Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, wir haben gestern aus Zeitung und Rundfunk erfahren, daß ein schreckliches Unglück unser Land betroffen hat.
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Bei einem Eisenbahnunglück bei Eßlingen sind viele Menschen zu Tode gekommen. Bis jetzt zählt man 35 Tote und 47 Verletzte. Wir gedenken der Opfer und sprechen den Hinterbliebenen unsere Teilnahme aus. Der Herr Präsident hat dem Herrn Ministerpräsidenten des Landes Baden-Württemberg und dem Herrn Oberbürgermeister von Eßlingen die Teilnahme des Bundestages ausgesprochen. Ich danke Ihnen für die Bezeugung Ihres Gedenkens.
Es sind noch einige amtliche Mitteilungen bekanntzugeben, zunächst aber einige erfreuliche Mitteilungen: Der Abgeordnete Kirchhoff hat am 6. Juni seinen 76. Geburtstag gefeiert,
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und der Abgeordnete Giencke am 9. Juni den 65. Geburtstag.
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Wir wünschen den beiden Jubilaren von Herzen Glück.
Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat werden die von dem Herrn Bundesminister der Finanzen auf Grund des § 33 Abs. 1 der Reichshaushaltsordnung übersandten Zusammenstellungen der über- und außerplanmäßigen Haushaltsausgaben dem Haushaltsausschuß überwiesen. Inzwischen ist die Zusammenstellung der über- und außerplanmäßigen Haushaltsausgaben im dritten Vierteljahr des Rechnungsjahres 1960 - Drucksache 2787 - eingegangen. Meine Damen und Herren, ich unterstelle, daß das Haus mit ,der Überweisung dieser Vorlage an den Haushaltsausschuß einverstanden ist. - Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Nun habe ich noch eine interfraktionelle Vereinbarung bekanntzugeben. Danach soll die heutige Tagesordnung ergänzt werden um die Erste Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes zur Förderung der deutschen Eierwirtschaft - Drucksache 2834 -. Hierdurch wird Punkt 26 der Tagesordnung erweitert.
Des weiteren wird die Tagesordnung ergänzt um die Erste Beratung ,des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Fünfzehnten Gesetzes zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes ({3}) - Drucksache 2835) -.
Weiter ist interfraktionell vereinbart worden, Punkt 13 - Zweite und dritte Beratung des Familienrechtsänderungsgesetzes - von der Tagesordnung abzusetzen und die Vorlage am 28. Juni aufzurufen. Das Haus ist einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Folgende amtliche Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen.
Der Herr Bundesminister der Justiz hat unter dem 31. Mai 1961 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Kanka, Dr. Weber ({4}), Benda, Dr. Hauser und Genossen betr. Untersuchungshaftstatistik - Drucksache 2731 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 2784 verteilt.
Der Herr Stellvertreter des Bundeskanzlers hat unter dem
5. Juni 1961 gemäß § 6 Abs. 5 Satz 2 des Zuckergesetzes in der Fassung vom 3. Oktober 1951 und des Zweiten Gesetzes zur Ergänzung des Zuckergesetzes vom 9. August 1954 die Verordnung Z Nr. 1/61 zur Änderung der Verordnung Z Nr. 3/58 über Preise für Zucker mit der Bitte um Kenntnis übersandt. Sie liegt im Archiv zur Einsichtnahme aus.
Der Herr Stellvertreter des Bundeskanzlers hat unter dem
6. Juni 1961 gemäß § 6 Abs. 5 Satz 2 des Zuckergesetzes in der Fassung vom 3. Oktober 1951 und des Zweiten Gesetzes zur Ergänzung des Zuckergesetzes vom 9. August 1954 die Verordnung Z Nr. 3/61 über Preise für Zuckerrüben der Ernte 1961 mit der Bitte um Kenntnis übersandt; sie liegt im Archiv zur Einsichtnahme aus.
Das Auswärtige Amt hat unter dem 8. Juni 1961 gemäß § 46 Abs. 2 des Deutschen Auslieferungsgesetzes vom 23. Dezember 1929 die Vereinbarung zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland über die Gegenseitigkeit hinsichtlich der Rechtshilfe in Strafsachen vom 6. Juni 1961 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Der Wortlaut der Vereinbarung ist im Bundesgesetzblatt Teil II S. 572 bekanntgemacht worden.
Der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat unter dem 5. Juni 1961 unter Bezug auf den Beschluß des Deutschen Bundestages vom 9. Dezember 1960 einen Bericht über die Schäden im deutschen Tabakbau infolge Auftretens der Blauschimmelkrankheit übermittelt, der als Drucksache 2786 verteilt ist.
Wir treten in die Tagesordnung ein. Zunächst Punkt 1:
Fragestunde ({5}).
Zunächst die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts. Frage I/1 -des Herrn Abgeordneten Dr. Kohut -:
Vizepräsident Dr. Schmid
Trifft es zu, daß die Vertreter der Bundesrepublik Deutschland anläßlich des Besuchs des Herrn Bundeskanzlers in Amerika die amerikanische Regierung wissen ließen, der Bundeskanzler werde die Frage der Rückgabe des privaten deutschen Vermögens in den USA mit Rücksicht auf die außenpolitischen Diskussionsthemen gegenüber Präsident Kennedy nicht erwähnen?
Herr Präsident, ich bitte um die Erlaubnis, die Fragen 1 und 2, die zusammenhängen, hintereinander beantworten zu dürfen.
Bitte. Dann rufe ich noch auf die Frage I/2 - des Herrn Abgeordneten Dr. Kohut -:
Ist die Bundesregierung der Auffassung, daß ihr Verhalten in der Frage der Rückgabe des privaten deutschen Vermögens in den USA dem Geiste des atlantischen Bündnisses als einer Gemeinschaft freier, gleichberechtigter Nationen und dem Grundsatz der Achtung des Privateigentums entspricht?
Zu Frage 1: Die Bundesregierung läßt sich bei ihrem Verhalten in der Vermögensfrage von dem Grundsatz der Achtung vor dem Privateigentum ebenso leiten wie von dem Bestreben, die Kraft und Geschlossenheit des Atlantischen Bündnisses fortzuentwickeln.
Zu Frage 2: Bei der Zusammenstellung der Gesprächspunkte für das Treffen des Herrn Bundeskanniers mit dem amerikanischen Präsidenten ist de-. amerikanischen Regierung mitgeteilt worden, daß wegen der knappen zur Verfügung stehenden Zeit die Vermögensfrage nicht vom Herrn Bundeskanzler selbst, sondern im Rahmen der Besprechungen anderweitig angesprochen würde. Dabei ist ausdrücklich klargestellt worden, daß die Bundesregierung auch gegenüber der neuen amerikanischen Administration die Frage der Lösung des Vermögensproblems weiter verfolgen wird.
Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, sind Sie wirklich der Meinung, daß mit Ihrer Antwort zu 1 die Frage richtig beantwortet ist?
Wenn Sie diese Frage an mich richten, Herr Abgeordneter, muß ich sie mit Ja beantworten. Ich bin der Meinung, daß ich in 'der ersten Antwort in aller Kürze die Gesichtspunkte genannt habe, die bei Beantwortung der Frage zu beachten sind.
Herr Müller-Hermann!
Kann .die Bundesregierung im Hinblick auf die im amerikanischen Kongreß eingebrachten Gesetzentwürfe zur Regelung amerikanischer Kriegsschädenansprüche zusagen, daß die vom Bundesminister des Auswärtigen am 8. März 1961 angekündigten Verhandlungen mit der amerikanischen Regierung zur Regelung der Frage des in den Vereinigten Staaten beschlagnahmten deutschen Privatvermögens baldmöglichst aufgenommen werden, wie es, wie ich meine, dem allgemeinen Wunsch des Hohen Hauses entspricht?
Herr Abgeordneter, ich kann Ihre Frage mit Ja beantworten. Die Bundesregierung hat die Absicht, diese Verhandlungen so bald wie möglich aufzunehmen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kreitmeyer!
Herr Staatssekretär, besteht nicht wenigstens die Chance, solches Vermögen frei zu bekommen, das von Deutschen amerikanischer Staatsbürgerschaft erworben wurde und das wegen Erbfalls an Verwandte nach Deutschland überführt werden soll? Dieses Vermögen ist doch einwandfrei nur in den USA erworben worden?
Herr Abgeordneter, die Frage, die Sie stellen, betrifft einen, wie ich zugebe, sehr wichtigen Teilkomplex des Gesamtkomplexes. Ich weiß nicht, ob es zweckmäßig sein würde, beim derzeitigen Stande der Entwicklung die Bemühungen auf diesen Teilausschnitt zu beschränken.
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Keine weiteren Zusatzfragen? - Dann ist die Frage erledigt.
Die Frage I/3 - des Abgeordneten Dr. Mommer - gehört in den Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern, also unter II. Ich rufe diese Frage auf:
Wie lange dauert die Bearbeitung von Anträgen auf Einreisevisen für Ausländer, die noch ein Visum zur Einreise in die Bundesrepublik benötigen?
Herr Abgeordneter, die Bearbeitungsdauer von Einreisesichtvermerken richtet sich danach, welche Feststellungen im Einzelfall zu treffen sind.
1. Bei Einreisesichtvermerken, über die die Auslandsvertretungen ohne vorherige Rückfrage bei den innerdeutschen Behörden entscheiden, dauert die Bearbeitung nach Auskunft des Auswärtigen Amts ein bis zwei Tage.
2. Für Einreisesichtvermerke, bei denen Rückfragen bei den innerdeutschen Behörden 'erforderlich sind, z. B. wenn der Sichtvermerk für die Arbeitsaufnahme benötigt wird, treten zu dieser Bearbeitungsdauer die Zeiten für das Verfahren bei den Ausländerbehörden sowie die für die Übermittlung durch Post, Telegramm oder Kurier hinzu. Die Zeitdauer hierfür richtet sich danach, ob die Beteiligung weiterer Stellen, z. B. des Arbeitsamts, erforderlich ist. Nach Auskunft des Auswärtigen Amts werden die Sichtvermerke in der Regel in etwa zwei Wochen erteilt. Wenn der Sichtvermerksbewerber im Besitz der Zusicherung der Aufenthaltserlaubnis ist, werden nur wenige Tage benötigt.
Deutscher Bundestag 3. Wahlperiode Staatssekretär Dr. Hölzl
3. Bei Sichtvermerksanträgen, bei denen eine besondere Sicherheitsüberprüfung erforderlich ist, tritt zu der Bearbeitungsdauer bei der deutschen Auslandsvertretung oder der Vertretung der Staaten, die die Aufgaben der Sichtvermerksbehörden für die Bundesregierung Deutschland wahrnehmen, und. der Übermittlungsdauer, die bis zu 10 Tagen erfordert, der Zeitraum hinzu, der für die Sicherheitsüberprüfung benötigt wird. Hierfür reichen im allgemeinen drei Wochen aus. In vielen Fällen wird diese Zeitdauer wesentlich unterschritten. Kann eine Klärung nur durch weitere Rückfragen erreicht werden oder bestehen Bedenken gegen die Sichtvermerkserteilung, kann sich diese natürlich verzögern.
Ich danke sehr!
Frage II/1 - des Herrn Abgeordneten Bauer ({0}) -:
Trifft die auf dem Hygienekongreß bei den Beratungen zur Bekämpfung der Infektionskrankheiten gemachte Bemerkung zu, in der Bundesrepublik fehle eine Rechtsgrundlage für die statistische Erfassung der Geschlechtskrankheiten?
Herr Abgeordneter, es trifft zu, daß zur Zeit eine Rechtsgrundlage für die statistische Erfassung der Geschlechtskrankheiten nicht besteht.
Die Erste Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten vom 28. Dezember 1954 enthielt für die Ärzte eine Verpflichtung, die Zahl der festgestellten Geschlechtskrankheiten vierteljährlich zu melden. Diese Verordnung war auf drei Jahre befristet. Nach Anhörung der für das Gesundheitswesen zuständigen obersten Landesbehörden ist im Hinblick darauf, daß die eingehenden Sammelmeldungen keine ausreichende Ubersicht über ,die tatsächliche Zahl der festgestellten Geschlechtskrankheiten ergaben, von der Vorlage einer Verordnung zur Weiterführung der Geschlechtskrankenstatistik abgesehen worden.
In letzter Zeit wurde in der medizinischen Fachliteratur über eine Zunahme der Geschlechtskrankheiten in Großstädten berichtet. Unser Haus hat daraufhin die obersten Landesgesundheitsbehörden befragt, ob ein Ansteigen der Geschlechtskrankheiten allgemein zu beobachten sei und gegebenenfalls die Schaffung einer neuen Rechtsgrundlage für die Wiedereinführung ,der Geschlechtskrankenstatistik für angezeigt gehalten werde. Die Stellungnahmen einiger Länder stehen noch aus. Von dem Ergebnis der Umfrage wird es abhängen, ob es notwendig ist, erneut eine statistische Erfassung der Geschlechtskrankheiten vorzusehen.
Eine Zusatzfrage?
Ist, Herr Staatssekretär, im Bundesinnenministerium die Bemerkung auf dem Deutschen Hygienekongreß besonders registriert worden, daß bei den Jugendlichen eine beachtliche Zunahme der Geschlechtskrankheiten zu verzeichnen sei, und ist ,das Bundesinnenministerium bereit, alles zu tun, damit auf dem Wege über die Grundlage für eine Bekämpfung - nämlich der Statistik - alle
Möglichkeiten zu einer Eindämmung geschaffen werden?
Das Bundesinnenministerium weiß, daß die Gefahr der Ausbreitung von Geschlechtskrankheiten besonders bei dem jüngeren Teil unserer Bevölkerung besteht, und es wird bei der Entscheidung, die nach dem Ergebnis der Umfrage ergehen wird, gerade diesem Gesichtspunkt besondere Aufmerksamkeit zuwenden.
Die Frage ist beantwortet.
Frage II/2 Herr Abgeordneter Schmidt ({0})
Hat die Bundesregierung rechtliche und finanzielle Möglichkeiten, die Volkssternwarte Bochum zu unterstützen, die insbesondere auf dem Gebiete der Satelliten-Raumfahrt internationale Anerkennung gefunden hat?
Herr Albgeordneter, ich darf die Frage wie folgt beantworten:
Die Bundesregierung ist über die Tätigkeit der Volkssternwarte Bochum auf dem Gebiet der Satellitenbeobachtung unterrichtet. Ein Antrag der Volkssternwarte auf finanzielle Unterstützung liegt bisher nicht vor. Für die Förderung einzelner wissenschaftlicher Vorhaben stehen dem Bundesministerium des Innern im Haushalt 1961 .die Mittel des Kap. 06 02 Tit. 614 a Ziffer 3 zur Verfügung. Aus diesen Mitteln würde bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen auch die Volkssternwarte Bochum unterstützt werden können.
Frage II/3 - Herr Abgeordneter Dr. Mommer -:
Was steht einer Paßunion der sechs EWG-Staaten entgegen, durch die die Paßkontrollen an die Außengrenzen der sechs Staaten verlegt werden könnten?
Herr Abgeordneter, bei der besonderen Sicherheitslage, in der wir uns befinden, sehe ich keine Möglichkeit, eine an sich wünschenswerte Paßunion der EWG-Staaten zu verwirklichen.
Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, sind Sie sich bewußt, daß dieses Argument von Ihrem Ministerium immer wieder verwendet worden ist, wenn es darum ging, Liberalisierungen im Verkehr über die Grenzen hinweg durchzusetzen?
Ich darf wohl glauben, daß dieses Argument, auch wenn es früher verwendet wurde, in diesem besonderen Falle Ihre Billigung uneingeschränkt findet. Ich darf Sie auf folgendes aufmerksam machen: die Herstellung einer Paßunion der EWG-Staaten würde erfordern, daß an den Außengrenzen dieser Union eine Kontrolle des gesamten grenzüberschreitenden Verkehrs in einer alle Staa9344
ten befriedigenden Weise möglich sein müßte. Das ist bei unserer besonderen Lage leider nicht der Fall.
Zweite Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, sind Sie sich bewußt, daß wir mit ähnlichen und viel größeren Schwierigkeiten bei den Römischen Verträgen gut fertig geworden sind?
Die Situation ist doch die, daß Mitglied der EWG die Bundesrepublik Deutschland ist und daß wir in Deutschland eine Demarkationslinie haben, die von uns und vom ganzen deutschen Volke bewußt nicht als Außengrenze betrachtet wird. Ich glaube, ich brauche nicht mehr hinzuzufügen, um darzutun, daß die Schwierigkeiten hier andere sind als in anderen Fällen.
Herr Abgeordneter Jahn ({0}) zu einer Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, sind Sie also der Meinung, daß die politische Union der sechs Staaten realisierbar ist, daß sich das aber auf dem Gebiet des Paßwesens nicht auswirken kann?
Ich bitte, mich von der Beantwortung dieser Frage zu entbinden; sie fällt nicht in die Zuständigkeit des Bundesministers des Innern.
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Diese Frage ist also auch beantwortet.
({0})
Frage II/4 - des Herrn Abgeordneten Eplée -:
Erkennt die Bundesregierung grundsätzlich an, daß sich ein großer Teil der älteren Angestellten des öffentlichen Dienstes, insbesondere der TOA-Gruppe III bis I, die vor dem Kriege nicht angestelltenversicherungspflichtig waren und nach dem Kriege infolge ihres vorgeschrittenen Alters nicht mehr in die Angestelltenversicherung aufgenommen werden konnten, sich bezüglich ihrer Altersversorgung in einer echten sozialen Notlage befinden?
Herr Abgeordneter, der Bundesregierung ist das Problem der Altersversorgung der älteen Angestellten des öffentlichen Dienstes bekannt. Sie ist gemeinsam mit den Ländern bemüht, es durch eine Reform der zusätzlichen Altersversorgung so zu lösen, daß auch Angestellte, die keine oder nur eine geringe Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erhalten, ausreichend versorgt sein werden. Für die Neuregelung der zusätzlichen Altersversorgung sind bereits umfangreiche Vorarbeiten geleistet worden. Es ist zu hoffen, daß sie in absehbarer Zeit zu einem greifbaren Ergebnis führen werden.
Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, lassen Ihre Ausführungen hoffen, daß nun diesem ernsten Problem beschleunigt zu Leibe gerückt wird, weil es sich ja hier um Menschen handelt, die von Jahr zu Jahr älter werden, und weil ein Hinausschieben der Lösung eine besondere Härte für diesen Menschenkreis darstellt?
Herr Abgeordneter, Sie haben das Recht, Fragen zu stellen, aber keine Debatte zu führen. Wollen Sie eine Frage formulieren!
Lassen Ihre Ausführungen, Herr Staatssekretär, hoffen - das war die Fragestellung, sehr verehrter Herr Präsident -, es könne damit gerechnet werden, daß in absehbarer Zeit für diesen Menschenkreis, der sich wirklich in einer sehr ernsten Lage befindet, eine Lösung dieses Problems bevorsteht?
Jetzt habe ich das Fragezeichen gehört, vorher nicht!
Ich darf Ihnen erwidern, daß die Verhandlungen bereits seit einiger Zeit laufen und daß sich die Bundesregierung bemüht, sie so schnell wie möglich zum Abschluß zu bringen. Wir haben auch die Hoffnung, die entgegenstehenden Schwierigkeiten - Verhandlungen nicht nur mit den Ländern, sondern auch Vereinbarungen zwischen den Tarifpartnern - zu überwinden und die Sache alsbald zu einem befriedigenden Ergebnis zu bringen.
Die Frage ist beantwortet. Frage II/5 - des Herrn Abgeordneten Dr. Mommer -:
Wie verträgt sich das amtliche Symbol für die Volkszählung 1961, auf dem nur die geographischen Umrisse der Bundesrepublik dargestellt sind, mit Teil B Nr. 1 ff. der Kartenrichtlinien des Bundesministers für gesamtdeutsche Fragen vom 1. Februar 1961, nach denen „als Staatsgrenze Deutschlands bei allen Karten stets die Grenze des Deutschen Reiches nach dem Stande vorn 31. 12. 1937 darzustellen" ist?
Herr Abgeordneter, die auf den Plakaten zur Volkszählung vorgenommene Hervorhebung und Illustrierung der Buchstaben VZ - Volkszählung - ist kein amtliches Symbol und keine kartenmäßige Wiedergabe der Staatsgrenzen Deutschlands. Die für die Plakate verwendete Zeichnung ist als eine Werbemaßnahme zur Volkszählung zu verstehen. Mit den Umrissen der Bundesrepublik und Berlins im Buchstaben V ist lediglich der Bereich der Volkszählung gezeigt worden. Die Kartenrichtlinien des Herrn Bundesministers für gesamtdeutsche Fragen vom 1. Februar 1961 werden dadurch nicht berührt.
Eine Zusatzfrage?
Herr Staatssekretär, glauben Sie nicht, daß die nötige Hervorhebung des Zählungsgebietes auch möglich gewesen wäre, ohne daß
man darum die deutschen Gebiete außerhalb des Zählungsgebietes in der gleichen Farbe erscheinen ließ wie das Ausland?
Wir waren nicht der Meinung, daß für diese Werbemaßnahme überhaupt die Grenzen des deutschen Staatsgebietes eine Rolle spielen. Es sollte lediglich das Zählungsgebiet, in dem die Zählung durchgeführt wurde, für jeden sichtbar hervorgehoben werden. Das ist durch dieses Symbol doch wohl erreicht worden.
Noch eine Zusatzfrage?
Glauben Sie nicht, daß es dann besser gewesen wäre, auf eine Karte überhaupt zu verzichten und das Zählungsgebiet einfach durch den Wortlaut klarzulegen?
Man hätte vielleicht auch darauf verzichten können. Aber es ist kein Schaden zu erkennen, der durch diese Bezeichnung angerichtet worden wäre.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jahn!
Sind Sie wirklich der Meinung, daß dadurch kein Schaden entsteht, daß bei Millionen Menschen der Eindruck entsteht, es gebe nur noch dieses Bundesgebiet?
Der Eindruck, daß das deutsche Staatsgebiet nur dieses Gebiet umfaßt, konnte nicht entstehen; denn es hat sich ja um eine Volkszählung nur in der Bundesrepublik gehandelt, nicht im ganzen deutschen Staatsgebiet.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Schäfer!
Herr Staatssekretär, meinen Sie nicht auch, daß es einfacher wäre, wenn Sie selbst zugäben, daß hier einfach eine Panne passiert ist?
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Herr Abgeordneter, mir ist bis jetzt, bis zu dieser Anfrage, nicht bekanntgeworden, daß an dieser Bezeichnung des Zählungsgebietes Anstoß genommen worden wäre.
Herr Abgeordneter Dr. Schäfer!
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß gerade auf diese Weise - unterschwellig - ganz selbstverständlich eine falsche Vorstellung geweckt wird?
Die Meinung kann ich nicht teilen. Für so bedeutsam kann man das wohl nicht halten.
Herr Abgeordneter Jahn!
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, in zukünftigen Fällen, wenn Sie wieder in eine derartige Lage kommen könnten, darauf zu achten, daß wenigstens solche Pannen nicht mehr geschehen?
Es wird in Zukunft mit dem Ministerium für gesamtdeutsche Fragen über ,die Frage Fühlung genommen werden, um eine Gestaltung zu erreichen, die jeden befriedigt.
Die Frage ist wohl jetzt beantwortet.
Ich rufe auf ,die Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Menzel betreffend den Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz:
Wie läßt sich die folgende Stellungnahme des im „Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung" vom 26. Mai 1961, Nr. 96, S. 917, abgedruckten Interviews des Generalbundesanwalts Dr. Max Gilde
In den Jahren 1945 bis 1950, als ich selbst Oberstaatsanwalt war, hätte ich Verfahren, wie sie jetzt zur Durchführung kommen, gar nicht zur Anklage bringen können. Anzeigen oder selbst ermittelte Vorgänge, bei denen es sich um Straftaten in kriegsbesetzten Gebieten oder überhaupt gegen Ausländer handelte, mußten damals alsbald den Besatzungsgerichten vorgelegt werden und blieben dann der deutschen Gerichtsbarkeit entzogen. Daß die ersten Nachkriegsjahre für eine systematische Verfolgung dieser großen Verbrechenskomplexe ungenutzt blieben, kann man der deutschen Justiz nicht zum Vorwurf machen. Unter dem Besatzungsregime fehlten ihr dazu die rechtlichen und praktischen Möglichkeiten . . .
vereinbaren mit den wiederholten Erklärungen des Herrn Bundesjustizministers in seinem Schreiben vom 6. Mai 1960 an den Vorsitzenden des Rechtsausschusses ({0}) und der ablehnenden Stellungnahme des Deutschen Bundestages in der 117. Sitzung vom 24. Mai 1960 zum Gesetzentwurf der Fraktion der SPD über die Berechnung strafrechtlicher Verjährungsfrist - Drucksache 1738 - vom 23. März 1960?
Herr Abgeordneter Dr. Menzel ist erkrankt und hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Herrn Bundesministers Strauß - in Vertretung 'des Herrn Bundesministers Schäffer - vom 14. 6. 1961 lautet:
Die Stellungnahme des Herrn Generalbundesanwalts zur Ahndung nationalsozialistischer Straftaten durch die deutsche Justiz und meine Stellungnahme zu dem von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über die Berechnung strafrechtlicher Verjährungsfrist ({1}) widersprechen sich nicht. Die Äußerungen sind unter verschiedenen Gesichtspunkten abgegeben worden.
Die Bundesregierung hat dem Gesetzentwurf im wesentlichen aus verfassungsrechtlichen und rechtspolitischen Gründen widersprochen. Die in meinem Schreiben vom 6. Mai 1960 an den Herrn Vorsitzenden des Rechtsausschusses des' Deutschen Bundestages dargelegten Bedenken bestanden unabhängig von der Frage, in welchem Umfang die deutsche Gerichtsbarkeit durch besatzungsrechtliche Bestimmungen eingeschränkt war. Wenn ich darüber hinaus in meinem Schreiben ausgeführt habe, einen Stillstand der Rechtspflege, der ein Ruhen der Verjährung rechtfertigen könne, habe es in Deutschland spätestens seit Ende 1946 nicht mehr gegeben, so steht das im wesentlichen in Übereinstimmung mit den Daten, die der Änderungsantrag der SPD-Fraktion ({2}) zugrunde legte.
Die Stellungnahme des Herrn Generalbundesanwalts bezieht sich auf den Vorwurf, die deutsche Justiz habe die Verfolgung nationalsozialistischer Verbrechen verschleppt oder zumindest widerwillig in Angriff genommen, und weist diesen Vorwurf mit Recht zurück. Bei der Beratung des Gesetzentwurfs war allen Beteiligten bekannt, daß in den ersten Jahren nach 1945 die Zuständigkeit zur Verfolgung nationalsozialistischer Verbrechen teils bei den deutschen Gerichten, teils bei den Gerichten der Besatzungsmächte lag. Im Rahmen dieser Zuständigkeitsabgrenzung war die Strafverfolgung von Anfang an sehr intensiv. Die
Vizepräsident Dr. Schmid
Zahl der Verurteilten erreichte in den Jahren 1947 bis 1950 einen gewissen Höhepunkt. Alliierte Gerichte haben - nach einer Mitteilung der Zentralen Rechtsschutzstelle des Auswärtigen Amtes - insgesamt 5025 Angeklagte wegen nationalsozialistischer Verbrechen verurteilt, davon 806 zum Tode. In der französischen Zone, auf die sich die Äußerung des Herrn Generalbundesanwalts in erster Linie bezieht, sind 2107 Angeklagte verurteilt worden, davon 104 zum Tode. Deutsche Gerichte haben den weitaus überwiegenden Teil der bisher entschiedenen Fälle bereits in den Jahren bis einschließlich 1950 abgeurteilt. Von den bis 1960 rechtskräftig erledigten Verfahren von besonderer Bedeutung waren bis 1950 sogar schon rund 80 % abgeschlossen. Ein Stillstand der Rechtspflege lag also nicht vor, obwohl gewisse Schwierigkeiten bei der Strafverfolgung, auf die der Herr Generalbundesanwalt hingewiesen hat und die auch bei der Beratung des erwähnten Initiativ-Antrages gesehen worden sind, sicherlich gegeben waren.
Wenn der Herr Generalbundesanwalt weiter ausgeführt hat, die ersten Nachkriegsjahre seien für die systematische Verfolgung der großen Verbrechenskomplexe ungenutzt geblieben, so steht auch das nicht in Widerspruch zu meiner angeführten Stellungnahme. Es ist von allen Beteiligten anerkannt worden, daß eine systematische Verfolgung wegen der Größe der Aufgabe eine Koordinierung der Arbeit der Justizbehörden der Länder voraussetzt. Aus diesen Erwägungen ist 1958 die Zentrale Stelle in Ludwigsburg geschaffen worden.
Wir kommen dann zu 'den Fragen betreffend den Geschäftsbereich des Herrn Bundesministers der Finanzen. Ich rufe auf die Frage IV/1 - des Herrn Abgeordneten Dr. Bucher -:
Hält es die Bundseregierung nach den bisher gemachten Erfahrungen nicht für angebracht, die Wertgrenze von 100 DM in § 4 Abs. 5 EStG höher zu setzen, insbesondere im Hinblick auf die Situation in der Edelmetallindustrie?
Herr Abgeordneter Dr. Bucher, der Höchstbetrag für abzugsfähige Werbegeschenke unter Geschäftsfreunden ist in dem neu gefaßten § 4 Abs. 5 Ziff. 1 des Einkommensteuergesetzes im vergangenen Jahre auf 100 DM festgesetzt worden. In der ursprünglichen Regierungsvorlage war dafür ein Betrag von nur 50 DM vorgesehen. Aus Wirtschaftskreisen ist uns damals gesagt worden, daß ein Betrag von 50 DM für Werbegeschenke annehmbar sei, um dem vielbeklagten Spesenunwesen zu begegnen. Um großzügig zu sein, hat man dann in der endgültigen Fassung des Gesetzes den Höchstbetrag auf 100 DM festgesetzt. Nach den Beobachtungen der Finanzbehörden hat sich diese Höchstgrenze in der großen Linie nicht als schädlich für die Wirtschaft erwiesen. Sie hat auf der anderen Seite dazu beigetragen, daß überteure Werbegeschenke zwischen Geschäftsfreunden nicht mehr mit einkommensteuerlicher Abzugsfähigkeit ausgetauscht werden.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Bucher.
Herr Staatssekretär, Sie werden es nicht übelnehmen, wenn ich besonders an die Edelmetallindustrie denke und frage, ob man nicht erkennt, daß gerade dieser Industriezweig gegenüber anderen Branchen - etwa Leder oder unechter Schmuck - natürlich benachteiligt ist, weil es in der Edelmetallindustrie im Vergleich zu anderen Industriezweigen sehr schwer ist, ein ansehnliches Geschenk herzustellen, dessen Wert unter 100 DM liegt.
Zugegeben, Herr Abgeordneter, daß, wenn ein Höchstbetrag von 100 DM vorgesehen ist, sich daraus möglicherweise gerade bei der Edelmetallindustrie eine gewisse Dämpfung der Nachfrage ergibt. Aber ist das ein Gesichtspunkt, um die steuerliche Begrenzung des Spesenunwesens zu lockern?
({0})
Eine weitere Zusatzfrage.
Aber ist vielleicht das ein Gesichtspunkt, daß eben dadurch die Ausbildung von Lehrlingen und überhaupt die handwerkliche Ausbildung in der Edelmetallindustrie sehr erschwert wird? Denn es ist ja dann sehr schwer, handwerkliche Stücke zu machen; Stücke unter 100 DM Wert werden meist maschinell hergestellt.
Herr Abgeordneter, da kann ich nur der Hoffnung Ausdruck geben, daß die wirtschaftliche Wohlstandsentwicklung dazu beitragen wird, daß Silbervasen oder andere Edelmetallgegenstände von über 100 DM Wert nicht bloß zwischen Geschäftsfreunden, sondern auch außerhalb der Geschäftswerbung auch ohne steuerliche Abzugsfähigkeit verstärkte Nachfrage finden.
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Das wäre sicher ein neuer Stil, ohne jede Frage!
Frage IV/2 - des Abgeordneten Diel :
Welche Konsequenzen gedenkt die Bundesregierung hinsichtlich des jedem der Ehegatten bei der Veranlagung der Vermögensabgabe zu gewährenden Freibetrages von je 5000 DM angesichts der gerichtlichen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Februar 1961 ({0}) zu ziehen?
Herr Abgeordneter Diel, ich nehme an, Sie sind bereits darüber unterrichtet, daß Ihr Wunsch im wesentlichen schon erfüllt ist. Mir liegt hier ein interfraktioneller Antrag der Fraktion der CDU/CSU, der SPD und der FDP auf Drucksache 2835 vor, der - im Einvernehmen mit dem Bundesfinanzministerium - die Möglichkeit einer erweiterten Berücksichtigung von Freibeträgen bei der Vermögensabgabe eröffnet. Mit diesem interfraktionellen Antrag soll dem Grundgedanken des von Ihnen angeführten Urteils des Bundesverfassungsgerichts entsprochen werden.
Darf ich fragen, Herr Staatssekretär, ob die Bundesregierung zur Herbeiführung einer einheitlichen Praxis in allen Ländern das Problem durch eine Bundesverordnung erledigen will?
Herr Abgeordneter, es wird nicht durch eine Bundesverordnung, sondern durch ein Gesetz geregelt. Dadurch ist die einheitliche Anwendung innerhalb des Bundesgebiets gesichert.
Danke!
Ich rufe nunmehr eine Frage des Abgeordneten Schultz auf, die in dem Katalog der Fragen unter VIII steht:
Wann ist mit dem durch den Bundesrechnungshof angekündigten Abschlußbericht betr. Entwicklung und Beschaffung von Schützenpanzerwagen - Drucksache 1518, lfd. Nr. 85 - zu rechnen?
Herr Abgeordneter Schultz fragt nach den Bemerkungen des Bundesrechnungshofes zu der Vergabe eines größeren Panzerauftrages im Jahre 1957. Der Präsident des Bundesrechnungshofes hatte in seiner Denkschrift vom Oktober 1959 angedeutet, daß er auf diese Frage später eingehen wollte. In den letzten Prüfungsberichten und Denkschriften des Bundesrechnungshofes ist dieser Gegenstand nicht erörtert worden. Der Bundesrechnungshof hat uns wissen lassen, daß über das Ergebnis seiner Prüfung wohl erst in den Bemerkungen oder in der Denkschrift zur Haushaltsrechnung des Jahres 1959 etwas enthalten sein könnte.
Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft. Frage V/1 - des Abgeordneten Wilhelm -:
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um der Verunreinigung der Rossel im Saarland durch die lothringischen Kohlengruben ({0}) und die chemische Industrie Lothringens wirksam zu begegnen?
Mit der Verschlammung und Verunreinigung der Rossel ist die Bundesregierung seit einiger Zeit befaßt. Die eingeleiteten Verhandlungen und Untersuchungen sind jedoch noch nicht abgeschlossen.
Von der Bundesregierung ist vorgesehen, eine „Internationale Kommission zum Schutze der Saar gegen Verunreinigungen" zusammen mit der französischen Regierung zu bilden. In dieser Kommission wird auch die Reinhaltung der Saarzuflüsse, zu denen die Rossel gehört, gründlicher behandelt werden können, als dies bisher möglich war. Die Vorarbeiten für die Bildung der Kommission sind bereits weit fortgeschritten, so daß sie bald abgeschlossen sein werden.
Ob dann weitere Schritte, vor allen Dingen auf diplomatischem Wege, notwendig und zweckmäßig erscheinen, wird von dem Gang der Verhandlungen abhängen.
Zusatzfrage?
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung bekannt, daß die Schlammbank an der Grenzbrücke in Großrosseln eine akute Gefahr darstellt und daß bei Hochwasser das Wasser über die Brücke in das Eindeichungsgebiet eindringt?
Eine Überflutung hat nach Kenntnis des Bundeswirtschaftsministeriums bisher nicht stattgefunden. Die Verhältnisse, die vor Jahren Anlaß zu einer Anfrage gaben, sind nach Meinung des Bundeswirtschaftsministeriums durch die Fertigstellung einer Pumpanlage wesentlich verbessert worden. Natürlich haben die ungewöhnlich starken Niederschläge der letzten Zeit die Situation nicht gerade gebessert, sondern verschlechtert.
Weitere Zusatzfrage?
Ist der Bundesregierung bekannt, daß infolge fortgesetzter Verunreinigung von der Rossel ekelerregender Gestank verbreitet wird, was der Bevölkerung in diesem Gebiet nicht länger zumutbar ist?
Das ist uns nicht zu Ohren gekommen. Wir haben uns über die Klagen der ansässigen Bevölkerung wiederholt mit der Saarregierung ins Benehmen gesetzt, die ja primär zuständig ist.
Zusatzfrage des Abgeordneten Schneider!
Herr Staatssekretär, war bei Abschluß ;der Verträge mit Frankreich, insbesondere wegen des Baues ides Moselkanals, nicht ausdrücklich vereinbart worden, daß die Reinhaltung der Rossel Voraussetzung für die deutschen Leistungen zum Bau des Moselkanals ist?
Ob ein Zusammenhang zwischen dem Vertrag über den Moselkanal und dem Saar-Vertrag besteht, kann ich Ihnen im Augenblick nicht sagen. In dem Saar-Vertrag vom Oktober 1956 ist jedoch in der Tat, Herr Abgeordneter, festgelegt, daß sich die Regierung mit der Reinhaltung der Rossel zu befassen hat.
Zweite Zusatzfrage?
Ist die Bundesregierung bereit, die Frage zu prüfen, ob vertragliche Möglichkeiten in dem von mir angedeuteten Sinn bestehen, und daraus die entsprechenden Rechte zur alsbaldigen Bereinigung herzuleiten?
Zur Prüfung dieser Frage ist die Bundesregierung selbstverständlich gern bereit.
Ich rufe auf die Fage V/2 - des Abgeordneten Wilhelm -:
Ist die Bundesregierung bereit, den Bergbau-Geschädigten im Warndtgebiet bei der Feststellung von Schieflagen, der Feuchtigkeitsbestimmung etc. zu helfen?
Ich bitte den Herrn Präsidenten um ,die Genehmigung, die Fragen 2 und 3 zusammen beantworten zu dürfen; denn ,sie stehen in einem inneren Zusammenhang miteinander.
Bitte sehr. Ich rufe auch ,die Frage V/3 - des Abgeordneten Wilhelm - auf:
Ist die Bundesregierung bereit, ihren Einfluß bei der französischen Regierung geltend zu machen, damit Schäden, die im saarländischen Warndtgebiet durch den Abbau von Steinkohlen durch die lothringischen Kohlengruben ({0}) entstehen, innerhalb einer zumutbaren Frist entschädigt werden?
Die Probleme der Entschädigung von Bergschäden im Warndtgebiet durch die lothringischen Gruben Houillères du Bassin de la Lorraine sind bereits Gegenstand einer Frage des Herrn Abgeordneten Draeger in der 35. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 26. 6. 1958 gewesen. In der Beantwortung hatte die Bundesregierung u. a. auf schon eingeleitete Maßnahmen der saarländischen Regierung verwiesen und sich - allerdings unier ausdrücklichem Hinweis auf die privatrechtliche Natur des Entschädigungsanspruchs - bereit erklärt, zu versuchen, durch eine Einschaltung die Schadensregelung zu fördern. Als Ergebnis der daraufhin ,durchgeführten Besprechungen zwischen der Saarbergwerke AG als Verpächterin, den lothringischen Gruben als Pächterin und einer Interessengemeinschaft ,der Bergbaugeschädigten ist mitgeteilt worden, daß unstreitige Fälle mit einer kurzen Bearbeitungszeit von 11/2 bis 2 Monaten erledigt würden. Inzwischen ist diese Zusage auch verwirklicht worden. Anträge auf Schadensregulierung wurden in großer Zahl erledigt; natürlich werden aber immer wieder neue Anträge vorgelegt.
Größere Verzögerungen sind nur bei sogenannten Minderwert-Anträgen eingetreten, die zumeist schwierige Fälle darstellen wie Überschwemmungsschäden mit hohen Forderungen der Geschädigten usw. Hierbei ist auch die Ursächlichkeit zwischen dem Abbau der Kohle und dem eingetretenen Schaden häufig zweifelhaft oder zumindest umstritten.
In Anbetracht dieser Sachlage und mit Rücksicht auf die in der Anlage 26 zum Saarvertrag sichergestellte Anwendung deutschen Rechts und die Zuständigkeit deutscher Gerichte erschien eine weitergehende Einschaltung ,der Bundesregierung untunlich. Auch auf diplomatischem Wege dürfte nur die schon von den lothringischen Gruben gegebene Versicherung zu erreichen sein, unstreitige Bergschäden ohne Verzögerung zu ersetzen. Die Entschädigungsansprüche sind im übrigen rein zivilrechtlicher Art, so daß es zu schweren Berufungsfällen führen könnte, wenn die Bundesregierung sich bei der Feststellung von privaten Schäden unmittelbar einschalten würde. Für die Gleichstellung der durch den Abbau lothringischer Gruben Geschädigten mit den übrigen Bergbaugeschädigten im Saarland ist aber im Rahmen des Saarvertrages durch die Anwendbarerklärung der Vorschriften über die Einsichtnahme in das Grubenbild Sorge getragen.
Zusatzfrage?
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung bekannt, daß infolge des am 31. Dezember 1961 auslaufenden Pachtvertrags über den
Kohleabbau im Warndtgebiet bis zu diesem Zeitpunkte Entschädigungsanträge bei den lothringischen Kohlengruben eingereicht sein müssen und daß die in meiner Frage angeführten Feststellungen mit einem erheblichen Kostenaufwand für die Betroffenen - hier handelt es sich meist um Empfänger kleiner Einkommen - verbunden sind?
Diese Terminsetzung, Herr Abgeordneter, ist mir nicht bekannt. Ich möchte auch bezweifeln, ob sie tatsächlich richtig ist. Wir werden das sofort prüfen.
Eine Zusatzfrage zu dieser Frage, Herr Abgeordneter Ritzel!
Herr Staatssekretär, es interessiert die Antwort auf die Frage: Ist die saarländische Regierung in der Beurteilung des Vertrags vor allem in bezug auf die Schäden, die in der Warndt eingetreten sind und weiter drohen, derselben Auffassung wie die Bundesregierung?
Herr Abgeordneter, ich fühle mich nicht befugt, die Meinung der saarländischen Regierung hier zu vertreten. Ich glaube nicht, daß wir uns in irgendeinem nennenswerten Dissens jedenfalls mit der saarländischen Regierung befinden. Zumindest ist mir das zur Zeit nicht bekannt.
Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Frage VI/1 - des Abgeordneten Walter -:
Halt die Bundesregierung die Import-Zugeständnisse für USA-Schlachtgeflügel für vereinbar mit ihren Verpflichtungen aus dem EWG-Vertrag?
Die Bundesregierung hält die Importzugeständnisse für US-Schlachtgeflügel mit ihren Verpflichtungen aus dem EWG-Vertrag für vereinbar, da die Einfuhr von Schlachtgeflügel gegenüber den EWG-Mitgliedstaaten - wie auch gegenüber allen anderen Mitgliedstaaten der OEEC -seit 1955 liberalisiert ist und diese Liberalisierung nach Art. 31 des EWG-Vertrages gegenüber den EWG-Mitgliedstaaten konsolidiert ist. Bestimmungen des EWG-Vertrages sind damit nicht verletzt.
Frage VI/2 - des Abgeordneten Mauk -:
Erhält die Bundesregierung ihre Empfehlungen für den Ausbau der bäuerlichen Geflügelmast zur Verbesserung des bäuerlichen Familieneinkommens und zur Sicherung der Marktversorgung aufrecht?
Die Bundesregierung hat in ihren amtlichen Verlautbarungen, insbesondere auch im Grünen Bericht und Grünen Plan, keine Empfehlungen gegeben. Sie hat lediglich über die Lage der Landwirtschaft berichtet, Feststellungen getrofen und sich dazu geäußert, welche Maßnahmen sie
ergriffen hat und welche sie zu ergreifen beabsichtigt.
Die Auffassung der Bundesregierung und ihre Vorschläge zu einer Reihe von Spezialfragen der Geflügelwirtschaft sind bei der Beantwortung der Fragen des Herrn Abgeordneten Dr. Reinhard in der Fragestunde am 3. Mai 1961 durch den Herrn Staatssekretär Dr. Sonnemann dargelegt worden.
Zusatzfrage!
Herr Minister, es ist Ihnen aber doch sicher bekannt, daß mit Ihrer Zustimmung von den einzelnen Länderregierungen immer wieder darauf aufmerksam gemacht worden ist, daß hier noch eine Versorgungslücke vorhanden ist, und daß mit amtlicher Unterstützung Beratungsringe für die mittlere und kleinere Landwirtschaft eingerichtet worden sind?
Ich darf nur feststellen, daß die Maßnahmen, die die Landesregierungen auf dem Gebiete der Beratung treffen, weder unserer Bilkgung bedürfen noch daß auf sie sonst direkt Einfluß genommen wird. Ich gebe aber gern zu, daß wir in der großen Linie die Umstellung auf gewisse Veredelungszweige durchaus positiv bewerten und in der Vergangenheit auch bewertet haben. Darunter fällt auch das Gebiet der Geflügelwirtschaft.
Danke schön.
Frage VI/3 - des Abgeordneten Mauk -:
Welche Beträge hat die Bundesregierung in den letzten drei Jahren als Kredite und Zuschüsse für den Ausbau und zur Rationalisierung der bäuerlichen Geflügelmast sowie zu der genossenschaftlichen Geflügelschlachterei zur Verfügung gestellt?
Es trifft zu, daß die Feststellung von Rückständen derartiger Zusätze mit Ausnahme von Arsen im Geflügelfleisch mit den zur Zeit bekannten Untersuchungsmethoden nicht immer möglich ist.
Auf Anfrage der Bundesregierung hat die amerikanische Regierung erklärt, daß in den USA der Zusatz von Hormonen zu Futtermittelmischungen für Geflügel seit 18 Monaten verboten ist. Der Zusatz von arsenhaltigen Stoffen ist ebenfalls verboten. Antioxydantien würden als Zusatz zu Futtermittelmischungen für Geflügel nicht verwendet. Die Beimischung von Anticoccidiosemitteln ist auch in der Bundesrepublik zugelassen.
Im übrigen enthält jede Ausschreibung zur Einfuhr von Schlachtgeflügel einen ausführlichen Hinweis auf die nach dem Lebensmittelgesetz verbotenen Stoffe.
Die amerikanische Regierung hat die Geflügelinspektion durch besonderen Erlaß angewiesen, die Einhaltung dieser Ausschreibungsbedingungen zu überwachen.
Darüber hinaus hat die deutsche Botschaft auftragsgemäß in den USA in einer Reihe von Gesprächen mit der Obersten Gesundheitsbehörde klargestellt, daß nur solches Geflügel nach Deutschland exportiert werden darf, das im Hinblick auf die deutsche Lebensmittelgesetzgebung unbedenklich ist. Der Landwirtschaftsattaché der deutschen Botschaft hat wiederholt Geflügelmastbetriebe in den USA besichtigt und festgestellt, daß die Hähnchen in den besichtigten Farmen nicht mit in Deutschland verbotenen Zusätzen gefüttert werden.
Herr Minister, Sie haben eben die Frage VI/4 - des Abgeordneten Logemann - beantwortet:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß das Geflügelfleisch, das durch die Defacto-Liberalisierung aus USA jetzt in großen Mengen in die Bundesrepublik eingeführt wird, mit Futtermittelmischungen erzeugt ist, in denen die in Deutschland verbotenen Zusätze wie Antioxydantien, Arsenicels, Hormone, Antioccidiosemittel im Arsen etc. enthalten sind, und daß es nach sachverständigen Urteilen keine Untersuchungsmethoden gibt, mit denen man feststellen kann, daß derartige in Deutschland verbotene Stoffe verwendet worden sind?
Die Frage VI/3 - des Herrn Abgeordneten Mauk - war aufgerufen.
Ich bitte Sie um Entschuldigung.
Aber niemand wird sich dadurch wohl gekränkt fühlen.
Ich darf Sie also bitten, nunmehr die Frage 3 zu beantworten.
Herr Abgeordneter Mauk, ich bitte um Entschuldigung. Die Vielzahl der Fragen gab den Grund zur Verwechslung.
Die Bundesregierung hat in der Zeit vom 1. April 1957 bis 31. Dezember 1960 aus Mitteln des Grünen Planes zur Förderung der deutschen Geflügelwirtschaft insgesamt rund 4,8 Millionen DM Zuschüsse gewährt. Davon wurden gezahlt:
1. Für Maßnahmen zur Förderung der Geflügelzucht rund 1,5 Millionen DM. Der gleiche Betrag wurde von den Ländern zur Verfügung gestellt.
2. Zur Errichtung von beispielhaften bäuerlichen Hühnerhaltungen rund 1,6 Millionen DM.
3. Zur Errichtung von Erfassungs- und Verwertungseinrichtungen rund 1,7 Millionen DM. Hier wurde von den Ländern die Hälfte dieses Betrages aufgebracht.
Kredite wurden nicht gewährt. Durch die Gewährung von Zuschüssen für die Errichtung von Geflügelschlachtereien wird mittelbar auch die bäuerliche Geflügelmast gefördert.
Die Auswahl der Projekte lag in der Zuständigkeit der Länder.
Für die genannten Projekte stehen im Rechnungsjahr 1961 Bundeszuschüsse in Höhe von insgesamt 3 Millionen DM zur Verfügung.
Von dem Betrag von 1,7 Millionen DM für Geflügelschlachtereien erhielten sechs Genossenschaften zusammen einen Anteil von 380 000 DM; das ist etwas über ein Fünftel des Gesamtbetrages.
Herr Minister, warum hat dann die Bundesregierung mit den USA ein Abkommen getroffen, wenn sie die Förderung für so dringend hält, da nunmehr alle diese Einrichtungen in ihrer Existenz gefährdet sind?
Die Abmachungen der Bundesregierung mit den Vereinigten Staaten haben nichts mit den Förderungsmaßnahmen zu tun, die wir auf dem Gebiete der Geflügelwirtschaft veranlaßt haben; auch ist der Preisverfall, der offenbar Grund Ihrer Anfrage ist, nicht auf die Liberalisierung oder De-facto-Liberalisierung der amerikanischen Geflügelimporte zurückzuführen, sondern auf den Preisverfall in den Vereinigten Staaten selbst. Während noch im Jahr 1960 im April 2543 t Schlachtgeflügel aus Amerika eingeführt wurden, ging der Import im Jahre 1961 auf 1294 t zurück. Im Mai betragen die Vergleichszahlen 2524 t zu 1782 t. Sie ersehen daraus, daß es sich hier nicht um ein Mengenproblem handelt, von dem ausgehend man Ihre Forderung hätte untermauern können, sondern um ein Preisproblem, das weder in der Hand der Bundesregierung lag noch vorauszusehen war.
Aber es ist doch der Bundesregierung sicher bekannt, daß zur Zeit Schlachtgeflügel aus den USA zu so niedrigen Kampfpreisen angeboten wird, daß selbst der durchrationalisierteste Betrieb wieder in der Bundesrepublik noch in anderen Ländern Europas konkurrenzfähig sein kann?
Auch diese Frage ist von Herrn Abgeordneten Dr. Reinhard bereits gestellt und bei der Antwort auf die vorhin erwähnte Anfrage durch den Herrn Staatssekretär Dr. Sonnemann mit Ja beantwortet worden.
Herr Abgeordneter Weber ({0}) zu einer Zusatzfrage!
Herr Minister, ich darf Sie fragen: Welche Sicherungen sind in den Vereinbarungen mit den USA eingebaut, um eine Existenzgefährdung der deutschen Geflügelmast zu verhindern?
Ich frage ferner: Ist die Bundesregierung bereit, davon unverzüglich Gebrauch zu machen, wenn eine Existenzgefährdung bei unseren Geflügelmästereien eintreten sollte?
Herr Kollege Weber, wie ich schon soeben dargelegt habe, ist der Preisverfall bei den Hähnchen nicht auf Grund einer vorherzusehenden Überbelieferung des Marktes eingetreten, sondern es ist ein Preisverfall einer gegenüber dem Vorjahr kleineren Importmenge erfolgt. Beim Abschluß des Vertrages mit den USA war also nichts zur Sicherung der Landwirtschaft zu veranlassen, weil nicht zu erwarten war, daß größere Mengen importiert werden würden.
Eine weitere Zusatzfrage!
Herr Minister ist die Bundesregierung für den Fall, daß nun an diesen Abmachungen mit den USA nichts mehr zu ändern ist, bereit, im Rahmen des Möglichen Abschöpfungsbeträge einzuführen, damit den deutschen Geflügelmästereien ihre Existenzfähigkeit erhalten bleibt?
Der Bundesregierung ist die Schwierigkeit, in ,der sich die deutsche Geflügelmast, speziell die Hähnchenmast, befindet, vollauf bekannt. Sie wird das in ihren Kräften Stehende tun, um den deutschen Geflügelmästern einen Schutz zu gewähren.
Die Frage ist beantwortet.
Wir kommen zur Frage VI/5 - Ides Abgeordneten Logemann -:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß in USA große Mengen Schlachtgeflügel von der Regierung aus dem Markt genommen und eingelagert worden sind und daß das jetzt hereinkommende Geflügelfleisch daher zu einer Zeit produziert worden ist, als die Bestimmungen der Lebensmittelgesetznovelle ({0}) - Konservieren mit Antibiotica-Tauchverfahren - noch nicht galten?
Ist ,die Frage durch die Antwort auf die Frage VI/4 mit beantwortet? - Sie erwarten keinerlei Antwort mehr, Herr Logemann?
({1})
Wir kommen dann zur Frage VI/6 - des Herrn Abgeordneten Murr -:
Trifft es zu, daß die Bundesregierung sich mit einem Vorschlag der französischen Regierung für ein langfristiges Lieferabkommen über Rindfleisch grundsätzlich einverstanden erklärt hat?
Zur Beantwortung der Herr Minister.
Ich beantworte die Frage des Herrn Abgeordneten Murr wie folgt:
Entsprechend der Empfehlung der Kommission der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, langfristige Verträge abzuschließen, wurden mit Frankreich am 5. Juni dieses Jahres Verhandlungen über den Abschluß eines langfristigen Fleischabkommens auf der Grundlage des Art. 45 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft aufgenommen, die am 19. Juni fortgesetzt werden sollen.
Die Bundesregierung glaubt dabei den Schutzbedürfnissen der deutschen Landwirtschaft gegenüber der Verpflichtung und der Automatik des Art. 33 des Vertrages am besten Rechnung tragen
zu können. Andererseits wird den Franzosen damit die Möglichkeit gegeben, in Erfüllung des Vertrages von Rom angemessen an den Einfuhren beteiligt zu sein.
Teilt die Bundesregierung nicht die Meinung, daß weitere langfristige Importverpflichtungen zusammen mit den schon gegenüber anderen Staaten eingegangenen Verpflichtungen die Aufnahmefähigkeit des deutschen Marktes erheblich überschreiten und daher zu einem empfindlichen Rückgang der Erzeugerpreise für Rindfleisch führen müssen?
Die Bundesregierung ist nicht der Auffassung, daß derartige Rückwirkungen eintreten werden. Die Verträge, die abgeschlossen sind - ich denke hier an den Vertrag mit Dänemark -, beinhalten ein Quantum, das durch eine Besserungsklausel aufgestockt werden kann. Die nunmehr mit Frankreich abgeschlossenen Lieferungen würden lediglich eine Einschränkung der unter Umständen aus der Besserungsklausel sich ergebenden Möglichkeiten bewirken.
Zusatzfrage!
Herr Bundesminister, sind Sie nicht auch der Auffassung, daß viele Abmachungen dieser Art bereits zu einem erheblichen Rückgang der deutschen landwirtschaftlichen Erzeugerpreise geführt haben und solche Zugeständnisse deshalb in krassem Widerspruch zum Landwirtschaftsgesetz stehen?
Ich sehe keine bisher entstandenen größeren Schäden. Soweit es sich um Produkte handelt, die der Marktordnung unterliegen, sind die Überschüsse - wie bei Getreide und Zucker - aufgenommen worden und haben den Festpreis nicht tangiert. Auch die übrigen Einfuhren auf anderen Gebieten sind im wesentlichen so gesteuert worden, daß größere Schädigungen nicht eingetreten sind. Ich verkenne aber nicht die Gefahr, die in dem Gesamtvorgehen hinsichtlich der Einfuhrmöglichkeiten seitens der EWG und anderer Staaten für die Landwirtschaft gegeben ist.
Die Frage ist beantwortet.
Ich rufe auf die Frage VI/7 - des Abgeordneten Leicht -:
Hat die Bundesregierung Vorkehrungen getroffen, um zu verhindern, daß - wie im vergangenen Jahr - französische Kartoffeln unverzollt nach dem Bundesgebiet geliefert werden?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Herrn Bundesministers Schwarz vom 13. 6. 1961 lautet:
Auf Grund der im vergangenen Jahr gemachten Erfahrungen haben sich die zuständigen Ressorts auf meine Bitte hin veranlaßt gesehen, die unzulässige Weiterlieferung von Kartoffeln, die aus Frankreich auf Saareinfuhrbewilligungen eingeführt werden, in das übrige Bundesgebiet dadurch zu unterbinden, daß diese Kartoffeln nur unter Zollsicherung in das Saarland eingeführt werden dürfen.
Bereits im April 1961 habe ich den Herrn Bundesminister der Finanzen gebeten, noch vor Beginn der deutschen Frühkartoffelernte durch Rechtsverordnung Speisekartoffeln in die Warenliste zur Verordnung über die zollfreie Einfuhr von Kontingentswaren aus Frankreich in das Saarland vom 3. Juli 1959 ({0}) aufzunehmen ({1}).
Am 10. Mai 1961 wurde vom Herrn Bundesminister der Finanzen der Entwurf einer Zweiten Verordnung zur Änderung der vorgenannten Verordnung vorgelegt, der von mir unverändert gebilligt wurde. Eine Rückfrage beim Herrn Bundesminister der Finanzen ergab, daß die Änderungsverordnung im Bundesanzeiger Nr. 112 vom 14. Juni 1961 veröffentlicht wird.
Die Frage unter VII wird am Freitag aufgerufen.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verteidigung. Ich rufe die Frage VIII/1 - des Abgeordneten Bay - auf :
Wie erklärt die Bundesregierung den Gegensatz zwischen der Aussage des Herrn Bundesverteidigungsministers in der Fragestunde vom 19. April 1961, die Landesregierung von BadenWürttemberg habe der Festlegung des Tiefflugübungsgebietes über dem Schwarzwald zugestimmt, und der Feststellung des Herrn Innenministers von Baden-Württemberg in der Landtagssitzung vom 18. Mai, die Landesregierung sei weder in dieser Sache gehört worden noch habe sie zugestimmt?
Die Bundesregierung ist im Besitz von zwei Schreiben in dieser Angelegenheit, die die Grundlage meiner Antwort vom 19. April darstellen. Es sind dies: 1. ein Schreiben des Bundesministers für Verkehr vom 15. 6. 1960, gerichtet an die Herren Verkehrsminister der Länder und das Innenministerium des Landes Baden-Württemberg, in dem die angeschriebenen Stellen mit dem Vorhaben zur Einrichtung von Tiefflugübungsgebieten bekanntgemacht, die Rechtsgrundlagen für ein solches Vorhaben erläutert und die Adressaten um Stellungnahme gebeten werden; 2. ein Schreiben des Innenministeriums von BadenWürttemberg, Hauptabteilung für Verkehr, vom 5. 7. 1960 an den Herrn Bundesminister für Verkehr, in dem auch zu dem Vorschlag über Einrichtung des Tieffliegerübungsgebietes Schwarzwald im Südwesten des Landes Baden-Württemberg Stellung genommen wird. Danach bittet das Innenministerium von Baden-Württemberg, 1. den Überlinger See auszusparen, 2. die für Tiefflug gesperrten Gebiete um die Landeplätze Donaueschingen, Schwenningen und Liptingen zu einem tiefflugfreien Gebiet zusammenzufassen, 3. den Raum um die Stadt Tübingen aus dem Tieffluggebiet auszuklammern.
Diesen drei Bitten des Landes Baden-Württemberg wurde entsprochen. Somit bestehen hinsichtlich des Tieffliegerübungsgebietes Schwarzwald keine Meinungsverschiedenheiten zwischen der Bundesregierung und dem Land Baden-Württemberg.
Zusatzfrage!
Herr Minister, darf man davon ausgehen - weil das Datum des Antwortschreibens des Innenministeriums von Baden-Württemberg ein Jahr zurückliegt -, daß es sich um die gleiche Sache handelt?
Ich habe zwei Schreiben erwähnt, das Schreiben des Bundesministers für Verkehr vom 15. Juni 1960 und das Schreiben des Innenministeriums von Baden-Württemberg vom 5. Juli 1960.
Zweite Zusatzfrage!
Herr Minister, das zweite Schreiben ist nach dem, was Sie vorgetragen haben, doch wohl so aufzufassen, daß grundsätzlich zugestimmt wird, jedoch gebeten wird, auf die und die Punkte noch besonders Rücksicht zu nehmen? Sie sagten doch wohl, daß im Grundsatz Einverständnis erzielt wurde und in den besonderen Punkten auch noch?
Es besteht im allgemeinen ein Unterschied zwischen dem, was man wünscht, und dem Kompromiß, dem man zustimmt. Daß es der Landesregierung Baden-Württemberg am liebsten wäre - wie es auch für alle übrigen Landesregierungen und für die Bundesregierung zutrifft -, von dem Problem des Tieffliegerlärms überhaupt verschont zu sein, darf ich als selbstverständlich unterstellen. Aber die Wünsche der Landesregierung Baden-Württemberg angesichts der Unvermeidbarkeit, einen solchen Raum zur Verfügung zu stellen, sind erfüllt worden.
Letzte Zusatzfrage.
Herr Minister: Demnach ist es belegt, was Sie nach Befragung der Verwaltungsbeamten in der Fragestunde vom 19. April bejaht haben? Sie sagten doch damals, die Landesregierung I habe zugestimmt.
Nach den mir in dieser Fragestunde während der Beantwortung einer Zwischenfrage gegebenen Informationen hat die Landesregierung insofern zugestimmt, als sie a) nicht gegen das Projekt überhaupt Stellung nehmen konnte, weil es nicht möglich ist, einfach die Berechtigung eines Tieffliegerübungsplatzes grundsätzlich zu verneinen, und als b) die besonderen Wünsche, die die Landesregierung BadenWürttemberg vorgebracht hat, nach den vom Verkehrsministerium mir gemachten Mitteilungen berücksichtigt worden sind und das Tieffliegerübungsgebiet entsprechend gestaltet worden ist.
({0})
Ich rufe die Frage VIII/2 - Abgeordneter Metzger - auf:
Hält es der Herr Bundesverteidigungsminister für richtig, daß die Übereignung eines 1,5 ha großen bundeseigenen Geländes an den Sportverein St. Stephan in Darmstadt-Griesheim, der sich um die Betreuung der Jugend von 6000 Heimatvertriebenen der St.-Stephan-Siedlung bemüht, davon abhängig gemacht wird, daß dem Bund für einen Standortübungsplatz, der an einem ganz anderen Ende der Stadt Darmstadt geschaffen werden soll, 90 ha Gelände übereignet werden?
Es ist nicht zutreffend, daß für die Übereignung eines 1,5 ha großen bundeseigenen Geländes an den Sportverein St. Stephan in Darmstadt-Griesheim als Gegenleistung der Bund die Bereitstellung eines 90 ha großen Geländes zur Verwendung als Standortübungsplatz gefordert hat. Das für die Anlage eines
Sportplatzes begehrte Gelände ist nicht von der Bundeswehr benutzt, sondern Bestandteil des von den US-Streitkräften seit 1945 in Anspruch genommenen ehemaligen Flugplatzes Darmstadt-Griesheim, Ich habe seinerzeit der Veräußerung dieses unmittelbar an die Siedlung St. Stephan anschließenden Geländes gegenüber dem federführenden Bundesminister für wirtschaftlichen Besitz des Bundes zugestimmt, selbstverständlich unter dem Vorbehalt, daß die US-Streitkräfte dieses Gelände freigeben, weil sonst die Zustimmung des Bundesministers für Verteidigung keine Wirkung hat. Diese Freigabeverhandlungen sind aber noch nicht abgeschlossen.
Herr Minister, ist Ihnen nicht bekannt, daß sich der Herr Bundesminister für wirtschaftlichen Besitz des Bundes ausdrücklich darauf berufen hat, daß Sie mit Rücksicht darauf, daß kein Gelände von 80 bis 90 ha für einen Truppenübungsplatz beschafft werden konnte, diese 1,5 bis 2 ha nicht freigeben würden?
Das steht in keinem Zusammenhang. Das geht weder aus dem Text Ihrer Anfrage noch aus unseren Akten hervor. Ich bitte Sie um Übermittlung der Unterlagen darüber.
Darf ich fragen, besteht zwischen Ihnen und dem Minister für wirtschaftlichen Besitz des Bundes keine Verbindung, daß Sie das nicht wissen, wenn sich der Minister für wirtschaftlichen Besitz des Bundes ausdrücklich auf Sie beruft?
Zwischen ,dem Bundesminister für Verteidigung und dem Bundesminister für wirtschaftlichen Besitz des Bundes besteht eine sehr enge Verbindung, eine sehr enge Zusammenarbeit. Ich darf aber darauf hinweisen, daß die Titel „der Bundesminister für Verteidigung" und „der Bundesminister für wirtschaftlichen Besitz des Bundes" eine Vielzahl von Stellen einschließen. Ich darf weiterhin bemerken, daß sich die Zahl der Projekte, ,die zwischen den beiden Ministerien verhandelt werden, in einer Größenordnung von über 2000 bewegt.
Darf ich also unterstellen, daß Sie in dem Augenblick, wo Sie die Dinge persönlich genau kennen, bereit sind, die 1,5 ha für den Sportplatz der Flüchtlingsjugend einer Siedlung, wo 5000 oder 6000 Menschen wohnen, freizugeben und nicht darauf zu bestehen, daß Ihnen erst ein Grundstück in der Größe von 80 ha für den Truppenübungsplatz beschafft wird?
Ich kenne die Vorgänge, auf die Sie Bezug nehmen, nicht, und darum darf ich nochmals um die Überlassung der Unterlagen bitten.
Damit ist die Frage beantwortet.
Vizepräsident Dr. Schmid
Ich rufe die Frage VIII/3 - des Abgeordneten Schultz - auf:
Wann wird der Herr Bundesverteidigungsminister, dem Wunsche des Herrn Weinbauministers von Rheinland-Pfalz entsprechend, Wein zum Bestandteil der Verpflegung in der Bundeswehr machen?
Vor einigen Tagen habe ich bereits in Stuttgart anläßlich einer während der Kommandeurtagung durchgeführten Pressekonferenz erklärt, daß nichts dagegen einzuwenden ist, ,daß bei besonderen Anlässen im Rahmen der Verpflegung an ,die Soldaten der Bundeswehr Wein ausgegeben wird. Bei der Entscheidung, ob Wein zum regelmäßigen Bestandteil der Soldatenverpflegung gemacht werden kann, ist jedoch folgendes zu bedenken.
Nach einem altbewährten Grundsatz muß die Soldatenverpflegung den Verzehrgewohnheiten des Heimatlandes entsprechen und wohlschmeckend sein. Demgemäß besteht die Getränkeportion der Soldatenverpflegung zur Zeit aus Kaffee, Tee, Kakao und Fruchtsäften, die nach Bedarf und in der Regel unbeschränkt ausgegeben werden. Diese Getränkeportion kostet im Durchschnitt täglich etwa DM 0,22
und kann im Rahmen des derzeitigen Verpflegungsgeldsatzes von DM 2,75 je Mann und Tag ohne Schwierigkeiten beschafft werden. Für einen Viertelliter Wein wäre demgegenüber im Schnitt ein Kostenbetrag von etwa DM 0,45 einzusetzen, so daß bei der Einführung einer täglichen Weinportion der Verpflegungsgeldsatz um mindestens DM 0,25 auf etwa DM 3,- erhöht werden müßte.
Diese Maßnahme würde zu einer Mehrbelastung der an der Truppenverpflegung teilnehmenden Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit führen, die ihre Verpflegung selbst bezahlen müssen. Die bei der Verpflegung der Wehrpflichtigen entstehenden beträchtlichen Mehrkosten würden dem Bundeshaushalt zur Last fallen.
Anders als in den typischen weintrinkenden Ländern wie Italien, Frankreich, Spanien ist der Wein in Deutschland bei den Mahlzeiten nicht durchweg ernährungsüblich, sondern wird, wie andere alkoholische Getränke, als Genußmittel bewertet. Ein großer Teil der jungen, im Schnitt 20jährigen Soldaten lehnt nach unseren Beobachtungen und Erfahrungen den Alkoholgenuß ohnehin ab. Ich möchte auch annehmen, daß zahlreiche Eltern junger Wehrpflichtiger nicht damit einverstanden sind, wenn ihre Söhne auf diese Weise zum regelmäßigen Weingenuß beim Mittagessen erzogen werden.
({0})
Abgesehen davon, daß es nicht Aufgabe der Bundeswehr ist, einen Konjunkturausgleich auf dem Gebiete der Ernährungs-, Verbrauchs- und Genußmittelwirtschaft herbeizuführen, ist damit zu rechnen, daß die geforderten Maßnahmen zu berechtigten Berufungen anderer Getränkehersteller führen.
({1})
In der Zwischenzeit ist es auch zu einer Beschwerde oder, richtiger gesagt, zu einer besorgten vorsorglichen Anfrage des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes gekommen, der natürlich bei einer
fiskalischen Weinausgabe eine Minderung der Verkaufschancen des Gaststättengewerbes befürchtet.
Hinzu kommt noch, daß bei der derzeitigen Standortsverpflegungsstärke der Bundeswehr bei der Einführung einer Weinportion von einem Viertelliter je Mann und Tag insgesamt nur rund 200 000 Hektoliter jährlich benötigt würden. Angesichts der Gesamthöhe der derzeitigen Weinvorräte von 7,5 Millionen Hektolitern würde die Einführung einer täglichen Weinportion keine fühlbare Entlastung für die deutsche Weinwirtschaft bedeuten, aber einen problemreichen Präzedenzfall schaffen.
Infolgedessen sehe ich leider keine Möglichkeit, dem Wunsch auf Einführung einer regelmäßigen täglichen Weinportion im Rahmen der Soldatenverpflegung zu entsprechen. Da ich die Absicht habe, diese Frage auch dem Verteidigungsausschuß vorzulegen,
({2})
war ich nicht in der Lage, den Brief des Ministers Stübinger vor Beantwortung Ihrer parlamentarischen Anfrage zu beantworten, und muß ihn deshalb auf diesem Wege um Nachsicht dafür bitten, daß die Antwort nicht in der von ihm zunächst gewünschten Form erfolgt.
({3})
Ich glaube, die Sitzung des Verteidigungsausschusses zu dieser Sache wird als besonders vertraulich erklärt werden müssen.
({0})
Zusatzfrage?
Herr Minister, kennen Sie den Spruch der deutschen Weinwerbung: „Wein vergoldet jeden Tag!", und glauben Sie nicht, daß der Wein den Dienstpflichtigen auch den Tag vergoldet?
({0})
Ich kenne noch einen anderen Werbespruch: „Bier macht den Durst erst schön!"
({0})
In diesem Frage- und Antwortspiel ist uns die ganze Tiefgründigkeit und Variationsbreite des deutschen Föderalismus deutlich geworden ...
({0})
Die Fragestunde ist beendet. Die Fragen zu IX werden am Freitag aufgerufen werden.
Meine Damen und Herren, es besteht eine Vereinbarung der Herren Fraktionsgeschäftsführer, daß Punkt 27 der Tagesordnung unmittelbar nach Punkt 9 aufgerufen werden soll. Ich bitte, sich danach einzurichten.
Ich rufe auf Punkt 2 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts ides Ausschusses nach Artikel 77 ides Grundgesetzes
Vizepräsident Dr. Schmid
,({1}) zu dem Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Ausübung des Berufs der medizinisch-technischen Assistentin ({2}).
Berichterstatter ist Herr Senator Dr. Klein. Ich bitte ihn, seinen 'Bericht zu erstatten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundesrat hat in seiner Sitzung vom 26. Mai 1961 beschlossen, den Vermittlungsausschuß mit dem Ziel anzurufen, das vom Deutschen Bundestag am 4. Mai 1961 verabschiedete Gesetz zur Änderung ides Gesetzes über die Ausübung des Berufs der medizinisch-technischen Assistentin zu ändern.
In dem durch § 1 unter Nr. 1 neugeschaffenen Abs. 1 des § 18 sollten die Worte „mindestens seit fünf Jahren" gestrichen werden. Durch diese Streichung sollte nach dem Wunsche des Bundesrates die ursprüngliche Fassung des Initiativgesetzentwurfes des Bundestages wiederhergestellt werden. In Übereinstimmung mit den Initiatoren des Gesetzentwurfs stellte sich der Bundesrat auf den Standpunkt, daß medizinisch-technische Assistentinnen, die bereits am 1. Januar 1959 auf dem Gebiet der Mikrobiologie einschließlich der Serologie gearbeitet haben und seither diesen Beruf ausüben, vom Erlaubnis- und Prüfungszwang befreit sein sollten.
Der Vermittlungsausschuß ist der Auffassung des Bundesrates gefolgt. Es kann unterstellt werden, daß ein größerer Teil ides betroffenen Personenkreises - es handelt sich hier um etwa 100 bis 200 Kräfte - bereits Jahre vor dem 1. Januar 1959 auf dem einschlägigen Gebiet tätig war. Inzwischen sind seit dem Stichtag, idem 1. Januar 1959, weitere zweieinhalb Jahre vergangen. Unter diesen Umständen dürfte es nach Ansicht Ides Vermittlungsausschusses gerechtfertigt sein, zu der Fassung des Initiativantrages zurückzukehren.
Namens des Vermittlungsausschusses darf ich Sie hiermit bitten, der Streichung der Worte „mindestens seit fünf Jahren" zuzustimmen und das Gesetz nunmehr in dieser Fassung zu verabschieden.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Werden Erklärungen abgegeben? - Das ist nicht der Fall. Dann stimmen wir ab. Wer dem Antrag des Vermittlungsausschusses zustimmen will, der gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Punkt 3 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes ({0}) zu dem Gesetz über eine Berufsordnung der Wirtschaftsprüfer ({1}) ({2}).
Ich bitte Herrn Senator Klein, auch hier den Bericht zu erstatten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu dem Gesetz über eine Berufsordnung der Wirtschaftsprüfer empfiehlt der Vermittlungsausschuß zwei geringfügige Änderungen, die aus der Drucksache 2818 ersichtlich sind. Beide Änderungen sind lediglich redaktioneller Art.
Die erste bezieht sich auf § 4 Abs. 3 des Gesetzes, der die Bestimmung enthält, daß die Wirtschaftsprüferkammer Landesgeschäftsstellen errichten kann. In dem Gesetzesbeschluß des Bundestages vom 4. Mai 1961 waren hier zusätzlich die Worte enthalten: „in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland und im Lande Berlin". Diese Formulierung entspricht nicht der staatsrechtlichen Stellung Berlins, das im Art. 23 des Grundgesetzes als Land der Bundesrepublik aufgeführt wird. Eine Neuformulierung dieses Satzteiles ist aber nicht notwendig. Die Worte „in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland und im Lande Berlin" können ohne weiteres gestrichen werden, da es sich von selbst versteht, daß Landesgeschäftsstellen nur in den Ländern der Bundesrepublik errichtet werden können.
Die zweite Änderung bezieht sich auf § 139, durch den früheres Recht außer Kraft gesetzt wird. In Ziffer 9 dieser Bestimmung soll vor den Worten „bayerischen Kreises Lindau" das Wort „ehemaligen" eingefügt werden.
Ich habe die Ehre, Sie im Namen des Vermittlungsausschusses um Ihre Zustimmung zu diesen beiden Änderungen zu bitten.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Werden zu diesem Punkt Erklärungen abgegeben? - Das ist nicht der Fall.
Dann kommen wir zur Abstimmung. Wer dem Antrag des Vermittlungsausschusses - Drucksache 2818 - zustimmen will, der gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Punkt 4 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes ({0}) zu dem Gesetz über das Kreditwesen ({1}).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Hoogen. Ich bitte ihn, seinen Bericht zu erstatten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, mich angesichts der dem Vermittlungsvorschlag gegenüber zu erwartenden Haltung kurz fassen zu können.
Der Bundesrat hat im Vermittlungsausschuß zu dem Entwurf eines Gesetzes über das Kreditwesen in erster Linie gegen die Errichtung des Bundesaufsichtsamts verfassungsrechtliche Bedenken vorgebracht. Er hat die Bedenken wiederholt, die er schon gegen einen früheren Gesetzentwurf der Bundesregierung in der zweiten Legislaturperiode geltend gemacht hatte. Im Gegensatz zur Bundesregierung und zu dem vom Bundestag beschlosHoogen
senen Gesetzentwurf ist der Bundesrat der Auffassung, daß die Errichtung einer selbständigen Bundesoberbehörde nicht schon dann zulässig ist, wenn die Ausführung eines Gesetzes in bundeseigener Verwaltung zweckmäßig und praktisch möglich erscheint. Der Vermittlungsausschuß hat sich deshalb eingehend mit diesem Einwand gegen den Gesetzentwurf befaßt. Bei seiner Prüfung dieser Frage kam er zu der Überzeugung, daß die vom Bundestag beschlossene Errichtung einer Bundesoberbehörde nicht frei von verfassungsrechtlichen Zweifeln ist, während die vom Bundesrat vorgeschlagene Lösung, d. h. die Beibehaltung der Länderaufsichtsbehörden unter gleichzeitiger Verstärkung des materiellen Aufsichtsrechtes, verfassungrechtlich zweifelsfrei ist.
Der Vermittlungsausschuß hat sich insbesondere eingehend mit der Frage befaßt, ob die mehr als 10 Jahre ausgeübte Länderaufsicht in dem bekannten Sonderausschuß „Bankenaufsicht" ausreichend gewesen sei oder ob sich hierbei Mängel gezeigt hätten. Hätten sich nämlich solche Mängel gezeigt, wäre die Bundesregierung verfassungsrechtlich in der Lage gewesen, von Art. 84 Abs. 2 GG zur Abstellung der Mängel Gebrauch zu machen. Auf die diesbezügliche sehr eindeutige Frage des Berichterstatters im Vermittlungsausschuß hat der Herr Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium wörtlich erklärt, es habe in der Tat keinen konkreten wirtschaftlichen Anlaß gegeben, mit Hilfe des genannten Artikels einzugreifen. Bei dieser Antwort drängte sich dem Vermittlungsausschuß die in seinem Vorschlag enthaltene Lösung geradezu förmlich auf.
Die vorerwähnte Ausweitung des materiellen Aufsichtsrechts finden Sie in dem Ihnen vorliegenden Vermittlungsvorschlag auf Drucksache 2819 unter ,den Ziffern 4 bis 6. Dort ist vorgesehen, daß die Bundesregierung allgemeine Verwaltungsvorschriften erlassen und sogar Einzelweisungen über die Ausführung Ides Gesetzes erteilen kann und daß außerdem ein Beirat für das Kreditwesen beim Bundesminister für Wirtschaft zu errichten ist.
Diese Grundtendenz des Vermittlungsvorschlags ist noch für weitere Bestimmungen in der gleichen Richtung verstärkt worden. Wegen der Einzelheiten des Vermittlungsvorschlags darf ich auf die Ihnen vorliegende Drucksache verweisen und Sie namens des Vermittlungsausschusses um Annahme des Vermittlungsvorschlages bitten.
Wird gewünscht, Erklärungen abzugeben? - Für die Fraktion der CDU/CSU hat Herr Abgeordneter Schmücker das Wort zur Abgabe einer Erklärung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Fraktion der CDU/ CSU habe ich die Ehre, folgende Erklärung abzugeben.
Die CDU/CSU-Fraktion ist nicht in der Lage, dem Vermittlungsvorschlag zuzustimmen. Sie ist der Auffassung, daß der Bundestag bei seinem Beschluß vom 16. März bleiben sollte. Gegen das Gesetz
über das Kreditwesen sind verfassungsrechtliche und wirtschaftspolitische Bedenken geltend gemacht worden. Wir können weder die verfassungsrechtlichen noch die wirtschaftspolitischen Bedenken des Bundesrats teilen. Nach unserer Meinung ist die Errichtung von Bundesoberbehörden nicht von der Frage abhängig, ob es sich um Materien handelt, die von den Ländern nicht wirksam verwaltet werden können. Aber selbst wenn die Errichtung von Bundesoberbehörden von einer derartigen Voraussetzung abhängig wäre, halten wir sie beim Kreditwesen für gegeben.
Alle sachlichen und fachlichen Erwägungen führen zu dem Ergebnis, daß eine dezentrale Aufsicht unwirksam ist. Die Praxis der letzten Jahre ist kein Beweis gegen die Richtigkeit unserer Auffassung. Die günstigen wirtschaftlichen Verhältnisse haben kaum größere Gefahren für das Kreditwesen aufkommen lassen. Diese Lage kann sich sehr rasch ändern. Die gegenwärtige Handhabung hat sich als wirtschaftspolitisch unzureichend erwiesen. Von einer Bewährung kann keine Rede sein.
Nur eine Zusammenfassung der Bankenaufsicht bei einer Bundesoberbehörde sichert die Einheitlichkeit der Gesetzesanwendung. Diese ist dringend erforderlich, weil die Kreditinstitute in ihrer Gesamtheit eine organische Einheit darstellen. Außerdem ermöglicht eine Bundesoberbehörde rasche Entscheidungen. Eine zentrale Aufsicht gewinnt einen umfassenden Überblick über alle Entwicklungen und Probleme im Kreditwesen des gesamten Bundesgebietes, insbesondere hinsichtlich der organischen, liquiditäts- und geschäftsmäßigen Verflechtungen der Kreditinstitute. Eine isolierte Beaufsichtigung von Einzelinstituten reicht für eine wirksame Bankenaufsicht, die die Grundlage einer gesunden Kredit- und Währungspolitik sichert, nicht aus.
Auch die zusätzlichen Vorschläge des Vermittlungsausschusses, insbesondere das Weisungsrecht und der Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium, vermögen die dem dezentralen System anhaftenden Mängel nicht zu beseitigen. Nur scheinbar enthalten sie eine Verstärkung des Bundeseinflusses und eine gewisse Sicherung der einheitlichen Verwaltung. In Wirklichkeit haben sie jedoch lediglich optische Bedeutung und bieten keine ausreichende rechtliche Sicherung für eine einheitliche Bankenaufsicht. Sowohl allgemeine Verwaltungsvorschriften des Bundeswirtschaftsministers wie auch Einzelweisungen der Bundesregierung werden sich ihrem Wesen nach immer auf Ausnahmefälle von besonderem Gewicht beschränken und können deshalb die Einheitlichkeit der laufenden Verwaltung nicht sichern. Der vorgesehene Beirat ist nichts anderes als der derzeitige Sonderausschuß „Bankenaufsicht" unter einem neuen Namen. Seine Verankerung im Gesetz beseitigt die mit einem Koordinierungsverfahren verbundenen Mängel in keiner Weise.
Zusammenfassend ist daher festzustellen: weder verfassungsrechtliche noch sachlich-fachliche Gründe zwingen zu einem Abgehen von dem Bundestagsbeschluß des 16. März, vielmehr sprechen alle Er9356
wägungen dafür, daß der Bundestag seinen einstimmig gefaßten Beschluß bestätigt.
({0})
Werden weitere Erklärungen abgegeben? - Das ist nicht der Fall. Wir kommen zur Abstimmung.
Nach dem Beschluß des Vermittlungsausschusses soll über alle Ziffern - über die Ziffern 1 bis 19 - gemeinsam abgestimmt werden. Wer zustimmen will, der gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit großer Mehrheit abgelehnt.
Punkt 5 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes ({0}) zu dem Gesetz zur Änderung des Bundesfernstraßengesetzes ({1}).
Herr Abgeordneter Dr. Schafer, ich bitte Sie, Ihren Bericht zu erstatten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundestag hat in seiner 154. Sitzung am 19. April 1961 des Gesetz zur Änderung des Bundesfernstraßengesetzes verabschiedet. Der Bundesrat hat in seiner 232. Sitzung am 5. Mai beschlossen, gemäß Art. 77 des Grundgesetzes zu verlangen, daß wegen dieses Gesetzes der Vermittlungsausschuß in drei Punkten angerufen wird. Der Vermittlungsausschuß hat sich am 9. Mai 1961 mit dem Anrufungsbegehren befaßt.
Es handelt sich um folgende drei Punkte. In § 5a des vom Bundestag verabschiedeten Gesetzes war vorgesehen, daß der Bund für fremde Träger der Straßenbaulast Zuschüsse oder Darlehen gewähren kann, wenn es sich um den Ausbau von Ortsdurchfahrten im Zuge von Bundesfernstraßen oder um den Bau oder Ausbau von Zubringerstraßen zu Bundesautobahnen handelt. An diesem Grundsatz hält auch der Vermittlungsvorschlag fest. Es soll nun aber die Dotationsauflage für die Länder wegfallen. Es war vorgesehen, daß der Zuschuß nur gewährt wird, wenn die Länder sich an den Kosten beteiligen. Das soll wegfallen. Bei der Verteilung der Mittel sollen die Länder mit eingeschaltet werden. Daher wurde die Bestimmung aufgenommen, daß der Bund die Mittel im Einvernehmen mit dem beteiligten Land zuteilen soll. Nach der Erklärung des Herrn Bundesverkehrsministers im Vermittlungsausschuß besteht auch Einigkeit darüber, daß die Mittel zum Ankauf, also zum Grunderwerb, gegeben werden können. Insoweit entfällt das Anrufungsbegehren des Bundesrates. Die Streichung des Wortes „erheblich" im dritten Absatz soll die Möglichkeit für eine freiere, den Verhältnissen gerechtere Lösung geben.
Der zweite Punkt: Die in der Fassung des Bundestages vorgesehene Einführung des Landbeschaffungsgesetzes für die Bundesfernstraßen sollte eine Vereinheitlichung des Enteignungsrechtes für die Bundesaufgaben bringen. Der Vermittlungsausschuß schloß sich aber den Bedenken des Bundesrates an,
die dahin gehen, daß mit der Einführung neuen Enteignungsrechtes für Bundesstraßen verwaltungsmäßige Schwierigkeiten entstehen könnten, da dann im Bereich des Straßenbaues drei Enteignungsgesetze gelten würden, nämlich das Landbeschaffungsgesetz, das Bundesbaugesetz für Straßenbaumaßnahmen innerhalb von Ortschaften und die Landesenteignungsgesetze für die Landstraßen erster Ordnung und die Landstraßen zweiter Ordnung. Der Vermittlungsausschuß will diesem Anliegen mit seinem Vorschlag unter Nr. 2 der Drucksache 2820 Rechnung tragen. Es heißt demnach:
Im übrigen gelten die für die öffentlichen Straßen geltenden Enteignungsgesetze der Länder.
Der dritte Punkt bezieht sich auf die Straßenbaulast bei Brücken, soweit sie sich im Zuge von Bundesfernstraßen befinden. Die Regelung, wie sie der Bundestag beschlossen hat, bezieht sich nur auf natürliche Gewässer. Der Vermittlungsausschuß schlägt vor, die Übernahme der Baulast der Brücken über alle Gewässer vorzusehen, und zwar nicht nur wenn Gemeinden oder Gemeindeverbände Baulastträger sind, sondern ganz allgemein wenn Gebietskörperschaften, gemeindliche Zweckverbände oder Wasser- und Bodenverbände die Baulast zu tragen haben. Da diese Regelung sich nicht zugunsten Dritter auswirken soll, schlägt der Vermittlungsausschuß vor, folgenden Abs. 2 anzufügen:
Die mit der Brückenbaulast zusammenhängenden Ansprüche der bisherigen Baulastträger gegen Dritte gehen auf den Bund über.
Ich darf Sie als Berichterstatter des Vermittlungsausschusses bitten, diesem Antrag zuzustimmen.
Wird die Abgabe einer Erklärung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Dann stimmen wir ab. Wer dem Antrag des Vermittlungsausschusses zustimmen will, der gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Ich rufe auf Punkt 6 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes ({0}) zu dem Gesetz über Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur und zur Sicherung land- und forstwirtschaftlicher Betriebe ({1}) ({2}).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Seidl ({3}). Ich erteile ihm das Wort zur Berichterstattung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zum Grundstückverkehrsgesetz hat der Bundesrat am 5. Mai 1961 die Anrufung des Vermittlungsausschusses beischlossen. Dieser Ausschuß hat sich mit dem Anrufungsbegehren des Bundesrates in seiner letzten Sitzung am 9. Juni 1961 befaßt. Das Ergebnis der Beratungen liegt Ihnen in der Drucksache 2821 vor. Ich darf über das Ergebnis in Kürze folgendes berichten.
Seidl ({0})
Dem Anrufungsbegehren des Bundesrates zu § 2 Abs. 3 Nr. 2 ist der Vermittlungausschuß gefolgt. Er war der Ansicht, daß die Länder in der Festsetzung einer Freigrenze nicht beschränkt werden sollten, da andernfalls die neue Regelung strenger wäre als das geltende Recht und ,es rechtspolitisch nicht vertretbar erscheint, auch die Veräußerung kleinster Flächen genehmigungspflichtig zu machen. Eine schädliche Auswirkung auf die agrarpolitische Zielsetzung des Gesetzes tritt durch diese Änderung nach Auffassung des Vermittlungsausschusses nicht ein.
Der Vermittlungsausschuß folgte dem Vorschlag des Bundesrates, in § 3 Abs. 1 und an den anderen Stellen des Gesetzes das Wort „Landwirtschaftsbehörde" durch das Wort „Genehmigungsbehörde" zu ersetzen. Dafür waren ausschließlich verfassungspolitische Gründe maßgeblich, nämlich der Gedanke, die Dispositionsfreiheit der Länder für die Regelung von Verwaltungszuständigkeiten bundesgesetzlich nicht einzuschränken. Die Vorschriften, in welchen die entsprechende Änderung vorgenommen ist, sind in Nr. 2 der Änderungsvorschläge des Vermittlungsausschusses zusammengefaßt. Es hat sich als notwendig erwiesen, in diesem Zusammenhang auch § 32 des Gesetztes über das gerichtliche Verfahren in Landwirtschaftssachen zu ändern und die §§ 41 Satz 2, 42 Abs. 2 und 44 Abs. 2 dieses Gesetzes neu zu fassen. Wenn in diesen Vorschriften die „Landwirtschaftsbehörde" noch neben der „Genehmigungsbehörde" erscheint, so hat dies seinen Grund darin, daß im Landpachtgesetz nach wie vor die Landwirtschaftsbehörde erwähnt ist, das Landpachtgesetz aber durch das vorliegende Gesetz nicht geändert wird.
Zu § 4 und zu § 8 Nr. 1 und Nr. 7 Buchstabe c hatte der Bundesrat gewisse Erleichterungen für den Grundstückserwerb durch die Gemeinden und Gemeindeverbände vorgeschlagen. Nach dem Vorschlag zu § 4 sollten die Gemeinden und Gemeindeverbände ebenfalls von der Genehmigungspflicht freigestellt werden, wenn das veräußerte Grundstück im Gebiet der beteiligten Gemeinde oder des Gemeindeverbandes liegt. Der Vorschlag des Bundesrates zu § 8 Nr. 1 sollte der Erleichterung einer angemessenen Bodenvorratspolitik dienen.
Beiden Vorschlägen vermochte sich der Vermittlungsausschuß nicht anzuschließen. Die vom Bundestag beschlossene Fassung der §§ 4 und 8 ist in den Ausschußberatungen sehr sorgfältig auf die einschlägigen Vorschriften des Bundesbaugesetzes abgestimmt worden. Diese Ausgewogenheit der Vorschriften des Bundesbaugesetzes einerseits und dieses Gesetzes andererseits würde durch die Vorschläge des Bundesrates zerstört. Der Vermittlungsausschuß war der Ansicht, daß durch die Freistellung von der Genehmigungspflicht in Nr. 4 des § 4 und durch die Aufnahme in den Katalog des § 8 den Interessen der Gemeinden und Gemeindeverbände in ausreichendem Umfang Rechnung getragen ist. Die weitergehenden Vorschläge des Bundesrates würden nach Auffassung des Vermittlungsausschusses die Zielsetzung dieses Gesetzes, nämlich die Verbesserung der Agrarstruktur, in weitem Maße gefährden können.
Auch den Vorschlag des Bundesrates, in § 8 Nr. 7 Buchstabe c die Worte „alsbaldigen" und „bestimmten" zu streichen, hat sich der Vermittlungsausschuß nicht zu eigen gemacht. Nach seiner Auffassung sollte die Genehmigung hier nur erteilt werden müssen, wenn die Beschaffung von Ersatzland für einen bestimmten Fall und in absehbarer Zeit notwendig ist. Die Notwendigkeit einer Vorratspolitik für diese Zwecke wurde auch hier, als den Zielen des Gesetzes widersprechend, nicht anerkannt.
Der Vorschlag des Bundesrates, § 4 Nr. 2, wonach öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften von der Genehmigungspflicht weitgehend freigestellt sind, zu erweitern, wurde vom Vermittlungsausschuß nicht gebilligt. Eine solche Ausweitung wurde als nicht erforderlich und als mit den Zielen des Gesetzes nicht vereinbar abgelehnt.
Zu § 6 Abs. 1 folgte der Vermittlungsausschuß dem Vorschlag des Bundesrates, die Frist von zwei auf drei Monate zu verlängern, falls eine Erklärung über die Ausübung des Vorkaufsrechts herbeizuführen ist aus Zweckmäßigkeitsgründen wobei auch die Fassung noch verbessert wurde.
In § 9 Abs. 1 Nr. 3 der Bundestagsfassung ist als Versagungsgrund ein grobes Mißverhältnis zwischen Preis und Wert des Grundstücks aufgeführt. Diese Bestimmung war schon in den Ausschüssen Gegenstand eingehender Erörterungen und wurde auch im Vermittlungsausschuß nochmals sorgfältig geprüft. Trotz gewisser Bedenken entschloß sich der Vermittlungsausschuß für die Beibehaltung dieser Vorschrift, vor allem aus dem Grund, weil der Erwerb des zur Verbesserung der Agrarstruktur dringend erforderlichen Landes durch Landwirte und Siedlungsbehörden außerordentlich erschwert würde, wenn überhöhte Preise gefordert und bezahlt werden können.
Auch dem Vorschlag, Abs. 4 des § 9 zu streichen, konnte sich der Vermittlungsausschuß nicht anschließen. Er war der Meinung, daß bei Veräußerung von Grundstücken für andere als land- und forstwirtschaftliche Zwecke kein Bedürfnis besteht, die Genehmigung wegen eines Mißverhältnisses von Preis und Wert zu versagen. Insofern soll vielmehr die Aufhebung des Preisstopps auch hier voll zur Geltung kommen.
Auch zu einer Streichung des § 9 Abs. 2 konnte sich der Vermittlungsausschluß nicht entschließen. Über diese Vorschrift ist in den Ausschußberatungen ebenfalls eingehend diskutiert worden. Der Vermittlungsausschuß war der Auffassung, daß auf diese Vorschrift nicht verzichtet werden sollte, weil in ihr eine nähere Konkretisierung des § 9 Abs. 1 Nr. 1 im Sinne der Zielsetzung dieses Gesetzes zum Ausdruck kommt und dadurch eine bessere Handhabung dieser Bestimmung erreicht werden soll.
Dagegen wurde der Vorschlag des Bundesrates zu § 9 Abs. 5, der eine notwendige Ergänzung und Klarstellung enthält, angenommen.
Zu § 16 schlug der Bundesrat vor, bei der Entschädigung für die weichenden Erben - ebenfalls
Seidl ({1})
ein sehr wichtiger Punkt - nicht von dem Einheitswert, der zwar bis zum dreifachen Betrag zugrunde gelegt werden kann, auszugehen, sondern vom Ertragswert. Der Vermittlungsausschuß war der Auffassung, daß diesem Begehren stattgegeben werden sollte, weil nur dadurch eine gerechte Abfindung der weichenden Erben erreicht werden kann. Damit werden auch etwaige verfassungsrechtliche Bedenken gegen das gerichtliche Zuweisungsverfahren ausgeräumt. Außerdem entspricht diese Regelung den bereits geltenden Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches.
Entsprechend dem Vorschlag des Bundesrates empfiehlt der Vermittlungsausschuß ferner, in § 16 einen neuen Abs. 5 einzufügen, durch welchen die Möglichkeit geschaffen wird, den weichenden Erben unter Umständen auch mit der Einräumung eines beschränkten dinglichen Rechts abzufinden. Diese Bestimmung dient auch nach Auffassung des Vermittlungsausschusses der Erleichterung der Durchführung des Zuweisungsverfahrens, da es für beide Teile unter Umständen wünschenswert ist, daß der Abfindungsberechtigte an Stelle eines Geldbetrags oder eines Grundstücks z. B. ein Nießbrauchsrecht oder ein Wohnrecht erhalten kann.
Zu § 17 Abs. 2 ist der Vermittlungsausschuß im wesentlichen dem Vorschlag des Bundesrates gefolgt; er hat jedoch für die Verjährungsvorschrift eine bessere und klarere Formulierung gefunden.
Zu § 22 Abs. 5 hat der Bundesrat verlangt, daß diese Vorschrift aus verfassungsrechtlichen und rechtspolitischen Bedenken gestrichen wird, da sie einen Eingriff in das Organisationsrecht der Länder enthalte. Es erschien dem Bundesrat ferner bedenklich, einen Berufungsfall zu schaffen, auf Grund dessen auch andere Berufsvertretungen ähnliche Kontrollrechte gegenüber Behörden und Gerichten geltend machen könnten. Der Vermittlungsausschuß hat sich in seiner großen Mehrheit diesen Bedenken angeschlossen und schlägt folglich die Streichung des § 22 Abs. 5 vor.
Zu § 27 Nrn. 2 und 8 ist der Vermittlungsausschuß Iden Änderungsvorschlägen des Bundesrates gefolgt, die im wesentlichen redaktionelle Bedeutung haben. Entsprechend mußte auch § 21 Satz 2 des Gesetzes geändert werden.
Auch dem Vorschlag auf Streichung des § 31 ist der Vermittlungsausschuß gefolgt, weil er der Ansicht war, daß die in dieser Vorschrift vorgesehenen Maßnahmen bereits auf Grund ,der Verordnungen, die zum Gesetz zum Schutze der Kulturpflanzen ergangen sind, durchgeführt werden können und die Vorschrift deshalb überflüssig unid eventuell sogar bedenklich erscheint.
Auch zu § 40 folgte der Vermittlungsausschuß dem Vorschlag ,des Bundesrates, den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes auf den 1. Januar 1962 festzulegen, damit den Ländern ausreichend Zeit bleibt, die .erforderlichen Gesetzgebungs- und Verwaltungsmaßnahmen zu treffen.
Gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 seiner Geschäftsordnung hat der Vermittlungsausschuß beschlossen, daß über
die Änderungen des Grundstückverkehrsgesetzes gemeinsam abzustimmen ist.
Namens des Vermittlungsausschusses darf ich das Hohe Haus bitten, den Änderungsvorschlägen seine Zustimmung zu geben.
({2})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Wird die Abgabe einer Erklärung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zur Abstimmung. Wir haben auch hier über sämtliche Punkte ,des Antrags des Vermittlungsausschusses gemeinsam abzustimmen. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe Punkt 7 der Tagesordnung auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes ({0}) zu dem Gesetz zur Änderung des Einkommensteuergesetzes, des Körperschaftsteuergesetzes, des Gewerbesteuergesetzes, des Bewertungsgesetzes, des Vermögensteuergesetzes, des Steuersäumnisgesetzes, der Reichsabgabenordnung, des Steueranpassungsgesetzes, des Gesetzes zur Förderung der Wirtschaft von Berlin ({1}) und anderer Gesetze - Steueränderungsgesetz 1961 - ({2}).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Dr. Schmidt ({3}). Ich erteile ihm das Wort zur Berichterstattung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 26. Mai 1961 zu dem vom Deutschen Bundestag am 3. Mai verabschiedeten Steueränderungsgesetz 1961 den Vermittlungsausschuß angerufen. Sein Begehren richtete sich auf insgesamt 13 Punkte, die in der Drucksache 163/61 ({0}) des Bundesrats niedergelegt sind.
Der Vermittlungsausschuß hat jedoch, wie sich aus der vorliegenden Drucksache 2822 des Bundestages ergibt, den Änderungswünschen ides Bundesrates nur in wenigen Punkten, und zwar von mehr formaler Bedeutung, entsprochen, so daß nach dem Vorschlag deis Vermittlungsausschusses das Gesetz in seinem wesentlichen Gehalt, insbesondere in seinem sozial- und wirtschaftspolitischem Gehalt, dier Bundestagsfassung entsprechen soll.
Ich möchte aus den Anrufungsbegehren, denen sich ,der Vermittlungsausschuß angeschlossen hat, nur die Ziffern 2 und 7 erwähnen. Ziffer 2 bedeutet materiell ,die Entscheidung, daß Art. 6 Ziffer 18 gestrichen wird. Dabei handelt es sich um folgendes: Durch Beschluß deis Bundestages wurde der Bundesregierung eine Ermächtigung gegeben, mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung Vorschriften zu erlassen, wonach bei Unternehmen der Hochseeschiffahrt bestimmte Dauerschulden und entsprechende Dauerschuldzinsen bei der Ermittlung
Dr. Schmidt ({1})
des Gewerbekapitals bzw. des Gewerbeertrags in den Jahren 1961 bis 1963 bis zu 70 % nicht hinzugerechnet zu werden brauchen.
Über 'die seit längerer Zeit bestehende anerkannt äußerst prekäre Lage der Seeschiffahrt, die durch den Verfall der internationalen Frachtraten und die Konkurrenz der Seeschiffahrt der anderen Länder eingetreten und durch die Aufwertung der D-Mark noch verschärft worden ist, brauche ich mich hier nicht weiter zu verbreiten. Ich möchte nur noch ergänzend auf .die unzulängliche Kapitalstruktur der meisten Schiffahrtsunternehmen hinweisen, die in einem ausgesprochenen Mißverhältnis zwischen Eigenkapital und Fremdkapital zum Ausdruck kommt. In einem kürzlich dem Herrn Bundeswirtschaftsminister zugeleiteten Memorandum der vier Küstenländer wird daher unter anderem eine dreijährige Zinsbeihilfe für alle 'schiffshypothekarisch gesicherten und noch nicht zinsverbilligten Kapitalmarktdarlehen für erforderlich gehalten. Im Hinblick auf diese Lage der Hochseeschiffahrt glaubte der Bundestag, im Interesse einer Soforthilfe der Bundesregierung die vorhin 'dargelegte Ermächtigung zwecks einer gewerbesteuerlichen Vergünstigung geben zu sollen.
Indessen hat der Bundestag bei der Abfassung der Ermächtigung übersehen, daß in ,diese Vergünstigung auch die Hochseefischerei hätte einbezogen werden sollen, die ebenfalls unter den gleichen Schwierigkeiten leidet. Die Hochseefischerei aber nachträglich einzubeziehen überschreitet die Befugnisse des Vermittlungsausschusses. Auch bleibt es offen, ob die zu erlassende Rechtsverordnung der Bundesregierung die Zustimmung des Bundesrates finden würde. Aus diesen Gründen sah sich der Vermittlungsausschuß veranlaßt, auch seinerseits vorzuschlagen, die von dem Bundestag beschlossene Ermächtigung zu streichen. Er konnte es um so mehr tun, als die Finanzminister der vier Küstenländer den Vermittlungsausschuß wissen ließen, daß sie bereit sind, im Wege einer Soforthilfe sowohl den sogenannten Altreedern als auch den Neureedern der Hochseeschiffahrt und den Betrieben der Hochseefischerei eine fühlbare gewerbesteuerliche Erleichterung im Billigkeitswege zu verschaffen. Damit werden die bereits in den letzten Jahren getroffenen Hilfsmaßnahmen der Küstenländer in einem der gegenwärtigen Lage gerecht werdenden Ausmaß auch für die Jahre 1961 und 1962 fortgesetzt werden. Der Vermittlungsausschuß hat mich daher ausdrücklich ermächtigt, bei der Berichterstattung im Bundestag im Namen der Finanzminister der vier Küstenländer Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein diese Erklärung abzugeben.
Von den übrigen Anträgen erwähne ich dann nur noch den § 6 des Steuersäumnisgesetzes, weil alle übrigen Änderungen rein formaler und redaktioneller Art sind. Der Bundesrat hatte vorgeschlagen, vorzusehen, daß die Säumniszuschläge, die nach der Rechtsprechung ,des Bundesfinanzhofs keinen Steuercharakter, sondern in erster Linie Zwangsmittelcharakter haben, der Körperschaft zufließen, die die Steuer verwaltet. Dem hat der Vermittlungsausschuß entsprochen.
Als Berichterstatter ,des Vermittlungsanschusses empfehle ich, den Vorschlag des Vermittlungsausschusses anzunehmen.
({2})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. - Zur Abgabe einer Erklärung hat der Abgeordnete Seuffert das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion hat ihre Bedenken gegen die Auswirkung dieses Gesetzes auf die finanzielle Leistungsfähigkeit der Gemeinden bereits bei der Verabschiedung des Gesetzes im Bundestag vorgetragen. Ihre Anträge, den Gemeinden den Ausfall, den sie nicht tragen können, zu ersetzen, sind abgelehnt worden. Auch die Vorschläge ,des Bundesrates, die diesen Ausfall begrenzen sollten, sind nunmehr im Vermittlungsausschuß gescheitert. Zudem müssen wir feststellen, daß die Aussichten und angeblichen Zusagen, wonach den Gemeinden hier von den Ländern aus geholfen werden sollte, auf die im Bundestag vielfach Bezug genommen worden ist, sich bereits in der Zwischenzeit als noch weniger substantiell herausgestellt haben, als schon damals vermutet werden mußte. Daran ändern auch Resolutionen, durch die sich die Kommunalpolitische Vereinigung der Mehrheitspartei nachträglich ein Alibi für ihr Versagen hier im Bundestag verschaffen möchte, nichts, ebensowenig wie Versprechungen auf eine künftige Finanz- und Steuerreform, die die Opposition hier schon lange fordert, die Regierungsmehrheit aber nicht in Angriff genommen, geschweige denn durchgeführt hat.
({0})
Der Vermittlungsvorschlag verbessert das Gesetz nicht. Wir mußten deshalb diese Bedenken nochmals hervorheben, wenn wir entsprechend unserer Stellungnahme zum Gesetz im ganzen den Vorschlag akzeptieren.
Keine weiteren Erklärungen.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag des Vermittlungsausschusses zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest, - bei einer Enthaltung.
Punkt 8 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes ({0}) zu dem Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten beim Menschen ({1}) ({2}).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Seidl ({3}). Ich bitte ihn, den Bericht zu erstatten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Bundesseuchengesetz wurde vom Vermittlungsausschuß in seiner Sitzung
Seidl ({0})
am 9. Juni behandelt. Ich darf das Ergebnis, das
Ihnen auf Drucksache 2823 vorliegt, kurz erläutern.
Zunächst möchte ich bemerken, daß der Vermittlungsausschuß in den weitaus meisten Punkten den Änderungsvorschlägen des Bundesrates gefolgt ist. Zum großen Teil handelt es sich dabei entweder um Klarstellungen, redaktionelle Verbesserungen oder um geringe sachliche Änderungen, welche die Durchführbarkeit des Gesetzes erleichtern sollen. Dies gilt für die Änderungsvorschläge des Vermittlungsausschusses zu den §§ 3, 6, 20, 31, 34, 37, 49, 69, 78, 81 und 85.
Von größerer sachlicher Bedeutung sind die folgenden Änderungsvorschläge.
Zu § 7 Abs. 1: Bei der hier vorgesehenen Ermächtigung des Bundesministers des Innern, durch Rechtsverordnung die Meldepflicht auf andere übertragbare Krankheiten auszudehnen, war in der Bundestagsfassung vorgesehen, daß diese Rechtsverordnung nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf. Hier hatte der Bundesrat verlangt, daß der Erlaß der Rechtsverordnung an seine Zustimmung geknüpft wird. Der Vermittlungsausschuß schlägt eine Kompromißlösung vor, die sich an die Regelung in § 35 Abs. 5 des Arzneimittelgesetzes anlehnt. Danach soll die Rechtsverordnung zwar grundsätzlich der Zustimmung des Bundesrates bedürfen; in dringenden Fällen kann der Bundesminister des Innern diese Verordnung zwar ohne Zustimmung des Bundesrates erlassen, die Geltungsdauer einer solchen Verordnung ist aber auf längstens drei Monate beschränkt.
Zu § 15: Hier geht es um die Anordnung von Schutzimpfungen durch Rechtsverordnung des Bundesministers des Innern unter bestimmten Voraussetzungen, und zwar für Pocken, Cholera und Diphtherie. Hier hatte der Bundesrat verlangt, daß einmal die Rechtsverordnung seiner Zustimmung bedürfen soll und zum anderen die Schutzimpfungen für alle übertragbaren Krankheiten angeordnet werden können. Der Vermittlungsausschuß hat sich mit dieser Empfehlung des Bundesrates eingehend befaßt. Trotz der gewichtigen Gründe, die für eine Ausweitung der Ermächtigung auf alle übertragbaren Krankheiten sprechen können, hatte der Vermittlungsausschuß Bedenken, der Exekutive eine so außerordentlich weite Ermächtigung zu geben, selbst wenn diese nunmehr an die Zustimmung des Bundesrates geknüpft werden soll. Dem Vermittlungsausschuß erschien es noch nicht vertretbar, Zwangsimpfungen in so weitgehendem Umfang zuzulassen, weil noch nicht für alle übertragbaren Krankheiten die vorhandenen Impfmittel als unbedenklich bezeichnet werden können. Dagegen entschloß sich der Vermittlungsausschuß, zu den drei genannten Krankheiten noch den „Typhus abdominalis" hinzuzufügen. Dem Wunsch des Bundesrates, die Rechtsverordnung an seine Zustimmung zu binden, wurde entsprochen.
Zu § 47: Zu dem hier angesprochenen Problem, nämlich der Untersuchung von Lehrpersonal, fand eine eingehende Aussprache im Vermittlungsausschuß statt. Nach der vom Bundestag beschlossenen Fassung sollte das Lehrpersonal bei der Einstellung und dann jährlich einmal nachweisen, daß bei ihm eine ansteckungsfähige Tuberkulose der Atmungsorgane nicht vorliegt. Dabei sollte der Nachweis durch Röntgenuntersuchungen, im allgemeinen in Abständen von zwei Jahren, ergänzt werden. Der Nachweis konnte durch das Zeugnis eines Amtsarztes oder eines sonstigen Arztes geführt werden. Der Bundesrat schlug demgegenüber vor, jedenfalls für die Einstellungsuntersuchung das Zeugnis des Gesundheitsamtes zu fordern, während für Wiederholungsuntersuchungen das Zeugnis eines sonstigen Arztes ausreichend sein sollte. Vor allem aber wünschte der Bundesrat, daß das jährliche Untersuchungszeugnis sich stets auf eine Röntgenaufnahme der Atmungsorgane stützen müsse.
Die Diskussion im Vermittlungsausschuß ging hauptsächlich darüber, ob die vom Bundestag geforderte zweijährige, unter Umständen aber sehr viel weitergehende und den Körper stärker belastende Röntgenuntersuchung oder die vom Bundestag vorgeschlagene jährlich zu wiederholende Röntgenaufnahme, welche nur Bruchteile von Sekunden dauert und deshalb den Körper wesentlich weniger belastet, verlangt werden soll. Der Vermittlungsausschuß entschied sich für die letztgenannte Lösung, vor allem deshalb, weil durch eine jährliche Röntgenaufnahme die Möglichkeit einer frühzeitigen Erkennung der Tuberkulose sicherer ist und damit der Schutz der Kinder vor Ansteckung besser gewährleistet erscheint; außerdem ist die Strahlenbelastung des untersuchten Personals bei einer jährlichen Röntgenaufnahme geringer als bei einer zweijährigen leingehenden Röntgenuntersuchung.
Zu § 50 Abs. 2 folgte der Vermittlungsausschuß dem Wunsch des Bundesrates, den Abs. 2 in § 50 zu streichen, weil es auch ,dem Vermittlungsausschuß sachlich nicht gerechtfertigt schien, insoweit eine Erstattungspflicht der Länder gegenüber der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung zu normieren. Aus ,der Streichung des § 50 Abs. 2 ergibt sich dann auch die Änderung in § 59 Satz 1.
Zu § 51 Abs. 1 folgte der Vermittlungsausschuß ebenfalls dem Vorschlag des Bundesrates, weil die vom Bundesrat vorgeschlagene Lösung für den Entschädigungsberechtigten eine Besserstellung bedeutet. Der durch eine Schutzimpfung Geschädigte soll nicht darauf angewiesen sein, erst zu versuchen, auf andere Weise Ersatz zu verlangen; er soll vielmehr einen unbedingten, d. h. nicht nur subsidiären Entschädigungsanspruch gegen das Land haben. Dafür sollen aber etwaige Ersatzansprüche des Betroffenen gegen Dritte kraft Gesetzes auf das Land übergehen, welches Entschädigung geleistet hat.
Zu § 79, der im Bereich der Deutschen Bundesbahn dieser in gewissem Umfang die Durchführung des Gesetzes in eigener Zuständigkeit überträgt, hatte der Bundesrat die Streichung der gesamten Vorschrift verlangt. Das Verlangen des Bundesrates war verfassungsrechtlich damit begründet worden, daß diese Vorschrift weder durch Art. 87 Abs. 1 noch durch Art. 87 Abs. 3 Satz 2 des Grundgesetzes
Seidl ({1})
ausreichend untermauert sei. Der Vermittlungsausschuß hat sich mit diesen verfassungsrechtlichen Fragen eingehend befaßt.
Mit Rücksicht darauf, daß die Reichs- bzw. Bundesbahn gewisse Aufgaben ,der Seuchenbekämpfung seit dem Jahre 1900 in eigener Zuständigkeit ausgeübt hat, und zwar insbesondere auch im Hinblick auf den grenzüberschreitenden Verkehr, hat der Vermittlungsausschuß die verfassungsrechtlichen Bedenken des Bundesrates nicht in vollem Umfang geteilt. Der Vermittlungsausschuß schlägt deshalb vor, in § 79 Abs. 1 lediglich den Buchstaben c, der das Lehrpersonal und gewisse Gemeinschaftseinrichtungen betrifft, zu streichen. Insoweit erschien dem Vermittlungsausschuß eine Ausnahmestellung der Bundesbahn nicht notwendig und nicht gerechtfertigt.
In den folgenden Punkten ist der Vermittlungsausschuß den Vorschlägen des Bundesrates nicht gefolgt:
Zu § 52 hatte der Bundesrat vorgeschlagen, bei der Entschädigung von Impfschäden die Leistungen bis zur Höhe der entsprechenden Leistungen ides Bundesversorgungsgesetzes zu begrenzen. Der Vermittlungsausschuß war jedoch der Meinung, daß es nicht gerechtfertigt ist, dann, wenn sich der einzelne einer behördlich angeordneten oder öffentlich empfohlenen Schutzimpfung unterzieht, die ja auch 'im allgemeinen Interesse liegt, den Entschädigungsanspruch zu verkürzen. Es erschien dem Vermittlungsausschuß vielmehr richtig, in solchen Fällen den Aufopferungsanspruch des einzelnen voll anzuerkennen.
Den Vorschlag des Bundesrates, in § 58 eine neue Vorschrift anzufügen, durch die eine Entschädigung für gewisse verseuchte Gegenstände ausgeschlossen werden sollte, hat der Vermittlungsausschuß nicht gebilligt. Der Vermittlungsausschuß ist der Meinung, daß es sich insoweit um unbedeutende Entschädigungsleistungen handelt, die den erforderlichen Verwaltungsaufwand nicht lohnen würden.
Zu § 77 Abs. 1 hatte der Bundesrat vorgeschlagen, die Vorschrift dahin zu ergänzen, daß auch bezüglich der Gesundheitsämter es den Landesregierungen überlassen bleiben soll, zu bestimmen, welche Stellen Gesundheitsämter sind. Der Bundesrat wünschte diese Ergänzung im Hinblick auf das Vereinheitlichungsgesetz vom Jahre 1934, das nach seiner Auffassung als reines Organisationsgesetz Landesrecht geworden sei. Der Bundesrat befürchtet, daß eis durch die Erwähnung der Gesundheitsämter in einem Bundesgesetz den Ländern verwehrt sei, jenes Gesetz von 1934 abzuändern. Der Vermittlungsausschuß hielt diese Bedenken für nicht begründet. Er war der Auffassung, daß die Länder in ihrer Dispositionsfreiheit über das Vereinheitlichungsgesetz keineswegs beschränkt werden, wenn dieses Gesetz Landesrecht geworden sein sollte.
Der Vermittlungsausschuß hat gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 seiner Geschäftsordnung beschlossen, daß im
Bundestag über die Änderungsvorschläge des Vermittlungsausschusses gemeinsam abzustimmen ist.
Namens des Vermittlungsausschusses darf ich Sie bitten, den Änderungsvorschlägen Drucksache 2823 zuzustimmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Das Wort zur Abgabe einer Erklärung hat der Herr Abgeordnete Dr. Stammberger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Schon bei der dritten Lesung des Gesetzentwurfs hat die Freie Demokratische Partei diesem Gesetz nur unter Bedenken zustimmen können. Unsere Zustimmung war nur deshalb möglich, weil wir mit einem Teil unserer Anträge im Ausschuß und im Plenum Erfolg hatten.
Das Ergebnis der Arbeit des Vermittlungsausschusses zielt leider in entgegengesetzte Richtung. Das gilt vor allem für die Einschränkung des Rechtes auf freie Arztwahl, wie sie - wenigstens bei den Lehrern - in § 47 des Gesetzes vorgesehen war. Meine Damen und Herren, wir dürfen Sie darauf hinweisen, daß nach § 4 des Gesetzes zur Bekämpfung von Geschlechtskrankheiten sogar gewisse „Damen", wenn sie aus Gründen der öffentlichen Gesundheitsvorsorge sich zwangsweise Untersuchungen unterziehen müssen, sich des Rechtes auf freie Arztwahl erfreuen. Wir sehen nicht ein, warum bei Zwangsuntersuchungen nach dem Bundesseuchengesetz nicht auch ein Milchhändler, ein Metzgermeister, ein Lehrer oder eine Küchenhilfe das gleiche Recht haben soll.
({0})
Wenn schon Pflichtuntersuchungen im öffentlichen Interesse, im Interesse der Gesundheitsvorsorge erforderlich sind, dann sollten wir die freie Arztwahl nicht auf die freie Liebe beschränken.
({1})
Auf Grund des Beschlusses des Vermittlungsausschusses muß über alle Vorschläge gemeinsam abgestimmt werden. Wir sehen uns daher leider gezwungen, sämtliche Vorschläge abzulehnen.
({2})
Wird eine weitere Erklärung abgegeben? - Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung. Über die einzelnen Vorschläge des Vermittlungsausschusses muß gemeinsam abgestimmt werden. Wer zustimmen will, der gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Gegen einige Stimmen angenommen.
Punkt 9 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes ({0}) zu dem Gesetz über die Sicherung von Beweisen in besonderen Fällen ({1}).
Vizepräsident Dr. Schmid
Anstelle des erkrankten Abgeordneten Dr. Menzel hat der Abgeordnete Dr. Schäfer die Berichterstattung übernommen. Ich erteile ihm das Wort zu seinem Bericht.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf für den erkrankten Kollegen Dr. Menzel den Bericht, den er als Berichterstatter des Vermittlungsausschusses dem Hohen Hause zu erstatten hat, vortragen.
Der Bundesrat hat in seiner 233. Sitzung vom 26. Mai 1961 beschlossen, hinsichtlich des vom Bundestag am 4. Mai 1961 verabschiedeten Gesetzes über die Sicherung von Beweisen in besonderen Fällen die Einberufung des Vermittlungsausschusses gemäß Art. 77 Abs. 2 des Grundgesetzes zu verlangen. Das Anrufungsbegehren erstreckte sich in 19 Punkten auf sämtliche 14 Paragraphen des Gesetzes.
Im Vordergrund der Entscheidungen des Vermittlungsausschusses standen vor allem zwei Fragen: die Frage nach dem Rechtsweg und die Frage nach der Abgrenzung von Beweissicherung und Beweiswürdigung.
Hinsichtlich des Rechtsweges ist es bei der Zuständigkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit gemäß dem Reichsgesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geblieben. Dabei ging die Mehrheit des Vermittlungsausschusses davon aus, daß in den Ländern genügend Richter und Rechtspfleger zur Verfügung stünden, um im Laufe der nächsten Jahre die anfallenden Beweissicherungsanträge der geschädigten Antragsteller - es sind mehrere hunderttausend zu erwarten - bewältigen zu können.
Dadurch, daß der Vermittlungsausschuß die Beweissicherung hinsichtlich „der Kriegsschäden an Vermögen im Sinne des Bewertungsgesetzes" abgelehnt hat, können die Flüchtlinge aus der sowjetischen Besatzungszone die Schäden, soweit sie auf Kriegseinwirkungen beruhen, nicht für ein Beweissicherungsverfahren anmelden.
Andererseits hat der Vermittlungsausschuß den Stichtag, den der Bundestag auf den 8. Mai 1945 festgelegt hatte, vorverlegt, indem er bestimmte, daß auch diejenigen Schäden über Enteignungsoder wirtschaftlich gleichstehende Maßnahmen durch ein Beweissicherungsgesetz gesichert werden können, die bereits zu Beginn der Besetzung durch die Sowjettruppen entstanden sind oder entstanden sein können.
Der Vermittlungsausschuß hat dem § 1 einen weiteren Abs. 2 hinzugefügt, wonach eine Beweissicherung über den Verlust von Vermögensgegenständen, deren Wert insgesamt 500 DM nicht erreicht, nicht stattfindet. Das Gericht entscheidet insoweit über dien mutmaßlichen Wert nach freier Überzeugung.
Diese Entscheidung darf jedoch nicht willkürlich sein. Sie wäre nach dem Reichsgesetz über die freiwillige Gerichtsbarkeit anfechtbar.
Nach § 2 soll nicht als Zeuge, sondern so wie der Antragsteller vernommen werden, wer wegen des
gleichen Vermögensstandes antragsberechtigt wäre. Dies ist zur Vermeidung von Interessenkollisionen, die bei einem eidlich vernommenen Zeugen entstehen könnten, aufgenommen worden.
In einem weiteren Abs. 1 des § 3 in Verbindung mit § 5 Abs. 2 ist nunmehr eine Klarstellung dahin erfolgt, daß die Antragsberechtigung von juristischen Personen ausschließlich bei ihnen liegt und was mit untergegangenen oder nicht mehr handlungsfähigen juristischen Personen zu geschehen habe.
Mit der Neufassung des Abs. 5 in § 3 ist die Ermächtigung der Landesregierung verbunden, durch eine Rechtsverordnung einem Amtsgericht für den Bezirk mehrerer Amtsgerichte die Erledigung der anfallenden Beweissicherungsverfahren zu übertragen.
Schließlich hat der Vermittlungsausschuß im Rahmen der Prüfung von Urkunden festgelegt, daß nach Abs. 2 Satz 3 des § 9 auf der Abschrift einer Urkunde auch die äußeren Mängel, die aus der Abschrift ersichtlich sind, sowie sonstige Umstände zu vermerken sind, die gegen die Echtheit der Urkunde sprechen könnten.
§ 10 ist durch den Vermittlungsausschuß gestrichen worden. Er hat dies damit begründet, daß § 10 eine Beweiswürdigung enthalte, die - ich zitiere die durch den Bundesrat gegebene Begründung für sein Anrufungsbegehren - „im Ergebnis einer Feststellung des Sachverhalts sehr nahe komme", und daß diese Feststellung dem Beweissicherungsverfahren nach der Zivilprozeßordnung fremd sei.
Damit ist in § 11 Abs. 1 Nr. 4 der Hinweis auf § 10 hinfällig geworden.
Das Anrufungsbegehren des Bundesrats sah die völlige Kosten- und Gebührenfreiheit des Verfahrens vor. Der Vermittlungsausschuß vermochte diesem Antrag nicht zu folgen. Er entschloß sich lediglich zu einer Halbierung der in § 12 vom Bundestag beschlossenen Sätze dahin, daß für die Zurückweisung eines Antrags auf Beweissicherung 25 DM und für die Verwerfung und Zurückweisung einer Beschwerde 50 DM als Gebühr zu erheben seien.
Schließlich hat ,der Vermittlungsausschuß mit der im einzelnen aus § 12 a ersichtlichen Modifikation beschlossen, daß der Bund die Hälfte der den Ländern aus dem Vollzug des Beweissicherungsgesetzes entstehenden Kosten zurückzuerstatten habe. Er ging dabei von dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 16. Juni 1959 aus, veröffentlicht in Band 9 der amtlichen Entscheidungen. Mit dieser Entscheidung hatte das Bundesverfassungsgericht den Bund zur Tragung der vollen Kosten als Kriegsfolgelasten gemäß Art. 120 des Grundgesetzes verurteilt, ohne daß es auf eine Unterscheidung zwischen unmittelbaren und mittelbaren Kriegsfolgelasten ankomme. Die Entscheidung stellt auf Seite 324 allein darauf ab, daß es zur Erfüllung der Voraussetzungen des Art. 120 des Grundgesetzes genüge, daß die entscheidende Ursache der zweite Weltkrieg gewesen sei.
Im übrigen hat der Vermittlungsausschuß noch einige Bestimmungen über das Inkrafttreten und über die Berlin-Klausel geändert.
Der Vermittlungsausschuß hat beschlossen, daß die Abstimmung über die Änderungen im Bundestag gemeinsam zu erfolgen habe.
In Stellvertretung des Kollegen Dr. Menzel darf ich Sie im Namen des Vermittlungsausschusses bitten, dem Antrag auf Drucksache 2824 zuzustimmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Das Wort zur Abgabe einer Erklärung hat Frau Korspeter.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Im Namen meiner Fraktion gebe ich folgende Erklärung ab.
Die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei lehnt den Vorschlag des Vermittlungsausschusses zu dem Gesetz über die Sicherung von Beweisen in besonderen Fällen ab und weist dabei gleichzeitig auf ihre Erklärung hin, die anläßlich der dritten Lesung abgegeben wurde.
Wir sahen uns bereits damals gezwungen, dem genannten Gesetzentwurf unsere Zustimmung zu verweigern, weil zwei wichtige Forderungen, die wir im Interesse der Flüchtlinge gestellt hatten, von der Mehrheit des Parlaments abgelehnt wurden. Dabei handelte es sich erstens darum, den Flüchtlingen eine volle Beweiswürdigung zuzugestehen, d. h. eine Feststellung der erwiesenen Tatsachen, wobei wir diese Forderung auf volle Beweiswürdigung auch nicht durch den in der zweiten Lesung angenommenen § 10 voll erfüllt sahen. Zweitens handelte es sich darum, nicht die Amtsgerichte, sondern die Behörden der Länder mit der Durchführung des Gesetzes zu beauftragen.
In der Erklärung meiner Fraktion nach der dritten Lesung wurde sehr deutlich zum Ausdruck gebracht, daß wir nur durch eine solche Regelung die berechtigten Forderungen unserer geflüchteten mitteldeutschen Landsleute erfüllt sehen konnten.
Die Flüchtlinge hatten nach der dritten Lesung des Gesetzes ihre Hoffnung auf die Beratungen des Vermittlungsausschusses gesetzt. Sie sind über das Ergebnis dieser Beratungen zutiefst enttäuscht, und zwar darüber, daß erstens die Durchführung des Gesetzes bei den Amtsgerichten verbleiben soll, daß zweitens der § 10, wonach die Glaubwürdigkeit des dargelegten Sachverhalts zu prüfen war, gestrichen werden soll und daß drittens eine Beweissicherung über den Verlust von Vermögensschäden, deren Wert unter 500 DM liegt, nicht stattfinden soll.
Meine Fraktion hält es für richtiger, im nächsten Bundestag unter hoffentlich besseren Voraussetzungen zu einem Beweissicherungsgesetz zu kommen, dais das Rechtsbegehren der Flüchtlinge berücksichtigt und erfüllt. Wir lehnen deshalb den Vorschlag des Vermittlungsausschusses ab.
({0})
Das Wort zur Abgabe einer Erklärung hat der Abgeordnete Mischnick.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Fraktion der Freien Demokraten gibt zu dem Vorschlag des Vermittlungsausschusses folgende Erklärung ab. Das Beweissicherungsgesetz, das hier in dritter Lesung in unzulänglicher Gestalt verabschiedet worden ist, ist durch die Beratungen des Vermittlungsausschusses weiter verschlechtert worden. Die von der Fraktion der Freien Demokraten bei der dritten Lesung vorgebrachten Bedenken gegen dieses Gesetz werden durch die Vorschläge des Vermittlungsausschusses weiter verstärkt. Damit wird die Lösung der Frage, die die Sowjetzonenflüchtlinge zur Sicherung der Beweise über (die erlittenen Schäden gewünscht haben, auf unbestimmte Zeit vertagt. Damit wird verhindert, daß endlich eine vernünftige Beweissicherung erfolgt.
Die Freien Demokraten sind der Auffassung, daß es besser ist, die Form, die der Vermittlungsausschuß gefunden hat, abzulehnen, statt mit einem ungenügenden Beweissicherungsgesetz an diese Fragen heranzugehen. Die FDP-Fraktion wird im 4. Bundestag darauf drängen, daß sofort zu Beginn der Legislaturperiode eine befriedigende Lösung für diesen Gesetzeskomplex gefunden wird.
Das Wort zur Abgabe einer Erklärung hat der Abgeordnete Eichelbaum.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für 'die CDU/CSU-Fraktion gebe ich folgende Erklärung ab: Das Gesetz bezweckt eine Rechtshilfe für die aus Mitteldeutschland hierher gekommenen und dort geschädigten Deutschen. Die CDU hatte das Gesetz angenommen, nachdem vorher ihr Antrag auf Einfügung eines § 10, der eine wenn auch beschränkte Beweiswürdigung enthielt, angenommen worden war. Damit sollte die Form des Gesetzes auch den Wünschen der Betroffenen annehmbar gemacht werden. Durch die Streichung dieses Paragraphen fällt gerade diese Änderung fort. Die CDU sieht sich aus dieser Überlegung heraus nicht imstande, den Antrag des Vermittlungsausschusses anzunehmen.
Keine weiteren Erklärungen? - Dann stimmen wir ab. Wer dem Antrag des Vermittlungsausschusses zustimmen will, der gebe ({0}) Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten ({1}) über den Antrag der Fraktionen der SPD, FDP zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der FDP betreffend Hal9364
Vizepräsident Dr. Schmid
tung der Bundesregierung auf der NATO-Konferenz am 16. Dezember 1957
und über den Antrag der Fraktion der SPD zur Großen Anfrage der Fraktion der SPD betreffend die internationale Lage, die Sicherung Berlins und die Wiedervereinigung Deutschlands ({2}) ;
b) Beratung der Ergänzung zum Schriftlichen Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten ({3}) über den Antrag der Fraktionen der SPD, FDP zur Beratung der Großen Anfrage ,der Fraktion der FDP betreffend Haltung der Bundesregierung auf der NATO-Konferenz am 16. Dezember 1957
und über den Antrag 'der Fraktion der SPD zur Großen Anfrage der Fraktion der SPD betreffend die internationale Lage, die Sicherung Berlins und die Wiedervereinigung Deutschlands ({4}).
Berichterstatter zu a) und b) ist Herr Abgeordneter Jaksch. Er hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst klarstellen, ,daß sich hinter der vorschriftsmäßigen Bezeichnung der beiden hier zur Beratung stehenden Drucksachen das vieldiskutierte Problem der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und den osteuropäischen 1 Ländern verbirgt. Die beiden Anträge der Fraktionen der FDP und der SPD, die der Herr Präsident soeben zitierte, waren Gegenstand ausführlicher Beratungen zunächst im Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten und sodann auch in einer dazu berufenen Arbeitsgruppe.
Der Bericht des Auswärtigen Ausschusses, der als Drucksache 2740 vorliegt, nimmt zu den beiden Anträgen bereits ausführlich Stellung. Es obliegt mir daher nur noch, einige mündliche Ergänzungen vorzunehmen.
Die mit der Vorbereitung dieses Berichts beauftragte Arbeitsgruppe des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten ist davon ausgegangen, daß vor allem eine sachliche Abklärung des deutschen Standpunktes erforderlich ist. Die deutsche Außenpolitik steht im Hinblick auf das Verhältnis der Bundesrepublik zu den osteuropäischen Ländern und auch im Hinblick auf die künftigen Beziehungen eines wiedervereinigten Deutschlands zu der kraftvoll aufstrebenden osteuropäischen Völkerwelt vor Aufgaben, die weder mit einem oberflächlichen Wunschdenken nöch mit Negation zu lösen sind.
Die Gliederung des vorliegenden Berichts entspricht der Vielschichtigkeit der Probleme, die zwischen dem dreigeteilten Deutschland und den osteuropäischen Ländern anstehen. Es wurde hierzu der Sprache der Fakten das Wort gegeben. Der Geist dieses Berichts wird aber vielleicht durch einen Kernsatz illustriert, den ich hier besonders hervorheben möchte. Ich darf diesen einen Satz wörtlich zitieren:
Die Völker Osteuropas sollen wissen, daß die deutsche Demokratie bereit ist, das Erbe Hitlers im Geiste Herders zu überwinden.
Es war mithin die Absicht des Ausschusses, dem Hohen Hause ein Dokument des Versöhnungswillens der deutschen Demokratie vorzulegen, welches in Warschau und Prag, in Budapest und Bukarest, in Sofia und Tirana und im ganzen Bereich Osteuropas zum Nachdenken über die großen Möglichkeiten einer umfassenden europäischen Friedensgestaltung anregen sollte. Nunmehr wäre es Sache dieser Regierungen, auch ihrerseits den guten Willen zu einer schrittweisen Annäherung zum Ausdruck zu bringen.
Gleichermaßen wurde die Notwendigkeit empfunden, auch gegenüber unseren westlichen Verbündeten die Position der deutschen Demokratie zu umreißen und damit einen Beitrag zur gemeinsamen Friedensplanung der vereinigten Demokratien zu leisten.
Nach dem Antrag des Ausschusses sollen der Bundesregierung gewisse wohlabgewogene Weisungen erteilt werden, die auch als Vollmacht für eine elastische und ideenreiche Osteuropapolitik aufgefaßt werden können. Ich darf .den entscheidenden Punkt dieses Intrages hier zitieren:
1. Die Bundesregierung wird aufgefordert, gemeinsam mit ihren Verbündeten eine Ostpolitik zu führen, ,deren Ziel die Wiederherstellung eines freien Gesamtdeutschlands ist, das auch mit der Sowjetunion und allen osteuropäischen Staaten friedliche und gedeihliche Beziehungen unterhält.
Zu diesem Ziel soll die Bundesregierung
jede sich bietende Möglichkeit ergreifen, um ohne Preisgabe lebenswichtiger deutscher Interessen zu einer Normalisierung der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und den osteuropäischen Staaten zu gelangen, den weiteren Ausbau der bestehenden Beziehungen zu diesen Staaten auf wirtschaftlichem, humanitärem, geistigem und kulturellem Gebiet anstreben,
bei der Gestaltung der Beziehungen zu Polen den besonderen psychologischen Belastungen ,des deutsch-polnischen Verhältnisses Rechnung tragen und gegenüber solchen Ländern, die deutsche Bevölkerungsteile deportiert oder deutsches Gebiet unter vorläufiger Verwaltung haben, bei der etwaigen Herstellung amtlicher Kontakte die jeweils erforderlichen völkerrechtlichen Vorbehalte geltend machen.
In Punkt 2 werden der Bundesregierung bestimmte Auflagen hinsichtlich einer besseren institutionellen Wahrnehmung der osteuropäischen Probleme erteilt. Mit Bedacht wurde davon abgesehen, hierzu ins einzelne gehende Vorschläge zu machen, die als Einmischung in die exekutiven Vollmachten der Bundesregierung aufgefaßt werden könnten. Im wesentlichen geht es im zweiten Teil des Antrags darum, die Bundesrepublik gegenüber den Regierungen und Völkern Osteuropas dialogfähig zu machen und auf
lange Sicht für eine friedliche Entwirrung des OstWest-Konflikts zu arbeiten.
Ein abschließendes Wort noch über die Motive dieser Berichterstattung. In der heutigen internationalen Lage liegt die innere Festigung der deutschen Demokratie mehr denn je im Interesse der freien Welt und der Sicherung des Weltfriedens überhaupt. Die Festigung der deutschen Demokratie erfordert auch die Herstellung und die Bewahrung eines brüderlichen Verständnisses zwischen den freien Deutschen in der Bundesrepublik und den versklavten Deutschen Mitteldeutschlands, nicht zuletzt aber auch ein festes Zusammenstehen zwischen dem heimatverbliebenen und dem heimatvertriebenen Teil des deutschen Volkes. Deshalb schätze ich mich glücklich, hier einen Bericht vorlegen zu können, der einen gemeinsamen Standpunkt aller Fraktionen dieses Hauses zu wichtigen. Lebensfragen des deutschen Volkes zum Ausdruck bringt und der von dem ehrlichen Bestreben zu einem friedlichen Zusammenleben aller europäischen Völker diktiert ist. Ich bitte daher das Hohe Haus um seine Zustimmung zu den in Drucksache 2740 gestellten Anträgen.
Ich darf vielleicht noch ein paar Worte zu dem Ergänzungsbericht sagen, Herr Präsident. Die Drucksache 2807 stellt eine Ergänzung zu dem Schriftlichen Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten dar, der dem Hause als Drucksache 2740 vorgelegt wurde. Hier wird der Umfang der rechtlichen, sozialen und humanitären Probleme behandelt, welche ihren Ursprung in den tragischen Vorgängen der Jahre 1939 bis 1945 haben und die bis zum heutigen Tage das Verhältnis zwischen dem deutschen Volke und den osteuropäischen Völkern belasten. Seit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und der Sowjetunion haben wir es immer wieder erfahren, wie sehr diese ungelösten humanitären Probleme die Gestaltung der gegenseitigen Beziehungen beeinflussen. Wir stehen vor der Tatsache, daß die Katastrophenpolitik Hitlers auch Millionen deutscher Menschen außerhalb der Reichsgrenzen von 1937 in furchtbare Verstrickungen hineingezogen hat. Dazu gesellte sich nach Beendigung der Kriegshandlungen auch das Vertreibungsdrama der Ostdeutschen, der Sudetendeutschen, der Ungarndeutschen und der Jugoslawiendeutschen.
Der Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten ist der Meinung, daß bereits im Vorgelände friedensvertraglicher Regelungen durch die Milderung menschlicher Härten viel für die Besserung der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und den osteuropäischen Ländern getan werden könnte. Zu diesem Fragenkomplex wurden die Vertreter der beteiligten Landsmannschaften und deis Suchdienstes des Deutschen Roten Kreuzes angehört. Auf diese Weise sind die schweren Sorgen und Bedrängnisse dieser Stellen hinsichtlich der Familienzusammenführung, der Zulassung von Hilfssendungen, des Besuchsverkehrs, der kulturellen und kirchlichen Situation der rund zwei Millionen Deutschen in den osteuropäischen Ländern zum Ausdruck gekommen.
Der Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten hielt es für angebracht, dem Bundestag eine Zusammenfassung dieser Berichte in der vorliegenden Ergänzung zu Drucksache 2740 zu unterbreiten. Hinter den Zeilen dieses Ergänzungsberichts steht das heiße Flehen von Millionen Menschen in der Bundesrepublik nach einer endlichen Beseitigung dieser Notstände.
({0})
Vielleicht ist diese Berichterstattung auch der geeignete Anlaß, dem Deutschen Roten Kreuz und allen seinen Mitarbeitern herzlichen Dank für die bisher geleistete Rettungsarbeit zu sagen.
({1})
Diesel Ergänzungsbericht erinnert die Staatsmänner in Ost und West an die Summe der Leiden, welche die Katastrophenpolitik Hitlers auch dem deutschen Volk auferlegt hat. Er richtet zugleich an die Regierungen der Ostblockstaaten den dringenden Appell, gegenüber dem Leid zerrissener Familien, gegenüber den menschlichen Bindungen von Nachbarn und Anverwandten und schließlich auch im Hinblick auf die kulturellen Bedürfnisse der betroffenen deutschen Bevölkerungen endlich -16 Jahre nach Beendigung der Kampfhandlungen! - die Gebote der Menschlichkeit und Gerechtigkeit walten zu lassen.
({2})
Auf Seite 8 dieser Drucksache finden Sie den Antrag des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten, der die geschilderten Notstände der besonderen Sorge und Aufmerksamkeit der Bundesregierung empfiehlt. Ich bitte das Hohe Haus, diese Ergänzung zum Schriftlichen Bericht auf Drucksache 2807 zur Kenntnis zu nehmen und dem Antrag auf Seite 8 zuzustimmen. Gleichzeitig darf ich im Auftrag des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten um getrennte Abstimmung über beide Anträge bitten.
({3})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kopf. Er spricht in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn der Auswärtige Ausschuß heute dem Hohen Hause einen Bericht über die Frage der Beziehungen zu den Oststaaten vorlegt, so obliegt es in erster Linie dem Vorsitzenden des Ausschusses, dem Berichterstatter und Vorsitzenden des mit der Ausarbeitung dieser Berichte betrauten Unterausschusses, dem Kollegen Jaksch, sowie den Mitgliedern des Unterausschusses, den Kollegen Achenbach, Freiherr zu Guttenberg, Kraft, Majonica, Baron Manteuffel-Szoege, Mattick, Paul, Schneider ({0}) - im letzten Stadium waren die Kollegen Erler und Gradl beteiligt -, für ihre sorgfältige und erschöpfende Arbeit den Dank des Ausschusses und des Hauses auszusprechen.
({1})
Der Unterausschuß hat sich mit dem ihm überwiesenen Antrag der Fraktionen der SPD und FDP vom
23. Januar 1958, der sich auf die Herstellung diplomatischer Beziehungen mit Polen bezieht, und mit dem Antrag der Fraktion der FDP vom 5. November 1959, der die Frage des Verhältnisses der Bundesrepublik zu allen osteuropäischen Staaten betrifft, befaßt. Er hat sich seine Aufgabe keineswegs leicht gemacht, sondern versucht, das Thema der beiden Anträge in größere Zusammenhänge einzuordnen.
Wenn im Antrag des Ausschusses eine Reihe von Wünschen an die Bundesregierung gerichtet werden, so bringen damit der Ausschuß und das Hohe Haus zum Ausdruck, daß die grundsätzlichen Entscheidungen der auswärtigen Politik von einer möglichst breiten Basis getragen werden müssen und daß es die Rolle des Parlaments und insbesondere des Auswärtigen Ausschusses ist, die Tätigkeit der Bundesregierung auf dem Gebiete der auswärtigen Politik nicht nur mit wacher Aufmerksamkeit zu verfolgen, sondern auch mit Rat und Anregungen zu unterstützen. Den Vorschlägen des Auswärtigen Ausschusses wird besonderes Gewicht durch den Umstand verliehen, daß der Bericht und der ihm beigefügte Antrag im Unterausschuß und im Auswärtigen Ausschuß einstimmig angenommen worden sind.
Die Bundesrepublik bildet einen Teil der freien Welt. Sie ist Mitglied der atlantischen Gemeinschaft und der europäischen Gemeinschaften. Sie wünscht, daß Fragen, welche die Staaten der freien Welt gemeinsam berühren, im Wege der gegenseitigen Konsultation geprüft und geklärt werden. Das Parlament legt daher Wert darauf, daß die Ziele der deutschen Ostpolitik gemeinsam mit den Verbündeten der Bundesrepublik verfolgt und erstrebt werden.
Wenn als wichtigstes Ziel einer deutschen Ostpolitik die Wiederherstellung eines freien Gesamtdeutschlands bezeichnet wird, so wird damit zum Ausdruck gebracht, daß das Prinzip der Selbstbestimmung, dessen totaler Geltungsanspruch in allen Kontinenten bejaht wird, auch auf das geteilte Deutschland Anwendung findet. Dieses freie Gesamtdeutschland soll auch mit der Sowjetunion und allen osteuropäischen Staaten friedliche und gedeihliche Beziehungen unterhalten. Der Umstand, daß in den Ostsstaaten ein von einer anderen Ideologie bestimmtes wirtschaftliches und gesellschaftspolitisches System eingeführt ist, kann daher die Bundesrepublik nicht daran hindern, eine Normalisierung der Beziehungen zu den osteuropäischen Staaten zu erstreben. Allerdings darf diese Normalisierung nicht unter Preisgabe lebenswichtiger deutscher Interessen erfolgen.
In seiner Rede vom 18. Mai 1960 hat der polnische Ministerpräsident Cyrankiewicz folgendes ausgeführt:
Wir betonen auch weiterhin, daß die Aufgabe der territorialen Forderungen der Bonner Regierung gegenüber unserem Land, die Anerkennung der Grenze an Oder und Neiße als unverletzliche polnisch-deutsche Grenze, die Aufgabe der Propaganda und der revanchistischen, revisionistischen Kampagne gegen Polen und die anderen sozialistischen Länder Voraussetzung für die Normalisierung der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Polen sind.
Der Auswärtige Ausschuß hat in seinem Bericht zum Ausdruck gebracht, daß keine frei gewählte deutsche Regierung in der Lage wäre, die Herstellung diplomatischer Beziehungen zu Polen mit einem Verzicht auf eine friedensvertragliche Regelung der deutschen Ostgrenzen zu erkaufen. Die Aufrechterhaltung dieses Rechtsstandpunktes, der in Art. 7 des Generalvertrages vom 26. Mai 1952 in der Fassung des Protokolls von Paris vom 23. Oktober 1954 von unseren Verbündeten anerkannt worden ist, kann nicht als eine Haltung des Revanchismus bezeichnet werden, zumal die Bundesrepublik wiederholt und in feierlicher Form ihren Verzicht auf jede Gewaltanwendung bekundet hat. Sosehr das deutsche Volk die Verbrechen des Hitler-Regimes verurteilt, so muß doch auch die Behauptung zurückgewiesen werden, daß die Bundesrepublik mit HitlerDeutschland identisch sei. Nicht die Hetze solcher Kampagne, die die Bundesrepublik als den Störer des Weltfriedens bezeichnet, sondern nur der ernste Wille zur Verständigung kann die europäische Friedensordnung vorbereiten, die wir als ein Ziel unserer Bemühungen ansehen. Dabei gilt dieser unser Wille besonders auch der Herstellung eines guten Verhältnisses zu Polen, dem .so viel Leid widerfahren ist.
Gegenüber allen Ländern, die deutsche Bevölkerungsteile deportiert haben oder deutsche Gebiete unter vorläufiger Verwaltung haben, sind nach der Auffassung des Ausschusses bei der etwaigen Herstellung amtlicher Kontakte die jeweils erforderlichen völkerrechtlichen Vorbehalte geltend zu machen. Bei der Prüfung des weiteren Vorgehens gegenüber den Oststaaten kann ferner das Problem nicht übersehen werden, daß das Vorhandensein von je zwei deutschen Vertretungen in den Hauptstädten der Oststaaten zum Anlaß der völkerrechtlichen Anerkennung des SBZ-Regimes genommen werden könnte.
Es wäre jedoch verfehlt, wollte man die Frage der Bereinigung und Verbesserung der Beziehungen zu den Oststaaten ausschließlich unter dem Gesichtspunkt diplomatischer Beziehungen betrachten. Der Ausschuß hat daher mit Recht den Gesamtkomplex unseres Verhältnisses zu Osteuropa einer Prüfung unterzogen und auf die Notwendigkeit hingewiesen, daß durch die Bemühungen um gegenseitige Verständigung neue Vertrauensgrundlagen geschaffen werden. In diesem Sinne hält der Ausschuß den weiteren Ausbau der bestehenden Beziehungen zu diesen Staaten auf wirtschaftlichem, humanitärem, geistigem und kulturellem Gebiet für erstrebenswert. Die deutschsowjetische Vereinbarung über den kulturellen und technisch-wirtschaftlichen Austausch vom 30. Mai 1959 hat eine Reihe von Möglichkeiten des kulturellen Austauschs ermöglicht. Kulturelle Beziehungen mit den Oststaaten setzen jedoch die Gegenseitigkeit voraus. Ihre Problematik und ihre Begrenzung ist in der Ungleichheit der
inneren Struktur der Partner begründet. Einem Staat wie der Bundesrepublik, in dem das kulturelle Leben sich in voller Freiheit entfaltet, steht ein totalitärer Staat gegenüber, in dem jede kulturelle Betätigung auf die Staatsziele bezogen ist und der staatlichen Lenkung unterworfen bleibt. Diese bestehende Ungleichheit soll jedoch nicht davon abhalten, die Verstärkung und Vertiefung von Beziehungen auf humanitärem, geistigem und kulturellem Gebiet zu erstreben, wobei aber diese Beziehungen nicht in den Dienst der Propaganda für eine bestimmte Ideologie gestellt werden dürfen.
Der von der Arbeitsgruppe erarbeitete und vom Ausschuß gebilligte besondere Bericht, der unter der Bezeichnung „Die Schicksale der deutschen Bevölkerungen in Osteuropa und der Sowjetunion seit 1939" als Drucksache 2807 vorliegt, trägt Notwendigkeiten Rechnungen, die beim Ausbau der humanitären Beziehungen zu den Oststaaten nicht unberücksichtigt bleiben dürfen. Dieser objektive Bericht stützt sich auf Auskünfte des Deutschen Roten Kreuzes und der Landsmannschaften. Wenn dieser Bericht deli Leidensweg, eines Teiles des deutschen Volkes darlegt, der durch Maßnahmen der Hitlerregierung ausgelöst und durch die Potsdamer Beschlüsse fortgesetzt worden ist und von Churchill als ein „Drama von ungeheuren Ausmaßen" bezeichnet worden ist, so besteht nicht die Absicht, die Gestaltung der künftigen Beziehungen zu den Oststaaten mit zusätzlichen Schwierigkeiten zu belasten, sondern in Form eines Tatsachenberichts noch einmal das Schicksal der deutschen Bevölkerung in den Oststaaten in die Erinnerung zurückzurufen.
Es erscheint aber auch als Gebot der Gerechtigkeit, daß den in der Bundesrepublik lebenden fremdsprachigen Minderheiten sowie den Bevölkerungsgruppen der staatenlosen Ausländer die Möglichkeit gewährleistet wird, ihre Traditionen, ihr kulturelles Erbe und ihre eigene Sprache zu pflegen. Nicht Assimilierung, sondern Erhaltung des kulturellen Erbes in seiner nationalen und sprachlichen Vielfältigkeit scheint uns eine europäische Aufgabe zu sein.
In Würdigung der Bedeutung einer gemeinsam mit unseren Verbündeten zu führenden deutschen Ostpolitik hält es der Ausschuß für notwendig, daß innerhalb des Auswärtigen Amtes der Ausbau der Ostabteilung vervollständigt wird. In Zusammenarbeit mit den bestehenden Forschungsinstituten sollen die mit Ostfragen befaßten Dienststellen personell so ausgebaut sein, daß sowohl der Gesamtkomplex Osteuropa als auch die Entwicklung innerhalb der einzelnen osteuropäischen Staaten ihrer Bedeutung gemäß behandelt werden.
Der Bericht des Auswärtigen Ausschusses will dazu beitragen, Grundlagen für eine geistig-politische Verständigung mit den Ländern und Völkern Osteuropas vorzubereiten.
Die Aufteilung der Welt in Bereiche konträrer Ideologien wird das deutsche Volk nicht davon abhalten, eine Verbesserung der Beziehungen zu allen
Ländern und Völkern zu erstreben, die guten Willens sind.
({2})
Als Ziel aber erscheint uns die Schaffung einer europäischen Friedensordnung, die alle Länder Europas umfaßt und in die sich auch das freie vereinte Deutschland freudig und verantwortungsvoll einordnet.
({3})
Meine Damen und Herren, wird noch ,das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen! - Enthaltungen? Keine Enthaltungen; einstimmig angenommen!
Wer ,dem Ausschußantrag auf Drucksache 2807 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzei- chen. Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen?
- Einstimmig angenommen!
Nun kommen wir zum Punkt 11 der Tagesordnung:
Erste, zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes ({0}) .
Auf Begründung und Aussprache soll, wenn ich recht unterrichtet bin, verzichtet werden. - Dann schlage ich Ihnen Überweisung an den Ausschuß für Gesundheitswesen vor. - Es erhebt sich kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Wir kommen zum Punkt 12 der Tagesordnung: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines
Deutschen Richtergesetzes ({1}); Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses ({2}) ({3})
({4}).
Berichterstatter ist der Abgeordnete Schlee. Ich danke ihm für den Schriftlichen Bericht. Wünscht er, eine mündliche Ergänzung zu geben? - Das ist nicht ,der Fall. Dann können wir in die Beratung eintreten. Ich rufe in zweiter Beratung auf: §§ 1, - 2, - 3, - 4, - 5, - 6, - 7, - 8, - 8 a, - 9, - 10, - 11, - 12, - 13 entfällt, - 14, - 15, - 16, - 17, - 18 entfällt, - 18 a, - 18 b, - 19, - 19 a, - 19 b, -19 c, - 19 d, - 20, - 21 entfällt. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den ,aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Es ist so beschlossen.
Ich komme zu § 22. Hier liegt ein Antrag der Fraktion ,der FDP auf Umdruck 936 vor. Der Antrag soll begründet werden. Frau Abgeordnete Dr. Diemer-Nicolaus, bitte.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! § 22 des Richtergesetzes enthält eine außerordentlich bedeutsame Bestimmung. In diesem Paragraphen ist wie in § 20 eindeutig festgestellt, daß die Unabhängigkeit der Richter unbedingt gewahrt sein muß, - ein Grundprinzip unseres freiheitlichen Rechtsstaates. Auf der anderen Seite ist aber auch bestimmt, daß die Richter einer Dienstaufsicht unterliegen. Wenn man von einer Dienstaufsicht spricht, ist damit natürlich auch ganz eng die Frage verbunden: Wer übt diese Dienstaufsicht aus? Meine Damen und Herren, diese Frage ist in der Vorlage !des Ausschusses nicht beantwortet.
Es war ein Anliegen der FDP schon im 2. Bundestag, und dieser Wunsch ist auch gleich zu Beginn des 3. Bundestages, nämlich im November 1957 mit der Drucksache 16, geäußert worden, diese Frage zu regeln. Von den Vertretern der FDP wurde die Frage des Rechtsprechungsministeriums - darum handelt es sich nämlich - bei den verschiedensten Gesetzen im entsprechenden Zusammenhang im Rechtsausschuß angesprochen.
Im Zusammenhang mit dem Richtergesetz wurde im Ausschuß ein Antrag eingebracht - und zwar der Antrag, der Ihnen jetzt auf Umdruck 936 vorliegt -, zu bestimmen, daß die Dienstaufsicht über die Gerichte des Bundes von dem Bundesminister der Justiz, über die Gerichte der Länder von den Justizministern der Ländern ausgeübt wird. Die Abstimmung über diesen Antrag im Rechtsausschuß hatte insofern ein etwas überraschendes Ergebnis, als sich neun Mitglieder des Ausschusses der Stimme enthielten; das war bei der damaligen Zusammensetzung des Rechtsausschusses die weitaus überwiegende Mehrheit des Rechtsausschusses.
Ich hatte aber damals schon mit aller Eindeutigkeit zum Ausdruck gebracht - und zwar nicht nur bei der Beratung dieses Antrags, sondern auch schon bei früheren -, daß die FDP darauf bestehen wird, die Frage des Rechtsprechungsministeriums im jetzigen Bundestag noch zu klären. Sie, meine verehrten Damen und Herren, haben jetzt die Gelegenheit, eindeutig zu sagen, wie Sie nun zu diesem Problem stehen.
Ich darf auf folgendes hinweisen, was zugunsten des Rechtsprechungsministeriums spricht, werde aber auch gleich von mir aus auf die Einwände eingehen, die insofern geltend gemacht werden. Erst in allerjüngster Zeit hat Präsident Weinkauff zu der Frage einer Justizreform gesprochen. In seinen von großem Verantwortungsbewußtsein getragenen Ausführungen hat er sich mit außerordentlich einleuchtenden Gründen nicht nur für ein Rechtsprechungsministerium eingesetzt, sondern darüber hinaus sogar für eine Beseitigung der Einzelzweige der Gerichtsbarkeit und für die Wiederherstellung eines Einheitsgerichts.
Wir Freien Demokraten gehen im Augenblick nicht so weit, sondern wir wollen uns damit begnügen, daß Rechtsprechungsministerien ,geschaffen werden, ,d. h. daß die Dienstaufsicht über die verschiedenen Zweige der Gerichtsbarkeit von einem
Ministerium ausgeübt wird. Wir sind durchaus damit einverstanden, daß die einzelnen Zweige der Gerichtsbarkeit, also die Verwaltungsgerichtsbarkeit, die Sozialgerichtsbarkeit, ,die Arbeitsgerichtsbarkeit und die Finanzgerichtsbarkeit, als solche erhalten bleiben.
Die Forderung nach einer einheitlichen Regelung, nach einer einheitlichen Dienstaufsicht, nach einem Rechtsprechungsministerium wurde in den vergangenen Jahren immer wieder von den verschiedenen Stellen und Organisationen, vor allem auch von den Richtern, erhoben. Es waren sehr hohe Richter, die sich für diese Regelung, und zwar auch in der Tagespresse, ausgesprochen haben. Ich möchte dabei auf die Äußerung eines hohen Richters verweisen, der bezüglich der sogenannten Hausgerichtsbarkeiten ausgeführt hat:
Das gefährliche Kuriosum ist, daß die Verwaltung sich Gerichte geschaffen hat, die über eben ,diese Verwaltung richten. Gleich, wie man die bisherigen Erfahrungen mit der Hausgerichtsbarkeit beurteilt, es ist klar, daß der Unabhängigkeit der Rechtsprechung von ihnen her einmal Gefahren drohen könnten.
Ein anderer sehr hoher Richter beklagt sich bitter darüber, daß mit den Hausgerichten das Prinzip der Gewaltentrennung durchbrochen sei. Er schneidet das Problem an - das auch von Präsident Weinkauff in jüngster Zeit behandelt wurde -, daß die Einheit der Rechtsprechung unter der Teilung der Gerichtsbarkeiten leidet.
Aus dem Aufsatz eines anderen hohen Richters - ich möchte aus begreiflichen Gründen hier keine Namen nennen; aber die Richter haben diese Artikel in der Tagespresse natürlich unter ihrem Namen veröffentlicht - möchte ich zur Begründung unseres Antrags folgendes vortragen:
Im zivilen Bereich wird es jeder als untragbar bezeichnen, daß ein Richter etwa den Prozeß seines Vermieters oder einer anderen Person, von der er wirtschaftlich abhängt, entscheidet. Man findet aber nichts dabei, daß ein Finanzrichter, der von der Finanzverwaltung personell und sachlich betreut wird, die Prozesse der Finanzverwaltung, daß ein Sozialrichter, der von der Arbeitsverwaltung abhängt, von ihr befördert wird, von ihr Schreibkräfte und Material zugeteilt erhält, die Prozesse der Sozialversicherung entscheidet und daß schließlich der Verwaltungsrichter, der über Verwaltungsakte der Innenverwaltung entscheidet, ausgerechnet von der Innenverwaltung betreut wird.
Eine weitere Zuschrift aus Richterkreisen geht dahin - diese Zuschrift ist allen Mitgliedern des Rechtsausschusses bekannt -:
Es ist mit rechtsstaatlichen Grundsätzen unvereinbar, daß Beamte, wie es leider bereits vorgekommen ist, nach ihrer Ernennung zu Richtern über Maßnahmen ihrer 'bisherigen Dienststelle zu entscheiden haben, die sie selbst in eigener Verantwortung in die Wege geleitet oder an denen sie mitgewirkt haben.
Meine Damen und Herren! Diese wenigen prägnanten Bemerkungen hoher Richter zeigen Ihnen, wie berechtigt unsere Forderung ist, daß dieser Bundestag im Zusammenhang mit dem Richtergesetz jetzt auch ,die Frage des Rechtsprechungsministeriums, und zwar im Sinne der Rechtsstaatlichkeit, in einem für unseren Antrag positiven Sinne entscheidet.
Die Forderung nach ,dem Rechtsprechungsministerium wird aber nicht nur aus Richterkreisen, sondern genauso auch sonst von ¡der Allgemeinheit erhoben. Ich verweise nicht nur auf den Deutschen Anwaltverein und die Justizministerkonferenz der Länder sowie den Deutschen Juristentag - insofern handelt es sich ja auch um Juristen -, sondern auch der Industrie- und Handelstag, der Bundesverband der Deutschen Industrie, der Gesamtverband des Deutschen Groß- und Außenhandels und die Hauptgemeinschaft des Deutschen Einzelhandels, nicht zu vergessen der Bund der Steuerzahler setzen sich aus den verschiedensten Gründen seit Jahr und Tag entschieden für das Rechtsprechungsministerium ein.
Daß ein Rechtsprechungsministerium in keiner Weise ,die Rechtsprechung der einzelnen Zweige der Gerichtsbarkeit beeinträchtigen muß, sondern sich durchaus positiv in jeglicher Hinsicht auswirkt, dafür haben wir Beispiele. Ein Bundesland, SchleswigHolstein, hat bereits seit 'dem Jahre 1956 ein derartiges Rechtsprechungsministerium. Das hat immerhin doch dazu geführt, daß dort Rückstände außerordentlich schnell und wirksam aufgearbeitet werden konnten. Die länger als ein Jahr an den Landessozialgerichten anhängigen unerledigten Sozialrechtsstreite betragen im Bundesdurchschnitt 63,33%. Im Gegensatz zu diesem Bundesdurchschnitt sind dagegen in Schleswig-Holstein nach der Bildung des Rechtsprechungsministeriums und nachdem es auf diese Art und Weise möglich war, Richter der ordentlichen Gerichtsbarkeit mit einzusetzen, nur 16,4 % Sozialrechtsstreite länger ,als ein Jahr anhängig.
Ferner ist darauf hinzuweisen, daß mit einem Rechtsprechungsministerium eine erhebliche Verwaltungsvereinfachung und auch eine erhebliche Kostenersparnis verbunden ist, ein Argument, das vom Band der Steuerzahler, der es als seine Aufgabe ansieht, über die Finanzen zu wachen, immer mit Entschiedenheit aufgegriffen wird.
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- Ich konnte Ihren Zwischenruf nicht verstehen, Herr Kollege Wittrock.
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Ich verkenne eine solche Verwaltungsvereinfachung und Kostenersparnis in keiner Weise. Darüber hinaus geht es uns aber noch viel stärker darum, daß die Einheitlichkeit der Rechtsprechung gewahrt und vor allen Dingen den rechtsstaatlichen Grundsätzen Rechnung getragen wird.
Mir ist bekannt, daß Richter einzelner Gerichtszweige das Rechtsprechungsministerium nicht gern
sehen. Dahinter steht vielleicht die Sorge einer Überfremdung ihrer Gerichtszweige durch Richter der ordentlichen Gerichtsbarkeit. Derartige Bedenken sind nicht begründet. Im Lande Schleswig-Holstein erfolgen ,die personellen Besetzungen durch das Justizministerium im Einvernehmen mit den betreffenden Fachministerien. Die Befürchtung, es würden jetzt Verwaltungsbeamte von den jeweiligen Richterlaufbahnen ausgeschlossen, hat sich als unbegründet erwiesen. Aber ,ein Zusammenwirken dieser Facherfahrung mit justizstaatlicher Erfahrung ist notwendig und auch für diese einzelnen Gerichtszweige das Richtige.
Vergessen Sie ferner bitte nicht das eine: Bei dem Prinzip der Unabhängigkeit der Richter kommt es nicht nur darauf an, wieweit sich die Richter dieser Hausgerichtsbarkeit gegenüber ihrer die Dienstaufsicht führenden Behörde unabhängig fühlen, sondern es kommt darauf an, daß nicht gegenüber den Bürgern der Anschein einer Abhängigkeit erweckt wird. Solange diese Hausgerichtsbarkeiten - ich gebrauche dieses Wort, obwohl ich es an und für sich nicht schön finde - bestehen, wird der Bürger gar zu leicht annehmen, daß eine Abhängigkeit in der Rechtsprechung besteht.
Warum von der FDP die Unterstellung unter die Justizministerien gewünscht wird, erhellt aus folgendem. Die Justizministerien haben bereits die Dienstaufsicht über rund 80 % aller Richter. Ihnen untersteht auch die Ausbildung des gesamten künftigen Juristennachwuchses, einerlei, ob er in die Wirtschaft geht, ob es sich um künftige Anwälte, ob es sich um künftige Richter ,der ordentlichen Gerichtsbarkeit oder der sonstigen Gerichtszweige handelt.
Es kommt hinzu, daß es nur ganz wenige Fälle gibt, in denen die Justizministerien selber in einen Rechtsstreit als Partei einbezogen werden. Dagegen handelt es sich in einem erheblichen Prozentsatz der vor den Verwaltungsgerichten behandelten Fälle um eine Nachprüfung von Verwaltungsakten der Behörde, dessen Dienstaufsicht das Gericht untersteht. Nicht viel anders ist es bei den Finanz-, Arbeits- und Iden Sozialgerichten. Dadurch wird bei dem Bürger - ob zu Recht oder zu Unrecht, will ich jetzt ganz dahingestellt sein lassen - der Anschein erweckt, daß die Rechtsprechung der Richter nicht so unabhängig ist, wie sie sein muß und wie wir es für eine rechtsstaatliche Rechtsprechung für erforderlich erachten.
Ich bitte Sie, unserem Antrag zuzustimmen. Nachdem ich im Rechtsausschuß klar zum Ausdruck gebracht habe, daß wir auf eine Behandlung dieses Problems in ,diesem Bundestag nicht verzichten werden, hoffe ich, daß Sie sich in der Zwischenzeit innerhalb Ihrer Fraktionen darüber klargeworden sind, wie Sie zu diesem Problem stehen; ich hoffe und wünsche, in einem für unseren Antrag günstigen Sinn.
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Das Wort hat der Abgeordnete Hoogen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich freue mich außerordentlich, daß Frau Kollegin Dr. Diemer-Nicolaus diesem Problem eine so große Aufmerksamkeit geschenkt hat. Gleichwohl glaube ich nicht, daß der Antrag Umdruck 936, Einrichtung eines Rechtspflegeministeriums - wie man es ja wohl nennen darf -, im Augenblick entscheidungsreif ist.
Die meisten von Ihnen, jedenfalls die Mitglieder des Rechtsausschusses, werden wissen, daß diese Frage auf Grund eines Antrages der Freien Demokratischen Partei dem Rechtsausschuß vorliegt, daß wir auch versucht haben, ihn im Rechtsausschuß zu beraten, dabei aber haben feststellen müssen, daß das Problem vielschichtiger ist, als es auf den ersten Blick erscheint. Alle diejenigen, die seinerzeit der Grundgesetzergänzung zugestimmt haben - und das war der weitaus größte Teil des Hauses -, haben gebilligt, daß die Wehrmachtgerichtsbarkeit in dem beschränkten Umfang, in dem wir sie haben, sogar grundgesetzlich der Dienstaufsicht des Bundesjustizministers unterstellt ist. Wir im Rechtsausschuß waren damals alle der Meinung, daß damit der erste Schritt getan sei. Die Richtung ist also unverkennbar angezeigt.
Aber, Frau Kollegin Dr. Diemer-Nicolaus, ich glaube nicht, daß wir jetzt mit der Annahme dieses Antrages das schwere und vielschichtige Problem auf Bundesebene lösen können. Ob wir es überhaupt auf Bundesebene lösen können, ob wir nicht dadurch unzulässigerweise in die verfassungsrechtlich geschützte Organisationsgewalt der Länder eingreifen würden, erscheint mir zumindest fraglich.
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Ich bitte Sie also sehr darum, die Beratung des Richtergesetzes nicht mit diesem, meinetwegen sehr aktuellen Problem zu belasten und dadurch unter Umständen - wenn ich das auch nicht behaupten will - seine Annahme zu gefährden. Wir sollten uns vielmehr diese Frage, die ja auch in den einzelnen Länderparlamenten diskutiert wird, für die nächste Legislaturperiode aufheben. Deswegen bitte ich, den Antrag abzulehnen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Arndt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Ergebnis schließe ich mich den Ausführungen des Herrn Kollegen Hoogen an - im Ergebnis! Ich muß sogar noch darüber hinausgehen und sagen, daß die Antwort auf diesen Antrag insoweit sehr einfach ist, als er sich nach meiner Überzeugung mit dem Grundgesetz nicht vereinbaren läßt. Wir haben nicht die Möglichkeit und Befugnis, durch ein Bundesgesetz in die Organisation der Landesregierungen einzugreifen und vorzuschreiben, welcher Landesminister für welche Aufgabe zuständig ist. - Bitte schön!
Herr Kollege Arndt, ist Ihnen nicht bekannt, daß die Arbeitsgerichte, wenn bei den Ländern die Frage der Schaffung eines Rechtsprechungsministeriums behandelt wurde, immer ausgeschlossen wurden, weil die Länder immer sagten: das ist vom Bund geregelt, wir können die damit begründete Zuständigkeit nicht rückgängig machen, und daß auch die Justizministerkonferenz der Länder die Bundeszuständigkeit anerkannt hat?
Frau Kollegin, darauf komme ich noch. Ich kann Ihnen nur sagen: nach meiner Überzeugung ist es nach dem Grundgesetz unzulässig, daß ein Bundesgesetz in die Geschäftsverteilung einer Landesregierung eingreift. Dem steht schlechterdings die Eigenstaatlichkeit der Länder entgegen.
Ich bin der Auffassung, daß nicht nur dieser Bundestag, sondern auch die vorangegangenen Bundestage in dieser Frage wiederholt gesündigt haben. Im Grundgesetz steht auch für den Bund, daß die Bundesregierung ihre Geschäfte durch eine Geschäftsordnung zu regeln hat und daß diese Geschäftsordnung der Genehmigung durch den Herrn Bundespräsidenten bedarf. Das ist eine der wenigen Kompetenzen, die der Herr Bundespräsident im Grundgesetz bekommen hat. Nach meiner Auffassung, die ich auch im Rechtsausschuß all' die Jahre hindurch immer wieder bei den verschiedensten Gelegenheiten geäußert habe, ist es überhaupt unzulässig, durch ein Bundesgesetz auch nur beim Bund eine Zuständigkeit innerhalb der Bundesregierung festzulegen, weil wir damit in die Kompetenz des Herrn Bundespräsidenten eingreifen, da er die Bundesinstanz ist, welche die Geschäftsverteilung der Bundesregierung zu bestätigen hat.
Ich weiß, daß dieser Bundestag und der erste und zweite Bundestag dauernd dagegen verstoßen haben. Es gibt eine Fülle von Gesetzen, wo für den Bund, teilweise sogar für die Länder, solche Anordnungen getroffen sind. Ich halte das nicht für zulässig. Wie gesagt, damit wäre an sich die Antwort sehr einfach. Sie haben sich mit diesem, Ihnen ja aus dem Ausschuß bekannten Einwand nicht auseinandergesetzt.
Ich muß aber darüber hinaus noch mehr sagen. Ich persönlich bekenne mich für meinen Teil zum Rechtspflegeministerium als einer Notwendigkeit, mindestens als einer äußerst wünschenswerten Einrichtung, wenn ich auch keinen verfassungsgemäßen Weg sehe, das Rechtsprechungsministerium im Wege eines einfachen Gesetzes zu bekommen. Nach meiner Auffassung haben wir mit der Aufteilung der Zuständigkeit für die Gerichtsbarkeiten im Bund keine guten Erfahrungen gemacht. In den Ministerien, die nicht - wie das Bundesjustizministerium - ihre Aufgabe ersten Ranges darin sehen, für die Gerichtsbarkeit zu sorgen, werden die Gerichtsbarkeiten, d. h. die anderen vier oberen Bundesgerichte, doch wie ein fünftes Rad am Wagen behandelt.
Ich kann nicht umhin, immer wieder darauf zurückzukommen, daß wir den trostlosen Fall hatten - der wohl einmalig in der deutschen Rechtsgeschichte ist -, daß ein früherer Bundesminister für Arbeit in seiner Amtszeit, in der ihm das Bundesarbeitsgericht in verwaltungsmäßiger Hinsicht anvertraut war, in namentlicher Abstimmung dagegen votiert hat, daß das Bundesarbeitsgericht eine zusätzliche Richterstelle bekam, die es dringend brauchte. Also die Erfahrungen sind nicht gut.
Wir haben, um auch das zu erwähnen, bei der letzten Beratung des Etats des Justizhaushaltes von der sozialdemokratischen Fraktion aus versucht, bei dieser Gelegenheit eine Grundsatzdebatte über die Rechtsprechung zu führen. Wir haben versucht, auf das Mißverhältnis der finanziellen und personellen Ausstattung der Gerichtsbarkeiten gegenüber der Ausstattung der Exekutive hinzuweisen.
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Herr Kollege Karl Wittrock hat das an der Bundesanwaltschaft beim Bundesverwaltungsgericht exemplifiziert und dargetan, wie unmöglich es ist, daß dieses Haus die Einrichtung eines Oberbundesanwaltes beim Bundesverwaltungsgericht schafft, dann aber dieselbe gesetzgebende Körperschaft auf Grund von Vorschlägen ihres Haushaltsausschusses - der in diesem Falle von derlei Fragen leider recht wenig versteht oder es an Verständnis hat fehlen lassen - die Stelle des Oberbundesanwaltes beim Bundesverwaltungsgericht so dotiert, daß sie arbeitsunfähig ist. Was war das tragikomische Ergebnis dieses Versuchs, einmal Grundsatzfragen der Rechtsprechung der Bundesgerichte bei der Beratung des Bundeshaushaltes zu erörtern? Es bestand darin, daß der Herr Bundesminister der Justiz auf die Tribüne ging und sagte, er verstehe den Herrn Kollegen Wittrock gar nicht, denn soeben erst habe die Bundesanwaltschaft beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe ihm ihren Dank dafür ausgesprochen, wie sehr er für sie sorge.
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Das sind die tragikomischen Dinge, die bei dieser Aufspaltung der Zuständigkeit für die Gerichtsbarkeiten auf die verschiedensten Ministerien herauskommen!
Also in politischer Hinsicht bin ich mit den Freien Demokraten völlig einig. Das trifft nicht für alle meine Parteifreunde zu. In der Fraktion gibt es da wie wahrscheinlich in den meisten Fraktionen Meinungsverschiedenheiten. Politisch Ist das Rechtspflegeministerium mindestens erstrebenswert, wahrscheinlich eine Notwendigkeit, aber - ich komme darauf zurück verfassungsrechtlich ist es so nicht durchsetzbar.
Schließlich ist es auch nicht Aufgabe dieses Gesetzes. Das Richtergesetz ist ein personales Gerichtsverfassungsgesetz und sollte mit dieser Frage nicht beschwert werden.
Frau Kollegin Diemer-Nicolaus hat zwar das Problem des Rechtspflegeministeriums wiederholt im Ausschuß angeschnitten. Aber immer haben wir
anderen ihr einhellig gesagt, daß wir davon nur abraten könnten. Der Herr Vorsitzende des Ausschusses hat es mit Recht in die Worte gefaßt: Wenn wir die Verabschiedung des Richtergesetzes mit höchster Wahrscheinlichkeit unmöglich machen wollen, dann beschweren wir das Gesetz mit dieser Frage, die nicht ursprünglich und primär dazugehört.
Ich bitte Sie zu überlegen, ob es eine richtige Art der Gesetzgebung ist - Sie mögen gegebenenfalls einmal ein Initiativgesetz einbringen -, in der zweiten Lesung eine Bestimmung von dieser Tragweite durch einen Einzelantrag in das Gesetz hineinbringen zu wollen. Die sozialdemokratische Fraktion hält das für keine gute Sache und wird dem Antrag aus diesen Gründen nicht zustimmen, zumal wir im Ausschuß aus den erwähnten Gründen, daß nämlich das Richtergesetz dann höchstwahrscheinlich nicht zur Verabschiedung kommen werde, davon abgesehen haben, ein so schwieriges Problem abschließend zu erwägen. Es hat im Augenblick keinen Sinn, etwas Derartiges zu beschließen.
({2})
Meine Damen und Herren. Das Wort wird nicht begehrt.
Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 936 auf Einfügung eines Abs. 2 a. Wer diesem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Gegen die Stimmen der FDP mit großer Mehrheit abgelehnt.
Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den § 22 in der Ausschußfassung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Angenommen.
Ich rufe auf die §§ 23 bis einschließlich 116. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Die aufgerufenen Bestimmungen sind angenommen.
§ 116 a! - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Angenommen.
Ich rufe auf § 117 und den Antrag auf Umdruck 933. Soll er begründet werden, Herr Abgeordneter Hoogen? - Es ist keine Begründung erforderlich. Es wird auch keine Aussprache gewünscht. Wer dem Änderungsantrag der Abgeordneten Hoogen, Jahn ({0}), Dr. Bucher und Genossen auf Umdruck 933 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe! - Der Antrag ist angenommen.
Wer dem § 117 in der Ausschußfassung mit der soeben beschlossenen Änderung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe! - Angenommen.
Vizepräsident Dr. Jaeger
Ich rufe auf § 118, Einleitung und Überschrift. - Wer dem § 118, der Einleitung und der Überschrift zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Ebenfalls angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. - Herr Abgeordneter Dr. Arndt!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein Grundlagengesetz wie das Deutsche Richtergesetz sollte nicht in zweiter und dritter Lesung verabschiedet werden, ohne daß dazu prinzipielle Ausführungen gemacht werden. An die Spitze meiner Ausführungen muß ich deshalb zunächst mein Bedauern darüber stellen, daß außer dem Herrn Staatssekretär im Bundesministerium der Justiz, wenn ich recht sehe, niemand aus dem Kreise der Bundesregierung anwesend ist.
({0})
Vielleicht nimmt der Herr Staatssekretär späterhin im Verlauf der Debatte noch Gelegenheit, dem Bundestage zu erklären, warum der Herr Bundesminister der Justiz nicht zugegen ist. Ich hätte eigentlich gedacht, daß ein Gesetz von dieser Bedeutung nicht ohne eine Regierungserklärung des Bundesministers der Justiz verabschiedet werden könnte.
({1})
Ich kann mich über diese Art des Umgangs zwischen Bundesregierung und Bundestag nur verwundern.
Zur Sache selbst ist zu sagen, daß im Mittelpunkt des ersten Deutschen Richtergesetzes das große Thema der richterlichen Unabhängigkeit steht. Der Grund, warum meine Fraktion einem mit so vielen Schwächen und Mängeln behafteten Gesetz, einem Gesetz, das wirklich so wenig bringt, zustimmt, ist der, daß es einen wesentlichen Fortschritt enthält, nämlich eine verstärkte und gerichtliche Sicherung der richterlichen Unabhängigkeit.
Bezüglich der Problematik, bis wohin die Aufsicht der Justizverwaltung über einen Richter gehen kann und von wo ab die richterliche Unabhängigkeit beginnt, bringt dieses Gesetz die positive Neuerung, daß jeweils die Dienstgerichte angerufen werden können, um zu entscheiden, ob die richterliche Unabhängigkeit gewahrt geblieben oder ob sie verletzt worden ist. Das ist der Kern des Gesetzgebungswerks. Diesen Kern bejahen wir, und darum werden wir dem Gesetz auch zustimmen.
Es wird aber notwendig sein, aus diesem Anlaß doch noch einige Ausführungen zur Problematik der richterlichen Unabhängigkeit zu machen. Denn es entsteht die Frage, wozu die richterliche Unabhängigkeit gewährt ist. Ich kann nicht mit den Ausführungen in dem gedruckten Bericht des Herrn Berichterstatters, des Herrn Kollegen Schlee, übereinstimmen, in denen ,er im Anschluß an die Regierungsvorlage sagt, es sei die Aufgabe der Gerichte, Streitigkeiten zu entscheiden. Ich weiß wohl, daß diese Auffassung in der Wissenschaft vertreten
wird. Es ist auch sicher, daß die Gerichte eine friedenswahrende Aufgabe haben, - aber nicht nur die Gerichte allein, sondern das gilt für alle Organe des Staates. Das ist nicht das Eigentliche der Gerichtsbarkeit, zumal es wesentliche Gerichtsbarkeiten gibt, die gar nicht streitig zu sein brauchen oder die mindestens, wie es bei der Strafgerichtsbarkeit der Fall ist, kein Parteienstreit sind. Das Wesentliche der Gerichtsbarkeit ist, daß wir in unserem öffentlichen und privaten Leben eine Stelle der Unbefangenheit und Unabhängigkeit brauchen, die in Zweifelsfällen für eine erhöhte Gewißheit sorgt. Es ist notwendig, z. B. in Fragen des Eherechts, in Fragen des Strafrechts, daß Gewißheiten geschaffen werden in einer im Rahmen der menschlichen Irrtumsmöglichkeit absoluten Gewißheit. Die Gerichte sind nicht nur mit der Aufgabe betraut, Recht anzuwenden oder Recht fortzuentwickeln, sondern, was immer wieder vergessen wird, in erster Linie damit, Wahrsprüche zu fällen. Denn es gibt keine andere Instanz in unserem staatlichen Leben als die der Gerichte, die befugt ist, mit der Fülle staatlicher Beweismittel eine Wahrheit verbindlich, auch für andere oder sogar manchmal für alle, als erwiesen festzustellen. Das ist ihr eigentlicher Grund, die Wahrheitsaufgabe der Rechtsprechung, an die sich dann ihre zweite Aufgabe anschließt, nämlich aus Berechtigungen rechtskräftige Berechtigungen zu machen, Rechtskraft zu wirken und zu schaffen.
Aus diesem Gesichtspunkt heraus hat die Verfassung bestimmt, daß die Richter unabhängig sind zu dem Ziel, nur Recht und Gesetz unterworfen und allein der Wahrheit verpflichtet zu sein; das muß man jeweils hinzufügen. Darum sagt das Grundgesetz, daß die rechtsprechende Gewalt, die diese besondersartigen Aufgaben hat, den Richtern, d. h. allein den Richtern, anvertraut ist, weil Wahrsprüche mit Verbindlichkeit für und gegen Beteiligte oder sogar mit Verbindlichkeit für und gegen jedermann nur von einer unabhängigen, allein der Wahrheit, dem Gesetz und dem Recht verpflichteten Stelle erlassen werden können.
Deshalb muß ich auch diese Gelegenheit ergreifen, hier in aller Öffentlichkeit zu beklagen, daß es dem Gedanken des Grundgesetzes in seinem Art. 92 - daß die rechtsprechende Gewalt den Richtern anvertraut ist - nach wie vor ins Gesicht schlägt, wenn immer noch in der Bundesrepublik Deutschland Postämter und Finanzämter Strafgerichtsbarkeit ausüben und Geldstrafen und sogar Ersatzfreiheitsstrafen verhängen.
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Aus dieser Besonderheit der rechtsprechenden Gewalt, daß sie sich auf Wahrheit und Recht richtet und darum der Unabhängigkeit bedarf, ergibt sich dann auch die Notwendigkeit, ein Richtergesetz zu schaffen, das neben das Beamtengesetz tritt und neben andere Gesetze, die den öffentlichen Dienst regeln. Denn der öffentliche Dienst, das Amtsrecht als umfassender Begriff, gliedert sich in das Recht für Beamte, in das Recht für Soldaten, in das Recht für Richter, ja sogar auch in das Recht für Mitglieder von Bundes- und Landesregierungen. Das Grundgesetz spricht in Art. 48 auch davon, daß die AbDr. Arndt
geordneten ein Amt haben. Es geht deshalb lediglich darum, diese Besonderheit zur Geltung zu bringen, die sich aus der richterlichen Unabhängigkeit ergibt. Nicht aber liegt darin, daß nun der eine Teil des öffentlichen Dienstes vor den anderen Teilen bevorzugt oder ihnen gegenüber benachteiligt werden soll. Die richterliche Unabhängigkeit führt dazu - das ist das Herzstück des Richtens -, daß - nach einem wunderbaren Wort des Chefpräsidenten Fritz Werner - gerichtet werden kann nur in „unvertretbarer Einsamkeit". Der Beamte kann und soll sich, wenn er Zweifel hat, ob etwas der Verfassung oder dem Gesetz entspricht, von der Verantwortung dadurch entlasten, daß er eine Weisung seines Vorgesetzten herbeiführt, eine Weisung, deren Bindekraft dort endet, wo das Strafrecht mit schweren Folgen beginnt. Der Richter kann das nicht; seine Unabhängigkeit schließt derlei Weisungen aus. Sie macht ihn unvertretbar, und darum erfordert sie auch eine besondersartige Regelung.
Deshalb kommt es auch zu einer eigentümlichen Stellung des Richters zu dem Recht, das er zu sprechen hat, das durch ihn zur Sprache kommt. Denn durch seinen Wahr- und Rechtsspruch identifiziert sich der Richter mit dem Recht, das er spricht. Er übernimmt die Mitverantwortung dafür. Ich muß das hier mit dieser Nachdrücklichkeit betonen - auch als einen ,der inneren Gründe für die Erforderlichkeit eines Richtergesetzes -, weil wir infolge eines sinnentleerten Positivismus bis in unsere Tage hinein, mindestens bis zum Jahre 1945, die verfehlte Auffassung hatten, der Richter trage für das Gesetz keine Verantwortung; wenn das Gesetz dies oder jenes bestimme, so wende er es eben an - Befehl ist Befehl! Das geht nicht. In seiner unvertretbaren Einsamkeit, in der ein Richter Wahrheit und Recht zu sprechen hat, identifiziert er sich mit dem Gesetz und übernimmt dafür die Mitverantwortung. Darum hat ihm das Grundgesetz auch die Prüfung anvertraut - nicht die Entscheidung, die Prüfung -, ob das Gesetz mit den Grundsätzen der Verfassung in Einklang steht.
Das führt zu dem, was wir in diesem Gesetz als Lücken beklagen müssen. Das Gesetz hat viele Lücken. Wenn man sich über die neue Auffassung vom Richterum klar wird, wie sie das Bonner Grundgesetz kennzeichnet, dann müßte es das Ergebnis sein, daß wenigstens für die hohen und höchsten Richter, die mit der reinen Rechtsprechung betraut sind, in den Revisions- und Verfassungsgerichten, mit dem Grundsatz der Anonymität gebrochen wird. Wenn wir die Richterpersönlichkeiten bekommen wollen, die wir mit Bewunderung und nicht ohne Neid in den angelsächsischen Ländern sehen, dann müssen wir anfangen, den Richter aus dem Behördendasein und aus der Anonymität zu erlösen, die ihn gegenwärtig bei uns immer noch kennzeichnen.
Der Ausschuß hat sich nicht in der Lage gesehen, diesen entscheidenden Schritt zu tun. Unser Ausschuß hat sich leider auch nicht in der Lage gesehen, die Folgerungen aus der unvertretbaren Einsamkeit des Richters und seiner Mitverantwortung für das Recht, das er spricht, zu ziehen, die sich aus
Art. 4 des Grundgesetzes, aus der Gewissensfreiheit, ergeben.
Das Gesetz ist ohnehin erst ein Anfang; denn es konnte sich noch nicht mit der Frage beschäftigen, wie künftig Richter ausgebildet werden sollen. Bisher sind die Studien darüber, wie wir eine wahrhafte Richterausbildung bekommen, erst in der Vorbereitung. Es liegt zur Diskussion die Denkschrift eines Arbeitskreises vor, so daß eine entscheidende Frage des Richtergesetzes - wie bekomme ich einen glaubwürdigen Richter? - noch nicht gelöst werden konnte. Ja, es ist sogar zu befürchten, daß manches in dem Gesetz einer Lösung für die Zukunft entgegensteht; denn aus einem Gesetz, das personale Gerichtsverfassung bringen sollte, ist weitgehend ein berufsständisches Gesetz geworden, und es hat eine Laufbahn, die gar nicht zum Richterwesen gehört, weitgehend so festgelegt, daß es in Zukunft nicht mehr möglich sein wird, wie ,es nach 1945 gewesen ist, Persönlichkeiten außerhalb des öffentlichen Dienstes für das Richteramt zu gewinnen. Das ist nach meiner Überzeugung sehr zu beklagen.
Weil man von der Mehrheit im Ausschuß dieses Gesetz wesentlich mehr als ein berufsständisches Gesetz denn als ein Gesetz personaler Gerichtsverfassung behandelt hat, ist auch das Problem der Staatsanwaltschaft zu kurz gekommen. Die Bestimmungen über die Staatsanwaltschaft gehören zur Gerichtsverfassung. Wenn man ein Gesetz über die personale Gerichtsverfassung macht, dann dürften nach meiner Überzeugung die Aufgabe und die Einrichtung der Staatsanwaltschaft in diesem Gesetz nicht außer acht bleiben. Die Öffentlichkeit ist mit Recht erfüllt mit den Fragen, ob nun die Staatsanwaltschaft weisungsgebunden ist, ja oder nein und inwieweit. Dieses Problem ist fällig. Diese Frage hätte unbedingt in das Gesetz hineingehört, wie überhaupt die Staatsanwälte hineingehört hätten auf Grund der Kompetenz zur Gerichtsverfassung; denn die Staatsanwälte sind zwar für ihre Person Beamte, aber ihrer Funktion nach sind sie Organe der Rechtspflege.
Es ist manchmal erschütternd, daß man erst wieder Gesichtspunkte und Gedanken in Erinnerung rufen muß, die verschüttet sind, die aber eigentlich einem Demokraten geläufig sein sollten. Wie ist denn die Staatsanwaltschaft im vergangenen Jahrhundert aus den neuen Freiheitsideen entstanden? Sie ist entstanden, weil man um der Freiheit des Bürgers willen die Exekutive davon ausschließen wollte, strafgerichtliche Verfolgungen vorzunehmen. Darum ist die Staatsanwaltschaft aus einer Freiheitsidee einst als Mittlerin zwischen der Exekutive und der Gerichtsbarkeit entstanden. Darum ist es nur dem Staatsanwalt und der Polizei lediglich, soweit sie Hilfsorgan der Staatsanwaltschaft ist und ihre Beamten Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft sind, erlaubt, einen Barger strafrechtlich zu beobachten und gegen ihn strafrechtliche Ermittlungen einzuleiten. Das alles ist so weit verschüttet - ich verrate jetzt kein Geheimnis -, daß die selbstverständliche Vorstellung des Bundesministeriums für Justiz, daß die Staatsanwaltschaft als ein Organ
9374 Deutscher Bundestag -- 3. Wahlperiode Dr. Arndt
der Rechtspflege ihrer Rechtsstellung nach in dieses Gesetz mit einbezogen werden sollte, gescheitert ist an dem Einspruch anderer Ressorts in der Bundesregierung - ich vermute, daß es namentlich das Bundesministerium des Innern gewesen ist -, die die alten Grundgedanken, warum also die Staatsanwaltschaft eine solche freiheitliche Einrichtung ist und warum man durch Einsetzung der Staatsanwaltschaft Polizei und innere Verwaltung beschränkt hat, vergessen haben. Das sind Lücken im Gesetz, die uns zur Klage Anlaß geben.
Nun noch ein weiteres Wort über die richterliche Unabhängigkeit, weil es in diesem Augenblick besonders notwendig ist. Der Richter ist unabhängig, um der Wahrheit, dem Gesetz und dem Recht verpflichtet zu sein und zu ,dienen. Das gehört zu einer Einheit zusammen.
Darum kann von einer Antastung der Unabhängigkeit dort nicht mehr die Rede sein, wo sie fehlte, weil die Bindung allein an Wahrheit, Recht und Gesetz nicht mehr gegeben war, sondern wir eine so unerfreuliche Erscheinung hatten, wie es die sogenannte „gelenkte Justiz" gewesen ist, die totalitäre Mißvorstellungen auf die Gerichtsbarkeit übertrug. Das möchte ich hier mit aller Deutlichkeit sagen. Denn Sie alle wissen, daß dieses Gesetz auch in seinen Vorschriften einen Weg eröffnet, der dazu führen soll, mit einem schweren und bitteren Erbe der Vergangenheit fertig zu werden. Der Himmel bewahre uns davor, daß wir noch in diesem oder im nächsten Bundestag über das bittere Erbe der Vergangenheit im Bereich der Gerichtsbarkeit ausführlicher oder in den Einzelheiten sprechen müßten.
Wir haben uns bemüht, einen Weg zu finden, der gegangen werden kann, ohne unzumutbare Entschlüsse zu fordern. Darum ist jene Übergangsvorschrift so formuliert, daß ein Richter und ein Staatsanwalt ihre Versetzung in den Ruhestand beantragen können, ohne sich damit selber zu diskriminieren. Ich möchte ausdrücklich bemerken: Es können - und vermutlich werden - darunter gerade auch Persönlichkeiten sein, die sich Ereignisse, in die sie durch schicksalhafte Verstrickung hineingekommen sind, zu Herzen nehmen und sich ein Gewissen daraus machen.
Der Weg also, den wir einvernehmlich mit dem Bundesrat hier eröffnen wollen, soll unserer Auffassung nach dazu dienen, mit diesem schweren und bitteren Erbe der Vergangenheit rechtlich fertig zu werden.
Bedenken bestehen hinsichtlich des Bundesgerichtshofes als Disziplinargericht, zumal es dabei die Frage ist, ob nicht eine Mitwirkung des Richterwahlausschusses erforderlich wäre.
Das Gesetz ist ein erster Schritt. Was wir Sozialdemokraten bedauern, ist, daß es nur ein halber Schritt vorwärts ist und in mancher Hinsicht auch ein halber Schritt zurück. Man könnte an unserer Berufung zur Gesetzgebung zweifeln, wenn man sieht, wie schmal das Ergebnis einer so langwierigen und von allen Seiten ernsthaften Arbeit gewesen ist. Da wir aber, wie ich eingangs sagte, den einen Kern
anerkennen, nämlich, daß dieses Gesetz zur Festigung und richterlichen Bewährung der Unabhängigkeit beiträgt, werden wir ihm unsere Zustimmung nicht versagen.
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Meine Damen und Herren! Der Herr Staatssekretär im Bundesministerium der Justiz hat mir die Mitteilung gemacht, daß Herr Bundesjustizminister Schäffer heute deswegen abwesend ist, weil er sich auf Einladung der österreichischen Regierung in Wien befindet zur Eröffnung des Ersten Österreichischen Juristentages.
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Das Wort hat der Abgeordnete Schlee.
Herr Präsident! Mein Damen und Herren! Die Verabschiedung des Richtergesetzes gibt zunächst die seltene Gelegenheit, von dieser Stelle aus einmal ein paar Worte für die Richter zu sprechen.
Wir nennen unsere Bundesrepublik mit Stolz einen Rechtsstaat. Der Bundestag und die Parlamente der Länder nehmen für sich in Anspruch, daß sie mit weisen und guten Gesetzen unseren Staat so einrichten, daß er diesen Namen verdient. Das Grundgesetz hat die Grundrechte des Menschen an seine Spitze gestellt und die rechtsprechende Gewalt in einem Maße ausgebaut, wie es in Deutschland noch niemals der Fall war. Man hat schon wiederholt davon gesprochen, daß wir einen Rechtswegestaat hätten. Die Richter, die die rechtsprechende Gewalt auszuüben haben, haben dafür einzustehen, daß aus diesem Rechtswegestaat im Einzelfall der Rechtsstaat in Erscheinung tritt.
In den letzten Jahren ist manchmal - vielleicht kann man sogar sagen, oft - der Vorwurf laut geworden, daß es den Richtern, vor allem den Richtern in den Tatsacheninstanzen, nicht immer gelinge, dieser Aufgabe der rechtsprechenden Gewalt gerecht zu werden. Ich möchte dazu einige Worte sagen.
In Deutschland isst die Einsicht wenig verbreitet, daß jede Meinung etwas Subjektives ist. Nahezu in jedem Verfahren steht der Richter unter dem Zwang, sich aus weit gespannten Rechtsnormen eine Rechtsmeinung für den einzelnen Fall zu bilden. Wie ich schon gesagt 'habe, ist die Einsicht im deutschen Volke nicht sehr weit verbreitet, daß eine Meinung immer etwas Subjektives ist und daß man die Berechtigung der eigenen Meinung und die Berechtigung der Meinungen anderer nicht mit objektiven Maßstäben messen kann, so wie man z. B. einen Raum messen kann. Wer zum Gericht geht, glaubt, daß nur er recht hat, und hat in aller Regel kein Verständnis dafür, daß auch eine andere Meinung vertreten werden kann oder einer anderen Meinung 'der Erfolg beschieden ist.
Dazu kommen besonders die Schwierigkeiten bei der Ermittlung des Sachverhalts. Sehr oft betrachten die Beteiligten den Prozeß nicht als ein Verfahren,
in dem die Wahrheit ermittelt, ein Sachverhalt festgestellt werden soll, sondern als einen Streit, in dem es darum geht, den Sieg zu erringen oder die Niederlage abzuwehren, und sie sagen oft nur die Hälfte. Die Zeugen unterliegen oft ihrer getrübten Erinnerung. Sie sagen die Unwahrheit, unbewußt, manchmal auch bewußt. Die Meinungen der Sachverständigen gehen auseinander.
Seit Jahrtausenden wird die Justitia als Frau mit verbundenen Augen dargestellt. Das soll Symbol dafür sein, daß der Richter Recht zu sprechen hat ohne Ansehen der Person. Ich glaube, man muß anerkennen, daß sich der deutsche Richterstand dieser Unparteilichkeit immer befleißigt hat. Das Bild der Justitia als Frau mit verbundenen Augen könnte vielleicht noch besser so gedeutet werden, daß der Richter die Gerechtigkeit oft aus einem Sachverhalt suchen muß, bei dem vieles im Dunkeln blieb und vieles im Dunkeln gehalten wurde.
Die Richter sind nach dem Grundgesetz unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen. Diese Unterwerfung unter das Gesetz besagt aber doch wohl auch, ,daß der Richter auf dem Boden seines Staates stehen muß. Auch Sie verlangen vom Richter, daß er Ihre Gesetze anwendet, daß er sie in loyaler Weise anwendet, daß er das Recht spricht, das Sie mit diesen Gesetzen schaffen wollen.
Die Erfahrungen der Vergangenheit - gerade die Erfahrungen im „Dritten Reich" -haben das Problem aufkommen lassen, ob der Richter auch berechtigt ist, dem Gesetz die Gefolgschaft zu verweigern. ) Denn im Grundgesetz heißt es nicht nur, daß der Richter unabhängig und dem Gesetz unterworfen ist. Es heißt auch, daß die Rechtsprechung an Recht und Gesetz gebunden ist. Es heißt weiterhin, daß die Freiheit des Gewissens unverletzlich ist.
Wir haben diese Frage im Ausschuß sehr eingehend erörtert, wie sich ,der Richter zu verhalten hat, wenn er glaubt, daß ein Gesetz höheren Rechtsnormen, höheren Normen nicht entspricht. Es ist selbstverständlich nach unserer Meinung, daß er dann nicht berechtigt ist, sich sein eigenes Recht zu bilden und nach seiner eigenen Meinung Recht zu sprechen und Recht anzuwenden. Wir glauben, daß das Grundgesetz hier vorgezeichnet hat, wie sich der Richter verhalten muß. Er hat die Möglichkeit - Herr Kollege Arndt hat davon gesprochen -, ein Gesetz, dessen Gültigkeit er in Zweifel zieht, dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen, und das Bundesverfassungsgericht hat die Aufgabe, an den Normen und an den Grundrechten des Grundgesetzes zu prüfen, ob das Gesetz rechtmäßig, verfassungsmäßig ist oder nicht. Wenn diese Entscheidung ergeht und wenn die Rechtmäßigkeit und Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes nach den Normen des Grundgesetzes bejaht, bestätigt wird, dann muß sich der Richter bei dieser Entscheidung beruhigen. Er ist aber in der Freiheit seines Gewissens nicht gebunden. Niemand kann ihn zwingen, dennoch ein Gesetz anzuwenden, das er nach seinem Gewissen nicht anwenden zu können glaubt. Aber wir haben es abgelehnt, hier besondere Möglichkeiten des Ausweichens in das Richtergesetz aufzunehmen; wir glauben, daß der Richter dann, wenn
er aus seinem Gewissen heraus die Anwendung eines Gesetzes trotz der Bestätigung durch das Bundesverfassungsgericht ablehnen muß, die Konsequenz ziehen und auf sein Richteramt verzichten muß.
Ich habe von der Unabhängigkeit v o m Gesetz gesprochen, und ich möchte auch einiges von der Unabhängigkeit für das Gesetz sagen; denn in erster Linie besteht die Unabhängigkeit für das Gesetz. Der Richter soll in der Lage sein, das Gesetz so, wie es erlassen ist, so, wie es gemeint ist, anzuwenden, die Rechtsstellung zu gewähren - ohne fremde Einflüsse -, die sich aus dem Gesetze ergibt. Dazu ist ihm im Laufe der Entwicklung der letzten hundert Jahre die Unabhängigkeit von der Staatsgewalt eingeräumt und vom Grundgesetz garantiert worden.
Die Regierung und der Rechtsausschuß haben in dem Entwurf, der Ihnen nun zur Verabschiedung vorliegt, alle möglichen Garantien dieser richterlichen Unabhängigkeit beschlossen. Ich glaube, daß es eine weitere Ausdehnung der Sicherungen wohl kaum geben wird. Wir sind dabei geblieben, daß die Berufung auf Lebenszeit wie bisher, so auch in Zukunft die beste Grundlage für die Unabhängigkeit und für die unabhängige Entscheidung des Richters sein wird.
Der Richter steht in einem Dienstverhältnis, und die Einwirkung eines Dienstverhältnisses wird niemals ganz zu beseitigen sein. Ich bin der Meinung, eine Unabhängigkeit, die überhaupt nicht verteidigt werden müßte, wäre nicht gut, würde vielleicht in Willkür umschlagen. Es ist die Pflicht der Richter, sich in der dienstrechtlichen Abhängigkeit, in den dienstrechtlichen Bindungen als eine unabhängige Richterpersönlichkeit in der Ausübung ihres Amtes zu zeigen und zu bewähren, und nur derjenige, der die Kraft hat, diese Unabhängigkeit auch in den dienstrechtlichen Bindungen zu beweisen und zu erhalten, wird auch eine starke Richterpersönlichkeit sein.
Wir haben mit dem Gesetz einen Auftrag des Grundgesetzes erfüllt. Das Grundgesetz verlangt in Art. 98, daß die Rechtsstellung der Richter im Bund und der Richter in den Ländern durch besondere Gesetze zu regeln sind. Wir wissen sehr wohl, daß nicht alle Wünsche erfüllt worden sind. Es ist uns und es ist wohl auch der Regierung darauf angekommen, zunächst die bewährten Grundsätze, die bewährten Regeln für die Rechtsstellung der Richter, wie sie sich in der ordentlichen Gerichtsbarkeit ausgebildet haben, als ein einheitliches Recht für alle deutschen Richter, für die Richter aller deutschen Gerichtszweige zu schaffen. Wir dürfen aber nicht ganz die Neuerungen übersehen, die hier eingeführt worden sind und die Herr Kollege Dr. Arndt zum Teil erwähnt hat.
Da ist zunächst einmal das Dienstgericht, das nicht nur die Zuständigkeit in den Disziplinarsachen der Richter haben soll, sondern das auch in allen Angelegenheiten zuständig sein soll, die die Unabhängigkeit, die Versetzung des Richters, die Entlassung aus seinem Amte und die Versetzung in den Ruhestand betreffen. Es ist ein Gericht, das im Grund9376
Besetz in Art. 97 Abs. 2 vorgeschrieben ist. Es ist ein Gericht, das angerufen werden kann, wenn der Richter glaubt, daß eine Maßnahme der Dienstaufsicht seine Unabhängigkeit beeinträchtige. Das ist etwas Neues, daß der Richter die Möglichkeit hat, sich dagegen zu wehren, daß eine Maßnahme der Dienstaufsicht in seine Amtsführung eingreifen will, und daß letzten Endes richterliche Gremien darüber zu entscheiden haben, wie weit die Dienstaufsicht gehen darf und wo sie ihre Grenzen findet.
Wir dürfen als weitere neue Einrichtung auch nicht die Präsidialräte vergessen. Nach dem Vorbild anderer Länder z. B. der Französischen Republik - sollen auch in der deutschen Gerichtsbarkeit Präsidialräte eingerichtet werden, die aus Richtern bestehen, teils aus ernannten, teils aus gewählten. Mit diesen Präsidialräten soll in Zukunft auch der deutsche Richterstand bei der Ernennung der deutschen Richter zum Worte kommen.
Es ist richtig, daß der Entwurf mit Neuerungen sehr vorsichtig gewesen ist und daß er alle Probleme vermeidet, die das Gesetz hätten zu Fall bringen können, daß er alle Probleme vermeidet, die für eine endgültige Lösung noch nicht herangereift sind. Es muß der zukünftigen Gesetzgebung vorbehalten bleiben, eine deutsche Gerichtsverfassung und dazu ein vollständiges Richterrecht aus einem Guß zu schaffen. Denn darüber waren wir uns auch einig: Es handelt sich beim Richtergesetz nicht um eine Berufsordnung für einen Stand, der irgendwelche Privilegien haben will, sondern es handelt sich darum, daß die Einrichtung der rechtsprechenden Gewalt ergänzt wird durch Bestimmungen, die es denen, denen die rechtsprechende Gewalt anvertraut ist, ermöglichen, sie auch so, wie das Grundgesetz es verlangt, auszuüben.
Ich will zu einer anderen Seite der Angelegenheit noch ein Wort sagen. Ich hatte vor wenigen Tagen Gelegenheit, mit dem Personalreferenten eines Ministeriums, das kein Justizministerium war, zu sprechen. Dieser erklärte mir, daß alle anderen Verwaltungen für die jungen Juristen jetzt viel attraktiver seien. Es sind Erscheinungen vorhanden, die befürchten lassen, daß der Dienst in der Gerichtsbarkeit, in der ordentlichen Gerichtsbarkeit sowohl wie in anderen Gerichtsbarkeiten, nicht mehr so attraktiv ist, wie er in früheren Jahrzehnten war, daß die besten Kräfte sich nicht mehr darum bewerben, ein Richteramt zu erhalten. Ich glaube, das kommt zum Teil daher, daß die Belastung der Richter sehr groß geworden ist. Es muß mit allen Mitteln vermieden werden, daß die richterliche Tätigkeit nur noch eine Erfüllung von statistischen Planzielen wird, daß es nur noch darauf ankommt, daß der Richter am Ende des Geschäftsjahres sein Pensum erledigt hat. Es muß darauf ankommen, daß der Richter ein gutes Recht spricht, daß er eine gute Arbeit leistet, und eine gute Arbeit verlangt, gerade im Richteramt, Ruhe, verlangt Überlegung, verlangt Ausgeglichenheit und läßt sich nicht mit Statistiken messen. Gerade dieser Seite sollten die Landesjustizverwaltungen ihre Aufmerksamkeit widmen; denn es ist der Güte der deutschen Rechtsprechung
abträglich, daß beste junge Kräfte sich von ihr abwenden und einen anderen Beruf suchen.
Ein Wort zum Schluß. Es wäre nicht richtig, in dieser Stunde der Verabschiedung des Richtergesetzes die Erinnerung an die böse, aber kurze Zeit der Justiz im „Dritten Reich" in den Vordergrund zu stellen. In dieser Stunde muß die Untadeligkeit, muß das hohe Ansehen in den Vordergrund gestellt werden, das die deutschen Richter in Jahrhunderten bewahrt und auch im „Dritten Reich" nicht gänzlich verloren haben. Eines hat uns diese Vergangenheit gelehrt: Ein Staat kann als Rechtsstaat nur bestehen, wenn sich alle drei Gewalten dem Recht unterworfen und dem Recht verpflichtet fühlen. Aber die letzte Verantwortung bleibt bei der rechtsprechenden Gewalt und damit bei den Richtern.
Darum sollte die Verabschiedung des Richtergesetzes ein Aufruf an die deutschen Richter sein, sich in der Zukunft dieser Verantwortung und der besonderen Anforderung an ihren Charakter, die diese Verantwortung verlangt, bewußt zu bleiben.
Ich bitte Sie, diesem Gesetz Ihre Zustimmung zu erteilen. Denn wir sind der Überzeugung, daß Regierung und Ausschüsse ein gutes Gesetz vorgelegt haben.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bucher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch die Fraktion der Freien Demokraten vermißt in diesem Gesetz manches und beklagt manche Mängel, die Herr Dr. Arndt schon aufgezählt hat, insbesondere, daß für viele Richter die Anonymität erhalten bleibt.
Es ist aber auch angebracht, auf das hinzuweisen, was uns an diesem Gesetz, besonders in der Form, die es in den Ausschußberatungen gefunden hat, erfreut. Erfreulich ist immerhin, daß die Staatsanwälte im Gesetz erwähnt sind. Es ist einmal ein Anfang damit gemacht worden, die Staatsanwälte in den Komplex des Richtergesetzes hineinzubringen.
Ferner ist erfreulich, daß allgemeine Voraussetzungen für das Richteramt geschaffen worden sind und nicht, wie ursprünglich in § 18 der Regierungsvorlage vorgesehen, besondere Bestimmungen für Spezialgerichte.
Zu begrüßen ist im großen und ganzen auch, daß in § 38 die Klausel der Unvereinbarkeit des Richteramts mit parteipolitischer Betätigung gefallen ist, wenn ich auch persönlich immer gewisse Bedenken dagegen habe, daß ein Richter etwa in der Kommunalpolitik tätig ist; nicht weil irgendwelche Beschwerden darüber laut geworden wären, aber weil eben schon der Verdacht, der entstehen kann, manchmal dem Amt nicht guttut. Im großen und ganzen aber sollten wir mit dieser Bestimmung zufrieden sein. Sie zeigt, daß der Gesetzgeber der Richterschaft das Vertrauen entgegenbringt, daß sie selber den notwendigen Takt entwickeln wird, um richterliche und politische Tätigkeit einerseits zu vereinbaren, andererseits sauber auseinanderzuhalten.
Erfreulich ist besonders auch die gute Lösung, die der Komplex einiger belasteter Richter in § 111 a gefunden hat.
So kann dieses Gesetz jedenfalls eine gute Grundlage für die Weiterentwicklung des Richterrechts, für unsere Rechtsprechung überhaupt und für den Richterstand innerhalb des deutschen Rechts- und Verfassungslebens sein. Denn die Stellung des Richters ist in einem demokratischen Staat schwierig, schwierig besonders dann, wenn dieser Staat keine lange demokratische Tradition und keine aus dieser Tradition fließende Autorität besitzt, wie sie etwa England in Gestalt der Krone und überhaupt in Gestalt eben der demokratischen Tradition hat.
So ist jede der einzelnen Gewalten in dem Staat darauf angewiesen, von selbst das Gleichgewicht mit den anderen herzustellen und dafür zu sorgen, daß keine das Übergewicht erhält. Das muß bei uns erst in einem langen, mühseligen Prozeß bewirkt werden. Wir alle bekommen doch immer wieder Briefe - gar nicht nur von Querulanten -, deren Verfasser etwa schreiben, sie seien von einem Richter oder drei Richtern einer Kammer rechtskräftig zu einer Strafe verurteilt oder sie hätten vor diesen Richtern rechtskräftig einen Prozeß verloren und sie fühlten sich ungerecht behandelt. Sie verstehen es nicht, wenn man ihnen sagt, das Institut der Rechtskraft gehe eben vor, sie müßten, selbst wenn sie ungerecht behandelt zu sein glaubten, diesem übergeordneten Institut ein Opfer bringen. Der Bürger glaubt vielmehr, er müsse gegen diesen einen oder diese drei Richter, die ihn verurteilt haben, an die Fünfhundert hier im Bundestag appellieren können.
Die Bundesregierung macht es sich in diesem Falle leichter. Sie beschließt einfach einstimmig, ein Urteil sei falsch. Das natürlich trägt nun nicht gerade dazu bei, die Vorstellungen des kleinen Mannes über die Bedeutung der Gerichte und ,den Sinn der Rechtskraft zu fördern und zu entwickeln.
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Freilich ist ohne weiteres denkbar, daß auch das Bundesverfassungsgericht wie überhaupt jedes oberste Bundesgericht ein falsches Urteil fällt. Aber hier muß dann eben ,dieses Opfer gebracht werden, daß man seine Überzeugung im Einzelfall dem übergeordneten Gesichtspunkt unterordnet, selbst wenn man ,ehrlich überzeugt ist, ein Urteil sei falsch.
Ebensowenig also wie der Bundestag kann die Bundesregierung eine Superinstanz über der Rechtsprechung sein. Das ist ,die eine Seite der Schwierigkeiten, ,die die Stellung des Richters beinhaltet. Seine Stellung wird in Frage gestellt, sie wird hier als zu stark erachtet.
Die andere Seite liegt aber darin, daß mancher Richter selber seine Stellung überschätzt; das sollte hier bei dieser Gelegenheit auch ganz offen ausgesprochen werden. Die Gefahr liegt in einer doppelten Richtung. Einmal handelt es sich um die Tendenz zu einer immer weitergehenden Anwendung von Generalklauseln, die Aufweichung klarer Tatbestände. Man braucht sich ja nur einmal einen
Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch anzusehen und zu vergleichen, wieviele Seiten die Erläuterungen etwa zu § 242 gegenüber der ersten Auflage des Kommentars im Jahre 1900 umfassen. Das ist eine Entwicklung, die geeignet ist, zum Justizstaat hinzuführen, d. h. der Rechtsprechung ein weitgehendes Übergewicht zu geben, weil niemand im voraus auch nur einigermaßen berechnen kann, zu welchem Ergebnis 'die Anwendung einer Generalklausel statt eines klaren Tatbestandes führt. Allerdings kann man niemandem eine persönliche Schuld für diese Entwicklung geben.
Wesentlich ernster dagegen und durchaus persönlich zu betrachten ist leine andere Entwicklung. Ich darf 'dazu aus der Wochenschrift „Die Zeit" vom 2. Juni zitieren. Sie enthält auf Seite 3 einen Artikel, der sich mit der Ehescheidungsreform auseinandersetzt - mit der ich mich hier nicht befassen will - und eine Äußerung von allgemeiner Bedeutung anführt. Es heißt hier, eines der Mitglieder des 4. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs - das mit Namen genannt wird, 'den ich mir aber hier ersparen kann - habe folgendes dargelegt: Das Gericht gehe von einem für das sittliche Leben der menschlichen Gemeinschaften letztlich maßgebenden allgemeinen Ordnungs-, Form- und Funktionssprinzip aus, das sich zwar noch nicht durchgesetzt habe, aber der staatlichen Macht vor- und übergeordnet sei, mag die staatliche Macht auch seine Forderungen nur erst in beschränktem Umfang als Rechtsnormen aufnehmen und durchsetzen helfen können.
Man muß eine solche Äußerung aus 'dem Munde eines Bundesrichters geradezu zweimal lesen. Er sagt also, es gibt für das Gericht allgemeine Ordnungs- und Funktionsprinzipien, die sich nicht durchgesetzt haben, die also nicht Gesetz sind, die aber der staatlichen Macht vorgehen. Das ist doch eine klare Absage an 'die Bindung an das Gesetz.
Es lohnt sich wirklich, hier nochmals den von meinen beiden Vorrednern erwähnten § 20 des Richtergesetzes zu zitieren. Er lautet:
Der Richter ist unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen.
Der Nachdruck in diesem Paragraphen liegt sowohl auf dem „nur" - „nur dem Gesetz unterworfen" - als aber auch auf dem „unterworfen". Der Richter steht unter dem Gesetz und nicht unter einem allgemeinen Ordnungs- oder Funktionsprinzip oder wie man das immer heißen mag.
Es wäre eine höchst bedenkliche Entwicklung, wenn sich diese Tendenz verstärken sollte. Es handelt sich dabei, wohlverstanden, ja nicht darum, daß jemand hier die Stellung eines königlichen Richters für sich in Anspruch nimmt entsprechend der englischen Stellung 'des Richters; denn dieser ist doch auch an Recht und Gesetz gebunden, wenn auch Recht und Gesetz dort in anderer Form auftreten als bei uns. Hier handelt es sich aber darum, daß für den Richter Ungebundenheit vom Gesetz in Anspruch genommen wird, daß für den Richter ein Naturrecht als verbindlich erklärt wird. Er bezieht also seine Erkenntnisse nicht aus dem Gesetz, sondern ja, woher? - woher bezieht er sie?
Ich glaube, niemand, kein Richter wird so vermessen sein, zu behaupten, er beziehe seine Gesetze direkt aus göttlicher Eingebung, er könne sich nur auf irgendeine Stelle außerhalb des Gesetzes beziehen. Das widerspricht jedenfalls der Forderung, daß er diesem Gesetz unterworfen ist. Wenn diese Entwicklung - sie hat leider schon eingesetzt - weitergeht, kommt ja das Parlament in die Situation, daß es der Rechtsprechung nachlaufen muß, daß es seine Gesetze zur Rechtsprechung anpassen muß, so wie wir es bereits zu tun im Begriff sind beim nächsten Tagesordnungspunkt - der für heute abgesetzt ist -, bei dem § 48 des Ehegesetzes.
Ich glaube, es ist angebracht, auch auf diese Entwicklung einmal hinzuweisen; denn bei allem Respekt vor dem Richterstand und allem Vertrauen, das wir zu ihm haben, möchten wir ihn selbst davor bewahren, Opfer einer solchen Entwicklung zu werden.
Der Rechtsstaat beruht auf der Rechtssicherheit, und die Rechtssicherheit allein gewährleistet die Gerechtigkeit. Daran mitzuwirken unter dem Gesetz ist der Richter berufen, unabhängig von Legislative und Exekutive, unabhängig aber auch von Stellen außerhalb des politischen Raums, dem Gesetz unterworfen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Arndt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem Herrn Kollen Bucher ist zuzustimmen darin, daß er den Richtern in das Gedächtnis ruft, daß sie staatliche Richter sind und daß die ihnen anvertraute rechtsprechende Gewalt eine Form und Art der Staatsgewalt ist. Ein Richter kann und darf sich deshalb, da er dem Gesetz unterworfen ist, nicht über das Grundgesetz stellen.
Aber, Herr Kollege Bucher, im übrigen kann ich mit Ihren Ausführungen doch nicht übereinstimmen, und das wollte ich hier wenigstens zu Protokoll erklärt haben.
Dem Bonner Grundgesetz liegt eine Auffassung des Rechtsstaats zugrunde, die sich deutlich abkehrt von Auffassungen des 19. Jahrhunderts. Im 19 Jahrhundert war der Rechtsstaatsbegriff formalisiert und im wesentlichen, wie Sie es heute noch ausgeführt haben, mit dem Gedanken der Rechtssicherheit verknüpft.
Das Grundgesetz sieht im Wert der Gerechtigkeit wesentlich mehr als in einer Berechenbarkeit und einer formalen Sicherheit. Es hat den kühnen und großartigen Versuch unternommen, materiale Gerechtigkeit wenigstens in Umrissen in seinen Grundrechten niederzulegen und diese Grundrechte erstmals in der deutschen Rechtsgeschichte zum unmittelbar geltenden Gesetz zu machen. Das ergibt zwar einen minderen Grad von Berechenbarkeit, als das früher der Fall war, als Gesetze nicht auf ihre Übereinstimmung mit einem Gehalt an materialer Gerechtigkeit geprüft werden konnten und durften. Aber ich bin überzeugt davon, daß - nach den Erfahrungen unserer bitteren Geschichte - die Verfassungsentscheidung recht daran getan hat, in einem Rechtsstaat das Wagnis Ldes Gerechtigkeitsstaates zu sehen, auch wenn es manchmal gewisse Unsicherheiten der Entscheidung offenläßt. Man sollte diese große geschichtliche Entscheidung des Bonner Grundgesetzes nicht dadurch in Verruf bringen, daß man sagt, man habe Sorge, hier gehe es um eine Entwicklung zum „Justizstaat".
Der Herr Kollege Schlee hat richtig darauf aufmerksam gemacht, daß die Frage der Anziehungskraft des Richteramtes wesentlich ist. Deshalb möchte ich in Anknüpfung an das, was Herr Kollege Bucher dazu gesagt hat, auch meinerseits betonen: Die Anziehungskraft des Richteramtes hängt auch davon ab, wie man mit den Richtern umgeht. Das Bundesverfassungsgericht hat vor einer ganzen Reihe von Jahren den anderen Verfassungsorganen des Bundes eine Denkschrift über seinen Status überreicht. Der Herr Bundeskanzler hat - auch das ist bereits mehrere Jahre her - dem Herrn Präsidenten des Bundesverfassungsgerichtes mitgeteilt, diese Denkschrift sei Gegenstand interfraktioneller Verhandlungen. Wir warten auf diese Verhandlungen noch heute,
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obgleich der Mehrheitsfraktion mitgeteilt ist, wer auf seiten der anderen Fraktionen für diese Verhandlungen zur Verfügung steht. So kann man nicht mit dem höchsten Gericht und den höchsten Richtern umgehen! Auch sonst sind da Fragen offen, etwa die Frage der Zurücksetzung unserer höchsten Richter bei den oberen Bundesgerichten gegenüber den Ministerialbeamten in der Frage der höchstrichterlichen Zulage.
Nun ein letztes, weshalb ich mich eigentlich zu Wort gemeldet habe. Ich kann nicht unwidersprochen lassen, was Herr Kollege Schlee zur Frage der richterlichen Gewissensnot hier ausgeführt hat. Es trifft nicht zu, daß der Ausschuß insoweit eine Entscheidung gefällt habe. Wir haben diese Frage, wie es auch in Ihrem Bericht heißt, offengelassen, weil sich eine Einigung nicht abzeichnete. Wir haben uns bemüht, dieses wesentliche Justizgesetz hier zu einer einheitlichen Verabschiedung zu bringen; darum haben wir die Frage nicht zu Ende diskutiert. Herr Kollege Schlee, Sie haben gesagt: Wir glauben, daß ein Richter im Falle seiner Gewissensnot auf sein Richteramt verzichten muß. Das ist Ihre sehr achtenswerte persönliche Überzeugung, vielleicht auch die manches ihrer Freunde. Jedenfalls möchte ich aber nicht, daß auf Grund des Protokolls der Eindruck entsteht, das sei eine gemeinsame und unstreitige Auffassung im Rechtsausschuß gewesen. Denn die Frage der Gewissensnot wegen eines bestimmten Einzelgesetzes ist keineswegs gleichbedeutend mit der Frage nach einer Übereinstimmung des Gestzes mit der Verfassung. Ich für meine Person bin jedenfalls der Überzeugung, daß sich aus Art. 4 des Grundgesetzes etwas anderes ergibt. Selbstverständlich sind wir darin einig, daß ein Richter nicht seine persönliche Auffassung oder sein wirkliches oder vermeintliches Gewissen über Gesetz und
Recht stellen kann. Denn ich sagte ja: er ist staatlicher Richter, er übt Staatsgewalt aus. Er ist an das Grundgesetz gebunden. Das ist die oberste Grenze der Prüfbarkeit. Aber ich bin der Meinung, daß ihn dann diese unüberwindliche Gewissensnot von der Mitwirkung in einem bestimmten Prozeß befreit. Er wird dann für diesen Prozeß und für diese spezielle Norm ein „iudex inhabilis", ein ungeeigneter Richter. Denn - um das nochmals zu betonen - daß der Richter an Gesetz und Recht gebunden ist, macht ihn nicht zum Gesetzesanwendungsautomaten und ermöglicht ihm nicht, seine Hände in Unschuld zu waschen und die Alleinverantwortung dem Gesetzgeber zuzuschieben.
Das, was hier im Richtergesetz und im Bonner Grundgesetz einen neuen Anfang bildet, ist die unbedingte Verantwortlichkeit des Richters für das Recht, das er spricht. Diese Verantwortung kann er nicht von sich weisen. Das ist es, was uns von der Vergangenheit vor 1945 in einer unübertrefflichen, in einer radikalen Art und Weise unterscheidet. Daraus erklärt sich die Stellung des Richters im Staatsganzen und im Volk.
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Wird weiterhin das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die allgemeine Aussprache.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Eine Gegenstimme. Enthaltungen? - Keine Enthaltungen. Gegen eine Stimme ohne Enthaltungen angenommen!
Ich komme nun zu Punkt 2 des Ausschußantrages, also zu dem Entschließungsantrag. Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort hat der Abgeordnete Hoogen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir namens des Rechtsausschusses einige wenige Worte zur Begründung des Entschließungsantrages, den Sie auf Seite 27 der Ihnen vorliegenden Drucksache 2785 unter Ziffer 2 finden. In den Stellungnahmen zum Gesetzentwurf wurde von jedem der Herren Redner ein Problem angesprochen, das in dem in § 111 a des soeben von Ihnen angenommenen Gesetzes vorgesehenen Sinne geregelt wurde. Danach kann ein Richter oder Staatsanwalt, der während des zweiten Weltkrieges als Richter oder Staatsanwalt in der Strafrechtspflege mitgewirkt hat, auf seinen eigenen Antrag in den Ruhestand versetzt werden. Dieser Antrag kann bis zum 30. Juni des nächsten Jahres gestellt werden.
Ich glaube, der Rechtsausschuß schuldet Ihnen, zumal diese Vorschrift im Regierungsentwurf nicht enthalten war, eine Aufklärung darüber, was es mit dieser Bestimmung, die in einem untrennbaren Zusammenhang mit dem Ihnen vorliegenden Entschließungsantrag steht, auf sich hat.
Der Rechtsausschuß hat sich in einer Reihe von vertraulich geführten Beratungen mit einem Problem befaßt, das nicht etwa in böser Absicht von außen an uns herangetragen wurde, sondern das in einer Verhandlung vor einem deutschen Gericht, nämlich in dem Verfahren gegen Schörner, sichtbar wurde. Ich glaube annehmen zu dürfen, daß Sie wissen, was ich meine. Das war für Mitglieder des Rechtsausschusses Veranlassung, das Problem der Richter und Staatsanwälte zunächst in vertraulichen Sitzungen aufzugreifen; denn es bewegte die deutsche Öffentlichkeit und über die deutschen Grenzen hinaus die Offentlichkeit in höchstem Maße.
Das Probelm war nicht sehr einfach. Wir haben es in vertraulichen Sitzungen behandelt, weil wir ja prüfen mußten, was es mit diesen Vorwürfen auf sich hatte, und wir uns nicht dem Verdacht aussetzen wollten, wir hätten ein Interesse daran, diese Fragen vorzeitig vor der Öffentlichkeit auszubreiten. Der Herr Bundesminister der Justiz hat dankenswerterweise stets mit Berichten zur Verfügung gestanden, und ich glaube sagen zu dürfen, daß uns die vertrauliche Behandlung dieser Frage zwei Jahre hindurch gelungen ist. Das ist nicht ganz selbstverständlich, zumal es sich um eine Frage handelte, die das Interesse der Öffentlichkeit in Deutschland und, ich sagte es schon, über die deutschen Grenzen hinaus in einem großen Maße findet.
Etwa vor einem halben Jahr trat der Rechtsausschuß des Bundesrates an den Rechtsausschuß des Bundestages mit der Anregung heran, durch eine Grundgesetzänderung die Lösung dieses Problems zu suchen. Die Herren Justizminister der Länder sind ja die Dienstherren der weitaus größten Zahl der Richter. Bei Bundesrichtern ist das Problem, das glaube ich sagen zu dürfen, überhaupt nicht bzw. nur in einem einzigen Falle aufgetaucht. In der Mehrzahl handelt es sich um Richter auf Landesebene. Es kam zu gemeinsamen Beratungen mit uns im Rechtsausschuß des Bundestages. Ich glaube auch bei der Gelegenheit sagen zu dürfen, daß diese Art und Weise der Beratung eines so wichtigen, eines politisch so bedeutsamen Problems, die gemeinsame Beratung der Ausschüsse beider Häuser des Parlaments, des Rechtsausschusses des Bundestages und des Rechtsausschusses des Bundesrats, also in dem Falle mit den Herren Justizministern der deutschen Länder, gut gewesen ist. Ich glaube, sie hat uns die streitige Behandlung dieses Problems, möglicherweise sogar über den Vermittlungausschuß, erspart. Ich hebe das mit Absicht hervor, weil es das Bedürfnis beider Ausschüsse - des Bundestages und des Bundesrates - ist, diese gute Übung, die wir hier begonnen haben, auch in Zukunft zum Segen unserer Gesetzgebung fortzusetzen.
Der Rechtsausschuß des Bundestages hat dann nach vielen Beratungen in den Fraktionen in mehreren Sitzungen doch die Erkenntnis gewonnen, daß ihm der Grundsatz der Unabhängigkeit und Unabsetzbarkeit des Richters so hoch stehen sollte, daß er Ausnahmen davon nicht ohne Not bewilligen sollte. Deswegen haben wir im Rechtsausschuß des Bundestages und in Übereinstimmung damit auch im Rechtsausschuß des Bundesrates einstweilen davon abgesehen, die Verfassungsergän9380
zung weiterzuberaten. Vielmehr soll versucht werden, das Problem des Ausscheidens der durch untragbare Urteile belasteten Richter so zu lösen, wie es § 111a vorsieht.
Aber nun zu der Entschließung! Die Entschließung ist den Ausschüssen beider Häuser - ich darf das sagen, obwohl ich nur für den Rechtsausschuß des Bundestages spreche - ein sehr ernstes Anliegen. Sie finden auf Seite 27 die Erwartung ausgesprochen,
daß jeder Richter und Staatsanwalt, der wegen seiner Mitwirkung an Todesurteilen mit begründeten Vorwürfen aus der Vergangenheit rechnen muß, sich seiner Pflicht bewußt wird, jetzt aus dem Dienst auszuscheiden.
In ,der Entschließung heißt es, daß mit dem Gesetz ein neuer Anfang gemacht wird. Herr Kollege Dr. Arndt hat soeben ausgeführt, was damit gemeint ist. Das präzise ist ,die Auffassung des Rechtsausschusses. Die rechtsstaatliche Justiz kann sich um der Glaubwürdigkeit der Justiz unter der neuen Ordnung des freiheitlich-demokratischen Rechtsstaates willen unter keinen Umständen mit Verfehlungen der nationalsozialistischen Zeit in Verbindung bringen lassen. Der Rechtsausschuß bittet infolgedessen das Hohe Haus, zum Ausdruck zu bringen, daß es, wenn notwendig, entschlossen ist, eine grundgesetzliche Entscheidung zu treffen dahingehend, daß jeder Richter und Staatsanwalt, der ein unverantwortliches und unmenschliches Todesurteil mitverschuldete, sein Amt verliert. Das ist der Kernsatz der Entschließung, die wir Ihnen vorlegen und um deren Annahme ich Sie namens des Rechtsausschusses bitte.
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Wird weiter das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem soeben begründeten Entschließungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen ohne Gegenstimmen angenommen.
Punkt 13 der Tagesordnung ist abgesetzt.
Ich darf nun folgendes bekanntgeben. Der Bundestag hat in seiner 160. Sitzung am 30. Mai 1961 den Entwurf eines Gesetzes über die Beschaffenheit von Wasch- und Reinigungsmitteln sowie dafür bestimmte Detergentien verabschiedet. Der Vorsitzende des Ausschusses für Atomkernenergie und Wasserwirtschaft hat mitgeteilt, daß es in § 10 Satz 1 dieses Gesetzes richtig heißen muß:
Dieses Gesetz gilt nach § 13 Abs. 1 des Dritten Überleitungsgesetzes vom 4. Januar 1952 ({0}) auch im Land Berlin.
Der Beschluß lautete irrtümlich:
Dieses Gesetz gilt nach § 12 des Dritten Überleitungsgesetzes vom 4. Januar 1952 ({1}) auch im Land Berlin.
Die Bezugnahme auf § 12 statt auf § 13 des Dritten Überleitungsgesetzes ist eine offensichtliche Unrichtigkeit. Ich bitte das Haus, der vorgeschlagenen Berichtigung zuzustimmen. - Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Wir kommen zu Punkt 14 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 15. April 1958 über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen auf dem Gebiet der Unterhaltspflicht gegenüber Kindern ({2}) ;
Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses ({3}) ({4}).
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Ich danke Herrn Abgeordneten Dr. Wahl für den vorgelegten Schriftlichen Bericht. Der Herr Berichterstatter wünscht seinen Bericht zu ergänzen. Ich erteile ihm das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Schriftlichen Berichte zu diesem Punkt und den zwei folgenden Punkten der Tagesordnung habe ich diktiert, kurz bevor ich eine Reise zum Rechtsausschuß des Europarates in Wien antreten mußte. Während meiner Abwesenheit sind die Berichte gedruckt worden. Dabei sind einige sinnstörende Fehler hineingekommen. Ich bitte das Hohe Haus, mir zu gestatten, daß ich hinterher noch eine kleine Berichtigungsdrucksache verteilen lasse. Die Anträge bleiben. Die Berichtigungen beziehen sich nur auf die Erläuterungen.
Es handelt sich also nur um Berichtigungen ,der Erläuterungen des Berichterstatters in seinen schriftlichen Berichten. Wenn Sie damit einverstanden sind, werden diese, sobald sie mir überreicht worden sind, zu Protokoll genommen*) - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen. - Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich rufe in zweiter Lesung die Artikel 1, - 2, - 3, - die Einleitung und die Überschrift auf. - Das Wort wird nichtgewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ,das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war ,die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Auch keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.
*) Berichtigungen siehe Anlage 4.
Vizepräsident Dr. Jaeger
Ich rufe Punkt 15 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ausführung des Haager Übereinkommens vom 15. April 1958 über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen auf dem Gebiet der Unterhaltspflicht gegenüber Kindern ({0});
Schriftlicher Bericht ides Rechtsausschusses ({1}) ({2})
({3}).
Ich 'danke dem Herrn Berichterstatter - wieder der Herr Abgeordnete Dr. Wahl - für seinen schriftlichen Bericht *).
Ich rufe in der zweiten Beratung auf §§ 1 bis 14, Einleitung und Überschrift. - Das Wort wird nicht gewünscht.
Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Angenommen.
Ich rufe auf zur dritten Beratung.
Wird das Wort zur allgemeinen Aussprache gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Ich komme zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine 'Gegenstimmen. Enthaltungen? - Auch keine Enthaltungen. Einstimmig verabschiedet.
Ich rufe auf Punkt 16 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu idem Übereinkommen vom 24. Oktober 1956 über das auf Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern anzuwendende Recht ({4});
Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses ({5}) ({6})
({7}).
Ich danke dem Berichterstatter - wieder der Herr Abgeordnete Dr. Wahl - für seinen schriftlichen Bericht *).
Ich rufe in zweiter Beratung auf Art. 1 bis 3, Einleitung und Überschrift. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Das Wort in allgemeiner Aussprache ist nicht begehrt.
Wer in der Schlußabstimmung dem Gesetz zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. -
*) Berichtigungen siehe Anlage 4.
Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf Punkt 17 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs einer Bundesärzteordnung ({8});
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Gesundheitswesen ({9}) ({10}).
({11})
Ich danke dem Herrn Abgeordneten Dr. Stammberger für seinen schriftlichen Bericht.
Wir kommen zur zweiten Beratung, zur Einzelberatung. Ich rufe auf §§ 1, 2, 3. - Das Wort wird nicht gewünscht.
Wer den aufgerufenen Paragraphen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Angenommen.
Ich rufe auf § 4 und den Änderungsantrag Umdruck 934. - Das Wort zur Begründung des Antrags hat der Abgeordnete Dr. Stammberger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei den Beratungen über § 4 des Gesetzes hat der Gesundheitsausschuß auch 'die Frage geprüft, ob entsprechend den Regelungen in anderen Gesetzen vor Erlaß der Rechtsverordnung auch berufsständische Organisationen und andere Stellen gehört werden sollen. Wir haben im Ausschuß von einem entsprechenden Beschluß Abstand genommen, einmal, weil es eigentlich selbstverständlich ist, und zum zweiten, weil wir der Regierung freie Hand lassen wollten und auch niemand unbeabsichtigt von der Anhörung ausgeschlossen werden sollte.
Wir haben aber in der Fraktion der FDP die Frage noch einmal überprüft und haben festgestellt, daß es eigentlich nur zwei Organisationen sind, die gehört werden sollten, diese allerdings unbedingt, weshalb wir die Aufnahme ins Gesetz für zweckmäßig halten. Es handelt sich entsprechend unserem Antrag um den Deutschen Fakultätentag, also praktisch um die medizinischen Lehrkräfte, und um die Arbeitsgemeinschaft der Ärztekammern. Im letzteren Falle haben wir uns in der Terminologie bereits dem interfraktionellen Antrag auf Umdruck 935 zu § 11 angepaßt.
Wir bitten um Ihre Zustimmung.
Wird hierzu das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Dann kommen wir zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der Freien Demokratischen Partei auf Umdruck 934, der soeben begründet wurde. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erstere war die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Vizepräsident Dr. Jaeger
Wir kommen zur Abstimmung über § 4 in der Ausschußfassung zuzüglich der soeben beschlossenen Änderung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Es ist so beschlossen.
Ich rufe auf die §§ 5, - 6, - 7, - 8, - 9 - und 10. - Das Wort wird nicht gewünscht.
Wer den aufgerufenen Paragraphen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Es ist so beschlossen.
Ich rufe auf § 11 und dazu den Änderungsantrag Umdruck 935. Soll er begründet werden? - Das ist nicht der Fall. Wird das Wort begehrt? - Das ist nicht der Fall. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP Umdruck 935 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Antrag ist angenommen.
Wir kommen zur Abstimmung über § 11 in der Ausschußfassung mit der soeben beschlossenen Änderung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - § 11 ist angenommen.
Dann rufe ich auf die §§ 12, - 13, - 14, - 15, -16, - Einleitung und Überschrift. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Angenommen.
Damit, meine Damen und Herren, komme ich zur
dritten Beratung
und eröffne die allgemeine Aussprache. - Herr Abgeordneter Dr. Bärsch!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Freunde bejahen an sich dieses Gesetz, weil es eine bisher bestehende Rechtsunsicherheit beseitigt. Es war ja nicht immer ganz klar, in welchem Umfange die Reichsärzteordnung von 1935 noch Gültigkeit hat.
Wir begrüßen insbesondere auch, daß in diesem Gesetz das Bundesinnenministerium beauftragt wird, eine neue, und zwar bundeseinheitliche, Gebührenordnung zu schaffen, die ,die etwas veraltete Gebührenordnung aus dem Jahre 1924 ablösen soll.
Für bedauerlich allerdings halten wir es, daß der Ausschuß zur Beratung dieses nicht unwichtigen Gesetzes deshalb nur sehr wenig Zeit gehabt hat, weil das Bundesinnenministerium erst im letzten Augenblick, kurz vor dem Ende der Legislaturperiode, die Vorlage in den Bundestag reingebracht hat. Wir bedauern das um so mehr, als insbesondere dieserhalb eine eingehendere Beratung des § 4 im Ausschuß nicht mehr möglich gewesen ist. Wir hätten gern, daß der Gesetzgeber in diesem § 4, in dem die Bundesregierung ermächtigt wird, u. a. auch das Nähere der medizinischen Prüfung zu regeln, konkretere Auflagen hinsichtlich dieser medizinischen Prüfung gemacht hätte. Ich glaube, ich verrate einem großen Teil von Ihnen kein Geheimnis, wenn ich hier feststelle, daß es mit der Durchführung der medizinischen Prüfungen, sowohl des Vorexamens als auch des Staatsexamens, nicht unbedingt zum besten bestellt ist.
({0})
Diese Prüfungen sind bisher wenig normiert, so daß die Durchführung weitgehend - um nicht zu sagen: fast ausschließlich - in die Hand des jeweiligen Prüfers gelegt ist. Das führt in - ich will mich vorsichtig ausdrücken - manchen Fällen dazu, daß der Geprüfte, der Examenskandidat, nicht immer das Gefühl hat, daß ihm volle Gerechtigkeit geworden ist;
({1})
sicherlich in manchen anderen Fällen auch dazu, daß der Examenskandidat in der glücklichen Überzeugung den Raum verläßt: „Na, da hast du Glück gehabt und bist billig davongekommen!" Ich sage das hier nicht, um die Universitäten, die Fakultäten anzuklagen, meine aber, daß diese Angelegenheit bei der Behandlung des Gesetzes angesprochen werden muß.
Wir meinen, daß die Öffentlichkeit ein Interesse daran hat zu wissen, daß die medizinischen Prüfungen so durchgeführt werden, daß der Kandidat, wenn er die Prüfung bestanden hat, sie mit Recht bestanden hat und daß er, wenn er sie nicht bestanden hat, auch mit Recht durchgefallen ist. Ich will das nicht weiter vertiefen; man könnte da eine ganze Reihe von Beispielen anführen, um es im einzelnen zu verdeutlichen.
Wir hoffen, daß die Aussprache über den Gesetzentwurf den Universitäten Veranlassung gibt, sich mit dieser Frage zu befassen und zu überlegen, ob nicht von den Fakultäten bereits Maßnahmen in die Wege geleitet werden können, um den Übelständen abzuhelfen. Darüber hinaus sind wir allerdings der Meinung, daß auch die Bundesregierung bei der Regelung dieser Materie durch Rechtsverordnung Veranlassung nehmen sollte, entsprechende konkrete Bestimmungen zu treffen, um eine nach allen Seiten hin gerechte Prüfung in der Medizin sicherzustellen.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Stammberger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf trägt den etwas anspruchsvollen Namen „Bundesärzteordnung". Wir Freien Demokraten hätten sehr gern gesehen, daß das Gesetz diesem Namen auch gerecht geworden wäre. Ich denke dabei an eine Art Magna Charta des deutschen Arztrechts, das der Bedeutung des Arztes für die Volksgesundheit und der Stellung des Arztes in der Gemeinschaft entspricht, so ähnlich, wie wir es für andere Berufe, etwa in der Bundesrechtsanwaltsordnung, in der Bundesnotarordnung und in gewissem Sinne auch im Bundesapothekengesetz und in dem heute verabschiedeten Richtergesetz haben. Daß das nicht der Fall ist, daß dieses Gesetz etwas dürftig ist, daß es
praktisch nur eine schöngeistige Verbrämung einer Bundesgebührenordnung ist, das ist eben auf die stiefmütterliche Behandlung des Gesundheitswesens in der Bundesverfassung zurückzuführen.
Meine Damen und Herren, ich will mich hier jetzt nicht mit der Möglichkeit oder der Notwendigkeit oder der Zweckmäßigkeit einer Verfassungsänderung auseinandersetzen oder einer Verfassungsänderung das Wort reden; vielleicht genügt es, wenn man an die Worte erinnert, die vor wenigen Tagen auf dem Deutschen Ärztetag in Wiesbaden der zuständige hessische Landesminister Hemsath ausgesprochen hat: es sei vielleicht ganz gut, wenn man in der Frage der Zuständigkeit auf dem Gebiete des Gesundheitswesens etwas großzügig sei. Ich hoffe, er hat damit nicht nur an die Bundeszuschüsse für das Krankenhauswesen gedacht; in diesem Zusammenhang fielen diese Worte. Es ist leider eine Tatsache, idaß der Bundesrat bei fast allen gesundheitspolitischen Gesetzen, von denen wir in dieser Legislaturperiode ja eine ganze Anzahl hatten, den Vermittlungsausschuß - im Regelfall wegen Zuständigkeitsfragen - angerufen hat.
Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme zu dem Regierungsentwurf einer Bundesärzteordnung die Auffassung vertreten, daß der Bund nur die Zulassung regeln, aber nichts über das Berufsbild sagen könne, d. h. also, daß durch Landesrecht zu bestimmen sei, wozu der Arzt nach Bundesrecht zugelassen wird. Wenn der Bundesrat diese Auffassung vertritt, wird für uns diese Art der Gesetzgebungskompetenz allmählich zu einer Komödie.
Ich möchte nun noch auf das zu sprechen kommen, was Herr Kollege Dr. Bärsch gesagt hat, und das etwas ergänzen. Wir teilen im vollen Umfange Ihre Bedenken gegen das augenblickliche Prüfungswesen, und zwar nicht nur auf dem medizinischen Sektor; denn diese Mißstände sind leider auch auf anderen Gebieten im Prüfungswesen festzustellen. Aber ich glaube, Herr Kollege Dr. Bärsch, das liegt nicht am Gesetz, sondern an der falschen Handhabung und - wir wollen es mal ganz offen sagen - teilweise sogar daran, daß die gesetzlichen Bestimmungen durch die zuständigen Prüfungsorgane mißachtet werden. Dennoch scheint es uns nicht erforderlich zu sein, diese Dinge nun im Gesetz zu klären. Wir glauben, daß die allgemeine Ermächtigung an die Bundesregierung zum Erlaß einer Rechtsverordnung genügt. Auch im Richtergesetz, das wir vorhin verabschiedet haben und das ja hinsichtlich der Bedeutung der vorgesehenen Prüfungen nicht nur für den Richter, sondern beispielsweise auch für den Anwalt und den Notar die Grundlage der Berufsausübung ist, ist eigentlich nicht mehr über die erste und zweite juristische Staatsprüfung gesagt als das, was entsprechend als Voraussetzung in der Ermächtigung des § 4 der Bundesärzteordnung genannt ist. Aber die Grundsätze, die in einer solchen Rechtsverordnung verwirklicht werden sollten, wie sie sich nach Auffassung des Gesetzgebers darstellen, ergeben sich sehr deutlich aus den Ausschußberatungen des Gesundheitsausschusses, aus dem Ausschußbericht und auch aus den heutigen Ausführungen im Plenum. Das möchte ich noch einmal betonen, Herr Kollege Dr. Bärsch: Wir Freien Demokraten stimmen Ihren diesbezüglichen Ausführungen in jeder Hinsicht zu und wir hoffen, daß sich der Verordnungsgeber, vor allen Dingen aber auch die Prüfungsorgane daran halten und die entsprechenden Konsequenzen ziehen.
Wir Freien Demokraten werden der Bundesärzteordnung zustimmen.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Dittrich.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die CDU/CSU-Fraktion wird nur wenige Sätze zu diesem Gesetz zu sagen haben. Sie gipfeln vor allem darin, daß das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland den Rahmen für diese Bundesärzteordnung gesetzt hat. Mehr läßt eben das Grundgesetz unserer Bundesrepublik auf Bundesebene nicht zu als das, was die Bundesregierung dem Bundestag mit dem Entwurf vorgelegt hat.
Trotzdem sind wir von der CDU/CSU der Ansicht, daß eine rasche Verabschiedung dieser Bundesärzteordnung von entscheidender Bedeutung ist. Ich erinnere daran, daß von der Reichsärzteordnung des Jahres 1935 nur noch wenige Bestimmungen, insbesondere die über die Zulassung zum Arztberuf, als fortgeltendes Recht anzusehen sind. Bayern - das Land, aus dem ich komme - hat im Jahre 1946 ein eigenes Ärztegesetz geschaffen, so daß die Reichsärzteordnung auf dem Gebiet des ganzen Bundes gar nicht mehr weiter Geltung hat. Wir glauben aus diesem Gesichtspunkt, insbesondere auch wegen der Vereinheitlichung des Rechts und wegen einer Klarstellung der einzelnen Normen, daß die Bundesärzteordnung unbedingt noch in diesem Bundestag geschaffen werden mußte.
Herr Kollege Bärsch hat Kritik daran geübt, daß der Bundestagsausschuß für Gesundheitswesen nur allzu kurze Zeit für seine Beratung gehabt hat. Das mag richtig sein; die Schuld daran aber der Bundesregierung zuzuschieben ist meines Erachtens nicht richtig. Denn es ist festzustellen, daß sich das Kabinett am 24. März 1961 mit dieser Materie beschäftigt hat und daß dann der Bundesrat dazu Stellung genommen hat, so daß für den Ausschuß an und für sich nur mehr wenig Zeit blieb. Es wurde aber trotzdem zur Genüge diskutiert.
Meine Damen und Herren, wir sind der Ansicht, daß das Gesetz in der vorliegenden Form den heutigen Erfordernissen gerecht wird. Wir begrüßen vor allem eines in diesem Gesetz: daß nunmehr endlich die Erteilung der Bestallung an Ausländer sowie an Personen, die ihre ärztliche Ausbildung außerhalb des Bundesgebietes erworben haben, geregelt ist, was ja vor allem im Hinblick auf die Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft von außerordentlicher Bedeutung ist.
Ich möchte das nicht vertiefen, was Herr Kollege Bärsch hinsichtlich der Prüfungsordnung gesagt hat.
Es ist richtig: Prüfungsordnungen mögen ihre Mängel haben, und immer dann, wenn ein einzelner Prüfer den Kandidaten zu examinieren hat, wird es da und dort zu Schwierigkeiten kommen, die in den einzelnen Fällen untersucht werden müssen. Wir müssen uns aber darüber klar sein, daß Kollegialkommissionen für die ärztliche Prüfung außerordentlich schwierig zu schaffen sind; denn man muß bedenken, daß ein Teil der ärztlichen Prüfungen am Krankenbett stattfinden muß und daß bei den einzelnen Examinatoren auch zeitliche Schwierigkeiten eintreten. Wir wollen das vielleicht in der Weise festhalten, daß dem Ermessen des einzelnen Prüfers nicht allzu viel Spielraum gegeben werden soll, wenn die einheitliche Prüfungsordnung geschaffen wird.
Meine Fraktion begrüßt es auch, daß die Gebührenordnung nunmehr vereinheitlicht wird. Dabei möchte ich nicht verhehlen, daß es gerade der Innenminister des Landes Bayern gewesen ist, der einer bundeseinheitlichen Gebührenordnung aus föderalistischen Grundsätzen heraus energisch widersprochen hat.
Meine Damen und Herren, noch eine Frage von besonderer Bedeutung! In diesem Gesetz ist nicht in jeder Bestimmung verankert, wen die Bundesregierung im einzelnen vor Erlaß der Verordnungen zu hören hat. Es galt aber bisher als ständige Übung der Bundesregierung, insbesondere des Bundesinnenministeriums, daß sämtliche beteiligten Verbände und sämtliche beteiligten Kreise vor dem Er) laß der Rechtsverordnungen gehört wurden und ausreichend Gelegenheit hatten, Stellung zu nehmen. Wenn in dem Änderungsantrag ausdrücklich der Fakultätentag vermerkt ist, so mag das als Beispiel dafür dienen, daß wir von der Bundesregierung und insbesondere vom Bundesinnenministerium erwarten, daß die beteiligten Verbände ausreichend Gelegenheit haben, zu den einzelnen Verordnungen Stellung zu nehmen. Wir sind sicher, daß die Bundesregierung und das Bundesinnenministerium das tun werden.
Die Schaffung dieser Bundesärzteordnung war notwendig. Sie stellt eine geeignete Grundlage für die Bestallung der Ärzte dar. Sie gibt die Möglichkeit einer bundeseinheitlichen Gebührenordnung. Sie regelt insbesondere auch die Zulassung von Ausländern, wie ich bereits ausgeführt habe. Wir sind der Ansicht, daß wir dieser Bundesärzteordnung von seiten der CDU/CSU-Fraktion mit gutem Gewissen zustimmen können.
({0})
Wird weiter das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf in dritter Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Auch keine Enthaltungen. Einstimmig verabschiedet.
Ich rufe auf Punkt 18 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Ermächtigung des Gouverneurs für die Bundesrepublik Deutschland in der Internationalen Finanz-Corporation zur Stimmenabgabe für eine Änderung des Abkommens über die Internationale FinanzCorporation ({0});
(Mündlicher Bericht 'des Wirtschaftsausschusses ({1}) ({2})
({3}).
Der Berichterstatter, Herr Abgeordneter Dr. Fritz ({4}), hat nachträglich einen Schriftlichen Bericht eingereicht, für den ich danke. Er erübrigt sich damit eine mündliche Berichterstattung.
Wir kommen in zweiter Beratung zu Art. 1, - 2, - 3, - Einleitung und Überschrift. - Das Wort Wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen, der Einleitung und der Überschrift zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Es ist so beschlossen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Das Wort wird nicht gewünscht. Wer in der Schlußabstimmung dem Gesetzentwurf zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf Punkt 19 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines 'Gesetzes über die Liquidation der Deutschen Reichsbank und der Deutschen Golddiskontbank ({5})
Schriftlicher Bericht des Wirtschaftsausschusses ({6}) ({7})
({8}).
Ich danke dem Berichterstatter, dem Abgeordneten Dr. Lindenberg, für seinen Schriftlichen Bericht.
Ich rufe auf in zweiter 'Beratung die §§ 1, - 2, - 3, - 4 - und 5. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Paragraphen zuzustimmen wünscht, 'den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Es ist so beschlossen.
Wir kommen zu § 6 und dem Änderungsantrag Umdruck 937. 'Soll er begründet werden? - Bitte sehr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei dem Änderungsantrag Umdruck 937 handelt es sich nur um eine formelle Richtigstellung. In § 6 des Gesetzentwurfs - Vereinfachte Abwicklung - heißt es, daß eine AusDr. Lindenberg
einandersetzung mit der Deutschen Bundesbank und der früheren Landeszentralbank Saar unterbleibt. Eine Auseinandersetzung mit der früheren Landeszentralbank Saar ist überflüssig, da diese Landeszentralbank nicht mehr besteht. Der Bundesrat hatte bereits beim Durchgang ,der Drucksache 2053 auf diesen formellen Fehler hingewiesen. Die Bundesregierung hatte sich daraufhin bereit erklärt, eine Änderung im Ausschuß zu beantragen. Leider ist es durch ein Versehen unterblieben, die Änderung im Ausschuß zu beschließen. Uns bleibt damit zur Richtigstellung der Vorlage nur der Weg, daß wir jetzt im Sinne des Änderungsantrages beschließen, die Worte „und der früheren Landeszentralbank Saar" zu streichen.
Wird dazu das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Ich lasse abstimmen über den Änderungsantrag des Abgeordneten Dr. Lindenberg, Umdruck 937, der soeben begründet worden ist. Wer zuzustimmen wünscht, ,den bitte ich um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Wir stimmen nunmehr ab über § 6 in. der Ausschußfassung mit der soeben beschlossenen Änderung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf die §§7,-8,-9,- 10,-11,12, - 13, - 14, - 15 - sowie Einleitung und Überschrift. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. - Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Seume.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Auffassungen zum Gesetzentwurf der Bundesregierung über die Liquidation der Deutschen Reichsbank und der Deutschen Golddiskontbank sind in den beiden bisherigen Grundsatzdebatten vor diesem Hause eingehend dargelegt worden und brauchen heute im einzelnen nicht noch einmal wiederholt zu werden. Ich nehme ausdrücklich Bezug auf die Ausführungen, die ich für meine Fraktion am 19. Mai 1960 und am 25. Januar dieses Jahres hier gemacht habe.
Meine Fraktion hält die von der Bundesregierung vorgeschlagene Rechtskonstruktion bezüglich der sogenannten Liquidation der Reichsbank für falsch und lediglich für ein juristisches Scheingefecht, um die hundertprozentige Abfindung der Anteilseigner, die weder politisch noch sachlich gerechtfertigt und zu vertreten ist, als ein Resultat hinzustellen, das sich zwangsläufig aus einer angeblichen Rechtssituation ergebe, was jedoch in Wirklichkeit gar nicht der Fall ist.
Es steht einwandfrei fest, daß die Anteilseigner keine Aktionäre sind. Weder im Urteil vom 9. Juli 1957 noch im Beschluß vom 13. Januar 1958 hat der Bundesgerichtshof erklärt, die Anteile seien „echte Aktien und keine Obligationen".
Unzweifelhaft hat sich der Charakter der Anteilscheine seit 1875 'gewandelt. Von den damals vorhandenen beschränkten Rechten aus dem Papier, nämlich feste Verzinsung, zusätzliche Ertragsbeteiligung am Liquidationserlös, blieb über die Entwicklung von 1924 bis 1939 nur noch die feste Verzinsung übrig, und zwar ohne Ertragsbeteiligung und ohne Beteiligung am Liquidationserlös. Es erfolgte also eine unmißverständliche und noch klarere Zurückführung der Rechte aus dem Papier auf einen Status, den die Anteilscheine von Anfang an hatten, nämlich auf den Status von Wertpapieren eines besonderen Charakters zwischen Obligationen und Aktien. Den Reichsbankanteilscheinen fehlen, um wirkliche Aktien zu sein, die entscheidenden Kriterien eines Rapiers, das Substanzrechte verbürgt, nämlich sämtliche verantwortlichen Mitgliedschaftsrechte.
Ich habe Ihnen in der 140. 'Sitzung des Hohen Hauses am 25. Januar dieses Jahres eingehend und zutreffend aus dem Beschluß des 2. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 13. Januar 1958 zitiert. Die Hauptversammlung als das Organ 'der Anteilseigner war im Gegensatz zur Generalversammlung echter Aktionäre und echter Eigentümer niemals souverän. Dieser Hauptversammlung stand es aus diesem Grunde auch niemals zu, die Rechtsverhältnisse der Reichsbank im Rahmen des geltenden Rechts zu ordnen, wie das auch wörtlich in dem erwähnten Beschluß des Bundesgerichtshofs zu lesen ist. Aber mit der Ordnung der Rechtsverhältnisse der ehemaligen Reichsbank hat es entscheidend zu tun, wenn bereits 1947/48 der Besatzungsgesetzgeber angeordnet hat, daß die Reichsbankanstalten zu liquidieren sind, daß das neue Landeszentralbanksystem zu instituieren ist und daß eine Vermögensauseinandersetzung zwischen der ehemaligen Institution „Reichsbank" und dem neuen Landeszentralbanksystern stattzufinden hat.
Es widerspricht also den Tatsachen, wenn die Bundesregierung ihren Gesetzentwurf auf den Fiktionen aufbaut, daß die Reichsbank bis heute als lebendes Institut weiterbestanden und ausschließlich zugunsten der Anteilseigner fiktive Gewinne auf der Grundlage ,eines falsch berechneten Eigenkapitals gemacht hat. Es widerspricht weiter den Tatsachen, wenn die Bundesregierung die Anteilseigner als Aktionäre 'behandelt und sie ohne Rechtsgrundlage an einem falsch berechneten Liquidationserlös teilnehmen lassen will. Und es widerspricht 'schließlich den Tatsachen, wenn der Sinn der vorgeschriebenen Vermögensauseinandersetzung zwischen der ehemaligen Reichsbank und dem Landeszentralbanksysstem einseitig und ausschließlich zu einer hundertprozentigen Abfindung der Anteilseigner entstellt wird. Das Protokoll vom 26. November 1946
des Ausschusses Finanz- und Kreditwesen des damaligen Länderrates gibt hierüber eindeutig Auskunft.
Wir haben dem Hohen Haus eingehend dargelegt, daß die Anteilseigner Inhaber von Wertpapieren eines besonderen Charakters sind, der sich in zunehmendem Maße demjenigen der festverzinslichen Wertpapiere genähert hat. Dies steht auch nicht in Widerspruch zu den angeführten Erkenntnissen des Bundesgerichtshofs. Meine Fraktion war und ist immer bereit, über eine vernünftige Einordnung der Anteilscheine in die Skala der Wertpapiere zwischen Aktien und Obligationen und über eine entsprechende vernünftige Entschädigung der Anteilseigner zu verhandeln. Diese Entschädigung kann allerdings niemals bei 100 % des Reichsmarknennwertes liegen. Wir bedauern, daß gewisse Ansätze hierzu, die bereits vor der ersten Lesung dieses Entwurfs bestanden haben, ohne Erfolg geblieben sind.
Es ist nun noch notwendig, auf einige Fehler hinzuweisen, die in den Bemerkungen des Herrn Bundeswirtschaftsministers und des Herrn Kollegen Lindenberg anläßlich der Aussprache am 25. Januar dieses Jahres enthalten sind.
Herr Kollege Lindenberg, Sie bezeichnen - nach der unbestreitbaren Anordnung der Liquidation der Reichsbankanstalten durch den Besatzungsgesetzgeber 1947/48 - die Reichsbank als ein neben dem Landeszentralbanksystem fungierendes und dann als ruhendes Institut. Ruhende Institute, Herr Kollege Lindenberg, zeichnen sich dadurch aus, daß sie nicht mehr fungieren. Ruhende Institute werden nach dem Umstellungsrecht entweder zum Geschäftsbetrieb wieder zugelassen - das ist mit der ehemaligen Reichsbank eindeutig nicht der Fall - oder sie werden nach dem Umstellungsrecht als abwickelnde Institute behandelt. Das allein muß mit der ehemaligen Reichsbank geschehen. Und, Herr Kollege Lindenberg, weder ruhenden noch abwickelnden Instituten stehen Ausgleichsforderungen zu. Ausgleichsforderungen werden nur lebenden und ihre Funktionen ausübenden Instituten zuteil. Beides trifft für die ehemalige Reichsbank nicht zu. Insoweit war und bleibt die Reichsbank im echten Sinne mit 7,8 Milliarden DM überschuldet. Wenn die Reichsbankanteileigner Aktionäre wären, dann müßten Sie, Herr Bundeswirtschaftsminister, und Sie, Herr Kollege Lindenberg, daraus die harten Konsequenzen gegen die Anteileigner als die vermeintlichen Eigentümer dieses überschuldeten Instituts ziehen, und dann würden die Anteileigner nicht einen Pfennig bekommen können. Insoweit ist auch der Hinweis des Herrn Kollegen Lindenberg auf den Passivüberhang der Landeszentralbanken anläßlich der Währungsreform in bezug auf die Reichsbank gegenstandslos.
Meine Damen und Herren, die Behandlung der Reichsbank nach dem Umstellungsrecht entweder als totes oder als ruhendes, aber nicht wieder zum Geschäftsbetrieb zugelassenes und damit abzuwickelndes Institut verbietet ohne jeden Zweifel die Berechnung eines Eigenkapitals, verbietet die Errechnung fiktiver Gewinne auf dieses Kapital für 91/2Jahre in Höhe von 47,5 % und verbietet alle
weiteren darauf basierenden Manipulationen, wie sie der Entwurf der Bundesregierung entgegen dem bestehenden Recht vorsieht. Nach dem Sinn und dem Wortlaut des Umstellungsrechtes ist die Konstruktion der Bundesregierung unhaltbar. Diese Konstruktion ist gesetzeswidrig, solange sich die Bundesregierung auf das Umstellungsrecht bezieht.
Wir halten es weiterhin für falsch, daß die Bundesregierung den Entwurf über die Liquidation der Golddiskontbank nicht abgetrennt und einer gesonderten parlamentarischen Behandlung zugeführt hat. Wir wissen heute, daß sich die Bundesregierung durch die Übernahme der juristischen Fehlkonstruktionen des verantwortlichen Ressorts in eine wenig beneidenswerte Zwangslage hineingebracht hat; denn die im Entwurf vorgesehene Liquidation der Golddiskontbank nach aktienrechtlichen Gesichtspunkten ist nur die Fassade, hinter der die Verhandlungen über eine mehr als hundertprozentige Abfindung der Golddiskontbank-Aktionäre abseits der Öffentlichkeit stattfinden. Nur um angesichts dieser Situation die Reichsbankanteileigner zum Stillhalten, zum Schweigen zu bringen, sieht sich die Bundesregierung gezwungen, diesen wenigstens eine hundertprozentige Abfindung zu gewähren. Es ist zu bedauern, meine Damen und Herren, daß die Bundesregierung dieses Ziel nicht auf politisch geraden, sondern auf rechtlich krummen, sehr krummen Wegen zu erreichen sucht.
({0})
Meine Fraktion wendet sich - um es mit aller Deutlichkeit zum Ausdruck zu bringen weder gegen berechtigte Ansprüche und Interessen der Ausländer noch der Inländer. Aber weswegen werden diesem Hause nicht - wie es so oft an dieser Stelle gefordert worden ist - die wirklichen sachlichen oder politischen Zusammenhänge und Absichten offen dargelegt? Die von Ihnen, Herr Bundeswirtschaftsminister, und von Ihnen, Herr Kollege Lindenberg, gelegentlich beklagte Verzögerung der Regelung der Liquidation der Golddiskontbank seit 1948 hat dieses Haus nicht zu vertreten. Der Mangel liegt allein in den verspäteten, unzulänglichen und fehlerhaften Gesetzentwürfen der Bundesregierung. Die Bundesregierung ist ihrer Pflicht nicht nachgekommen, diesem Hause einen einigermaßen bedenkenfreien Entwurf vorzulegen.
({1})
Meine Fraktion lehnt aus den früher und heute dargetanen Gründen den Inhalt und die zweckbedingte juristische Konstruktion des Gesetzentwurfes ab. Meine Fraktion sieht sich nicht in der Lage, den Anteilseignern der ehemaligen Reichsbank eine hundertprozentige Entschädigung zuzugestehen angesichts der vergleichsweise geringen Entschädigung von Sparern, Altsparern, von Gläubigern festverzinslicher Wertpapiere und angesichts der zahlreichen anderen geschädigten Gruppen. Es ist von Sach- und Rechts wegen falsch, diejenigen, die ein Wertpapier einer besonderen Kategorie unter dem Namen Reichsbankanteilschein erworben haben, in dem von der Bundesregierung vorgesehenen AusDr. Seume
maße zu bevorzugen. Wenn dieses Unrecht durch die Annahme des Gesetzentwurfes Wirklichkeit werden sollte, dann müssen die Entschädigungen der übrigen geschädigten Gruppen einer Nachprüfung und Neuordnung unterzogen werden.
({2})
Meine Damen und Herren, meine Fraktion lehnt aus diesen Gründen den Gesetzentwurf der Bundesregierung über die Liquidation der Reichsbank und der Golddiskontbank als Ganzes ab.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Lindenberg.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Hohe Haus muß sich heute zum drittenmal mit der Regierungsvorlage über die Liquidation der Reichsbank und der Deutschen Golddiskontbank befassen. Daraus könnte man den Schluß ziehen, daß es sich um ein wichtiges Gesetz von grundsätzlicher Bedeutung handle, das unser politisches Leben in den nächsten Jahren nachhaltig beeinflussen könnte. Dem ist aber nicht so. Meine Aufgabe ist es, die Dinge auf das richtige Maß zurückzuführen. Es handelt sich um ein reines Spezialgesetz, das auf einen einmaligen Vorgang abgestellt ist, nämlich auf die Auflösung der beiden erwähnten Gesellschaften, und das praktisch nach Durchführung der Liquidation gegenstandslos sein wird.
Sachlich ist zuzugeben, daß das Gesetz eine komplizierte Materie betrifft. Wir haben das bei den detaillierten Ausführungen des Kollegen Seume wieder erleben müssen. Aber wir müssen uns doch auf der anderen Seite klar sein, daß die Technik der gesetzlichen Regelung den wirklichen politischen Kern nur überdeckt. Politisch handelt es sich um drei Grundsätze, die letztlich sehr einfach zu verstehen sind. Nur diese unterstehen der Entscheidung des Hohen Hauses. Ich darf diese Grundsätze kurz entwickeln, und damit habe ich auch Gelegenheit, auf die Ausführungen und Anführungen des Kollegen Seume einzugehen.
Erster Grundsatz: Es geht um die Frage, wie kann nach 13 Jahren der Masse der Reichsbankaktionäre ein angemessener Liquidationsbetrag für ihre Anteile gewährt werden, und wie hoch muß dieser Betrag sein, nachdem zweierlei feststeht:
a) Eine Vermögensauseinandersetzung zwischen der Reichsbank und den Nachfolgeinstituten, heute praktisch allein der Deutschen Bundesbank, hat im Rahmen der vorliegenden Liquidation zu erfolgen. Eine solche Auseinandersetzung hatte schon der Besatzungsgesetzgeber seinerseits angeordnet. Die Bundesregierung muß dieser Auflage nachkommen. Eine Vermögensauseinandersetzung zwischen der Reichsbank - mag sie auch heute funktionslos sein - und der Bundesbank steht eindeutig unter dem Zeichen, daß es sich bei der Bundesbank um ein außerordentlich gesundes Unternehmen handelt, ein Unternehmen, dem es geglückt ist, schon erhebliche
Reserven anzusammeln, und das alles trotz der 7 bis 8 Milliarden DM Ausgleichsforderungen, die das Zentralnotenbanksystem in der Zeit nach 1948 vom Bund zugewendet erhalten hat.
b) Die Reichsbank ist gegen den Willen ihrer Aktionäre ihrer Funktion beraubt und damit praktisch vermögenslos gestellt worden, und durch das Bundesbankgesetz ist 1957 ein Ausschluß der früheren Reichsbankaktionäre von der jetzt amtierenden Zentralbank erfolgt.
Der zweite Grundsatz: Bei der Berechnung des Liquidationserlöses für die Reichsbankaktionäre muß nach geordneten Rechtsstaatsprinzipien verfahren werden, nämlich unter Berücksichtigung der bei der Währungsreform erlassenen Umstellungsvorschriften und der einschlägigen Bestimmungen ,der Verfassung über das Eigentum. Dabei muß davon ausgegangen werden - was ohne jeden Zweifel ist -, daß der Reichsbankanteil im Rahmen der Liquidation den echten Charakter einer Aktie mit allen Vermögensfunktionen besitzt. Bevor die Entscheidung des Bundesgerichts im Juli 1957 gefällt wurde - und das ist sehr interessant -, hatte aber bereits die Londoner Schulden-Konferenz 1952 sich dahin entschieden, daß Reichsbankanteile, da keine Obligationen oder Pfandbriefe, von der internationalen Schuldenregelung ausgenommen seien. Hier deckt sich also die Auffassung des obersten deutschen Gerichts mit der der Londoner Schulden-Konferenz hinsichtlich der rechtlichen Bewertung der Anteile der Reichsbank.
Dritter Grundsatz: Im Rahmen der Liquidation muß berücksichtigt werden, daß bei Übergang des Dego-Paketes der Reichsbank auf den Bund - bekanntlich 510 Millionen RM - den Interessen der Reichsbankaktionäre entsprochen wird, da der Besitz der Reichsbank an Dego-Aktien sehr starke Rückwirkungen auf die Bewertung der Reichsbankaktie hat.
Damit habe ich kurz die drei Grundsätze entwickelt, nach denen sowohl die Regierung als auch der Ausschuß ihre Entscheidung gefällt haben.
Unsere Fraktion hält eine Abfindung der Aktionäre mit 100 % des Nennwertes in DM für angemessen und schließt sich der Auffassung der Bundesregierung an. Über die Höhe der Abfindung ist sehr viel diskutiert worden. Wir wollen die Einzelheiten heute nicht wiederholen. Ich kann aber sagen, daß die Berechnungsgrundlage der Bundesregierung völlig schlüssig ist. Sie beruht auf einer einwandfreien rechtlichen und logischen Würdigung der vorgefundenen Tatbestände und stellt ein Minimum dessen dar, was den Aktionären gewährt werden muß. Es ist nicht mehr die Frage, ob man den Aktionären zuviel gibt, sondern ob man ihnen angesichts der günstigen Entwicklung der Bundesbank als Auseinandersetzungspartner und der Dego, die heute bereits ein Bruttovermögen von 654 Millionen DM besitzt und laufend jährliche Erträgnisse von 200 Millionen DM erhält, nicht zuwenig gibt.
({0})
- Zuwenig gibt, sage ich ganz klar!
Ich warne deshalb davor, für die Aktionäre eine geringere Quote zu beschließen, als sie in der Regierungsvorlage enthalten ist, etwa eine um 20, 30 oder, wie die SPD erwähnt hat, gar 75 N. geringere Quote. Vor allem sollte man doch nicht glauben, daß die Aktionäre deshalb von vornherein mit einer Herabsetzung einverstanden sein würden, weil sie ohne weiteres bereit waren, sich den Vorschlägen der Bundesregierung anzupassen. Es wäre ein schwerwiegender Irrtum, wenn man das bisher von den Aktionären an den Tag gelegte faire Verhalten so mißdeutete. Es ist im Gegenteil angebracht, hier den 20 000 Kleinaktionären - darunter viele Altbesitzer - Dank und Anerkennung für ihr verständnisvolles Verhalten zu sagen. Hier ist einmal eine Interessengruppe, die sich nüchtern und vernünftig verhalten hat, ganz im Gegensatz zu Erfahrungen, die wir in anderen Fällen gemacht haben.
({1})
- Dazu stehe ich hundertprozentig! Wir dürfen deshalb den Aktionären keine weiteren Enttäuschungen bereiten, ganz abgesehen davon, daß ja auch die Reichsbankauflösung die Voraussetzung für eine Regelung des Dego-Komplexes ist. Sie wissen, daß an diesem Dego-Komplex immerhin ausländische Aktionäre beteiligt sind, die einen Aktienbesitz von zirka 90 Millionen Dego-Aktien vertreten und die ebenfalls um ihr Recht kämpfen.
Alle diese Überlegungen führen dahin, dieses Gesetz schleunigst auf der Basis der Regierungsvorlage zu verabschieden, im Interesse der Aktionäre, im Interesse Ides Kredits des Bundes und letztlich unter Wahrung unserer Vorstellungen über den Schutz und die soziale Funktion des Eigentums.
({2})
Das Wort hat der Bundeswirtschaftsminister, Dr. Erhard.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Viel Neues ist zu diesem Gegenstand nicht mehr zu sagen. Ich habe auch keine Hoffnung, daß die Fronten sich hier zusammenfinden werden. Gleichwohl möchte ich darauf hinweisen, daß ich schon bei der ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Liquidation der Deutschen Reichsbank und der Deutschen Golddiskontbank dargelegt habe, für wie dringend und wichtig die Bundesregierung die Regelung hinsichtlich der Reichsbank und der Golddiskontbank hält. Ich bat damals den Bundestag, sowohl aus politischen als auch aus verfassungsrechtlichen Gründen und nicht zuletzt im Interesse des internationalen Ansehens unseres Landes den nunmehr bereits zum drittenmal eingebrachten Gesetzentwurf alsbald zu verabschieden, und zwar in der von der Regierung vorgelegten Fassung. Ich möchte diese Bitte jetzt wiederholen. Über die Dringlichkeit der Reichsbank- und Dego-Regelung braucht heute, fast genau 13 Jahre nach der Währungsreform, wohl kein Wort mehr verloren zu werden. Bei der seinerzeitigen Dezentralisation der Reichsbank hatte sich
der Besatzungsgesetzgeber die Vermögensauseinandersetzung zwischen der Reichsbank und den Landeszentralbanken vorbehalten, und zwar mit der ausgesprochenen und nachweisbaren Absicht, daß dabei auch die Abfindung der Reichsbankanteilseigner zu regeln sei. Der Besatzungsgesetzgeber hatte jedoch nie diesem Ziel dienende Maßnahmen selber getroffen, sondern sie dem Bundesgesetzgeber überlassen, dem es seitdem obliegt, diesen schwierigen und durch die nachfolgende Währungsreform noch komplizierter gewordenen Fragenkomplex zu klären.
Die Bundesregierung hat den Gesetzentwurf sorgfältig vorbereitet, und zwar nicht, wie die Opposition behauptet, mit rechtlich bedenklichen Manipulationen zum Wohl einer bestimmten Gruppe von Vermögensträgern, sondern unter objektiver Würdigung aller tatsächlichen und rechtlichen Fragen. Daß es sich bei den Reichsbankanteilen weder um Obligationen noch obligationsähnliche Rechte handelt, sondern um Papiere, die ein Recht an der Substanz der Reichsbank verkörpern, kann bei rechtlich zutreffender Würdigung des Sachverhalts nicht in Abrede gestellt werden. Diese Rechtsauffassung wird eindeutig durch das Urteil des Bundesgerichtshofes vom 9. Juli 1957 belegt. Eine Abfindungsregelung, die die Reichsbankanteile in die Gruppe der festverzinslichen Wertpapiere verweist, würde daher stärksten rechtlichen Bedenken begegnen.
({0})
Der im Endergebnis aus Kapitelneufestsetzung zur Zeit der Währungsreform, Dividendenaufstokkung bis Ende 1957 und Entschädigung für die Verstaatlichung von Kapital und Reserven schließlich errechnete Abfindungssatz von 100 % für die Reichsbankanteilseigner ist auch kein im voraus gewolltes Ergebnis, sondern beruht auf einer rechtlichen und logischen Würdigung der vorgefundenen Tatbestände und würde auch einer verfassungsrechtlichen Nachprüfung standhalten. Ein niedrigerer Abfindungssatz wäre rechtlich nicht zu begründen und würde das Gesetz der Gefahr einer erfolgreichen Anfechtung aussetzen. Damit wäre die Arbeit von mehr als sieben Jahren zunichte gemacht und das bestehende Rechtsvakuum zu Lasten der Reichsbankanteilseigner auf unabsehbare Zeit verlängert.
Die Situation der privaten Dego-Aktionäre, die zu einem großen Teil Ausländer sind, ist derjenigen der Reichsbankanteilseigner ähnlich. Auch sie sind bis jetzt immer wieder vertröstet worden. Ihre verständliche Ungeduld hat zu verschiedenen Schritten besonders von amerikanischer Seite Veranlassung gegeben, zuletzt bei dem Besuch des Herrn Bundeskanzlers in diesem Frühjahr in den Vereinigten Staaten. Die privaten Dego-Vorzugsaktionäre drängen immer wieder darauf, daß die leidige Reichsbank- und Dego-Angelegenheit bald zu einem Ende gebracht wird.
Wie ich früher schon betonte, hängt die Liquidation der Golddiskontbank praktisch untrennbar mit der Liquidation der Reichsbank zusammen.
({1})
Bundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhard
In ,der Begründung zum vorliegenden Gesetzentwurf wird hierzu ausgeführt, daß es nicht möglich ist, die von den privaten Dego-Aktionären im Interesse der Beschleunigung gewünschten Verhandlungen über eine vergleichsweise Bewertung der Dego-Aktien mit anschließendem Kauf der Dego-Masse durch den Bund zu führen, bevor die der Reichsbank gehörenden 513 Millionen RM Dego-Aktien, deren Erlös bis jetzt die Reichsbankanteilseigner verlangen, in das Eigentum des Bundes übergegangen sind. Da dieser Eigentumsübergang Bestandteil der Reichsbankvorschriften ist, ist der Erlaß der Abwicklungsvorschriften Voraussetzung für die vorgesehene vereinfachte Abwicklung der Dego.
Ich darf nochmals betonen, wie sehr der Bundesregierung an der Verabschiedung dieses Gesetzes gelegen ist. Ich bitte deshalb das Hohe Haus, dem Entwurf in der. Fassung, wie sie in Drucksache 2053 enthalten ist, die Zustimmung zu geben.
({2})
Wird noch das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall; ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf in der dritten Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Der Vorstand ist sich nicht einig; wir müssen auszählen.
({0})
Meine Damen und Herren, ich gebe das Ergebnis der Abstimmung bekannt. Mit Ja haben 185 Mitglieder des Hauses gestimmt, mit Nein 114 Mitglieder des Hauses; enthalten haben sich 21. Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung angenommen.
Ich rufe auf Punkt 20 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 20. September 1960 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Argentinischen Republik über den Luftverkehr ({0}) ;
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen ({1}) ({2})
({3}).
({4})
- Meine Herren, Sie werden doch nicht denken, daß ich einen Berichterstatter auffordern könnte, bei diesem Zustand des Hauses das Wort zu nehmen?! Ich bitte, sich doch zu beruhigen und Platz zu nehmen.
Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort wünscht. - Der Herr Berichterstatter verzichtet.
Wir treten in die zweite Beratung ein. Ich rufe auf Art. 1, - Art. 2, - Einleitung und Überschrift. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist in zweiter Lesung angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Wer dem Gesetzentwurf in der dritten Lesung zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. -Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist in dritter Lesung angenommen.
Punkt 21 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung ,des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 28. September 1960 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Belgien über Leistungen zugunsten belgischer Staatsangehöriger, die von nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen betroffen worden sind ({5}) ;
a) Bericht des Haushaltsausschusses ({6}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung ({7})
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Aigner
b) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten ({8}) ({9})
({10}).
Ich frage zunächst den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort wünscht. - Der Berichterstatter verzichtet. Ich rufe auf zur zweiten Lesung Art. 1, - 2, - 3, - Einleitung und Überschrift. Wird das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer in zweiter Lesung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe!
- Enthaltungen? - In zweiter Lesung angenommen.
Dritte Beratung.
Allgemeine Aussprache. Wird das Wort gewünscht?
- Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Gesetzentwurf in dritter Lesung zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Meine Herren, ich muß aufpassen; ich möchte wissen, ob bei diesem Gesetz jemand dagegen ist.
({11})
- Wer nicht dagegen ist, der muß sich jetzt setzen!
- Enthaltungen? - Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
Punkt 22 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
Gesetzes zu dem Vertrag vom 8. November 1960 zur Änderung und Ergänzung des Vertrages vom 18. Januar 1952 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande über die Festsetzung einer Betriebsgrenze für ostwärts der deutschniederländischen Landesgrenze liegende Steinkohlenfelder ({12});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten ({13}) ({14})
({15}).
Ich frage Herrn Abgeordneten Kraft, ob er das Wort wünscht.
({16}) - Der Herr Berichterstatter verzichtet.
Ich rufe auf: Art. 1, - Art. 2, - Einleitung und Überschrift. - Wird das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zustimmen will, gebe bitte ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - In zweiter Lesung einstimmig angenommen.
Dritte Beratung.
Allgemeine Aussprache! Wird das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Gesetz in dritter Lesung zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - In dritter Lesung einstimmig angenommen.
Punkt 23 der Tagesordnung wird am Freitag aufgerufen.
Punkt 24 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1961 ({17}) ({18});
Schriftlicher Bericht des Außenhandelsausschusses ({19}) ({20})
({21}).
Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort wünscht.
({22}) - Der Herr Berichterstatter verzichtet.
Ich rufe auf: § 1, - § 2, - § 3, - § 4, - Einleitung und Überschrift. - Wird das Wort gewünscht? Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zustimmen will, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - In zweiter Lesung einstimmig angenommen!
Dritte Beratung!
Allgemeine Aussprache! Wird das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer in dritter Lesung zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - In dritter Lesung einstimmig angenommen!
Punkt 25:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Protokoll vom 31. Dezember 1960 über die Verlängerung des Abkommens über Allgemeine Fragen des Handels und der Seeschiffahrt zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken ({23}) ;
Schriftlicher Bericht des Außenhandelsausschusses ({24}) ({25}).
({26}).
Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort wünscht.
({27})
- Der Herr Berichterstatter verzichtet.
Ich rufe auf: Art. 1, - 2, - Einleitung und Überschrift. Wird das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zustimmen will, gebe bitte ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - In zweiter Lesung einstimmig angenommen.
Dritte Beratung!
Allgemeine Aussprache! Wortmeldungen? - Das Wort hat Herr Abgeordneter Birkelbach!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe im Auftrag meiner Fraktion einige kurze Bemerkungen zu machen. Der Entwurf Drucksache 2671 bezieht sich auf die Verlängerung des Handelsabkommens mit der Sowjetunion. Das Abkommen selbst wurde im Jahre 1958 abgeschlossen, und zwar gleichzeitig mit dem heute noch geltenden Konsularvertrag.
Bei der Ratifizierung beider Abkommen im Bundestag waren alle Parteien übereinstimmend der Auffassung, daß das Fehlen einer Berlin-Klausel nicht zu stören brauche. Herr Dr. Birrenbach brachte die übereinstimmende Meinung auf Grund der Informationen, die seinerzeit von dem Verhandlungsleiter gegeben worden waren, mit folgenden Worten zum Ausdruck:
In der Presse ist geäußert worden, daß eine Berlin-Klausel fehle. Sie wissen, daß die Russen es grundsätzlich ablehnen, zum Problem Berlin in Teilabschnitten Stellung zu nehmen. Da sie de facto mit der Einbeziehung West-Berlins sowohl in den Handelsaustausch als auch auf der konsularischen Seite einverstanden sind, können wir im Interesse der Westberliner mit dieser Art der Regelung durchaus zufrieden sein.
Nun haben wir im vergangenen Jahr erlebt, daß die Sowjetunion ihr Verhalten in einer ganz bestimmten Frage plötzlich änderte: sie weigerte sich, Einwohner von West-Berlin mit bundesrepublikanischen Pässen in die Sowjetunion einreisen zu lassen. Die Diskussionen über diesen sowjetischen Schritt führten zur Forderung, bei eventuellen neuen Verhandlungen Vorkehrungen gegen derBirkelbach
artige einseitige Veränderungen der Verhandlungsgrundlagen zu treffen. Die Gelegenheit dazu boten die Verhandlungen zur Verlängerung des Handelsabkommens. Der Verlauf dieser Verhandlungen mit der sowjetischen Delegation darf als bekannt vorausgesetzt werden.
Als Ergebnis kam heraus ein Schreiben des Auswärtigen Amts über den Anwendungsbereich des Protokolls, 'das mit dem sowjetischen Verhandlungsführer abgesprochen war und das die fortdauernde Einbeziehung Berlins sicherstellt.
Unter ,diesen Umständen haben wir uns entschlossen, trotz gewisser Bedenken ,der Vorlage unsere Zustimmung zu geben. Wir möchten aber unsere Haltung eindeutig klarstellen. Die Bundesrepublik hat .die Verpflichtung übernommen, die Vertretung Westberlins und seiner Bevölkerung nach außen sicherzustellen. Diese Verpflichtung bedeutet nach unserer Auffassung z. B., daß die Bundesrepublik völkerrechtliche Verträge wie Handelsabkommen usw. ohne Einbeziehung Berlins nicht abschließen kann. Meine Fraktion benutzt die Gelegenheit der Verabschiedung des Gesetzentwurfs Drucksache 2671, um ihre Entschlossenheit zu betonen, den erwähnten Grundsatz in jeder Weise voll zur Geltung zu bringen.
({0})
Keine weiteren Wortmeldungen. Die Aussprache in dritter Lesung ist geschlossen. Wer dem Gesetzentwurf in dritter Lesung zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Meine Herren, sind das Gegenstimmen? Ich möchte wissen, ob Sie dagegen stimmen wollen. - Also keine Gegenstimme! Der Entwurf ist einstimmig angenommen.
Punkt 26 a ,der Tagesordnung:
Erste Beratung des von den Abgeordneten
Schmücker, Illerhaus, Diebäcker und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Änderung des Gesetzes zur Förderung der
deutschen Eierwirtschaft ({0}).
Ich frage, ob ,das Wort zur Einbringung gewünscht wird. - Das ist nicht der Fall. Wird sonst das Wort gewünscht? - Ebenfalls nicht. Vorgesehen ist die Überweisung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten als federführenden Ausschuß, an den Wirtschaftsausschuß als mitberatenden Ausschuß und gemäß § 96 ,der Geschäftsordnung an den Haushaltsausschuß. - Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Punkt 26 b der Tagesordnung:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Reinhard, Wittmer-Eigenbrodt, Bauknecht, Hesemann, Dr. Gossel, Dr. Siemer, Wehking, Dr. Pflaumbaum und Genossen eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Förderung der deutschen Eierwirtschaft ({1}).
Wird .das Wort zur Einbringung gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Allgemeine Aussprache. - Keine Wortmeldung. Überweisung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten als federführenden Ausschuß, an den Wirtschaftsausschuß und gemäß § 96 der Geschäftsordnung an den Haushaltsausschuß als mitberatende Ausschüsse, - Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Schließlich Punkt 26 c:
c) Erste Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes zur Förderung der deutschen Eierwirtschaft ({2}).
Keine Wortmeldung. Überweisung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten als federführenden Ausschuß, an den Wirtschaftsausschuß und gemäß § 96 der Geschäftsordnung an den Haushaltsausschuß als mitberatende Ausschüsse. - Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich füge hier ein:
Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Fünfzehnten Gesetzes zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes ({3}) ({4}).
Auf das Wort zur Einbringung wird verzichtet. Wird in der allgemeinen Aussprache das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Vorgesehen ist die Überweisung an den Lastenausgleichsausschuß als federführenden Ausschuß und nach § 96 der Geschäftsordnung auch an den Haushaltsausschuß als mitberatenden Ausschuß. - Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Punkt 27 ist erledigt.
Punkt 28 der Tagesordnung:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Außenhandelsausschusses ({5}) über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf einer Fünften Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1961 ({6}) ({7}) .
Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort wünscht. - Der Herr Berichterstatter verzichtet.
Meine Damen und Herren, wird das Wort zu dem Antrag des Ausschusses auf Drucksache 2802 gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht.
Wer dem Antrag des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Punkt 29 ist abgesetzt. Ich rufe auf Punkt 30:
Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses ({8}) über den An9392
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
trag des Präsidenten des Bundesrechnungshofes betr. Rechnung und Vermögensrechnung des Bundesrechnungshofes für das Rechnungsjahr 1958 - Einzelplan 20 - ({9}).
Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort wünscht. - Der Herr Berichterstatter verzichtet.
Ich frage, ob sonst das Wort gewünscht wird. - Das Wort wird nicht gewünscht.
Wer dem Antrag des Ausschusses auf Drucksache 2796 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag des Ausschusses ist, soweit ich sehe, einstimmig angenommen.
Punkt 31 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten ({10}) über den Antrag der Fraktion der SPD betr. berufliche und soziale Sicherung Deutscher in Entwicklungsländern ({11}).
Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort wünscht.
({12})
- Sie können dennoch darauf verzichten, Herr Kollege Dr. Martin; aber Sie dürfen auch das Wort nehmen. Falls es eine Hilfe für die Beschlußfassung des Hauses ist, muß ich Sie bitten, das Wort zu nehmen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es handelt sich um den Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 2607 betreffend berufliche und soziale Sicherung Deutscher in Entwicklungsländer. Nach diesem Antrag soll die Bundesregierung ersucht werden, die Voraussetzungen zu schaffen, um eine berufliche und soziale Sicherung der Deutschen zu gewährleisten, die für kurze oder längere Zeit beruflich in Entwicklungsländern arbeiten.
Dieser Antrag ist Gegenstand von Beratungen im Unterausschuß „Wirtschaftsentwicklung fremder Völker" gewesen und hat dem Auswärtigen Ausschuß vorgelegen. Die einhellige Meinung ist gewesen, daß die Entsendung von Experten eine zentrale Bedeutung für die deutsche Förderungspolitik hat, und tatsächlich ist auch festzustellen, daß die Schwierigkeiten, die sich hier ergeben haben, in erster Linie darauf zurückzuführen sind, daß die rechtliche und soziale Sicherung als unzureichend anzusehen ist. Das Auswärtige Amt hat sich mit dieser Materie seit etwa einem halben Jahr vordringlich befaßt und hat zu seiner Behandlung zwei Unterausschüsse eingesetzt. Bei der Behandlung dieser Frage muß man zwischen zwei Gruppen von Experten unterscheiden: solchen, die von der Bundesregierung entsandt werden, und solchen, die im
Auftrage von einzelnen Firmen oder Kreisen der Wirtschaft hinausgehen. Bei den von der Bundesregierung Entsandten wiederum ist zu unterscheiden zwischen solchen, die als Fachkräfte aus der Wirtschaft, und solchen, die als Fachkräfte aus dem öffentlichen Dienst entnommen werden.
Die Wirtschaftskräfte, die von der Bundesregierung entsandt werden, schließen einen Vertrag mit der Deutschen Wirtschaftsförderungsgesellschaft. Hierbei wird auf Vorschlag des zuständigen Fachressorts nach den für ihre Tätigkeit im Entwicklungsland geltenden Merkmalen die Einstufung nach TO A vorgeschlagen. Dabei ist Grundsatz, daß die zu entsendenden Kräfte bei ihrer Tätigkeit im Ausland finanziell nicht schlechter gestellt sein dürfen als bisher. Die Berechnung ihrer Auslandsbesoldung erfolgt auf folgender Basis: Inlandsgrundgehalt gemäß Einstufung in TO A, Auslandszulage nach Zonenstufe, Multiplikation mit 1,2 im Falle der Existenz einer Ehefrau, Kaufkraftausgleich und Kindergeld. Diese Regelung entspricht nun ungefähr der Besoldung der Auslandsbeamten. Noch nicht geklärt ist die Frage von Umzugs- und Beihilfezahlungen. Hier soll jedoch eine Regelung eintreten, die den Bedingungen für Auslandsbeamte entspricht.
Die Fachkräfte des öffentlichen Dienstes werden von ihren Verwaltungen beurlaubt und schließen ebenfalls Verträge mit der Deutschen Wirtschaftsförderungsgesellschaft. Dabei unterscheidet sich die Behandlung von der der Wirtschaftsexperten nicht. Es besteht jedoch künftig die Absicht, Leerstellen zu schaffen, und zwar insgesamt im Bundesetat, auch für die von den Ländern und Kommunen zu entsendenden Kräfte.
Am wenigsten geregelt und darum am dringendsten zu ordnen sind die sozialen und rechtlichen Verhältnisse für die nicht vom Bund entsandten Kräfte, hierbei insbesondere für solche Experten, die sich nicht auf privatrechtliche Vereinbarungen mit Wirtschaftsunternehmen, mit Verbänden oder kirchlichen Einrichtungen stützen können. Vordringlich ist dabei der Ausbau eines Systems von Doppelbesteuerungsabkommen. Da hierfür ein relativ langer Zeitraum benötigt wird, versucht man entsprechende steuerliche Vereinbarungen durch besondere Abkommen im Rahmen der allgemeinen Regierungsvereinbarungen über die technische und wirtschaftliche Zusammenarbeit zu schließen. Bezüglich der freien Kräfte aus der Wirtschaft ist man in Zusammenarbeit mit Wirtschaftsspitzenverbänden bemüht, bei ihrer Rückkehr eine Wiedereingliederung in ihre Stammunternehmen zu sichern.
Alle die hiermit zusammenhängenden Probleme und Vorschläge werden gegenwärtig in den zuständigen Ressorts weitergeprüft. Meiner Ansicht nach wird es nötig sein, die Ergebnisse dieser Prüfung wieder dem Unterausschuß „Wirtschaftsentwicklung fremder Völker" und dem Auswärtigen Ausschuß zu unterbreiten, da für die Gesamtregelung eine gesetzliche Maßnahme erforderlich ist.
Ich möchte noch darauf hinweisen, daß sich etwa 150 deutsche Gelehrte im Ausland befinden, die
noch vor der Zeit des Beginns der Entwicklungshilfe hinausgegangen sind und deren Altersversorgung nicht geregelt ist. Ich bitte, das in den künftigen Beratungen zu beachten.
Schließlich darf ich Sie bitten, den Antrag der sozialdemokratischen Fraktion unverändert anzunehmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wird das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Antrag des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf Punkt 32 der Tagesordnung:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Verteidigung ({0}) über den Entschließungsantrag der Fraktion der FDP zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1960 ({1}).
Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? - Der Herr Berichterstatter verzichtet. Wird sonst das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht.
Wer dem Antrag des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Wir kommen zum Punkt 33 der Tagesordnung:
Beratung der Ubersicht 19 des Rechtsausschusses ({2}) über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht ({3}) .
Ich frage den Herrn Vorsitzenden des Rechtsausschusses, ob er dazu das Wort nehmen will. - Der
Herr Vorsitzende des Rechtsausschusses verzichtet. Wortmeldungen liegen nicht vor. Wer (dem Antrag des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf Punkt 34 der Tagesordnung:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Kempfler, Hörauf und Genossen betr. Unwetterkatastrophe in den Landkreisen Eggenfeld und Vilsbiburg ({4}).
Wünschen die Antragsteller das Wort? - Die Herren Antragsteller verzichten. - Wird sonst das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Es ist Überweisung an den Haushaltsausschuß vorgeschlagen. Ist das Haus damit einverstanden?-Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Wir kommen zu Punkt 35:
Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Unwetter- und Hochwasserschäden ({5}).
Wünschen die Herren Antragsteller das Wort? - Die Herren Antragsteller verzichten. Wird sonst das Wort gewünscht? - Keine Wortmeldungen.
Es ist Überweisung an den Haushaltsausschuß - federführend - und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - mitberatend - vorgesehen. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Damit sind wir am Ende unserer Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages ein auf Freitag, den 16. Juni 1961, 9 Uhr.
Die Sitzung ist geschlossen.