Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Die folgende amtliche Mitteilung wird ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 10. April 1961 gemäß § 1 Abs. 3 der ReichsschuLdenordnung die Anleihedenkschrift 1960 übersandt, die im Archiv zur Einsichtnahme ausliegt.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 12 auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung ,des Einkommensteuergesetzes, des Körperschaftsteuergesetzes, des Gewerbesteuergesetzes, des Bewertungsgesetzes, des Vermögensteuergesetzes, des Steuersäumnisgesetzes, der Reichsabgabenordnung, des Steueranpassungsgesetzes und des Gesetzes zur Förderung der Wirtschaft von Berlin ({0}) - Steueränderungsgesetz 1961 - ({1}).
Wird der Entwurf begründet? Der Herr Staatssekretär im Bundesfinanzministerium hat das Wort.
Dr. Hettlage, Staatsekretär des Bundesministeriums der Finanzen: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für den erkrankten Herrn Bundesfinanzminister möchte ich der Beratung des Steueränderungsgesetzes 1961 einige wenige und kurze Bemerkungen vorausschicken.
Die Bundesregierung ist im Jahre 1960 zum erstenmal dazu übergegangen, alle Steueränderungsabsichten für ein Jahr in einem einheitlichen Gesetz zusammenzufassen, um dadurch in die Entwicklung des Steuerrechts eine gewisse Stetigkeit zu bringen. Dieses Verfahren hat sich im Jahre 1960 bewährt, und wir setzen es 1961 fort.
Sie finden in diesem Gesetzentwurf alle jene Bestimmungen vereinigt, von denen die Bundesregierung glaubt, daß sie im Jahre 1961 bei der Einkommensteuer, bei der Vermögensteuer, bei der Gewerbesteuer und beim Verfahrensrecht geändert werden sollten; überholte Bestimmungen sollen veränderten Verhältnissen im erforderlichen Ausmaß
angepaßt werden. Nicht enthalten sind in diesem Gesetzentwurf die beabsichtigten Änderungen der Umsatzsteuer, die aus Gründen der Zweckmäßigkeit einem besonderen Gesetz, der 11. Novelle zum Umsatzsteuergesetz, vorbehalten sind.
Die Zusammenfassung in einem Jahressteuergesetz soll erreichen, daß neben diesem Gesetz im Ablauf eines Jahres keine Steuernormen beraten werden müssen. Wir nehmen damit bei uns einen Parlaments- und Verfassungsbrauch auf, den vor allem Großbritannien pflegt. Dort hat allerdings das Jahressteuergesetz eine noch weitergehende Bedeutung, weil es in unmittelbarem sachlichem und zeitlichem Zusammenhang mit dem Haushaltsplan verabschiedet wird.
Nach den bisherigen Erfahrungen dürfen wir hoffen, daß diese Konzentration der Steuerrechtsänderungen auf ein Gesetz für ein Jahr eine erzieherische Wirkung nach drinnen und draußen - d. h. auf die Bundesressorts, die Wirtschaft und die sonstigen Beteiligten - ausüben wird. Allerdings sind wir über das Ausmaß von Änderungsanträgen besorgt, die die Zusammenfassung der Steuerinitiative in einem Gesetz offensichtlich ausgelöst hat. Wir haben zum Steueränderungsgesetz 1961 über 100 Änderungsanträge bekommen, die die Arbeit des Finanzausschusses des Bundestages ganz erheblich erschweren. Sinn und Zweck der Jahressteuergesetzgebung würden verfälscht, wenn die beteiligten Wirtschaftskreise diese Gesetzgebung als einen Anlaß, geradezu als einen Aufruf ansehen würden, alljährlich bei dieser Gelegenheit Änderungen zum Steuerrecht vorzuschlagen. Es bleibt das Ziel des Bundesfinanzministers und der Bundesregierung, das Steuerrecht so gefestigt wie irgend möglich zu halten.
Auf den Inhalt des Gesetzes möchte ich nur mit ganz wenigen Worten eingehen. Drei Dinge geben dem Gesetz sein politisches und sein finanzielles Gewicht.
Zunächst etwas zu den Maßnahmen bei der Gewerbesteuer: Der politische Schwerpunkt dieses Gesetzes liegt in der vorgeschlagenen Erhöhung der Freibeträge bei der Gewerbesteuer von 2400 DM auf 7200 DM für alle Gewerbeerträge bis 50 000 DM. Auch der finanzielle Schwerpunkt liegt in dieser Maßnahme, die mit einem Einnahmeausfall von etwa 500 Millionen DM für die Gemeinden verbunden sein wird. Die gesamten finanziellen Auswirkungen der Regierungsvorlage beziffern wir auf
etwa 1 Milliarde DM, die als Steuererleichterungen der gesamten Wirtschaft und allen Steuerpflichtigen zukommen sollen.
Die Gewerbesteuer war in ihrer Entwicklung in den letzten Jahren ziemlich eingefroren. Während die Einkommensteuer seit 1949 sechsmal gesenkt worden ist, ist die Gewerbesteuer praktisch vor zwei Jahren nur mit einer geringfügigen Heraufsetzung der Freibeträge von 1200 DM auf 2400 DM angefaßt worden. Was die Bundesregierung jetzt vorschlägt, ist keine Gewerbesteuerreform. Es ist also auch kein Versuch, die Stellung der Gewerbesteuer in der Besteuerung überhaupt und insbesondere die Stellung der Gewerbesteuer im gemeindlichen Steuersystem grundlegend zu reformieren. Das Bundesfinanzministerium weiß, daß hier noch eine ungelöste Aufgabe vor uns liegt und daß wir im Zuge einer umfassenderen Neuordnung des gemeindlichen Steuersystems mit einer echten Neuordnung des Gewerbesteuerrechts beginnen müssen. Die einseitige Bedeutung, die die Gewerbesteuer für die Gemeindefinanzen hat, bei denen sie heute über 70 v. H. der Deckungsmittel ausmacht, sollte beseitigt werden.
Der Bundesrat hat beim Durchgang dieser Vorlage angeregt, zwar am Freibetrag von 7200 DM festzuhalten, die Ertragsgrenze aber auf 30 000 DM zu senken.
Ich bitte um Entschuldigung, Herr Staatssekretär.
Meine Damen und Herren, ich darf um etwas mehr Ruhe bitten. - Darf ich bitten, private Gespräche nach außerhalb des Saales zu verlegen.
Bitte sehr, Herr Staatssekretär!
Umgekehrt ist uns von anderen Seiten vorgeschlagen worden, die Ertragsgrenze von 50 000 DM ganz fortfallen zu lassen. Der Bundesminister der Finanzen wäre dankbar, wenn der Regierungsvorlage ohne Einschränkung gefolgt würde. Die wesentliche Heraufsetzung auf 7200 DM bis zu einer Ertragsgrenze von 50 000 DM will bewußt eine Maßnahme zur Entlastung der kleineren und mittleren Gewerbebetriebe sein. Es scheint uns kein Anlaß vorzuliegen, diese wesentliche Heraufsetzung der Freibeträge auch denen zukommen zu lassen, die einen Gewerbeertrag von über 50 000 DM jährlich haben.
Über den Ausgleich des Ausfalls bei den Gemeinden ist mit den Länderregierungen verhandelt worden. Anfangs haben sich Schwierigkeiten ergeben; doch zum Schluß haben fast alle Länderregierungen erklärt, daß sie einen nicht zumutbaren Ausfall bei den Gemeindefinanzen ersetzen werden. Einige wenige Länderregierungen haben sogar erklärt, daß sie den Gemeinden eine Garantie des Gewerbesteueraufkommens von 1960 auch für 1961 geben wollen.
Ich will nur wenige Zahlen nennen: Die Gewerbesteuer ist von 5,3 Milliarden im Jahr 1958 auf - abgerundet - 8,3 Milliarden im Jahr 1961 gestiegen, d. h. also binnen 3 Jahren um rund 3 Milliarden und im rechnerischen Jahresdurchschnitt um 1 Milliarde DM. Der Steuerausfall bei den Gemeinden nimmt also nur einen Teil des weiteren Steigens der Gewerbesteuer fort. Das Gesamtaufkommen würde auch nach Verwirklichung der Regierungsvorschläge nochmals um 500 Millionen DM in einem Jahr ansteigen. Das ganze Problem der Gewerbesteuer liegt weniger in der Höhe der Steuersätze, sondern darin, daß das Steueraufkommen in so einseitiger Form strukturiert ist und daß innerhalb der Gemeinden selbst die Verhältnisse außerordentlich unterschiedlich liegen, - eine bekannte Tatsache, der nur - heute jedenfalls nur - durch die Finanzausgleichsgesetzgebung der Länder annähernd begegnet werden kann.
Der zweite Schwerpunkt dieses Gesetzentwurfs liegt bei der Vermögensteuer. Auch hier beschränkt sich die Vorlage der Bundesregierung auf eine Teilanpassung an zwischenzeitliche Veränderungen der Verhältnisse. Auch dieser Schritt will nicht etwa als eine Teilreform der Vermögensteuer gewertet sein. Die Reform der Vermögensteuer liegt genauso noch vor uns wie eine Reform der Gewerbesteuer und übrigens auch eine Reform der Erbschaftsteuer. Diese drei gesetzgeberischen Aufgaben sind in dieser Legislaturperiode nicht angefaßt worden. Das konnte überwiegend aus finanzverfassungsrechtlichen Gründen nicht geschehen, zum Teil auch aus anderen Zusammenhängen.
Bei der Vermögensteuer werden die Freibeträge ganz erheblich erhöht. Sie werden durchweg verdoppelt, d. h. für jeden Ehegatten von je 10 000 auf 20 000 DM und für jedes Kind nach der Regierungsvorlage von 5000 DM auf 10 000 DM. In der Zwischenzeit ist an den Bundesminister der Finanzen die Anregung herangetragen worden, er möge sich mit einer weiteren Erhöhung, nämlich einer Vervierfachung der Freibeträge für Kinder von 5000 auf 20 000 DM, einverstanden erklären. Auch darüber wird im Finanzausschuß des Bundestages zu verhandeln sein. Bedenken gegen diese Maßnahme bestehen beim Bundesfinanzminister nicht.
Diese Erhöhung ,der Freibeträge bei der Vermögensteuer bedeutet, daß die Vermögensteuerpflicht, die heute bei einer Familie mit zwei Kindern bei einem Vermögen von 30 000 DM beginnt, in Zukunft bei der gleichen Familie erst bei einem Vermögen von 80 000 DM beginnen wird, und wenn diese Familie noch einige Spareinlagen oder anderes geldwertes Kapitalvermögen hat, kann sie sogar Freibeträge in Höhe von weiteren 20 000 DM bekommen. Das heißt - würden wir das einmal als den typischen Fall unterstellen - eine Zweikinderfamilie hat Vermögensteuer erst dann zu zahlen, wenn sie über 80 000 bis zu 100 000 DM Vermögen hat. Dabei vergessen wir bitte nicht, ,daß der Hausrat und Möbel vollständig vermögensteuerfrei sind und daß die Einheitsbewertung an sich schon eine recht niedrige Vermögensgrenze aufweist.
Diese Erhöhung der Freibeträge bei der Vermögensteuer wird dazu führen, daß ungefähr die Hälfte der heute Vermögensteuerpflichtigen in Zukunft
keine Vermögensteuer mehr zu zahlen hat. Diese Maßnahme schien der Bundesregierung nicht nur zweckmäßig, sondern auch notwendig, damit nicht die steuerliche Förderung der Vermögensbildung in breiten Schichten durch die Vermögensbesteuerung, zum Teil jedenfalls, wieder rückgängig gemacht würde. Wir wollten nicht - wenn ich es so ausdrücken darf - mit der greifenden Hand des Staates einen Teil dessen wieder wegnehmen, was wir mit der hegenden Hand des Staates durch eigentumfördernde Maßnahmen zur Vermögensbildung beigetragen haben.
Meine Damen und Herren, ich komme mit einer kurzen Bemerkung zu dem dritten Schwerpunkt des Gesetzes, der in einigen Maßnahmen bei der Einkommensteuer liegt. Vorgesehen ist eine Erhöhung der Sonderausgaben für den Abschluß von Versicherungsverträgen für freie Berufe und sonstige Selbständige. Dieser Freibetrag für zusätzliche Sonderausgaben wird um 500 DM, für Ehegatten zusammen um 1000 DM erhöht, und zwar bei Einkünften bis zu 30 000 bzw. 60 000 DM. Diese Sonderbehandlung - Zusatzausgabenbetrag für freie Berufe und sonstige Selbständige - rechtfertigt sich zum Teil aus der Tatsache, daß bei den Nichtselbständigen zur Alterssicherung durch die Beiträge der Arbeitgeber beigetragen wird, die als Betriebsausgaben steuerlich abzugsfähig sind.
Auf die sonstigen Einzelheiten zum Einkommensteuerrecht will ich nicht eingehen. Nur ein Hinweis darauf, daß trotz gewisser Bedenken die Kapitalanlagen in Entwicklungsländern einkommensteuerrechtlich wesentlich gefördert werden sollen. Diese Förderung ist in der Form einer auflösbaren Rücklage vorgesehen. Gerade zu diesem Punkte sind aus der Wirtschaft Änderungsanträge gekommen, die im wesentlichen darauf hinausgehen, statt einer auflösbaren Rücklage sofort wirksame Abschreibungen vorzusehen. Auch darüber wird im Finanzausschuß des Bundestages noch zu verhandeln sein.
Das Ausmaß der Steuerbegünstigung für Kapitalinvestitionen in Entwicklungsländern scheint uns - jedenfalls verglichen mit gleichartigen Maßnahmen anderer Länder - ungewöhnlich hoch. Es darf nicht der Eindruck entstehen, als ob diese Maßnahme sozusagen eine steuerliche Begünstigung für legalisierte Kapitalflucht wäre. Es ist schwer, eine Kontrolle über Kapitalmaßnahmen deutscher Unternehmer im Ausland auszuüben. Eine Mißbrauchsmöglichkeit wird sich hier nie ganz ausschließen lassen. Angesichts des überragenden Zweckes glaubten wir, diesen Weg dennoch gehen zu sollen, von dem, ich wiederhole es, festgestellt werden muß, daß er in der Steuergesetzgebung anderer Länder in dieser Art kein Vorbild hat.
Mit der Vorlage des Steueränderungsgesetzes 1961 will die Bundesregierung den Weg fortsetzen, auf dem sie mit gezielten Maßnahmen des Steuerrechts Eigentumsbildung, Vermögensbildung in den unteren und mittleren Einkommensgruppen zusätzlich fördern möchte. Diese Maßnahmen sind ein Schritt in der Richtung auf eine Neuordnung insbesondere bei der Gewerbesteuer und bei der Vermögensteuer. Sie sind aber nicht das, was wir unter einer wirklichen Neuordnung, unter einer Reform dieser beiden Steuern verstehen,
Die Bundesregierung wäre dankbar, wenn der Deutsche Bundestag ebenso wie der Bundesrat bei der weiteren Behandlung dieses Gesetzentwurfes dazu beitrüge, daß er tunlichst bald zum Gesetz erhoben werden kann.
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Ich eröffne die Aus-Sprache. - Das Wort hat der Herr Abgeordnete Seuffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Steueränderungsgesetz, das, wie wir soeben auch in der mündlichen Begründung gehört haben, eine Technik sein soll, in der wir irgendwie auf das Ziel des Jahressteuergesetzes zuzukommen versuchen, soll technische Änderungen zusammenfassen, soll aber auch materielle Steueränderungen jeweils zeitnah bringen, - wobei natürlich „zeitnah" im Jahre 1961 auch so zu verstehen ist: ins Wahljahr passend.
Wie Sie schon aus der schriftlichen Begründung sehen, läßt aber dieses Steueränderungsgesetz einige, auch von der Begründung - ich verweise auf Abschnitt IV der allgemeinen Begründung - als außerordentlich dringlich und eben auch in der mündlichen Begründung hervorgehobene Fragen ungelöst. Sie sind in diesem Bundestag gar nicht angefaßt worden. Es handelt sich um die Neuordnung der Gewerbesteuer - in der mündlichen Begründung erweitert auf Neuordnung des gemeindlichen Steuersystems überhaupt -, der Vermögensteuer und der Erbschaftsteuer. Auch wir sehen diese Fragen als durchaus dringlich an.
Mit dankenswerter Klarheit ist in der Begründung des Gesetzentwurfs festgestellt, warum diese Fragen zurückgestellt worden sind. Der Grund liegt darin, daß eine Neuregelung der Einheitswerte des Grundbesitzes nicht durchgeführt worden ist. Die Gründe, warum sie wieder nicht durchgeführt worden ist, sind jedem bekannt. Wir müssen diese Feststellungen festnageln; wir sagen, daß das nicht so weitergehen kann und daß die Ursachen, die zu diesem Rückstand in der Gesetzgebung geführt haben, beseitigt werden müssen.
In der Begründung sind auch andere Probleme genannt worden, das Problem der Organschaft, das Problem des Schachtelprivilegs, ich möchte richtiger sagen: das Problem der Körperschaftsteuer und der Unternehmensbesteuerung überhaupt. Auch das sind Probleme, die mit diesem letzten Steueränderungsgesetz dieses Bundestages leider nicht erledigt werden.
Das Gesetz selbst berührt eine Reihe von technischen Fragen, auf die ich nicht weiter eingehen werde. Zu den Punkten, die im zweiten Abschnitt der Begründung als besonders wichtig hervorgehoben sind, gehört zunächst die sehr weitgehende Ermächtigung für Steuerbegünstigungen zugunsten von Privatkapital, das im Sinne der Entwicklungs8916
hilfe in Entwicklungsländern angelegt wird. Es ist nur in großen Zügen angedeutet, nach welchen Gesichtspunkten das erfolgen soll. Der Rahmen ist ziemlich weit gesteckt, er bedarf noch sehr der Ausfüllung.
Wir von der Opposition sind bereit, auf den Gedanken dieser Ermächtigung einzugehen. Wir weisen aber darauf hin, daß diese Ermächtigung die absolute Verpflichtung für die Bundesregierung bedeutet, nun auch ein präzises und sachlich durchdachtes Programm ohne Verzug aufzubauen für das, was sie sich unter Entwicklungshilfe vorstellt.
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Dazu gehört insbesondere auch, daß die notwendigen Stellen aufgebaut und in die richtige Verantwortung gesetzt werden, die imstande sind, ein solches Programm überhaupt aufzubauen und nach ihm zu arbeiten.
Wir wollen auf der anderen Seite mit jeder Deutlichkeit auch sagen, daß wir nicht beabsichtigen, in den steuerlichen Begünstigungen weiter zu gehen, als die Regierung hier vorschlägt. Es ist leider geradezu symptomatisch für die Einstellung gewisser wirtschaftlicher und auch politischer Kreise, daß, bevor überhaupt ein Programm für diese Entwicklungshilfe vorliegt, in einem Zeitpunkt, wo die Hauptschwierigkeit eben darin liegt, daß ein solches Programm fehlt, sich schon alle möglichen Leute um nichts anderes bemühen wollen, als den Rahmen von vornherein noch weiter zu spannen, und schon genau wissen wollen - ohne daß überhaupt ein Programm vorliegt -, was darüber hinaus noch alles zugunsten privater Anlagen gefordert werden könnte.
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Das sind Leute, die immer nur daran interessiert sind, einen möglichst großen Rahmen für Interessentenwünsche zu haben. Solche Forderungen scheinen uns nicht im Sinne des Gedankens der Entwicklungshilfe selbst zu liegen.
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Wir möchten also nicht weiter gehen als die Regierungsvorlage und hier vor allen Dingen keine pauschalen Regelungen sehen, also etwa Pauschalwertberichtigungen, die bei der Steuer überhaupt nicht mehr hereingeholt werden können und etwa schon auf die bloße Tatsache der Auslandsanlage hier gegeben werden könnten.
Diese Bestimmung macht eine sehr intensive Verwaltungsarbeit notwendig. Aber nach unserer Ansicht ist das sorgfältigst überdachte, das allergründlichste, wenn auch großzügige Verwaltungsverfahren für diese Zwecke erforderlich und gerade gut genug.
Meine Damen und Herren, ein weiterer Punkt, der auch in der Begründung als sehr wichtig hervorgehoben worden ist - merkwürdigerweise, möchte ich allerdings sagen -, ist jene Ermächtigung für Sonderabschreibungen bei einer etwa eintretenden Konjunkturabschwächung. Es ist eine Ermächtigung, die zwar nur mit Zustimmung des Bundestages gebraucht werden soll, aber doch ganz offenbar auf pauschale Beschlüsse abzielt und dafür wieder merkwürdig spezifiziert ist. Es muß fast einigermaßen komisch erscheinen, daß gerade dieser Fall im gegenwärtigen Zeitpunkt als besonders dringlich und wichtig erachtet wird. Ganz abgesehen davon ist es merkwürdig, daß die Vorstellung besteht, im Falle des Falles, im Falle einer Konjunkturabschwächung, die eine Konjunkturspritze notwendig macht, könnten ausgerechnet Sonderabschreibungen wieder das womöglich einzige, jedenfalls aber hauptsächliche und vordringliche Mittel sein. Wir wissen doch alle, welches die Folgen der 7er-Gruppe - das sind die Sonderabschreibungen - im Einkommensteuergesetz, aus welchen Gründen, zwingenden oder nicht zwingenden, sie damals auch eingeführt sein mögen, für die Vermögensbildung und für die Einkommensverteilung in der Bundesrepublik gewesen sind. Das ist von allen Seiten dieses Hauses, auch von vielen Herren der Mehrheit, sehr oft beklagt und hervorgehoben worden. Es hat sogar einen Zeitpunkt gegeben, wo der Eindruck bestand, daß selbst der Herr Bundeskanzler einiges gesehen habe, das ihn habe angst und bange werden lassen.
Vielleicht haben einige immer noch nicht eingesehen, daß die Gesundheit und deswegen auch die Gesundungsprozesse einer Wirtschaft sich auf das Masseneinkommen stützen müssen und nicht auf Steuerbegünstigungen für Unternehmer.
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Die konservative Regierung in England will sich gerade im Augenblick für eine ähnliche Situation vorsorglich Ermächtigungen zur Erhöhung von Verbrauchsteuern geben lassen. Ich will diesem Verfahren ganz und gar nicht das Wort reden, obwohl die englische Purchase tax der deutschen Umsatzsteuer in keiner Weise vergleichbar ist. Aber Sie sehen daraus doch schon, daß für einen Fall, der eine Konjunkturspritze notwendig macht, andere und bessere Mittel als allein nur wieder Sonderabschreibungen in Frage kommen.
Im übrigen muß ich fragen: Wenn man schon besondere Instrumente der Konjunkturpolitik einbauen will, wo bleibt dann das im Augenblick doch viel aktuellere Gegenstück, nämlich das Instrumentarium für konjunkturdämpfende Maßnahmen von seiten der Regierung, etwa die Herabsetzung der Abschreibungssätze oder andere Mittel?! Daran denkt anscheinend niemand, davon spricht man nur.
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- Ja, das ist ein Kapitel, das einen veranlassen könnte, von der Sache abzuschweifen.
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Was steckt denn dahinter? Es ist ja schon ganz unverblümt ausgesprochen worden. Dahinter steckt die Vorstellung, daß der derzeitige Stand der Abschreibungen einschließlich der degressiven Zusatzabschreibungen und der Stand der Unternehmensbesteuerung überhaupt ein Minimum darstelle, unSeuffert
ter das nicht heruntergegangen werden könne, daß es sich hier um einen Besitzstand handle, der nicht angetastet werden dürfe, auch wenn die Lage einmal ganz anders sei. Das ist die Vorstellung, die wir hinter diesem Paragraphen erkennen und der wir uns in gar keiner Weise anschließen können.
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Da scheiden sich also die Geister sehr, und da können wir nicht mitmachen.
Nun zu der Frage der Gewerbesteuersenkung für natürliche Personen und Personengesellschaften. Soeben ist von Herrn Staatssekretär Hettlage hervorgehoben worden, daß das der finanzielle Schwerpunkt der ganzen Vorlage ist. Es ist natürlich sehr beachtlich, daß der finanzielle Schwerpunkt eines Steueränderungsgesetzes im Bundestag bei Steuern liegt, die die Bundeskasse nichts angehen und die allein anderen Steuerträgern gehören.
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Wir möchten keinen Zweifel darüber lassen, daß wir Steuersenkungen zugunsten des gewerblichen Mittelstandes, vor allen Dingen desjenigen, der in persönlicher unternehmerischer Verantwortung da tätig ist, wo es praktisch auf eigene selbständige Arbeit hinausläuft, sehr gern mitmachen. Aber wir finden es nicht sehr anständig, solche Gedanken, die im Wahljahr natürlich sehr passend sind, ausschließlich auf Kosten der hier im Bundestag wehrlosen Gemeindekassen verwirklichen zu wollen,
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und das sogar mit Steuervorteilen für Bund und Länder!
Der Ausfall wird bekanntlich auf 530 Millionen DM, ohne die Stadtstaaten auf 480 Millionen DM berechnet. Damit verbunden sind 120 Millionen DM allein an Mehreinnahmen für Bund und Länder. Herr Staatssekretär Hettlage hat am 12. Dezember 1960 im Bundestag allein den unzumutbaren Ausfall auf 250 Millionen DM bei den Gemeinden beziffert. Ich fürchte, das ist noch eine sehr konservative Schätzung, wenn ich bedenke, daß der Ausfall allein in München 12 bis 15 Millionen DM beträgt. Das ist ein Ausfall, der bei der Lage dieser ungefähr finanzschwächsten aller deutschen Großstädte in vollem Umfang als ein unzumutbarer bezeichnet werden muß.
Ich spreche hier nicht von der Frage der Einkommensgrenze. Leider ist die Frage der Einkommensgrenze nichts, was das Problem wesentlich verändert. Das ist eine Frage von 10 bis 20 0/o mehr oder weniger Ausfall mit außerordentlich verschiedener Auswirkung bei den einzelnen Gemeinden. Das Problem selbst wird dadurch nicht wesentlich geändert, ob Sie überhaupt Einkommensgrenzen festsetzen oder sie etwas heruntersetzen, oder was sonst.
Meine Damen und Herren, wir sind der Ansicht, daß, da nun in diesem September Bundestagswahlen stattfinden und nicht Landtags- und Kommunalwahlen, man sich auch entschließen sollte, die gewünschte steuerliche Erleichterung für den gewerblichen Mittelstand aus Bundesmitteln zu beschaffen,
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das heißt auf dem sehr viel wirksameren Weg einer Umsatzsteuersenkung,
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wofür Ihnen präzise Anträge der SPD auf Senkung der Umsatzsteuer von 4 auf 3 % für die Umsätze bis zu 120 000 DM jährlich bereits vorliegen. Diese Anträge würden den Betroffenen ein Vielfaches der Steuererleichterungen bringen, die Sie hier über die Gewerbesteuer vorsehen, ohne daß die Gemeinden in Beklemmung geraten. Die dritte Säule ist doch nicht die Säule, auf die man nach Bedarf immer nur ablädt.
Es hat einmal Zeitungsmeldungen gegeben, in denen es geheißen hat, daß die viel gelästerte Grüne Front zu der Erkenntnis gekommen sei, daß die Gewerbesteuersenkung gerade sehr viele ländliche Gemeinden in ihrer Existenzfähigkeit - im Hinblick auf ihre Aufgaben - bedrohen könnte. Die Grüne Front soll sehr mit Recht und Besorgnis erwogen haben, daß dann in diesen Gemeinden nur Grundsteuererhöhungen der Ausweg sein könnten. Die Grüne Front soll daher den Entschluß gefaßt haben, diese Steuersenkung aus fremden Taschen zu verhindern und dafür den viel mittelstandsfreundlicheren Anträgen ,der SPD zu einer Reform der Umsatzsteuer ihre Zustimmung zu geben.
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- Alles zu seiner Zeit, Herr Dresbach!
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- Ich beziehe mich auf Zeitungsmeldungen und auf Begründungen in diesen Meldungen, die vollständig logisch und einleuchtend sind. Ich möchte im Interesse der Gemeinden und vor allem des gewerblichen Mittelstandes, für den das viel besser wäre, hoffen, daß sich das bewahrheitet. Wir, meine Damen und Herren, möchten jedenfalls großzügig aus eigener Tasche sein und möchten dem gewerblichen Mittelstand mehr zukommen lassen und nicht gerade die Gemeinden, auf deren Leistungen und Leistungsfähigkeit der Mittelstand so sehr angewiesen ist, schwächen.
Wir möchten keinesfalls die vorgeschlagene Operation mitmachen, ohne daß sichergestellt ist - aber auch wirklich sichergestellt ist, meine Damen und Herren -, daß keine Gemeinde einen unzumutbaren Ausfall erleidet bzw. daß ein Ausfall ersetzt wird. Ich möchte bezweifeln, ob Erklärungen der Länder, in welcher Form sie auch bisher vorliegen mögen, schon eine solche Sicherheit bieten können.
Welche Schwierigkeiten diese Sicherstellung macht, brauche ich hier nicht darzulegen, glaube aber, daß diese Schwierigkeiten ein Grund mehr sein sollten, den richtigeren Weg zugunsten des gewerb8918
lichen Mittelstandes zu gehen und den Anträgen der SPD zur Umsatzsteuer zu folgen.
Ich komme zu den vorgeschlagenen Erhöhungen bei den Vermögensteuerireibeträgen und Bewertungsfreibeträgen. Einverstanden, sage ich, einverstanden; aber wir werden Sie dann erst recht ersuchen, auch dem Antrag Ihre Zustimmung zu geben, gleichzeitig die Abzugsfähigkeit der Vermögensteuer bei der Einkommensteuer zu beseitigen. Das ware ein Anfang zur Neuordnung der Vermögensteuer; denn das ist ja die Aufgabe, und auch in der Begründung des Gesetzes wird es als ein Rückstand der Gesetzgebung bezeichnet, daß es noch nicht dazu gekommen ist.
Das ist noch nicht die Frage einer progressiven Gestaltung der Vermögensteuer - eine Frage, die durchaus der Überlegung wert wäre -, sondern das ist zunächst nur einmal die Beseitigung der Degressivität der Vermögensteuer, die darin besteht, daß der Empfänger eines hohen Einkommens praktisch die Vermögensteuer, die sonst ein anderer zu einem erheblichen Teil 'selber zahlen muß, nur zur Hälfte zahlt. Gerade wenn Sie die Vermögensteuerfreibeträge jetzt erhöhen, ist die Abzugsfähigkeit bei der Vermögensteuer nur noch eine einseitige Begünstigung hoher Einkommen. Um so berechtigter ist dieser Antrag, zumal die Beseitigung der Abzugsfähigkeit der Vermögensteuer genügen würde, um den Normalsteuersatz für das Durchschnittseinkommen von 20 % auf 18 % zu senken. Auch das werden wir beantragen.
Wir Sozialdemokraten gehen immer von der Erkenntnis aus, daß die Verbesserung der Vermögensstruktur in der Bundesrepublik über die Erleichterung der Vermögensbildung bei Massen- und Durchschnittseinkommen zu erfolgen hat. Das kann wieder nur durch steuerliche Entlastung eben dieser Einkommenschichten erfolgen, die in der Bundesrepublik immer noch - direkt und indirekt - viel höher besteuert sind ich kann nicht müde werden, das zu wiederholen - als in den vergleichbaren Ländern.
Die Beseitigung der Abzugsfähigkeit der Vermögensteuer, die gerade nach der Erhöhung der Freibeträge ein Privileg der hohen Einkommen ist, würde ausreichen, um für das Massen- und Durchschnittseinkommen zur Erleichterung seiner Vermögensbildung und damit zu einer wesentlichen Verbesserung der Vermögensbildung überhaupt den Steuersatz von 20 % auf 18 % zu senken. Das werden wir beantragen.
Diese Normalsteuerpflichtigen, mit Einkommen bis zu 16 000 DM -, machen, wie Sie wissen, rund 90 % aller Steuerpflichtigen aus. Diese Gruppe der Normalsteuerpflichtigen umfaßt vor allen Dingen 95 bis 98 % aller Lohnsteuerpflichtigen, aller in unselbständiger Arbeit, im Arbeitnehmerverhältnis Stehenden. Wir glauben, daß in dieser Situation auch für die Arbeitnehmer selber endlich einmal etwas getan werden muß, die doch auch schließlich neben dem gewerblichen Mittelstand ihre Rechte und ihre Ansprüche haben. Sie stellen heute auch eine wichtige mittelständische Schicht dar, Man darf nicht vergessen, daß von der Kaufkraft dieser Schicht der Arbeitnehmer das Wohlergehen gerade ,des gewerblichen Mittelstandes weitgehend abhängt; denn gerade diese Schicht stellt ,den allergrößten Teil seiner Kunden.
Ich werde Ihnen, meine Damen und Herren, in dieser kurzen Rede nicht die vielen Gründe wiederholen, warum ein Ausgleichsfreibetrag für Arbeitseinkommen einfach aus Gründen der Steuergerechtigkeit erforderlich ist. Aber ich erinnere daran, daß man sich im Jahre 1958 viel darauf zugute getan hat, daß durch die damalige Tarifreform, durch die einige vorher hartnäckig abgelehnte SPD-Anträge verwirklicht worden sind, fast die Hälfte der Arbeitnehmer, natürlich die schwächste Hälfte, die eigentlich schon gar nicht belastbare Hälfte, aus der Lohnsteuerpflicht herausgenommen worden ist. Eine überwiegende Mehrheit dieses Hauses - einige hartnäckige Gegenstimmen sind immer dagewesen - hat das begrüßt.
Es ist aber weiter bekannt, daß infolge der Preisentwicklung, der Konjunkturentwicklung und der ihr folgenden Lohnentwicklung die lohnsteuerbefreiten Arbeitnehmer heute bereits nicht mehr annähernd die Hälfte, sondern vielleicht nur noch ein Drittel der Arbeitnehmer ausmachen. Infolge dieser Entwicklung sind inzwischen schon wieder Millionen aus dieser schwächsten Schicht der Arbeitnehmer in die Lohnsteuerpflicht hineinwachsen, ohne daß sich ihre relative Lage und die absolute Lage ihrer Lebenshaltung und ihrer Steuerfähigkeit dabei verbessert hätte. Daß es auf diese Art und Weise und bei solchen Entwicklungen mit der gewünschten breiten Vermögensbildung nicht weitergehen kann, dürfte klar sein.
Wir halten es deswegen für hoch an der Zeit, daß wir wieder einmal an die Forderung des Freibetrages für Arbeitseinkommen erinnern. Wir halten das für eine notwendige Ergänzung gerade zu der hier vorgeschlagenen Entlastung des gewerblichen Mittelstandes. In der heutigen Situation und bei der Notwendigkeit eines Ausgleichs der soeben geschilderten Entwicklung bei der Lohnsteuer sollte dieser Freibetrag etwa bei 600 DM im Jahre liegen.
Wir werden erwägen, ob als weitere Maßnahme zur wirklichen Verbesserung der Vermögensbildung das Sparprämiengesetz etwa zugunsten kinderreicher Familien im Sinne eines durchdachten Familienprogramms verbessert werden müßte. Wir behalten uns vor, Ihnen solche Vorschläge unabhängig von diesem Gesetz zu übergeben.
Ich möchte noch dem Wunsche Ausdruck geben, daß entspechend der neulich geäußerten Bereitwilligkeit des Herrn Finanzministers vielleicht schon in diesem Gesetz etwas für die steuerlichen Hilfen für Ausbildungskosten geschieht. Wie nötig das ist, habe ich neulich hier Gelegenheit gehabt darzulegen.
Meine Damen und Herren, damit möchte ich meine Ausführungen schließen. Ich habe Ihnen dargelegt, unter welchen Gesichtspunkten und mit welchen Forderungen wir an die Bearbeitung dieses Gesetzes herangehen werden.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete von Kühlmann-Stumm.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Steueränderungsgesetz 1961 liegt uns vor. Es besteht die Gefahr, daß es unter Zeitdruck verabschiedet wird, da wir damit rechnen müssen, daß der Bundesrat Einwendungen erhebt und der Vermittlungsausschuß angerufen werden muß. Ich darf Sie daher eingangs meiner Ausführungen bitten, dem Vorschlage des Finanzausschusses zu folgen, der gebeten hat, dieses Gesetz nur dem Finanzausschuß und dem Haushaltsausschuß zu überweisen, damit es rechtzeitig verabschiedet werden kann. Die anderen Ausschüsse sollten selbstverständlich konsultiert werden. Wir wollen aber vermeiden, daß dieses wichtige Gesetz etwa nicht mehr vor Ende dieser Legislaturperiode verabschiedet werden kann.
Diese Steueränderungsgesetze sind eine sehr problematische Sache. Der Herr Staatssekretär hat sich vorhin beschwert, daß eine Fülle von Anträgen auf ihn zukommt und eine große Zahl von Verbänden und Interessengruppen im Zuge dieser Steueränderungsgesetze neue Wünsche vortragen. Der Nachteil liegt ja darin, daß diese Gesetze jedes Jahr neu eingebracht werden. Damit wird natürlich der Anreiz gegeben, entsprechende Anträge zu stellen. Der Herr Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung gerade diese Interessentengruppen sehr stark angegriffen. Wir haben im Finanzausschuß, glaube ich, über 200 Anträge zu diesem Steueränderungsgesetz liegen, und es ist schwierig, alle diese Anregungen zu bearbeiten.
Die Steueränderungsgesetze werden jedes Jahr unter einem besonderen Gesichtspunkt herausgebracht und von der Regierung hier vorgelegt. Herr Dr. Dresbach hat das einmal mit „Leipziger Allerlei" bezeichnet. Der Herr Bundeskanzler selber hat damals in seiner Regierungserklärung gesagt, unter einer echten Reform verstehe er nicht das Einschieben des einen oder anderen Paragraphen Litera x, y, z in ein vorhandenes Gesetz. Genau das ist es aber, was die Steueränderungsgesetze - so wie sie gehandhabt werden - vorsehen. Wir halten das nicht für den richtigen Weg und hoffen, daß gleich bei Beginn des nächsten Bundestages eine gesetzliche Regelung beschlossen wird, wonach die Steuergesetze für einen längeren Zeitraum geplant und abgewickelt werden, so daß wir nicht jedes Jahr wieder mit solchen Steueränderungsgesetzen zu tun haben.
Über die Reform der Finanzverfassung in diesem Zusammenhang ist bereits anläßlich der Haushaltsdebatte ausgiebig gesprochen worden, und ich glaube, die Schwierigkeiten, die sich hier ergeben, sind ebenfalls ausreichend berücksichtigt worden.
Das vorliegende Gesetz steht im Zeichen der Eigentumsbildung in breiten Schichten der Bevölkerung, und es steht im Zeichen der steuerlichen Entlastung und der Stärkung der mittelständischen Wirtschaft. Unter diesem Gesichtspunkt müssen wir es sehen, und in dieser Hinsicht müssen meines Erachtens noch Verbesserungen in dieses Gesetz eingebaut werden.
Die FDP hat hierzu verschiedene Anträge gestellt. Wir können zu unserer Freude erklären, daß diesen Anträgen in der Regierungsvorlage in weitem Umfange Rechnung getragen wird. Ich glaube aber, daß wir im Hinblick auf die augenblickliche konjunkturpolitische Lage und auf die Unruhe, die sich zur Zeit aus verschiedenen Gründen - auf die ich noch eingehen werde - in der Bundesrepublik abzeichnet, noch auf anderen Gebieten Korrekturen vornehmen sollten, um hier, soweit es die Steuergesetzgebung zuläßt, unseren Beitrag zu leisten.
In der Haushaltsdebatte ist gesagt worden, daß wir uns am Rande des Defizits bewegen. Zunächst liegen uns nur die Schätzungen für Januar und Februar 1961 vor. Danach sind in den ersten zwei Monaten dieses Jahres die Steuereinnahmen des Bundes um 17 % und die der Länder um 28 % gestiegen. Die Steigerung ist also wesentlich höher, als vorher angenommen worden war. Wir stehen auf dem Standpunkt, daß diese Steuermehreinnahmen zu Steuersenkungen verwendet werden sollten, und bitten, unsere Anträge so zu verstehen. Die- Wirtschaft in der Bundesrepublik ist die höchstbesteuerte in der gesamten westlichen Welt. Unter allen westlichen Industrieländern ist die Bundesrepublik dasjenige Land, dessen Volkswirtschaft die höchsten fiskalischen Lasten zu tragen hat.
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- Ich kann ja nur die steuerliche Gesamtbelastung hier erwähnen. Über die Differenzierung in der steuerlichen Belastung hat ja Herr Seuffert hier schon genügend Ausführungen gemacht.
Die Steuereinnahmen sind stärker gestiegen als das Sozialprodukt und machen derzeit etwa 25 % des Sozialprodukts aus. Es hat sich gezeigt, daß die öffentliche Hand in der Bundesrepublik ihr Vermögen Jahr für Jahr erheblich vergrößern konnte, im Gegensatz zur Entwicklung in den Ländern der übrigen westlichen Welt, in denen die Staatsfinanzierung stärker auf Kredite geschaltet ist, wodurch mehr Raum für die private Vermögensbildung bleibt. Bei uns werden die Aufwendungen des außerordentlichen Haushalts durch den ordentlichen Haushalt finanziert. Dadurch wurden in den Nachkriegsjahren Milliardenbeträge angesammelt, und zwar waren es im Jahre 1958 13 Milliarden, im Jahre 1959 17 Milliarden und im Jahre 1960 22 Milliarden, die in Form von Investitionen oder Darlehen von der öffentlichen Hand angelegt wurden. Ich darf hier nur auf den Wohnungsbau verweisen. Diese Zahlen stammen aus den Ausführungen des Herrn Dr. Deuß in Düsseldorf, und ich glaube, sie sind jederzeit nachzuprüfen. Dieser Vermögenszuwachs der öffentlichen Hand übersteigt den Wert der Volkswagenprivatisierung um ein Vielfaches.
Nun darf ich noch allgemein etwas zu den Maßnahmen sagen, die wir im Hinblick auf den selbständigen Mittelstand im Zuge der Steuergesetzänderung zu ergreifen gedenken. Wir dürfen nicht vergessen, daß all die Maßnahmen, die wir hier er8920
greifen, und all die Erleichterungen, die wir der mittelständischen Wirtschaft und den freien Berufen zukommen lassen, in einem großen Umfange durch die Belastungen wieder aufgefangen werden, die auf dem Gebiete der Sozialgesetzgebung gerade auf die Kreise zukommen, die in diesem Steueränderungsgesetz angesprochen werden. Ich darf dabei auf drei sehr wichtige Gesetze hinweisen, die in diesem Bundestag noch verabschiedet werden: erstens das Kindergeldgesetz, zweitens die Regelung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und drittens das Gesetz zur Eigentumsbildung in Arbeitnehmerhand, wobei wir noch nicht wissen, in welcher Form diese Gesetze endgültig verabschiedet werden. Es besteht aber kein Zweifel, daß gerade auf die Selbständigen und die mittelständische Wirtschaft sowie die freien Berufe mit diesen Gesetzen eine ganz erhebliche Belastung zukommt, die wir gar nicht hoch genug einschätzen können. Der vorliegende Gesetzentwurf gibt die Möglichkeit zum Ausgleich.
Daß das Steueränderungsgesetz 1961 keine Vereinfachung bringt, möchte ich hier nur noch einmal erwähnen. Wir hoffen, ,daß im nächsten Bundestag tatkräftig Schritte unternommen werden, um auf diesem Wege ein wesentliches Stück vorwärtszukommen.
Ich möchte noch eine allgemeine Bemerkung zu unserer Wirtschaftslage im Zusammenhang mit diesem Steueränderungsgesetz machen. Es besteht kein Zweifel, daß man mit diesem Gesetz verschiedenes erreichen kann und zumindest zu einem bescheidenen Teil in verschiedene Entwicklungen eingreifen kann, die uns augenblicklich in der Bundesrepublik beschäftigen. Der Bundesbürger leidet im Augenblick unter einer gewissen Inflationsangst. Er sagt, das Bauen wird in jedem Jahre teurer. Die Konjunktur wird dadurch angeheizt. Er bekommt ja auch den Beweis, indem er, wenn er in einem Jahr nicht gebaut hat, entsprechend mehr bezahlen muß. Die D-Mark-Aufwertung hat eine große Unruhe in die Bevölkerung gebracht.
({1})
- Sie hat eine große Unruhe in die Bevölkerung gebracht, wobei ich sie als Pfostenschuß bezeichnen möchte. Der Fußball ist ja seit Millowitschs Auftreten in Bonn einigermaßen populär geworden. Bei diesem Pfostenschuß wird scharf geschossen; es gibt einen großen Knall, die gegnerische Mannschaft ist vorübergehend deprimiert, aber es ist eben kein Tor. Der Präsident der Weltbank hat außerdem bereits jetzt angedeutet, daß die Absicht besteht, im Herbst die Bandbreiten zu erweitern. Dadurch ist natürlich neue Unruhe entstanden. Die Spekulation ist nicht abgebremst worden; sie ist gestiegen. Die Devisenzuflüsse bei der Bundesbank sind größer geworden. Der Export hat keine Einschränkungen erfahren. Die Preise sind, abgesehen von denen der Mineralölindustrie, nicht gefallen. Die Überhitzung der Konjunktur, die durch alle diese Maßnahmen hervorgerufen wird, ist völlig natürlich.
Um noch einmal von dem Baustopp zu sprechen: wir haben uns darüber gewundert, daß gerade der
Herr Bundesbankpräsident an die Fraktionen ein Telegramm geschickt hat, in dem er den Baustopp empfiehlt. Es ist doch eine selbstverständliche Tatsache, daß durch ,die laufende Senkung des Diskonts die Bautätigkeit angeheizt wird. Es wird doch geradezu ein Anreiz zum weiteren Bauen gegeben. Wir glauben, daß der geplante Baustopp eine Kurzschlußhandlung darstellt. Man hätte mit rechtzeitigen konjunkturpolitischen Maßnahmen dasselbe erreichen konnen. Man hätte z. B. bei der Steuergesetzgebung früher Maßnahmen zur Dämpfung ergreifen müssen. Ich stehe außerdem auf dem Standpunkt, daß dirigistische Maßnahmen, wie sie jetzt getroffen werden sollen, nicht nötig wären, wenn wir in Bund, Ländern und Gemeinden maßgehalten hätten und maßhalten würden. Man sollte aber doch verstehen, daß durch die Bekanntgabe von Baustoppideen eine Unruhe hervorgerufen wird. Die Leute bauen dann schneller. Die Konjunktur wird mehr angeheizt.
Wir sollten im Wege der Steuergesetzgebung auf einen Konsum- und Investitionsverzicht hinwirken
({2})
und Anreize dafür geben, damit es sich lohnt, nicht zu bauen, sondern das Geld entsprechend stillzulegen. Wenn solche Maßnahmen rechtzeitig getroffen warden wären, gäbe es keine Diskussion über Baustopp.
Nicht zuletzt sollten wir mit diesem Baustopp hier im Hause beginnen. In der Frage des Umbaus des Bundeshauses sollten wir mit gutem Beispiel vorangehen.
({3})
Ich möchte nun auf die Einzelheiten des Gesetzes eingehen. Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß wir im Jahre 1958 einen Einkommensteuertarifänderungsvorschlag vorgelegt haben, bei ,dessen Annahme ,die mittleren Einkommen - gerade die Einkommen derjenigen Gruppen, die hier angesprochen sind - immer noch höher belastet worden wären, als es z. B. in Amerika der Fall ist. Den Anträgen ist damals nicht Folge geleistet worden mit dem Hinweis, daß die Tarifänderung etwa 900 Millionen DM Mindereinnahmen gebracht hätte. Dabei haben Bund und Länder im nächsten Jahr erheblich größere Steuereinnahmen ausweisen können. Wir haben weiter beantragt, den § 10 a, der jetzt nur noch für Heimatvertriebene vorgesehen ist, für alle gelten zu lassen. Auch das ist abgelehnt worden.
Wir schlagen daher vor, ernsthaft zu prüfen, ob man nicht das steuerlich begünstigte Sparen, also die steuerliche Begünstigung von Kapitalansammlungs- und Sparratenverträgen, wieder einführen sollte, wobei hierbei auch die Festbesoldeten, die leitenden Angestellten besonders angesprochen werden könnten. Wir begrüßen eine Erweiterung des prämienbegünstigten Sparens, wie es zumindest in der Presse von der SPD gefordert wird. Allerdings glauben wir, daß das prämienbegünstigte Sparen bisher nicht genügende Auswirkungen auf die Konjunktur gehabt hat.
Nun wird uns entgegengehalten, daß das steuerbegünstigte Sparen nicht in vollem Umfang, nicht in
der alten Form wieder eingeführt werden könnte. Aber hinsichtlich der Begrenzung nach Jahren könnte man sich ja im Ausschuß ohne weiteres auf eine etwas längere Zeitspanne einigen. Hier ist eine Möglichkeit gegeben, dem Steuerzahler einen Anreiz zu bieten, Geld stillzulegen.
Wenn man erreichen will, daß ein Bürger der Bundesrepublik Kapital im Ausland investiert, so muß man ihm dazu einen Anreiz geben. In der Welt gibt es sehr viele Beispiele dafür, wie man das macht. Die Amerikaner haben nach meinen Informationen einen privaten Kapitalexport von etwa 40 Milliarden DM. Sie geben die Steuererleichterungen in der Form, daß diese privaten Kapitalinvestitionen in fünf Jahren voll abgeschrieben werden können. Außerdem geben Sie für Gewinne aus diesen Kapitalbeteiligungen, die im Ausland reinvestiert werden, ebenfalls steuerliche Erleichterungen.
Die Vorschläge der Bundesregierung in dieser Frage werden nicht ausreichen, um den privaten Kapitalexport wirklich zu fördern, da sie nur Rücklagenbildung vorsieht. Man muß größere Hilfe geben, denn man hegt doch den Wunsch, den Devisenturm abzubauen.
Wir Freien Demokraten wünschen, daß die Entwicklungshilfe und der Kapitalexport weitmöglichst von privater Seite ausgehen. Wir wollen nicht, daß sich in diesem Punkte wieder ein Bundesmonopol bildet. Darum sollten alle steuerlichen Maßnahmen ergriffen werden, damit die Hilfen wirklich in der von unserer Fraktion gewünschten Form gegeben werden. Die Fraktion der Freien Demokraten schlägt vor, zu überlegen, ob für Entwicklungsanleihen, soweit sie nicht vom Bund gegeben werden, nicht die gleichen Vergünstigungen eingeräumt werden können, die das Sparprämiengesetz vorsieht.
In diesem Hause bestand bei der Haushaltsdebatte Einmütigkeit darüber, daß die Ausbildungsbeihilfen für Kinder wesentlich verbessert werden sollten. Wir glauben, daß die Grenze von 25 Jahren, die heute im Gesetz vorgesehen ist, nicht ausreicht.
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- Nein! Aber Herr Krammig, Sie müssen doch zugeben, daß die Altersgrenze von 18 bis 25 Jahren, die in dem Gesetz vorgesehen ist, überholt ist, weil es leider wegen der unterschiedlichen Schulsysteme der einzelnen Länder kaum noch möglich ist, mit 18 Jahren das Abitur zu machen.
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- Nein, Herr Dr. Dresbach, das will ich weiß Gott nicht. Wir wollen die Regelung aber auf die wirkliche Studiums- und Ausbildungszeit abgestellt haben. Wir möchten, daß die 25 Jahre in die Diskussion gebracht werden.
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Wenn man auf dem Gebiet der Ausbildungsbeihilfen wirklich helfen will, dann bietet sich der § 33 a an. Wird möchten anregen, hier die Freibeträge zu erhöhen. Das sollte man tun, wenn man die Absicht hat - man hat das gesagt -, eine wirkungsvolle Hilfe zu geben.
Wir haben aus der Presse entnommen, daß die beiden großen Parteien die Absicht haben, den Freibetrag für das erste Kind generell von 900 auf 1200 DM zu erhöhen. Dieses Problem ist bei uns im Arbeitskreis auch diskutiert worden. Nach den Ohrfeigen, die wir wegen unserer Anträge vom Finanzminister bekommen haben, wagten wir gar nicht mehr, einen solchen Antrag zu stellen. Die Freien Demokraten würden aber diesen Antrag, wenn er gestellt würde, energisch unterstützen, denn das wäre wirklich eine gute Sache.
In diesen Zusammenhang gehört auch eine Angelegenheit hinein, die die Freien Demokraten schon bei den früheren Debatten über Steueränderungsgesetze nachdrücklich vertreten haben. Ich meine hier die Gleichstellung der Altersversorgung der Selbständigen mit der der Unselbständigen. Die Bundesregierung hat hierzu im Zusammenhang mit dem § 10 Vorschläge gemacht. Ich habe nicht ganz verstanden, warum der Bundesrat diese Vorschläge ablehnte. Wir würden befürworten, keine Einkommenhöchstgrenze zu ziehen. Der Finanzausschuß hat darüber schon debattiert. Wir begrüßen die Vorschläge, die die Bundesregierung zu diesem Punkte gemacht hat.
Ich darf außerdem einen Beschluß des Bundestages vom 19. Februar 1959 in Erinnerung rufen, mit dem die Bundesregierung aufgefordert wurde, zu diesem Punkt Vorschläge zu unterbreiten. In der Drucksache 2018 macht das Bundesfinanzministerium unter Bezugnahme auf die eben erwähnte Entschließung Vorschläge zur Gleichstellung der privaten Altersversorgung mit der Versorgung der Unselbständigen, auch auf dem Gebiet der Erbschaftsteuer.
Ich möchte jetzt noch einmal auf den Investitionsverzicht zu sprechen kommen. Ich habe in der letzten Debatte schon einmal angeregt, zu überprüfen, ob man nicht einen ähnlichen Weg gehen könnte, wie es die Schweiz und Schweden - wohlgemerkt unter ganz anderen Voraussetzungen - getan haben, indem man einem Steuerzahler, der ein Investitionsvorhaben nicht ausführt, sondern den entsprechenden Betrag bei der Notenbank oder wo immer für eine gewisse Zeit stillegt, dieselben Abschreibungsvergünstigungen gewährt, die er bekäme, wenn er die Investition vorgenommen hätte. Eine solche Maßnahme würde auf lange Sicht wirken. Wenn man sie früher ergriffen hätte, brauchte man vielleicht heute nicht über den Baustopp zu diskutieren.
Noch ein Wort zu den Pensionsrückstellungen. Wir bitten, die Begrenzung auf hundert Pensionszusagen zu streichen; eine solche Einschränkung ist eine mittelstandsunfreundliche Maßnahme. Wir sehen nicht ein, warum ein selbständiger mittelständischer Betrieb, der nur 10 oder 15 Pensionszusagen gegeben hat, nicht die gleichen Vergünstigungen bekom8922
men soll wie ein Betrieb mit über hundert Pensionszusagen.
Wir möchten weiterhin anregen, in die Diskussion über das Steueränderungsgesetz auch das Problem der Überstunden einzubeziehen. Der überspannte Arbeitsmarkt hat große Schwierigkeiten mit sich gebracht. Ich denke hier an Schwarzarbeit und Abwerbung. Ich selbst habe in meinem Betrieb verschiedentlich erlebt, daß Arbeitnehmer mir gesagt haben: Wozu sollen wir Überstunden machen; wir kommen dadurch in eine höhere Progression und müssen Steuern zahlen; das wollen wir nicht. Man sollte sich darüber Gedanken machen, ob es nicht richtiger wäre, den Überstundengrundlohn und die Überstundenzuschläge von der Lohnsteuer zu befreien. Ich glaube, daß damit ein wesentlicher Schritt getan würde. Es ist mir gegenüber zwar eingewandt worden, daß durch diese Maßnahme die Bestrebungen der Gewerkschaften auf weitere Verkürzung der Arbeitszeit gefördert werden könnten. Ich glaube aber, diese Einwände sind nicht stichhaltig.
Es ist, glaube ich, notwendig zu der Frage des Althausbesitzes Vorschläge zu machen; denn der Althausbesitz hinkt noch erheblich nach. Man hat zu berücksichtigen, daß in der Bundesrepublik derzeit auf 1000 Einwohner mehr Wohnungen vorhanden sind als vor dem Krieg, und es wird eines Tages so weit kommen, daß der Althausbesitz in einen wirklichen Konkurrenzkampf eintreten muß. Er sollte dann auch auf dem Gebiet der Steuergesetzgebung so weit berücksichtigt sein, daß er in der Lage ist, im Wettbewerb zu bestehen.
Ich komme zur Gewerbesteuer. Hierzu liegt unser Antrag vom Oktober vor. Wir haben den Unternehmerfreibetrag vorgeschlagen und wir haben die Grenze nach oben unbeschränkt gefordert. Die Ertragsgrenze hat bei den Debatten im Bundesrat eine große Rolle gespielt, und wir hoffen, daß es im Finanzausschuß gelingen wird, die Begrenzung fallenzulassen. Es ist bereits erwähnt worden, daß es durch diese Maßnahme selbstverständlich zu einem Rückfluß der Körperschaft- und Einkommensteuer kommt. Ich darf darauf hinweisen, daß die Länder im Januar und Februar 28 % mehr Einnahmen hatten als vorher. Ich darf weiter darauf hinweisen, daß die Gewerbesteuer in den Gemeindefinanzen bereits auf über 80 % angestiegen ist.
Ich möchte ferner an dem Kommentar, den der Finanzminister des Landes Hessen im Bundesrat zu diesem Gesetz gegeben hat, Kritik üben. Wir stehen auf dem Standpunkt, daß dieses Gesetz sehr wohl der mittelständischen Wirtschaft hilft. Es ist sehr erwünscht, daß das ganze Problem der Gewerbesteuer erneut zur Diskussion gestellt wird. Das gilt auch in bezug auf die Reform der Finanzverfassung. Deshalb können wir nicht verstehen, daß Herr Minister Conrad zum Beispiel sagt:
Trotz erheblicher Zweifel an der Begründetheit der als Mittelstandshilfe gedachten Maßnahme schlägt Ihnen der Finanzausschuß vor, einer Erhöhung des Freibetrages im Grundsatz zuzustimmen. Er weist dabei aber darauf hin, daß dadurch neue, und zwar erhebliche Kaufkraft geschaffen wird, die bei der heutigen Konjunkturlage im Grunde genommen nicht zu verantworten ist. Ob der Abzug eines Unternehmerlohnes, der mit als Grund für eine so erhebliche Erhöhung des Freibetrages angegeben wird, bei der Gewerbesteuer gerechtfertigt ist, möchte ich als mindestens zweifelhaft bezeichnen.
Für diese Ausführungen haben wir kein Verständnis. Ich glaube, daß die mittelständische Wirtschaft und die freien Berufe zur Konjunkturüberhitzung am wenigsten beigetragen haben.
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Die Länder sind in der Lage, den finanzschwachen Gemeinden den Ausgleich zu gewähren.
Die Dauerschulden und Dauerschuldzinsen bilden ein wirkliches Problem. Die Abgrenzung sollte überprüft werden, denn es entstehen erhebliche Härten.
Die Vermögensteuer ist hier angeführt worden. Wir begrüßen die von der Bundesregierung vorgeschlagene Erhöhung der Freibeträge; die Bundesregierung ist mit dieser Erhöhung unserem Antrag gefolgt. Eine weitere Anhebung - wie es von dem Herrn Staatssekretär erwähnt worden ist - erscheint uns wirklich nicht mehr notwendig; denn auf diesem Gebiet ist, glaube ich, eine wirkliche Hilfe geleistet worden. Man sollte aber prüfen, ob nicht das private Kapitalvermögen im Verhältnis zum privaten Grundvermögen noch ungerechtfertigt belastet ist. Man könnte sich Gedanken darüber machen, ob man nicht dem privaten Kapitalvermögen durch eine Anhebung der Freibeträge eine zusätzliche Hilfe gewähren könnte. Dadurch würde die private Kapitalbildung gefördert werden, und es würden Härten gemildert, die sich besonders dadurch ergeben haben, daß wir bei der letzten Vermögensteuerveranlagung z. B. die Kurse von Wertpapieren nach dem damaligen Börsenkurs bewertet haben. Dadurch sind zweifellos den Besitzern solcher Wertpapiere - und diese Art der Eigentumsbildung soll ja möglichst breit gestreut erfolgen - ganz erhebliche Nachteile entstanden.
Wir möchten dann noch einen recht wichtigen Punkt in die Diskussion bringen, nämlich die Frage: Warum zahlt die öffentliche Hand keine Vermögensteuer? Das ist mir als Neuling in diesem Hause völlig unverständlich. Ich habe das schon in meiner Heimat immer kritisiert, daß z. B. die Staatsforstverwaltungen, die ja ein unwahrscheinliches Vermögen mit einem sehr niedrigen Einheitswert haben, keine Vermögensteuer zahlen. Ich sehe eigentlich nicht ein, warum wir diesen Antrag nicht im Finanzausschuß stellen sollten.
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- Das hat mit den Holzpreisen nichts zu tun, Herr Seuffert.
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Die Staatsforstverwaltung ist leider in der Holzpreisgestaltung maßgebend. Sie hat auch dazu beigetragen, daß die Holzpreise angeheizt worden sind, besonders in Hessen. Sie haben ganz recht.
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Aber ich glaube, es wäre durchaus gerechtfertigt,
wenn man diese Frage einmal zur Diskussion stellte.
Ich möchte noch eine wichtige Frage des Steuerrechts aufwerfen. Von den Ländern ist eine Erhöhung der Streitwertgrenze von 200 auf 1000 DM vorgeschlagen worden. Das ist eine Maßnahme, die wir Freien Demokraten kritisieren müssen; denn hier wird ein Schritt unternommen, der es eben z. B. einem Steuerzahler, in dessen Fall der Streitwert in Zukunft unter 1000 DM liegt, nicht mehr möglich macht, den Bundesfinanzhof anzurufen. Wir haben sowieso nur zwei wirklich unabhängige Instanzen auf diesem Finanzgerichtswege, und ich darf in diesem Zusammenhang auf den sehr interessanten Leitartikel hinweisen, den die „Welt" gerade heute über diese Frage veröffentlicht hat.
Wir wollen auf jeden Fall keine neuen Steuern, weder jetzt noch später. Ich möchte darauf hinweisen, daß gerade die Einheitswerterhöhungen, die heute wieder von mehreren Herren angesprochen worden sind, eine ganz erhebliche zusätzliche Steuerbelastung bringen werden, und zwar gerade für die Kreise, die hier in diesem Steuränderungsgesetz besonders angesprochen werden.
({11})
- Das liegt nicht in der Hand des Bundestages. Der Herr Finanzminister hat hier erklärt, daß er die Einnahmen aus der Gewerbesteuer von jetzt 80 auf später 60 % der Gemeindefinanzen herabgesetzt haben will und daß dann die Grundsteuer 40 % der Gemeindefinanzen ausmachen soll. Aber woher wissen wir, wie das in den einzelnen Gemeindeparlamenten beschlossen werden wird?
({12})
- Sicher, aber ich wollte nur sagen, daß im Zug der Einheitswerterhöhung, die aus verfassungsrechtlichen Gründen überhaupt nicht mehr weiter verhindert werden kann, gerade auf die mittelständische Wirtschaft neue Belastungen zukommen - daran ist gar kein Zweifel - und daß diese Belastungen schon eine Steuererhöhung ausmachen werden. Das wird im nächsten Bundestag sofort auf uns zukommen.
({13})
- Ich glaube, inzwischen ist die Zeit so weit fortgeschritten - die letzte Bewertung ist im Jahre 1935 erfolgt -, daß es tatsächlich auf die Dauer nicht mehr aufzuhalten ist. Dabei wird natürlich gerade die Frage der Bewertung bei der Landwirtschaft sehr interessant sein. Wenn man heute wie damals den achtzehnfachen Ertragswert bei der Ermittlung des Einheitswertes zugrunde legt, wird die Landwirtschaft, zumindest in unseren Zonenrandgebieten, kaum höhere Einheitswerte bekommen, als sie sie bisher gehabt hat.
Wir hoffen, daß dieses Gesetz, das im Finanzausschuß schon in erster Lesung beraten ist, in verbesserter Form in das Plenum zurückkehren wird, und zwar besonders im Hinblick auf diejenigen Kreise
- das möchte ich noch einmal betonen -, die in diesem Gesetz, besonders in der Begründung der Bundesregierung, angesprochen sind: freie Berufe und die mittelständische Wirtschaft. Dabei betone ich noch einmal, daß die politische Bedeutung der kleinen und mittleren Selbständigen in unserer Bundesrepublik gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Wir müssen alle Wege beschreiten, um auf dem steuerlichen Sektor der mittelständischen Wirtschaft zu helfen, ,die eine Säule in unserer Marktwirtschaft darstellt.
Wir sollten in dem Steueränderungsgesetz alle Mittel einsetzen, und zwar drastisch einsetzen, die im Zeichen einer überschäumenden Konjunktur zum Investitionsverzicht und Konsumverzicht anregen und dem Steuerzahler den Anreiz geben, Geld stillzulegen. Wir sollten den privaten Kapitalexport fördern, erstens im Hinblick auf den Devisenturm und zweitens im Hinblick darauf, daß wir den Entwicklungsländern tatkräftig helfen wollen. Wenn uns das gelingt, werden wir, wohl nur zu einem kleinen Teil, aber immerhin dazu beitragen, daß unsere bisher so erfolgreiche Marktwirtschaft nicht durch dirigistische Maßnahmen zunächst ausgehöhlt, eines Tages aber unter Umständen ganz beseitigt werden wird.
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Das Wort hat der Abgeordnete Krammig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe nicht die Absicht, hier wie in einer Ausschußberatung zu den einzelnen Vorschriften Stellung zu nehmen, sondern ich will mich an die Vorschrift der Geschäftsordnung halten, nach der in der ersten Lesung nur über die Grundzüge eines Gesetzentwurfs gesprochen wird.
({0})
Es war vielleicht ein Fehler, daß wir im Finanzausschuß des Bundestages eine informative Besprechung durchgeführt haben. Dort ist ein großer Teil dessen, was hier vorgetragen worden ist, insbesondere von meinem Herrn Vorredner, erörtert worden; seine Partei hat ja am 18., d. h. vor zwei Tagen, eine entsprechende Pressemitteilung herausgegeben, die er uns jetzt noch einmal hier vorgetragen hat. Das war nach meinem Dafürhalten verkehrt. Wir sollten uns überlegen, ob wir in Zukunft mit den Beratungen nicht erst beginnen sollten, nachdem die Grundsatzaussprache erfolgt ist. Denn eine solche informative Besprechung führt immer dazu, Anträge von der einen oder anderen Seite hier aufzugreifen und so zu tun, als ob man sie von vornherein auch zu stellen vorgehabt hätte.
({1})
- Herr Seuffert, ich habe Sie nicht angesprochen; Sie haben sich ja einigermaßen an die Grundsätze gehalten.
Ich darf noch eine zweite Bemerkung machen. Wenn wir ,die Aussprache so fortführen, wie sie so8924
eben gepflogen worden ist, dann sehe ich uns nächstens hier ganz allein, nämlich nur diejenigen, die im Finanzausschuß sitzen. Dann geht es uns so, wie man es bei anderen Materien auch sehr oft feststellen kann: daß man das Haus zu stark strapaziert.
({2})
- Ich bin mir der Ehre bewußt, daß Sie zugegen sind, Herr Schoettle.
Ich möchte mich an die Reihenfolge halten, die der Herr Staatssekretär bei der Einbringung des Gesetzentwurfs eingehalten hat. Zunächst etwas zur Gewerbesteuer! Wir stellen uns die Frage - nachdem von interessierter Seite, insbesondere den Kommunalverbänden, gesagt wird, daß die vorgesehene Erhöhung des Freibetrages zu stark die Gemeindefinanzen tangiere -: wann ist eigentlich der Zeitpunkt für die Senkung einer Steuer gekommen?
({3})
Wenn man weiß, daß im Jahre 1956 die Gewerbesteuer einen Betrag von rund 4,2 Milliarden DM erbracht hat und im Jahre 1961 voraussichtlich einen solchen von 8,2 Milliarden DM erbringen wird - also in diesen fünf Jahren eine Verdoppelung des Steueraufkommens -, dann ist wirklich zu fragen: wann ist der Zeitpunkt für die Senkung einer Steuer gekommen, wenn nicht jetzt?
({4})
- Nun, sicher! Ich habe in der Bremischen Bürgerschaft, der ich die Ehre habe anzugehören, schon 1959 gesagt: senkt die Hebesätze, denn sonst werdet ihr es erleben, daß euch der Bundestag die Freibeträge erhöht! Hier zeigt sich die Verantwortung in den Gemeindeparlamenten. Dort sollte von den Befugnissen Gebrauch gemacht werden, die das Gesetz gibt, dann bräuchten wir hier nicht in Aktion zu treten.
({5})
Aber, meine Damen und Herren, man muß darüber hinaus sehen, wie die Gesamteinnahmen bei den Ländern gewachsen sind. Auch hier möchte ich mich auf zwei Zahlen beschränken. 1956 waren es rund 12,3 Millarden DM, 1961 wird das Ist voraussichtlich 21,3 Milliarden DM betragen. Da müßte es doch ein leichtes sein, den Gemeinden, die nun in eine finanzielle Misere geraten, durch erhöhte Finanzzuweisungen zu helfen.
({6})
Es gibt einsichtige Finanzminister genug, die schon gesagt haben, daß sie das tun werden. Wir hoffen, daß sich die übrigen Länder noch anschließen.
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Zu der Frage, ob wir es bei der Limitierung von 50 000 DM Gewerbeertrag belassen sollten, wenn die Anhebung des Freibetrages wirksam werden soll, möchte ich nur sagen, daß innerhalb meiner Fraktion ernste Erwägungen darüber angestellt werden, ob die Einführung einer solchen Grenze nicht systemwidrig ist und deshalb nicht vorgenommen werden sollte. Der damit verbundene Steuermehrausfall wird voraussichtlich 60 bis 70 Millionen
DM betragen. Das wäre nicht das schlimmste. Man würde dann wenigstens vermeiden, daß auch hier wieder etwas in das Objektsteuerrecht eingeführt wird, was da nicht hineingehört.
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Zur Vermögensteuer möchte ich nur kurz bemerken, daß wir die Erklärung des Herrn Staatssekretärs mit Befriedigung zur Kenntnis genommen haben, wonach der Herr Bundesfinanzminister nichts dagegen einzuwenden hat, wenn eine Vervierfachung der Kinderfreibeträge eintritt. Ich stelle das mit Genugtuung fest, weil die Vervierfachung einer Anregung meiner Fraktion entspricht.
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- Nun, Herr Kollege Seuffert, das kann gar kein Zufall sein; denn solange wir die Bundesregierung stellen, werden wir sehr eng mit ihr zusammenarbeiten. Ich weiß doch, daß es in den Ländern, wo Sie die Regierung stellen, gar nicht anders ist. Das ist eine Selbstverständlichkeit.
Zur Einkommensteuer habe ich hier keine Bemerkungen zu machen. Ich schließe mich dem an, was der Herr Staatssekretär für die Regierung erklärt hat. Wir sind der Auffassung, daß Verbesserungen durchgeführt werden müssen. Selbstverständlich sind wir auch der Meinung, daß in der Frage der Begünstigung von Entwicklungsanlagen sehr vorsichtig operiert werden muß. Es muß genau überschaubar bleiben, was hier an steuerlichen Anreizen geboten wird und was vertretbar ist.
({10})
Man kann nicht von vornherein Blankoschecks ausstellen, man muß erst einmal sehen, daß tatsächlich auch etwas geleistet wird.
Ich darf noch erwähnen, daß die Gesamtentlastung, die mit dieser Vorlage dem Steuerzahler zugute kommt, bei rund 1,1 Milliarde DM liegt, daß davon durch Mehraufkommen an Einkommen- und Körperschaftsteuer infolge der Erhöhung der Freibeträge bei der Gewerbesteuer etwa 135 Millionen DM wieder weggenommen werden, so daß die Nettoentlastung mit einem Betrag von etwa 1 Milliarde DM beziffert werden kann.
Ich möchte mich hierauf beschränken, weil wir heute die siebte Debatte über Steuerfragen seit dem 30. September 1960 haben. Alle diese Debatten haben sich immer wieder um das kommende Jahres-Steueränderungsgesetz, um die Umsatzsteuernovelle und um Verbrauchsteuern gedreht, so daß die Sachverständigen dieses Hauses, die die Materie sowieso beherrschen, und die übrigen Damen und Herren, die sie weniger beherrschen, allmählich müde werden dadurch, daß wir immer dasselbe wiederholen.
({11})
Meine Damen und Herren, wir haben vernommen, daß der Ältestenrat die Beteiligung mehrerer Ausschüsse zur Mitberatung empfohlen haben soll. Uns liegt aber daran, daß dieses Gesetz möglichst bald verabschiedet wird, da wir mit der Anrufung
des Vermittlungsausschusses rechnen müssen und dann noch einmal das Ergebnis der Beratungen des Vermittlungsausschusses vor Schluß dieser Legislaturperiode behandeln müßten. Daher beantrage ich die Überweisung ausschließlich an den Finanzausschuß. Selbstverständlich wird der Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung beteiligt.
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Die Beratung ist geschlossen.
Es war auch die Meinung des Ältestenrates, daß so verfahren werden sollte, wie Herr Kollege Krammig soeben beantragt hat: Finanzausschuß federführend, Haushaltsausschuß - zwangsläufig nach § 96 der Geschäftsordnung - mitberatend. Ist das auch die Meinung des Hauses? - Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 13:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Enatwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Artikels 120 des Grundgesetzes und des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Tilgung von Ausgleichsforderungen ({0}).
Der Herr Staatssekretär des Bundesfinanzministeriums begründet die Vorlage.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Begründung kann sich auf wenige Sätze beschränken. Ich darf Sie bitten, die schriftliche Begründung zu würdigen.
Diese Doppelvorlage des Bundesministers der Finanzen bedeutet einen Friedensschluß zwischen Bund und Ländern auf einem finanzrechtlichen Gebiet, das uns jahrelang beschäftigt hat. Wir haben in einer geduldigen, aber dann auch erfolgreichen Verhandlung einvernehmlich zwischen Bund und Ländern den Vorschlag zu einer Verfassungsänderung zustande gebracht. Was ,das in diesen Zeiten heißt, werden Sie selber am besten würdigen können.
({0})
Anders ausgedrückt: Es hat sich gezeigt - und das ist ein Hoffnungsschimmer für künftige Länderbesprechungen -, daß, wenn man auf beiden Seiten mit Maß, mit dem Willen zum Ausgleich an eine schwierige Sache herangeht und wenn man Geduld, unendlich viel Geduld hat, man doch zu einem befriedigenden Ergebnis kommen kann.
Zur Sache selbst kann ich mich ebenfalls auf wenige Sätze beschränken.
Die Verfassungsänderung ist - das möchte ich vorweg betonen - keine rückwirkende. Im Rechtsausschuß des Bundesrates und, wie ich höre, auch in Kreisen dieses Hohen Hauses sind Befürchtungen ausgedrückt worden, daß hier der Form oder auch dem Inhalt nach eine materielle Rückwirkung einer Verfassungsänderung vorgesehen werden solle.
Schon der Wortlaut des Art. II des Gesetzentwurfs spricht dagegen. Denn er sagt ausdrücklich, daß die Rechtswirkungen der Verfassungsänderung zu Art. 120 GG über die Kostentragung bei Bund und Ländern von Kriegsfolgelasten vom Tag der Verkündung des Gesetzes ab gelten sollen.
Der erste Satz des Art. 120 Abs. 1 GG in der durch Art. I geänderten Fassung könnte die Vorstellung erwecken, als ob hier indirekt, wenn nicht eine Rückwirkung, so doch eine Rückbeziehung der Verfassungsänderung beabsichtigt sei. Der Satz besagt, daß die bestehenden Gesetze über die Kostentragung bei Kriegsfolgelasten durch Bund und Länder nunmehr als verfassungsgemäß bestätigt werden sollen. Es handelt sich um eine Feststellung eines Rechtszustandes, nicht etwa um die rückwirkende Änderung eines früheren Rechtszustandes.
Diese Feststellung über das Bestehen eines verfassungsgemäßen Rechtszustandes war notwendig geworden, weil ,das Bundesverfassungsgerichtsurteil über die Kostenpflicht des Bundes bei Kriegsfolgelasten Zweifel und Unsicherheit über Inhalt und Grenzen des Begriffs der Kriegsfolgelasten hat aufkommen lassen. Durch die vorgesehene Änderung soll insbesondere klargestellt werden, daß etwa die auf dem Gebiet des Lastenausgleichs, der Wohnungsbauförderung und der Wiedergutmachung bestehenden Gesetze verfassungsmäßig sind und von den Ländern nicht etwa deswegen angefochten werden können, weil hier lediglich Beiträge zur Erfüllung einer Bundesaufgabe als Gemeinschaftsaufgabe vorgesehen sind.
Das ist der Sinn dieser vielfach fälschlicherweise als rückwirkend oder rückbeziehend angesehenen Verfassungsänderung.
Zum Inhalt des Gesetzes selbst brauche ich nichts zu sagen. Bund und Länder haben verabredet, daß der Schuldendienst für die Ausgleichsforderungen aus der Währungsumstellung der Kreditinstitute und der Versicherungsgesellschaften zwischen ihnen geteilt werden soll. Der Bund trägt die vollen Tilgungsleistungen. Die Länder leisten Beiträge zum Zinsendienst. Ohne diesen Vergleich zwischen Bund und Ländern wäre der Bundesfinanzminister gezwungen gewesen, eine Änderung der Finanzverfassung in der Richtung eines höheren Bundesanteils an der Einkommen- und Körperschaftsteuer vorzuschlagen. Das hätte sehr viel größere Schwierigkeiten gemacht. Deswegen - ich wiederhole es -die erfreuliche Tatsache eines verständigen Ausgleichs zwischen Bund und Ländern.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Jahn.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist sicherlich nicht einfach gewesen, diesen Vergleich, um es einmal in der juristischen Terminologie so auszudrükken, zwischen Bund und Ländern über die Verteilung der Lasten zustande zu bringen. Aber die Tatsache, daß dieser Vergleich zustande gekommen ist,
Jahn ({0})
beweist noch nicht, daß der Vorschlag einer Änderung des Grundgesetzes, der jetzt von der Bundesregierung vorgelegt wird, in Ordnung ist.
Was ist vorausgegangen? Vorausgegangen ist ein Gesetz, das hier im Hause verabschiedet worden ist. Das Gesetz über die Tilgung von Ausgleichsforderungen aus dem Jahre 1956 ist vom Bundesverfassungsgericht für nichtig und für unvereinbar mit Artikel 120 des Grundgesetzes erklärt worden. Nun wird praktisch diese Regelung, die bis zum Erlaß des Urteils oder des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichtes zu Unrecht als gültig angesehen wurde, nachträglich in das Grundgesetz hineingearbeitet. Der Herr Staatssekretär hat erklärt, mit diesem Vorschlag sei keine Rückwirkung verbunden. Ich muß ihm entgegenhalten, was dazu von der Bundesregierung selber in der schriftlichen Begründung der Drucksache 2590 ausdrücklich gesagt worden ist:
Ausgangspunkt war hierbei der Wunsch, die Regelung der Tilgung der Ausgleichsforderungen gegenüber den Gläubigern nach Maßgabe des für nichtig erklärten Gesetzes grundsätzlich wiederherzustellen und in diesem Zusammenhang die Tilgungslasten voll auf den Bund zu übernehmen.
Es heißt bei der Einleitung zu der Begründung im besonderen Teil:
Artikel 120 GG hält in der Fassung des Entwurfs für künftig neu auf die öffentliche Hand zukommende Kriegsfolgelasten an der bisherigen Fassung fest und enthält Ergänzungen nur soweit, als sie zur Aufrechterhaltung der tatsächlich bestehenden Verteilung der Kriegsfolgelasten auf Bund und Länder erforderlich sind.
Die vom Bundesverfassungsgericht für nichtig erklärte Regelung soll jetzt also doch rückwirkend bestätigt werden.
Meine Damen und Herren, das ist das, was man ganz schlicht als Rückwirkung bezeichnen muß. Das kann man nicht einfach aus der Welt diskutieren. Ich möchte mich deshalb etwas ausführlicher zu dem Problem der Rückwirkung äußern, weil meine Fraktion dagegen ganz grundsätzliche verfassungsrechtliche, aber auch verfassungspolitische Bedenken hat.
Die Frage, ob ein Gesetz überhaupt rückwirkende Kraft erhalten kann, ist eine entscheidende Frage der Rechtsstaatlichkeit schlechthin. Wissenschaft und Praxis haben das mehr und mehr erkannt und deshalb die Möglichkeit überwiegend verneint, rückwirkende Gesetze zu erlassen. Das ist ein Grundsatz, der weithin schon für einfache Gesetze anerkannt wird. Für das Gebiet des Strafrechts ist dieser Grundsatz im übrigen schon seit langem unbestritten. In Artikel 103 Abs. 2 des Grundgesetzes ist dieser Grundsatz ausdrücklich zum Verfassungssatz erhoben worden. Es ist unserer Auffassung nach bei dieser Gelegenheit zu prüfen, ob in dem Grundsatz, der in Artikel 103 Abs. 2 des Grundgesetzes steht, nicht ein allgemein verbindlicher Grundsatz unserer verfassungsmäßigen Ordnung zum Ausdruck kommt.
Wir meinen, gerade der hohe Rang des Grundgesetzes
verpflichtet uns, mit ihm besonders behutsam umzugehen und seine Glaubwürdigkeit und Verbindlichkeit nicht in Frage zu stellen. Man kann nicht in die Vergangenheit Verfassungsrecht setzen. Es würde darüber hinaus jede Rechtssicherheit zerstören, ließe man es zu, für die Vergangenheit aus Unrecht Recht zu machen.
Das soll aber nach der Regierungsvorlage zur Änderung des Artikels 120 des Grundgesetzes geschehen. Aus der Feststellung des Bundesverfassungsgerichts, das Gesetz zur Tilgung von Ausgleichsforderungen sei nichtig, wird nicht etwa die Folgerung gezogen, nun das Gesetz den Bestimmungen des Grundgesetzes anzupassen, sondern das Grundgesetz soll dem nichtigen Gesetz angepaßt werden.
Meine Damen und Herren, das ist ein Manipulieren an den Grundlagen unserer Rechtsordnung, vor dem wir nicht entschieden genug warnen können. In diesem Vorgehen der Bundesregierung liegt zudem eine bedenkliche Mißachtung der Autorität des Bundesverfassungsgerichts, dem mit der beantragten Grundgesetzänderung nachträglich die Entscheidungsgrundlage entzogen werden soll. So kann man mit der Autorität des höchsten Organs, das über die Verfassung zu wachen hat, nicht umspringen.
Machen Sie sich eigentlich keine Sorgen? Haben Sie überhaupt bedacht, wohin dieser Weg führen kann, den Sie hier einschlagen wollen?
Wir verkennen nicht, daß eine schwierige Frage geregelt werden muß. Wir sind auch durchaus bereit, daran mitzuwirken und uns mit Ihnen gemeinsam zu überlegen, in welcher Form das geschehen kann. Aber wir warnen sehr eindringlich davor, das auf dem Wege zu machen, der hier vorgeschlagen wird, nämlich einer Verfassungsänderung mit rückwirkender Kraft. .
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schmidt ({0}).
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es wird sicherlich Aufgabe des Rechtsausschusses sein, sich mit dem hier anstehenden schwierigen Problem der Rückwirkung eingehend zu befassen. Ich glaube nur, daß das Problem im vorliegenden konkreten Fall sehr viel einfacher liegt, als es Herr Kollege Jahn dargestellt hat.
Eines spricht sicherlich für die Ausführungen des Herrn Kollegen Jahn: daß nämlich in der Begründung des Gesetzes gewisse Formulierungen gebraucht sind, die zu der Annahme verleiten könnten, daß der hier anstehende Wortlaut einen solchen Rückwirkungsinhalt habe. Betrachtet man aber - ich wäre dankbar, Herr Kollege Jahn, wenn Sie mir jetzt einen Augenblick Aufmerksamkeit schenkten - den Wortlaut ohne die Begründung des verfassungändernden Gesetzentwurfs, so muß man zunächst einmal feststellen, daß in Art. II steht, daß das Gesetz mit seiner Verkündung in Kraft tritt. Das bedeutet, daß erst von diesem Tage an bestimmte Verfassungsänderungen gelten sollen.
Dr. Schmidt ({0})
Wie Herr Staatssekretär Hettlage bereits ausgeführt hat, beschäftigt sich der erste Satz, der den eigentlich verfassungändernden Charakter hat, nicht mit der Vergangenheit, nämlich mit Aufwendungen, die auf Grund der Kriegsfolgelastengesetze gemacht worden sind, sondern mit den entstehenden Aufwendungen, d. h. mit den Aufwendungen, die vom Zeitpunkt des Inkrafttretens an entstehen werden. Der Vordersatz „Soweit Besatzungskosten und die sonstigen inneren und äußeren Kriegsfolgelasten bis zum 1. September 1961 durch Bundesgesetze geregelt worden sind, . . ." bedeutet also - in gewisser Abweichung von den Ausführungen, die der Herr Staatssekretär soeben gemacht hat - nun nicht etwa die verfassungsmäßige Bestätigung dieser Gesetze und deren Verteilungsgrundsätze für die Vergangenheit, sondern er bedeutet nur, daß mit dem Inkrafttreten des Gesetzes jedenfalls diese Verteilungsgrundsätze unangefochten bleiben sollen, so daß alles, was in der Vergangenheit auf Grund dieser Gesetze geschehen ist, verfassungsmäßig nicht fundierter Tatbestand der Vergangenheit bleibt. Theoretisch könnte er also noch angefochten werden. Er wird nicht angefochten werden, weil alle Beteiligten sich in dem Vergleich für die Zukunft auf bestimmte Grundsätze geeignet haben. Sie wollen gewissermaßen die Vergangenheit als Tatsache auf sich beruhen lassen. Recht haben Sie, Herr Kollege Jahn, insofern, als die Begründung von einer Bestätigung der bisher geltenden Rechtslage spricht. Das ist aber in der nach meiner Auffassung sehr sorgfältig überlegten Formulierung nicht enthalten. Ich wäre sehr dankbar, Herr Kollege Jahn, wenn Sie im Rechtsausschuß - ich gehöre dem Rechtsausschuß
leider nicht an - diesen Gesichtspunkt mit berücksichtigen wollten.
Sie haben nämlich selbst in Ihren Ausführungen gesagt, praktisch werde es gewissermaßen nachträglich geheilt. Praktisch mag das sein. Aber Sie haben ja im Rechtsausschuß nicht darüber zu entscheiden, was praktisch die Wirkungen sind, sondern ob rechtlich die Rückwirkung von einem bestimmten Zeitpunkt an in Kraft gesetzt wird.
In einem einzigen Punkt ist die Formulierung des verfassungändernden Gesetzes schwach. Es ist das kleine Wörtchen „auch" in dem vorletzten Satz, wo gesagt wird:
Soweit Aufwendungen für Kriegsfolgelasten .. bis zum 1. September 1961 von den Ländern, Gemeinden ({1}) oder sonstigen Aufgabenträgern erbracht wurden, ist der Bund zur Übernahme von Aufwendungen dieser Art auch nach diesem Zeitpunkt nicht verpflichtet.
Das „auch" schließt natürlich insofern eine gewisse Rückwirkung ein, als es sagen soll: Vorher hat es gegolten, und jetzt wird es bestätigt; es soll auch in Zukunft gelten. Ich bitte zu überlegen, ob nicht durch die Streichung des Wörtchens „auch" dem Gesetz der Charakter der beanstandeten Rückwirkung genommen werden kann. Ich meine, verehrter Herr Kollege Jahn, das könnte die Brücke sein, um diesen geduldig und sorgfältig ausgehandelten Vergleich abzusichern. Das Gefüge unserer ganzen
Finanzwirtschaft könnte sonst auf das schwerste erschüttert werden. Das sorgfältig ausgeklügelte Werk sollte nicht durch, sagen wir, übersteigertes juristisches Formdenken unter Umständen zunichte gemacht werden. Das würde weder der Rechtsaufgabe, die wir haben, noch den praktischen Bedürfnissen gerecht.
Lassen Sie mich nun zu Ihren grundsätzlichen Ausführungen noch zwei Bemerkungen machen. Wenn wir dem Bundesverfassungsgericht rechtlich die Möglichkeit einräumen, etwas, was gegolten hat und auf Grund von Gesetzen gutgläubig praktiziert worden ist, rückwirkend für nichtig zu erklären und damit einem Geschehen, einem tatsächlichen Verhalten die Rechtsgrundlage zu entziehen - das Recht haben wir dem Bundesverfassungsgericht gegeben, und sicherlich hat das auch gute Gründe für sich -, dann müssen wir aber auch darüber nachdenken, wie man einen solchen geschaffenen, oft unwiderruflichen Tatbestand rechtlich heilen oder reparieren und in Ordnung bringen kann. Andernfalls hängt das Recht des Bundesverfassungsgerichts in der Luft; denn wir können ja einen nun einmal geschaffenen Tatbestand nicht beliebig rückwirkend umformen. Was geschehen ist, ist nun einmal geschehen.
Insofern unterscheidet sich nach meiner Auffassung ein Gesetz, das zum Ziel hat, etwas, was nachträglich seine Rechtsgrundlage verloren hat, zu heilen oder zu reparieren, d. h. eventuell auch zu bestätigen, von anderen rückwirkenden Gesetzen. Ein solches Gesetz hat überhaupt keinen echten Rückwirkungscharakter. Wirklichen Rückwirkungscharakter hat ein Gesetz nach meiner Auffassung nur dann, wenn es zu einem dem Gesetz voraufgehenden Zeitpunkt fiktiv etwas an Rechten, Verpflichtungen, Institutionen usw. begründet. Dann wird nämlich so getan, als ob in der Vergangenheit dieses oder jenes schon Rechtens gewesen wäre. Darüber bin ich mit Ihnen einig, und darüber werden wir alle im Hause einig sein: das geht nicht. Aber es muß die Möglichkeit bestehen, auf die Dauer etwas, was seiner förmlichen Grundlage beraubt worden ist, nachträglich in Ordnung zu bringen, zu heilen, zu reparieren. Aber das tut dieses Gesetz nicht einmal. Dieses Gesetz geht vielmehr von dem strengsten Standpunkt aus, den Sie, Herr Jahn, hier soeben dargelegt haben, von dem allerstrengsten: es ist nämlich eine Rückwirkung auch im Sinne der Heilung und Reparierung eines einmal vollzogenen Tatbestandes hier bewußt umschifft und vermieden worden; vielleicht mit Ausnahme des Wörtchens „auch", vielleicht mit Ausnahme einiger mißverständlicher Sätze in der Begründung.
Unter diesem Gesichtspunkt bitte ich, im Rechtsausschuß nicht die verfassungsmäßige Absicherung des Vergleiches zu gefährden.
({2})
Herr Kollege Jahn, das ist eine sehr interessante Frage. Ein Wort nur. Herr Kollege Krammig hat vorhin bei der anderen
Vizepräsident Dr. Dehler
Vorlage mit Recht gesagt: bei der ersten Lesung soll man von den Grundzügen der Vorlage sprechen. Es ist ein sehr interessantes Rechtsproblem, das Sie aufgeworfen haben. Sollen wir es wirklich jetzt bei der ersten Lesung austragen?
({0})
- Bitte schön!
Ich glaube, Verfassungsfragen sind es immerhin wert, daß sie mit hinreichendem Ernst hier diskutiert werden.
Herr Kollege Dr. Schmidt, ich glaube, der Hinweis darauf, daß in Artikel 2 steht: „Dieses Gesetz tritt am Tage seiner Verkündung in Kraft", war nicht so ganz ernst gemeint, um darzutun, daß darin keine Rückwirkung liegt. Davor wird man sich natürlich hüten, das wäre ja auch allzu offenkundig, wenn man das Gesetz auch noch ausdrücklich rückwirkend in Kraft setzen wollte. Aber materiell steckt in diesem Gesetz eine Rückwirkung, und das können Sie, glaube ich, auch mit Formulierungen nicht ausräumen. Denn es steckt doch darin die Sanktionierung eines vom Bundesverfassungsgericht ausdrücklich als nichtig erklärten Gesetzes und eines Sachverhalts, dem Sie nachträglich Verfassungskraft verleihen wollen, indem Sie dem für nichtig erklärten Gesetz nun außerdem auch noch für die Zukunft die volle Verfassungswirkung zugestehen wollen.
Ich glaube, man kann solchen Einwänden nicht damit begegnen, daß man sagt, man solle diesen kunstvollen Vergleich nicht an übersteigertem Formalismus scheitern lassen. Meine Damen und Herren, im Hinblick darauf, daß es sich hier immerhin um das Grundgesetz handelt, ist es nicht sehr angebracht, von „übersteigertem Formalismus" zu reden. Bedenken Sie bitte einmal, auf welchen Weg Sie sich begeben, wenn Sie hier einen Präzedenzfall dafür schaffen, daß Sie auf Grund einer Feststellung des Bundesverfassungsgerichts, ein Gesetz sei nichtig, daraufhin das Grundgesetz ändern. Sie können darin den Auftrag sehen - und da machen wir mit, da gibt es gar keinen Vorbehalt, wenn das notwendig ist -, das Gesetz zu ändern und im normalen Gesetzgebungsgang die Schäden, die sich herausgestellt haben - um bei Ihrer Formulierung zu bleiben -, zu reparieren. Aber Sie können es doch nicht so machen, daß Sie einen Spruch des Verfassungsgerichts zum Anlaß nehmen, dann einfach die Verfassung zu ändern. Sind Sie sich denn gar nicht bewußt, daß Sie damit überhaupt die ganze Verfassung, das ganze Grundgesetz unglaubwürdig machen und unsere verfassungsmäßige Ordnung in ihrer Vorrangigkeit überhaupt in Frage stellen?
({0})
Ich glaube, das hat nichts mit übersteigertem Formalismus zu tun, sondern es ist die Frage: Wie
stellt man sich zu diesem Grundgesetz, wie betrachtet man seine Stellung in unserer Rechtsordnung, und welchen Rang mißt man ihm bei? Ich glaube, diese Frage können wir nicht ernst genug nehmen. Anhaltspunkte dafür, daß man sie nicht ernst genug nehmen kann, haben wir ja in den letzten Monaten hinreichend gehabt.
({1})
Ich schließe die Beratung. Es ist vorgesehen Überweisung an den Rechtsausschuß - federführend - und an den Finanzausschuß und den Haushaltsausschuß - mitberatend -. - Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 18 der Tagesordnung auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung ({0}) - Immunitätsangelegenheiten - betreffend Genehmigung zur Durchführung eines Ehrengerichtsverfahrens gegen den Abgeordneten Dr. Eckhardt gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 6. Februar 1961 ({1}).
Herr Abgeordneter Wittrock erstattet den Bericht.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es handelt sich hier um einen Antrag auf Genehmigung der Durchführung eines Ehrengerichtsverfahrens gegen den Abgeordneten Dr. Walter Eckhardt. Dieser Antrag ist durch den Herrn Generalstaatsanwalt beim Oberlandesgericht in Köln veranlaßt worden. Der Generalstaatsanwalt beabsichtigt, die Durchführung eines Ehrengerichtsverfahrens einzuleiten. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde.
Im Jahre 1957 hat Herr Kollege Dr. Eckhardt in Ausübung seines Berufes als Rechtsanwalt bei der Finanzverwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen einen Antrag auf Erlaß einer Vermögensabgabe gestellt. Dieser Antrag stützte sich auf § 131 der Reichsabgabenordnung. Er hatte mit der Mandantin, für die er diesen Antrag gestellt hatte, eine Honorarvereinbarung getroffen. Danach sollten für den Fall des Erfolges dieses Erlaßantrags und des Erlaßverfahrens 10 % der im Vergleichswege erlassenen Summe als Honorar zu seinen Gunsten anfallen. Hierin sieht der Herr Generalstaatsanwalt ein standeswidriges Verhalten, zumal der danach anfallende Betrag die nach der Gebührenordnung angemessene Summe nach dem Vorbringen in diesem Verfahren wesentlich übersteigt. Daraus ergibt sich die Veranlassung für die Einleitung eines ehrengerichtlichen Verfahrens.
Der Immunitätsausschuß hat einstimmig beschlossen, dem Plenum vorzuschlagen, daß die Genehmigung erteilt werden möge. Ich darf Sie, meine Damen und Herren, bitten, im Sinne dieses Antrags des Immunitätsausschusses zu entscheiden.
Ich danke Herrn Kollegen Wittrock für seinen Bericht.
Ich stelle den Antrag des Ausschusses zur Abstimmung. Wer zuzustimmen wünscht, gebe ein Zeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 19 der Tagesordnung auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung ({0}) - Immunitätsangelegenheiten - betr. Ermächtigung zur Strafverfolgung gegen den Forstwirt Werner v. d. Ohe aus Oberohe Kr. Celle gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 6. Februar 1961 ({1}).
Auch hier berichtet Herr Abgeordneter Wittrock.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In diesem Fall beabsichtigt der Herr Oberstaatsanwalt beim Landgericht in Lüneburg, gegen den Forstwirt v. d. Ohe ein Verfahren wegen Beleidigung des Deutschen Bundestages durchzuführen. Hierzu ist die Erteilung einer Ermächtigung nach § 197 StGB erforderlich.
Folgender Sachverhalt liegt zugrunde. Der Forstwirt v. d. Ohe hat von einer Organisation, die als kommunistische Tarnorganisation anzusehen ist, ein Rundschreiben erhalten und den Eingang dieses Rundschreibens in einem Brief bestätigt. In diesem Brief sind einige für den Deutschen Bundestag beleidigende Äußerungen enthalten. Es wird da von „Hypothekenbetrug", der „vom sogenannten Bonner System in Szene gesetzt worden ist" geschrieben.
Es ist von der „Schwatzbude" die Rede. Weiterhin wird eine wertende Betrachtung darüber angestellt, daß eine Reihe von ehemaligen Nazis, Lautz und Konsorten, nun Pensionen bekämen.
In Anlehnung an seine bisherige Praxis hat der Immunitätsausschuß beschlossen, die Ermächtigung zur Durchführung des Strafverfahrens nicht zu erteilen und dem Plenum des Deutschen Bundestages einen entsprechenden Antrag zu unterbreiten. Wir haben uns in der Vergangenheit in viel krasseren Fällen auf den Standpunkt gestellt
({0})
- das ist eben die bisherige Praxis -, daß dieses Hohe Haus ein solches Maß an Souveränität und Würde besitzt, daß es durch derartige Kläffereien nicht angetastet werden kann. Infolgedessen ist in der Vergangenheit eine solche Ermächtigung nicht erteilt worden.
Ich darf Sie bitten, im Sinne des Antrags des Immunitätsausschusses zu beschließen.
Ich danke Herrn Kollegen Wittrock für seinen Bericht.
Ich stelle den Antrag Drucksache 2612 zur Abstimmung. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Gegen eine Stimme angenommen.
Wir sind am Ende der heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung ein auf Freitag, den 21. April 1961, 9 Uhr.
Ich schließe die Sitzung.