffen und auch bestimmten anderen Waffen in den Pariser Verträgen. Man hat jetzt die Aufhebung einiger Beschränkungen auf anderen Gebieten, die in den Verträgen enthalten sind, bei der Westeuropäischen Union beantragt. Nun bleibt wirklich die bange Frage: Steht die Regierung zu ihrem Wort, daß dieser Verzicht wirklich bestehenbleiben soll, und wie würde sich ein solcher Verzicht mit den deutsch-französisch-italienischen Abreden vereinbaren, bei denen nach den französischen und italienischen Erklärungen offensichtlich für die Zukunft mit der gemeinsamen Produktion auch von Atomwaffen gerechnet werden muß?
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In welchem Verhältnis steht das zu dem Verzicht nach den Pariser Verträgen? Wir haben danach gefragt. Wir haben keine Antwort erhalten. Ich habe dem Herrn Verteidigungsminister am 11. März einen Brief in dieser Sache geschrieben. Ich warte bis heute auf eine Antwort auf diesen Brief.
Wir haben den Wortlaut der Vereinbarungen erbeten. Bisher hat sich dem Parlament gegenüber nichts gerührt. Der Punkt steht auf der nächsten Tagesordnung des Verteidigungsausschusses. Ich bin skeptisch, ob wir dort den Text zu sehen bekommen.
Meint man vielleicht, daß die Pariser Verträge nur die Herstellung von Atomwaffen auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland verbieten? Ist man vielleicht der Meinung, daß man sich so elegant aus der Affäre ziehen kann, daß man sagen kann: Dann tun wir das eben mit deutschem Geld und mit deutschen Technikern und mit deutscher Hilfe außerhalb des Gebiets der Bundesrepublik, und dann stehen die Verträge gar nicht mehr im Wege? Was hat man hier vor? Will man die Verträge so umgehen, oder will man sich an sie halten? Dann müßte man die Atomwaffenproduktion von den Vereinbarungen mit den anderen Staaten ausdrücklich ausschließen. Das scheint nach allem, was wir gehört haben, bisher nicht geschehen zu sein.
Wie ist es denn mit dem Ballistischen Institut in St. Louis? Sicher scheint sich das nicht mit Sprengköpfen zu beschäftigen - ich kenne einen Teil der Leute, die dort arbeiten, von früher her -, aber doch wohl mit Flugkörpern, die auch eine Stufe der Entwicklung in diesem ganzen Programm sind.
Es hat eine Reihe von widersprechenden Erklärungen in Frankreich und hier zu diesem Thema gegeben. Vielleicht studiert der Herr Verteidigungsminister einmal die „New York Times" vom 10. Februar mit dem Aufsatz des Herrn Sulzberger aus Frankreich, in dem die Hoffnungen der anderen auf die deutsche Mitwirkung sehr deutlich zum Ausdruck kommen. Selbst wenn noch keine konkreten Beschlüsse über die Atomwaffen im Rüstungsdreieck gefaßt sein sollten, so scheint die Beschäftigung mit Atomwaffen für die Zukunft nicht ausgeschlossen worden zu sein. Man will das Ganze auf alle Waffen ausdehnen, die im Rahmen der NATO eingeführt sind und künftig empfohlen werden. Das bezieht sich natürlich auch auf die Atomwaffen.
Ich will als Beispiel hier nur erwähnen, wie sich der italienische Verteidigungsminister unmittelbar nach einer Zusammenkunft mit seinem französischen und mit seinem deutschen Kollegen geäußert hat. Der frühere italienische Verteidigungsminister Pacciardi hat anläßlich der Vorkonferenz der drei Verteidigungsminister in Rom erklärt, es sei ein unhaltbarer Zustand, daß das Festland Europa noch keine eigene Atomwaffenproduktion habe, aber es sei klar, daß sich Europa mit diesem Zustand nicht abfinden könne; aus diesem Grunde begrüße er die französisch-deutsch-italienische Zusammenarbeit, die dieses Problem - also das der Atomwaffenproduktion - lösen werde. Herr Pacciardi ist nicht Herr Taviani, aber so ganz uneingeweiht ist er nicht. Und
die „Times" meinte dazu: Wenn schließlich atomare Sprengköpfe nicht nur von den Vereinigten Staaten und Großbritannien, sondern auch von anderen Mächten der Westeuropäischen Union produziert werden, dann werden sie zumindest für die gleichen standardisierten Geschosse entwickelt. - Man nimmt es also schon als selbstverständlich hin, daß die anderen das tun werden, und darunter auch die Bundesrepublik.
Hier ist Offenheit nötig. Die Regierung muß sich äußern, ob nach ihrer Meinung die Verträge eine solche Form der Mitwirkung außerhalb des Gebietes der Bundesrepublik verbieten oder gestatten. Dann soll sie sich unzweideutig äußern, wie sie sich zu dem weiteren Schicksal der Vertragsbestimmungen zu stellen gedenkt. Dementis können keine Texte ersetzen, zumal da wir einige Erfahrungen mit den Dementis des Herrn Verteidigungsministers haben. Wer von Ihnen schon einmal das Vergnügen hatte, mit dem englischen Abgeordneten Crossmann zu diskutieren, der in diesem Bundestag ohne weiteres eine Rede in deutscher Sprache halten könnte, wird 'sich davon überzeugt haben, daß man bei einem Interview mit Herrn Crossmann wohl kaum sprachliche Schwierigkeiten als Begründung für ein Dementi heranziehen kann.
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Das worauf es mir im Kern in diesem Zusammenhang ankommt, war der Hinweis des Ministers, der sagte: Der Atomklub soll nicht vergrößert werden, es soll niemand hinzukommen; aber dann, wenn andere Staaten außer den dreien, die es jetzt gibt, die Produktion aufnehmen, dann wird - so hat er damals Herrn Crossmann gesagt - in vier bis fünf Jahren auch die Bundesrepublik in diesen Vorgang hineingezogen. Das ist doch die allgemeine Haltung der Regierung, nur konsequent auf diese Frage ausgedehnt; das und nichts anderes. Insofern möchte ich also annehmen, daß das Gespräch sehr korrekt wiedergegeben worden ist.
Da ist aber noch ein anderes sehr interessantes Entwicklungsprojekt. Als der Minister die Entscheidung begründete, in den Vereinigten Staaten Matadore zu kaufen, ließ er wissen, daß das auch geschehe, damit die deutsche Industrie Anschluß an die Entwicklung derartiger Flugkörper finde. Da handelt es sich also nicht nur um die Ausbildung der Soldaten der Bundeswehr, sondern auch um die Vorbereitung der Produktion. Wie steht es denn auf diesem Gebiet mit den Kosten, die mit der Aufnahme einer Produktion auf diesem Gebiet verbunden wären?
Das waren Beispiele dafür, wie uns die Regierung Schritt für Schritt in das gefährlichste Experiment unserer Geschichte hineinzuziehen sucht.
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Und da redet man von denen, die dieses Experiment nicht mitmachen wollen - gerade weil es uns um die Sicherheit unseres Volkes geht -, sie würden damit eine Vorleistung erbringen! Meine Damen
und Herren, Verzicht auf Selbstmord ist keine Vorleistung!
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Aber diese Politik dient auch dazu, uns Schritt für Schritt noch in andere Abenteuer hineinzuziehen. Wir haben damals schon auf einige Tücken des Atlantikpakts aufmerksam gemacht, damit man sich das reiflich überlege. Der Art. 6 des Vertrages bezieht beispielsweise ausdrücklich die französischen Departements in Algerien in das Vertragsgebiet ein. Die letzte französische Regierung hat vor ihrem Sturz noch angekündigt, daß sie diese Bestimmung anrufen und am 4. Mai die Hilfe der Verbündeten Frankreichs im Konflikt mit Tunesien wegen des angeblichen Angriffs auf Algerien verlangen werde. In dieser Stunde - wir werden bis dahin keine außenpolitische Debatte mehr haben - sollte unsere Regierung dem Parlament gegenüber erklären, welche Haltung sie im Atlantikrat zu diesem französischen Vorstoß einzunehmen gedenkt. Denn dort steht nicht nur unser Ansehen, sondern auch die Sicherheit nicht nur der Deutschen, sondern darüber hinaus des freien Westens im ganzen auf dem Spiel. Norwegen hat sich bereits geäußert. Sie schauen so gern nach Norwegen, Sie berufen sich oft auf die Solidarität der Sozialisten. Ich kann Sie nur dringend ermahnen, sich hier das norwegische Beispiel wiederum zum Vorbild zu nehmen.
Sollen wir etwa auf diesem Umweg in die französischen Kolonialkriege hineingezogen werden?! Dabei müssen wir uns allen Ernstes überlegen, in
welchem Maße wir - ungewollt - durch die Leistungen von über einer Milliarde D-Mark an die französische Republik, die die Bundesregierung uns neuerlich bekanntgegeben hat, schon indirekt zur Finanzierung dieser Kolonialkriege beitragen. Aus Libyen haben wir ein sehr unfreundliches Presseecho erfahren, als es um die Idee ging, dort eventuell deutsche Soldaten an Matadoren auszubilden. Da hat man gesagt, man empfinde es als Mißachtung der Afrikaner, wenn plötzlich über ihren Kopf hinweg dort so etwas geschehe.
Nein, meine Damen und Herren, hüten wir uns, auf diese Weise an der Seite Frankreichs in die afrikanischen Wirren hineingezogen zu werden! Bei aller Notwendigkeit eines engen Verhältnisses zwischen dem französischen und dem deutschen Volk, bei aller Notwendigkeit, so eng wie möglich zusammenzuwachsen, sollten wir der Ehrlichkeit halber doch unseren französischen Freunden sagen, daß Frankreichs Krieg in Algerien die afrikanischen Völker politisch an die Seite der Sowjetunion treibt und deshalb eine Gefährdung der freien Welt ist.
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Ich wollte Ihnen mit diesem einen Beispiel zeigen, daß es in Ihrer Politik viele Aufwendungen gibt, von denen Sie glauben, daß sie der Verteidigung dienen, die aber in Wahrheit unsere Sicherheit nicht vergrößern, sondern gefährden.
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Meine Damen und Herren! Die Rednerliste weist zwar im Augenblick nur noch eine Wortmeldung auf; es besteht aber die interfraktionelle Vereinbarung, die Sitzung heute um 21 Uhr zu beenden.
Ich schlage Ihnen daher vor, die Große Anfrage der Fraktion der SPD erneut als Punkt 1 auf die Tagesordnung der 25. Sitzung zu setzen. Ich berufe die nächste Sitzung, die
Die Sitzung ist geschlossen.