Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 3/25/1958

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Meine Damen und Herren, die Sitzung ist eröffnet. Eine amtliche Mitteilung wird ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen: Der Leiter der Monopolverwaltung für Branntwein beim Landesfinanzamt Berlin legt unter dem 14. März 1958 den Geschäftsbericht der Monopolverwaltung für Branntwein beim Landesfinanzamt Berlin und die Bilanz nebst Gewinn- und Verlustrechnung der Verwertungsstelle für das Geschäftsjahr 1956/57 vor. Sein Schreiben wird als Drucksache 302 verteilt. Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Rasner.

Will Rasner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001777, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der verehrte Kollege Herr Professor Carlo Schmid von der sozialdemokratischen Fraktion hat bereits am vergangenen Sonnabend dem Sinne nach ausgeführt, er sei nicht mehr in der Lage, der Debatte noch etwas Neues hinzuzufügen, was noch nicht gesagt sei, und er wolle sich deswegen auf einige Anmerkungen beschränken. Die Bundestagsfraktion der CDU/CSU teilt diese Auffassung Professor Schmids ({0}) und ist, zweifellos in Übereinstimmung mit weitesten Teilen der deutschen Öffentlichkeit, der Auffassung, daß dieser außenpolitischen Debatte nunmehr zeitlich ein Ziel, ein Ende zu setzen sei. ({1}) Dazu hat das Haus drei Möglichkeiten. Möglichkeit Nummer eins: eine interfraktionelle Verständigung, - das ist nicht möglich gewesen. ({2}) Möglichkeit Nummer zwei: ein Antrag einer Fraktion auf Schluß der Debatte, was die Geschäftsordnung ausdrücklich zuläßt. Von dieser Möglichkeit wünschen die Fraktionen der Regierungskoalition keinen Gebrauch zu machen, da sie sich nicht dem Verdacht ausgesetzt sehen möchten, zu einem taktisch ihnen genehmen Zeitpunkt die Debatte durch Majoritätsbeschluß abschließen zu wollen. ({3}) Möglichkeit Nummer drei eröffnet der § 39 der Geschäftsordnung. Diese Möglichkeit heißt: Begrenzung der Redezeit. Von dieser Möglichkeit wünscht meine Fraktion - in Konsequenz mit den Ausführungen des Kollegen Professor Schmid - Gebrauch zu machen ({4}) und beantragt deshalb, für die Aussprache über die Großen Anfragen der CDU/CSU und der FDP die Redezeit auf nunmehr weitere acht Stunden zu begrenzen. ({5}) Die zu diesen Interpellationen eingebrachten Anträge der verschiedenen Fraktionen stellen keinen gesonderten Tagesordnungspunkt dar. Sie sind fast alle auch schon begründet. Sie fallen mithin unter die Redezeitbegrenzung für diesen Gegenstand der Tagesordnung. Nach der Praxis des Hauses ist die Redezeit bei Annahme unseres Antrags prozentual auf die Fraktionen aufzuteilen. Die Bestimmung des § 48 der Geschäftsordnung setzen wir dabei als bekannt voraus. Wir mögen in unserer Fraktion zwar nicht die Formel „Genug des grausamen Spiels", sind jedoch der Meinung, daß dieses Haus auf eine möglichst gut e Art, derartige Diskussionen zu führen, mit Ernst sehen sollte. Der 1. Deutsche Bundestag hat mit einer sinnvollen Begrenzung der Redezeit vorzügliche Erfahrungen gemacht. Wir halten nach den vergangenen drei Diskussionstagen die Zeit wahrlich für gekommen, sich auf diese Erfahrungen zu besinnen. ({6}) Wir bitten deshalb, unserem Antrag auf Begrenzung der restlichen Redezeit dieser Debatte auf acht Stunden zuzustimmen. ({7})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Mommer.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001529, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, es war eine gute Sache, daß der Bundestag darauf verzichtet hat, die für die Aussprache von Problemen zur Verfügung stehende Zeit zu begrenzen und hier dem wirklich freien, ungehemmten, unbegrenzten Wort Raum zu geben. ({0}) Ausgerechnet bei diesem Thema, wo es darum geht, die Maginot-Linie, die durch Deutschland geht, mit Atomwaffen zu bestücken, die von Deutschen bedient werden sollen, ausgerechnet bei dieser Debatte soll jetzt von dieser langjährigen Praxis des Hauses abgewichen werden, die Dauer der Aussprache nicht zu beschränken. ({1}) Es ist interessant, in welcher Situation das geschehen soll. Wir haben nun schon drei Tage diskutiert; das ist wahr. Dabei haben 14 CDU-Redner das Wort genommen und 6 sozialdemokratische Redner; ich wiederhole: 14 von der CDU, darunter dreimal der Bundeskanzler, dreimal der Außenminister, ({2}) zweimal die bundesdeutsche Atomkanone Franz Josef Strauß. ({3}) Und jetzt soll die Redezeit beschränkt werden! ({4}) - Ich wiederhole: die bundesdeutsche Atomkanone Franz Josef Strauß. ({5})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Herr Abgeordneter Mommer, für diesen Ausdruck rufe ich Sie zur Ordnung. ({0})

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001529, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wenn wir die Rededauer beschränken, dann heißt das, daß dabei für die CDU 4 Stunden Redezeit herauskommen, für die sozialdemokratische Fraktion 2 Stunden und 40 Minuten. Meine Damen und Herren, bei dieser Redezeit ist es uns nicht möglich, die Debatte so zu Ende zu führen, wie das nach dem, was vorausgegangen ist, notwendig wäre. Ich habe hier eine Liste von nicht weniger als 8 Rednern, die ich noch melden wollte, ({0}) weil wir, unsere Fraktion, noch lange nicht alles gesagt haben, was wir zu einem solchen Thema zu sagen haben. ({1}) Und dann werden Sie ja um eines nicht herumkommen: daß die Offentlichkeit feststellt, wie hier die Dinge gelaufen sind. ({2}) Wer wollte die Debatte? ({3}) Die Debatte wollte vor allem der Herr Bundeskanzler, und er hat wegen ihr sogar prominenten Mitgliedern seiner eigenen Fraktion Rügen erteilt, Mitgliedern, die sich erlaubt hatten, am Wert der Debatte zu zweifeln. ({4}) Schon am Freitag hatte es der Bundeskanzler leid mit seiner Absicht, diese Debatte hier zu führen. ({5})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Meine Damen und Herren, fangen wir doch heute nicht schon so an!

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001529, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Er wollte sich hier das grüne Licht zur atomaren Aufrüstung der Bundeswehr holen. Schon am Freitag wäre er gern die Geister losgeworden, die er gerufen hatte. ({0}) Wir haben nicht die Absicht, hier zu filibustern, d. h. durch endlose Reden den Schluß der Aussprache bis vielleicht nach Ostern hinauszuschieben. Wir haben gestern die CDU/CSU-Fraktion wissen lassen, daß wir einer Abmachung, die Debatte etwa bis morgen abend zu Ende zu führen, zustimmen würden. In dieser Zeit wäre es uns möglich, all das noch zu sagen, was wir zu sagen haben. Der Antrag aber, der uns hier jetzt vorliegt, ist für uns unannehmbar. Damit wollen Sie herauskommen aus einer für Sie so unangenehm gewordenen Debatte. ({1}) Damit wollen Sie uns das Wort abschneiden und unsere Redner nicht mehr zum Zuge kommen lassen. Das ist der Sinn Ihres Vorschlags. Dagegen wenden wir uns. Wir beantragen, daß wir der Übung dieses Hauses treu bleiben und gerade bei diesem Gegenstand bis zum Ende diskutieren. Wir haben hier gesagt: Lieber zehn Jahre verhandeln, als einen Tag Atomkrieg führen. Ich würde sagen: Lieber zehn Tage im Bundestag diskutieren, ehe der Beschluß gefaßt wird, die Bundeswehr mit Atomwaffen auszurüsten. ({2})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Dr. Bucher.

Dr. Ewald Bucher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000288, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man hat sich schon zu wiederholten Malen in diesem Hause darüber unterhalten, ob die Redezeit begrenzt werden soll. Ich glaube aber, die ungünstigste Gelegenheit, das nun zum erstenmal auszuprobieren, nachdem man es im ganzen 2. DeutDr Bucher schen Bundestag und auch bisher im dritten nicht getan hat, ist diese Debatte. ({0}) Hier geht es doch um eine Frage, die nicht nur für die deutsche Wiedervereinigung, sondern für den Frieden der Welt von ganz entscheidender Bedeutung ist. Ich meine, es steht diesem Hause nicht schlecht an, darüber, wenn es notwendig ist, vier oder auch fünf Tage zu sprechen. Alle, die hier sprechen, ohne Rücksicht auf die Partei, tun das doch beileibe nicht zu ihrem Vergnügen. Sie tun es auch nicht um der Propaganda willen; ({1}) niemand von uns legt darauf Wert. Aber gerade deshalb halten wir es für ganz unmöglich, nun die Aussprache vorzeitig abzubrechen. Es sind Schärfen in die Aussprache gekommen. Es ist nicht verwunderlich, daß bei einem Thema, das so hochgespannt ist, das Temperament vieler Redner ausschlägt. Im übrigen: schauen Sie in den Protokollen nach, wenn sie vorliegen, und Sie werden sehen, wer diese Schärfen in die Aussprache gebracht hat. ({2}) Daß die Redezeit der Opposition bis jetzt praktisch schon ziemlich beschränkt worden ist, hat der Kollege Mommer bereits ausgeführt. Vor allem haben, wie gesagt, zahlreiche Redner der größten Regierungspartei, einschließlich der Bundesregierung, schon zweimal gesprochen. Nun, wir als „große" Fraktion haben das nicht nötig. Wir haben noch etliche Redner, die zum erstenmal sprechen wollen, und sie haben noch einiges zu sagen. Wir möchten diesen Kollegen nicht das Wort abschneiden. Ich möchte stattdessen namens der Fraktion der FDP anregen, einmal zu überlegen, ob wir nicht bis morgen abend fertig werden können und ob wir uns nicht darauf einigen können. Wir hätten auch gar nichts dagegen einzuwenden, wenn scharf auf die Bestimmung der Geschäftsordnung geachtet würde, daß jeder Redner höchstens eine Stunde sprechen soll. Wir wären sogar damit einverstanden, wenn für diesen Fall die Redezeit für den einzelnen Redner meinetwegen auf eine halbe Stunde beschränkt würde. Ich glaube, daß diese Regelung billiger und der Bedeutung der Sache angemessener wäre. ({3})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor; wir kommen zur Abstimmung. Wer für die Begrenzung der Redezeit auf 8 Stunden ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; es ist so beschlossen. Damit stehen den Fraktionen folgende Zeiten zur Verfügung - wir wollen es auf die Minute genau machen -: CDU 257 Minuten - das sind 4 Stunden und 17 Minuten --, SPD 167 Minuten - das sind 2 Stunden und 47 Minuten -, FDP 40 Minuten, DP 16 Minuten. ({0}) Das gibt zusammen 480 Minuten. ({1}) - Herr Abgeordneter Mende, haben Sie den Vorwurf, hier geschehe Unsinn, an die Adresse des Präsidenten gerichtet? ({2})

Dr. Erich Mende (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001467, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident, das war zur Sache! Ich halte diese Regelung nach Verkündung dieser „Rede"-Zeiten für einen kompletten Unsinn und für eine Beschränkung der Minoritätsrechte der kleineren Fraktionen. ({0})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Weitere Anträge zur Geschäftsordnung werden nicht gestellt, auch keine Anträge zur Tagesordnung. Dann fahren wir in der Sachdebatte fort zur Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betreffend die deutsche Frage auf künftigen internationalen Konferenzen ({0}) und zur Grollen Anfrage der Fraktion der FDP betreffend Gipfelkonferenz und atomwaffenfreie Zone ({1}). Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Heinemann.

Dr. Dr. Gustav W. Heinemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000848, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Am vergangenen Samstag überschrieb die „Frankfurter Allgemeine Zeitung" ihren Leitartikel mit den Worten „Die Entscheidung ist gefallen". Als das geschrieben wurde, diskutierten wir noch. Heute, drei Tage später, treten wir zur Fortsetzung der Diskussion wieder zusammen. Ist die Entscheidung bereits gefallen? Es sind genug Mitglieder in diesem Hause, die davon überzeugt sind, daß diese Entscheidung noch beeinflußt werden kann, und es wäre wahrlich gut für uns alle, wenn wir ihr offenblieben. Der Bundeskanzler hat als Kernpunkt dieser Auseinandersetzung die Frage in den Vordergrund gestellt: NATO oder nicht. Diese Fragestellung lehnen wir ab. ({0}) Niemand fordert gegenwärtig unser Ausscheiden aus der NATO. Sie sagen, wenn die Bundeswehr nicht atomar bewaffnet wird, dann sei die Zugehörigkeit der Bundesrepublik zur NATO in Frage gestellt. Wir antworten: Der NATO-Vertrag sagt nicht, daß wir atomar bewaffnet sein müssen. Wir lehnen diese atomare Bewaffnung aus einer Fülle von Gründen ab. Sie machen daraus eine NATO-Frage, weil Sie wissen, daß die atomare Bewaffnung unpopulär Ist. Soll das durch die Verschiebung der Frage auf die NATO überdeckt werden? Auch wenn wir keine atomare Aufrüstung der Bundeswehr vollziehen, kann die Bundesrepublik gegenwärtig in der NATO bleiben, so wie auch andere Nationen in ihr sind, ohne atomar bewaffnet zu sein, andere Nationen zumal, die nicht gespalten sind wie wir. Herr Bundesverteidigungsminister Strauß hat uns in den vergangenen Tagen das Leitbild seiner politischen Sicht entwickelt. Dieses Leitbild bedeutet in meinen Augen ein bündiges Entweder - Oder. Entweder die Sowjetunion verwandelt sich, sie hört auf zu sein, was sie ist, sie gibt nach, sie kapituliert, - oder wir beschränken uns auf uns selbst, auf Westeuropa, auf ein Reich Karls des Großen. ({1}) Dies mit wenigen Strichen deutlich zu machen, wird nicht schwer sein, meine Damen und Herren. Zu der aufschlußreichsten Lektüre, die ich in den letzten Jahren gelesen habe, gehört für mich die Adenauer-Biographie von Paul Weymar. Darin finden Sie, daß der Herr Bundeskanzler bereits im Oktober 1945, unmittelbar nach Kriegsende, als sein Leitbild einen westdeutschen Bundesstaat, bestehend aus den drei Westzonen, eng verflochten mit Frankreich und Belgien, bezeichnete. ({2}) Im Oktober 1945! Sie finden in dieser Biographie Aussagen, daß für ihn die Europäische Verteidigungsgemeinschaft eine „Weltanschauungsfrage" sei, daß sie „nicht aus militärischen Gründen" gesucht werde. Sie finden darin Aussagen, daß die Frage der Handlungsfreiheit einer gesamtdeutschen Regierung, wenn sie einmal käme, nur eine akademische Frage sei, weil die Kraft der Tatsachen und der Sinn der Integration einer Bundesrepublik in die westlichen europäischen Staaten etwas Unauflösliches herbeiführen würden. ({3}) Das alles mit Bezug auf eine Bundesrepublik, von der wir sagten, sie sei ein Provisorium. ({4}) Meine Damen und Herren, erlauben Sie - ({5}) - Das war 1945 und ist es auch noch lange danach gewesen. Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir, daß ich ein Wort des Kardinal Frings zitiere, wobei ich Wert darauf lege, zu sagen, daß es sich um ein politisches Wort handelt. Kardinal Frings sagte im September 1952 in Köln auf einer großen Kundgebung in Gegenwart auch des Herrn Bundeskanzlers: Die Verwirklichung des Ideals, das Reich Karls des Großen neu zu errichten, ist noch nie so nahe gewesen wie jetzt. ({6}) Sehen Sie, von da her schließt sich für mein Verständnis manches auf, was etwa zusammenhängt mit einer Abendländischen Akademie, mit der Abneigung gegen Berlin, das ja von dem Herrn Bundeskanzler als eine heidnische Stadt apostrophiert wurde ({7}) und infolgedessen nur mit Trostpreisen der Unterbringung einiger spärlicher Bundesbehörden bedacht wird, während alles übrige sich auf einen Europarat nach Straßburg, nach Luxemburg usw. hin verlagert. ({8}) Symbolhaft für diese Linie ist der in Aachen zu verleihende Karlspreis, ({9}) und symbolhaft für jene andere Linie, hingewendet zum Osten, ist der Deutsche Ritterorden, ({10}) ist die Politik der Stärke, die bis hin zur Neuordnung ganz Osteuropas greift . ({11}) Wenn Sie die Sowjetunion zur Kapitulation kriegen, treten Sie gern aus dem westlichen Bereich heraus. Tun Sie es nicht, so werden Sie sich auf den Westen beschränkt halten, eben in dieser engen Begrenzung. „Neuordnung Osteuropas", - das war keineswegs ein falscher Zungenschlag, sondern sie kommt in sehr vielen Reden vor, und von da her, sehr verehrter Herr Kiesinger, ergibt sich ja auch die Ablehnung der Note vom März 1952. ({12}) - Haben Sie noch einen Augenblick Geduld, mich anzuhören, trotz Beschränkung der Redezeit! ({13}) Herr Kiesinger hat mir den Vorwurf gemacht, ich hätte aus der Note von 1952 nur die Stücke hervorgekehrt, die ein verzerrtes Bild ergäben. Herr Kiesinger, nehmen Sie bitte zur Kenntnis, daß diese Note deshalb wichtig ist, weil sie eine Möglichkeit war zu verhandeln. Und genau dieses war von Ihnen nicht gewollt. ({14}) Ist es denn so schwer zu erkennen, frage ich, ({15}) daß mit jener Note von der östlichen Seite ein Kompromiß zur Diskussion gestellt wurde? Sie haben uns hier in dieser Diskussion gesagt: Die Sowjetunion will ganz Deutschland. Sie haben von der Ruhrkontrolle und allem möglichen geredet. Aber als die Sowjetunion anfing, darüber sprechen zu wollen, daß sie bereit sei, auf ganz Deutschland zu verzichten, wenn der Westen bereit sei, seinerseits auf ganz Deutschland zu verzichten, haben Sie diese Fragestellung nicht geklärt. ({16}) Herr Kiesinger, ich gebe Ihnen, wenn Sie so wollen, den Vorwurf, den Sie mir machen, zurück, weil Sie aus jener Note den einen für mich kardinalen Satz nicht gelten lassen: Die Sowjetunion schlägt vor, diesen Entwurf zu erörtern, und erklärt sich bereit, andere Vorschläge zu prüfen. Herr Carlo Schmid hat Ihnen entwickelt, was der Unterschied ist zwischen Verhandeln und sich einem Ultimatum zu unterwerfen. Oder, wenn ich es Ihnen in Form einer Anekdote, die man Bismarck zuschreibt, erläutern soll: Bismarck erhielt einmal ein politisches Angebot von den Russen, und jemand sagte zu ihm: Dieser Vorschlag hat doch einen Pferdefuß! Bismarck antwortete: Sie sind sehr optimistisch; er hat bestimmt mehrere Pferdefüße. Und als der andere dann sagte: Und Sie wollen trotzdem verhandeln?, erklärte Bismarck: Lieber Freund, Politik ist nichts anderes als das Studium von Pferdefüßen. ({17}) - Ich freue mich, Herr Kiesinger, daß Sie mir zustimmen. ({18}) und frage Sie: Was würden Sie sagen, wenn die Sowjetunion ihr Angebot von 1952 heute wiederholte, ({19}) nämlich Viermächtekonferenz, Friedensvertrag mit einer gesamtdeutschen Regierung, hervorgegangen aus Wahlen, Klärung des Status eines Gesamtdeutschland auf Grund von Viermächtevereinbarungen? ({20}) Wenn Sie ernstlich sagen wollen, daß Sie auch heute noch nicht bereit wären, auf eine Erörterungsgrundlage zu treten, wie sie 1952 von den Sowjets zur Diskussion gestellt wurde - verehrte Damen und Herren, nehmen Sie es mir nicht übel -, dann ist mir Ihr ganzes Gerede von Wiedervereinigung vollends fragwürdig! ({21}) Damals haben Sie diese Offerte beiseite geschoben mit den drei Worten „Zuerst freie Wahlen". Es ist keineswegs richtig, daß die Kritik gegen diesen Satz nur vereinzelt ausgesprochen worden sei. Ich erinnere daran, daß Dr. Pfleiderer damals sagte: Mit Beschlüssen über gesamtdeutsche Wahlen beginnen zu wollen, verrät deutlicher als irgend etwas anderes die Absicht, den Verhandlungen mit der Sowjetunion auszuweichen und die Möglichkeit einer Wiedervereinigung im Keime zu ersticken. ({22}) - Ach, ob der einzige - -({23}) - Ist es richtig oder falsch? ({24}) - Ja, dann loben Sie ihn doch wenigstens! ({25}) Oder wollen Sie immer noch stehenbleiben bei dem, was der Herr Bundeskanzler zu einem amerikanischen Journalisten von „United Press" im März 1952 auf dessen Frage „Ist diese Offerte nicht ein Anzeichen dafür, daß die Sowjetunion sich in die Defensive gedrängt sieht?" antwortete: „Ja, aber wir müssen sie noch mehr in die Defensive hineindrängen!"? Und alsbald wurde auch geäußert: „Wer den Frieden will, der muß den Wettlauf mit der sowjetrussischen Atomrüstung veranstalten." Meine Damen und Herren, dieser Satz wurde bereits vor fünf Jahren von dem Herrn Bundeskanzler gesprochen. ({26}) Heute soll es wohl so weit sein. Wir lehnen, wie gesagt, die Fragestellung „NATO oder nicht?" ab. Wir wollen, daß eine andere Lösung unternommen wird, die es möglich macht, aus der Inanspruchnahme durch die beiderseitigen Blockmächte herauszubleiben. Wir spekulieren nicht auf die Beseitigung der Sowjetunion, und wir lassen uns nicht trösten mit einem Rückzug in die Grenzen eines Reiches Karls des Großen. Wir wollen den Ausgleich und die Entspannung in einer mitteleuropäischen Verantwortung. Wir wollen die Herauslösung der Ostzone aus der Pfandhalterschaft, die die Sowjets an ihr genommen haben, um sich dagegen zu sichern, daß keine neuen militärischen Gefahren für sie erwachsen, genauso wie die Westmächte entsprechende Pfänder hier genommen haben. ({27}) Die Gründe dafür im einzelnen darzulegen, ist nicht mehr notwendig. Meine Fraktionsfreunde haben sie Ihnen ausführlich gesagt, und ich kann mich darauf beziehen. Nach der Aussprache vom 23. Januar sind mir allerlei Fragen zugeschoben worden, von denen ich eine hier wenigstens noch streifen will. Sie haben sich darüber aufgeregt, daß ich hier von der „DDR" gesprochen habe, von der „Deutschen Demokratischen Republik". Lassen Sie mich dazu dieses sagen: Es gibt immer noch einige gesamtdeutsche kirchliche Organe - ich gehöre ihnen zu -, das sind Synoden und Rat der EKD sowie einige Dienststellen. Es ist unter uns offizielle Sprach1062 regelung, daß wir von der „Bundesrepublik Deutschland" und von der „Deutschen Demokratischen Republik" sprechen. Da ich in innerdeutschen Angelegenheiten keine Zweisprachigkeit kenne, rede ich auch hier genauso, und ich meine, das müßte wenigstens Geltung haben für alle diejenigen unter uns, die mit mir in der gleichen Lage sind, indem auch sie zur Synode der EKD gehören. Sie haben mir den Vorwurf gemacht, in entstellender Weise allerdings, ich wollte mit der DDR verhandeln. Meine Damen und Herren, es gibt zwei Extreme. Man sagt: Deutsche an einen Tisch!, - so etwa nach der Parole: Frieden, Freude, Eierkuchen, alles durcheinander! Es gibt den anderen Satz: Deutsche an keinen Tisch! - so etwa nach der Parole: wir können einander nur verfluchen! An beiden Extremen habe ich mich nie beteiligt. ({28}) - An beiden Extremen habe ich mich nie beteiligt. ({29}) Es bestehen Differenzen, und infolgedessen darf kein Vertuschen, auch kein Verharmlosen stattfinden. Aber es bestehen auch Beziehungen, und eben in bezug darauf ist die Frage, was zu tun ist. Das erachte ich nicht als eine Frage der politischen Moral, sondern als eine solche der Vernünftigkeit und des sinnvollen Weiterkommens. Erlauben die Differenzen zwischen dem ost- und westdeutschen Teil, so frage ich, etwa nur eine gemeinsame Beerdigung, so wie sie beim Tode von Nuschke zustande kam, als ein Bischof Dibelius einerseits und ein Herr Ulbricht andererseits sich am Grabe trafen und die Berliner sagten, nun gelte wenigstens der Satz: Deutsche an einem Sarg! Meine Damen und Herren, es gibt eine Fülle von menschlichen Dingen, die mit Entschiedenheit anzufassen und zu regeln Sie bisher leider nicht unternommen haben. ({30}) Ich will Ihnen sofort einige Beispiele dafür nennen. Wir beklagen die Verkehrsmiseren. Ich frage: muß Herr Seebohm als Leiter und verantwortlicher Mann für die Verkehrsdinge unbedingt politischer Minister sein? Könnte er nicht ein technischer Generaldirektor, oder wie immer Sie ihn mit einem Titel ausstatten wollen, sein? ({31}) - Sehr interessant! Und wissen Sie, wer der Vater dieses Gedankens bei mir ist? Herr Seebohm persönlich! ({32}) Er sprach sich einmal in einer Ausschußsitzung, an der ich teilnahm, selber dafür aus und warf die Frage auf: Warum muß das eigentlich so sein? Oder ich will daran erinnern, daß Unterhaltszahlungen in Familien, die teils hüben, teils drüben leben, nicht funktionieren. Es gibt Kinder, deren Väter drüben wohnen, der Vater kann aber nicht nach hier zahlen, und hier gibt es umgekehrt Väter, deren Kinder drüben leben. Man muß die Kinder auf andere Väter umschalten, damit es zu Unterhaltszahlungen kommt. Ich nenne als Letztes noch: Wann, verehrte Damen und Herren von der CDU, wollen Sie endlich einmal die politische Amnestie, die Amnestierung der politischen Gefangenen, ernst nehmen? ({33}) -- Genau auf die Zahlen komme ich jetzt. Am 30. Januar dieses Jahres hat der Bundesgerichtshof in Karlsruhe ein Urteil von grundsätzlicher Bedeutung in einem Fall gesprochen, in dem es darum ging, ob politische Betätigung für die KPD nur nach dem Verbot dieser Partei oder auch vor dem Verbot dieser Partei strafbar sei. Karlsruhe hat gesagt: Beide Tätigkeiten sind strafbar. Daß die Tätigkeit nach dem Verbot der Partei strafbar ist, erachte ich für eine Selbstverständlichkeit. Aber nun auch noch die Tätigkeit innerhalb der KPD von 1951 bis 1956 strafbar zu machen bedeutet nicht mehr und nicht weniger, als daß viele Tausende solcher Funktionäre hier inhaftiert werden können. ({34}) Das ist eine Hypothek auf die gesamtdeutsche Situation, die den Gefangenen oder noch zu Inhaftierenden in der DDR teuer zu stehen kommen wird. ({35}) - Was für eine Praxis kenne ich? ({36}) - Wenn Sie mir in dieser Frage einen Augenblick Gehör schenken wollen, so kann ich Ihnen nur sagen, daß mein eigenes Bemühen um Freilassung der politischen Gefangenen drüben auf den Widerstand stößt, daß man sagt: „Wir wollen abwarten, ({37}) um die Gegenrechnung nachher zu präsentieren." - Aber, meine Damen und Herren, ich habe nicht die Absicht, mich in diesen Seitengang von Überlegungen zu verlieren. Ich will Ihnen lediglich sagen: Wenn Sie nicht mit Nachdruck die Amnestierung der politischen Gefangenen aus dem Kalten Krieg beiderseits in Angriff nehmen, lassen Sie eine Hypothek auf dem gesamtdeutschen Schicksal stehen; und das mache ich Ihnen zum Vorwurf. ({38}) Ich komme zu einem anderen Punkt. Meine Damen und Herren, Sie sagen und haben uns in vielfältiger Form dargelegt, daß die atomare Rüstung der Bundeswehr eine Notwendigkeit sei, daß sie zweckmäßig sei, daß sie die Bedingung sei dafür, daß wir existieren könnten, daß wir in der NATO bleiben könnten und so weiter. Erlauben Sie mir, daß ich Sie auf zwei Vorfragen aufmerksam mache, die zu beantworten unumgänglich ist, ehe Sie zu einer Entscheidung über atomare Bewaffnung kommen können. Die eine Vorfrage ist eine rechtliche und die andere eine ethische. Was das Rechtliche anlangt, so wird Ihnen nicht unbekannt sein, daß das Völkerrecht wenigstens zwei Grenzen in der Handhabung des Krieges setzt. ({39}) Erlaubt ist keinesfalls Gewalt gegen Nichtkombattanten, und die Kriegsmittel sind begrenzt. Ich erinnere daran, daß z. B. in der Haager Landkriegsordnung von 1907 der Satz steht: Die Kriegführenden haben kein unbeschränktes Recht in der Wahl der Mittel zur Schädigung des Feindes. Ich erinnere daran, daß das Genfer Protokoll von 1925 - auch mit deutscher Beteiligung - Ähnliches sagt. Die neuen sogenannten Waffen sind die prinzipielle Außerkraftsetzung allen Kriegsrechts, sind das Ende aller Errungenschaften abendländischer Kultur. Ich überlasse es Ihnen, sehr verehrte Damen und Herren, welches Gewicht Sie dieser völkerrechtlichen Frage geben wollen. Aber es gibt etwas darin, dem Sie nicht ausweichen können: Völkerrecht ist Bundesrecht. In Artikel 25 unseres Grundgesetzes steht, daß die allgemeinen Regeln des Völkerrechts Bestandteil des Bundesrechts sind, es steht darin, daß die allgemeinen Regeln des Völkerrechts den Gesetzen der Bundesrepublik vorgehen, daß sie unmittelbare Rechte und Pflichten für die Bewohner des Bundesgebietes erzeugen! Bitte, verübeln Sie mir nicht, daß ich auf diese Rechtslage aufmerksam mache. Eigentlich müßten Sie das ja tun. Sie bedeutet das Recht zur Gehorsamsverweigerung, ja sogar die Pflicht zur Gehorsamsverweigerung, wenn es um Massenvernichtungsmittel geht. Um diese Frage kommen Sie nicht herum, und letzten Endes wird das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe dazu einmal sein Urteil zu sprechen haben, so wie ja auch in dem anderen noch anhängigen Verfahren, wo es um die Auslegung des Gewissensbegriffs in Artikel 4 der Verfassung geht. Der General Röttiger der Bundeswehr schrieb im März vorigen Jahres in der „Zeitschrift für Wehrkunde", daß die Atomdienstverweigerung in der Bundeswehr eine aktuelle Frage sei. Bitte, stellen Sie sich dieser Frage! Bitte, machen Sie deutlich, wie Sie an dem als Bundesrecht geltenden Völkerrecht der Verwerfung von Massenvernichtungsmitteln vorbeikommen, ohne daß Sie sich hier eines Tages von Karlsruhe attestieren lassen müssen, daß es gegenüber einer atomar aufgerüsteten Bundeswehr unter allen Umständen das Recht, ja sogar die Pflicht der Dienstverweigerung gibt. ({40}) - Herr Kiesinger, wenn Sie mich fragen, was ich gegenüber atomar aufgerüsteten anderen Nationen sage, dann beantworten Sie bitte erst einmal, ob diese anderen Nationen auch so beispielhaft, wie es die Väter des Grundgesetzes im Parlamentarischen Rat in unser Grundgesetz hineingeschrieben haben, das Völkerrecht zum Nationalrecht erklärt haben? Das haben die Väter des Grundgesetzes im Parlamentarischen Rat getan, weil sie der Bundesrepublik eine beispielhafte Aufgabe in der Durchsetzung des Völkerrechts geben wollten. ({41}) Und nun stehen Sie vor den Konsequenzen dieses Beispiels, das im Parlamentarischen Rat gewollt wurde in besserer Erinnerung an das, was gerade damals hinter uns lag, als heute. ({42}) Meine Damen und Herren! Ich sagte, es steht eine zweite Vorfrage vor Ihnen und vor uns allen: Sind Massenvernichtungsmittel verantwortbar, christlich verantwortbar? Sie brauchen mir nicht zu sagen, daß nach der Lehre der beiden großen Kirchen eine Wehrdienstpflicht unter bestimmten Voraussetzungen gegeben sei. Die Frage ist die, ob alles das, was die beiden großen christlichen Kirchen in Jahrhunderten gesagt und entwickelt haben, Bestand hat gegenüber Massenvernichtungsmitteln von heute. Das ist die Frage! Massenvernichtungsmittel sind ja nach der Aussage auch vieler von Ihnen keine Waffen. Herr von Brentano hat das gesagt. Herr Kiesinger, Sie haben es gerade im Südwestfunk wiederholt, indem Sie aussprachen: Atomwaffen sind qualitativ etwas anderes. Sie sprachen von Teufelsdingern. ({43}) Ich nenne die Atomwaffen Ungeziefervertilgungsmittel, bei denen diesmal der Mensch das .Ungeziefer sein soll. Ist die Anwendung solcher Mittel christlich verantwortbar? Diese Frage richte ich zumal an Sie, die Sie christliche Partei dem Namen und dem Anspruch nach sind. Sie werden nicht sagen können, daß es Vorfragen dieser Art nicht gebe. Sie werden anerkennen, daß z. B. Selbstmord oder die Vernichtung „lebensunwerten" Lebens in den Bereich solcher Vorfragen gehören. Sie werden mir auch nicht entgegenhalten können, daß hier ein Dilemma sei: die Sowjetunion habe ja die Atomwaffen, und wir hätten sie nicht, und wenn wir sie nicht auch in die Hand nähmen - so belieben Sie zu deduzieren -, dann drohe das bolschewistische System auch für uns. ({44}) Es ist ja eben die Frage - und, bitte, stellen Sie sich ihr! -, ob irgendein Grund die Anwendung von Massenvernichtungsmitteln rechtfertigt. Ich will gar nicht darauf applizieren, daß Deutsche gegen Deutsche solche Atomwaffen anwenden würden. Es ist hier in den vergangen Tagen die Frage aufgeworfen worden, ob vielleicht Leipzig unter atomaren Beschuß kommen könnte, und Herr Dr. Jaeger sagte, es sei doch besser, wenn deutsche Offiziere als fremde Offiziere darüber zu befinden hätten. Inwiefern das besser ist, leuchtet mir nicht ein. Entweder ist es tragischer, oder aber diese deutschen Offiziere müssen dann den Gehorsam gegenüber dem Befehl verweigern. Aber, meine Damen und Herren, lassen wir das beiseite. Alle Menschen sind gleich, und das Sterben ist für alle gleich. Ich richte noch einmal die Bitte an Sie: folgendem Satz - nur diesem einen einzigen Satz - aus einer Erklärung der Synode der Evangelischen Kirche der Union vom Dezember vergangenen Jahres Ihr Gehör zu schenken: Die Synode bekennt sich zu der vergebenden Langmut Gottes, der seinen Menschen auch in den notvollsten Verhältnissen das Leben schenkt und erhalten will bis an den Tag, an dem er selbst die Welt und ihre Geschichte an sein Ziel bringt. Sie fragen uns, ob wir verantworten wollen, daß die Sowjetunion uns überwinden könnte. Ich frage Sie: Können Sie es verantworten, daß unser aller Selbstmord als die Alternative gegen ein politisches System ins Augen gefaßt wird? ({45}) Am vergangenen Sonntag hat der Berliner Professor Heinrich Vogel in Frankfurt auf der Kundgebung gegen den Satz „Lieber tot als Sklave" den Satz gestellt: „Lieber tot als Massenmörder." Das, verehrte Damen und Herren, ist es, worum es geht, nicht aber um NATO oder nicht NATO. Bitte stellen Sie sich dieser Frage! Das ist ja letzten Endes die Frage nach Ihrem Selbstverständnis als christliche Partei. ({46}) Niemand denkt daran, -

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Dr. Gustav W. Heinemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000848, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Nein; nach der Beschränkung der Redezeit kann ich mir das nicht erlauben. ({0}) Sie werfen entgegen, die Kirche könne keine Weisungen geben. Das weiß sie selbst. Das liegt auch in dem Satz, den ich vorlas, gar nicht drin. Natürlich haben Sie selbst zu entscheiden, wie jeder von uns hier im Hause. Aber das bedeutet zugleich persönliche Verantwortung, und meine Frage ging eben dahin, nach welchem Maßstab Sie diese Verantwortung betätigen. Nach welchem Maßstab Sie diese Verantwortung betätigen. Nach welchem Maßstab? Sie haben ihn sich selbst gesetzt mit dem Namen Ihrer Partei. Bitte, jetzt stellen Sie sich diesem Maßstab! Wie verstehen Sie ihn in bezug auf Massenvernichtungsmittel? Sagen Sie bitte nachher nicht wieder, wie es am 23. Januar geschah, das gehöre nicht ins Parlament. Meine Damen und Herren, was Herr Oberkirchenrat Cillien, stellvertretender Vorsitzender Ihrer Fraktion, mir am 23. Januar hier antwortete, war eine schreckliche Blöße für die CDU. ({1}) Herr Cillien antwortete, es sei nicht üblich, hier von christlichen Überzeugungen zu sprechen. Frau Wessel hat schon daran erinnert, wie oft es geschah, wenn Sie glaubten, es brauchen zu können. ({2}) Herr Cillien hat in seinen Wählerbrief hineingeschrieben: Wir sind unter dem Zeichen „christlich" angetreten. ({3}) Meine Damen und Herren, zum Wahlkampf oder zur Verantwortung hier? ({4}) Wenn Sie sich jetzt plötzlich in einem Augenblick, wo Ihnen einmal aus den Reihen der Sozialdemokratischen Partei Sprecher entgegentreten, die diese Fragen an Sie richten, zurückziehen wollen auf den Satz: Religion sei Privatsache, dann haben wir eine sehr bemerkenswerte Verkehrung der Fronten. ({5}) Sie können auch nicht, wie es einer Ihrer Sprecher tat, mit durchschlagendem Gewicht antworten, daß angesichts der minimalen Anfälligkeit des Kreml für Fragen nach christlicher Verantwortung solche Fragen einseitig zu Lasten des Westens gingen. Meine Damen und Herren, ist die Geltung des Christlichen davon abhängig, daß es sich politisch auszahlt? ({6}) Wollen Sie sich ernstlich mit dem Kreml so gleichschalten, ({7}) daß Sie sagen, wir können uns nur nach dem gleichen Maßstab anreden lassen, wie der sich anreden läßt? Dann hören Sie doch auf - und das war meine Bitte am 23. Januar -, davon zu sprechen, es ginge um Christentum gegen Marxismus. Professor von Weizsäcker hat auf einer Tagung in Loccum im November 1957 gesagt: Es schmerzt mich, zu sehen, daß heute die Christen, indem sie Realisten sein wollen, für ihre eigene Wahrheit oft am undurchdringlichsten sind. Sie sagen das, was alle wissen. Versäumen sie dadurch nicht, - so fragte er der Welt das zu sagen, was nur sie sagen können? Das kann man freilich nur sagen, indem man es tut. ({8}) - Nur! Und genau das hat Weizsäcker beispielhaft vorgeführt. Meine Damen und Herren, die Verwerfung des politischen Satzes „Christentum gegen Marxismus" beinhaltet in gar keiner Weise Anerkennung einer marxistichen Irrlehre. Wir bekämpfen mit Ihnen marxistische Ersatzreligion und bolschewistisches System. ({9}) - Seien Sie doch froh, wenn wir Ihnen diese Bundesgenossenschaft anbieten. ({10}) Marxistische Ersatzreligion und bolschewistisches System sind in der Sowjetunion eine Einheit. Das rechtfertigt aber nicht, hier aus Christentum und NATO eine Einheit zu machen. ({11}) Sie sprechen immer von der christlichen Einheitsfront. ({12}) - In Ihrer politischen Propaganda, verehrter Herr Fragesteller; ich will Sie auf die Fülle der Flugblätter Ihrer Partei hinweisen. - Das Christentum wird von Grund auf verfälscht, wenn man es zur politischen Waffe, gegen wen auch immer, macht. ({13}) - Ich freue mich, daß wir uns wenigstens einiger) maßen finden. ({14}) Ich sage Ihnen in aller Schlichtheit, daß das politische Nein niemals ein Nein Jesu Christi sein kann. ({15}) - Ja, das ist ganz klar. Dann wundere ich mich nur, warum Sie noch mit solchen Worten operieren, wie wir sie hier so vielfältig gehört haben. Das angebliche christliche Nein gegen einen politischen Gegner kann immer nur das Nein einer Weltanschauung mit ihrer Gesetzlichkeit, mit ihren handfesten Interessen sein. Und eben in dieser weltanschaulichen Umdeutung zu einer politischen Waffe wird das Christliche verfälscht, hier in der Bundesrepublik zum Ärgernis und drüben hinter dem Eisernen Vorhang zur Belastung derer, die sich zur christlichen Kirche bekennen. ({16}) Deshalb meine Bitte, es zu lassen. Ich habe dies alles im Zusammenhang mit der Vorfrage aufgeworfen, ob Massenvernichtungsmittel christlich verantwortbar sein können. Es ist mir neulich, am 23. Januar, entgegengerufen worden: „Aber Notwehr!" Meine Damen und Herren, Notwehr ist ihrem Sinn und ihrem Charakter nach eine begrenzte Abwehr, aber Notwehr mit Massenvernichtung ist unmöglich. Sie sagen: Aber wir wollen ja diese Massenvernichtungsmittel nur zur Abschreckung, zur Drohung! Meine Damen und Herren, was heißt das praktisch? Als Ihnen hier in der Diskussion vorgehalten wurde, Sie wollten den Atomkrieg, haben Sie sich leidenschaftlich dagegen gewehrt. Ich verstehe diese Abwehr, wenn Sie sagen: Natürlich beabsichtigen wir nicht den Atomkrieg. Nein, das tun Sie nicht, aber Sie müssen dennoch letzten Endes sagen, daß Sie den Atomkrieg wollen, weil Sie ihn ja wollen müssen, wenn Ihre Drohung ernst sein soll, wenn Ihre Drohung wirksam sein soll. ({17}) Mit den alten, sogenannten konventionellen Waffen konnte man drohen, weil ihre Anwendung eine ausführbare Handlung war. Aber mit Atombomben und Wasserstoffbomben zu drohen, - ist das eine ausführbare Handlung, wenn die Drohung gegen einen Gegner exerziert wird, der mit diesen Waffen zurückschlagen kann? Diese Drohung ist entweder nicht ausführbar ({18}) - dann ist sie politisch wirkungslos -, oder hinter dieser Drohung steht die Entschlossenheit, Atombomben und Wasserstoffbomben anzuwenden. Dann aber sind Sie in der Bedrängnis der Frage, ob Sie solches tun dürfen und tun können. Meine Damen und Herren, die Alternative gegenüber all dem ist keineswegs, schlechthin waffenlos zu bleiben. Die 18 Göttinger haben Ihnen eindringlich genug gesagt, daß hier das Kalkül an die Grenze kommt und nur noch die Logik des Wahnsinns übrigbleibt. Sie alle sagen: Wahnsinn ist es, mit diesen sogenannten Waffen zu operieren. Und dennoch wollen Sie es probieren. Das, meine ich, sollte unterbleiben. Wir können den Sowjets und den Amerikanern die Massenvernichtungsmittel nicht aus der Hand nehmen. Aber wir können sie selber aus der Hand lassen. Es hat keinen Zweck, daß Sie dann rufen: Dann sollen es wohl andere für uns tun! Nein, ich mute es niemandem zu. Und wenn Sie sagen, dann gingen die anderen fort, so sage ich: ihre Massenvernichtungsmittel schützen uns ohnehin nicht. Wir sind besser geschützt, wenn der Atomwettlauf zum Stehen kommt. ({19}) Und wenn Sie dann immer noch weiter fragen, ja, ob denn das ohne Vorleistung geschehen solle, so weise ich noch einmal auf den sogenannten Rapacki-Plan hin, in dem ja Gegenleistungen zur Diskussion stehen. Meine Damen und Herren, wollen Sie eigentlich in dem Sinne politisch handeln, daß Leistung und Gegenleistung gegeneinander getauscht werden? Dann frage ich: Warum taten Sie es nicht längst? Dann frage ich: Wann erachten Sie jemals den Augenblick für gekommen, gegenüber der östlichen Seite auf etwas zu verzichten, auf etwas zu verzichten an Waffen? ({20}) Lassen Sie es aus der Hand und nehmen Sie es nicht in die Hand! Denn die östliche Seite bietet jetzt gerade an, daß auch die Polen und Tschechen von diesen Waffen frei bleiben sollen. ({21}) Meine Damen und Herren, ich will zum Schluß kommen, nicht nur weil Sie uns die Redezeit beschränkt haben, sondern weil ich mit der Eindringlichkeit dieser einen Frage, die ich vor Sie hingestellt habe, überhaupt meinen Beitrag zur Diskussion hier als erfüllt ansehe. Ich handele nicht aus einem idealistischen Pazifismus. Ich kann wörtlich übernehmen, was der Herr Bundesverteidigungsminister sagte, indem er sich als einen Verantwortungspazifisten bezeichnete. Ich glaube so wenig wie er an den ewigen Frieden. Ich war bereit und bin bereit, gegenüber Bewaffnungen in der DDR hier in der Bundesrepublik ein Gegengewicht zu schaffen oder aufrechtzuerhalten. ({22}) Nicht „seit wann?" Das war der Konflikt mit dem Herrn Bundeskanzler schon 1950, als ich damals sagte: ,Ich bin bereit, gegen die Volkspolizei da drüben hier Bundespolizei zu setzen. Aber ich war nicht bereit, mit einer militärischen Aufrüstung von 500 000, mit Dienstpflicht, Kriegswaffen, Militärbündnis zu antworten. ({23}) Jenes Stadium ist mittlerweile überholt: aus Volkspolizei wurde Volksarmee, bei uns haben wir die Bundeswehr. Ich bejahe sie mit der Maßgabe, daß sie ohne Wehrzwang und ohne Atomwaffen bestehen soll. Und ich bin jederzeit bereit, mit der östlichen Seite über eine Begrenzung dieser Bewaffnungen in eine Regelung einzutreten. Meine Damen und Herren, Sie werden es mir nicht übelnehmen, daß ich auch einmal frage, wie es denn mit dem Schutz der Zivilbevölkerung in all Ihren Planungen aussieht. ({24}) Der engliche Botschafter Steel erklärte vor einem Jahr, daß der Verzicht der britischen Regierung auf den Schutz der Zivilbevölkerung vor dem Atomkrieg eine der kühnsten Entscheidungen sei, die die britische Regierung je auf dem Gebiete der Verteidigung getroffen habe. Übertrifft unsere Bundesregierung an „Kühnheit" nicht doch noch diese englische Regierung? ({25}) Alles, was über das hinausgeht, was ich eben sagte - eingeschlossen einen Schutz der Zivilbevölkerung - lehne ich ab, weil es nicht reif ist, weil es uns zerbricht. Es bedrückt uns ja alle, daß diese Aussprache hier im Bundestag einen so tiefen Zwiespalt zwischen uns und vielleicht die Unmöglichkeit, ihn zu überwinden, offenbart hat, sosehr ich immer noch darauf hoffe, daß wir aufeinander hören. Aber sehen Sie, nicht nur dieser Bundestag hier erweist sich als so zerspalten! Kommt nicht eine ähnliche Gefahr auf den Deutschen Gewerkschaftsbund zu? Kommt nicht eine ähnliche Gefahr auf die Evangelische Kirche in Deutschland zu? Sie wissen, auf welche Vorgänge ich jetzt anspiele; sie hängen mit der bevorstehenden Synode zusammen. Ich habe im Februar 1954 einmal einen Brief an den Herrn Bundeskanzler geschrieben. Es war der einzige in all den acht Jahren in diesen Fragen hier. Es war ein Brief zur Zeit der Berliner Konferenz, und ich habe dem Herrn Bundeskanzler damals gesagt: Herr Bundeskanzler, es wird der Zeitpunkt kommen, wo das deutsche Volk Ihnen in die letzten Konsequenzen Ihrer Politik nicht mehr folgen wird, und dann werden die Amerikaner die Getäuschten sein, und hier wird sich die politische Grundlage als brüchig erweisen. Vor vier Jahren! Fühlen wir nicht, daß dieser Zeitpunkt jetzt nahegekommen ist? ({26}) - Ich würde herzlich bitten, das jetzt nicht so zu überrollen. Ich frage Sie nur eines. Sie haben ja die Verantwortung. Sie haben die Mehrheit. ({27}) - Diese Frage darf ich Ihnen ja unterbreiten, und mehr tue ich nicht! ({28}) Meine Bitte wäre, diese Frage in ihrem ganzen Gewicht zu hören und ernst zu nehmen: doch eine Bemühung daran zu wenden, daß wir aus der bisherigen Entwicklung heraussteuern, daß wir uns mit vollem Ernst und mit voller Konsequenz den Überlegungen zuwenden, nach welch einem sogenannten Status denn endlich einmal Gesamtdeutschland gestaltet werden soll. Diese Fragen - diese Fragen! - sind in der Vergangenheit viel zu sehr überrollt worden. Ich meine, es spricht sich doch nun auch in Ihren Reihen herum, daß in dieser Frage der Schlüssel zu einem guten Fortgang aller Entwicklungen liegt. Wir wollen nicht weniger Sicherheit als Sie, verehrte Damen und Herren, wir wollen eine andere Sicherheit und eine bessere Sicherheit. Wir bitten Sie - erlauben Sie mir, daß ich das so bescheiden wie möglich ausspreche -, sich davor zu bewahren, daß ein blinder Antikommunismus über uns Macht und Herrschaft gewinne. Er hat uns schon einmal ins Verderben, ja sogar in die Verbrechen geführt. Es gab 1933 einige, die da meinten, wenn das heraufziehende Gewitter der Entrechtlichung, der Wegnahme der Staatsbürgerrechte, nur die Kommunisten beträfe, dann wäre das ja erträglich, ja dann wäre es sogar gut. Es ist über uns alle hinweggerollt. Lassen wir uns das zur Warnung gesagt sein! Meine Damen und Herren, wir haben uns lange .Jahrzehnte mit dem Satz erfüllt, Frankreich sei unser Erbfeind. Das ist Gott sei Dank überwunden, das ist Gott sei Dank begraben. ({29}) - Jawohl, ich habe ja immer anerkannt, daß es notwendig war, den Ausgleich mit dem Westen herbeizuführen. Meine Bitte geht dahin: setzen Sie an die Stelle der Erbfeindschaft gegen Frankreich nicht eine Erb- und Todfeindschaft gegen den östlichen Nachbarn. ({30}) Bewahren Sie sich davor, indem Sie Abstand nehmen, immer von äußerer Bedrohung, sozusagen als Erziehungs- und Zuchtmittel, zu sprechen. Ich schließe mit einem Satz, den vorgestern in Frankfurt mein Freund Professor Heinrich Vogel, Berlin, sprach: Was uns betrifft, so hätten wir, die wir aus der großen Schuld des letzten Krieges herkommen, allen Anlaß, gerade auf unserem Boden das zu sagen, was den Stromkreis der Angst unterbrechen könnte, und das heißt: um des Friedens der Welt willen auf jede atomare Bewaffnung zu verzichten. Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, nehmen Sie Abstand von der atomaren Bewaffnung! ({31})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Gerstenmaier.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000669, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Ich bin leider in einer etwas mißlicheren Lage als mein verehrter Vorredner. Denn ich habe noch zu einem anderen Problem als zu der Frage der atomaren Bewaffnung der Bundeswehr ein paar Worte zu sprechen. Ich möchte mir zwei Bemerkungen vor diesem Hause und in dieser langen Debatte erlauben -auf alle Vorbemerkungen verzichte ich, um Ihre Geduld nicht noch mehr zu überfordern -: Erstens eine Anregung zur Tagesordnung der Gipfelkonferenz, die darüber hinaus vielleicht auch ein kleiner Beitrag zur Klärung der Methode unserer Außenpolitik sein könnte. Mit diesem Versuch verbinde ich den Dank an Kollegen aus allen Fraktionen des Hauses, die sich in den letzten Wochen die Mühe gemacht habe.-, einen von mir eigentlich beiläufig, jedenfalls zunächst gar nicht programmatisch gemeinten Gedanken kritisch zu überprüfen, ihn zu wägen, ihn zu bejahen oder zu verneinen. Ich bedanke mich damit auch bei denjenigen, die sich in dieser Debatte die Mühe gemacht haben, sich gelegentlich damit zu befassen. Das zweite ist nun allerdings auch eine Bernerkung zur Frage der atomaren Bewaffnung der Bundeswehr. Ich bedanke mich für den noblen Ton meines Vorredners - jedenfalls mir gegenüber -; denn ich habe ja nach dem 23. Januar an anderer Stelle mit ihm die Klingen gekreuzt. Er hätte eigentlich heute keine Rücksicht nehmen sollen; denn hier spricht ja heute nicht der Präsident dieses Hauses, sondern schlicht und einfach der Abgeordnete. Im Blick auf einige Bemerkungen, die Herr Dr. Heinemann an den Anfang seiner Rede gestellt hat, fühle ich mich nun aber doch verpflichtet, zu sagen, daß ich zwar nicht 1945 zu denen gehörte, die programmatisch an der Gestaltung der Christlich-Demokratischen Union mitgewirkt haben - ich hatte damals einiges andere zu tun -, daß ich aber zu denen gehöre, die in diesem Hause von Anfang an die europäische Konzeption einer deutschen Politik vertreten haben. - Dies sage ich auch zu den Bemerkungen von Herrn Dr. Heinemann über die Grundkonzeption und die Grundeinstellung des Herrn Bundeskanzlers und zu dem, was in der Gegenüberstellung von der Wiedervereinigung Deutschlands und dem Reich Karls des Großen bis zum Deutschen Ritterorden angeklungen ist. Ich kann es nicht kürzer aussprechen als so: Mir jedenfalls - und ich weiß, daß es vielen anderen genauso gegangen ist - hat es geschienen, daß diese europäische Konzeption einer deutschen Politik nach dem zweiten Weltkrieg ein verpflichtendes Erbe, eine Verpflichtung der Erkenntnis gegenüber sei, die uns insbesondere im „Dritten Reich" und im zweiten Weltkrieg aufgegangen ist: daß es ein Ende haben müsse mit dem alten Hin und Her, mit der alten souveränen nationalstaatlichen Ordnung Europas, daß Konsequenzen gezogen werden müßten aus dem, was in zwei Weltkriegen zwischen den Völkern Europas und anderer Kontinente geschehen ist, - kurz und gut, daß die Massengräber zweier Weltkriege uns in all unserem Tun und Lassen his auf diese Stunde und darüber hinaus verpflichten. ({0}) Man kann nun natürlich falsche und richtige Konsequenzen ziehen. Ich gehöre nicht zu denen, die einfach sagen, wir seien der Überzeugung, daß jedes Detail, das wir in den letzten acht Jahren in diesem Saale durchzukämpfen hatten, wohl geglückt und voll gelungen sei. Ich glaube aber doch, daß jedenfalls die beiden wesentlichen Konsequenzen, die wir für die deutsche Politik in diesen Jahren aus dieser Grundeinstellung zu ziehen versucht haben, richtig sind und daß sie im Grunde von dem ganzen Hause mitgetragen worden sind und auch weiter mitgetragen werden könnten. Wir haben nämlich, glaube ich, erstens den Versuch ge- macht, auf die Wiederherstellung einer deutschen Groß- und Weltmachtposition zu verzichten zugunsten einer neuen Lebensgemeinschaft der europäischen Völker. Wir haben damit auch den Versuch gemacht, auf jede Art von nationaler Macht1068 und Gewaltpolitik zu verzichten. Es ist wahr: als wir 1950 nach Straßburg gingen, war es doch weder unser Wille noch unsere Absicht, unsere Bereitschaft zur Einigung Europas mit dem Gedanken an die Wiederbewaffnung Deutschlands zu verbinden. Das lag gar nicht in unserem Plan, das lag überhaupt nicht in unserer Absicht. ({1}) Wir waren nicht bereit - auch damals nicht; niemals waren wir dazu bereit -, auf die Wiederherstellung Deutschlands im ganzen, also auf das zu verzichten, was wir inzwischen schlicht die „Wiedervereinigung" genannt haben. Aber wir waren jederzeit bereit, unter vernünftigen Bedingungen auf jede Art von deutscher Wiederbewaffnung zu verzichten. Daß wir dann doch in die Wiederbewaffnung eintreten mußten, war nicht eine Änderung unseres Denkens und unserer Grundeinstellung; es war auch nicht eine Änderung unseres Wünschens, sondern es war die rauhe Wirklichkeit der Weltgeschichte. ({2}) Diese Wirklichkeit der Weltgeschichte hat uns schließlich nur zwei Möglichkeiten gelassen, nämlich erstens, teilnahmslos abzuwarten, welche Folgen die Auseinandersetzung zwischen den Besatzungsmächten des Westens und des Ostens auf deutschem Boden noch haben würden, und zweitens, in diesem Konflikt eine Stellung zu beziehen, wie es unseren freiheitlichen und rechtsstaatlichen Bedürfnissen entspricht. Das letzte haben wir doch alle zusammen für selbstverständlich gehalten. Ich habe mir erlaubt - ich glaube, damals kam die Frage zum erstenmal auf -, am 9. August 1950 vor dem Europarat in Straßburg in Übereinstimmung mit meinen politischen Freunden - sie sitzen ja noch alle hier -, aber ohne vorhergegangene Absprache mit der Bundesregierung zu sagen, daß wir bei aller Abneigung gegen jede Art neuer militärischer Maßnahmen doch nicht erwarteten, daß andere für uns und unseren Schutz etwas täten, was wir für uns selber nicht zu tun bereit seien. ({3}) Das war damals, wie mir schien, nicht nur eine politische, sondern eine moralische Zwangslage. Ich halte immer noch dafür, daß die grundsätzliche Stellung, die wir dabei bezogen, richtig war und sich bis zum heutigen Tage und darüber hinaus vertreten läßt. ({4}) Selbstverständlich haben wir dann in den Jahren danach die Integration Europas nicht deshalb mit Leidenschaft betrieben, weil wir gesonnen wären, Deutschland selber desintegriert zu lassen. Davon kann gar keine Rede sein. Inzwischen ist die Deutschlandfrage in einem so unerhört hohen Maße ein menschliches Problem geworden, daß wir schon aus diesem Grunde, wie mir scheint, gezwungen sind, immer von neuem las Äußerste zu versuchen, um, wenn schon nicht die staatliche Einheit, so doch eine Entlastung zunächst für die 17 Millionen Menschen zu erreichen, die unter dem Terror der Ulbricht und Grotewohl immer schwerer leiden. Ich glaube, darauf könnten wir uns auch heute noch in den Ausgangspositionen in diesem Hause einigen. Bei allem unserem beharrlichen Reden und Ringen um die staatliche Wiederherstellung Deutschlands darf nicht außer acht gelassen werden, daß die menschliche Situation unter den 17 Millionen, die unter dem Terror Pankows leiden, sich inzwischen so erschwert hat, so drückend geworden ist, daß wir nicht nur unter dem Gesichtspunkt der staatlichen Einheit, sondern vielleicht sogar in einer vordringlichen Weise unter dem Gesichtspunkt: was kann zur Entlastung, zur menschlichen Entlastung dieser 17 Millionen geschehen? an das Problem der Deutschlandfrage immer von neuem herangehen müssen. ({5}) Mir scheint, daß die Abwälzung dieses Druckes noch wichtiger und vordringlicher ist als die Wiederherstellung unserer formellen staatlichen Einheit. Meine Damen und Herren, indem ich das ausspreche, sage ich etwas recht Unorthodoxes; aber ich möchte einmal den hören, der hier dawiderredet! Schon um hier Hilfe zu schaffen, schon um etwas zu tun für die Erleichterung, die Abwälzung dieses totalitären Druckes in Mitteldeutschland, bedarf es immer neuer Anstrengungen, d. h. es bedarf schon dazu einer intensiven politisch-diplomatischen Beziehung zwischen Bonn und Moskau. Denn das ist dafür die richtige Adresse, nicht die Herren in Pankow. ({6}) Ich meine, darauf können wir uns auch heute noch einigen. Schließlich aber bedarf es dieser Beziehung selbstverständlich auch deshalb, weil wir verpflichtet sind, in Übereinstimmung mit unseren westlichen Verbündeten an der Entspannung zwischen Ost und West zu arbeiten und auch in direktem Kontakt zwischen Bonn und Moskau dazu - wenn wir es vermögen - etwas Eigenes beizutragen. Es mag sein, daß dabei gar nichts herauskommt; aber es ist unsere Pflicht, mit größter Entschiedenheit und Unverdrossenheit daran zu arbeiten, gleichgültig, von welchen Zeitungen wir dafür gelobt oder getadelt werden. ({7}) Meine Damen und Herren, sollte es nicht mehr erlaubt sein, in diesem Zusammenhang festzustellen, daß der Bundeskanzler mit seiner Politik, die zur Souveränitätserklärung der Bundesrepublik am 5. Mai 1955 und zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit Rußland geführt hat, dafür doch überhaupt erst die Voraussetzungen geschaffen hat? ({8}) Das ist neben der Lösung der Sicherheitsfrage die andere wesentliche, wie mir scheint, konstruktive politische Leistung, die wir in acht Jahren nicht nur fur Deutschland, sondern auch für die internationale Politik erbracht haben. ({9}) Ich meine, wir sollten doch vor allem im Blick auf das zweite uns von niemandem abhalten lassen, die uns danach Rechtens zustehenden Möglichkeiten zwischen Bonn und Moskau auszuschöpfen. ({10}) - Herr Kollege Menzel, wenn ich Sie verstehen könnte, würde ich gerne antworten. Meine Damen und Herren, verzeihen Sie diese kurze Vergegenwärtigung; aber ich wollte diesen allgemeinen Hintergrund wenigstens mit einigen Strichen umschreiben, um Ihnen zu zeigen, auf welchem Grund die Anregung steht, die ich nach dem Bekanntwerden der Note Bulganins an Eisenhower vom 8. Januar 1958 gemacht habe. Der Herr Kollege Döring wird dann sein Wort zurücknehmen, daß die Helden müde geworden sind. Herr Kollege Döring, ich bin kein Held; ich habe das jedenfalls nie beansprucht. Aber müde, - müde bin ich nicht. Ich nehme an, daß Sie mich auslassen. ({11}) - Er hat mich nicht gemeint? Danke vielmals. Bulganin hatte in jener Note neun Verhandlungspunkte zur Tagesordnung der Gipfelkonferenz vorgeschlagen. Die deutsche Frage war dabei ausgeschlossen geblieben. Selbstverständlich lag für jeden Nachdenklichen die Vermutung sehr nahe, daß die Russen mit dieser Auslassung den Status quo in Deutschland nicht zu ändern, ja wahrscheinlich eher zu zementieren beabsichtigten. Der Vorschlag Bulganins schließt konsequent an an die Ostberliner Rede Chruschtschows vom 26. Juli 1955. - Erinnern Sie sich, Herr Kollege Wehner, es war die Rede drei Tage nach dem Ende der Genfer Gipfelkonferenz. Damals hat Chruschtschow in Ostberlin gesprochen, und jene Rede Chruschtschows vom 26. Juli 1955 bedeutete mindestens bis auf weiteres das Ende eines zehnjährigen Ringens in der internationalen Politik um die Wiederherstellung Deutschlands, um es ganz kurz zu sagen. Drei Tage zuvor war die Genfer Gipfelkonferenz zu Ende gegangen mit einer Direktive der Regierungschefs an die Außenminister - ich zitiere -, daß „die deutsche Frage und die Frage der Wiedervereinigung Deutschlands durch freie Wahlen in Einklang mit den nationalen Interessen des deutschen Volkes und auch im Interesse der europäischen Sicherheit gelöst werden sollen". Meine Damen und Herren, diese Direktive behält etwas Beispielhaftes auch für die internationale Debatte im gegenwärtigen Augenblick. Die Rede Chruschtschows in Ostberlin wischte diese Direktive einfach vom Tisch, und damit war die zweite Genfer Außenministerkonferenz vom Herbst 1955, die ja ausführen sollte, was von der Genfer Gipfelkonferenz als Direktive festgelegt war, von vornherein zum Scheitern verurteilt. Die Herren Außenminister hätten nach dieser Chruschtschow-Rede überhaupt gar keine Fahrkarte nach Genf mehr zu kaufen brauchen. ({12}) Chruschtschow stellte gegen die von Bulganin mitunterzeichnete Genfer Direktive den Satz von der unerläßlich notwendigen vorangehenden Einigung zwischen Bonn und Pankow, und damit betrieb er die Ausklammerung der Deutschlandfrage aus der zehnjährigen Viermächtediskussion und ihre Unterwerfung unter das Gutdünken Pankows. Ich versuche damit ein deutsches Wort zu bringen für das, was man etwas konventioneller das Pankower Veto nennen müßte. Die deutsche Außenpolitik ist vom Frühjahr 1950 bis zum Frühjahr 1958, his zu diesem Augenblick, davon ausgegangen, daß die bestehende Teilung Deutschlands ein Ergebnis, eine Funktion der weltpolitischen Entwicklung sei, die sich für jeden sichtbar und spürbar in der Ost-West-Spannung darstelle. Es war deshalb nur logisch und konsequent, wenn die Bundesregierung auch ihre Wiedervereinigungspolitik nicht unabhängig und nicht ohne Rücksicht auf die weltpolitische Entwicklung betrieben hat, sondern wenn sie davon ausging, daß die Wiedervereinigung Deutschlands mit größter Wahrscheinlichkeit eine irgendwie geartete Entspannung zwischen Ost und West zur Voraussetzung haben müßte. In dieser Einsicht drückt sich aber auch die Erkenntnis aus, daß nicht nur die Teilung Deutschlands, sondern auch die Wiedervereinigung Deutschlands im wesentlichen eine Funktion der Weltpolitik sein werde. Ich sage „im wesentlichen", weil ich damit natürlich nicht ignorieren will, daß auch der andere Satz einen Wahrheitsgehalt hat, der Satz nämlich, daß es ohne die Wiedervereinigung Deutschlands eine Stabilisierung des politischen und militärischen Friedens in Europa und damit in der Welt nicht geben wird. Wir haben diesen Satz hier oft und sehr präzise formuliert, z. B. von dem Kollegen Erler, aber auch von anderen Mitgliedern des Hauses, gehört, und der Satz ist sicher richtig. Aber es kommt hier doch, wie ich meine, auf die Rangfolge der Aussagen an. Was ich damit meine, kann ich beispielhaft darstellen in der Kritik eines Satzes, den ich kürzlich in einer Zeitung - in einer deutschen Zeitung - las. Dort hieß es: Washington läßt wieder erkennen, daß es sich die Grundthese der deutschen Bundesregierung, nämlich Entspannung als Folge der Wiedervereinigung, nach wie vor zu eigen macht. Nun, meine Damen und Herren, wenn dieser Satz richtig wäre, dann hätte der Herr Kollege Dr. Heinemann mit seiner Feststellung, die er am 23. Januar hinsichtlich der Forderung nach freien Wahlen getroffen hat, unzweifelhaft recht. Nun hat Herr Kiesinger gegen diese Behauptung des Herrn Dr. Heinemann vom 23. Januar, daß die Bundesregierung mit der ungewöhnlich verheerenden Parole „Freie Wahlen zuerst" die Entspannung und die Wiedervereinigung verhindert habe, geltend gemacht, daß sich in dieser Forderung alle Fraktionen einig gewesen seien. Ich bin der Meinung, daß Herr Kiesinger mit dieser Feststellung recht hat. Er behält damit auch dann recht, wenn die SPD sich in der Zwischenzeit - nach meinem Eindruck bedauerlicherweise - Herrn Dr. Heinemanns Satz im ganzen zu eigen gemacht haben sollte. Ich habe das zwar nicht ganz scharf verstanden. Aber es klang doch aus Darlegungen einiger prominenter SPD-Sprecher so heraus, als ob sie sich in der Zwischenzeit diese These von Herrn Heinemann zu eigen gemacht hätten. Nun, ich bin der Meinung, daß ein solches Bußbekenntnis der SPD gar nicht erforderlich, sondern ganz unnötig ist; denn jene Feststellung von Herrn Dr. Heinemann ist historisch gar nicht richtig. Ich wäre Ihnen deshalb sehr dankbar, Herr Kollege Dr. Heinemann, wenn Sie nach einer nochmaligen Überprüfung des geschichtlichen Verlaufs der letzten acht Jahre diese These fallen ließen. Ich habe in der Auseinandersetzung mit Herrn Dr. Heinemann anderwärts darauf hingewiesen, daß weder die Bundesregierung noch der Bundestag jemals gefordert haben, daß Verhandlungen zur Beseitigung internationale Spannungen, zur Abrüstung oder zu anderen Problemen, die der Entspannung dienen könnten, erst stattfinden dürften, nachdem die freien Wahlen uns vom Osten und vom Westen mit Brief und Siegel verbürgt seien. ({13}) - Nein, Herr Kollege Wehner, es ist nicht „ungefähr so". Ich kenne die Archive nicht, aber wir kennen doch keine einzige Verlautbarung oder Außerung oder Andeutung der Bundesregierung, aus der zu entnehmen wäre, daß irgendeine Verhandlung mit unseren westlichen Alliierten unter diesem Gesichtspunkt geführt worden wäre, z. B. vor der Berliner Konferenz, vor der Genfer Gipfelkonferenz und vor den Londoner Abrüstungsverhandlungen. Es gibt schlagende Beispiele für das Gegenteil! Ich glaube deshalb, daß die Feststellung des Herrn Dr. Heinemann vom 23. Januar abends, mit der Parole „Zuerst freie Wahlen" seien die Entspannung, die Wiedervereinigung und die freien Wahlen verhindert worden, nicht richtig ist. Ich glaube nicht, daß dieser Satz sich halten läßt. Weil aber dieser Satz sich nicht halten läßt, deshalb ist auch der andere Satz jener deutschen Zeitung, die übrigens nicht der SPD nahesteht, „Entspannung nur als Folge der Wiedervereinigung" grundfalsch. ({14}) - Das war ein etwas zögernder Beifall. Aber ich würde mich freuen, wenn der Beifall an diesem Punkte recht spontan würde. Denn hier geht es um ein gemeinsames Gedankengut, um eine gemeinsame Linie des Hauses, die in acht Jahren vertreten und verfochten worden ist und die wir nicht fallen lassen sollten, wie man auch sonst immer über die Sache denkt. ({15}) Man kann über die Außenpolitik der Bundesregierung das oder jenes sagen, natürlich, wir haben ja auch alles mögliche dagegen gehört. Aber es hat keinen Sinn, die Kritik zu übertreiben. Wir sind uns in diesem Hause in dieser Dominante unserer Außenpolitik einig gewesen, daß die Wiedervereinigung nach aller Wahrscheinlichkeit eine Folge vorausgegangener Entspannungsversuche und Entspannungsergebnisse zwischen Ost und West sein wird. ({16}) Deshalb ist unsere Außenpolitik auch maßgeblich darauf ausgerichtet gewesen, eine internationale Entspannung zur Ermöglichung der Wiedervereinigung und zur Verhinderung eines Krieges mit herbeizuführen. ({17}) - Herr Erler, wir kommen noch darauf! ({18}) - Herr Wehner, wir kommen noch darauf! Es gibt das schöne Wort von der Filigranarbeit. Wir haben in dieser Debatte so viel Leidenschaft und so viel Kraftworte gehört, daß es vielleicht uns allen gut tut, wenn wir wieder einmal ein bißchen über so subtile Dinge verhandeln. ({19}) Ich sage noch einmal, meine Damen und Herren: Der Satz „Wiedervereinigung als Folge der Entspannung" schließt natürlich nicht die Auffassung aus, daß ohne Wiedervereinigung die Entspannung und der Friede nicht stabilisiert seien. Dieser Satz bedeutet aber keineswegs - ich wiederhole es -, daß vor jeder internationalen Verständigung schon freie Wahlen stattfinden müßten, wenn es selbstverständlich auch noch so wünschenswert wäre, daß diese freien Wahlen ohne alle Rücksichten schon heute oder morgen stattfänden. Freie Wahlen wird es nach menschlichem Ermessen erst geben, wenn einige fundamentale politische und militärische Meinungsverschiedenheiten zwischen Ost und West in einer Vereinbarung zwischen den Vier Mächten beseitigt sind. Unsere Aufgabe dabei ist es nicht, mit der Forderung einer illusionären Reihenfolge den Beginn der Entspannung zu verzögern oder zu verhindern - das eben hat, wie ich meine, Herr Dr. Heinemann uns zu Unrecht vorgeworfen -, sondern unsere Aufgabe ist es, erstens den Beginn einer solchen Entspannung zu fördern und zweitens allerdings auf das genaueste darauf zu achten, daß bei solchen Viermächteverhandlungen und Übereinkünften der Status quo, d. h. die Teilung Deutschlands, nicht noch weiter befestigt oder zementiert wird. ({20}) Aus Überlegungen dieser Art heraus habe ich seinerzeit zu dem Vorschlag Bulganins an Eisenhower über die Tagesordnung der Gipfelkonferenz mit seinen neun Punkten angeregt, keinen langen Streit über den einen oder anderen Tagesordnungspunkt zu veranstalten, sondern dafür zu sorgen, daß die Deutschlandfrage mit auf die Tagesordnung komme. Natürlich kam es mir mit dieser Anregung auf ein Zweifaches an, erstens darauf, die Viermächtekonferenz über Deutschland genau wieder dorthin zu bringen, wo sie von Rechts wegen nach einer zehnjährigen Praxis hingehört, nämlich in die Verantwortung, jedenfalls in die entscheidende Mitverantwortung der ehedem gegen Deutschland kriegführenden großen Mächte. Praktisch heißt das: Die Deutschland-Debatte muß dort weitergeführt werden, wo sie am 23. Juli 1955 in der Direktive der Genfer Gipfelkonferenz stehengeblieben ist. Meine Damen und Herren, ich habe mich seit Jahr und Tag, seitdem Sie mir hier oben Zeit lassen, nachzudenken, mit der Prüfung der Frage beschäftigt, ob es ausreichend ist und ob wir weiterkommen, wenn wir die Deutschlandfrage auch im internationalen Bereich vorwiegend oder ausschließlich im Blick auf die Modalitäten der Wiedervereinigung diskutieren. Ich habe den Widerstand der Opposition in diesem Hause gegen die aktive Einbeziehung der Bundesrepublik in die Schutzgemeinschaft der freien Welt bekämpft. Aber ich habe eine kritische Anregung aufgenommen und habe auch in der Hitze des Wahlkampfes nicht darauf verzichtet, mich positiv mit ihr auseinanderzusetzen. Ich sage noch einmal: Bislang war dieses Haus darin einig, daß man nicht nur in Sachen des Verfahrens der Wiedervereinigung eine feste Meinung haben müsse, daß man darauf bestehen müsse, daß z. B. eine gesamtdeutsche Regierung oder ein gesamtdeutsches Parlament nicht anders als durch freie Wahlen zustande kommen dürfe. Das alles ist notwendig, ist ganz unverzichtbar, und ich hoffe, daß das Haus bei dieser Übereinstimmung bleibt. ({21}) Aber um praktisch weiterzukommen, meine Damen und Herren, glaube ich, ist es richtig, auch an der Klärung der Frage zu arbeiten, welchen Status ein wiedervereinigtes Deutschland denn haben würde, ob und worauf sich denn Ost und West mit uns Deutschen zusammen in dieser entscheidenden Frage einigen könnten. Ich bin nicht der Meinung, daß es sich dabei allein um die Klärung des militärischen Status handeln würde oder handeln könnte. Es müßte vielmehr auch klipp und klar festgestellt werden, ob z. B. Deutschland die gesicherte Freiheit besitzen würde, sich an wirtschaftlichen und politischen Integrationen zu beteiligen und seine gesellschaftliche, seine wirtschaftliche und seine staatliche Ordnung nach den Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen selbst zu bestimmen. Diese Charta der Vereinten Nationen ist von den Mächten im Westen wie im Osten unterzeichnet worden. Es würde zu weit führen, hier in die Erörterung der Möglichkeit eines solchen Status einzutreten. Aber wie aktuell das politische Problem und wie aktuell seine militärischen Konsequenzen wären, das ergibt sich z. B. daraus, daß für den Fall einer Einigung über wirtschaftliche und politische Integrationsfreiheit für Gesamtdeutschland die militärische Konsequenz mit größter Wahrscheinlichkeit die der erheblich verdünnten Zone vom Rhein bis zur Ostgrenze Polens sein könnte. Ich sage: sein könnte, und ich rede damit vielleicht von einem Optimum. Natürlich ist damit zugleich eine wesentliche Teilfrage der allgemeinen, der kontrollierten Abrüstung wie der europäischen Sicherheit zur Erörterung gestellt. Indessen kam es mir nicht darauf an, Teilvorschläge zur Abrüstung zu machen. Mein Vorschlag zur Tagesordnung der Gipfelkonferenz zielt einfach auf ein Dreifaches: erstens die Deutschlandfrage, wie gesagt, in der Viermächtediskussion auf ihre substantielle Kernfrage hin zur Debatte zu stellen, in der Erwartung, daß dann, falls eine Einigung zwischen Ost und West über den politischmilitärischen Status Gesamtdeutschlands überhaupt im Bereich der Möglichkeit liegt, auch die Verhandlungen über die Modalitäten der Wiedervereinigung ein anderes Gesicht bekommen würden, ja, daß sie eine politische Grundlage gewännen, von der aus an ihre Verwirklichung gedacht werden könnte. ({22}) Meine Damen und Herren, ich sehe nicht, wie man sonst über das von der März-Note von 1952 bis zum Aide-memoire vom 19. März 1958 von Moskau immer wieder verlangte Vetorecht - und zwar absolute Vetorecht - Pankows hinwegkommen könnte. ({23}) - Aber, Herr Erler, Herr Kiesinger würde doch wahrscheinlich auch nach Ihrer Meinung damit recht behalten. Sehen Sie, was ich sage, ist ja jetzt nur eine Verfahrenserörterung. Aber, Herr Erler, wir sind uns doch völlig darüber im klaren, zusammen mit Herrn Kiesinger, daß, wenn über den Status verhandelt wird, selbstverständlich kein Mensch sagen kann, ob die Meinungen zwischen Ost und West nicht so weit auseinandergehen, nicht so absolut gegensätzlich sind, daß auch die bescheidenste Chance einer Verständigung in der Substanz ausgeschlossen ist. ({24}) - Ja, das soll ergründet werden. Aber gerade dazu hat doch Herr Kiesinger gesprochen, und da ist seine Meinung, das sollte man dann der geschichtlichen Situation überlassen, darauf zu antworten. ({25}) - Herr Erler, Sie sind zwar nicht mein Feind, aber wir stehen hier als politische Gegner - nicht, wenn ich da oben bin, aber hier -; dennoch, Herr Erler, Sie können meines Wohlwollens versichert sein! ({26}) Meine Anregung beabsichtigte, damit die Deutschlandfrage in der internationalen Diskussion wieder dahin zu bringen, wo sie am 23. Juli 1955 bei der Genfer Gipfelkonferenz stehengeblieben war. Und sie beabsichtigte drittens, die Deutschlandfrage unter allen Umständen in der entscheidenden Mitverantwortung der Siegermächte zu belassen und sie der Lähmung durch die monotone russische Parole von der Verständigung zwischen Bonn und Pankow zu entziehen. Nun, das waren die schönen Absichten. ({27}) Nun können Sie kommen und sagen: Ja, das waren Gerstenmaiers Träume und Vorstellungen; und was haben die Russen gemacht, welchen Reif haben sie darüber fallen lassen! Meine Damen und Herren, ich bin nicht ein solcher Träumer, daß ich annähme, wenn ich mal gelegentlich etwas sage, würden es die Sowjets sogleich hundertprozentig aufnehmen. Bulganin hat mit seiner Note vom 28. Februar 1958 immerhin etwas getan, was uns doch alle stutzig machte. Er hat plötzlich nicht mehr gesagt: „Von der Deutschlandfrage darf auf dieser Gipfelkonferenz überhaupt nicht geredet werden!", sondern er sagte plötzlich: „Über den Friedensvertrag können wir ja reden; allerdings nicht über die Frage der Wiedervereinigung." Damit war natürlich der ganze schöne Gedanke entsetzlich verstümmelt; denn selbstverständlich gehört zu den wesentlichen Elementen des Friedensvertrags auch die Frage, wie denn ein solcher Friedensvertrag, wenn man sich im Kern einig wäre, verwirklicht werden müßte und verwirklicht werden könnte. ({28}) - Schön, das kann in den Verhandlungen geklärt werden. Ich sage nur: es gehört zur Direktive, daß auch die Frage der Modalitäten der Wiedervereinigung behandelt werden müßte. Die Bulganin-Note hat sicherlich dem Gedanken nicht genützt, sondern nur geschadet, und zwar deshalb, weil sie ein Grundelement, das nicht nur formale Bedeutung hat, nämlich die Frage der Wiedervereinigung, gewaltsam abtrennte. Aber, meine Damen und Herren, was bedeutet das gegen den Gedanken überhaupt? Hören Sie: ist deshalb der Gedanke der allgemeinen kontrollierten Abrüstung in der Welt nichts wert, weil die Russen bis jetzt in dieser Sache einfach nicht gespurt haben? Wir denken doch gar nicht daran, auf die Idee der allgemeinen kontrollierten Abrüstung nur deshalb zu verzichten, weil bis jetzt leider Gottes nichts daraus geworden ist! ({29}) Nun, es gab auch einige bundesrepublikanische Befürchtungen, daß der Gedanke „Friedensvertrag" uns möglicherweise aus der politisch-taktischen Solidarität mit dem Westen - sprich: mit den Vereinigten Staaten von Amerika - heraustragen könnte. Diese bundesrepublikanischen Befürchtungen sind durch ein sehr interessantes Memorandum der Vereinigten Staaten von Amerika, das Memorandum vom 6. März 1958 an Moskau, zerstreut worden. Dort verlangen nämlich die Vereinigten Staaten die Anknüpfung an die Genfer Gipfelkonferenz und ihre Thematik, und damit vertreten sie den Gedanken, daß auf dieser Gipfelkonferenz auf jeden Fall über die Abrüstung und die europäische Sicherheit zusammen mit der Deutschlandfrage verhandelt werden müßte. Nun, das eben nenne ich die Kernprobleme eines Friedensvertrags mit Deutschland. Ich stelle deshalb fest, daß die neue Gipfelkonferenz auch nach amerikanischer Auffassung sich mit den wesentlichen, elementaren Bestandteilen eines Friedensvertrags befassen müßte. Indessen, schlimmer als die Ausklammerung der Wiedervereinigung in der Note von Bulganin war Chruschtschows Trennung von europäischer Sicherheit und Deutschlandfrage, eine Trennung, die Herr Chruschtschow in seiner Rede am 15. März 1958 in Moskau vorgenommen hat. Er hat gesagt: Es gibt einige Leute, die muten uns zu, über europäische Sicherheit u n d die Deutschlandfrage zu reden; das tun wir nicht. Meine Damen und Herren, ich finde diese Erklärung des Herrn Chruschtschow denkbar betrüblich. Ich muß den Kollegen, die sich ernsthaft, jedenfalls ebenso ernsthaft wie ich selber, mit dem Rapacki-Plan befaßt haben, zu erwägen geben, ob diese gewaltsame Trennung von europäischer Sicherheit und Deutschlandfrage, die Herr Chruschtschow im Blick auf die Gipfelkonferenz vornehmen wollte, nicht eine Art Präventivstoß gegen jede konstruktive Weiterbildung des Rapacki-Plans ist, der selbstverständlich auf die Verbindung von europäischer Sicherheit und Deutschlandfrage gerichtet sein muß, wenn er überhaupt einen Sinn haben soll. ({30}) Man hat gesagt, Rapacki habe sicher seine Sache nicht verkauft, ohne dafür vorher in angemessener Weise eine stillschweigende Deckung durch den Kreml zu haben. Ich habe neuerdings einige Zweifel, obwohl der Kreml den Plan ja später bestätigt hat. Er hat ihn aber nur bestätigt in der für uns, wie ich meine, völlig unbefriedigenden Ausgangsposition, mit der er serviert wurde, nämlich ohne das Junktim zwischen atomaren und konventionellen Waffen in der Abrstung und ohne das Junktim zwischen atomwaffenfreier Zone und Wiedervereinigung Deutschlands. Beide Junktims haben gefehlt, und deshalb habe ich gesagt: Tut mir schrecklich leid! Ich verkenne nicht, daß im Rapacki-Plan ein Fortschritt steckt, nämlich in der Installation der Kontrollen. Trotzdem ist er als Ausgangsbasis leider nicht brauchbar, solange die beiden essentiellen Junktims ausgeschlossen sind. ({31}) Und nun kommt dieser Präventivstoß. Es ist mir aufgefallen, daß wir in dieser langen Kampfdebatte - und deshalb wäre es doch gut, daß wir vielleicht ab und zu unsern Stil wieder ändern D. Dr. Gerstenmaier über diesen Punkt noch nicht mehr nachgedacht haben. Ich stelle mich gern jeder Kritik, und wenn es weiterbringt, lasse ich mich gern belehren. Aber ich frage, meine Damen und Herren, ob in dieser gewaltsamen Trennung von europäischer Sicherheit und Deutschlandfrage durch Chruschtschow - mit dem Ziel der Eliminierung der Deutschlandfrage - nicht ein Präventivstoß gegen jede mögliche konstruktive Weiterbildung der Idee von Rapacki steckt, ein Präventivstoß von Moskau. ({32}) - Herr Erler, meine Bemühungen hier zielen darauf ab, einmal zu sondieren, was von unserer Seite aus politisch möglich ist. Ich sehe nicht viele Möglichkeiten; aber ich möchte gern das Wenige, was darin ist, herausstellen. Zweitens habe ich natürlich die Tendenz, auch nach dieser heftigen und langen Debatte den Versuch zu machen, wieder das zum Bewußtsein zu bringen, was vielleicht doch noch an Gemeinsamkeit in diesem Hause vorhanden ist. ({33}) Man hat ja das schöne Wort von der gemeinsamen Außenpolitik nicht dazu, um davor zu kapitulieren. Mein ehemaliger Landesvater, der Herr Ministerpräsident a. D. Dr. Reinhold Maier, hat mir etwas Unrecht getan. Natürlich bin ich der Meinung, daß eine einheitliche, eine gemeinsame Außenpolitik nicht nur darin besteht, Herr Kollege Dr. Mende, daß sie gemeinsam erarbeitet wird. Eine gemeinsame Außenpolitik muß nicht nur gemeinsam erarbeitet werden - das ist das erste -, sie muß - das ist das zweite - dann auch gemeinsam vertreten werden. ({34}) Dabei spielt natürlich das Wahrheitselement und das, was man für richtig hält, eine ganz entscheidende Rolle. Ich sollte eigentlich diesen Hauptmann der Traditionskompanie des politischen Liberalismus in Deutschland ({35}) nicht daran erinnern müssen, daß es zum vortrefflichen Ideengut des politischen Liberalismus gehört, daß man nicht Einheitsgesichtspunkte unter allen Umständen Wahrheitsgesichtspunkten überordnen darf. ({36}) Das nur nebenbei.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000669, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte sehr!

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Herr Abgeordneter Mende!

Dr. Erich Mende (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001467, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Dr. Gerstenmaier, ich frage Sie: Machen Sie nicht einen Unterschied zwischen der Politik, die man für richtig hält, und der Politik, die richtig ist? ({0}) Herr Kollege Kiesinger hat nämlich apodiktisch erklärt, Ihre Politik sei die richtige. Das, glaube ich, kann erst das Urteil der Geschichte in 20 Jahren entscheiden. ({1})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000669, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Dr. Mende, ich kann diese Frage unter dem Gesichtspunkt des Florettfechtens eigentlich gut verstehen, aber ich bin der Meinung, daß hier keiner im Hause mehr sagen kann als: Ich halte das für richtig. ({0}) - Er hat nichts anderes gemeint. Verzeihen Sie, wenn ich etwas selbstherrlich sage: er kann es gar nicht anders gemeint haben als mit diesem Vorbehalt. Denn wir Menschen sind alle dem Irrtum unterworfen. Deshalb sagen wir bescheidener: Ich halte das für richtig, als: Es muß unter allen Umständen richtig sein. Es gibt vielleicht einige Ausnahmen, - ({1}) - Mein lieber Freund Kiesinger, beruhigen Sie sich; es ist nicht schmerzlich. ({2}) - Nein, Sie sind nicht aufgeregt, gewiß nicht. Lassen Sie mich von diesem heiteren Intermezzo in die rauhe Wirklichkeit zurückkehren. Sie ist leider recht rauh und beschwerlich. Wie ist, im Blick auf die Verhandlungen, die Situation heute? Erstens. Moskau verhindert in all seinen Noten, auch in denen - leider muß ich das sagen -, wo von freien Wahlen die Rede ist, das Ingangkommen der Deutschlandfrage und der Wiedervereinigung, weil es vom 15. März 1952 bis zum Aide-memoire vom 19. März 1958 ein unbedingtes Veto für Pankow fordert. Sie können die Noten abklopfen, durchprüfen, Sie können sie röntgen, Sie werden immer das Veto finden, entweder in der Substanz oder aber im Verfahren, immer wieder ist das Veto „Pankow" darin. ({3}) Dieser Art, mein verehrter Herr Kollege Dr. Heinemann, sind meine Bedenken und Vorbehalte. Ein Eingehen auf diese Noten wäre vielleicht reizvoll, mindestens zum Zweck der Aufklärung, um weiterzustoßen, wie ich es vielleicht auch getan hätte. Aber jedenfalls muß man sich darüber im klaren sein, daß wir, wenn wir uns auf der Grundlage eines solchen zugunsten Pankows installierten unbedingten Vetos in Verhandlungen einlassen, von vornherein in einer verlorenen Position kämpfen. ({4}) Das zweite. Bulganin verstümmelt den Gedanken des Friedensvertrags durch die Abtrennung der Wiedervereinigung. Drittens. Chruschtschow versucht die Weiterbildung des europäischen Sicherheits- wie des Deutschlandsproblems zu verhindern und den Status quo in Deutschland zu zementieren, indem er beide doch ineinanderliegende Fragen gewaltsam zu trennen versucht. Ich finde, das ist eine verzweifelte Lage für alle, die sich vielleicht noch immer etwas von einem Versuch mit Pankow versprechen, sei es in dieser oder in einer anderen Form. Was ist da für uns zu tun? Erstens. Unsere Außenpolitik muß sich gleichermaßen gegen die Ausmanövrierung der deutschen Frage aus der internationalen Politik und damit gegen die Zementierung des Status quo wenden wie gegen die sowjetrussische Tendenz, die Bundesrepublik ohne jede Gegenleistung und ohne ausreichende Sicherheitsgewähr der Initiative, vor allem der politischen Initiative, zu berauben und sie aus der Schutz- und Aktionsgemeinschaft der freien Welt herauszuziehen oder herauszubrechen. ({5}) Zweitens darf die Diskussion des politisch-militärischen Status Gesamtdeutschlands nicht gewaltsam von der Behandlung eines Friedensvertrages mit Deutschland getrennt werden, wobei selbstverständlich die Frage der Wiedervereinigung nicht ausgeschlossen werden darf. Da nicht zu erwarten ist - damit komme ich zu einem praktischen Detail -, daß sich die Gipfelkonferenz mit vielen Einzelfragen befassen wird, sollte auf den Erlaß ausreichender Direktiven an eine Vierer-Bevollmächtigtengruppe mit gedrungen werden. Ich finde in etwa den Gedanken wieder in dem Antrag der FDP auf eine ständige Botschafterkonferenz. Ich würde empfehlen, daß dieser Gedanke vor allem auf seine Formulierung hin im Auswärtigen Ausschuß säuberlich geprüft wird. ({6}) Ich möchte dafür plädieren, daß dieser Antrag auf jeden Fall in den Auswärtigen Ausschuß geht und dort sorgsam bearbeitet wird. Drittens. Die Entscheidungsfreiheit einer aus freien Wahlen hervorgegangenen gesamtdeutschen Vertretung zur Behandlung und Ratifizierung des Friedensvertrages muß in dem allem natürlich gewährleistet bleiben. Ich habe zum Glück in diesem Hause noch nicht gehört - das ist auch eine fundamentale Gemeinsamkeit, die acht Jahre lang in diesem Hause bestanden hat -, daß jemand daran tastet. Der Gedanke an ein Friedensdiktat muß selbstverständlich ausgeschlossen bleiben. Denn wir leben heute, im Jahre 1958, immerhin dreizehn Jahre nach dem letzten Diktat. Man kann ein Friedensdiktat nicht erlassen wie ein Dekret der bedingungslosen Kapitulation. Auf der anderen Seite aber können wir Deutsche selbstverständlich auch nicht beanspruchen, den Friedensvertrag allein zu machen. Das ist auch nicht die Absicht. Meine Anregung, wenigstens hinsichtlich des militärischen Status Gesamtdeutschlands, ist früher schon von der SPD vorgebracht worden. Ich möchte das ausdrücklich sagen. Der Gedanke ist auch im Rahmen dieser Debatte, insbesondere von Herrn Wehner, ausführlich rekapituliert worden. Ich bedanke mich bei dem Herrn Kollegen Wehner für die Unterstützung, die er meinem bescheidenen Beitrag in seiner Rede hat zuteil werden lassen. Herr Kollege Wehner, ich bitte, es mir aber nicht zu verübeln, wenn ich darauf sage - es ist nicht Undankbarkeit, sondern es ist nur der Klarheit wegen -, daß auch dabei natürlich wieder ein wesentlicher Unterschied deutlich geworden ist. Denn die Sozialdemokratische Partei hat die Klärung des militärischen Status Gesamtdeutschlands von jeher als Gegenkonzept zu der von uns angestrebten Schutzgemeinschaft mit der freien Welt vertreten. Ich hoffe nicht, daß ich Ihnen damit Unrecht tue. Ich denke an die vielen Debatten, die wir in diesem Hause vor vier, fünf Jahren geführt haben, wo Sie immer wieder gesagt haben: Gegen das NATO-Konzept stellen wir den Gedanken einer europäischen, einer kollektiven Sicherheit und den Gedanken der Klärung des militärischen Status Deutschlands. Ihr Gedanke der Klärung des Status ist als Gegenkonzept gegen das von uns zunächst jedenfalls für notwendig gehaltene Schutzsystem, in dem die Bundesrepublik arbeiten soll, proklamiert worden. Nach unserer Überzeugung ist diese Schutzgemeinschaft der Bundesrepublik mit der freien Welt auf jeden Fall mindestens so lange erforderlich, bis sie von einem anderen Sicherheitssystem abgelöst werden kann, das ganz Deutschland mindestens nicht weniger Freiheits- und Sicherheitsgarantien bietet als die NATO der Bundesrepublik. ({7}) Die NATO-Mitgliedschaft der Bundesrepublik ist im übrigen natürlich nicht nur für uns Bundesrepublikaner, sondern für Deutschland im ganzen, so wie die Dinge heute stehen, unbedingt erforderlich, solange die Teilung besteht, ein europäisches Sicherheitssystem oder Entsprechendes aber nicht existiert. Herr Kollege Erler, es hat während des Wahlkampfes einige hochinteressante Formulierungen von Ihrer Seite gegeben. Ich will nicht sagen, daß Sie persönlich diese Formulierungen gebraucht haben. Aber ich hoffe, sie doch richtig verstanden zu haben. Die Sozialdemokraten sagten damals, sie dächten auch nicht an ein Ausscheiden aus der NATO bis zur Wiedervereinigung. Ich habe Formulierungen dieser Art für einen klaren Fortschritt gehalten. Leider war danach nicht mehr viel davon zu hören. Ich möchte Sie deshalb heute auch nicht darauf festlegen. Aber ich hätte das im Interesse nicht nur der Bundesrepublik, sondern Gesamtdeutschlands für einen klaren Fortschritt gehalten. ({8})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Gestatten Sie eine Frage?

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000669, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte sehr.

Herbert Wehner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002444, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sie waren soeben so freundlich, Herr Dr. Gerstenmaier, mich im Zusammenhang mit Friedensvertragsproblemen zu erwähnen. Wären Sie nicht vielleicht geneigt, sich einmal einen anderen Teil dieser Diskussion anzusehen, worin von uns in Abwehr der Simplifikation des Herrn Bundeskanzlers, es ginge darum, ob wir in der NATO bleiben oder nicht, genau diese Frage dargelegt worden ist?

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000669, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Wehner, ich komme noch auf diese Frage, weil ich sie in der Tat für einen Kernpunkt der Debatte im ganzen halte. Ich werde mich bemühen, sorgsam darauf einzugehen. Aber lassen Sie mich zunächst einmal sagen, wie nach der allgemeinen Debatte, die nicht erst in der letzten Woche begonnen hat, sondern schon lange läuft, sich mir der Begründungszusammenhang darstellt. Die Zumutung, daß wir im Alleingang, d. h. also ohne jede solide politische und militärische Rückendeckung die Frage der Wiedervereinigung und Sicherheit Deutschlands angehen sollen, haben wir, von welcher Seite aus sie auch immer kam, bis jetzt abgewiesen. Wir müssen sie auch heute mit kühlem Bedacht abweisen. Ich glaube, daß wir das tun müssen. Es wäre eine Zumutung, mit der unsere tatsächlichen Möglichkeiten illusionär überschätzt würden. ({0}) - Herr Kollege Erler, ich habe vorsichtig gesagt: von welcher Seite sie auch kommt. Aus Ihren Reihen gab es Stimmen dieser Art. Ich habe mir nie einfallen lassen, die SPD im ganzen darauf festzulegen. Ich bitte, das freundlichst zu notieren. Aber es gibt solche Stimmen, es gab solche Stimmen, und sie werden auch immer wieder in der Debatte auftauchen. Ich habe mich aber schwer gehütet, zu sagen, daß das ein Programmpunkt der SPD sei. Nun, meine Damen und Herren, ich glaube, in dieser Einsicht, daß der Alleingang einfach unmöglich ist, weil der Gedanke daran unsere nationalen Möglichkeiten illusionär überschätzt, drückt sich die bittere Konsequenz zweier verlorener Weltkriege für Deutschland aus. Deutschland ist einfach nicht mehr in der Lage, aus eigener Kraft seine Position in der Weltpolitik hinreichend in einer seinen nationalen Bedürfnissen entsprechenden Weise zu sichern. Wir können unsere Position in der Weltpolitik von der Bundesrepublik aus zwar noch ideell und programmatisch bestimmen; aber verwirklichen können wir eine solche Position nur noch in Übereinstimmung mit den Weltmächten. ({1}) Deshalb kann man auch in einer solch vorsichtigen Klärung nicht darauf verzichten, gegen das erbärmliche Geschwätz anzugehen, das niemandem in diesem Hause einen Dienst tut, daß wir, wenn wir es nur wollten, die Wiedervereinigung schon hätten. Das ist einfach nicht wahr! ({2}) Das verkennt die Wirklichkeit; das verkennt das Erbe, unter dem unsere Generation zu leiden und das sie zu tragen hat, wahrscheinlich bis wir ins Grab sinken, ein Erbe, das sich aus der unheilvollen Geschichte der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts ergibt, die wir mit zu verantworten, mit zu vertreten haben. Wir sind heute nicht mehr die Herren unserer eigenen Lage. Wir können sie - ich sage es noch einmal - ideell und programmatisch klären und bestimmen; aber verwirklichen können wir das von uns als recht und notwendig Erkannte aus eigener Kraft nicht mehr. Es gibt keinen sichereren Beweis dafür, daß Deutschland aus der Reihe der - von Weltmächten will ich schon gar nicht mehr reden - Großmächte in Tat und Wahrheit ausgeschieden ist. Deutschland ist heute eine Mittelmacht in besonderer Lage, mit besonderen Hypotheken belastet, in einer besonderen schicksalhaften Situation, geographisch und politisch, im Herzen Europas und mit seiner Teilung. ({3}) - Der geistige Überbau ist nicht mitgekommen? Ich glaube schon, Herr Kollege Wehner; Sie sehen doch, daß wir wenigstens im Geist nicht ganz zurückgeblieben sind. In diesem Punkt sollten wir nicht allzu viele Minderwertigkeitskomplexe haben. Nein, mit unserer Macht ist es nicht so bestellt, daß wir allein durchsetzen könnten, was wir für Recht halten. Deshalb eben scheint mir auch, daß sich die Grundlinie unserer Politik als richtig erwiesen hat. ({4}) Diese Grundlinie läßt sich zusammenfassend mit dem Satz beschreiben, daß wir erst festen Stand in der freien Welt gewinnen müssen, bevor wir ein freies und eigenes Wort und eine wirkungsvolle Aktion nicht nur für die Bundesrepublikaner, nein, für alle Deutschen ermöglichen können. ({5}) Ohne festen und verläßlichen Stand der Bundesrepublik im Schutzsystem der freien Welt gibt es keine reale Möglichkeit der Einwirkung auf den politischen Verlauf und keine zureichende Sicherheit für uns. Die SPD-Politik ist auch heute das, was sie in den vergangenen acht Jahren gewesen ist - nehmen Sie es mir nicht übel -, was sie im Grunde seit dem Petersberger Abkommen gewesen ist, nämlich die Gefangene ihrer eigenen Vorbehalte, ihres ursprünglichen Nein zur politischen Bundesgenossenschaft wie zum deutschen Verteidigungsbeitrag mit allen notwendigen Konsequenzen. ({6}) Die SPD-Politik ist damit, wie mir scheint, in einer noch empfindlicheren Weise als ganz Deutschland vom sowjetischen Wohlwollen und Entgegenkommen abhängig geworden. Was ist mit Ihren Intentionen, Herr Kollege Erler, wenn die Russen à tout prix nicht darauf eingehen wollen? ({7}) - Das will ich Ihnen sagen, wo wir dann sitzen. Wir sitzen auch dann da, wo wir jetzt sind, nämlich hinter einem verläßlichen Schutzschild, Herr Kollege Wehner! ({8}) Das sowjetrussische Wohlwollen und Entgegenkommen, das die Grundvoraussetzung für die Realisierung Ihrer Grundkonzeption ist, ist bis jetzt ausgeblieben. Mit einer Ausnahme! ({9}) - Wir zwingen die Russen gar nicht, Herr Kollege Wehner. Aber ich verstehe, daß es schmerzlich für Sie ist, wenn ich Ihnen sage: es gibt eine Ausnahme, wo das russische Entgegenkommen und Wohlwollen Wirklichkeit geworden ist, und diese Wirklichkeit hängt sich ausgerechnet an zwei Namen, die Sie wahrscheinlich nicht gern hören, nämlich an die Namen Adenauer und Chruschtschow, nämlich an die Rückkehr der deutschen Kriegsgefangenen aus Rußland. ({10}) Nun, meine Damen und Herren, verzeihen Sie, ich meine es nicht so sehr polemisch als feststellend: die gesteigerte Abhängigkeit der SPD von dem höchst ungewissen Entgegenkommen der Sowjetunion als nahezu einziger Möglichkeit der SPD-Außenpolitik hat die Mehrheit des deutschen Volkes in den vergangenen Jahren auch so empfunden, und diese gesteigerte Abhängigkeit hat die Mehrheit im deutschen Volk einfach nicht zu beeindrukken vermocht. Die SPD ist doch in zwei Wahlen nicht deshalb unterlegen - meine Damen und Herren meiner eigenen Fraktion, das möchte ich mir hier auch einmal zu sagen erlauben -, weil ihre Ansichten über das Ob und Wie der Wiederbewaffnung Deutschlands, über ein europäisches Sicherheitssystem usw. überhaupt von jeher völlig undiskutabel gewesen wären. Das waren sie an sich ja gar nicht. ({11}) Nein, die SPD ist deswegen unterlegen, Herr Kollege Erler, weil sie nichts Bündiges und Zureichendes zu sagen vermochte, wie denn die lange Durst-und Gefahrenstrecke bis zur Wiedervereinigung und bis zur Realisierung eines zureichenden anderen Sicherheitssystems unter Mitwirkung von Ost und West für das deutsche Volk zumutbar durchgestanden werden könnte. ({12}) - Herr Kollege Wehner, regen Sie sich bitte nicht auf! Der SPD hat es ja nicht an allen Auskünften auf diese Frage gefehlt; das behaupte ich gar nicht. Ich sage nur, daß die Auskünfte der SPD auf diese Fragen eben alle samt und sonders hypothetisch und nicht real gewesen sind. ({13}) Das Volk hat verstanden, daß wir in Anbetracht des Ernstes der Situation, in der wir uns befanden und noch immer befinden, nicht nur den Wunsch, sondern das zwingende Bedürfnis haben müssen, eben nicht nur hypothetische, sondern real vollziehbare Entscheidungen zu treffen. Herr Dr. Heinemann hat heute morgen gesagt: Wir wollen auch die Sicherheit, ja wir wollen eine bessere Sicherheit, ein anderes und besseres Sicherheitssystem. - Herr Dr. Heinemann, ich wäre gerne bereit, darüber jede Diskussion zu führen. Aber ich behaupte, daß uns beim Willen zur Erlangung wirklicher Sicherheit in den vergangenen acht Jahren gar nichts anderes übrig blieb, als den Weg zu gehen, der zu diesem vielleicht nicht denkbar besten, aber realen Schutzsystem geführt hat, in dem wir das an Sicherheit haben können, was heute menschlich überhaupt erreichbar ist. ({14}) Wir könnten von uns aus kein anderes, vielleicht besseres System herbeizwingen, und Sie, meine Damen und Herren, haben uns im Laufe der acht Jahre nicht gezeigt, daß wir es gekonnt hätten. ({15}) - Ja, Herr Erler, lange! Bevor wir in die EVG gingen, haben wir uns darum bemüht, und als die EVG platzte und wir in die NATO gingen, haben wir unablässig die Fragen wieder durchgeprüft. Es war nicht möglich, ein ideales Sicherheitssystem herbeizuführen. Aber wir konnten nicht nach dem Motto verfahren „alles oder nichts". Das ist die reale Politik. Wir haben die klare Entscheidung dem unübersehbaren Risiko des Ungefähren vorgezogen. Als loyale Partner haben wir damit selbstverständlich im Grundsatz auch schon zu den Konsequenzen ja gesagt, die sich für uns daraus ergeben. Wir wären sehr schlechte Politiker, wenn wir das nicht vorher einkalkuliert und mit in Rechnung gestellt hätten. Wir haben das vor allem deshalb getan, weil das sogenannte Provisorium eben nicht eine überschaubare Strecke ist, sondern so lange unüberschaubar ist, als seine Dauer de facto allein von Moskau bestimmt wird. Ich finde, daß die Vorlagen der SPD zur Sicherheitsfrage einschließlich der atomaren Bewaffnung zum größten Teil diesem hypothetischen Denken entspringen und der ursprünglichen Ablehnung der Mitgliedschaft der Bundesrepublik in der EVG und in der NATO, wie sie die SPD in diesem Hause immer vertreten hat. Die Situation, in der wir uns heute der SPD gegenüber sehen, läßt sich im großen und ganzen in der dreifachen Feststellung zusammenfassen: Erstens, ob auf der ganzen Linie eine Abrüstung stattfinden wird oder ob, ganz egal, was wir in der Bundesrepublik machen, die nukleare Aufrüstung in der Welt weitergehen wird, darüber entscheidet, so wie die Dinge stehen, Moskau. ({16}) Zweitens, ob es eine atomwaffenfreie, eine militärisch verdünnte Zone, ob es ein Sicherheitssystem in Europa geben wird oder nicht, darüber entscheidet heute wiederum Moskau. ({17}) Und drittens, ob die Bundeswehr atomar bewaffnet wird oder bis auf einen Bundesgrenzschutz abgerüstet werden kann, darüber entscheidet leider heute auch Moskau. ({18}) Herr Dr. Heinemann hat recht: die Entscheidung darüber kann beeinflußt werden. Ich mache ausdrücklich darauf aufmerksam, daß diese Frage der atomaren Bewaffnung der Bundeswehr auf einer Generalkondition steht und daß diese Generalkondition in dieser Debatte weder vom Tisch gewischt ist, noch vom Tisch gewischt werden darf. Sie steht darauf, daß wir gesagt haben: die weitere Integration der Bundeswehr in die NATO ist unvermeidbar und unabwendbar, wenn eine allgemeine kontrollierte Abrüstung nicht zustande kommt. ({19}) Noch einmal: Es ist wahr: die Entscheidung kann beeinflußt werden, ja sie kann verhindert werden, aber, so wie die Dinge stehen, nur durch das Eingehen Moskaus auf reale konstruktive Abrüstungsmaßnahmen. ({20}) Ich habe in dieser Debatte vor allem darunter gelitten, daß diese Generalbedingung fast unter den Tisch gewischt wurde, die Generalbedingung, von der sowohl der Bundeskanzler wie der Verteidigungsminister wie die Sprecher meiner Fraktion bei der Frage der atomaren Bewaffnung der Bundeswehr immer ausgegangen sind. Diese Frage war im Grundsatz schon Gegenstand der Auseinandersetzung in der Atomdebatte vor einem Jahr. Am 24. Mai 1957, also vor Beginn der Londoner Abrüstungsverhandlungen, hat die Bundesregierung in einem Memorandum die sowjetrussische Regierung darauf aufmerksam gemacht, daß die atomare Bewaffnung der Bundeswehr auf die Dauer unabwendbar sei, wenn es nicht zu ausreichenden Abrüstungsvereinbarungen komme. Wir haben für die Verhandlungen in London gesagt: wir sind von vornherein mit allem und jedem einig, was sie da aushandeln, wenn es nur ein realer, ein wirklich wirksamer Schritt weiter auf dem Wege zur allgemeinen kontrollierten Abrüstung ist. ({21}) Heute steht die Sache nicht anders. Dieser Satz gilt auch heute noch, und er gilt in jeder Hinsicht. Den Darlegungen des Herrn Bundesverteidigungsministers in dieser Debatte habe ich übrigens entnommen, daß die effektive atomare Bewaffnung der Bundeswehr frühestens im Herbst 1959, d. h. also in eineinhalb bis zwei Jahren durchgeführt sein könnte. Ich halte es auch aus diesem Grunde nicht nur für moralisch erlaubt, sondern für real begründet, wenn wir uns heute auf den Standpunkt stellen, daß es sich nicht darum handelt, heute oder morgen an die Batterien der Bundeswehr Atomsprengköpfe zu verteilen, die sowieso nicht uns gehören, die uns nie gehören, wenn die Amerikaner bei ihrem Gesetz bleiben werden, sondern daß es sich vor allem darum handelt, die unabweisbaren Konsequenzen aufzuzeigen, die sich für die Bundesrepublik und die NATO ergeben, wenn die Abrüstungsverhandlungen, wenn das europäische Sicherheitssystem und die Deutschlandfrage auf den kommenden internationalen Konferenzen nicht endlich - endlich! - ein anderes Gesicht bekommen, als sie es seither gehabt haben. ({22}) Meine Damen und Herren, Sie können mich später darauf festnageln; aber ich möchte ausdrücklich in dieser Debatte positiv den Grundsatz aufstellen, daß es eine atomare Bewaffnung der Bundeswehr auf keinen Fall geben wird, wenn die Gipfelkonferenz im Laufe der nächsten 12 oder 18 Monate zu ausreichenden, durchführbaren und kontrollierbaren Abrüstungsvereinbarungen kommt. ({23}) - Herr Schmidt, ich bin, verglichen mit Ihnen, ein militärischer Laie. Ich habe gelernt, daß die Matadore zum Exerzieren, zum Üben notwendig sind. ({24}) - Hören Sie, Herr Kollege Wehner, mich können Sie damit nicht aufs Glatteis führen. Wenn wir mit den wenigen Mitteln, die wir haben, die allgemeine kontrollierte Abrüstung wirklich wollen, dann müssen wir selbstverständlich, so wie die Welt gemacht ist, heute einen gewissen Druck darauf legen, daß die Herren auf der Gipfelkonferenz nicht hin-und herreden, als ob das überhaupt ohne Belang wäre. Es ist für uns von Belang. Weil wir das ernst meinen, müssen wir uns darauf vorbereiten. ({25}) - Nein. Was heißt „die Bundesrepublik als Druckmittel"? ({26}) Selbstverständlich ist auch die Bundesrepublik mit ihrem Recht auf Leben und ihrem Zwang, dieses Leben zu schützen, im Rahmen der weltpolitischen Auseinandersetzung ein Element. ({27}) - Meine Herren von der SPD, wir haben Ihnen schon immer davon abgeraten, einseitige Verzichtsforderungen zu erheben, unablässig! ({28}) Wir haben Ihnen gesagt, daß weder für die Weltpolitik noch für Deutschland noch für die Bundesrepublik irgend etwas herauskommt, wenn wir ohne die mindeste Gegenleistung von seiten der Russen irgend etwas preisgeben. Ich habe schon oft gesagt: ich käme mir dabei vor wie ein Mann, der großspurig in der Welt steht, das Geld in den Hosentaschen hat und es auf die Straße wirft. In dieser großbramsigen Situation sind wir nicht, meine Damen und Herren! ({29}) - Nein, Herr Erler, ich versuche das nicht. Es ist auch keine Freude an der „Politik der Stärke", die einige Leute uns immer wieder unterstellen, oder gar, wie es in dieser Debatte aufgeklungen ist, der Hang zur Gewalt, zur Macht und nur zur Macht. Hören Sie mal her: Welche Striemen tragen wir eigentlich, trägt unsere Generation, daß man uns so etwas unterschieben kann? ({30}) Lassen Sie es uns ruhig einmal sagen! Ich treffe mich mit Herrn Dr. Heinemann in einem: ich unterschreibe für meine Person jedes Wort der Verdammung der Atomwaffen und aller anderen Massenvernichtungsmittel, wie sie in den offiziellen kirchlichen Verlautbarungen vorgenommen worden ist. Das unterschreibe ich, dazu stehe ich. ({31}) - Herr Kollege Metzger, nur in der Konsequenz gehen wir auseinander. Ich kann das nicht anders tun, als wie es alle kirchlichen Verlautbarungen von New Haven bis zum gegenwärtigen Augenblick - jedenfalls soweit sie offiziell sind - getan haben. Sie haben nämlich alle miteinander auf der gegenseitigen allgemeinen kontrollierten Abrüstung bestanden. ({32})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Abgeordneter Dr. Gerstenmaier, gestatten Sie eine. Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Mende?

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000669, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte sehr!

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Abgeordneter Dr. Mende!

Dr. Erich Mende (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001467, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Dr. Gerstenmaier, Sie lehnten eben auf Grund eines Zwischenrufs aus der SPD-Fraktion ab, daß die atomare Bewaffnung, die hier beschlossen wird, als Druckmittel für die Gipfelkonferenz gebraucht werden soll. Ist das so zu verstehen, daß Sie bereit sind, sie als Kompensationsobjekt in der Wiedervereinigungsfrage auf der Gipfelkonferenz möglicherweise auf den Verhandlungstisch zu legen? ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000669, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Dr. Mende, ich habe ausdrücklich davon gesprochen, daß ich wünsche, daß die Generalkondition in dieser Debatte erhalten bleibt, daß ich wünsche, daß die Sache nicht so steht: Die Bundesregierung und die Mehrheit dieses Hauses beschließen jetzt die Atombewaffnung der Bundeswehr auf jeden Fall; sondern ich habe gesagt, daß wir davon ausgegangen sind und weiter davon ausgehen wollen, daß die atomare Bewaffnung, d. h. mit anderen Worten die völlige Integration der Bundeswehr in die NATO unvermeidlich ist, wenn in der allgemeinen kontrollierten Abrüstung so, wie es bis jetzt leider Gottes war, überhaupt nichts in der Welt geschieht. ({0}) Selbstverständlich ergibt sich daraus folgende Konsequenz: Gesetzt den Fall, die Russen würden aus dem einen oder anderen Grund - ich nehme gar nicht an, daß sie nur auf uns besonders achten werden - realen Abrüstungsmaßnahmen zustimmen, dann ist die Situation in diesem Hause auch im Blick auf die atomare Bewaffnung der Bundeswehr eine grundlegend andere als heute. ({1}) Das muß doch klar ausgesprochen werden. Dann gibt es also keine amerikanischen Sprengköpfe und Granaten, und dann können meinethalben auch die Matadore wieder nach Hause geschickt und verschrottet werden. Meine Damen und Herren, glauben Sie uns doch, daß wir uns in dieser Zwangsalternative befinden und daß es uns eben nicht darum geht, was man uns hier unterstellt hat: Macht, Macht, Macht um der Macht willen. ({2}) - Nein, Herr Erler, wir prellen dabei doch gar nicht vor. Sie verstehen doch mehr vom Militär als ich. Wie ist es denn damit? Gibt es eine gewisse Arbeitsteilung in der NATO? Erinnern Sie sich, der Militärsachverständige Dr. Mende hat mir vor einem Jahr hier klarzumachen versucht, daß es das gäbe, und der Kollege Kreitmeyer hat, glaube ich, jetzt erneut in derselben Richtung argumentiert. Was aber hören wir von der NATO? Dort hören wir gar nicht, daß es diese Arbeitsteilung gibt. Ich glaube deshalb auch nicht daran, daß es, wenn in der Abrüstungsfrage nichts Wesentliches geschieht, überhaupt auf die Dauer irgendeinen Partner in der NATO gehen wird, der nicht gleichmäßig - völlig gleichmäßig - wie die Gesamt-NATO ausgerüstet und bewaffnet ist. ({3}) Nein, das heißt nicht Atomanarchie, sondern das heißt: das Potential der einen Welthälfte kann nicht auf irgendein vages Idyll hin geschwächt werden; denn eine solche Schwächung würde nur der Stärkung des gegnerischen Potentials zugute kommen. ({4}) Meine Damen und Herren, was Sie auch immer und wie Sie es auch immer ansehen, die volle Integration der Bundeswehr in die NATO ist unvermeidbar, wenn alles so weitergeht wie bisher, d. h. wenn alle russischen Noten zur Deutschlandfrage in Wahrheit nur darauf hinzielen, die Wiedervereinigung durch das Vetorecht für Pankow zu verhindern und die Bundesrepublik aus dem Schutzsystem der freien Welt herauszulösen. In dieser Debatte hat nun der Satz des Bundeskanzlers eine Rolle gespielt, daß die Bundesrepublik bewaffnet oder unbewaffnet in einen atomaren Konflikt hineingezogen würde. Ich fürchte, der Satz ist mit größter Wahrscheinlichkeit richtig, - soweit ich gesehen habe, auch im Bewußtsein der Opposition. ({5}) Welchen Sinn aber hat dann eine deutsche Bewaffnung, eine atomare Bewaffnung in der NATO? Die Antwort kann nicht damit gegeben werden, daß man sagt, in den Waagschalen liege das russischamerikanische Gleichgewicht, gleichgültig ob die Bundeswehr atomar bewaffnet sei oder nicht. Herr Dr. Mende, damit komme ich auf Ihre Frage zurück. Die Antwort scheint mir vielmehr darin zu bestehen, daß ein militärisches Sonderstatut für die Bundeswehr in der Nato auf die Dauer zur militärischen Ausgliederung der Bundeswehr aus der NATO führt. Vielleicht haben wir dann einen Polizeikader irgendwo vor den großen Fronten, einen Polizeikader in Deutschland. Schön! Jedenfalls würde nach meiner Überzeugung ein militärisches Sonderstatut für die Bundeswehr innerhalb der NATO, auch wenn es nicht zu einer Abrüstung kommt, zur militärischen Ausgliederung der Bundeswehr aus der NATO führen. Das würden Sie gewiß nicht bedauern. Aber es würde nach meiner Überzeugung auch die politische Ausgliederung der Bundesrepublik aus der Bundesgenossenschaft und dem Schutzsystem des Westens unweigerlich zur Folge haben. ({6}) Gipfeln nun alle diese Fragen in der einen Frage: In der NATO bleiben oder nicht? Die Antwort auf diese Frage muß nach meiner Überzeugung eine doppelte sein. Sie muß heißen: a) in der NATO bleiben mit allen Konsequenzen, jedenfalls so lange, bis b) im Rahmen eines ratifizierten Friedensvertrages die Wiedervereinigung Deutschlands unter einem neuen politischen und militärischen Status, dem das deutsche Volk in freier Entscheidung zugestimmt hat, vollzogen ist. Wenn man nicht beides bejahen will, kommt man nach meiner Überzeugung unweigerlich zu einer allmählichen Ausgliederung der Bundeswehr aus der NATO und ihrer Verwandlung in einen Polizeikader mit unabsehbaren politischen Komplikationen und einer unvertretbaren Schwächung unserer Sicherheit. Oder man kommt andererseits, wenn man meint, davon ausgehen zu sollen, daß ganz Deutschland in der NATO sein müsse, auf etwas, was man uns immer wieder unterstellt, Herr Erler, und was mir gar nicht gefällt, - ({7}) - Diese Unterstellung gefällt mir gar nicht, Herr Wehner. Sie haben gar keinen Beweis dafür. ({8}) Sie haben nur Ihre Vermutung. ({9}) Man kommt, wenn man meint, davon ausgehen zu sollen, daß ganz Deutschland in der NATO sein müsse, zu einer Belastung der internationalen Politik, die auch nur der Zementierung des Status quo dienen würde. Beides ist, so meine ich, im Blick auf die Verträge, die wir mit Bewußtsein geschlossen haben, und im Blick auf die Loyalität, die wir den Deutschen sowohl im Osten wie im Westen schulden, die wir aber auch gegenüber unseren Vertragspartnern zu üben verpflichtet sind, unmöglich. Herr Kollege Dr. Mende, ich glaube, daß Sie über diesen - wie ich als Jäger sagen würde - Zwangswechsel weiter nachdenken sollten. Ich komme jedenfalls zu dem Ergebnis: Einerseits loyal gegenüber unseren Verbündeten das zu tun, was unsere Mitgliedschaft in der NATO, vielleicht, das gebe ich zu, gar nicht formell, juristisch nach dem Wortlaut der Verträge, aber doch der Sache und der Loyalität nach gebietet, andererseits aber jede, auch die bescheidenste Chance wahrzunehmen, um die Deutschlandfrage initiativ immer von neuem anzugehen und offen zu sein für konstruktive Gedanken und Vorschläge zu dem militärischen und politischen Status Gesamtdeutschlands und zu den Modalitäten der Wiedervereinigung. Ich glaube immer noch, daß wir Deutsche unsere Denkkraft und unsere ganze politische Kraft über die zwischen Koalition und Opposition bestehenden Gegensätze hinweg darauf zusammenzufassen versuchen müßten. Ich halte es für ein Unglück, daß hinter den ge1080 wiß todernsten Fragen, die mit der Atombombe in die Welt gekommen sind, Überlegungen und Bemühungen dieser Art zurückgedrängt werden. Ich habe bemerkt, daß der erste Sprecher der SPD in dieser Debatte es sorgfältig vermieden hat, das Haus unter die Suggestion zu bringen, die die öffentliche Debatte mehr und mehr zu erfüllen beginnt. Sie schlägt sich in der Alternative nieder: Verwandlung der Welt oder mindestens Europas in eine Atomwüste oder politisch-militärische Unterwerfung unter Moskau. Auch Herr Dr. Heinemann hat diese Alternative heute morgen zu vermeiden versucht. Beide Sprecher haben sicher gut daran getan, denn selbstverständlich ist diese Alternative keine Möglichkeit, auf die hin sich dieses Haus entscheiden könnte. Diese Alternative ist vielmehr ein Beispiel der totalen Verirrung als Folge hemmungsloser Preisgabe an Suggestionen, vor allem an die Suggestion der Angst. Sie wird hauptsächlich von denen genährt - das muß man nun leider sagen -, die schon einmal die öffentliche Meinung mit allen Mitteln unter ihre Kontrolle zu bringen sich bemühten, nämlich als es sich darum handelte, ob die Bundesrepublik überhaupt in irgendeiner Weise einen militärischen Verteidigungsbeitrag leisten solle. ({10}) - Nein, Herr Kollege Erler, nicht Kommunistenschreck und dergleichen, sondern unsere Sicherheit ({11}) - das war das Problem - und die Loyalität und Solidarität mit der freien Welt. Ein Mann, der auch jetzt wieder zum Wortführer geworden ist im Rahmen der sogenannten Bewegung gegen den Atomtod - ich sage noch einmal: kein gutes Wort!, denn es unterstellt denen, die dabei nicht mitmachen, daß sie für den Atomtod seien; was für ein Blödsinn! -, ({12}) dieser Mann, der auch jetzt wieder zum Wortführer in dieser Bewegung geworden ist, sprach sich schon am 29. November 1951 gegen jeden militärischen Verteidigungsbeitrag Westdeutschlands aus. Das Verlangen nach einem Kräfteausgleich zwischen Ost und West im Interesse unserer Sicherheit wie im Interesse der Realisierung einer allgemeinen kontrollierten Abrüstung wurde von ihm und seinen Anhängern in der damaligen ,,Ohne-mich"-Bewegung abgetan mit der Bemerkung, daß ein solches Verlangen nach Kräfteausgleich eine höchst unchristliche Politik der Stärke sei. ({13}) Nun, der Direktor der Evangelischen Akademie in Bad Boll hat, wie ich meine, recht, wenn er in einer soeben erscheinenden scharfsinnigen Untersuchung vor allem des psychologischen Verhaltens der freien Welt zu dem Schluß kommt - ich zitiere -. Die ungeheure Abneigung der Westeuropäer gegen den Wehrdienst und die damit verbundenen Wehrausgaben verhinderten auch nur die Andeutung eines Ausgleichs der Kräfte zwischen Ost und West in klassischen Waffen. Das Ergebnis war, daß die Amerikaner sich gezwungen sahen, sich mehr und mehr auf die Abschreckung durch Atomwaffen umzustellen. Herr Dr. Müller hat recht, wenn er weiter zu der Feststellung kommt, daß diejenigen, die einen Schutz Europas mit klassischen Waffen jahrelang zu verhindern versuchten, diese Entwicklung gefördert, ja, sie selber mit heraufgeführt hätten. ({14}) Ich bitte um Nachsicht, Herr Kollege Heinemann, wenn ich hier eine Passage zitiere, die Sie selber betrifft. Herr Dr. Müller verweist in diesem Zusammenhang z. B. auf die Vorstellungen, die sich Herr Dr. Heinemann noch vor wenigen Jahren über die Verteidigung des Westens gemacht habe. Am 8. Januar 1954 sei Herr Dr. Heinemann bei einer Tagung in Bad Boll öffentlich gefragt worden, wie er sich eine amerikanische Garantie der von ihm vorgeschlagenen Neutralität Deutschlands vorstelle. ({15}) Herr Dr. Heinemann habe erwidert: Die Amerikaner haben ja Flugzeuge und Atomwaffen; ({16}) sollte das gegen russische Angriffsabsichten nicht ausreichen? Der Gedanke ist ja auch hier wiedergekehrt. In dem Wort vom Gleichgewicht der Kräfte, vorn Atomgleichgewicht in den Waagschalen der Geschichte kehrt er wieder. Auf die erstaunte Gegenfrage seiner Diskussionsgegner, ob man nicht anstreben müsse, die Atomwaffen aus dem Spiel zu bringen, habe Herr Dr. Heinemann erwidert, ihm scheine im Augenblick das Bestehen des Atomremis die beste Friedensgarantie zu sein. ({17}) Nun, meine Damen und Herren, man hat das Recht, seine Anschauungen zu wandeln.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Abgeordneter Dr. Gerstenmaier, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Heinemann?

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000669, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte!

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Abgeordneter Dr. Heinemann zu einer Zwischenfrage!

Dr. Dr. Gustav W. Heinemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000848, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Dr. Gerstenmaier, würden Sie in der Lage sein, Dinge zu zitieren, die von mir selbst herrühren? Auf Aussagen von Herrn Dr. Eberhard Müller sich zu berufen, lehne ich ab. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000669, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Dr. Heinemann, es ist mein gutes Recht, übrigens sogar ein in der Wissenschaft geübtes Recht, mich auf gedruckte Quellen von wohlbeleumundeten Leuten zu berufen. ({0}) - Eben, um es zu betonen: auf die Quellen von gut beleumundeten Leuten zu berufen, vor allem wenn keine gegenteilige Erklärung des Betreffenden bis jetzt dagegen steht. ({1}) Meine Damen und Herren, inzwischen ist die sogenannte Grundsatzdebatte weitergegangen. Ihre politischen Wirkungen' insbesondere auf die grundsätzliche Haltung der SPD hinsichtlich der von ihr jedenfalls nach schwerem Ringen bejahten Landesverteidigung sind noch nicht zu übersehen. Das ist sehr vorsichtig ausgedrückt. In der Januar-Nummer der „Politischen Verantwortung" ({2}) - Herr Kollege Wehner, was ich jetzt zitiere, das ist dem hinter Ihnen sitzenden Herrn Dr. Arndt sehr wohl bekannt; aber hören Sie einmal zu! -, in der Januar-Nummer der „Politischen Verantwortung", die unter anderem von den SPD-Bundestagsabgeordneten Dr. Arndt, Dr. Heinemann und Herrn Metzger herausgegeben wird, findet sich z. B. ein Artikel, in dem es heißt, daß sich inzwischen zeige, daß Abschreckung Terror sei, ein Terror, „der vergiftende Gewalt und Macht" ausübe auch über den, der ihn „für den Frieden" übe. „Die allgemeine Demoralisierung" sei unabwendbar, solange „der Terror den Frieden sichere". Nun, dieser Satz richtet sich natürlich geradenwegs auch gegen eine Auffassung, wie ich sie hier zu vertreten versuche. Diese Auffassung besteht darin, daß es kein Gleichgewicht der Kräfte mehr in der Welt geben würde, wenn den Amerikanern, die den Schutz dieses Landes und unserer Freiheit garantieren sollen, verwehrt wird, in Deutschland die gleichen Waffen, wie sie der potentielle Gegner besitzt, zu führen. Diese Auffassung schließt selbstverständlich auch ein, daß der Verzicht auf die atomare Bewaffnung der Bundeswehr ohne eine angemessene Gegenleistung ausschließlich zu Lasten der politischen wie der Sicherheitsinteressen Deutschlands und der freien Welt geht. Diese Auffassung geht weiter davon aus, daß das rigorose Verlangen auch nach einseitigem Verzicht auf Atomwaffen, das Verlangen nach der Demontage der westlichen Atomwand in unserem Rücken die Unterwerfung der freien Welt unter Moskau zur Folge haben müßte. ({3}) Gerade das, meine Damen und Herren, wird uns in einem von prominenten Sozialdemokraten getragenen Organ heute als die einzig mögliche christliche und humane Haltung vorgestellt! Es gebe keine Rechtfertigung des Gleichgewichts mit Hilfe von Atomwaffen, wird dort gesagt; es gebe nur eine Rechtfertigung des Verzichts und der Einübung und Ausübung des waffenlosen Widerstandes unter totalitären Systemen. ({4}) Als neulich etwas Ähnliches hier gesagt wurde, wurde mit Recht dagegengehalten: „Sitzt Sir Stephen King-Hall im Bundestag?" Nein, der sitzt natürlich nicht hier. Aber, meine Damen und Herren, wie unterscheidet sich eigentlich das, was hier anscheinend fundamental christlich, jedenfalls mit fundamental christlichem Anspruch vorgetragen wird, von Sir Stephen King-Hall? ({5}) Selbstverständlich ist es auf dieser Ebene, wenn man sie einmal betreten hat, auch völlig vorbei mit dem Recht zum bewaffneten Widerstand. So lesen wir denn: Der Begriff der Landesverteidigung ist ein antiquierter Begriff geworden. ({6}) Wer ihn noch in den Mund nimmt, ist blind oder heuchelt. ({7}) Das steht nicht in der „Politischen Verantwortung", aber das hat Ihr Freund Gollwitzer - für den ich menschlich großen Respekt habe - klipp und klar festgestellt. Und nicht weniger eindeutig hat es Ihr anderer Freund, Herr Dr. Heinemann, Niemöller nach einer Meldung der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung" vom 10. März 1958 ausgeführt: Aus Liebe zu Land und Volk Landesverrat zu üben, das hielt Kirchenpräsident Dr. Martin Niemöller für eine der Möglichkeiten, es zu verhindern, daß Westdeutschland das Opfer eines Atomkrieges würde. ({8}) Er erklärte, es könne ratsam sein, den Russen jede Raketenabschußstelle anzugeben, - ich hoffe, sie werden bei uns nicht installiert werden, Herr Bundesverteidigungsminister, und ich glaube, Ihre Ausführungen auch dahin verstehen zu dürfen damit die Atombomben im Falle eines Krieges - so fährt Herr Kirchenpräsident Niemöller fort -nicht auf die deutsche Bevölkerung fielen. Nie-möller vertrat die Auffassung, daß die Vereinigten Staaten im übrigen den Rüstungswettlauf verloren hätten und der technische Vorsprung der Russen nicht mehr aufzuholen sei. Wenn man die Grundsatzfrage und die politische Situation so beurteilt, finde ich allerdings, daß es gar nicht so übel ist, wenn Herr Professor Vogel dem Ganzen noch einen großartigen Faltenwurf gibt und sagt: „Lieber tot als Massenmörder!" Nun, wie gut wäre es, wenn der Herr Dekan der Theologischen Fakultät von Berlin ({9}) diese Weisheit vor allem im Kreml predigen würde! ({10}) - Herr Kollege Metzger, reden Sie mich bitte nicht darauf an! Sonst müßte ich sagen, daß diese Stimmen ja auch bei Ihnen im Bundestag vertreten sind. Ich habe hier die „Oberfränkische Volkszeitung" vom 21. März. Da führt Herr Kollege Arno Behrisch aus der SPD-Bundestagsfraktion in einer langen Abhandlung eine Aufforderung zum Martyrium an die Christen in Deutschland vor, zum Martyrium nach Sibirien zu gehen, auf jeden Fall auf Widerstand überhaupt zu verzichten, a) weil er sinnlos sei und b) weil moralisch unendlich viel höher stehe, wer sich mit dem Gedanken an Widerstand überhaupt nicht abgebe. - Wenn Sie meinen, daß das eine Legende sei, dann lesen Sie es nach. Sie werden keine große Freude daran haben, Herr Kollege Erler, was dort von einem Mann Ihrer Fraktion vorgestellt wird. ({11}) Die Reihe ließe sich beliebig vermehren; so z. B. um ein bemerkenswertes Zitat, das Herr Dr. Heinemann heute morgen nicht angeführt hat. In der von Dr. Heinemann herausgegebenen „Stimme der Gemeinde" vom 15. März lesen wir: Die radikale Ablehnung der Atomwaffen gilt für den Krieg selbst dann, wenn die äußere Freiheit und die Demokratie dabei zeitweilig verlorengehen sollten. Denn sie können im Laufe der geschichtlichen Entwicklung wiedererlangt werden. ({12}) Ich bin kein .Jurist, und das wird mein ewiger Mangel in diesem Hause bleiben. Aber, Herr Dr. Heinemann, Sie haben sich heute morgen auf das Grundgesetz berufen; Sie haben, wenn ich Sie recht verstanden habe, dabei ausgeführt, daß es das Recht, ja die Pflicht des Bundesbürgers sein müsse oder wenigstens sein könne, den Dienst an Atomwaffen zu verweigern, und Sie haben mit dem Verweis auf völkerrechtliche Bestimmungen, die ich selbstverständlich akzeptiere, hier angekündigt, daß sich das Bundesverfassungsgericht mit dieser Frage noch zu befassen haben werde. Nun, verehrter Herr Kollege, dieser Entscheidung sehen wir mit größter Aufmerksamkeit und größtem Interesse entgegen; denn das oberste Gericht unseres freiheitlichen Rechtsstaates würde damit vor die Frage gestellt sein, welches Maß von Einsatz es für möglich und für vertretbar hält für die Werte, die als oberste Werte, als unantastbar im Grundrechtskatalog unseres Grundgesetzes verankert sind. ({13}) - Nein, das vergesse ich gar nicht! Hier handelt es sich einfach darum: mit wieviel muß man bereit sein anzutreten, wenn man ein menschenwürdiges Leben nach den Geboten Gottes führen und schützen möchte? ({14}) Die Frage an das Bundesverfassungsgericht: „Ist es das Recht, ja die Pflicht eines freiheitlichen Rechtsstaates, die Grundrechte seiner Bürger mit allen in dieser traurigen Welt heute adäquaten Mitteln zu schützen? Ist es das Recht, ist es die Pflicht eines freiheitlichen Rechtsstaates, das zu tun? Ja oder nein?", ({15}) diese Frage ist gewiß nicht die Frage der geistigen und moralischen Gleichschaltung mit dem Kreml. Im Gegenteil. ({16}) Weil es hier Brauch geworden ist, auch gelegentlich kirchliche Stimmen zu zitieren - die wichtigsten, Herr Kollege Dr. Heinemann, lasse ich aus denn darüber werden wir uns ja noch auf der Synode unterhalten; ich kann davon absehen -, möchte ich in diesem Zusammenhang auf einen Gesichtspunkt hinweisen, der von kirchlicher Seite geltend gemacht worden ist und der mir wichtig erscheint. Der württembergische Landesbischof Haug hat in diesem Zusammenhang kürzlich davon gesprochen, daß auf diesem Wege der Kapitulation im Namen der Christlichkeit ein ganzes Volk in tote Seelen verwandelt werden könnte, ohne daß ein Schuß fiele, ({17}) tote Seelen, die dann freilich auch einmal ohne alle Skrupel jede Atomkanone, zu welchem Zweck auch immer, bedienen würden. ({18}) Die Leute, denen dieser Hinweis des württembergischen Bischofs in erster Linie gilt, halten es indessen nicht nur für moralisch und politisch geboten, sondern sogar für heilsnotwendig, nicht nur gegen die atomare Bewaffnung der Bundeswehr anzugehen, sondern im Namen des Christentums auch auf den einseitigen Versicht der Atomwaffen durch die Amerikaner und Engländer, selbstverständlich nicht nur in Deutschland, sondern konsequenterweise auch außerhalb Deutschlands, hinzuwirken. ({19}) Offensichtlich ist ihnen dabei nicht aufgegangen, daß sie mit diesem Rigorismus nun gerade eines der wenigen realen Argumente der Opposition in diesem Hause stillschweigend mit ruinieren. Denn wenn die Forderung auf die einseitige Demontage der Atomwand in unserem Rücken gerichtet wird, entfällt selbstverständlich das Argument, mit dem die SPD und die FDP bis jetzt gearbeitet haben, daß amerikanische Atomwaffen schon allein ein hinreichendes Gleichgewicht gegen die russische Atombewaffnung sein würden. ({20}) Indem ich das sage, setze ich gewiß nicht die NATO mit dem Christentum gleich. Herr Dr. Heinemann, ich bedanke mich, daß Sie mir die Möglichkeit gegeben haben, das zu sagen. In gar keiner Weise möchte ich das tun. Aber ich frage, ob es eigentlich erlaubt ist, mit dieser sehr pauschalen Schwarzweiß-Fragestellung beharrlich zu ignorieren, daß der Gegensatz hier nicht im Christentum oder Antichristentum liegt, sondern daß es sich hier darum handelt, einen Gegensatz, der in dieser Welt besteht und der von fundamentaler Bedeutung ist, nicht zu verwischen. Dieser Gegensatz ist nicht der, ob die NATO christlich ist oder nicht, sondern der, ob die NATO die Schutzgemeinschaft einer freiheitlichen Welt ist und der Warschauer Pakt usw. eben das System einer nicht freiheitlichen, nach unserer Auffassung jedenfalls nicht freiheitlichen Welt ist. ({21}) Da wir schon am Aufräumen sind, Herr Kollege Dr. Heinemann - es tut mir leid -, möchte ich auch ein Wort fairer Verteidigung für meinen Freund Cillien sagen. Ich behaupte nicht, daß Herr Cillien in jener Nachtsitzung die allertreffendsten Formulierungen gefunden hat; aber ich meine, daß er mit vollem Recht auf etwas hingewiesen hat, was in diesem Hause respektiert werden sollte. Er hat hingewiesen auf eine Stilfrage der politisch-parlamentarischen Auseinandersetzung, und er hat seiner Scheu Ausdruck gegeben, in eine solche politischparlamentarische Auseinandersetzung Glaubensaussagen, die dem Raum der Kirche vorbehalten sind, hineinzuziehen. ({22}) - Nein, es geht hier nicht um eine Partei, sondern um die Frage, ob wir bei dem Stil, den wir seither geübt haben, bleiben wollen oder ob wir alles durcheinandermischen wollen. Ich bin nicht dafür; ich empfehle, davon abzulassen. Es handelt sich in gar keiner Weise um die Verneinung der Frage, ob wir uns hier christlich verantworten wollen. Selbstverständlich, Herr Dr. Heinemann, sind wir dazu bereit und stellen uns. Aber auch die christliche Verantwortung muß hier in politisch-parlamentarischen Kategorien und nicht in der Sprache der Kirche und erst recht nicht in der Gebetssprache des Christen erfolgen. ({23})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Abgeordneter Dr. Gerstenmaier, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Erler?

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000669, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte sehr!

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Abgeordneter Erler!

Fritz Erler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000488, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Gerstenmaier, meinen Sie nicht, daß, wenn es um eine Stilfrage in der politisch-parlamentarischen Auseinandersetzung geht, dieselben Stilgrundsätze auch in der politischen Auseinandersetzung draußen im Lande Anwendung finden müßten, z. B. auch den Gebrauch von Wallfahrten für parteipolitische Zwecke eindeutig ausschließen müßten? ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000669, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Erler, ich würde mich natürlich in einer sehr viel einfacheren Situation befinden, wenn Sie das Beispiel mit den Wallfahrten weggelassen hätten; denn sich darüber zu äußern, das ist nicht eigentlich Sache eines Mannes, der zwar fast nur noch im Nebenamt, aber immerhin Oberkonsistorialrat ist. ({0}) Was im übrigen die Substanz Ihrer Frage anlangt, Herr Kollege Erler, so begrüße ich es, daß Sie mich hier gefragt haben, und ich sage vorbehaltlos ja - vorbehaltlos! ({1}) - Ich meine, Herr Kollege Metzger: es gilt für alle. ({2}) Wenn ich mir so Ihre Artikel in der „Stimme der Gemeinde" ansehe - immerhin heißt es „Stimme der Gemeinde", lieber Herr Kollege Metzger -, dann sage ich zusammen mit Erler: Sollten Sie das in der Zukunft lieber nicht ein bißchen anders machen? ({3}) - Wir sind in der Vorhand, meinen Sie? ({4}) - Da möchte ich Ihnen folgendes sagen: Die Christlich-Demokratische Union ist natürlich eine konservative Partei. ({5}) Und ähnlich wie die Sozialisten ab und zu noch etwas unter ihrem Erbe, auch unter ihrem Stilerbe aus dem 19. Jahrhundert - man denke nicht nur an Lassalle, sondern auch an Karl Marx - zu leiden haben, so haben auch wir noch unter gewissen Sprachgebungen unserer hundertjährig en Tradition zu leiden. Aber wir werden so allmählich mit ihr fertig. ({6}) Herr Kollege Metzger, wenn ich Sozialdemokrat wäre, würde ich Ihnen sagen: Lesen Sie doch einmal wieder die interessante Schrift von Eduard Bernstein „Sekte oder Partei", zu Anfang dieses Jahrhunderts geschrieben, 1905 oder 1906. ({7}) - Warum nicht? Ich möchte jedenfalls ganz gern, daß Ihre Herren nicht sehr spät auch noch eine Fehlentwicklung nachvollziehen, in der sie allerdings schon wieder mitten drin sind. - Bitte sehr, Herr Kollege Schmid!

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001993, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Eine kurze Frage, Herr Abgeordneter. Sie sprachen von der hundertjährigen Tradition Ihrer Partei. Habe ich mich getäuscht, als ich bisher annahm, sie sei eine neue Partei? ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000669, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Schmid, wer würde nicht gern mit Ihnen diskutieren, vor allem, wenn wir beginnen, uns ins Historische zu verlieren. Aber ich will Ihnen folgendes sagen. Selbstverständlich hat auch die CDU ihre Ideengeschichte. Ich könnte sagen: Von nichts kommt nichts. Wenn Sie die Ideengeschichte der deutschen politischen Parteien ansehen, stellen Sie fest, daß die CDU nicht erst von heute ist, sondern ihre Wurzeln in der christlich-sozialen und der christlich-konservativen Tradition des letzten Jahrhunderts hat. ({0})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001993, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Abgeordneter, Sie sprachen von einer hundertjährigen Tradition. Täusche ich mich, wenn man die Zeit von vor hundert Jahren das Biedermeier nennt? ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000669, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ach, wissen Sie, ({0}) was sollte ich eigentlich zu Ferdinand Lassalles Unternehmungen in Berlin und was sollte ich zu Ihrem berühmten Karl Marx sagen, mit dem Sie bis zum heutigen Tag nicht fertig geworden sind! ({1}) - Ach ja, ich weiß, daß Sie ihn überwinden möchten. Aber ich fürchte, daß wieder einmal in der Sozialdemokratie die Situation wiederkehrt, die es einst um die zwanziger Jahre unter Berufung auf Bebel gab, als lebhaft Klage geführt wurde, daß die SPD nicht marxistisch genug sei. Vielleicht hören wir das auch wieder bei Ihnen. ({2}) - Lassen wir das erst mal, gut! Wir werden sehen!

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Abgeordneter Gerstenmaier, gestatten Sie eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Schmid?

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001993, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ist Ihnen trotz der hundertjährigen Tradition nicht bekannt, daß Bebel schon vor 1914 gestorben ist?

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000669, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bebel ist schon vor 1914 gestorben; da haben Sie recht. Ich will sagen - es fällt mir gerade ein -: in den Auseinandersetzungen um die Trennung von Sozialisten und Kommunisten 1920 wurde auf einem Kongreß Bebel zitiert. ({0}) - Deshalb kann doch 1920 zitiert werden, was er 1890 schon gesagt hat. ({1}) Herr Kollege Wittrock, es ist amüsant. Aber lassen Sie mich jetzt zum Schluß kommen, weil ich fürchte, daß es selbst dem aufmerksamen Hause sonst zu lange wird. Lassen Sie mich zurückkehren zu der ernsten Frage, bei der wir stehengeblieben sind. In einem wirklich bemerkenswerten Aufsatz über den Weg der SPD - damit sind wir wieder beim Thema - hat Herr Dr. Heinemann gemeint, daß der christlichen Gemeinde, wenn sie es vergessen würde, gesagt werden müßte, daß sie auf dem Nichts stehen soll und darf. Ich halte diese Aussage zwar für theologich und christlich nicht richtig; aber ich will darüber hier nicht streiten. Ich möchte die SPD nur fragen, ob sie der Meinung ist - da es gesagt wurde unter dem Titel „Der Weg der SPD" -, daß dies etwa auch ein Rezept für den Weg ihrer Partei oder sogar ein Rezept für den Weg des deutschen Volkes in den Wirren dieser Welt sein dürfe. ({2}) Ich nehme an, daß die SPD diese Parole vom Aufdem-Nichts-Stehen-Dürfen nicht zur Grundlage Ihrer Politik machen will. Was uns betrifft, so werden wir im Bewußtsein der uns zugefallenen Verantwortung solchen Abenteuern jedenfalls mit aller Entschiedenheit widerstehen. ({3}) Und damit es ganz klar und deutlich wird, sage ich: wir verbinden, Herr Kollege Dr. Heinemann, damit gar kein Gefühl etwa der Erbfeindschaft gegenüber unserem östlichen Nachbarn. Wie oft haben wir gesagt, daß wir gar nicht den Wunsch haben, uns in sein Staatsdenken, Gesellschaftsdenken, Planen und Handeln innerhalb seiner eigenen Grenzen einzumischen. Was wir möchten, ist nur, daß sich die 17 Millionen Deutschen nach dem entfalten und gestalten können, was sie für menschlich richtig und staatlich und politisch für vertretbar halten. Sonst möchten wir nichts. ({4}) Zu einer Bemerkung von Herrn Dr. Arndt, die ich mir lange durch den Kopf gehen ließ, möchte ich in diesem Zusammenhang sagen: Herr Dr. Arndt, die Urangst der Kreatur ist wach. Dazu bedurfte es in unserer Generation gar nicht erst der Atombomben. Darüber kann auch das oft in der Tat selbstgefällige Bild unseres bürgerlichen Daseins nicht hinwegtäuschen. Herr Kollege Mende, ich sehe nicht, ob der Herr Ministerpräsident außer Diensten Reinhold Maier hier ist. Sonst würde ich gerne sagen, daß ich ihm doch empfehle, in diesem Hause allmählich davon herunterzukommen, vom „Wirtschaftswunderphilister" zu reden. Erstens sollten sich die Bundesbürger dieses Staates nicht dauernd gefallen lassen, in dieser Weise angeredet zu werden, und zweitens und vor allem sind wir in diesem Hause dem Bundesbürger Respekt schuldig. ({5}) Aber diese Urangst der Kreatur, die schon wach ist, auch noch zu mobilisieren und zu organisieren, möglicherweise - möglicherweise, sage ich - auch noch im Interesse des inneren Machtkampfes, das halten wir für nicht erlaubt. Wir halten es vielmehr für unsere Pflicht, besonnen nach vorne zu denken, und wir halten es selbstverständlich auch für unsere Pflicht, meine Damen und Herren von der Opposition, Ihnen dabei jede Möglichkeit des kritischen Mitwirkens zu geben. ({6}) - Das muß leider auch einmal sein, Herr Kollege Erler, und ich bin doch ganz großzügig; was ich Ihnen zu Lasten meiner Fraktion noch ablassen kann, das habe ich Ihnen doch heute nun konzediert. Ich fasse zusammen und komme damit zum Schluß. Die Sorge um den Frieden wie die Loyalität gegenüber dem Vaterland mit seinen 17 Millionen Unterdrückter hinter dem Eisernen Vorhang gebietet uns nicht nur, das zu tun und auch wirklich zu tun, was Freiheit und Sicherheit heute oder morgen von uns in der NATO fordern, sondern diese Loyalität gebietet uns selbstverständlich auch, offen und frei und aktiv zu sein für das, was Deutschlands Einheit von uns wie von den Mächten im Westen und Osten heute und morgen fordern wird. Lassen Sie mich schließen mit der Erinnerung an ein Ereignis, von dem ich hier schon einmal, allerdings bei einer sehr viel feierlicheren Gelegenheit vor Jahr und Tag, bei einer Gedenkrede zum 17. Juni geprochen habe; es hat sich mir unauslöschlich eingegraben: ein belegter Bericht über eine Veranstaltung in den Buna-Werken bei Merseburg, die am 26. Juli 1953 in der Werkshalle B 13 stattgefunden hat. Damals trommelte einer der Propagandisten Ulbrichts - es war wenige Wochen nach dem Aufstand vom 17. Juni 1953 - die Belegschaft zur „Gehirn- und Seelenwäsche" zusammen. Aber der Mann spürte an dem schweigenden Widerstand, daß ihm ein Erfolg nicht beschieden war, und so rief er schließlich voller Wut: „Einen zweiten Tag X wird es nie mehr geben!" Die Belegschaft der Buna-Werke war bis zu diesem Augenblick schweigend dagesessen; aber da erscholl die Antwort, die einzige, die dieser „Hirnwäscher" im Dienste Ulbrichts an diesem Tag bekam; da brach es los: „Der Tag kommt doch!" Nun, meine Damen und Herren, es ist unsere Sache, darum zu ringen, daß er kommt, daß er im Frieden kommt und nicht anders als im Frieden und daß er kommt als ein Tag der Freiheit, der wunderbaren Freiheit, als ein Geschenk Gottes an die Menschen. Sollen wir den Glauben daran fahren lassen? Wir tun das nicht. ({7})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bucher.

Dr. Ewald Bucher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000288, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Beim ersten Teil der Rede des Abgeordneten Dr. Gerstenmaier konnten wir die Hoffnung schöpfen, daß hier nun einmal zur Thematik der beiden vorliegenden Großen Anfragen gesprochen werde. ({0}) Aber warum sollte es dieser Rede anders ergehen als dieser ganzen Debatte? Nachdem die beiden Anfragen, in deren einer ja das Wort Atom gar nicht vorkommt und in deren anderer im Gegenteil von einer atomwaffenfreien Zone die Rede ist, von den Kollegen Gradl und Mende begründet waren - ({1})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Ich kann zwar Ihre Zwischenrufe nicht verstehen, aber ich möchte das Hohe Haus auf alle Fälle um Ruhe bitten. ({0}) - Ich bitte um Ruhe für den Herrn Redner.

Dr. Ewald Bucher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000288, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Nachdem die beiden Großen Anfragen begründet waren, steuerte der Herr Bundeskanzler geradewegs auf das los, was ihm wichtig ist, eben die atomare Aufrüstung in der Bundesrepublik. ({0}) - Ich komme auf die Sicherheit zu sprechen. - So wird mir auch nichts anderes übrigbleiben, als in der kurzen, rationierten Zeit, die ich habe, ebenfalls darauf einzugehen. Aber zunächst einiges zu den, wie uns scheint, wirklich konstruktiven Gedanken, die von Herrn Dr. Gerstenmaier hier vorgetragen wurden. Vor allem müssen wir, glaube ich, die Feststellung begrüßen, daß es in der Politik sehr auf die Methode ankommt. Das ist eine Feststellung, die vor einem Jahr schon Kennan in einem Interview gemacht hat, in dem er sagte: Für die Vereinigten Staaten ist verhältnismäßig wenig beunruhigend die Tatsache allein, daß die Sowjetunion verkündet, sie wolle den Kommunismus in der ganzen Welt verbreiten, genauso wenig wie es umgekehrt für die Sowjetunion beunruhigend ist, daß der Westen die Idee des freien Rechtsstaates in der ganzen Welt verbreiten will; beunruhigend werden solche Dinge erst je nach den Methoden, mit denen die Ziele verfolgt werden. So kommt es nicht so sehr darauf an, einfach in Bausch und Bogen festzustellen: die Sowjets sind böse und haben ein Fernziel, das für uns gefährlich ist, sondern es kommt darauf an, zu untersuchen: welchen Weg wollen sie in den nächsten Jahren beschreiten? Dem wird man eben nicht gerecht mit der Politik der Stärke, die nach wie vor betrieben wird. Glaubt man wirklich, mit rein militärischen Mitteln den Kommunismus bekämpfen zu können? Mit Bomben und Granaten, wenn man sie auf1086 stapelt, kann man zweifellos die Sowjetunion in Schach halten. Den Kommunismus kann man nicht damit bekämpfen. Und wenn man gar die Bomben und Granaten etwa auf tunesische Dörfer wirft, dann leistet man dem Kommunismus damit noch einen sehr guten Dienst. ({1}) Wenn wir eine solche methodische Betrachtung der Außenpolitik anwenden - hier stimme ich Dr. Gerstenmaier voll und ganz zu -, dann müssen wir doch sagen, daß das erste, was geschehen muß, Schritte zur Entspannung sind. Die Entspannung in der Welt führt zur Wiedervereinigung, und umgekehrt: die Wiedervereinigung, wenn sie gelänge, fördert die Entspannung. Statt dessen aber erleben wir immer wieder, daß ein sogenanntes Junktim geschaffen wird, gerade auch von seiten der Bundesregierung bei verschiedenen Gelegenheiten; ich erinnere etwa an den Beginn der Abrüstungsgespräche im letzten Jahr, die zunächst sehr hoffnungsvoll verliefen: man hat damals gleich in die Debatte geworfen, mit dieser Abrüstung müsse aber zugleich die deutsche Frage gelöst werden. So, im Sinne eines Junktims, geht es natürlich nicht. Wir müssen verlangen, daß die deutsche Frage auf einer Gipfelkonferenz behandelt wird. Wir dürfen sie aber nicht als unabdingbare Notwendigkeit in den Vordergrund stellen. Die Frage der Reihenfolge ist hier genauso wichtig wie beim Problem der Wiedervereinigung selbst. Wir begrüßen auch, daß Dr. Gerstenmaier festgestellt hat, man dürfe sich an keine illusionäre Reihenfolge klammern. Auch sonst haben wir hier einige neue Töne gehört, so z. B. den Satz, daß der Rapacki-Plan doch nicht von vornherein verworfen werde. Das klingt wesentlich anders als das, was wir vom Bundeskanzler dazu gehört haben. Der Herr Bundeskanzler hat am 15. Januar 1958 gesagt: „Da haben die Sowjets durch den Herrn Rapacki einen Plan vortragen lassen." Achten Sie darauf, es wird hier von vornherein unterstellt, daß die Sowjets den Herrn Rapacki lediglich als Werkzeug benutzt haben. Wir sollten das nicht tun; wir sollten, wenn sich im Osten ein Zeichen von politischer Selbständigkeit eines Staates zeigt, das mit allen Mitteln fördern und unterstützen und nicht von uns aus sagen: es ist ja nur ein Werkzeug des Herrn Bulganin oder Chruschtschow. ({2}) Wir sollten uns auch davor hüten - wie es in einer merkwürdigerweise wenig beachteten Stelle der Regierungserklärung geschehen ist -, das russische Volk - wohlverstanden: das russische Volk, nicht die russischen Politiker - in Bausch und Bogen zu verdammen und zu sagen, es sei infolge 40jähriger bolschewistischer Herrschaft überhaupt nicht mehr fähig, vernünftig politisch zu denken. Was Herr Dr. Gerstenmaier vorgetragen hat, gibt zweifellos Möglichkeiten zu einer gemeinsamen Außenpolitik, und wir könnten auf viele dieser Gedanken und Vorschläge als Basis einer gemeinsamen Außenpolitik eintreten. Aber wie gesagt, leider haben wir damit bisher wenig Erfolg gehabt. So z. B. wurde auch der Vorschlag unseres Freundes Becker, ein Gremium von vielleicht vier Männern - aus jeder Fraktion einer - zu schaffen, mit denen der Bundeskanzler, der Außenminister sich über ganz delikate außenpolitische Fragen aussprechen kann, bis jetzt praktisch nicht beantwortet. Es wurde uns gesagt, er sei im Augenblick nicht aktuell, aber der Herr Bundeskanzler wolle später darauf zurückkommen. Nun überhaupt eine kleine Abschweifung über die innenpolitische Behandlung dieser Dinge bei uns! Es ist hier schon wiederholt erwähnt worden, daß der 25jährige Jahrestag des Ermächtigungsgesetzes pekrärerweise mit dieser Debatte zusammenfiel. Eine große deutsche Zeitung hat die Debatte über das Ermächtigungsgesetz abgedruckt, - eine sehr gute Sache, und ich empfehle jedem, das nachzulesen. Er wird dann sehen, daß damals eine ähnlich schwere Entscheidung zu bewältigen war, die allerdings in ganz anderer Form als heute bewältigt wurde, nicht in vier- oder fünftägiger Debatte, sondern ganz kurz. Aber man wird dann auch den Männern, die damals zu entscheiden hatten, zubilligen müssen, daß sie alle von gutem Willen beseelt waren. Man sollte hier keine Steine werfen, wenn man im Glashaus sitzt. Die SPD allein sitzt nicht im Glashaus. Trotzdem sollte auch sie keine Steine werfen. Wenn man die Rede von Reinhold Maier liest, so sieht man ja die Vorbehalte, aus denen sie ausschließlich bestand. Den guten Willen, den man den damaligen Männern zugestehen sollte, sind wir auch heute jedem zuzugestehen bereit, nur wird es uns schwergemacht, schwergemacht von der Fraktion der CDU/CSU. Ich rede nicht von den Zwischenrufen, die nicht bis hierher durchdringen, die wir von unseren Nachbarn zu hören bekommen und die wir allmählich gewöhnt sind; es macht uns nichts mehr aus. Aber es ist leider so - es wurde schon mehrfach der französische Philosoph Le Bon zitiert -, daß höchst ehrenwerte Mitglieder des Hauses sich in eine Masse verwandeln, so daß es wirklich nicht verwunderlich ist, wenn beim Kollegen Erler die Erinnerung an jene makabre Szene im Sportpalast hochgestiegen ist. ({3}) Sie ist mir ungewollt auch gekommen, das gebe ich ohne weiteres zu. Man ließ Herrn Dr. Reinhold Maier zu Anfang leider kaum zu Wort kommen. Nun, wer ist Herr Dr. Maier? Herr Dr. Maier war lange Zeit Ministerpräsident in Württemberg-Baden, dann in BadenWürttemberg. Er gehört genauso wie der Herr Bundeskanzler, dessen Verdienst ich gar nicht bestreite, zu den Männern, die das aufgebaut haben, was wir heute haben. Ich höre es eigentlich nicht gern, wenn gesagt wird: Daß Sie hier frei sprechen können, verdanken Sie dem Bundeskanzler, der CDU oder sonstwem. Damit sagt man ja eigentlich, daß das ganze deutsche Volk nichts weiter gewollt hätte, als sich mit fliegenden Fahnen dem Osten in die Arme zu werfen, und es nur das Verdienst einer Partei oder eines Mannes sei, daß das nicht geschehen sei. Nein, an diesem Verdienst sind sehr viele beteiligt, und darunter auch Herr Dr. Maier. Der schwäbische Humor ist hier nicht ganz richtig angekommen. Herr Bundesverteidigungsminister, wenn hier vom „Reichskriegsminister" die Rede war, dann bitte ich doch die Nuance zu beachten. Herr Dr. Maier hat sich nicht der östlichen Redewendung vom „Kriegsminister" bedient, sondern er hat vom „Reichskriegsminister" gesprochen und damit auf die Vergangenheit angespielt. Sie können sich also hier Vorbilder heraussuchen von Roon bis Blomberg. Sie machen es uns auch schwer, von der Basis des guten Willens auszugehen, wenn z. B. hier die Kernsätze des Herrn Bundeskanzlers wahllos beklascht werden, Kernsätze, die Sie als große Einfachheit bezeichnen, die wir aber schlankweg als Platitüden bezeichnen müssen. ({4}) Es ist doch allmählich eine Unzumutbarkeit und beinahe eine Unverschämtheit gegenüber diesem Haus, wenn Jahr für Jahr bei jeder außenpolitischen Debatte erklärt wird, die Lage sei so ernst wie noch nie. ({5}) Diesmal haben wir nur den kleinen Trost, daß schon im voraus gesagt wurde, in den nächsten zwei Jahren werde sie noch ernster; also werden wir diesen Satz wenigstens zwei Jahre lang nicht mehr hören. Einfachheit ist freilich etwas Schönes, um einfache Dinge zu behandeln. Aber komplizierte Dinge, wie die Frage der Atomrüstung eines ist, kann man eben nicht einfach behandeln. Wer sie einfach behandelt, der versündigt sich dabei. Oder ist es nicht eine Versündigung am deutschen Volke, wenn man zunächst den Versuch macht, ihm einzureden, die Atomwaffen seien nur eine Fortentwicklung der Artillerie? Warum denn dieser Versuch? Warum die Bemäntelung? Warum die kunstvolle Verpackung, die Sie in dem jetzt vorgelegten Entschließungsantrag der CDU der Sache geben, wenn man ein so gutes Gewissen dabei hat? ({6}) Es ist wirklich furchtbar einfach - terriblement, wie Le Bon sagt -, wenn man so diese Dinge behandelt. Erzählen Sie so etwas einmal in Japan, Wir haben gottlob kein Hiroshima gehabt ({7}) durch einen glücklichen oder unglücklichen Zufall, wie man es nimmt, durch den Zufall, daß der zweite Weltkrieg am 9. Mai 1945 zu Ende war. Das hat verhindert, daß der Atombombenprobeabwurf über Deutschland stattfand; er fand über Japan statt. Sollen wir tatsächlich in die Lage versetzt werden, zynischerweise zu sagen: leider hatten wir kein Hiroshima? ({8}) - Das ist eine Frage. ({9}) - Es wäre vielleicht nicht unangebracht, wenn sich einmal eine Delegation dieses Bundestages Hiroshima ansähe; es liegt nicht weit von Formosa. ({10}) - Es freut mich, daß Sie mir jedenfalls in Geographie Kenntnisse zubilligen, Herr Majonica, nachdem ich nicht einmal dort war. ({11}) Da wir schon von Formosa reden, komme ich auf die neue Erfindung - so ganz neu ist sie nicht -von Herrn Dr. Jaeger, dieses zahme, hübsche, kleine Atombömbchen, das er sich ausgedacht hat. Ich muß sagen, das kommt mir sehr irreal vor. Es ist so, wie wenn zwei Rennfahrer erkennen, daß das, was sie da betreiben, eine gefährliche Raserei ist, da immer wieder Unfälle passieren, und sich einig werden: wir fahren nur noch 100 km in der Stunde. Wie lange, glauben Sie, daß die das durchhalten, wenn es um den Sieg geht? Was soll uns diese kleine gezähmte Atombombe nützen, wenn die Gegenseite - sie wird sich nicht daran halten - große wirft? Genau dieselbe Frage stellt sich im Verhältnis der gewöhnlichen Atombombe, der nuklearen, zur Wasserstoffbombe. Auch hier wird es doch letzten Endes darauf ankommen, daß der Westen die Wasserstoffbombe als Abwehrmittel gegen die Sowjetunion hat, und nicht darauf, daß nun hier in der Bundesrepublik Atombomben gelagert sind. Es ist ja überhaupt seltsam, daß wir uns in dieser Weise darum reißen, während andere westliche Länder absolut nicht diese Beflissenheit erkennen lassen - Norwegen ist bereits genannt worden - und vor allem nachdem ja außer der Sowjetunion die Staaten des Ostblocks - China eingeschlossen - auch noch keine Atomwaffen haben. Das sollte doch beachtet werden, bevor man zu so gefährlichen Schritten kommt. Nun kommt immer wieder das Argument - das Herr Dr. Gerstenmaier vertritt und auch heute vertreten hat -, die NATO müsse im ganzen gleichmäßig ausgerüstet sein, weil ja die einzelnen Staaten, die einzelnen Armeen in die NATO integriert seien. - Ich wünschte zunächst einmal, daß das Wort Integration aus unserem Sprachschatz verschwinden möchte. Es ist nämlich eines der Fremdwörter, unter denen man sich sehr viel oder auch gar nichts vorstellen kann. ({12}) Aber wenn wir nun bei dieser Integration bleiben - sagen wir auf deutsch: Zusammenschluß -, muß es tatsächlich sein, daß alle gleich ausgerüstet sind? Man kann verlangen, daß alle Mitglieder der NATO die gleichen Opfer bringen, die gleichen Aufwendungen machen. Jawohl, das ist richtig. Aber warum alle gleich ausgerüstet sein sollen und warum auch hier nicht Gleiches gleich und Ungleiches ungleich behandelt werden soll, ist doch schlechterdings nicht einzusehen. So lautete ja die erste Theorie zur Verteidigung Europas - es war die Schild-Schwert-Theorie -: Wir stellen in Europa den Schild, bestehend aus konventionellen Waffen, die USA das atomare Schwert. Eine vernünftige Vorstellung. Was droht daraus zu werden - Herr Dr. Mende hat den Zwischenruf „Atomanarchie" gemacht -, wenn alle die Atomwaffen haben? Oder ist nicht zum mindesten zu befürchten, daß umgekehrt wir, der Festlandsschild, das Festlandsschwert zu werden im Begriffe sind? Man sagt, wir bringen Vorleistungen. Wir bringen keine Vorleistungen, wenn wir auf die Atomwaffen verzichten; denn ein Verzicht bedeutet ja einmal nicht, daß wir aus der NATO austreten, und er bedeutet zum zweiten nicht, daß er unwiderruflich ist. Wer keine Atomwaffen hat, der kann sie sich noch anschaffen. Wer sie aber einmal hat, der wird sie bei der bekannten Beharrungsfähigkeit militärischer Einrichtungen sehr schwer wieder loswerden. ({13}) Wir haben sonst schon genügend Vorleistungen in anderer Richtung gebracht. Wir wollten mit der EVG eine Vorleistung bringen. Sie wurde uns von Frankreich nicht abgenommen. Wir wollten mit dem Saarstatut eine Vorleistung bringen. Die Saarbevölkerung hat dadurch einen Strich gemacht. Wir haben mit der Montanunion, der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft - der ja leider auch die SPD zugestimmt hat - ganz erhebliche Vorleistungen gebracht. Hier geht es ja nicht zuletzt um die Frage der Wiedervereinigung. ({14}) Wir wollen keine Vorleistungen für sie bringen; aber wir müssen bereit sein - und das darf ich wohl sagen, nachdem es auch Herr Minister Lemmer gesagt hat -, hier ein gewisses Risiko einzugehen. Denn laufen wir etwa kein Risiko, wenn wir in der Bundesrepublik Atomwaffen haben? Ich möchte nicht darauf verzichten, zu wiederholen, was mein Kollege Kreitmeyer am Samstag gesagt hat und was etwas untergegangen ist. Er zitierte die Ausgangslage zu dem NATO-Monöver „Schwarzer Löwe" im Jahre 1957. Mit Genehmigung des Herrn Präsidenten darf ich hier zitieren: Mehrere westdeutsche Großstädte waren schwer getroffen worden. Frankfurt war verwüstet, in Hamburg und Bremen hatten die sowjetischen Atomwaffen große Zerstörungen angerichtet, die Häfen der beiden Hansestädte waren unbrauchbar geworden. Auch Köln mit seinen Rheinbrücken war stark zerstört. Ein riesiger Flüchtlingsstrom ergoß sich aus den getroffenen und gefährdeten Großstädten der Bundesrepublik auf das Land. Sowjetische Streitkräfte waren in Norwegen gelandet und drangen in Griechenland ein. In Deutschland überschritten sie die Zonengrenze an mehreren Stellen. Am frühen Abend des Mittwochs letzter Woche standen die sowjetischen Panzerkeile . . . wenige Kilometer vor dem brennenden Frankfurt. Starke sowjetrussische Panzerspitzen operierten im Raum zwischen Elbe und Weser. Schleswig-Holstein war von den übrigen Teilen der Bundesrepublik abgeschnitten. Die NATO-Truppen hatten durch den sowjetischen Atomschlag schwere Verluste erlitten. . . . Zusammen mit ihren NATO-Verbündeten zogen sie sich langsam vor dem nachdrängenden Gegner zurück. Angesichts dieser Lage gab das atlantische Hauptquartier den Befehl, ebenfalls Atomwaffen einzusetzen. Bis zum Abend des Mittwochs letzter Woche waren über Mitteleuropa insgesamt mehr als 100 Atombomben abgeworfen worden. Aber, meine Damen und Herren, ich sehe, meine Zeit ist abgelaufen. Mögen Sie und mögen wir nie in die Lage kommen, zu bereuen, daß man sich nicht doch noch länger über den „Schwarzen Löwen" unterhalten hat. ({15})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Meine Damen und Herren, da wir unmittelbar vor 13 Uhr stehen, werden wir jetzt in die Mittagspause eintreten. Ich bitte aber, noch einen Augenblick zuzuhören. Bevor wir in die Pause eintreten, habe ich noch eine unerfreuliche Pflicht des Präsidenten zu erfüllen, erst aus dem Protokoll ersichtliche, in der letzten Sitzung begangene Verstöße gegen die Ordnung und Würde des Hauses zu ahnden. Der Abgeordnete Wehner hat ein Mitglied dieses Hauses einen „Ehrabschneider" genannt, der Abgeordnete Welke hat ihn einen „ausgemachten Strolch" geheißen, und der Abgeordnete Dr. Mommer hat ihn als den „schlimmsten Lümmel in diesem Hause" bezeichnet. Ich rufe die genannten Abgeordneten zur Ordnung. Der Abgeordnete Dr. Menzel hat in dem gleichen Zusammenhang eine Äußerung getan, die ich, wenn ich sie gehört hätte, hätte rügen müssen. Ich vertage die Sitzung auf 14 Uhr 30. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Die unterbrochene Sitzung wird fortgesetzt. Das Wort hat der Abgeordnete Schneider ({0}).

Herbert Schneider (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002045, Fraktion: Deutsche Partei (DP)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die außenpolitische Debatte, die in den letzten Tagen in diesem Hause stattgefunden hat, hat - ich glaube, da stimmen wir alle in diesem Hause überein - die gesamte deutsche Offentlichkeit, ja, man kann sagen: die Weltöffentlichkeit aufgewühlt. In Schneider ({0}) einem Leitartikel der Tageszeitung „Die Welt" stand in diesen Tagen zu lesen, daß wir unter Umständen nach den Debatten über die hier anstehenden Fragen nicht mehr in jene politische Vorstellungswelt zurückkehren würden, wie wir sie vor dem 20. Januar dieses Jahres gekannt haben. Nun, ich möchte zwar nicht so weit gehen, aber ich glaube, daß bei der Erörterung der außenpolitichen Lage in diesem Hause manches gesagt worden ist, was darauf hindeutet, daß wir uns mit Dingen, mit denen wir uns inzwischen hätten auseinandersetzen müssen, nämlich auch mit den dunklen Stellen in unserer eigenen Geschichte, nicht auseinandergesetzt haben. Das mag mit ein Grund dafür sein, daß sich die Geister an verschiedenen Fragen so heftig entzündet haben. Ich stimme mit dem Kollegen Professor Carlo Schmid überein, der sagte, man solle sich auch zu den dunklen Stellen in der eigenen Geschichte bekennen. Ich möchte ergänzen: es ist notwendig, sich mit diesen dunklen Stellen offen und freimütig auseinanderzusetzen und nicht den Mantel des Tabus über sie zu breiten. Die Erregung über das Für und Wider speziell der Frage der atomaren Bewaffnung der Bundeswehr ist aber auch in den Parteien selbst tief aufgeklungen. In der Tat kann ich, glaube ich, sagen, daß die Prüfung des Gewissens gerade in diesem Hause in allen Fraktionen wohl niemals so tiefgehend gewesen ist wie bei der Entscheidung, die dieses Haus heute zu fällen hat. Wir sollten uns bei aller Heftigkeit der Argumente und Gegenargumente nicht gegenseitig vorwerfen, daß dieser oder jener mit einer Handbewegung über diese Dinge hinweggeht. Wir sollten vielmehr grundsätzlich davon ausgehen, daß sich jeder in diesem Hause, gleichviel ob er links, in der Mitte oder rechts sitzt, von der tiefgehenden Sorge um das Wohl unseres Volkes und Vaterlandes leiten läßt. ({1}) Dann allerdings muß ich - wenn Sie so wollen - in das politische Streitgespräch mit der Bemerkung eintreten, daß manches, was in den verflossenen Tagen zu dem hier anstehenden Thema gesagt worden ist, leider Gottes den Beifall der Machthaber auf der anderen Seite der Zonengrenze in erheblichem Umfang gefunden hat. Ich sage das sine ira et studio und mache keinem im Hause den Vorwurf, daß er sich etwa mit den Argumenten dieser Machthaber identifiziere. ({2}) - Sie sehen, Herr Kollege, ich werde sehr deutlich. Es liegt nun einmal in der Natur der Sache, daß gewisse Vorstellungen sich dann und wann mit den Vorstellungen auch der demokratischen Parteien hier in Westdeutschland decken. Wir kennen die Sucht der Machthaber, der Presse und des Rundfunks auf der anderen Seite der Elbe, jede, auch die kleinste Gelegenheit wahrzunehmen, um ihrer eigenen Bevölkerung klarzumachen, wieweit man hier in unserem Lande schon mit den Auffassungen da drüben übereinstimme. Dieser Nebel muß zerrissen werden, und es muß eindeutig von dieser Stelle aus festgestellt werden, daß wir alle samt und sonders mit den Machthabern, ihrem System und ihren Methoden nicht das geringste zu tun haben. Allerdings werden auch die Machthaber, die hinter den Machthabern der Zone stehen, ich meine die Sowjets, sich bei der Durchsicht der Argumente, die von dieser Stelle aus vorgetragen worden sind, da und dort freuen und mit dem Finger darauf weisen, werden glauben, daß es nun vielleicht nicht nötig sei, Konzessionen zu machen, da man ja in Westdeutschland in entscheidenden Fragen, verzeihen Sie bitte das etwas drastische Wort, im eigenen Saft schmore, und daß man getrost warten könne, bis einem die reife Frucht kostenlos in den Schoß falle. Insoweit ist es, glaube ich, bedauerlich, daß wir hier nicht zu einer, nun, wenigstens gemeinsameren Auffassung gekommen sind, als sie sich in den Debatten der letzten Tage gezeigt hat. Wir haben hier in den letzten Tagen viel von Gesamtdeutschland gesprochen. Aber es gab Redner, die den Spiegel nur der westdeutschen Regierung vor das Gesicht gehalten haben, und es hat manchmal der Eindruck aufkommen können, als seien in Wahrheit wir die Störenfriede und als seien wir schuld daran, daß es nicht vorangeht mit der deutschen Frage, mit der Wiedervereinigung, mit der Abrüstung, mit der Entspannung. Es darf aber nicht der Eindruck aufkommen, daß wir die Schuldigen seien, weil wir es effektiv nicht sind, es darf nicht der Eindruck aufkommen, als säßen die Engländer auf der anderen Seite der Elbe und hier säßen die Schuldigen. ({3}) Der Herr Kollege Heinemann, der hier eine sehr sachliche Rede gehalten hat - das muß ich ihm bescheinigen -, hat wiederum auf die Note der Sowjetunion von 1952 abgestellt und, aus welchen Gründen auch immer, erneut unterstrichen, daß damals die Bundesregierung eine Chance verpaßt habe. Meine Damen und Herren, sowenig wie wir uns hier in diesem Hause gegenseitig unterstellen sollten, dieser oder jener sei nach mehr oder weniger demokratischen Grundsätzen angetreten, sowenig sollten wir einander in diesem Hause auch unterstellen, daß dieser oder jener, daß diese oder jene Partei oder Fraktion die Wiedervereinigung mehr oder weniger wolle. Es gibt niemanden in diesem Hause und es gibt, glaube ich, im gesamten deutschen Volk dieseits und jenseits der Grenze niemanden, der diese Wiedervereinigung nicht mit heißem Herzen wollte. Wir sollten diese Vorwürfe unterlassen. Die Opposition sollte auch die Vorwürfe an die Regierung unterlassen, daß diese es unterlassen habe, eine entscheidende Note auf ihren Inhalt gründlich genug zu prüfen, so daß dadurch ein wichtiger Schritt in der deutschen Frage versäumt worden sei. Meine Freunde und, ich nehme an, auch unsere Freunde von er CDU/CSU werden, gerade nachdem von der Opposition vor einiger Zeit dieses Thema hochgespielt worden ist, diese Note sicherlich noch einmal sehr eingehend unter die Lupe genommen und dabei festgestellt haben, daß es nichts auf sich hat mit diesen Beschuldigungen, daß es nichts auf sich haben kann, Schneider ({4}) ja daß nicht einmal die Vermutungen, daß hier etwas verpaßt worden sei, zu Recht in die Welt gesetzt wurden. Letzten Endes kann ich der Opposition den Vorwurf nicht ersparen, daß auch sie uns die letzte Antwort darauf schuldig geblieben ist, welchen konkreten Weg es für die Wiedervereinigung Deutschlands gibt. Es genügt nicht, die an der Regierung Befindlichen zu kritisieren, zu behaupten, daß sie nichts unternommen hätten. Es ist Sache einer konstruktiven Opposition, gleichzeitig selbst konstruktive Vorschläge zu machen. ({5}) Abgesehen von den Gedanken, die aus den Reihen der Regierungskoalition in den letzten Monaten und Jahren zu diesem Thema geäußert worden sind, vermag ich keinen Plan, vermag ich kein Patentrezept zu sehen, das uns der Wiedervereinigung auch nur einen Schritt näherbringen könnte. Somit kann das, was Herr Abgeordneter Dr. Gerstenmaier heute vormittag gesagt hat, daß nämlich der Schlüssel für alle diese Fragen letzten Endes in Moskau liegt, nur unterstrichen werden. Natürlich muß man auch das Wort des Herrn Bundestagspräsidenten unterstreichen, daß es bei der derzeitigen Situation besonders darauf ankomme, menschliche, persönliche Kontakte zu entwickeln. Meine Damen und Herren, ich glaube, darüber braucht kein Wort verloren zu werden; es könnte sonst vielleicht sogar bei den Menschen der Zone falsch aufgefaßt werden. Aber wenn ich hier festgestellt habe, daß es keinen konkreten Plan dafür gibt, wie man morgen diese Wiedervereinigung bewerkstelligen kann, dann möchte ich nicht so verstanden werden, als ob wir etwa resignieren wollten. Nein, wir müssen alle zusammen von links bis rechts immer wieder nicht nur unsere Verbündeten, sondern die ganze Welt darauf hinweisen, daß in dieser Frage von deutscher Seite keine Ruhe gegeben werden wird und auch nicht gegeben werden kann, und zwar aus Verantwortung für den Weltfrieden und für eine Entspannung schlechthin. ({6}) Herr Kollege Heinemann hat heute morgen gesagt, daß der Atomwettlauf endlich zum Stehen kommen müsse. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe gleich zu Beginn meiner Rede gesagt, daß wir alle unser Gewissen ernsthaft geprüft haben, und wir teilen mit Herrn Heinemann und seinen Freunden sogar grundsätzlich die tiefe Sorge, die mit einer solchen Bewaffnung verbunden ist. Aber wir sehen die politische und militärische Realität nüchterner, als der Kollege Heinemann und die Opposition es tun. Nicht der Verzicht der Bundesrepublik auf die atomare Bewaffnung der Bundeswehr, die ja im übrigen zur Stunde noch gar nicht beschlossen ist, ist entscheidend. Sehr wohl kann aber entscheidend sein der Verlust an Sicherheit und Verteidigungsbereitschaft, der eintreten könnte, wenn wir unsere Soldaten diskriminieren, d. h. sie nicht mit jenen Waffen ausrüsten, mit denen sie einem potentiellen Gegner gegebenenfalls gegenübertreten müssen. Meine Damen und Herren, ich möchte meine Bemerkung von vorgestern wiederholen: Wir wollen die Atomwaffen nicht, es sei denn, die russische Politik drückt sie uns in die Hand, und ich versichere Ihnen: wir wollen sie auch nicht durch die Hintertür. Wir wollen sie nicht, es sei denn, die russische Politik drückt sie uns in die Hand. Und, meine Damen und Herren, können wir nicht allesamt darauf verweisen, daß wir in den letzten Jahren mit der Bewaffnung gezögert und gezögert haben, um Verständigung und Entspannung zu fördern? Aber was hat die Sowjetunion getan? Sie ist nicht einen Zentimeter von ihren Forderungen abgewichen, und wenn wir einmal glauben konnten, daß wir durch einen Verzicht oder durch eine Geste den Sowjets wenigstens bedeuten konnten, daß auch wir zu Konzessionen bereit seien, sind sie mit neuen überspitzten Forderungen gekommen, die weder von uns noch unseren Verbündeten akzeptiert werden konnten. Trotzdem, wir wollen verhandeln, wir wollen sprechen, wir wollen feststellen, wo das Mißtrauen besteht und wo es beseitigt werden kann, jenes Mißtrauen, das die Welt vergiftet. Aber wenn heute morgen gesagt wurde, daß Deutschland seine eigene Sicherheit im Zustand der Spaltung aus eigener Kraft nicht mehr zu gewährleisten vermag und daß deshalb das Bündnis gesucht werden mußte, dann ist das eine Binsenwahrheit, die man nur noch einmal aussprechen muß, weil von anderer Seite die Dinge immer wieder auf den Kopf gestellt werden, ganz abgesehen davon, daß wir ja auch auf ein demokratisches Votum der deutschen Wählerschaft hinweisen können, die für diese Politik des Bündnisses mit dem Westen und damit der Freiheit ausdrücklich ihr Plazet gegeben hat. Wir haben doch die Verweigerung des Selbstbestimmungsrechts für die Deutschen in den letzten Jahren weiß Gott nicht mit gleicher Münze heimgezahlt. Wir haben Ruhe und Besonnenheit bewahrt, trotz des wachsenden Militärpotentials der Zone und des Ostblocks schlechthin. Wir haben unsere Bereitschaft zur Abrüstung in den letzten Jahren in großen Debatten, in Reden, in Rundfunkansprachen usw. wieder und wieder bekundet. Trotzdem warten wir bis heute vergeblich auf ein Signal der Sowjetunion, auf ein Signal zur Entspannung. Statt dessen werden uns immer wieder neue Forderungen präsentiert. Da die atomare Bewaffnung der Bundeswehr nicht in anderthalb bis zwei Jahren effektuiert werden kann - wie hier heute auch schon gesagt wurde -, kann ich meine Worte von vorhin nur noch unterstreichen: daß wir sie nicht wollen, es sei denn, die russische Politik zwingt sie uns auf. Die Politik geht ihre eigenen Wege, und niemand weiß, was morgen ist. Gewiß hat der Herr Bundeskanzler in den Reden der vergangenen Tage das Beispiel der NATO manchmal etwas sehr simplifiziert, wie es seine großartige Art ist, sich den Leuten sehr leicht verständlich zu machen. Aber ich wiederhole: Entweder dieses Westbündnis und dann die Freiheil Schneider ({7}) - oder kein Bündnis und dann die Unfreiheit und den Bolschewismus! Wir sollten auch nicht den Weg vergessen, den wir in den letzten Jahren gegangen sind und der nicht nur zu einem formalen Bündnis geführt hat, sondern zur Freundschaft unter ehemaligen erbitterten Kriegsgegnern. Auch das muß man der Offentlichkeit immer und immer wieder ins Gedächtnis zurückrufen. Die Zeiten, da die Vision blutiger Kriege aus nationaler Übersteigerung am Horizont stand, sind endgültig vorbei, jedenfalls in Europa vorbei. Nicht nur die Grenzen Europas sind zu eng geworden, sondern, was viel wichtiger ist, die Vernunft unter den europäischen Völkern hat gesiegt. Meine Freunde von der Deutschen Partei haben in den letzten Jahren, besonders seit der Konstituierung der ersten Bundesregierung, immer mit in vorderster Front gestanden, wenn es darum ging, die Verständigung unter den Völkern, speziell unter den ehemals feindlichen europäischen Völkern, zu fördern. Es war der Parteivorsitzende der DP, der einmal sagte, daß man, um ein guter Deutscher sein zu können, ein guter Europäer sein müsse. Jedenfalls steht fest: einen Erfolg hat diese Politik der letzten Jahre zumindest gehabt, nämlich den, daß eine kriegerische Auseinandersetzung unter uns Bündnispartnern ausgeschlossen ist. Ich stimme dem Herrn Kollegen Heinemann deshalb auch bei, wenn er sagte, daß wir an die Stelle der ehemaligen Erbfeindschaft zu Frankreich nicht etwa die Erbfeindschaft zum Osten setzen sollten. Ich habe in der letzten Debatte gesagt: Alle Nationen haben Fehler begangen. Herr Kollege Schmid hat es dahin ergänzt:... haben Verbrechen begangen. Ich habe gesagt, Deutschland sei nicht allein schuld am Kriege. Ich kann das leidenschaftslos wiederholen, leidenschaftslos als einer, der sechs Jahre lang im Kriege seine Pflicht für das Volk und das Vaterland getan hat. ({8}) Aber wir sollten einen Strich unter all das ziehen. Wir sollten weder mit dem Osten noch mit dem Westen gegenseitig aufrechnen, was wir uns in den vergangenen Jahrzehnten oder Jahrhunderten angetan haben. Gerade angesichts der Weltlage können und dürfen wir uns nicht immer wieder diese Rechnung gegenseitig aufmachen. ({9}) Ich glaube, daß wir Deutschen einen besonderen Beitrag zur Völkerverständigung, zur Bereitschaft und zur Freundschaft unter allen Völkern der Erde zu leisten bereit sind, gerade wir, die wir durch das Erlebnis des Krieges und der Nachkriegszeit gegangen sind, und wenn ich sage „allen Völkern", dann schließe ich ganz bewußt - eventuell auch gegen einen Protest des amtlichen Bonn - die Oststaaten ein. Meine Damen und Herren, daß wir existieren - das muß ganz deutlich gesagt werden -, ist letzten Endes dem gesunden und anständigen Sinn und der Arbeitsamkeit aller Bürger unseres Staates und Volkes zu verdanken. Es steht fest, daß das deutsche Volk Sicherheit, Freiheit und Frieden will. Daran vermag niemand zu rütteln. Es steht auch fest, daß es weder einen Atomtod aus russischer noch aus amerikanischer noch aus sonstiger Hand will. Daher müssen wir die Frage an die Sowjetunion richten: will sie wirkliche Entspannung unter Verzicht auf die Eroberung weiterer Machtpositionen in Europa und in der Welt? Darauf muß von den Sowjetrussen endlich eine deutliche und klare Antwort gegeben werden. Beschwören möchte man die Machthaber des Kreml, nicht nur an die eigene Macht, sondern auch an ihr eigenes Volk zu denken, an ihr eigenes russisches Volk, dessen Schicksal mit den Schicksalen der Völker der übrigen Welt engstens verknüpft ist und nicht davon gelöst werden kann. So, wie die Dinge zur Zeit liegen, werden wir uns zwar keinem Gespräch entziehen, auch nicht mit unbequemen Partnern, wir werden aber gleichzeitig einen moralischen, wirtschaftlichen, politischen und militärischen Widerstand aufrichten, der uns davor bewahrt, unter das kommunistische Joch zu geraten. Das sind wir, die wir die Regierungsverantwortung tragen, unserem deutschen Volk schuldig. Wieder möchte ich von dieser Stelle - ich werde es immer wieder tun - das böse Wort von der Politik der Stärke zurückweisen, das heute erneut gefallen ist. Es ist keine Politik der Stärke angesichts eines potentiellen Gegners, der sich selbst bis an die Zähne bewaffnet - eine Bewaffnung, über die man allerdings schamhaft von diesem Platz aus schweigt -, sondern es ist einfach die Politik der Selbstbehauptung und der Festigkeit, eine Politik, zu der jede Regierung verpflichtet ist, wenn sie die Verantwortung für das Wohl und Wehe ihres Volkes übernommen hat. ({10}) Ich frage die Kritiker dieser Regierung, warum sie die Elle der Kritik nicht an jene legen, die niemals von den Dingen da drüben sprechen, auch nicht von dem militärischen Potential, das uns auf der anderen Seite gegenübersteht. Wenn Herr Chruschtschow hier im Hause wäre, würde ich ihm folgendes sagen: Willigen Sie ein in die Entspannung durch Abrüstung, und willigen Sie ein, dieses Ergebnis in einer europäischen Sicherheitsordnung zu festigen? Willigen Sie ein, in dieser Sicherheitsordnung dem deutschen Volk seinen Platz zuzugestehen, ihm seine Selbstbestimmung zu geben, zu diesem seinem Platz ja zu sagen, weil es das Ja zu einer Ordnung ist, die das deutsche Volk nicht diskriminiert, sondern es nur so einordnet wie andere Völker auch? Lassen Sie dann, wenn die Ordnung dieses Sicherheitssystems als Frucht und als Ergebnis der Entspannung verbindlich gesetzt ist, die Deutschen über ihre Wiedervereinigung selbst entscheiden, ohne Ihre militärischen Mittel einzusetzen, um den Willen der Deutschen durch Drohung und Gewalt zu bestimmen! Schneider ({11}) Lassen Sie uns nach unserer Fasson selig werden; dann haben Sie 70 Millionen Deutsche zu Freunden und nicht zu Feinden. Sagen Sie: „Ich werde nicht drohen, und ich werde weder Panzer noch Raketen loslassen, wenn die Deutschen ihre Angelegenheiten ordnen, und ich werde zustimmen, daß die Deutschen so in die Sicherheitsordnung Europas gehen werden, daß sich niemand bedroht fühlen kann, weder der Westen noch der Osten." - Sir, geben Sie Gedankenfreiheit den Völkern, die nichts anderes wollen, als so zu leben, wie sie es gewohnt sind und wie sie es selbst wünschen. Und wenn Sie nicht wollen, Herr Chruschtschow, dann sollen Sie wissen, daß Sie mit dem letzten Widerstand rechnen müssen. Sie haben das Schicksal der ganzen Welt mit in der Hand. Stimmen Sie dem zu, was die Vernunft gebietet, und Ihnen wird die Dankbarkeit aller Völker der ganzen Erde gewiß sein. Rußland wird leben, und wir werden auch leben. Sie haben es in der Hand. Die Völker werden Sie segnen, wenn Sie sich zu diesem Entschluß durchzuringen vermögen. Wir Deutsche werden Rußland danken und in dieser großen Nation stets einen Freund sehen! ({12})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Meine Damen und Herren, zur Vermeidung von Mißverständnissen: der Abgeordnete Schneider ({0}) hat über seine Zeit hinaus gesprochen, weil ihm die Zeit von der CDU/CSU-Fraktion zur Verfügung gestellt wurde. Das Wort hat der Abgeordnete Ollenhauer.

Erich Ollenhauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001646, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nach der sehr ausführlichen Debatte in den letzten Tagen doch noch einmal daran erinnern, wie wir eigentlich zu dieser Aussprache gekommen sind. Einfach deshalb, weil man in der Auseinandersetzung, die hier im wesentlichen über die Frage der Wiedervereinigung Deutschlands und der atomaren Ausrüstung der Bundeswehr geführt wurde, geflissentlich vermieden hat, darüber zu sprechen, was eigentlich der Zweck dieser Debatte sein sollte. Wie ist sie zustande gekommen? Auf Beschluß der CDU/CSU-Fraktion. Dieser Beschluß wurde gefaßt, weil man es für nötig hielt, für die Debatte am 23. Januar hier eine Art von Revanche zu üben. Es war nach den Intentionen und Vorbereitungen der größten Fraktion dieses Hauses geplant, in dieser Debatte eine parteitaktische und parteipolitische Abrechnung mit der Sozialdemokratischen Partei vorzunehmen. ({0}) Nachdem feststeht, daß dieser Versuch nicht gelingt, ({1}) möchte ich die Initiatoren dieser Debatte an ihren Ausgangspunkt erinnern. Ich sage das nicht nur, um diese Feststellung zu treffen, sondern auch deshalb, weil es eine denkbar schlechte Sache gewesen ist, daß wir hier über Lebensfragen unseres Volkes unter dem Gesichtspunkt sehr begrenzter, taktischer Überlegungen der herrschenden Regierungspartei diskutiert haben. ({2}) Man hat hier am Samstag - es geschah vor allem in der Rede des Kollegen Kiesinger- über die Art der Argumentation und den Ton Beschwerde geführt. Herr Kiesinger hat gesagt, er schäme sich für das Parlament, ({3}) daß man nach der Rede meines Freundes Helmut Schmidt - ({4}) - Sehen Sie, deswegen habe ich es gesagt. ({5}) Die Mahnung des Kollegen Kiesinger hätte sicher viel mehr Gewicht gehabt, wenn er dieses Gefühl der Beschämung bei den Reden seiner Parteifreunde Strauß und Jaeger empfunden hätte. ({6}) Da ist nämlich der eigentliche Ton herausgekommen, den Sie in dieser Debatte eigentlich wollten; da hat man so, wie man es nach dem Zettelkasten vorbereitet hatte, mit den üblichen Argumenten gegen die Sozialdemokratie losgezogen. ({7}) Es war etwas besser vorbereitet als das letztemal; aber trotzdem war der Erfolg sehr minimal. ({8}) Meine Damen und Herren, wenn sich aus dem Verlauf der Debatte, ihrer Art und auch der Verschärfung in den Gegensätzen in diesem Hause und in unserem Volk Konsequenzen ergeben, dann ist das die Verantwortung Ihrer Mehrheit und Ihrer Regierung. ({9}) Sie wissen, welche tiefe Erregung in der Bevölkerung über diese Debatte ist. ({10}) Sie wissen, wie tief die Menschen die Frage bewegt, ob die atomare Ausrüstung nun wirklich durchgeführt werden soll, ({11}) eine Erregung, die ja weit bis in Ihre Kreise hineingeht. ({12}) Ich hoffe, daß Sie sich bewußt sind, wenn Sie heute Abend nach Ihrem Willen hier abstimmen, daß, wenn Sie die atomare Ausrüstung der Bundeswehr beschließen, Sie damit einen Beschluß fassen gegen die Mehrheit Ihrer eigenen Wähler vom 15. September. ({13}) Ich kenne auch das Wort des Herrn B und e s -k a n z 1 e r s in Ihren Besprechungen: „Ich habe die Wahlen von 1949 und 1953 ohne die Atomwaffen gewonnen, ich werde die Wahl 1961 auch mit den Atomwaffen gewinnen." ({14}) Ich glaube, hier wird die grundsätzliche Bedeutung der Entscheidung, vor der wir stehen, geflissentlich übersehen oder nicht richtig eingeschätzt. ({15}) Meine Damen und Herren, ich glaube, die Sozialdemokratie hat ein Recht, diese kritischen Bemerkungen zu machen. Denn in der Unterhaltung, die ich auf Wunsch des Herrn Bundeskanzlers mit ihm vor dieser Aussprache hatte, habe ich die Auffassung unserer Fraktion vertreten, daß es uns in diesem Augenblick nicht zweckmäßig erscheine, eine außenpolitische Debatte zu führen, und zwar mit Rücksicht darauf, daß die gegenwärtigen internationalen Verhandlungen von so großen inneren Schwierigkeiten begleitet sind und so diffizil sind für alle Beteiligten, daß es besser wäre, über die Einzelheiten der Überlegungen der Regierung und der Fraktion im internen Bereich des Außenpolitischen Ausschusses zu sprechen. Wir wollten der Debatte hier nicht ausweichen aus irgendwelchen parteitaktischen Überlegungen, sondern wir hielten es für richtiger, Zeit zu gewinnen für die Vorbereitung der Debatte und für die Klärung der Situation, weil es sich hier um eine so entscheidende Stellungnahme des Parlaments handelt, wie wir sie seit der Gründung der Bundesrepublik noch nicht gefällt haben. ({16}) Wir hatten dieses sachliche Anliegen, aber wir haben dafür keine Unterstützung beim Bundeskanzler und bei Ihnen gefunden. Das ist Ihre Angelegenheit. Aber Sie hatten sich vielleicht vorgestellt, daß Sie die Entscheidung über die Ausrüstung der Bundeswehr mit atomaren Waffen hier sozusagen mit den konventionellen Waffen der CDU im Kampf gegen die Opposition gewinnen könnten. Sie haben das mit einigem Erfolg versucht. Sie haben die Redezeit in einem außerordentlich starken Maße in Anspruch genommen, ich meine auch in dem Sinne, daß Ihre Herren Minister von dem ihnen zustehenden Recht, jederzeit in die Debatte einzugreifen, einen sehr weitgehenden Gebrauch gemacht haben. ({17}) Es war ja nicht reiner Zufall, daß es immer so paßte, daß Sie oder Ihre Herren Minister in den Stunden sprachen, in denen Sie annahmen, daß Sie auf alle Fälle möglichst viele Menschen draußen am Rundfunk hören würden. ({18}) - Bitte, ich stelle das hier fest, damit man auch die Art der Betrachtungsweise wieder einmal herausstellt, mit der Sie an diese Debatte herangegangen sind. ({19}) Nun zur Sache. Meine Damen und Herren, wenn Sie in diesem Augenblick schon eine außenpolitische Debatte über die aktuelle Situation haben wollten, wenn Sie schon hier sprechen wollten über die atomare Ausrüstung und über die Stellung Ihrer Regierung zu den Fragen einer Gipfelkonferenz, zu der Behandlung der Frage der Wiederherstellung der Einheit Deutschlands im Rahmen der internationalen Gespräche, dann hätte man wohl erwarten können, daß Sie dann hier dem Parlament wenigstens sagen, welche konkreten Vorstellungen Sie als Regierung und Mehrheit für diese Verhandlungen haben. ({20}) Wir haben in den Reden unserer Sprecher an die Regierung, an den Herrn Bundeskanzler, an den Herrn Außenminister und an den Herrn Verteidigungsminister eine ganze Reihe von Fragen gestellt. ({21}) - Jetzt spreche ich von unseren Fragen an die Regierung. - Wir haben bis zur Stunde trotz sehr ausführlicher Reden Ihrer Herren Minister auf fast alle diese Fragen keine Antwort bekommen. ({22}) Meine Damen und Herren, es ist hier sehr viel über die Problematik, über Möglichkeiten, in dieser Situation zu handeln und sich zu entscheiden, gesprochen worden. Aber ich finde, es ist gut, wenn wir auf den Kern der Sache zurückkommen. Was ist die Politik der Regierung in dieser Lage? Die Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers im Anschluß an die Rede meines Freundes Herbert Wehner, eine sehr kurze Rede, waren dafür aufschlußreicher als manche lange Regierungserklärung. Denn da hat der Herr Bund e s k an z 1 er gesagt: Dann möchte ich noch einmal mit allem Nachdruck vor Ihnen und vor der deutschen Öffentlichkeit erklären, wie nach meiner Meinung unsere Aufgabenstellung ist. Wir haben zuerst die Verpflichtung, für die Sicherheit und die Freiheit der 52 Millionen Einwohner der Bundesrepublik zu sorgen. ({23}) Nur dann, wenn es uns gelingt, die Freiheit und die Sicherheit der Bundesrepublik zu gewährleisten, können wir mit Aussicht auf Erfolg auch an die uns im Herzen zutiefst bewegende Arbeit gehen, für die 17 Millionen Deutschen in der Ostzone zu sorgen, damit auch sie die Freiheit bekommen. ({24}) Und der nächste Satz: Der Westen jedenfalls darf nicht geschwächt werden. ({25}) - Sehr richtig? Wissen Sie, was das heißt? Das heißt: bewußter Verzicht auf jede aktive Politik der Wiedervereinigung, ({26}) das heißt: mit Vorrang jede Aktion und jede Entwicklung der NATO-Politik zu unterstützen, ohne Rücksicht auf die außergewöhnliche Situation des deutschen Volkes, das in zwei Teile getrennt leben muß. ({27}) Ich will Ihnen etwas sagen. Ich habe gegenüber dieser Erklärung des Herrn Bundeskanzlers keine andere Bemerkung zu machen als die: Wenn das der Sinn der Politik der Bundesregierung und Ihrer Mehrheit ist, bedeutet das das Ende der Wiedervereinigungspolitik der Bundesrepublik, ({28}) und es bedeutet die Einbeziehung der Bundesrepublik in den Todeskreis des atomaren Wettrüstens. ({29}) Ich will hier nichts an Argumenten wiederholen, die bereits vorher vorgebracht worden sind. Aber lassen Sie mich eines sagen. Es ist auch heute wieder von Ihrer Seite über die Frage der atomaren Ausrüstung diskutiert worden, als handele es sich tatsächlich nur um die Frage einer graduellen technischen Weiterentwicklung der Ausrüstung der Bundeswehr. Das ist einfach nicht wahr. Die Entscheidung, die Bundesrepublik in das atomare Wettrüsten einzubeziehen, ist bei dem Charakter dieser Massenvernichtungswaffen eine prinzipelle Entscheidung, unvergleichbar mit jeder Entscheidung über irgendeine technische Veränderung in der Ausrüstung der Bundeswehr. ({30}) Sie können den Tatbestand bestreiten oder verdunkeln, - Sie schaffen ihn nicht aus der Welt. So wie die atomare Ausrüstung außerdem auf uns zukommt, als ein integrierter Bestandteil der Militärpolitik der NATO, bedeutet sie im Grunde auch weitgehend das Ende der politischen Entscheidungsfreiheit dieser Regierung überhaupt. ({31}) Ganz abgesehen davon lohnt es sich doch vielleicht, einmal zu überlegen, ob wir tatsächlich freiwillig und ohne Zwang, wie es hier geschieht, uns in eine technische Entwicklung einbeziehen oder einbeziehen lassen sollten, die in ihren Konsequenzen unweigerlich die Kapitulation der Politik vor diesen Massenvernichtungsmitteln bedeutet, ({32}) und zwar nicht erst, wenn sie angewandt werden, sondern von dem Tage an, an dem sie im Besitz oder im Gebrauch der Streitkräfte in der Bundesrepublik sind. Ich hoffe, daß Sie bei Ihrer Entscheidung diese alles überragende prinzipielle Bedeutung der Entwicklung einbeziehen. Was ich bedauere, ist, daß z. B. in dieser Lage die Bundesregierung und anscheinend auch Sie sich nicht bereit finden können, vor der Entscheidung ernsthaft nach einem Ausweg zu suchen, der eine solche Ausrüstung der Bundeswehr vermeidet. Wir sind in keiner Zwangslage. ({33}) Es ist hier gesagt worden, wir dürften auf die atomare Ausrüstung nicht verzichten, weil das mit unseren Verpflichtungen gegenüber der NATO nicht vereinbar sei. Das ist objektiv nicht richtig. ({34}) Es gibt im NATO-Vertrag keine einzige Bestimmung, die irgendeinen Mitgliedstaat der NATO verpflichtet, atomare Ausrüstung vorzunehmen. ({35}) Mehr noch, meine Damen und Herren! Wir haben im Dezember die Außenministerkonferenz der NATO-Mächte in Paris gehabt. Da ist über diese Frage gesprochen worden. Über das Resultat will ich noch ein Wort sagen. Der Beschluß der NATO-Konferenz ist von den maßgebenden Leuten der NATO ausdrücklich dahin kommentiert worden, daß er keinen Mitgliedstaat verpflichtet, ihn durchzuführen und anzunehmen. ({36}) Warum? Weil klargeworden ist, daß Mitgliedstaaten der NATO, deren Loyalität und Treue zur NATO überhaupt nicht zur Debatte stehen, von vornherein erklärt haben, daß sie nicht bereit sind, in die atomare Ausrüstung zu gehen; z. B. Dänemark, z. B. Norwegen. ({37}) - Ja, Norwegen! Ich habe es mit Absicht genannt, denn der Herr Bundesverteidigungsminister hat hier mit einigem Stolz und als eine Art Polemik gegen uns auf einen Vortrag des norwegischen Verteidigungsministers in Bergen hingewiesen. Ich habe keinen Zweifel, daß der Herr Verteidigungsminister den Inhalt dieser Rede hier so korrekt wiedergegeben hat, wie er in der Presse berichtet wurde. Was ist denn der politische Sinn dieser Ausführung des norwegischen Verteidigungsministers? Der norwegische Verteidigungsminister hat das qualifizierte Nein der norwegischen Regierung begründet und nicht etwa der atomaren Aufrüstung zugestimmt. ({38}) Warum wird das dem Parlament nicht gesagt? Glaubt man, daß wir es nicht erfahren, wenn es uns hier nicht gesagt wird? Warum spricht man denn nicht offen über den Tatbestand? Noch eine andere Frage! Es ist gesagt worden, die NATO habe entschieden. Pardon, wieso hat denn eigentlich die NATO im Außenministerrat einstimmig entschieden? Da muß doch auch die Stimme des deutschen Außenministers für die atomare Aufrüstung abgegeben worden sein! ({39}) Wann, meine Damen und Herren, haben Sie vor dem 15. Dezember erfahren, daß die Regierung ihren Außenminister ermächtigt hat, eine so weitgehende prinzipielle Entscheidung herbeizuführen für die positive Abgabe seiner Stimme im Rat der Außenminister? ({40}) Wir haben im Dezember um eine außenpolitische Debatte gefragt. Sie wissen, wie Sie uns das abgelehnt haben. Wir haben im Außenpolitischen Ausschuß die Frage gestellt: Welche Richtlinien hat die Regierung dem Außenminister gegeben? Man hat uns keine Antwort gegeben. Wir haben später erfahren, daß es einen einstimmigen Beschluß - d. h. mit der Stimme unseres Außenministers - gibt. Jetzt wird die Sache noch weiter entwickelt: Was können wir tun? Nachdem die NATO entschieden hat, müssen wir doch unsere vertraglichen Verpflichtungen erfüllen. - Da ist doch einfach etwas nicht in Ordnung! ({41}) Da hat man doch den Versuch gemacht, mit diesen Methoden einen Tatbestand zu schaffen, als ob man irgendeine Verwaltungsangelegenheit in Ordnung bringen will. Ein anderes Argument, meine Damen und Herren! Es ist hier immer so beredt davon gesprochen worden, wir dürften doch die NATO nicht schwächen; der Verzicht auf die atomare Ausrüstung würde eine solche unverantwortliche Schwächung bedeuten. Ja, wieso eigentlich? ({42}) Ist denn z. B. die Verteidigungskraft der NATO auch so entscheidend geschwächt, wenn z. B. Norwegen und Dänemark außerhalb der atomaren Ausrüstung bleiben? ({43}) - Nun, verehrter Kollege, fragen Sie einmal darüber die Norweger, die ihre eigenen Probleme haben, und Sie können nicht sagen, daß das hier bei uns eine besonders dringende Notwendigkeit ist. Wenn wir den Gedanken hier im geteilten Deutschland weiter verfolgen wollen, kommen wir auf sehr gefährliche Konsequenzen, die Sie bis jetzt immer bestritten haben. Warum müssen wir eigentlich jetzt entscheiden? Wer hat uns denn bis jetzt gefragt? Hat man uns nicht noch vor vier oder acht Wochen, am 23. Januar, hier erklärt: Keine Sorge, es gibt keine atomare Aufrüstung? Hat man nicht gesagt, da kommt erst der Rat der Verteidigungsminister im April, dann die Außenministerkonferenz im Mai, und dann werden wir sehen? Ist nicht gesagt worden: Wir wollen erst einmal abwarten, was sich dann ergibt; vielleicht kommen wir sogar um die Entscheidung herum? Nun, wir haben unsere Zweifel gehabt, und wie begründet die Zweifel waren, hat sich ja gezeigt, als uns Herr Strauß nach seiner Rückkehr aus Amerika mitteilte, daß er den Beschluß, diese Matadorraketen zu kaufen, schon seit Dezember von dieser Regierung in der Tasche hatte. ({44}) Aber sind wir hier gefragt worden? Jetzt mit einemmal will man uns und dem Volke einreden, es muß geschehen. ({45}) - Aber, Herr Kraft, ich habe nicht gewußt, daß Sie nach so langer Regierungszeit noch so treuherzig das glauben, was hier gesagt wird. Meine Damen und Herren, das ist doch - ({46}) - Nein, ich verschweige gar nichts. Ich wünschte, ich könnte im Herzen mehr, als ich es heute tatsächlich bin, über das beruhigt sein, was sich hier tut. ({47}) Wir sind gar nicht in der Lage, daß heute und hier eine solche Entscheidung gefällt werden muß, aus keinem Ihrer Gründe, - ich rede gar nicht von unseren. Ich warte immer noch auf die Erklärung der Bundesregierung, warum das jetzt geschehen muß. Ich habe sie nicht gehört. Weiter, meine Damen und Herren! Alles das sei einmal in Rechnung gestellt. Aber für uns, für die Bundesrepublik besteht doch außerdem in dieser Frage noch eine grundsätzlich andere Situation als für jedes andere Mitgliedsland der NATO. Wir sind ein gespaltenes Deutschland, wir sind ein geteiltes Deutschland, und ich finde, die Bundesrepublik sollte zur atomaren Aufrüstung nicht einmal, sondern dreimal nein sagen: erstens wegen der Sinnlosigkeit und der Gefährlichkeit, die die atomare Ausrüstung vom Standpunkt der Sicherheit bedeutet; zweitens von dem Gesichtspunkt aus, daß es ja mehr als fraglich ist, ob alle unsere NATO Partner wirklich so begeistert davon sind, daß die Bundesrepublik nun außerhalb der eigentlichen Atommächte das erste Land sein will, das atomar ausgerüstet wird. ({48}) 1096 Deutscher Bundestag - 3. Wahlperiode Wir haben ja bis jetzt schon einige sehr interessante Pressestimmen über den bisherigen Verlauf der Debatte gelesen. Und schließlich haben wir als Vertreter, ich sage mit vollem Bewußtsein: des freien Teils Deutschlands eine erhöhte Verantwortung, die Frage zu prüfen: Was sind die Konsequenzen der Fortsetzung dieser Politik für die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands? ({49}) Es ist kein Zweifel, daß Sie, wenn Sie diesen Schritt gehen, einen ganz entscheidenden Schritt in der Richtung der Verewigung der Spaltung Deutschlands tun. ({50}) - Wir werden das noch sehr oft wiederholen, ({51}) verlassen Sie sich darauf! Ich will Ihnen etwas sagen: Glauben Sie nicht, daß die Frage der atomaren Ausrüstung von der Tagesordnung der deutschen Politik verschwindet, ({52}) wenn Sie heute abend einen Mehrheitsbeschluß fassen! ({53}) Wir sind in Erwägungen darüber, dem Haus einen Gesetzentwurf vorzulegen, der es uns ermöglicht, in der Bundesrepublik eine offizielle Volksbefra- ' gung durchzuführen, ob das Volk die atomare Ausrüstung will oder nicht. ({54}) Sie werden vor die Frage gestellt werden, ob Sie einen solchen Gesetzentwurf annehmen oder nicht. Es bleibt Ihnen nicht erspart. ({55}) - Ich habe ja nicht von einem Volksentscheid gesprochen. Ich habe von einer Volksbefragung gesprochen. Lassen Sie sich einmal darüber aufklären, daß es da einen gewissen Unterschied gibt und daß eine solche Volksbefragung nicht in Widerspruch zu den Überlegungen steht, die uns seinerzeit bei der Verabschiedung des Grundgesetzes in bezug auf einen Volksentscheid geleitet haben. Meine Damen und Herren, warum? Nicht nur wegen der prinzipiellen Gefahren, die die atomare Aufrüstung auf uns zukommen läßt, nicht nur wegen der Rückwirkungen in bezug auf die Spaltung Deutschlands, sondern weil es nach unserer Meinung unverantwortlich ist, ({56}) im Zeichen der internationalen Gespräche über Abrüstung und Entspannung eine so schwerwiegende Tatsache zu schaffen ohne zwingende Not! ({57}) Aber das ist nicht neu. Erinnern wir uns! Wir haben dieselbe Sache erlebt während der Genfer Konferenz, als die CDU/CSU-Fraktion es für richtig hielt, zur Stärkung der westlichen Position gerade während dieser Konferenztage in Genf hier das, ich weiß nicht, Soldaten- oder Freiwilligengesetz durchzubringen. Das haben Sie damals schon getan. Und wollen Sie bestreiten: Was immer für Chancen in den Noten von 1952, in den Konferenzen von 1954 und 1955 gewesen sein mögen, Sie haben durch die Schaffung der Tatsache der militärischen Aufrüstung auch im Zusammenhang mit solchen internationalen Gesprächen die positive Lösung der Wiedervereinigungsfrage erschwert! ({58}) - Sie können doch nicht bestreiten, Herr Kollege Kraft: mindestens haben Sie der anderen Seite damit die besten Vorwände für ihre versteifte Haltung geliefert! ({59}) - Ich will Ihnen mal etwas sagen: lassen Sie bitte diese ewigen Vergleiche, wie sie heute auch wieder anklangen - nicht bei Ihnen, aber bei Herrn Schneider -, daß alle diese Argumente doch auch von den Sowjetmachthabern aufgenommen würden und hier also doch wohl ungewollt eine solche Berührung bestehe! Wir Sozialdemokraten brauchen uns weder von den Kommunisten noch von den Bolschewisten abzugrenzen. Wir haben unsere Position eindeutig und klar bezogen, und dabei bleibt es. Aber wir sagen Ihnen eines: In den Lebensfragen der Nation, wie sie hier zur Debatte stehen, werden wir so handeln und so argumentieren, wie wir es vom deutschen Standpunkt für richtig halten, ganz gleich, wer uns kritisiert oder wer uns labt. ({60}) Herr Kiesinger, Sie haben die Bemerkung gemacht, unsere Haltung sei nur die logische Fortsetzung unserer, wie Sie sagten, dauernd negativen Einstellung zu Europa und zur europäischen Verteidigung, angefangen von der Montanunion über EVG, Pariser Verträge usw. Das klingt alles sehr schön. Aber, Herr Kiesinger, Sie wissen doch genausogut wie ich, daß so einfach die Dinge nicht liegen. Sie wissen, Herr Kiesinger, welche Gründe die Sozialdemokratie seinerzeit dafür gehabt hat, ({61}) die Montanunion abzulehnen. Wir haben große Bedenken gehabt wegen der Rückwirkungen auf die Zone und auf die Chancen der Wiedervereinigung. Wir haben auch das Bedenken gehabt, ob es möglich ist, einen Teil der Wirtschaft so supranational zu integrieren, wie es in Luxemburg geschehen ist. Und, meine Damen und Herren, wir haben nun fünf Jahre Erfahrung mit der Montanunion hinter uns. Wir waren dabei, wir haben, nachdem die Hohe Behörde und das Parlament geschaffen waren - Sie werden das zugeben -, in der Sache mitgearbeitet. Und was die Erfahrung? Ich will Ihnen sagen: Wenn dieses Parlament mit dieser Mehrheit heute noch einmal vor der Frage stünde, eine Hohe Behörde mit solchen supernationalen Vollmachten zu bilden, wie sie in Luxemburg für die Montanunion geschaffen wurde, Sie würden nicht mehr dafür stimmen. ({62}) Auch das ist doch ein Teil der Europapolitik, die Sie jetzt als eine hervorragende Leistung herausstellen. ({63}) - Sehen Sie sich einmal die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft an. Da ist man nämlich infolge der veränderten politischen Konstellation längst nicht mehr zu solchen supernationalen Vollmachten gekommen, wie wir sie in der Montanunion haben, und Sie waren ja an dieser Auflockerung der Dinge nicht ganz unbeteiligt. Und die EVG? Jawohl, wir waren dagegen, mit guten Gründen, die nach meiner Meinung heute noch ihr Gewicht haben. Wie war denn die Sache mit der EVG? War das nur der überschäumende Europageist, oder war nicht bei einzelnen Partnern dieser Europäischen Verteidigungsgemeinschaft die Idee, daß die Integrierung der deutschen Streitkräfte in eine europäische Armee die beste Sicherheit vor einer vielleicht etwas sehr selbständigen neuen Politik der Bundesrepublik ist? Wie wäre denn zweitens die Sache geworden - wir hätten es nicht zu verteidigen, aber Sie -, wenn die EVG zustande gekommen wäre? Wie wäre denn eigentlich die Lage für die Bundesrepublik damals gewesen, als England und Frankreich an den Suez-Kanal gingen, und wie wäre die Lage heute, wären heute deutsche EVG-Soldaten vielleicht in Algerien? ({64}) Meine Damen und Herren, ich will Ihnen das hier nur sagen, weil ich es für nicht in Ordnung halte, daß man in dieser Weise gegenüberstellt: Wir sind wieder einmal, wie immer, gegen jede übernationale Zusammenarbeit, wie wir auch alles in der Vergangenheit abgelehnt haben. Das liegt alles viel tiefer. Hier geht es gar nicht um die Existenz der NATO, hier geht es auch nicht um die Frage der Verteidigung. Wir haben die Fragen hier aufgeworfen. Wir haben nie die These vertreten, in den Verhandlungen mit der Sowjetunion als eine Art von Vorleistung zunächst einmal die Mitgliedschaft in der NATO aufzugeben Das ist niemals die sozialdemokratische These gewesen. ({65}) Meine Damen und Herren, was ist denn das Resultat Ihrer Politik? Heute entwickeln Sie mit immer neuen Variationen die These: Es geht gar nicht anders, es Bibi keine Verhandlungsmöglichkeiten, es gibt keine Verständigungsmöglichkeiten; also bleiben wir bei der NATO. Es ist sehr bedauerlich, daß wir, wenn wir schon die Debatte hier haben, dann nicht etwas ernsthafter, etwas fundierter über alles das gesprochen haben, was sich z. B. in dem sogenannten Rapacki-Plan vielleicht an Möglichkeiten für die Schaffung einer atomwaffenfreien Zone in Europa verbirgt. ({66}) Gewiß, es gibt darin Probleme und Fragen zu klären. Aber wir hören nur immer wieder: Eine solche Teillösung ist ohne Wert. Dabei muß man sich vorstellen, daß Gegenstand der Verhandlungen mindestens die Entspannung, die militärische Entlastung in einem Gebiet sein würde, das unter Umständen vom Rhein bis an die russische Westgrenze reicht, und zwar nicht nur in bezug auf die atomare Ausrüstung, sondern auch in bezug auf den Rückzug ausländischer Truppen aus diesen Gebieten. Meine Damen und Herren! Es ist hier so viel Menschliches und Gutes über die Notwendigkeit gesagt worden, unseren 17 Millionen Menschen in der Zone zu helfen. Das ist anerkennenswert, und ich hoffe, daß wir daraus praktische Konsequenzen auch in Zukunft ziehen. Aber es müßte doch auch auf der politischen Ebene etwas versucht werden und etwas geschehen. Wenn es möglich wäre, im Zuge solcher Verhandlungen zu einer Vereinbarung über den Rückzug der sowjetischen Truppen zu kommen, würden wir der Bevölkerung in der Zone den größten Dienst erweisen, den wir ihnen heute erweisen können. ({67}) Wir versuchen es nicht einmal. Genauso mit Polen. Die polnische Regierung ist eine kommunistische Regierung; mein Freund Carlo Schmid hat darüber gesprochen. Aber, meine Damen und Herren. was ist eigentlich mit der These des freien Westens, eine Politik zu treiben, die den Völkern in Osteuropa wenigstens Schritt für Schritt etwas mehr Lebensraum und Unabhängigkeit gibt, wenn wir nicht einmal bereit sind, über einen Plan mit ihnen zu reden, der ihnen unter Umständen eine gewisse Erleichterung gibt? ({68}) Können Sie mir das erklären? ({69}) Ich habe dafür nur die Erklärung, daß man es so ganz gut findet ({70}) und daß man also lieber nicht am Status quo rühren möchte. ({71}) Nun sagen Sie: „Wir können ja doch nicht auf die Sicherheit verzichten, und wir müssen im Interesse der Sicherheit auch diesen Schritt der atomaren Ausrüstung tun. Wo wären wir ohne die NATO!" Nun, meine Damen und Herren, da möchte ich nur an das Wort des Herrn Bundeskanzlers erinnern, das er hier in dieser Debatte gesprochen hat: Wenn es zu einem neuen Krieg kommt mit atomaren Waffen, so ist es gleichgültig, ob wir bewaffnet oder unbewaffnet sind. - Ich mache mir diese These gar nicht zu eigen; aber ich frage: Was ist eigentlich an zusätzlicher Sicherheit für die Bundesrepublik geschaffen worden, seitdem wir die Aufrüstung in der Bundesrepublik haben, seitdem wir als Mitgliedstaat der NATO-Vereinbarungen die Bundeswehr haben? Damals hat man uns gesagt: Wir müssen hier die konventionellen Streitkräfte des Westens verstärken. Es sollen 500 000 Mann deutsche Soldaten zu den anderen in Deutschland und Europa stationierten Kräften der EVG-Mächte hinzukommen. Was ist jetzt das Resultat? Wir können die Bundeswehr gar nicht so rasch aufbauen, wie die westlichen Streitkräfte aus Europa abgezogen werden. Das ist doch die Lage. Ich gebe gar kein Urteil darüber ab. Aber wie können Sie hier behaupten, das sei alles unerläßlich im Namen dieser Sicherheit? Meine Damen und Herren, wenn wir hier in Frieden leben, wenn es nicht zu diesem Hauptkonflikt zwischen den Großmächten kommt, dann liegen die Ursachen doch auf einer ganz anderen Ebene als in der Frage des Status und der Zahl und des Umfangs der Ausrüstung der Bundeswehr in der Bundesrepublik. Das heißt nicht, daß wir erklären: „Alles ist Unsinn." Es gibt keine solche Erklärung. Im Gegenteil: in der Rede, die ich hier als Antwort auf die Erklärung der Bundesregierung nach dem ersten Zusammentritt des 3. Bundestages abgegeben habe, habe ich völlig eindeutig noch einmal zum Ausdruck gebracht, daß die Sozialdemokratie die Landesverteidigung bejaht. ({72}) Und dabei bleibt es. ({73}) Das schließt doch nicht aus, daß wir endlich einmal darüber reden, welche zusätzlichen Gefahren wir uns aufladen müssen, ohne etwas wirklich Entscheidendes für die Sicherheit des Volkes zu tun. ({74}) - Ich habe es Ihnen eben gesagt. ({75}) - Ich will Ihnen einmal etwas sagen: Sie kennen natürlich die Antwort; sie brauchen aber solche Fragen und Antworten für das beliebte Puzzlespiel draußen. ({76}) Sehen Sie, meine Damen und Herren, genauso wie andere demokratische Länder die Verteidigung ihres Landes organisieren, ohne in die atomare Aufrüstung zu gehen, z. B. Schweden, z. B. Dänemark, z. B. Norwegen - ({77}) - Entschuldigen Sie, die Diskussion haben wir auch. Der Unterschied ist nur: Sie können gar nicht abwarten, bis sie kommt, und die Schweden machen sich noch Gedanken darüber. ({78}) Ich möchte hier noch eine andere Bemerkung machen, weil es vielleicht - vielleicht - die letzte Gelegenheit ist, über solche Dinge mit Aussicht auf irgendeinen Erfolg zu sprechen. Ich meine etwas ganz Konkretes. Herr Kollege Gerstenmaier hat davon gesprochen, als er noch einmal auseinandersetzte, welche Überlegungen ihn geleitet haben, die Idee von Verhandlungen über den Friedensvertrag in der Öffentlichkeit zu diskutieren. Wir haben das Bulganin-Memorandum an den amerikanischen Präsidenten. Es hat eine Diskussion, es hat Meinungsverschiedenheiten darüber gegeben, wie die Bemerkung über einen Friedensvertrag für Deutschland zu verstehen sei. Ich will darauf jetzt nicht zurückkommen. Aber wissen Sie, diese Frage stand bis zum Tag vor dieser Debatte im leidenschaftlichen Interesse der Offentlichkeit, und auch in Unterhaltungen mit dem Bundeskanzler hat diese Frage eine große Rolle gespielt. Da bekommt unsere Regierung, bekommt der Herr Bundeskanzler von der russischen Regierung ein ausführliches Aide-memoire mit außerordentlich interessanten Erläuterungen über die Art und Weise, wie die russische Regierung die Bemerkung über den Friedensvertrag verstanden hat. Es ist klargestellt worden: man denkt nicht an zwei Friedensverträge. Es ist gesagt worden: Wir sind nicht bereit, über die Wiedervereinigung zu reden. Aber, meine Damen und Herren, in diesem Aide-memoire ist gesagt worden, daß, wenn man die Frage eines Friedensvertrags aufwirft und behandelt, selbstverständlich auch die Bestimmung der militärischen und teilweise auch politischen und wirtschaftlichen Bedingungen für Gesamtdeutschland zur Diskussion steht. Meine Damen und Herren, wer gibt uns eigentlich das Recht, eine solche Bemerkung einfach beiseite zu schieben und nicht den Versuch zu unternehmen, einmal wenigstens festzustellen, ob nicht unter dem Begriff Friedensvertrag eine Diskussion über die beiderseitigen Vorstellungen von dem Status eines wiedervereinigten Deutschlands möglich ist? Keine Frage, die Debatte wird sehr schwierig sein. Wir alle wissen, daß im Zuge der Entwicklung eine isolierte Regelung der Deutschlandfrage nicht mehr möglich ist. Wir müssen sie im Rahmen von Abrüstung und Entspannung im Zusammenhang mit dem internationalen Status eines wiedervereinigten Deutschlands zu lösen versuchen. Hier haben wir mindestens einen, ich möchte sagen, Tagesordnungspunkt, über den man mit der anderen Seite doch einmal reden sollte. Es hat niemand getan, und ich sage ganz offen, ich vertiefe und zerrede das in diesem Augenblick nicht, aus einem ganz einfachen Grunde: ich hoffe, daß dieses Aide-memoire nicht dasselbe Schicksal erleidet wie die Noten des Jahres 1952. ({79}) Wir haben niemals, weder im März 1952 noch später in unserer Kritik an Ihrer Politik, gesagt: da war das Deutschland-Programm der Sowjetregierung, das wir so akzeptieren können. Wir haben gesagt: Es ist beklagenswert, daß man nicht ernsthaft über diese Vorschläge geredet hat. ({80}) Sie stehen jetzt wieder vor diesem Dokument. Sie haben es hier beiseite geschoben, als existiere es nicht. Aber ich sage Ihnen: Wenn Sie jetzt nur die atomare Aufrüstung sehen und wenn Sie die Möglichkeiten nicht untersuchen, werden Sie eines Tages unter Umständen vor derselben Lage stehen und sich selbst den Vorwurf machen, in einem solchen Zeitpunkt vor dem Beschluß über die atomare Aufrüstung mit der anderen Seite nicht wenigstens einmal ernsthaft gesprochen zu haben. ({81}) Was immer die Motive der anderen Seite sind, ob sie taktisch bedingt waren - im Zusammenhang mit dieser Debatte durchaus denkbar -, das ändert nichts an dem Tatbestand, daß das Dokument vorliegt. Es liegt allein in unserer Verantwortung. Wie gesagt, ich wollte das hier angesprochen haben mit der Hoffnung -- ich füge das hinzu -, daß am Tage nach dieser Debatte die Regierung sich bereit findet, in dieser Sache wirklich an den Kern der Dinge zu gehen und im Rahmen der künftigen Verhandlungen am Zustandekommen einer Gipfelkonferenz mitzuhelfen. Wenn unter diesem Stichwort eine Diskussion darüber stattfindet, ist es vielleicht möglich, erste, auch von uns vertretbare Schritte in die Richtung der Wiederherstellung der Einheit Deutschlands zu gehen. Ich finde, die Lage ist zu allem anderen mehr angetan als zu einem so weitgehenden Beschluß über die atomare Aufrüstung, wie Sie ihn hier sich jetzt zum Vorsatz gemacht haben. Ihre Verantwortung können wir Ihnen nicht abnehmen. Aber noch einmal: Es ist nicht die Entscheidung über die Konsequenzen für die Bundeswehr aus der technischen Umorganisation der NATO, es ist die Entscheidung, ob wir ohne Not und ohne Zwang die Massenvernichtungswaffen in die deutsche Politik einführen - mit unabsehbaren Konsequenzen für uns und für die anderen Völker. ({82}) Ich habe schon gesagt, daß es Ihre Entscheidung ist. Heute sind wir noch Herr unserer Entschlüsse. Wenn wir uns für die atomare Aufrüstung entscheiden, gehen die Dinge ihren eigenen Gang, und wir haben nicht mehr alle Möglichkeiten, den Punkt zu bestimmen, an dem wir vielleicht sehr gern einen anderen Weg gehen würden. Natürlich gibt es ein Risiko. In dieser Welt gibt es ein ungeheures Risiko für alle; ob wir überleben oder nicht. Aber wenn ich auf der einen Seite vor dem Risiko stehe, hier durch die Aufrüstung der Bundeswehr mit atomaren Waffen den Kreis der sogenannten Atommächte weiter zu ziehen mit dem unzweifelhaft größeren Risiko, daß diese Ausbreitung die Kriegsgefahr und der Katastrophe näher bringen kann, und wenn ich auf der anderen Seite die Chance habe, mindestens zunächst durch Verhandlungen zu versuchen, Entspannung und Abrüstung ein Stück voranzubringen, dann gehe ich den zweiten Weg, ({83}) einen Weg, der uns sichert und uns mindestens die Chance gibt, einer Katastrophe aus dem Wege zu gehen. Ich will gar nicht an Sie appellieren. Ich denke, daß die Debatte die Positionen klargelegt hat, und wir sollen die Positionen auch ganz klar beziehen. Man mag das bedauern. Aber es wäre eine Unaufrichtigkeit, das nicht auszusprechen. Ich sage Ihnen eines hier am Schluß der Debatte - Herr Kiesinger, Sie haben von der gemeinsamen Resolution vom 17. Mai 1953, der sogenannten Friedensresolution, gesprochen -: in dieser Entscheidung, vor die wir heute gestellt sind, gibt es für uns nur ein Ja oder Nein ({84}) und keine Art von Überbrückung oder Verdeckung des Problems. Sie haben Ihre Position bezogen, auch wir. Wir werden nein sagen, und wir werden, auch wenn Sie heute so entscheiden, wie Sie es für richtig halten, den Kampf, die Werbung, das Bemühen nicht aufgegeben, dafür zu sorgen wie wir glauben, im Interesse unseres ganzen Volkes daß dieser Beschluß der atomaren Ausrüstung auf unserem Boden niemals Realität wird. ({85})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.

Dr. Konrad Adenauer (Kanzler:in)

Politiker ID: 11000009

Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Unter allen Fraktionen dieses Hauses besteht auf irgendeine Weise eine Kommunikation über das, was in den Fraktionssitzungen gesprochen wird. Die Nachrichten, die Sie bekommen, und die Nachrichten, die wir bekommen, sind zum Teil richtig und zum Teil nicht richtig. So hat Herr Ollenhauer sicher in gutem Glauben etwas Unrichtiges zitiert. Ich habe in der Sitzung meiner Fraktion nicht gesagt: „Wir haben die Wahl 1953 ohne Atomwaffen gewonnen, wir haben die Wahl 1957 ohne Atomwaffen gewonnen, wir werden auch die Wahl 1961 mit Atomwaffen gewinnen." Das habe ich nicht gesagt. Ich habe gesagt: „Wenn wir wie bisher eine überschaubare, geradlinige, gute Politik führen, dann werden wir auch die Wahl des Jahres 1961 gewinnen"; ({0}) und das werden wir auch, meine Damen und meine Herren. ({1}) - Darauf können Sie sich ziemlich fest verlassen ({2}) Ich glaube, daß der Ausgang der Wahl gestern in Bayern, mitten in dieser Atomdebatte, ein günstiges Vorzeichen dafür ist. ({3}) Herr Kollege Ollenhauer hat dann immer wieder die Frage gestellt: Warum jetzt diese Debatte? Er hat ausgeführt, der Grund sei der Ausgang der Bundestagssitzung in der Nacht vom 23. zum 24. Januar. Nun, Herr Kollege Ollenhauer, ich darf Sie daran erinnern - und Sie haben das selbst im weiteren Verlauf Ihrer Rede ausgeführt -, daß im Hinblick auf die Fortschritte der Waffentechnik - ganz allgemein sage ich das, dazu gehören auch die nuklearen Waffen - in der NATO eine Überprüfung der ganzen Konzeption stattfindet. Die neue Konzeption wird zur Zeit von den militärischen Sachverständigen der NATO-Staaten geprüft. Am 16. April wird sie den Verteidigungsministern vorgelegt. Nächste Woche ist die Karwoche. Dann kommt die Osterwoche. Wenn unser Verteidigungsminister am 16. April in der Konferenz der Verteidigungsminister in Paris zu all diesen Fragen Stellung nehmen soll, dann muß er und muß die Bundesregierung wissen, wie der Bundestag in seiner Mehrheit darüber denkt. ({4}) Das ist der zwingende Grund, warum wir diese Aussprache in diesen Tagen haben müssen. Herr Kollege Ollenhauer hat dann geglaubt, besonders hervorheben zu müssen, daß ich Herrn Wehner geantwortet habe, das vornehmste Ziel unserer Politik sei die Rettung und Sicherheit der 52 Millionen Bewohner der Bundesrepublik; nur dann, wenn wir diesen die Sicherheit schaffen könnten, könnten wir mit Aussicht auf Erfolg auch darauf ausgehen, den 17 Millionen Deutschen in der Sowjetzone Beseitigung ihres Jochs zu verschaffen. - Das habe ich gesagt und wiederhole es. Das muß auch das Ziel unserer Politik sein. ({5}) Ich kann mir gar nicht vorstellen, daß irgend jemand von Ihnen, meine Damen und Herren, gleichgültig, welcher Partei er angehört, einen anderen Weg zu gehen gewillt ist. Wir können doch nicht annehmen, daß, wenn wir das Schicksal der 52 Millionen Deutschen in der Bundesrepublik, für die wir alle miteinander die Verantwortung tragen, aufs Spiel setzen, wir dadurch etwas für unsere Leute in der Ostzone gewinnen würden. ({6}) - Dann weiß ich nicht, Herr Erler, warum mir das zum Vorwurf gemacht wird und warum darin die Erklärung gesucht wird für mein ganzes, „unmögliches" Verhalten; den Ausdruck hat der Kollege Ollenhauer nicht gebraucht; er hat es umschrieben. Dieses Auseinanderfallen des Bundestages in dieser Frage in einer so ungemein gefährlichen Weltsituation ermutigt doch geradezu die Sowjetunion, die Sowjetzone nicht freizugeben; ({7}) denn damit hat sie doch ein Pfand uns gegenüber in der Hand ({8}) - so glaubt sie wenigstens -, ein Pfand, das ihr die Möglichkeit gibt, die Freiheit unserer Entschließungen zu beeinträchtigen. Ich meine, auch das sollte man bei der Führung der Debatte in diesem Hause berücksichtigen. Nun hat Herr Kollege Ollenhauer in einem recht. Es besteht im NATO-Vertrag keine rechtliche Verpflichtung, nukleare Waffen zu übernehmen, weil im Jahre 1949 die nuklearen Waffen allein im Besitz der Vereinigten Staaten waren und infolgedessen eine Bewaffnung der übrigen Mitglieder von NATO mit nuklearen Waffen überhaupt nicht in Frage stand. Aber die Dinge haben sich seit jener Zeit eben dadurch so außerordentlich verändert, daß seit jener Zeit die Sowjetunion im Besitz von nuklearen Waffen ist und auch England im Besitz von nuklearen Waffen ist. Herr Kollege Ollenhauer sagt, daß wir uns vordrängten. Nun, ich glaube, die Vorgänge im Bundestag, die Erklärungen, die die Bundesregierung in den letzten Jahren über eine nukleare Bewaffnung der Bundeswehr abgegeben hat, sind alles andere als ein Vordrängen gewesen. ({9}) Wir haben immer wieder gesagt: wir brauchen noch keine Entschlüsse zu fassen, es ist noch Zeit dazu. Wir haben, nicht etwa um irgend jemanden zu täuschen, sondern wirklich der Wahrheit entsprechend und unserer Hoffnung entsprechend, daß man doch zu einer Abrüstung kommen würde, die entscheidende Debatte darüber hinauszuschieben versucht. Völlig irrig ist aber, wenn Herr Kollege Ollenhauer sagt, daß wir die ersten seien. Frankreich, Italien, Griechenland, die Türkei, England und die Niederlande haben alle erklärt, daß sie ihre Truppen atomar aufgerüstet wissen wollen. ({10}) Das ist aber doch bekannt, meine Damen und Herren! Ich meine, das hat in allen möglichen Zeitungen immer gestanden; das weiß doch jeder, der sich mit diesen Fragen beschäftigt. Nun sagt Herr Kollege Ollenhauer: Warum temporär gerade in diesem Augenblick, in dieser Zeit der internationalen Entspannung? Verehrter Herr Ollenhauer, ich wünschte, wir wären schon in einer Zeit der internationalen Entspannung, ({11}) ich wünschte es von ganzem, ganzem Herzen. Aber bisher, - ({12}) - Ach, das sind Bemerkungen, Herr Kollege Wehner, ({13}) die ich Ihnen gegenüber nicht gebrauchen würde. Ich würde von Ihnen nicht sagen, daß Sie schwindeln. ({14}) Meine Damen und Herren, wir können nur hoffen und alle dazu beitragen, was wir können, daß es zum Beginn einer internationalen Entspannung dadurch kommt, daß wirklich auf einer Gipfelkonferenz die Frage der kontrollierten Abrüstung verhandelt wird. ({15}) Aber bis jetzt hat leider diese Entspannung noch nicht begonnen. Wir sind erst im Vorfeld dazu. Wenn wir, weil wir erst im Vorfeld sind, nun stehenblieben, etwa in der NATO am 16. April unseren Verteidigungsminister sagen ließen: „Wir können noch nicht zu der Frage Stellung nehmen", - glauben Sie mir, daß eine solche Erklärung des Verteidigungsministers der Bundesrepublik Rußland anspornen würde, schneller zu einer Gipfelkonferenz zu gehen? ({16}) Genau das Umgekehrte ist der Fall. ({17}) Ich darf auch daran erinnern, Herr Kollege Ollenhauer: die erste Gipfelkonferenz in Genf hat stattgefunden, obwohl wir vorher in die NATO eingetreten waren; und auf der ersten Gipfelkonferenz in Genf hat Rußland sich, obwohl wir in die NATO eingetreten waren, bereiterklärt, die Einheit Deutschlands wiederherzustellen. Und obwohl wir in die NATO eingetreten waren, haben mir gegenüber Bulganin und Chruschtschow im September 1955 dieselbe Erklärung abgegeben. ({18}) Nun hat der Herr Kollege Ollenhauer darauf hingewiesen - und ich freue mich dessen -, daß er in der ersten Sitzung dieses Bundestages nach der Regierungserklärung für seine Fraktion die Erklärung abgegeben habe, daß die SPD auf dem Boden der Landesverteidigung stehe. Gut, ich begrüße das. ({19}) Aber, meine Damen und Herren, nach der Süddeutschen Zeitung hat der Kollege Ollenhauer in Frankfurt am Sonntag erklärt, daß wir hier Debatten über Verteidigung nach dem Muster führten, wie sie vor hundert Jahren geführt worden seien. ({20}) Ich weiß nicht, ob die Süddeutsche Zeitung richtig zitiert hat. Aber wenn sie richtig zitiert hat, dann ist das eine sehr inhaltsreiche und geheimnisvolle Erklärung gewesen, die einem sehr zu denken gibt. ({21}) - Nun, ich darf doch über eine Erklärung Ihres Fraktionsführers nachdenken; das ist mir doch wohl gestattet! ({22}) Weiter hat der Kollege Ollenhauer gefragt, warum wir trotz des Aide-memoire der sowjetrussischen Regierung nicht mit der Regierung Sowjetrußlands verhandelt hätten. Woher weiß denn Herr Ollenhauer, daß wir das nicht getan haben? Ich habe das getan, Herr Kollege Ollenhauer, und ich habe mit dem Botschafter Smirnow mindestens anderthalb Stunden über diese Dinge gesprochen. ({23}) - Was nun daran zu lachen ist, weiß ich auch wieder nicht, meine Damen und Herren! Aber Herr Smirnow hat - und ich glaube, das darf ich auch öffentlich sagen - scharf unterschieden. Er hat meine Erklärung begrüßt, daß wir die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und Sowjetrußland pflegen und intensivieren wollen. Er hat aber weiter erklärt: Über die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands kann ich nicht mit Ihnen sprechen; das ist lediglich Sache der Deutschen Demokratischen Republik. ({24}) Das war die kurze und knappe Antwort, die ich bekommen habe; und alle meine Versuche, da etwas weiterzukommen, wurden mit der Erklärung erledigt: Die DDR ist ein selbständiger Staat, Sowjetrußland hat nicht das Recht, ihr da irgend etwas hineinzureden. In den letzten Tagen ist hier wieder von einer Politik der Stärke gesprochen worden, die wir betrieben. Das ist auch früher schon und immer wieder gesagt worden. ({25}) 1102 Deutscher Bundestag -. 3. Wahlperiode Bundeskanzler Dr. Adenauer - Nun mal Ruhe, Ruhe, Ruhe! ({26}) Und Herr Dr. Heinemann hat heute morgen gesagt, ich hätte im Jahre 1952 in einem Interview mit United Press, glaube ich, war es - erklärt, jetzt müßte nur noch in der Frage der nuklearen Aufrüstung durchgehalten werden. Ich habe in der Zwischenzeit den Wortlaut dieses Interviews, das ich Herrn Bradford gegeben habe, bekommen. Ich stelle ihn dem Herrn Dr. Heinemann gern zur Verfügung. Er wird finden, daß kein Wort davon darin steht. ({27})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Meine Damen und Herren, ich bitte um Ruhe.

Dr. Konrad Adenauer (Kanzler:in)

Politiker ID: 11000009

Was nun die Politik der Stärke angeht, meine Damen und Herren: dieses Wort „stark" kann sich nun doch wirklich nicht auf die Bundesrepublik beziehen. Ich meine, das ist so, daß man darüber einfach nur die Achseln zucken kann. Was sind wir denn, und was haben wir denn? ({0}) Wir sind doch nur etwas im Verein und im Zusammenhang mit den anderen freien Völkern der Welt unter der Führung der Vereinigten Staaten. ({1}) Ich glaube, im Grunde genommen ist keiner hier im Saal, der wünscht, die Vereinigten Staaten würden schwächer sein als Sowjetrußland. ({2}) Ich kann hier nur erklären, daß meine Politik von dem Streben geleitet wird, dem deutschen Volk und der Welt Frieden und Freiheit zu retten. ({3}) Ich fühle mich - das lassen Sie mich mit allem Nachdruck sagen - dafür verantwortlich, nicht nur dem deutschen Volk gegenüber, sondern ebenso verantwortlich vor meinem Gewissen, vor unserem Herrgott. ({4}) Was Friede bedeutet und was Freiheit bedeutet, habe ich am eigenen Leib erfahren. ({5}) Ich würde bereit sein, alles, was ich bin, dafür hinzugeben, daß dem deutschen Volk und der Welt Frieden und Freiheit erhalten bleiben. ({6}) Einige Ausführungen möchte ich noch zur jetzigen Situation in der Welt machen. ({7}) Es ist hier von einem Redner - ich glaube, von Herrn Kollegen Gerstenmaier heute morgen; ich weiß es aber nicht genau - von diesem Platz aus gesagt worden, daß immer schamhaft vermieden werde, zu sagen, wie stark denn nun Sowjetrußland ist. Da möchte ich Ihnen sagen: Sowjetrußland ist an konventionellen Waffen stärker als irgendeine Macht auf der Erde. Sowjetrußland ist - auch wenn wir keine Details darüber wissen, können wir das mit aller Sicherheit sagen - nuklear hoch aufgerüstet. Noch am 22. Januar hat Chruschtschow in einer Rede, die er öffentlich gehalten hat, gesagt, daß die Sowjetunion in der Lage wäre, jeden Punkt der Erde durch ihre Raketen mit nuklearen Köpfen zu erreichen. Das ist doch der wirkliche Tatbestand. Wenn Sie dann hinzunehmen, daß alle Bemühungen der Vereinigten Staaten seit dem Jahre 1946, zu einer Abrüstung zu kommen, an den Forderungen der Sowjetunion und daran gescheitert sind, daß sie ein Kontrollrecht für ihr Land ablehnt, dann braucht man dem doch wirklich nicht viel hinzuzufügen. ({8}) Das fing im Jahre 1946 mit dem Baruch-Plan an, als Amerika allein im Besitz nuklearer Waffen war und überhaupt allein die Kenntnisse von der Spaltung und der Schaffung der Atomenergie hatte. Damals haben die Vereinigten Staaten vorgeschlagen, sie seien bereit, alles, was sie haben, einer internationalen Atomenergiebehörde zu übertragen und sämtliche nuklearen Waffen zu vernichten unter der Bedingung, daß alle gleich behandelt würden. Da setzte das Veto der Russen ein; da haben sie ihr Veto gegen eine Kontrolle Sowjetrußlands eingelegt. So ist die Entwicklung weitergegangen. So ist es gegangen auf der Londoner Abrüstungskonferenz, so ist es gegangen in der UNO. Immer scheiterte die allgemeine, kontrollierte Abrüstung an der Ablehnung Sowjetrußlands, sein Gebiet daraufhin kontrollieren zu lassen. Ich glaube, wenn man sich dieses Bild der Welt einmal vor Augen hält, diese großen nuklearen Gegner, auf der einen Seite die Sowjetunion, auf der anderen Seite die Vereinigten Staaten, und wenn man sich weiter vor Augen hält, daß jetzt seit über zehn Jahren die Versuche schweben, zu einer kontrollierten Abrüstung zu kommen, und daß sie alle daran gescheitert sind, daß Sowjetruß-land sein Gebiet einer Kontrolle nicht unterwerfen wollte, dann muß man doch mit mir darin einig sein, daß die freien Völker alles tun müssen, was sie können, um sich vor einem Überfall zu schützen, um Rußland zu warnen. Das ist auch der Sinn der Umgruppierung der NATO, von der ich eben sprach. Rußland soll gewarnt werden, und es soll dadurch geneigter werBundeskanzler Dr. Adenauer den, einzusehen, daß es ihm nicht gelingt, die freien Völker auseinanderzubringen, daß es daher in seinem eigenen Interesse richtig handelt, wenn es versucht, auf einer Gipfelkonferenz zu einer solchen Abrüstung zu kommen. ({9}) Niemand denkt daran - das möchte ich ausdrücklich auch für die Bundesregierung erklären, und ich habe es auch dem Botschafter Smirnow erklärt -, Rußland in die Ordnung seiner eigenen Angelegenheiten irgendwie hineinzureden. Wir wollen von Rußland doch nur das, was uns speziell angeht, daß es diese 17 Millionen Deutscher nach ihrem eigenen Willen leben läßt. ({10}) Mehr wollen wir ja gar nicht. Wir denken gar nicht daran - das habe ich schon früher erklärt -, etwa dadurch, daß nun die Sowjetzone ihre Freiheit bekommt, unser militärisches oder politisches Potential zu stärken. Die menschliche Seite der Sache muß uns doch vielmehr alle bewegen. Wenn Sie sich einmal die Ziffern vor Augen halten, wieviel Menschen aus der Sowjetzone jetzt über diese Grenze schon hierhergekommen sind, dann macht einem das klar, unter welch ungeheurem seelischem Druck die Menschen dort leben. Seit dem Herbst 1949 bis zum 14. März 1958 sind 2 029 067 Personen zu uns herübergekommen. ({11}) Im Jahre 1957 waren es 261622, und vom 1. Januar bis zum 14. März dieses Jahres waren es 44 724 Personen. Welch ungeheure menschliche Not steckt hinter diesen Ziffern! ({12}) Da möchte ich der ganzen Welt zurufen - auch unseren Freunden und Bündnispartnern -; daß wir von echtem menschlichem Mitgefühl mit den Deutschen dort drüben, von dem Wunsch, daß sie wieder frei werden, getragen werden. ({13}) Daß es sich in keiner Weise bei uns darum handelt, dadurch irgendwelchen nationalistischen Empfindungen nachzugeben oder in bezug auf das Rüstungspotential oder sonst auf irgendeine Weise stärker zu werden, brauche ich nicht zu betonen. Uns hat allein dieses menschliche Gefühl geleitet, und ich hoffe, daß die ganze Welt dafür Verständnis hat. Wenn über 2 Millionen Menschen in diesen Jahren Heimat und Hof verlassen, weil sie es einfach nicht mehr ertragen können, dann ist das doch etwas, was zum Himmel schreit. ({14}) - Aber mit der Wiedervereinigung hat es was zu tun! ({15}) Daß die Bundesregierung für die Gipfelkonferenz eintritt, habe ich schon zu Anfang der Debatte gesagt. Daß wir dafür eintreten, daß auf der Tagesordnung dieser Gipfelkonferenz die deutsche Frage erscheint, habe ich auch schon gesagt. Ich brauche dem, was ich gesagt habe, kaum noch etwas hinzuzufügen. Aber ich möchte doch noch einige Worte mit Rücksicht auch auf die Versammlung, die am Sonntag stattfand, sagen. Nicht nur bei uns, sondern auch in anderen Ländern gibt es ernst zu nehmende Männer und Frauen, die glauben, wenn wir darauf verzichteten, unsere Truppen mit nuklearen Waffen auszurüsten, wäre das der Anfang einer allgemeinen nuklearen Abrüstung. Nun, ich habe Ihnen eben den wirklichen Gegensatz in der Welt klargelegt: Amerika und Sowjetrußland. Ehe wir überhaupt daran gedacht haben, unsere Bundeswehr aufzustellen, ehe wir daran gedacht haben, daß wir unter Um-ständen nukleare Waffen brauchen, war der Gegensatz genauso wie jetzt. Das ändert also gar nichts daran. An dem Gegensatz hat auch gar nichts unsere Erklärung bei der Gründung der Westeuropäischen Union geändert, daß wir auf die Herstellung nuklearer Waffen verzichteten. Daran hat auch unsere Erklärung nichts geändert, daß wir uns jeder von den Großmächten beschlossenen Abrüstung ohne weiteres fügen würden. Alles das, meine Damen und Herren, hat nichts genützt. Daraus ergibt sich - wenigstens nach meiner Auffassung - vollständig klar und folgerichtig, daß es, solange Sowjetrußland glaubt, es könne die Einigkeit des Westens zerstören, keine Abrüstung gibt. Daher ist es unsere Pflicht, alles zu tun, was wir können, damit die politische und militärische Einheit des Westens erhalten bleibt. ({16}) Das bietet die einzige Aussicht, wirklich zu Frieden, Freiheit und Abrüstung zu kommen. ({17})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Herr Bundesminister Dr. von Brentano.

Dr. Heinrich Brentano (Minister:in)

Politiker ID: 11000263

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die bisherige Debatte gibt mir Veranlassung, doch noch .auf einige Fragen einzugehen, die gestellt worden sind, einige Feststellungen zu treffen oder ihnen zu begegnen und, wenn Sie mir erlauben, vielleicht auch noch die eine oder andere Frage zu stellen. Zunächst einmal Antwort auf Fragen! Es ist hier, gerade auch von den Sprechern der Freien Demokratischen Partei, beanstandet worden, daß die Fra1104 Deutschher Bundestag - 3. Wahlperiode Bundesaußenminister Dr. v. Brentano gen, die von ihr gestellt worden seien, nicht hinreichend beantwortet worden seien. Ich weiß nicht, ob es Herrn Kollegen Döring entgangen ist, daß ich die Antwort gegeben habe. Ich möchte sie zusammenfassen. Zur ersten Frage der Freien Demokratischen Partei habe ich bereits - am Freitag war es wohl - ein bedingungsloses Ja erklärt, zu der Frage nämlich, ob die Bundesregierung bereit sei, sich bei den Vier Mächten dafür einzusetzen; daß auf der kommenden Gipfelkonferenz die Grundsätze eines Vertrages für Gesamtdeutschland erörtert werden. Meine Damen und Herren, wir haben bisher bei jeder Konferenz, in Genf, in London und wo sonst, diese Forderung angemeldet, und wir werden das auch in Zukunft tun. Aber wie schwer es ist, es richtig zu machen, geht daraus hervor: Wenn wir es tun, sagt man uns, wir gefährdeten den Erfolg, und wenn wir es unterlassen, sagt man uns, wir hätten nicht das hinreichende Interesse für die Wiedervereinigung. ({0}) Das gilt auch - und darüber ist, glaube ich, in der Rede von Herrn Kollegen Schmid etwas gesagt worden -, von unseren Bemühungen etwa bei der Londoner Konferenz. Ich bin jederzeit bereit, dem Auswärtigen Ausschuß einmal eine Sammlung von Instruktionen vorzulegen, die das Auswärtige Amt während der Genfer Konferenz, während der Londoner Konferenz und vorher während der Berliner Konferenz herausgegeben hat, in denen wir immer wieder sehr klar und deutlich darauf hingewiesen haben, daß wir uns in der Tat eine Entspannung nur vorstellen können, wenn auch die deutsche Frage behandelt wird und diese Behandlung die Lösung des deutschen Problems bringt. ({1}) - Herr Kollege Wehner, Sie wissen, daß Sie soeben die Unwahrheit gesagt haben! ({2}) - Ich wiederhole: Sie wissen, daß Sie die Unwahrheit gesagt haben! ({3}) Wir haben niemals einen Zweifel darüber gelassen, daß wir auch einverstanden sind, ja, daß wir es wünschen, daß der Weg zur Entspannung etwa über eine Abrüstung in Etappen gegangen wird, auch wenn nur erste Schritte zur Entspannung eingeleitet werden, vorausgesetzt - das wiederhole ich -, man ist sich in diesem Kreise einig, daß die deutsche Frage in diese Entwicklung einbezogen werden muß. Damit komme ich zur zweiten Frage: Behandlung des Rapacki-Plans. Ich kann nur wiederholen: Der Rapadki-Plan in der vorliegenden Form scheint uns in der Tat kein Instrument zu sein, das geeignet ist, die Entspannung zu fördern, noch gar geeignet ist, uns der Wiedervereinigung auch nur einen Schritt näherzubringen. Man hat gefragt, warum man denn eine solche Initiative der polnischen Regierung nicht aufgreife. Es ist sogar das Wort gefallen, man dürfe doch gegenüber dem polnischen Volk nicht die Einstellung haben, daß dort eine Erbfeindschaft mit Deutschland bestehe. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich im Anschluß an das, was Herr Kollege Carlo Schmid gesagt hat, sehr klar auch meinerseits etwas sagen. Wir wissen alle sehr wohl, daß wir keinen Anlaß haben, uns etwa mit der Feststellung zu begnügen, daß Polen ein Satellitenstaat sei. Wir wissen alle sehr wohl, daß dieses unglückliche Volk einem verbrecherischen Komplott zwischen Hitler und Stalin - nicht Hitler allein, sondern Hitler u n d Stalin - zum Opfer gefallen ist ({4}) und daß dieses Volk im Vollzug dieser Entwicklung seine Freiheit verloren hat. Aber besteht hier nicht ein Unterschied? Es ist heute gesagt worden, man müsse doch versuchen, diesen Ländern hinter dem Eisernen Vorhang einen Kontakt mit dem Westen zu ermöglichen. Gewiß, ich gebe das zu. Aber ist nicht die Situation, in der wir stehen, eine völlig verschiedene? Für ein Land wie Polen, das das Unglück hatte, die Freiheit total zu verlieren, ({5}) ist eben wirklich jeder Schritt in die Freiheit ein Erfolg. Für ein Land wie das unsere, das bisher das Glück hatte, die Freiheit zu erhalten, ist jeder Schritt in die Unfreiheit eine Gefahr. ({6}) Das gilt auch von diesem Vorschlag, auf einem geographisch begrenzten Teil die atomare Bewaffnung nicht durchzuführen. Der Herr Kollege Ollenhauer hat ein Wort gebraucht, das ich zitieren möchte. Er hat uns gesagt: Die Entscheidung, vor der wir heute stehen, bedeutet die Einbeziehung der Bundesrepublik in den Todeskreis des atomaren Wettrüstens. Meine Damen und Herren, ich will nicht fragen, ob auch diejenigen, die das Wehrgutachten Ihrer Partei gemacht haben und sich dort für die atomare Bewaffnung entschieden haben, ({7}) unter diese Kritik fallen. Aber ich meine, man sollte solche Vorwürfe nicht erheben; denn was würden Sie antworten, wenn ich sagte: Herr Kollege Ollenhauer, Ihre Entscheidung bedeutet die Einbeziehung des deutschen Volkes in den Todeskreis der absoluten Unfreiheit? ({8}) Sie würden sich mit Recht gegen eine solche Unterstellung wehren. Deshalb habe ich die dringende Bitte: Wenn wir hier feststellen - und wir werden es noch feststellen -, daß wir auch in grundsätzlichen Fragen nicht übereinstimmen, warum in aller Welt haben wir es denn nötig, uns dabei schlechte Gesinnung zu unterstellen? ({9}) Bundesaußenminister Dr. v. Brentano Das gilt auch von dem, was Herr Kollege Heinemann heute morgen gesagt hat. Ich glaube, mit solchen überspitzten Formulierungen, zum Teil peinlichen Halbwahrheiten kann man eine ernste Debatte nicht führen. Was heißt die Feststellung, die Bundesregierung bekenne sich zur Einheit von Christentum und NATO? Meine Damen und Herren, so ein dummes Wort hat noch niemand ausgesprochen, der hier stand. ({10}) Aber ich frage Herrn Kollegen Heinemann: Wenn er schon zu solchen überspitzten Formulierungen greift, bekennt er sich denn zur Unvereinbarkeit zwischen Christentum und einer Verteidigungsgemeinschaft freier Völker? ({11}) Es ist dann noch darüber gesprochen worden - zu einem Teil hat der Herr Bundeskanzler darauf schon geantwortet -, wir täten ja mehr, als man von uns verlange; wir seien entschlossen oder bereit, eine atomare Bewaffnung auch der Bundeswehr zu akzeptieren, obwohl die NATO das nicht von uns verlange. Man verwies dann auch auf Beispiele anderer, die eine stärkere Widerstandsfähigkeit zeigten. Meine Damen und Herren, niemand hat gesagt, daß die NATO von uns in diesem Augenblick und heute die Ausrüstung deutscher Truppen mit atomaren Waffen verlangt. Aber die NATO verlangt von uns - und das sage ich allen denen, die sich auch in der Opposition zur Bündnistreue bekennen -, daß wir uns an den Anstrengungen, die Freiheit zu erhalten und zu sichern, mit der gleichen Ernsthaftigkeit beteiligen wie die anderen auch. Hier ist wieder einmal der Gegensatz zwischen meiner Auffassung und der von Herrn Kollegen Erler sichtbar, die ich am Freitag zitiert habe. Herr Kollege Erler ist der Meinung, daß man diese Dinge den anderen überlassen könne. Die NATO hat über diese Fragen - sie sind gar nicht so neu; deswegen glaube ich, daß es gar nicht nötig ist, es zu betonen - am 19. Dezember ein Kommuniqué herausgegeben, das im „Bulletin" veröffentlicht ist. Wir tun nicht mehr und nicht weniger, als wir dieser gemeinsamen Entschließung schuldig sind. Es heißt dort: Solange die Sowjetunion hei dieser Haltung verharrt, - nämlich bei der Aufrüstung mit atomaren Waffen und Flugkörpern -haben wir keine andere Möglichkeit, als wachsam zu bleiben und auf unsere Verteidigung bedacht zu sein. Wir sind daher entschlossen, der militärischen Verteidigungsstärke der NATO die wirksamste Form zu geben und dabei den jüngsten Entwicklungen auf dem Gebiete der Waffentechnik Rechnung zu tragen. Hierzu hat NATO beschlossen, Lager mit Atomsprengköpfen anzulegen, die im Notfall für die Verteidigung der Allianz sofort verfügbar sind. Meine Damen und Herren, diese Entscheidung ist - und das geht aus dem Kommuniqué hervor nicht mehr und nicht weniger als die Antwort auf das, was in zahllosen Briefen und Noten der Sowjetunion bis in die jüngste Zeit hinein zu lesen war. Wenn Herr Kollege Ollenhauer uns das gute Beispiel von Norwegen vor Augen hält, dann muß ich ihm entgegnen, daß er offenbar die Rede des Verteidigungsministers Niels Handal vorn 11. 3. dieses Jahres nicht gelesen hat. ({12})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Wehner, den Ausdruck „Blech" muß ich als unparlamentarisch zurückweisen.

Dr. Heinrich Brentano (Minister:in)

Politiker ID: 11000263

Der Herr Kollege Ollenhauer hat uns erklärt, daß in dieser Rede die Ausrüstung der norwegischen Truppen mit atomaren Waffen abgelehnt worden sei. Dann muß ich unterstellen, daß er ein falsches Original hat; denn im Original steht das Gegenteil, Herr Wehner. Herr Handal hat gesagt: Gerade weil es eine gemeinschaftliche Verteidigung ist, müsen wir auch einen Teil der Last auf uns nehmen. Eine Verteidigungsgemeinschaft gibt uns größere Sicherheit. Aber sie ist eine gegenseitig verpflichtende Gemeinschaft. Er fährt fort: Das bedeutet wiederum, daß alle Modernisierung, wie rasch auch immer die militärtechnische Entwicklung verlaufen mag, so geschehen muß, daß sie nicht auf Kosten der heute errungenen Bereitschaft geht. Und an anderer Stelle, auf Seite 8, sagt Herr Niels Handal: Unsere Verteidigung wird heute allmählich mit Waffen ausgerüstet, die Atomsprengladungen benutzen können, und rein technisch würde es keiner besonders langen Zeit bedürfen, eine Umstellung auf den Einbau von Atomladungen vorzunehmen. Meine Damen und Herren, haargenau das, was uns auch der Herr Verteidigungsminister gesagt hat. ({0}) - Sie brauchen ja nur die Rede nachzulesen! ({1})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Meine Damen und Herren, ich darf doch um Ruhe bitten. Herr Abgeordneter Wehner, wenn Sie den Herrn Minister glauben korrigieren zu können, haben Sie nachher die Möglichkeit, das Wort zu ergreifen. ({0}) Vizepräsident Dr. Jaeger - Herr Abgeordneter Wehner, es stehen Ihnen noch 66 Minuten zur Verfügung.

Dr. Heinrich Brentano (Minister:in)

Politiker ID: 11000263

Ich habe volles Verständnis dafür, Herr Kollege Wehner, daß Ihnen diese Rede peinlich ist. Sie paßt durchaus nicht in Ihr Konzept. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Meine Damen und Herren, ich bitte, sich doch allgemein zu beruhigen.

Dr. Heinrich Brentano (Minister:in)

Politiker ID: 11000263

Meine Damen und Herren! Im übrigen habe ich aus dieser Diskussion zum Teil doch den Eindruck gewonnen, daß man die Dinge mit einer zum Teil peinlichen Vereinfachung sieht. Wenn ich hier hören mußte, auch aus der Rede, ich glaube, von Herrn Kollegen Döring, welches Sündenregister er dem Westen aufgestellt, hat, und wenn ich nicht hören konnte, was wir eigentlich der Sowjetunion zum Vorwurf zu machen haben, dann muß ich sagen: So sollte man die Dinge nicht darstellen! ({0}) Man hat uns gesagt: Was hat Herr Churchill im Jahre 1945 gesagt! Man hat uns Äußerungen anderer Politiker entgegengehalten. Und in einer wirklich überraschenden Entstellung der Wahrheit - vielleicht ist der Herr Kollege Döring falsch informiert - hat er uns dann auch berichtet, die französische Nationalversammlung habe damals das Scheitern der EVG durch das Singen der Nationalhymne beantwortet. Meine Damen und Herren, darf ich Ihnen sagen, wie es in Wirklichkeit war. Nach dem Scheitern der EVG in der französischen Nationalversammlung ist die kommunistische Partei aufgestanden und hat die Nationalhymne gesungen; ({1}) darauf haben dann später die nichtkommunistischen Parteien, von den Sozialisten bis zu den Rechtsparteien, selber die Nationalhymne angestimmt, weil sie diesen Mißbrauch der Nationalhymne durch die Kommunisten nicht zulassen wollten. Das ist der wahre Vorgang, den Ihnen jeder bestätigen kann, der dabei war, meine Damen und Herren. Im übrigen haben wir nicht die Absicht und den Wunsch, die Situation zu erschweren und insbesondere unser Verhältnis zur Sowjetunion zu belasten. Die Verhandlungen, die wir über eine Reihe von Fragen mit der Sowjetunion geführt haben und noch führen, zeigen, wie ernsthaft wir bemüht sind, die Beziehungen zwischen diesen beiden Regierungen besser zu gestalten, in der Hoffnung, dann auch Verständnis für unsere deutschen Anliegen wecken zu können. Aber darüber werden wir nicht vergessen - und ich bin nicht bereit, es zu vergessen -, daß es bis zur Stunde die Sowjetunion ist, die alle Vorschläge, die in dieser Welt gemacht worden sind, die auf Entspannung, auf Abrüstung, auf ein Sicherheitssystem, auf Wiedervereinigung oder sonst eine konstruktive Lösung hinzielten, reihum und ausnahmslos abgelehnt hat. Haben wir nicht das Recht und haben wir nicht die Pflicht, das auszusprechen? Und haben wir nicht das Recht, uns um so enger und um so stärker an die Seite derer anzuschließen, die mit uns gemeinsam auch auf einer bevorstehenden Gipfelkonferenz den wiederholten Versuch unternehmen wollen, die Spannung aus der Welt zu schaffen, dabei allerdings auch die deutsche Frage so zu lösen, wie wir es wünschen? Hier noch eine Bemerkung! Ich habe schon nach der Rede von Herrn Kollegen Schmid gesagt: ich war erschrocken über die Formulierung, daß in einem Wiedervereinigungsprozeß freie Wahlen irgendwann stattfinden müßten. Ich war erschrokken über die Formulierung, daß eine De-facto-Gewalt auch vor freien Wahlen nicht errichtet werden könne. Diese Errichtung einer De-facto-Gewalt haben wir erlebt, als die polnische Exilregierung mit dem Lubliner Komitee zusammenkam, um eine Defacto-Gewalt zu gründen. ({2}) Ich war nicht minder erschrocken, als heute morgen Herr Kollege Heinemann zwar von Wahlen sprach, aber das Wort „freie Wahlen" nicht aufgenommen hat, obwohl er durch Zuruf darauf hingewiesen worden ist. ({3}) Meine Damen und Herren, wir haben wohl das Recht, auch einige Fragen zur Klärung zu stellen. 1 Dem hat auch der Schluß meiner Rede am vergangenen Donnerstag gedient. Ich möchte doch die Fragen stellen, ob die Opposition auf die Durchführung freier Wahlen - ich sage: freier Wahlen im unbedingten Sinn; denn es gibt keine halbfreien Wahlen ({4}) ernsthaft zu verzichten bereit ist oder ob sie glaubt - ({5}) - Ich habe soeben von der Rede von Herrn Heinemann gesprochen. ({6}) - Ich habe von Ihrer Rede wohl Kenntnis genommen; ich habe sogar dazu Stellung genommen! ({7}) - Herr Kollege Wehner, ich habe diese Frage nicht an Sie, sondern an Herrn Kollegen Heinemann gestellt, ({8}) weil ich einmal wissen wollte, wer legitimiert ist, für sie zu sprechen, Sie oder Herr Heinemann. ({9}) Bundesaußenminister Dr. von Brentano Ich glaube, wir haben umso mehr das Recht, diese Fragen zu stellen, als sie tatsächlich die Grundlagen einer möglichen gemeinsamen Außenpolitik, wenn auch nur in Grundsätzen, berühren. Wir waren uns in den Grundsätzen bisher einig, und ich glaube, viele von uns haben das auch immer wieder herausgestellt. Es war eine Stärke auch für unser Gespräch mit dem Ausland im Westen und im Osten, daß wir auf diese grundsätzliche Übereinstimmung in der Forderung nach freien Wahlen am Beginn einer Wiedervereinigung hinweisen konnten, wohlgemerkt unter dem selbstverständlichen Vorbehalt, daß solchen freien Wahlen und solchem Beginn eine Verständigung der Großmächte vorangehen muß. ({10}) Wir waren uns auch darüber einig, daß ein Gespräch mit Pankow nicht möglich ist, weil wir nicht in der Lage sind, eine Regierung und ein System anzuerkennen, dem jede Legitimation, jede politische, jede demokratische Legitimation fehlt. ({11}) - Ach Herr Kollege, Sie reisen nach Jugoslawien und nach Polen, da kann ich ja wohl auch einmal nach Spanien fahren! ({12}) Wir waren uns darüber einig, daß eine Konföderation nicht der geeignete Weg ist, sondern daß im Gegenteil eine Konföderation das Ende einer jeden sinnvollen Wiedervereinigungspolitik bedeuten wurde. Alle diese frühere Einigkeit ist durch manche Äußerung der Opposition in Frage gestellt. ({13}) Lassen Sie mich noch einmal sagen, was ich hier schon vor wenigen Tagen ausgesprochen habe: Wenn wir nicht einmal mehr in diesen Grundfragen eine Einigung feststellen können, wie sollen wir dann zu einer gemeinsamen Außenpolitik kommen? Glauben Sie nicht, daß, wenn wir nicht einmal in diesen Grundfragen die Meinung des ganzen deutschen Volkes im Gespräch mit dem Osten und dem Westen vertreten können, damit die Stellung einer Bundesregierung zusätzlich geschwächt wird, gerade wenn sie Anliegen zu vertreten und zu verteidigen hat, die uns und Ihnen, wie ich hoffe, gemeinsam am Herzen liegen? ({14})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Bundesverteidigungsminister.

Dr. h. c. Franz Josef Strauß (Minister:in)

Politiker ID: 11002270

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Debatte, in der wir uns befinden, befaßt sich mit drei großen Problemen, die in ihrem sachlichen Zusammenhang, in ihrem politischen Zustandekommen und in ihren Lösungsmöglichkeiten nicht voneinander zu trennen sind. Es sind die drei Probleme der Einheit Deutschlands, der Sicherheit und damit des Friedens der Welt und das Problem der Abrüstung als des einzig realen Weges, um diese Ziele, die Sicherheit und den Frieden, zu erreichen. Wir haben in dieser Debatte viele Interpretationen von Äußerungen, Noten und Veröffentlichungen aus der Vergangenheit gehört. Ich glaube, daß zwei Warnungen angebracht sind. Dazu gehört einmal die Warnung davor, die Zeitgeschichte, die wir erlebt haben, hinsichtlich Dichtung und Wahrheit so zu sehen und so darzustellen, wie sie am besten in das Konzept des innenpolitschen Ringens der Gegenwart hineinpaßt, d. h. die verhängnisvolle Verwechslung zu begehen, als ob die Probleme der Außenpolitik in demselben Maße der Souveränität der eigenen Entscheidung unterliegen wie die Probleme der Innenpolitik. ({0}) Wir müssen uns hüten, so sehr unter dem Gesetz der innenpolitischen Dialektik zu stehen, daß Entwicklungslinien und Zusammenhänge der Außenpolitik nach den Erfordernissen der Innenpolitik zurechtgerückt werden. Das gilt insbesondere für die Interpretationen der Noten, die auch hier wiederum zum Teil in Verwechslung mit Memoranden und TASS-Erklärungen gegeben worden sind. Ich glaube, man muß sich nach dem, was wir am Schluß der Debatte Ende letzter Woche erlebt haben, auch davor hüten, aus akustischen oder propagandistischen Gründen in der Sache falsche und ungerechte, in der Form beleidigende, in den Folgen für das Ansehen dieses Parlaments verhängnisvolle und für die Sowjetpropaganda hilfreiche Parallelen zu ziehen. ({1}) Ich werde in aller Ruhe begründen, warum ich mir diese Warnung erlaube. ({2}) Der Untergang der Weimarer Republik ist ja nicht erst im Jahre 1933 bei der Abstimmung über das Ermächtigungsgesetz geschehen. Ich glaube, darüber dürfte sich jemand, der auch nur einigermaßen historisch denken kann, keinem Zweifel hingeben. ({3}) Die Weimarer Republik ist dadurch zugrundegegangen, daß das System der politischen Parteien des damaligen Reichstages nicht mehr funktionsfähig und nicht mehr zur Erfüllung seiner Aufgabe in der Lage war. ({4}) Sie ist nicht zuletzt daran zugrunde gegangen, daß die Extreme von links und von rechts, seit 1932 in einer absoluten Mehrheit im Reichstag vertreten, den Volkssouverän als demokratischen Gesetzgeber ad absurdum geführt haben. ({5}) Ich glaube, Herr Kollege Ollenhauer und die anderen Redner der Opposition, daß man unseren aus Bundesverteidigungsminister Strauß den Erfahrungen der Vergangenheit gewachsenen und durch einen bitteren Anschauungsunterricht der Gegenwart verstärkten Entschluß, nie wieder in ein totalitäres System, gleichgültig, welches Vorzeichen es trägt, abgleiten zu wollen, nicht mit den Vergleichen belegen kann, wie es hier durch Redner Ihrer Fraktion geschehen ist. ({6}) Insbesondere würde das, was an Vorwürfen gegen uns erhoben wird, gleichzeitig auch als Vorwurf gegen unsere Verbündeten gelten. Ich glaube, daß unsere Verbündeten im Westen - die Vereinigten Staaten von Amerika, Kanada, die skandinavischen NATO-Verbündeten, England, Frankreich - und andere Länder niemals ihre Hand dazu leihen würden, in Deutschland wieder ein totalitäres System aufzurichten. ({7}) Darum soll man sehr wohl verstehen, wenn wir jetzt nichts anderes tun wollen und nichts anderes vorhaben, als dieselbe Verteidigungspolitik, die von 14 demokratischen Nationen gebilligt und getrieben wird, auch unsererseits für Einheit, Freiheit und Frieden uns zu eigen zu machen und die sich daraus für uns ergebenden Pflichten loyal zu erfüllen, nicht mehr und nicht weniger. Ich glaube, daß hier jeder Vergleich zwischen dem Ermächtigungsgesetz und dem, was hier geschehen ist, absolut unangebracht ist und nach einer Periode der geistigen Abkühlung auch hoffentlich nicht mehr gebraucht wird. Es sind Vergleiche gebraucht worden. Ich habe sie eben angedeutet. Ich möchte mich nicht mehr in sie verlieren. Aber manche Zuhörer und manche Beobachter hatten den Eindruck, daß die Schärfe gewisser oppositioneller Reden nicht ganz frei war von einem Vorausblick auf den Stuttgarter Parteitag der SPD ({8}) und daß die Frage „Wahl in den Parteivorstand - ja oder nein?" dabei eine gewisse Rolle gespielt hat. ({9}) Ich brauche nicht in Stuttgart in den PV gewählt zu werden. Der Kollege Schmidt hat da so eine schöne Reihenfolge gebraucht, er sprach vom Einfallen, Auffallen, Umfallen. Es ist auch einigen Ihrer Herren - und Sie waren geistig mit Ihrem Kollegen Erler nicht ganz unbeteiligt - einiges eingefallen. Sie sind dann auch umgefallen, weil sie aufgefallen sind. ({10}) Ich meine, jetzt bewegt Sie etwas die Sorge, daß man dabei durchfallen und somit zurückfallen könnte, wenn man den Vergleich weiterentwickelt.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Fritz Erler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000488, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Verteidigungsminister, sind Sie sich darüber im klaren, daß Sie einfach einer Ente aufgesessen sind, wenn Sie den Abgeordneten Schmid und mich auch nur im geringsten mit irgendwelchen Gedankengängen in Verbindung bringen, wonach etwa wir ein positives Wort für die atomare Bewaffnung der Bundeswehr ausgegesprochen haben könnten? Wir zwei auf keinen Fall! Ich möchte das nur klarstellen.

Dr. h. c. Franz Josef Strauß (Minister:in)

Politiker ID: 11002270

Ich danke Ihnen für diese Klarstellung. ({0}) - Aber, ich glaube, mehr für den Stuttgarter Parteitag als für uns hier. ({1}) - Kollege Erler, hören Sie mich doch in Ruhe an! ({2}) - Das ist doch keine Unterstellung! - Wir wissen sehr genau, daß auch bei Ihnen ein Ringen der Geister um die Lösung dieser Probleme stattfindet; mehr will ich nicht sagen. Kollege Gerstenmaier hat heute morgen davon gesprochen, daß die deutsche Einheit eine Funktion der Politik der Großmächte in der Weise ist, wie das Problem zustande gekommen ist, und in der Weise, wie eine Lösung dieses Problems gefunden werden muß. Wenn ich ihn recht verstanden habe, meint er damit, daß eine Lösung nicht in einem politischen Alleingang der Bundesrepublik gefunden werden kann, sondern nur dann, wenn sich diese Lösung in die zu schaffenden Konstellationen der großen Mächte einfügt. Ich erlaube mir, nochmals in zwei ganz einfachen Thesen darauf hinzuweisen, daß die Moskauer Deutschlandpolitik, nachdem sie die Forderung nach Zerstückelung Deutschlands im Jahre 1945 deshalb aufgegeben hat, weil die sowjetischen Armeen an der Elbe standen, immer, wenn auch unter verschiedenen Prätexten und mit verschiedenen Einkleidungen, die Herrschaft über ganz Deutschland verlangt hat. Im Jahre 1946 hat der amerikanische Außenminister Byrnes bereits vor der Pariser Außenministerkonferenz an die Adresse Moskaus vorgeschlagen, Gesamtdeutschland nach den Beschlüssen der Potsdamer Konferenz als Einheit zu behandeln, aber für 25 Jahre zu entwaffnen und zu neutralisieren. Molotow hat damals eine Frist von 40 Jahren verlangt, aber auch die Ingangsetzung dieser Frist für noch verfrüht erklärt. Im Jahre darauf hat sich der amerikanische Außenminister Marshall in Moskau sogar auf die Forderung der 40 Jahre eingelassen, und damals ist sogar von der Seite unserer heutigen westlichen Verbündeten das in unseren Ohren aus verständlichen Gründen nicht gut klingende Wort gefallen, Bundesverteidigungsminister Strauß daß man dieses Deutschland, wenn es seine Pflichten der Neutralisierung und der Entwaffnung nicht einhalten sollte, durch Luftwaffenbestrafung zur Rechenschaft ziehen könnte. Soweit gingen damals die Westmächte in den Jahren 1946 und 1947: 40 Jahre Entwaffnung und Neutralisierung. Molotow hat demgegenüber unverändert auf Reparationen - darüber ließe sich reden - und auf Beteiligung der Sowjetunion an der Kontrolle über die Ruhr bestanden. Diese Einstellung der sowjetischen Politik ist - einschließlich des Vorschlags der Konföderation - bis heute unverändert aufrechterhalten worden. Es ist falsch, Herr Kollege Erler, wenn Sie sagen, die Sowjets hätten ihre Forderungen bei uns gesteigert. Nein, die Sowjets verlangen immer wieder dasselbe, nur in jeweils sehr geschickter Anpassung an die politische, diplomatische und psychologische Lage. Und wenn Sie zum Ausdruck bringen, die Sowjets steigerten ihre Forderungen, früher wären sie billiger gewesen, jetzt seien sie teurer, dann ist das erstens in der Betrachtung der Zusammenhänge falsch, zweitens führt es aber auch zwangsläufig zu der Frage, die man Ihn en nicht ersparen kann: Wie weit sollen wir uns denn erpressen lassen? Wir haben vor einigen Jahren noch übereinstimmend freie Wahlen an der Spitze der Entwicklung zur Wiedervereinigung gestellt. Diese Forderung ist von Ihnen offiziell aufgegeben worden, zwar nicht die Forderung nach freien Wahlen, aber die Forderung, daß freie Wahlen an der Spitze der Entwicklung zur Wiedervereinigung stehen. Wir wissen sehr genau, Kollege Wehner, daß der außenpolitische Status eines wiedervereinigten Deutschlands nicht automatisch in der Mitgliedschaft in einem Militärbündnis bestehen kann. Wir wissen sehr genau, daß eine Einheit Deutschlands auf friedlichem Wege nur mit Zustimmung der Sowjetunion möglich ist und daß eine Zustimmung der Sowjetunion ohne eine befriedigende Lösung der sowjetischen Sicherheitsfrage - und das ist ja darin enthalten - einfach nicht gefunden werden kann. Daher wäre es ein Widerspruch in sich selbst, wenn wir die Zuständigkeit, das Einvernehmen der vier Großmächte voraussetzten und starr auf dieser Interpretation der Bindungsklausel bestünden; das ist ja nicht der Fall. Aber wir sind auch der Meinung, daß Sie, wenn ich Ihr Wort richtig in Erinnerung habe, nicht nur Unrecht haben, sondern die Dinge ins Gegenteil verkehren, wenn Sie sagen, wir wollten die Sowjets erpressen. Wer erpreßt denn wen seit 12 Jahren? ({3}) Ich glaube, das ist eine Frage, die man nur zu stellen braucht; die Antwort darauf ist selbstverständlich. Ich kann mir vorstellen - ich möchte jetzt gar keine phantasievolle Exkursion machen -, daß die Sowjets bei der Beobachtung Ihrer psychologischen Kampagne in Deutschland in dem Entschluß bestärkt werden müssen: nur zuwarten und zuwarten und immer noch länger hinausziehen, die werden einen immer höheren Preis zu zahlen bereit sein! In diesem Zusammenhang haben die Redner der Opposition die Frage der Ausstattung der Bundeswehr mit nuklearen Waffen in den Mittelpunkt gestellt. Ich darf dazu, weil das ja die eigentliche mir zukommende -- und nicht sehr angenehme - Aufgabe ist, mich äußern. Man sollte denjenigen, der auch mit guten Argumenten und auch nicht leichten Herzens und auch in Erfüllung seiner Pflicht das tut, was er für notwendig und richtig hält, nicht beleidigen und ihm persönlich niedrige Gesichtspunkte unterstellen. ({4}) Ich habe in meinen ersten Ausführungen am Donnerstag von der Strategie der indirekten Verteidigung gesprochen, davon, daß heute der Sinn des Aufbaues unserer Bundeswehr, der Erfüllung ihrer Aufgabe innerhalb der NATO und der Sinn des ganzen Bündnissystems nur mehr darin bestehen kann, den Ausbruch eines großen Weltkriegs, aber im europäischen Rahmen auch den Ausbruch des kleinen Krieges, der für Deutschland genauso verheerend wäre wie der Ausbruch des großen Krieges für viele Völker, unmöglich zu machen - und nichts anderes -, und dieses Unmöglichmachen nicht auf Spekulationen, auf Wunschträume aufzubauen, sondern auf konkrete Garantien und auf das Ziel hin das ist zur Zeit ein Oder; wir hoffen, es wird ein Und - einer weltweiten, konventionelle und atomare Waffen umfassenden Entwaffnung oder Rüstungsbeschränkung, die einer wirksamen Kontrolle unterliegen muß, bis dieses Ziel erreicht wird. Dieses Vorgehen ist das einzige Mittel, das uns technisch Sicherheit zu bieten vermag. Sonst gibt es keine Sicherheit mehr, im technischen Sinne des Wortes; das wissen wir immer. Aber bis dieses Ziel erreicht ist, gilt es, Garantien zu schaffen, daß derjenige, der in der Lage wäre, Gewalt anzuwenden, weil diese Frage für ihn nur eine Zweckmäßigkeitserwägung ist, es effektiv nicht tun kann, - das ist der Sinn der NATO. Daran glauben die Vereinigten Staaten von Amerika, daran glauben Kanada, Frankreich, England, Norwegen, Dänemark, die Bundesrepublik, Luxemburg, Italien, Portugal, die Türkei, Griechenland. Ich glaube, wir befinden uns hier, wenn man den ganzen Rahmen sieht, in einer guten Gesellschaft. Wir glauben, daß die Staatsmänner in diesem Bündnis, die mit dem Ziel einer weltweiten, umfassenden, unter Kontrolle stehenden Abrüstung bis dahin die Verhinderung des Krieges, der Auslösung des Krieges auf der Seite eines möglichen Aggressors sich als Zwischenziel genommen haben, echte Pazifisten im Sinne der Verantwortung sind, von der heute morgen der Kollege Heinemann gesprochen hat. ({5}) - Herr Kollege Wehner, Ihr Lachen ist hier wirklich bedrückend, in diesem Fall wirklich bedrückend! ({6}) Bundesverteidigungsminister Strauß - Meine Rede ist nicht bedrückend. Meine Rede drückt genau das aus, was die offizielle Politik von 15 demokratisch regierten Nationen ist. ({7}) Ich sagte: jeder Krieg auf europäischem Boden muß verhindert werden. Ich darf hier einmal auf die Thesen eingehen, die von der Opposition hier vorgetragen worden sind und die zum Teil in einem schroffen Widerspruch zueinander stehen, z. B. - es tut mir leid, aber ich muß es doch sagen dürfen; die Reden sind ja öffentlich gehalten worden - zwischen dem, was Kollege Erler am ersten Tag der Debatte und was er bei mehreren Anlässen in Wort und Schrift vertreten hat, und dem, was der Kollege Heinemann heute vertreten hat. Ich weiß nicht: wenn der Kollege Carlo Schmid erklärt, Dr. Heinemann vertrete die offizielle Linie, die offizielle Politik der Sozialdemokratie, dann ist diese offizielle Politik der Sozialdemokratie keine gerade Linie, sondern eine Umkehrkurve. ({8}) Ich darf es Ihnen gleich erläutern. Kollege Heinemann sagte, er bekenne sich zum Grundgedanken der Verteidigung. Er sei durchaus für eine gegenüber der sogenannten Volkspolizei oder sogenannten Nationalen Volksarmee gleichgewichtige Verteidigung auf der Seite der Bundesrepublik; er sage aber unter allen Umständen zu nuklearen Waffen nein, und - ich glaube, ich habe es ziemlich wörtlich in Erinnerung - er mute auch anderen nicht zu, diese Waffen für unsere Sicherheit paratzuhalten. Kollege Erler hat einen ganz anderen Standpunkt vertreten. Er hat den Standpunkt vertreten, die Bundesrepublik brauche deshalb keine nuklearen Waffen, weil die strategischen großen Atomwaffen der Amerikaner mit ihren abschreckenden und massenvernichtenden Möglichkeiten im Hinterland der Sowjetunion solche Zerstörungen anrichten könnten, daß deshalb die Sowjets eine Aggression nicht unternehmen würden. Ich glaube, ich habe hier den Kollegen Erler sinngemäß genau zitiert, wie er sich hier und bei anderen Anlässen ausgedrückt hat. Wenn Kollege Heinemann sagt: „Auf keinen Fall, auch nicht in den Händen der Amerikaner", und Kollege Erler sagt: „In den Händen der Amerikaner, das reicht uns; dann brauchen wir uns nicht zu beteiligen", dann ist hier der ganze tragische Widerspruch in der Haltung der Opposition; denn die eine Seite sagt: „Wir verlassen uns auf die Amerikaner, ohne mit ihnen eine gemeinsame Politik machen zu wollen", und die andere Seite sagt: „Wir nicht und auch die Amerikaner nicht." ({9}) Kollege Heinemann, Ihr Argument, das ich heute morgen angehört und durchdacht habe, führt dazu, daß nach Ihrer Auffassung Verteidigung völkerrechtlich erlaubt und moralisch legitim ist, soweit es sich um konventionelle Waffen handelt; angenommen, es ließe sich eine genaue Abgrenzung finden, so schwer es auch wäre. Sollte aber - Ihren Standpunkt weiter verfolgt - ein Angreifer mit dem Einsatz nuklearer Waffen drohen, was dann? Verteidigen mit konventionellen Waffen? Sie wissen ganz genau, daß das nicht den geringsten Sinn mehr hat, daß das schwächer wäre, als wenn man mit einer Armbrust gegen eine Festung anrennen würde. Wenn Sie also mit konventionellen Waffen den Angreifer nicht mehr abhalten können und wenn der Angreifer weiß, daß nukleare Waffen auf der anderen Seite - jetzt nach Ihrer Welttheorie - nicht zur Verfügung stehen, dann bleibt doch nichts anderes übrig als bedingungslose Kapitulation. ({10}) Etwas anderes gibt es doch nicht mehr. Damit sind Sie bei dem Standpunkt von King-Hall angelangt: gewaltloser, innerer Widerstand, nachdem man darauf verzichtet hat, den Angreifer fernzuhalten. Das ist doch Ihr Standpunkt - ich kann keinen anderen Standpunkt aus Ihren Worten herauslesen -, und dieser Standpunkt stimmt nicht mit dem Standpunkt von Kollegen Erler und anderen führenden Experten der SPD überein. Und dann sagt Carlo Schmid: Kollege Heinemann vertritt die offizielle, einheitliche Auffassung der Sozialdemokratischen Partei. ({11}) Hier stimmt doch etwas nicht. ({12}) - Das ist nicht die richtige Antwort, Herr Kollege Wehner. - Ich darf doch darauf hinweisen, 'daß hier zwischen dem einen Standpunkt, sich auf die abschreckende Kraft der nuklearen Waffen der Amerikaner zu berufen, und dem anderen Standpunkt, daß nukleare Waffen zur Verteidigung überhaupt nicht bereitstehen sollten, ein unüberbrückbarer innerer Widerspruch besteht, der die ganze Frage und die ganze Dramatik des Unvermögens darlegt, nach Ihrer Konzeption eine Lösung für die Sicherheit auf realer Basis zu finden, weshalb Sie sich in die Traumschlösser Ihrer Wünsche flüchten müssen. ({13}) Kollege Erler ist mit gewissen amerikanischen Thesen sehr wohl vertraut, und er hat sie sich auch weitgehend zu eigen gemacht. Es gibt mehrere Kollegen, die genau darüber Bescheid wissen, daß die Möglichkeit der Abschreckung durch die strategischen nuklearen Waffen begrenzt ist wegen des Gleichgewichts, das zwischen beiden Seiten entweder bereits herrscht oder in absehbarer Zeit herrschen wird. Sie wissen auch ganz genau, daß die Sowjets deshalb hoffen und ihre militärische Doktrin darauf Bundesverteidigungsminister Strauß abstellen, daß wegen der Unmöglichkeit des strategischen nuklearen Schlags und Gegenschlags bis zu einem gewissen Grade örtliche Versuchsaktionen an der Peripherie der NATO oder innerhalb der NATO eines Tages möglich sein werden.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kohut?

Dr. h. c. Franz Josef Strauß (Minister:in)

Politiker ID: 11002270

Bitte sehr.

Dr. Oswald Adolph Kohut (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001169, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Minister, glauben Sie, daß Ihr drittes Auftreten in der Debatte im Hinblick auf die Redezeitbeschränkung der Opposition sehr fair ist? ({0})

Dr. h. c. Franz Josef Strauß (Minister:in)

Politiker ID: 11002270

Ich sehe über diese persönlich beleidigenden Zurufe hinweg. Aber wenn man hier, wie es am Samstag und auch heute durch den Kollegen Ollenhauer - wenn auch in wesentlich abgemilderter Form - geschehen ist, uns Unterstellungen macht, von der Gewissenlosigkeit und der extremen Gefährlichkeit bis zum falschen Zitat der Rede des norwegischen Verteidigungsministers, dann muß die Regierung, in deren Auftrag ich spreche, das Recht haben, ihren Standpunkt hier darzulegen. ({0}) Gerade weil die Anwendungsmöglichkeit der strategischen Abschreckung begrenzter wird - das wissen Sie, Kollege Erler, und das weiß ich -, kommt es darauf an, örtlich keine weichen Stellen zu schaffen, die einen lokalen Krieg ermöglichen könnten; denn der lokale Krieg führt zur Gefahr des Weltkriegs. Darum muß in Europa wie überall auf der Welt - aber wir sind an Europa in erster Linie interessiert - der lokale Krieg unmöglich gemacht werden, genauso wie der große Krieg als Mittel der Politik durch das Gleichgewicht des Schreckens ebenfalls unmöglich gemacht wird. ({1}) - Bitte sehr!

Fritz Erler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000488, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Bedeutet in sinngemäßer Anwendung der Gedanken des Verteidigungsministers die Ausschaltung des lokalen Krieges überall in der Welt, daß dann alle Staaten in der ganzenWelt mit Atomwaffen ausgestattet werden müssen, weil das offenbar das einzige Mittel ist, das Sie dazu sehen?

Dr. h. c. Franz Josef Strauß (Minister:in)

Politiker ID: 11002270

Nein, das nicht, Herr Kollege Erler. Aber wenn Sie sich noch einen Gedanken dazu anhören wollen: Der Zweck jeder modernen Bewaffnung - gerade auch auf seiten der NATO - ist nicht, diese Waffen anzuwenden. Ich weiß, wie schwer es ist, diesen Standpunkt plausibel zu machen. Aber Sie wissen genausogut wie wir: wenn ein Angreifer über Atomwaffen verfügt, ohne sie anzuwenden, und er steht einem Verteidiger gegenüber, der sie nicht hat und sie deshalb nicht anwenden könnte, ist der Angreifer allein mit seinen konventionellen Mitteln deshalb in einer erdrückenden Überlegenheit, weil der Angreifer auf engstem Raum dichte Truppenmassen konzentrieren kann, während der Verteidiger in der Ungewißheit, ob der Angreifer Atomwaffen anwendet oder nicht, sie weit auseinanderstreuen muß. Deshalb müssen wir jede Form des Krieges, den Weltkrieg, den lokalen Krieg in Europa, aber auch eine Auseinandersetzung mit konventionellen Waffen, mit allen menschenmöglichen und uns zu Gebote stehenden Mitteln ausschalten. ({0})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Dr. h. c. Franz Josef Strauß (Minister:in)

Politiker ID: 11002270

Bitte sehr!

Fritz Rudolf Schultz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002103, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Minister, glauben Sie, daß taktische Atomwaffen in einem solchen Fall, wie Sie gemeint haben, eingesetzt werden können, ohne daß das zur Vergeltung durch strategische Waffen führt? Glauben Sie, daß überhaupt der Einsatz der taktischen Atomwaffen einen Sinn hat?

Dr. h. c. Franz Josef Strauß (Minister:in)

Politiker ID: 11002270

Das Streben auf beiden Seiten geht dahin, die strategischen Atomwaffen nicht einzusetzen, weil sie für beide Seiten Selbstmord bedeuten. Daraus könnte ein Angreifer folgern: Weil der andere das Risiko der Verteidigung scheut, versuche ich örtlich - in Berlin, in Wien, in Lübeck, in Dänemark oder in der Türkei oder irgendwo - eine militärische Aktion. Es soll ihm auch auf eine solche begrenzte militärische Aktion, die zum kleinen Krieg und als kleiner Krieg dann doch zum großen Krieg führen könnte, ein hartes Nein entgegengesetzt werden, das auch den kleinen Krieg unmöglich macht. Wir stehen nur so lange zu dieser Auffassung, bis sich alle Beteiligten dazu durchgerungen haben, eine weltweite Abrüstung unter Kontrolle, unter einer wirksamen Kontrolle zuzulassen; ({0}) das ist unsere gemeinsame Auffassung und unsere einzige wirkliche Sicherheit.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Dr. h. c. Franz Josef Strauß (Minister:in)

Politiker ID: 11002270

Bitte sehr!

Fritz Erler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000488, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Darf ich aus diesen Ausführungen schließen, Herr Minister, daß Sie unter diesen Um1112 ständen die Ausstattung der Armeen aller Staaten rund um die Sowjetunion herum in all den Plätzen, die Sie eben aufgezählt haben - auch der österreichischen Armee und selbstverständlich der westlichen Garnisonen in Berlin - mit taktischen Atomwaffen für erforderlich halten?

Dr. h. c. Franz Josef Strauß (Minister:in)

Politiker ID: 11002270

Nein, das nicht. Aber Sie dürfen daraus schließen, daß wir und die ganze NATO jederzeit bereit sind, die Atomwaffen zum alten Eisen zu werfen, sobald die Sowjetunion einer wirksamen Kontrolle sich zu unterwerfen bereit ist. ({0}) Sie wissen genau, daß zwischen Geländegewinnen in der Wüste Gobi und um das Ruhrgebiet herum ein großer Unterschied ist. ({1}) - Ja eben, ich sage ja, ein großer Unterschied. Ich weiß, daß hernach leicht wieder so billige Verallgemeinerungen getroffen werden, trotzdem folgendes: Wenn wir überrannt werden sollten, weil wir einen Angriff für den Angreifer aussichtsvoll machen, dann laufen wir Gefahr, in die Wirkung der großen Waffen von beiden Seiten einbezogen zu werden. Wir wissen genau, warum wir uns die Sowjets vom Leibe halten wollen. ({2}) Nun sagen Sie, der Rapacki-Plan hält uns ja die Sowjets vom Leibe. - Ja, im Jahre 1870 bis zum Jahre 1939. ({3}) Aber heute, bei der Reichweite und der Wirkung moderner Waffen, bietet der Rapacki-Plan keine technische Sicherheit mehr. Er bietet nur noch eine Pseudosicherheit, die Illusion der Sicherheit. ({4}) Wir haben uns darüber genauso eingehend Gedanken gemacht wie Sie.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Eine weitere Zwischenfrage?

Dr. h. c. Franz Josef Strauß (Minister:in)

Politiker ID: 11002270

Aber ich bitte dann nicht den Vorwurf zu hören, daß ich - ({0}) - Ich diskutiere gerne mit Ihnen, Kollege Eder; denn es kommt ja doch etwas dabei heraus. Im Jahre 1945/46 - lesen Sie es in den Memoiren von Truman nach - haben die Vereinigten Staaten von Amerika den Russen angeboten, ihnen unter einer internationalen Kontrolle alle Atomgeheimnisse zugänglich zu machen und jede militärische Nutzung der Kernenergie in der Welt auszuschalten. Die Sowjets haben abgelehnt. In den Jahren 1950, 1951 und 1952 haben die Sowjets ein Verbot der Atomwaffen verlangt. Die Frage, ob sie bereit waren, eine Kontrolle hinzunehmen, muß mit Nein beantwortet werden. Aber haben nicht damals wir selber in Europa -und hier führend auch die deutsche Sozialdemokratie - der westlichen Seite das notwendige Maß an konventioneller Bewaffnung verweigert, um die Abschaffung der Atomwaffen hinnehmen und ein Gleichgewicht der Sicherheit herbeiführen zu können? Meine Damen und Herren, Ihr Widerstand gegen Atomwaffen, er mag moralisch noch so fundiert sein, wie wir auch unseren Standpunkt fundieren, ist deshalb sehr fragwürdig, weil Sie bisher ja auch der deutschen Bundeswehr die Mittel schon für ein einziges Gewehr verweigert haben. ({1}) In diese Debatte ist ein völlig falscher Akzent gekommen, der zur Irreführung der Öffentlichkeit beitragen kann. Es handelt sich nicht um die Ausrüstung der deutschen Bundeswehr mit taktischen Atomwaffen. ({2}) Das ist nicht wahr. Das wollen wir nicht und das werden wir nicht tun, solange uns die NATO eine ausreichende Sicherheit bietet, bis die Weltverhältnisse sich zu einer vernünftigen Lösung entspannt haben, die jeder normale Mensch anstreben muß. Wir wollen keine Ausrüstung der Bundeswehr als einer d e u t sch en Armee mit taktischen Atomwaffen. Ich darf das einmal ausdrücklich feststellen. Wir wollen nicht mehr und nicht weniger - hier, Herr Kollege Ollenhauer, haben Sie ebenso unrecht wie Kollege Schmid -, als die Gesamtverteidigungsplanung der NATO verlangt, die für jede Nation von Kanada bis zur Türkei bestimmte Aufgaben vorsieht, damit es für die einzelnen tragbar wird, damit es für die einzelnen erschwinglich wird und damit eine kollektive Sicherheit uns den Angreifer vom Leibe hält. Wir wollen also nicht mehr tun, als die anderen Nationen der NATO ebenfalls auf sich zu nehmen bereit sind. Heute befinden sich auf europäischem Boden ohne Zweifel amerikanische, vielleicht auch britische Atomwaffen. Diese amerikanischen Atomwaffen bleiben amerikanisches Eigentum und bleiben unter amerikanischem Verschluß. Wir lehnen eine Übernahme der Verfügungsgewalt auf deutsche Zuständigkeit und auf deutsches Ermessen und auf eine deutsche Bewaffnung und auf deutsches Eigentum ab. Darum ist die Frage „Ausstattung der Bundeswehr mit taktischen Atomwaffen einer deutschen Armee" eine irreführend gestellte Frage. Selbst wenn sie richtig gemeint sein mag, muß sie sich irreführend auswirken. Keine deutsche nationale Armee, keine deutsche Bundeswehr als deutsche Armee mit taktischen Atomwaffen, ({3}) sondern eine Ausstattung nach den Plänen der NATO in angemessener Zeit, und zwar nicht für uns allein, nicht für uns zuerst und für uns nicht anders als für die anderen ebenfalls! Bundesverteidigungsminister Strauß Kollege Schmid und Kollege Ollenhauer haben behauptet, noch keine NATO-Nation habe sich dazu entschlossen. Sie haben ferner behauptet, Herr Kollege Ollenhauer, obwohl die NATO uns gar nicht dazu aufgefordert habe, hätten wir uns sozusagen danach gedrängt. Kollege Ollenhauer, das ist eine objektiv falsche Feststellung; ich sage nicht: subjektiv, sondern ich sage: eine objektiv falsche Feststellung. Sie wissen, daß die Konferenz der Regierungschefs im Dezember 1957 in Paris bei der Gipfelkonferenz der NATO beschlossen hat, für die Verteidigung der NATO, zur Verhinderung eines Krieges auch taktische Atomwaffen unter amerikanischem Verschluß und unter amerikanischem Eigentum den Streitkräften in Europa zur Verfügung zu stellen. Sie wissen, daß heute ein Dokument der NATO vorliegt, das im April in Paris und im Mai in Kopenhagen verabschiedet werden soll, ein Dokument, das durch die Generalstabschefs sämtlicher 15 Nationen vorbereitet worden ist; und sämtliche 15 Nationen haben diesem Dokument zugestimmt. Wir sind sicher, daß im April in Paris und im Mai in Kopenhagen die Verteidigungs- und die Außenminister aller Nationen diesem Dokument zustimmen werden. Die Behauptung, daß wir es allein tun oder daß wir es tun, ohne gefragt zu sein, ist objektiv falsch. Sie wären die ersten, Herr Kollege Ollenhauer, die dann, wenn wir dem Dokument zustimmten, ohne hier die Debatte geführt zu haben, uns vorwerfen würden, das sei hinter dem Rücken des Parlaments geschehen. Nun sagen wir, was der Fall ist, nun sagen wir, was notwendig ist, nun sagen wir, was das Bündnis von uns verlangt, in aller Offenheit, mit allen Gründen, die dafür und dagegen sprechen, und Sie sagen jetzt, wir hätten keine Veranlassung, das zu tun. ({4}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, vom Kollegen Schmidt aus Hamburg ist hier die Auffassung vertreten worden, daß der Bundeskanzler für uns alle denke und daß er logisch einfach und primitiv denke. Meine Damen und Herren von der Opposition, ich würde Ihnen sehr wünschen, daß bei Ihnen einer konsequent das Problem durchdenkt, ({5}) statt daß wir hie Erler, hie Heinemann geboten bekommen: der eine läuft auf den Namen King-Hall, der andere macht mit den Amerikanern nukleare Politik auf Kosten der Russen. ({6}) Wir müssen deshalb die Frage wiederholen - diese Frage ist ja schon mehrfach an Sie gestellt wrorden; diese Frage liegt nicht im Interesse der Regierung oder des Hauses, sondern im Interesse unseres Volkes -: Besteht nach Meinung der Opposition eine sowjetische Gefahr? Ist es nötig, sich gegen sie zu schützen, oder nicht? Herr Kollege Schmidt hat diese Frage bejaht, hat aber einen gefährlichen Zusatz gemacht. Er hat den Zusatz gemacht, diese Gefahr bestehe natürlich auch bei der Sowjetunion wie bei jedem Staatssystem, dessen Regierung über nukleare Waffen verfüge. ({7}) Wir wollen uns aber hier, Herr Kollege Schmidt, die Trennungslinie nicht verwischen lassen. ({8}) Wir haben keine Angst vor nuklearen Waffen in den Händen der Amerikaner. Wir haben keine Angst vor nuklearen Waffen in den Händen der Briten, und wir hätten keine Angst vor nuklearen Waffen in den Händen der echten Demokratien. Wir könnten für alle Ewigkeit darauf verzichten. Wir haben Angst vor den nuklearen Angriffswaffen der Sowjetunion in der Verbindung mit ihrer politischen aggressiven Ideologie. ({9}) Sie können auch keine Antwort auf die Frage geben: Halten Sie eine Verteidigung des Friedens und der Freiheit zum Zweck der Verhinderung eines Krieges mit allen Mitteln für notwendig? Ich habe die Frage gestellt, Kollege Ollenhauer. In dem Exemplar des Protokolls, das ich zur Korrektur bekommen habe - ich habe es nie mehr wieder gesehen; ich habe das endgültige Protokoll nicht gelesen --, stand nach dieser Frage drin: „Zuruf von der SPD: Nein!" Ich weiß, daß das nicht Sie gesagt haben und daß das nicht die SPD gesagt hat. Aber wenn wir uns darüber nicht einig sind, daß Friede und Freiheit mit allen Mitteln verteidigt werden müssen, damit sie uns nicht genommen werden können, - -! Es wäre doch sehr wünschenswert und das scheint mir eine viel wesentlichere Frage zu sein als manche so heftig umkämpfte Einzelheit -, daß wir hinsichtlich der Grundlage, in der Einstellung gegen den Bolschewismus - wenn wir uns auch in den Methoden unterscheiden -, hinsichtlich der Einsicht in die Gefahr und die Notwendigkeit, sich gegen diese Gefahr mit allen Mitteln verteidigen zu müssen, in diesem Hause bis zum letzten Mitglied völlig einig wären. ({10}) Kollege Schmidt sagte, Kollege Jaeger versuche die Bundeswehr gegen die Opposition aufzuhetzen oder ähnliches. Erstens liegt das nicht in der Absicht des Kollegen Jaeger, zweitens hat er nie etwas Derartiges getan, ({11}) und drittens wäre es für jedermann in diesem Hause unmöglich, innerhalb der Bundeswehr Parteipolitik zu betreiben, weil wir sie nicht wünschen. ({12}) Aber Sie verwechseln hier einige Dinge. Lassen Sie mich das in aller Ruhe sagen. Wir wollen nicht testen, wir machen keine Test-Umfragen. Aber wir Bundesverteidigungsminister Strauß treffen doch überall auf die allgemeine Enttäuschung darüber, daß es in der Abwehr des Bolschewismus bei uns im Parlament nicht die gemeinsame Grundlage und den gemeinsamen Weg gibt, etwas, was ohne Zweifel seine bedenklichen Auswirkungen hat. ({13}) - Ach, es ist doch viel zu einfach, solche Antworten zu geben! -- Glauben Sie mir, die deutsche Bundeswehr möchte allen Teilen des Volkes dienen, weil sie kein Instrument der Regierung ist und sein darf. Das Niederschmetternde aber ist für manche, die sich Gedanken machen, die Tatsache, daß ein Teil diesen Dienst nicht will. Die Argumentation, daß die Bundeswehr überflüssig, schädlich oder gefährlich sei, wie sie jahrelang von gewissen Seiten in diesem Hause vertreten worden ist, ist bedenklich, gerade weil wir die Bundeswehr als ein überparteiliches, in der Verfassung vorgesehenes und dem ganzen deutschen Volke verpflichtetes Organ ansehen und nicht als ein Instrument einer Partei oder einer Regierung, die kommen und die gehen. ({14}) Sie wissen, wie schwer Sie es den Mitgliedern und den Anhängern der Sozialdemokratischen Partei innerhalb der Bundeswehr selbst machen; das wissen Sie ganz genau. Sie sollten daher gerade diesen Leuten manche Gewissenskonflikte, die sie haben, ersparen. ({15}) Ich habe auch die Frage gestellt: Erkennen Sie für den Zweck, Friede und Freiheit mit allen Mitteln zu verteidigen bis zu einer allgemeinen kontrollierten Abrüstung, die Notwendigkeit von Atomwaffen innerhalb des westlichen Verteidigungsbündnisses an? Kollege Erler sagt ja, Kollege Heinemann sagt nein, Carlo Schmid sagt: Beide vertreten dieselbe Auffassung! ({16}) Wenn die Notwendigkeit von Atomwaffen verneint wird, dann muß man fragen: Sind Sie bereit, Friede und Freiheit mit konventionellen Waffen zu verteidigen, halten Sie das für möglich, wären Sie dazu entschlossen, oder sind Sie der Meinung, daß man vor der Drohung kapitulieren muß? Übergang zu King-Hall! Das wäre die Lösung, die ich heute aus den Worten des Kollegen Heinemann zu meinem Bedauern entnehmen mußte! Am Samstag ist hier ein gefährliches Thema angeklungen, das hieß: Die Bundesrepublik und die Macht, Macht um ihrer selbst willen usw. Meine Damen und Herren, niemand von der Regierung, niemand in den Regierungsparteien ist dem Denken der Macht verfallen. ({17}) Macht um ihrer selbst willen ist nichts Gutes. ({18}) Macht um ihrer selbst willen führt zu Mißbrauch oder verlockt zum Mißbrauch. ({19}) Nehmen Sie es nur als eine historische, aber für heute nicht unwichtige Bemerkung auf: Ist die Weimarer Republik nicht gerade daran gescheitert, daß die demokratischen Parteien ein falsches Verhältnis zur Macht hatten und deshalb die Macht in schlechte Hände abgleiten ließen? ({20}) Es gibt heute nach den Grundsätzen, nach denen unser Bündnis aufgebaut ist und nach denen jede Regierung in diesem Bündnis arbeitet, auch eine sittliche Rechtfertigung der Macht, weil Macht eine sittliche Verpflichtung darstellt, ({21}) nicht eine sittliche Verpflichtung, das Böse damit zu zerstören, nicht eine sittliche Verpflichtung zu einer Kreuzzugsidee, aber eine sittliche Verpflichtung, die Grundlage dafür zu erhalten, daß man mit denen, die anders denken, in Freiheit verhandeln kann. Mehr wollen wir nicht, und das ist der Zweck der Macht in der NATO und nicht in den Händen der Bundesregierung. ({22}) Es ist das Wort von der Ausmerzung der Volkssouveränität gesprochen und damit der Vorwurf gegen den Kollegen Jaeger erhoben worden, daß er so ein kleiner abendländischer Diktator sei, einer, der von einer etwas autoritären neuen EVG träume, vielleicht im Reich Karls des Großen, oder ähnliche Dinge. Ich glaube, wir sollten das Wort „Volkssouveränität" in seine richtige Relation setzen. Die Volkssouveränität ist nicht absolut. Sie hat ihre Grenzen im Völkerrecht und im Sittengesetz. Zwischen diesen Grenzen hat sich auch die Volkssouveränität zu halten. ({23}) Wir können sehr wohl den Satz vertreten, daß alle Gewalt von Gott kommt und daß in der politischen Praxis die Gewalt vom Volke kommt, aber innerhalb dieser Grenzen. ({24}) Sie haben in dieser Debatte von Ihren Wünschen gesprochen, daß der Rapacki-Plan, daß ein europäisches Sicherheitssystem zustande kommt. Aber Sie haben nicht gesagt, wie das aussehen und wie das erreicht werden soll. Sicherlich bietet der Rapacki-Plan, Herr Kollege Ollenhauer, auch manche Vorteile; das sei nicht bestritten. Aber Sicherheit bietet er nicht, selbst wenn die Frage der Kontrolle zufriedenstellend geregelt werden kann. Eine sehr interesssante Frage, mit den Sowjets über eine funktionierende Kontrolle in diesem Gebiet zu sprechen! Aber das Wort „atomwaffenfreie Zone" führt zu der illusionären Vorstellung, daß diese Zone vor Atomwaffen auch sicher ist, und das ist sie nicht. Sie wissen ganz genau, daß die Sowjets sich täglich rühmen, über Waffen zu verfügen, die in jeder Bundesverteidigungsminister Strauß beliebigen Entfernung mit beliebiger Wirkung verwendet werden können. ({25}) - Das ist ein sachlicher Irrtum, aber ich habe keine Zeit mehr, das zu korrigieren. ({26}) Diese Fragen sollten ferner zu der Überlegung führen, daß alle Pläne eines Disengagement, die Sie mit solcher Vorliebe pflegen, dann um so leichter verfolgt und beobachtet werden könnten, wenn sie nicht ein Vakuum in der Mitte Europas hinterließen. Sie haben viel dazu beigetragen, daß das Vakuum verlängert statt daß es beseitigt worden ist. Das führt wiederum zu der Schlußfrage, Herr Kollege Ollenhauer, zu der Sie nicht nur eine deklamatorische Erklärung, sondern Ihre praktische Einstellung und Ihre praktischen Konsequenzen darlegen sollen, zu der Schlußfrage, die heißt: Wie stehen Sie praktisch zur Landesverteidigung? Sie sagen: „Ja, aber -", und dann kommt nichts mehr. Wie stehen Sie unter den gegebenen politischen Umständen praktisch zur Landesverteidigung? Das ist eine Frage, auf die nicht nur wir eine Antwort erbitten, das ist eine Frage, auf die das ganze deutsche Volk diesseits und jenseits der Zonengrenze eine Antwort von der großen Partei der deutschen Opposition haben will. Wie stehen Sie praktisch, nicht in der Deklamation, sondern in der Praxis, zur Landesverteidigung? ({27}) Herr Kollege Wehner hat den Kollegen von Brentano und mich der falschen Zitierung bezichtigt. Ich habe hier im Originalwortlaut, wie er von der norwegischen Botschaft eingeholt worden ist, diese Rede. Es ist niemandem möglich, diese Rede, die insgesamt 16 Seiten umfaßt. zu verlesen. Aber es wäre jederzeit möglich, es zu tun, wenn Sie glauben, daß falsch zitiert worden ist. Nach dieser Rede besteht nicht der geringste Zweifel - ich zitiere jetzt wörtlich -: Die Errichtung eines Bataillons Honest John in Nordnorwegen wird vorgesehen. Hierzu kommt die Errichtung eines Raketenbataillons „Nike" für die Luftverteidigung des Gebiets von Oslo mit der Universalausrüstung, die die Verwendung von Raketen des Typs „Ajax" wie auch des Typs „Herkules" ermöglicht. Das steht doch hier! Es steht ferner hier, daß die Norweger das amerikanische Atomwaffenangebot nicht angenommen haben, weil die Amerikaner ihr Eigentumsrecht behalten wollen - das ist also das Motiv -; das steht doch hier wörtlich darin; dann haben wir doch nicht falsch zitiert in diesem Falle. Ich möchte wissen, was Sie sagen würden, Herr Kollege Ollenhauer und Herr Kollege Erler, wenn wir den Standpunkt verträten, wir sollten Eigentumsrecht und Verfügungsgewalt über nukleare Waffen haben! Aber so, wo wir auf Eigentumsrecht, auf Verfügungsgewalt verzichten, wo wir deutsche Streitkräfte als deutsche Streitkräfte nicht mit nuklearen Waffen ausstatten wollen, wo wir jetzt nichts anderes tun, als was vierzehn, fünfzehn Nationen insgesamt tun, wo es noch eine geraume Zeit dauert, bis diese Frage überhaupt in der technischen Auswirkung akut wird - es dauert mindestens 18 bis 24 Monate, und in diesen 18 bis 24 Monaten ist es doch jederzeit möglich, dann, wenn in zwei Jahren eine Einigung der Großmächte zustande kommt bei einem bißchen guten Willen auf allen Seiten, dieses ganze Zeug wieder zum alten Eisen zu werfen. ({28}) Und glauben Sie mir, daß jeder vernünftige Mensch, daß gerade jeder, der als Verteidigungsminister die Wirkung dieser Waffen kennt - lachen Sie ruhig darüber, meine Damen und Herren ({29}) -, keinen sehnlicheren Wunsch hat, als daß die vier Großmächte sich zu einer umfassenden Abrüstung bereiterklären, und zwar alle vier, und daß sich die Sowjetunion einer Kontrolle unterwirft; und nehmen Sie ruhig von mir aus als Propagandamittel für Sie mit hinaus, daß wir gern alle finanziellen Aufwendungen dafür umsonst gemacht haben, wenn der Verbleib dieser Waffen in Europa nicht mehr notwendig ist und wir sie ins Meer werfen können. ({30}) Es ist eine Unterstellung, zu behaupten, daß wir den Atomkrieg vorbereiteten. Mit derselben Berechtigung könnten wir behaupten, Sie bereiteten die Bolschewisierung Deutschlands vor. ({31}) Wir wollen den Atomkrieg genauso wenig wie Sie die Bolschewisierung. ({32}) Wir wollen das eine nicht und Sie wollen das andere nicht und wir beide beides nicht. Aber bis es zu dieser umfassenden Abrüstung kommt, die das heißeste Anliegen einer jeden Politik, auch Rüstungspolitik, auch einer Verteidigungspolitik der Bundesregierung sein muß, müssen wir wirksame Garantien haben, daß wir die Grundlagen für die Verteidigung und Erhaltung von Frieden und Freiheit nicht verlieren. Und dafür erbitten wir von Ihnen nicht mehr und nicht weniger, als uns den guten Willen, den politischen Anstand und die moralische Sauberkeit genauso gelten zu lassen, wie wir sie Ihnen gegenüber gelten lassen. ({33})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Dr. Arndt.

Dr. Adolf Arndt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000047, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beantrage namens meiner Fraktion, den heute morgen gefaßten Beschluß auf Begrenzung der Redezeit wiederaufzuheben. Die Mehr1116 heit dieses Hauses hat uns heute morgen den Beschluß aufgezwungen, daß an diesem Tage der Debatte nur noch insgesamt acht Stunden debattiert werden soll - acht Stunden für alle Fraktionen zusammen -, und die Zeit anteilig auf die einzelnen Fraktionen verteilt. Seit Herr Kollege Ollenhauer als letzter, der in seiner Eigenschaft als Abgeordneter hier sprach, um 15.50 Uhr diese Rednertribüne verließ, sind zwei Stunden weniger zehn Minuten durch drei Reden von Mitgliedern der Bundesregierung verbraucht worden. Nun, es steht nach dem Bonner Grundgesetz einem jeden Mitglied der Bundesregierung jederzeit zu, in diesem Hause das Wort zu ergreifen. Das ist ein verfassungsmäßiges Recht, und dagegen ist nichts einzuwenden, daß von diesem Recht Gebrauch gemacht wird. Inwiefern es mißbraucht wird, darauf werde ich noch kommen. Aber Gebrauch kann davon gemacht werden, und es steht im Ermessen der Bundesregierung und ihrer Mitglieder, ob sie davon Gebrauch machen. Tut die Bundesregierung das, wie es eben durch diese drei Ministerreden geschehen ist, so zeigt sie damit, daß sie es offenbar notwendig hat, manches nachzuholen, was sie glaubt, in den vergangenen Tagen versäumt zu haben. ({0}) Wir werden uns also dieser Selbsterkenntnis der Bundesregierung nicht widersetzen, wenn sie hier durch drei Außenminister spricht, ({1}) obgleich es wünschenswerter wäre, wir würden Regierungserklärungen zu den Fragen, die hier anstehen, bekommen, anstatt daß die Befugnis aus dem Grundgesetz zu parteipolitischer Polemik und Propaganda mißbraucht wird. ({2}) Aber wie dem auch sei, auf jeden Fall haben drei Mitglieder der größten oder eigentlich der einzigen Regierungsfraktion ({3}) jetzt zwei Stunden lang gesprochen, d. h. sie haben beinahe doppelt solange gesprochen, wie es nach dem Redezeitbeschluß der sozialdemokratischen Oppositionspartei noch zustehen würde, darauf zu erwidern; denn es sollen noch 66 Minuten sein. ({4}) Nun sind ja die Auffassungen über die Demokratie manchmal verschieden. Wir haben gehört, daß z. B. Portugal in den Augen des Herrn Bundesaußenministers und des Herrn Bundesverteidigungsministers ein demokratisch regierter Staat ist. ({5}) Das ist eigentümlich. Aber ich glaube, wir sollten hier Salazar-Methoden nicht nachmachen. ({6}) Bei Salazar ist es allerdings so, daß die Regierung spricht, und soweit ein Parlament vorhanden ist, hat es das anzuhören. Eine Verfahrensweise, die jetzt nach diesen Ministerreden die Redezeitbegrenzung nicht aufheben würde, gehört in eine Volkskammer, aber nicht in ein freies Parlament! ({7}) - Ich kann leider Ihre Zwischenrufe nicht verstehen. Sie haben irgend etwas von Selbsterkenntnis gesagt. Ich hoffe, daß Sie die Selbsterkenntnis haben werden, daß Sie den Beschluß von heute morgen nicht aufrechterhalten können; denn andernfalls zeigen Sie vor der gesamten deutschen Offentlichkeit, daß Sie der Opposition einen Maulkorb umlegen. ({8}) - Ihre gesamte Gestik und Mimik beweist doch nur, wie unbekannt Ihnen der Begriff der Freiheit und der freien Rede immer noch ist. ({9}) - Ich weiß nicht, was Sie da rufen. Aber lassen Sie mich Ihnen eins sagen: In einer wirklichen Demokratie wie in England richtete sich das ganz schlicht nach einem Grundsatz des fair play. F - a - i - r schreibt sich das! ({10}) Ich glaube, es wäre an der Zeit, daß die einfachsten Grundlagen der Fairneß hier gesehen würden, und die müssen dazu zwingen, daß Sie den Beschluß von heute morgen wieder aufheben, weil alles andere nichts wäre als blanker Terror. ({11})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Rasner.

Will Rasner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001777, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst eines, Herr Kollege Dr. Arndt: Sie gehen erneut von dem fundamentalen Irrtum aus, zu glauben, das Pendant der Bundesregierung sei die Opposition. Das Pendant zum Verfassungsorgan Bundesregierung ist der Bundestag, und in diesem Bundestag hat in freier, gleicher und geheimer Wahl - gewöhnen Sie sich endlich daran! unser Volk unserer Fraktion die Mehrheit gegeben. ({0}) Zweitens. Wir waren und sind bereit, mit Ihnen über eine Verteilung der Redezeit zu reden, und zwar zu unseren Lasten und zu Ihren Gunsten. Sie wollen aber bitte zur Kenntnis nehmen, daß Vokabeln wie ,,Salazar-Methoden", „Terror", „Volkskammer" und was immer Sie an Injurien hier in den Saal zu schleudern belieben, unsere gute Absicht wahrlich nicht erleichtern. ({1}) Die Debatteredner von heute morgen haben erfreulicherweise - und ich bin überzeugt: für die ganze Öffentlichkeit erfreulicherweise - einen sachlichen Ton in dieses Haus getragen. Es blieb Ihnen, Herr Dr. Arndt, vorbehalten, wieder zu den Mitteln der Vergiftung und der Injurien Zuflucht zu nehmen. ({2}) Der 1. Bundestag hat sich mit den Stimmen aller Fraktionen zum Prinzip der Redezeitbegrenzung bekannt. Die von diesem Haus gemeinsam beschlossene Geschäftsordnung sieht in § 39 ausdrücklich die Möglichkeit einer Begrenzung der Redezeit vor. ({3}) Wir haben in der vorigen Woche drei Tage debattiert. Ich habe heute morgen von Herrn Professor Schmid gesprochen, der schon am Sonnabend sagte, daß er nichts wesentlich Neues mehr hinzuzufügen habe. Der Herr Kollege Ollenhauer hat vorhin in seiner Rede erklärt: Die Positionen sind ganz klar. Ich beziehe mich auf den Herrn Kollegen Ollenhauer. Wenn die Positionen ganz klar sind, ({4}) dann ist es ein legitimes Recht dieses Hauses, dieser Debatte nunmehr auch zeitlich ein Ziel zu setzen. ({5}) Im übrigen: trotz der Injurien des Herrn Arndt sieht die Sache gegenwärtig so aus, daß unsere Fraktion noch 140 Minuten Redezeit hat und Ihre 65 Minuten; unsere Fraktion ist gern bereit, Ihnen von unserem Kontingent noch 30 Minuten abzutreten. ({6})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Mende. ({0}) - Ich bitte um Ruhe.

Dr. Erich Mende (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001467, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mir heute morgen nach Verkündung der einzelnen Redezeiten den Zwischenruf erlaubt: Diese Regelung ist kompletter Unsinn! ({0}) Die Fraktion der Freien Demokraten erhält nach dieser Regelung für 43 Abgeordnete 40 Minuten, die Fraktion der Deutschen Partei für 16 Abgeordnete 16 Minuten, d. h. auf jeden Abgeordneten entfällt etwa 1 Minute Redezeit. Wir hätten uns die Anreise ersparen können. ({1}) Wenn Sie nun darauf pochen, daß die Geschäftsordnung solche Möglichkeiten schafft, so darf ich Sie erstens daran erinnern, daß diese Methode heute erstmalig seit vier Jahren überraschenderweise wieder praktiziert wird. ({2}) Zweitens darf ich Sie daran erinnern, daß auch die Mehrheit nach den demokratischen Prinzipien verpflichtet ist, gewisse Minderheitsrechte zu respektieren. ({3}) Die Bremer Regierung hat im Bundesrat, obgleich Bremen nur 500 000 Einwohner hat, drei Stimmen, Nordrhein-Westfalen hat, obgleich es 15 Millionen Einwohner hat, nur fünf Stimmen im Bundesrat. Sie kennen das Senatsprinzip in Amerika. Wenn Sie es also auf die absolute Mehrheit und Ihre Masse hier abstellen, verachten Sie das Recht der Minoritäten dieses Bundestages. ({4}) Wenn uns nun jetzt seitens der CDU zugemutet wird so auf Gnade und Barmherzigkeit einer großen Fraktion angewiesen zu sein, so mache ich Ihnen von der CDU hier den Vorwurf, daß Sie auf diesem Umweg aus zwei kleineren freien Fraktionen offensichtlich Untermieter einer großen Fraktion machen wollen. Daher lehne ich für die Freien Demokraten die Gnade Ihres Minutenangebotes ab. ({5})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es ist der Antrag gestellt worden, die Begrenzung der Redezeit aufzuheben. Ich lasse darüber abstimmen. Die Angelegenheit mit dem Ausleihen von Minuten haben die Fraktionen untereinander zu vereinbaren, wenn sie das wollen; es ist keine Sache des Präsidenten. Wer für den Antrag ist, den Dr. Arndt gestellt hat, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Heinemann.

Dr. Dr. Gustav W. Heinemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000848, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Nur wenige Bemerkungen. Der Herr Bundeskanzler hat mir den Vorwurf gemacht, ihn falsch zitiert zu haben. Diesen Vorwurf weise ich zurück. ({0}) Ich sprach davon, daß er dem amerikanischen Journalisten Bradford auf die Frage nach der Bedeutung der russischen Note vom Jahre 1952 antwortete, die Sowjets müßten noch mehr in die Defensive gedrängt werden. Anschließend an diese Äußerung habe ich laut Stenogramm fortgefahren: Und alsbald wurde auch geäußert: „Wer den Frieden will, der muß den Wettlauf mit der sowjetrussischen Atomrüstung veranstalten". Ich habe dann noch hinzugefügt: Meine Damen und Herren, dieser Satz wurde vor fünf Jahren bereits von dem Herrn Bundeskanzler gesprochen. Die Äußerung bezüglich der Notwendigkeit eines Wettlaufs mit der sowjetrussischen Atomrüstung ist von dem Herrn Bundeskanzler am 12. Januar 1953 im Deutschen Presseclub, Bonn, gemacht worden, nachzulesen im Bulletin Seite 68. ({1}) Herr von Brentano beklagte, daß ich heute morgen nicht von freien Wahlen gesprochen hätte. Herr von Brentano, nehmen Sie gütigst zur Kenntnis, daß ich das ausdrücklich in meiner ja sonst von Ihnen aufmerksam studierten Rede vom 23. Januar getan habe. Lesen Sie es nach im gedruckten Bericht Seite 402. Ich fühle mich nicht verpflichtet, bei jeder Gelegenheit alles zu sagen. Das ist bekanntlich nur das Geheimnis der Langweiligkeit. ({2}) Sie haben mich gefragt, ob Christentum und Verteidigungsgemeinschaft freier Völker unvereinbar seien. Meine Antwort ist: Massenvernichtungsmittel sind christlicherweise unverantwortbar. Zu den Dingen, die Herr Strauß angeschnitten hat - Differenz etwa mit Herrn Erler -, wird Herr Erler zusammenhängend antworten. Die Redezeitbeschränkung erlaubt es mir nicht, dies meinerseits zu tun, und auf Trinkgeld arbeite ich hier nicht. ({3})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Erler.

Fritz Erler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000488, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das, was wir hier eben bei der Geschäftsordnungsabstimmung erlebt haben, zeigt, welch einen gefährlichen Weg dieses Haus beschreitet. Das Angebot, das Sie uns hier gemacht haben, 30 Minuten von Ihrer Redezeit zu benutzen, vermag doch nicht darüber hinwegzutäuschen, daß Sie jederzeit so viel Redezeit, wie Sie nur benötigen, und noch die dreifache Redezeit dazu durch die Bundesregierung zur Verfügung haben. ({0}) Die Art, wie zum erstenmal seit mehr als vier Jahren ausgerechnet bei dieser schicksalsträchtigen Debatte die Minderheit des Hauses in ihren Rechten geschmälert wird, zeigt, daß Sie bereit sind, zur angeblichen Verteidigung der Freiheit die Freiheit selbst auszuhöhlen. ({1}) Mit kleinen Schritten fängt es an, und dann landen wir bei Herrn Bausch und seiner Hoffnung auf die Hochverratsprozesse! ({2}) Das ist der sicherste Weg, um das zu zerstören, was es eigentlich zu bewahren und zu schützen gilt, nämlich die Freiheit des Staatsbürgers nach innen und außen. ({3}) Und nun zur Sache. Zunächst was die Redezeiten betrifft: Stellen Sie einmal zusammen, wie viel von der Regierungsbank gesprochen worden ist und wie viel demgegenüber die Opposition antworten konnte! ({4}) - Ich spreche zur Sache, nämlich zu der Methode, mit der Sie hier nach den Grundsätzen einer „Materialschlacht" eine Sachentscheidung herbeiführen zu dürfen glauben. ({5}) Der Herr Bundeskanzler hat uns vorhin eine überraschende Aufklärung über den Sinn dieser Debatte gegeben. Er hat gesagt - ich war sehr erstaunt darüber -, die Debatte sei unbedingt erforderlich, weil man ja von dem Bundestag ein Mandat, eine Entscheidung für die Haltung der Vertreter der Bundesregierung auf der Aprilkonferenz der NATO in der Frage der Atomwaffenausstattung der NATO-Verbände auf dem europäischen Kontinent haben müsse. Meine Damen und Herren, es ist das erstemal, daß wir diese Begründung vom Herrn Bundeskanzler gehört haben. Ich bin sehr erstaunt. In der Großen Anfrage der CPU, die dieser Debatte zugrunde liegt, steht davon kein einziges Wort. Es ist immerhin bemerkenswert, daß jetzt die Debatte einen neuen Sinn bekommt. Sie haben aus einer Debatte, die eigentlich eine Rachedebatte sein sollte, ({6}) aus einer Debatte, die vielleicht eine vernünftige Vorbereitung für einen deutschen Beitrag zur Gipfelkonferenz hätte werden können, nun durch den Zwang Ihrer eigenen Politik wieder eine Debatte über die Schaffung vollendeter Tatsachen dann, wenn es am schlechtesten für das deutsche Volk ist, machen müssen. ({7}) Am erstaunlichsten war es aber, daß der Herr Bundesverteidigungsminister hier einen wahren Tanz aufgeführt hat, um die Probleme etwas zu vernebeln. Er versuchte, uns darzulegen, es gehe gar nicht um die Ausrüstung der Bundeswehr mit taktischen Atomwaffen. Ja aber, meine Damen und Herren, in Wahrheit geht es doch darum. Die Bundeswehr soll üben, sie soll mit denjenigen Instrumenten ausgerüstet werden, mit denen man im Ernstfall auch schießen kann, und die Munition dafür soll daneben liegen, mit der man im Ernstfall auch schießen kann. Wie Sie den Tatbestand auch taufen, das ist mir gleichgültig. In Wahrheit ist das die Vorbereitung der Bundeswehr auf eine Auseinandersetzung notfalls mit atomaren Waffen und nichts anderes. ({8}) Daran vermag auch die, fast hätte ich in Erinnerung an die Rede des Herrn Bundestagspräsidenten gesagt, „Schleiermacherei" an diesen Dingen nichts zu ändern. ({9}) Meine Damen und Herren, Sie haben vorhin Fragen an die Opposition gestellt. Wir haben Ihnen diese Fragen beantwortet. Ein paar Antworten werde ich noch ergänzen. Aber Sie können doch deswegen nicht so leichten Kaufes davonkommen und alle Fragen über Ihre Politik, die wir Ihnen gestellt haben, völlig unbeantwortet lassen. Ich will sie gleich noch einmal aufzählen. Vielleicht ermannt sich die Regierung -, ich hätte dann keine Bedenken dagegen, daß sie noch einmal eingreift, damit sie auch etwas Vernünftiges in dieser Debatte tut -, ({10}) endlich dem Parlament und der Nation Rechenschaft über folgende Fragen zu geben: 1. Wie soll die Deutschlandfrage auf der kommenden Konferenz behandelt werden, welche Vorschläge hat die Regierung hierfür zu machen? ({11}) 2. Glaubt die Regierung, jemals die sowjetischen Truppen aus Mitteldeutschland herauszubekommen, wenn die Truppen der Vereinigten Staaten in Westdeutschland bleiben müssen? 3. Welche Weisungen hat der deutsche Vertreter im NATO-Rat zur Frage der Atombewaffnung der Bundeswehr bisher schon erhalten? Denn Beschlüsse sind bekanntlich nur einstimmig möglich. Die Verantwortung liegt nicht bei fremden Staaten. Die NATO ist kein anonymes Kollektiv. Da es nur einstimmige Beschlüsse gibt, bleibt die Verantwortung bei der Bundesregierung und bei niemandem sonst. 4. Wie steht es mit der eventuellen Möglichkeit der Atomwaffenproduktion in Westeuropa außerhalb der Bundesrepublik, aber mit deutscher sachlicher, personeller oder finanzieller Hilfe? 5. Was ist zwischen den Verteidigungsministern der Bundesrepublik Deutschland und Frankreichs nach dem Besuch des deutschen Verteidigungsministers in Colomb-Béchar über die gemeinsame Waffenproduktion nun wirklich vereinbart worden? 6. Welchen Inhalt haben die Dreimächte-Vereinbarungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland, Frankreich und Italien auf dem Gebiet der gemeinsamen Waffenproduktion, und in welcher Art nehmen diese Vereinbarungen zu der Möglichkeit der Mitwirkung der Bundesrepublik Deutschland an der Atomwaffenproduktion Stellung? All diese Fragen haben wir in der Debatte schon gestellt. Auf keine einzige hat die Regierung uns bisher eine Antwort erteilt. Meine Damen und Herren, früher war es so, daß Sie uns außenpolitische Debatten verweigerten. Wenn wir der Meinung waren, z. B. vor wichtigen NATO-Konferenzen sei es erforderlich, Debatten abzuhalten, dann haben Sie gesagt, es sei schlecht, das zu tun, um die Verhandlungen auf den künftigen Konferenzen nicht zu stören, mit anderen Worten: um die Schaffung von vollendeten Tatsachen nicht zu stören. Aber vor Viermächte-Konferenzen oder Gipfelkonferenzen hat es regelmäßig Debatten in diesem Hause gegeben, und zwar fast immer mit jenem Akzent, der in Wahrheit die Aussichten auf eine Entspannung und ein Übereinkommen auf diesen Konferenzen nicht erleichtert, sondern in erheblichem Maße getrübt hat. Das ist die Wahrheit. Das erleben wir auch diesmal. Die vollendeten Tatsachen,' die man noch schaffen will, haben den Vorrang vor einem vernünftigen Gespräch über die Deutschlandfrage auf der kommenden Konferenz. Ich will hier gar nicht noch einmal in die sehr alte Diskussion über die Wertung all der verschiedenen Noten und Erklärungen der Jahre von 1952 bis 1955 einsteigen. Es gibt einen roten Faden, an dem man, glaube ich, festhalten muß und den man klarer sieht, wenn man sich etwas aus dem Gestrüpp der Einzelheiten herausarbeitet. Wir haben gewollt, daß im Verhandlungswege ergründet wird, welche Aussichten in den damaligen Erklärungen steckten. Sie haben diese Klärung abgelehnt und an ihre Stelle stets die Schaffung vollendeter militärischer Tatsachen gesetzt. Das war Ihr Weg und nicht der der Verhandlungen. ({12}) Der Herr Bundeskanzler hat vorhin in einer sicher unser aller Gefühle ansprechenden Weise das Schicksal der zwei Millionen Flüchtlinge aus Mitteldeutschland beschworen. Ich habe nur nicht ganz verstanden, was diese Frage des menschlichen Leides der Flüchtlinge damit zu tun hat, daß Sie jetzt drauf und dran sind, der Bundesrepublik Atomwaffen zu geben. ({13}) Doch, an einer Stelle wurde der Zusammenhang deutlich. Auf einen Zwischenruf hat der Bundeskanzler gesagt: „Ja, die haben nämlich etwas mit der Wiedervereinigung zu tun." Sehen Sie, das ist doch wieder die alte Leier, trotz der Beschwichtigungen, die uns der Herr Verteidigungsminister geben zu können glaubte, doch wieder das alte Lied, daß man eben mit Hilfe der militärischen Anstrengungen nicht nur - worüber sich allenfalls reden ließe - glaubt, die Bundesrepublik gegen äußeren Druck schützen zu können, sondern daß man sogar glaubt, diese militärischen Anstrengungen seien ein Mittel, um die Wiedervereinigung Deutschlands zu erreichen. ({14}) - Lesen Sie das nach, was der Bundeskanzler auf den Zwischenruf hier geantwortet hat, dann kommen Sie zu jener früher von Ihnen vertretenen Lehre der Politik der Stärke, nämlich: durch Wettrüsten zur Einheit. Das ist Ihre Vokabel. ({15}) Hier ist viel von Abrüstung und Entspannung gesprochen worden. Dann kann man aber, wenn man Abrüstung und Entspannung fördern will, nicht in der praktischen Politik genau das Gegenteil tun. ({16}) Auf der anderen Seite der Demarkationslinie verfügt kein Staat außer der Sowjetunion über atomare Waffen. Warum muß ausgerechnet das Parlament der Bundesrepublik Deutschland - ich wiederhole das - hier vorprellen in einer Zeit, wo gerade von drüben Regierungen nicht nach Atomwaffen rufen, sondern versuchen, den Gegenstand einer atomwaffenfreien Zone ins internationale Gespräch zu bringen? Das ist doch ein für uns, ich möchte fast sagen, peinlicher Unterschied iin Verhalten von hüben und drüben. ({17}) - Ja, warum? Werten Sie bitte die Bemühungen der polnischen Regierung darüber habe ich in meiner vorigen Rede schon gesprochen - nicht ohne weiteres ab! Bei dem Rapacki-Plan ging es nicht nur um das Freihalten eines ziemlich großen Gebiets von Atomwaffen; da geht es auch um die Kontrolle, auch um die Verbindung mit dem Abzug fremder Truppen, auch um das Hinzutreten weiterer Länder und im Zusammenhang damit, jawohl, auch um die Wiedererringung der deutschen Einheit. Sicher bringen die Verhandlungen darüber nicht schon automatisch die Einheit zustande. Aber sie erschweren sie auch nicht, im Gegenteil. Wer, wie Sie das auch wissen, davon überzeugt ist, daß das Ulbricht-Regime im wesentlichen auf der Anwesenheit sowjetischer Truppen beruht, der muß doch geradezu alles daransetzen, dem Ulbricht-Regime diese seine festeste Stütze zu entziehen. ({18}) Und das weigern Sie sich jetzt zu tun. Die hier schon genannten nordischen Regierungen sind da einsichtsvoller als wir. Es hat eine Konferenz von sechs nordischen Ländern stattgefunden, darunter drei NATO-Staaten. Dort ist am 19. März, also ganz frisch, ein interessantes Kommuniqué verabschiedet worden. Darin ist die Rede davon, daß man, wenn man sich der Abrüstung zuwende, mit Aussicht auf Erfolg eine kontrollierte Einstellung von Kernwaffenexperimenten während eines gewissen Zeitraums oder bis auf weiteres in Aussicht nehmen müsse. Dann kam die Aufnahme von Verhandlungen mit dem Zweck, Ergebnisse auch in solchen Fragen wie der Einstellung der Produktion spaltbaren Materials und der Reduktion der konventionellen Streitkräfte zu erreichen. Und nun kommt der entscheidende Satz: Man war der Meinung, daß auch versucht werden sollte, mit vorgebrachten Plänen als Ausgangspunkt in Etappen die Frage regionaler Abrüstungsmaßnahmen in Europa zu behandeln. Dazu haben drei Mitgliedstaaten der NATO ja gesagt, deren unmittelbares Interesse an der Wiedervereinigung Deutschlands wahrscheinlich nicht ganz so brennend ist wie unseres. Um wieviel mehr müßten wir die Tragweite dieser Vorschläge prüfen und zum Gegenstande einer ernsthaften politischen Arbeit machen! Meine Damen und Herren, jedes NATO-Land hat sich darum bemüht, seinen eigenen militärischen Beitrag seinen Besonderheiten und Bedürfnissen anzupassen, trotz des Kommuniqués vom vergangenen Dezember. Norwegen und Dänemark haben - mit welcher Begründung auch immer; auf das Ergebnis kommt es hier an - auf Atomwaffen für ihr Land verzichtet und sich die Anlage von Raketenbasen bei sich verbeten. Großbritannien hat die Wehrpflicht abgeschafft. Die Franzosen haben ihre militärischen Verbände praktisch von Europa abgezogen und in Nordafrika stationiert. Und nur wir beharren in dieser Lage darauf, daß wir nicht die Lage eines gespaltenen Volkes berücksichtigen dürfen, indem wir sagen: Atomwaffen sind in der besonderen deutschen Lage für die Nation keine zusätzliche Sicherheit, sondern eine unzumutbare zusätzliche Gefahr und Verhärtung der Spaltung unseres Landes. ({19}) Es ist wiederholt - so auch vom Außenminister - behauptet worden, der Rapacki-Plan sei eine Gefahr für die Sicherheit und Einheit unseres Landes. Auch Wiederholungen machen diese Behauptung nicht wahrer, wenn ihr die Beweise fehlen. Man hat gesagt, man könne in eine atomwaffenfreie Zone hineinschießen. Das ist sicher richtig, das haben wir nie bestritten. Der Unterschied ist nur der: im Konfliktsfalle kann man unter Umständen auch in eine atomwaffenfreie Zone hineinschießen; haben Sie aber Atombasen in diesem Gebiet stationiert, dann wird mit Sicherheit hineingeschossen. ({20}) Oder der andere Einwand, daß heute im Zeitalter weitreichender Waffen so merkwürdige Pläne, die sich ausnehmen wie Gedanken aus dem 19. Jahrhundert oder von vor 1914, doch nicht mehr zeitgemäß seien. Gegen die weitreichenden Waffen, mit denen man zerstören kann, schützen die taktischen Atomwaffen überhaupt nicht; das ist doch ein Trugschluß. Wogegen sie angeblich schützen sollen, ist die Gefahr einer Besetzung unseres Landes durch Verbände von der anderen Seite. Gegen diese Gefahr sind wir besser gefeit, wenn die Verbände des möglichen Gegners nicht im Thüringer Wald, sondern in Bialystok stehen. ({21}) Hier ist lange - politisch, militärisch, teilweise auch theologisch - über die verschiedenen Aspekte des Gleichgewichts des Schreckens gesprochen worErlex den. Dieses Gleichgewicht ist sehr zerbrechlich. Es zerbricht sicher, wenn man durch Hinzutreten weiterer Atommächte die Gefahren unabsehbarer Konflikte an den verschiedensten Orten, in die andere hineingezogen werden, erhöht. ({22}) - Sie wollen aber eine werden; ({23}) sagen Sie es doch endlich einmal. ({24}) - Natürlich, darum geht es doch hier seit Tagen! ({25}) - Die Debatte hat immerhin den Erfolg erzielt, daß Sie jetzt wenigstens in die Defensive gedrückt worden sind und Ihre eigenen Absichten nicht mehr zugeben. ({26}) Im Atomzeitalter kommt es darauf an, die Gegensätze nicht zuzuspitzen, sondern von uns aus dafür zu sorgen, daß man die Gefahren mindert, indem auf beiden Seiten der Waagschale eine gleichwertige Herabsetzung der Potentiale stattfindet. Das ist die politische Aufgabe. Die Lösung dieser politischen Aufgabe machen Sie dadurch fast unmöglich, daß Sie das Atomwettrüsten ausdehnen, statt an die Großen im Sinne einer Begrenzung des Atomwettrüstens und des Abbaus der Atomwaffen heranzutreten. ({27}) In der Zwischenzeit besteht jenes Gleichgewicht des Schreckens. Ich will mich nicht darüber verbreiten, wieweit es augenblicklich friedenssichernd wirkt. Da spielen nicht nur militärische, sondern auch politische und psychologische Faktoren eine Rolle. Aber dieses Gleichgewicht des Schreckens mit der furchtbaren Konsequenz, daß ein geringer Zwischenfall, etwa wie 1914 die Ermordung des Thronfolgers Franz Ferdinand, einen Weltbrand auslöst mit der schließlichen Auslöschung der ganzen Menschheit, ist doch kein Idealzustand. Deshalb muß man sich daranmachen, es Schritt für Schritt zu überwinden. Man darf nicht auf beiden Seiten - oder in diesem Falle sogar nur auf einer Seite - glauben, man könne es überwinden, wenn man dem Schrecken durch neue Partner noch etwas hinzufügt. Herr Minister Strauß hat hier eine interessante Bemerkung über die Volkssouveränität gemacht. Er hat gesagt, sie habe ihre Grenzen im Völkerrecht und im Sittengesetz. Ich bin kein Völkerrechtler und kein Moraltheologe; aber, Herr Minister Strauß, wenn das für die Volkssouveränität gilt, dann gilt das erst recht auch für die Atombewaffnung. ({28}) Man muß sich einmal die Frage stellen, ob einem überlegenen Gegner gegenüber grundsätzlich kein Völkerrecht gilt. Es wäre interessant, einmal zu wissen, was eigentlich in dem Gutachten steht, das sich das Verteidigungsministerium im vorigen Sommer zu dieser Frage von der Kieler Universität besorgt hat. Deren Haltung soll nicht sehr freundlich zur Atombewaffnung sein; aber ich weiß es nicht. Ich kenne es nicht. ({29}) - Aus dem Gutachten einige Sätze? Das hängt ja von Ihnen ab. Das können wir weder verhindern noch bestellen, Herr Minister. Ich persönlich bin der Überzeugung, daß die Sache der Freiheit immer auch die Sache des Rechtes sein muß, weil wir sonst die Grundlagen zerstören, auf denen unsere freiheitlich rechtsstaatliche Ordnung beruht. ({30}) Die Bundesregierung hat nun behauptet, die Atomwaffen schüfen Sicherheit. - Meine Damen und Herren, ich glaube dargelegt zu haben, daß die Atomwaffen nicht imstande sind, Sicherheit zu schaffen, und auch der Verteidigungsminister hat inzwischen große Fragezeichen hinter die Behauptung gesetzt. Unsere Sicherheitsvorkehrungen hier können ja in Wahrheit nur dein Fall gelten, in dem es nicht um Atomwaffen geht. Die SPD ist immer bereit, sowohl für das wiedervereinigte Deutschland als auch, solange die Wiedervereinigung nicht erreicht ist, für die Bundesrepublik dasjenige zu tun, was an vernünftigen, unseren Notwendigkeiten, Bedürfnissen und finanziellen Möglichkeiten entsprechenden Verteidigungsvorkehrungen getroffen werden kann. Daher die Bemühung, Sicherheit für das wiedervereinigte Deutschland zu schaffen im Rahmen des Auseinanderrückens der beiden Machtblöcke, so daß Deutschland nicht unmittelbar dem Zugriff sowjetischer Truppen ausgesetzt wäre, wohl aber die unmittelbare Nachbarschaft amerikanischer Truppen an der deutschen Westgrenze hätte. Es ist geradezu Blindheit, diese Sicherheitschance für uns, die der Rapacki-Plan in seiner Entwicklung bietet, nicht sehen zu wollen. Die Bundesregierung hat es unterlassen, die Verteidigungsvorkehrungen für die Bundesrepublik so ins Auge zu fassen, daß sie nicht zu einer Belastung jeder vernünftigen Wiedervereinigungspolitik und zu einer Erhöhung der Gefahren wurden. Wir haben die Militärpolitik der Regierung abgelehnt und werden das weiter tun, weil sie ein Ausdruck ihrer falschen Außenpolitik ist. ({31}) Sie gibt den militärtechnischen, strategischen Überlegungen den Vorrang vor der politischen Initiative in Richtung auf die Wiedervereinigung. Hätte die Regierung ernsthafte Anstrengungen zu Verhandlungen gemacht, dann hätte man sich über die Sicherheitsvorkehrungen für die Zwischenzeit bis zu einem Erfolg dieser Verhandlungen unterhalten können. Die Regierung hat statt dessen jeden Verhandlungsansatz ausgeschlagen, sondern sich immer nur um die Vollendung militärischer Tatsachen bemüht. Wir haben die Konsequenzen dieses Weges von Anfang an gesehen und uns deshalb schon den ersten Schritten widersetzt. Die Karikatur der „Welt" vor einigen Tagen zeigte das richtig mit den Worten: Wer A sagt, muß auch -tom sagen. Die Regierung gab dem Rüsten und der militärisch unauflösbar werdenden Integration der Bundesrepublik in das westliche Bündnissystem so klar den Vorrang, daß keine gemeinsame Grundlage für eine vernünftige Gestaltung des äußeren Schutzes der Bundesrepublik mit deutschen Kräften gefunden werden konnte. Nur wenn die Regierung bereit wäre - und in dieser Debatte ist klargeworden, daß sie dazu nicht bereit ist -, der politischen Initiative den Vorrang vor dem Wettrüsten einzuräumen, die Integration in den Atlantikpakt für den Fall der Wiedervereinigung ernsthaft zur Diskussion zu stellen und infolgedessen jetzt nicht bis zur letzten Perfektion weiterzutreiben, dann erst könnte ein Sicherheitsinstrument der Bundesrepublik geschaffen werden, das in Umfang und Ausstattung den Besonderheiten der deutschen Lage entspricht. Dieses Sicherheitsinstrument kann nicht an der Stärke der Roten Armee gemessen werden. Der weltpolitische Größenwahn, die deutschen konventionellen Streitkräfte müßten mit den sowjetischen gleichziehen, ({32}) ist von Minister Strauß heute wieder ausdrücklich vertreten worden. Er zeigt, wohin die Regierungskoalition mit ihrer Militärpolitik früher steuerte und jetzt weiter steuert.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Gestatten Sie eine Frage?

Fritz Erler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000488, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja.

Dr. h. c. Franz Josef Strauß (Minister:in)

Politiker ID: 11002270

Ich habe niemals behauptet, daß die Streitkräfte der Bundesrepublik - ({0}) - Meine Damen und Herren, Sie haben auch öfter eine Prämisse zu einer Frage vorausgeschickt, um dann die Frage zu stellen. Ich kann ja auch sagen: Wissen Sie, Herr Kollege Erler, daß ich niemals behauptet habe, daß die Streitkräfte der Bundesrepublik das Gegengewicht zur Roten Armee darstellen sollen, sondern daß die Gesamtheit der NATO und in ihr als ein kleiner Bestandteil die Streitkräfte der Bundesrepublik - zahlenmäßig weniger als 10 °/o - das Gegengewicht gegen die Rote Armee abgeben sollen?

Fritz Erler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000488, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Als Sie vorhin von den 500 000 Mann sprachen, ({0}) war von diesem kleinen Anteil an dem Gesamtgleichgewicht nicht sehr viel die Rede. ({1}) Meine Damen und Herren, unser Nein zu den Atomwaffen ist ein Nein zum Selbstmord. Es schließt ein ein Ja zu einer vernünftigen Gestaltung der Landesverteidigung in den für uns nötigen sowie finanziell und wirtschaftlich zumutbaren Grenzen. Wir setzen uns auseinander mit der Politik der Regierung und mit der Politik der Regierungsparteien. Daran üben wir Kritik. Unsere Auseinandersetzung gilt nicht den Männern, nicht den Soldaten, die auf Grund geltender Gesetze in der Bundeswehr ihren Dienst tun. Im Gegenteil, uns geht es darum, auch diese Soldaten in der Bundeswehr vor einem Mißbrauch durch eine falsche Politik mit schützen zu helfen. ({2}) Meine Damen und Herren, ich möchte hier noch etwas zu der berühmten Frage sagen, ob es eine sowjetische Gefahr gibt. Ich finde, daß Sie das Problem einer weltweiten ideologischen, machtpolitischen und sozialen Auseinandersetzung viel zu einseitig als eine militärische Frage behandelt haben. ({3}) Das ist viel mehr als ein militärisches Problem! Im Gegenteil, je gebannter Sie auf die Rote Armee starren in dem Irrglauben, sie sei das typische Instrument der Machtausweitung des Kommunismus, desto mehr laufen Sie Gefahr, durch ein Übermaß an Rüstungsanstrengungen das soziale Fundament unserer freiheitlichen Ordnung zu zerstören ({4}) und damit den Kommunisten erst die willkommenen Agitationsmöglichkeiten zu bieten. Wir sehen durchaus die Gefahren des Totalitären, von wo sie auch drohen. Aber wir sind fest davon überzeugt, daß der Weg, den Sie gehen, ein schlechterer Schutz ist als der Weg, der eigentlich gegangen werden müßte: eine Gesellschaftsordnung zu schaffen, in der Vollbeschäftigung mit Krisenfestigkeit gegenüber irgendwelchen Anfälligkeiten, ein gesunder sozialer Standard und vor allen Dingen auch das Selbstbewußtsein und die Würde des arbeitenden Menschen das sicherste Bollwerk gegen totalitäre Gefahren sind. ({5})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bechert.

Dr. Dr. h. c. Karl Bechert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000123, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als Albert Schweitzer im vorigen Jahr Deutschland besuchte, bat er mich zu sich, und in der langen Unterredung, die ich mit ihm haben durfte, stand am Anfang sein Wort, er sei entsetzt darüber, wie gleichgültig die öffentliche Meinung in Europa gegenüber den Gefahren der Anwendung von Atomwaffen geworden sei. Wir haben vorhin eine laute Rede des Herrn Verteidigungsministers gehört. Er sprach von Traumschlössern unserer Wünsche. Ich sage Ihnen: wir sprechen von der Wirklichkeit, wie sie von den Wissenden gesagt worden ist. ({0}) In dieser Bundestagsdebatte ist das böse Wort vom „billigen Jakob" gefallen, der durch die Lande reist und den Leuten weismacht, daß die Atomgefahren so sehr schrecklich seien. Meine Damen und Herren, die Göttinger Erklärung ist nicht von Menschen abgegeben worden, die als „billiger Jakob" wirken wollen. Albert Schweitzer ist kein „billiger Jakob", ({1}) und die 9235 Wissenschaftler aus 44 verschiedenen Ländern, die die Erklärung gegen die Atomwaffenversuche und gegen Atomrüstung und Atomkrieg unterschrieben haben, wozu der Nobelpreisträger Linus Pauling aus den Vereinigten Staaten aufgefordert hatte, haben diese Erklärung nicht aus Geltungssucht abgegeben oder weil sie wie ein „billiger Jakob" wirken wollen. Ich sage Ihnen, sie haben geredet, weil sie bangen um die Menschheit, um deren Leben und Nachkommen es geht. Sie haben geredet, weil sie eintreten wollen für Menschenwürde und Menschlichkeit. Die Sprecher der CDU und Mitglieder der Regierung haben hier ihre Ansicht, daß Atomwaffen für uns notwendig seien, recht sonderbar begründet. Der Herr Verteidigungsminister sagte zur Rechtfertigung - und er hat es heute wiederholt -: Friede und Freiheit müssen mit allen Mitteln verteidigt werden. Auch mit dem Mittel der Selbstvernichtung, Herr Minister? Was heißt Verteidigung der Freiheit mit Atomwaffen, wenn nach der Verteidigung keiner mehr da ist, der diese Freiheit wahrnehmen kann, ({2}) weil die Menschen ausgerottet sind? ({3}) Warum so hochtrabende Worte, Herr Minister? Sagen Sie doch Ihre Meinung, wie sie wirklich ist! Sagen Sie doch: Wir sind bereit, Atomwaffen einzusetzen, wenn es zum Kriege kommt; wir wissen, daß wir das deutsche Volk und Deutschland damit vernichten! - Das wenigstens ist die Wahrheit, Herr Minister. ({4}) Ich spreche von Tatsachen! ({5}) Bekanntlich hatten die Atombombenflugzeuge in den jüngst vergangenen kritischen Augenblicken der Weltpolitik den Auftrag, beim Anfliegen, beim Herannahen verdächtiger Objekte sofort Kurs nach Osten zu nehmen. Die Entscheidung liegt in solch kritischen Zeiten nicht in den Händen einer Zentrale, Herr Minister, wie Sie dem Bundestag versichert haben, nicht in den Händen einer obersten Führung. Sie liegt in den Händen einer Anzahl von Menschen, die keineswegs zur Zentrale oder zur obersten Führung gehören, und je mehr Menschen Atomwaffen in dieser Weise in die Hand bekommen, desto gefährlicher wird es auf der Erde. Der Schluß, der daraus zu ziehen ist, ist von unserer Seite hier schon wiederholt so dringend, so beschwörend genannt worden: Verhandelt um Gottes willen! Verhandelt, ehe es zu spät ist! Der Herr Bundeskanzler sagte am Donnerstag: Solange in der Welt Mächte im Besitz von Atomwaffen sind, droht immer die Gefahr, daß sie gebraucht werden. - Ganz unsere Meinung, meine Damen und Herren von der CDU. Aber warum wollen Sie dann Atomwaffen? Warum wollen Sie dann, daß immer mehr Staaten Atomwaffen haben? Warum wollen Sie dann, daß immer mehr Menschen darüber entscheiden, ob wir alle vernichtet werden? ({6}) Sie sagen „Abrüstung" und rüsten auf! Sie versprachen bei der Wahl „Keine Experimente!" und führen das deutsche Volk in das tödlichste Experiment seiner Geschichte, ({7}) in die Atomrüstung. Sie sprechen von „technischer Umstellung", wenn Sie Atomrüstung meinen. Warum verstecken Sie sich hinter dem harmlos klingenden Wort „technische Umstellung" ? Fürchten Sie, daß das Wort „Atomrüstung" den Deutschen nicht so glatt eingeht? Herr Minister Strauß beherrscht diese Kunst noch besser. Er nennt es Teilentwaffnung der NATO, wenn die Bundesrepublik sich keine Atomwaffen anschafft. Meine Damen und Herren, wer mit solcher Verschleierung der bitteren Wahrheit arbeitet, der scheint kein gutes Gewissen zu haben. ({8}) Ich sage Ihnen: wären die Atombomben von Hiroshima und Nagasaki bei uns in Deutschland gefallen - und das wären sie, wenn der Krieg in Deutschland nicht rechtzeitig zu Ende gegangen wäre -, dann würde niemand hier im Hause wagen, dem deutschen Volk Atomrüstung aufzuzwingen. ({9}) Der Abgeordnete Jaeger hat sich am Samstag gegen die Frage verwahrt, daß im Atomkrieg von uns aus Atomwaffen gegen die deutsche Ostzone, gegen Leipzig und Dresden, verschossen werden könnten. Er hat zwar nicht bestreiten können, daß Atomwaffen gegen Leipzig und Dresden durchaus eine Folge der Atomrüstungspolitik der CDU sein könnten, ({10}) aber er war empört. Worüber eigentlich, Herr Jaeger? ({11}) Ich sage, es wäre für uns alle besser, nicht geboren zu sein, als einen Beschluß zu fassen, der zur Folge hat, daß Atomwaffen gegen unsere Brüder und Schwestern im Osten angewandt werden können. ({12}) Sie, meine Damen und Herren von der CDU, haben mit den Schriften eines Mannes Propaganda gemacht, der den Atomkrieg verharmlost, ({13}) der geschrieben hat, nach einem großen Atomkrieg werde die Menschheit fünf Jahre unter der Erde leben müssen. Dann werde man herauskommen und sehen, was noch bewohnbar sei, hat der amerikanische Atomphysiker Teller hinzugefügt. Er sprach über dieselbe Sache im selben Ton. Ich frage Sie, meine Damen und Herren von der CDU: Sind auch Sie der Meinung, die da Herr Jordan vertreten hat? Und ich frage Sie weiter: Wie kommt man in Deutschland bei den hohen Anfluggeschwindigkeiten von Raketen und Flugzeugen rechtzeitig in den Bunker? ({14}) Ich nehme an, daß Sie ernst nehmen, womit Sie im Wahlkampf Propaganda gemacht haben. Ich frage: Wovon sollen die Menschen so lange unter der Erde leben? Hat man sich das überlegt, daß sie Lebensmittel haben müssen, die unverseucht sind, daß sie Wasser und Luft haben müssen, die unverseucht sind? Ich sage Ihnen als Physiker: Es ist mit den heutigen Mitteln nicht möglich, hochradioaktiv verseuchte Luft so weit zu reinigen, so weit ungefährlich zu machen, daß man sie ungefährdet atmen kann. ({15}) Sie haben ein Beispiel dafür in dem großen Unglück in Windscale vom vorigen Oktober, wo radioaktives Gas über die Felder kam, was die Filter, die in dem Kamin eingebaut waren, nicht verhindern konnten. Das gleiche gilt für die Entseuchung von Wasser. Wohl der angesehenste Strahlenforscher der Bundesrepublik, Professor Rajewski, hat vor nicht langer Zeit vor Sachverständigen und vor der Presse ausgeführt, daß man mit heutigen Mitteln Wasser, wenn es radioaktiv verseucht ist, nicht so weit entseuchen kann, daß man es trinken könnte. Um Ihnen eine Andeutung der Gefährlichkeit der Stoffe zu geben, um die es sich da handelt, will ich nur sagen: Der Stoff, auf dessen Gefährlichkeit ich immer wieder hingewiesen habe - wofür ich von Sprechern des Bundesatomministeriums unter dem damaligen Bundesatomminister Strauß beschimpft und verhöhnt worden bin -, der Stoff, von dem heute jedermann, der Zeitung liest, weiß, daß er zu den gefährlichsten aus der Atomkernspaltung und also aus dem Atomkrieg und aus den Atomwaffenversuchen gehört, das Strontium 90, ist so gefährlich, daß ein Eßlöffel davon, verteilt auf die gesamte Menschheit, jedem einzelnen Menschen das Dreißigfache dessen geben würde, was nach den Empfehlungen der Internationalen Strahlenschutzkommission als höchstzulässige Belastung mit Strontium 90 im menschlichen Körper angesehen werden muß, wenn es sich um die Verseuchung größerer Menschengruppen handelt, unter denen ja auch immer eine große Zahl von Jugendlichen sich befinden, die gegenüber solchen Strahlenschädigungen besonders anfällig sind. Und wie soll es sein, wenn man dann aus dem Bunker kommt - das heißt, diejenigen, die sich haben retten können und nicht so starke Strahlenschäden davongetragen haben, daß sie an ihnen zugrunde gingen? Es wird nach einem Atomkrieg die Lebewelt weithin vernichtet sein, es werden nur die niederen Lebewesen noch da sein, weil sie mehr an Strahlung vertragen als die höheren. Das alles ist uns als Zukunftsbild von dem Mann gemalt worden, mit dessen Meinung und Verharmlosung des Atomkriegs Sie, meine Herren von der CDU, Propaganda gemacht haben, um Ihre Wahl zu gewinnen. Das alles ist Folgerung aus diesen Ansichten, sage ich. Offenbar sind Sie der Meinung, daß eine solche Zukunft realisierbar, erträglich und gar nicht so schlimm wäre; sonst hätten Sie sich nicht in Ihrer Wahlpropaganda so darauf berufen. ({16}) Gehört dieses Zukunftsbild auch zu Ihrem Wahlversprechen: „Keine Experimente!"? ({17}) Wie sehr in diesem Zusammenhang die Öffentlichkeit irregeführt wird, wie verbrecherisch da gelogen wird, dafür will ich Ihnen ein Beispiel aus der letzten Zeit geben. ({18}) Der Mann, der die Wasserstoffbombe entwickelt hat, hat ein Buch geschrieben, ({19}) - Teller! -, in dem behauptet wird, daß ja nicht erwiesen sei, ob die Bestrahlung, die durch Atombombenversuche zustande kommt - also auch im Atomkrieg zustande käme - nicht auch Erbänderungen erzeugt, die günstig sind; und es wird dann der Schluß gezogen - ich weiß sehr wohl, Herr Dr. Martin, und wahrscheinlich sehr viel besser als Sie über diese Fragen Bescheid -, ({20}) die Erbänderungen durch die Strahlung könnten ebensogut zu einer Veredelung des Menschengeschlechts führen. Das ist eine verbrecherische Irreführung der Weltöffentlichkeit; anders kann man das nicht nennen! ({21}) Denn alle Erbforscherkongresse, die seit dem Beginn der Atomwaffenversuche stattgefunden haben, haben aus dem Grunde die Einstellung dieser Versuche gefordert, weil in der weitaus erdrückenden Mehrzahl aller Fälle, wenn solche Erbänderungen durch Strahlungen entstehen, die Erbänderungen ungünstig sind. Es ist in dieser Debatte schon gesagt worden, aber es kann nach meiner Ansicht nicht oft genug dem deutschen Volke und allen Völkern gesagt werden: Der Krieg hat seinen Sinn vollständig verloren. ({22}) Noch vor kurzem fanden Kriege so statt, daß Soldaten auszogen, die Heimat, ihre Lieben zu schützen. Heute kann die Heimat, die Bevölkerung nicht geschützt werden, wie ganz deutlich z. B. das englische Weißbuch zugibt. Was geschützt werden soll, sind die Bombenflugzeuge, daß heißt die Soldaten, die die Waffen bedienen, die den Gegner am stärksten schädigen sollen. Ich stelle fest: dies ist das offene Eingeständnis, daß der Krieg und seine Politik Bankrott gemacht hat. ({23}) Wer noch weiterschießen will, der muß zugeben, daß er es nur tut, damit weitergeschossen wird. Verteidigen kann er nichts damit. Es wird Zeit, daß die Völker sich gegen diesen Unsinn wehren. Denn welches Volk will geopfert werden, damit weiter geschossen werden könne? Die Völker wollen nicht sehenden Auges in den Tod getrieben werden. Die Wissenschaftler haben gerufen. Sie warten auf die Antwort des Volkes. Darum keine Hand für die Atomrüstung! ({24}) Darum Schluß mit der Wahnsinnspolitik des Immerweiter-Rüstens! Verhandelt, um Gottes willen verhandelt endlich! ({25}) Es geht um das Leben und das Weiterbestehen der Menschheit. Wir wollen nicht, daß vollendete Tatsachen geschaffen werden, die eine Verständigung nur erschweren können. Wir wollen nicht, daß Arbeit und Erkenntnis zum Schaden der Menschheit mißbraucht werden. Wir fordern von der Bundesregierung, daß sie im Namen des Friedens und der Verständigung wirkt. Reden genügen uns nicht; wir wollen Tatsachen. ({26}) Wir wollen nicht, daß durch Atomrüstung die Wiedervereinigung verlorengeht. In dieser Stunde versichern wir unseren deutschen Brüdern und Schwestern im Osten, daß wir diesen Kampf gegen die Atombewaffnung und die Aufrüstung nicht zuletzt deshalb so leidenschaftlich führen, damit sie eines Tages wieder frei mit uns als ein Volk in Frieden leben können. ({27})

Not found (Mitglied des Präsidiums)

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Martin.

Dr. Berthold Martin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001426, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Bechert hat hier gesagt: Ich spreche von Tatsachen. Diese Tatsachen, meine Damen und Herren, sind uns bekannt. Sie sind uns nicht nur bekannt, sondern sie bilden den Gegenstand der ununterbrochenen Erwägung in unseren Reihen. ({0}) Die Tatsachen, die Herr Professor Bechert hier aufgeführt hat, sind der Weltöffentlichkeit im Jahre 1955 erstmals zur Gänze bekanntgeworden, und zwar deshalb, weil nach der Genfer Atomkonferenz die indische Regierung ein Buch über atomare Explosionen und ihre Folgen herausgegeben hat. ({1}) - Im Juni 1956 haben wir es dann hier bekommen. Herr Professor Bechert hat dem, was darin geschildert ist, heute nichts Neues hinzugefügt. Er konnte deshalb auch unsere Meinungen und unsere Überzeugungen nicht ändern. Das ist das erste, was dazu zu sagen ist. ({2}) Nur ein Naturwissenschaftler konnte in diesem naiven Sinne von Tatsachen sprechen. ({3}) - Meine Damen und Herren, lassen Sie mich doch erst einmal erklären, was eine Tatsache ist. Das ist nämlich eine philosophische Angelegenheit. ({4}) Die ganze Debatte hat doch eins klipp und klar gezeigt: es gibt in diesem Hause über bestimmte Dinge keine verschiedene Meinung. Es gibt keine verschiedene Meinung darüber, daß wir den Frieden wollen. ({5}) Es gibt keine verschiedene Meinung darüber, daß wir die Sicherheit wollen, und es gibt keine verschiedene Meinung darüber, daß wir die Wiedervereinigung wollen. Aber wie wir die Realitäten beurteilen, darin besteht die Verschiedenheit, und sie besteht schon seit zehn Jahren. Als Professor Einstein in seinem jetzt schon historisch gewordenen Brief Roosevelt das Geheimnis preisgab und ihn praktisch dazu aufforderte, die Bombe zu bauen, da hat er es getan, weil ihm eine andere Tatsache vor Augen stand. Denn seit dem Jahre 1945 stehen wir in Deutschland und in der Welt eben zwischen zwei Tatsachen, zwischen zwei Übeln, von denen wir nicht wissen, welches das größere ist. Einstein ist vor einem totalitären System emigriert, und er hat das Geheimnis preisgegeben, weil er verhüten wollte, daß das Bild vom Menschen durch den Totalitarismus zerstört wird. ({6}) Derselbe Mann ist unter den schwersten Gewissensqualen durch sein Leben gegangen. Er ist es gewesen, der 1955 kurz vor seinem Tode einen beschwörenden Appell an die Welt gerichtet hat, ohne selbst zu wissen, wie er zwischen diesen beiden Feuern durchkommen könne. Denn die sogenannte Tatsache hat man erst gesehen, wenn man weiß, daß es die Möglichkeit der physischen Vernichtung des Menschen gibt, und wenn man weiß, daß es die Möglichkeit seiner geistigen Auslöschung gibt. ({7}) Das ist doch der Grund, weswegen alles das, was in Polemik und Propaganda gesagt wird, so wenig schlüssig und so unbefriedigend ist. Herr Professor Jaspers, der einer der maßgebenden Denker in Deutschland ist und der jetzt dankenswerterweise seine Arbeit unterbrochen hat, um sich dem Problem der atomaren Bedrohung zu widmen, hat, wie Sie sicher wissen, in einer Radiorede das Ergebnis vieler seiner Überlegungen schon vorausgenommen. Es wird Sie interessieren, was er dazu sagt: Das Verhalten der Forscher bezeugt Ratlosigkeit. Zwischen der Ingeniosität ihrer technischen Erzeugung einerseits und der Ahnungslosigkeit ihres politischen Denkens andererseits klafft ein Abgrund. Erschrocken vor dem, was sie angerichtet haben, fordern sie mit Friedensgedanken eine Lösung, indessen sie die Sache weitertreiben. ({8}) So intelligente Männer wollen und wollen nicht. Sie verhalten sich wie Kinder und sprechen von Tragödie. ({9}) In diesem Tatbestand kommt zum Ausdruck, daß die Lösung eben nicht so einfach ist. Da kommt zum Ausdruck, daß man die Dialektik des Problems zerreißt und sich die Lösung verbaut, wenn man nur von der einen „Tatsache" redet, wenn man nicht beides zusammen im Griff hat: die Gefahr der physischen Vernichtung und die Gefahr der geistigen Auslöschung und der geistigen Vernichtung des Menschen. Dasselbe gilt auch für das, was wir am letzten Sonntag in Frankfurt erlebt haben. Auch dazu Jaspers: Überall gibt es Leute, die protestieren. Man will die Bombe als solche für verbrecherisch erklären. Aber wie pazifistische Gesellschaften nicht das geringste zur Verhinderung des Krieges beigetragen haben, so sind alle Bestrebungen, die nur die Atombombe als solche verwerfen, ohne sie im Gesamtzusammenhang der realen Handlungen der Staaten und der offenbaren Antriebe der meisten Menschen zu sehen, vergeblich und gefährlich. ({10}) Meine Damen und Herren, die Frage, die hier schon, wie ich meine, tagelang beantwortet worden ist, ist doch die, wie Sicherheit im atomaren Zeitalter möglich ist. Die Frage ist, wie man das, was Herr Bechert hier so anschaulich geschildert hat, mit allen Mitteln verhindert. ({11}) Damit berühren wir die sogenannte ethische Frage, auf die Herr Heinemann uns noch einmal angesprochen hat. Herr Heinemann, ich weiß so gut wie Sie, daß der debitus modus belli gerendi heute ein Problem allererster Ordnung für uns ist. Sie können versichert sein, daß wir nicht einmal, sondern wochenlang darüber geredet haben. Und wenn hier schon ein Dutzend persönlicher Bekenntnisse abgelegt worden sind, so möchte ich Ihnen sagen, Herr Heinemann: Wir haben in den vergangenen Wochen alles, was uns an theologischer Tration und weltlicher Weisheit erreichbar war, daraufhin durchgesehen, ob uns daraus eine Hilfe erwachsen könne. ({12}) Denn die Atomsorge, die die Menschen draußen mit Recht beschäftigt, ist vor allem und zuerst auch unsere Sorge. ({13}) Nun wird man eines sagen können, Herr Dr. Heinemann - und darin unterscheiden wir uns vielleicht -: Wie man auch über die moderne theologische Entwicklung denken mag, eines ist sicher: die Obrigkeit hat heute nach wie vor den unabdingbaren Auftrag, den Frieden im Lande zu sichern und den Menschen die Freiheit zu bewahren. ({14}) Herr Dr. Heinemann, wir beide sind ja reformierten Glaubens. So liegt es nahe, einen Rückgriff auf Calvin zu machen. Da steht über den Staat etwas mehr drin, als Sie etwa im „Schnittpunkt der Zeit" vertreten. Da finden Sie den überraschenden Satz: Sie - die Obrigkeit Dr. Martin client dazu, daß unter den Christen die öffentliche Gestalt der Religion zutage tritt und unter den Menschen die Menschlichkeit erhalten bleibt. ({15}) Meine Damen und Herren, wir unterscheiden uns in der Beurteilung der Realitäten. Es ist, um ein Wort von Ihnen zu gebrauchen, Herr Dr. Heinemann, schon verheerend, wenn Frau Helene Wessel hier alles, was über den Bolschewismus zu sagen ist, abtut mit der Meinung, wir hätten einen Kommunistenwahn ({16}) wir hätten einen Kommunistenschreck, - als ob mit diesen Worten die Tatsache, daß 20 Millionen in Zwangsarbeitslagern sind, abgetan wäre, ({17}) als ob mit diesen Worten der Menschen gedacht wäre, die an Leib und Seele seit 1917 zerbrochen worden sind, ({18}) als ob mit diesen Worten die Situation unserer Brüder und Schwestern im Osten auch nur anvisiert wäre. ({19}) Meine Damen und Herren, in dieser Situation hat es keinen Sinn, sich mit allzu theologischen Argumenten gegenseitig anzugehen. Worauf kommt es denn in einer Situation an, in der man zwischen, wie Sie gesagt haben, Atomwüste und Kapitulation steht? ({20}) - Genau das! - In einer solchen Situation kommt es für den Staat darauf an, die realen Mittel zu finden, um die Katastrophe auf jeden Fall zu vermeiden. ({21}) In dieser Situation helfen keine abstrakten Überlegungen, sondern nur der Appell an die Vernunft und an die Erfahrung. ({22}) - Warten Sie, warten Sie! Wir kommen schon! ({23}) Meine Damen und Herren, die wesentliche Erfahrung, die nach dem Kriege gemacht worden ist, ist doch diese: Die Amerikaner haben, solange sie das Atommonopol gehabt haben, nie einen Versuch der Erpressung, der Vergewaltigung, der Aggression, der Okkupation gemacht. Sie haben im BaruchPlan das ganze Geheimnis unter der Bedingung der Kontrolle angeboten. Sie haben in der Korea-Krise, in Indochina, in allen internationalen Entwicklungen keinen Gebrauch von ihrer Überlegenheit gemacht. Daraus folgt - und das ist nun das Entscheidende -, daß in der heutigen Situation nicht die Atombombe, sondern die Existenz eines totalitären Staates die eigentliche Gefahr ist. ({24}) Denn alle denkenden Menschen wollen, daß die Atombombe abgeschafft wird. Die Existenz der Atombombe allein würde unter vernünftigen Menschen, möchte ich fast sagen, eine Weltfriedensordnung geradezu erzwingen. Wir haben die Weltfriedensordnung heute noch nicht - meine Damen und Herren, das wissen Sie so gut wie ich, und das ist in den 4 Tagen ständig gesagt worden -, weil die Russen bis zur Stunde die Kontrolle der Atomenergie verweigert haben. ({25}) - Natürlich, ({26}) dem freien Westen verweigert haben. In unserer Politik steckt ja klipp und klar drin, meine Herren: es gäbe keine atomare Aufrüstung, sie kann jederzeit beendet werden, die Russen brauchen nur zu sagen, daß sie mit der Kontrolle einverstanden sind, und dann sind wir da, wohin unsere Politik im Eigentlichen zielt. ({27}) Es ist nicht angenehm, zu wissen, daß in dieser Zeit - um mit Churchill zu reden - der Friede das Kind des Schreckens ist. Aber diese furchtbare Tatsache gehört ebenfalls mit zu unserer Erfahrung. Jederman weiß es. Herr Erler hat es auch schon gesagt. Andere haben es gesagt. Da gibt es keinen Unterschied zwischen Sozialisten und Konservativen, zwischen Deutschen und Engländern und anderen. Die Erfahrung hat sich überall bestätigt, daß der Friede gegenwärtig auf der Abschreckung beruht. Wer das der freien Welt gegenwärtig in der Phase des Übergangs zu einer allgemeinen kontrollierten Abrüstung verweigert, der verhindert nicht den Krieg, sondern vergrößert die Kriegsgefahr. ({28}) Im freien Westen wird eine lebhafte Propaganda gegen atomare Rüstung gemacht. Es wird Sie, meine Damen und Herren, interessieren, daß das russische Volk erst im Jahre 1954 Bilder von atomaren Explosionen gesehen hat und daß noch im Jahre 1950 dort gesagt worden ist, das Ereignis von Hiroshima und Nagasaki sei gar nicht so schlimm gewesen, es habe sich da um 8000 Tote gehandelt, im übrigen sei die Atombombe nur dazu da, Leute mit schwachen Nerven zu beeindrucken. ({29}) Diejenigen, die sich gegen die atomare Rüstung wenden, sollten auch das wissen, die sollten wissen, wie unempfindlich die Russen für theologische und moralische Argumente sind, ({30}) und sollten bedenken ({31}) - nein, jetzt nicht -, daß es nicht nur eine politische, eine militärische, sondern durchaus auch eine psychologische Vorleistung von hoher Wirkung geben kann. ({32}) - Herr Erler, ich werde Ihnen sofort antworten. Ich habe Ihnen klipp und klar gesagt, daß alles, was ich hier ausführe und was so ziemlich Allgemeingut meiner Freunde ist, durchgehend theologisch fundiert ist. ({33}) Ich habe mit Deutlichkeit zwei Gedanken ausgesprochen. Erstens: Es ist die Pflicht jedes Staates, der sein Wesen versteht, daß er für den Schutz seiner Bürger sorgt. Ich habe zweitens gesagt: in der gegenwärtigen Situation müssen wir, gestützt auf Vernunft und Erfahrung, die Mittel herausbekommen, die zu unserem Schutz dienen. Ich habe versucht, Ihnen aufzuzeigen, wie solche Mittel aussehen. Wenn ich zusammenfassen darf, würde ich folgendes sagen. Die Darstellung von Herrn Professor Bechert ist uns durchaus geläufig. Aber ich weigere mich, das als die Tatsache anzusehen. Das volle Bild der Realität hat erst derjenige, der weiß, daß es die Bedrohung des Totalitarismus und die Bedrohung durch die Bombe gibt. Ich glaube sehr wohl, daß wir in diesen Tagen aufgezeigt haben, daß es möglich ist, das Verhängnis zu vermeiden, daß der Weg, den wir gegenwärtig gehen, dazu führt, den atomaren Krieg, den niemand will, zu vermeiden. ({34})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Achenbach.

Dr. Ernst Achenbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000002, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Freien Demokraten sprechen seit langem von der Notwendigkeit einer gemeinsamen Außenpolitik. Trotz der Schärfe der Polemik, die diese Debatte unter den Parteien des Hauses gezeigt hat, halten wir an diesem Gedanken fest. In der Tat, eine Außenpolitik, die in kritischen Zeiten der Nation von allen Seiten dieses Hauses aus ehrlicher Überzeugung mitgetragen wird, hat international ein stärkeres Gewicht, als wenn sich in wesentlichen Lebensfragen der Nation ganz verschiedene Auffassungen der Regierung und der Opposition gegenüberstehen. Es ist deshalb, wie ich glaube, unser aller Pflicht unserem Volke gegenüber, immer wieder unter Zurückstellung jeglichen Ressentiments und auch unter Zurückstellung parteipolitischer und wahltaktischer Gesichtspunkte zu prüfen, ob nicht eine gemeinsame Grundlage für eine gemeinsame richtige Außenpolitik gefunden werden kann. Gerade der Verlauf dieser Debatte hat mir gezeigt, daß eine gemeinsame Außenpolitik allerdings an gewisse methodische Voraussetzungen geknüpft ist. Die erste notwendige Voraussetzung ist, wie der Vorsitzende der Freien Demokratischen Partei, Dr. Reinhold Maier, mehrfach unterstrichen hat, die laufende Unterrichtung der Opposition durch die Regierung, insbesondere durch den Herrn Außenminister, im vertraulichen Ausschuß für Auswärtige Angelegenheiten, - vielleicht, Herr Außenminister, nützlicherweise ergänzt durch nicht institutionelle verstärkte menschliche Kontakte und Aussprachen. Eine zweite unerläßliche Voraussetzung scheint mir die zu sein, daß Regierung und Opposition verantwortungsbewußt darauf verzichten, reine Glaubenssätze zu proklamieren und diese ohne den Versuch einer sachlichen Widerlegung wechselseitig als unrealistisch, utopisch, Wunschgebilde, die Nation schädigend abzuqualifizieren. ({0}) Gewiß gibt es über alle sachliche Argumentation hinaus Meinungen und Entscheidungen, deren Richtigkeit oder Falschheit nicht schon im Augenblick, da sie getroffen werden, schlüssig beweisbar sind, sondern sich erst in der Zukunft als richtig oder falsch herausstellen. Immerhin kann der Bereich solcher Fälle nach meiner Auffassung 'stärker eingeschränkt werden, als das bisher in der Vergangenheit bei uns der Fall war. Wenn, wie das in der Außenpolitik fast immer der Fall ist, der Wille einer fremden Regierung von Bedeutung ist, so sollte man nicht prophetische Formeln hören wie: „Wir glauben nicht" oder „Wir glauben doch" oder „Die Russen - oder die Amerikaner - werden nie" oder „sie werden selbstverständlich". Solche Formeln sollten ersetzt werden können durch Aussagen folgenden Schemas: „Wir haben festgestellt, daß" „Wir wissen nicht, ob", „Wir wollen feststellen, ob" oder nicht zuletzt auch „Wir wollen uns bemühen, eine festgestellte Meinung beim Gegner - oder Partner - mit unseren Argumenten und unserer Überzeugungskraft zu ändern". Von ganz wesentlicher Bedeutung für den Erfolg außenpolitischer Bemühungen erscheint mir darüber hinaus der grundsätzliche Verzicht auf die Methode, anderen Parteien, erst recht aber anderen Regierungen Absichten zu unterschieben, die diese noch nicht geäußert haben oder häufig sogar schon ausdrücklich bestritten haben. ({1}) Wenn man mit einer Regierung verhandeln will, muß man bereit sein, sie bei ihrem Wort zu nehmen und die Ernsthaftigkeit ihrer Darlegungen nicht von vornherein in Zweifel zu ziehen. Ich rede damit nicht einer leichtfertigen Vertrauensseligkeit das Wort. Ein gesundes Mißtrauen - nach dem alten Landserwort: „Holzauge sei wachsam" - ist immer am Platze, sollte aber als selbstverständlich eben nicht ausgesprochen werden. Daß man idas im täglichen Leben richtige Wort: „Wer schimpft, hat Unrecht" in der Außenpolitik erst recht beachten sollte und grundsätzlich niemanden beschimpfen sollte, sei, auch wenn häufig dagegen verstoßen wird, nur am Rande vermerkt. Es ist nun einmal so: wie man in den Wald hineinruft, so schallt es auch wieder heraus! Wenn ich schließlich noch die Notwendigkeit des Verzichts auf jede Kreuzzugsideologie erwähne, ,die Vermeidung der Untugend, einer von einer fremden Regierung geäußerten Meinung oder einem von dieser Regierung gemachten Vorschlag ganz unnötig von vornherein den Charakter der Unabdingbarkeit zu geben und daraus auf die völlige Vergeblichkeit irgendwelcher Verhandlungsbemühungen zu schließen, so meine ich, daß wir, wenn wir uns in diesem Parlament an diese soeben entwickelten methodischen Grundsätze halten, sehr viel Zündstoff aus unseren Debatten entfernen und damit das Ansehen der Volksvertretung und der freiheitlichen, rechtsstaatlichen Demokratie stärken. ({2}) Wenn ich die bisherige Debatte überschaue, so glaube ich trotz aller Polemik folgende wesentliche Gemeinsamkeiten zwischen Regierung und Opposition feststellen zu können. Regierung und Opposition sind sich darin einig, daß das oberste Ziel jeder deutschen Außenpolitik die Erhaltung und Förderung ides Weltfriedens ist und immer sein muß. Da der Weltfriede in erster Linie von der Gestaltung des Verhältnisses zwischen der Sowjetunion und den Vereinigten Staaten von Amerika abhängt, ist, wie ich glaube, der Schluß berechtigt, daß Regierung und Opposition sich ebenfalls in dem aufrichtigen Wunsch einig sind, daß es zu einer friedlichen Bereinigung aller Streitpunkte zwischen der Sowjetunion und den Vereinigten Staaten von Amerika kommt. Zu dieser Bereinigung gehört als wichtigste Voraussetzung eine Vereinbarung über die allgemeine kontrollierte Abrüstung. Ich halte die Feststellung für gerechtfertigt, daß Regierung und Opposition ebenfalls darin einig sind, daß die Bundesrepublik ihrerseits alles tun muß, was die allgemeine kontrollierte Abrüstung fördert, und alles unterlassen muß, was ,dieses Ziel gefährdet. Auch die notwendige Lösung der ,deutschen Frage, die Herbeiführung der vom ganzen deutschen Volk in Ost und West gewollten Wiedervereinigung der Deutschen in einem Staat - ein Ziel, das sowohl von den Westmächten wie von der Sowjetunion als nationales berechtigtes Anliegen dies deutschen Volkes ausdrücklich anerkannt worden ist -, auch dieses unser vornehmstes Ziel muß die allgemeine Abrüstung fördern. Schließlich ist daraus doch wohl auch der Schluß zu ziehen, daß eine für unser deutsches Volk annehmbare Lösung der deutschen Frage weder mit den Vereinigten Staaten gegen die Sowjetunion noch mit der Sowjetunion gegen ,die Vereinigten Staaten herbeigeführt werden kann und soll. Wir Deutsche wollen den internationalen Frieden nicht stören, wir wollen ihn mit allen Kräften fördern. Das wiedervereinigte Deutschland soll und darf für niemanden eine Bedrohung darstellen. Die Opposition - ich spreche hier für die Freien Demokraten - begrüßt die vom Bundesverteidigungsminister ausgesprochene Bereitschaft ,des Verzichts auf Gewaltanwendung als Mittel der Politik. Entsprechend dem Berliner Programm der Freien Demokraten darf ich an dieser Stelle jedoch, wie mein Freund Kreitmeyer es bereits getan hat, die unzweideutige Bereitschaft der Freien Demokraten unterstreichen, unser Volk und Land gegen jeden Angriff, von wo er auch kommen möge, zu verteidigen, und damit ein klares Ja zur Landesverteidigung aussprechen. ({3}) Wir wünschen und wollen für unser Volk die wirksamsten Verteidigungswaffen - ich wiederhole: die wirksamsten Verteidigungswaffen -, wozu wir die Atomwaffen, Herr Minister, nicht rechnen. Bei meinem Bemühen, nach weiteren Gemeinsamkeiten in diesem Hause Ausschau zu halten, bin ich auch zu der Überzeugung gekommen, daß das gesamte Haus sich auf die Formulierung einigen könnte, daß die deutsche Politik nichts tun darf, was die Position der freien Welt gegenüber der Sowjetunion schwächt. ({4}) Nach diesem immerhin doch vielleicht eindrucksvollen Katalog der Gemeinsamkeiten meine ich, daß nun auch mit Sachlichkeit die konkreten Probleme, wo Meinungsverschiedenheiten mit Sicher-hell bestehen, in dem Bewußtsein der auf uns lastenden schweren Verantwortung mit dem Ziel diskutiert werden sollten, wenigstens für einen bestimmten Zeitraum bis zur Klärung noch offener Fragen eine vorläufige Einigung zu erzielen. Ich habe diese Hoffnung um so mehr, als der Herr Außenminister zugestanden hat, daß für den Fall, daß bei der von uns allen gewünschten Beratung der deutschen Frage auf der ebenfalls von uns allen gewünschten Gipfelkonferenz die Sowjetunion Wert darauf legt, daß Vertreter ,der sogenannten DDR hinzugezogen werden, dies allein kein Grund sei, die Gipfelkonferenz scheitern zu lassen. Es ist selbstverständlich, daß dies, wie auch die Sowjetunion in ihrem Aide-memoire erklärt, keinerlei Anerkennung der sogenannten DDR bedeutet. Die Regierung Grotewohl-Ulbricht wird von allen Parteien dieses Hauses nach wie vor nicht als demokratisch legitimierte Vertreterin der 17 Millionen Deutschen in ,der sowjetisch besetzten Zone angesehen. Die Frage, ob eine sogenannte Regierung, die jeder demokratischen Legitimierung ermangelt, aber leider durch den Willen der Sowjetunion illegitim vorhanden ist, Gesprächspartner zu dem Thema sein kann, wie sie durch eine legitime Sprecherin der 17 Millionen Deutschen in der sowjetisch besetzten Zone ersetzt werden kann, ist eine Frage, die der Deutsche Bundestag und die deutsche Bundesregierung erst entscheiden können, wenn eine gemeinsame Meinungsbildung der für die deutsche Wiedervereinigung neben uns selber verantwortlichen vier Großmächte auf der kommenden Gipfelkonferenz hoffentlich zustande gekommen sein wind. Der Minister für gesamtdeutsche Fragen hat von dieser Tribüne herab versichert - die Freien Demokraten begrüßen diese Erklärung -, daß sich die Bundesregierung nicht von rein dogmatischen Überlegungen leiten lassen wird. Dabei darf hier erwähnt werden, idaß die richtige Erkenntnis, ausgesprochen von dem Kollegen Carlo Schmid und aufgenommen von dem Herrn Bundesaußenminister, daß man in der Politik niemals „niemals" sagen sollte, sicherlich von der überwältigenden Mehrheit dieses Hauses in allen seinen Parteien geteilt wird. Mein Freund Döring hat bereits darauf hingewiesen, daß die außenpolitische Debatte verhältnismäßig wenig mit den in den Großen Anfragen der CDU-Fraktion und der FDP-Fraktion gestellten Fragen zu tun gehabt hat. Der Herr Bundeskanzler hat vielmehr von vornherein erklärt, er halte es für wenig opportun, die gestellten Fragen jetzt im einzelnen zu diskutieren. Der Herr Bundesaußenminister hat uns die uns enttäuschende Mitteilung gemacht, die Bundesregierung beabsichtige nicht, zu den durch die internationale Diskussion aufgeworfenen Fragen einer atomwaffenfreien Zone bzw. der Schaffung einer militärisch entschärften Zone einen eigenen Plan vorzulegen. Nach Auffassung des Herrn Bundeskanzlers waren all diese Fragen unwesentlich neben der für ihn zentralen Frage: soll Deutschland in der NATO bleiben oder nicht? Er beantwortet diese Frage mit Ja und fügt die Behauptung hinzu, dann müsse aber auch die Bundeswehr nuklear bewaffnet werden. Widersetze sich die Bundesregierung dieser Forderung, so sei das gleichbedeutend mit dem Ausscheiden der Bundesrepublik aus der NATO als der Verteidigungsorganisation des Westens. Ich bedauere, Herr Bundeskanzler, Ihnen sagen zu müssen, daß ich sowohl Ihre Fragestellung wie die Schlußfolgerung aus Ihrer Fragestellung im Hinblick auf die nukleare Aufrüstung für sachlich unrichtig halte. ({5}) Es stellt sich nicht, Herr Bundeskanzler, die von meiner Partei durchaus bejahte Frage, ob die Bundesrepublik in der NATO bleiben soll. Es stellt sich vielmehr die Frage: Welches ist im Hinblick auf die von der Sowjetunion angeregte Gipfelkonferenz die von den NATO-Bündnisstaaten in den nächsten Monaten zu befolgende richtige Politik? ({6}) Welches ist die richtige Politik, die gleichzeitig die internationale Entspannung und den Weltfrieden fördert, die Position des Westens gegenüber der Sowjetunion nicht schwächt und die Lösung der zwischen Ost und West bestehenden Streitpunkte zu fördern geeignet ist? Sie haben, Herr Bundeskanzler, erklärt, daß die kontrollierte allgemeine Abrüstung sowohl auf dem Gebiet der nuklearen wie der konventionellen Waffen das einzig wahre Mittel für die. Erhaltung des Weltfriedens sei. Wir folgen Ihnen in dieser Auffassung. Angesichts aber der offensichtlichen Tatsache, daß diese allgemeine Abrüstung nicht über Nacht in vollem Umfang auf der ganzen Welt verwirklicht werden kann, sondern sich sicherlich nur in einem längeren Zeitraum in Etappen dergestalt verwirklichen läßt, daß eine gleichmäßige progressive Verminderung des Rüstungspotentials bei allen Beteiligten eintritt, wird ernsthaft nicht bestritten werden können, daß irgendwo ein Anfang mit einer Teillösung gemacht werden muß. ({7}) Der Herr Bundesverteidigungsminister hat nun hierzu erklärt, daß die erste Phase einer Abrüstung nur erfolgen könne und dürfe, wenn bereits verbindliche Absprachen und Garantien über die darauf folgende zweite und dritte Phase getroffen seien. Das klingt dialektisch beim ersten Anhören ganz schön. Praktisch bedeutet dies jedoch, daß mit der Abrüstung erst begonnen wird, wenn über den Gesamtplan der Abrüstung in seinen mehreren Phasen volle Einigkeit erzielt ist. Welche Schwierigkeiten mit der Aufstellung eines Gesamtplans verbunden sind, hat uns jedoch die Erfahrung mit den Londoner Abrüstungsverhandlungen gelehrt. Viel realistischer scheint mir gegenüber dieser Phasentheorie des Herrn Bundesverteidigungsministers die These, idaß jede Teillösung so ausgewogen sein muß, daß sie als solche keine Schwächung des einen Teils gegenüber dem anderen, also insbesondere keine Schwächung des Westens gegenüber der Sowjetunion 'darstellt ({8}) - ich komme dazu: deshalb doch Rapacki-Plan, Herr Bundesminister, ich komme gleich darauf zurück -, mit andern Worten, daß die gegenseitigen Konzessionen sich die Waage halten müssen. Hierbei darf bei aller Bedeutung - und ich bitte Sie, Herr Bundesverteidigungsminister, sich diesen Satz anzuhören - rein militärischer Gegebenheiten nicht übersehen werden, daß strategisch-militärische und politische Fragen so ineinander verwoben sind, daß nur auf Grund einer Gesamtwürdigung die Frage entschieden werden kann, ob insgesamt bei einer Teillösung wirklich eine Schwächung der einen Seite gegenüber der andern eintritt oder ob nicht doch insgesamt die wechselseitigen Konzessionen sich die Waage halten. ({9}) - Ich freue mich, daß Sie sie teilen. Unter diesem Aspekt müssen eben meines Erachtens nun die Pläne, die sich mit der sogenannten militärisch entschärften Zone, mit der atomwaffenfreien Zone beschäftigen, sehr sorgfältig geprüft werden. Bei dieser Prüfung darf als wesentlich die psychologisch kapitale Bedeutung eines Tendenzumschwungs, eines befreienden Richtungswechsels nicht außer acht gelassen werden. Jeder weiß - auch Sie, Herr Bundesverteidigungsminister -, daß es besser ist, wenn Truppen voneinander nach entgegengesetzten Richtungen wegmarschieren, als wenn sie aufeinander zumarschieren oder sich auf Flintenschußweite gegenüberliegen. ({10}) Aller Anfang ist nun einmal schwer. Der erste Schritt in eine neue Richtung - das lehrt die Lebenserfahrung - ist schwerer als der zweite und dritte. Im Augenblick befinden wir uns in einem Rüstungswettlauf unter den Mächten. Jede Verstärkung der Positionen der einen Seite führt zu intensiven Anstrengungen der anderen Seite, diese Verstärkung wettzumachen. Der Bundesverteidigungsminister wird - ich bin davon überzeugt, daß er bei der Schwere ,der auf ihm lastenden Verantwortung auf intellektuelle Redlichkeit Wert legt und sich keiner Selbsttäuschung hingeben will - nicht bestreiten, daß mit überaus großer Wahrscheinlichkeit, wenn nicht mit Sicherheit die nukleare Bewaffnung der Bundeswehr die nukleare Bewaffnung ,der Armeen der sowjetisch besetzten Zone und der osteuropäischen Satelliten nach sich ziehen wird bzw. daß den nuklear bewaffneten amerikanischen Divisionen in der Bundesrepublik schon jetzt nuklear bewaffnete Sowjetdivisionen in der sowjetisch besetzten Zone und ,den Ostblockstaaten gegenüberstehen. Die Verstärkung der Abschreckungsmöglichkeit des Westens, die sich der Herr Bundesverteidigungsminister von der nuklearen Bewaffnung der Bundeswehr und der Beibehaltung nuklear bewaffneter amerikanischer Divisionen verspricht, wird ausgeglichen werden durch eine Verstärkung der nuklearen Bedrohung aus dem Osten. Ich frage Sie, Herr Bundeskanzler, Herr Bundesverteidigungsminister und nicht zuletzt Sie, Herr Bundesaußenminister, dessen Aufgabe sicherlich durch die in dieser Debatte gefallenen Äußerungen, wonach der Kreml keinerlei moralischen oder anderen menschlichen Erwägungen zugänglich sei, nicht leichter geworden ist, ({11}) ich frage Sie, meine Herren: Ist das wirklich vernünftig? Ich frage Sie: Ist es vernünftig und zu verantworten, wo Sie doch bei einem Zustandekommen einer weltweiten kontrollierten Abrüstung erklärterweise bereit sind, auf die nukleare Aufrüstung der Bundeswehr zu verzichten, diese nukleare Aufrüstung jetzt und heute zu beschließen, obwohl Ihnen in den letzten russischen Noten das Angebot der Schaffung einer die sowjetisch besetzte Zone, Polen und die Tschechoslowakei umfassenden und vielleicht noch zu erweiternden atomwaffenfreien Zone und das Angebot einer wechselseitigen Truppenverringerung und eines etappenweisen Rückzugs der russischen und amerikanischen Truppen vorliegt? Ist es nicht zumindest besser, zu sagen: Wir stellen den Beschluß über die atomare Rüstung der Bundeswehr bis zur Gipfelkonferenz zurück, als zu sagen: Wir fassen ihn jetzt, sind aber bereit, ihn nach einem positven Ergebnis der Gipfelkonferenz wieder aufzuheben? ({12}) Spielt hier nicht, Herr Bundesverteidigungsminister, doch die Art der Fragestellung: „Ist das Glas halbvoll oder halbleer?" eine entscheidende psychologische Rolle? Wollen Sie in dieser schweren Zeit jetzt und heute das deutsche Volk in eine moralische Zerreißprobe stürzen? Wenn wir Sie schon nicht überzeugen können, daß die Bestückung der Bundesrepublik mit nuklearen Waffen an sich militärisch Unsinn ist, da, wenn es trotz aller Abschreckung wider alles Erwarten doch zu einem Kriege kommen sollte, nach aller Erfahrung das erste Bestreben das Gegners sein wird, durch einen atomaren Überraschungsschlag die atomare Gegenwirkung zu vermeiden - Herr Minister Strauß, dabei haben Sie allerdings Ihre Beweisführung überdreht; Sie haben gemeint, durch einen atomaren Überraschungsschlag könne sogar der amerikanische Gegenanschlag unmöglich gemacht werden -, ich sage, wenn wir Sie schon nicht davon überzeugen können, dann beschwöre ich Sie: Stellen Sie doch um der Einheit der Nation willen diesen Beschluß zurück! Sie sagen ja selbst, es dauere eineinhalb Jahre, bis Sie die Teufelsdinger kriegen. Stellen Sie diesen Beschluß zurück, konzentrieren Sie Ihre ganze Intelligenz und Energie auf die Überlegung, wie mit einer vernünftigen, abgewogenen Teilabrüstung doch ein guter Anfang in der richtigen Richtung gemacht werden kann. Diesen Appell richte ich nicht nur an die Bundesregierung, ich richte ihn an alle unsere westlichen Verbündeten, in erster Linie an die Vereinigten Staaten von Amerika. Überlegen Sie wirklich noch einmal und beraten Sie sich noch einmal, Herr Bundeskanzler, Herr Bundesaußenminister, mit Ihren westlichen Verbündeten darüber, ob die Politik der nuklearen Aufrüstung anderer Nationen als derer, die jetzt bereits im Besitz der Atomwaffen sind, richtig und vernünftig ist. Bemühen Sie sich viel mehr initiativ darum, daß eine Konvention zwischen allen Staaten geschlossen wird, die heute noch keine Atomwaffen haben, damit auf diese Teufelsdinger verzichtet wird. ({13}) Aber lassen Sie mich in diesem Zusammenhang noch eines sagen. Kommen Sie nicht mit dem Argument - es ist hier und da angeklungen -, die Freien Demokraten oder ein großer Teil des deutschen Volkes seien der sowjetischen Propaganda erlegen oder seien dem Osten gegenüber knieweich geworden. Das deutsche Volk ist nie feige gewesen, und seine Geschichte zeigt, daß es sich nicht von anderen die Kastanien aus dem Feuer hat holen lassen. Wir wollen unseren Teil zur Verteidigung des Westens beitragen und wollen uns an Opferbereitschaft von unseren Verbündeten nicht übertreffen lassen. Aber ebensowenig wie das amerikanische, das englische, das französiche und das russische Volk braucht das deutsche Volk zur Bestätigung seines Selbstbewußtseins neuen militärischen Ruhm. Wir möchten, daß die Welt begreift, daß uns für die Verteidigung der Freiheit kein Opfer zu groß ist, daß aber die Freiheit wahrhaft nur im Frieden gedeiht und in Krieg und atomarer Zerstörung auf der ganzen Welt verlorengehen kann. ({14}) Daher rufe ich mit aller Eindringlichkeit der Bundesregierung und ihrem Chef zu: Fassen Sie keine voreiligen Rüstungsbeschlüsse! Suchen Sie mit allen Kräften Ihres Herzens und Ihrer Intelligenz nach vernünftigen und friedlichen Lösungen! Greifen Sie jeden möglichen Versuch auf! Verhandeln Sie mit Geduld und unermüdlicher Zähigkeit! Sorgen Sie dafür, Herr Bundeskanzler, daß die ganze Welt erkennt und anerkennt: Die Deutschen haben sich redlich bemüht, neuem Unheil vorzubeugen! ({15})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat Frau Abgeordnete Herklotz.

Luise Herklotz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000881, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Verlauf der Debatte hat es mit sich gebracht, daß viele von uns eine Fülle von Briefen und Telegrammen erreichen, in denen verlangt wird, daß wir uns der atomaren Aufrüstung in Deutschland mit allen uns zu Gebote stehenden Mitteln widersetzen. Ich sage bewußt „in Deutschland", weil, wenn wir es in der Bundesrepublik verhindern, auch die Bevölkerung in der Ostzone davon verschont bleibt. ({0}) Wir sind es gewohnt, Briefe, Telegramme und Denkschriften zu bekommen, in denen .wir auf die Sorgen einzelner Interessenverbände aufmerksam gemacht werden. Hier geht es aber um ein einziges Interesse, um das ganze deutsche Volk. Gerade Frauen dürfen in dieser Situation nicht schweigen. „Wer schweigt, stimmt zu" heißt es in einem Aufruf unserer verehrten Alterspräsidentin Frau Dr. Lüders. Uns Frauen im Bundestag sind schon seit langem die Mahnrufe aus allen Frauenverbänden, von Kriegsopferorganisationen, karitativen, wissenschaftlichen und Lehrervereinigungen zugegangen, in denen wir beschworen werden, der Stimme der Vernunft im allgemeinen Wettrüsten Raum zu geben. Leider war die Stimme der Bundesregierung nicht laut genug zu hören, als von vielen Seiten die Einstellung der Wasserstoffbombenversuche in aller Welt gefordert wurde. Wir haben oft genug und gerade heute wieder in erschütternder Weise gehört, wie schrecklich die Folgen auf uns zukommen. Die weiblichen Abgeordneten der SPD und FDP haben auf Umdruck 46 einen Antrag vorgelegt. Wir fordern die Einstellung der Versuchsexplosionen als ersten Schritt im Rahmen der großen Abrüstungsprobleme, gedacht zur Beseitigung der akuten Gefahr, die durch die Versuchsexplosionen hervorgerufen ist. Er kann nur eine Sofortmaßnahme und eine Sofort-Initiative sein. Die Kolleginnen der CDU konnten sich nicht bereit finden, diesen Antrag mit zu unterschreiben. ({1}) Wir hoffen aber, daß sie ihm noch ihre Zustimmung geben werden. Einer Entscheidung der westdeutschen Bevölkerung ist das Ergebnis der Meinungsbefragungen gleichzusetzen. Hier spricht sich der überwiegende Teil unserer Bevölkerung gegen die Atomrüstungspläne, gegen die Lagerung von Atombomben auf dem Boden der Bundesrepublik, gegen Raketenbasen und gegen die Fortführung der Versuchsexplosionen aus. Wissen Sie, welche Summe von Furcht und Angst, von Atomangst, dahinter verborgen ist? ({2}) Ein Krieg mit den atomaren Massenvernichtungsmitteln wäre der sichere Untergang, das einzig Sichere, das er uns bietet. Er erfaßt nicht nur Frauen, Kinder, Alte, Verwundete, er greift über auf ganze Landstriche mit Mensch, Tier und Pflanze bis hinein in Erde und Wasser, ja, er reicht tötend und zerstörend aus der Gegenwart weit hinüber in die Zukunft. Das fieberhafte Wettrennen nach dem sicheren Tod für Millionen in Ost und West ist das erschreckendste Schauspiel der Menschheit. Für uns, die wir einer Generation angehören, die Not und Tod und große Worte, alles so eng beieinander, zerstört haben, geht noch einmal das Tor in eine makabre Zukunft auf, die hoffentlich noch nicht begonnen hat. Unsere Kinder sind es, die wir dieser Zukunft anvertrauen. Das ist die Verantwortung, aus der keiner von uns entlassen wird. Auch aus dieser Verantwortung wird niemand entlassen werden können, daß durch die Entscheidung, die hier getroffen wird, Menschen aufs neue in ernste Gewissensnot gestürzt werden; denn Deutsche stehen sich auf beiden Seiten gegenüber. Sie, meine sehr verehrten Kolleginnen von der CDU, können hier in demokratischer Freiheit Ihre Entscheidung treffen. Wenn Sie aber für die Atomwaffen gestimmt haben, wird die Atomaufrüstung in der Zone folgen. Die Frauen und Mütter dort werden nicht gefragt. Sie hier allein entscheiden gleichzeitig über das Schicksal der Menschen in ganz Deutschland. ({3}) - Nein, das erlaubt die Beschränkung der Redezeit nicht. Mir erscheint es schon schrecklich genug, daß die beiden Weltmächte über diese Waffe verfügen. Ich sehe nicht ein, warum wir Deutschen dieses Teufelswerk auch noch in die eigenen Hände nehmen sollen. ({4}) Gerade wir sollten mit aller Kraft darauf hinwirken, daß die Mächtigen dieser Erde die Wege der Entspannung gehen mit dem Ziel der Achtung der Atombombe und der Ächtung des Krieges. Wir haben in den letzten 50 Jahren der Welt nicht immer ein gutes Beispiel gegeben. Lassen Sie uns diesmal einen Anfang machen, den entscheidenden Anstoß zu einer Entspannung geben! Unsere Stimme muß in dieser Frage lauter und deutlicher erklingen. ({5}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich appelliere an Ihre politische Vernunft, an Ihr Gewissen und an Ihr Menschenherz. Die Uhr der Zeit und die Uhr des Lebens tickt heute in Geigerzählern, in Ost und West, da haben Sie recht. Denken Sie daran, daß es keine lange Zeitspanne und kein weiter Weg war von Alomo-Gordo nach Hiroshima, von der Entwicklung bis zum Abwurf der Atombombe. Vergessen Sie bei Ihrer Entscheidung nicht die Menschen von Hiroshima und Nagasaki, die vom Unheil getroffen wurden, als einen Herzschlag lang die Zeit stillstand! Lassen Sie uns aus dem Atomwettrüsten heraus! Dann haben wir nicht nur die Chance zum Überleben, sondern zum Leben. ({6}) Zum Schluß ein kleines Beispiel, wie sehr die Frage, die wir hier in diesen Tagen behandeln, die Menschen draußen bewegt. An die SPD-Bundestagsfraktion ist ein Feinschreiben gekommen. Ein schwerkranker Patient in einer Tübinger Universitätsklinik, der die Bundestagsdebatte mit angehört hat, überweist 50 DM zum Bau des ersten Atomkrankenhauses in der Bundesrepublik. Er will, daß nicht nur an die atomare Aufrüstung, sondern auch an ihre künftigen Opfer gedacht wird. Der Spender wünscht, daß der Betrag mit einer entsprechenden Erklärung dem Herrn Bundeskanzler persönlich überreicht wird. Das Geld wird zur Stunde telegraphisch ab Tübingen überwiesen. Ich werde mir erlauben, vorerst die Mitteilung dem Herrn Bundeskanzler auf den Tisch zu legen. ({7})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat die Frau Abgeordnete Dr. Rehling.

Dr. Luise Rehling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001796, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe nicht die Absicht, in dieser sich ihrem Ende zuneigenden Debatte noch irgendwelche neuen Argumente hinzuzufügen. Aber ich habe doch die Meinung, daß - wie es ja auch wohl das Anliegen der Frau Kollegin Herklotz war - den deutschen Frauen und Müttern noch ein Wort gesagt werden muß. Ich habe mich während dieser oft sehr erregten Aussprache immer wieder gefragt, welches wohl die Empfindungen der deutschen Frauen und Mütter sein mögen, die am Rundfunk unserer Diskussion zugehört haben, in der eine Reihe von Rednern der Opposition unter völliger Entstellung der wahren Absichten der Bundesregierung und der sie tragenden Parteien den Eindruck zu erwecken versuchten, als führe unsere Politik auf geradem Wege in den Krieg und in die Weltkatastrophe. Ich kann mir gut vorstellen, daß diese Frauen, in denen die Erinnerung an die Schrecken des totalen Krieges und an all das, was er an Familienglück zerstört und unserer Jugend an Schädigungen zugefügt hat, noch sehr lebendig ist, auf das tiefste beunruhigt sind, wenn ihnen das Gespenst eines dritten Weltkrieges, in dem unter Umständen Waffen eingesetzt werden könnten, deren Zerstörungskraft alles bisher Dagewesene weit übersteigt, so nachdrücklich an die Wand gemalt wird, wie das hier mehrfach geschehen ist. Wir haben gerade vor kurzem noch sehr eindrucksvolle Beispiele für diese Methode gehabt. Ich möchte von dieser Stelle aus den deutschen Frauen und auch den Frauenverbänden, die in den letzten Monaten und Wochen ihrer Beunruhigung in einer Reihe von Entschließungen Ausdruck verliehen haben, versichern - und ich darf das im Namen aller Kolleginnen und Kollegen der Regierungskoalition tun -, daß wir für ihren Abscheu vor diesen Waffen volles Verständnis haben. ({0}) Wir teilen ihn, und ich kann nur sagen, wir würden sehr viele schlaflose Stunden weniger gehabt haben und noch haben, wenn Wissenschaft und Technik uns diese Erfindung nicht beschert hätten. ({1}) Wir denken auch gar nicht daran, die Gefahren zu verkleinern oder zu verharmlosen, die mit Atombombenversuchen verbunden sind. In diesem Anliegen fühlen wir uns völlig einig mit unseren Kolleginnen von der SPD, auch wir wünschen eine Einstellung dieser Atombombenversuche. Nur möchten wir gern diesen Antrag der SPD und der FDP-Fraktion, der in erster Linie von den Frauen beider Fraktionen unterschrieben ist, überprüfen im Zusammenhang mit den Fragen um die Einstellung der weiteren Produktion von Atomwaffen und den übrigen Anliegen, die wir in unserer Entschließung schon zum Ausdruck gebracht haben. Deswegen werden wir die Überweisung dieses Antrages an den Verteidigungsausschuß zur weiteren Beratung und Prüfung beantragen. Wir machen uns auch keine Illusionen darüber, wie sich ein Atomkrieg auswirken würde. Daher haben ja alle, aber auch alle unsere Überlegungen doch nur das eine Ziel, ihn zu verhindern. ({2}) Nehmen Sie das doch bitte endlich einmal zur Kenntnis! Wir Frauen, die wir unser Mandat in diesem Hause vom Anbeginn unserer Arbeit im außenpolitischen Bereich dahin verstanden haben, daß unser vornehmstes Anliegen die Erhaltung des Friedens in der Welt sein muß, verwahren uns auf das entschiedenste dagegen, daß man uns unterstellt, eine Politik zu unterstützen, die auf den Krieg hinarbeitet. Das Ziel unserer Bemühungen ist der Friede und nicht der Krieg. ({3}) Wenn jemand anders urteilt, so können wir ihn leider nicht daran hindern; aber besonders unter Christen hat man nicht das Recht, den Willen des anderen zum Frieden und seine subjektive Ehrlichkeit in Zweifel zu ziehen. ({4}) Fs kann doch im Ernst niemand geben, der daran zweifelt, daß die der Regierungskoalition angehö1134 renden Männer und Frauen mit allergrößter Gewissenhaftigkeit und unter genauester Prüfung aller Tatbestände ihre Entscheidungen treffen, wenn es darum geht, ihren Kindern und der gesamten deutschen Jugend den Weg in eine friedliche Zukunft zu bahnen. ({5}) Wir denken nicht daran, uns überheblich über die vorgebrachten Einwände hinwegzusetzen. Wir meinen allerdings auch, daß man eine so ernste Situation nicht dadurch bewältigen kann, daß man die um die Sicherung ihrer Existenz besorgten Menschen in Angst und Schrecken versetzt. ({6}) Das sind nach unserer Meinung schlechte Ratgeber, wenn es gilt, Gefahren zu überwinden. Angst macht kopflos, und Kopflosigkeit ist das, was man in einer solchen Lage am allerwenigsten gebrauchen kann. ({7}) Uns kann nur klare und nüchterne Überlegung helfen. Mir scheint, man kann gar nicht oft genug darauf hinweisen, daß unsere ganze Politik in den vergangenen Jahren nur das eine Ziel gehabt hat und es auch in Zukunft haben wird, jeden Krieg, nicht nur den Atomkrieg, zu vermeiden. ({8}) Wir verabscheuen nämlich nicht nur die Atombombe, sondern ebensosehr alle Formen der Kriegführung, wie wir sie in unserer Generation so leidvoll erlebt haben. ({9}) Die Vertragswerke, denen wir Frauen der Regierungsparteien unsere Zustimmung gegeben haben, sind ohne jede Einschränkung auf die Erhaltung des Friedens abgestellt, und es ist doch nicht zu leugnen, daß wir durch unsere Zugehörigkeit zu der Nordatlantischen Verteidigungsgemeinschaft der Bundesrepublik und damit den deutschen Frauen und Müttern das Ausmaß von Sicherheit und Frieden und Freiheit gewährleistet haben, dessen wir uns bis zum heutigen Tage erfreuen dürfen und das unsere Brüder und Schwestern in der Sowjetzone überhaupt noch hoffen läßt. ({10}) Frau Kollegin Herklotz, auch wir haben eine ganze Reihe von Zuschriften aus der Zone bekommen, und wir können nur dankbar feststellen, daß, so wie bisher unsere Politik, was Sicherheit und Erhaltung des Friedens anlangt, die Zustimmung des überwältigenden Teils der Sowjetzonenbevölkerung gefunden hat, man auch diesmal Verständnis für unsere Haltung hat. ({11}) Wo wären wir denn, wenn wir den Ratschlägen der Opposition gefolgt wären?! ({12}) Sie haben uns bis heute noch kein System aufweisen können, das den Schutz der Bevölkerung hier so garantiert hätte, wie wir es immerhin zustande gebracht haben. ({13}) Sie klagen uns immer 'der Ideenarmut an. Ich möchte mich hier einer Formulierung bedienen, die meine Kollegin Frau Brauksiepe in einer Debatte im Februar 1952 von dieser Stelle schon einmal gebraucht hat, als sie Ihnen zurief, daß Sie bisher noch nicht einfallsreich genug gewesen seien, eine europäische Wach- und Schließgesellschaft zu erfinden, die bereit wäre, zu unserem Schutz anzutreten, ohne daß wir einen gleichen Beitrag zu unserer Verteidigung leisteten. ({14}) - Nein. ({15}) - Herr Erler, ich habe dabei durchaus nicht gefehlt! Ich bin mir sehr wohl .der Tatsache bewußt, .daß Sie alle unsere Vorschläge abgelehnt haben, und das, was Sie stattdessen angeboten haben, war wirklich nicht zu realisieren. ({16}) Ich gestehe auch offen, daß ich mich moralisch nicht für berechtigt halte, von amerikanischen und englischen Müttern zu verlangen, daß sie größere Opfer für unsere Sicherheit bringen, als wir selbst sie zu bringen bereit sind. ({17}) Ich bin auch nicht wirklichkeitsfremd genug, zu glauben, daß amerikanische Mütter bereit wären, ihre Söhne zu unserem Schutz in der Bundesrepublik zu belassen, wenn sie zu ihrer Verteidigung schlechter ausgerüstet wären als anderswo. Wir können die 'deutschen Frauen und Mütter nicht eindringlich genug davor warnen, sich nicht die klare Sicht vernebeln zu lassen, ({18}) wenn in den kommenden Monaten unter der Parole „Kampf dem Atomtod" eine Aktion durchgeführt wird, deren Ziel es ist, die Entschlußkraft der Regierung zu lähmen. ({19}) Ich hoffe, die deutschen Frauen erkennen, daß Protestaktionen, Entschließungen und Kundgebungen nur dann von Wert sind und zu einem Erfolg führen, wenn sie ein echtes Echo auch jenseits des Eisernen Vorhangs finden. ({20}) Daran hat es noch immer gefehlt, das ist bisher nicht der Fall gewesen, und dann dienen derartige Aktionen, ohne ,daß die Veranstalter es wollen, dazu, Wasser auf die Propagandamühlen der Sowjets zu leiten. ({21}) Man kann eine Fülle von Beispielen aus der Vergangenheit anführen, daß sie immer wieder versucht haben, in die innenpolitische Meinungsbildung anderer Völker einzugreifen und den Nervenkrieg in den Dienst ihrer psychologischen Kriegführung zu stellen. Ich erinnere nur an ihr Verhalten, wenn wir jeweils vor Marksteinen der Entwicklung in der Frage der europäischen Einigung standen. Ich finde es sehr aufschlußreich, ,daß sich im Frühjahr vorigen Jahres der bekannte französische Nobelpreisträger Professor Joliot Curie, der Mitglied des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Frankreichs ist, die Äußerung entschlüpfen ließ, das Zentralkomitee habe aus Moskau genaue Anweisung erhalten, eine Propagandakampagne mit dem Ziel zu eröffnen, in Frankreich eine Atompanik hervorzurufen, um den Euratom-Vertrag zu Fall zu bringen. ({22}) Meine Damen und Herren, es ist leider nicht von der Hand zu weisen, daß auch bei uns auf mannigfache Weise und durch die verschiedensten Kanäle versucht wird, die öffentliche Meinung dahin zu bringen, daß sie einem Zustand der Angst und des Schreckens anheimfällt, statt sich mit Nüchternheit und Klarheit die Situation deutlich zu machen, in der wir stehen. Ich habe nicht mehr die nötige Zeit, um darauf hinzuweisen, wann eigentlich diese Propagandakampagne im vorigen Jahr begonnen hat und wie lange alles absolut stumm war, als im Bereich der Sowjetunion zwölf Atombomben- und H-Bombenexplosionen und Versuche mit ferngelenkten Geschossen durchgeführt wurden. Ich will, um jedes Mißverständnis auszuschließen, sagen, daß ich in gar keiner Weise den Verfassern von Entschließungen und Erklärungen gegen die Ausrüstung der Bundeswehr mit taktischen Atomwaffen und die Lagerung von Atomwaffen im Bundesgebiet unterstelle, daß sie mit der Kommunistischen Partei sympathisierten oder gar selbst Kommunisten seien. Es ist aber nicht von der Hand zu weisen - und sie können sich ,dagegen gar nicht wehren -, daß sie von den kommunistischen Organisationen als willkommene Bundesgenossen betrachtet werden. Daran ändert sich auch nichts, wenn sich etwa die Verfasser solcher Entschließungen, wie z. B. die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Lehrerverbände es ausdrücklich tut, gegen Mißdeutung und Mißbrauch energisch verwahren. Die Sowjets lassen auch gar keinen Zweifel über ihre Auffassung, daß diejenigen, die im Westen die atomare Aufrüstung mit unausweichlichem Atomtod gleichsetzen, im Grunde ihre Geschäfte besorgen. Die Kommentare ,der sowjetzonalen Presse und die Kommentare der Rundfunksprecher geben dafür einen eindeutigen Beweis. ({23}) Ihre Hoffnung auf eine einseitige Abrüstung der freien Völker ohne eigene Gegenleistung wird - das sollte man sich in aller Deutlichkeit klarmachen - durch solche Maßnahmen ganz erheblich gestärkt. Die Lautstärke und die Geschicklichkeit, mit der die sowjetische Propaganda betrieben wird, soll doch die Menschen im Westen dazu bringen, zu übersehen, daß die Abrüstungsbemühungen eine im Gegensatz zu den sowjetischen Propagandavorschlägen wirklich durchgreifende Beseitigung der Atomwaffengefahr erstreben und daß diese Bemühungen bisher an der hartnäckigen Weigerung des Kremls gescheitert sind, den dazu notwendigen Voraussetzungen zuzustimmen. Moskau erwartet, daß die freie Welt ihre Verteidigungsorganisationen, ja, ihren Willen zur Verteidigung aufgibt und sich auf den guten Willen des kommunistischen Machtblocks verläßt. Es kann aber nicht eindringlich genug davor gewarnt werden, sich auf sowjetische Großmut zu verlassen. Diese Vokabel steht nicht im Wörterbuch des Kremls. Wir Frauen in ,der Regierungskoalition sind auch absolut gegen Atomtod und gegen Atomrüstung, und zwar mit aller Entschiedenheit. Aber wir meinen, die einzig wirksame Methode sei dabei die allgemeine, gleichzeitige, kontrollierte Abrüstung. ({24}) Am 15. September 1957 haben gerade die deutschen Frauen dem Bundeskanzler und der CDU/CSU einen überwältigenden Beweis ihres Vertrauens gegeben. ({25}) Wir wissen sehr wohl, daß uns dieser Vertrauensbeweis ein sehr großes Maß von Verantwortung auferlegt. Die deutschen Frauen können sicher sein, daß wir uns dieser Verantwortung immer bewußt sein werden. Wir werden wie bisher unsere ganze Kraft darauf verwenden, ihnen auch in Zukunft ein Leben in Sicherheit, Frieden und Freiheit zu gewährleisten. Es geht nicht allein um die Chance zum Leben, sondern zu einem Leben in Freiheit. ({26})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Professor Schmid.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001993, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mich zum Wort gemeldet auf die Gefahr hin, daß Herr Bundesverteidigungsminister Strauß glaubt, auch ich wolle mich hier für den Parteitag im Mai als Kandidaten für den Parteivorstand der SPD qualifizieren. Das ist nicht der Fall. ({0}) Ich muß die Auguren enttäuschen. ({1}) Dr. Schmid ({2}) Ich werde mich auf dem Parteitag als Kandidaten vorstellen, ja; aber ich glaube, daß meine Parteifreunde mich nicht nur nach dem beurteilen werden, was ich hier gesprochen habe, sondern wie alle anderen von uns nach dem, was wir in den letzten Jahren getan haben! ({3}) Herr Bundesverteidigungsminister, auch auf dem Felde der kleinen Bosheiten, die zu unserem Hausgebrauch gehören, haben Sie uns schon mehr verwöhnt als heute. ({4}) Sie haben schon bessere angebracht, wesentlich bessere. Immerhin, von einem Alumnen des Maximilianeums kann man das erwarten. Ich habe das Wort erbeten, weil ich glaube, daß einige Bemerkungen, die heute gemacht worden sind, es wert sind, daß auf sie eingegangen wird. Es ist in bewegten Worten davon gesprochen worden, wie sehr die ganze bisherige Politik der Bundesregierung eine Friedenspolitik gewesen sei und wie jeder Akt, der in Verfolgung dieser Politik gesetzt worden ist, dazu gesetzt worden sei, um damit dem Frieden zu dienen. Das bezweifle ich nicht. Die Frage ist, ob diese Dinge wirklich dem Frieden gedient haben beziehungsweise die Voraussetzungen für den Bestand des Friedens und die Wiedervereinigung vermehrt oder vermindert haben. Es wurde unter anderem der Beitritt der Bundesrepublik zum Europarat erwähnt. Man hat uns vorgeworfen, wir hätten dagegen gestimmt, ein bißchen mit dem Unterton: weil wir eben Nationalisten und böse Feinde Europas seien. ({5}) - Herr Kiesinger, Sie sind ein kluger Mann und voll Besonnenheit, wie es in der Ballade Conrad Ferdinand Meyers heißt. Wir haben davor gewarnt, nach Straßburg zu gehen, weil wir in diesem Schritt den Ausdruck einer Politik sahen, die uns durch das Vorzimmer des Europarates in die Waffenkammer der NATO führen mußte! ({6}) Wir hielten das für einen verhängnisvollen Schritt. Entscheidend sind nämlich nicht allein die Absichten, die man mit etwas verbindet, sondern entscheidend ist, welche Ursachenreihen man mit dem auslöst, was man tut. ({7}) Und da gilt eben das Wort Mephistos, der auch ein kluger Mann war: „Beim ersten sind wir frei, beim zweiten sind wir Knechte". So geschieht auch jetzt manches, das uns veranlassen sollte, dieses Wort zu bedenken: Reden wir nicht so viel von den Absichten, die uns bewegen, reden wir mehr von der Wahrscheinlichkeit der Folgen unseres Tuns. Sie sagen: Die Wahrscheinlichkeit der Folgen unseres Tuns wird sein: Vermehrung unserer Sicherheit. Wir sagen: Nein, eine Verminderung unserer Sicherheit. Sie sagen: Eine Erhöhung der Garantie, daß unser Volk, daß unser Land erhalten bleibt. Wir sagen: Nein, die Wahrscheinlichkeit ist größer, daß Ihre Schritte dies alles gefährden. Sie sagen: Diese Schritte führen mit Wahrscheinlichkeit zur Wiedervereinigung. Wir sagen: Diese Schritte führen mit Sicherheit von der Wiedervereinigung weg. Darum geht das Gespräch. Lassen wir die Absichten beiseite, so wichtig sie auch sein mögen. Ich möchte auch Herrn Dr. Martin antworten. Seine Ausführungen haben mich sehr beeindruckt, vor allem, als er davon sprach, es gebe nicht nur die physische Vernichtung des Menschen, es gebe auch die Vernichtung seiner geistigen Personalität. Das ist richtig, und das ist vielleicht sogar der schlimmste Tod, den es geben kann. Aber sind wir denn sicher, daß Sie auf dem Weg, den Sie gehen wollen, nicht auch die geistige Personalität des Menschen gefährden, immer weiter gefährden, bis sie schließlich vernichtet ist, dann nämlich, wenn wir uns drein ergeben haben, eine Welt zu akzeptieren, die uns zu Objekten seelenloser Mechanismen macht? ({8}) Dieser ganze Wettlauf in der Atomrüstung kommt doch darauf hinaus, uns zu Objekten solcher seelenloser Mechanismen zu machen, unsere moralische Widerstandskraft so zu korrumpieren, daß wir uns damit abfinden. So stirbt die geistige Persönlichkeit auch. ({9}) Sicher, Herr Dr. Martin, hat die Obrigkeit die Aufgabe, Frieden und Recht - und beim Recht sage ich auch: Freiheit - zu bewahren, zu erhalten und dafür das Nötige zu tun. Das alte Wort „pax et justitia", „Friede und Recht", wie Walther von der Vogelweide sagt, gilt und wird gelten, solange es einen Staat gibt, der wirklich Staat sein will und nicht nur ein Haufen, der mit irgend welchen Machtmitteln eingerichtet und organisiert ist. Die Frage ist nur, ob es nicht hier auch eine Grenze gibt, wo Quantität in böse Qualität umschlägt; wo man nicht mehr sagen kann: Diese Zwecke rechtfertigen die Mittel, sondern wo man die Frage stellen muß: Können diese Mittel noch den besten Zweck rechtfertigen? ({10}) Hier stellt sich in der Tat eine Gewissensfrage. Ich sage Ihnen frei, daß es sehr schwer sein wird, sich da zu entscheiden, und es wird uns nicht abgenommen werden, uns zu entscheiden. Keiner von uns wird später unter Hinweis auf seine Absichten sagen können: „Das habe ich nicht gewollt", - wie jener Kaiser im Jahre 1914 gesagt hat, Herr Bundesverteidigungsminister. ({11}) Dr. Schmid ({12}) Ich werfe die Frage auf, um Ihnen zu zeigen, wie schwer es mir selber wird, mich in diesen Dingen zurechtzufinden. Aber ich glaube, wir sollten nicht, wie es hier zu oft geschehen ist, den Versuch machen, auf unsere guten Absichten abzuheben. Wir sollten es uns schwerer machen mit der Bewertung, mit der Beurteilung der Glieder der Ursachenreihen, die wir jetzt in Gang setzen - ob wir nun dieses tun oder ein anderes tun. Es ist auch viel damit operiert worden, wir könnten doch nicht verlangen, daß andere für uns etwas tun, das wir für uns zu tun nicht bereit seien. Auch das vereinfacht das Problem. Ohne irgend jemandem nahetreten zu wollen, erlaube ich mir doch zu sagen: was die anderen tun, das tun sie doch in erster Linie für sich, ({13}) und sie haben recht, so zu handeln, denn sie sind verantwortlich für ihre Völker und für das Wohl ihrer Völker. ({14}) Es kommt auch uns zugute. ({15}) Aber die Frage ist, ob sich schon daraus der Schluß ergibt, daß wir das gleiche tun müßten wie sie, ob sich nicht aus der besonderen Lage Deutschlands als eines gespaltenen Volkes nicht ein elementares Recht ergibt, etwas anderes zu tun als sie! ({16}) Auch darauf sollte man vielleicht eine Antwort geben, die nicht nur auf Gefühle, auf Absichten abhebt! Es ist gesagt worden - und mit Recht -: Wir haben auf Gewaltpolitik verzichtet. Glauben Sie mir, niemand von uns ist der Meinung, daß Sie einen Krieg machen wollen. ({17}) Wenn hier gesagt worden ist, Sie bereiten einen Atomkrieg vor, so wollte man nicht damit sagen: Sie wollten ihn, sondern man wollte sagen: Was Sie tun, hat einen Sinn nur, wenn Sie daran glauben, daß ein Atomkrieg geführt werden muß. ({18}) - Nein, ich habe den Satz auch gehört, wenn auch nicht hier, so doch am Lautsprecher. Sie sagen: Daß wir machtpolitisch ungefährlich geworden sind - objektiv, nicht nur von der Absicht her -, das ergibt sich doch schon daraus, daß wir in die NATO eingetreten sind; wir können da ja gar nicht mehr so, wie wir wollten, selbst wenn wir noch böse wären, was wir nicht mehr sind! Auch das ist einfach. Indem man in eine Koalition - auch eine Verteidigungskoalition - eintritt, verzichtet man doch auf Gewalt nur seinen Koalitionspartnern gegenüber. Aber es könnte doch sein, daß die Föderation als solche Dritten gegenüber virulenter werden könnte als die Summe der einzelnen Souveränitäten. Auch das muß man bedenken, insbesondere wenn man sich über die Ursachen von Befürchtungen eines anderen - drüben im Osten - klar werden will. Das muß man aber, wenn man Politik machen will! Ich meine das ohne jede Sentimentalität und außerhalb des rein Psychologischen, einfach als Erfordernis des politischen Kalküls. Wenn man will, was auch Ihnen am Herzen liegt - ich glaube das -, muß man mehr tun. Dann muß man auch diesem Dritten gegenüber einiges ins Werk setzen, das vom Institutionellen her die Anwendung von Gewalt unwahrscheinlich macht oder gar erschwert. ({19}) Der Kernpunkt alles dessen, worüber wir sprechen, ist doch die Einplanung der Bundesrepublik in die zur Füllung des 1945 in Mitteleuropa geschaffenen Vakuums gewollte Strategie. Man hat das in Potsdam von seiten der Westmächte nicht um Deutschlands willen geändert. Ich mache ihnen keinen Vorwurf. Wir haben ja in den letzten Jahren vor 1945 nicht besonders viel Wohlwollen verdient. Sie haben das gemacht - und das ist gut so, es kam auch uns zugute -, weil es ihr Interesse war. Sie sahen, daß sie dieses Vakuum nicht selber allein füllen konnten. Also kamen sie und sagten den Deutschen: Helft ihr uns, dieses Vakuum für uns und für euch mit zu füllen, auch wenn das - das wurde nicht gesagt, aber das war zwischen den Zeilen zu lesen - die Wiedervereinigung ausschließen oder wenigstens erschweren sollte. Ich werde das Wort nie vergessen, das auch Sie, Herr Kiesinger, in Straßburg einmal hören mußten: „Lieber das halbe Deutschland ganz als das ganze Deutschland halb!" ({20}) Das hat nur einer ausgesprochen, aber ich glaube, viele haben es gedacht. In dieser Situation wäre es die Aufgabe gewesen, sich seines Ortes im Koordinatensystem der Weltpolitik bewußt zu werden, das heißt: nicht ein Faktor der Weltstrategie werden zu wollen. Das können wir nicht, und wir sollten es gar nicht wollen. Aber wir tun manchmal so, als müßten wir es werden. Wir können es aber nicht. Was wir gekonnt hätten, wäre gewesen, Zug um Zug den Rüstungen drüben in der sowjetisch besetzten Zone in gleichwertiger Weise mit eigenen Rüstungen zu begegnen. Das war eine Möglichkeit, und das war sinnvoll. ({21}) - Nein, Sie wollen mehr, Sie wollen ein Faktor der Weltstrategie werden. Mißverstehen Sie mich nicht, Herr Friedensburg. Ich sage nicht, daß Sie es allein sein wollen; aber Sie wollen in die Weltstrategie eingeplant sein, und damit sind wir eben für die Leute im Osten, auf deren Ja wir eines Tages angewiesen sein werden, wenn wir wieder zusammenkommen wollen, ein Stück des Blockes, den Sie für eine Gefahr für sich halten. Ob das objektiv richtig ist oder nicht, ist nicht so wichtig als der Dr. Schmid ({22}) Umstand, daß wir Anlaß zu diesem Glauben geben. Wir hätten uns damit begnügen sollen, dem Westen zu überlassen, die Schutzvorkehrungen, die er für nötig ansah, von sich aus, nach seinen Möglichkeiten zu treffen. Ich möchte von dieser Tribüne aus unsere amerikanischen, französischen, britischen und anderen Freunde - ich betone: Freunde - bitten, sich zu überlegen, in welchen schrecklichen moralischen Zwiespalt sie ein geteiltes Volk bringen, wenn Brüder gegen Brüder einander mit den schrecklichsten Waffen gegenüber stehen müssen, die es auf dieser Welt gibt! ({23}) Daß Sie das nicht als schrecklichen Zwiespalt empfinden, finde ich betrüblich. Vielleicht muß es Ihrer Meinung nach sein. Aber wer das nicht als etwas Schreckliches empfindet, etwas Schrecklicheres, als man sich sonst vorstellen kann, der sollte nicht mehr von Vaterland sprechen! ({24}) Nun sind die Dinge aber so, wie sie sind; man muß auf ihnen aufbauen. Sie haben sie geschaffen, wir finden sie vor. Wir können nicht so tun, als seien sie nicht. Wir sind nicht so töricht, zu glauben, es genüge, zu sagen: es gefällt uns nicht, also ist es anders. Nein, es ist so, wie es ist. Wir haben uns genügend darüber ausgesprochen, daß für uns die Erhaltung des Friedens und die Wiedervereinigung die beiden großen Ziele sind und ihnen gegenüber alles andere zweitrangig wird. Sie wissen, daß ich der Meinung bin, daß die atomare Ausrüstung der Bundesrepublik die Wiedervereinigung ausschließt, ohne daß diese atomare Bewaffnung der Bundesrepublik das Verhandlungspotential der NATO stärken würde. ({25}) Wenn man den Frieden will, dann muß man alles tun, was zur Abrüstung führen kann, wobei wir wissen müssen, daß das Endziel, die allgemeine kontrollierte Abrüstung aller, noch ein Fernziel ist. Aber weil man dieses Fernziel heute noch nicht erreichen kann, sollte man nicht darauf verzichten, Schritte zu unternehmen, die darauf hinführen können, ({26}) d. h. es mit einer partiellen Abrüstung bestimmter Waffengattungen - z. B. atomarer Waffen zunächst - für ein regional beschränktes Gebiet zu versuchen. ({27}) Deswegen scheint mir der Rapacki-Plan eine so gute Sache zu sein. Wenn man über diesen Plan verhandeln würde, müßten diese Verhandlungen notwendig weiterführen; das liegt in der Logik eines solchen Planes. Abgesehen davon wäre die Verwirklichung des Planes auch für sich allein ein Wert an sich. Denn wenn man auch mit Atomraketen in ein atomfreies Gebiet hineinschießen kann, so ist es doch schon ein Vorteil, wenn man Vorkehrungen schafft, die einen Panzerüberfall auf unser Gebiet unmöglich machen! ({28}) Man sollte auf diesen Dingen aufbauen, und man könnte darauf aufbauen. Ich habe schon in meiner ersten Rede einige Ausführungen darüber gemacht. Ich will in Stichworten wiederholen, was man machen sollte: Abbau der strategischen Hypotheken, Ausräumung der politischen Rückstände, Verhandlungen über ein Sicherheitsschema zunächst, dann Verhandlungen über den politischen und militärischen Status Deutschlands, dann über Modalitäten des Friedensvertrages - Modalitäten! -, dann freie Wahlen. ({29}) - Ja, nicht weil ich das wünschte, nicht weil mir das lieb wäre, sondern weil wir sie vorher nicht kriegen werden, weil wir diese freien Wahlen nicht kriegen werden, solange nicht für beide Seiten feststeht, was aus einem wiedervereinigten Deutschland - seiner Bewegungsfreiheit - werden könnte! ({30}) Meinen Sie, es gefiele mir, daß es so ist? Aber ich bin nicht töricht genug, an der Situation vorbeizublicken. Ich glaube, Herr Kiesinger, in diesem Punkte stimmen wir überein. Man hat mir vorgeworfen, daß ich durch die Worte von De-facto-Institutionen, die geschaffen werden müßten, die deutsche Position aufgeweicht hätte. Meine Damen und Herren, ich glaube es nicht. Wir sind schon durch manche De-facto-Situation gegangen! Ich denke dabei etwa an den Verfassungskonvent von Herrenchiemsee. Das war auch eine De-facto-Geschäftsführung. ({31}) Wir haben mitgetan, obwohl einige Mitglieder des Konvents von ihren Regierungen den Auftrag hatten, die Existenz, die Weiterexistenz eines deutschen Staates abzulehnen, Herr Kollege Strauß. ({32}) - Nein, aber Ihre Regierung.. ({33}) Trotzdem haben wir eine ganz ordentliche Vorlage für den Parlamentarischen Rat zuwege gebracht, auf Grund deren dann diese demokratisch legitimierte Körperschaft einen Beschluß über ein Grundgesetz fassen konnte. Natürlich wird es nicht genauso gehen; aber auf etwas Ähnliches hin sollte man mit einiger Phantasie das Verhandlungsterrain sondieren und einiges vorbereiten. Man wird demnächst eine Gipfelkonferenz abhalten. Ich habe schon einige Male Gelegenheit gehabt, zu sagen, daß ich kein besonderer Freund solcher Konferenzen bin. Aber eines könnte sie vielleicht erreichen: sie könnte eine Vereinbarung darüber treffen, nun auf dem normalendiplomatischen Wege miteinander zu verhandeln, und man könnte für diese Verhandlungen einen Rahmen abstecken und gemeinsame Instruktionen geben. Dr. Schmid ({34}) Meine verehrte Vorrednerin hat davon gesprochen, wir sollten uns nicht auf die sowjetische Großmut verlassen. Sicher sollten wir das nicht. Es wäre höchst töricht, wenn wir das täten. Man kann sich auf die Großmut im Verhältnis von Mensch zu Mensch verlassen, aber sehr selten im Verhältnis von Staat zu Staat. Da kann man sich nur darauf verlassen, daß Interessen übereinstimmen oder daß man Interessen übereinstimmend oder daß man gewisse Interessen und Befürchtungen gegenstandslos macht. Ich meine, wir sollten dafür mehr zu tun versuchen, als wir getan haben. Es gibt nämlich auch sowjetische Interessen; denn Befürchtungen sind auch Interessen. Das dürfen wir nicht vergessen. ({35}) - Oh ja, Wünsche sind auch Interessen, fundierte Wünsche ohne Frage, Herr Verteidigungsminister. Aber ein besonders starkes Interesse ist, Befürchtungen gegenstandslos werden zu sehen, nicht nur bei uns, sondern auch anderswo. Wir haben keine Angst vor amerikanischen Atombomben, sicher nicht; aber die Russen haben vielleicht Angst vor amerikanischen Atombomben bei uns. ({36}) Da gibt es sowjetisches Interesse, und man könnte vielleicht einiges tun, um ,dieses Furchtinteresse gegenstandslos zu machen, indem man ,die Interessenlage verändert, die heute besteht. Natürlich ist dabei ein Risiko, aber, wie ich glaube, ein kalkulierbares Risiko, und deswegen sollte man es wagen, sich damit näher zu befassen. Um solche Dinge sich zu bemühen, das nennt man eben Politik. ({37}) Man wird noch viel Schutt wegräumen müssen, bis man wird 'ans Bauen gehen können. Ein Mittel, Schutt wegzuräumen, wäre, in Verhandlungen über den Rapacki-Plan einzutreten. Ohne Verhandlungen darüber, ohne Vereinbarungen eines Status, etwa der Art, wie er ihn vorsieht - eines kontrollierten atomwaffenfreien Raumes -, wird es auf Grund der strategischen Konstellation, die heute besteht und die Sie erhalten wollen, beim Status quo bleiben. Mit dem Rapacki-Plan, mit seiner Verwirklichung, haben wir eine Chance, daß dieser Status quo in Bewegung kommt. Und wenn wir die Wahl zwischen einem Nicht und einem Vielleicht haben - und das Vielleicht zum Teil auch in unserer Hand liegt -, dann wählen wir dieses Vielleicht! ({38}) Nun ist uns heute sehr ausgiebig gesagt worden - und auch der Herr Verteidigungsminister machte mir soeben einen solchen Zwischenruf -: Die Russen haben ja bisher immer alles abgelehnt. - Ja, das ist richtig. Aber was ergibt sich denn dann für uns aus diesem Verhalten und aus der dadurch geschaffenen Lage? Etwa, daß wir gar nichts mehr versuchen sollen, daß wir uns in den Schmollwinkel, daß wir uns in die Verbitterung zurückziehen sollen? Das führt uns keinen Schritt weiter, das genügt nicht! Gerade das zwingt uns, es immer wieder aufs neue zu versuchen, unsere Phantasie anzustrengen, etwas Neues auszudenken, über das verhandelt werden könnte! Man muß Versuche auch wagen können! Sie wagen ja auch etwas, und zwar mit einem Instrument, das höchst brisant und gefährlich ist! ({39}) Vergessen wir doch nicht: W i r sind es doch, die von der Sowjetunion etwas verlangen müssen. Nicht so ist es, daß s i e etwas von uns verlangen müßte. Das zwingt uns aber ein bestimmtes Verhalten auf, vor allen Dingen, weil der, von dem wir etwas verlangen müssen, ein kostbares Gut als Pfand in seinen Händen hält, und - ich sagte es das letztemal - wir ihm dieses Pfand nicht aus der Hand nehmen können. Wir wollen uns damit nicht abfinden. Wir wollen es uns auch nicht auf hohem Roß mit der Erbitterung gegenüber den Querschlägen der Sowjetunion genug sein lassen. Dieses hohe Roß könnte sich eines Tages als ein Karussellpferd entpuppen. Wir wollen Verhandlungen. Wir wollen, daß verhandelt wird, immer wieder, immer wieder mit neuen Fragestellungen, bis endlich die richtige gefunden worden ist, jene, auf die man nicht mehr mit militärischen Argumenten antworten kann, sondern auf die man mit politischen Argumenten antworten muß. ({40}) Für uns ist der Kampf mit dieser Debatte nicht zu Ende. Sie werden noch von uns hören. Sie werden sich noch stellen müssen. Wir werden noch mit Ihnen ringen. Und wir werden eine Bresche aufreißen, durch die hindurch der Aufschrei unseres Volkes auch den Weg zu Ihren Ohren finden wird! ({41})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kiesinger.

Dr. h. c. Kurt Georg Kiesinger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001096, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Ollenhauer, ich teile Ihre Auffassung: der Worte sind nun genug geredet, und ich will nicht die Redezeit, ,die uns als Fraktion noch zur Verfügung steht, voll ausschöpfen, um die ohnehin überstrapazierte Geduld dieses Hauses nicht ungebührlich in Anspruch zu nehmen. Aber wenn Sie gesagt haben, Herr Kollege Ollenhauer, Sie glaubten, daß die Positionen des Hauses nun klar einander gegenübergestellt seien, dann muß ich ein starkes Bedenken anmelden. Bedenken habe ich nicht etwa 'deshalb, weil ich glaubte, daß wir unsere eigene Position nicht deutlich gemacht hätten. Aber ich fürchte, Sie, die Sozialdemokraten, haben sie - und ich sage Ihnen gleich warum - nicht deutlich machen können. Heute früh hat Herr Kollege Heinemann eine Rede gehalten, die ich mit großer Aufmerksamkeit angehört habe. Es war die Rede eines Mannes, der eine ganz bestimmte Konzeption unserer Politik konsequent und radikal zu Ende gedacht hat. Ich habe nicht umsonst jedesmal, wenn ich in den letzten Debatten hier im Hause das Wort ergriffen habe, mit .dem Hinweis begonnen, es gebe Menschen, die glaubten, heute aus dem Teufelszirkel nicht mehr ausbrechen zu können, der da heißt: Entweder Atomtod oder Kapitulation vor dem Kommunismus! Herr Wehner hat mich getadelt, weil ich die Ausführungen Sir Stephen King-Hall's dargelegt habe, der sagt: Es gibt gar keinen anderen Weg als den Weg des gewaltlosen Widerstandes gegenüber dem Kommunismus; man muß eben die kommunistische Besetzung, wenn es denn nicht anders geht, über sich ergehen lassen. Und was hat uns Herr Heinemann heute früh gesagt? Er hat uns zwar gesagt, daß er für ,die Bundeswehr sei, mit Ausnahme vor allem der Verteidigungspflicht; aber er hat zu gleicher Zeit klipp und klar gesagt, daß er es von seiner ethischen und politischen Grundeinsicht her dem Westen prinzipell abspreche, das Recht der Verteidigung seiner Freiheit mit atomaren Waffen in seine Politik einzubeziehen. Das haben auch andere Mitglieder ,der SPD hier anklingen lassen und draußen in der Debatte gesagt. Auch Herr Professor Bechert sagte heute nachmittag, wie er ehrlicherweise zugestehen wird, 'dasselbe: das heißt, auch er bekennt sich zu dieser gefährlichen These, daß die Verteidigung mit atomaren Waffen sinnlos sei. Daraus wird dann die ethische Konsequenz gezogen und daraus wiederum die politische Konsequenz, daß der Westen auf die atomaren Verteidigungsmittel verzichten müsse, selbst wenn die Sowjetunion sie behält. Meine Damen und Herren, das ist eine entsetzlich ernste Konsequenz, die da gezogen wird. Ich respektiere das Gewissen der Menschen, die glauben, diese Konsequenz ziehen zu müssen. Aber bis zum letzten Atemzuge werde ich mich dagegen wehren, daß dies die vorherrschende Ansicht in diesem unserem Vaterlande wird. ({0}) Ich weiß, daß in Ihrer Mitte andere anders 'denken. Herr Kollege Wehner hat sich dagegen verwahrt, daß etwa er und seine Freunde diesem Defaitismus, dieser Resignation, dieser Ratlosigkeit, ja dieser Verzweiflung angesichts der Situation verfallen seien. Aber dann muß man auch die Konsequenzen ziehen. Herr Kollege Ollenhauer, Sie haben gesagt, die CDU habe diese Debatte gewünscht, weil sie aus taktischen Gründen eine Demonstration durchführen wollte. Ich sage Ihnen, Herr Kollege Ollenhauer: Mag das einmal im einen oder anderen Kopf die Vorstellung von der Aufgabe einer solchen Debatte gewesen sein, - glauben Sie mir, wir haben diese Debatte sehr gewissenhaft vorbereitet - mein Freund und Kollege Dr. Martin hat bereits das Nötige dazu gesagt - und wir haben es uns, Herr Kollege Schmid, wahrhaft schwer gemacht. Ich habe schon berichtet, daß wir Dutzende von Stunden allein über die Problematik der Anwendung der atomaren Verteidigungsmittel diskutiert haben. Wer wären wir, wenn wir es uns nicht so schwer gemacht hätten! Ich habe das, was Sie heute abend gesagt haben, wieder mit Aufmerksamkeit und Respekt angehört. Meine Damen und Herren, so können wir miteinander diskutieren und so werden wir auch noch in Zukunft miteinander diskutieren. Aber wenn wir schon versuchen sollen, Herr Achenbach, gemeinsame Außenpolitik miteinander zu machen, dann müssen wir eben jenes Minimum an Anständigkeit in unseren parlamentarischen Auseinandersetzungen wahren, ohne das dieser Parlamentarismus zerstört wird. ({1}) Ich habe in diesen Tagen viele Angriffe gegen eine Reihe von mir sehr geschätzter Kollegen mit anhören müssen. Neben den üblichen Angriffen gegen den Bundeskanzler, die sich auch Herr Heinemann in seiner sonst sehr sachlichen Rede heute früh nicht ganz entgehen lassen konnte, ({2}) war vor allem unser Verteidigungsminister die Zielscheibe einer Kritik, die dieses Maß an Anständigkeit einfach nicht mehr eingehalten hat. ({3}) Ich sage das Ihnen nicht deshalb, weil ich hier noch einmal Streit entfachen will, sondern deshalb, weil ich Sie bitten möchte: um Gottes willen - lassen wir das doch in Zukunft! ({4}) - Ich komme auf meinen Kollegen Jaeger sofort zu sprechen. Aber suchen Sie einmal in unseren Lager nach einer Meldung wie der vorliegenden, die ich mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten nur in wenigen Sätzen vorlesen will. Ich habe eine dpa-Meldung vom 24. März vor mir liegen, die lautet: Bundestagsabgeordneter Hans Merten ({5}) erklärte am Montag auf einer Schulungstagung der SPD in Alsfeld, von Kaiser Wilhelm führe über Adolf Hitler ein gerader Weg zum Bundesverteidigungsminister Franz-Josef Strauß. ({6}) Nicht die Russen wollten nach Deutschland, sondern Strauß nach Rußland. ({7}) Meine Damen und Herren, wer nicht spürt, daß das eine Art von Propaganda ist - und sie klang ja doch auch in den Äußerungen Ihres Kollegen Schmidt ({8}) auf -, die geeignet ist, unsere Demokratie zu zerstören, dem ist nicht zu helfen. Denken Sie an die Jahre nach dem ersten Weltkrieg zurück, wie damals durch solche und ähnliche Äußerungen gewisse Menschen zu unverantwortlichen Aktionen und Taten aufgehetzt worden sind. ({9}) Sie haben meinem Kollegen Jaeger seine Äußerungen übelgenommen. Ich konnte, als ich hier das letztemal sprach, nicht darauf eingehen, da ich unglücklicherweise seine Rede nur in Bruchstücken gehört hatte. Sie haben seine Äußerungen mit dem konfrontiert, was etwa der Abgeordnete Schmidt ({10}) gesagt hat. Inzwischen habe ich die Rede von Herrn Jaeger nachgelesen. Nun gut, mein Kollege Jaeger hat scharf gesprochen. Aber sagen Sie mir bitte eine einzige Bemerkung in seiner Rede, die in der Qualität und im verleumderischen Charakter auch nur den geringsten Anklang hätte an das, was Herr Schmidt ({11}) und Herr Merten gesagt haben. ({12}) - Herr Kollege, Sie sagen: die Hetze gegen Wehner. Sie wissen ganz genau, wie ich selbst Stellung genommen habe und wie meine Fraktion in der Frage entschieden hat. Nun aber ein anderes. Ich finde, wir sollten auch eine andere gefährliche Sache unterlassen, wie sie Herr Heinemann heute früh versucht hat: wir sollten nicht die Konfessionen so gegeneinander auszuspielen versuchen, wie er es mit dieser angeblichen Bemerkung des Kardinals Frings getan hat. Ich kenne die Äußerung nicht; ich unterstelle, daß sie vielleicht so oder ähnlich gefallen ist. Aber es ist doch ganz selbstverständlich, daß, wenn er eine solche Äußerung über das Reich Karls des Großen tat, er dabei nicht an die Preisgabe unserer Mittelzone und unseres Ostens gedacht hat, sondern daß dabei vor seinem Auge die unwiederbringliche Gelegenheit stand, dieses Europa des Westens endlich in einem Geiste zu einigen. ({13}) Was sollen denn so widersprechende Hinweise - auf der einen Seite die Karolinger, das Reich Karls des Großen und der arme Karlspreis der Stadt Aachen, auf der anderen Seite die Ordensritter? Was wir auch tun, es ist Ihnen nicht recht: auf der einen Seite wirft man uns vor, wir wollten das Reich Karls konservieren, und auf der anderen Seite, wir wollten wieder einmal gen Ostland reiten. ({14}) Meine Damen und Herren, nur das eine oder das andere könnte richtig sein. ({15}) - Sie wissen, wie das war! - Beides ist unrichtig. Wir wollen die Idee des geeinten Westeuropa verwirklichen; aber wir wollen dazu selbstverständlich die Wiederherstellung der Einheit unseres deutschen Volkes. ({16}) Nun, wenn man so denkt, wie Herr Heinemann und andere denken, wenn man wirklich der Meinung ist, wir sowohl wie der ganze Westen müßten aus ethischen Gründen auf die atomare Verteidigung verzichten, auch wenn der Gegner sie hat ({17}) - fragen Sie Herrn Heinemann; das ist die Grundüberzeugung von Herrn Heinemann, er wird sie Ihnen bestätigen! -, wenn das so ist, meine Damen und Herren, dann, Herr Ollenhauer, ist das die Kapitulation der Politik vor den modernen Massenvernichtungsmitteln, ({18}) dann, Herr Kollege Bechert, ist d a s das tödlichste Experiment der deutschen Geschichte. ({19}) Sie haben zwei Thesen aufgestellt, und Sie, Herr Kollege Professor Carlo Schmid, haben sie heute abend noch einmal verdeutlicht. Es sind die beiden Thesen, erstens: die Politik der Bundesregierung gefährdet den Frieden, führt nicht zur Entspannung, und zweitens: unsere Politik erschwert oder verschließt den Weg zur Wiedervereinigung. Darüber haben wir ja nun oft genug in diesem Hause gestritten. Wir sagen Ihnen: Nach unserer Überzeugung - Herr Kollege Mende - ist beides falsch. Warum? Die These, daß ein Vorschlag wie der Rapacki-Plan zur Entspannung und zu einer Minderung der Kriegsgefahr führen würde, ist nach unserer Meinung falsch. Er würde hier ein Vakuum schaffen und nach unserer sorgfältig geprüften Überzeugung würde dadurch das Gegenteil einer Entspannung eintreten, d. h. die Spannung würde vermehrt werden. Sie haben das Zitat aus dem Europarat wiedergegeben: „Lieber das halbe Deutschland ganz als das ganze Deutschland halb." Jawohl, dagegen wehren wir uns gemeinsam. Aber Sie können nicht leugnen, daß derjenige, der dieses Wort aussprach, und andere, die es heute noch sagen, gerade vor dieser prekären Lage, die nach Ihrer Meinung entstehen würde, Sorge haben. Wenn wir das tun, was wir jetzt vorschlagen -- das ist unsere Überzeugung -, dann vermindern wir die Kriegsgefahr und sichern dadurch den Frieden. ({20}) Ich will es in einigen Sätzen noch einmal wiederholen, warum es so ist, damit es klar verstanden werde. Viele Persönlichkeiten des Westens, die sich doch auch mit uns gemeinsam Sorge um die Erhaltung des Friedens machen, bemühen sich gerade um die neue Konzeption der Nordatlantischen Verteidigungsgemeinschaft, weil sie den Westen aus einer tödlich gefährlichen Situation herausbringen wollen; der Verteidigungsminister hat das schon erwähnt. Diese Leute im Westen sagen, daß die Ausrüstung der europäischen Länder mit taktischen - nicht mit strategischen - Atomwaffen den Westen aus der furchtbaren Situation befreie, die ich gleich darlegen werde. Sie, meine Herren von der Sozialdemokratie, und vielleicht auch Sie, meine Herren von der FDP, setzen unsere ganze Sicherheit in die Tatsache, daß die Vereinigten Staaten die volle atomare Gewalt besitzen, und glauben sich in diesem Schutz sicher. Herr Schmidt ({21}) hat das noch jüngst in einem Brief an den „Spiegel" bestätigt, in dem er sagte: Unsere Sicherheit beruht derzeit einzig darauf, daß neben ,der Sowjetunion auch die Vereinigten Staaten von Nordamerika diese schrecklichen Mittel besitzen. Ist das wahr, meine Damen und Herren? Das ist die Frage, die nach einer Antwort verlangt, und wir sagen: Das ist nicht wahr. Wir sind, wenn es so bliebe, nicht genügend geschützt. Warum nicht? Wir sind - wahrscheinlich mit Ihnen - der Meinung, daß die beiden -die Amerikaner sowieso, aber auch nach unserer Überzeugung die Sowjetunion - einen atomaren Krieg nicht beginnen werden, weil sie genau wissen, was das für sie selbst bedeuten würde. Wir sind uns also darin einig, daß hier im Weltmaßstab ein Gleichgewicht des Schreckens besteht. Die fatale Situation für Europa, meine Damen und Herren, aber ist die, daß hier, wenn alles so bleibt, wie es ist, kein Gleichgewicht herrscht, sondern in Europa die Sowjetunion eine gewaltige militärische Übermacht gegenüber den Verteidigungsmitteln besitzt, die im Ernstfall von Europa aus eingesetzt werden könnten. Die Sowjetunion hat, wie Sie wissen, derzeit offenbar einen Vorsprung auf dem Gebiete der interkontinentalen Raketen. Das macht die Situation Europas noch viel gefährlicher. Was könnte uns nun für eine Gefahr drohen? Die Gefahr, daß die Sowjetunion diese Situation ausnützen könnte, um in Europa - ich will es mit einem allgemeinen Ausdruck umschreiben - Gewalt zu üben. Das brauchte nicht darin zu bestehen, daß sie Panzerarmeen vorschickte. Kein einziger sowjetrussischer Soldat brauchte zu marschieren. Denn das ist auch vor zehn Jahren in der Tschechoslowakei nicht geschehen, und trotzdem ging dort die Freiheit verloren. ({22}) Was wir wollen, ist, daß der frei gebliebene Teil Europas nicht in eine Situation geraten darf, wie es vergleichbar die Situation der Tschechoslowakei vor zehn Jahren war. ({23}) - Bitte schön!

Fritz Erler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000488, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sind Sie der Meinung, Herr Kiesinger, daß einer demokratischen Regierung im Kampf gegen kommunistische Umsturzbemühungen, wie wir sie in der Tschechoslowakei zu verzeichnen hatten, tatsächlich Atombomben für den inneren Gebrauch in diesem Fall helfen? ({0})

Dr. h. c. Kurt Georg Kiesinger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001096, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Natürlich, Herr Erler, bin ich dieser Meinung nicht. Machen wir es uns doch gegenseitig nicht so schwer! Herr Erler, wenn damals der Westen in der Lage gewesen wäre, durch eine Hilfsaktion in der Tschechoslowakei einzugreifen, um die dort bedrohte Freiheit zu retten, dann wäre die Tschechoslowakei noch heute ein freies Land. Er war aber nicht dazu in der Lage. ({0}) - Bitte!

Fritz Erler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000488, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

ist Ihnen bekannt, daß in jener Zeit die Vereinigten Staaten von Amerika über Atomwaffen verfügten, die Sowjetunion aber nicht?

Dr. h. c. Kurt Georg Kiesinger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001096, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich wiederhole, Herr Erler, was heute abend mein Freund Dr. Martin schon gesagt hat, daß ja gerade die Vereinigten Staaten von Amerika niemals bereit waren - und das beweist, daß sie es auch in Zukunft niemals sein werden -, ihr Atommonopol in einem solchen Falle auszunutzen. Sie haben es auch in Korea nicht getan. Ich weiß nicht, ob die Entscheidung immer richtig war, die sie getroffen haben. Ich will dazu jetzt keine Stellung nehmen. Aber weil sie nicht bereit waren, die Atombombe einzusetzen, und weil sie wegen ihres Truppenrückzugs nicht über konventionelle Kräfte in Europa verfügten, die den Kommunismus hätten abhalten können, in der Tschechoslowakei die Herrschaft anzutreten, deswegen geschah das Unglück in Prag. ({0}) Nun, Herr Kollege Erler, zurück zu dieser Idee. Was geschähe wohl, wenn tatsächlich - nehmen wir einmal Berlin - der Osten wieder nach Berlin greifen sollte? ({1}) Ich habe von einem Interview gelesen, das Herr Alsop mit Herrn Heinemann hatte. Ich weiß allerdings nicht, wieweit es stimmt. ({2}) - Nachher. - Es hieß da auf die Frage an Herrn Heinemann, was dann geschehen würde: Ja, dann müßte eben wieder eine Luftbrücke gebaut werden. Auf den Hinweis, daß das jetzt viel schwerer sei als früher, weil inzwischen auf der anderen Seite technische Fortschritte erzielt worden seien, sei gesagt worden: Dann müsse eben Berlin durch Panzereinsatz befreit werden. ({3}) - Schön, Herr Heinemann, Sie erklären mir: Das stimmt nicht! Aber dann erzähle ich das, weil jetzt Sie mir die Antwort geben müssen auf die Frage: Was geschieht dann? ({4}) Geben Sie mir diese Antwort! ({5})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Wollen Sie eine Zwischenfrage zulassen?

Dr. h. c. Kurt Georg Kiesinger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001096, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte fragen Sie, Herr Erler.

Fritz Erler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000488, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Darf ich Sie, der Sie doch Mitverantwortung für die Regierung tragen, fragen, wie Sie sich in einem solchen Fall den Entsatz Berlins denken? ({0})

Dr. h. c. Kurt Georg Kiesinger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001096, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich will versuchen, das zu tun. Die Politik, von der ich spreche, ist ja nicht unsere speziell deutsche, sondern, wie der Verteidigungsminister hier sicher ein halbes dutzendmal klargemacht hat, eine Politik des integrierten atlantischen Verteidigungssystems, von dem wir doch nur ein Partikel sind. ({0}) - Gut. Wenn diese Politik, Herr Erler, in einem solchen Fall angewiesen wäre, als einziges Abschreckungsmittel den sofortigen Einsatz der strategischen atomaren Waffen anzudrohen, der Wasserstoffbomben usw., so wäre das eine unglaubhafte Abschreckung. ({1}) Infolgedessen versucht der Westen eine glaubhaftere. Sie kennen doch die Gedankengänge. Das ist heute doch in allen Büchern und Zeitschriften, die über diese Dinge schreiben, zu lesen. Er versucht, solange die allgemeine atomare Abrüstung nicht durchgesetzt werden kann, an Stelle der nicht nur fragwürdigen und entsetzlichen, sondern zu einem großen Teil auch unglaubwürdigen totalen Abschreckung des großen atomaren Krieges eine glaubhaftere Abschreckung, die der taktischen Atomwaffen, zu setzen, um das Vakuum in Europa auszufüllen und jedes Kalkül eines möglichen Angreifers zu unterbinden, daß er einen Gewaltakt, sei es durch Krieg, sei es durch ein Ultimatum, in Europa unternehmen könnte, ohne dafür bestraft zu werden. ({2}) Ich weiß, was Sie mir sagen können: daß das keine sehr schöne Lösung ist. Wir empfinden sie auch nicht als schön. Deswegen drängen wir mit Ihnen mit aller Kraft auf die Herbeiführung der einzig möglichen Lösung, der einzig möglichen Rettung aus dieser Situation, nämlich auf die allgemeine kontrollierte Abrüstung sowohl der atomaren wie der konventionellen Waffen. ({3}) Dahin muß es gehen, nur zu diesem einen Ziel. Sie haben es gesagt, Herr Kollege Schmid. Daran muß man sich in Etappen, in Stufen heranarbeiten. Gut, auch darin gehe ich mit Ihnen, mit Herrn Erler und anderen einig. Auch wir sehen nicht die Möglichkeit einer sofortigen totalen Bereinigung, da es unendliche Schwierigkeiten auf diesem Wege zu überwinden gilt. Bloß in der Frage, welche Stufen zur Erreichung dieses Ziels die richtigen seien - sprechen wir es offen aus -, unterscheiden wir uns. Sie sagen z. B., die Annahme des Rapacki-Plans sei eine solche Stufe. Sie, Herr Kollege Schmid, waren ,da am deutlichsten. ({4}) - Herr Kollege Schmid hat sich direkt für den Rapacki-Plan ausgesprochen und gesagt, die Annahme des Rapacki-Plans würde eine solche Stufe sein. Wir sind keineswegs unter allen Umständen gegen regionale Abrüstungsvereinbarungen. Aber - das hat der Herr Verteidigungsminister mit aller Deutlichkeit gesagt - es müssen Abmachungen über regionale Abrüstungen sein, die sich im Rahmen eines genau konzipierten Abrüstungsplans vollziehen, so daß sich aus dem ersten Schritt mit Notwendigkeit der zweite und der dritte und der letzte ergibt. Würden wir den Rapacki-Plan, so wie er einmal ist, annehmen, dann wäre die berühmte Vorleistung da. Glauben Sie doch nicht, daß dann etwa die sowjetrussische Haltung weicher werden würde! Da können Sie doch nur das Argument gebrauchen, das Sie selber immer wieder vorschützend bringen, es sei eine Klimaverbesserung. Da halte ich es schon, Herr Erler, mit Herrn Gaitskell, den Sie hier zitiert haben. Sie wissen genauso wie ich, daß er und einige seiner Freunde sich einen sowjetrussischen Rückzug hinter die Weichsel erhoffen, weil, wie sie glauben, die Sowjetunion fürchtet, andernfalls werde die Bundesrepublik atomar ausgerüstet. ({5}) - Nein, das ist keine Viertelwahrheit, Herr Mommer, das ist genauso ausgesprochen worden, wie Sie wissen. ({6}) - Doch, es ist so ausgesprochen worden. Wenn wir schon miteinander reden, dann dürfen wir uns doch nicht dauernd derartige Unterstellungen machen. So hat er es gesagt! ({7}) - Herr Erler, über all diese Dinge läßt sich reden, und wir werden im Ausschuß in den kommenden Wochen auch über den Rapacki-Plan und das Problem der regionalen Abrüstung reden, und zwar werden wir es tun, damit wir uns sachlich miteinander auseinandersetzen, damit nicht, wie das in einer solchen parlamentarischen Debatte unvermeidlich ist, nur immer wieder ein paar große Programmsätze einander entgegengestellt werden. Ich wollte Ihnen ja nur sagen, daß es so nach unserer Meinung nicht geht. Wir müssen Vorschläge zur regionalen Abrüstung im Zusammenhang einander bedingender Maßnahmen sehen. Wir sind also mit Ihnen bereit, auch die allgemeine Abrüstung in Stufen zu vollziehen. Wie? Nun, ich hoffe, daß auf der Gipfelkonferenz einiges darüber gesprochen wird. Wir - ich wiederhole es - von der Christlich-Demokratischen Union sind bereit, uns jedem Abkom1144 men, das die Großmächte auf diesem Gebiete treffen, vorbehaltlos zu unterwerfen. ({8}) Die atomare Aufrüstung der Bundeswehr, wenn sie kommen sollte, - ({9}) - Wir haben den Vorbehalt gemacht: es sei denn, daß uns das durch eine allgemeine kontrollierte Abrüstung erspart wird. ({10}) Wir glauben also, daß die atomare Aufrüstung nicht zur Verhärtung der Lage führen wird, sondern zum Gegenteil. Nun komme ich zu der zweiten Behauptung, der Weg zur Wiedervereinigung werde dadurch unmöglich gemacht. Man macht uns den Vorwurf, wir hätten gesagt, die NATO sei für uns ein Instrument zur Wiedervereinigung. Sie ist es nur in einem bedingten Sinne, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie und von der FDP, nämlich in dem bedingten Sinne, daß, wenn es nicht gelingt, die Freiheit und den Frieden für die Bundesrepublik zu erhalten, an Wiedervereinigung überhaupt nicht zu denken ist; das ist der Sinn. ({11}) Sie haben davon gesprochen, Herr Professor Schmid, auf die Erhaltung des Friedens komme es an. Ja, darauf kommt es an. Darauf kam es während der ganzen letzten Jahre an. Es war und ist keine Selbstverständlichkeit, daß uns der Friede und die Freiheit hier in Westeuropa und in diesem Lande erhalten geblieben sind. ({12}) Wer von Ihnen wagt zu sagen, daß der Bolschewismus ohne die Anstrengungen des nordatlantischen Bündnisses seine begonnene Expansion eingestellt hätte? War es denn nicht so, daß erst, nachdem sich die westliche Welt zu diesem Schutzbündnis zusammengefunden hat, diese Expansion zum Stehen gebracht wurde? Ich möchte Sie nicht fragen, was geschehen wäre, wenn dieses Verteidigungsbündnis der freien Welt nicht aufgebaut worden wäre. ({13}) Nun, Sie fragen uns: Wie denkt ihr euch den Weg zur Wiedervereinigung? ({14}) Wir schlagen vor, daß auf der kommenden Gipfelkonferenz die deutsche Frage behandelt wird mit allem, was dazu gehört. ({15}) Wir beharren darauf, daß die Grundlage - ich bitte, genau hinzuhören -, die Grundlage des Wiedervereinigungsprozesses freie Wahlen sein müssen. Was wir aber entschieden ablehnen, ist ein Friedensvertrag mit zwei deutschen Staaten oder ein Friedensvertrag mit einem deutschen Staat, der nach dem Muster der sowjetischen Konföderation zustande gekommen wäre. Wir lehnen eine solche Konföderation überhaupt ab. Aber weiter - Herr Kollege Schmid, das ist nun etwas, was ich Ihnen sagen muß - müssen wir auch das ablehnen, was die Sowjetunion immer wieder vorgeschlagen hat, nämlich Verhandlungen mit dem Marionettenregime der Sowjetzone, Verhandlungen, die, wie es bisher ausschließlich vorgetragen wurde, den freien Wahlen vorhergehen sollten. Herr Heinemann hat davon gesprochen, man stelle der Parole „Deutsche an einen Tisch" von unserer Seite die Parole entgegen: ,,Deutsche an keinen Tisch!" Nein, Herr Heinemann, Deutsche sollen an einen Tisch, Deutsche sollen in ein Vaterland, aber nicht freie deutsche Politiker hier und Marionetten der Sowjetunion drüben! ({16}) Daß für gewisse technische Verhandlungen auf ganz anderen Gebieten - ({17}) - Wir haben schon diese technischen Verhandlungen auf einer ganzen Reihe von Gebieten. ({18}) - Die Grenze muß da gezogen werden, wo diese Verhandlungen mit dem Regime der DDR eben nicht mehr technische Verhandlungen, sondern politische Verhandlungen bedeuten würden. ({19}) Wir sind der Überzeugung, daß die Sowjetunion die ganzen Jahre hindurch die Wiedervereinigung Deutschlands in Freiheit nicht wollte - darüber wollen wir heute nichts mehr sagen - und auch heute nicht will. Was Sie mit uns nach der gescheiterten Berliner Konferenz gesagt haben, das hätten Sie heute wieder mit uns sagen sollen. ({20}) - Wenn Sie sagen, daß die Sowjetunion heute die Wiedervereinigung Deutschlands in Freiheit will, dann frage ich Sie: was halten Sie von den Äußerungen Chruschtschows, die er seit der Konferenz in Genf in überreicher Fülle getan hat? ({21}) Aber die Sowjetunion, Herr Wehner, hat Gelegenheit, darüber ein aufklärendes Wort zu sagen, wenn es auf der Gipfelkonferenz zur Erörterung der deutschen Frage kommt. ({22}) Wir haben der Sowjetunion gesagt, was wir wollen. ({23}) - Wir sind geteilt, Herr Wehner, aber nicht, weil wir Deutschland geteilt haben, ({24}) sondern weil die Sowjetunion Deutschland geteilt hat. ({25}) Es ist in diesem Haus der Appell an eine gemeinsame Außenpolitik erklungen. ({26}) - Die gibt es nicht, sagen Sie, Herr Wehner? ({27}) - Das sagen Sie alle. Vielleicht, meine Herren von der Sozialdemokratie, hat diese Debatte klarer als bisher gezeigt, wie weit auseinander die Standpunkte leider liegen. ({28}) Ich persönlich glaube, daß die Macht der Tatsachen auch Sie dazu führen wird, daß Sie sehen, wo die realen Möglichkeiten einer Wiedervereinigungspolitik liegen. ({29}) - O nein, wir haben gar nichts verbaut. Die Sowjetunion hätte in all den Jahren genügend Zeit gehabt, diese Wiedervereinigung in Freiheit anzubieten, wenn sie das gewollt hätte. ({30}) Es ist für mich immer wieder eine Bestätigung, die letzte, tiefste Bestätigung der Richtigkeit unserer Politik gewesen, daß gerade die Menschen drüben in der Zone so denken. Auch jetzt habe ich es wieder durch eine große Zahl von Briefen aus der Zone bestätigt bekommen, ({31}) und zwar von freien Menschen aus der Zone und nicht von Kollektivs, die angehalten wurden, Telegramme zu schicken, - die habe ich auch bekommen. ({32}) Es waren Briefe von Menschen in der Zone, die nicht wagen konnten, ihren Namen darunter zu setzen. Es ist sehr leicht zu unterscheiden, woher die einen Telegramme und Briefe und woher die anderen kommen. Bei den einen stehen meistens viele Namen darunter, bei den anderen steht leider kein Name dabei, weil diese Menschen fürchten müssen, daß sie für ihre Stellungnahme für die Freiheit bestraft und eingekerkert werden. ({33}) Ich komme zum Schluß. Angesichts der Tatsachen, die vor uns stehen und die noch auf uns zukommen, werden wir gar nicht anders können, als in gemeinsamen Beratungen zu überprüfen, wo die eine oder andere Seite sich vielleicht geirrt hat. Auch wir hängen nicht an Dogmen. Aber solange die Weltsituation sich nicht geändert hat, solange die Sowjetunion nicht einen Beweis des Willens gegeben hat, die Wiedervereinigung in Freiheit zu gewähren, müssen wir bei unserer Politik bleiben. Sie sagen: Weil wir einen Druck auf die Sowjetunion ausüben wollen! ({34}) Werden nicht ständig 17 Millionen drüben unterdrückt? ({35}) Die Sowjetunion weiß genau, daß wir bereit sind, mit ihr über jeden vernünftigen Weg zur Wiedervereinigung, der auch ihr Sicherheitsinteresse respektiert, zu reden. Sie soll aber wissen, daß, solange sie uns diesen Weg nicht zeigt, nichts uns davon abhalten wird, wachsam zu bleiben und zu verteidigen, was das höchste irdische Gut ist: Freiheit und Würde des Menschen. ({36})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Mende.

Dr. Erich Mende (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001467, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am Beginn der viertägigen außenpolitischen Debatte hatte ich Gelegenheit, die Große Anfrage der Freien Demokratischen Partei hier zu begründen. Es entspricht den Gepflogenheiten, daß der Fragesteller zum Schluß noch Gelegenheit hat, ein kurzes Schlußwort zu sprechen. Seien Sie ohne Sorge, ich werde keine lange Rede in dritter Auflage halten, wie mein Vorredner das soeben getan hat. ({0}) Ich werde mich hier auch nicht als ein parlamentarischer Moralinprediger bewähren wollen, ({1}) obgleich ich mit Pharisäermine sagen könnte, unsere Fraktion hat bei 43 Abgeordneten und sechs Rednern nicht einen einzigen Ordnungsruf erhalten, was Kollege Kiesinger von seiner Fraktion nicht behaupten kann. ({2}) Ich glaube, es steht dem Kollegen Kiesinger schlecht an, sich hier als den Moralinverteidiger parlamentarischer Sitten aufzuspielen. ({3}) Wenn wir wirklich prüfen, wo die Gründe für die Verschärfung dieser viertägigen Debatte liegen, se müssen wir, glaube ich, nach allen Richtungen schauen, auch nach der Mitte dieses Hauses. ({4}) Welches war denn der Ausgangspunkt zu dieser Mammutdebatte des Deutschen Bundestages? Der Ausgangspunkt war doch der, Vergeltung für die parlamentarische Niederlage vom 23. Januar zu üben. ({5}) Nachdem auch Rundfunkmonologe und Fernsehmonologe nicht in der Lage waren, diese parlamentarische Niederlage im 3. Deutschen Bundestag wettzumachen, sollte nunmehr hier die Opposition mit einem Vergeltungsschlag buchstäblich am Boden zerstört werden, so etwa nach Wilhelm Busch: Man sah dann ihre Trümmer rauchen, der Rest war nicht mehr zu gebrauchen. ({6}) Nun, das Bild sieht nach diesem ,, Vergeltungsschlag" keineswegs so aus, wie die Initiatoren dieser Mammutdebatte es sich gedacht hatten. ({7}) Lassen Sie mich zunächst dem Kollegen Kiesinger antworten und auf etwas eingehen, was er mit einem süffisanten Lächeln glaubt kritisieren zu können: die Forderung der Freien Demokraten nach einer gemeinsamen Außenpolitik. Er hat erklärt, es sei wichtiger, die richtige Außenpolitik zu betreiben. ({8}) - Man kann nicht apodiktisch behaupten, welche Politik die richtige ist, ob die der Opposition oder die der Regierungsparteien. ({9}) Man kann allenfalls jedem unterstellen, daß er die richtige Politik will. Aber es hat sich schon mehrfach in der Geschichte unseres Volkes gezeigt, daß man vielleicht die richtige Politik wollte, das Ergebnis aber ein ganz anderes war. Ich unterstelle, daß man auch vor 1914 ebenso wie vor 1939 bei den damals Herrschenden von der Richtigkeit der Politik überzeugt war. Was wirklich richtig war, hat einzig und allein das unerbittliche Urteil der Geschichte bestimmt. ({10}) Ich kann Sie noch an etwas Näherliegendes erinnern, was Ihnen vielleicht noch unangenehmer ist. Als Sie die Saarbevölkerung aufforderten, ja zum Saarstatut zu sagen, waren Sie überzeugt, daß das der Weg sei, die Rückkehr der Saar zu Deutschland zu erreichen. Das Gegenteil wäre der Fall gewesen. ({11}) Daß die Saar zu Deutschland zurückkam, verdankt sie nicht etwa der Aufforderung des Bundeskanzlers und der CDU, ({12}) für das Saarstatut zu stimmen, sondern einzig und allein der Treue der saarländischen Bevölkerung, die das Gegenteil dessen gemacht hat, was Sie empfohlen haben. ({13}) Auf die drei Fragen, die wir in der Großen Anfrage Drucksache 230 gestellt haben, hat die Bundesregierung zu der Frage 1 eindeutig ja gesagt. Wir haben es sowohl aus dem Munde des Herrn Bundeskanzlers wie auch heute aus dem Munde des Bundesaußenministers gehört, daß die Bundesregierung tatsächlich bereit ist, sich bei den Vier Mächten dafür einzusetzen, daß auf der kommenden Gipfelkonferenz die Grundsätze eines Vertrags für Gesamtdeutschland erörtert werden. Wir sehen einen bescheidenen Erfolg unserer Großen Anfrage darin, daß Sie auf unseren entsprechenden Antrag, eine ständige Viermächte-Arbeitsgruppe entstehen zu lassen, in den Ausschuß verweisen, offensichtlich nicht, um ihn da zu begraben, sondern um ihn nach gewissen gemeinsamen Veränderungen zu akzeptieren. Auf die Frage 2, ob die Bundesregierung einen eigenen Plan für atomwaffenfreie Zonen, für atomwaffenanlagefreie und militärisch entschärfte Zonen vorlegen wolle, ist hier nicht nur ein kategorisches Nein seitens der Bundesregierung gesagt worden, sondern zur allgemeinen Überraschung ist in einer völligen Verkehrung der in unserer Frage 2 vorgebrachten Wünsche sogar die Zustimmung der CDU/CSU und DP zu atomarer Bewaffnung der deutschen Bundeswehr herausgekommen. Auf die Frage 3, ob die Bundesregierung bereit sei, in einen beiderseitigen Meinungsaustausch über die Möglichkeiten einer atomwaffenfreien Zone mit dem polnischen Außenminister einzutreten, hat die Bundesregierung hier ebenfalls kategorisch erklärt: Nein! Der Bundesverteidigungsminister hat an die Opposition Fragen gestellt. Das ist an sich ungewöhnlich. Eigentlich sollte es Sache der Opposition sein, Fragen an die Regierung zu stellen. ({14}) Wir Freien Demokraten haben zwölf solcher Fragen als Unterfragen zu den drei großen Fragen der Großen Anfrage gestellt. Der Herr Bundes- kanzler hat erklärt, er würde unsere Fragen aus dem Protokoll herausschreiben lassen und später schriftlich beantworten. Nun, wir haben unsere Erfahrungen mit den Zusagen des Bundeskanzlers, er werde uns schriftlich antworten. Beispielsweise hat unser damaliger Fraktionsvorsitzender, der Vizepräsident Dr. Max Becker, an den Herrn Bundeskanzler wie an die Vorsitzenden aller Fraktionen des Deutschen Bundestags einen Vorschlag gerichtet, zu der Erarbeitung gemeinsamer außenpolitischer Prinzipien einen kleinen vertraulichen Kreis zu gründen, weil der Bundeskanzler öfters erklärt, der Auswärtige Ausschuß sei ihm zu groß, und man könnte manche Fragen um der GeheimDr. Mende haltung willen nur in einem ganz kleinen Kreise behandeln. Wir dachten daran, daß es einen anderen Kreis gibt, der, sehr klein gehalten, bisher durchaus die Möglichkeit gab, eine prinzipielle Frage, nämlich das Problem des Bundesnachrichtendienstes, aus der Diskussion dieses Hauses dadurch herauszuhalten, daß diesem Kreis vom Bundeskanzler und vom Leiter des Bundesnachrichtendienstes, dem früheren General Gehlen, jeweils die Auskünfte gegeben werden, die uns veranlassen, in diesem Hause diese Frage nicht zu behandeln. Dabei dachten wir, daß wir in der Außenpolitik zumindest die Informationen im kleinen Kreis bekämen, die wir im großen Kreis nicht bekommen hatten. ({15}) Daraufhin schrieb der Kanzler unter dem 11. November 1957, also vor über vier Monaten: Sehr geehrter Herr Becker! Ich freue mich, daß Sie wie ich den Versuch unterstützen wollen, auf dem Gebiete der Außenpolitik zu einer gemeinsamen Linie zu kommen. Ich weiß nicht, ob die Bildung eines solchen Ausschusses, wie Sie ihn sich denken, der richtige Weg ist. Erlauben Sie mir, vielleicht erst in einigen Wochen auf Ihre Anregung zurückzukommen. Darauf wartet Kollege Becker noch heute. Wenn es also auch mit der Beantwortung unserer zwölf Fragen so sein soll, Herr Bundeskanzler, dann werden wir allerdings wahrscheinlich auch vor der nächsten großen außenpolitischen Debatte noch keine Antwort haben. Wir wären Ihnen dankbar, wenn die Fristen für die Beantwortung von Fragen auch der parlamentarischen Opposition etwas kürzer gehalten werden könnten. Obwohl uns nicht der große Apparat der Regierung zur Verfügung steht, haben wir etwas schneller reagiert. Die Fragen, die der Verteidigungsminister hier gestellt hat, wollen wir durchaus beantworten. Die erste Frage des Bundesverteidigungsministers an die Opposition lautete: Gibt die Opposition zu, daß es eine sowjetische Gefahr gibt? Wir Freien Demokraten erklären, daß es in der Tat eine große sowjetische Gefahr gibt, die sich vielschichtig zeigt. Erstens: Die sowjetische Gefahr ist primär eine geistige Gefahr. Man muß ihr daher auch mit geistigen Mitteln begegnen. ({16}) Es ist die schwere Schuld der Regierung und der CDU, die deutsche Bevölkerung mit ihren Wohlstands- und Sicherheitsparolen entpolitisiert und von der Fähigkeit zu geistigen Auseinandersetzungen mit dem Kommunismus weggeführt zu haben. ({17}) Die sowjetische Gefahr ist zweitens eine wirtschaftliche Gefahr. Das zeigt sich vor allem in dem ständigen Vordringen des Ostblocks im afro-asiatischen Raum. Es ist die Schuld der Bundesregierung, daß ihre Politik der kleineuropäischen Integration die Deutschen gegenüber den afro-asiatischen Völkern als Teilnehmer eines kollektiven Kolonialismus mit Frankreich erscheinen läßt und den Einsatz des deutschen Prestiges für die freie Welt in diesen Ländern erschwert hat. Drittens: Die sowjetische Gefahr ist schließlich eine soziale Gefahr. Die übertriebene jetzt anlaufende doppelte Rüstungspolitik - die konventionelle, die wir bejahen, und die noch wesentlich teurere atomare, die Sie außerdem noch zusätzlich haben wollen - wird dazu führen, daß die Wirtschaft unter dieser Last zu leiden hat und der Kommunismus als soziale Gefahr eines Tages wieder Ansatzpunkte bei uns haben könnte. Schließlich viertens: Die sowjetische Gefahr ist nur dann die Gefahr einer militärischen Aggression, wenn die Bundesregierung durch ihre Teilnahme an der Politik der Abschreckung so weit getrieben wird, daß diese zu einer deutschen Politik der Herausforderung werden könnte. Manche Reden aus Ihren Reihen haben leider dazu beigetragen. ({18}) Der Verteidigungsminister fragte zweitens, ob die Opposition zur Verteidigung der Freiheit mit allen Mitteln bereit sei. Wir Freien Demokraten haben hier zu erklären, daß wir die Freiheit nicht nur mit Deklamationen schützen können, sondern daß wir auch bereit sind, das unserige zur Verteidigung der Freiheit auf allen Lebensgebieten beizutragen. Wir glauben, das atomare Gleichgewicht der Weltmächte ist heute die sicherste Gewähr dafür, daß keiner von beiden Giganten das Risiko eines atomaren Krieges laufen wird. Zu dieser Verteidigung unserer Freiheit ist nicht die Atomrüstung der Bundeswehr erforderlich. Der Weltfrieden wird durch das Gleichgewicht der Giganten, der Vereinigten Staaten und der Sowjet- union, gewährleistet. Er wird vielleicht dadurch gefährdet, daß kleine und kleinste Mächte an der Atomrüstung teilhaben sollen. Insofern könnte die Atomrüstung der Bundeswehr eventuell kein Beitrag zur Verteidigung der Freiheit, sondern eher ein Beitrag zur Gefährdung des Friedens durch Ausweitung der atomaren Rüstung sein. ({19}) Wir Freien Demokraten sind der Meinung: solange nur zwei oder allenfalls drei Mächte im Besitz nuklearer und thermonuklearer Waffen sind, ist die Wahrscheinlichkeit, daß eine Kontrolle noch möglich ist, größer, als wenn viele, auch kleine und kleinste Staaten in den Besitz dieser Teufelswerkzeuge kommen. Wir bejahen daher das Atommonopol der Großmächte, bis es zu einer beiderseitigen kontrollierten Abrüstung kommt. Wir sagen aber nein zu einer Atomanarchie, wie sie dann zwangsläufig eintreten muß, wenn nicht drei, sondern 30, 40 Staaten auf dieser Erde diese Teufelswerkzeuge besitzen. ({20}) Ich frage mich: Was wäre geschehen, wenn im Suezkanal-Konflikt Herr Nasser bereits über Atomwaffen hätte verfügen können? ({21}) Wäre es dann noch möglich gewesen, diesen Konflikt so zu lokalisieren, wie das geschehen ist? Was würde geschehen, wenn man Griechenland und der Türkei, die doch um Zypern manchmal erhebliche Meinungsverschiedenheiten haben, beiderseits Atomwaffen in die Hand drückte, sei es mit dem Kopf unter Verschluß oder ohne Verschluß durch amerikanische Schlüssel? Wir Freien Demokraten sagen ferner, daß wir deswegen für einen Verzicht der Bundeswehr auf die Ausrüstung mit Atomwaffen sind, wenn es handfeste Verzichtangebote der anderen Seite auf Atomwaffen in der Sowjetzone und in den anderen Ostblockstaaten gibt. Und hier liegen doch derartige Angebote vor. Wir glauben, daß man durchaus bereit sein kann, die Freiheit zu verteidigen und gleichzeitig einen Verzicht auf atomare Waffen dann zu leisten, wenn dafür eine angemessene Gegenleistung erreichbar ist. Der Bundeskanzler hat schließlich selbst einmal hier ich glaube, am ersten Tag der Aussprache - erklärt, daß die Sowjets uns einmal vom Mittelmeer her und dann von . Osteuropa her in eine Zange nähmen und daß es unsere Pflicht sei, zu versuchen, dieser Zangenbewegung zu entgehen. Da wir auf die Ereignisse im Orient wenig Einfluß haben, könnten wir nur hier in Mitteleuropa diese sowjetische Zange zurückbiegen. Und das geschieht dann, wenn wir uns und Westeuropa im Rahmen einer atomwaffenfreien und militärisch entschärften Zone soviel Disengagement, wie es so schön heißt, so viel Luft schaffen, wenn wir die Blöcke so auf Distanz bringen, daß sie sich nicht mehr in Nahkampfentfernung gegenüberliegen, wie es heute im zweigeteilten Deutschland der Fall ist. Insofern ist das, was der Herr Bundeskanzler sagte, in Wahrheit ein Argument für den Rapacki-Plan. Wir sind schließlich der Meinung, daß es dort keine Freiheit mehr gibt, wo es kein Leben gibt. Insofern haben alle Überlegungen über die Verteidigung der Freiheit ihre Grenze dort, wo sie zu einer Gefährdung des Lebens in dieser Welt überhaupt führen. Die Verteidigung ist sinnvoll, solange am Ende der Verteidigung das zu schützende Gut noch erhalten bleibt. Wenn aber am Ende der Verteidigung das zu schützende Gut vernichtet und ausgerottet ist, dann ist Verteidigung schlechthin sinnwidrig geworden. Also kann man in diesem Circulus vitiosus die makabre Situation dieser Welt nicht mehr mit militärischen Mitteln lösen, sondern nur mit politischen Mitteln. Wir glauben daß wir unterscheiden müssen zwischen der Atomwaffenabschreckung und dem Atomwaffeneinsatz. In der Phase der Atomwaffenabschreckung der beiden Giganten befinden wir uns schon seit Jahren. Dieser Phase der Abschreckung verdanken wir unseren relativen Frieden. Dieser Abschreckung dient es nicht, wenn zu dem Potential der Giganten noch unser kleines atomares Rüstungspotential hinzukommt. Die Atomwaffenabschreckung ist bereits jetzt der Garant für den Frieden auch ohne atomare Bewaffnung der deutschen Bundeswehr. Atomwaffeneinsatz dagegen ist die Phase, die zwangsläufig mit der Vernichtung des deutschen Volkes enden muß. Im Gegensatz zu dem, was der Herr Bundeskanzler erklärte: „Werden wir bei der NATO Mitglied sein, werden wir kein Schlachtfeld; sind wir aber nicht bei der NATO, so werden wir Schlachtfeld", möchte ich Ihnen noch einmal das in Erinnerung rufen, was die amtliche Ausgangslage des in diesen Tagen stattfindenden Manövers „Blauer Löwe" - Lion bleu - ist. Diese Ausgangslage deckt sich im wesentlichen mit der Ausgangslage zu den Atommanövern „Cäsar" und „Schwarzer Löwe" - Lion noir - vor Jahresfrist. ({22}) - Bitte, hören Sie genau zu! ({23}) - Als der Kollege Bucher Ihnen das schon heute mittag bekanntgab, haben Sie sich ja zum Genuß des Bundeswirtschaftswunders ins Restaurant begeben und ihm nicht zugehört. Darum ist es gut, wenn ich noch einmal zitiere - man kann es gar nicht häufig genug hören -, was die amtliche Ausgangslage dieses Manövers ist: ({24}) Mehrere westdeutsche Großstädte -- so besagt die Ausgangslage der NATO waren schwer getroffen worden. Frankfurt war verwüstet, in Hamburg und Bremen hatten die sowjetischen Atomwaffen große Zerstörungen angerichtet, die Häfen der beiden Hansestädte waren unbrauchbar geworden. Auch Köln mit seinen Rheinbrücken war stark zerstört. Ein riesiger Flüchtlingsstrom ergoß sich aus den getroffenen und gefährdeten Großstädten der Bundesrepublik auf das Land. ({25}) Sowjetische Streitkräfte waren in Norwegen gelandet und drangen in Griechenland ein. In Deutschland überschritten sie die Zonengrenze an mehreren Stellen. Am frühen Abend des Mittwochs letzter Woche standen die sowjetischen Panzerkeile, die aus Thüringen vorgestoßen waren, wenige Kilometer vor dem brennenden Frankfurt. Starke sowjetrussische Panzerspitzen operierten im Raum zwischen Elbe und Weser. Schleswig-Holstein war von den übrigen Teilen der Bundesrepublik abgeschnitten. Die NATO-Truppen hatten durch den sowjetischen Atomschlag schwere Verluste erlitten. Von den schwachen Verbänden der Bundeswehr, die schon aufgestellt sind, waren nur noch Reste einsatzfähig. Zusammen mit ihren NATO-Verbündeten zogen sie sich langsam vor dem nachdrängenden Gegner zurück. ({26}) Angesichts dieser Lage gab das atlantische Hauptquartier den Befehl, ebenfalls Atomwaffen einzusetzen. Bis zum Abend des Mittwochs letzter Woche waren über Mitteleuropa insgesamt mehr als hundert Atombomben abgeworfen worden. Die strategische Luftwaffe Amerikas und Englands hatte begonnen, über strategisch wichtigen Punkten der Sowjetunion Atombomben abzuwerfen. Das, meine Damen und Herren, ist die Ausgangslage der NATO für das Manöver „Schwarzer Löwe" und ähnlich auch für das in diesen Tagen laufende Manöver „Blauer Löwe". ({27}) - An Hand der Zwischenrufe kann ich feststellen, Herr Kollege Hellwig, daß Ihnen die Ausgangslage dieses Manövers höchst unangenehm ist. ({28}) Ich pflege Manöverlagen nicht zu überschätzen; ich pflege sie auch nicht zu unterschätzen. Wer aber das apokalyptische Bild, das diese Ausgangslage zum Inhalt hat, mit einigen Zwischenrufen und einer Handbewegung abtun zu müssen glaubt, der gleicht nach meiner Überzeugung jenen Narren, die im Jahre 1943 im Berliner Sportpalast riefen: Wollt ihr den totalen Krieg? Wir wollen den totalen Krieg! ({29}) Wir Freien Demokraten glauben, daß man nicht bis zu einer allgemeinen und kontrollierten Abrüstung warten muß.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Einen Augenblick, Herr Abgeordneter Dr. Mende! Die Christlich-Demokratische Union hat Ihnen 15 Minuten Redezeit überlassen. Sie reden jetzt etwa 30 Minuten. Ich bitte Sie, zum Schluß zu kommen. ({0})

Dr. Erich Mende (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001467, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident, mir wird erst in diesem Augenblick bewußt, daß ich ein Danaergeschenk erhalten habe. Hätte ich gewußt, daß ich von der CDU/CSU abgetretene Minuten ausnutze, hätte ich von dieser Barmherzigkeit keinen Gebrauch gemacht. ({0}) Ich habe vielmehr his zu diesem Augenblick geglaubt, daß ich als Fragesteller das Recht habe, das Schlußwort zu sprechen, es sei denn, Sie führen in die Geschäftsordnung eine neue Regelung ein: Ob und wann Abgeordnete der Opposition sprechen, bestimmt die Mehrheit der CDU. ({1})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Einen Augenblick! Herr Abgeordneter Dr. Mende, Ihre Fraktionsgeschäftsführung war davon unterrichtet. Ich bedaure, daß sie Sie darüber nicht informiert hat. Der § 26 der Geschäftsordnung schließt die Annahme aus, von der Sie offensichtlich ausgegangen sind.

Dr. Erich Mende (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001467, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Vielen Dank, Herr Präsident! Ich werde auch sofort schließen; denn ich möchte nicht auf Gnade und Barmherzigkeit der Mehrheitsfraktion angewiesen sein. Der Bundesverteidigungsminister hat ferner gefragt, ob die Opposition die Atombewaffnung bis zu einer allgemeinen und kontrollierten Abrüstung anerkennt oder ob einem atomar bewaffneten Gegner mit konventionellen Waffen entgegengetreten werden soll. Wir Freien Demokraten erklären: Es ist nicht notwendig, die Atombewaffnung bis zum Zeitpunkt der allgemeinen und kontrollierten Abrüstung durchzuführen, solange bereits die reale Chance einer regionalen und kontrollierten begrenzten Abrüstung im Sinne des Schlußkommuniqués der Pariser NATO-Konferenz besteht. Die Bundesregierung hat nach unserer Auffassung den Standpunkt der Pariser NATO-Konferenz verlassen, wenn sie alles auf die Karte einer allgemeinen und kontrollierten Abrüstung setzt und die realen Möglichkeiten der begrenzten und kontrollierten Abrüstung, wie sie der Rapacki-Plan bietet, nicht wahrnimmt. Der Plan einer atomwaffenfreien Zone in Mitteleuropa ist ein Akt der regionalen begrenzten und kontrollierten Abrüstung. Er wird leider möglicherweise durch eine Atombewaffnung der Bundeswehr torpediert werden. Schließlich weisen wir darauf hin, daß die Regierung durch die Zustimmung zum Rapacki-Plan ja keine Vorleistung anbietet. Jeder Mensch weiß, daß für die Freimachung eines Raumes von 400 km in einer atomwaffenfreien Zone in Westdeutschland 800 km in Osteuropa frei gemacht werden. Hier liegt also keine einseitige Vorleistung vor. Wir sind schließlich der Meinung, daß wir unsere Pflicht gegenüber den Menschen in der Sowjetzone und den Völkern Osteuropas in grober Weise vernachlässigen würden, wenn wir die Sowjets nicht beim Wort nähmen, nämlich beim Wort der Bulganinschen Note vom Dezember 1957, nach der die Sowjets zum Abzug der Truppen aus Mittel-und Osteuropa bereit sind, wenn die alliierten Truppen gleichzeitig aus der Bundesrepublik abziehen. Wer die Freiheit für die Mitteldeutschen und die osteuropäischen Völker wünscht, aber nicht bereit ist, zur Befreiung dieser Völker diese Chance wahrzunehmen, der muß sich sagen lassen, daß seine Freiheitsparolen unglaubwürdig sind. Lassen Sie mich zum Schluß eine Ihnen nahestehende Zeitung zitieren, um Ihnen zu sagen, wie sehr die heutige Frage der atomaren Bewaffnung gleichzeitig mit der möglichen Schlußphase der deutschen Wiedervereinigung verbunden sein kann. Diese Zeitung schreibt - ich darf mit Genehmigung des Präsidenten zitieren -: Eine Atombewaffnung in Westdeutschland muß nicht nur zu einer verstärkten Konzentrierung sowjetischer Atomwaffen in Osteuropa, son1150 dern auf die Dauer auch zu einer von der Sowjetunion kontrollierten atomaren Aufrüstung der osteuropäischen Armeen führen. Diese Armeen würden ja demoralisiert werden, wenn sie einer atombewaffneten westdeutschen Armee nicht entsprechend gerüstet gegenüberstehen würden. Der ganze Vorgang müßte zu einer gewaltigen militärischen Aufwertung des zentraleuropäischen Raumes führen. Die Atommächte - so heißt es würden sich links und rechts der Elbe festkrallen und die Teilung damit nach den Worten der Londoner „Times" für Generationen permanent machen. Denn es wäre ja wohl eine Illusion, - so schreibt die „Stuttgarter Zeitung" zu erwarten, daß die einmal mit Atomwaffen ausgerüsteten Armeen und Staaten diese Waffen freiwillig wieder abgäben und aus politischer Einsicht und Selbstlosigkeit zur militärisch zweitrangigen Macht herabsteigen würden. Wenn wir der Versuchung, diese Waffen anzuschaffen, heute nicht widerstehen können, werden wir sie nie wieder los, und damit könnte ein Schlußwort zur deutschen Wiedervereinigung gesprochen sein. Denn ein atomar bewaffnetes Gesamtdeutschland innerhalb oder außerhalb der NATO wäre zweifellos für die Sowjets noch weit weniger akzeptabel als der konventionell bewaffnete Staat, vor dem sie sich schon bisher grauten. Wer daher den Atomwaffen der Bundeswehr zustimmt, schlägt die Tür zur Wiedervereinigung mit einem lauten Atomknall zu! ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Meine Damen und Herren, damit ist die Aussprache geschlossen. Zunächst habe ich der Pflicht des Präsidenten zu genügen und auf Grund des Protokolls noch einige Ordnungsstrafen für Ordnungswidrigkeiten in der Sitzung vom 22. März zu verhängen. Während ich präsidiert habe, hat Herr Abgeordneter Wacher dem Herrn Abgeordneten Schmidt ({0}) zugerufen: „Billiger Jakob!". Dafür erteile ich eine Rüge. Dem Herrn Abgeordneten Ehren erteile ich einen Ordnungsruf für den Zuruf an den Abgeordneten Schmidt ({1}) : „Frechster Lümmel des Hauses!" Dem Abgeordneten Majonica erteile ich einen Ordnungsruf, weil er dem Herrn Abgeordneten Schmidt ({2}) zugerufen hat: „Sie sind eine Beleidigung gegen das ganze Haus!". Die Sache würde anders stehen, wenn Sie nur gesagt hätten: „Beleidigung!". Dem Herrn Abgeordneten Seffrin erteile ich einen Ordnungsruf wegen eines Zurufs gegen den Herrn Abgeordneten Schmidt ({3}) : „Totengräber der Demokratie!". Dem Herrn Abgeordneten Neubauer erteile ich einen Ordnungsruf wegen des Zurufs an den Herrn Abgeordneten Kiesinger: „Brunnenvergifter!". Hätte er gesagt „Brunnenvergiftung", wäre es anders. Damit, meine Damen und Herren, ist dieses traurige Kapitel abgeschlossen. Ich teile noch mit, daß auf Grund einer interfraktionellen Vereinbarung der Punkt 3 unserer Tagesordnung Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu den Vereinbarungen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und den Regierungen der Vereinigten Staaten von Amerika, des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland, der Republik Frankreich, des Königreichs Dänemark, des Königreichs der Niederlande und des Königreichs Belgien über gegenseitige Hilfe gemäß Artikel 3 des Nordatlantik-Vertrages ({4}) abgesetzt ist. Meine Damen und Herren, ich unterbreche die Sitzung bis 22.40 Uhr. ({5}) - Eine Stunde war vereinbart. Wenn 22.30 Uhr reicht, um so besser! Dann bis 22.30 Uhr. Alle Fraktionen haben mich gebeten, mitzuteilen, daß sie Fraktionssitzung haben. Meine Damen und Herren! Zur Vereinfachung der Arbeit schlage ich vor, daß wir nachher uns nicht in die schwierige Frage stürzen und lange debattieren, welches im Zweifelsfall der weitergehende Antrag ist. Die Situation liegt verhältnismäßig einfach. Ich schlage vor, daß wir nach den Umdrucknummern von 33 bis 46 abstimmen. Ich nehme an, daß keine weiteren Anträge eingehen werden. Umdruck 33 bis 46, - in dieser Reihenfolge wird also nachher abgestimmt. Ich unterbreche die Sitzung bis 22.30 Uhr. ({6})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Wir kommen zu den Abstimmungen. ({0}) - Zu einer Erklärung zur Abstimmung hat Herr Abgeordneter Ollenhauer das Wort.

Erich Ollenhauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001646, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hat soeben die Einbringung eines Entwurfs eines Gesetzes zur Volksbefragung wegen einer atomaren Ausrüstung der Bundeswehr beschlossen. Der Antrag wird also eingebracht. In diesem Gesetzentwurf wird vorgeschlagen, in einer Frist von drei Monaten eine Volksbefragung durchzuführen. Jeder Wahlberechtigte kann folgende Fragen beantworten: 1. Sind Sie einverstanden, daß deutsche Streitkräfte mit atomaren Sprengkörpern ausgerüstet werden? 2. Sind Sie einverstanden, daß in Deutschland Abschußeinrichtungen für atomare Sprengkörper angelegt werden? Wir werden später Gelegenheit haben, hier in diesem Hohen Hause über diesen Gesetzentwurf zu sprechen. Zu der jetzt bevorstehenden Abstimmung möchte ich im Namen der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion folgende Erklärung abgeben. Die seit dreizehn Jahren fortschreitende Spaltung Deutschlands mit ihren schweren Gefahren, das Ausbleiben eines Friedensvertrags mit einem einheitlichen deutschen Staat und die Entschlossenheit der gegenwärtigen Bundesregierung, die Bundeswehr atomar auszurüsten, drohen zum nationalen Notstand zu führen. ({0}) Angesichts dieser drohenden Gefahr behält sich die sozialdemokratische Bundestagsfraktion weitere Maßnahmen vor. ({1}) Sie wird ihre Schritte diesem Hause zur Kenntnis bringen oder entsprechende Anträge oder Gesetzentwürfe vorlegen. ({2})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Meine Herren, ich bitte, Ruhe zu bewahren. Das Wort zur Abstimmung hat Herr Abgeordneter Dr. Mende.

Dr. Erich Mende (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001467, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe die Ehre, namens der Freien Demokratischen Partei zur Abstimmung folgende Erklärung abzugeben. Der Deutsche Bundestag hat vier Tage lang darum gerungen, ob der Friede Deutschlands auf dem Wege über eine Politik des entspannenden Ausgleichs zwischen Ost und West gesucht werden soll oder ob es der abschreckenden Wirkung deutscher Atomwaffen zur Sicherung des Friedens bedarf. Wir sind vor die schwerste Entscheidung der Nachkriegszeit gestellt, ohne daß die eine Seite die andere Seite des Hauses zu überzeugen vermag. In dieser Zweiteilung liegt eine tödliche Gefahr für die Nation, deren Einheit und Existenz auf dem Spiele steht. Die Freien Demokraten sprechen in dieser Stunde die ernste Mahnung aus, daß sich die Parteien des Parlaments zu dem Entschluß zusammenfinden mögen, das Trennende zurückzustellen und gemeinsam die Verantwortung für die Entscheidungen der Bundesrepublik zu übernehmen. Unter einem Bundeskanzler, der der stärksten Fraktion dieses Hauses entstammt und der den Willen und die Eignung für eine gemeinsame Deutschlandpolitik besitzt, sollte eine Regierung gebildet werden, die folgendes Programm des nationalen Notstands ausführt: Erstens eine deutsche Initiative bei den Vier Mächten mit dem Ziele, die Erörterung der Grundsätze eines Vertrages für Gesamtdeutschland - eines deutschen Friedensvertrages - auf einer Gipfelkonferenz sicherzustellen; zweitens Vorbereitung der Teilnahme deutscher Vertreter an einer Gipfelkonferenz mit beratender Stimme; drittens im Einvernehmen mit unseren Verbündeten Annahme des Verhandlungsangebots der polnischen Regierung über eine atomwaffenfreie Zone in Mitteleuropa; viertens Wahrung der vertraglichen Verpflichtungen der Bundesrepublik und Verständigung mit den Verbündeten über die Berücksichtigung der besonderen Lage des gespaltenen Deutschlands im Rahmen des Bündnissystems; fünftens breiteste Vertrauensgrundlage für die Maßnahmen der Regierung durch enge Zusammenarbeit mit dem Parlament und durch sorgfältige Unterrichtung. Falls die Voraussetzungen für die Durchführung eines solchen Programms geschaffen werden, wird sich die Freie Demokratische Partei der Verantwortung für eine solche Politik nicht verschließen. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort zu einer Erklärung zur Abstimmung hat Herr Abgeordneter Dr. Krone.

Dr. Heinrich Krone (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001225, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Meine Damen und Herren! Ich habe nicht vor, zur Abstimmung noch eine Erklärung abzugeben, aber das, was soeben der Herr Kollege Mende ausgeführt hat, verlangt es, daß ich mit ganz wenigen Worten darauf zurückkomme. Meine Damen und Herren, das deutsche Volk hat im September entschieden, wer hier im Hause die Mehrheit hat und wer nicht. ({0}) Die sogenannten Freien Demokraten sollten diesen freien Entschluß des deutschen Volkes respektieren. ({1}) Dieses „Programm für einen nationalen Notstand" und eine neue Regierung, der die Freien Demokraten gnädigst beitreten wollen, ist nicht anderes als Höhenwahn. ({2})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Eine weitere Erklärung zur Abstimmung? - Herr Abgeordneter Schneider ({0}).

Herbert Schneider (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002045, Fraktion: Deutsche Partei (DP)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Namens der Fraktion der Deutschen Partei habe ich folgendes zu erklären. Wir haben unsere Entscheidungen nach ernsthaftester Gewissensprüfung getroffen. Wir gedenken nicht, eine Politik der Illusionen zu betreiben, sondern nach den Maßstäben der Nüchternheit unsere klaren politischen Richtlinien zur Geltung zu bringen. Wir werden alles tun, was der Entspannung, dem Frieden und der Freiheit dient, so wie es in der großen Debatte dieses Hauses in den letzten Tagen aus dem Munde der Sprecher der Regierungskoalition zum Ausdruck gekommen ist. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Weitere Erklärungen werden nicht abgegeben? - Ich eröffne die Abstimmung. Wir kommen zunächst zu Umdruck 33, Antrag der Fraktion der FDP. Herr Abgeordneter Majonica beantragt die Überweisung an den Auswärtigen Ausschuß. ({0}) Der Antrag auf Ausschußüberweisung geht allen anderen Anträgen vor. Ich lasse darüber abstimmen. Wer diesem Antrag auf Ausschußüberweisung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig überwiesen. Wir kommen zu Umdruck 34, Antrag der Fraktion der FDP. ({1}) - Der Herr Abgeordnete Bucher beantragt getrennte Abstimmung nach Ziffern. Ich rufe zunächst die Ziffer 1 des Antrags auf Umdruck 34 auf. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das letzte ist die Mehrheit; die Ziffer 1 ist abgelehnt. Ziffer 2! ({2}) - Zu Ziffer 2 des Umdrucks 34 ist namentliche Abstimmung beantragt. Der Antrag ist zulässig und ausreichend unterstützt. ({3}) - Die Unterstützung ist angezweifelt? - Ich stelle fest: Der Antrag auf namentliche Abstimmung ist ausreichend unterstützt. Wir treten in die Abstimmung ein. Meine Damen und Herren, ich frage, ob jemand im Saale ist, der seine Stimmkarte noch nicht abgegeben hat. - Ich schließe die Abstimmung. Ich teile das Ergebnis der namentlichen Abstimmung mit. Mit Ja haben gestimmt 194 uneingeschränkt stimmberechtigte Mitglieder des Hauses und 11 Berliner Abgeordnete. Mit Nein haben gestimmt 267 uneingeschränkt stimmberechtigte Mitglieder des Hauses und 8 Berliner Abgeordnete. Enthalten hat sich niemand. Damit ist der Antrag Umdruck 34 Ziffer 2 abgelehnt. Ja SPD Frau Albertz Altmaier Dr. Arndt Auge Bading Dr. Bärsch Bäumer Bals Bauer ({4}) Baur ({5}) Bazille Behrendt Behrisch Frau Bennemann Bergmann Berkhan Berlin Bettgenhäuser Frau Beyer ({6}) Birkelbach Dr. Bleiß Börner Dr. Brecht Bruse Büttner Corterier Cramer Dr. Deist Dewald Diekmann Frau Döhring ({7}) Dopatka Dröscher Frau Eilers ({8}) Erler Eschmann Faller Franke Dr. Frede Frehsee Frenzel Geiger ({9}) Geritzmann Gleisner ({10}) Dr. Greve Haage Hamacher Hansing Hauffe Heide Dr. Dr. Heinemann Heinrich Hellenbrock Frau Herklotz Hermsdorf Herold Höhmann Höhne Hörauf Hufnagel Iven ({11}) Jacobi Jacobs Jahn ({12}) Jaksch Junghans Kalbitzer Frau Keilhack Frau Kettig Keuning Kinat Könen ({13}) Koenen ({14}) Frau Korspeter Kraus Dr. Kreyssig Kriedemann Kühn ({15}) Kurlbaum Lange ({16}) Lantermann Leber Lohmar Ludwig Lücke ({17}) Lünenstraß Maier ({18}) Marx Matzner Meitmann Dr. Menzel Merten Metter Metzger Dr. Meyer ({19}) Meyer ({20}) Frau Meyer-Laule Müller ({21}) Müller ({22}) Müller ({23}) Frau Nadig Odenthal Peters Pöhler Pohle Prennel Priebe Pütz Pusch Rasch Dr. Ratzel Regling Rehs Reitz Reitzner Frau Renger Ritzel Rohde Frau Rudoll Ruhnke Dr. Schäfer Frau Schanzenbach Dr. Schmid ({24}) Dr. Schmidt ({25}) Schmidt ({26}) Schmitt ({27}) Schoettle Schreiner Schröder ({28}) Seidel ({29}) Seither Seuffert Stenger Stierle Sträter Frau Strobel Theis Wagner Walpert Wegener Wehner Wehr Welke Welslau Weltner ({30}) Frau Wessel Wienand Wischnewski Wittrock Zühlke FDP Dr. Bucher Dr. Dahlgrün Dr. Dehler Frau Dr. Diemer-Nicolaus Döring ({31}) Dowidat Dürr Glahn Graaff Dr. Hoven Keller Köhler Kreitmeyer Kühn ({32}) Margulies Mauk Mischnick Dr. Rutschke Sander Scheel Schultz Spitzmüller Stahl Walter Weber ({33}) DP Eisenmann Logemann Berliner Abgeordnete SPD Frau Berger-Heise Dr. Königswarter Frau Krappe Mattick Neubauer Scharnowski Dr. Schellenberg Schröter ({34}) Schütz ({35}) Dr. Seume Frau Wolff ({36}) Nein CDU/CSU Frau Ackermann Graf Adelmann Dr. Aigner Arndgen Dr. -Ing. e. h. Arnold Baier ({37}) Baldauf Dr. Balke Balkenhol Dr. Bartels Dr. Barzel Bauer ({38}) Bauereisen Bausch Dr. Becker ({39}) Becker ({40}) Berberich Berendsen Berger Dr. Bergmeyer Dr. Besold Dr. Birrenbach Fürst von Bismarck Blank Frau Dr. Bleyler Blöcker Frau Blohm von Bodelschwingh Brand Frau Brauksiepe Brese Frau Dr. Brökelschen Brück Dr. Bucerius Bühler Dr. Burgbacher Burgemeister Caspers Cillien Dr. Conring Dr. Czaja Demmelmeier Deringer Diebäcker Diel ({41}) Dr. Dittrich Dr. Dollinger Drachsler Draeger Dr. Dresbach Ehren Eichelbaum Engelbrecht-Greve Frau Engländer Enk Etzenbach Dr. Even ({42}) Finckh Dr, Franz Franzen Dr. Frey Dr. Fritz ({43}) Fritz ({44}) Fuchs Dr. Furler Frau Dr. Gantenberg Gaßmann Gedat Gehring Geiger ({45}) Frau Geisendörfer Gerns Gewandt Gebbert Giencke Dr. Gleissner ({46}) Glüsing ({47}) Gockeln Dr. Görgen Dr. Götz Goldhagen Gontrum Dr. Gossel Günther Freiherr zu Guttenberg Hackethal Hahn Frau Hamelbeck Dr. von Haniel-Niethammer Harnischfeger Dr. Heck ({48}) Heix Dr. Hellwig Dr. Hesberg Hesemann Heye Hilbert Dr. Höck ({49}) Höfler Holla Hoogen Horn Huth Dr. Huys Illerhaus Dr. Jaeger Jahn ({50}) Dr. Jordan Josten Dr. Kanka Katzer Kemmer Dr. Kempfler Kiesinger Kirchhoff Klausner Dr. Kliesing ({51}) Knobloch Dr. Knorr Koch Kraft Kramel Krammig Kroll Krüger Krug Frau Dr. Kuchtner Kühlthau Kunst Kuntscher Lang ({52}) Leicht Dr. Leiske Lenz ({53}) Lenze ({54}) Leonhard Lermer Dr. Leverkuehn Dr. Lindrath Dr. Löhr Dr. h. c. Lübke Lücke ({55}) Lücker ({56}) Maier ({57}) Majonica Dr. Baron Manteuffel-Szoege Dr. Martin Maucher Memmel Mengelkamp Menke Mensing Meyer ({58}) Dr. Meyers ({59}) Mick Muckermann Mühlenberg Müller-Hermann Müser Nieberg Neuburger Nellen Niederalt Frau Niggemeyer Dr. Oesterle Oetzel Frau Dr. Panhoff Pernoll Dr. h. C. Pferdmenges Dr. Pflaumbaum Dr. Philipp Pietscher Frau Pitz-Savelsberg Frau Dr. Rehling Dr. Reinhard Dr. Reith Richarts Riedel ({60}) Frau Rösch Rösing Dr. Rüdel ({61}) Ruf Ruland Schäffer Scharnberg Scheppmann Schlee Schlick Dr. Schmidt ({62}) Frau Schmitt ({63}) Schmücker Schneider ({64}) Schüttler Schulze-Pellengahr Schwarz Frau Dr. Schwarzhaupt Dr. Seffrin Seidl ({65}) Dr. Serres Siebel Dr. Siemer Simpfendörfer Solke Spies ({66}) Spies ({67}) Stauch Dr. Stecker Stiller Dr. Stoltenberg Storch Dr. Storm ({68}) Storm ({69}) Strauß Stücklen Sühler Teriete Dr. Toussaint Unertl Varelmann Vehar Dr. Vogel Wacher Dr. Wahl Dr. Weber ({70}) Wehking Weimer Weinkamm Frau Welter ({71}) Wendelborn Dr. Werber Wieninger Dr. Wilhelmi Dr. Willeke Windelen Winkelheide Dr. Winter Wittmann Wittmer-Eigenbrodt Dr. Wolff ({72}) Worms Dr. Wuermeling Wullenhaupt Dr. Zimmer Dr. Zimmermann DP Dr. Elbrächter Euler Matthes Dr. von Merkatz Dr. Preiß Dr. Preusker Probst ({73}) Dr. Schild Schneider ({74}) Dr. Schranz Dr. Steinmetz Tobaben Berliner Abgeordnete CDU/CSU Benda Dr. Friedensburg Dr. Gradl Lemmer Frau Dr. Maxsein Stingl Hübner

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Ich rufe auf die Ziffer 3 des Antrags der Fraktion der FDP auf Umdruck 34. - Es wird Überweisung an den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten beantragt. Wer diesem Vorschlag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Die Überweisung ist abgelehnt. Wir kommen nun zur Abstimmung über die Ziffer 3 selbst. Wer ihr zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; Ziffer 3 ist abgelehnt. Wir kommen zu Ziffer 4. Ausschußüberweisung ist hier nicht beantragt; wir stimmen also ab. Wer der Ziffer 4 zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einer Enthaltung angenommen. Ziffer 5! Was wird hier beantragt? ({0}) - Ich frage zur Vorsicht, ob dieser Antrag ausreichend unterstützt ist. - Er ist unterstützt. ({1}) - Einen Moment, jetzt sind wir gerade in der Abstimmung. ({2}) - Nein, Herr Abgeordneter Schneider ({3}), Sie bekommen nachher das Wort zur Geschäftsordnung in der Hoffnung, daß sich die Debatte dadurch nicht kompliziert. Jetzt müssen wir erst einmal die Abstimmung zu Ende bringen. Zu Ziffer 5 ist wiederum namentliche Abstimmung beantragt. ({4}) - Bitte, Herr Abgeordneter Friedensburg!

Dr. Dr. h. c. Ferdinand Friedensburg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000587, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf darauf aufmerksam machen, daß es bei diesen allgemeinen Resolutionen bisher nicht üblich und meiner Ansicht nach auch nicht notwendig gewesen ist, zwischen den Berliner Abgeordneten und den übrigen zu unterscheiden. Ich meine, das könnten wir so fortführen. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Meine Damen und Herren, ich schlage vor, dem Kollegen Friedensburg zuzustimmen. Wir haben die Berlin-Klausel immer denkbar extensiv ausgelegt. Ich empfehle, das in diesem Fall auch im 3. Bundestag so zu handhaben. Herr Kollege Friedensburg, bei Gesetzgebungsmaßnahmen ist das selbstverständlich ausgeschlossen. Ich stelle fest, daß das Haus damit einverstanden ist. Wir werden also bei Abstimmungen dieser Art nicht mehr zwischen uneingeschränkt stimmberechtigten und Berliner Abgeordneten unterscheiden. ({0}) - Herr Abgeordneter Wehner, der Zuruf: „Wie es gerade paßt!" ist vollkommen unberechtigt. Wir folgen hier einer klaren und wohlbegründeten Rechtsübung im Hause. Ich bitte, das nicht für suspekt zu erklären. Zur Abstimmung Herr Abgeordneter Schneider.

Herbert Schneider (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002045, Fraktion: Deutsche Partei (DP)

Herr Präsident! Mein- Damen und Herren! In Punkt 5 des uns vorliegenden Umdrucks 34 sind zwei vollkommen verschiedene Probleme angesprochen. Es gibt von unserem Standpunkt aus die Möglichkeit, die Ziffer 5 abzulehnen oder - was wir lieber möchten - sie dem Ausschuß zur Beratung zu überweisen. Der erste Satz würde ohne weiteres unsere Zustimmung finden. Uber den zweiten Satz müßte aber noch eine Beratung stattfinden.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Es liegt jetzt Antrag auf Ausschußüberweisung vor. Er geht in jedem Falle vor. Ich lasse zunächst über die Ausschußüberweisung abstimmen. Wer dem Antrag auf Ausschußüberweisung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen ist die Überweisung der Ziffer 5 an den Auswärtigen Ausschuß beschlossen. Umdruck 35, Antrag der Fraktion der FDP! - Herr Abgeordneter Majonica!

Ernst Majonica (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001416, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Namens der CDU/CSU-Fraktion bitte ich um Ablehnung dieses Antrags.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Es liegt also kein Antrag auf Überweisung an den Auswärtigen Ausschuß vor. Wir stimmen über den Antrag Umdruck 35 ab. Wer dem Antrag zustimmen will, . den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das zweite war die Mehrheit; der Antrag der Fraktion der FDP Umdruck 35 ist abgelehnt. Wir kommen zum Umdruck 36, Antrag der Fraktion der SPD.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001529, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wir beantragen hierzu namentliche Abstimmung.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Die Fraktion der SPD beantragt namentliche Abstimmung. Der Antrag ist ausreichend unterstützt. - Die Abstimmung beginnt. Ich frage, ob alle Mitglieder des Hauses ihre Stimmkarte abgegeben haben. - Die Abstimmung ist geschlossen. Das Ergebnis der namentlichen Abstimmung liegt nunmehr vor. Mit Ja haben gestimmt 193 Mitglieder des Hauses, mit Nein. 268 Mitglieder des Hauses. Der Antrag ist somit abgelehnt. Ja CDU/CSU Nellen SPD Frau Albertz Altmaier Dr. Arndt Auge Bading Dr. Bärsch Bäumer Bals Bauer ({0}) Baur ({1}) Bazille Dr. Bechert Behrendt Behrisch Frau Bennemann Bergmann Berkhan Berlin Bettgenhäuser Frau Beyer ({2}) Birkelbach Dr. Bleiß Börner Dr. Brecht Bruse Büttner Corterier Cramer Dr. Deist Dewald Diekmann Frau Döhring ({3}) Dopatka Dröscher Frau Eilers ({4}) Erler Eschmann Faller Franke Dr. Frede Frehsee Frenzel Geiger ({5}) Geritzmann Gleisner ({6}) Dr.. Greve Haage Hamacher Hansing Hauffe Heide Dr. Dr. Heinemann Heinrich Hellenbrock Hermsdorf Herold Höhmann Höhne Hörauf Hufnagel Iven ({7}) Jacobi Jacobs Jahn ({8}) Jaksch Junghans Kalbitzer Frau Keilhack Frau Kettig Keuning Kinat Könen ({9}) Koenen ({10}) Frau Korspeter Kraus Dr. Kreyssig Kriedemann Kühn ({11}) Kurlbaum Lange ({12}) Lantermann Leber Lohmar Ludwig Lücke ({13}) Lünenstraß Maier ({14}) Marx Matzner Meitmann Dr. Menzel Merten Metter Metzger Dr. Meyer ({15}) Meyer ({16}) Frau Meyer-Laule Müller ({17}) Müller ({18}) Müller ({19}) Frau Nadig Odenthal Ollenhauer Peters Pöhler Pohle Prennel Priebe Pütz Pusch Rasch Dr. Ratzel Regling Rehs Reitz Reitzner Frau Renger Ritzel Rohde Frau Rudoll Ruhnke Dr. Schäfer Frau Schanzenbach Dr. Schmid ({20}) Dr. Schmidt ({21}) Schmidt ({22}) Schmitt ({23}) Schoettle Schreiner Schröder ({24}) Seidel ({25}) Seither Seuffert Stenger Stierle Sträter Frau Strobel Theis Wagner Walpert Wegener Wehner Wehr Welke Welslau Weltner ({26}) Frau Wessel Wienand Wischnewski Wittrock Zühlke FDP Dr. Bucher Dr. Dahlgrün Dr Dehler Frau Dr. Diemer-Nicolaus Döring ({27}) Dowidat Dürr Glahn Graaff Dr. Hoven Keller Köhler Dr. Kohut Kreitmeyer Kühn ({28}) Margulies Mauk Dr. Mende Mischnick Dr. Rutschke Sander Scheel Spitzmüller Stahl Walter Weber ({29}) Berliner Abgeordnete SPD Frau Berger-Heise Dr. Königswarter Frau Krappe Mattick Neubauer Scharnowski Dr. Schellenberg Schröter ({30}) Schütz ({31}) Dr: Seume Frau Wolff ({32}) Nein CDU/CSU Frau Ackermann Graf Adelmann Dr. Aigner Arndgen Dr.-Ing. e. h. Arnold Baier ({33}) Baldauf Dr. Balke Balkenhol Dr. Bartels Dr. Barzel Bauer ({34}) Bauereisen Bausch Dr. Becker ({35}) Becker ({36}) Berberich Berendsen Berger Dr. Bergmeyer Dr. Besold Dr. Birrenbach Fürst von Bismarck Blank Frau Dr. Bleyler Blöcker Frau Blohm von Bodelschwingh Brand Frau Brauksiepe Brese Frau Dr. Brökelschen Brück Dr. Bucerius Bühler Dr. Burgbacher Burgemeister Caspers Cillien Dr. Conring Dr. Czaja Demmelmeier Deringer Diebäcker Diel ({37}) Dr. Dittrich Dr. Dollinger Drachsler Draeger Dr. Dresbach Ehren Eichelbaum Engelbrecht-Greve Frau Engländer Enk Etzenbach Dr. Even ({38}) Finckh Dr. Franz Franzen Dr. Frey Dr. Fritz ({39}) Fritz ({40}) Fuchs Dr. Furler Frau Dr. Gantenberg Gaßmann Gedat Gehring Geiger ({41}) Frau Geisendörfer Gerns D. Dr. Gerstenmaier Gewandt Gibbert Giencke Dr. Gleissner ({42}) Glüsing ({43}) Gockeln Dr. Görgen Dr. Götz Goldhagen Gontrum Dr. Gossel Günther Freiherr zu Guttenberg Hackethal Hahn Frau Hamelbeck Dr. von Haniel-Niethammer Harnischfeger Dr. Heck ({44}) Heix Dr. Hellwig Dr. Hesberg Hesemann Heye Hilbert Dr. Höck ({45}) Höfler Holla Hoogen Horn Huth Dr. Huys Illerhaus Jahn ({46}) Dr. Jordan Josten Dr. Kanka Katzer Kemmer Dr. Kempfler Kiesinger Kirchhoff Klausner Dr. Kliesing ({47}) Knobloch Dr. Knorr Koch Kraft Kramel Krammig Kroll Krüger Krug Frau Dr. Kuchtner Kühlthau Kunst Kuntscher Lang ({48}) Leicht Dr. Leiske Lenz ({49}) Lenze ({50}) Leonhard Lermer Dr. Leverkuehn Dr. Lindrath Dr. Löhr Dr. h. c. Lübke Lücke ({51}) Lücker ({52}) Maier ({53}) Majonica Dr. Baron Manteuffel-Szoege Dr. Martin Maucher Memmel Mengelkamp Menke Mensing Meyer ({54}) Dr. Meyers ({55}) Mick Mühlenberg Müller-Hermann Müser Neuburger Nieberg Niederalt Frau Niggemeyer Dr. Oesterle Oetzel Frau Dr. Panhoff Pernoll Dr. h. c. Pferdmenges Dr. Pflaunbaum Dr. Philipp Pietscher Frau Pitz-Savelsberg Rasner Dr. Reinhard Dr. Reith Richarts Riedel ({56}) Frau Rösch Rösing Dr. Rüdel ({57}) Ruf Ruland Schäffer Scharnberg Scheppmann Schlee Schlick Dr. Schmidt ({58}) Frau Schmitt ({59}) Schmücker Schneider ({60}) Schüttler Schulze-Pellengahr Schwarz Frau Dr. Schwarzhaupt Dr. Seffrin Seidl ({61}) Dr. Serres Siebel Dr. Siemer Simpfendörfer Solke Spies ({62}) Spies ({63}) Stauch Dr. Stecker Stiller Dr. Stoltenberg Storch Dr. Storm ({64}) Storm ({65}) Strauß Stücklen Sühler Teriete Dr. Toussaint Unertl Varelmann Vehar Dr. Vogel Wacher Dr. Wahl Dr. Weber ({66}) Wehking Weimer Weinkamm Frau Welter ({67}) Wendelborn Dr. Werber Wieninger Dr. Wilhelmi Dr. Willeke Windelen Winkelheide Dr. Winter Wittmann Wittmer-Eigenbrodt Dr. Wolff ({68}) Worms Dr. Wuermeling Wullenhaupt Dr. Zimmer Dr. Zimmermann DP Eisenmann Dr. Elbrächter Euler Logemann Matthes Dr. von Merkatz Dr. Preiß Dr. Preusker Probst ({69}) Dr. Schild Schneider ({70}) Dr. Schranz Dr. Steinmetz Tobaben Berliner Abgeordnete CDU/CSU Benda Dr. Gradl Lemmer Frau Dr. Maxsein Stingl Hübner Wir kommen zu Umdruck 37, Antrag der Fraktion der SPD. Auch hierzu wird namentliche Abstimmung beantragt. - Der Abgeordnete Kiesinger hat zur Abstimmung das Wort.

Dr. h. c. Kurt Georg Kiesinger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001096, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion wird diesen Antrag ablehnen; aber sie erklärt, daß sie nicht beabsichtigt und daß die Regierung nicht beabsichtigt, die Ausrüstung der Bundeswehr mit Wasserstoffbomben zu betreiben. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Ich wiederhole: Es ist namentliche Abstimmung beantragt. Der Antrag ist ausreichend unterstützt. Die Abstimmung beginnt. Haben alle Mitglieder des Hauses ihre Stimmkarte abgegeben? - Die Abstimmung ist geschlossen. Ich gebe das Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 37 bekannt. Mit Ja haben gestimmt 192 Mitglieder des Hauses; mit Nein haben gestimmt 269 Mitglieder des Hauses. Der Antrag ist also abgelehnt. Ja SPD Frau Albertz Altmaier Auge Bading Dr. Bärsch Bäumer Bals Bauer ({0}) Baur ({1}) Bazille Behrendt Behrisch Frau Bennemann Bergmann Berkhan Berlin Bettgenhäuser Frau Beyer ({2}) Birkelbach Dr. Bleiß Börner Dr. Brecht Bruse Büttner Corterier Cramer Dr. Deist Dewald Diekmann Frau Döhring ({3}) Dopatka Dröscher Frau Eilers ({4}) Erler Eschmann Faller Franke Dr. Frede Frehsee Frenzel Geiger ({5}) Geritzmann Gleisner ({6}) Dr. Greve Haage Hamacher Hansing Hauffe Heide Dr. Dr. Heinemann Heinrich Hellenbrock Frau Herklotz Hermsdorf Herold Höhmann Höhne Hörauf Hufnagel Iven ({7}) Jacobi Jacobs Jahn ({8}) Jaksch Junghans Kalbitzer Frau Keilhack Frau Kettig Keuning Kinat Könen ({9}) Koenen ({10}) Frau Korspeter Kraus Dr. Kreyssig Kriedemann Kühn ({11}) Kurlbaum Lange ({12}) Lantermann Leber Lohmar Ludwig Lücke ({13}) Lünenstraß Maier ({14}) Marx Matzner Meitmann Dr. Menzel Merten Metter Metzger Dr. Meyer ({15}) Meyer ({16}) Frau Meyer-Laule Müller ({17}) Müller ({18}) Müller ({19}) Frau Nadig Odenthal Ollenhauer Peters Pöhler Pohle Prennel Priebe Pütz Pusch Rasch Dr. Ratzel Regling Rehs Reitz Reitzner Frau Renger Ritzel Rohde Frau Rudoll Ruhnke Dr. Schäfer Frau Schanzenbach Dr. Schmid ({20}) Dr. Schmidt ({21}) Schmidt ({22}) Schmitt ({23}) Schoettle Schreiner Schröder ({24}) Seidel ({25}) Seither Seuffert Stenger Stierle Sträter Frau Strobel Theis Wagner Walpert Wegener Wehner Wehr Welke Welslau Weltner ({26}) Frau Wessel Wienand Wischnewski Wittrock Zühlke FDP Dr. Bucher Dr. Dahlgrün Dr. Dehler Frau Dr. Diemer-Nicolaus Döring ({27}) Dowidat Dürr Glahn Graaff Dr. Hoven Keller Köhler Dr. Kohut Kreitmeyer Kühn ({28}) Margulies Mauk Dr. Mende Mischnick Dr. Rutschke Sander Scheel Spitzmüller Stahl Walter Weber ({29}) Berliner Abgeordnete SPD Frau Berger-Heise Dr. Königswarter Frau Krappe Mattick Neubauer Scharnowski Dr. Schellenberg Schröter ({30}) Schütz ({31}) Dr. Seume Frau Wolff ({32}) Nein CDU/CSU Frau Ackermann Graf Adelmann Dr. Aigner Arndgen Dr.-Ing. e. h. Arnold Baier ({33}) Baldauf Dr. Balke Balkenhol Dr. Bartels Dr. Barzel Bauer ({34}) Bauereisen Bausch Dr. Becker ({35}) Becker ({36}) Berberich Berendsen Berger Dr. Bergmeyer Dr. Besold Dr. Birrenbach Fürst von Bismarck Blank Frau Dr. Bleyler Blöcker Frau Blohm von Bodelschwingh Brand Frau Brauksiepe Brese Frau Dr. Brökelschen Brück Dr. Bucerius Bühler Dr. Burgbacher Burgemeister Caspers Cillien Dr. Conring Dr. Czaja Demmelmeier Deringer Diebäcker Diel ({37}) Dr. Dittrich Dr. Dollinger Drachsler Draeger Dr. Dresbach Ehren Eichelbaum Engelbrecht-Greve Frau Engländer Enk Etzenbach Dr. Even ({38}) Finckh Dr. Franz Franzen Dr. Frey Dr. Fritz ({39}) Fritz ({40}) Fuchs Dr. Furler Frau Dr. Gantenberg Gaßmann Gedat Gehring Geiger ({41}) Frau Geisendörfer Gerns D. Dr. Gerstenmaier Gewandt Gibbert Giencke Dr. Gleissner ({42}) Glüsing ({43}) Gockeln Dr. Görgen Dr. Götz Goldhagen Gontrum Dr. Gossel Günther Freiherr zu Guttenberg Hackethal Hahn Frau Hamelbeck Dr. von Haniel-Niethammer Harnischfeger Dr, Heck ({44}) Heix Dr. Hellwig Dr. Hesberg Hesemann Heye . Hilbert Dr. Höck ({45}) Höfler Holla Hoogen Horn Huth Dr. Huys Illerhaus Dr. Jaeger Jahn ({46}) Dr. Jordan Josten Dr. Kanka Katzer Kemmer Dr. Kempfler Kirchhoff Klausner Dr. Kliesing ({47}) Knobloch Dr. Knorr Koch Kraft Kramel Krammig Kroll Krüger Krug Frau Dr. Kuchtner Kühlthau Kunst Kuntscher Lang ({48}) Leicht Dr. Leiske Lenz ({49}) Lenze ({50}) Leonhard Lermer Dr. Leverkuehn Dr. Lindrath Dr. Löhr Dr. h. c. Lübke Lücke ({51}) Lücker ({52}) Maier ({53}) Dr. Baron Manteuffel-Szoege Dr. Martin Maucher Memmel Mengelkamp Menke Mensing Meyer ({54}) Dr. Meyers ({55}) Mick Mühlenberg Müller-Hermann Müser Nellen Neuburger Nieberg Niederalt Frau Niggemeyer Dr. Oesterle Oetzel Frau Dr. Panhoff Pernoll Dr. h. c. Pferdmenges Dr. Pflaumbaum Dr. Philipp Pietscher Frau Pitz-Savelsberg Frau Dr. Rehling Dr. Reinhard Dr. Reith Richarts Riedel ({56}) Frau Rösch Rösing Dr. Rüdel ({57}) Ruf Ruland Schäffer Scharnberg Scheppmann Schlee Schlick Dr. Schmidt ({58}) Frau Schmitt ({59}) Schmücker Schneider ({60}) Schüttler Schulze-Pellengahr Schwarz Frau Dr. Schwarzhaupt Dr. Seffrin Seidl ({61}) Dr. Serres Siebel Dr. Siemer Simpfendörfer Solke Spies ({62}) Spies ({63}) Stauch Dr. Stecker Stiller Dr. Stoltenberg Storch Dr. Storm ({64}) Storm ({65}) Stücklen Sühler Teriete Dr. Toussaint Unertl Varelmann Vehar Dr. Vogel Wacher Dr. Wahl Dr. Weber ({66}) Wehking Weimer Weinkamm Frau Welter ({67}) Wendelborn Dr. Werber Wieninger Dr. Wilhelmi Dr. Willeke Windelen Winkelheide Dr. Winter Wittmann Wittmer-Eigenbrodt Dr. Wolff ({68}) Worms Dr. Wuermeling Wullenhaupt D. Zimmer Dr. Zimmermann DP Eisenmann Dr. Elbrächter Euler Logemann Matthes Dr. von Merkatz Dr. Preiß Dr. Preusker Probst ({69}) Dr. Schild Schneider ({70}) Dr. Schranz Dr. Steinmetz Tobaben Berliner Abgeordnete CDU/CSU Benda Dr. Gradl Dr. Krone Lemmer Frau Dr. Maxsein Stingl Hübner

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Wir stimmen nunmehr ab über den Antrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 38. Hier ist Antrag auf Überweisung an den Auswärtigen Ausschuß gestellt. Wer diesem Antrag auf Überweisung des Antrags auf Umdruck 38 an den Auswärtigen Ausschuß zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einer Gegenstimme ist der Antrag auf Überweisung an den Auswärtigen Ausschuß angenommen. Antrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 39. Ausschußüberweisung? ({0}) - Abstimmung! Wer diesem Antrag auf Umdruck 39 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Nein-Stimmen waren die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Umdruck 40, Antrag der Fraktion der FDP. ({1}) - Es ist Überweisung an den Auswärtigen Ausschuß beantragt. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/ CSU, DP, Umdruck 41. ({2}) - Herr Abgeordneter Kiesinger zur Abstimmung!

Dr. h. c. Kurt Georg Kiesinger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001096, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe nach der Debatte, die wir geführt haben, zu unserem Entschließungsantrag nicht mehr viel zu sagen. Wir halten ihn für die Grundlage einer konstruktiven Politik sowohl auf dem Gebiete der Abrüstung wie auf dem Gebiete der Wiedervereinigung. Wir bitten Sie, diesen Antrag anzunehmen. Wir weisen darauf hin, daß der Akzent auf der Frage einer allgemeinen kontrollierten Abrüstung liegt, die für uns entscheidend ist. Die Ausrüstung der Bundeswehr mit den modernsten Waffen, die wir in diesem Antrag vorsehen, hat die Bedingung: es sei denn, daß eine allgemeine kontrollierte Abrüstung nicht zustande kommt. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Meine Damen und Herren, wir müssen unter allen Umständen darauf verzichten, bei diesen Anträgen zur Abstimmung noch einmal in eine Sachargumentation einzutreten. Das ist nicht zulässig. ({0}) - Zur Abstimmung Herr Abgeordneter Erler.

Fritz Erler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000488, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands geht davon aus, daß dieser Entschließungsantrag der CDU in allen seinen Punkten praktisch eine Vertrauenskundgebung zur derzeitigen Politik der Bundesregierung bedeutet. Dem können wir uns nicht anschließen. Wir werden deshalb alle Punkte ablehnen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Abgeordneter Majonica zur Abstimmung.

Ernst Majonica (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001416, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Namens der Fraktion der CDU/CSU beantrage ich getrennte Abstimmung nach Ziffern. Zu Ziffer 4 beantrage ich namentliche Abstimmung.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Zur Abstimmung Herr Abgeordneter Dr. Bucher.

Dr. Ewald Bucher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000288, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Die Fraktion der FDP sieht sich nicht in der Lage, diesem Entschließungsantrag zuzustimmen. Wir sind im Laufe dieser viertägigen Debatte in geschichtlichen Betrachtungen wiederholt darauf hingewiesen worden, daß man früher Anträgen der CDU zugestimmt hatte, die nun heute mit ganz anderen Konsequenzen verwendet werden. ({0}) Insbesondere können wir nicht zustimmen, daß die Streitkräfte der Bundesrepublik mit den modernsten Waffen, wie es hier heißt, ausgerüstet werden, denn die modernsten Waffen sind zur Zeit, soweit mir bekannt ist, die Wasserstoffbomben, die vorher von Ihnen ebenfalls abgelehnt wurden. ({1})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Zur Abstimmung Herr Abgeordneter Kiesinger.

Dr. h. c. Kurt Georg Kiesinger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001096, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Erklärung von Herrn Kollegen Bucher nötigt uns, zu erklären, daß unter modernsten Waffen nicht Wasserstoffbomben verstanden werden. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Meine Damen und Herren, es ist getrennte Abstimmung beantragt. Ich rufe auf Ziffer 1 des Umdrucks 41, Entschließungsantrag der Fraktionen CDU/CSU, DP. Wer dieser Ziffer 1 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; Ziffer 1 ist angenommen. Wer der Ziffer 2 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ziffer 2 ist angenommen. Wer der Ziffer 3 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Gegenstimmen und einer Reihe von Enthaltungen ist die Ziffer 3 angenommen. Präsident D. Dr. Gerstenmaier Wir kommen zu Ziffer 4. Hierzu ist namentliche Abstimmung beantragt. Wir treten in die Abstimmung ein. Sind alle Stimmkarten abgegeben? - Die Abstimmung ist geschlossen. Ich gebe das Ergebnis der namentlichen Abstimmung bekannt. Mit Ja haben gestimmt 270 Mitglieder des Hauses. Mit Nein haben gestimmt 165 Mitglieder des Hauses. Enthalten haben sich 26 Abgeordnete. Ziffer 4 des Antrags Umdruck 41 ist angenommen. Ja CDU/CSU Frau Ackermann Graf Adelmann Dr. Aigner Arndgen Dr.-Ing. e. h. Arnold Baier ({0}) Baldauf Dr. Balke Balkenhol Dr. Bartels Dr. Barzel Bauer ({1}) Bauereisen Bausch Dr. Becker ({2}) Becker ({3}) Berberich Berendsen Berger Dr, Bergmeyer Dr. Besold Dr. Birrenbach Fürst von Bismarck Blank Frau Dr. Bleyler Blöcker Frau Blohm von Bodelschwingh Brand Frau Brauksiepe Brese Frau Dr. Brökelschen Brück Dr. Bucerius Bühler Dr. Burgbacher Burgemeister Caspers Cillien Dr. Conring Dr. Czaja Demmelmeier Deringer Diebäcker Diel ({4}) Dr. Dittrich Dr. Dollinger Drachsler Draeger Dr. Dresbach Ehren Eichelbaum Engelbrecht-Greve Frau Engländer Enk Etzenbach Dr. Even ({5}) Finckh Dr. Franz Franzen Dr. Frey Dr. Fritz ({6}) Fritz ({7}) Fuchs Dr. Furler Frau Dr. Gantenberg Gaßmann Gedat Gehring Geiger ({8}) Frau Geisendörfer Gerns D. Dr. Gerstenmaier Gewandt Gibbert Giencke Dr. Gleissner ({9}) Glüsing ({10}) Gockeln Dr. Görgen Dr. Götz Goldhagen Gontrum Dr. Gossel Günther Freiherr zu Guttenberg Hackethal Hahn Frau Hamelbeck Dr. von Haniel-Niethammer Harnischfeger Dr. Heck ({11}) Heix Dr. Hellwig Dr. Hesberg Hesemann Heye Hilbert Dr. Höck ({12}) Höfler Holla Hoogen Horn Huth Dr. Huys Illerhaus Dr. Jaeger Jahn ({13}) Dr. Jordan Josten Dr. Kanka Katzer Kemmer Dr. Kempfler Kiesinger Kirchhoff Klausner Dr. Kliesing ({14}) Knobloch Dr. Knorr Koch Kraft Kramel Krammig Kroll Krüger Krug Frau Dr. Kuchtner Kühlthau Kunst Kuntscher Lang ({15}) Leicht Dr. Leiske Lenz ({16}) Lenze ({17}) Leonhard Lermer Dr. Leverkuehn Dr. Lindrath Dr. Löhr Dr. h. c. Lübke Lücke ({18}) Lücker ({19}) Maier ({20}) Majonica Dr. Baron Manteuffel-Szoege Dr. Martin Maucher Memmel Mengelkamp Menke Mensing Meyer ({21}) Dr. Meyers ({22}) Mick Mühlenberg Müller-Hermann Müser Nellen Neuburger Nieberg Niederalt Frau Niggemeyer Dr. Oesterle Oetzel Frau Dr. Panhoff Pernoll Dr. h. c. Pferdmenges Dr. Pflaumbaum Dr. Philipp Pietscher Frau Pitz-Savelsberg Frau Dr. Rehling Dr. Reinhard Dr. Reith Richarts Riedel ({23}) Frau Rösch Rösing Dr. Rüdel ({24}) Ruf Ruland Schäffer Scharnberg Scheppmann Schlee Schlick Dr. Schmidt ({25}) Frau Schmitt ({26}) Schmücker Schneider ({27}) Schüttler Schulze-Pellengahr Schwarz Frau Dr. Schwarzhaupt Dr. Seffrin Seidl ({28}) Dr. Serres Siebel Dr. Siemer Simpfendörfer Solke Spies ({29}) Spies ({30}) Stauch Dr. Steer Stiller Dr. Stoltenberg Storch Dr. Storm ({31}) Storm ({32}) Strauß Stücklen Sühler Teriete Dr. Toussaint Unertl Varelmann Vehar Dr. Vogel Wacher Dr. Wahl Dr. Weber ({33}) Wehking Weimer Weinkamm Frau Welter ({34}) Wendelborn Dr. Werber Wieninger Dr. Wilhelmi Dr. Willeke Windelen Winkelheide Dr. Winter Wittmann Wittmer-Eigenbrodt Dr. Wolff ({35}) Worms Dr. Wuermeling Wullenhaupt Dr. Zimmer Dr. Zimmermann FDP B) Spitzmüller DP Eisenmann Dr. Elbrächter Euler Logemann Matthes Dr. von Merkatz Dr. Preiß Dr. Preusker Probst ({36}) Dr. Schild Schneider ({37}) Dr. Schranz Dr. Steinmetz Tobaben Berliner Abgeordnete CDU/CSU Benda Dr. Gradl Lemmer Frau Dr. Maxsein Stingl Hübner Nein SPD Frau Albertz Altmaier Auge Bading Dr. Bärsch Bäumer Bals Bauer ({38}) Baur ({39}) Bazille Dr. Bechert Behrendt Behrisch Frau Bennemann Bergmann Berkhan Berlin Bettgenhäuser Frau Beyer ({40}) Birkelbach Dr. Bleiß Börner Dr. Brecht Bruse Büttner Corterier Cramer Dr. Deist Dewald Diekmann Frau Döhring ({41}) Dopatka Dröscher Frau Eilers ({42}) Erler Eschmann Faller Franke Dr. Frede Frehsee Frenzel Geiger ({43}) Geritzmann Gleisner ({44}) Dr. Greve Haage Hamacher Hansing Hauffe Heide Dr. Dr. Heinemann Heinrich Hellenbrock Frau Herklotz Hermsdorf Herold Höhmann Höhne Hörauf Hufnagel Iven ({45}) Jacobi Jacobs Jahn ({46}) Jaksch Junghans Kalbitzer Frau Keilhack Frau Kettig Keuning Kinat Könen ({47}) Koenen ({48}) Frau Korspeter Kraus Dr. Kreyssig Kriedemann Kühn ({49}) Kurlbaum Lange ({50}) Lantermann Leber Lohmar Ludwig Lücke ({51}) Lünenstraß Maier ({52}) Marx Matzner Meitmann Dr. Menzel Merten Metter Metzger Dr. Meyer ({53}) Meyer ({54}) Frau Meyer-Laule Müller ({55}) Müller ({56}) Müller ({57}) Frau Nadig Odenthal Peters Pöhler Pohle Prennel Priebe Pütz Pusch Rasch Dr. Ratzel Regling Rehs Reitz Reitzner Frau Renger Ritzel Rohde Frau Rudoll Ruhnke Dr. Schäfer Frau Schanzenbach Dr. Schmid ({58}) Dr. Schmidt ({59}) Schmidt ({60}) Schmitt ({61}) Schoettle Schreiner Schröder ({62}) Seidel ({63}) Seither Seuffert Stenger Stierle Sträter Frau Strobel Theis Wagner Walpert Wegener Wehr Welke Welslau Weltner ({64}) Frau Wessel Wienand Wischnewski Wittrock Zühlke FDP Berliner Abgeordnete SPD Frau Berger-Heise Dr. Königswarter Frau Krappe Mattick Neubauer Scharnowski Dr. Schellenberg Schröter ({65}) Schütz ({66}) Dr. Seume Frau Wolff ({67}) Enthalten FDP Dr. Achenbach Dr. Bucher Dr. Dahlgrün Dr. Dehler Frau Dr. Diemer-Nicolaus Döring ({68}) Dowidat Dürr. Glahn Graaff Dr. Hoven Keller Köhler Kreitmeyer Kühn ({69}) Margulies Mauk Mischnick Dr. Rutschke Sander Scheel Schultz Stahl Walter Weber ({70})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Wir kommen zu Ziffer 5 des Umdrucks 41. Wer zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Gegenstimmen und mehreren Enthaltungen ist die Ziffer 5 angenommen. Ich rufe auf den Antrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 42.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001529, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich beantrage Überweisung an den Ausschuß für Verteidigung.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Es wird Überweisung an den Ausschuß für Verteidigung beantragt. Wer dieser Ausschußüberweisung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; der Antrag auf Ausschußüberweisung ist abgelehnt. Ich lasse über den Antrag abstimmen. Wer ihm zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; der Antrag [B) Umdruck 42 ist abgelehnt. Antrag der Fraktion der SPD Umdruck 43. - Herr Abgeordneter Mommer?

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001529, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

In der letzten Zeile dieses Antrages sind zwei kleine Wörtchen ausgeblieben, die wichtig sind; der letzte Halbsatz muß lauten: „wird bis dahin" - nämlich bis 'zur Gipfelkonferenz - „kein Gebrauch gemacht." Nach dem Wort „wird" sind also die Worte „bis dahin" einzufügen. Ich beantrage namentliche Abstimmung.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Die Worte „bis dahin" werden eingefügt. Es ist namentliche Abstimmung beantragt. Der Antrag ist ausreichend untersrutzt. Wir treten in die Abstimmung ein. - Die Abstimmung ist geschlossen. Ich gebe das Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Antrag Umdruck 43 bekannt. Mit Ja haben gestimmt 194 Mitglieder des Hauses; mit Nein haben gestimmt 264 Mitglieder des Hauses; enthalten haben sich 2 Mitglieder des Hauses. Der Antrag auf Umdruck 43 ist abgelehnt. Ja SPD Frau Albertz Altmaier Dr. Arndt Auge Bading Dr. Bärsch Bäumer Bals Bauer ({0}) Baur ({1}) Bazille Behrendt Behrisch Frau Bennemann Bergmann Berkhan Berlin Bettgenhäuser Frau Beyer ({2}) Birkelbach Dr. Bleiß Börner Dr. Brecht Bruse Büttner Corterier Cramer Dr. Deist Dewald Diekmann Frau Döhring ({3}) Dopatka Dröscher Frau Eilers ({4}) Erler Eschmann Faller Franke Dr. Frede Frehsee Frenzel Geiger ({5}) Geritzmann Gleisner ({6}) Dr. Greve Haage Hamacher Hansing Hauffe Heide Dr. Dr. Heinemann Heinrich Hellenbrock Frau Herklotz Hermsdorf Herold Höhmann Höhne Hörauf Hufnagel Iven ({7}) Jacobi Jacobs Jahn ({8}) Jaksch Junghans Kalbitzer Frau Keilhack Frau Kettig Keuning Kinat Könen ({9}) Koenen ({10}) Frau Korspeter Kraus Dr. Kreyssig Kriedemann Kühn ({11}) Kurlbaum Lange ({12}) Lantermann Leber Lohmar Ludwig Lücke ({13}) Lünenstraß Maier ({14}) Marx Matzner Meitmann Dr. Menzel Merten Metter Metzger Dr. Meyer ({15}) Meyer ({16}) Frau Meyer-Laule Müller ({17}) Müller ({18}) Müller ({19}) Frau Nadig Odenthal Peters Pöhler Pohle Prennel Priebe Pütz Pusch Rasch Dr. Ratzel Regling Rehs Reitz Reitzner Frau Renger Ritzel Rohde Frau Rudoll Ruhnke Dr. Schäfer Frau Schanzenbach Dr. Schmid ({20}) Dr. Schmidt ({21}) Schmidt ({22}) Schmitt ({23}) Schoettle Schreiner Schröder ({24}) Seidel ({25}) Seither Seuffert Stenager Stierle Sträter B Frau Strobel Theis Wagner Walpert Wegener Wehr Welke Welslau Weltner ({26}) Frau Wessel Wienand Wischnewski Wittrock Zühlke FDP Dr. Bucher Dr. Dahlgrün Dr. Dehler Frau Dr. Diemer-Nicolaus Döring ({27}) Dowidat Dürr Glahn Graaff Dr. Hoven Keller Köhler Dr. Kohut Kreitmeyer Kühn ({28}) Margulies Mauk Mischnick Dr. Rutschke Sander Scheel Schultz Spitzmüller Stahl Walter Weber ({29}) DP Eisenmann Logemann Berliner Abgeordnete SPD Frau Berger-Heise Dr. Königswarter Frau Krappe Mattick Neubauer Scharnowski Dr. Schellenberg Schröter ({30}) Schütz ({31}) Dr. Seume Frau Wolff ({32}) Nein CDU/CSU Frau Ackermann Graf Adelmann Dr. Aigner Arndgen Dr. -Ing. e. h. Arnold Baier ({33}) Baldauf Dr. Balke Balkenhol Dr. Bartels Dr. Barzel Bauer ({34}) Bauereisen Bausch Dr. Becker ({35}) Becker ({36}) Berberich Berendsen Berger Dr. Bergmeyer Dr. Besold Dr. Birrenbach Fürst von Bismarck Blank Frau Dr. Bleyler Blöcker Frau Blohm von Bodelschwingh Brand Frau Brauksiepe Brese Frau Dr. Brökelschen Brück Dr. Bucerius Bühler Dr. Burgbacher Burgemeister Caspers Cillien Dr. Conring Dr. Czaja Demmelmeier Deringer Diebäcker Diel ({37}) Dr. Dittrich Dr. Dollinger Drachsler Draeger Dr. Dresbach Ehren Eichelbaum Engelbrecht-Greve Frau Engländer Enk Etzenbach Dr. Even ({38}) Finckh Dr. Franz Franzen Dr. Frey Dr. Fritz ({39}) Fritz ({40}) Fuchs Dr. Furler Frau Dr. Gantenberg Gaßmann Gedat Gehring Geiger ({41}) Frau Geisendörfer Gerns D. Dr. Gerstenmaier Gewandt Gibbert Giencke Dr. Gleissner ({42}) Glüsing ({43}) Gockeln Dr. Görgen Dr. Götz Goldhagen Gontrum Dr. Gossel Günther Freiherr zu Guttenberg Hackethal Hahn Frau Hamelbeck Dr. von Haniel-Niethammer Harnischfeger Dr. Heck ({44}) Heix Dr. Hellwig Dr. Hesberg Hesemann Heye Hilbert Dr. Höck ({45}) Höfler Holla Hoogen Horn Huth Dr. Huys Illerhaus Dr. Jaeger Jahn ({46}) Dr. Jordan Josten Dr. Kanka Katzer Kemmer Dr. Kempfler Kiesinger Kirchhoff Klausner Dr. Kliesing ({47}) Knobloch Dr. Knorr Koch Kraft Krammig Kroll Krüger Krug Frau Dr. Kuchtner Kühlthau Kunst Kuntscher Lang ({48}) Leicht Dr. Leiske Lenz ({49}) Lenze ({50}) Leonhard Lermer Dr. Leverkuehn Dr. Lindrath Dr. Löhr Dr. h. c. Lübke Lücke ({51}) Lücker ({52}) Maier ({53}) Majonica Dr. Baron Manteuffel-Szoege Dr. Martin Maucher Memmel Mengelkamp Menke Mensing Meyer ({54}) Dr. Meyers ({55}) Mick Mühlenberg Müller-Hermann Müser Nellen Neuburger Nieberg Niederalt Frau Niggemeyer Dr. Oesterle Oetzel Frau Dr. Panhoff Pernoll Dr. h. c. Pferdmenges Dr. Pflaumbaum Dr. Philipp Pietscher Frau Pitz-Savelsberg Frau Dr. Rehling Dr. Reinhard Dr. Reith Richarts Riedel ({56}) Frau Rösch Rösing Dr. Rüdel ({57}) Ruf Ruland Schäffer Scharnberg Scheppmann Schlee Schlick Dr. Schmidt ({58}) Frau Schmitt ({59}) Schmücker Schneider ({60}) Schüttler Schulze-Pellengahr Schwarz Frau Dr. Schwarzhaupt Dr. Seffrin Seidl ({61}) Dr. Serres Siebel Dr. Siemer Simpfendörfer Solke Spies ({62}) Spies ({63}) Stauch Dr. Stecker Stiller Dr. Stoltenberg Storch Dr. Storm ({64}) Storm ({65}) Strauß Stücklen Sühler Teriete Dr. Toussaint Unertl Varelmann Vehar Dr. Vogel Wacher Dr. Wahl Dr. Weber ({66}) Wehking Weimer Weinkamm Frau Welter ({67}) Wendelborn Dr. Werber Wieninger Dr. Wilhelmi Dr. Willeke Windelen Winkelheide Dr. Winter Wittmann Wittmer-Eigenbrodt Dr. Wolff ({68}) Worms Dr. Wuermeling Wullenhaupt Dr. Zimmer Dr. Zimmermann DP Dr. Elbrächter Euler Matthes Dr. von Merkatz Dr. Preiß Dr. Preusker Probst ({69}) Dr. Schild Schneider ({70}) Dr. Schranz Dr. Steinmetz Tobaben Berliner Abgeordnete CDU/CSU Benda Dr. Gradl Dr. Krone Frau Dr. Maxsein Stingl Hübner Enthalten CDU/CSU Kramel Berliner Abgeordnete CDU/CSU Dr. Friedensburg

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Umdruck 44, Antrag der Fraktion der SPD! ({0}) - An den Auswärtigen Ausschuß - federführend --- und an den Gesamtdeutschen Ausschuß - mitberatend -. Der Antrag auf Ausschußüberweisung geht vor. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag auf Überweisung ist einstimmig angenommen. ({1}) - Dann muß ich mich korrigieren: eine Stimme dagegen. Umdruck 45, Entschließungsantrag der Fraktionen der FDP, SPD! Zur Abstimmung Herr Abgeordneter Dr. Bucher.

Dr. Ewald Bucher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000288, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich hatte die Ehre, dem Hohen Hause zu erklären, warum wir dem Entschließungsantrag Umdruck 41 nicht zustimmen konnten. Ich darf das noch dahin ergänzen, daß die Themen. die dort in den Ziffern 3 bis 5 angesprochen sind, in dem Entschließungsantrag Umdruck 45 enthalten sind, den wir vorlegen. Ich hatte die Absicht, namentliche Abstimmung zu beantragen, nehme aber an, daß Ausschußüberweisung beantragt wird.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Abgeordneter Majonica!

Ernst Majonica (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001416, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Die SPD- und FDP-Fraktion dieses Hauses haben Anträgen ihre Zustimmung nicht gegeben, die an sich vom ganzen Hause angenommen werden konnten, vor allen Dingen Ziffer 3 auf Umdruck 41: Das ganze deutsche Volk diesseits und jenseits der Zonengrenze erwartet, daß auf der kommenden Gipfelkonferenz die deutsche Frage erörtert und einer Lösung nähergebracht wird. Der Bundestag ersucht die Bundesregierung, sich dafür mit allen Kräften einzusetzen. Diesem Antrag hat die SPD- und FDP-Fraktion die Zustimmung verweigert. ({0}) Wir könnten an sich Revanche üben und ebenso beim Antrag Umdruck 45 verfahren. ({1}) Wir tun das nicht, sondern beantragen Überweisung an den Auswärtigen Ausschuß. Wir beantragen diese Ausschußüberweisung auch deshalb, weil einige Formulierungen dieses Antrages der Interpretation durch die Antragsteller bedürfen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Es ist Überweisung an den Auswärtigen Ausschuß beantragt. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag auf Überweisung an den Auswärtigen Ausschuß ist angenommen. Umdruck 46, Antrag der Fraktionen der SPD und der FDP. ({0}) - Es ist Überweisung an den Auswärtigen Ausschuß - federführend - und an den Verteidigungsausschuß - mitberatend - beantragt. Sie haben den Antrag auf Überweisung an diese beiden Ausschüsse gehört. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag auf Überweisung an den Auswärtigen Ausschuß - federführend - und an den Verteidigungsausschuß - mitberatend - ist angenommen. Damit, meine Damen und Herren, sind alle Abstimmungen erfolgt. Wir stehen am Ende der Tagesordnung. Die nächste Sitzung des Bundestages findet statt am Mittwoch, dem 16. April, 9 Uhr. Ich entlasse das Haus mit den besten Wünschen für einen guten Osterurlaub. Die Sitzung ist geschlossen.