Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Eine amtliche Mitteilung wird ohne Verlesung in den stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hat unter dem 11. März 1958 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Wieninger, Dr. Franz, Höcherl, Dr. Schneider ({0}) und Genossen betreffend Behebung der Berufsnot für ältere Angestellte ({1}) und die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP betreffend Förderung der Arbeitsaufnahme für ältere Angestellte ({2}) beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 276 verteilt.
Punkt 1 der Tagesordnung:
Beratung der Sammelübersicht 3 des Ausschusses für Petitionen ({3}) über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages zu Petitionen ({4}).
Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall.
Ich eröffne die Beratung. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall; ich schließe die Beratung. Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Meine Damen und Herren, mir wird gerade ein Schreiben zugeleitet, das ich Ihnen doch vorlesen muß. Es handelt sich um eine Berichtigung. In der 15. Plenarsitzung am 28. Februar wurde die zweite und dritte Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Selbstverwaltungsgesetzes, durchgeführt. Der Beratung lag außer dem Initiativantrag Drucksache 135 auch der Mündliche Bericht des Ausschusses Drucksache 212 zugrunde. Das Protokoll der 15. Sitzung ist auf Seite 725 D dahingehend zu berichtigen, daß die Beschlußfassung in zweiter und in dritter Beratung nach der Ausschußfassung, Drucksache 212, erfolgt ist.
Punkt 2:
a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung steuerlicher Vorschriften auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Ertrag und des Verfahrensrechts ({5}) ;
b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung vermögensteuerrechtlicher Vorschriften ({6});
c) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung verkehrsteuerrechtlicher Vorschriften ({7}) ;
d) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Gewährung von Prämien für Sparleistungen ({8}) ({9}) ;
e) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Gewährung von Prämien für Wohnbausparer ({10}) ({11}).
Zur Einbringung hat der Herr Bundesminister der Finanzen das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich heute vor dem Hohen Hause aus Anlaß der Vorlage finanzpolitischer Gesetze einige grundsätzliche Bemerkungen zur Finanzpolitik mache, so lassen Sie mich vorweg sagen, daß dies keine Etatrede ist. Der Haushalt ist vor einigen Tagen im Bundesrat eingebracht worden. Er wird dem Hohen Hause unverzüglich nach Ablauf der Äußerungsfrist zugestellt werden.
Die Bundesregierung legt aber dem Deutschen Bundestag heute ein größeres und zusammenhängendes finanzpolitisches Gesetzgebungswerk vor. Nach einer kurzen Vorbereitungszeit von nur wenigen Monaten hat die Bundesregierung diese Gesetzentwürfe am 29. Januar 1958 verabschiedet und dem Bundesrat zugeleitet. Die Bundesregierung nimmt zu den Bemerkungen und Vorschlägen des Bundesrates Stellung. In vielen Punkten schließt sie sich der Auffassung des Bundesrates an, in einigen wesentlichen kann sie das nicht.
Die Bundesregierung bedauert, daß sie in diesem Jahre den Entwurf des Haushaltsplans erst zwei bis drei Monate später vorlegen wird, als das in den vergangenen Jahren üblich war. Der neue Haushaltsplan wird leider nicht fristgerecht zu Beginn des neuen Rechnungsjahrs in Kraft treten können.
Der Entwurf des Haushaltsplans 1958 ist von der Bundesregierung am 5. März 1958 verabschiedet
Bundesfinanzminister Etzel
und inzwischen dem Bundesrat zugeleitet worden. Nach Ablauf der verfassungsmäßigen Anhörungsfrist für den Bundesrat wird die Bundesregierung den neuen Haushaltsplan im Hohen Haus sofort einbringen und besonders begründen. Grund für diese Verzögerung war zunächst die Regierungsumbildung nach den Neuwahlen des vergangenen Herbstes, daneben aber auch die Notwendigkeit, die heute eingebrachten Steuergesetze mit den Bedürfnissen des Haushalts in Einklang zu bringen, denn eine wirkungsvolle Finanzpolitik erfordert die Einheit und die innere Abstimmung von Haushaltspolitik und Steuerpolitik.
In der Zwischenzeit bis zum Inkrafttreten des neuen Haushaltsplans wird die Bundesregierung eine geordnete Finanzgebarung auf der Grundlage ihres Nothaushaltsrechts aus Artikel 111 des Grundgesetzes sicherstellen.
Diese Einheit und die innere Abstimmung von Haushaltspolitik und Steuerpolitik zwingt daher auch heute schon dazu, einige allgemeine Bemerkungen zu grundsätzlichen Fragen des Haushalts zu machen, ohne damit eine Haushaltsrede halten zu wollen.
In der Regierungserklärung vom 29. Oktober 1957 war für die kommende Legislaturperiode eine echte Steuer- und Finanzreform in Aussicht gestellt worden. Darüber hinaus wurde als Schwerpunkt der Regierungsarbeit die Schaffung von Kapital und die Streuung des Eigentums bezeichnet. Ich selbst habe am folgenden Tage, dem 30. Oktober 1957, in einer Erklärung vor der Presse die Pläne für die künftigen Reformarbeiten dahin umrissen, daß sie eine aufeinander abgestimmte Gesetzgebung für Besteuerung, Haushalt, Finanzausgleich und Finanzverwaltung umfassen sollen.
Zwischen allen Gebieten des deutschen Finanzwesens besteht ein fester innerer Zusammenhang von entscheidender Wechselwirkung. Eine Reform muß sich daher, wie in der Erklärung vom 30. Oktober 1957 gesagt, auf Haushalt, Besteuerung, Finanzausgleich und Finanzverwaltung erstrecken. Die Reform muß alle Gebiete gemeinsam vorwärtsbringen.
Die jetzt vorgelegten Entwürfe zur Steuergesetzgebung, die in einem inneren Zusammenhang mit dem gerade im Bundesrat eingebrachten Haushaltsplan 1958 stehen, wollen daher auch mehr sein als die regelmäßig wiederkehrende Anpassung einzelner steuerrechtlicher Bestimmungen an veränderte wirtschaftliche Verhältnisse oder politische Auffassungen. Sie bilden ein in sich kaum teilbares Ganzes, das als Ausdruck einer umfassenden gesamtpolitischen Konzeption der Bundesregierung gewertet sein will und einen ersten Schritt ihres finanzpolitischen und steuerpolitischen Wollens in dieser Legislaturperiode darstellt. Die Einzelvorschläge dieses Finanzprogramms sind nicht überwiegend von fiskalischen und steuerrechtlichen Gesichtspunkten im engeren Sinne, sondern von allgemeinen wirtschaftlichen und nicht zuletzt von bestimmten sozial- und gesellschaftspolitischen Überzeugungen getragen.
Der Bundesfinanzminister möchte daher die Gelegenheit dieser Gesetzesvorlage gerne benutzen, um seine finanzpolitischen Ziele in einer umfassenderen Form dem Hohen Hause vorzutragen. In dem Einklang und Gleichklang zwischen Finanz- und Haushaltspolitik muß er dabei auch kurz auf die Entwicklung und auf die gegenwärtige Lage der Bundesfinanzen eingehen sowie die Grundsätze darlegen, die für ihre künftige Entwicklung und insbesondere die jährlichen Haushaltspläne maßgebend sein sollen. Die besonderen Ausführungen zum Haushalt 1958 bleiben dann der Haushaltsrede vorbehalten.
Die öffentlichen Finanzen und der Haushalt in Einnahme und Ausgabe sind ein Teil unserer Verfassung, d. h. der Ordnung des Zusammenlebens der Menschen in der Bundesrepublik. Nun treten immer neue Bedürfnisse, die individuell nicht befriedigt werden können, auf. Die Gemeinschaft muß sie daher sicherstellen. Sie kann aber nur geben, was sie vorher genommen hat. Der Staat ist eben keine Kuh, die im Himmel gefüttert und auf Erden gemolken werden kann.
({0})
Daraus ersteht die Erkenntnis: die Gemeinschaft kann nicht unbegrenzt geben, weil sie sonst immer unbegrenzter nehmen müßte. Das aber würde bedeuten, die private Sphäre immer mehr einzuengen, das Eigentum immer mehr zu beschränken und schließlich eine freiheitliche Lebens- und Wirtschaftsordnung zu verneinen.
Deswegen dürfen die Gemeinschaftsbedürfnisse nicht ins Uferlose ausgedehnt werden. Der Staat darf nicht etwas als Aufgabe beanspruchen, was er besser seinen Bürgern selbst überlassen hätte. Die Umverteilung darf nicht Selbstzweck werden, was doch der Fall ist, wenn dem Bürger mit der einen Hand erst genommen wird, was man ihm dann mit der anderen Hand wieder gibt. Und schließlich darf sich die Finanzwirtschaft nicht dazu hergeben, nur aus Gewohnheit Leistungen zu vollbringen oder durch ihre Leistungen den gesunden Drang nach einer ständigen Verbesserung unserer Sozial- und Wirtschaftsordnung zu lähmen.
Für das, was aber auch in solch weiser Beschränkung noch als Gemeinschaftsaufgabe bleibt, gilt das ökonomische Gesetz: mit den gegebenen Mitteln muß ein möglichst großer Erfolg herbeigeführt werden. Das Geheimnis dieses Erfolgs ist - neben Sparsamkeit am richtigen Platz -, die Bedürfnisse der verschiedenen Art nach Dringlichkeit zu ordnen und nach erkanntem Vorrang dann gleichmäßig zu befriedigen.
Die Rolle des Finanzministers besteht in solcher Sicht darin, die Ansprüche auf Befriedigung der Gemeinschaftsbedürfnisse dauernd kritisch zu prüfen. Er muß unter Berücksichtigung aller allgemein politischen Gesichtspunkte, insbesondere der wirtschaftspolitischen, finanzpolitischen und sozialpolitischen Aspekte, die finanziellen Folgerungen aus allen politischen Entscheidungen ziehen.
Bundesfinanzminister Etzel
Der Haushalt ist ein Kräftefeld, in dem sich die Einheit von Finanzpolitik und Wirtschaftspolitik sowie von Wirtschaftspolitik und Sozialpolitik auswirkt. Alle drei Momente machen sich hier bemerkbar. Im Staate des 20. Jahrhunderts muß der Dreiklang: Wirtschaftspolitik, Sozialpolitik und Finanzpolitik, angeschlagen werden, wenn keine empfindliche, störende Disharmonie entstehen soll. Aus dieser Auffassung ergibt sich eine Informationspflicht und Aufklärungspflicht des Finanzministers. Er muß allen verantwortlichen Instanzen: dem Parlament, der Regierung und der Öffentlichkeit, immer wieder die Möglichkeit und die Grenzen der Befriedigung von Gemeinschaftsbedarf und ihre wirtschaftspolitische, finanzpolitische und sozialpolitische Auswirkung darlegen.
Die Steuerpolitik hat den Zielen der Finanzpolitik zu dienen, deren Abhängigkeit von einem hohen Sozialprodukt und einem ökonomisch und sozial sinnvoll gegliederten Volkseinkommen unverkennbar ist. Die Möglichkeiten dazu sind vielseitig.
Es wird ohne Zweifel zu einer Steigerung des Sozialprodukts beitragen, wenn die Höhe der Einkommenbesteuerung nicht das Kostendenken tötet und so, um den Steuern zu entgehen, künstliche Kosten geschaffen und Fehlinvestitionen gemacht werden.
Kapital ist nun einmal der Multiplikator, den wir brauchen, um die menschliche Arbeitskraft zu vervielfältigen. Volkswirtschaftliche Kapitalbildung und persönliche Eigentumsbildung hängen aber weitgehend von der Höhe der Verfügungseinkommen ab. Auch dieser Überlegung muß die Besteuerung Rechnung tragen, und sie setzt ihr Grenzen.
Es kommt nicht nur darauf an, daß Kapital gebildet wird; falsch investiertes Kapital bedeutet keinen Nutzen für die Volkswirtschaft. Es ist daher ein Fehler des Steuersystems, wenn es den Fluß des Kapitals vom Ort seiner Entstehung zum Ort seiner volkswirtschaftlich sinnvollen Verwendung beeinträchtigt, indem es ihn mit zu hohen Steuerkosten belastet.
Wenn man dieses Übel vermeiden will, müssen wir eine Reihe von liebgewordenen und populären Vorurteilen über Bord werfen und auch den Mut haben, bequeme, teilweise zu bequeme Finanzierungsmöglichkeiten zu beenden und uns zu der Erkenntnis durchzuringen, daß es in der Marktwirtschaft auch eine unternehmerische Aufgabe ist, das Kapital über den Markt hereinzuholen, wenn man es mit den Grundsätzen und dem Begriff des Eigentums ernst meint.
Eigentum in breiter Streuung ist die stärkste ideelle Waffe zur Verteidigung unserer Freiheit gegenüber dem Bolschewismus.
({1})
Gleichzeitig mit einer Korrektur des Kapitalbildungsprozesses muß daher der Bildung des privaten Eigentums eine neue Chance geboten werden. Das Dogma von der Vergesellschaftung der Produktionsmittel hat angesichts der Erfahrungen im Osten
sehr an Anziehungskraft verloren. Wir wissen aber auch, daß die Formen der volkswirtschaftlichen Kapitalbildung nach 1945, je mehr Zeit verstreicht, um so kritischer betrachtet werden.
Die Ausgabengebarung und Besteuerung muß in Zukunft so gestaltet werden, daß sie nicht mehr wie in den Jahren 1950 bis 1956 eine Nettovermögensbildung erlauben, die zu etwa 44 % auf die öffentliche Hand, zu 34 % auf die Unternehmen und zu etwa 22 % auf die privaten Haushalte entfällt.
Aber noch ein anderer Gedanke spricht für eine Reform. Wenn man Einkommen aus Arbeit und Einkommen aus Kapital einander gegenüberstellt, so ergibt sich bei allen Völkern der westlichen Welt, die man miteinander vergleichen kann, ein Verhältnis entweder von 85 zu 15 oder von 80 zu 20.
Der teilweise erbittert geführte Quotenstreit erscheint mir daher nicht sehr sinnvoll. Er würde aber sehr viel an Schärfe verlieren, wenn die Zahl der an den 15 oder 20 % Kapitaleinkommen Beteiligten sich erheblich verbreitern würde.
Eine solche Entwicklung einzuleiten, ist eine sehr wichtige staatspolitische Aufgabe, die auch in der Steuerpolitik ihren Niederschlag finden muß. Wir sprechen viel davon, daß die Aktie in Deutschland keinen guten Ruf habe, und bedauern, daß der Aktionär für viele Leute die Karikatur eines Mannes mit dem Zylinder im Nacken, der Sektflasche in der einen und der Couponschere in der anderen Hand ist. Wir müssen etwas dafür tun, dieses Bild zu ändern und in dem Aktieneigentümer einen ebenso ehrenwerten Zeitgenossen zu zeigen wie im Grundstückseigentümer, im Sparbuchinhaber oder in dem Mann, der sich einen Pfandbrief gekauft hat. Dazu gehört aber, daß das Aktieneigentum kein Exklusivrecht ist und daß auch der kleine Aktionär fair behandelt wird.
Die heute vorgelegten Gesetze bedeuten einen großen Schritt auf dem Wege zu diesem Ziele. Sie dienen aber auch der Verbesserung des beunruhigenden Verhältnisses zwischen Eigen- und Fremdkapital, insbesondere bei Mittel- und bei Kleinbetrieben.
Für die Ertragskraft der Wirtschaft und damit für ihren Beitrag zum Sozialprodukt ist von entscheidender Bedeutung, einen steuerlichen Abschreibungsbegriff zu entwickeln, der den volkswirtschaftlichen und betriebswirtschaftlichen Erkenntnissen gerecht wird.
Die Vereinfachung der Besteuerung, insbesondere auch in der Praxis der Verwaltung - ich denke hier an die Mechanisierung -, ist ein wichtiges Anliegen der Bundesregierung. In Zukunft wird anzustreben sein, alle steuergesetzlichen Änderungen in einem einzigen Jahressteuergesetz niederzulegen und, soweit möglich, sachlich und zeitlich mit dem Jahreshaushaltsplan zusammenzufassen.
({2})
Rechnungs- und Kalenderjahr sollten ebenfalls aus Vereinfachungsgründen zusammenfallen.
({3})
Bundesfinanzminister Etzel
Die Finanzpolitik und der Haushalt sind ein hervorragendes politisches Instrument, in dem nicht nur eine bestimmte Wirtschaftsgesinnung, sondern auch der Geist unserer Gesellschaftsordnung seinen Niederschlag findet. Man kann durch eine falsche Steuerpolitik den Eigentumsbestand gefährden, mindestens aber kann man die Eigentumsbildung hemmen und Einkommen grundsätzlich und in großem Umfange umverteilen.
Man kann aber auch von der Ausgabenseite her unserer Gesellschaftsordnung eine falsche Entwicklung geben. Ich denke dabei nicht an die echten sozialen Ausgaben, die in jedem Staatswesen auftreten. Aber wenn der Staat es sich zur Aufgabe macht, die aus der Wirtschaftsordnung sich ergebenden Einkommensströme umzulenken, über seine Finanzpolitik und den Haushalt die Einkommen künstlich zu verlagern, dann bedeutet das doch, der Marktwirtschaft ein ihr wesensfremdes System eines allgemeinen Ertragsausgleichs aufzusetzen, ein System, das unschwer zu demselben Erfolg geführt werden kann wie eine Sozialisierung, weil es nämlich durch Ertragsmanipulationen die Orientierungsmittel der Marktwirtschaft außer Kraft setzt.
Hier wird eine Beziehung deutlich. Der Finanzminister kann nur dann eine gute Finanz- und Steuerpolitik machen, wenn die für die Politik Verantwortlichen selbst eine richtige Politik machen.
({4})
Der ehemalige französische Finanzminister Baron Louis hat einmal gesagt: „Macht mir eine gute Politik, und ich mache euch gute Finanzen." Das gilt auch heute, und zwar für das Verhältnis des Finanzministers sowohl zu den Abgeordneten wie auch zu den Ressortministern.
Ich werbe daher heute um Verständnis für die hier vorgetragenen Ideen, deren Geltungsbereich ich als unerläßliche Voraussetzung für die Durchsetzung des eingebrachten Gesetzgebungswerkes ansehe. Ich hoffe, daß wir in den zukünftigen Beratungen diese Gedanken vertiefen können.
Da der Haushalt ein hervorragendes politisches Instrument für die Durchsetzung einer bestimmten Wirtschaftsgesinnung ist, gestatten Sie mir ein kurzes Eingehen auf die Lage der Bundesfinanzen. Die Lage der Bundesfinanzen war in den letzten Jahren gut und ist auch heute noch befriedigend. Der Bundesfinanzminister der dritten Bundesregierung übernahm trotzdem bei vollen Kassen ein schweres Erbe.
Im einzelnen ist dazu folgendes zu sagen. Das äußere Bild der Finanzentwicklung seit 1952 ist durch ständige Kassenüberschüsse gekennzeichnet. Den Höhepunkt erreichte diese Kassenliquidität im Herbst 1956 mit einem Kassenbestand von über 8 Milliarden DM. Die Ursache für die großen Kassenüberschüsse seit 1952 lag in den überhöhten Einnahmen aus überhöhten Steuersätzen einerseits und Wenigerausgaben gegenüber dem Voranschlag andererseits. Die Mehreinnahmen beruhten zum
Teil ebenfalls auf der Unterschätzung des Wachstums der Wirtschaft und nur zu einem sehr geringen Teil auf einer Steigerung der Preise. Die Minderausgaben aber waren die Folge des verspäteten Abrufs überhöhter Besatzungskosten und später der Stationierungskosten, heute des langsameren Anlaufens der Verteidigungsausgaben.
Seit Herbst 1956 zeichnet sich ein beginnender Abbau der Kassenüberschüsse trotz weiter steigender Steuereinnahmen ab. Seitdem steigen die Ausgaben stärker und schneller als die Einnahmen. Im Jahre 1956 glichen sich die Kassenüberschüsse des ersten Halbjahres und die Kassenunterschüsse des zweiten Halbjahres noch aus. Das Rechnungsjahr schloß mit einem verhältnismäßig geringen Kassenfehlbetrag von 90 Millionen DM ab. Im gleichen Jahre wurde aber noch über 1 Milliarde DM an Krediten aus Kassenmitteln des Bundes im Inland ausgeliehen.
Zu Beginn des laufenden Rechnungsjahrs 1957, das mit diesem Monat endet, hatte der Bund noch ein Kassenguthaben von 7 Milliarden DM, davon sofort verfügbar 6,1 Milliarden DM; 900 Millionen DM waren kurzfristig ausgeliehen an den Lastenausgleichsfonds und an einzelne Länder und Banken, von denen sie jetzt zurückgefordert werden müssen. Heute, am Ende des Rechnungsjahrs, beträgt das Kassenguthaben des Bundes nur noch rund 3 Milliarden DM, dazu noch kurzfristig fällige Außenstände von rund 300 Millionen DM beim Lastenausgleichsfonds und 150 Millionen DM bei den Ländern.
Der tendenzielle Umschwung in der Lage der Bundesfinanzen, der im Herbst des Jahres 1956 begann, wird die Kassenbestände des Bundes von Monat zu Monat weiter verringern. Der Augenblick ist erkennbar, in dem der Bund zur Erhaltung seiner Zahlungsbereitschaft auch bei ausgeglichenem Haushaltsplan Kredite aufnehmen muß.
Die Darstellung der Finanzlage geht absichtlich von den Ist-Zahlen der Kassenentwicklung und nicht von den Soll-Zahlen des Haushalts und der Rechnungsabschlüsse aus. Im Normaljahr stimmt das Bild von Soll und Ist bei ausgeglichenen Haushaltsplänen auch in den Rechnungen weitgehend überein. Es wird nicht durch einseitig überhöhte Ausgabenreste verzerrt, wobei die aus dem Vorjahr übernommenen Ausgabenreste und die in das neue Rechnungsjahr übertragenen Reste im allgemeinen gleich hoch sind. Die Rechnungsüberschüsse und Fehlbeträge halten sich dann in mäßigen Grenzen. Der Bundesfinanzminister befindet sich heute in einer einmaligen Lage, die absurd ist und komischer Züge nicht entbehrt.
({5})
Er weiß, daß er bei voller Kasse ein armer Mann ist, weil seine sicheren und unausweichlichen Verpflichtungen in der Zukunft weit höher sind als seine volle Kasse. Der größte Irrtum der Gegenwart ist der, zu glauben, die Bundesrepublik sei ein reiches Land.
({6})
Bundesfinanzminister Etzel
Aber niemand will das dem Bundesfinanzminister recht glauben, weil der Schein des Ists gegen die Tatsachen des Solls spricht.
Diese Verzerrung von Haushalts- und Kassenlage, deren unmittelbarer Ausdruck jene Ausgabenreste vor allem im Verteidigungshaushalt sind, zwang den Finanzminister zunächst, die Haushaltsreste so weit wie möglich abzubauen und bei der Veranschlagung neuer Ausgaben für ein neues Rechnungsjahr Ausgaben nur für solche Beträge zu veranschlagen, die in diesem Rechnungsjahr voraussichtlich auch tatsächlich verausgabt werden. Diese allmähliche Heranführung des Ists an das Soll durch den Abbau der Ausgabenreste, der Schwund der Kassenbestände und die Heranführung des neuen Solls an das voraussichtliche Ist werden zusammen in absehbarer Zeit die Lage der Bundesfinanzen wieder übersehbarer, zugleich aber auch angespannter machen.
Vom Jahre 1958 an werden sich die Bundesfinanzen hart am Rande des Defizits bewegen. Auf diesem richtigen, aber nicht ungefährlichen Weg werden sie im Gleichgewicht zu halten sein, wenn uns krisenhafte Erschütterungen der Wirtschaft erspart bleiben. Die Bundesregierung hat erfreulicherweise viele Möglichkeiten, solchen unvorhergesehenen Entwicklungen in einer neuen Lage mit neuen Maßnahmen zu begegnen, um das Gleichgewicht der Gesamtwirtschaft, der öffentlichen Haushalte sowie der Preise und der Löhne in gewissen Grenzen zu sichern. Selbst wenn eine Wirtschaftskrise die sieben fetten Jahre ablösen würde, so würde die Bundesregierung - anders als es die Reichsregierung in den Jahren 1930 bis 1932 getan hat - geeignete Mittel ergreifen, um das Ausmaß der Krise und ihre Auswirkungen auf die wirtschaftliche und soziale Ordnung in unserem Lande zu begrenzen. Vor dieser Notwendigkeit stehen wir aber erfreulicherweise nicht. Wir müssen uns vielmehr umgekehrt darum bemühen, die Auswirkungen einer Hochkonjunktur auf die Löhne und Preise um der gleichbleibenden Kaufkraft des Geldes willen in angemessenen Grenzen zu halten.
Die Finanzpolitik wird heute wie morgen der allgemeinen Wirtschaftspolitik der Bundesregierung einzuordnen sein. Der Ausgleich des alljährlichen Haushaltsplans, der unter der gegenwärtigen Konjunkturlage unter allen Umständen gesichert bleiben muß, hat über fiskalische Nahziele hinaus die volkswirtschaftliche Gesamtentwicklung ständig im Auge zu behalten. In diesen konjunkturpolitischen Zusammenhängen über mehrere Jahre kommt der Entwicklung der öffentlichen Kassenverhältnisse, der öffentlichen Guthaben wie den öffentlichen Kreditaufnahmen eine größere Bedeutung zu als dem mehr programmatischen Soll der Haushaltspläne.
Wir können heute nur sagen, daß das gute Wetter der letzten Jahre in den Finanzen von Bund, Ländern und Gemeinden seit etwa einem Jahr umgeschlagen hat. Es hat den Anschein, als ob die Jahre 1959 und 1960 stürmisch werden könnten.
({7})
Der alljährliche Haushaltsplan, dessen Ausgleich Art. 110 des Grundgesetzes auch für den Bund verlangt, gibt nicht nur ein Gesamtbild von dem politischen Wollen seiner Zeit, er ist auch ein Kind seiner Zeit, behaftet mit seinen Irrtümern und seinen Vorurteilen. Jeder neue Haushalt steht auf den Schultern der Vorjahre, deren kluges Maßhalten ihm zugute kommt, deren Irrtümer er aber auch zu bezahlen hat.
Das Jahr 1957 ist für die deutsche Finanzgeschichte ein entscheidendes Jahr gewesen. Verleitet durch die trügerische Fülle der Kassen in den Hortungstürmen von Geld und Devisen sind Dauerausgaben geschaffen worden, die nur durch eine einmalige Einnahme in Höhe von 5,9 Milliarden DM aus Kassenmitteln gedeckt wurden. Gegen diese sprunghafte Vermehrung der Bundesausgaben von einem zum anderen Jahr wäre vielleicht nicht viel einzuwenden gewesen, wenn die einmalige Entnahme aus dem Juliusturm in gleicher Höhe auch zu einmaligen Zwecken verwendet worden wäre. Tatsächlich aber haben die neuen Gesetze und der Haushaltsplan des Jahres 1957 zu fortdauernden Mehrausgaben geführt, die die folgenden Jahre nicht nur mit gleich hohen, sondern vielfach infolge gesetzlicher Automatik mit steigenden Ausgaben belasten. Bei wichtigen Lebensbereichen der sozialen Sicherheit und der Produktionsförderung wurden Konstruktionen gewählt, die die bisherigen erhöhten Ausgaben nicht nur für die künftigen Jahre unangreifbar zementieren, sondern eine weitere Erhöhung automatisch auslösen.
Diese finanzpolitischen Feststellungen über die Wirkungen politisch so bedeutsamer Gesetzgebungswerke wie z. B. der Rentenreform und des Landwirtschaftsgesetzes oder der Wiedergutmachung mindern nicht den politischen Rang dieser großartigen Verbesserungen und Errungenschaften. Sie wollen nur auf jene innere Untrennbarkeit von Aufwand und Bezahlen hinweisen, die in den öffentlichen Haushalten ebenso unerbittlich herannaht wie in jedem privaten Haushalt. Auch in der Politik ist es ein Gebot der intellektuellen Sauberkeit, den Fordernden täglich neu zu sagen, was die Härte der Entwicklung immer neu bestätigt, nämlich daß die Fordernden immer auch zugleich die Zahlenden sind. Die untrügliche Sprache der Zahlen ist ein Prüfstein für die Richtigkeit der Politik einer Regierung.
Vor dem Hintergrund dieser Tatsachen und Überzeugungen möchte ich Ihnen nunmehr in kurzen Zügen die finanzpolitische Situation 1958 in einigen großen Strichen dartun und mich alsdann den tragenden Grundgedanken des Finanz- und Steuerprogramms zuwenden, das den heute eingebrachten Steuergesetzen zugrunde liegt.
Die Gesamtausgaben für das Rechnungsjahr 1958 liegen mit 39,2 Milliarden DM wiederum um 1,8 Milliarden DM über den Haushaltszahlen des vergangenen Jahres. Sie setzen damit leider die unentwegte Ausgabenentwicklung seit 1950, wenn auch in verringertem Ausmaß, fort. Diese schreckliche
Bundesfinanzminister Etzel
Kletterstange hat folgende Jahresmarken: 1950 betrugen die Ausgaben 12,6 Milliarden DM, 1951 19,6 Milliarden DM, 1952 21,9 Milliarden DM, um im Jahre 1953 auf 26,8 Milliarden DM zu springen; im Jahre 1954 waren es 28,2 Milliarden DM, 1955 29,7 Milliarden DM, 1956 33,3 Milliarden DM, 1957 im Soll 37,4 Milliarden DM, und 1958 sind es im Soll 39,2 Milliarden DM.
Von den Gesamtausgaben des Bundes entfallen im neuen Jahr 15,5 Milliarden DM und damit rund 40 v. H. auf das gesamte Wohlfahrtswesen einschließlich des Wohnungsbaus und der Vorsorge für die öffentlichen Bediensteten, 10,7 Milliarden DM = rund 27 v. H. auf die Verteidigungslasten. Diese beiden großen Blöcke bestimmen mit fast 70 v. H. das gesamte Gesicht und Gewicht des Bundeshaushalts. Demgegenüber treten die Ausgaben für Ernährung und Landwirtschaft und für den Verkehr mit je 2,4 Milliarden DM = je 6 v. H. und die restlichen Ausgaben mit 8,2 Milliarden DM = 20 v. H. zurück.
Als Grundlage einer geordneten Finanzpolitik ist es der Bundesregierung bei der Vorbereitung des Haushaltsplans gelungen, Einnahmen und Ausgaben auszugleichen. Ein im ordentlichen Haushalt nicht zu deckender Fehlbedarf von 1,6 Milliarden DM wurde in den außerordentlichen Haushaltsplan eingestellt. Dabei handelt es sich um große vermögenswirksame Ausgaben, deren Deckung aus Anleihemitteln durch Verschuldung finanzwirtschaftlich und politisch gerechtfertigt ist. Die Bundesregierung wird sich im Laufe des Finanzjahres 1958 seit langem erstmalig wieder genötigt sehen, eine größere Bundesanleihe zur Deckung des außerordentlichen Haushalts aufzulegen. Wann das der Fall sein wird und in welchen Abschnitten, hängt von dem Abfluß der Kassenbestände durch die ständigen Mehrausgaben ab.
Der Ausgleich des Haushaltsplans für für 1958 gelang der Bundesregierung nur in hartem Bemühen und in allseitigem Verständnis für die Notwendigkeit des Maßhaltens. Die ursprünglichen Anforderungen der Bundesressorts wurden in einvernehmlichen Verhandlungen mit dem Finanzminister um 4,7 Milliarden DM verringert. Der alsdann verbleibende Gesamtausgabenbedarf von 39,2 Milliarden DM, der, wie erwähnt, immer noch um 1,8 Milliarden DM über dem des Vorjahrs liegt, mußte mit 1,6 Milliarden DM zur Deckung durch Anleihen in den außerordentlichen Haushalt verwiesen werden und konnte mit 37,6 Milliarden DM aus ordentlichen Einnahmen gedeckt werden. Hier mußten erstmalig Mehrausgaben, die in den Vorjahren aus einmaligen Kassenbeständen gedeckt worden waren, aus laufenden ordentlichen Einnahmen gedeckt werden. Nur die Mehrung des Steueraufkommens um rund 3 Milliarden DM und die nochmalige und letztmalige Einstellung eines gleich hohen Betrags aus der Kassenrückstellung als ordentliche Einnahme verhinderten, daß bereits im Jahre 1958 ein nicht auszugleichender Fehlbetrag von mehreren Milliarden DM entstand.
Von den erwarteten Mehreinnahmen aus Steuern in Höhe von rund 3 Milliarden DM rühren 2,1 Milliarden DM aus der erwarteten Zunahme des Sozialprodukts um 7 v. H. her. Alle Abgeordneten des Hohen Hauses werden mit mir der Meinung sein, daß eine nochmalige Zunahme des Sozialprodukts um 7 v. H. eine sehr optimistische Annahme ist. Die Mehrung des Sozialprodukts ist nur durch unentwegte Mehrung der Produktivität aller Produktionsmittel - einschließlich der menschlichen Arbeitskraft - und nur bei zunächst nicht weiter verkürzter Arbeitszeit zu erreichen. Einige dunkle Wolken am Himmel der Weltwirtschaft legen uns den Wunsch nahe, daß aus der bisherigen freiwilligen Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnminderung nicht eine unfreiwillige Kurzarbeit mit Lohnminderung werden möge.
Aus dem erhöhten Anteil des Bundes am Aufkommen der Einkommen- und Körperschaftsteuer, der nach der Verfassung am 1. April dieses Jahres von 331/3 auf 35 v. H. ansteigt, erwartet die Bundesregierung eine Mehreinnahme von nur 280 bis 300 Millionen DM.
Schließlich werden die verspäteten Veranlagungen zur Einkommensteuer für 1956 und für 1957 im kommenden Jahr zu einer einmaligen Mehreinnahme von rund 1,8 Milliarden DM führen, von denen auf den Bund aber nur rund 600 Millionen DM entfallen. Der Bundesminister der Finanzen hofft, daß die Veranlagungen für 1956 im Jahre 1958 in vollem Umfang durchgeführt und die Abschlußzahlungen eingezogen werden können. Die Veranlagungen für 1957 werden wohl im kommenden Rechnungsjahr nur zu einem Teil verwirklicht werden können. Ein Teil dieser einmaligen Mehreinnahmen bei der Einkommensteuer wird noch in das Rechnungsjahr 1959 fallen. Wir hoffen, dann wieder in den normalen Veranlagungsrhythmus zurückgekehrt zu sein, und werden es uns angelegen sein lassen, künftig die Veranlagungen zur Einkommensteuer wieder so nahe wie möglich an den Abschluß eines Kalenderjahres heranzuführen.
Zu den erwarteten Mehreinnahmen an Steuern mit 3 Milliarden DM treten neben 200 Millionen DM Verwaltungsmehreinnahmen einmalig und letztmalig noch 3 Milliarden DM als Entnahme aus der Kassenrückstellung, die nochmals als Deckungsmittel in den ordentlichen Haushalt eingestellt wird. Die Hüter einer guten Finanztradition unter Ihnen werden vielleicht bei dem Gedanken erschauern, daß ein Finanzminister die vorübergehende Kassenfülle als Deckungsmittel unter die ordentlichen Einnahmen in den Haushaltsplan einstellt. Ich teile diese Empfindungen durchaus. Nach den Ausgabebeschlüssen von 1957 und dem Mehrbedarf für 1958 besteht leider keine andere Deckungsmöglichkeit für den Haushalt 1958 als diese Maßnahme. Dabei ist es für mich nur ein Trost, daß diese Maßnahme zugleich der Entzerrung des Finanzbildes dient, das in früheren Jahren durch Ausgabereste und entsprechende Kassenbestände von mehr als 7 Milliarden DM völlig verzerrt war.
Der Bund steht nun mit der veränderten und angespannten Lage seiner Finanzen nicht allein.
Bundesfinanzminister Etzel
Bei den Ländern und Gemeinden sind ähnliche Anzeichen teils schon früher, teils auch schärfer aufgetreten. Unsere derzeitige Finanzverfassung geht von der unwirklichen Annahme aus, daß die Finanzmasse des Bundes und die der Länder einander getrennt gegenüberstehen, und von der weiteren unwirklichen Annahme, daß die Finanzmasse der Gemeinden und Gemeindeverbände nur die Länder, nicht aber den Bund berühre. Ich bekenne mich zu dem Grundsatz der Einheit der öffentlichen Finanzen, die der Einheit der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse in einem modernen Sozialstaat entspricht.
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Niemand wird verkennen, daß die verfassungsrechtlichen Grundanliegen des Föderalismus und der gemeindlichen Selbstverwaltung auch die große Linie der Finanzverfassung mit ihrer Zuteilung von Aufgaben, Ausgaben und Deckungsmitteln bestimmen müssen. Die Entwicklung der letzten Jahre hat aber gezeigt - und die künftige wird es noch deutlicher zeigen -, daß weder dem Bund noch den Ländern und Gemeinden unabhängige Verantwortungsbereiche für ihre Ausgaben und Einnahmen ohne Rücksicht auf die Gesamtheit der wirtschaftlichen und finanziellen Zusammenhänge eingeräumt werden können.
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Es zeigt sich mehr und mehr, daß die Einheit der steuerlichen Deckungsmittel, die von einer nationalen Wirtschaftseinheit erhoben werden, in einem modernen Bundesstaat weder eine Steuerautonomie der Länder und Gemeinden für bestimmte Abgabenarten noch ein Trennsystem des Finanzausgleichs für die Verteilung der großen Steuern zuläßt. Der Gedanke des Finanz- und Steuerverbunds rückt unentwegt vor. Im Verhältnis zwischen den Gemeinden und den Ländern ist er bereits durch die Ergänzung des Art. 106 des Grundgesetzes im Jahre 1957 allgemein angeordnet worden. Mit dem Verlangen nach einer Beteiligung der Gemeinden und damit auch der Länder an der Umsatzsteuer würde er weitere Fortschritte machen.
Es ist hier nicht der Ort und sicherlich auch nicht die Zeit, auf die Entwicklungstendenzen der deutschen Finanzverfassung näher einzugehen. Die Bundesregierung widmet dieser Frage ihre besondere Aufmerksamkeit. Sie kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß die mühsam erreichte Verbesserung der Finanzverfassung vom Dezember 1955 in den kommenden Jahren erneut veränderten wirtschaftlichen und finanziellen Erfordernissen angepaßt werden muß. Der Finanzausgleich wird die Gretchen-Frage des deutschen Föderalismus bleiben.
Die Bundesregierung kann nur der Hoffnung Ausdruck geben, daß der wieder aufgebrochene Streit um die Lastenverteilung und die Steuerquoten und um viele Einzelstücke im Kuchen des anderen Finanzpartners sich nicht zu einem „Freistilringen" aller gegen alle entwickeln möge. Sie hofft, daß die Finanzinteressen der öffentlichen Finanzpartner, insbesondere im Verhältnis des
Bundes zu den Ländern, auf der Grundlage unbestreitbarer Tatsachen verständig ausgeglichen werden. Durch Forderungen nach Übertragung von Teilen der Finanzmasse des einen auf den anderen ist dieser weitschichtige Fragenkreis nicht zu lösen. Verhandlungen zwischen Bund und Ländern mit dem Ziele der Tatsachenklärung sind eingeleitet. Sie umfassen den gesamten Bereich der Einnahmen und Ausgaben des Bundes und der Länder einschließlich der Wiedergutmachungslasten.
Zur Wiedergutmachung ist zu sagen, daß ihre Last wesentlich größer sein wird, als beim Erlaß des Bundesentschädigungsgesetzes angenommen wurde. Man ging damals von 8 Milliarden DM Entschädigung aus. Zwar steht heute der endgültige Entschädigungsbetrag noch nicht fest, und alle bisher genannten Ziffern beruhen auf unsicheren Schätzungen, zumal das Ende der Anmeldefrist - der 31. März 1958 - noch nicht erreicht ist. Aber bis heute scheint ein Betrag von 18 Milliarden DM eine gewisse tatsächliche Grundlage zu haben. Endgültige Schätzungen werden erst im Herbst dieses Jahres möglich sein, wenn die große Zahl der eingegangenen, bisher noch nicht registrierten Anträge gesichtet und beziffert ist.
Die Bundesregierung hat für die Entschädigungszahlungen 1,3 Milliarden DM in den Bundeshaushalt 1958 eingesetzt; das ist fast 1 Milliarde DM mehr, als nach der ursprünglichen Voraussicht notwendig gewesen wäre. Da die Entschädigung in den nächsten fünf Jahren abgewickelt sein soll, würde das bei gleichbleibenden Raten bis zum Frühjahr 1963 6,5 Milliarden DM allein auf seiten des Bundes ausmachen. Da nach dem Gesetz die Länder den gleichen Beitrag leisten müssen, wären in diesen nächsten fünf Jahren somit 13 Milliarden DM aufzubringen. In der Vergangenheit wurden bereits 4,5 Milliarden DM gezahlt, so daß in der vorgesehenen Frist 17,5 Milliarden DM geleistet würden, wenn die Aufbringung in Bund und Ländern wie vorgesehen erfolgen kann. Das wären dann fast die vorhin erwähnten 18 Milliarden DM.
Ich kann dem Hohen Hause nicht verschweigen, daß bei einigen der Länder eine Aufbringung von jährlich insgesamt 1,3 Milliarden DM an Stelle von insgesamt 0,35 Milliarden DM eine sehr erhebliche und schwer zu erbringende Last ist. Diese Länder befinden sich in einer echten Sorge.
Grundsätzlich bin ich der Meinung, daß die hier und da stattfindende Diskussion über die Wiedergutmachung zur Zeit ganz einfach verfrüht ist. Es scheint mir wesentlich zu sein, daß zunächst einmal festgestellt wird, wie hoch die angemeldeten Ansprüche in Wirklichkeit sein werden, was erst im Oktober 1958 möglich sein wird. Zur Zeit wird in den Ländern - die Länder sind dafür zuständig - verstärkt an dieser Feststellung gearbeitet. Ausgehend von der Überzeugung, daß ein von Bundestag und Bundesrat einstimmig angenommenes Gesetz grundsätzlich auszuführen ist, werden wir uns dann gemeinsam überlegen müssen, wie wir die erforderlichen Mittel aufbringen, um die berechtigten Ansprüche zu erfüllen.
Bundesfinanzminister Etzel
Nach diesen Bemerkungen über die Wiedergutmachung darf ich mich wieder den engeren Fragen des Finanzverhältnisses zwischen Bund und Ländern zuwenden.
Zum Wesen und zur Gesinnung des modernen Bundesstaates gehört es auch, daß die Länder zunächst einander gegenseitig helfen, bevor die Schwierigkeiten einzelner zu Lasten des Bundes behoben werden. Diesen Weg weist auch das Grundgesetz. Die Finanzlage der Länder hat sich in den letzten Jahren außerordentlich unterschiedlich entwickelt. Unbestreitbaren Fehlbeträgen in einzelnen steuerschwachen Ländern stehen große, zum Teil großzügige Mehrausgaben, hohe Kassenbestände und Überschüsse in anderen Ländern gegenüber.
Die Bundesregierung hält deshalb eine alsbaldige Verbesserung des Finanzausgleichs zwischen den Ländern für notwendig. Dabei werden die Leistungen der Verwaltung der Länder und der Gemeinden in allen Ländern mehr als bisher einander anzugleichen sein. In einem Bundesstaat gibt es eigentlich keinen überzeugenden Gesichtspunkt mehr, aus dem die Schulverhältnisse oder die Straßenverhältnisse oder die Ausstattung der Universitäten in einem Gliedstaat wesentlich schlechter als in einem anderen sein sollten, nur weil dieser nicht gleich finanzstark ist.
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Die Ballung der wirtschaftlichen Produktionsenergien in einigen Bezirken ist einer der stärksten Gründe, die einen nachhaltigen Finanzausgleich zwischen den einzelnen Gebietsteilen bei Ländern und Gemeinden unentbehrlich machen. Erst wenn diese Finanzpartner untereinander das Äußerste an föderativer Verpflichtung auch in finanzieller Beziehung erfüllt haben, können sie in ihrer Gesamtheit Wünsche auf Änderung der Finanzbeziehungen zum Bunde anmelden.
Die Bundesregierung betrachtet es als ihre Aufgabe, diesen verbesserten und erweiterten Finanz- und Lastenausgleich zwischen den Ländern von Bundes wegen zu fordern und zu fördern. Sie weiß sich darin eins mit der öffentlichen Meinung, die gewisse ungehemmte Äußerungen des Länderpartikularismus in Finanzfragen gerade in den letzten Monaten einhellig mißbilligt hat. Erwähnt seien hier neben anderen Äußerungen bedeutender Politiker und Finanzwissenschaftler in der Presse vor allem auch die Denkschrift des Bundes der Steuerzahler und des Instituts Finanzen und Steuern.
Die Finanzpartnerschaft zwischen Bund und Ländern ist nach dem Willen unserer Verfassung eine ungleiche. Die Länder sprechen ein einflußreiches Wort bei der Gestaltung des Bundeshaushalts in seinen Ausgaben und seinen Deckungsmitteln mit. Dem Bunde jedoch ist es verwehrt, die Finanzgebarung der Länder auch nur kritisch zu würdigen, geschweige sie von Bundes wegen zu beeinflussen. Die Länder können jeden Winkel der Finanzpolitik und der Haushaltsgebarung des Bundes durchleuchten und beeinflussen, während dem Bund eine Durchleuchtung und kritische Würdigung
der Länderhaushalte unmöglich ist und damit ein zeitnaher Vergleich der Länderhaushalte untereinander und mit dem Bunde sehr erschwert wird.
Mit nicht geringerer Aufmerksamkeit verfolgt die Bundesregierung auch die Entwicklung der Finanzen bei den Gemeinden und Gemeindeverbänden. Es ist eine etwas billige Wiederholung, wenn ich sage, daß die Aufgaben der gemeindlichen Selbstverwaltungsträger in der Ortsinstanz keine geringere Bedeutung haben und ihre Finanzbedürfnisse nicht weniger wichtig sind als die der Länder und die des Bundes. Das ständige Wachstum der Aufgaben und Ausgaben hat auch im kommunalen Bereich zu einem recht ungleichmäßigen Finanzbild geführt, das durch die einseitige Entwicklung des Gewerbesteueraufkommens an den Zentralplätzen von Industrie und Handel noch verstärkt wird. Im Zuge dieser Entwicklung haben sich nicht wenige Gemeinden und Gemeindeverbände bereits bedenklich weit und schnell verschuldet. Dieser Weg kann nicht ungehemmt fortgesetzt werden. Nach dem Willen der Verfassung ist es die Aufgabe der Länder und nicht die des Bundes, im Rahmen des gemeindlichen Finanzausgleichs für einen angemessenen Ausgleich zwischen reich und arm in der Welt der Gemeinden durch entsprechende Finanzausgleichsgesetze zu sorgen.
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Dennoch muß und wird sich die Bundesregierung der Verantwortung für die Einheit der Finanzen, die auch die Gemeindefinanzen umfaßt, nicht entziehen können. Erste Folgerungen aus dieser politischen Verpflichtung sind bei der Einführung des Steuerverbundes durch die Ergänzung des Artikels 106 des Grundgesetzes bereits gezogen worden. Bei der sich abzeichnenden Anpassung der deutschen Finanzverfassung an veränderte wirtschaftliche und finanzielle Verhältnisse wird die Entwicklung der Gemeindefinanzen auch künftig beachtet und insbesondere dem Grundsatz der gemeindlichen Selbstverantwortung größere Bedeutung zugemessen werden müssen.
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Der tiefere Grund für den Wetterumschlag auch im innerdeutschen Finanzausgleich ist das dauernde Steigen der öffentlichen Ausgaben bei allen Finanzpartnern. Wir werden weder beim Bund noch bei den Ländern noch bei den Gemeinden und Gemeindeverbänden um die harte Tatsache herumkommen, daß diesem Wachstum der Ausgaben energisch Grenzen gezogen werden müssen; es sei denn, wir erhöhten die Steuern in den kommenden Jahren wieder. Von dem dritten Weg, dem bewußten Verfall der Währung durch Verschuldung aus Kreditschöpfung, spreche ich nicht; denn das wäre ein Weg in den Abgrund.
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Ihn verwehrt erfreulicherweise auch die Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank, die vor kurzem erst durch das Bundesbankgesetz erneuert und gestärkt worden ist.
Alle diese finanzpolitischen, diese wirtschaftspolitischen und haushaltsrechtlichen Gedanken und
Bundesfinanzminister Etzel
Überzeugungen zwingen nun zum Handeln. In Übereinstimmung mit diesen Überlegungen zieht die Bundesregierung ihre Schlußfolgerungen auf steuerpolitischem Gebiet und legt Ihnen in fünf Gesetzentwürfen ein Steuergesetzgebungswerk vor, über das dieses Haus heute in erster Lesung zu beraten hat.
Die Steuergesetzgebung dient u. a. der sinnvollen Einkommensverteilung und der Steigerung des Sozialprodukts. Die vorliegenden Gesetzentwürfe sind ein entscheidender Schritt in der Richtung einer echten Reform der Einkommensteuer und damit zur Erfüllung der vom Herrn Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung angekündigten Steuerreform. Durch sie werden zunächst die Steuern vom Einkommen in wesentlichen Punkten auf eine neue Grundlage gestellt. Weitere Reformvorschläge, auf die ich später noch kurz eingehen werde, werden im Laufe dieser Legislaturperiode folgen.
Es ist nicht die Absicht der Bundesregierung, das deutsche Steuersystem als solches von Grund auf zu ändern. Dieses beruht seit den Reformen der Jahre 1920 und 1925 - von den Zöllen und Verbrauchsteuern abgesehen - auf einem ausgewogenen Verhältnis der Steuern vom Einkommen und Ertrag, vom Vermögen und vom Umsatz. Die Verteilung des Steueraufkommens auf direkte und indirekte Steuern bedarf keiner grundsätzlichen Änderung. Im Jahre 1956 entfielen von dem Steueraufkommen in der Bundesrepublik 53,9 v. H. auf die direkten Steuern, d. h. auf die Steuern vom Einkommen, Ertrag und Vermögen, und 46,1 v. H. auf die indirekten Steuern. Der Anteil der direkten Steuern liegt danach zwar unter den entsprechenden Anteilen in England und USA, wird jedoch in den Ländern des Gemeinsamen Marktes nur in Luxemburg mit 65,5 und in den Niederlanden mit 63,6 v. H. übertroffen. Dagegen liegt der Anteil der direkten Steuern in Belgien bei 50,5, in Frankreich bei 40 v. H. und in Italien nur bei 32,3 v. H. Gerade auch im Hinblick auf die Erfordernisse des Gemeinsamen Marktes erscheint daher der Anteil der Steuern zueinander in der Bundesrepublik als in der Mitte liegend in einem angemessenen Verhälnis.
Aus der Situation bei Übernahme meines Amts als Bundesfinanzminister ergab sich die Notwendigkeit, die Reform der Einkommensteuer an die Spitze zu stellen. Durch den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Januar 1957 zur Ehegattenbesteuerung und durch die diesem folgende Übergangslösung, dem Gesetz zur Änderung steuerrechtlicher Vorschriften vom 26. Juli 1957, war eine für die Steuerpflichtigen und für die Verwaltung äußerst schwierige Situation entstanden. Die endgültige Klärung der Ehegattenbesteuerung war ein Vermächtnis des Zweiten Bundestages, dessen beschleunigte Erfüllung mit Recht von allen Seiten erwartet wurde. Wir haben uns jedoch nicht auf diese Teilaufgabe beschränkt, sondern mit der vorliegenden Gesetzgebung versucht, zugleich mit den wichtigen Tarifproblemen der Einkommensteuer auch die Fragen einer Förderung des Kapitalmarktes einer volkswirtschaftlich erwünschten Lösung näherzubringen.
Im Mittelpunkt der Gesetze stehen daher vier miteinander im Zusammenhang stehende Vorschläge:
erstens die Erneuerung des Einkommensteuertarifs unter Lösung des Problems der Ehegattenbesteuerung und der Kinderfreibeträge,
zweitens die Förderung des Kapitalmarkts, insbesondere durch Maßnahmen für die Aktie,
drittens die Einführung eines Spar-Prämiengesetzes zur Förderung des Sparens auf längere Sicht gerade bei Beziehern kleinerer Einkommen und
viertens die gesetzliche Regelung der degressiven Abschreibung.
Bei der Gestaltung der Gesetzesvorschläge ist im übrigen entscheidendes Gewicht darauf gelegt worden, für die geplagte Finanzverwaltung und auch im Interesse der Steuerpflichtigen eine grundlegende Verwaltungsvereinfachung zu verwirklichen.
Der neue Einkommensteuertarif ist der sogenannte Splitting-Tarif, wie er gleichfalls aus verfassungsrechtlichen Gründen - in den USA 1948 eingeführt worden ist. Das Splitting geht davon aus, daß beide Ehegatten das in der Ehe erzielte Einkommen gemeinsam, und zwar je zur Hälfte, erworben haben. Das gilt auch dann, wenn die Ehefrau nur als Hausfrau tätig gewesen ist. Damit wird ein Weg begangen, der der Stellung der Frau im modernen Staat und in der heutigen Gesellschaft im besonderen Maße Genüge tut. Das Splitting entspricht auf güterrechtlichem Gebiete der sogenannten Zugewinngemeinschaft des Gleichberechtigungsgesetzes vom 18. Juni 1957. Mit dieser Gestaltung wird dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichtes, wonach sich Mehrsteuern bei bisher ledigen Personen als Folge ihrer Verheiratung grundsätzlich nicht ergeben dürfen, voll Rechnung getragen.
Die wahlweise getrennte Besteuerung der Ehegatten, die in der jetzt geltenden Übergangslösung enthalten ist, hätte diesem Beschluß des Bundesverfassungsgerichtes ebenfalls entsprochen. Sie hat aber demgegenüber den Nachteil, daß einzelne Steuerpflichtige, z. B. große Gewerbetreibende und Bezieher großer Kapitaleinkommen, die Aufteilung des Einkommens unter den Ehegatten steuerlich günstiger gestalten können und daß andere, insbesondere die Mehrzahl der Lohnsteuerpflichtigen, diese Möglichkeit nicht haben. Ein Vorteil des Splitting liegt gerade darin, daß es alle Ehepaare mit gleichen Einkommen gleich behandelt und die Fälle, in denen die Ehefrau kein eigenes Einkommen hat und als Hausfrau und Mutter im Haushalt tätig ist, steuerlich nicht schlechterstellt als diejenigen, in denen der Ehefrau Einkommen zufließt.
Hier ist das Splitting eine bedeutende Förderung des Familiengedankens.
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Ich möchte allerdings nicht so weit gehen, das Splitting 'schlechthin als ein ideales System zu bezeichnen. Als ein besonderer Nachteil des Splitting muß angesehen werden, daß sich seine steuerlichen
Bundesfinanzminister Etzel
Vorteile bei einem Progressionstarif automatisch mit zunehmendem Einkommen vergrößern. Im Laufe der Diskussion, besonders auch im Rahmen des Wissenschaftlichen Beirates des Bundesfinanzministeriums, der ein Gutachten zu diesen Fragen bearbeitet hat und demnächst abschließen wird, ist daher die Frage erörtert worden, ob nicht für die Differenz zwischen der Jahressteuer der Ledigen und der Verheirateten mit gleichem Einkommen eine Höchstgrenze, z. B. von 3000 DM, gesetzlich fixiert werden sollte. Die Bundesregierung hat hiervon jedoch mit Rücksicht auf den Beschluß des Bundesverfassungsgerichtes abgesehen, weil dadurch ja wieder eine Ungleichheit eingeführt werden würde. Sie hat sich aber bemüht, bei der Gestaltung des Einkommensteuertarifs, und zwar durch die Einführung einer erheblich steileren Progression als bisher, zu verhindern, daß die Vorteile der verheirateten Steuerpflichtigen mit höheren Einkommen absolut und gegenüber dem jetzigen Stand zu groß werden.
Der vorgeschlagene Splittingtarif ist, vor allem aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung, durch eine breite Proportionalstufe ergänzt worden. Andernfalls hätten sich insbesondere in Fällen, in denen beide Ehegatten Arbeitnehmer sind, schwierige verwaltungstechnische Probleme ergeben. Die Einführung einer Proportionalstufe erfordert den Abzug erhöhter Freibeträge, die die Auswirkung des einheitlichen Steuersatzes bei kleinen Einkommen vermindern und dadurch eine indirekte Progressionswirkung hervorrufen. Nach gründlichen Untersuchungen ist die Bundesregierung zu dem auch vom Bundesrat gebilligten Vorschlag gelangt, eine Proportionalstufe von 20 v. H. bei Ledigen bis 8000 DM Einkommen und bei Verheirateten bis 16 000 DM Einkommen einzuführen. Die Freibeträge wurden auf 1680 DM bei Ledigen und auf 3360 DM für Verheiratete bemessen. Damit werden zusätzlich etwa 2,8 Millionen bisher steuerbelastete Personen nicht mehr zur Steuer herangezogen. Insgesamt sind also in Zukunft rund 10 Millionen, d. h. rund 45 v. H. aller Steuerpflichtigen, nicht mehr Einkommensteuerzahler. Dieses Verhältnis ist übrigens ungefähr das gleiche wie vor dem Krieg.
Ein weiterer außerordentlicher Vereinfachungseffekt entsteht daraus, daß künftig 95 v. H. der Steuerpflichtigen nach dem einheitlichen Satz von 20 v. H. besteuert werden. Durch die Auswirkung der Freibeträge wird, wie ich schon angedeutet habe, auch innerhalb der Proportionalstufe eine erhebliche Progression wirksam. Die Proportional-stufe hat noch den Vorzug, daß bei den Beziehern der hier in Betracht kommenden Einkommen gerade für den Fall von Lohn- und Gehaltserhöhungen und von Entlohnungen für Mehrarbeit der einheitliche Steuersatz als vorteilhaft empfunden werden muß, weil ja eine Steuerprogression dann nicht mehr eintritt. Ein Lohnsteuer-Jahresausgleich wird außer in den Fällen unständiger Beschäftigung regelmäßig entbehrlich. Auch in England besteht übrigens - allerdings mit einer Vorstufe versehen - ein einheitlicher Steuersatz für die Masse der Steuerpflichtigen.
Die Bundesregierung hat von der Einführung eines Plafonds im Tarif, der bisher 55 v. H. betrug, abgesehen und den Spitzensatz auf 53 v. H. festgelegt. Diese Festsetzung des Spitzensatzes, die mit der künftig weit steileren Gestaltung des Einkommensteuertarifs im Zusammenhang steht, beruht vor allem auf zwei Überlegungen: Einmal erscheint es wünschenswert, sich dem psychologischen Bruchpunkt von 50 v. H. möglichst zu nähern, bei dessen Überschreitung nach allen Erfahrungen in der Vergangenheit die Tendenz, unwirtschaftliche Unkosten zu machen, erheblich steigt. Ferner steht der Spitzensatz bei der Einkommensteuer in einem engen Zusammenhang mit dem vorgeschlagenen Körperschaftsteuersatz für nicht ausgeschüttete Gewinne von 47 v. H. zuzüglich 4,09 v. H. Notopfer Berlin, also von zusammen 51,09 v. H. Die Annäherung dieser beiden Steuersätze wird dazu beitragen, daß das Interesse an dem Übergang von einer Unternehmensform zur anderen geringer wird.
Die Bundesregierung hat sich bemüht, bei der Gestaltung des Tarifs, und zwar in Verbindung mit dem Splitting wie auch mit der Proportionalstufe gerade die Interessen des Mittelstandes zu fördern. Bei verheirateten Einkommensteuerpflichtigen mit Einkommen zwischen 15 000 und 60 000 DM treten durchweg Minderungen der jetzigen Belastung von über 15 v. H. ein; bei den größeren Einkommen gehen sie zurück.
Bei den verheirateten Einkommensteuerpflichtigen mit Einkommen zwischen 5000 und 10 000 DM tritt infolge des Verlaufs der Proportionalstufe eine geringere prozentuale Senkung ein. Die Senkung ist bei den kleinsten Einkommensteuerpflichtigen wieder besonders groß. Es darf in diesem Zusammenhang nicht übersehen werden, daß gerade diese Einkommensgruppen zwischen 5000 und 10 000 DM in den letzten Jahren schon besonders starke Tarifsenkungen erhalten haben, die zum Teil über 50 v. H. der damaligen Steuersätze hinausgingen.
Die Anwendung des Tarifs auf die Ledigen führt dazu, daß hier gewisse Einkommensteuererhöhungen gegenüber 1957 - eintreten. Diese halten sich aber durchaus in Grenzen. Auch ein Teil der Ledigen mit Einkommen zwischen 4000 und 6000 DM wird infolge des Verlaufs der Proportionalstufe etwas mehr zu zahlen haben als bisher. Es handelt sich hierbei jedoch im Höchstfalle um Jahresbeträge von 22 DM bei Lohnsteuerpflichtigen. Gegenüber dem Jahr 1956, in dem das Notopfer Berlin noch in Kraft war, ergeben sich aber auch hier nur Entlastungen. Die leichten Erhöhungen gegenüber 1957 in diesen Gruppen hätten praktisch nur durch eine weitere beträchtliche Heraufsetzung der Freibeträge beseitigt werden können. Dies hätte wesentliche Mehrausfälle - wir haben 400 Millionen DM errechnet - und ein weiteres Herausfallen von Personen aus der Steuerpflicht zur Folge gehabt und wäre auch nach Ansicht des Bundesrats aus Haushaltsgründen nicht zu vertreten.
Aus der Anwendung des Splitting, durch das die Progression durchweg vermindert wird, ergibt sich
Bundesfinanzminister Etzel
automatisch eine Verringerung der steuerlichen Auswirkung der Kinderfreibeträge. Um im Interesse der Familienpolitik dennoch zu erreichen, daß diese Auswirkung jedenfalls bei Einkommen bis 10 000 DM auch absolut die gleiche bleibt, sieht die Regierungsvorlage eine Erhöhung der Kinderfreibeträge für das erste Kind von 720 auf 900 DM, für das zweite von 1440 auf 1680 DM und für die weiteren Kinder von 1680 auf 1800 DM vor. Schließlich ist zu erwähnen, daß Unverheiratete vom 55. Lebensjahre an und Unverheiratete, soweit ihnen Kinderermäßigung zusteht, einen besonderen Freibetrag von 800 DM erhalten und daß verwitwete Personen in entsprechenden Fällen in dem Genuß des Splitting bleiben sollen.
Neben dem neuen Einkommensteuertarif ist die Änderung des Körperschaftsteuertarifs von entscheidender Bedeutung. Sie steht im Mittelpunkt einer Anzahl von Maßnahmen zur Förderung des Kapitalmarkts und zugunsten einer Verbesserung der Stellung der Aktien.
Die Bundesregierung hofft, mit einer Herabsetzung des Körperschaftsteuersatzes für ausgeschüttete Gewinne inländischer Kapitalgesellschaften von 30 v. H. auf 11 v. H. - daneben in beiden Fällen die 4,09 v. H. Notopfer Berlin - und einer gleichzeitigen Erhöhung des Steuersatzes für nicht ausgeschüttete Gewinne von 45 auf 47 v. H. - auch daneben die 4,09 v. H. Notopfer Berlin - höhere Ausschüttungen der Aktiengesellschaften und damit eine höhere Rendite der Aktie sowie eine Erhöhung des Interesses des Sparers an der Aktie zu erreichen. Zugleich glaubt sie, damit der bisher in den großen Kapitalgesellschaften häufigen übermäßigen Selbstfinanzierung entgegenzuwirken. Es wird angestrebt, das Eigentum am Produktionsvermögen der deutschen Wirtschaft stärker als bisher zu streuen, insbesondere auch in Form der vom Kleinsparer erworbenen Aktie. Schließlich bezweckt die Maßnahme, die Gesellschaften zu veranlassen, sich mehr als bisher durch Kapitalerhöhungen zu finanzieren und dafür die Inanspruchnahme des Rentenmarkts weitgehend den Pfandbriefanstalten und der öffentlichen Hand zu überlassen. Eine wesentliche Zielsetzung der Regierungsvorlage ist die Annäherung des Körperschaftsteuersatzes für nicht ausgeschüttete Gewinne an den vorgeschlagenen Einkommensteuerspitzensatz von 53 %. Eine weitere Herabsetzung des Satzes für die ausgeschütteten Gewinne, die gefordert worden war, hätte im Hinblick auf die Besteuerung der ausländischen Anteilseigner an inländischen Kapitalgesellschaften und auch im Verhältnis zu der Besteuerung der Personengesellschaften erhebliche Schwierigkeiten hervorgerufen.
Im Laufe der Gesetzgebungsarbeit wird noch die besondere Lage der kleinen Kapitalgesellschaften, besonders der Familiengesellschaften, weiter zu erörtern sein.
Die Änderung der Körperschaftsteuersätze wird ferner durch eine Anzahl anderer den Kapitalmarkt fördernden Maßnahmen ergänzt, z. B. durch eine Erhöhung der steuerfreien Nebeneinnahmen nach § 46 des Einkommensteuergesetzes, durch die Verbesserung der Werbungskostenpauschale bei den Kapitaleinkünften, durch die Einführung besonderer Freibeträge für Kapitalvermögen bei der Vermögensteuer und durch die Senkung der Gesellschaftsteuer von 3 v. H. auf 1,5 v. H., also auf den Satz der Wertpapiersteuer.
Als dritter wichtiger Teil der von der Bundesregierung vorgeschlagenen Maßnahmen ist das Sparprämiengesetz hervorzuheben, das neben dem Wohnungsbauprämiengesetz der Förderung des Sparens gerade der kleinen Einkommenbezieher auf längere Sicht dienen soll. Es beruht auf der Erkenntnis, daß steuerliche Maßnahmen allein nicht ausreichen, um die von der Bundesregierung erstrebte breite Streuung des privaten Eigentums zu erreichen.
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Es bedarf hierzu eines wirksamen Anreizes zur Spartätigkeit, der gerade auch die Bevölkerungskreise mit geringem Einkommen zur Kapitalbildung veranlaßt. Nur die Gewährung der Sparprämien bietet gegenüber der bisherigen Begünstigung des Sparens im Rahmen des Sonderausgabenabzugs bei der Einkommensteuer auch denjenigen Sparern greifbare Vorteile, die keine oder nur eine geringe Einkommensteuer zu zahlen haben. Dieses Kriterium wiegt um so schwerer, als infolge der Heraufsetzung der Steuerfreigrenze bei der Einkommensteuer annähernd 3 Millionen Steuerpflichtige zusätzlich aus der Besteuerung entlassen werden.
Die grundsätzliche Förderung des Sparens hat aber nicht nur eine ökonomische, sondern auch eine ethische Seite. Ich möchte mit diesem Sparprogramm neben dem ökonomischen einen ethischen und einen gesellschaftspolitischen Effekt auslösen. Es scheint mir für die Gesellschaftsstruktur sinnvoll zu sein, in unserem Volk auch den kleinen Mann davon zu überzeugen, daß es einen Wert hat, ein kleines Kapital für die verschiedensten zukünftigen Zwecke, z. B. für die Ausbildung des Sohnes, für die Aussteuer der Tochter, für die Vorsorge für den Krankheitsfall oder für den Lebensabend, zu besitzen und dieses kleine Kapital langfristig anzulegen. Diese Maßnahme soll auch dazu beitragen, aus den Deutschen in breiter Schicht wieder ein Volk von Eigentümern zu machen.
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Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß die traditionellen Formen des Versicherungssparens und Bausparens nach wie vor im Rahmen des Sonderausgabenabzugs bei der Einkommensteuer begünstigt bleiben sollen. Dies ist bei den Lebensversicherungen schon mit Rücksicht auf die gleichfalls im Rahmen der Sonderausgaben abzugsfähigen gesetzlichen Rentenversicherungen der Arbeiter und Angestellten angemessen und zweckdienlich. Die Beträge des in der Regel langfristigen und zum Bau eines Eigenheims führenden Bausparvertrages sollen gleichfalls nach wie vor als Sonderausgaben abzugsfähig bleiben, allerdings mit einer wichtigen Einschränkung der Möglichkeit, die Vertragsrechte ohne steuerlichen Nachteil abzutreten. Dagegen sollen die Kapitalansammlungsver-
Bundesfinanzminister Etzel
träge, die besonders in der bisherigen Form - Festlegung der Sparbeträge auf nur drei Jahre - in den Rahmen der Sonderausgaben nicht mehr paßten, aus dem Einkommensteuergesetz herausgenommen werden und den Inhalt des Sparprämiengesetzes bilden. Die Sparkassen, die einige längerfristige Sparverträge mit Beziehern höherer und mittlerer Einkommen verlieren werden, erhalten auf die Dauer durch die gerade bei ihnen mögliche Anlage von Sparprämiengeldern einen angemessenen Ersatz und ein ihnen gemäßes Wirkungsfeld.
Die Förderung des Sparens auf breitester Basis setzt voraus, daß nicht nur das Kontensparen, sondern auch das Sparen in Wertpapieren prämiiert wird. Deshalb müssen auch Aktien und Investmentzertifikate in die Förderung einbezogen weiden. Allerdings soll sich das begünstigte Sparen auf den Ersterwerb der Wertpapiere beschränken, damit mit dem Sparvorgang zugleich eine langfristige Anlage des Geldes bei den Empfängern gesichert ist. Das Sparprämiengesetz wird auch für die beabsichtigte Emission von sogenannten Volksaktien besondere Bedeutung erhalten. Der mit der Prämiengewährung angestrebte Erfolg kann nur eintreten, wenn der Sparer sich einem einigermaßen langfristigen Konsumverzicht unterwirft, seine Ersparnisse also auch für längere Zeit bindet. Deshalb sollen und können lediglich solche Sparleistungen prämiiert werden, die auf mindestens fünf Jahre festgelegt sind. Als Prämie schlägt die Bundesregierung für die Zeit von fünf Jahren
20 v. H. vor, was bei einer fünfjährigen Festlegung einer zusätzlichen Verzinsung von 4 v. H. jährlich entspricht. Dieser Betrag soll schon nach Ablauf eines Jahres gutgeschrieben werden und steuerfrei sein. Um die Maßnahme im wesentlichen auf den Kreis kleiner Sparer zu beschränken, soll die Prämie für Einzelpersonen auf jährlich 250 DM und für Ehegatten auf jährlich 500 DM beschränkt sein. Dies entspricht einem Sparbetrag für Einzelpersonen von 1250 DM und für Ehegatten von 2500 DM. Die Beschränkung ist schon aus haushaltsmäßigen Gründen notwendig. Zum anderen verhindert sie, daß Personen mit erheblichem Einkommen oder Vermögen die Prämie in starkem Maße für Vermögensumschichtungen in Anspruch nehmen und dadurch einen unangemessenen, ungerechtfertigten Vorteil erlangen können.
Eine weitere wesentliche Maßnahme, durch die verschiedene Zwecke erreicht werden sollen, ist die gesetzliche Festlegung der degressiven Abschreibung auf das Zweieinhalbfache des Satzes der linearen Abschreibung und auf einen Höchstsatz von 25 v. H. der Anschaffungs- oder Herstellungskosten. Hierin liegt eine gewisse Einschränkung der übertriebenen degressiven Abschreibungen bei beweglichen Anlagegütern mit längerer Lebensdauer. Sie ist geeignet, in gewissem Grade die Selbstfinanzierung gerade bei größeren Unternehmungen etwas zu begrenzen. Wichtiger ist allerdings auch für diese Unternehmungen die vorgesehene gesetzliche Anerkennung der degressiven Abschreibung in ihrer Ausdehnung auf Wirtschaftsgüter mit kürzerer Lebensdauer. Dem liegt der Gedanke zugrunde, daß im Hinblick auf die auch künftig große Bedeutung der Investitionen und die Notwendigkeit, die Kapazität bei manchen Industrien auch in Zukunft zu erhöhen, die degressive Abschreibung nicht entbehrt werden kann. Auf der anderen Seite ist zu erwarten, daß manche mittelständische Betriebe in stärkerem Ausmaß als bisher von der Möglichkeit dieser Abschreibungsform Gebrauch machen werden. Allgemein ist dabei wichtig, daß durch die gesetzliche Festlegung der degressiven Abschreibung in einem bestimmten, vernünftigen Ausmaß und besonders infolge der Einführung der festen Höchstgrenze der Streit über die Bemessung der Abschreibung und über die Lebensdauer der Wirtschaftsgüter weitgehend beendet sein wird.
Ich möchte auf den weiteren Inhalt des Gesetzgebungswerkes nicht mehr im einzelnen eingehen, jedoch noch folgendes kurz erwähnen. Den an sich berechtigten Forderungen der Länder und der Finanzverwaltung, die am 31. Dezember 1958 auslaufenden Sondervergünstigungen nicht zu verlängern, hat die Bundesregierung aus wohlerwogenen Gründen nicht in vollem Umfang entsprechen können. Von den Sondervergünstigungen für die Vertriebenen, Flüchtlinge und Verfolgten wird nur der § 7 a des Einkommensteuergesetzes ab 31. Dezember 1958 fortfallen, nicht aber die §§ 7 e und 10 a des Einkommensteuergesetzes. Auch der § 7 c des Einkommensteuergesetzes soll auf weitere drei Jahre verlängert werden, jedoch mit der wichtigen Einschränkung, daß er nur noch für Eigenheime und ihnen gleichgestellte Gebäude sowie für den Wiederaufbau gelten soll. In diesem Zusammenhang ist bemerkenswert, daß der Bundesrat trotz der dringenden Forderungen der Finanzminister der Länder auf Vereinfachung dahin Stellung genommen hat, daß der § 7 c des Einkommensteuergesetzes ohne jede Einschränkung aufrechterhalten bleiben soll.
War somit eine wesentliche Verwaltungsvereinfachung auf diesem Gebiet nicht zu erreichen, so kann die Bundesregierung doch für sich in Anspruch nehmen, durch ihre übrigen Maßnahmen die Verwaltung der Steuern vom Einkommen bei den Finanzämtern in stärkstem Maße erleichtert zu haben. In diesem Zusammenhang hebe ich die Auswirkung folgender Vorschriften hervor:
a) die Erhöhung der tariflichen Freibeträge auf 1680 DM, wodurch rund 3 Millionen bisher Steuerpflichtige mit geringem Einkommen aus der Steuerpflicht herausfallen und damit keine Verwaltungsarbeit mehr machen;
die Anwendung des Proportionalsatzes von 20 v. H. auf ledige Einkommensteuerpflichtige mit Einkommen bis 8000 DM und auf Verheiratete mit Einkommen bis 16 000 DM, wodurch 95 % aller Einkommensteuerpflichtigen mit einem Einheitssatz veranlagt werden, was eine große Verwaltungsvereinfachung bedeutet;
b) die Herausnahme der Kapitalansammlungsverträge aus den Sonderausgaben - die sich durch das
Bundesfinanzminister Etzel
Sparprämiengesetz für die Finanzämter ergebenden Arbeitsbelastungen sind erheblich geringer als die mit dem Sonderausgabenabzug verbundene Arbeit -;
d) die gesetzliche Regelung der degressiven Abschreibung mit einem pauschalen Höchstsatz von 25 v. H., durch die zahlreiche Streitigkeiten bei der Veranlagung und bei der Betriebsprüfung vermieden werden.
Auch die anderen Vorschriften enthalten zum Teil Verwaltungsvereinfachungen. Es ist mit Sicherheit anzunehmen, daß die Finanzverwaltung, nachdem sie die schwierigen Einkommensteuerveranlagungen 1956 und 1957 durchgeführt haben wird, ihre Aufgaben ebenso ordnungsgemäß und zeitnah erfüllen wird, wie es in früheren Jahren der Fall gewesen ist.
Die neuen Tarifvorschriften sollen im wesentlichen ab 1. Januar 1958 in Kraft treten. Dabei sind Nachzahlungen für die Lohnsteuerpflichtigen selbstverständlich ausgeschlossen. Das rückwirkende Inkrafttreten ist im übrigen nur dann technisch durchführbar, wenn die Gesetze noch vor den Sommerferien vom Bundestag und vom Bundesrat verabschiedet werden. Entsprechendes gilt für die Rückwirkung der Körperschaftsteuer. Andere Vorschriften, wie z. B. das Sparprämiengesetz, können dagegen erst am 1. Januar 1959 in Kraft treten, zu dem gleichen Zeitpunkt, zu dem die Kapitalansammlungsverträge aus den Sonderausgaben herausfallen sollen.
Zu den haushaltsmäßigen Auswirkungen der Gesetze ist zusammenfassend folgendes zu bemerken:
Die Gesamtentlastung der Steuerzahler durch die ab 1. Januar 1957 wirksame Übergangsregelung zur Ehegattenbesteuerung, die wir also schon verdaut haben, ist mit 1335 Millionen DM in Ansatz gebracht. Das neue Gesetzgebungswerk bringt im Rahmen der Einkommensteuer und Körperschaftsteuer per Saldo zusätzliche Entlastungen der Steuerzahler im Betrage von 350 Millionen DM.
Durch die Gewährung von Sparprämien entstehen
- im ersten Jahre der vollen Wirksamkeit des Sparprämiengesetzes - Aufwendungen von etwa 400 Millionen DM. Außerdem ergeben sich Steuerausfälle im Betrage von 90 Millionen DM bei der Kapitalverkehrsteuer und bei der Vermögensteuer.
Der Gesamtwert der durch die Reformgesetze bewirkten Maßnahmen stellt sich mithin - bei 12monatiger Wirksamkeit der Gesetzesänderungen
- auf 840 Millionen DM. Von diesem Betrag belasten 350 Millionen DM Bund und Länder gemeinsam, also den Bund rund 120 Millionen, 400 Millionen DM nur den Bund, die aus der Sparprämie entstehen und die wir aus Anleihen aus dem zu bildenden Kapital holen wollen, und 90 Millionen DM nur die Länder bei der Gesellschaftsteuer und Vermögensteuer.
Meine Damen und Herren, damit habe ich die Gesetze im allgemeinen begründet. Ich will auf die Stellungnahme des Bundesrates, die er in seiner
Sitzung vom 28. Februar 1958 beschlossen hat, im einzelnen nicht eingehen, sondern auf die schriftlichen Bemerkungen dazu verweisen, möchte dabei jedoch meiner Genugtuung darüber Ausdruck geben, daß die Konzeption der Bundesregierung und die des Bundesrates in weitem Maße übereinstimmen. Abgesehen von verschiedenen technischen Verbesserungen und Anregungen, die die Bundesregierung übernommen wissen möchte, sind die Gegenvorschläge des Bundesrates im allgemeinen nicht grundsätzlicher Art. Das gilt nach meiner Meinung auch von der Frage der endgültigen Bemessung des Spitzensatzes bei der Einkommensteuer und von der Frage der Höhe des Körperschaftsteuersatzes für den ausgeschütteten Gewinn, obgleich die Bundesregierung ihren Standpunkt in beiden Punkten meiner Ansicht nach mit guten Gründen aufrechterhalten hat. Ein grundlegender Meinungsunterschied besteht jedoch hinsichtlich des Vorschlages des Bundesrates, das Notopfer Berlin in den Körperschaftsteuertarif einzubauen, denn dieser Vorschlag führt unmittelbar dazu, daß der Bund einen zusätzlichen Steuerausfall von etwa 330 Millionen DM erleidet, die Länderhaushalte sich jedoch um den gleichen Betrag verbessern. Es handelt sich hier im wesentlichen um eine Frage des Finanzausgleichs zwischen Bund und Ländern. Der Bund allein finanziert das Defizit von Berlin. Das Notopfer Berlin „dient" nach den Berlin-Gesetzen dieser Finanzierung. Es ist daher unverständlich, wieso die Länder einen Teil dieses Notopfers für sich beanspruchen.
Ich darf nun zum Abschluß noch mit einigen Worten auf die weiteren Pläne der Bundesregierung auf dem Gebiete der Steuerreform eingehen. Auf dem Gebiete der Umsatzsteuer beschäftigen sich die Bundesregierung und das Bundesfinanzministerium schon seit einiger Zeit mit den Fragen einer grundlegenden Reform, insbesondere aber mit den Möglichkeiten einer Systemänderung. Die im Bundesfinanzministerium ausgearbeitete Denkschrift wird in Kürze fertiggestellt werden. Das Bundesfinanzministerium wird sie dann zunächst der Bundesregierung vorlegen und anschließend veröffentlichen. Da eine Diskussion über die Denkschrift mit allen Kreisen des Wirtschaftslebens stattfinden soll, halte ich eine beschleunigte Herausgabe der Denkschrift für erforderlich.
Bei der weiteren Behandlung dieser wichtigen und schwierigen Frage sehe ich als Ziel die Einführung einer Umsatzsteuer, durch welche Konzentrationswirkungen und Wettbewerbsverfälschungen möglichst vermieden werden. Beim Übergang zu einem neuen System wird sorgfältig darauf zu achten sein, daß bei Aufrechterhaltung des Steueraufkommens die sich ergebenden Übergangsschwierigkeiten auf dem Gebiet der Preise und auch der Verwaltung möglichst gering gehalten werden. Auch eine Abstimmung mit den Mitgliedstaaten des Gemeinsamen Marktes vor Einführung eines neuen Systems erscheint angebracht. Ich möchte annehmen, daß sich der Bundestag mit den Gesetzentwürfen auf diesem Gebiet im Laufe des nächsten Jahres zu beschäftigen haben wird.
Bundesfinanzminister Etzel
Dieser Bundestag hat einen weiteren wesentlichen Beitrag auf dem Gebiet des Steuerrechts durch Verabschiedung eines Gesetzes zu leisten, das die Grundlage für eine neue Einheitsbewertung des Grundbesitzes bildet. Ein solches Gesetz, das gegenüber früheren Entwürfen wesentliche Vereinfachungen enthält, ist in Vorbereitung. Es sieht als Stichtag für die Einheitsbewertung den 1. Januar 1960 vor. Der jetzige Zustand, bei dem der Grundbesitz durchweg mit nicht mehr zeitgemäßen Werten aus dem Jahre 1935 bewertet wird, ist aus den verschiedensten Gründen unhaltbar. Einer dieser Gründe ist darin zu sehen, daß bei der Vermögensteuer das andere Betriebsvermögen, insbesondere auch das Kapitalvermögen, mit zeitnahen Werten bewertet wird, das Grundvermögen jedoch mit völlig überholten und größtenteils viel zu niedrigen Werten.
Im Zusammenhang mit den Einheitswerten des Grundbesitzes, die sich - allerdings erst zwei Jahre nach dem Bewertungsstichtag - auf die Vermögen- und Grundsteuer auswirken werden, müssen auch diese Steuern, vor allem in Richtung einer Herabsetzung der Steuersätze, einer Überprüfung unterzogen werden. Denn die Einheitsbewertung des Grundbesitzes dient nicht fiskalischen Zwecken, sondern soll die auf diesem Gebiet verlorengegangene Gleichmäßigkeit und Gerechtigkeit der Besteuerung wiederherstellen.
Im Laufe der Gesetzgebungsperiode werden auch die mit der Gewerbesteuer zusammenhängenden Fragen im Rahmen einer kommunalen Finanzreform einer grundlegenden Überprüfung zu unterziehen sein. Gerade diese Steuer bildet eine erhebliche Belastung des gewerblichen Mittelstandes, ist aber andererseits zur Zeit die entscheidende Finanzquelle der Gemeinden.
Schließlich darf ich noch darauf hinweisen, daß weitere grundlegende Gesetze zur Änderung der Abgabenordnung vorbereitet werden, um die rechtlichen Grundlagen für eine weitgehende Mechanisierung der Finanzverwaltung zu schaffen. Auch diese Gesetze werden den Bundestag in dieser Legislaturperiode beschäftigen. Der Entwurf einer Finanzgerichtsordnung, die in den Rahmen dieser Gesetze fällt, ist dem Rechtsausschuß des Bundestags bereits zugeleitet worden.
Damit, meine Damen und Herren, bin ich am Ende der Ausführungen. Ich gebe der Hoffnung Ausdruck, daß die hier vorgetragenen Gedanken und die vorgelegten Gesetzentwürfe im Laufe der im Parlament stattfindenden Diskussion und der Ausschußbesprechungen eine kritische Würdigung erhalten, die sie reifer macht, zum Segen des deutschen Volkes, dem wir mit unserem Bemühen dienen.
({17})
Sie haben die Begründung der Gesetzentwürfe gehört.
Ich eröffne die Beratung der ersten Lesung. Das Wort hat der Abgeordnete Neuburger.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ehe ich zur Sache selbst spreche, möchte ich zwar keine Vorschußlorbeeren erteilen, aber doch namens meiner Parteifreunde Ihnen, Herr Finanzminister, und natürlich all Ihren Mitarbeitern den Dank dafür aussprechen, daß Sie einmal die aus dem Karlsruher Urteil und der sich anschließenden Übergangsregelung entstandenen Probleme angepackt und zum anderen die immer drängender gewordenen wesentlichen wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Forderungen an unsere Finanz- und Steuerpolitik so zielbewußt und energisch aufgegriffen und in den nunmehr vorliegenden Entwürfen praktisch zu einem einheitlichen Ganzen verarbeitet haben.
({0})
Unsere Aufgabe als Gesetzgeber wird nun darin bestehen, diese Vorlagen ebenso vordringlich wie verantwortungsbewußt zu beraten. Sie alle wissen, wie sehr die Finanzverwaltung mit den Veranlagungen im Rückstand ist, wie schwierig und kompliziert diese Veranlagungen sind und wie dringend es daher erforderlich ist, daß die Steuerfestsetzungen am 1. Januar 1958 nicht mehr mit diesem Gestrüpp - ich möchte den Ausdruck „Wirrwarr" nicht gebrauchen - belastet sind. Wir wissen alle, daß eine rückwirkende Inkraftsetzung der Vorschriften nur dann zu verantworten ist, wenn wir die Steuervorlagen noch vor den Sommerferien verabschieden, - ein Wunsch, den ja der Herr Bundesfinanzminister ebenfalls vorgetragen hat.
Nun zu den Vorlagen selbst! Namens meiner Fraktion kann ich erklären, daß wir sowohl die finanz- und steuerpolitische Grundhaltung und Zielsetzung dieser Vorlagen als auch die im einzelnen hineingearbeiteten steuerpolitischen Grundsätze im engeren Sinne in allen wesentlichen Zügen gutheißen.
({1})
Aus dieser grundsätzlichen Bejahung der Vorlagen kann selbstverständlich nicht der Schluß gezogen werden, all unsere steuerpolitischen Vorstellungen und Wünsche fänden darin ihre Erfüllung: Vielen - zum Teil sehr berechtigten - Verlangen konnte nur teilweise Rechnung getragen werden, andere konnten keine Berücksichtigung finden. Meine Parteifreunde, die nach mir sprechen, werden auf diese Anliegen noch im einzelnen zurückkommen. Die gemeinsame Verantwortung für den Ausgleich des Haushalts setzt leider auch der Erfüllung dieser Steuerwünsche Grenzen.
Welches sind nun unsere Gründe für diese unsere grundsätzliche Zustimmung? Da möchte ich den Satz voraussteilen: Steuern und Steuergesetze sind niemals Selbstzweck, sie können sich also in bezug auf ihre Zweckbestimmung niemals an sich selbst orientieren; sie sind und bleiben immer nur Mittel um mitzuhelfen, die großen Zielsetzungen in den verschiedenen politischen Bereichen wie Außenpolitik, Wirtschaftspolitik, Familien- und Sozialpolitik zu verwirklichen. Ein in den Steuergesetzen enthaltener Dirigismus ist also ein Widerspruch in sich selbst und muß sich, wie wir es ja leider zur
Genüge erlebt haben, über kurz oder lang in negativem oder direkt schädlichem Sinne auswirken.
Sie werden mir vielleicht entgegenhalten, das sei eine zu billige Wahrheit. Und doch erscheint es mir erforderlich, diesen Gesichtspunkt besonders herauszustellen. Denn auf Grund von über achtjähriger Erfahrung im Bundestag weiß ich, wie schwierig es ist, konsequent dieser sogenannten Binsenwahrheit entsprechend zu handeln. Keine Partei kann sich davon freisprechen, immer wieder nach Steuerdirigismus in der einen oder anderen Richtung gerufen zu haben oder den Steuerdirigismus mittelbar zum Vorspann wirtschaftspolitischer, allgemeinpolitischer oder sozialpolitischer Zielsetzungen gemacht zu haben.
Da der wirtschaftende Mensch die Steuern aufbringen muß, steht die Steuerpolitik zwangsläufig in engster Tuchfühlung mit unserer Wirtschaftspolitik. Aus dieser Tatsache folgt, daß sich die Steuerpolitik der Wirtschaftspolitik nicht nur anzupassen, sondern einzuordnen, ja unterzuordnen hat, und nicht wie vielfach in der Vergangenheit - umgekehrt. Grundsatz einer guten und - gestatten Sie mir, daß ich den Ausdruck gebrauche - organischen Steuerpolitik muß also sein, den wirtschaftspolitischen Prinzipien nicht entgegenzuwirken, sondern sich diesen anzupassen und sie dynamisch zu ergänzen. Der gleiche Grundsatz muß im Bereich unserer Mittelstandspolitik, der Eigentumspolitik, der Wohnungs- und Familienpolitik als Teilen unserer Wirtschaftspolitik Anwendung finden.
Nach dieser Gegenüberstellung ein offenes Wort. Gehen die Meinungen von Regierung und Opposition in diesen politischen Bereichen auseinander - was meistens der Fall ist -, so ist es zwangsläufig, daß die steuerlichen Folgerungen in verschiedene Richtungen gehen. Die unterschiedliche Beurteilung steuerlicher Maßnahmen ist daher zwangsläufig das Resultat der unterschiedlichen allgemeinen politischen Auffassung. Das Aufeinander und das Gegeneinander dürfen daher nicht schockieren und nicht erschrecken. Wer die sozialistische Wirtschaft anstrebt, muß sich zwangsläufig zu Steuersätzen bekennen, die Enteignungscharakter haben, um nur ein Beispiel anzuführen. Wer die Sozialisierung der Betriebe - ob der Großbetriebe oder mehr oder weniger aller Betriebe, ist gleich - anstrebt, muß ein Gegner der Förderung breiter Streuung des Eigentums an unseren Produktionsmitteln und damit Gegner der Förderung der Kleinaktie oder Volksaktie sein. Er muß insoweit auch die Abschaffung oder die Beschneidung der Doppelbesteuerung, die Herabsetzung der Doppelbesteuerung, angreifen.
In der Regierungserklärung wurde die Forderung nach möglichst breiter Streuung des Eigentums erhoben. Der eine oder andere Sprecher wird das nachher wieder tun. Ich möchte daran erinnern, daß diese Forderung nicht erst in den letzten Monaten erhoben wurde. Ich habe bereits im 1. Bundestag von dieser Stelle aus ein Wort für die Aktie eingelegt. Herr Präsident, gestatten Sie, daß ich das nochmals im Wortlaut vortrage:
Wenn wir die Aktie einerseits als Mittel zur Beschaffung haftenden Kapitals und damit als Mittel individueller Eigentumsbildung an unserer Wirtschaft noch nicht hätten, so müßte die Schaffung der Aktie die sozialpolitische Forderung von heute erster Ordnung sein. Denn außer durch die Schaffung von Wohnungseigentum kann der Forderung: „Schafft individuelles Eigentum!" durch nichts besser gedient werden als durch die Förderung des Aktiengedankens. In einem Zeitalter, in dem wir, und zwar wir alle,
- gleich, auf welcher Bank wir hier im Hause sitzen zum Kampf gegen den Kollektivismus aufgerufen sind, geht es nicht an, mittels Steuergelder über staatliche Investierungen kollektives Eigentum zu schaffen. Das hieße, den Teufel mit dem Beelzebub austreiben!
Es gilt vielmehr, durch das Instrument der Aktie, insbesondere der Kleinaktie, über Privatinvestierungen die individuelle Möglichkeit zu schaffen, jedem einzelnen, der sparen will, zum Erwerb industriellen
- und individuellen Eigentums zu verhelfen.
Das habe ich im Jahre 1953 von dieser Stelle aus ausgeführt.
Die Steuern dürfen also niemals Selbstzweck sein, und die steuerlichen Vorschriften müssen in einer zweckbestimmten Abhängigkeit stehen. Die steuerliche Belastung muß dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit und der steuerlichen Gerechtigkeit entsprechen. Vereinfachung der Steuergesetze, Gleichmäßigkeit der Besteuerung und Vermeidung von Steuerdirigismus sind also die engen und bleibenden Maximen jeder echten steuerlichen Reformbewegung.
Ein wesentliches Handicap unserer Steuerpolitik sowohl des 1. als auch des 2. Bundestags bestand darin, daß sie zu sehr dirigistisch sein mußte. Die anomalen wirtschaftlichen Verhältnisse, der Zwang, wirtschaftlich sozusagen wieder ganz von unten anzufangen, verlangten auch auf steuerlichem Gebiet außerordentliche Maßnahmen. Niemand konnte sich im Interesse einer raschen Ankurbelung unserer Wirtschaft diesen. Forderungen entziehen.
Der Versuch - zu Zeiten der sogenannten Großen Steuerreform; es sind jetzt vier Jahre her von diesem Steuerdirigismus wegzukommen, kam über die Anfänge leider nicht hinaus. Der Ruf nach Abschaffung bzw. Einschränkung sowohl gezielter steuerlicher Maßnahmen wie sonstiger Steuervergünstigungen war zwar allgemein, aber die wirtschaftlichen und sozialen Fakten, die weiterhin zu meistern waren - ich erinnere nur an den Wohnungsbau -, waren leider stärker, so daß trotz aller Einsicht und allen Verantwortungsbewußt-seins die notwendigen steuerlichen Konsequenzen nicht gezogen werden konnten. Hinzu kam die ständige Steigerung der Ausgaben. Wohl nur wenige
in diesem Hause werden sich davon freisprechen können, dazu nicht beigetragen zu haben. Die steigenden Ausgaben haben es von der Haushaltsseite her unmöglich gemacht, die berechtigten steuerlichen Reformwünsche zu erfüllen.
So war zwar der Ruf nach Abschaffung oder wenigstens Einschränkung gezielter steuerlicher Maßnahmen und Steuervergünstigungen allgemein vorhanden; aber dabei blieb es auch. Die Wünsche - zum Teil völlig berechtigt, zum Teil weniger berechtigt - waren zu vielseitig.
Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts mit dem Zwang zu einer Übergangsregelung müssen wir heute - und das wollen wir auch ganz ehrlich tun - feststellen, daß das Ergebnis der Bemühungen, die unter den Schlagworten Kleine Steuerreform, Große Steuerreform, Permanente Steuerreform erfolgten, in keiner guten Relation zu der aufgewendeten Arbeit und Zeit stand.
({2})
Wir wollen nun vor diesem Hintergrund die heutige Vorlage betrachten. Im Mittelpunkt dieses Reformwerks steht auf dem Gebiet der Einkommensteuer erstens ein zum Teil völlig neuer Tarifaufbau, zweitens der weitere Abbau der Vergünstigungen im Sektor der 7er-Paragraphen, drittens die Zurückführung der Bestimmungen des § 10 auf den Begriff der Sonderausgaben in ihrer klassischen Form; damit haben wir endgültig darauf verzichtet, über § 10 irgendeinen Steuerdirigismus zu treiben. Das ist gut so und ganz besonders zu begrüßen.
Ein weiterer Hauptfaktor dieser Reform ist die Herbeiführung der Gleichmäßigkeit bei der Ehegattenbesteuerung durch Einführung des Splitting.
Das immer wieder gestellte Verlangen, die Grundsätze der Steuervereinfachung, der Steuergleichmäßigkeit und der steuerlichen sozialen Gerechtigkeit ausschließlich im Tarif und im Tarifaufbau zu verankern, findet in dem vorgelegten Tarif eine möglichst weitgehende Realisierung. Nicht die Steuervergünstigungen und die sonstigen Ausnahmebestimmungen sind das Kernstück unserer künftigen Einkommensteuerregelung, sondern endlich wieder der Tarif.
({3})
Dieser Gesichtspunkt kann hier nicht stark genug herausgestellt werden.
({4})
Zu diesem Thema wird daher auch noch einer meiner Fraktionskollegen eingehend sprechen.
Inwieweit finden nun die Grundsätze der von uns vertretenen Wirtschaftspolitik im allgemeinen - unserer Mittelstandspolitik, unserer Wohnungsbaupolitik, unserer Familienpolitik, unserer Sozialpolitik - in diesen Entwürfen nicht ihre dirigistische, sondern ihre organische Verwirklichung und inwieweit erscheinen angesichts dieser politischen Zielsetzung die noch verbleibenden Steuervergünstigungen - siehe § 7 c des Einkommensteuergesetzes und die Vergünstigungen für Flüchtlinge - begründet und berechtigt?
Lassen Sie mich ein Wort vorausschicken. Unsere Wirtschaft und damit auch unsere Wirtschaftspolitik - steht unter dem Zwang, exportieren zu müssen, da wir im eigenen Wirtschaftsraum nicht autark sind. Diese Tatsache wird bei den wirtschaftspolitischen und damit auch bei den steuerpolitischen Überlegungen und Maßnahmen leider oft übersehen. Auch das ist - und diesmal muß ich „leider" sagen - eine Binsenwahrheit. Dieser Zwang zum Export bedeutet, ob wir wollen oder nicht, zugleich den Zwang zum Wettbewerb auf den internationalen Märkten. Das bedeutet den Zwang, sowohl im Preis wie in der Qualität wettbewerbsfähig zu sein. Auf die Dauer wettbewerbsfähig sind wir aber nur dann, wenn wir abgesehen von ausreichendem Arbeitseinsatz und ausreichendem Leistungswillen die betrieblichen und technischen Einrichtungen unseres Wirtschaftsapparates auf dem jeweils modernsten und rationellsten Stande halten. Das erfordert infolge der in der Wirtschaftsentwicklung liegenden Dynamik, die wiederum allein die Erhaltung und die Steigerung unseres Lebensstandards garantieren kann, im Klein-, Mittel- wie im Großbetrieb heute und morgen Kapital, Kapital und nochmals Kapital. Sie wissen alle, die kommunistischen Staaten machen sich diese Sache einfach. Sie drosseln gewaltsam den Konsum zugunsten staatlicher Kapitalbildung.
Unsere wirtschaftspolitischen Ziele sind Erhaltung und Steigerung des Leistungswillens sowie technische Rationalisierung und Modernisierung. Ihnen gilt erstens die durch den Tarif vorgenommene generelle Senkung der Steuern einschließlich der Herabsetzung des Plafonds von 55 auf 53. Wir wollen also keine billigen Steuergeschenke machen, sondern die Plafondherabsetzung und die Steuersenkungen haben einen ganz entscheidenden wirtschaftspolitischen Zweck.
Zweitens gilt diesem wirtschaftspolitischen Ziele die Legalisierung der degressiven Abschreibungen und ihre Ausdehnung auf alle beweglichen Anlagegüter,
drittens die weitere Senkung der Körperschaftsteuer für ausgeschüttete Gewinne - u. a. zur Erleichterung der Eigenfinanzierung auf dem Wege über verantwortliches, d. h. über haftendes Kapital, und
viertens die steuerrechtlichen Erleichterungen im Bereich der Vermögensteuer und der Verkehrsteuer.
Wenn die Einkommen- und Körperschaftsteuern immer noch als direkte Steuern bezeichnet werden und damit die Vorstellung geweckt und genährt wird, als ob die Steuersätze in der Progression und in ihrer Spitze beliebig hoch sein könnten, ohne wirtschaftsschädliche Auswirkungen zu verursachen, so muß ich auch heute wieder, wie schon mehrmals von diesem Platze aus, darauf hinweisen, daß diese sogenannten direkten Steuern im Preis unseres Sozialprodukts echte Kosten- und Preiselemente darstellen.
({5})
Sie sind im Preis enthalten, 01) Sie das wahrhaben wollen oder nicht.
({6})
Die Lohnsteuer als Bestandteil des Bruttolohnes
({7})
ist ein Faktor, der im Preis enthalten ist.
({8})
- Ob sie im Preis enthalten ist, darum geht es.
Die auf den Gewinn entfallenden Steuern als Erlösbestandteile sind ebenfalls im Preis enthalten. Niemand kann das im Ernst bestreiten.
Herr Kollege Neuburger, wollen Sie im Ernste ausführen, daß die Lohnsteuer, die der Arbeiter zahlt, ein Kostenfaktor des Unternehmers ist?
Woher bekommt er die Steuer? Woher nimmt er die Steuer, damit er sie bezahlen kann?
({0})
- Aus seinem Lohn. Und wer bezahlt ihm diesen Lohn?
({1})
- Einen Augenblick! So einfach, Herr Kollege Seuffert, können wir es nicht machen. Wenn wir diskutieren, dann wollen wir auch zu Ende diskutieren. Wer bezahlt ihn? Der Unternehmer. Und woher nimmt der Unternehmer das Geld, um ihn zu bezahlen?
Herr Kollege Neuburger, wer zahlt dem Unternehmer den Preis, aus dem er den Lohn und die Umsatzsteuer zahlt? Der Verbraucher!
Deshalb sage ich ja: die direkte Steuer ist Preisbestandteil. Dann sind wir ja einig. Mehr will ich ja nicht.
({0})
Die Vorstellung, daß die direkte Steuer eine Steuer sei, die man sozusagen ohne jede Beziehung auf einen anderen bezahlt und die keinerlei Rückwirkungen und Auswirkungen auf einen anderen hat, ist eine Illusion, und daher kommen alle diese falschen Vorstellungen. So ist es doch!
({1})
Ich habe weiter gesagt: Die betriebliche Gewinnsteuer - gleichgültig, ob Personal- oder Körperschaftsteuer - läßt sich überhaupt erst über den Preis realisieren. Das bedeutet - ich will das nur andeuten und nicht zu Einzelheiten Stellung nehmen; denn da wir es hier mit einer Reformvorlage zu tun haben, müssen wir doch etwas auf die Grundlagen der ganzen Fragen eingehen -, daß also steuerliche Bewegungen - ob Steuersenkungen oder -erhöhungen - in einer Wirtschaft, die in einem echten Wettbewerb steht - das muß natürlich sein, ein echter Wettbewerb, zu Hause wie draußen -, zwangsläufig im Preis über kurz oder lang ihren Ausdruck finden müssen. Diese Erkenntnis war für mich immer ein Grund, mich - nicht etwa aus sogenannten kapitalistenfreundlichen Gründen, sondern aus wohlverstandenen, ganz realen sozialen Gründen - gegen höhere Plafondsätze, gegen höhere Körperschaftsteuersätze und nicht zuletzt - ich möchte da niemand angreifen - auch gegen die daraus resultierende steuerliche Thesaurierungspolitik der letzten Jahre zu wenden.
- Soviel zum allgemein Wirtschaftspolitischen und Steuerpolitischen.
Die Förderung des Mittelstandes ist im Rahmen unserer politischen Zielsetzungen für uns ein entscheidendes Anliegen. Ohne dirigistisch sein zu wollen, sondern nur in organischer Anpassung der steuerlichen Bestimmungen an das, was wir für den Mittelstand wollen, bringt die Vorlage für den Großteil der Einkommensbezieher des Mittelstandes die stärkste Ausbuchtung nach unten. Das ist das eine. Das andere, das Problem der mitarbeitenden Ehefrau - wie oft müssen wir uns damit beschäftigen! -, wird durch die Einführung des Splittingverfahrens einer endgültigen Lösung nach dem Grundsatz der Steuergleichheit und Steuergerechtigkeit zugeführt. Die Ausdehnung der degressiven Abschreibung für Wirtschaftsgüter mit einer Lebensdauer von weniger als zehn Jahren ermöglicht dem Mittelstand, viel weiter mit der technischen Modernisierung und Rationalisierung seiner Betriebseinrichtungen fortzuschreiten.
Leider konnten die von mittelständischen Kreisen immer wieder erhobenen Forderungen auf Vergünstigung bezüglich des sogenannten nicht entnommenen Gewinns im Interesse der zusätzlichen Kapitalversorgung keine Berücksichtigung finden, so sachlich berechtigt dieses Anliegen auch ist. Es ist bisher nicht gelungen, eine technisch einwandfreie Handhabung dieses Prinzips zu finden. Die gesetzgeberischen Versuche - es hat daran nicht gefehlt
- auf diesem Gebiet sind als gescheitert anzusehen. Sie wären auch - ich möchte bitten, das zu beachten - nicht mit den diese Vorlage beherrschenden Prinzipien in Einklang zu bringen, daß nämlich all diese berechtigten Interessen möglichst nur im Tarifaufbau ihren Niederschlag finden sollten.
Die große und echte Sorge mittelständischer Kreise nach ausreichender Kapitalversorgung ist auch unsere Sorge und unser Anliegen. Ich sage das nicht etwa nur, um jetzt schöne Worte zu machen. Sie ist Ausdruck unserer gesellschafts- und wirtschaftspolitischen Haltung und Zielsetzung. Die jetzt vorgesehenen steuerlichen Entlastungen durch die Tarifsenkung, durch die degressive Abschreibung und zusätzlich durch das Splitting bilden zusammengenommen für die mittelständische Wirtschaft echte Möglichkeiten für die Kapitalbildung im eigenen Betrieb. Dem Mittelstand kommen darüber hinaus mittelbar, und zwar sowohl bei der Kredit- als auch bei der Kapitalversorgung, sicher780
lieh alle Maßnahmen zugute, die die Kapitalbildung in allen Bereichen in Zukunft erleichtern sollen. Ich verweise in diesem Zusammenhang insbesondere auch auf das Sparprämiengesetz. Einzelheiten dazu werden Parteifreunde von mir noch vortragen.
Ich komme nun zum familienpolitischen Sektor. Auch hier will ich konsequent sein und mich fragen, inwieweit sich die vorgeschlagenen steuerrechtlichen Bestimmungen wiederum nicht dirigistisch, sondern organisch in unser familienpolitisches Wollen einordnen.
Den Ausgangspunkt bildet, wir wissen es alle, im Hinblick auf das Karlsruher Urteil die Notwendigkeit, den bisherigen Tarifaufbau, soweit er die Familie betrifft, zu ändern. Es standen zweifellos, auch das bitte ich zu beachten, verschiedene Möglichkeiten offen, den Gedanken und die Grundsätze des Karlsruher Urteils zu verwirklichen. Denn das Karlsruher Urteil hat - das wird oft übersehen - den Gesetzgeber und die Finanzverwaltung in keiner Weise gezwungen, als Verfahren, das diesem Urteil bzw. dem Artikel 6 des Grundgesetzes gerecht wird, nun gerade das Splitting zu wählen. Das Urteil will nur besagen, daß im Hinblick auf Artikel 6 die Tatsache der Verheiratung, also der Gründung einer Familie, nicht zu einer steuerlichen Mehrbelastung führen darf. Darin bestand ja auch die eigentliche Crux der Haushaltsbesteuerung.
Auch hier möchte ich auf das zurückgreifen, was ich schon einmal zu diesem Thema ausgeführt habe, und zwar vor etwa vier Jahren, im Mai 1954. Es sei mir gestattet, auszugsweise ein paar Sätze vorzulesen. Ich sagte damals:
Die derzeitige Regelung stellt unbestreitbar die stärkste Verletzung dieses Grundsatzes dar. Der Herr Bundesfinanzminister will diesen ungesunden Zustand dadurch beseitigen, daß er allmählich zu der für ihn allein möglichen gemeinschaftlichen Besteuerung
- der sogenannten Haushaltsbesteuerung - zurückkehrt.
({2})
Deshalb hat er sich entschlossen, in der Vorlage einen weiteren Schritt in der Richtung auf dieses Ziel, die gemeinschaftliche Besteuerung,
- die Haushaltsbesteuerung zu gehen. ... Ob man zu diesem Grundsatz der gemeinschaftlichen Besteuerung angesichts der Tatsache, daß immer mehr Ehefrauen berufstätig sind, zurückkehren kann und ob wir nicht eventuell doch auf eine andere Lösung abgedrängt werden, etwa die Lösung der getrennten oder der halbierten Veranlagung, des Halbierens der Verdienste ohne Rücksicht darauf, wer von den einzelnen Ehegatten und wieviel der einzelne Ehegatte verdient, das können wir im Rahmen dieser Reform wahrscheinlich nicht lösen; denn eine solche Schwenkung wäre, wie feststeht, im Rahmen dieser Tarifgestaltung nicht möglich. Wenn wir uns also grundsätzlich von dem Vorschlag des Bundesfinanzministers abwenden sollten, so hätte das zwangsläufig zur Folge, daß wir auch den Tarif, so wie er vorliegt, nicht gebrauchen könnten. Es würde also eine völlige Umgestaltung des Tarifs bedeuten.
({3})
- Keine Mohrenwäsche; das liegt mir fern. Aber es ist doch immerhin draußen der Eindruck entstanden, als ob irgendwie das Karlsruher Urteil uns als Gesetzgeber alle überrascht hätte. - Diese Umgestaltung des Tarifs ist jetzt erfolgt. Die jetzige Regelung, die auf dem Splitting-Prinzip beruht, bringt die familienpolitisch allein mögliche steuerliche Gleichstellung der Hausfrau, gleichgültig, ob sie außerhalb des Hauses in selbständiger oder nichtselbständiger Arbeit tätig ist, ob sie im Betrieb des Mannes arbeitet oder ob sie als Hausfrau ihre Pflichten als Mitversorgerin der Familie erfüllt.
Unser weiteres Anliegen, für die meisten von uns eine echte Herzensangelegenheit, ist, beim Ausmaß der steuerlichen Belastung die Familien mit Kindern entsprechend zu berücksichtigen. Diese Forderung findet ihre Realisierung in der weiteren Erhöhung der Freibeträge für das erste Kind von 720 auf 900 DM, für das zweite Kind von 1440 auf 1680 DM und für jedes weitere Kind von 1680 auf 1800 DM. Ich weiß, daß auch dabei noch Wünsche - und sicherlich sehr berechtigte Wünsche - offen bleiben. Aber Steuern sind nun einmal ein notwendiges Übel, und nicht alle familienpolitisch notwendigen Maßnahmen sind mit steuerrechtlichen Maßnahmen lösbar. Vielleicht ließe sich an Stelle fester Freibeträge - solche Forderungen sind bereits erhoben worden - an im Verhältnis zur Steuer gestaffelte Freibeträge denken.
Zur Wohnungsbaupolitik sage ich nichts Neues, wenn ich nochmals mit Nachdruck betone, daß unsere Tendenz immer mehr dahin geht, im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus Eigentumswohnungen zu schaffen. Es ist daher auch im Sinne der Einordnung unserer steuerrechtlichen Vorstellungen in unsere wirtschafts- und gesellschaftspolitische Zielsetzung selbstverständlich, daß wir die noch verbleibenden Steuervergünstigungen, also dirigistische Maßnahmen, auf die Schaffung solcher Eigentumswohnungen beschränken. Ich weiß, daß sich gegen diese Formulierung Widerspruch erheben wird. Trotzdem will ich dazu keine Ausführungen machen. Falls es notwendig werden sollte, werden meine Parteifreunde hierzu noch im einzelnen Stellung nehmen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie werden Verständnis dafür haben, wenn ich angesichts des Umfangs der zur Lösung anstehenden Probleme nicht auf alle Einzelheiten eingehe und mich auch nicht mit Änderungswünschen auseinandersetze. Ich sehe meine Hauptaufgabe, wie ich eingangs betont habe, darin, darzulegen, inwieweit sich die Vorlagen als solche in unsere allgemeine
politische Zielsetzung, insbesondere auf wirtschafts- und sozialpolitischem Gebiete, einordnen. Unser Ziel ist und bleibt unverrückbar: die Stärkung der Wirtschaft in allen ihren Teilen, gleichgültig, ob Klein-, Mittel- oder Großbetrieb; denn nur eine in sich gesunde und kapitalkräftige Wirtschaft kann in dem Wettbewerb auf den internationalen Märkten, der für uns - darauf muß ich nochmals hinweisen - eine Lebensfrage darstellt, bestehen. Nur eine gesunde Wirtschaft kann eine Garantie für den Bestand und die Erhaltung der Arbeitsplätze, für die Erhaltung und die Steigerung unseres Lebensstandards, für die Erhaltung und die Sicherung unserer realen Kaufkraft und für die reale Möglichkeit zur Bildung von breit gestreutem Eigentum sein. Denn die schönsten Überlegungen und Parolen nützen nichts, wenn eben nicht eine gesunde Wirtschaft die Erträgnisse zum Leben und zum Sparen liefert. Nur eine gesunde Wirtschaft versetzt uns des weiteren in die Lage, all den Verpflichtungen auf sozialem Gebiet nachzukommen, die eine verhängnisvolle Vergangenheit auf uns geladen hat.
All diesen Zielen bringt uns die Vorlage einen entscheidenden Schritt näher. Das gelingt uns -- und darin besteht das Wesen der Reform und zugleich auch die Abkehr von früher - unter Verzicht auf dirigistische Maßnahmen ausschließlich durch organische Anpassung der steuerrechtlichen Maßnahmen an unsere wirtschaftspolitsche und soziale Zielsetzung. So gesehen, bedeutet diese Reform eine echte Zäsur, zumindest gegenüber unserer bisher praktizierten Steuerpolitik.
Für uns als Gesetzgeber gilt es nun, diese Vorlage im Verlauf der Beratungen nicht zu verwässern. Mit Schrecken denke ich noch an frühere Beratungen, in denen bis zu über 100 Änderungsanträge gestellt wurden, und all das unter dem Motto „Vereinfachung der Steuern". Es gilt also - und das möge unsere Aufgabe sein -, diese Vorlagen in dem Geist, in dem sie vorgetragen wurden, und in dem Geist, den sie in sich tragen, zu verbessern und schließlich zu verabschieden. Das möge unsere Aufgabe sein!
Möge dieses Reformwerk - nach all unseren Bestrebungen, die in den vergangenen Jahren auf eine kleine, große oder permanente Steuerreform gerichtet waren -, so gut werden, daß es als echte Steuerreform in die Wirtschafts- und Steuergeschichte eingehen kann.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Seuffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe namens der sozialdemokratischen Fraktion zu den Steuervorlagen und auch zu den heutigen Ausführungen Stellung zu nehmen und muß sagen, daß es hier Punkte gibt, die durchaus anerkennend und zustimmend behandelt werden können, und daß es andere Punkte gibt, die
abgelehnt, sogar sehr scharf abgelehnt werden müssen. Das ist schließlich auch nicht verwunderlich; denn es handelt sich um ein umfangreiches Gesetzgebungswerk, das, wenn es auch vom Herrn Bundesfinanzminister als ein zusammenhängendes Ganzes gedacht ist und wenn auch solche Zusammenhänge bestehen mögen, sich doch aus einer ganzen Reihe sich teilweise sogar widersprechender Einzelmaßnahmen zusammensetzt, die einer sehr unterschiedlichen Beurteilung unterliegen können und auch unterzogen werden müssen.
Auch in der Einführungsrede des Herrn Bundesfinanzministers war vieles, das Zustimmung finden kann, doch auch vieles, das in seiner Bedeutung und seinem Gehalt noch näher untersucht und diskutiert werden müßte. Die Auseinandersetzung kann sicherlich nicht heute stattfinden; wir haben dafür anderen Raum und andere Zeit. Ich jedenfalls habe zu dem Konkreten und zu dem Praktischen der Steuervorlagen so viel zu sagen, daß ich mich mit Erörterungen über historische Rückblicke oder über allgemeine wirtschaftspolitische Zielsetzungen nicht näher konkretisierter Art oder über Steuerdirigismus - Erörterungen, die mir sowieso gar nicht liegen ({0})
heute nicht befassen kann. Das gilt auch für die Vorgriffe auf die Haushaltsrede und das, was bisher an spezifischen Fragen des Haushalts vorgetragen worden ist. Zustimmung unsererseits findet die Erklärung des Herrn Bundesfinanzministers - wenn wir es als eine eindeutige Erklärung nehmen können daß im Falle von Krisensymptomen - ich will sie ebensowenig an die Wand malen wie der Herr Bundesfinanzminister, obwohl ich seinen Optimismus in der Frage, ob wir uns noch in einer stark expandierenden Konjunktur befinden, nicht ganz teilen kann - im Gegensatz zu den dreißiger Jahren nicht eine Deflationspolitik, sondern eine eindeutige Vollbeschäftigungspolitik getrieben werden soll. Damit ist die hoffentlich ebenso eindeutige Erklärung verbunden gewesen, daß die Bundesregierung sich zu einer aktiven Wirtschafts- und Konjunkturpolitik bekennt. Wir würden uns über diese Erklärung um so mehr freuen, wenn sich bestätigen sollte, daß sie in der Tat für die ganze Bundesregierung, einschließlich des Herrn Bundeswirtschaftsministers, abgegeben worden .ist und daß auch der Herr Bundeswirtschaftsminister davon Kenntnis hat, daß diese Erklärung auch in seinem Namen und verbindlich für ihn abgegeben worden ist.
Weiter ist die Offenheit zu begrüßen gewesen, mit der Fehler in der Darstellung der Haushaltssituation und Fehlerquellen in der Haushaltspolitik der letzten Jahre behandelt worden sind. Es war unstreitig das Bemühen erkennbar, nun ein richtiges Bild der Haushalts- und Kassensituation zu geben.
Die Würdigung, die der Bundesfinanzminister den Problemen der Rentenreform und der Wiedergutmachung in ihrer politischen und moralischen Bedeutung hat angedeihen lassen, unterscheidet sich sehr vorteilhaft von Äußerungen anderer Mi782
nister, die man zu diesen Problemen gehört hat. Er findet auch da unsere Zustimmung. Es ist gut, daß in diesem Zusammenhang die Schwierigkeiten erwähnt worden sind, die einigen Ländern durch ihre Beteiligung an der Wiedergutmachung erwachsen.
Allerdings hat der Herr Bundesfinanzminister das, was ihm wohl am meisten Sorge macht, aus sehr verständlichen Gründen in seiner Zusammenschau ganz unerwähnt gelassen, nämlich die Frage der Rüstung und der Rüstungskosten.
({1})
- Nicht heute, Herr Dr. Dresbach! Aber immerhin mag heute daran erinnert werden, daß doch die Frage: Verteidigung so oder so, Sicherheit so oder so? der Angelpunkt auch aller finanziellen Betrachtungen in diesem Hause sein muß und daß man nicht einigermaßen gründlich über diese Dinge sprechen kann, wenn man dieses Problem außer acht läßt.
Gut war, was der Herr Bundesfinanzminister über die Einheit der öffentlichen Finanzen gesagt hat. Als Abgeordneter des steuerschwachen Landes Bayern habe ich natürlich besonders gerne vernommen, daß die Bundesregierung auf eine Verstärkung des horizon talen Finanzausgleichs hinwirken und da vielleicht sogar initiativ werden will.
Es war auch richtig, die schwierige Lage der Gemeinden, jedenfalls sehr vieler Gemeinden, zu erwähnen. Wir dürfen daran wohl die Erwartung knüpfen, daß bei der angekündigten Überprüfung des Gewerbesteuerrechts keine Beeinträchtigungen der Leistungsfähigkeit der gemeindlichen Finanzen zugelassen werden.
Wenn der Herr Bundesfinanzminister auf ein Jahressteuergesetz, wenn er auf eine Verlegung des Haushaltsjahrs hinsteuern will, so wird er dabei unsere Zustimmung finden.
Auch seine allgemeinen Bemerkungen zur Umsatzsteuer begegnen sich mit unseren Vorstellungen in dem Grundsatz, daß es auf eine wettbewerbsneutrale, auf eine nicht konzentrationsfördernde Umsatzsteuer hinausgehen muß. Die Dringlichkeit dieser Reform möchte ich hiermit noch einmal unterstrichen haben.
Die Zahlen, die der Herr Bundesfinanzminister über das Verhältnis von direkten und indirekten Steuern genannt hat, müßten wohl noch einmal näher untersucht und diskutiert werden. Immerhin ergaben bereits diese Zahlen, daß die Bundesrepublik mit ihrem Steuersystem in der unmittelbaren Nachbarschaft, und zwar allein, der Länder Frankreich und Italien steht.
({2})
Sehen Sie sich die Zahlen doch einmal an!
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- Der Abstand zu den anderen ist größer, wesentlich größer, Herr Dr. Hellwig!
({4})
- Frankreich und Italien sind jedenfalls die Länder, deren Steuersystem womöglich noch schlechter ist als das der Bundesrepublik und in keiner Weise nachahmenswert ist.
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Nun zu den Steuervorlagen selbst. Sie haben, wie gesagt, viele Teile. Einer der Kernpunkte betrifft den Tarif. Auch dieser Tarif zerfällt in zwei Teile, die, was nicht genug betont werden kann, in ihrem Aufbau und in den Grundsätzen, die dabei angewandt worden sind, völlig unabhängig voneinander zu betrachten sind,
({6})
völlig unabhängig voneinander gestaltet worden sind und deswegen auch ganz verschieden beurteilt werden müssen. Der erste Teil betrifft die Regelung des Proportionaltarifs, die für 18 bis 19 Millionen Steuerpflichtige - das sind rund 95 % aller Steuerpflichtigen überhaupt - gilt bis zu einem Einkommen von 8000 bzw. 16 000 Mark. Der zweite Teil ist der Progressivtarif, in dem sich das Splitting dann tatsächlich auswirkt und der auf den Rest der Steuerpflichtigen angewandt werden soll.
Was den ersten Teil anlangt, so betrachten wir ihn als einen Fortschritt. Der Proportionaltarif mit. starker Erhöhung der Freibeträge ist nicht nur systematisch wirklich ein Fortschritt, sondern er bringt auch dem weitaus größten Teil der davon betroffenen Steuerpflichtigen und damit auch dem weitaus größten Teil der Steuerpflichtigen überhaupt nicht unwesentliche Entlastungen, von einigen Ausnahmen abgesehen, auf die ich noch zu sprechen kommen werde. Da dieses System - Erhöhung der Freibeträge und Abflachung bzw. Ausschaltung der Progression bei den kleinen und mittleren Einkommen - von der Sozialdemokratischen Partei schon jahrelang gefordert und in ihrem Programm niedergelegt worden ist, brauche ich nicht lange auszuführen, warum wir das für gut halten. Die Gründe liegen darin, daß bei Anwendung eines Progressionssatzes bei diesen Einkommen wegen der gleichzeitigen Auswirkung des Freibetrags, die sich in höheren Einkommensschichten nicht mehr so durchsetzt, eine doppelte Progression - das Bundesfinanzministerium hat das selbst hervorgehoben - stattfinden würde, die um so unerträglicher ist, als gerade diese kleinen und mittleren Einkommen - das Bundesfinanzministerium bezeichnet sie jetzt mit einem recht zutreffenden Ausdruck als „typische Verbrauchseinkommen" durch die Last der indirekten Steuern enorm vorbelastet sind. Die indirekten Steuern, die auf dem Verbrauch liegen, lasten in ganz anderem Umfange auf diesen Einkommen sie werden zum großen Teil verbraucht - als auf höheren.
Ein weiterer Vorteil ist - alles das ist schon oft gesagt worden -, daß die Ungleichheiten in der Besteuerung von erwerbstätigen Ehefrauen, Hausfrauen, mitarbeitenden Ehefrauen, in der Besteuerung von Überstunden usw. damit erledigt werden. Als letzten Vorteil - nicht ohne Gewicht - nenne ich die Verwaltungsvereinfachung, insbesondere auch das Ausscheiden der kleinen Einkommen und der Einkommen Kinderreicher aus der Steuerpflicht.
An diesem Punkt muß ich darauf eingehen, daß in der Presse und auch anderwärts nun schon wieder gesagt worden ist, es sei staatspolitisch bedenklich, daß so viele Leute keine Steuern zahlen sollen.
({7})
Erstens ist das eine grobe Unwahrheit, daß sie keine Steuern zahlen; sie zahlen viel zuviel, nämlich indirekte Steuern.
({8})
Und wenn sie das nicht merken, so werden wir es Ihnen immer wieder sagen.
({9})
- Ich habe die Zeitungsartikel gelesen - Sie haben sie ja nicht geschrieben, Herr Dr. Hellwig da hieß es: Die zahlen keine Steuern, und das ist staatspolitisch bedenklich.
({10}) - Das ist sehr falsch sogar!
Zweitens sollte man es doch endlich einmal als überholt betrachten, die Bewertung der Staatsgesinnung mit dem Steuerzahlen in Verbindung zu bringen. Die Zeit des Dreiklassenwahlrechts ist längst vorbei!
({11})
- Fürchten Sie nicht, Herr Dr. Atzenroth, daß die Staatsgesinnung eines Millionärs darunter leiden könnte, daß er jetzt plötzlich aus heiterem Himmel 42 000 DM Steuern weniger im Jahre zahlen soll als bisher?
({12})
Oder fürchten Sie nicht, Herr Dr. Atzenroth, daß die Anhänglichkeit an den Staat oder die staatspolitische Gesinnung der anderen Leute leiden könnte, wenn sie solche Steuergeschenke mit ansehen müssen?
({13})
In diesem Zusammenhang scheinen Projekte einer Einwohnersteuer oder Bürgersteuer aufzutauchen, einer Steuer, mit der anscheinend so durch die Hintertür die Besteuerung der kleinen Einkommen, die gerade aus der Steuer herausgekommen sind, wieder eingeführt werden soll. Es gibt da einen Entwurf in einer gewissen Schublade, von der bisher offenbar nicht festgestellt werden konnte, wie weit sie vom Ministerbüro weg ist. Aber dieser Entwurf existiert und ist sicher dem Herrn Bundesfinanzminister genauso wie vielen anderen Leuten bekannt. - Ich werde ihn Ihnen zur Verfügung stellen, Herr Bundesfinanzminister.
({14})
Jawohl, ich habe ihn nicht hier, aber unten auf meinem Platz. Es ist ein sehr genauer Entwurf. Er befaßt sich sogar mit einzelnen Regierungsbezirken. Ohne nun im einzelnen auf die sachlichen Fragen
einer solchen Einwohnersteuer einzugehen, möchte
ich folgendes dazu sagen. Nach diesem Entwurf - ({15})
- Jawohl, und eben deswegen sage ich: nach diesem Entwurf, der so genau ist, daß man sogar schon Berechnungen mit ihm anstellen konnte, einem Entwurf, der eine Koppelung zwischen der Bürgersteuer und der Gewerbesteuer usw. vorsieht, ergibt sich, daß für einzelne Gemeinden sogar Ausfälle entstehen würden und daß im ganzen keine Hilfe für die Gemeinden, Herr Dr. Dresbach, sondern eine Verlagerung der Steuerlast innerhalb der Gemeinden beabsichtigt ist, und zwar in einer Weise, daß wir jedenfalls das nicht mitmachen würden. Die Ablehnung, die der Deutsche Städtetag bereits ausgesprochen hat, scheint uns deswegen sehr berechtigt zu sein.
({16})
- Schön; aber vielleicht nehmen Sie zur Kenntnis, Herr Dr. Dresbach, daß jedenfalls wir nicht mitmachen und vermutlich auch keinen Rückzieher machen.
({17})
Wir werden diese Frage klären. Wir werden auch
von Ihnen und der Regierung eine Erklärung in
dem Sinne verlangen, daß so etwas nicht geschieht.
Außerdem mache ich Sie darauf aufmerksam, daß der Art. 106 des Grundgesetzes den Katalog der Steuern enthält, die in der Bundesrepublik möglich sind. Eine gemeindliche Einkommensteuer befindet sich nicht darunter; denn Sie können ja eine solche Steuer beim besten Willen nicht als eine Steuer mit örtlich bedingtem Wirkungskreis auffassen.
({18})
- Nein! Eine solche Steuer kann ohne Grundgesetzänderung nicht eingeführt werden, und solange Sie das Grundgesetz nicht ohne Mitwirkung der sozialdemokratischen Fraktion ändern können
- das können Sie Gott sei Dank nicht -, sollten Sie sich diesen Gedanken aus dem Kopf schlagen.
({19})
Ich sprach davon, daß die Proportionalregelung systematisch und im ganzen gutzuheißen sei. Aber ich erwähnte schon, daß es einige Gruppen gibt, die hier gegenüber ihrer bisherigen Steuerbelastung benachteiligt sind.
Die erste Gruppe sind die Ledigen in den Einkommensstufen von 3000 bis 6500 DM; das entspricht einem Bruttolohn von 4200 bis 7700 DM im Jahr. Wenn die Erhöhungen hier auch geringfügig erscheinen mögen, so muß man doch bedenken, daß es sich da um mindestens eine bis anderthalb Millionen Steuerpflichtige handelt, die ja schon
dadurch benachteiligt sind, daß sie von der sonst
stattfindenden Steuersenkung nicht erfaßt werden.
Eine zweite Gruppe sind Ehepaare gewisser Einkommensstufen, bei denen auch die Ehefrau erwerbstätig - insbesondere in abhängiger Arbeit -ist. Das mögen 300 000 bis 400 000 oder auch bedeutend mehr sein; das wäre noch festzustellen. Die Mehrbelastungen sind da recht erheblich. Sie gehen über den Betrag von 200 DM im Jahr hinaus. Wenn das auch nur das Spiegelbild einer bisherigen Benachteiligung der mithelfenden Ehefrau und der Hausfrau ist, so kann man doch die Sache nicht auf diesem Wege behandeln. Diese Belastung dürfte nicht tragbar sein.
Eine dritte Gruppe, die bisher in keiner Begründung erwähnt und die vielleicht im Bundesfinanzministerium sogar übersehen worden ist, sind die Alleinstehenden mit Kindern. Das sind die Frauen, die ihr Kind allein aufziehen, oder die Alleinstehenden, die ein Pflegekind oder ein Adoptivkind zu sich genommen haben. Bei denen ergeben sich sehr erhebliche und untragbare Mehrbelastungen. Ich glaube aber, daß man diesen Mangel mit relativ wenig Aufwand und wenigen Schwierigkeiten beseitigen kann und daß man sich darüber einig werden wird.
({20})
- Ja, für Verwitwete!
({21})
- Die 800 DM reichen durchaus nicht aus.
Abgesehen von diesem Problem, das sicherlich nicht schwer zu lösen sein wird, müssen auch bezüglich der anderen Gruppen Mittel und Wege gefunden werden, um die vorgesehenen Benachteiligungen zu beseitigen. Der Herr Bundesfinanzminister hat vor den Ausschüssen des Hauses einen Tarif mit einem Freibetrag von 1820 DM erwähnt, der, wie er sich ausdrückte, für Steuerpflichtige mit kleinem Einkommen keine Nachteile gegenüber der Regelung von 1957 - also nach der Beseitigung des Notopfers - bringen würde. Er hat gesagt, daß dieser Tarif wegen eines Mehrausfalls von 280 Millionen DM - so wurde in den Ausschüssen gesagt; heute ist in Klammern einmal von 400 Millionen DM die Rede gewesen - nicht akzeptiert worden sei. Ich glaube, wir sollten uns diesen Tarif einmal näher ansehen und schauen, ob die Nachteile des neuen Tarifs nicht bereits hier ausgeglichen werden können. Ich werde Ihnen nachher einige Zahlen nennen, aus denen hervorgeht, daß es sehr leicht möglich ist, durch bessere Gestaltung an anderen Stellen des Tarifs und bessere Gestaltung des Gesamtentwurfs einen Ausfall in der genannten Höhe zu kompensieren.
Da im übrigen durchweg Lohnsteuerpflichtige von diesen Härten betroffen sind, möchte ich im Namen meiner Fraktion mit allem Nachdruck noch einmal
das ins Gedächtnis zurückrufen, was für die alte Forderung des Arbeitnehmerfreibetrages spricht. Diese Einrichtung hat sich in den angelsächsischen Steuersystemen gut bewährt und ist dort schon seit Jahrzehnten Rechtens. Der Freibetrag ist notwendig, um die Benachteiligungen im Steuererhebungsverfahren auszugleichen; er ist notwendig, um die durch die Preisentwicklung bedingte Vorbelastung der typischen Verbrauchseinkommen, die zum allergrößten Teil Arbeitnehmereinkommen sind, auszugleichen; er ist notwendig als Ausgleich der vielen Manipulationsmöglichkeiten, die den Veranlagten sehr wohl, den Arbeitnehmern aber nicht zugute kommen.
Ich denke gerade in der heutigen Situation an die Ausbildungs- und Fortbildungskosten, deren steuerliche Geltendmachung infolge einer unglücklich starren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs und früheren Reichsfinanzhofs jedem Arbeitnehmer, jedem Beamten strikte versagt wird, obwohl doch offensichtlich ist, daß für jeden Selbständigen, die freien Berufe sowohl wie die Unternehmer, das, was er für seine eigene Aus- und Fortbildung, und sogar das, was er für die Ausbildung seiner Familie, und alles das, was er für seinen Betrieb und für seine Tätigkeit in dieser Beziehung aufwendet, ohne weiteres steuerlich abzugsfähig ist.
({22})
- Das geht bis zur Finanzierung von Weltreisen
durch günstig angesetzte Kongresse usw. Darüber
gibt es doch gar keinen Zweifel, Herr Dr. Hellwig.
({23})
Es gibt nicht den geringsten Zweifel, daß der Unternehmer die Auslagen für einen Kongreß oder eine Schulung oder sonst eine Ausbildungseinrichtung, die er im Interesse seines Geschäfts besucht, steuerlich als Unkosten geltend macht.
({24})
Ich erinnere wieder an die Möglichkeit des Verlustvortrags, die dem Arbeitnehmer nicht zugute kommt. Der Arbeitnehmer hat nicht wie der Selbständige die Möglichkeit, wenn er einmal in einem Jahr Schulden machen oder vom Kapital leben mußte, das in den nächsten fünf Jahren steuerlich geltend zu machen. Er kann es überhaupt steuerlich nicht geltend machen.
({25})
- Herr Kollege Eckhardt, sicherlich kann man da einige Dinge nicht vergleichen. Ich verkenne natürlich nicht, daß es einige Fälle gibt, die man mit einer Einzelregelung nur sehr schwer erfassen kann. Eben deswegen wäre es mehr als gerechtfertigt, einen solchen Freibetrag zu gewähren. Man dürfte ihn eigentlich nicht Freibetrag, sondern sollte ihn Pauschbetrag zum Ausgleich von Benachteiligungen und mangelnden Manipulationsmöglichkeiten und z. B. Fortbildungskosten nennen.
({26})
- Dafür könnten wir schon sorgen, Herr Kollege
Dr. Atzenroth. Ich meine, daß ein Freibetrag in der Größenordnung von vielleicht 600 DM jährlich - davon hat der Generaldirektor recht wenig - durchaus im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten liegt. In der derzeitigen Konjunktursituation - demnächst dürfte es sich doch um eine Stabilisierung der Konjunktur handeln - ist die Stützung und Entlastung des Masseneinkommens ohnehin angezeigt.
Ich komme jetzt zu dem Progressionstarif, der für die restlichen 5 % der Steuerpflichtigen mit höchsten Einkommen Anwendung finden soll. Meine Damen und Herren, Progression muß in diesen Bereichen selbstverständlich sein; daran kann gar kein Zweifel bestehen. Aber ob sie so sein muß, wie sie in diesem Tarif angelegt ist, ist doch eine wesentlich andere Frage.
Der Herr Bundesfinanzminister hat den Tarif so erläutert, daß er eine erheblich steilere Progression vorsehe. Wie verhält es sich wirklich? Ich verweise auf die Formeln in der Einkommensteuertabelle. Da finden wir das Produkt 272 mal y, wobei „y" ein Tausendstel des um 8000 Deutsche Mark verminderten zu versteuernden Einkommensbetrags ist. Früher hat man einfach gesagt: 27,2 % des Betrages über 8000 Mark. Ich habe gar nicht gewußt, daß man das neuerdings so umständlich und so „vornehm" ausdrücken kann. Dann kommen Faktoren in der zweiten und dritten Potenz usw.
Das Ergebnis ist folgendes. Der Tarif steigt von dem Proportionalsatz von 20 % zunächst sehr steil bis zum Betrag von 24 000 DM Jahreseinkommen an, so steil, daß bereits die ersten tausend D-Mark über die 8000 DM Jahreseinkommen hinaus mit einem Satz von 26,7 % erfaßt werden. Da springt der Satz also schon von 20 % auf 26,7 %. Er steigt dann bis zum Einkommen von 110 000 DM weniger steil an, und von da an ist er überhaupt kein Progressionstarif mehr, sondern ein Proportionaltarif von gleichbleibend 53 %. Übrigens wird das gar nicht mehr erreicht, denn es werden immer 53 % des Einkommens weniger 11 311 DM gezahlt.
Die Progression ist also in den mittelständlerischen und mittelstandsnahen Einkommen von 16 000 bis 24 000 DM sehr steil, in den weiteren Einkommen bis 110 000 DM weniger steil und über 110 000 DM überhaupt nicht mehr steil, sondern da haben wir nur einen Proportionaltarif. So sehen die Dinge in Wirklichkeit aus.
({27})
Das hat zur Folge, daß Ledige mit 12 000 DM Einkommen 21 DM im Jahre mehr zahlen sollen, Ledige mit 50 000 DM 393 DM im Jahre mehr, wozu ich eigentlich keine Veranlassung sehe, Ledige mit 100 000 DM 2275 DM im Jahre mehr, aber Ledige mit 400 000 DM 4708 DM im Jahre weniger, wozu ich nun gar keine Veranlassung sehe. Bei einem Einkommen von einer Million DM im Jahre soll der Ledige 31 298 DM Steuern weniger zahlen als bisher, der kinderlos Verheiratete 41 784 DM weniger als bisher.
({28}) Wo ist da die Begründung?
({29})
- Genau, genau! Mit diesen Einkommen und ihrer Bedeutung, Herr Kollege Neuburger, werde ich mich noch eingehend beschäftigen, insbesondere mit der Auswirkung dieser Steuergeschenke auf die Gesamtsumme des Tarifs. Ich versichere Sie, die Sache ist nicht zum Lachen!
({30})
- Jawohl, genau!
Die Zahlen, die ich Ihnen bisher genannt habe, sind nur Auswirkungen des falschen Tarifaufbaus. Denn das Splitting wirkt sich gerade in den höchsten Einkommen wegen des dann wieder angewandten Proportionalsatzes schon gar nicht mehr aus. Einkommen von 1 Million und auch von 500 000 DM, alle Einkommen über 220 000 DM jährlich machen ja vom Splitting wieder keinen Gebrauch. Ich bitte um Entschuldigung, daß ich mit diesen Zahlen arbeiten muß, die dem gewöhnlichen Sterblichen als Jahreseinkommen natürlich einigermaßen astronomisch vorkommen müssen, die aber tatsächlich existieren.
Der Tarif ist also nicht allgemein steiler, und die Wahrheit ist, daß das Splitting überhaupt nicht allgemein angewandt wird. Das Splitting wird vielmehr nur angewandt bei Familieneinkommen zwischen 16 000 und 220 000 DM jährlich. Vorher und nachher hat das Splitting keine Auswirkung.
Zum Vergleich mit dem bisherigen Tarif: der Steigerungssatz von 53 % wurde bisher bei einem Einkommen von 185 000 DM erreicht. Eine Gesamtbelastung, wie sie jetzt bei 110 000 DM Einkommen erreicht wird - das ist eben die Folge der „Ansteilung" des Tarifs in den unteren, an den Mittelstand anschließenden Einkommensschichten -, wurde bisher erst bei 400 000 DM Jahreseinkommen erreicht. Dafür zog sich aber die Progression bis auf 614 000 DM hinauf, da ja Steigerungssätze bis zu 63 % angewandt wurden. Bei einem Millionen-Einkommen - diese Zahlen von 31 000 und 41 000 DM sind keine Höchstbeträge, sondern es sind die Zahlen für eine Million Jahreseinkommen
- zahlte man bisher 55 % plus 12 322 DM, während man jetzt 53 % minus 11 311 DM zahlen soll. So sieht dieser Tarif als solcher - vom Splitting habe ich noch gar nicht gesprochen - aus.
Was bedeutet das in der Summe? Das muß man sich klarmachen. Nach den letzten aus dem Bundesfinanzministerium stammenden Zahlen ist die Zahl der Einkommensteuerfälle über 100 000 DM Jahreseinkommen für 1956 mit 10 000 angegeben. Diese Zahl ist sicher weit überholt. Denn erstens war das keine statistische Zahl, sondern es handelte sich um eine Vorausschätzung und Fortschreibung, und zweitens ergibt sich aus allen statistischen und wirtschaftlichen Erkenntnissen, die zur Verfügung stehen, daß die Zahl der Empfänger dieser hohen
Einkommen das gilt für das Nachrücken in
höhere Einkommensgruppen überhaupt durchweg - sich in den letzten Jahren so ziemlich verdoppelt oder verdreifacht hat. Da gibt es eine sehr eingehende Untersuchung über die Einkommensschichtung von dem Berliner Institut des Herrn Kollegen Friedensburg. Sie ist leider nicht direkt verwendbar, weil sie keine Begriffe des Steuereinkommens, sondern wirtschaftliche Einkommensbegriffe verwendet. Aber die Tendenz ist vollständig eindeutig. Nach dieser Untersuchung würde z. B. an Stelle der 10 000 eine Ziffer von 36 000 Fällen solcher Einkommensbezieher in Frage kommen. Nehmen Sie an, daß es nur 20 000 Fälle sind, und nehmen Sie an, daß allein aus dieser Abflachung und Ermäßigung des Tarifs, die nur die sechsstelligen Einkommen, nur die Einkommen über 100 000 DM betrifft, pro Fall nur ein Betrag von 10 000 DM Steuer im Schnitt erspart wird. Da diese Beträge von 2275 bis unbegrenzt gehen und, wenn Sie einmal 500 000 DM als Mittelwert annehmen wollen, da schon 12 500 DM betragen, ist das, glaube ich, eine vorsichtige Annahme.
Das heißt, daß diese Umgestaltung des Tarifs für
- angenommen - 20 000 Einkommensbezieher mit sechsstelligen Einkommen allein etwa 200 Millionen DM ausmacht, und das für 0,5 % der Bevölkerung!
({31})
Dazu das Splitting. Da will ich auch gleich die Zahlen sagen. Der normal besteuerte Bezieher des typischen Verbrauchseinkommens hat nach diesem Tarif als Ermäßigung aus der Verheiratung eine Steuerersparnis von 336 DM im Jahre. Das ist gut; denn so viel hat er bisher noch nie gehabt. Bei den Einkommen über 100 000 DM beträgt infolge Anwendung des Splitting diese Steuerermäßigung durch Heirat aber bereits bei einem Einkommen von 100 000 DM 7386 DM - die Steuerersparnis steigt also um 7000 DM -, und sie steigt schon bei 200 000 DM Einkommen - und dann im Höchstbetrag bleibend auf 11 311 DM, also 11 000 DM mehr.
({32})
- Ledig, Herr Kollege Hellwig, sind nur 6 %; 94 % von diesen Schichten sind verheiratet. Die Zahlen muß man wissen.
({33})
- Es gibt erstens einmal die Frage eines richtig gestaffelten Tarifs und zweitens die Frage des Splitting, auf die ich noch eigens zurückkomme. Ich habe Ihnen die Zahl genannt, die ersten 200 Millionen DM, die durch den Tarif verschenkt werden, und ich stelle weiter fest, daß die Anwendung des Splitting allein auf die Einkommen über 100 000 DM wieder rund 200 Millionen DM im Jahr kostet.
({34})
Das sind die Zahlen.
({35})
- Das ist keine falsche Rechnung. Ich fordere Sie auf, sie zu widerlegen. Ich habe Ihnen ja gesagt, wie die Rechnung zustande kommt.
Wir fordern deswegen zunächst eine gründliche Umgestaltung dieses Progressionstarifs selbst. Dieser Tarif muß unten weniger steil sein. Die Abflachung oben, die verstärkt worden ist, muß beseitigt werden.
Wir sind auch der Ansicht, daß der Höchstsatz dieses Tarifs über die vom Bundesrat beantragten 55 % hinausgezogen werden kann und hinausgezogen werden müßte.
({36})
- Es ist nicht notwendig, daß dieser Satz - wie es sich der Bundesrat offenbar vorgestellt hat - bereits bei 100 000 DM erreicht wird. Aber die Progression muß höher gezogen werden.
({37})
- Wir werden einige Berechnungen anstellen. Jedenfalls, Herr Kollege Hellwig, sehen wir keine Veranlassung, daß bei diesen Einkommen - denn irgendein vernünftiger wirtschaftlicher Grund dafür ist noch nicht genannt worden und kann nicht genannt werden - die Steuerbelastung schon nach dem Tarif unter die derzeitige Steuerbelastung sinkt. Allein das macht, vom Splitting schon ganz abgesehen, 200 Millionen DM aus. Dafür gibt es einfach keinen Grund.
Ich möchte mich mit einigen Einwänden, die hier kommen können, vorweg beschäftigen. Da wird also gesagt, ein so hoher Steuersatz gebe keinen genügenden Anreiz für das Gewinnstreben und die private Initiative, oder es wird gesagt, auch in der von der Regierung gegebenen Begründung, er verleite zum Unkostenmachen. Dann wird darauf hingewiesen, daß er mit dem Körperschaftsteuersatz verglichen werden müsse.
Der Satz mit der privaten Initiative ist natürlich richtig. Aber bei gewissen Einkommenshöhen verliert er seinen Sinn. Es gibt meines Erachtens keine wirtschaftliche oder moralische Berechtigung dafür, daß jemand, der schon eine halbe Million D-Mark Jahreseinkommen hat, immer noch mehr verdient.
({38})
Man muß die Dinge doch so sehen, wie sie tatsächlich sind. In diesen Sphären, wo man zweieinhalb Millionen D-Mark Abfindung bekommen kann, bloß weil man von einem guten Arbeitsplatz zu einem anderen guten Arbeitsplatz hinübergeht
({39})
- Sie wissen, worauf ich anspiele , muß man einmal verstehen, genug verdient zu haben.
Sie sagen vielleicht, so könne man kein Unternehmen führen. Allerdings; aber bitte, kommen Sie doch endlich auf die von uns so oft vorgeschlagene Betriebssteuer zurück! Kommen Sie doch endlich mal an die richtige Lösung heran! Auf den Vergleich mit dem Körperschaftsteuersatz will ich später zu sprechen kommen.
Was die Unkosten angeht, so ist es ja kein Mittel gegen Unkostenmachen, daß man die Steuer von vornherein wegschenkt. Und zweitens: Glauben Sie denn ernstlich, daß in der Frage der Manipulation der Unkosten ein Steuersatz von 53 % wesentlich wirkungsvoller ist als ein Satz von 55 %?
({40}) Das ist doch nicht denkbar.
Die Ausfallzahlen, die sich hier errechnen, würden, wenn sie mit den Ausfallzahlen, die vom Bundesfinanzministerium für die ganzen Tarifoperationen genannt worden sind, verglichen werden, die Vermutung nahelegen, daß die Entlastungen in den unteren Einkommen außerordentlich geringfügig sind und durch die eintretenden Mehrbelastungen mehr als wettgemacht werden. Ich glaube allerdings, daß die Zahlen nicht ganz vergleichbar sind. Denn wie mir bekannt ist, werden Zahlen des Bundesfinanzministeriums auf Grund von Sozialproduktprozenten und Etatschätzungen usw. berechnet und nicht, wie es sein muß, von den Steuerfällen und von der Einkommensschichtung aus.
Ich möchte noch eine sehr ernsthafte Bemerkung zu diesem Thema machen, eine Bemerkung, die ich wirklich nicht polemisch, sondern aus ernster Besorgnis heraus mache. Sie wissen, welche Bedeutung wir der Frage des vom Grundgesetz vorgeschriebenen Parteiengesetzes und der Frage der Parteienfinanzierung unter dem Gesichtspunkt der Gesundheit der Demokratie überhaupt beilegen. Sie kennen unsere erbitterte Kritik daran, daß Sie
steuerliche Begünstigungen für Parteispenden vor Erlaß des vom Grundgesetz geforderten Parteiengesetzes eingeführt haben.
({41})
Es handelt sich hier um enorme Steuerermäßigungen für 20-, 30 000 Höchstverdiener. Meine Damen und Herren, niemand wird einer Millionenpartei unterstellen, daß sie für 20-, 30 000 Wähler im Bund derartige Summen hergeben will. Es sollte nicht der Eindruck entstehen. daß hier nicht Wähler, sondern Finanzierer und Finanzquellen angesprochen sind.
({42})
Das wäre keine Politik mehr, das wäre Geschäft. Ich sage: es wäre Geschäft. Ich sage es nicht als eine Feststellung, sondern als eine Warnung, weil ich doch glauben möchte, daß einige von Ihnen sich diese Dinge noch einmal überlegen werden. Ich habe sogar die Hoffnung, daß der Herr Bundesfinanzminister sich die Sache noch einmal überlegen wird. Denn, offen gestanden, ich traue es ihm nicht zu, daß er sehenden Auges - schließlich ist er ja noch ein Neuling in diesen Dingen und den Rechnungen, die hier angestellt werden müssen - die Sache so vorgelegt hat, wie sie hier steht. Diese Rechnungen, man kann es nicht oft genug sagen, müssen angestellt werden.
Man kann nicht Steuerpolitik treiben und man kann nicht über Steuerpolitik reden, wenn man nicht von den Steuerfällen und von der effektiven Einkommensschichtung ausgeht. Da nützt alles Reden über Prinzipien und Grundsätze usw. nichts,
wenn man sich nicht ansieht, wie und bei wem die Dinge sich wirklich auszahlen. Und das Faktum ist - das zeigen ja gerade die Zahlen, die Ihnen das Bundesfinanzministerium vorlegt -, daß nur 5 % der Steuerpflichtigen dieser Bundesrepublik - und die Steuerpflichtigen sind schon eine Elite der Bevölkerung - über das hinauskommen, was man das kleine und mittlere Einkommen oder das typische Verbrauchseinkommen nennen kann, daß aber diese 5 % rund die Hälfte des gesamten Einkommens und dazu den allergrößten Teil des Körperschaftseinkommens in der Hand haben. Das ist die gesellschaftliche Situation in dieser Bundesrepublik; wenn man die nicht vor Augen hat, kann man nicht zu richtigen Erkenntnissen kommen, und ich frage den Herrn Bundesfinanzminister, ob das das sozial sinnvoll geschichtete Einkommen ist, von dem er in seiner heutigen Rede gesprochen hat.
Nun noch einige Worte über das Splitting-System selbst. Über seine finanziellen Auswirkungen habe ich Ihnen schon einige Zahlen genannt. Das Splitting-System, so wie es hier vorgeschlagen ist, heißt mit dürren Worten: die Familienermäßigung, die Heiratsermäßigung - von den Kinderermäßigungen abgesehen- beträgt für das typische Einkommen bis 16 000 DM 336 DM Steuerersparnis im Jahr. Ich sagte vorhin schon: das ist gut; so viel war es noch gar nicht. Sie beträgt für Einkommen von 16 000 DM bis oben hin ansteigend bis zu 11 311 DM - reine Familienermäßigung -, und zwar um so mehr, je höher das Einkommen ist. Das ist, mit dürren Worten gesagt, das System, das hier vorgeschlagen ist.
({43})
- Das ist kein fester Freibetrag, und ich habe noch keinen festen Freibetrag gekannt - ({44})
- Herr Kollege, ich habe noch keinen festen Freibetrag gekannt, der sich bei dem einen mit 11 311 DM und bei dem anderen mit 300 DM auswirkt. Jedenfalls sollte das nicht die Familienermäßigung sein, die sich so auswirkt.
({45})
- Aber Herr Kollege - ({46})
- Gewiß. Aber ich glaube, es ist ja verständlich genug, und es hat jeder im Hause verstanden: die Familienermäßigung beträgt für 95 % der Einkommensbezieher 336 DM im Jahr, und für die restlichen beträgt sie, je höher das Einkommen ist, um so mehr, ansteigend bis zu 11 311 DM. Das ist ein Tatbestand, den wir schon wegen seiner finanziellen Auswirkungen, aber auch als System ablehnen.
({47})
788 Deutscher Bundestag -- 3. Wahlperiode Seuffert
- Verzeihen Sie! Die Beihilfen, die jemand braucht, um eine Frau oder ein Kind zu unterhalten - das sind doch diese Familienermäßigungen -, sollten an und für sich logischerweise, Herr Kollege Dr. Hellwig, um so geringer sein, je mehr Einkommen man hat und versteuert.
({48})
Das wäre das richtige System und nicht das Gegenteil. Oder wollen Sie das bestreiten?
({49})
- Ich komme auf diese Frage noch einmal zu sprechen.
Ich werde natürlich darauf verzichten, Ihnen die Einwände gegen das Splitting als System, die Ihnen dankenswerterweise schon in der Begründung des Bundesfinanzministeriums vorgetragen worden sind, die von gewerkschaftlicher Seite und vom Bund der Steuerzahler - auch Herr Dr. Binder vom Institut in Kiel hat einige gute Arbeiten darüber geschrieben - vorgebracht worden sind, nochmals darzulegen. Wir lehnen dieses System ab; denn diese Dinge liegen im System des Splitting und können tatsächlich in diesem System nicht beseitigt werden.
Herr Kollege Neuburger hat schon mit Recht ausgeführt, daß die weit verbreitete Meinung, das Bundesverfassungsgericht habe das Splitting emnfohlen, nicht zutrifft. Das Bundesverfassungsgericht hat lediglich den Satz aufgestellt, daß Art. 6 des Grundgesetzes es verbietet, daß jemand wegen seiner Verheiratung mehr Steuern zahlt. Dieser Satz ist richtig. Wir haben unter Führung der sozialdemokratischen Fraktion erbittert kämpfen müssen, bis er für das Arbeitseinkommen verwirklicht worden ist.
({50})
- Gewiß! Ich habe nicht gesagt: die sozialdemokratische Fraktion allein; aber wir waren ziemlich führend beteiligt, wenn Sie, Herr Kollege Eckhardt, uns das zugeben wollen. Dieser Satz ist richtig. Aber die Vorstellung ist ja von vornherein etwas absurd, daß man diesem Satz damit Genüge tun kann, daß man einfach die Fiktion aufstellt, das Einkommen, ob es nun dem einen oder anderen Eheteil zusteht, gehöre jedem halb. In Wirklichkeit heißt das doch: wenn z. B. eine Frau mit 10 000 DM Einkommen einen Mann mit 90 000 DM Einkommen heiratet, oder umgekehrt, wie Sie wollen, dann wird bei der Methode des Splitting ihr Einkommen von 10 000 DM zu einem Progressionssatz von 50 000 DM besteuert. Das wird dadurch kompensiert, daß ungerechterweise das Einkommen des Ehemannes von 90 000 DM auch zu einem Progressionssatz von nur 50 000 DM besteuert wird.
Das Bundesverfassungsgericht hat ja gerade den Satz von der Individualbesteuerung, die es als Grundsatz des Steuerrechts festgestellt und akzeptiert hat, aufgestellt. Es hat ihn so formuliert: Keiner darf für sein Einkommen mehr zahlen, als er vor Verheiratung gezahlt hat, - also weil er verheiratet ist. Diesem Satz mit dem Splitting Genüge zu tun, erscheint mir recht schwierig. Der Spruch des Bundesverfassungsgerichts ist für uns Recht und Gesetz. Ich halte es aber für recht unüberlegt, daß es, von diesem Satz ausgehend, das Splitting überhaupt als mögliche Lösung genannt hat. Wenn man schon die Zusammenveranlagung - denn Splitting ist natürlich Zusammenveranlagung mit allen Folgen der Solidarhaftung usw. einführen will, wenn man schon gemeinschaftliches Einkommen berechnet und besteuert, warum denn dann eine fingierte Einkommensverteilung und einen fingierten Steuersatz?
Eine letzte Frage. Glauben Sie wirklich, daß die Anwendung einer Methode, die sich, so wie sie vorgeschlagen ist, lediglich in den Bereichen der Familieneinkommen von 16 000 bis 220 000 DM jährlich auswirkt, vorher nicht - und das sind 95 % der Steuerpflichtigen - und nachher auch nicht mehr, die sich also nur für einen solch kleinen Teil der Steuerpflichtigen auswirkt und für den ganz überwiegenden Teil der Steuerpflichtigen nicht, als Durchführung eines verfassungsmäßigen Grundsatzes akzeptiert werden kann?
({51})
Wir kommen deshalb zu dem Ergebnis, daß wir das vorgeschlagene Splittingverfahren ablehnen müssen und die andere, zweifellos verfassungsrechtlich mögliche Art der Getrenntveranlagung, mindestens wahlweise, als einen besseren Weg ansehen müssen,
({52})
- trotz all der uns bekannten Bedenken und Schwierigkeiten, trotz aller Manipulationsmöglichkeiten. Es handelt sich nur noch um 5% der Steuerfälle, Herr Kollege Krammig, bei denen diese Dinge interessant sein könnten, und sehr viele dieser Fälle dürften ohnehin der laufenden Betriebsprüfung unterliegen, so daß man mit ihnen doch irgendwie fertig werden könnte. Man darf natürlich in der Ausschaltung und Bekämpfung von Manipulationsmöglichkeiten nicht schüchtern sein. Man wird daran denken müssen, daß die großen Schenkungsteuer-Freibeträge für Geschäfte zwischen Ehegatten nicht in Betracht kommen, wenn aus solchen Schenkungsgeschäften so ungeheuer günstige Steuerwirkungen hervorgehen.
({53})
- Es ist sehr schwierig, aber ich glaube, man kann das, was sich bei dem Splitting ergibt, tatsächlich so nicht tolerieren. Mehr kostet es bestimmt nicht. Es ist ja klar, daß auch bei einer Getrenntveranlagung gemeinsames Einkommen der Eheleute in irgendeiner Weise steuerlich richtig und legal anerkannt werden kann; aber mehr kostet das bestimmt nicht.
Im Zusammenhang mit den Systemfragen möchte ich noch auf einige Urteile des Bundesfinanzhofs eingehen, in denen er zum Ausdruck gebracht hat, er seinerseits halte die Getrenntveranlagung für verfassungswidrig und der Steuergerechtigkeit widersprechend, weil dadurch Ehepaare mit nur einem Einkommensbezieher ungerechtfertigt schlechter gestellt seien als Ehepaare, bei denen beide Teile Einkommen bezögen. Der Bundesfinanzhof hat außerdem gesagt, es könne nicht der Steuergerechtigkeit entsprechen, wenn eine nur kleine Gruppe Manipulationsmöglichkeiten habe. Das ist völlig richtig. Ich habe über diese Manipulationsmöglichkeiten schon das Notwendige gesagt. Aber ein derartiger Satz richtet sich natürlich auch dagegen, daß eine nur sehr kleine Gruppe Vorteile durch Splitting hat. Der Ansicht des Bundesfinanzhofs, daß die Getrenntveranlagung verfassungswidrig sein könnte, tritt das Bundesfinanzministerium nicht bei - mit Recht. Ich trete ihr auch nicht bei. Das Bundesverfassungsgericht, das die Sache letztlich zu entscheiden hätte, tritt ihr ganz offenbar auch nicht -bei; denn es hat seinen Beschluß auf dem Grundsatz der Individualbesteuerung, d. h. zunächst der Getrenntveranlagung aufgebaut. Trotzdem kann man an der Meinung eines solchen höchsten Gerichts nicht ganz stillschweigend vorbeigehen.
Ich möchte an diesen Punkt noch einige Überlegungen knüpfen, zumal, da alle Steuerfachleute sich darüber einig sind, daß die Zusammenveranlagung, wenn sie verfassungsmäßig zu fundieren wäre, das zweckmäßigste und richtigste System der Besteuerung wäre. Der Bundesfinanzhof hat gesagt, daß er es für der Steuergerechtigkeit widersprechend halten würde, wenn übermäßige Vorteile für Ehepaare, die beiderseits erwerbstätig sind, gegenüber Ehepaaren mit nur einem Einkommensbezieher vorgesehen würden. Er ist aber offenbar der Ansicht, daß Vorteile nicht übermäßiger Art, daß gewisse Differenzen hingenommen werden können; denn er hat das System des Ausscheidens von Arbeitseinkünften, bei denen diese Differenzen zu Lasten der Ehepaare mit einem Einkommensbezieher entstanden sind, jahrelang unwidersprochen hingenommen. Das Bundesverfassungsgericht auf der anderen Seite hat auch nicht endgültig gesagt, bis zu welcher Grenze eine Zusammenveranlagung mit geringen Nachteilen erträglich sein könnte. Es hat aber in seinen Gründen z. B. angedeutet, daß es die Zusammenveranlagung bei Tarifen mit milder Progression, wie es sie früher gab, nicht beanstanden würde.
Der Gedanke, der sowohl dem Splitting - aber in sehr roher Form - als auch der Zugewinstregelung unseres neuen Güterrechts, die allerdings grundsätzlich eine Auseinandersetzungsregelung bei Auflösung der Ehe ist, zugrunde liegt, ist, daß ein gewisser Teil des Einkommens des Ehepaares, auch wenn formell und an sich nur ein Einkommensbezieher, sagen wir beispielshalber: der Mann, vorhanden ist, auch der Frau zuzurechnen und als gemeinsames Einkommen anzusehen sei. Die Anerkennung eines gemeinsamen Einkommens ist ja auch bei der Getrenntverwaltung nicht nur möglich und zulässig, sondern geradezu notwendig und selbstverständlich. Dieser Gedanke, einen Teil des Einkommens der Frau zuzurechnen, ist auch durchaus einleuchtend.
Der Fehler besteht beim Splitting und bei anderen Vorschlägen aber darin, daß dieser Betrag einfach ganz roh auf 50 % des Einkommens des Mannes festgesetzt wird. Es ist falsch, diesen Betrag überhaupt zu dem Einkommen des Mannes in Beziehung zu setzen, ob es nun auf der Leistung des Mannes beruht oder aus Vermögen ohne Leistung bezogen wird. Die Leistung der Frau, die durch die Zurechnung eines Einkommensteils auf sie selbst berücksichtigt werden soll, steigt doch nicht mit dem Einkommen des Mannes. Die Leistung der Hausfrau - dafür spricht der Augenschein sofort - wird eher schwieriger, je geringer das Einkommen des Mannes ist.
({54})
Der abzurechnende Teil kann also nicht so in Prozentsätzen des Einkommens des Mannes berechnet werden wie beim Splitting, sondern müßte in einem Festbetrag oder Höchstbetrag ausgedrückt werden. Das wäre wieder so eine Art Haushaltsfreibetrag. Aber dieser Freibetrag müßte natürlich allen, auch der erwerbstätigen Ehefrau, zugute kommen, und es sollte kein steuerfreier Betrag sein, sondern es müßte nur ein progressionsfreier Betrag sein; der Grundgedanke ist ja die Ausschaltung der Progression. In der Praxis würde das - und diesen Gedanken wollte ich hier soeben angedeutet haben - darauf hinauslaufen, daß die Anwendung der Proportionalstufe bei Verheirateten etwas später aufhört, also bei einem gewissen Betrag über dem Doppelten des Ledigeneinkommens, bei dem der Proportionalsatz endet. Ich brauche nicht auszuführen, daß für solche Überlegungen noch eine ganze Reihe von Berechnungen und Diskussionen notwendig sind; sie können deswegen einstweilen als vorläufig betrachtet werden, denn wir sind uns der Schwierigkeiten der Getrenntveranlagung durchaus bewußt.
Nun noch ein Gesichtspunkt zur Tarifgestaltung. Wir sollten - und damit komme ich auf Sie zurück, Herr Dr. Atzenroth und Herr Dr. Hellwig - endlich einmal Schluß damit machen, daß Kinderfreibeträge und ähnliches mit höherem Einkommen immer höhere Steuergeschenke bringen. Von dem Kinderfreibetrag von 900 DM hat das Normaleinkommen 20 %, so wie jetzt vorgeschlagen, der Mann mit dem Höchsteinkommen, der eigentlich den Freibetrag kaum mehr braucht, 53 %. Wir werden deswegen beantragen, daß diese Freibeträge - für den Familienfreibetrag ist das in der Tabelle, soviel ich sehe, dankenswerterweise schon geschehen - nur bei der Normalbesteuerung, nicht aber beim Progressionstarif abgerechnet werden und sich deswegen, wie das die einfachste Steuergerechtigkeit fordert, für jeden Steuerpflichtigen gleich auswirken. Technisch würde das am besten dadurch geschehen, daß man die Einkommensteuer nach angelsächsischem Vorbild in eine normale Proportional-steuer und in eine Zusatzsteuer, die von einem be790
stimmten höheren Einkommen ab beginnt und progressiv ist, aufteilte. Das würde auch klare Verhältnisse schaffen, und man würde dann auch einmal sehen, wo die Steuern erhoben werden.
({55})
- Ach, Herr Kollege, „Wohlfahrtsunterstützung" ist wirklich eine sehr billige Bemerkung hierzu. Es handelt sich um Steuergerechtigkeit, und ich wiederhole: Glauben Sie es denn wirklich aufrechterhalten zu können, daß der Mann mit dem hohen und höchsten Einkommen, mit dem Millioneneinkommen, mehr Zuschuß aus allgemeinen Steuermitteln für die Erziehung seiner Kinder bekommt als der kleine Arbeiter?
({56})
- Zuschuß!
({57})
Herr Abgeordneter Seuffert, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte schön!
Gestatten Sie eine Frage, Herr Seuffert: Wer hat nach Ihrer Meinung zunächst Anspruch auf das Einkommen, der Verdiener oder der Staat?
Der Verdiener! Aber, Herr Dr. Hellwig, wollen Sie denn bestreiten, daß die Steuer, die der Arbeiter aus seinem Lohn zahlt, ihm gehört, genauso wie die Steuer, die der Unternehmer aus seinem Verdienst zahlt - ({0})
- Zahlt denn der Arbeiter nicht auch seine Steuer aus seinem Verdienst? Ist nicht sowohl beim Arbeiter wie bei dem Millionen verdienenden Unternehmer alles, was Sie an dieser Steuer nachlassen, eine Vergünstigung? Und ist es gerecht, dem Arbeiter aus seinem nicht hohen Lohn diese Vergünstigung für die Erziehung seiner Kinder viel, viel geringer zu bemessen als dem Millionen verdienenden Unternehmer? Ist das gerecht oder ist das nicht gerecht?
({1})
- Das stimmt aber sehr!
({2})
- Was soll daran falsch sein? Wollen Sie mir das einmal sagen?
({3})
- Da haben einige Herren so getan, Herr Kollege Atzenroth, als zahle der Unternehmer
({4})
so ungefähr ungerechterweise aus dem ihm zustehenden Einkommen Steuern an den Staat, und haben nicht daran gedacht, das es beim Arbeiter genauso ist.
({5})
- Ja, und ich habe das Wort „Zuschuß" erläutert! Ein Nachlaß an einer Steuer, die angefallen ist, ist ein Zuschuß, eine Vergünstigung.
({6})
Der Grundsatz, den ich eben dargelegt habe, muß auch für. die Sonderausgaben des § 10 gelten; auch die Auswirkungen der Sparleistungen usw. sollten für jeden Steuerpflichtigen gleich sein. Dabei mache ich Sie darauf aufmerksam, daß Sie bei einer derartigen Regelung die bisherigen recht engen Anrechnungshöchstgrenzen so gut wie ganz fallen lassen und damit für die freien Berufe, die auf die Versicherungen des § 10 so weitgehend angewiesen sind, eine wesentlich günstigere Regelung vorsehen könnten.
({7})
- Aber nein, das könnte Ihnen so passen, Herr Scharnberg; wir wissen ganz genau, wo die Progression sehr, sehr notwendig ist.
({8})
Meine Damen und Herren, ich bitte durch Ihre Zurufe die Progression in der Redezeit nicht noch mehr zu steigern.
So schlimm ist es noch gar nicht.
Ich komme nun noch auf einige Einzelfragen der Einkommensteuer zu sprechen. Was die Neuregelung der degressiven Abschreibungen in j 7 anlangt - das gilt ja auch für die Körperschaftsteuer -, so begrüßen wir es, daß jetzt eine gesetzliche Regelung vorgesehen wird. Wir begrüßen die Einschränkung in bezug auf Gebäude und die Ausdehnung auf Wirtschaftsgüter mit kürzerer Nutzungsdauer. Wir halten allerdings die vorgeseheSeuffert
nen Höchstsätze des Zweieinhalbfachen der normalen Steuer oder 25 % für zu niedrig; wir würden
das Zweifache oder 20 % im Jahre für richtig halten.
Wenn geltend gemacht wird - das kann vielleicht geltend gemacht werden -, daß gewisse, besonders langfristige Investitionen, die auch im öffentlichen Interesse liegen können, mit solchen Abschreibungssätzen sehr stark erschwert werden, so kann man durchaus an die Möglichkeit denken, deswegen zwar nicht den allgemeinen Satz zu Lokkern - für alle Leute, auf die diese Voraussetzungen nicht zutreffen -, aber entweder im Wege von gezielten, genau umschriebenen Rechtsverordnungsmöglichkeiten oder im Wege des Jahressteuergesetzes, auf das der Herr Bundesfinanzminister hinaus will, Abschreibungshilfen zu ermöglichen, und zwar in den genau zu umschreibenden, jeweils notwendigen Fällen.
Die §§ 7 b und 7 c sind vom Standpunkt des Steuersystems und im Hinblick auf den Steuerausfall selbstverständlich immer recht unerwünscht gewesen. Übrigens hat man niemals genaue Ausfallziffern gerade für den § 7 b gehört. Wir sind begierig, darüber im Laufe der Beratungen etwas zu erfahren. Trotz aller Bedenken würden wir dem grundsätzlichen Weiterbestehen dieser beiden Paragraphen zustimmen.
Allerdings halten wir hinsichtlich des § 7 b, der sich auf die Begünstigung für die Bauherren selber bezieht, angesichts der Mißbräuche, die gerade im Miethausbau festgestellt werden, doch noch eine Überprüfung für notwendig. Wir machen auch ein Fragezeichen dahinter, ob nur Einfamilienhäuser von 120 000 DM Baukosten aufwärts als nicht mehr begünstigungsfähig angesehen werden können. Auch würden wir es für richtig halten, daß endlich einmal der § 7 b mit einer Fristbestimmung versehen wird, die er nämlich bisher nicht gehabt hat.
Was den § 7 c anlangt, meinen wir allerdings, daß die Einschränkung, die die Bundesregierung vorgesehen hat, gerade in die falsche Richtung geht. Wir sind deswegen mit dem Bundesrat der Auffassung, daß die Möglichkeit, Mietwohnungen für Arbeitnehmer durch 7-c-Darlehen ihrer Arbeitgeber zu fördern, aufrechterhalten bleiben muß. Die andere Einschränkung mag bedeutungslos sein; aber wir fragen uns doch, warum sie überhaupt gemacht wird.
Ich komme nun zu den Fragen, die mit der Sparförderung zusammenhängen. Wir haben uns die Bedenken, die dagegen geltend gemacht werden können, daß überhaupt eine Sparförderung stattfindet, sehr eingehend überlegt. Die beste Sparförderung - das ist selbstverständlich - ist die Hebung und die Entlastung des Masseneinkommens
({0})
- jawohl! -, und das Masseneinkommen läßt, wie die Zahlen beweisen, eine starke Sparneigung erkennen, so daß man es im Grunde kaum nötig haben sollte, durch künstliche Mittel, die psychologisch durchaus auch zurückschlagen können, einzugreifen. Es ist richtig: die Zahlen sprechen nicht
dafür, daß die bisherigen Förderungsmaßnahmen gerade dem kleinen Sparer zugute gekommen sind. Sie sprechen auch nicht dafür, daß die Ergebnisse für den Kapitalmarkt wirklich die Aufwendungen aus Steuermitteln wert sind.
Eines möchte ich allerdings sagen: Wenn man schon von Staats wegen Sparen empfiehlt und fördert, dann muß man auch für die Sicherheit des Gesparten sorgen, dann hat man die verdammte Pflicht und Schuldigkeit, der Preisentwicklung und all dem, was die Sicherheit beeinträchtigen könnte, aktiv entgegenzutreten.
({1})
Und wenn man schon auf diese Weise Bundesanleihen vorbereiten und aufbauen will - wogegen wir an sich nichts einzuwenden haben -, dann aber bitte keine preistreibenden Anleihen und keine Rüstungsanleihen! Rüstungen kann man nicht durch Anleihen finanzieren, sondern nur durch Steuern, die da ansetzen müssen, wo die Leistungsfähigkeit steckt und wo auch die Gewinne anfallen.
({2})
Trotz aller Bedenken, die sich aus wirtschaftlicher Betrachtungsweise ergeben könnten, sind wir zu dem Ergebnis gekommen: Da wir dem § 10 des Einkommensteuergesetzes in der vorgeschlagenen Form mit der von Ihnen vorhin vorgetragenen Modifikation zustimmen wollen, halten wir es für richtig, daß er durch ein Sparprämiengesetz für die traditionellen Sparformen gerade der Arbeitnehmerschaft ergänzt wird. Wir halten, wennschon Sparförderung, ein solches Prämiengesetz für das immer noch beste System. Wir würden es allerdings für richtig halten, wenn die Bausparverträge aus § 10 herausgenommen würden und endgültig und nur in die Prämienförderung hereinkämen. Wir sehen es als erwünscht an, daß statt zweier Gesetze - eines Bausparprämiengesetzes und eines allgemeinen Prämiengesetzes - ein einheitliches Gesetz gemacht wird. Allerdings müßte bei dieser Angleichung dafür gesorgt werden, daß keine wesentlichen Schlechterstellungen gegenüber dem bisherigen Bausparsystem erfolgen, z. B. durch Einführung einer Kinderstaffel.
Wir halten es für ganz unrichtig, die Aktie in diese Form der Sparförderung einzubeziehen, und zwar neben einer Reihe von anderen Gründen vor allen Dingen deswegen, weil die Vorschrift einer Mindestbesitzzeit, einer Bindungszeit, dem Wesen und. Sinn einer Aktie als Anlagepapier vollständig widerspricht. Es gehört zur Verwendung der Aktie als Anlagepapier, daß man auf Kursentwicklungen achtet und sich ihnen anpaßt. Der Sparer, der sich verpflichtete, eine Aktie etwa fünf Jahre lang ohne Rücksicht auf irgendwelche Kursentwicklungen zu behalten, könnte böse Überraschungen erleben.
({3})
- Es kommt darauf an, für wen, Herr Kollege
Burgbacher. Für den Mann, über den wir im Spar792 Deutscher Bundestag - 3. Wahlperiode - 17. Sitzung. Bonn, Donnerstag, dien 13. März 1958
prämiengesetz sprechen, ist es tatsächlich sehr risikoreich. Sie verstehen das sicher besser.
({4})
- Wozu denn dieses? Was soll denn da für den Kapitalmarkt herauskommen?
Wir sind der Ansicht, daß die Bindungszeit überprüft werden muß. Man muß überlegen, ob fünf Jahre richtig gegriffen sind. Man könnte auch den Gedanken einer gestaffelten Prämie - für längere Bindungen höhere Prämien - erwägen. Das kann man im Ausschuß prüfen.
Die Frage der Abrechnung der Prämien für Bausparverträge innerhalb der allgemeinen Wohnungsbauförderungsmittel erwähne ich nur am Rande. Jedenfalls müssen durch die Gestaltung des Prämiengesetzes unserer Ansicht nach auf die eine oder andere Weise Sparmaßnahmen zur Aufbringung von Mieterdarlehen für Mietwohnungen und Genossenschaftswohnungen, die so ungemein wichtig für den kleinen Mann sind, gefördert werden; das war bisher nicht der Fall.
Ich komme zur Körperschaftsteuer. Die Neuregelung soll einen Ausfall von 180 Millionen DM mit sich bringen. Die Begründung für diese Maßnahmen ist - Sie können sie den schriftlichen Begründungen entnehmen -, daß eine breitere Streuung der Aktie und eine Einschränkung der Selbstfinanzierung erreicht werden soll. Diese Gesichtspunkte vermögen uns nicht zu überzeugen. Am wenigsten sind wir davon überzeugt, daß die vorgeschlagenen Maßnahmen den angeblichen Zwecken wirklich entsprechen und daß sie wirksam sind.
Was zunächst die Förderung der Ausgabe von Aktien und die Ausschüttung von Dividenden betrifft, so besteht doch gar kein ernsthafter Zweifel, daß die Aktiengesellschaften so viel Aktien emittieren und am Markt unterbringen können, wie sie irgend herausbringen. Es hat es bisher noch nicht gegeben, daß eine Aktie nicht abgenommen worden ist. Sie können auch Dividenden zahlen. Daran gibt es auch keinen ernsthaften Zweifel.
In diesem Zusammenhang ist so oft gesagt worden, die Fremdfinanzierung, die an sich nicht so erwünscht sei, sei steuerlich so viel billiger als die Eigenfinanzierung, und das müsse abgebaut werden. Diese Erwägungen über die - von der Steuer her gesehen - billige Fremdfinanzierung sind doch kurzsichtig; sie sind von der Art, wie sie Leute anstellen, die ein paar Wochen, bevor die Halden wachsen und der Stahlabsatz sinkt, die Preise erhöhen. Man soll sich doch auch einmal klarmachen, wo man steht, wenn die Umsätze nicht mehr so weitersteigen, wie sie das getan haben, und wenn die roten Zahlen etwas in die Nähe kommen könnten. Da wird man - im Gegensatz zu solch kurzsichtigen Erwägungen - sehr schnell sehen, daß Eigenkapital immer noch das billigste und zuverlässigste ist und daß d a s Unternehmen, d i e Wirtschaft gesund sind, die etwas aushalten können.
({5})
- Ja eben! Da könnte die sogenannte vorteilhafte Fremdfinanzierung mit ihren fixen Zinsen sich außerordentlich teuer auswirken.
({6})
Diese Erwägungen sollten auch ohne steuerliche Nachhilfe dazu führen, daß man auch da, wo man es bisher höchst kurzsichtigerweise nicht gemacht hat, Aktien ausgibt.
Dann wird von der Gleichstellung der Kapitalgesellschaften und Personalgesellschaften gesprochen. Gehen Sie doch endlich auf die Betriebsteuer zu! Was man hier macht, mag es auch äußerlich so aussehen, als sei es eine Annäherung an das Prinzip der Betriebsteuer, ist in Wirklichkeit ein Rückschritt, weil es den Unterschied in der Behandlung der Personalgesellschaften und der Kapitalgesellschaften wesentlich vergrößert. Die Frage des Verhältnisses des Körperschaftsteuersatzes zum Spitzensatz der Einkommensteuer wird nicht dadurch gelöst, daß man ungerechtfertigterweise beide Sätze herabsetzt.
({7})
- Die Körperschaftsteuer wird ermäßigt; sonst könnte ja kein Steuerausfall von 180 Millionen DM entstehen.
({8})
- Gewiß; aber ich habe es abgekürzt ausgedrückt, Herr Kollege Hellwig, in der Betrachtungsweise, deren sich das Bundesfinanzministerium großenteils bedient, indem es den Höchstsatz der Körperschaftsteuer immer zu dem Höchstsatz der Einkommensteuer in Beziehung setzt. Man müßte hier von Mischsätzen sprechen, wenn man die gesamte steuerliche Auswirkung dessen in Betracht ziehen wollte, was Sie Doppelbesteuerung nennen; aber eine Doppelbesteuerung ist es in Wirklichkeit nicht. Ich glaube, darüber sind wir uns alle klar.
Nun einige Worte zum Problem der Verhinderung oder der Einschränkung der Selbstfinanzierung. Sehen Sie sich die Rechnungen des Bundesfinanzministers an! Das Ergebnis dieser Maßnahmen ist folgendes: wenn die Dividende, die die Börse und der Aktionär herausgedrückt haben, gezahlt wird, bleibt für die Selbstfinanzierung noch mehr drin als bisher. Der Druck muß von der Börse, vom Aktienrecht kommen. Das wird auch das Bundesfinanzministerium zugeben. Wenn man die Selbstfinanzierung auf diese Weise einschränken will, dann muß man das Zurückhalten der Gewinne aber auch wirklich teuer machen, dann muß man die Selbstfinanzierung teuer machen, muß den Satz
für im Unternehmen verbleibende Gewinne viel drastischer erhöhen, nämlich so, daß per Saldo kein Steuerausfall von 180 Millionen DM entsteht.
Line letzte Erwägung, die für uns sogar die entscheidende ist! Wie in der Begründung ganz offen und zutreffend ausgeführt wird, ist diese ganze Aktion auf die börsengängigen Aktien, d. h. auf die Großunternehmen abgestellt. Die GmbH und die Familiengesellschaft können mit dem gespaltenen Körperschaftsteuersatz und all diesen Dingen nichts anfangen. Was da zu entnehmen ist, wird über das Geschäftsführergehalt und über Unkosten entnommen. Das bedeutet: Wenn ich hier den Großunternehmen eine nur für sie brauchbare weitere Steuerermäßigung im Betrag von insgesamt 180 Millionen DM gebe, verbessere ich die Konkurrenzstellung dieser ohnehin übermächtigen Unternehmen im Wettbewerb gegenüber den kleinen und mittleren Unternehmen und verschlechtere die Konkuirenzlage der kleinen und mittleren Gesellschaften.
Das ist für uns letzten Endes sogar der entscheideride Grund dafür, daß wir diese Dinge nicht mitmachen können. Wenn man schon an Verbesserung der Körperschaftsteuer denkt, muß man an ganz anderen Punkten anfangen, z. B. bei der Besteuerung der öffentlichen Unternehmen. Es ist auch durchaus zu erwägen, ob für kleine Vereine und Stiftungen der Körperschaftsteuersatz von 45 % wirklich angemessen ist.
Aus den vorgetragenen Gründen lehnen wir die Neuregelung ab, zumal wir schon immer den gespaltenen Körperschaftsteuersatz abgelehnt haben. Wir lehnen die weitere Aufspaltung erst recht ab. Wir sind der Ansicht: wenn man schon auf diese Art und Weise die Selbstfinanzierung einschränken will, dann aber mit wirklich drastischer Steuererhöhung für die im Unternehmen verbleibenden Gewinne, so drastisch, daß kein Steuerausfall entsteht und daß man diese 180 Millionen DM für ander e Steuerverbesserungen verwenden kann.
Wir haben gern davon Kenntnis genommen, daß der Herr Bundesfinanzminister neulich vor den Ausschüssen und auch heute in seiner Rede hat durchblicken lassen, daß sein letztes Wort auch in dieser Frage noch nicht gesprochen sei, und ich hoffe, wir kommen da zu einer weitaus besseren Lösung.
Der \Torschlag des Bundesrats verlagert nur den Ausfall, läßt aber den Ausfall selbst und all die anderen Gründe, die gegen diese Körperschaftsteuerregelung sprechen, bestehen. Er stellt deswegen für uns keine Lösung dar.
Zum übrigen habe ich nicht viel zu sagen. Was bei den anderen Steuergesetzen vorgeschlagen wird, kann ganz überwiegend unsere Zustimmung finden, auch die Vermögensteuer-Freibeträge, die vorgesehen sind.
Zur Versicherungsteuer vielleicht noch die Bemerkung, daß wir uns einmal ernstlich überlegen sollten, ob es wirklich noch sinnvoll ist, auf Lebensversicherungen - ich meine auch Krankenversicherungen - Steuern zu erheben.
Und dann noch etwas. In der letzten Zeit haben einige Finanzämter, gestützt auf eine uralte und sehr schlechte Entscheidung des früheren Reichsfinanzhofs, angefangen, auf typisch gewerkschaftliche Leistungen Versicherungsteuer zu erheben. Hier sind eine ganze Reihe von Verfahren im Gange, bei denen es sich um erhebliche Beträge handelt.
({9})
Das ganze Haus ist, glaube ich, mit mir darin einig, daß es ein Unding ist, etwa auf eine Notfallunterstützung, eine Rechtsschutzgewährung durch eine Gewerkschaft und ähnliches - was zum Wesen einer Gewerkschaft gehört - Versicherungsteuer erheben zu wollen.
({10})
Wenn das nach dem derzeitigen Gesetz nicht schon klar genug ist, so muß das klargestellt werden.
Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluß. Der Herr Bundesfinanzminister hat diese Gesetze dem Parlament zur kritischen Würdigung und mit der Bitte vorgelegt, sie reifer zu machen. Wir haben gerne gehört, daß die Gesetze nicht, wie das früher manchmal geschehen sein mag, von vornherein als der Weisheit letzter Schluß vorgelegt worden sind und daß nicht jede Änderung von vornherein als unpatriotisch oder gefährlich bezeichnet worden ist. Wir haben mit dieser Erklärung die Linien abgesteckt, inwieweit wir den Gesetzen die Unterstützung nicht versagen werden, und wir haben gesagt, wo wir die Gesetze für sehr, sehr verbesserungsbedürftig halten.
Wir teilen das Interesse sehr weiter Kreise an der baldigen Verabschiedung und der .möglichst rückwirkenden Inkraftsetzung dieser Gesetze, und wir werden uns bei den Ausschußberatungen entsprechend verhalten.
Abschließend möchten wir noch darum bitten, daß wegen der erheblichen wirtschaftspolitischen Fragen, die in diesem ganzen Steuerbukett stecken, der Wirtschaftspolitische Ausschuß als mitberatender Ausschuß an der Beratung dieser Gesetze beteiligt wird.
({11})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Atzenroth.
Meine Damen und Herren! Wenn ich für die Freie Demokratische Partei zu diesen Gesetzesvorlagen Stellung nehme, so geschieht dies aus unserer besonderen Haltung, die gerade auf diesem Gebiet wesentlich von der der anderen Oppositionspartei abweicht.
({0})
- Danke schön, Herr Dresbach.
Ich muß heute darauf verzichten, mich mit den Ausführungen des Kollegen Seuffert auseinanderzusetzen. Das muß an anderer Stelle geschehen.
Ich werde mich auf die Ausführungen des Herrn Ministers beschränken. Er hat dem Hohen Hause die Gründe dargelegt, warum der diesjährige Etat verspätet vorgelegt wird. Bei der großen Ausweitung, die dieser Haushaltsplan wahrscheinlich erfahren wird, wäre es von großer Bedeutung gewesen, ihn kennenzulernen, bevor die Gesetze beraten werden, mit deren Hilfe die erforderlichen Mittel aufgebracht werden sollen. In den alten Demokratien jedenfalls stand die Haushaltsforderung vor der Steuerbewilligung. Wir sehen aber ein, daß bei der Arbeitsmethode dieses Hauses die Vorlage der neuen Steuergesetze in einem möglichst frühen Zeitpunkt zweckmäßig war.
Wir erkennen auch gerne an, daß hier eine schwierige Arbeit in erfreulich kurzer Zeit geleistet worden ist. Wir schließen uns dem Dank, den einer meiner Vorredner den Beamten des Ministeriums abgestattet hat, voll und ganz an.
({1})
Meine Damen und Herren, mit großem Interesse haben wir die allgemeinen grundsätzlichen Bemerkungen des Herrn Ministers zu Fragen seiner Steuer- und Haushaltspolitik gehört. Wir begrüßen die Erklärung, die sich mit dem Verhältnis der staatlichen zur privaten Sphäre befaßt. Der Satz, daß der Staat nie etwas als seine Aufgabe beanspruchen dürfe, was er besser seinen Bürgern überlassen sollte, entspricht einem alten Grundsatz im Programm der Freien Demokraten. Wir wünschten, in den letzten Jahren wären die Mehrheitspartei und die Bundesregierung auch danach verfahren. Vielleicht bringt der Personenwechsel im Finanzministerium die von uns erwünschte Änderung.
Der Herr Minister hat es als seine Aufgabe bezeichnet, die Ansprüche auf Befriedigung der Gemeinschaftsbedürfnisse dauernd kritisch zu überprüfen. Bei der Haushaltsdebatte nach Ostern werden auch wir kritisch prüfen, ob er diese Aufgabe schon in diesem Jahr folgerichtig durchgeführt hat. Die Höhe des vorgelegten Etats und die in seinen Ausführungen erwähnte weitere Erhöhung der „Kletterstange" zwingen leider schon jetzt, einige Zweifel daran zu äußern.
Auch die grundsätzlichen Ausführungen über die Steuerpolitik als Ziel der Finanzpolitik finden unsere Billigung. Das gilt auch für die Frage der Kapitalbildung. Dabei möchte ich besonders die Erklärung herausstellen, daß es in der Marktwirtschaft auch eine unternehmerische Aufgabe ist, das Kapital über den Markt zu holen, wenn man es mit dem Begriff des Eigentums ernst meint. Herr Minister, wir unterstreichen diese Haltung, aber ich frage Sie: Vereinbart sich das uns vorgelegte Prämienspargesetz damit? Ich werde im Verlauf meiner Ausführungen darauf noch näher eingehen.
Sie haben weiter ausgeführt, unser Bestreben müsse dahin gehen, die Zahl der am Kapitaleinkommen - am Kapitaleinkommen! - Beteiligten erheblich zu verbreitern. Das ist zweifellos richtig und erstrebenswert. Aber auch da muß man überprüfen, wieweit die uns vorgelegten Gesetzesvorlagen geeignet sind, uns diesem Ziel wirklich näherzubringen.
Sie sagen, der Finanzminister könne nur dann eine gute Finanz- und Steuerpolitik machen, wenn die fur die Politik Verantwortlichen selbst eine richtige Politik machen. Diese beherzigenswerte Mahnung müssen Sie ja naturgemäß in erster Linie an Ihre Partei und an die Bundesregierung richten; aber ich darf doch bescheidentlich darauf hinweisen, daß Ihre Darstellung der Entwicklung der Bundesfinanzen eine einzige Anklage gegen die Finanzpolitik der zweiten Bundesregierung gewesen ist. Ich hoffe, daß wir gemeinsam die Folgerung daraus ziehen werden. Auch der Finanzminister selbst kann sehr aktiv in diese Politik eingreifen und damit Entwicklungen in der Gesellschaftsordnung fördern oder aufhalten. Wir sehen es daher als einen Mangel Ihrer Vorlagen an, daß sie keine Maßnahmen enthalten, die der übermäßigen Kapitalkonzentration entgegenwirken könnten. Die Besorgnisse, die sich aus der Entwicklung in der letzten Zeit für unsere Gesellschaftsstruktur ergeben, sind oft genug aufgezeigt worden, auch von der Regierung; aber bisher sind den Worten leider keine Taten gefolgt. Die Bestrebungen Ihrer Fraktion, die sich aus der Schaffung von Jedermann-Eigentum die Heilung verspricht, sind unklar, unrealistisch und zum Teil auch bedenklich. Die von der SPD geforderte Ausnahmegesetzgebung lehnen wir ab.
Aber es gibt doch eine Reihe von anderen Möglichkeiten, hier durch die Steuerpolitik einzuwirken. Die Abschreibungsprivilegien, soweit sie der übermäßigen Anlagenerweiterung dienen, sollten sorgfältiger überprüft werden. Im Gegensatz zu dem Kollegen Neuburger sehe ich in den Vorlagen noch keine wirkliche Hilfe für den Mittelstand, für die kleinere oder mittlere Wirtschaft, im Gegenteil. Wir werden uns vielleicht auf einer gemeinsamen Ebene treffen, wenn wir die Frage der Gewerbesteuer anrühren werden. Aber hier, in diesen Vorlagen, ist eine wirkungsvolle Hilfe nicht zu erblicken. Die steuerlichen Abschreibungen gehen zum größten Teil zugunsten der großkapitalistischen Unternehmungen.
({2})
- Ich spreche nicht gegen die degressive Abschreibung, sondern gegen die Übertreibung, die sie erfahren hat, und bin für eine gewisse Milderung, die an bestimmten Stellen unbedingt noch vorgenommen werden müßte. Das, was in der Zeit des Wiederaufbaus zu vertreten war, kann heute nicht mehr beibehalten werden. Eine Bestimmung, wie sie in § 36 des Investitionshilfegesetzes enthalten war, müßte endlich als überholt gelten.
Sicherlich wird der Weg über die Umsatzsteuer der wichtigste sein, der der Kapitalkonzentration entgegenwirken soll. Aber auch auf dem Gebiet der Ertragsteuern liegen ernst zu nehmende Vorschläge vor, um die personenbezogenen Unternehmungen gegenüber den großen, also den publikumsDr. Atzenroth
bezogenen, zu begünstigen. Sie kennen sicher die Vorschläge von Dr. Gast oder von Dr. Troeger. Wir identifizieren uns damit noch nicht in vollem Umfang, aber wir hätten eine Stellungnahme der Bundesregierung zu diesen Problemen erwartet. Warum könnte es nicht auch bei uns einmal Steuerpräferenzen „anders herum" geben, wie in dem Small Business Act? Die Förderung der mittleren und kleineren Wirtschaft darf nicht nur auf dem Papier stehen; sie muß auch in der Sache ernsthaft angepackt werden. Dem kleinen Handwerker und dem Einzelhändler, der auch zu den Unternehmern gehört, von denen Herr Kollege Seuffert immer so viel gesprochen hat, und der die größte Zahl der Unternehmer stellt, bringen die vorliegenden Steuergesetze nur unwesentliche Erleichterungen. Der harte Druck der Gewerbesteuer muß so schnell wie irgend möglich beseitigt werden. Auf diesem Gebiet, Herr Minister, fehlt aber noch Ihre Grundsatzerklärung.
({3})
Ich werde nachher darauf zurückkommen und sage schon jetzt, daß ich mich in der Frage der Personensteuer im Gegensatz zu dem Kollegen Seuffert befinde.
({4})
- Ja, darin sind wir nie auseinander gewesen.
({5})
Das Verhältnis zwischen Bund und Ländern hat sich noch nicht wesentlich gebessert. Wir hoffen aber, daß die Ansätze dazu bei dem neuen Bundesfinanzminister stärker zu finden sind als bei seinem Vorgänger. Die Länder stünden in einer wesentlich stärkeren Position, wenn man in ihren Haushalten nicht immer ein so übermäßig starkes Anschwellen der Personalausgaben feststellen müßte.
Nun zu den einzelnen Vorlagen selbst.
Eine von der FDP seit Jahren erhobene Forderung soll jetzt endlich erfüllt werden: Die Ehe und die Familie sollen künftig nicht mehr Steuerobjekt sein. Die Genugtuung darüber wird wenig beeinträchtigt durch die Tatsache, daß sich die Bundesregierung nicht freiwillig zu dem Vorschlag durchgerungen hat, sondern durch den Verfassungsgerichtshof dazu gezwungen worden ist. Ohne das Urteil dieses Gerichts brauchten wir uns heute wahrscheinlich nicht mit neuen Steuergesetzen zu beschäftigen; es wäre alles beim alten geblieben.
Der Herr Minister bezeichnet die Vorlagen mit Recht als ein größeres zusammenhängendes finanzpolitisches Gesetzgebungswerk. Er gibt zu, daß die echte große Steuerreform, die die Bundesregierung seit vielen Jahren immer wieder angekündigt hat, nicht vorliegt. Ja, überraschenderweise erklärt er heute zum erste Male, daß eine grundsätzliche Änderung unseres Steuersystems nicht beabsichtigt sei. Das ist für uns eine neue Tatsache. Bisher hat nicht nur Thr Vorgänger, sondern auch die Bundesregierung immer die große, entscheidende neue Steuerreform angekündigt. Wir hören jetzt, daß damit nicht zu rechnen ist.
Der Herr Minister erklärt, es habe den Anschein, als ob die Zeiten 1959 und 1960 stürmisch werden könnten. Wir müssen diese Ansicht leider teilen. In diesen stürmischen Zeiten könnten von der Bundesregierung Steuerforderungen erhoben werden, die über das jetzige Ausmaß möglicherweise beträchtlich hinausgehen. Es wäre eine sonderbare Situation - ich hoffe, daß wir nicht mehr hineinkommen -, wenn der Finanzminister Etzel den Dolch der Ergänzungsabgabe, den sein Vorgänger im Gewande verborgen hielt, im nächsten Jahre zücken müßte. Gegen eine solche Entwicklung erheben wir schon heute unseren schärfsten Widerspruch. Alle Maßnahmen der Regierung und des Gesetzgebers sollten schon jetzt darauf gerichtet werden, daß sich solche Notwendigkeiten nicht ergeben.
Die Ertragsteuervorlage stellt keine großzügige Steuersenkung dar, so wie wir sie im vergangenen Jahr gefordert hatten und wie sie damals zweifellos möglich gewesen wäre. Es handelt sich im wesentlichen um eine Anpassung an die durch den Zwang zum Splitting neu geschaffene Lage. Wir begrüßen die Tendenz zu Vereinfachungen, die der Regierungsentwurf aufweist. Allerdings hat es den Anschein, daß Vereinfachungen mehr bei den Steuerbehörden, weniger bei den Steuerpflichtigen eintreten werden; aber auch das ist schon eine begrüßenswerte Entwicklung.
Die Proportionalbesteuerung, die für die kleineren Einkommen - wie Herr Seuffert gesagt hat: die Verbrauchseinkommen - eingeführt werden soll, kommt dem Prinzip mathematischer Gerechtigkeit nicht gleich, aber sie führt tatsächlich zu einer wesentlichen Vereinfachung der Praxis der Steuererhebung.
Wenn man aber schon das Prinzip der Steuergerechtigkeit bei fast 95 % der Einkommensbezieher zurücktreten läßt hinter dem Prinzip der Einfachheit des Systems, dann ist nicht einzusehen. warum man das Gleiche nicht auch für den Rest verwirklichen sollte. Es würde dann ein einheitliches Steuersystem entstehen, wenn es sich aus möglichst wenigen, für möglichst weite Einkommensbereiche geltenden proportionalen Sätzen zusammensetzte. Der schon jetzt leise erhobene Vorwurf einer verfassungswidrigen ungleichmäßigen Besteuerung würde dadurch vermieden werden. Wir behalten uns vor, bei den Ausschußberatungen einen Tarifvorschlag auf dieser Basis vorzulegen, selbst auf die Gefahr hin, daß wir unserem Kollegen Neuburger durch die zu große Zahl von Anträgen einigen Ärger bereiten. Dabei würde auch die Mehrbelastung, die sich in der Regierungsvorlage für bestimmte Gruppen von Ledigen ergibt, bis auf einen kleinen Rest beseitigt werden.
Nun zu einer Frage, bei der ich auf den heftigsten Widerstand des allerdings nicht mehr anwesenden Kollegen Seuffert stoßen werde. Der Regierungsentwurf geht in der Spitze über den von der Regierung selbst als kritisch bezeichneten Punkt mit
53 % Steuerbelastung hinaus. Der kritische Punkt liegt nach ihrer eigenen Ansicht bei 50 °/o. Das ist dann auch der Grund für die Erhöhung der Körperschaftsteuer um 2 %. Warum sind Sie hier nicht konsequent? Die Wirtschaft soll - das sagen Sie selbst - zu möglichst rationalem Handeln angehalten werden. Es sollte ihr insbesondere auch der kleinste Anreiz zu betrieblich nicht erforderlichen Ausgaben genommen werden. Diese werden häufig nur gemacht, weil die Steuer mehr als die Hälfte der Kosten trägt. Ich pflichte dem Kollegen Seuffert nicht darin bei, daß der kleine Unterschied zwischen 50 und 53 % hierauf keine Wirkung habe. Das ist für uns ein Grund, zu fordern, daß man diese vielleicht letzte Gelegenheit, Herr Minister, benutzen sollte, um bei der Einkommensteuer in der Spitze auf 50 % herunterzugehen. Mehr als die Hälfte des Ertrags sollte der Staat nicht für sich in Anspruch nehmen. Das würde dann auch erlauben, in der Körperschaftsteuer bei dem jetzigen Satz von 49 % stehenzubleiben.
Mit allem Ernst muß ich auf eine überaus bedenkliche Auswirkung der Regierungsvorlage hinweisen. Durch die Kappung unten werden Millionen -ich glaube, es sind 2,8 Millionen - von Einkommenbeziehern von der direkten Steuerpflicht neu befreit. Nach Verabschiedung dieses Gesetzes würden mehr als 45 % der Deutschen keine Einkommensteuer mehr bezahlen. Eine immer größere Zahl von Menschen und mit ihr das entsprechende Stimmgewicht unserer Demokratie würden auf die politische Gesetzgebung einwirken, ohne einen Pfennig zum Staatswesen beizutragen.
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- Der Hinweis auf die indirekten Steuern ist hier nicht berechtigt. Zunächst einmal erscheinen die indirekten Steuern dem einzelnen niemals als eine direkte Leistung für den Staat.
({7})
Sie kommen ihm keineswegs so zum Bewußtsein,
und außerdem sind sie überall gleichmäßig verteilt.
({8})
Es ist keineswegs so, wie Herr Seuffert sagt, daß die indirekten Steuern in größerem Maße auf die kleineren Einkommenbezieher entfallen, sondern das richtet sich proportional genau nach der Höhe der Einkommen. Wer ein höheres Einkommen hat und größere Ausgaben macht, zahlt eine höhere indirekte Steuer. Das ist doch ganz selbstverständlich.
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- Die Wirkung meine ich eben! Ich bin der Meinung, daß jeder einzelne Staatsbürger das Gefühl haben muß: Ich muß zu meinem vielleicht ganz kleinen Teil auch zu den Lasten des Staates beitragen,
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und wenn der Staat dazu übergeht, seine Steuern zu erhöhen, dann muß ich persönlich dabei auch beteiligt sein. Das ist eine Pflicht des einzelnen Staatsbürgers, der ja auch seine Rechte hat.
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In dem gleichen Maße verringern sich die Zahl und das Stimmgewicht derer, die wenigstens noch über die Steuer gezwungen sind, die Erledigung der öffentlichen Angelegenheiten kritisch zu beobachten.
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- Nun kommen Sie auf ein ganz anderes Gebiet. Ich spreche von den direkten Steuern, bei denen der einzelne es deutlich erkennen soll, daß er etwas für den Staat leistet, nicht bei den indirekten Steuern, die Sie jetzt nennen.
Weite Kreise - hören Sie bitte gut zu! -, darunter auch die Deutsche Angestelltengewerkschaft, stellen die Frage, haben mir die Frage gestellt, ob hier die Grenze, schon aus allgemeinen staatsbürgerlichen Erwägungen heraus, nicht zu weit gezogen worden ist. Hier liegt einer der bedenklichen Punkte in dieser Regierungsvorlage. Es ist vorgeschlagen worden - nicht von uns -, auf einen Teil der Freistellungen zu verzichten, das Aufkommen hieraus aber den Gemeinden zu überlassen und damit den ersten Schritt zu einer Neuregelung der kommunalen Steuern zu tun.
Ein weiterer ernster Einwand gegen die Regierungsvorlage muß noch vorgebracht werden, der allerdings auch von seiten der SPD erhoben wurde. Seit Jahren hoffen wir, daß endlich mit der Vielzahl von Sonderbegünstigungen Schluß gemacht wird, so notwendig sie in den Jahren des Wiederaufbaus auch gewesen sein mögen. In den letzten Jahren haben sie zu Verzerrungen in den Kapitalströmen geführt und sicherlich nicht den Zielen entsprochen, die der Herr Minister zu Beginn seiner Rede aufgezeigt hat. Bestimmte Kreise der Einkommensbezieher sind ungerechtfertigt begünstigt worden. Das hat zu gerechter Empörung in der Bevölkerung geführt. Schon im Jahre 1954 hatte die Bundesregierung bei der Novellierung des Einkommensteuergesetzes beschlossen, diese Sonderbegünstigungen bis Ende 1955 auslaufen zu lassen. Damals lag das Hindernis bedauerlicherweise beim Parlament. Heute will die Regierung von ihrem damaligen Beschluß nichts wahrhaben. Sie haben es zwar fertiggebracht, daß der § 7 a endgültig ausläuft, aber bei § 51 z. B. sind wir nun schon langsam bei dem Buchstaben q angelangt. Hier fehlt eine echte Reform.
Der Kanzler hat in seiner Regierungserklärung herausgestellt, daß eine Steuerreform nicht darin bestehen könne, daß man einen Paragraphen durch einen anderen ersetze. Dem Herrn Bundeskanzler hätten wir heute wahrscheinlich eine große Freude gemacht, wenn wir ihm voll und ganz beigepflichtet hätten, aber die Frage, wie sich der Herr Bundeskanzler bei der Beratung dieser Vorlage im Kabinett verhalten hat, ist doch berechtigt. Wenn man glaubt, von diesen Systemwidrigkeiten nicht abgeDr. Atzenroth
hen zu können, dann sollte man aber prüfen, ob die Vergünstigungen richtig gezielt sind. Dann darf man nicht an einer Hilfe für den Althausbesitz vorbeigehen, dem man doch die echte Kostenmiete wohl noch längere Zeit vorenthalten wird. In unserem großartigen Wiederaufbau nehmen sich die immer mehr verfallenden Althäuser schlecht aus. Eine Hilfe für sie im Rahmen von Abschreibungsvergünstigungen ist nach unserer Ansicht dann wenn man Sonderbegünstigungen beibehalten will, immer noch mindestens so gut angebracht wie die Förderung des Baues von neuen Wohnungen.
Nur ein kurzes Wort noch zur Körperschaftsteuer. Wir sind der Meinung, daß es richtig ist, eine Senkung der Steuer für den ausgeschütteten Gewinn vorzunehmen und damit die Doppelbesteuerung wenn nicht wesentlich - das ist vielleicht schon zuviel gesagt -, so doch immerhin zu verringern. Wir haben vom Herrn Bundesfinanzminister mit besonderer Befriedigung gehört, daß er das sich hierbei ergebende Problem der kleineren Aktiengesellschaften und Kapitalgesellschaften, insbesondere der Familiengesellschaften, erkannt hat und selbst vorgeschlagen hat, nach einem Ausweg zu suchen. Für diesen Personenkreis würde sich die neue Steuerregelung nicht günstig auswirken. Eine stärkere Senkung der Steuern wäre in diesem Jahr doch noch möglich gewesen. Wir geben zu, daß die Schätzung des Herrn Ministers über das voraussichtliche Anwachsen des Sozialprodukts mit 7 % die obere Grenze darstellt. Aber Sie verfügen doch noch über eine Reserve, von der Sie heute zum ersten Mal gesprochen haben, nämlich den Teil der Steuern, der sich in den Bilanzen fast jedes Unternehmens als Rückstellung für rückständige Steuern darstellt, und ich glaube, Herr Minister, daß Sie mit der Zahl von 1,8 Milliarden DM diesen Betrag ganz gewaltig unterschätzen. Man kann mindestens die doppelte Höhe annehmen; denn es kommen nicht nur die Nachzahlungen, die die Unternehmungen für die Jahre 1956 und 1957 zu leisten haben, in Frage, sondern auch die sich dann erhöhenden Vorauszahlungen, die gleichzeitig automatisch eintreten, selbst dann, wenn sich die Wirtschaftslage verschlechtern sollte. Darin steckt eine sehr große Reserve.
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- Ich gebe Ihnen zu, daß sie nur etwa zur Hälfte in diesem Haushaltsjahr zur Auswirkung kommt. Gegenüber Pressemeldungen, daß die Veranlagung 1957 schon zwei Monate nach der des Jahres 1956 erfolgen solle, haben wir - das darf ich auch noch einmal betonen - aus den Ausführungen des Herrn Ministers gehört, daß die Veranlagung erst ein Jahr später erfolgen wird. Dann haben Sie recht, Herr Dr. Hellwig, daß die Auswirkungen sich nur zur Hälfte in dem einen, zur anderen Hälfte erst in dem nächsten Jahr ergeben.
Nun zu einem Punkt, den wir besonders kritisch betrachten, zum Prämienspargesetz! Ich habe schon darauf hingewiesen, daß dieses Gesetz mit den von Ihnen, Herr Minister, entwickelten Grundsätzen
nicht vereinbar ist. Wie Sie auf diesem Wege eine breite Streuung des privaten Eigentums erreichen wollen, ist uns nicht recht verständlich. Überhaupt scheint das Wort „Sparförderung" ein wenig zum Schlagwort geworden zu sein. Wenn wir die amtlichen Statistiken durchsehen, können wir feststellen, daß die Sparguthaben unaufhaltsam steigen. Die reinen Sparguthaben allein betrugen Ende vergangenen Jahres schon mehr als 28 Milliarden DM und sind selbst in dem ungünstigen Monat Januar weiter gestiegen. Es wird also schon gespart. Aber Sie sagen ja selbst, daß auch der Kapitalmarkt den marktwirtschaftlichen Grundsätzen unterworfen werden müsse. Nach Ihren Ausführungen bei der Begründung muß ich Sie fragen, ob die Sparbeträge, die jetzt angesammelt werden sollen, etwa zur Finanzierung künftiger Bundesanleihen bestimmt sind. Dann würden wir das System für sehr falsch halten.
Ich will nicht auf Einzelheiten eingehen. Aber es müßte Sie doch nachdenklich machen, daß selten ein Entwurf mit einer solchen Fülle von unwiderlegten und unwiderlegbaren Argumenten abgelehnt worden ist, und zwar von den verschiedensten Seiten. Ich erinnere an die Bank deutscher Länder, an die gesamte Fachpresse und auch an Ihren Kollegen, den Herrn Bundeswirtschaftsminister, zusammen mit seinem Wissenschaftlichen Beirat. Die Erklärungen, die dieser letztere abgegeben hat, sind doch sehr eindeutig.
Und worauf läuft Ihr Vorschlag schließlich hinaus? - Herr Minister, ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie gerade die folgenden Ausführungen einmal beachten wollten.
({14})
Sie rechnen mit einem Einkommen von 2 Milliarden DM im ersten Jahr. Alle Fachleute sind sich darin einig, daß weit mehr als die Hälfte der hierfür gesparten Beträge reine Umlagerungen von bisherigen Sparkonten sein werden. Man kann ohne weiteres annehmen, daß dann 1,2 Milliarden von einem Konto auf das andere wandern. Dann blieben etwa 800 Millionen DM übrig. Davon würde sicherlich die Hälfte auch ohne dieses Gesetz gespart werden.
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- Sie würde auch auf fünf Jahre gespart werden,
zwar nicht zusammenhängend, aber revolvierend.
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Aber das hat denselben Effekt. Dann hätten Sie noch 400 Millionen DM zusätzliches Sparkapital, und dafür wollen Sie 400 Millionen DM Prämien ausgeben. Sie hätten also das perpetuum mobile erfunden. Dabei müssen wir allerdings die Einschränkung machen, daß Sie eines Tages auch an die Tilgung gehen müssen.
Das kann doch nicht der Sinn Ihres Vorschlags sein. Es wäre doch töricht, dem Bürger aus der einen Hand das zu nehmen, was wir ihm in die andere Hand geben.
Herr Minister, alle Ihre Grundsätze in Ehren! Was hier vorgelegt wird, ist eine Lieblingsidee von Ihnen. Ich kenne Sie so lange, daß ich Ihrer wirtschaftlichen Gesamthaltung positiv gegenüberstehe. Aber dieses Anliegen sehen Sie durch die politische Brille. Setzen Sie doch bitte einmal die ökonomische auf und werfen Sie das Ungeheuer in die Wolfsschlucht!
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Dabei muß ich noch eine Mahnung hinzufügen, und damit unterstreiche ich wieder Ihre Grundsatzausführungen: Bester Lohn für Sparen ist ein stabiler Geldwert.
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Darauf sollten sich Ihre und unsere Maßnahmen
in der nächsten Zeit ganz besonders konzentrieren.
Ich darf zusammenfassen. Herr Minister, wir haben Ihre Grundsatzausführungen gehört und im großen und ganzen gebilligt. Unsere Opposition wird sich bei der Beratung dieser Steuergesetze darauf erstrecken, zu beobachten, ob diese Grundsätze auch wirklich durchgeführt werden. Wir haben das Gefühl, in einem Teil dieser Steuergesetzentwürfe ist das nicht geschehen. Da finden sich Widersprüche zu Ihrer grundsätzlichen Haltung. Sie zu beseitigen, wird unser Ziel bei der Beratung dieser Steuergesetze sein.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Preusker.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, der Finanzminister hat heute mit seinen einleitenden Ausführungen zum Haushalt bereits einen wesentlichen Beitrag zu der von Herrn Kollegen Atzenroth aufgeworfenen Frage der Stabilerhaltung des Geldes geleistet. Herr Kollege Atzenroth, Sie zitierten schon den Satz, mit dem der Bundesfinanzminister erklärte, er wolle nur so viel für den Staat beanspruchen, wie für diejenigen Angelegenheiten unbedingt benötigt werde, die nicht besser oder nicht ebenso gut auch von Privaten bewältigt werden könnten. Aber er hat noch ein Zweites getan. Er hat uns in einer schwierigen Situation einen ausgeglichenen Haushalt in Aussicht gestellt, ausgeglichen allerdings - das darf ich vielleicht vorausschicken - im Augenblick um den Preis der Einstellung der letzten 3 Milliarden - mit 500 Millionen Ausleihungen dazu - aus dem Juliusturm.
Nun würde man in einer wirtschaftlichen Situation, die noch genauso der Überbeschäftigung zustreben würde wie im Jahre 1955 oder 1956, gerade in diesem Punkt Bedenken haben müssen. Aber ich glaube, angesichts des Umstandes, daß wir heutzutage nicht mehr bis zur Besetzung auch des letzten Arbeitsplatzes voll ausgelastet sind, sondern wieder etwas Spielraum haben, liegt volkswirtschaftlich gesehen in dem Vorhaben der Bundesregierung kein Fehler. Ich betrachte es vielmehr eher als eine bereits positive Maßnahme im Rahmen der angekündigten aktiven konjunkturpolitischen Haltung, die die Bundesregierung im Rahmen der Gesamtstabilität einzunehmen gedenkt.
Das ganze gesetzgeberische Vorhaben, das in dieser Situation von einem immerhin sehr beachtlichen Mut zeugt, darf nach meiner Meinung, abgesehen von den steuerpolitischen Fragen und Auswirkungen, den Anspruch erheben, ebenfalls ein wirtschaftlicher Beitrag zur Steigerung der Unternehmenslust in der Wirtschaft zu sein, ein Beitrag zur Hebung der Arbeits- und Leistungsfreude und des Leistungswillens in der deutschen Wirtschaft.
({0})
Ich darf für unsere Fraktion erklären, daß wir schon aus diesen Gründen dieses Vorhaben positiv aufnehmen - obwohl es in einer Zeit der „Diktatur der leeren Kassen" unternommen wird, die Steuern zu senken - und daß wir alles daransetzen werden, daß diese Gesetzentwürfe in den Ausschüssen so schnell wie möglich verabschiedet werden, damit die angenehmen Teile der Gesetze am 1. Januar 1958 in Kraft treten können.
Allerdings sind wir natürlich nicht mit allen vorgeschlagenen Einzellösungen schon in vollem Umfang einverstanden. Es wird in den Ausschüssen noch Gelegenheit sein, vieles zu diskutieren. Ich darf aber auf einige Punkte schon hier eingehen, um unsere grundsätzlichen Ansichten zu einzelnen Fragen hervorzuheben.
Der Kollege Seuffert, der jetzt gerade wiederkommt - ich freue mich darüber -, hat sich in längeren Ausführungen besonders mit der, wie es nach seinen Worten klingen konnte, unsozialen unterschiedlichen Entlastung auf dem steuerlichen Gebiet beschäftigt; er sagte, daß bei den kleineren Einkommen nur eine relativ geringe Entlastung um 336 DM in Frage komme - die er hier besonders ansprach -, während es bei den großen Einkommen in der Spitze bis zu 41 000 DM gehe.
An dieser Art der Darstellung stoße ich mich, Herr Kollege Seuffert. Wenn Sie es unternommen hätten, die steuerlichen Entlastungen nicht nur an dem unmittelbar vorhergehenden Steuertarif von 1957, sondern an dem von 1953 oder gar an dem Kontrollratstarif zu exemplifizieren, dann wäre die steuerliche Entlastung bei den hohen Einkommen noch viel sinnfälliger in Erscheinung getreten. Damit läßt sich doch, wenn man die Dinge ernsthaft betrachtet, die Debatte nicht ausschließlich bestreiten! Der Tatbestand ist vielmehr, daß noch einmal eine steuerliche Entlastung in einem nicht unerheblichen Maße eintreten soll. Auch wir bedauern, daß diese steuerliche Entlastung noch nicht so weit gehen kann, daß sie in allen Stufen dem einzelnen, der da schafft, wenigstens 50 Pf von jeder Mark beläßt. Das ist für uns ein endgültig anzustrebendes Ziel. Wir wissen ganz genau, daß die uralte schöne Zeit des „Zehnten" nicht wieder zurückzugewinnen ist.
Herr Kollege Seuffert, Sie haben in den Vordergrund gerückt, man müsse dabei immer die Zahl der Steuerfälle und die steuerliche Schichtung der Einkommen im Auge haben. Selbstverständlich,
aber auch diese Betrachtung ergibt bereits, daß nach der Vorlage der Bundesregierung weitere 2,8 Millionen Steuerpflichtige aus der direkten Einkommensbesteuerung völlig ausscheiden und daß bei einem weiteren Teil der Steuerpflichtigen unterschiedliche, etwa zwischen 7 und 15 % schwankende Entlastungen eintreten. Ferner ergibt sich, daß immerhin bereits 95 % der Steuerpflichtigen sich innerhalb des proportionalen Tarifs von nur 20 % Belastung befinden.
Natürlich wird dann dort, wo man für die restlichen 5 % mit einer stark progressiven Besteuerung beginnt, zunächst einmal der, wie soll ich sagen, Ankuppelungsprozentsatz, der erste Sprung, etwas größer. Das ergibt sich schon klar daraus, daß man die früher ansteigende Linie auf einmal durch den Proportionalsatz waagerecht gelegt hat; dadurch entsteht natürlich am oberen Ende plötzlich eine Treppenstufe, was im Wege der erhöhten Freibeträge für die Familie, für die Kinder dann wieder etwas gemildert wird.
Aber Sie haben sich auch gar nicht dagegen gewandt, daß derjenige, der erhöht zu leisten imstande ist, auch erhöhte Steuerlasten tragen soll. Darüber werden wir uns wahrscheinlich ohnehin einig sein. Jedoch über das Maß gehen unsere Meinungen auseinander. Ich sagte Ihnen schon: ich möchte nicht eine noch höhere Belastung, sondern im Gegenteil, mir erschiene es volkswirtschaftlich viel sinnvoller, wenn wir uns endlich der Grenze der im Maximalfall hälftigen Wegsteuerung des erarbeiteten Einkommens nähern könnten.
1 Herr Kollege Seuffert, die ganze Frage hat ja auch eine sehr wichtige volkswirtschaftliche Auswirkung, und in diesem Zusammenhang bitte ich auch noch einmal das Problem der Herausnahme der 2,8 Millionen Steuerpflichtigen aus der direkten Besteuerung zu betrachten. Wenn der Staat aus irgendwelchen Gründen der Sicherheit - sei es auf dem Gebiet der Vorbereitung der Landesverteidigung, sei es auf dem der ökonomischen Sicherheit, der Sicherung der Vollbeschäftigung - erhöhte Aufwendungen zu machen hat, dann wird er, wenn die laufenden Einnahmen aus Steuern oder Anleihen ihm dies nicht gestatten, daran denken müssen, die Steuern zu erhöhen. Nun muß man einmal überlegen, welche Konsequenzen es hat, wenn zu dieser Erhöhung der Besteuerung nur noch ein kleiner Teil der Bevölkerung als Steuerzahler zur Verfügung steht. Bekanntlich ist es im Augenblick doch so, daß 20 % der Steuerzahler rund 80 % des gesamten Aufkommens aus direkten Steuern aufbringen.
({1})
-Sicher, denn sonst könnten sie es nicht, Herr Kollege Seuffert, und dagegen ist ja auch von niemandem etwas eingewandt worden.
Man muß einmal klarstellen, daß die großen Einkommen - bis auf die verschwindend wenigen Fälle überkommener großer Vermögen - in der Regel hart erarbeitete Wirtschaftseinkommen und nicht Verbrauchseinkommen im direkten Sinne darstellen. Die Teile, die davon konsumiert werden können, sind jedenfalls nur Bruchteile des gesamten erarbeiteten und zu versteuernden Einkommens. Wenn man nun bei den Wirtschaftseinkommen die Schraube überdreht, dann ist die logische Konsequenz, daß sich dieses Überdrehen auf dem Umweg über die Preise in die ganze Wirtschaft fortwälzt, und was sich als Resultat ergibt, ist erstens unsozial und zweitens völlig unkontrollierbar, weil die Wirkungen in jeder Stufe unter Umständen nicht im Anhänge-, sondern im Aufschlagsverfahren weitergegeben werden. Wenn Sie die Stabilität der gesamten Preisentwicklung sichern wollen, dann ist ein Prinzip dazu bestimmt am ehesten geeignet: den Finanzbedarf für alle Anforderungen, die staatlicherseits gestellt werden müssen, so zu decken, daß die Wirkungen endgültig in der Steuer aufgefangen werden können und nicht auf dem Umweg über die Preise weitergegeben werden. Damit würde auf alle Fälle das Sozialste und Vernünftigste geschehen.
Unter diesem Gesichtspunkt bitte ich einmal das Problem der Höchstproportional- oder Höchstprogressionssätze in der Besteuerung zu betrachten. Hier gibt es ein Optimum, bei dessen Überschreitung eine weitere Progression im Grunde genommen nur Augenpulver ist, in Wirklichkeit unsoziale Konsequenzen durch Preisauftrieb hat. Dieses Problem sollten wir ganz genau prüfen. Aus dem gleichen Grunde, Herr Kollege Seuffert, möchte ich den Gedanken der Jahressteuergesetze, die der Bundesminister der Finanzen vorgeschlagen hat, bejahen. Sie geben die Möglichkeit einer viel größeren Anpassung. Ich halte es für möglich, daß man z. B. im Rahmen einer solchen Jahressteuerregelung - worüber ich mich freue - zwei, drei, vier Millionen Menschen aus der direkten Steuer herausläßt. Man muß aber die Möglichkeit behalten, dann, wenn es einmal im Gesamtinteresse notwendig ist, sie daran zu gemahnen, daß sie nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten mitzutragen haben.
Ich darf in diesem Zusammenhang noch ein weiteres Problem anschneiden. Herr Kollege Seuffert, Sie wandten sich so gegen den Gedanken einer eventuellen kommunalen Einkommensteuer
({2})
in dem Bewußtsein, sie könnte gegen das Grundgesetz verstoßen. Man könnte das aber so regeln, daß, ebenso wie der Bund einen festen Anteil von 35 % an der Einkommen- und Körperschaftsteuer hat, auch zwischen Ländern und Gemeinden ein fester Anteil festgelegt wird.
({3})
Das ist ein Gedanke, dem wir durchaus zuneigen. Wenn wir das sowohl beim Bund wie auf der Landesebene und der Ebene der Gemeinden mit der Jahressteuerregelung kombinieren, können die tüchtigeren Gemeinden einmal zeigen, daß sie effektiv etwas leisten, indem sie unter den jeweiligen Höchstsätzen bleiben.
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Jetzt zur Problematik des Splittings! Ich war etwas erstaunt, zu hören, daß Sie, Herr Kollege Seuffert, auf einmal wieder dem Gedanken der getrennten Veranlagung zuneigen. Daß das nur für
die 5 % der oberen Steuerzahler zutreffe, ist wirklich keine prinzipielle Argumentation. Soweit wir eine proportionale Besteuerung haben, ist es völlig gleichgültig, wieviel der Mann und wieviel die Frau verdient. Aber nun das andere: Wenn man den Gedanken der getrennten Veranlagung weiter verfolgt, bleibt die Problematik dieses Verfahrens bei der ganzen landwirtschaftlichen Bevölkerung, dem Bauern und der Bäuerin, der ganzen handwerklichen Bevölkerung, dem Einzelhandel und den freien Berufen bestehen. Überall dort kann der Leistungsanteil der Frau nur über ganz fiktive Zurechnungen gefunden werden. In der Regel wird man sogar sagen: Jeder hat die Hälfte dazu beigetragen. Man käme so in der Praxis wahrscheinlich ohnehin auf diese günstigste Lösung, oder aber man würde in irgendeiner Weise wieder mißbräuchlichen und gekünstelten Konstruktionen Raum geben. Ausgangspunkt des ganzen Problems war immer wieder die große Zahl der Menschen mit der gemeinsamen Veranlagung in der Landwirtschaft, im Handwerk, im Einzelhandel, in den freien Berufen. In diesen Gruppen wird auf alle Fälle durch das Splitting, wenn auch die Problematik der Dinge - ({5})
- Das wird niemand von uns behaupten wollen. Das behauptet noch nicht einmal die Denkschrift des Bundesfinanzministers. Aber unter allen denkbaren Lösungen scheint mir nach der gegebenen Situation die Kombination von proportionaler Besteuerung und Splitting in dem aufgesetzten Progressionsteil doch am meisten den Notwendigkeiten einer ungekünstelten gerechten Besteuerung zu entsprechen. Es kann auch nicht bestritten werden - ich glaube, das ist etwas, was wir alle bejahen sollten -, daß hierbei der familiengünstigste Steuertarif herauskommt, der überhaupt denkbar ist.
Damit entsteht auf der anderen Seite natürlich wieder ein Problem; auch Herr Kollege Seuffert hat davon gesprochen. Es gibt nämlich unter den Alleinstehenden eine Fülle von Sonderfällen, in denen plötzlich eine Benachteiligung erfolgt, ohne daß diese Alleinstehenden etwas dafür können. Sie sprachen von der alleinstehenden Frau mit Kindern oder Pflegekindern. Ich möchte sagen, daß es hier schlechthin um die alleinstehende Frau geht.
Wenn wir auch im Grundgesetz das Prinzip der Gleichberechtigung haben, so kann man, glaube ich. doch nicht so weit gehen, zu erwarten, daß die alleinstehende Frau in der gleichen Weise um den Mann werben sollte, wie nach der Natur und der bisherigen Sitte der Mann um die Frau wirbt, sondern es soll doch sicher so bleiben, wie es gewesen ist. Eine Ausnahme mag es dann und wann einmal geben. Aber nun Spaß beiseite!
Wir müssen der Tatsache ins Auge sehen, daß wir aus zwei fürchterlichen Kriegen Millionen von Frauen haben, die beim besten Willen keinen Ehepartner gefunden haben.
({6})
- Aber sicher in den betreffenden Altersklassen.
Ich darf in dem Zusammenhang an einen Antrag erinnern, den die Fraktion der DP in der letzten Legislaturperiode im April 1956 auf Drucksache 2311 gestellt hat. Danach sollten für alleinstehende Frauen die Sätze der Steuerklasse II schon vom 45. Lebensjahr an gelten anstatt erst vorn 55. Lebensjahr an. Wenn man diese Regelung trifft, wird man einen wesentlichen Teil der wirklichen Härtefälle erfassen. Wir haben das dem Bundesfinanzminister kürzlich in unserer Fraktion vorgetragen, und er hat versprochen, diesen Gedanken eingehend prüfen zu lassen. Ich glaube, er hat diesmal Aussicht auf Verwirklichung.
Aber ganz abgesehen davon, Herr Kollege Seuffert, bin auch ich der Meinung, daß wir den Gedanken, höhere Freibeträge anzusetzen - Sie haben davon gesprochen -, ernsthaft überlegen sollten. Man sollte die Möglichkeiten und die finanzielle Tragweite überprüfen. Wenn damit Härtefälle überhaupt vermieden werden können und die Steuerausfälle zu verkraften sind, dann sollte man diesen Weg gehen.
Zur Beseitigung der Vergünstigungen und zur degressiven Abschreibung darf ich ebenfalls noch einige Bemerkungen machen. Diese Fragen sind sehr stark unter dem Gesichtspunkt nicht nur der Steuervereinfachung, sondern gleichzeitig auch der Förderung der Kapitalbildung für die mittelständischen Schichten gestellt worden. Unter diesem Blickwinkel können wir die gesetzliche Fixierung der degressiven Abschreibung mit 25 % nicht nur für die sogenanntën langlebigen, sondern auch für diejenigen Wirtschaftsgüter, deren Lebensdauer unter zehn Jahren liegt, nur begrüßen. Allerdings hängt die gute Wirkung dieses Tropfens davon ab, daß alle mittelständischen Steuerpflichtigen davon Gebrauch machen können.
Ich weiß, daß die Forderung nach der Begünstigung des nicht entnommenen Gewinns, wie sie § 10 a einmal vorsah, aus dem Wunsch nach der Stärkung der Eigenkapitalbasis für die Kreise entstanden ist, die nicht direkt an den Kapitalmarkt appellieren können. Wenn man ihnen jetzt die Chance der gesetzlichen degressiven Abschreibung einräumt, dann muß auch gewährleistet sein, daß die einzelnen Finanzämter die Ausführungsbestimmungen nicht so praktizieren, daß sie bei 90 % der Steuerpflichtigen die Buchführung einfach verwerfen. Im Schätzungsverfahren sind die Dinge doch nicht realisierbar. Hier muß also, glaube ich, in den Ausschußberatungen die notwendige Sicherheit geschaffen werden, daß das, was vom Gesetzgeber beabsichtigt wird, nämlich eine ausreichende Stärkung der Eigenfinanzierungskraft der mittleren Betriebe und Unternehmen, auch erreicht und nicht nachher aus kleinlichen fiskalischen Gesichtspunkten, so darf ich in diesem Fall einmal sagen, eingeengt wird.
Zu den §§ 7 b und 7 c des Einkommensteuergesetzes sind hier schon verschiedentlich Bemerkungen gemacht worden. Hier darf ich vielleicht aus besonderer Erfahrung noch etwas hinzufügen. Die Erhaltung des § 7 b in der Form, daß die in ihm
vorgesehene Vergünstigung bei Einfamilienhäusern mit Kosten von über 120 000 DM wegfallen, daß sie also nur für Einfamilienhäuser mit Kosten von unter 120 000 DM gewährt werden soll, begrüße ich. Denn ich bin der Auffassung, daß die Schäden infolge der Kriegszerstörungen und der innerdeutschen Fluchtbewegungen noch lange nicht so ausgestanden sind, daß wir uns tatsächlich das, was steuerlich ideal wäre, nämlich die restlose Beseitigung von Sondervergünstigungen aller Art, schon erlauben könnten.
Irgendwo in der Begründung des Bundesfinanzministers steht, es sei das Ziel. „wettbewerbsneutrale" Steuern zu haben. Wettbewerbsneutrale Steuern müßten aber insgesamt noch etwas niedriger sein können, als die Steuern gegenwärtig sind. Voraussetzung für die Schaffung wettbewerbsneutraler Steuern wäre weiter, daß es innerhalb der Wirtschaft und bei den arbeitenden Menschen keine durch Kriegsfolgen ganz spezieller Art einseitig orientierte Wettbewerbspositionen mehr gäbe.
({7})
Zum § 7 c! Der Kollege Seuffert hat beklagt, daß hier eine Einschränkung beabsichtigt sei, nach der zwar weiterhin noch der Eigenheim- und der Eigentumswohnungsbau gefördert werden solle, durch die aber doch der Bau von Mietwohnungen für Arbeiter beeinträchtigt werde. Herr Kollege Seuffert, ich habe mir das auch lange hin und her überlegt. Ich bin bereit, meiner Fraktion zu empfehlen, dieser Einschränkung zuzustimmen. Es ist nämlich nicht so, wie Sie sagen, sondern der Wiederaufbau auch von Mietwohnungen ist ausdrücklich noch zugelassen worden, und ich kann mir vorstellen, daß der besondere Hinweis auf den Wiederaufbau in den Städten, in denen wir auch heute im Jahre 1958 noch Baulücken und Trümmer haben. dazu dienen kann. diese Lücken und Trümmer schnell endgültig verschwinden zu lassen.
({8})
- Ja, Herr Kollege Seuffert, gerade dann ist es aber doch sinnvoll, einen zusätzlichen Druck zugunsten der Bebauung der vorhandenen Baulücken und des Wiederaufbaus der Ruinen zu setzen. Denn das ist ja Bauland. Also das sollte man auf alle Fälle erst einmal machen. Wenn die letzte Trümmerlücke verschwunden ist, wenn mit dieser besonderen Konzentration auf Grund des § 7 c in unseren Städten alles wieder aufgebaut ist, dann bin ich auch bereit, über die anderen Fragen weiter zu diskutieren.
({9})
In diesem Zusammenhang darf ich schließlich auch auf die Sparprämien eingehen. Zu der nicht ganz einfachen Problematik dieser Sparprämien ist hier von den verschiedensten Seiten - teils
positiv, teils negativ - Stellung genommen worden. Ich möchte vorausschicken, daß unsere Fraktion, vor allem gestützt auf die guten Erfahrungen mit dem Wohnungsbau-Prämiengesetz, das Sparprämiengesetz für die große Zahl der kleinen Einkommensteuerpflichtigen begrüßt und eifrig daran mitarbeiten wird, Möglichkeiten zu finden, es in dieser Richtung schnell wirksam werden zu lassen. Nicht etwa, weil wir Sorge hätten, daß ohne dies die kleinen Einkommensbezieher weniger sparen würden als bisher. Auch ich kann nur sagen, daß das Sparen gerade bei kleinen Einkommensbeziehern ein ungewöhnlich gutes Ergebnis erbracht hat. Insbesondere gilt das auch für das Wohnungsbauprämiengesetz. Wer hätte vor einigen Jahren angenommen, daß hier allein pro Jahr 250 Millionen Mark an Prämien gezahlt würden, d. h. also eine Sparsumme von über 1 Milliarde von kleinen Angestellten, arbeitenden Menschen, aufgebracht würde?
Diese Sorge habe ich also nicht; aber umgekehrt bin ich der Meinung, daß wir gerade die Eigentumsbildung, gerade die Spartätigkeit in diesen breiten Schichten unserer Bevölkerung belohnen sollten, und damit sollte wieder der Grundstein für eine allmählich eigenständige und unabhängige Entwicklung durch die Generationen hindurch gelegt werden.
Ein Zweites! Je mehr Menschen Sparer sind, je mehr Menschen auf Eigentum zurückgreifen können, um so sicherer wird die Wand aufgerichtet werden können gegen jeden Versuch, mit der Währung Experimente zu machen.
({10})
Ich gehe deshalb auch in einem anderen Punkte mit Ihnen einig, Herr Kollege Seuffert. Ich bin auch der Auffassung, daß überlegt werden müßte, ob der Ersterwerb von Aktien tatsächlich in diese Förderung nach dem Sparprämiengesetz hineingehört.
Der Kollege Seuffert hat schon von der Bindung bei Aktien über fünf Jahre hinweg gesprochen. Fünf Jahre können sicher in der Gesamtkonjunktur durchaus stabil verlaufen. Aber sie können unter Umständen für eine bestimmte Branche eine ganz unterschiedliche Entwicklung aufweisen. Wir alle haben einmal erlebt, wie Strohhüte und Hosenträger - ich bitte um Entschuldigung - nicht mehr Modeartikel waren.
Es kommt noch etwas Weiteres hinzu. Die Aktie ist doch nun einmal das Papier, das der ganzen Natur nach das Risikobeteiligungspapier sein soll. Wenn wir nun schon auf der Spitze der Konjunktur stehen, dann weiß ich nicht, ob man dem kleinen Sparer gerade den Ersterwerb einer bestimmten Aktie für 1250 DM - oder 2500 DM, wenn er verheiratet ist - empfehlen soll. Ich weiß nicht, ob das das sicherste Mittel ist, ihn für das Sparen aufgeschlossen zu machen. Etwas ganz anderes ist es, ob man ihm die von unserem Kollegen Neuburger ja immer so intensiv geförderte Idee des Investmentsparens, der Risikoverteilung, nicht besonders nahebringen sollte.
Aber ich würde .sagen: Sparprämien gern für das Kontensparen, für die festverzinslichen Wertpapiere. Ich glaube jedoch, daß es sehr überlegt werden muß, den Ersterwerb der Aktien gerade für den kleinen Mann hier mit in Erwägung zu ziehen. Vorerst kann ich mich nicht dazu bereit finden. Lassen wir es erst einmal bei den anderen, wenn Sie so wollen, konventionellen und gewohnten Sparformen.
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- Gut, aber Herr Kollege Becker, man soll dem Kleinsparer nicht unter der Vorstellung, daß das Aktiensparen etwas ganz Besonderes sei, dann nachher zu einem sehr enttäuschten Sparer werden lassen. Die Gefahr dieser Enttäuschung bei einer Einzelanlage ist doch wohl nicht von der Hand zu weisen.
Jetzt kommt aber die Frage: Soll man es überhaupt in dieser Form machen? Wir haben schon gehört, daß der Bund allein diese Prämien zahlen muß, daß sie allein mindestens auf 400 Millionen Mark geschätzt werden. Der Herr Kollege Seuffert hat zu meinem Schrecken noch den Vorschlag gemacht, dann möge man auch noch das Bausparen aus dem § 10 herausnehmen. Bis jetzt wird der Steuerausfall bekanntlich von Bund und Ländern getragen. Stellen Sie sich vor, daß das dann auch noch auf den Bund allein zukommt! Ich glaube, man sollte das doch lieber so lassen, wie es gegenwärtig ist.
Wenn man schon über fünf Jahre hinweg 20 % gleich jährlich 4% als Prämie zahlen will, sollte man einmal überlegen, ob nicht vielleicht das Verfahren, das in der Schweiz und in den angelsächsischen Ländern üblich ist, zweckmäßiger ist. Dort wird dem kleinen Sparer laufend eine höhere Verzinsung im Wege der Prämie gewährt. Was dort sehr einfach möglich ist, wäre auch hier zu machen, sogar völlig unbürokratisch. Es wäre nur eine Frage der höheren Verzinsung der Ausgleichsforderungen. Mit dieser Lösung könnte man vielleicht manches an Schwierigkeiten überwinden. Denn mit einem Problem werden wir bei keiner Form von Sparförderung fertig; ich glaube, das muß man einmal ganz offen aussprechen. Ob man drei Jahre, ob man fünf Jahre oder zehn Jahre wählt, man kann nie verhindern, daß der gleiche Betrag nach dieser Zeit unter Umständen wieder festgelegt wird. Allein deswegen eine Bürokratie aufrechtzuerhalten, ist doch vielleicht ein nicht ganz angemessener Aufwand. Ich könnte mir im übrigen vorstellen, daß im Bereich der Bezieher mittlerer und großer Einkommen eine um 1 oder 2 % stärkere Senkung des Tarifs wertvoller wäre, als wenn dieses Prämiengesetz auch dort in allen Fällen praktiziert würde.
Nun lassen Sie mich noch ein paar Worte zu einem weiteren Gesetzentwurf sagen, der einige nach meinem Dafürhalten nicht ganz leichte Probleme beinhaltet, nämlich den Vorschlag der Anhebung der Körperschaftsteuer von 45 auf 47 % und
der Senkung der Steuer für den ausgeschütteten Gewinn von 30 auf 11 plus 4 % oder, wie der Bundesrat möchte, 15 plus 4 %. Ich glaube, daß das, was für die großen Aktienunternehmungen eine durchaus weise Beschränkung einer übermäßigen Selbstfinanzierung sein soll - was auch in Ihren Begründungen anklingt - und in diesem Sinne auch von uns begrüßt wird, nicht in gleicher Weise für die personenbezogenen oder nicht emissions- fähigen Unternehmungen gilt. Hier müssen wir uns bemühen, eine Lösung zu finden, die verhindert, daß sie in die höhere Besteuerung hineingetrieben werden, und daß nicht aus der im ganzen beabsichtigten Begünstigung der mittleren Schichten hier eventuell die Gefahr einer zusätzlichen Substanzaushöhlung wird. Es besteht wohl auch weitgehend die Bereitschaft - ich sehe es an Ihrem Kopfnikken -, das zu bedenken.
In diesem Zusammenhang sollte man noch ein Weiteres erwägen. Wenn man schon hofft, die Kapitalmarktbelebung zu erreichen und eine stärkere Emissionsfähigkeit für Anleihen dadurch zu gewinnen, daß man die Aktienunternehmen auf die Eigenkapitalverstärkung, auf die Aktienemission hinlenkt, dann sollte man doch einmal überlegen, ob man nicht auch die Ausfallbürgschaft des Bundes, etwa über die Kreditanstalt für Wiederaufbau, für mittelbare Emissionen der Mittelschichten, Sammelemissionen der mittleren Wirtschaft, einsetzen könnte. Wenn die mittelständische Wirtschaft vor Jahren bereit gewesen ist, immerhin über 1 Milliarde DM für den notwendigen Aufbau der Schwerindustrie über die Investitionshilfe aufzubringen, dann ist es, glaube ich, an der Zeit, daß - es kostet nicht mehr als die Bereitschaft zu einer Unterschrift - die Konsolidierung der mittleren Wirtschaft, der nicht emissionsfähigen Wirtschaft, hier auch einmal von Bundes wegen unterstützt wird.
({12})
Ich sage das aus folgendem Grunde. Wenn sich, wie wir annehmen müssen, bei einer vollbeschäftigten Wirtschaft und bei einer gewissen Rezession auf den Weltmärkten ergibt, daß die Wirtschaft sich nicht mehr so stark weiter aufwärts entwickeln kann wie bisher - und darin liegt ja, wenn eine Wirtschaft voll beschäftigt ist, eigentlich eine natürliche Entwicklung -, dann würde doch immer die Gefahr bestehen, daß die Großen unter Umständen bei ihrer größeren Kapitalkraft auf dem Wege über günstigere Zahlungsbedingungen den Wettbewerb verschärfen können. Diesem stärkeren Wettbewerb sind die mittleren, nicht emissionsfähigen Betriebe nur dann gewachsen, wenn sie sich auch tatsächlich konsolidieren können. Das, was sie nicht direkt am Kapitalmarkt bekommen können, das, was ihnen auch die Steuerentlastung über den neuen Tarif nicht bringt, das sollte man ihnen dann wenigstens mittelbar durch eine weitere Hilfestellung bei der, sagen wir einmal, indirekten Emission gewähren.
Lassen Sie mich dann noch ein Wort aufgreifen, das hier im Zusammenhang mit den Plänen - die wir sehr begrüßen - über die Freibeträge bei der Vermögensteuer gefallen ist. Ich möchte es ganz
offen aussprechen: uns gehen diese Vermögensteuer-Freibeträge noch nicht weit genug; wir möchten gern statt der 5000 DM 10 000 DM in Anpassung an die veränderten Wertverhältnisse und zur weiteren Begünstigung der eigenständigen Spartätigkeit und Vermögensbildung in den breiten Schichten. Wir möchten aber noch ein Weiteres: wir möchten gern, daß man auch daran denkt - rechtzeitig denkt! -, den Satz der Vermögensteuer wieder zu korrigieren, mindestens, ehe man an den - hier angekündigten - Gedanken der Korrektur der Einheitswerte an den sogenannten zeitnahen Wert herangeht.
Es ist in der Debatte das Wort von der Gerechtigkeit und Gleichmäßigkeit der Besteuerung gefallen, die es nahelegen, auch bei der Grundsteuer auf die zeitnahen Werte umzuschalten. Ich glaube, man muß hier eine Forderung klar aufstellen: Die Gleichmäßigkeit und Gerechtigkeit der Besteuerung sind erst dann wieder gerechtfertigt, wenn vorher auch der gesamte Grundbesitz und insbesondere auch der Althausbesitz nach dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit und Gerechtigkeit behandelt wird.
({13})
Dann ein abschließendes Wort zu den Sätzen in Ihrer Rede, Herr Bundesfinanzminister, über die Reform der Umsatzsteuer. Wir dürfen Sie bitten, diese Reform der Umsatzsteuer soweit wie möglich vorzuziehen. In dieser Beziehung ist die Situation durch ein neuerliches Urteil irgendwie brenzlig geworden. Man kann zwar ohne weiteres attestieren: die Absicht zur Reform hat auch schon vorher bestanden. Ich erinnere mich hier an unsere gemeinsame Tätigkeit im Rahmen der Montanunion in ihren Anfängen. Ich glaube, seit jener Zeit ist auch bei Ihnen die Erkenntnis der Notwendigkeit einer solchen eindeutigen Reform bereits vorhanden gewesen. Aber ich glaube, gerade dieses Urteil hat gezeigt, daß man eben mit irgendwelchen Sondergesetzen bei der Umsatzsteuer nichts mehr ausrichten kann, sondern daß wir das Problem im ganzen anpacken müssen, mit einer wirklich grundlegenden Reform, die jede zukünftige Begünstigung der Mehrstufigkeit, jede Begünstigung der Kapitalkonzentration eindeutig ausschaltet und eine wirklich wettbewerbsneutrale Umsatzsteuer schafft.
({14})
- Das ist natürlich schon einmal etwas, Herr Kollege, was für alle Steuern generell gilt.
({15})
Aber trotz alledem bleibt das eine bestehen: Auch eine Senkung meinetwegen von 4 auf 3 % würde noch immer nicht die Unterschiede, die zwischen mehrstufigen und einstufigen Betrieben, zwischen handwerklichen und mehrstufigen Betrieben bestehen, aus der Welt schaffen. Ich glaube vielmehr, das erreicht wirklich nur ein System des added value, der Mehrwertsteuer, oder was Sie sonst der Einfachheit halber für pauschalierte Sätze erfinden
mögen, jedenfalls nicht etwas, was generell die Unterschiedlichkeit kumuliert.
({16})
- Nein, ich denke gar nicht daran. Es gibt ja viel einfachere Systeme, in denen man das verwirklichen kann.
({17})
- Das hoffe ich eben, daß wir den jetzt gemeinsam finden. Mir liegt daran, daß das nicht erst, wie vorhin gesagt wurde, im nächsten Jahr in Angriff genommen wird, sondern daß wir es, wenn wir dieses Gesetzgebungswerk programmgemäß noch vor den Sommerferien erledigt haben, unmittelbar danach im Herbst beginnen können. Wir werden damit jedenfalls der gesamten mittleren Wirtschaft, um deren Konsolidierung es bei der Stabilisierung der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung wirklich in einem ganz besonderen Maße geht, einen großen Dienst leisten.
Ich möchte zusammenfassen. Auf viele Einzelheiten kann man in einem solchen Rahmen gar nicht eingehen; sie müssen der Behandlung in den Ausschüssen vorbehalten bleiben. Die generelle Linie, auf der hier mit dem Splitting, mit der Einführung der proportionalen Stufe auf dem Gebiete der Einkommensteuer schon eine grundlegende Reformidee verwirklicht worden ist, bejahen wir ausdrücklich. Wir ermuntern die Bundesregierung, bei der Umsatzsteuer in derselben Weise und mit demselben Mut weiterzugehen. Wir bejahen insbesondere den Mut, auf dem Wege der Förderung der Eigenständigkeit, der Eigentumsbildung, der Sparfähigkeit, der Steuersenkung, der steuerlichen Entlastung und der Zurückdrängung des Staates und der staatlichen Wirtschaft weiterzugehen, und wir bitten die Bundesregierung, auf diesem Wege fortzuschreiten.
({18})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Eckhardt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich freue mich, sogleich an die letzten Worte meines Herrn Vorredners anknüpfen zu können. Es ist mir ein Bedürfnis, gerade anläßlich der ziemlich scharfen Kritik, die vorhin von dem Herrn Kollegen Seuffert vorgetragen worden ist und die mir ungewöhnlich erschienen ist, zu Beginn zum Ausdruck zu bringen, daß die Entwürfe des Bundesfinanzministeriums einen großen Zug tragen. Es ist angesichts der Haushaltslage und der schweren Belastungen, vor denen wir möglicherweise stehen, erfreulich, zu sehen, was hier an Reformmaßnahmen alles angepackt worden ist und in wie vielen Dingen Regelungen vorgeschlagen werden, die ohne Zweifel eine Verbesserung des bestehenden Zustandes darstellen.
Es sind im großen und ganzen ja zwei Probleme, deren sich die geplante Steuerreform besonders annimmt. Einmal ist es eine Reform der Einkommenbesteuerung, und zum andern ist es im allgemeinen eine Förderung des Kapitalmarkts, aber über den Kapitalmarkt hinaus - und das begrüße ich besonders - etwa im Rahmen der Vermögensteuer endlich auch einmal eine Rücksichtnahme auf die Geldvermögen, die seit 1919 in Deutschland wahrhaftig schlecht genug weggekommen sind.
({0})
Erlauben Sie mir nun zunächst ein paar Worte zur Einkommenbesteuerung. Der vorhin hier in einem Zwischenruf zitierte bedeutende Finanzpolitiker und hohe Verwaltungsbeamte der Weimarer Republik hat die Einkommensteuer die Königin der Steuern genannt. Wenn wir uns dieses viel zitierten Wortes heute wieder einmal erinnern, dann will es uns scheinen, als ob diese Äußerung reichlich romantisch sei. Ich glaube, von ihrem Glanz hat die Einkommensteuer viel verloren. Aber mit den heutigen Augen gesehen waren die Steuern der Weimarer Republik nicht hoch, und tatsächlich schien die Einkommensteuer in manchen Augen das zu sein, was sie nach den sozialistischen Programmen der Zeit vor dem ersten Weltkrieg sein sollte: das Ideal sozialer Gerechtigkeit, die Verwirklichung dieser sozialen Gerechtigkeit auf dem Gebiet der Steuerpolitik.
Das ist sie nun schon lange nicht mehr. Sie ist es - ich möchte das gleich vorausschicken - insbesondere auch nicht wegen der hohen Steuersätze, die uns durch die Entwicklung in der Zeit nach dem Kriege - ich will die Umstände hier nicht aufzählen - aufgenötigt worden sind. Hohe Steuern führen notwendig zu Ungleichmäßigkeiten aller Art, zu komplizierten Ausnahmevorschriften, zu Befreiungen und Vergünstigungen der mannigfaltigsten Art. Auch in der Einkommensteuer mußten nun Vergünstigungen vorgesehen werden, die - wir können es gar nicht leugnen - zahlreiche Mißbräuche im Gefolge gehabt haben.
Wenn wir uns bei dem Thema hoher Einkommensteuertarif und hohe Spitzensätze einmal ansehen, wie die sieben Einkunftsarten des Einkommensteuergesetzes eigentlich behandelt werden, dann müssen wir doch wohl zugeben, daß hier manches zu finden ist, was dem Ideal der Steuerpolitik, nämlich einer gleichmäßigen und sozial gerechten Besteuerung, kaum mehr entspricht. Die Forderung, daß man die Steuersätze senken solle, daß die beste Reform die Senkung von Steuersätzen sei, gilt selbstverständlich auch für die Einkommensteuer.
Das Kernstück der Einkommensteuer, vielleicht das Kernstück unseres gesamten Steuerrechts überhaupt, ist der Tarif. Der Einkommensteuertarif hat eine wirtschaftliche, eine soziale und eine in mannigfacher Hinsicht über die sozialen und wirtschaftlichen Dinge noch hinausgehende Bedeutung, so daß er wohl wert ist, sehr genau geprüft und ausgewogen zu werden. Das werden wir selbstverständlich im Ausschuß tun. Es besteht gar kein Zweifel, daß der Entwurf der Bundesregierung die Kritik nicht ausschließen will. Vorschläge zu Änderungen und Verbesserungen sind immer aus dem ganzen Hause - keineswegs nur von der Opposition - gemacht worden.
Der von der Bundesregierung vorgeschlagene Einkommensteuertarif muß unter fünf Gesichtspunkten betrachtet werden; sie erscheinen mir besonders wichtig. Es lohnt sich, sie noch einmal kurz hervorzuheben: 1. Der Grundgedanke des Splitting, 2. die Behandlung der Familie, die Frage der Kinderermäßigung im Tarif, 3. die steuerliche Behandlung der Ledigen, 4. die Steuerspitze: der Satz von 53 % und 5. die Frage der proportionalen Besteuerung.
Zu den Grundgedanken des Tarifs möchte ich folgendes sagen. Wir haben uns hier 1954 gemeinsam bemüht, neue Lösungen zugunsten der Familie zu finden. Wir wußten 1954 ganz genau, daß wir auf diesem Wege noch nicht weit fortgeschritten waren, und haben eine Entschließung gefaßt, in der eine Weiterarbeit seitens der Bundesregierung, selbstverständlich auch des Parlaments, gefordert wurde. Wir haben uns damals in stundenlangen Debatten - ich erinnere nur an die Nachtsitzung zwischen der zweiten und dritten Lesung im Finanzausschuß - darüber unterhalten, wie man Ehe und Familie am besten fördern könne. Ich stelle mit Interesse fest, daß das nach Erklärung von Herrn Seuffert unter der Führung der SPD geschehen ist. Ich habe nichts dagegen, daß die SPD in guten Dingen die Führung übernimmt, muß allerdings zu dieser Feststellung bemerken, daß ich mich selbst nicht geführt gefühlt habe, sondern daß wir uns alle - ob das nun Frau Ilk von der FDP oder Gräfin Finckenstein oder Kollege Neuburger oder Kollege Krammig, der sich besonders dafür interessiert hat, gewesen ist - sehr energisch und, ich möchte sagen, ohne Führung anderer Gruppen um echte und vernünftige Lösungen bemüht haben.
Es sind im großen und ganzen drei Lösungen vorgeschlagen worden, drei Lösungen, die man als möglich ansehen kann. Die eine ist die der getrennten Besteuerung, die andere ist die der Freibeträge zugunsten der Familie, und die dritte Lösung ist das Splitting.
Die Frage der getrennten Besteuerung haben wir jetzt exerzieren müssen, gewiß, mit einem gewissen Zwang auf Grund des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Januar 1957. Ich glaube, die getrennte Besteuerung läßt sich verwaltungsmäßig, d. h. praktisch, überhaupt nicht durchführen. Sie führt zu Mißbräuchen aller Art, und ich sehe schon mit großer Sorge dem Zeitpunkt entgegen, in dem die Veranlagungen für 1956 und 1957 unter den Gesichtspunkten des Übergangsgesetzes unter die Lupe genommen werden. Ich möchte den Herrn Bundesfinanzminister bitten, das Seine dazu beizutragen, daß diese Übergangszeit wirklich als Übergangszeit behandelt wird und nicht die vielfachen Versuche von Mißbräuchen nun in eine Unzahl von Rechtsmittelverfahren, ja, vielleicht von Steuerstrafverfahren, von Betriebsprüfungen, von Fahndungsaktionen und dergleichen ausarten. Solche Mißbräuche sind ja die notwendige Folge einer vollständig getrennten Besteuerung.
Wenn man es so machen könnte, daß man nur die Arbeitseinkünfte aus dem Einkommen herausnimmt und getrennt besteuert, dann ginge es ja noch. Aber sozial gerecht wäre das ganz bestimmt auch nicht; denn heute muß man ganz andere Auffassungen über die Fundierung oder Nichtfundierung von Einkünften haben, als man sie vor 1914 oder meinetwegen auch vor 1933 gehabt hat. Die Einkünfte etwa aus der Tätigkeit in den freien Berufen oder die Einkünfte auch aus Kapitalvermögen sind heute in der Regel trotz des Fundus des Vermögens in Wirklichkeit viel weniger fundiert als manche anderen Einkunftsarten. Das alles muß berücksichtigt werden. Wenn man aber eine vollständige Trennung voneinander will, dann bleibt gar nichts anderes übrig, als das Wahlrecht zu schaffen, als mit den Freibeträgen in Konflikt zu kommen und in manchen Fällen, wie das nach geltendem Recht augenblicklich noch immer der Fall ist, statt der vernünftigen zwei Freibeträge für Ehegatten drei Freibeträge zu gewähren, eine ganz unerfreuliche, aber einfach aus dem Zwang dieser komplizierten Übergangslösung folgende Regelung.
Da muß man sich nun doch sagen, daß das Splitting gewiß allerlei gegen sich hat; man kann Einwände gegen das Splitting erheben. Aber gegen welches System nicht, Herr Seuffert? Können wir wirklich ein ideales System des Steuertarifs finden? Wir werden von unserer Erde nicht in den Platonischen Ideenhimmel hinaufsteigen können. Wir müssen das tun, was am besten ist. Das Splitting hat zunächst einmal für sich den Vorteil einer großen Einfachheit. Es hat den Vorteil, daß die Verwaltung wesentlich besser mit dem Splitting als mit jeder anderen Methode arbeiten kann, sei es die Methode der Freibeträge, sei es die Methode der getrennten Besteuerung. Und es hat noch einen anderen Vorteil; es werden nämlich jene vielen individuellen, gelegentlich zu Recht bestehenden Unterschiede hier nicht berücksichtigt; man kann sie einfach nicht berücksichtigen, ohne unser Recht überhaupt, nicht nur das Steuerrecht, aufzulösen. Ehemann und Ehefrau werden steuerlich in einer, ich möchte sagen, nahezu vollkommenen Weise gleichmäßig behandelt. Das hat uns, insbesondere auch meine Freunde von der Landesgruppe der CSU, dazu bewogen, schon 1955 immer wieder mit dem Bundesfinanzminister in Verbindung zu treten und von ihm zu fordern, daß ein Tarif mit dem Grundgedanken des Splitting eingeführt werde.
Die Freibeträge, die uns damals einmal genannt worden sind, sollten Unterscheidungen bringen zwischen Ehegatten, die Arbeitseinkommen haben, und solchen, die Einkünfte aus Kapitalvermögen beziehen, solchen, bei denen die Ehefrau im Betrieb mitarbeitet und dergleichen mehr. Wir wollen mehr, und das ist mit diesem Tarif erreicht, mag er im einzelnen Unvollkommenheiten zeigen; die werden wir im Ausschuß miteinander bereden müssen. Zum erstenmal ist die Hausfrau, ist die oft gleichförmige Arbeit der Hausfrau, die oft entsagungsvolle Tätigkeit der Hausfrau und die Tätigkeit der Hausfrau, die doch wohl auch besondere ethische Anforderungen stellt, in einem Steuergesetz, in einem Steuertarif zu ihrem vollen Recht gekommen.
({1})
Das halte ich als den entscheidenden Vorteil des Splitting fest.
({2})
- Das ist bereits vorhin gesagt worden, daß Sie eine Progression mit der Progression bekämpfen wollen, und dann sind wir uns auch nicht ganz einig, Herr Seuffert, über die Höhe der Steuersätze. Ich komme auf diesen Punkt noch einmal zurück.
In der Folge der Punkte, die ich Ihnen vorhin aufgeführt habe, möchte ich nur noch kurz darauf hinweisen, was dieser Tarif alles für die kinderreiche Familie, für die Familie überhaupt bringt. Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, sich einmal die Mühe zu machen, die Tabelle auf Seite 35 der Drucksache 260 aufzuschlagen, in der in einer Gegenüberstellung der Tarife von 1949 bis 1958 dargestellt wird, von welchem Einkommen ab eine Familie nach dem neuen Tarif überhaupt erst zur Steuer herangezogen wird. Ich nehme ein Ehepaar mit zwei Kindern. Der Beginn der Steuerbelastung lag im Jahre 1949 bei einem Einkommen von 2175 DM, im Jahre 1957 bei einem Einkommen von 5987 DM. Nach dem neuen Tarif beginnt die Steuerbelastung erst bei einem Einkommen von 7231 DM.
({3})
Ich nehme einen Verheirateten mit vier Kindern. Da lag der Beginn der steuerlichen Belastung im Jahre 1949 bei einem Einkommen von 3575 DM, 1957 bei einem Einkommen von 9337 DM. 1958, also nach dem neuen Tarif, hat diese Familie mit vier Kindern Steuern erst dann zu bezahlen, wenn sie ein Einkommen von 10 831 DM erreicht; bei fünf Kindern sind es sogar 12 631 DM.
({4})
Ich meine, das sind außerordentlich erfreuliche Zahlen.
({5})
Wir haben noch niemals so weitgehende Vergünstigungen für kinderreiche Familien gehabt, und wir sollten stolz darauf sein, daß eine Bundesregierung heute, in einer gewiß nicht leichten finanzpolitischen Lage, einen solchen Entwurf vorlegt.
({6})
Nun zur Frage der Ledigenbesteuerung. Ohne Zweifel bringt ein Splitting-Tarif - das ist einer der Einwände, die man machen kann - eine gewisse Mehrbelastung der Ledigen mit sich; das ist richtig. Aber ich halte es für sehr erfreulich, daß in diesem Tarif von einer Ledigen- oder Junggesellensteuer im alten Sinne überhaupt nicht die Rede sein kann. Sie brauchen sich dazu nur die Tabellen anzusehen und die geringen Erhöhungen, die der Ledige nach dem Entwurf in Kauf nehmen muß. Ich behaupte ja nicht, daß dieser Entwurf sakrosankt
ist. Im Gegenteil, wir werden ihn uns gerade nach dieser Richtung genau ansehen und werden gemeinsam mit den Vertretern des Bundesfinanzministeriums versuchen, Wege zu finden, die allem gerecht werden, was man billigerweise verlangen kann.
({7})
- Jawohl, Frau Kollegin. Ich glaube auch, daß ich das hier in aller Offenheit getan habe.
Nun zu der Spitze des Steuersatzes, zu der Spitze von 53 °/o. Ich habe vorhin einige allgemeine Bemerkungen über hohe Steuern gemacht. Hohe Steuern sind, insbesondere wenn sie einen gewissen Prozentsatz übersteigen, Gefahren für den Bestand der Wirtschaft.
({8})
Das gilt insbesondere auch für hohe Personalsteuern. Meine Damen und Herren und Herr Seuffert, ich bitte Sie, mir einen Fachmann auf volks- und finanzwirtschaftlichem Gebiet, einen Volkswirt, einen Finanzwirt zu nennen, der nicht in den letzten Jahren die Überzeugung vertreten hätte, daß 50 % ein Satz sei, hinter dem nun einmal unbedingt aufgehört werden müsse,
({9})
weil das - so begründen es viele - eine psychologische Grenze sei.
Herr Kollege Dr. Eckhardt, ich bitte Sie, mir einen Fall zu nennen, in dem ein wirtschaftlicher Nachteil für unsere gesamte Wirtschaft durch die derzeitige Höhe der Steuerbelastung bei diesen Einkommen eingetreten ist. Ich habe ja noch gar nicht davon gesprochen, was diese Einkommen zahlen könnten, sondern nur davon, daß sie nicht weniger zahlen müssen als bisher.
Meines Erachtens geht die Art der Betriebsausgabengebarung und manche in den Jahren nach 1948 eingerissene Unsitte zu einem großen Teil ausschließlich auf die überhöhten Steuersätze zurück und auf den Verstoß gegen das Rationalprinzip der Wirtschaft, den man in der Steuerpolitik begangen hat, vielleicht hat begehen müssen. Das ist meine Überzeugung.
({0})
Zu der Spitze von 53 % noch eines! Gewiß kann man sich darüber unterhalten, ob man statt 53 % 55 % nehmen soll. Das werden wir im Finanzausschuß tun. Gründe des Haushalts könnten vielleicht für einen Satz von 55 % sprechen. Erstens sind gegen diesen Satz von 55 % allgemeine Gesichtspunkte ins Feld zu führen - ich habe sie eben kurz hervorgehoben -, zweitens darf im Zusammenhang damit die Frage des Wettbewerbs von Personenfirmen, großen Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften nicht vernachlässigt werden. Ich würde es auch nicht für glücklich halten, wenn die Spitzensätze der Körperschaftsteuer und der Einkommensteuer allzusehr voneinander abwichen. Das muß vorsichtig und mit Überlegung geprüft werden.
Jedenfalls stehe ich zu der Meinung, daß eine Senkung von Steuersätzen nicht nur im Interesse der Wirtschaft liegt. Niedrige Steuersätze sind nicht nur mit einer Utilité sociale, d. h. mit irgendwelchen sozialen und wirtschaftlichen Überlegungen zu begründen, wie es manche getan haben, sondern hier geht es um ganz andere, um grundsätzliche Fragen, auch um die Respektierung des Eigentums. Denn ohne Eigentum, so hat ein bedeutender evangelischer Theologe gesagt - die Enzykliken des Papstes bestätigen es in gleicher Weise -, gibt es kein freies Personenleben. Ich behaupte, daß die stärksten und wichtigsten Begrenzungen des Eigentums, wenn auch vielleicht nicht durch Eingriffe im einzelnen, so im allgemeinen doch durch die Steuern vorgenommen werden. Darauf beruht ihre große wirtschaftliche Bedeutung, ihre Bedeutung aber auch in moralischem Sinne; denn man kann Steuergesetze nicht formulieren, nicht betrachten, nicht auslegen, ihre Ziele nicht erkennen, wenn man nicht zunächst von diesen grundlegenden Tatsachen ausgeht. So viel zur Spitze.
Das, was ich hier ausgeführt habe, ist oft gesagt worden, und es ist bis heute eigentlich, nämlich bis zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Seuffert, niemals bestritten worden. Auch die amerikanische Wissenschaft steht auf dem Standpunkt, daß es sich bei dem Satz von 50 % um eine psychologische Grenze handele; ich möchte sagen, nicht nur um eine sozialpsychologische Grenze, sondern auch um eine Grenze des Rechtsgefühls, was mir noch mehr zu bedeuten scheint.
Zum Problem des Proportionalsatzes will ich mich deswegen kurz fassen, weil sich viele meiner verehrten Vorredner bereits darüber ausgesprochen haben und Herr Seuffert diesen Gedankengängen - in diesem Fall glücklicherweise - nahesteht. Der Proportionalsatz von 20 % für Eheleute bis zu einem Einkommen von 16 000 DM, für Ledige bis zu einem Einkommen von 8000 DM hat in Verbindung mit dem Freibetrag - oder nennen Sie es Manipulierungsbetrag - von 1680 DM die Wirkung, daß 3 Millionen Steuerpflichtige aus der Steuerpflicht ausscheiden; 95 % aller Steuerpflichtigen werden vom Proportionalsatz erfaßt. Das ist eine sehr erfreuliche Tatsache vom Gesichtspunkt der Verwaltung, der Vereinfachung unserer Verwaltung und der Vereinfachung unseres Rechts.
Die Tatsache, daß 3 Millionen aus der Steuerpflicht herausfallen, ist eben von meinen Herren Vorrednern zum Anlaß genommen worden, eine Debatte über Personensteuern im Rahmen etwa der Gemeindepolitik zu beginnen. Ich will mich hier keinesfalls zum Befürworter einer solchen Personensteuer machen. Ich bin der Ansicht, daß diese Frage in einer besonderen Diskussion geklärt werden müßte und daß wir uns dieses schwierige und wichtige Problem für die vom Herrn Bundesfinanzminister angekündigte weitere Etappe der Reformen
vorbehalten sollten. Das heißt, ich möchte hier weder ja noch nein sagen. Ich möchte Sie, Herr Seuffert, aber doch darauf hinweisen, daß gerade die Beteiligung aller Kreise, die überhaupt zu der EinkommensBildung in der Nation beitragen, an der Steuerpflicht eine Forderung ist, die nicht etwa zu dem Zweck erhoben worden ist, die kleinen Einkommen steuerlich besonders zu erfassen oder die kleinen Einkommensempfänger zu drücken. Vielmehr handelt es sich um eine Forderung, die sich auch in den meisten wissenschaftlichen Darlegungen zu dieser Frage findet. Ich möchte einmal kurz auf die sehr interessanten Ausführungen von Blumenstein in seiner Schrift über das schweizerische Steuersystem hinweisen, in denen er die Notwendigkeit einer sogenannten Aktivbürgersteuer bei kleinen Einkommensempfängern aus allgemeinpolitischen Gründen darlegt und in denen er sich über die Urabstimmungen in dieser unmittelbaren Demokratie
- einer der wenigen unmittelbaren Demokratien der Welt - zu dieser Frage äußert. Ich möchte Sie weiter auf die sehr wertvolle Rektoratsrede von Wackernagel in Basel hinweisen, in der mit zumindest sehr guten Gründen geltend gemacht wird, daß das Prinzip der Gleichmäßigkeit - nämlich in der Form der Allgemeinheit der Besteuerung
- eine Beteiligung der allerweitesten Kreise an den Lasten fordert.
Ich habe nicht gesagt, Herr Seuffert, daß ich mich hier für die Personensteuer aussprechen will. Einer eingehenden Diskussion ist diese Frage aber um so mehr wert, als selbst im Bereich der Bundesrepublik die Vertretung etwa der kleineren Gemeinden sich für eine solche Besteuerungsform ausgesprochen hat, und Sie können wohl nicht leugnen, daß es auch kommunalpolitisch gesehen geradezu ein Unglück ist, daß über die Lasten einer Gemeinde mehr oder weniger von denen entschieden wird, die an diesen Lasten nur indirekt, aber nicht direkt mittragen.
({1})
Ich verzichte wegen der vorgeschrittenen Stunde darauf, noch auf Einzelheiten der Gesetzentwürfe einzugehen. Es bleibt uns eine sehr schwierige, aber auch lohnende Arbeit im Finanzausschuß. Ich bin nach unseren bisherigen Erfahrungen überzeugt, daß Herr Seuffert zu einem erfreulichen Ergebnis der Arbeit im Finanzausschuß beitragen wird. Wir müssen uns - um ein sokratisches Wort zu gebrauchen - im Finanzausschuß bemühen, in der Vielfalt und Fülle dieser Dinge zu erkennen, was gerecht und was ungerecht ist. Kritische Bemerkungen werden nicht fehlen.
Es ist einleuchtend, daß wir eine Reihe von Verbesserungswünschen haben. Ich möchte den Herrn Bundesfinanzminister z. B. ausdrücklich auf eine der letzten Entschließungen des Bundestages hinweisen, auf den Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, DP und FVP zur dritten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung steuerlicher Vorschriften. Er lautete: die Bundesregierung wird ersucht, in Zusammenhang mit einer Neuregelung von Vorschriften des Einkommensteuerrechts zu prüfen, in welcher Weise den Angehörigen freier Berufe eine entsprechende steuerliche Behandlung gewährt werden kann. Ich halte das für ein sehr wichtiges Problem. Ein ebenso wichtiges Problem - das ich hier nicht vertiefen kann - ist das der mittelgroßen, der personenbezogenen Firmen, der Familienkapitalgesellschaften. Ich möchte hier nicht darauf eingehen. Wir werden Zeit und Gelegenheit genug haben, uns darüber zu unterhalten.
Es ist selbstverständlich, daß wir die Ankündigung des Herrn Bundesfinanzministers, weitere Etappen seiner Reform würden folgen, aus vollem Herzen begrüßen. Wir wünschen eine Umsatzsteuerreform, die den Notwendigkeiten der Gegenwart, die vor allen Dingen den wirtschaftspolitischen Anforderungen gerecht wird und bei der doch nicht vergessen wird, daß gerade diese Steuer so einfach wie möglich gefaßt werden sollte. Wir glauben auch, daß es Wege dazu geben wird, wenn auch die Vorarbeiten, die bisher geleistet worden sind, zum Teil in die Irre geführt haben. Bei der sehr großen Schwierigkeit der Materie und der Vielfalt der Interessen und Interessentenkreise ist das nicht zu verwundern.
Wir begrüßen es weiter, daß eine Gewerbesteuerreform, eine Reform der kommunalen Steuern, geplant ist, und wir hoffen, daß sie in dem Sinne erfolgt, daß auch hier die Einseitigkeit der Belastung gemildert wird und manche mehr antiquierte Auffassungen über diese Steuern verschwinden.
Wir werden uns im Finanzausschuß die Zielsetzungen wirtschafts-, sozial- und finanzpolitischer Art zu eigen machen können, die Sie, Herr Bundesfinanzminister, vorgetragen haben; wir stimmen ihnen zu. Wir stimmen auch darin zu, daß es über die wirtschafts- und finanzpolitischen Fragen hinaus selbst bei einem Steuergesetz noch Wichtigeres gibt, nämlich die Findung des materiellen Rechts im Sinne der materiellen Gerechtigkeit. Wenn es mir erlaubt ist, hier zum Schluß einen Leitgedanken der modernen Rechtsphilosophie zu zitieren, so möchte ich sagen: wir müssen uns bemühen, den Polarstern des „richtigen Rechts" niemals aus dem Auge zu verlieren.
({2})
Meine Damen und Herren! Im Hinblick auf die vorgeschrittene Zeit möchte ich darauf aufmerksam machen, daß wir die Absicht haben, mit der Tagesordnung heute fertig zu werden. Es sollen in einer ersten Lesung auch nur die Grundsätze besprochen werden. Ich darf die weiteren Redner bitten, dies zu beachten.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Rösch.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich wollte gerade mit dem beginnen, was der Herr Präsident eben gesagt hat. Man hat heute manchmal den Eindruck, in einer Ausschußsitzung zu sein - so werden die Einzelheiten dieser Steuergesetze beraten - und nicht in
einer ersten Lesung, bei der man sich doch über die Grundsätze klarwerden, sie bejahen oder verneinen oder erläutern sollte. Ich jedenfalls möchte in meinen kurzen Ausführungen nur einige Bemerkungen zur Ehegattenbesteuerung machen, und zwar von der grundsätzlichen Seite her.
Mir will scheinen, daß die Arbeit des Gesetzgebers, also dieses Hohen Hauses, weit über die Auswirkungen der Gesetze hinaus, im einzelnen auch die Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung unseres Volkes, unserer Bundesrepublik, sehr stark beeinflußt. Diese Beeinflussung erfolgt auch durch ein Steuergesetz. Darum ist es das besondere Anliegen meiner politischen Freunde, daß durch die Gestaltung unserer Steuergesetze keine unerwünschte soziologische Entwicklung gefördert wird.
Das gilt ganz besonders für die Gesetze über die Ehegattenbesteuerung. Die Gemeinsamkeit der Lebensführung ist ein wesentliches Merkmal der Ehe. Der unter Umständen ebenfalls gemeinsame Erwerb hat im Hinblick auf Wesen und Bedeutung der Ehe an sich nur eine Nebenwirkung. Nicht die Gemeinsamkeit des Erwerbs, sondern die Gemeinsamkeit der Verfügungsmöglichkeit über das Einkommen beider Ehegatten - ausgedrückt in der gemeinsamen Lebensführung - kennzeichnet das Wesen der Ehe auf diesem Gebiet. Ehe und Familie kann man nicht nur als die Summierung zweier Ehegatten und ihrer Kinder ansehen, sondern man muß sie als eine höhere Gemeinschaft anerkennen. Diesem Gedanken hat die deutsche Steuergesetzgebung seit vielen Jahren Rechnung getragen. Wir sind sicher weder unmodern noch weltfremd, sondern sehr gut beraten, wenn wir darauf bedacht sind, daß diese Auffassungen auch in dem neuesten Steuerreformgesetz die Grundlage der Ehegattenbesteuerung bilden.
Die Bundesregierung, insbesondere das Bundesfinanzministerium, stand seinerzeit auf dem Standpunkt, daß die Zusammenveranlagung der Ehegatten, wie sie als Grundsatz in dem früheren § 26 des Einkommensteuergesetzes niedergelegt war, im Hinblick auf das Wesen der Ehe als Gemeinschaft die beste Form der Besteuerung sei. Aber das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluß vom 17. Januar 1957 diese Form der Zusammenveranlagung der Ehegatten als Verstoß gegen Art. 6 des Grundgesetzes und damit als verfassungswidrig erklärt. Unter der damaligen Regelung mußten Personen nach der Eheschließung mehr Steuern zahlen als vorher. Darin wurde der Verstoß gegen das Grundgesetz erblickt.
Die heute vorliegende Neuordnung der Ehegattenbesteuerung trägt den Bedenken des Bundesverfassungsgerichts Rechnung, ohne daß auf das Prinzip der Zusammenveranlagung der Ehegatten verzichtet werden muß. Auch beim Splittingverfahren wird nämlich unterstellt, daß die Eheleute eine Gemeinschaft des Erwerbs und des Verbrauchs bilden. Bei dem neuen Splittingtarif wird kein Unterschied gemacht, ob die Frau oder der Mann oder beide Einkünfte beziehen, ob die Frau im Betrieb des Mannes oder in einem fremden Betrieb tätig ist. Haben sie beide die gleichen Einkünfte, so können
sie sich über die Besteuerung nach dem Splitting nicht beklagen; denn die Einkommen werden ja geteilt. Wo Verschiedenheit im Einkommen besteht, ist beim Splittingverfahren stets noch ein Progressionsvorteil vorhanden. Die Fälle aber, in denen die Ehefrau keine oder keine nennenswerten Einkünfte hat, werden dem Fall gleichgestellt, daß beide verdienen. Hieraus ergibt sich die besondere Anerkennung der Aufgabe der Ehefrau und Mutter.
Ich sprach zu Anfang davon, daß auch Gesetze die Entwicklung in unserer Gesellschaftsordnung beeinflussen. Gerade bei dieser Gelegenheit möchte ich der Hoffnung Ausdruck geben, daß die besondere Anerkennung der Aufgabe der Ehefrau als Hausfrau und Mutter über diese Steuerreformgesetze hinaus in allen Kreisen unseres Volkes wieder beachtet wird.
({0})
Vielleicht kann diese neue Art der Ehegattenbesteuerung ein wenig dazu helfen, daß die eine oder andere bisher berufstätige Mutter die außerhäusliche Berufsarbeit aufgibt und erkennt, daß Ehefrau und Mutter sein nicht nur im Sinne der Steuergesetze, sondern auch in Wirklichkeit ein das Leben voll ausfüllender Beruf ist.
Ich spreche nicht von denen, die leider durch die wirtschaftliche Lage der Familie auch heute noch gezwungen sind, einem Erwerb nachzugehen, sondern ich meine die nicht geringe Anzahl von Frauen, die ohne Not und wirtschaftlichen Zwang einen Beruf ausüben und ihr kostbarstes Gut, ihre Kinder, ohne Bedenken ganz sich selbst überlassen und das Nur-Hausfrau-und-Muttersein als unbefriedigend und das Leben nicht ausfüllend bezeichnen.
Im einzelnen bedürfen verschiedene Bestimmungen des Entwurfs natürlich noch einer Nachprüfung. Dazu gehört z. B. die Frage, ob die steuerliche Entlastung der kinderreichen Familien im Vergleich zu den kinderlosen Familien nicht noch verbessert werden könnte. Ich gehe nicht so weit, zu sagen, wie es kürzlich jemand tat, das Splitting sei zwar ehefreundlich, aber familienfeindlich. Nein, im Gegenteil! Aber die einzelnen Dinge müssen vielleicht doch noch im Ausschuß näher überprüft werden.
Immerhin ist aber, wie der Herr Finanzminister heute nachmittag ausführte, durch die Erhöhung der Kinderfreibeträge erreicht worden - und das ist im Interesse der Familienpolitik erfreulich -, daß sich die. Kinderermäßigung bei Einkommen bis zu 10 000 DM jährlich genauso auswirkt wie bisher ohne Splitting. Das ist doch ein ganz großer Vorteil. Der Kinderfreibetrag ist jetzt für das erste Kind von 720 auf 900 DM, für das zweite Kind auf 1680 DM und für das dritte Kind auf 1800 DM erhöht worden. Die Mehrzahl der kinderreichen Familien hat kein Einkommen von mehr als 10 000 DM jährlich. Deshalb ist, glaube ich, durch diese gesetzliche Bestimmung die Garantie dafür gegeben, daß die Mehrzahl der kinderreichen Familien von diesem Gesetz wirklich einen Vorteil hat.
Zu den weiteren Fragen, die im Ausschuß noch zu behandeln sind, brauche ich mich nicht mehr zu äußern. Sie sind hier heute nachmittag schon von
vielen Seiten angesprochen worden. Ich möchte nur zum Schluß sagen: mir lag ganz besonders daran, bei all diesen Zahlen und Paragraphen die grundsätzlichen Dinge nicht zu übersehen. Wir müssen uns wieder einmal darüber klarwerden, daß jedes Recht, das wir setzen, nicht nur materiell, sondern auch ideell in unser Volk hineinwirkt. Dafür, wie es wirkt, haben wir dann ebenso die Verantwortung zu tragen.
({1})
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Diemer-Nicolaus.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kollegen! Herr Kollege Eckhardt hat seine Ausführungen geschlossen, indem er auf den Polarstern des richtigen Rechtes hinwies. Wie schwer es ist, diesen Polarstern des richtigen Rechts zu finden, hat gerade die Entwicklung der Ehegattenbesteuerung gezeigt. Ich habe mir heute die verschiedenen Reden und besonders das, was Sie, verehrte Frau Kollegin Rösch, soeben für die Familie gesagt haben, angehört. Auch wenn ich damals noch nicht im Bundestag gewesen bin, so weiß ich doch, daß die gleichen schönen Sprüche zugunsten der Familie auch für die gemeinschaftliche Veranlagung gesprochen worden sind. Vor allem der seinerzeitige Herr Bundesfinanzminister Schäffer ist immer - das war sein Steckenpferd - für die gemeinschaftliche Veranlagung eingetreten.
Sehr geehrter Herr Kollege Neuburger, Sie haben vorhin Ihre damaligen Ausführungen zitiert. Ja, hätte man damals schon gewollt, dann hätte man damals schon den Tarif schaffen können, der jetzt möglich ist.
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Damals war eben der Einfluß des Herrn Wuermeling außerordentlich stark.
({1})
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie um etwas Ruhe für die Rednerin.
Es ist richtig, ich war damals noch nicht hier.
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- Das bezweifle ich sehr lebhaft. Besser gelaufen ist es erst jetzt. Die Forderung wurde damals schon von meiner Fraktion vertreten. Besser gelaufen ist es erst jetzt, nachdem sich glücklich das Bundesverfassungsgericht dieser Sache angenommen und in dem Beschluß vom 17. Januar 1957 eindeutig klargestellt hat, daß die immer wieder mit Familienfreundlichkeit verteidigte gemeinschaftliche Veranlagung mit unserem Grundgesetz nicht vereinbart werden kann. Damals wurde von unserer verehrten Alterspräsidentin Frau Dr. Lüders das Wort von der „Ehestrafsteuer" ad exemplum gezeigt und der Grundsatz ganz klar herausgestellt: Niemand darf deshalb, weil er verheiratet ist, mehr Steuern zahlen als vorher.
({1})
- Sehr richtig? Es freut mich, daß Sie inzwischen auch zu dieser Auffassung gekommen sind. Ich muß auch sagen, als ich heute die Rede des jetzigen Herrn Bundesfinanzministers Etzel hörte, hat sie mich in großen Teilen - das hat schon Herr Atzenroth gesagt - sehr sympathisch und angenehm berührt. Man freut sich immer, wenn aus Saulussen Paulusse werden, meine Herren!
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Aber wie steht es nun mit diesem Bündel von Reformvorschlägen, das uns vorgelegt wurde? Ist es wirklich die echte Steuerreform, die anstand? Ich kann jetzt auf Einzelheiten nicht mehr eingehen, aber folgendes ist doch festzustellen: Es ist zunächst gerade nur das an Reformvorschlägen gemacht worden, was einfach auf Grund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts erfolgen mußte.
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Der damalige Finanzminister Schäffer hat immer darauf hingewiesen - und auch der Herr Bundesfinanzminister hat die Zahl genannt -, daß die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts 1,335 Milliarden koste. Diese Zahl nannte Herr Schäffer immer. Er sagte, deswegen können wir die Reform nicht machen, und nun mußte auf Grund des Urteils der andere Tarif geschaffen werden.
Auf der anderen Seite hat der Herr Bundesfinanzminister ganz mit Recht schon in der gemeinschaftlichen Sitzung der verschiedenen Ausschüsse - aber auch heute im Plenum - darauf hingewiesen, daß man bei einer Reform des Steuerrechts nicht von den Mitteln absehen könne, die nun einmal für den Bundeshaushalt erforderlich seien. Er erklärte, daß die Belastung von 1,3 Milliarden untragbar sei. Jetzt mußte ein Tarif geschaffen werden, der immerhin doch noch so viel übrig läßt, daß der Etat nicht zu stark belastet wird. Trotz der Einführung des Splitting haben wir jetzt einen Tarif, der einen saldierten Mindererlös von nur 350 Millionen aufzeigt.
Ich glaube, es muß im Ausschuß eingehend geklärt werden, wo denn diese Milliarde Unterschied zwischen dem ursprünglichen Tarif und dem jetzigen geblieben ist. Es muß geklärt werden, wohin diese Milliarde verschwunden ist; wir haben jetzt ja nur diesen saldierten Mindererlös von 350 Millionen. Wir werden danach fragen, welche Steuergruppen davon am stärksten betroffen sind.
Wenn Sie sich einmal die Tabelle ansehen, werden Sie feststellen, daß gerade bei den Einkommen zwischen 5000 und 15 000 Mark die jetzige Kurve sich am stärksten der früheren Kurve nähert. Damit ist eine andere Frage angeschnitten, nämlich die, ob dieser Tarif geeignet ist, eine absolut mittelständische Politik zu fördern. Daß Sie, Herr Kollege Seuffert, und Ihre Fraktion das Splitting ablehnen würden, wußte ich vorher.
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Darüber ist auch schon vorher geschrieben worden, und die Gewerkschaften haben zu dem Splitting-verfahren Stellung genommen. Die entsprechenden Einwendungen wurden erhoben.
Aber bei Ihren Ausführungen, Herr Kollege Seuffert, haben Sie vor allen Dingen eins nicht bedacht - als Sie über den Arbeitnehmerfreibetrag sprachen -, daß es nämlich den kleinen Handel und den kleinen Mittelstand gibt, der aber nicht in einem Arbeitnehmerverhältnis steht. Wenn Sie nur für die Arbeitnehmer einen derartigen Freibetrag schafften, würden Sie wieder gegen einen Grundsatz verstoßen, der leider gerade bei Steuergesetzen gar zu sehr außer acht gelassen wird: gegen den Grundsatz der Steuergleichheit. Dieser Grundsatz wäre damit wieder absolut durchbrochen.
({5})
Wir vertreten folgende Auffassung: Wenn jetzt die Reform durchgeführt wird, dann gilt es, alle Maßnahmen im Hinblick auf wenige prinzipielle Gesichtspunkte zu überprüfen. Einer der wichtigsten Gesichtspunkte - das wurde heute immer wieder betont - ist der der Steuergerechtigkeit. Das richtige Recht ist hier so schwer zu finden. Vor allen Dingen geht es hier aber auch um den Grundsatz der Gleichheit und der Gleichmäßigkeit der Besteuerung, und deshalb sollten doch noch einmal die Sondervergünstigungen, soweit sie aufrechterhalten werden, sehr eingehend im Finanzausschuß mit Rücksicht auf diesen Grundsatz überprüft werden.
Dann etwas anderes. Es ist von der Verwaltungsvereinfachung, ja überhaupt von der Steuervereinfachung gesprochen worden. In bezug auf die Verwaltungsvereinfachung ist die Einführung des proportionalen Tarifs wirklich ein guter Vorschlag. Aber ich weise nur auf die letzte Entschließung des Bundes der Steuerbeamten hin. Diese haben geäußert, daß der Durchbruch zur echten Vereinfachung mit Ihren materiellen Vorschlägen, Herr Bundesfinanzminister, noch nicht erreicht ist, weil nämlich die Sonderbegünstigungen aufrechterhalten geblieben sind und weil hiermit eine besonders große Verwaltungsarbeit verbunden ist.
Mir wurde gesagt, die Steuerbeamten hätten sich schon einmal gegen die Steuergesetze gewendet und 70 Abgeordnete im 2. Deutschen Bundestag, besonders, meine sehr verehrten Damen und Herren von der CDU, aus Ihrer Fraktion, hätten sich dieser Sache angenommen. Die Steuerbeamten hätten schon damals gesagt, wenn hier wirklich vereinfacht würde, könnten 15 000 Steuerbeamte eingespart werden. Aber zu irgendeinem positiven Ergebnis hat, scheint's, diese Aufnahme der Vorschläge der Steuerbeamten nicht geführt.
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- Um so erfreulicher; gut Ding braucht manchmal sehr viel Weile.
Aber nicht nur die verwaltungsmäßige Vereinfachung ist erforderlich, sondern vor allen Dingen
die Vereinfachung der Steuergesetze. Eine Reihe von Problemen sind überhaupt noch nicht angesprochen worden, z. B. die Frage der Bagatellsteuern. Meine Damen und Herren, mir liegt hier die Zusammenstellung des Bundes der Steuerzahler über die Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden und die Einnahmen des Lastenausgleichsfonds aus dem Jahre 1956 vor. Dabei kommt der Bund der Steuerzahler zu dem Ergebnis, daß die sechs größten Steuern - das sind Umsatzsteuer, Lohnsteuer, veranlagte Einkommensteuer, Gewerbesteuer, Körperschaftsteuer und Tabaksteuer - zusammen mit den an 7. Stelle stehenden Zöllen 76 % des Gesamtaufkommens bringen und sich die restlichen 24 % auf 40 Steuern verteilen. Dabei sind Steuern mit einem Aufkommen von 0,002 %, 0,03 % usw. und so fort. Dabei sind auch Steuern mit merkwürdiger Entstehungsgeschichte; ich denke nur an die Leuchtmittelsteuer. Wenn wir schon an eine Reform gehen, sollten wir diese materielle Steuervereinfachung nicht außer acht lassen, sondern noch einmal eingehend prüfen, inwieweit bei den Bagatellsteuern der Verwaltungsaufwand zu dem Ertrag in einem angemessenen Verhältnis steht. Allerdings hat sich Herr Kollege Dresbach in der ,.Frankfurter Allgemeinen" seinerzeit für die Aufrechterhaltung der Bagatellsteuern unter dem Motto „Kleinvieh macht auch Mist" ausgesprochen. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, diese kleinen Steuern ärgern auch wieder den Steuerpflichtigen.
Da heute schon von Kapitalbildung und Vermögensbildung gesprochen worden ist, möchte ich noch auf eine Steuer hinweisen, die ich in einer Wirtschaft, die die Eigenverantwortlichkeit des einzelnen wünscht, eigentlich als sehr merkwürdig empfinde, nämlich die Versicherungssteuer. Wenn jemand so verantwortungsbewußt ist, für seinen Lebensabend, für seine Familie von seinem verdienten Geld auf privater Grundlage zu sorgen, dann wird er bestraft, indem er noch zusätzlich die Versicherungssteuer zahlen muß.
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Ist das eigentlich richtig? Paßt so etwas noch in unser System hinein? Sie sehen: Fragen über Fragen!
Im Zusammenhang mit dem Splitting noch folgendes. Man hat gesagt: Ja, von Junggesellen ist heute nicht die Rede. Es ist auch mit Recht darauf hingewiesen worden, daß die unverheirateten Frauen zum großen Teil gegen ihren Willen unverheiratet geblieben sind, weil die Männer, die für sie in Frage gekommen wären, aus dem Kriege nicht mehr zurückgekommen sind. Es ist für diese Frauen natürlich besonders bitter, wenn sie, die schon auf das Familienglück für sich verzichten müssen, jetzt, wenn auch nur in geringem Umfange, noch zusätzlich Steuern für die anderen zahlen müssen. Es sollte im Ausschuß überlegt werden, einen Weg zu finden, diese wenn auch vielleicht nur geringfügige Mehrbelastung wegfallen zu lassen.
Etwas zu den kinderlosen Ehepaaren. Meine sehr verehrten Kollegen, es handelt sich durchaus nicht nur um Ehepaare, die keine Kinder haben, sondern
auch um die Ehepaare, deren Kinder groß sind, so daß sie nicht mehr die Steuergruppe III bekommen. Aber die Familie wächst mit den großen Kindern noch weiter. Den Eltern, die sich schwer getan haben, die Kinder großzuziehen, Studium und Berufsausbildung zu bezahlen, wäre es ganz angenehm, wenn sie auch einmal aufschnaufen könnten und nicht gleich wieder mehr Steuern bezahlen müßten.
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Auch das gehört zu dem Problem der Familie.
Zu der Rede des Herrn Bundesfinanzministers möchte ich in einem Punkte zurückkommen, der in der Diskussion noch gar nicht behandelt worden ist, von dem es mich aber freut, daß er vom Herrn Bundesfinanzminister angeführt wurde: daß wir bei diesen Steuerreformplänen auch sehen müssen, wie sich die Reform auf die Länder und letzten Endes auf die Gemeinden auswirkt. Der Steuerverbund, der durch die Aufteilung von Einkommen- und Körperschaftsteuer vorhanden ist, hat natürlich sehr maßgebliche Auswirkungen für die Länder und für die Gemeinden. Entweder haben die Länder den Steuerverbund mit den Gemeinden - wie das in Baden-Württemberg der Fall ist -, oder sie machen von sich aus jährlich entsprechende Finanzzuweisungen an die Gemeinden. Da kommt es schon auf das an, was ihnen zur Verfügung steht.
Der Herr Bundesfinanzminister hat darauf hingewiesen, daß sich allerdings Beträge ergeben haben, die auch für die Länder von großer Bedeutung sind. Er nannte hierbei die Zahlen für die Wiedergutmachungsleistungen. Es hat sich nun ergeben, daß die Anforderungen ein Mehrfaches von dem betragen, was ursprünglich für die Wiedergutmachungsleistungen vorgesehen war. Wenn ich die Zahlen höre, die genannt worden sind - 1,3 Milliarden DM für den Bund, entsprechend der gleiche Betrag für die Länder -, so kann ich mir die Sorgen und Nöte der Länder vorstellen, wie sie diese Beträge aufbringen sollen. Für die nächsten fünf Jahre 13 Milliarden beim Bund; das sind 13 Milliarden DM wiederum bei den Ländern. Da darf man es den Ländern nicht übelnehmen, wenn sie sagen, diese Beträge müssen gegenseitig abgestimmt werden, und wenn die Länder zu der Auffassung kommen, daß auch die Voraussetzungen nach Artikel 106 Absatz 4 des Grundgesetzes gegeben sind.
Im 2. Bundestag haben Sie sich eingehend auch mit kulturellen Problemen befaßt, nämlich mit der Förderung der Wissenschaft, mit den Schulhausbauten. Das sind Dinge, die hier im Bundestag zur Sprache gekommen sind, obwohl das echte kulturelle Aufgaben der Länder sind. Warum denn, meine Damen und Herren? Doch deshalb, weil sich gezeigt hat, daß den Ländern einfach nicht mehr ausreichende Mittel zur Erfüllung dieser Aufgaben zur Verfügung gestanden haben und aus diesem Grunde vom Bund aus zusätzlich etwas getan werden mußte, Die Länder weisen in ihrer Denkschrift darauf hin, daß sie für Wissenschaft und Forschung jährlich 3 Milliarden brauchen. Sie weisen weiter auf den einmaligen Zuschußbedarf von 8 Milliarden für den Ingenieurnachwuchs, den Neubau von Ingenieurschulen usw., die für die Industrie von größtem Wert sind, hin. Das bedeutet in Zukunft einen. weiteren Jahresmehraufwand von 1,6 Milliarden. Das muß natürlich berücksichtigt werden, wenn es um den Ausgleich und praktisch darum geht, welcher Prozentsatz der Einkommen- und der Körperschaftsteuer den Ländern und welcher dem Bund verbleiben muß. Ich finde es nämlich immer noch einfacher, das wird dabei berücksichtigt, als daß das Geld zuerst zum Bund fließt und, wie das seinerzeit unter dem Finanzminister Schäffer der Fall gewesen ist, nachher wieder im Betrage von 200 Millionen darlehnsweise dem bayerischen Staat zur Verfügung gestellt wird.
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- Ja, warum denn nicht? So wie es das Grundgesetz verlangt, Frau Kollegin Weber!
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- Herr Kollege Neuburger, wenn Sie die Rede von Herrn Bundesfinanzminister Etzel aufmerksam angehört oder gelesen haben, dann werden Sie festgestellt haben, daß diese Dinge auch nach der Auffassung von Herrn Finanzminister Etzel in diesen Rahmen gehören.
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Über die Gemeinden und das Problem der Gewerbesteuer ist hier schon gesprochen worden. Es ist wirklich die Frage, ob man so weit gehen kann, einen so großen Prozentsatz, nämlich 10 Millionen, aus der Steuerverpflichtung gegenüber dem Staat zu entlassen. In diesem Zusammenhang ist erklärt worden, daß es bei den Gemeinden so etwas wie eine Bürgersteuer nicht mehr gibt. Pläne, in dieser Hinsicht eine Personalsteuer zu schaffen, wurden hier offenkundig. Es handelt sich dabei um eine sehr wichtige Frage. Die Abhängigkeit einer Gemeinde nur von der Gewerbesteuer kann zu untragbaren Ergebnissen führen. Denken Sie an das Beispiel von Neckarsulm! Infolge des Produktionsrückgangs von NSU sind die Gewerbesteuererträge innerhalb der letzten zwei Jahre so stark gesunken, daß die Stadt Neckarsulm heute Mühe und Not hat, ihre wichtigsten Aufgaben zu finanzieren. Über diese Dinge wird später eingehend gesprochen werden müssen.
Wenn Sie jetzt 10 Millionen Menschen aus ihrer Steuerpflicht entlassen wollen,
({12})
dann gehen Sie doch von der Voraussetzung aus, daß nach wie vor entsprechend hohe Einkommen zur Verfügung stehen, die die erforderlichen Lasten tragen können. Wir sehen alle nicht in die Zukunft. Denken Sie nur an das, was uns gestern in die Schließfächer gelegt worden ist! In den ersten drei Quartalen des Jahres 1957 haben sich die Einnahmen sehr nachteilig entwickelt. Wir haben außerordentliche Mindereinnahmen an Steuern zu ver812
zeichnen - das Steueraufkommen hat sich, glaube ich, nur noch um 2,3% erhöht -, während die Ausgaben sehr stark gestiegen sind. Die Diskrepanz zwischen Einnahmen und Ausgaben beträgt, wenn ich die Zahl richtig im Kopf habe, über 2 Milliarden. Das soll uns zu denken geben. Es soll uns wieder unsere Verantwortung bei den Steuerreformplänen zeigen. Es soll uns auch die Verantwortung bei dem Haushalt zeigen, der leider nicht gleichzeitig behandelt werden kann.
Auf eins muß ich noch hinweisen. Jetzt kommen die Wahlgeschenke zum Tragen, die der zweite Bundestag unmittelbar vor seiner Auflösung im Ausmaß von 5,9 Milliarden beschlossen hat. Das ist der eine große Block, der da ist. Sehen Sie sich diese Aufstellung an, und Sie werden erkennen, daß der große Block der sozialen Lasten, der große Block des Grünen Plans und die Leistungen für die Bundesbahn dazu geführt haben, daß sich das Verhältnis zwischen Einnahmen und Ausgaben so außerordentlich nachteilig entwickelt hat. Wäre nicht in den Jahren 1950 bis 1956 eine völlig falsche Finanzpolitik getrieben worden, so daß der berühmte Juliusturm nicht zur Verfügung gestanden hätte, dann wären diese Dinge auch gar nicht in diesem Umfang geschaffen worden.
({13})
Ich bedaure, daß nicht schon damals Herr Etzel Bundesfinanzminister gewesen ist. Ich habe die Zuversicht, daß bei ihm so etwas nicht mehr passiert.
({14})
Meine Herren und Damen, es ist schon spät, und im Ausschuß wird noch genügend Zeit und Gelegenheit sein, über Einzelheiten zu beraten. Wir Freien Demokraten haben nur eine Bitte: wir würden uns sehr freuen, wenn in Zukunft unsere Vorschläge und Anträge von Anfang an hier im Parlament so sorgfältig geprüft würden, wie das bezüglich unserer Forderung auf Einführung des Splitting vom Bundesverfassungsgericht geschehen ist, so daß nicht erst das Bundesverfassungsgericht dem Parlament sagen muß, was das richtige Recht ist.
({15})
Wir sehen in dem Gesetzeswerk nur einen ersten bescheidenen Anfang einer wirklich umfassenden Reform. Ich kann in bezug auf das, was zur Umsatzsteuer gesagt wurde, nur die Ausführungen von Herrn Preusker unterstreichen. Wir müssen an diese Probleme herangehen. Wir müssen daran denken, daß die steuerliche Grundlage das Wichtigste ist. Wir sollten uns aber davor hüten, in Steuergesetze jetzt auf einmal wieder allzuviel Ethik hineinzubringen. Herr Bundesfinanzminister, Herr Atzenroth hat schon ausgeführt, daß wir das Prämiensparen ablehnen.
({16})
Ich möchte dabei auf das hinweisen, was von einem
so maßgeblichen Gremium wie der Bundesbank im
Bericht für Januar 1958 gesagt worden ist. Die Bundesbank bezeichnete den Wert von staatlichen Sparförderungsmaßnahmen als recht problematisch. Nach diesem Bericht bringen solche Maßnahmen unvermeidlich Unruhe in den Kapitalmarkt, verfälschen das Zinsniveau und verursachen Kosten, die in keinem Verhältnis zum volkswirtschaftlichen Nutzen stehen, zumal man aus technischen Gründen nicht umhin kann, bloße Umlagerungen von bereits vorhandenen Ersparnissen in steuerbegünstigte Anlagen ebenfalls zu belohnen.
({17})
Der Kapitalmarkt muß über den Zins geregelt werden, aber nicht über die Art des Prämiensparens, wie sie hier vorgeschlagen ist. Lassen wir es bei den beiden schon bestehenden Arten, beim Versicherungssparen und beim Bausparen - das genügt - und begeben wir uns nicht in Neuland, wodurch die gewollte Vereinfachung doch wieder rückgängig gemacht wird!
({18})
Das Wort hat der Abgeordnete Krammig.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich in dieser Sternenstunde im doppelten Sinne auch noch einige Ausführungen machen. Verehrte Frau Kollegin, es wäre sehr reizvoll, Ihnen im einzelnen auf das zu antworten, was Sie vorgetragen haben. Aber da ich nicht schuld daran sein will, daß wir morgen früh noch die Debatte fortsetzen müssen, werde ich mich auf nur ganz wenige Bemerkungen beschränken.
Zunächst einmal ist in der Steuersystematik - das scheinen Sie völlig übersehen zu haben - das Splitting letzten Endes nichts anderes als eine besondere Form der gemeinsamen Besteuerung. Wir sind also den Umweg gegangen, daß wir bei der gemeinsamen Besteuerung begonnen haben und zur getrennten Veranlagung übergegangen sind, die zu unterschiedlichen Belastungen geführt hat. Das hat das Bundesverfassungsgericht veranlaßt, diese Art der Besteuerung abzulehnen. Wir sind dann wieder zum Splitting, zur gemeinsamen Veranlagung zurückgekehrt. Ich bitte Sie, sich diese Dinge auch einmal von diesem Standpunkt aus zu überlegen.
({0})
Das Bundesverfassungsgericht hat die Ungleichmäßigkeit der Besteuerung bemängelt. Wir haben daran alle in diesem Hause mitgewirkt, insbesondere auch bei den Vorlagen, die 1954 behandelt worden sind, als wir besondere Steuervorschriften eingeführt haben.
Sie haben davon gesprochen, daß man die Sonderbegünstigungen abbauen solle. Ich bin mit Ihnen einer Meinung. Aber ich bin sehr begierig auf Ihre Vorschläge im Finanzausschuß. Vielleicht schlagen Sie die völlige Beseitigung des § 7 c oder des § 7 b oder des § 10 oder sonstiger Vergünstigungen vor, z. B. der degressiven Abschreibung oder Ähnliches.
Dann wollen wir einmal sehen, ob Sie dann noch zu Ihrem Wort stehen. Das, was jetzt als Sonderbegünstigung noch im Gesetz enthalten ist, kann im Augenblick noch nicht abgebaut werden, wenn nicht schwere wirtschaftliche Schäden eintreten sollen.
Sie haben weiter gefordert, man solle die Bagatellsteuern beseitigen. Sie haben aber vergessen, hinzuzufügen, daß sich die Prozentsätze, die Sie genannt haben, auf ein Gesamtvolumen von etwa 40 Milliarden DM beziehen. Ich würde mich glücklich schätzen, wenn ich 1/2 % von 40 Milliarden DM als mein eigenes Vermögen bezeichnen könnte.
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- Das gestehe ich hier ganz offen. Ich gehöre gar nicht zu den Menschen, die immer so tun, als ob sie nicht besitzen wollten, in Wirklichkeit aber nach dem Mammon jagen.
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- Ich habe nur auf die Zwischenrufe geantwortet. Derjenige, der mir den Zwischnruf gemacht hat, kann sich den Schuh ja anziehen, er wird ihm schon passen.
({3})
Sie haben von der Wiedergutmachung gesprochen, verehrte Frau Kollegin. Sie haben aber völlig übersehen, daß auch Ihre Fraktion diesem Gesetz in vollem Umfang zugestimmt hat, daß es eines der wenigen Gesetze war, die nach gemeinsamer Arbeit von Bundestag, Bundesrat und beteiligten Ressorts einstimmig angenommen worden sind.
({4})
Sie haben auch völlig übersehen, daß der Bundesfinanzminister bei seinen Schätzungen hinsichtlich der finanziellen Belastungen, die das Gesetz bringen würde, von den Unterlagen ausgehen mußte, die ihm von den Ländern zur Verfügung gestellt waren, und daß er selber eigene Unterlagen überhaupt nicht hatte, die es ihm möglich gemacht hätten, das Ausmaß der Belastung zu errechnen. - Bitte schön, wenn Sie eine Frage stellen wollen.
Ich habe folgende Frage zu stellen: Aus den damaligen Verhandlungen ist Ihnen sicherlich bekannt, welche Zahlen hier vom Bundesfinanzministerium für die Wiedergutmachungsleistungen genannt wurden. Haben Sie jetzt den Eindruck, daß damals in vollem Umfang Aufklärung über das Ausmaß der Leistungen gegeben wurde, die mit der Ausweitung des Gesetzes in Zusammenhang standen?
Ich darf Ihnen dazu folgendes sagen. Soweit ich unterrichtet bin, handelte es sich damals in den Ausschüssen um eine Belastung von insgesamt etwa 8 Milliarden DM. Diese Belastung ist auf Grund von Unterlagen geschätzt worden, die die Länder besitzen; das darf ich noch einmal betonen. Mit dieser Belastung ist gerechnet worden. Wenn sich jetzt, zumal das Vertrauen in die Wiedergutmachungswilligkeit der Bundesrepublik sich durch die Verabschiedung des Gesetzes gestärkt hat, herausstellt, daß es nunmehr nach neuen Unterlagen 18 Milliarden sind, dann können Sie nicht den Bundesfinanzminister und die Bundesregierung dafür verantwortlich machen. Das haben Sie aber getan, Frau Kollegin.
Sie haben von den Kulturaufgaben, von ihrer Finanzierung und von dem finanziellen Beitrag des Bundes dazu gesprochen. Ich darf Sie auf das Grundgesetz verweisen, das eine Konnexität von Ausgaben- und Aufgabenverantwortung kennt, wonach diejenigen, die diese Dinge in ihrem Bereich zu verwalten haben, auch dafür sorgen müssen, daß sie die Mittel bereitstellen.
Sie haben weiter von den 5,9 Milliarden DM Wahlgeschenken gesprochen. Das hat mir weh getan. Ihre Fraktion ist es gewesen, die den umfangreichsten Antrag zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes gestellt hatte.
({0})
Wenn Sie auch das als Wahlgeschenk bezeichnen, bin ich damit einverstanden. Ihre Fraktion ist es gewesen, der der Grüne Plan auch nicht umfangreich genug war. Auch das ist ein erklecklicher Posten. Ihre Fraktion hat allerdings eines getan, wenn ich nicht irre: sie hat die Rentenneuregelungsgesetze abgelehnt, zu denen wir uns aus sozialer Verpflichtung bekannt haben.
({1})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, in der Debatte scheint mir eines nicht ganz klar herausgekommen zu sein. Deswegen möchte ich darauf noch kurz eingehen. Es ist nicht in erster Linie Aufgabe der neuen Steuersenkung, weitere Summen für den Konsum freizusetzen. Ihr liegt vielmehr die Idee zugrunde, breite Volksschichten in die Lage zu versetzen, in verstärktem Umfang Eigentum zu erwerben und Eigentum zu bilden. Das ist der Grundgedanke dieser Steuervorlagen. Eigentumserwerb aber setzt seit jeher normalerweise das Sparen voraus. Deshalb begrüßt es meine Fraktion, daß die Bundesregierung einen Gesetzentwurf vorgelegt hat, der der Spartätigkeit durch Prämiengewährung einen weiteren Anreiz bietet. Sparen in jeder Form ist förderungswürdig, wenn es nicht nur dazu dienen soll, Konsumwünsche in kurzer Zeit zu befriedigen. Die Vorlage begünstigt daher nicht nur Geldsparen, sondern auch den Ersterwerb von Aktien und Investmentpapieren. Mit dieser Konzeption sind wir einverstanden.
Würdigt man die steuerlichen Begünstigungsmöglichkeiten kritisch, so ist zunächst zu sagen, daß ihre Ergebnisse verschieden beurteilt werden. Daß die Ersparnisbildung durch den Abschluß von Lebensversicherungs- und Bausparverträgen mit Hilfe steuerlicher Maßnahmen beträchtlich gefördert worden ist, ist unbestritten. Nicht in gleichem Maße trifft dies zu für das Konten- und Wertpapiersparen, wobei dahingestellt bleiben mag, ob der geringere Effekt zum Teil auf eine unzweckmäßige Gestaltung der Methoden zurückzuführen ist. Die Bundesregierung hat aus diesen Erkennt814
nissen die Konsequenz gezogen und beläßt daher nur das Lebensversicherungs- und das Bausparen im Rahmen der Sonderausgaben des Einkommensteuerrechts. Dabei wird noch zu prüfen sein, ob die vorgesehene Herabsetzung der Höchstbeträge von 1000 auf 800 Mark jährlich angebracht ist.
Anders liegen die Dinge jedoch bei den übrigen Sparformen, deren steuerliche Begünstigung in naher Zukunft ausläuft. Ich habe schon darauf hingewiesen, daß der Effekt der Begünstigung dieser Sparformen geringer ist. Dazu kommt, daß die steuerliche Begünstigung über Sonderausgaben einen Nachteil aus der Sache heraus in sich birgt, indem nämlich die Bezieher höherer Einkommen ungleich günstiger gestellt werden als die Bezieher geringerer Einkommen. Diesen Mangel beseitigt die Vorlage und eröffnet dazu die Möglichkeit, daß auch solche Schichten der Bevölkerung in den Genuß der Förderungsmaßnahmen, sprich Prämie, kommen, die infolge ihres geringen Einkommens oder auch der Geringfügigkeit ihrer Einkommen- oder Lohnsteuerschuld die Abzugsfähigkeit von Sonderausgaben zur Minderung der Steuerschuld nicht in Anspruch nehmen konnten.
Es gibt Stimmen - Herr Kollege Atzenroth gehört dazu, auch Sie, verehrte Frau Kollegin, und ebenso der Sprecher des Finanzausschusses des Bundesrates, der im übrigen auch der FDP angehört -, die sagen, bei der sich anbahnenden Gesundung des Kapitalmarktes, bei der Zunahme der privaten Ersparnisse sollte das Sparen außerhalb der klassischen Formen überhaupt nicht mehr steuerlich begünstigt werden. Diese Stimmen übersehen einiges. Ich will weniges davon vortragen.
Daß eine breit gestreute Vermögensbildung zu einer freiheitlich-demokratischen Ordnung gehört, ist ein Teil unseres politischen Glaubensbekenntnisses.
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Eine ausgeglichene Vermögensneubildung in breiten Schichten ist ein langwieriger Prozeß, der überall da eingeleitet und weitergeführt werden muß, wo sich geeignete Ansatzpunkte dafür bieten.
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- Herr Kollege Schröter, Sie übersehen völlig, daß es sich hier um ein Grundelement unserer Politik handelt. Ich darf Sie bitten, sich das ganz besonders einzuprägen, weil es nämlich die SPD-Ministerpräsidenten waren, die im Bundesrat dieses Sparprämiengesetz abgelehnt haben.
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Die marktwirtschaftliche Ordnung bietet Ansatzpunkte für die Vermögensneubildung, der schließlich auch die Steuergesetzgebung zu dienen hat. Es mag notwendig gewesen sein, daß es in cien Aufbaujahren bei hoher Selbstfinanzierung und
unergiebigem Kapitalmarkt, aber auch verständlicherweise starker Konsumneigung nach Jahren der Entbehrung zu einer gewiß unbefriedigenden Besitzverteilung kam. Das aber darf nicht das Ergebnis der marktwirtschaftlichen Ordnung in ihrer letzten Zielsetzung bleiben. Vielmehr müssen wirtschafts- und sozialpolitische Maßnahmen nunmehr dafür sorgen, daß am Ende nicht Besitzkonzentration in wenigen Händen und auf der anderen Seite bloßes Konsumieren der Masse bei Verlaß auf die vom Staat geschaffene soziale Sicherheit stehen, sondern daß die Vermögensströme aufgelockert werden, damit die jetzt noch Vermögenslosen aus Eigenverantwortung Klein- und Kleinstvermögen bilden. Dieses Ziel anstreben - und, meine Damen und Herren, solange wir in diesem Hohen Hause die Politik verantwortlich mitbestimmen können, wird sich hieran nichts ändern - heißt, systematisch und zielbewußt auch alle individuellen Sparakte fördern, die der Vermögensbildung dienen. Daher begrüßen wir den hier vorliegenden Gesetzentwurf, dem im Rahmen der Vermögensneubildung und darüber hinaus der Kapitalmarktreform besondere Bedeutung zukommt.
Es gibt, wie ich schon angedeutet habe, Meinungen, die eine Sparförderung nicht mehr für erforderlich halten. Die Statistik verrät uns nicht eindeutig, welche Schichten unseres Volkes an der Ersparnisbildung beteiligt sind. Sie verrät uns auch nicht, was zweckgespart worden ist. Sie sagt uns aber eindeutig, daß nicht im Rahmen der Zunahme des Volkseinkommens gespart worden ist. Das aber allein ist das Entscheidende. Wollen wir von der I überhöhten Selbstfinanzierung und der Finanzierung über die öffentliche Hand, d. h. über Preise und Steuern, weg, dann müssen wir mehr sparen, breiter sparen, länger sparen, zugunsten des Kapitalmarktes sparen.
Daß diese Gedanken allmählich tiefer in das Bewußtsein unseres Volkes eindringen, zeigt z. B. das Ergebnis des Investment-Sparens. Bis heute sind etwa 400 Millionen DM zu den Fonds der Investmentgesellschaften geflossen. Neue und zusätzliche Sparerschichten sind damit sicher gewonnen worden. Diese Feststellung ermutigt und zeigt zugleich, in welcher gesellschaftspolitischen Ausgangslage wir uns befinden. Propaganda und technische Erleichterung des Sparens und Anlegens tragen zur Vermögensbildung der Unselbständigen zwar bei, aber noch lange nicht genug. So gibt es in der Arbeitnehmerschaft immer noch Faktoren, die den Sparwillen einengen oder ihn trotz wachsender Einkommen nicht zur Entfaltung kommen lassen. Langfristige Disposition über den Einkommenszuwachs muß erlernt werden, weil damit die persönliche Lebenshaltung umgestellt werden muß. Es wäre vielleicht zweckmäßig, wenn der Deutsche Gewerkschaftsbund es mit als eine seiner Aufgaben ansähe, hier mit gutem Beispiel voranzugehen und die in seinen Reihen organisierten Leute dahingehend zu belehren. Außerdem erschwert die Tatsache, daß das sich bildende Vermögen im Vergleich zum Arbeitslohn zu wenig Ertrag bringt, die Sparneigung, ja hebt sie sogar
wieder auf. Diese labile gesellschaftspolitische Situation rechtfertigt es, den kleinen Einkommensbeziehern eine nachhaltige Förderung des Dauer-und des Vermögensparens zu gewähren.
Die Bundesregierung findet unsere Zustimmung darin, daß sie die Sparleistung allein nach der Ersparnishöhe und nicht nach den Einkommensverhältnissen honoriert. So wird erreicht, daß die sittliche und soziale Qualität der Sparleistung des kleinen Mannes bei Limitierung der zu fördernden Sparhöhe im Rahmen der Möglichkeiten des kleinen Mannes herausgestellt und anerkannt wird.
Ich hätte noch einiges zu den Einwänden gegen die Sparprämie vorzutragen. Aber das können wir im Ausschuß nachholen. Mit diesem Gesetzentwurf ruft die Bundesregierung nicht allein die Sparwilligen und die erwachsenen Menschen, sondern insbesondere die jungen Menschen, damit sie, soweit sie in gutem Verdienst stehen, auch an die materielle Sicherung ihrer Zukunft in Eigenverantwortung denken.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Schmidt ({0}).
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Bundesfinanzminister hat eingangs seiner Rede einen Satz geprägt, der für unsere ganzen Verhandlungen heute sicher von Bedeutung ist: Im Staat des 20. Jahrhunderts muß der Dreiklang Wirtschaftspolitik-Sozialpolitik-Finanzpolitik angeschlagen werden, wenn keine empfindlich störende Disharmonie entstehen soll. Herr Bundesfinanzminister, das ist Ihnen in Ihrem Gesamtkonzept sicherlich gelungen, soweit die breiten Schichten, insbesondere die abhängig arbeitenden Menschen in Frage kommen. Das ist Ihnen auch sicherlich mit der Kapitalmarktförderung, mit der Förderung, der Popularisierung der Aktie gelungen.
Nur meine ich, daß in dem Kernstück der Reform, bei der Körperschaftsteuer, eine Dissonanz ist. Herr Kollege Seuffert hat in seinen Ausführungen darauf hingewiesen, und auch Sie haben bereits betont, daß eine gewisse Schicht von personenbezogenen Gesellschaften, insbesondere Familiengesellschaften, in dem Gesamtkonzept wohl nicht die gebührende Berücksichtigung gefunden hat. Die Stunde ist zu spät, als daß ich Ihnen dieses grundsätzliche Problem darlegen könnte. Herr Kollege Seuffert hat schon angedeutet, daß bei einer organischen Steuerreform eine ganz andere Vorstellung zum Zuge kommen müßte, nämlich wirtschaftliche Tatbestände steuerlich auch nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu behandeln. Wie gesagt, dieses Problem heute vor Ihnen auszubreiten und insbesondere das komplizierte Verhältnis der Personengesellschaften zu den Kapitalgesellschaften darzustellen, vor allem zu den GmbH, verbietet die Zeit.
Doch darf diese Stunde nicht vorübergehen, ohne daß nicht einmal darauf hingewiesen worden ist, daß
Kapitalgesellschaft nicht gleich Kapitalgesellschaft ist. Von den zirka 33 000 Gesellschaften mit beschränkter Haftung sind 85 % personengebunden, d. h. sie haben einen bis fünf Gesellschafter. Etwa 35 % sind Familiengesellschaften. 95 % der GmbH haben ein Kapital von weniger als 500 000 DM. Die Gewinne, die diese Gesellschaften haben, liegen etwa in der Größenordnung von 20 000 bis 80 000 DM, liegen also in der Besteuerung, insbesondere dann, wenn sie sich auf mehrere Gesellschafter verteilen, weit unter dem Proportionalsatz von 45 und jetzt erhöht 47 %. Diese mittelständische Schicht von Unternehmen kann sich nicht an den Kapitalmarkt wenden, schon deshalb nicht, weil gar keine dritten Gesellschafter gesucht werden, die sich beteiligen sollen; denn diese Gesellschaften beruhen auf dem Vertrauensverhältnis der Gesellschafter untereinander bzw. auf dem Vertrauen der einzelnen Beteiligten zu den geschäftsführenden Gesellschaftern.
Es ist offensichtlich, daß in diesem Bereich die Verhältnisse hei der Körperschaftsteuer völlig andere sind als bei den großen Kapitalgesellschaften, die zwangsläufig den Proportionalsatz erreichen müssen, auch wenn sie etwa den ganzen Betrag nach einkommensteuerlichen Gesichtspunkten versteuern müßten. Hier liegt ein Problem, das im Ausschuß einmal grundsätzlich angepackt werden muß. Die Geschichte der GmbH-Besteuerung seit 1906 in Preußen ist tatsächlich eine unrühmliche Geschichte, eine Geschichte der Systemlosigkeit sondergleichen, eines ständigen Hin und Her.
Es gibt manche Möglichkeiten, hier Wandel zu schaffen. Ich denke an das System des degressiven Proportionalsatzes, an ein System, das dem amerikanischen nahekommen würde. Ich denke an das französische System der Option, bei dem die kleinere Kapitalgesellschaft die Möglichkeit hat, zu wählen, ob sie ihre Gewinne nach Einkommensteuergrundsätzen versteuern will. Aber der fruchtbarste Gedanke scheint mir doch in der Troeger-Denkschrift zu liegen, nämlich einmal zu prüfen, ob man nicht die GmbH überhaupt aus der Körperschaftsteuer herausnehmen sollte.
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Das wäre wirtschaftlich und soziologisch sicherlich der klarste und einfachste Weg. Natürlich wird sofort der Einwand kommen: Und die Groß-GmbH? Hier kann man eine Grenze finden; darüber werden wir sicherlich im Ausschuß reden müssen.
Jedenfalls geht es darum, einmal den wirtschaftlichen und soziologischen Hintergrund dieser merkwürdigen Rechtsform zu sehen, unter deren Bezeichnung sich wirtschaftliche Tatbestände völlig verschiedener Art verbergen. Hier müssen wir, gerade um der mittelständischen Wirtschaft willen, Klarheit schaffen und zu gerechten und wirtschaftlichen Lösungen kommen.
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Das Wort hat der Herr Bundesfinanzminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will in dieser späten Stunde, die eine Sternstunde genannt wurde, nicht mehr im einzelnen auf all die vielen Probleme eingehen, die hier diskutiert worden sind. Das ist nicht der Sinn dieser Aussprache und meiner Erwiderung an diesem Abend. Ich möchte aber allen, die in diesen Stunden einen Beitrag zu dieser Diskussion geleistet haben, und auch denen, die bis fast 9 Uhr ausgeharrt haben, für das Interesse herzlich danken, das sie einem so wichtigen Werk wie dem, das hier vorliegt, zuwenden. Ich möchte auch unserer Kollegin Frau Dr. Diemer-Nicolaus dafür danken, daß sie in so später Abendstunde noch einen so herzerfrischenden Ton in die Debatte brachte, durch den sie das Haus geradezu wieder wachgerüttelt hat.
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- Ja, man kann eine Gratulation zur Jungfernrede aussprechen. Frau Dr. Diemer-Nicolaus ist nicht mehr da und hört es leider nicht.
Ich will nur zu ein paar Fragen, die mich besonders berührt haben, noch etwas sagen, und dann will auch ich schweigen. Es scheint mir in dem, was Herr Atzenroth hier ausgesprochen hat, ein grundsätzlicher Irrtum zu liegen. Er hat behauptet, ich hätte gesagt, wir wollten gar keine Steuerreform. So etwas habe ich nie gesagt. Ich habe lediglich gesagt, das grundsätzliche Verhältnis zwischen direkten und indirekten Steuern braucht durch diese Reform nicht angetastet zu werden. Daß ich aber mit diesen Vorlagen eine Steuerreform will, das dürfte ich doch sehr eindeutig erklärt haben.
Herr Atzenroth hat auch davon gesprochen, daß ich mir selbst untreu geworden sei, wenn ich jetzt wieder im Sparprämiengesetz Vergünstigungen vorschlage, nachdem ich zuvor gesagt habe, daß diese Vergünstigungen gegen die Grundsätze des Marktes verstießen. Ich könnte dazu vieles sagen; das will ich aber nicht tun. Ich möchte gerade unseren Freunden von der FDP nur erwidern: wenn ich an die beiden letzten Vorlagen denke, die Sie dem Hohen Hause vorgelegt haben, die Vorlagen über die Einfuhrfinanzierung und über die Investitionen bei der Landwirtschaft aus Anlaß der Einführung in den Gemeinsamen Markt, dann kann ich nur mit dem alten Wort sagen: „Onkel Bräsig, wir erkennen Dir nicht wieder." Das sind nämlich Maßnahmen, die mit Marktwirtschaft und Liberalismus auch am Rande nichts mehr zu tun haben.
Es ist dann gesagt worden, daß die Vereinfachungsgedanken, die wir hier vorgetragen haben und mit den Gesetzen realisieren wollen, zwar auf der Seite der Finanzämter ihren Sinn haben mögen, aber nicht auf der Seite der Betriebe. Auch hier scheint mir ein großer Irrtum vorzuliegen, denn die Einkommensbesteuerung nach dem Proportionalsatz hat doch eine große Bedeutung für die Abrechnung der Lohnsteuer. Das scheint mir wichtig und entscheidend zu sein, und darauf wollte ich hinweisen.
Frau Dr. Diemer-Nicolaus hat gesagt, wir hätten nicht über die Bagatellsteuern diskutiert. Das haben
wir in der Tat nicht getan, weil sie nicht zu den in den Vorlagen behandelten Steuern gehören. Die Bagatellsteuern stellen ein Problem dar, das interessant ist und mit dem ich mich auch sehr schnell beschäftigt habe, nachdem ich auf dem Stuhl des Finanzministers saß. Ich habe aber feststellen müssen, daß die Bagatellsteuern im allgemeinen gar keine Verwaltungsarbeit machen, wenn ich einmal die echten Bagatellsteuern nehme. Nehmen Sie z. B. die Spielkartensteuer. Sie bringt nicht sehr viel ein; sie ist aber auch sehr einfach zu erheben. Man schreibt den Fabriken einen Brief und bekommt das Geld. Soll man also auf diese Einnahmen verzichten? Ich glaube nicht, daß es richtig ist, wenn gesagt wird, wenn diese Einnahmen wegfielen, hätten auch die Verbraucher etwas davon. Der Wegfall der Erhebung dieser Steuern würde lediglich den Unternehmern zugute kommen. Die Verbraucher würden dadurch keinen Pfennig gewinnen; ihr Ärgernis würde also nicht beseitigt werden.
Es ist dann zweimal - ich glaube, von Ihnen, Herr Seuffert, und von Herrn Atzenroth - gesagt worden, ich hätte die Fehler der vergangenen Haushalts- und Finanzpolitik anerkannt und aufgedeckt. Ich erkläre dazu freimütig: die Entwicklung ist in der Tat nicht in allen Punkten so gelaufen, wie wir sie aus der heutigen Sicht wünschen. Daß wir das sagen können, bedeutet nicht Schwäche, sondern Stärke. Es ist aber auch so gewesen, daß in den Zeiten des Aufbaus, in den vergangenen acht Jahren, manche Dinge getan werden mußten, die mit unserer Grundkonzeption der Marktwirtschaft in einem gewissen Widerspruch stehen
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und die man, nachdem wir das Stadium des Aufbaus überwunden haben, nun in die richtige Form bringen muß. Darum geht es.
Die Frage der Rüstungskosten, Herr Seuffert, ist in der Tat nicht behandelt worden. Das ist aus wohlerwogenen Gründen geschehen. Wir haben in acht Tagen eine Diskussion darüber. Ich habe mir nichts davon versprochen, daß wir dieses Thema zweimal behandeln.
Was Herr Atzenroth über das Sparprogramm gesagt hat, scheint mir doch so etwas wie eine Milchmädchenrechnung zu sein. Leider ist Herr Atzenroth nicht mehr da, um jetzt meine Erwiderung darauf zu hören. Er meinte nämlich: Wir werden 2 Milliarden DM haben; davon sind 1,2 Milliarden Umlagerungen, und von den restlichen 800 Millionen würden 400 Millionen sowieso kommen. Also 400 Millionen bekommen wir neu, und die kosten uns eben 400 Millionen. Also, warum das Ganze!
So einfach kann man das Sparprogramm nicht kritisieren. Selbst wenn wir im ersten Anlauf revolvierende Beträge haben - damit rechnen wir -, bedeutet doch die Festlegung dieser Beträge auf fünf Jahre eine zusätzliche Leistung, die daher auch eine zusätzliche Prämiierung verdient. Der Sinn der Prämiierung ist doch, einen Konsumverzicht zu erreichen und den Investitionswillen zu wecken. Das scheint mir aus vielen Gründen notwendig zu sein.
Bundesfinanzminister Etzel
Lassen Sie mich ein paar Worte zu dem sagen, was Herr Kollege Seuffert vorgetragen hat. Ich bin ihm für manche freundliche Anerkennung, aber auch für viele sachliche Kritik dankbar. Solche Kritik ist notwendig. Ich glaube, daß die Gesetzentwürfe in der kritischen Auseinandersetzung mit den Oppositionsparteien die Reife bekommen, die wir wünschen.
Herr Seuffert hat erklärt, der Tarif bestehe aus zwei Teilen; der erste Teil, der Proportionaltarif, werde im großen und ganzen akzeptiert. Ich hätte mir gewünscht, Herr Seuffert, daß Sie noch einen anderen Gesichtspunkt gesehen hätten; ihn herauszustellen, muß ich nachholen. Es ist nämlich darauf hinzuweisen, daß es doch auch eine soziale Tat ist, wenn 2,8 Millionen Menschen aus der Einkommenbesteuerung ausscheiden. Es ist also nicht so, daß unser Tarif nur den Aspekt hat, die Reichen geradezu zu begünstigen, wie es ein wenig aus Ihren Worten klang.
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- Dann muß man aber auch beide Teile sehen und muß recht abwägen; man muß beides bewerten. Daß die 2,8 Millionen Menschen aus der Besteuerung herauskommen, scheint mir als eine soziale Tat erwähnenswert.
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Daß die Ledigen gewisse Opfer bringen müssen, ist ein Problem. Wir haben es frühzeitig gesehen. Wir haben aber schließlich geglaubt, es verantworten zu können, den Ledigen in den Stufen zwischen 4000 und 6000 DM Einkommen eine gegenüber dem Tarif von 1957 relativ kleine zusätzliche Belastung aufzuerlegen. Im Vergleich zu dem Tarif von 1956 mit dem Berliner Notopfer für natürliche Personen bedeutet es keine Mehrbelastung; also gegenüber 1956 sind auch diese Ledigen in einer besseren Situation.
Herr Seuffert, der Arbeitnehmerfreibetrag soll, wie man mir gesagt hat, Ihr Lieblingskind sein. Ich weiß nicht, ob das stimmt. Sie haben mich ja auch als Neuling bezeichnet. Diese Sache würde aber 600 bis 800 Millionen DM kosten, und ich wäre dankbar, wenn Sie dann freundlicherweise auch den Deckungsvorschlag unterbreiteten; denn das ist keine so einfache Angelegenheit.
Nun komme ich auf Ihren großen Angriff gegen den eigentlichen Progressionstarif zu sprechen. Dazu möchte ich zunächst folgendes sagen. Man kann nicht einfach in der Weise, wie Sie es getan haben, von 5 % der Besteuerten sprechen. Ich habe zwar selber ausgeführt, daß die davon Betroffenen 5 % ausmachen; denn 95 % fallen unter den Proportionaltarif. Aber die 5 % erbringen 40 % der Steuer. Das ist doch etwas, was man sehen muß. Man muß auch sicherlich die besonderen Aspekte würdigen, auf die schon von dem Kollegen Eckhardt hingewiesen wurde. Ich meine das Problem des breaking point. Ich komme darauf noch zurück. Es ist auch richtig, daß die Progression im wesentlichen im Kurvenstück zwischen 16 000 und 220 000 DM Jahreseinkommen liegt und darüber hinaus wieder ein Proporz besteht. Aber es ist doch gerade im Sinne
Ihrer Ausführungen und Angriffe richtig, daß man sehr früh dort hinkommt und das, was der Splittingtarif an Erleichterungen bringt, begrenzt. Das ist einer der Hauptgründe dafür gewesen, die Progression sehr rasch hoch zu treiben und dann allerdings sehr schnell enden zu lassen, sei es - bei Ihnen - bei 55 % oder mehr oder - bei uns - bei 53 %.
Nun haben Sie gesagt, das Ganze koste in der Spitze zugunsten derjenigen, die mehr als 220 000 DM jährlich verdienen, 200 Millionen DM. So habe ich Sie verstanden. Sie haben ausgerechnet, daß es 10 000 Menschen seien, die begünstigt werden - diese Zahl ist immer wieder angegeben worden -; wenn man diese Zahl verdoppele und im Durchschnitt eine Ersparnis von 10 000 DM annehme, komme man zu einer Gesamtersparnis von 200 Millionen DM. Ich denke, ich habe Sie richtig verstanden.
Ich habe mir die Zahlen inzwischen ausrechnen lassen. Ihre Angaben stimmen nicht ganz. Es ist richtig, daß es mehr als 10 000 Menschen sind. Die Gesamtsumme, die von denjenigen, die über 220 000 DM jährlich verdienen, über Tarif und über Splitting erspart wird, beträgt 125 Millionen DM, also nicht 200 Millionen DM. Das ist also ein sehr viel kleinerer Betrag. Und das sind nun gerade in dieser Stufe - und damit komme ich auf das zurück, was ich soeben sagte - Gewerbebetriebe, bei denen man nicht ganz einfach Einkommen gleich Einkommen setzen kann. Denn dieses Einkommen wird ja nicht konsumiert, sondern bleibt - mehr als essen kann kein Mensch - zum größten Teil im Betrieb und dient als Kapital der Wirtschaft. Das scheint mir doch ein sehr bedeutsamer Punkt zu sein.
Hier setzt nun auch das Problem des breaking point ein, d. h. wenn ich mehr als 50 % nehme, dann komme ich zu dem ärgerniserregenden Tatbestand, daß künstlich Kosten gemacht werden. Alles das, was man unter „Spesenrittertum" versteht, wird doch dann gefördert. Dagegen allerdings wehren wir uns, und das wollen wir nicht akzeptieren.
Aber, verehrter Herr Seuffert, ich will die ganzen Zahlen einmal in eine Relation bringen. Die Gesamtentlastung der Steuerzahler durch die Steuerreform 1958 beläuft sich auf rund 1 Milliarde 850 Millionen DM. An diesen Entlastungen sind die einzelnen Gruppen schätzungsweise wie folgt beteiligt: die Einkommen bis 6000 DM mit 750 Millionen DM,
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also mit 40 %; die Einkommen zwischen 6000 und 12 000 DM mit 550 Millionen DM, das sind 30 %. Also 70 % schon für die Einkommen bis 12 000 DM. Das scheint mir doch eine sehr bedeutsame Feststellung zu sein!
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Von den restlichen 30 % - das sind insgesamt
noch 550 Millionen DM - entfallen auf die über
220 000 DM Verdienenden nur 125 Millionen DM.
Bundesfinanzminister Etzel
So sehen die Relationen aus. Ich glaube, wenn Sie das einmal richtig sehen, Herr Seuffert - ({6})
- Das ist gegenüber 1956! - Aber Sie sehen doch, daß wir hier - wenn man die Dinge einmal so sieht - zu vernünftigen Relationen kommen. Das ist es, was ich Ihnen sagen wollte.
Nun möchte ich etwas zu dem sagen, was Sie, Herr Seuffert, unter dem Stichwort „Parteiengesetz" gesagt haben. Das hat mich, das will ich ganz ehrlich sagen, sehr empört. Ich bin schon sehr viel ruhiger geworden. Sie haben zwar nicht gesagt: Ihr macht dieses sogenannte Steuergeschenk an die Reichen, weil sie euch finanzieren. Sie haben das in den Konjunktiv gesetzt. Sie haben gesagt: Es könnte so sein, daß man euch diesen Vorwurf macht. Sehr verehrter Herr Seuffert, ich bin der Meinung: auch das sagt man nicht. Ich kann Sie versichern, daß eine solche Haltung außerhalb meines Denkvermögens gewesen ist, völlig außerhalb meines Denkvermögens!
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Ich habe mich geschämt, daß Sie mir so etwas unterstellt haben. Ich wäre Ihnen sehr dankbar - ich will nicht mehr dazu sagen -, wenn Sie sich mit mir schämten. Dann wären wir wieder gute Kollegen.
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- Ja, aber sowas sagt man nicht! Man kann darin auch eine geschickte Methode sehen, so etwas zu unterschieben, in die Öffentlichkeit hineinzulancieren, ohne daß man das expressiv verbis ausspricht. Ich tue es auch nicht. Aber man könnte es.
Noch ein paar Worte zum Problem Splitting! Sie haben, wenn ich Sie recht verstanden habe, schließlich gesagt: Das Splitting wollen wir nicht ablehnen, aber wir wollen daneben die getrennte Veranlagung wahlweise vorschlagen. - Habe ich Sie mißverstanden?
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- Wahlweise neben der Zusammenveranlagung, ja, aber wenn Sie das vorschlagen, werden eine Menge Elemente des Vorschlags wieder weggeräumt.
Zunächst das Wichtigste: das Element der Vereinfachung. Wir wollen einen klaren, einfachen Tatbestand und nicht die wahlweise Veranlagungsmöglichkeit haben. Die Ungerechtigkeit wird sicherlich nicht kleiner, sondern sie wird größer, wenn wir das machen, und das, worauf Frau Rösch besonders hingewiesen hat - der Familiengedanke -, wird dadurch weitgehend wieder aufgehoben.
Es war mir interessant - ich darf das ganz offen sagen -, daß der Bundesrat - und auch Ihre Freunde dort - dem Gedanken des Splitting aus vielen Gründen zugestimmt hat, insbesondere aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung. Das Gutachten unseres, wie ich vielleicht sagen darf, gemeinsamen Freundes Troeger hat ja auch den Gedanken des Splitting im zweiten Durchgang aufgenommen.
Die Probleme der Kinderfreibeträge betreffen das Gebiet der Familie. Es ist natürlich das Wesen des Proporzes, daß derjenige, der ein höheres Einkommen hat, dadurch einen gewissen höheren Vorteil hat. Aber man sollte doch die Kinderfreibeträge als solche nicht ausräumen.
Die Sparförderung! Über das Sparförderungsgesetz ist schon so viel gesprochen worden. Es ist mir wirklich Herzenssache, weil ich das Sparen und die Eigentumsbildung beim kleinen Mann fördern will. Ich brauche nichts Besonders mehr dazu zu sagen.
Ich bin ein wenig betrübt, daß Sie die Aktie ausnehmen wollen. Sie sagen grundsätzlich ja, Sie sind aber nicht für die Sparförderung durch die Aktie. Ich bin der Auffassung, daß das nicht richtig ist. Ich bin deshalb wohl auch im Gegensatz zu Herrn Preusker, wenn ich ihn recht verstanden habe. Ich möchte die Aktie nicht ausschalten, weil ich keine dirigistischen Maßnahmen will. Ich will das Sparen in jeder Form ermöglichen und in jeder Form fördern. Ich weiß, Herr Seuffert, Sie und Ihre Freunde lieben das Aktiensparen nicht.
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- Falsch? - Ich würde mich freuen, wenn hier eine Entwicklung anliefe, die in Amerika längst durchgedrungen ist. Eine solche Entwicklung gewährleistet gerade breiten Schichten einen Anteil am Sachvermögen. Diese Entwicklung wäre zu begrüßen, und der unglückselige Quotenstreit im Lohn- und Kapitaleinkommen, von dem ich gesprochen habe, würde weitgehend dadurch beseitigt.
Herr Seuffert, Sie haben mir gesagt, ich sei ein Neuling in diesem Hause. Ganz richtig ist das nicht; aber ich war fünf Jahre weg, und vielleicht verstehe ich die Sprache des Hauses noch nicht wieder. Aber ich darf Ihnen sehr ernst sagen - ich will Sie damit gar nicht angreifen -, daß mir die Analyse Ihrer Ausführungen so, wie ich sie verstanden habe
- ich will sie gerne noch einmal nachlesen -, doch gezeigt hat, daß man auch die Vergesellschaftung der Produktionsmittel ablehnen und über die Steuerpolitik eine solche Umschichtung des Vermögens vornehmen kann, daß eine weitgehende Sozialisierung entsteht.
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Das könnte man doch aus Ihren Ausführungen - bitte, überdenken Sie es einmal und lesen Sie es daraufhin noch einmal durch - entnehmen. Ich war betroffen über die Eigentumsfeindlichkeit und über den Willen zur Bestrafung der Leistung.
Man sollte auch daran denken, daß in dem Splittinggedanken, wie wir ihn vortragen, eine Förderung von Kreisen liegt, die auch gerade Sie politisch immer wieder ansprechen. Ich meine den Mittelstand. Wir haben hier eine weitsichtige Planung
Bundesfinanzminister Etzel
vor. Wir wollen den breiten Schichten, den Armeren und den Leuten mit dem kleinen Einkommen, auch denen mit dem mittleren Einkommen und nolens volens auch denen, die darüber liegen, etwas geben, und zwar in dem Maße, das ich Ihnen eben vorgetragen habe. Ich glaube, das ist ein gerechtes Maß. Die gerechte Besteuerung liegt mir sehr am Herzen, und ich wäre dankbar, wenn das Hohe Haus in der endgültigen Formulierung der Gesetze mir weitgehend in diesem Punkte Folge leistete.
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Die Rednerliste ist erschöpft; die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zu den Überweisungen. Beantragt ist bei der Drucksache 260 - nach § 96 der Geschäftsordnung ohnehin - Überweisung an den Haushaltsausschuß und an den Finanzausschuß als federführenden Ausschuß. Der Herr Abgeordnete Seuffert hat den Antrag auf Mitüberweisung an den Wirtschaftsausschuß gestellt. Ist das Haus damit einverstanden? - Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Drucksachen 261 und 262 sollen beide ebenso an den Haushaltsausschuß, an den Finanzausschuß als federführenden Ausschuß und an den Wirtschaftsausschuß zur Mitberatung überwiesen werden. - Das Haus ist damit einverstanden.
Drucksache 263 an den Haushaltsausschuß und an den Wirtschaftsausschuß?
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- Meine Damen und Herren, möglichst wenig Ausschüsse! Aber auf einen Hammelsprung deswegen kann ich es heute abend nicht mehr ankommen lassen. Beantragt ist Überweisung an den Wirtschaftsausschuß - federführend - und den Finanzausschuß
- mitberatend -. Ist das Haus einverstanden? ({1})
Einverstanden.
Dann ist noch über die Überweisung des Wohnungsbau-Prämiengesetzes - Drucksache 264 - zu beschließen. Vorgeschlagen ist Überweisung an den Ausschuß für Wohnungswesen, Bau- und Bodenrecht
- federführend - und an den Finanzausschuß - mitberatend -. Das Haus ist einverstanden.
Damit ist die Tagesordnung erschöpft.
Nächste Sitzung: Donnerstag, den 20. März 1958, 9 Uhr.
Die Sitzung ist geschlossen.