Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 4/19/1961

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Die Sitzung ist eröffnet. Vor Eintritt in die Tagesordnung kann ich heute eine ganze Reihe von Glückwünschen aussprechen: zunächst dem Abgeordneten Meitmann, der am 20. März 70 Jahre alt geworden ist, ({0}) dann dem Abgeordneten Ollenhauer, der am 27. März 60 Jahre alt geworden ist, ({1}) dem Abgeordneten Dr. h. c. Pferdmenges, der am 27. März 81 Jahre alt geworden ist, ({2}) dem Abgeordneten Meyer ({3}), der am 29. März 65 Jahre alt geworden ist, ({4}) dem Abgeordneten Geiger ({5}), der am 1. April 60 Jahre wurde, ({6}) dem Abgeordneten Höcker, der am 15. April 75 Jahre wurde, ({7}) und dem Abgeordneten Horn, der am 15. April 70 Jahre alt wurde. ({8}) Ich spreche allen Genannten die Glückwünsche des Hauses aus. Die amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen: Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 29. März 1961 den nachstehenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht gestellt: Steuerbeamten-Ausbildungsgesetz ({9}) Zweites Gesetz zur Anderung des Eignungsübungsgesetzes Gesetz zur Änderung sozialrechtlicher Vorschriften Gesetz über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1961 ({10}) Gesetz über die Umwandlung von Reichsmarkguthaben im Saarland Gesetz über eine Kreditermächtigung aus Anlaß der Erhöhung des Beitrags der Bundesrepublik Deutschland an den Europäischen Fonds Außenwirtschaftsgesetz Gesetz zu dem Abkommen vom 20. Juli 1960 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Pakistan über den Luftverkehr Gesetz zu dem Abkommen vom 28. April 1960 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Spanien über den Luftverkehr Gesetz zu dem Abkommen vom 16. Februar 1960 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Vereinigten Arabischen Republik über den Luftverkehr Gesetz zur Durchführung einer Straßenverkehrsunfallstatistik ({11}) Gesetz zu der Erklärung vom 12. November 1959 über den vorläufigen Beitritt Tunesiens zum Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen Gesetz über eine Zählung der Bevölkerung und der nichtlandwirtschaftlichen Arbeitsstätten und Unternehmen im Jahre 1961 sowie über einen Verkehrszensus im Jahre 1962 ({12}) Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln ({13}) Gesetz zum Zweiten Abkommen vom 16. August 1960 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika über gewisse Angelegenheiten, die sich aus der Bereinigung deutscher Dollarbonds ergeben Gesetz zur Anderung grundsteuerlicher Vorschriften Gesetz über die Kosten der Zwangsvollstreckung nach der Reichsabgabenordnung ({14}) Gesetz zur Anderung und Ergänzung des Ersten Neuordnungsgesetzes Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse des Reichsvermögens und der preußischen Beteiligung ({15}) Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Gewährung von Miet- und Lastenbeihilfen und des Mieterschutzgesetzes Gesetz zur Anderung des Länderfinanzausgleichsgesetzes 1958 und des Fünften Uberleitungsgesetzes. In der gleichen Sitzung hat der Bundesrat zum Gesetz über das Kreditwesen und zum Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung ({16}) verlangt, daß der Vermittlungsausschuß einberufen wird. Seine Schreiben sind als Drucksachen 2631 und 2632 verteilt. Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 14. April 1961 dem Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung ({17}) zugestimmt, nachdem der Vermittlungsausschuß das vom Bundestag in seiner Sitzung am 22. Februar 1961 beschlossene Gesetz am 13. April 1961 bestätigt hat. Der Herr Bundesminister des Auswärtigen hat unter dem 15. März 1961 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betr. Behandlung der Familie Niedermayer in der Südafrikanischen Union - Drucksache 2561 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 2618 verteilt. Der Herr Bundesminister für Wirtschaft hat unter dem 22. März 1961 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Riedel ({18}), Burgemeister, Gewandt, Illerhaus, Schmücker, Wieninger und Genossen betr. Wettbewerbsverfälschungen im Einzelhandel durch den Einsatz von sogenannten Sammelbestellern - Drucksache 2560 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 2622 verteilt. Vizepräsident Dr. Schmid Der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat unter dem 23. März 1961 die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP betr. Ffleischbeschaubestimmungen - Drucksache 2589 - beantwortet. Sain Schreiben ist als Drucksache 2624 verteilt. Der Herr Bundesminister des Innern hat unter dem 27. März 1961 die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP betr. Auswirkungen des Köperschaftsteuergesetzes auf die den Turn- und Sportvereinen gestellten Aufgaben und die damit im Zusammenhang stehende Verwirklichung des ,,Goldenen Planes" Drucksache 2580 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 2630 verteilt. Der Herr Staatssekretär des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung hat unter dem 27. März 1961 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betr. Veruntreuung von Mitteln zur Förderung des Informationswesens - Drucksache 2609 -beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 2629 verteilt. Der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat unter dem 29. März 1961 die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP betr. Zuckerrübenernte 1960 - Drucksache 2591 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 2634 verteilt. Der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hat unter dem 15. März 1961 einen Bericht über die Arbeitsmarktlage in der Bundesrepublik Deutschland und in Berlin ({19}) im Jahre 1960 mit der Bitte um Kenntnis übersandt, der an die Mitglieder des Hauses verteilt worden ist. Das Bundesversicherungsamt hat unter dem 14. März 1961 die Abrechnung über die Rentenzahlungen in der Rentenversicherung der Angestellten für die Kalenderjahre 1958 und 1959 mit der Bitte um Kenntnis übersandt. Sie liegt im Archiv zur Einsichtnahme aus. Der Herr Staatssekretär des Bundesministeriums der Finanzen hat unter dem 5. April 1961 die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP betr. Steueraufkommen aus § 12 Abs. 3 des Kapitalverkehrsteuergesetzes 1959 - Drucksache 2549 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 2641 verteilt. Der Herr Staatssekretär des Bundesministeriums für Wirtschaft hat unter dem 30. März 1961 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Schmidt ({20}), Brand ({21}), Gewandt, Dr. Serres, Schmücker und Genossen betr. die deutsche Exportwirtschaft und Kreditmittel der USA - Drucksache 2587 beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 2637 verteilt. Der Herr Staatssekretär des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat am 30. März 1961 im Nachtrag zur Beantwortung der Kleinen Anfrage der Fraktion der FDP -- Drucksachen 2060 und 2070 - und unter Bezug auf den Beschluß des Bundestages vom 16. Dezember 1960 über die Ernteschäden durch Nässeeinwirkungen im Jahre 1960 berichtet. Sein Schreiben ist als Drucksache 2642 verteilt. Der Herr Staatssekretär des Bundesministeriums des Auswärtigen hat unter dem 12. April 1961 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Zimmer, Dr. Meyer ({22}) und Genossen betr. Empfehlungen 264 und 271 der Beratenden Versammlung des Europarates über die Koordinierung der Politik der Mitgliedsregierungen - Drucksache 2625 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 2652 verteilt. Der Herr Bundesminister für Verkehr hat am 17. April 1961 unter Bezug auf den Beschluß des Bundestages vom 28. September 1956 über die Vergabe von Aufträgen durch die Eurofima berichtet. Sein Schreiben wird als Drucksache 2660 verteilt. Ich komme zu Punkt 1 der Tagesordnung: Fragestunde ({23}). Zunächst I, Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes. Frage des Abgeordneten Dr. Bucher: Wie will die Bundesregierung verhindern, daß die besondere - von der Bundesregierung offenbar bisher für richtig gehaltene - Vergabepraxis von Haushaltsmitteln aus Kap. 04 03 Tit. 300 nicht mehr zu Unterschlagungen, wie sie im Falle des Regierungsamtmanns Otto Homann festgestellt worden sind, ausgenützt werden kann? von Eckardt, Staatssekretär, Bundespressechef: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Anfrage des Abgeordneten Dr. Bucher wird wie folgt beantwortet: Regierungsamtmann Homann hatte im Rahmen seines Arbeitsgebietes u. a. die Aufgabe, die Abrechnung von Abschlagszahlungen, die durch die Bundeshauptkasse oder durch die Zahlstelle des Presse- und Informationsamtes geleistet waren, zu prüfen und zu überwachen. Außerdem verwaltete er einen Betrag von 2000 DM, um in besonderen Fällen sofort notwendige Barzahlungen vornehmen zu können. Die Zahlung der Abschläge sowie sich aus der Abrechnung ergebende Rückzahlungen wurden in der Regel durch unbaren Zahlungsverkehr über die Bundeshauptkasse abgewickelt. Lediglich in einem Teil der Fälle war es die Aufgabe Homanns, sich aus der Abrechnung ergebende Rückzahlungen in bar entgegenzunehmen und an die Zahlstelle weiterzuleiten. Da die Abschlagszahlungen häufig für Projekte, die sich über einen größeren Zeitraum erstreckten, geleistet wurden, konnten die Abrechnungen, die teilweise sehr schwierig und umfangreich waren, nicht immer kurzfristig vorgenommen werden. Homann hat bei einigen dieser Abrechnungen die Abwicklung verzögert und die weiterzuleitenden Beträge unterschlagen. Fälschungen von Belegen wurden dagegen nicht vorgenommen. Deshalb konnten die Unterschlagungen erst nach einem längeren Zeitraum festgestellt werden. Sie sind nicht durch die Vergabepraxis von Mitteln aus dem Titel 300 verursacht, sondern ergaben sich ausschließlich aus den Schwierigkeiten, die mit der Abrechnung von Abschlägen zusammenhängen. Es trifft nicht zu, daß der von Homann verwaltete Betrag zeitweise auf unkontrollierte Bestände von 10 000 DM oder mehr anwachsen konnte oder angewachsen ist. Es wurden weitere Anweisungen für die technische Durchführung des Zahlungsverkehrs erlassen und insbesondere zusätzliche Kontrollmaßnahmen getroffen.

Dr. Ewald Bucher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000288, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Eine Zusatzfrage!

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Eine Zusatzfrage.

Dr. Ewald Bucher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000288, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ist sich die Bundesregierung bewußt, daß hier durch das Zusammenwirken zweier sehr problematischer Umstände, nämlich der Verweigerung der Aussagegenehmigung und der mangelnden Kontrolle des Titels 300, der Eindruck entstanden ist, die Bonner Journalisten seien in großem Umfange aus Mitteln des Bundeskanzleramtes bedacht worden, und zwar in einer Weise, daß ihnen, wie es offenbar im Urteil heißt, „aus Gründen der Diskretion der unmittelbare Umgang mit der Kasse nicht zugemutet werden konnte"? von Eckardt, Staatssekretär, Bundespressechef: Wenn dieser Eindruck entstanden sein sollte, so würde ich das sehr bedauern; denn dieser Eindruck ist völlig falsch. Es handelt sich bei diesen Beträgen um Auszahlungen, die im Zusammenhang mit Reisen, organisierten Reisen oder Reiseeinladungen, stehen, die also in keiner Weise die journalistische Freiheit berühren.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Abgeordneter Ritzel!

Heinrich Georg Ritzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001860, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, wie und von wem wurden die Bestände der kleinen Handkasse des schuldigen Beamten kontrolliert, der nach den geltenden Vorschriften nie mehr als 2000 DM in seiner Handkasse haben durfte? Wie wurde der Jahresabschluß in bezug auf den Bestand dieser Kasse festgestellt? von Eckardt, Staatssekretär, Bundespressechef: Ich darf Ihnen, Herr Abgeordneter, auf diese Fragen antworten, daß wir die Einzelheiten dieses Vorgangs technischer wie personeller Art mit dem Finanzministerium und dem Präsidenten des Rechnungshofes erneut besprochen haben. Es sind Maßnahmen getroffen worden, die eine Wiederholung solcher Unterschlagungsvorgänge verhindern. Darüber hinaus wird in diesen Tagen nach Abschluß des Prozesses, den wir natürlich aufmerksam verfolgt haben, noch eine Besprechung mit dem Präsidenten des Rechnungshofes und mir und den leitenden Beamten der Verwaltung stattfinden, um auch nach dem Prozeß noch einmal zu überprüfen, ob jede Lücke geschlossen ist.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Herr Abgeordneter Ritzel zu einer weiteren Zusatzfrage!

Heinrich Georg Ritzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001860, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Abgesehen davon, Herr Staatssekretär, daß ich glücklich darüber bin, daß Sie nunmehr die erforderlichen Maßnahmen getroffen haben, wäre ich doch für die Beantwortung meiner Frage dankbar. Ich wiederhole sie: Was ist in der Vergangenheit geschehen, um beim Abschluß des Rechnungsjahres den Kassenbestand des schuldigen Beamten festzustellen? Wer hat ihn festgestellt? In welcher Höhe wurde er festgestellt? Welche Belege sind darüber vorhanden? Wer ist der verpflichtete Teil gewesen? von Eckardt, Staatssekretär, Bundespressechef: Ich möchte Ihnen darauf antworten, daß die Überprüfung, nach der Sie gefragt haben, durch den unmittelbaren Dienstvorgesetzten vorgenommen worden ist. Ich kann allerdings im Moment nicht jede Einzelheit dieser Überprüfungen, so wie ich sie aus meiner Amtsleitung sehe, wiedergeben, bin aber gern bereit, das schriftlich nachzureichen.

Heinrich Georg Ritzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001860, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Danke.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Kreitmeyer!

Reinhold Kreitmeyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001210, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sind Sie nicht auch der Meinung, Herr Staatssekretär, daß die sich auf Jahre verteilenden Unterschlagungen früher entdeckt worden wären, wenn dieser Fonds genauso wie andere Geheimfonds wenigstens von einer beschränkten Anzahl von Abgeordneten jährlich kontrolliert worden wäre? von Eckardt, Staatssekretär, Bundespressechef: Nein, ich glaube das nicht. ({0})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts werden am Freitag aufgerufen. Die Frage II/3 des Herrn Abgeordneten Dr. Mommer wird von dem Herrn Bundesjustizminister beantwortet; ich stelle sie einen Augenblick zurück. Wir kommen zu dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern, und zwar zunächst zur Frage III/1 - des Herrn Abgeordneten SchmittVockenhausen -; Herr Abgeordneter Folger übernimmt die Frage: Ist es richtig, daß Beamten der Deutschen Bundesbahn vorgedruckte Erklärungen zur Unterschrift vorgelegt werden, durch welche sich die Unterzeichner verpflichten, ,,private Reisen durch den sowjetischen Machtbereich sowie nach und durch Jugoslawien rechtzeitig beim Dienststellenleiter unter Mitteilung des Ziels, der Dauer und des Zwecks der Reise anzuzeigen"?

Not found (Staatssekretär:in)

Im Einvernehmen mit dem Herrn Bundesminister für Verkehr beantworte ich die Frage des Herrn Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen wie folgt: In Übereinstimmung mit der Regelung für die großen Bundesverwaltungen besteht seit mehreren Jahren für die Bediensteten der Deutschen Bundesbahn die Verpflichtung, private Reisen in und durch den sowjetischen Machtbereich sowie nach und durch Jugoslawien vorher dem Dienststellenleiter unter Mitteilung des Zieles, der Dauer und des Zweckes der Reise anzuzeigen. Mit Rundschreiben des Vorstandes der Deutschen Bundesbahn vom 12. Dezember 1960 sind die Bundesbahnbediensteten nochmals auf ihre Anzeigepflicht hingewiesen worden. Der Hinweis war durch Unterschrift zu bestätigen.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Herr Abgeordneter Folger zu einer Zusatzfrage!

Erwin Folger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000566, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung bekannt, daß auf der von den Bediensteten ,der Bundesbahn zu unterzeichnenden Erklärung ursprünglich ein zweiter Punkt vorhanden war, der besagte, daß der Bedienstete verpflichtet ist, nach seiner Rückkehr unverzüglich über etwaige Anbahnungsversuche oder den Verdacht solcher Versuche von seiten gegnerischer Nachrichtendienste - z. B. Verleitung zu landesverräterischen Handlungen, Verletzung der Amtsverschwiegenheit usw. - oder über den Versuch der Ausnutzung für Zwecke kommunistischer Propaganda oder für ähnliche Zwecke dem Dienststellenleiter Mitteilung zu machen, und daß diese gestrichene Verpflichtungserklärung jetzt auf dem Antragsformular für die Erteilung eines Fahrtausweises enthalten ist, und was sagt die Bundesregierung zu diesem Teil der Verpflichtungserklärung?

Not found (Staatssekretär:in)

Das, was Sie eben vorgetragen haben, Herr Abgeordneter, ist mir nicht bekannt. Im übrigen beruht die Regelung, von der ich ge8820 sprochen habe und die für sämtliche Bundesverwaltungen gilt, auf Fürsorgegründen und auf Sicherheitsgründen. Ich möchte die Bereitschaft erklären, darüber im Ausschuß für innere Angelegenheiten, der für die Fragen der Sicherheit zuständig ist, nähere Auskunft zu geben.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Zweite Zusatzfrage!

Erwin Folger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000566, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, darf ich Sie bitten, dann die Auskunft auch darauf zu erstrecken, wie die Bundesregierung diese Erklärung mit ihren früheren Äußerungen glaubt vereinbaren zu können, daß Besuchsreisen in die SBZ igefördert werden sollen.

Not found (Staatssekretär:in)

Auch darüber wird Auskunft gegeben werden.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Die Frage ist damit beantwortet. Frage III/2 - des Herrn Abgeordneten Dr. Imle -: Hält die Bundesregierung es für vertretbar, daß in den Ministerien je nach Liebhaberei des zuständigen Ressortministers für Angehörige des Ministeriums entsprechende Sportanlagen aus Steuergeldern geschaffen werden, wie es nach Zeitungsmeldungen der Herr Bundespostminister mit dem Bau einer Kegelbahn beabsichtigt?

Not found (Staatssekretär:in)

Ich darf diese Frage im Einvernehmen mit dem Herrn Bundesminister für das Post-und Fernmeldewesen wie folgt beantworten: Die Bundesregierung hält es für durchaus wünschenswert, wenn den Angehörigen der Ministerien Gelegenheit gegeben wird, sich in ihrer Freizeit sportlich zu betätigen. Insofern gilt für die Ministerien nichts anderes als für dieses Hohe Haus. Im allgemeinen ist die sportliche Betätigung der Bediensteten der Ministerien durch Inanspruchnahme bestehender Einrichtungen, insbesondere durch die Benutzung städtischer oder staatlicher Übungsstätten, möglich. Daher hat sich bisher auch keine Notwendigkeit ergeben, eigene Sportanlagen der Ministerien zu errichten. Mit dem Bau einer Kegelbahn im Bundesministerium für das Post- und Fernmeldewesen hat es folgende Bewandtnis: Die Vertretung des Personals des Bundesministeriums für das Post- und Fernmeldewesen und der Postsportverein Bonn sind schon vor längerer Zeit an den Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen mit ,der Bitte um Errichtung einer Kegelbahn herangetreten. Der Bundespostminister ist diesem Wunsche jetzt nachgekommen, indem er gelegentlich anderer notwendig gewordener Arbeiten einen Teil der Kellerräume des Ministeriums zu einer Kegelbahn ausbauen ließ und damit die Bitte der Postbediensteten auf die wirtschaftlichste Weise erfüllte.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Eine Zusatzfrage!

Dr. Wolfgang Imle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000994, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, welche Kosten sind durch den Bau der Kegelbahn entstanden?

Not found (Staatssekretär:in)

Diese Frage kann ich nicht beantworten. Ich bitte, deswegen den Herrn Bundespostminister zu fragen.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Noch eine Zusatzfrage!

Dr. Wolfgang Imle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000994, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Handelt ,es sich um eine voll elektrisch ausgebaute Bahn? ({0})

Not found (Staatssekretär:in)

Wie ich Ihnen sagte, ist der Ausbau auf Wunsch der Postbediensteten gelegentlich der Arbeiten erfolgt, die jetzt im Postministerium vorgenommen worden sind. ({0})

Dr. Wolfgang Imle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000994, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich habe gefragt, ob es sich um eine elektrisch ausgebaute Kegelbahn handelt; das ist doch sportlich interessant.

Not found (Staatssekretär:in)

Das entzieht sich leider meiner Kenntnis.

Dr. Wolfgang Imle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000994, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Kann ich darauf und auf die Frage, wie hoch die Kosten waren, noch eine Antwort bekommen?

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Ich glaube, daß das Hohe Haus dankbar für die Aufklärung sein wird, auf wieviel verschiedene Weisen man Kegelbahnen bauen kann. Ich habe es bisher nicht gewußt. ({0}) Frage III/3 - des Abgeordneten Felder -: Billigt der Herr Bundesinnenminister die Haltung der zuständigen Behörden, die bei der Aufbahrung und dem Abtransport der Opfer des Flugzeugunglücks im Landkreis Forchheim dem Verzicht der tschechoslowakischen Delegation auf polizeiliche ({1}) Vorschriften und auf ein internationales Abkommen entsprochen haben, obwohl dieser Verzicht zu höchst unwürdigen, von der Bevölkerung der Orte Gräfenberg und Erlangen mit lebhaftem Unwillen beobachteten Vorgängen führte und die Bildung einer böswillig-unsachlichen Darstellung des Falles im Ostblock begünstigt?

Not found (Staatssekretär:in)

Die Frage des Herrn Abgeordneten Felder darf ich wie folgt beantworten: Für die Maßnahmen, die die bayerischen Verwaltungsbehörden anläßlich des Flugzeugabsturzes im Landkreis Forchheim getroffen haben, liegt die Verantwortung beim bayerischen Staatsministerium des Innern. Ich kann daher nur das berichten, was das Ministerium zu der Frage mitgeteilt hat. Aus seiner Stellungnahme geht hervor, daß die außerordentlichen Schwierigkeiten des bedauerlichen Katastrophenfalles zu gewissen, von tschechischer Seite geStaatssekretär Dr. Anders billigten Abweichungen von ,der vorgeschriebenen Behandlung ,der Leichen der Opfer geführt haben. Bis zum Abtransport der Leichen aus Erlangen waren ständig Ärzte zugegen, die dafür sorgten, ,daß den Erfordernissen der Hygiene entsprochen wurde. Von einem Unwillen der Bevölkerung ist in Gräfenberg nichts bemerkt worden. Lediglich in Erlangen wurde der Zustand der Holzsärge bemängelt. Die Behörden haben sich trotz aller Schwierigkeiten bemüht, für einen würdigen Ablauf der Aufbahrung und des Abtransports zu sorgen. Die Mehrzahl der verwandten Holzsärge ist in Erlangen ausgewechselt worden. Von tschechischer Seite ist das Verfahren der bayerischen Behörden anerkannt worden, und es ist bestätigt worden, daß der Transport in einwandfreiem Zustand in Prag eingetroffen sei. Es würde hier zu weit führen, Idie Stellungnahme des bayerischen Staatsministeriums des Innern in allen Einzelheiten wiederzugeben. Wenn Sie, Herr Abgeordneter, es aber wünschen, sind wir gern bereit, Ihnen diese Stellungnahme zuzuleiten.

Josef Felder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000528, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Darf ich um die schriftliche Beantwortung bitten? Sie haben sie ja wohl schon zugesagt.

Not found (Staatssekretär:in)

Ja.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz. Ich rufe auf die Frage IV/1 - des Abgeordneten Dr. Schmidt ({0}) -: Welche Schritte sind im Rahmen der Vorbereitung der GmbHRechts-Reform in Aussicht genommen, um die im EWG-Vertrag erwartete Annäherung bzw. Angleichung der Gesellschaftsrechte der sechs Mitgliedstaaten zu erreichen?

Fritz Schäffer (Minister:in)

Politiker ID: 11001935

Die Reformbestrebungen in den EWG-Staaten werden sorgfältig beobachtet, um sie gegebenenfalls bei der Reform des deutschen GmbH-Rechts zu berücksichtigen. Da die Reformziele in den EWG-Staaten weitgehend übereinstimmen dürften, besteht nicht die Gefahr, daß eine nationale Reform eine Annäherung oder Angleichung des GmbH-Rechts in den EWG-Staaten erschwert.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Keine Zusatzfrage. Ich rufe auf die Frage IV/2 - des Abgeordneten Dr. Schmidt ({0}) -: Sieht die Bundesregierung die Möglichkeit bzw. die Notwendigkeit, die Frage einer Harmonisierung der europäischen Gesellschaftsrechte auf der Ebene des Europarates zu erörtern?

Fritz Schäffer (Minister:in)

Politiker ID: 11001935

Bereits nach dem EWG-Vertrag sind die Gesellschaftsrechte der EWG-Staaten in einem bestimmten Umfange zu koordinieren. Die EWG-Kommission hat deshalb schon vor längerer Zeit eine Untersuchung über die in den einzelnen EWG-Staaten geltenden Vorschriften zum Schutze der Gesellschafter und der Gläubiger eingeleitet. Darüber hinaus bietet Art. 1 der Satzung des Europarats die Möglichkeit, die Harmonisierung der europäischen Gesellschaftsrechte an den Europarat heranzutragen. Eine Notwendigkeit dazu hat sich bisher nicht ergeben.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Eine Zusatzfrage!

Dr. Otto Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002015, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, glauben Sie nicht, daß, da das GmbH-Recht eine deutsche Erfindung ist, die in der ganzen Welt Nachahmung gefunden hat, die Bundesrepublik legitimiert wäre, für die Vereinheitlichung der wesentlichen Grundlagen des GmbH-Rechts in Europa besonders einzutreten?

Fritz Schäffer (Minister:in)

Politiker ID: 11001935

Ich teile mit Ihnen den Stolz auf das deutsche GmbH-Recht. Selbstverständlich ist die deutsche Bundesregierung gern bereit, für eine Vereinheitlichung des GmbH-Rechts in Europa einzutreten. Ich darf dazu aber auch darauf hinweisen, daß es innerhalb des Europarats 17 und innerhalb der EWG 6 Verhandlungspartner gibt. Infolgedessen wird es wünschenswert sein, zunächst einmal vorzufühlen. Ich darf Ihnen mitteilen, daß für Anfang Juni dieses Jahres ohnehin schon eine Besprechung der Justizminister aller europäischen Länder in Paris in Aussicht genommen ist. Ich werde mich bei dieser Gelegenheit mit den Herren Kollegen ins Benehmen setzen.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Frage IV/3 - des Abgeordneten Dr. Schmidt ({0}) -: Ist die Bundesregierung der Meinung, daß die Aufgabe der gesellschaftsrechtlichen Vereinheitlichung auf dem Wege über die neue Rechtsform einer europäischen AG bzw. europäischen GmbH erfüllt werden könnte?

Fritz Schäffer (Minister:in)

Politiker ID: 11001935

Mit der Schaffung Kapitalgesellschaft europäischen Typs neben den nationalen Rechtsformen, wie sie auf einem Kongreß in Paris erörtert worden ist, können meiner Überzeugung nach niemals die Ziele erreicht werden, die mit einer Vereinheitlichung des europäischen Gesellschaftsrechts angestrebt werden.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Wir blättern zurück zur Frage II/3 - des Abgeordneten Dr. Mommer -: Ist es richtig, daß die schwedische Regierung nunmehr auf Vorbehalte zu den Artikeln 8 und 12 des europäischen Abkommens vom 20. April 1959 über die Rechtshilfe in Strafsachen verzichtet?

Fritz Schäffer (Minister:in)

Politiker ID: 11001935

Mit Verbalnote vom 17. März 1961 hat die Königlich Schwedische Botschaft mitgeteilt, daß das Europäische Abkommen vom 20. April 1959 über die Rechtshilfe in Strafsachen zwecks Genehmigung dem Reichstag am 25. Februar 1961 vorgelegt worden sei. Vorbehalte zu den Artikeln 8 und 12 des Abkommens seien in der Vorlage nicht vorgesehen. Vorbehaltlich der Stellungnahme des Reichstags sei daher anzunehmen, daß die am 31. Januar 1959 bei dem Herrn Generalsekretär des Europarats von der schwedischen Regierung angemeldete vorläufige Absicht, solche Vorbehalte zu machen, nicht aufrechterhalten werde. Die Behandlung der Vorlage im schwedischen Reichstag könne wahrscheinlich in etwa zwei Monaten abgeschlossen werden. Auf Grund dieser Mitteilung habe ich veranlaßt, daß das Europäische Übereinkommen über die Auslieferung und das Europäische Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen beschleunigt dem Kabinett und den gesetzgebenden Körperschaften zur Beschlußfassung übergeben werden.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001529, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr gut. Danke sehr!

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Die Frage ist beantwortet. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen. Ich rufe auf die Frage V/1 des Abgeordneten Faller -: Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Gemeinde Märkt ({0}) über das Landratsamt Lörrach und das Regierungspräsidium Südbaden in Freiburg seit langem Verhandlungen mit dem zum Teil auf ihrer Gemarkung liegenden französischen Kraftwerk führt mit dem Ziel, die ihr zustehende Gewerbesteuer zu erhalten?

Not found (Staatssekretär:in)

Von Verhandlungen der Gemeinde Märkt mit dem französischen Kraftwerk über die Zahlung von Gewerbesteuern ist dem Bundesfinanzministerium nichts bekannt. Mir ist nur aus Pressemeldungen bekannt, daß dergleichen Verhandlungen von den Gemeindebehörden und den beteiligten Landesbehörden des Landes Baden-Württemberg geführt werden. Zur Sache selbst! Die Gewerbesteuerpflicht eines Betriebes diesseits und jenseits der Grenze richtet sich nach dem deutsch-französischen Doppelbesteuerungsabkommen. Dieses Abkommen bestimmt, daß eine selbständige Gewerbesteuerpflicht dann entsteht, wenn auf dem Gebiete der Bundesrepublik eine Betriebsstätte des französischen Kraftwerkes unterhalten wird. Ob das hier der Fall ist, ist uns aus den Unterlagen, die uns zur Verfügung stehen, nicht bekannt. Die Grundsätze des Doppelbesteuerungsabkommens gelten unverändert seit 1954 und sind auch durch das Doppelbesteuerungsabkommen von 1959 in gleichem Umfang bestätigt worden.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Zusatzfrage?

Walter Faller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000516, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, ist Ihnen also bisher nicht bekanntgeworden, daß das Kraftwerk seinerseits zugestanden hat, daß man Stauwehr und Kraftwerk nur als eine einheitliche Betriebsstätte betrachten könne, weil eines ohne das andere nicht betrieben werden kann, und daß also dieser Paragraph des Doppelbesteuerungsabkommens ohne weiteres zutreffen würde, und sind Sie bereit, auch über das Auswärtige Amt die Bestrebungen dieser Gemeinde zu unterstützen?

Not found (Staatssekretär:in)

Wenn der Sachverhalt so ist, wie Sie sagen, Herr Abgeordneter, daß also auf deutschem Bundesgebiet eine selbständige Betriebsstätte der französischen Gesellschaft besteht, würde nach unserer Auffassung Gewerbesteuer zu zahlen sein. Wir sind gerne bereit, die Verhandlungen der Gemeinden oder der Landesbehörden über das Auswärtige Amt zu fördern.

Walter Faller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000516, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Danke.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Frage V/2 - des Abgeordneten Metzger -: Wie steht die Bundesregierung zur Frage der Entschädigung des Ausfalls an Gewerbesteuer, der einer Reihe volt Gemeinden dadurch in erheblichem Umfang entstanden ist, daß die ehemaligen Besatzungsbehörden Industriebetriebe. beschlagnahmt haben und zum Teil bis zum heutigen Tage benützen?

Not found (Staatssekretär:in)

Ich beantworte die Frage des Herrn Abgeordneten Metzger. Herr Abgeordneter, für die beschlagnahmten Betriebsstätten, die ursprünglich für die Besatzungsmächte arbeiteten und jetzt für die Stationierungsmächte arbeiten, hat der Bund nach der geltenden Rechtslage keine Ausgleichszahlungen an die Gemeinde zu leisten, weil sie von dem Besatzungsund Stationierungsunternehmen ja keine Gewerbesteuer bekommt. Das ist der geltende Rechtszustand. Anträge auf Bundesausgleichszahlungen für nicht geleistete Gewerbesteuer der Stationierungsmächte sind bei uns ganz selten, meiner Erinnerung nach in nur zwei Fällen gestellt worden. Der Sachverhalt ist aber hinreichend bekannt und oft erörtert worden. Um diesen Gemeinden einen Ausgleich für die Gewerbesteuerfreiheit der Betriebe von Stationierungskräften zu geben, hat die Bundesregierung einen Gedanken wieder aufgenommen, der schon zur Weimarer Zeit bestand, nämlich die Zahlung von Verwaltungskostenzuschüssen des Bundes und der Betriebsverwaltungen des Bundes an die Ortsgemeinde an Stelle der nicht geleisteten Gewerbesteuer. Die Bundesregierung hat vor wenigen Monaten einen Gesetzentwurf darüber vorgelegt und dem Bundesrat zugeleitet. Dieser Gesetzentwurf ist in der Zwischenzeit vom Bundesrat verabschiedet, und ich nehme an, daß der Bundestag noch Gelegenheit haben wird, ihn in dieser Legislaturperiode zum Gesetz zu erheben.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Die Frage ist beantwortet. Frage VI/1 - Bereich des Bundesministers für Wirtschaft, Frage des Herrn Abgeordneten Brück - wird unter X aufgerufen werden. Ich rufe die Frage VI/2 - Herr Abgeordneter Meyer ({0}) - auf: Ist der Bundesregierung bekannt, daß sich für zahlreiche Personen, die Sozial- oder Privatrenten aus dem Ausland beziehen, aus der Aufwertung der D-Mark Härten ergehen?

Not found (Staatssekretär:in)

Es ist richtig und bedauerlich, ,daß zahlreiche Personen, die Sozial- oder Privatrenten aus dem Ausland beziehen, als Folge der D-Mark-Aufwertung eine Einkommensminderung hinnehmen müssen. Bei den Empfängern von Privatrenten wird man im allgemeinen davon ausgehen können, daß entweder die Renten relativ hoch sind oder aber daß sie nicht die ausschließliche Lebensbasis für den Bezieher bedeuten. Bei den Empfängern von Sozialrenten dagegen - um diese handelt es sich bei der Anfrage wohl in der Hauptsache -, liegen im allgemeinen keine unzumutbaren Auswirkungen vor, zumal diese Rentenempfänger zum weitaus größten Teil ehemals Grenzgänger waren; diese Sozialrenten werden vielfach automatisch erhöht, und zwar in Angleichung an den Index der Lebenshaltungskosten, so z. B. in Frankreich, Belgien und Luxemburg. Die Bezieher ausländischer Renten sind also in der Vergangenheit - zum großen Teil jedenfalls - in den Genuß dieser durch Steigerung der ausländischen Lebenshaltungskosten ausgelösten Rentenerhöhungen gelangt, auch wenn die Lebenshaltungskosten bei uns relativ stabil blieben. In diesem Zusammenhang darf ich darauf hinweisen, daß die Preissteigerungen in ,den übrigen europäischen Ländern im allgemeinen erheblich höher sind als bei uns. So bedauerlich es ist, daß diejenigen Rentenempfänger, deren Bezüge aus dem Ausland kommen, durch die D-Mark-Aufwertung eine gewisse Minderung ihres Einkommens hinnehmen müssen, so könnte es andererseits doch nicht vertreten werden, daß zur allgemeinen Aufbesserung solcher ausländischer Renten deutsche Steuermittel herangezogen werden. Wie ich in der Beantwortung der Anfrage des Herrn Abgeordneten Wilhelm am 15. März dieses Jahres bereits mitgeteilt habe, sieht die Bundesregierung daher keine Möglichkeit, einen Ausgleich für die durch die DM-Aufwertung eingetretene Beeinträchtigung dieser Einkommen zu gewähren.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Wollen Sie eine Zusatzfrage stellen? ({0}) Frage - Abgeordneter Dröscher - betrifft den Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: Was wird die Bundesregierung tun, um, nachdem ab 25. März 1961 der Verkauf von tbc-infiziertem Fleisch an den Verbraucher durch einschneidende Bestimmungen verhindert wird, auch die Einfuhren - vor allem die mengenmäßig erheblichen aus Frankreich - denselben Vorschriften zu unterwerfen?

Not found (Staatssekretär:in)

Fleisch von Schlachttieren, bei denen durch die Fleischbeschau Tuberkulose festgestellt wird, muß seit dem 25. März 1961 als bedingt tauglich beurteilt werden und darf nur über die Freibank in ausreichend erhitztem Zustand in den Verkehr gebracht werden. Durch das Gesetz zur Änderung des Fleischbeschaugesetzes vom 15. März 1960 wird sichergestellt, daß das aus dem Ausland eingehende Fleisch ab 25. März 1961 den gleichen fleischbeschaurechtlichen Vorschriften unterworfen wird wie das im Inland erschlachtete Fleisch. Nach § 12 a des Fleischbeschaugesetzes müssen die Schlachttiere, von denen das zum Export bestimmte Fleisch stammt, im Ausland vor und nach der Schlachtung tierärztlich nach Vorschriften, die keine geringeren Anforderungen als die deutschen fleischbeschaurechtlichen Bestimmungen stellen, untersucht und muß das Fleisch nach diesen Vorschriften als „tauglich zum Genuß für Menschen" erklärt worden sein. Das Fleisch kann in die Bundesrepublik nur eingeführt werden, wenn die Einhaltung dieser Vorschriften unter anderem in einem amtsärztlichen Gesundheitszeugnis, das die Sendung begleitet, bescheinigt ist. Abgesehen von diesen Sicherungsmaßnahmen unterliegt das in das Zollinland eingehende Fleisch fleischbeschaurechtlich bei der Einfuhr einer amtlichen Untersuchung durch deutsche Tierärzte. Wird hierbei Tuberkulose festgestellt, so muß das Fleisch beschlagnahmt und beseitigt werden. Darüber hinaus ist der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in der Lage, diejenigen Schlachthöfe, in denen nicht den deutschen Bestimmungen entsprechend verfahren wird, von der Liste der bekanntgegebenen Schlachthöfe zu streichen und somit von weiteren Lieferungen in die Bundesrepublik auszuschalten. Diese Regelung gilt für alle Lieferländer, also auch für Frankreich.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Eine Zusatzfrage.

Wilhelm Dröscher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000422, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Treffen diese neuen Bestimmungen auch für das Saarland zu, wo bisher jährlich bis zu 38 000 t Fleisch, im Jahre 1960 sogar 52 000 t, unter Außerachtlassung der in allen übrigen Bundesländern bestehenden veterinärpolizeilichen Bestimmungen eingeführt wurden?

Not found (Staatssekretär:in)

Ab 25. März 1961 auch für das Saarland.

Wilhelm Dröscher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000422, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Danke!

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Die Frage VII/2 - Abgeordneter Schneider ({0}) - wird übernommen: Welche Stellungnahme bezieht die Bundesregierung zu der Denkschrift des Verbandes der deutschen Hochseefischerei über die Lage der deutschen Hochseefischerei?

Not found (Staatssekretär:in)

Bei der dritten Lesung des Bundeshaushalts 1961 am 17. März 1961 hat der Deutsche Bundestag einen Entschließungsantrag der Herren Bundestagsabgeordneten Gewandt, Krammig, Dr. Stoltenberg und anderer angenommen. In diesem Entschließungsantrag wird die Bundesregierung ersucht, dem Bundestag unverzüglich einen Bericht über die Lage der deutschen Hochseefischerei vorzulegen und mitzuteilen, ob die im Haushaltsplan zur Förderung der Seefischerei vorgesehenen Maßnahmen erweitert werden müssen oder zusätzliche Hilfsmaßnahmen erforderlich sind. Bei der Vorlage dieses Berichts wird die Bundesregierung auch zu der Denkschrift des Verbandes der deutschen Hochseefischereien über die Lage der deutschen Hochseefischerei vom Januar 1961 Stellung nehmen.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Zusatzfrage!

Dr. Helmuth Schranz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002068, Fraktion: Deutsche Partei (DP)

Herr Staatssekretär, wann etwa ist mit dieser Stellungnahme zu rechnen?

Not found (Staatssekretär:in)

Das läßt sich nicht präzise sagen, weil die Küstenländer eingeschaltet werden müssen, damit gewisse Anliegen des Verbandes der Hochseefischerei auf ihren sachlichen Inhalt überprüft werden können. Ich glaube aber, daß für die Haushaltsberatungen des Haushalts 1962 hinreichende Klärungen erfolgt sein können.

Dr. Helmuth Schranz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002068, Fraktion: Deutsche Partei (DP)

Danke sehr!

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

VIII: Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung! Die Frage VIII/1 wird unter XII aufgerufen werden. Frage VIII/2 - Abgeordneter Meyer ({0}) -. Wirkt sich die Erhöhung der Sozialrenten in Österreich so aus, daß die unter das deutschösterreichische Sozialabkommen fallenden sehr niedrigen Renten, die hier zur Auszahlung kommen, angehoben werden?

Theodor Blank (Minister:in)

Politiker ID: 11000195

Die Erhöhung der Renten auf Grund des österreichischen Bundesgesetzes vom 5. Dezember 1960 gilt auch für die österreichischen Renten, die unter Berücksichtigung des 1. deutsch-österreichischen Sozialversicherungsabkommens festgestellt sind. Dabei ist es unerheblich, ob der Rentenberechtigte in Österreich oder in der Bundesrepublik Deutschland wohnt.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Eine Zusatzfrage.

Erich Meyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001490, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sind die vor Jahresfrist an dieser Stelle bereits in Aussicht gestellten Verhandlungen zur Verbesserung des Abkommens in bezug auf die betroffenen deutschen Rententeile inzwischen abgeschlossen worden?

Theodor Blank (Minister:in)

Politiker ID: 11000195

Ich habe Ihre Frage vorhin doch so beantwortet, daß hier eine Benachteiligung nicht in Frage kommt, sondern daß sowohl für die Osterreicher wie für die Deutschen die gleichen Erhöhungen gelten.

Erich Meyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001490, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich glaube, das ist keine Beantwortung meiner Frage, Herr Minister. Vor Jahresfrist wurden neue Verhandlungen in Aussicht gestellt. Das Problem ist sehr kompliziert. Ich werde mir erlauben, deshalb noch eine weitere Zusatzfrage zu stellen.

Theodor Blank (Minister:in)

Politiker ID: 11000195

Bitte schön!

Erich Meyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001490, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Zunächst möchte ich wissen, wie weit der Stand der neuen Verhandlungen ist, die bereits vor Jahresfrist zu diesem Problem hier von dieser Stelle aus in Aussicht gestellt worden sind.

Theodor Blank (Minister:in)

Politiker ID: 11000195

Ihre Frage, Herr Abgeordneter Meyer, lautet, wie sich die Erhöhung der Sozialrenten auswirkt. Darauf habe ich eine klare Antwort gegeben.

Erich Meyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001490, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Jetzt stelle ich eine Zusatzfrage.

Theodor Blank (Minister:in)

Politiker ID: 11000195

Und diese Zusatzfrage kann ich Ihnen im Augenblick nicht beantworten.

Erich Meyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001490, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Eine weitere Zusatzfrage: Ist bei diesen Verhandlungen wenigstens daran gedacht, aus diesem Abkommen diejenigen Rentner herauszunehmen, die ununterbrochen ihre Beiträge beispielsweise an die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in Berlin geleistet haben, die im „Dritten Reich" als Deutsche in Österreich gearbeitet, also niemals deutschen Rechtsboden verlassen haben? Diese Rententeile werden aber jetzt nach österreichischem Recht berechnet und sind außerordentlich niedrig. Ist da an eine Verbesserung gedacht?

Theodor Blank (Minister:in)

Politiker ID: 11000195

Herr Abgeordneter Meyer, was sich im Laufe solcher Verhandlungen erreichen läßt, vermag ich jetzt und von dieser Stelle aus nicht zu sagen. Ich wäre Ihnen sehr verbunden gewesen, wenn Sie mir die Frage vorher eingereicht hätten. Dann hätte ich Ihnen eine Antwort darauf geben können.

Erich Meyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001490, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Danke Ischön. Ich werde mir erlauben, noch schriftlich dazu Stellung zu nehmen.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verteidigung. Ich rufe die Frage IX/1 - Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen - auf: ist es richtig, daß im Standort Ulm an die Soldaten der Bundeswehr im Februar Trockenbrot in Dauerpackung verabreicht wurde, dessen von der Herstellerfirma angegebene Gewährleistungsfrist bereits l'/2 Jahre zurücklag, und ist der Bundesregierung bekannt, daß es in Einzelfällen dadurch auch zu Erkrankungen der Soldaten gekommen ist?

Dr. h. c. Franz Josef Strauß (Minister:in)

Politiker ID: 11002270

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beantBundesverteidigungsminister Strauß Worte die Frage des Kollegen Schmitt-Vockenhausen folgendermaßen. Im Zuge der Auffrischung von Verpflegungsmitteln der Einsatzverpflegung wurde im Standort Ulm am 10. Februar 1961 auch Trockenbrot in Dauerpakkungen ausgegeben, das in den Monaten April bis Juni 1958 hergestellt worden war und dessen von der Herstellerfirma zugestandene Gewährleistungsfrist eineinhalb Jahre betrug. Von den 607 Verpflegungsteilnehmern der in Ulm stationierten Flugmeldeabteilung litten am gleichen Tag 20 Soldaten an Verdauungsstörungen, die jedoch nach zweitägiger ambulanter Behandlung wieder behoben waren. Die Lager- und Verzehrfähigkeit des Trockenbrotes endet nicht mit dem Ablauf der Gewährleistungsfrist, sondern nach den gewonnenen Erfahrungen erst nach drei Jahren, im vorliegenden Falle also in der Zeit von April bis Juni 1961. Die Ausgabe des Trockenbrotes war im Hinblick auf die Lager- und Verzehrfähigkeit für den Monat Februar 1961 mit der ausdrücklichen Maßgabe angeordnet worden, daß nur voll genußtaugliches Brot ausgegeben werden durfte. Der in Frage stehende Truppenteil hatte deshalb die zur Ausgabe vorgesehenen 607 Einmann-Packungen durch eine besondere Kommission - ein Hauptmann, ein Mannschaftsdienstgrad, Leiter der Truppenküche und Küchenbuchhalter - Stück für Stück prüfen lassen mit dem Ergebnis, daß die Verpflegungsmittel in diesen EinmannPackungen einschließlich des Trockenbrotes als voll genußtauglich bezeichnet wurden. Auch in allen anderen Standorten, in denen im Monat Februar 1961 insgesamt 320 000 Schachteln dieses Trockenbrotes verzehrt wurden, gab es keinerlei Krankmeldungen, die auf den Genuß dieses Brotes zurückzuführen waren. Es muß deshalb als zweifelhaft angesehen werden, ob die Erkrankungen im Standort Ulm überhaupt auf den Genuß dieses Brotes zurückgeführt werden können.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002033, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, ist es nicht notwendig, daraus Folgerungen in der Richtung zu ziehen, daß in Zukunft Trockenbrot früher zum Verzehr freigegeben wird, also möglichst vor Ablauf der von den Firmen angegebenen Gewährleistungsfrist?

Dr. h. c. Franz Josef Strauß (Minister:in)

Politiker ID: 11002270

Vor Ablauf der rechtlichen Gewährleistungsfrist besteht weder eine Möglichkeit noch ein Anlaß.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002033, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Entschuldigen Sie, Herr Minister, Sie haben gerade selbst ausgeführt, daß wir zu unterscheiden haben zwischen der Gewährleistungsfrist im Sinne des Lebensmittelrechts und der rechtlichen, die kürzer ist.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Herr Abgeordneter, ich bitte Fragen zu stellen.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002033, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Jawohl. - Würden Sie nicht eine Vorverlegung des Zeitpunktes der Ausgabe für zweckmäßig halten, um in jedem Fall Schwierigkeiten aus dem Wege zu gehen?

Dr. h. c. Franz Josef Strauß (Minister:in)

Politiker ID: 11002270

Ich darf noch auf folgenden Unterschied aufmerksam machen. Die rechtliche Gewährleistungsfrist, innerhalb deren die Firma zur Rücknahme des Brotes oder zur Zahlung einer Konventionalstrafe veranlaßt werden kann, ist wesentlich kürzer als die nach lebensmittelpolizeilichen Vorschriften zu bemessenden Frist. Diese Frist beträgt mindestens das Doppelte, wie die Erfahrungen bzw. die Untersuchungen von Lebensmittelchemikern ergeben haben. Man bemüht sich natürlich, die Frist bis zum Verzehr herabzusetzen, aber nicht unter die rechtliche Gewährleistungsfrist. Denn die laufende Erneuerung der nach NATO-Vorschriften zu lagernden Einsatzverpflegung dauert eine gewisse Zeit. ({0})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Frage IX/2 - Abgeordneter Müller-Hermann -: Kann der Herr Bundesverteidigungsminister die Zusage geben, daß die Toilettenräume in den Kasernen und Dienststellen der Bundeswehr in Zukunft - ähnlich wie bei der Deutschen Bundesbahn - aus Gründen der Hygiene mit automatischen Seifenspendern und Papierhandtüchern ausgestattet werden?

Dr. h. c. Franz Josef Strauß (Minister:in)

Politiker ID: 11002270

Ich beantworte die Frage des Kollegen Müller-Hermann folgendermaßen. Bereits am 4. März 1959 hat das Bundesverteidigungsministerium den für die Ausstattung der Liegenschaften verantwortlichen Wehrbereichsverwaltungen empfohlen, Waschgelegenheiten in den Toilettenräumen folgender Gebäude mit Papierhandtuchautomaten und Seifenspendern auszustatten: 1. Sanitätsbereiche und Lazarette, 2. Lehrsaalgebäude, 3. Wirtschaftsgebäude, 4. Werkstätten und Werften, 5. Stabs- und Bürogebäude. Am 11. April 1961 ist die Ermächtigung vom 4. März 1959 in Erinnerung gebracht und noch dahingehend erweitert worden, daß auch die Waschgelegenheiten in den Küchen mit Papierhandtuchautomaten und Seifenspendern ausgestattet werden sollen. Für die Toilettenräume in den Wohngebäuden der Kasernen sind Papierhandtücher und Seifenspender nicht vorgesehen, da jeder Soldat über vier Handtücher zum persönlichen Gebrauch verfügt und er sich die Seife für die tägliche Körperpflege aus eigenen Mitteln beschafft. Eine zusätzliche Ausstattung mit Papierhandtüchern und Seifenspendern für die Waschgelegenheiten dieser Toilettenräume erscheint daher nicht vertretbar. Die den Wehrbereichsverwaltungen empfohlene Ausstattung mit Papierhandtuchautomaten und Seifenspendern wird erst nach und nach verwirklicht, da jeweils unter den zahlreichen, auf dem Markt befindlichen Fabrikaten und Systemen eine Auswahl getroffen und die wirtschaftlichste Lösung gefunden werden muß. In der Mehrzahl der Wehr8826 Bundesverteidigungsminister Strauß bereiche ist die Ausstattung zu etwa 90 % bereits vorhanden. ({0})

Dr. Ernst Müller-Hermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001569, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank!

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Auch diese Frage ist nunmehr beantwortet. Ich rufe auf Frage IX/3 - des Herrn Abgeordneten Bay -: Welche zwingenden Gründe haben dazu geführt, daß gerade der Schwarzwald, eines der größten Erholungsgebiete Deutschlands, zum „Tieffluggebiet" für Düsenjäger der Bundeswehr erklärt worden ist?

Dr. h. c. Franz Josef Strauß (Minister:in)

Politiker ID: 11002270

Ich beantworte die Frage des Abgeordneten Bay folgendermaßen: Es gibt in der Bundesrepublik Deutschland keine Tiefflugübungsgebiete, die nur von Strahlflugzeugen der Bundeswehr beflogen werden. Die Tiefflugübungsgebiete und -strecken sind auch für die Ausbildungsaufgaben der in Deutschland stationierten alliierten Streitkräfte vorgesehen. Das gesamt Schwarzwaldgebiet ist seit Kriegsende der Übungsraum der in der Bundesrepublik stationierten französischen Luftstreitkräfte. In diesem Raum haben die französischen Luftstreitkräfte von jeher Tiefflugübungen durchgeführt. Im Frühjahr dieses Jahres wurde die Neuregelung der Tiefflugübungsgebiete für die gesamte Bundesrepublik durch den Ständigen Ausschuß zur Koordinierung der Luftfahrt unter Beteiligung der Länder abgeschlossen. Indiesem Ausschuß, in dem der Herr Bundesminister für Verkehr den Vorsitz führt, sind sowohl die deutsche Bundeswehr als auch die Stationierungsstreitkräfte gleichberechtigt vertreten. Auf Anforderung des französischen Mitgliedes ist in dem Übungsraum der französischen Luftstreitkräfte, also im Schwarzwald, ein Tiefflugübungsgebiet vorgesehen worden. Dieses Tiefflugübungsgebiet macht nur noch einen Teil des Raumes aus, der den französischen Luftstreitkräften als Übungsraum nach dem Kriege vorbehalten worden war.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Zusatzfrage?

Hans Bay (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000117, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, mit welchen unteren Stellen, abgesehen von dem Land Baden-Württemberg, ist diese Regelung vorher besprochen oder welche unteren Stellen sind vorher gehört worden?

Dr. h. c. Franz Josef Strauß (Minister:in)

Politiker ID: 11002270

Ich bitte Sie, mir diese Frage schriftlich einzureichen; dann kann ich im einzelnen Feststellungen dazu treffen. - Ich darf im übrigen darauf hinweisen, daß die Anhörung der unteren Stellen in einem Lande Angelegenheit der Landesregierung ist, die ja hier beteiligt worden ist. Es ist nicht Angelegenheit der Bundesregierung, mit den unterhalb der Landesregierung vorhandenen Verwaltungsstellen oder ihnen angegliederten Stellen zu verhandeln. Ich darf mich hier insbesondere auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts hinsichtlich der föderalistischen Zuständigkeiten berufen. ({0})

Hans Bay (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000117, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, sind Sie sich klar darüber, welche empfindliche Beeinträchtigung der Tiefflugbetrieb für die Hunderttausende von Erholungsuchenden in diesem Gebiet bedeutet, und sind Ihnen die zahlreichen Beschwerden, die seit Jahren darüber eingehen, bekannt?

Dr. h. c. Franz Josef Strauß (Minister:in)

Politiker ID: 11002270

Ich bin mir dieser Beeinträchtigung und dieser Belästigungen sehr wohl bewußt. Deshalb darf ich mit gutem Recht darauf hinweisen, daß der Verteidigungsminister - nicht immer mit dem nötigen Widerhall und der nötigen Unterstützung - sich ernsthaft bemüht hat, Tiefflugübungsgebiete außerhalb der Bundesrepublik zu gewinnen. ({0}) Da die dabei geltend gemachten politischen Bedenken offensichtlich größer sind als die Belästigungen durch den Lärm, bleibt es leider weitgehend bei der bisherigen Regelung. ({1})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Zusatzfrage?

Dr. Friedrich Schäfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001930, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, hat die Landesregierung von Baden-Württemberg zugestimmt oder ist sie nur gehört worden?

Dr. h. c. Franz Josef Strauß (Minister:in)

Politiker ID: 11002270

Ich bin nicht befugt, dazu eine Aussage zu machen. Federführend ist der Bundesminister für Verkehr, der ,den Vorsitz in diesem Ausschuß hat. - Ich erfahre soeben von den Herren Beamten, die Landesregierung habe zugestimmt.

Dr. Friedrich Schäfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001930, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Danke schön!

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Abgeordneter Faller!

Walter Faller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000516, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, wenn schon kein anderes Gebiet gefunden werden kann, ist es dann militärisch unbedingt notwendig, daß diese Flüge an fünf Tagen in der Woche stattfinden?

Dr. h. c. Franz Josef Strauß (Minister:in)

Politiker ID: 11002270

Die Flüge finden nicht an fünf Tagen in der Woche, sondern dann statt, wenn schönes Wetter ist. ({0})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Zweite Zusatzfrage!

Walter Faller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000516, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß das im Schwarzwald glücklicherweise sehr oft der Fall ist?

Dr. h. c. Franz Josef Strauß (Minister:in)

Politiker ID: 11002270

Ich bin leider nicht in der Lage, Ihrer Auffassung zu folgen. Ich wollte, das, was Sie sagen, entspräche voll der Wirklichkeit; dann könnte nämlich die Zahl der Tage, an denen Flüge stattfinden, noch vermindert werden.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Die Frage ist damit offenbar zur Genüge beantwortet. Ich rufe 'die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr auf, zunächst Frage X/1 - des Abgeordneten Brück -, die gleichzeitig mit der bisher zurückgestellten Frage VI/1 - des Abgeordneten Brück - beantwortet werden kann: Wie viele Tankstellen gibt es in der Bundesrepublik, und welche jährlichen Mengen an Markenbenzin und verbilligtem Benzin werden umgesetzt? Wie viele Tankstellen sind an Bundesautobahnen, und welche jährlichen Mengen von Markenbenzin und verbilligtem Benzin werden hier umgesetzt? Dr. Seiermann: Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beantworte die beiden Fragen des Herrn Abgeordneten Brück wie folgt. Erstens, die allgemeine Frage für das gesamte Bundesgebiet: In der Bundesrepublik gibt es zur Zeit reichlich 30 000 Tankstellen. Von ihnen bieten 2500 Stationen Benzin zu Preisen an, die unterhalb der Benzinpreise der markengebundenen Tankstellen liegen. Im Jahre 1960 wurden in der Bundesrepublik fast 5,5 Millionen t verbraucht, die hauptsächlich über Tankstellen, teilweise aber auch gegen entsprechende Nachlässe im Rahmen des sogenannten Direktverbrauchergeschäfts an die Verbraucher gelangten. Der Vertrieb über Tankstellen macht nach Schätzungen ungefähr 85 % aus. Amtliche Unterlagen über den Anteil des verbilligten Benzins am Tankstellenumsatz bestehen nicht. Die Schätzungen aus Kreisen ,der Wirtschaft bewegen sich zwischen 9,5 % und 12 %. Zweitens, zur Frage der Tankstellen an Bundesautobahnen: An den Bundesautobahnen gibt es heute 103 Tankstellen. Die Umsätze an Markenbenzin betrugen im Jahre 1960 184 Millionen 1, also rund 130 000 t. Verbilligtes Benzin konnte an den Bundesautobahnen bisher nicht angeboten werden, da dem bislang vertragliche Bindungen entgegenstanden. Ich komme auf diesen Punkt bei der Beantwortung der nächsten Fragen zurück.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Zusatzfrage?

Valentin Brück (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000277, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, darf ich Sie dann mal fragen, wann es die Bundesregierung ermöglicht, daß auch auf den Bundesautobahnen von den Tankstellen Kraftstoff zu niedrigeren Preisen abgesetzt wird? Ist es nicht an der Zeit, diese Dinge endlich zu ändern? Dr. Seiermann: Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr: Es ist an der Zeit, Herr Brück. Ich komme auf diese Angelegenheit bei der Beantwortung der Fragen der Herren Abgeordneten Dr. Mommer und Eplée zurück.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Zusatzfrage des Abgeordneten Schmidt ({0})!

Dr. Otto Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002015, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ist es richtig, daß die Markenbenzinfirmen dasselbe Benzin, das sie als Markenbenzin verkaufen, auch als freies Benzin zu verbilligten Preisen verkaufen? Dr. Seiermann: Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr: Ich kann diese Frage nicht beantworten. Ich weiß nur, daß solche Mitteilungen in der Öffentlichkeit und unter Kraftfahrern umgehen.

Dr. Otto Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002015, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wenn ein Händler diese Auskunft gibt, würden Sie dann das Verhalten der Markenbenzinfirmen nicht als Verstoß gegen die Strafgesetze ansehen? Dr. Seiermann: Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr: Wenn ich eine solche Auskunft von einem Händler bekäme, würde ich sie an die zuständige Abteilung des Bundeswirtschaftsministeriums mit der Bitte weiterleiten, im Rahmen ihrer Zuständigkeit das Weitere zu veranlassen.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Ich rufe auf Frage X/2 - des Abgeordneten Dr, Mommer -: Hält die Bundesregierung die Tatsache, daß sich der Anteil der „markenfreien" Tankstellen bereits auf 12 v. H. des Benzinumsatzes beläuft, nicht für ausreichend, „markenfreie" Tankstellen auch an der Autobahn zuzulassen, oder will sie mit ihrem Festhalten an der Mindestbeteiligungsquote von 2,5 v. H. pro Firma eine wettbewerbsfeindliche Konzentrationstendenz auch der „markenfreien" Unternehmen begünstigen? Dr. Seiermann: Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr: Herr Präsident, ich bitte um die Erlaubnis, die Frage X/2 zusammen mit den Fragen X/4 und X/5 - des Abgeordneten Eplée - zu beantworten, da sich die drei Fragen zum Teil decken, zum Teil überschneiden.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Fragen X/4 und X/5 - des Abgeordneten Eplée -: Besteht die Absicht, die derzeitige Regelung, wonach auf Grund einer Umsatzklausel der Zugang von Tankstellen-Neulingen an der Autobahn durch vertragliche Bindungen verhindert wird, einer Änderung zu unterziehen? Ist damit zu rechnen, daß der Autofahrer in absehbarer Zeit die Möglichkeit erhält, verbilligtes Benzin auch an den deutschen Autobahnen zu tanken? Dr. Seiermann: Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr: Die Bundesregierung teilt die Auffassung des Herrn Abgeordneten Dr. Mommer - und wie ich soeben gehört habe, ist das auch die Auffassung des Herrn Abgeordneten Brück - und des Herrn Abgeordneten Eplée, daß der Anteil der markenfreien Tankstellen am Benzinumsatz ihre Zulassung an den Bundesautobahnen rechtfertigt. Ihrer Zulassung standen jedoch bisher vertragliche Bindungen mit den an den Bundesautobahnen zugelassenen Kraftstoffirmen entgegen, die zunächst beseitigt werden mußten und in diesen Tage beseitigt worden sind. Die Verträge zwischen dem Bund bzw. der bundeseigenen Gesellschaft für Nebenbetriebe der Bundesautobahnen und den Mineralölfirmen über die Belieferung von Bundesautobahntankstellen mit Kraftstoffen entsprachen bei ihrem Abschluß den damals gegebenen Marktverhältnissen, da alle am Markt vertretenen Kraftstoffirmen einschließlich des mittelständischen Kraftstoffhandels an der Belieferung der Bundesautobahntankstellen beteiligt worden sind. Inzwischen haben sich jedoch durch das Aufkommen neuer Treibstoffirmen und der sogenannten „freien" Tankstellen die Marktverhältnisse geändert. Die Bundesregierung war daher bestrebt, die zwischen dem Bund bzw. der Gesellschaft für Nebenbetriebe und den Kraftstoffirmen abgeschlossenen Verträge den veränderten Marktverhältnissen anzupassen. Da die Bundesregierung sich gehalten fühlt, auch in aller Öffentlichkeit nochmals zum Ausdruck zu bringen, daß der Grundsatz der Vertragstreue nicht in Frage gestellt sein darf, mußte eine solche Änderung der Verträge im Einvernehmen mit den Vertragsfirmen angestrebt werden. Die Bemühungen, zu einer solchen einvernehmlichen Änderung zu kommen, haben dank dem verständnisvollen Verhalten der Vertragsfirmen zu einem Erfolg geführt. Danach wird insbesondere auf die sogenannte 2,5-%-Klausel in Zukunft verzichtet, so daß die Gesellschaft für Nebenbetriebe in der Lage ist, auch bisher an den Bundesautobahnen nicht berücksichtigte Kraftstoffirmen in einem angemessenen Umfang zu beteiligen, auch wenn letztere einen Marktanteil haben, der die 2,5-%-Grenze nicht erreicht. Die Gesellschaft für Nebenbetriebe wird in Zukunft die neu zu errichtenden und neu in Betrieb zu nehmenden Bundesautobahntankstellen nach einem neuen Schlüssel zur Belieferung zuteilen, der die Anpassung an das Spiegelbild des Kraftstoffmarktes im allgemeinen Tankstellennetz in der Bundesrepublik ermöglicht. Noch in diesem Jahre wird es möglich sein, zunächst neben zwei Anlagen, die je einer bisher noch nicht an den Bundesautobahnen vertretenen Treibstoffirma bereits zugeteilt worden sind, weitere zwei Anlagen den sogenannten „freien" Tankstellen zur Belieferung anzubieten. Im Rahmen des Ausbauprogramms der Gesellschaft für Nebenbetriebe werden diesem Kreis in den nächsten Jahren weitere Anlagen angeboten werden können, bis ihr Anteil am Kraftstoffumsatz im allgemeinen Tankstellennetz in der Bundesrepublik auch an den Bundesautobahnen erreicht ist.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Eine Zusatzfrage?

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001529, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Hat die Bundesregierung jetzt völlig freie Hand in der Verteilung der Genehmigungen zur Errichtung von Verteilungsstellen an der Autobahn? Oder bestehen gegenüber den Großen noch bestimmte Bindungen? Dr. Seiermann: Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr: Es bestehen noch bestimmte Bindungen, weil diese Verträge länger laufen. Aber hinsichtlich der beanstandeten 2,5-%-Klausel sind sie im Einvernehmen mit den Mineralölfirmen geändert worden.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001529, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wie lange laufen diese Bindungen noch? Dr. Seiermann: Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr: Bis zum Jahre 1969.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Damit sind die Fragen X/2, 4 und 5 beantwortet. Herr Abgeordneter Eplée, sind Sie damit einverstanden? -({0}) Ich rufe auf die Frage X/3 - des Herrn Abgeordneten Dr. Mommer -: Hat die Bundesregierung je erwogen, die Straßenverkehrsordnung so zu ändern, daß Lastkraftwagen ihre Abgase nur in Dachhöhe austreten lassen dürfen? Dr. Seiermann: Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr: Die Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Mommer beantworte ich wie folgt. Mit dem Problem der zweckmäßigsten Anordnung des Auspuffrohrs bei Lastkraftwagen hat sich das Bundesverkehrsministerium wiederholt befaßt. Schon vor Jahren wurde im Rahmen der vom Bundesverkehrsministerium finanzierten Forschung eine dementsprechende Untersuchung veranlaßt. Sie ergab, daß es bei rauchenden Abgasen zweckmäßig sein kann, die Abgase in Dachhöhe nach oben austreten zu lassen. Als Nachteil dieser Abführung der Abgase wird angesehen, daß die Abgase während der Fahrt auf das Fahrzeug unddessen Anhänger niederschlagen und geruchsempfindliche Güter, insbesondere Lebensmittel, verderben. Da die Rauchentwicklung der Kraftfahrzeuge aber anerkanntermaßen vermeidbar ist, wurden die zuständigen obersten Landesbehörden wiederholt aufgefordert, den rauchfreien Betrieb der Kraftfahrzeuge durch polizeiliche Überwachung zu erzwingen. Bei einem rauchfreien Betrieb hat die Führung des Auspuffrohrs nach oben keine wesentlichen Vorzüge gegenüber den in § 47 StVZO zugestandenen weiteren zwei Möglichkeiten, nämlich der Abführung nach hinten oder nach hinten links bis zu einem Winkel von 45° zur Fahrzeuglängsachse.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Eine Zusatzfrage.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001529, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, eines Ihrer Argumente war, daß die Güter auf dem Lastwagen selbst Schaden nehmen könnten. Glauben Sie nicht, daß es viel schlimmer ist, wenn die anderen, die selber nicht solche Auspuffgase auf die Bahn schleudern, behindert werden? Dr. Seiermann: Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr: Es gibt eine gewisse Interessenkollision, Herr Abgeordneter. Aber ich sagte schon, daß die Sachverständigen darüber, welche der drei in der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung vorgeschlagenen Lösungen die zweckmäßigste ist, bis zum heutigen Tage noch nicht übereinstimmen. Es gibt Stimmen für die eine, für die andere und für die dritte Lösung. Ich kann Ihnen aber versichern, daß schon seit längerer Zeit die Frage der etwaigen gesetzlichen Vorschrift, der Beschränkung auf eine, wahrscheinlich auf die obere technische Lösung, in unserem Hause geprüft wird, und wenn die weiteren Erörterungen mit den Beteiligten und den Sachverständigen ihre Zweckmäßigkeit bestätigen, sind wir gern bereit, bei der nächsten Änderung der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung diese Neuerung ins Auge zu fassen.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001529, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, können Sie mir sagen, ob und wieviele Unfälle sich durch Sichtbehinderung, verursacht durch Auspuffgase, ereignet haben? Dr. Seiermann: Staatssekretär im Bundesministeriums für Verkehr: Ich kann diese Frage im Augenblick nicht beantworten. Ich fürchte auch, sie ist nicht beantwortbar, weil die Aufgliederung der Unfallursachen nach meiner Erinnerung nicht so weit geht.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001529, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Danke sehr!

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Ritzel.

Heinrich Georg Ritzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001860, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, sind sich die von Ihnen erwähnten Sachverständigen nicht darüber klar, daß durch die Ableitung der Gase in vielleicht 30 oder 50 cm Abstand von der Fahrbahn - statt nach oben in Dachhöhe - eine Vermehrung, ja eine Verdoppelung der Gefahr für die Verkehrsteilnehmer eintritt, weil Wolken von Abgasen auf den Kraftfahrer zukommen?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, soweit ich mich aus dem Studium der Akten erinnere, sind sich die Sachverständigen auch über dieses Problem nicht einig.

Heinrich Georg Ritzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001860, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Das ist sehr traurig.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Frage X/6 - des Herrn Abgeordneten Dr. Dollinger -: Welche Gründe haben den Herrn Bundesverkehrsminister veranlaßt, in § 34 Abs. 4 der neuen großen StraBenverkehrs-Zulassungs-Ordnung zu bestimmen, daß bei Lastkraftwagen und Sattelschleppern sowie Anhängern über den Rädern auf den Kotflügeln die jeweils zulässige Achslast und am Vorderteil des Fahrzeugs das zulässige Gesamtgewicht aufgeschrieben sein muß?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Präsident, ich darf die Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Dollinger wie folgt beantworten: Die Gründe für den neuen Absatz 4 des § 34 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung ergeben sich aus der amtlichen Begründung zu der mit Zustimmung des Bundesrates erlassenen Verordnung vom 7. Juli 1960. Hiernach soll die Angabe der zulässigen Achslast, des zulässigen Gesamtgewichts und der Aufliegelast außen an den Fahrzeugen den Fahrzeughaltern, den Führern und Verladern die Einhaltung der Gewichtsvorschriften erleichtern; die Angaben sind auch für Erhebungen der Straßenbauverwaltung zur Feststellung der Verkehrsbelastung der Straßen von Bedeutung.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Eine Zusatzfrage.

Dr. Werner Dollinger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000403, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, diese Angaben sind ja an sich im Kraftfahrzeugschein, den jedes Fahrzeug mit sich führen muß, bereits enthalten, zum Teil auch im Typenschild. Warum dann diese zusätzliche Forderung?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, sie sind in den Papieren enthalten; aber nach den Feststellungen und Berichten der Bediensteten der Bundesanstalt sagen die Verlader jedenfalls, sie hätten keine Zeit und keine Lust, sich in die Papiere zu vertiefen; die Verantwortung dafür müsse schon der Fahrzeughalter bzw. Fahrer tragen.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Müller-Hermann.

Dr. Ernst Müller-Hermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001569, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, sind ähnliche Bestimmungen in irgendeinem anderen Land der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft oder Europas vorgesehen, und hat man dort irgendwelche Erfahrungen damit gemacht?

Not found (Staatssekretär:in)

So weit sind die EWG-Verhandlungen, Herr Müller-Hermann, noch nicht. Aber Sie wissen genauso wie ich, daß ähnliche Bestimmungen für alle anderen binnenländischen Verkehrsmittel seit jeher gelten. Sie finden auf jedem Binnenschiff die zulässige Anzahl der Tragtonnen angeschrieben, finden auf jedem Eisenbahnwagen die zulässige Belastungsgrenze angeschrieben. Wir brauchen also nicht so weit zu schreiten; es ist alles hier, jedenfalls in Deutschland schon.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Zweite Zusatzfrage!

Dr. Ernst Müller-Hermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001569, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, Sie haben meine Frage etwas mißverstanden. Ich wollte wissen, ob in anderen europäischen Ländern für den Kraftverkehr entsprechende Bestimmungen bestehen und ob man da irgendwelche Erfahrungen gemacht hat, die es rechtfertigen würden, eine entsprechende Bestimmung jetzt bei uns in der Bundesrepublik einzuführen.

Not found (Staatssekretär:in)

Ich kann diese Frage im Augenblick nicht beantworten. Wir brauchen aber nicht auf die Erfahrungen des Auslands zurück8830 zugreifen. Ich muß Ihnen, Herr Abgeordneter Müller-Hermann, leider sagen, daß im Jahre 1960 von den von der Bundesanstalt insgesamt festgestellten Verstößen gegen die Vorschriften der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung 38,4 % auf Überladungen entfallen und daß im Januar 1961 dieser Prozentsatz auf 40 gestiegen ist.

Dr. Ernst Müller-Hermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001569, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Das hat aber nichts mit den Beschriftungen der Fahrzeuge zu tun.

Not found (Staatssekretär:in)

Nein, aber mit den Überladungen, die dadurch verhindert werden sollen.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Meine Damen und Herren, es ist eine Fragestunde; es ist keine Aussprache über Probleme. Frage X/7 - des Abgeordneten Ritzel -: Ist der Herr Bundesverkehrsminister bereit, die Bundesbahn, die nicht bundeseigenen Eisenbahnen sowie alle anderen in Frage kommenden Verkehrsunternehmen zu veranlassen, zur Verbesserung der Sichtverhältnisse an schienengleichen Kreuzungen auf öffentlichen Straßen alle Sichtbehinderungen sofort zu beseitigen?

Not found (Staatssekretär:in)

Die Frage des Herrn Abgeordneten Ritzel betrifft die Sicherheit an Bahnübergängen. Dieser Frage wird im Hause des Bundesverkehrsministers stets besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Nach ,den allgemeinen Verwaltungsvorschriften zur Straßenverkehrs-Ordnung werden bei allen Bahnübergängen regelmäßige Prüfungen mindestens alle zwei Jahre von den zuständigen Behörden hinsichtlich der Sichtverhältnisse durchgeführt. An dieser Verkehrsschau werden die Träger der Straßenbaulast, die Verkehrsunternehmen und ehrenamtliche Sachverständige aus Kreisen der Verkehrsteilnehmer beteiligt. Dadurch ist sichergestellt, daß Sichtbehinderungen erkannt und beseitigt werden. Die Sicht von der Straße auf die Bahnstrecke spielt als Sicherheitselement nur an technisch nicht gesicherten Bahnübergängen eine Rolle. Solche Bahnübergänge befinden sich ausschließlich an Nebenbahnen und Straßenbahnen auf besonderem Bahnkörper. Wo der Verkehr es erfordert, werden die Sichtverhältnisse verbessert. So hat allein die Deutsche Bundesbahn in den Jahren 1953 bis 1960 an etwa 4200 Bahnübergängen die Sicht verbessert. Für 1961 sind dafür etwa 600 Bahnübergänge in Aussicht genommen. Wenn die Übersichtlichkeit mit vertretbaren Mitteln nicht hergestellt werden kann, werden die Bahnübergänge technisch gesichert, und zwar durch Schranken, Blinklichter mit Halbschranken oder Blinklichter. Soweit sich herausstellt, daß ,die von den örtlichen Behörden getroffenen Maßnahmen unzureichend sind, ist der Bundesminister für Verkehr jederzeit bereit, darauf hinzuwirken, daß den gesetzlichen Vorschriften entsprochen wird.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Eine Zusatzfrage!

Heinrich Georg Ritzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001860, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

In welcher Form, Herr Staatssekretär, läßt sich der Bundesverkehrsminister laufend darüber orientieren, ob ,die Voraussetzungen nicht allein schon durch die natürliche Entwicklung eine für den Verkehr ungünstige Entwicklung genommen haben?

Not found (Staatssekretär:in)

Er läßt sich einmal durch die Landesregierungen unterrichten, ,die ja die Verwaltung auf dem Straßenverkehrsgebiet unter sich haben, und er wird, Herr Abgeordneter, zum anderen gerade in Fällen dieser Art sehr häufig sowohl durch Veröffentlichungen in der örtlichen Presse wie auch durch Zuschriften aus der Öffentlichkeit, aus Gemeinden und nicht zuletzt durch Zuschriften aus diesem Hohen Hause auf die Einzelfälle aufmerksam gemacht.

Heinrich Georg Ritzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001860, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Danke sehr!

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Frage X/8 - des Abgeordneten Wienand -: ist der Bundesregierung bekannt, daß die Bundesbahndirektion Köln beabsichtigt, die Güterabfertigung an verschiedenen Bahnhöfen der Siegstrecke - so auch in Blankenberg - fortfallen zu lassen?

Not found (Staatssekretär:in)

Ich darf diese Frage kurz beantworten. Die Deutsche Bundesbahn überprüft zur Zeit im Rahmen ihrer Rationalisierungsmaßnahmen rund 4500 kleinere Bahnhöfe und Abfertigungen auf ihre Wirtschaftlichkeit. Hierzu gehören auch einige Stellen an .der Siegstrecke, darunter Blankenberg ({0}). Die Untersuchungen sind erst angelaufen. Beschlüsse, an dieser Strecke die Abfertigungsbefugnisse einzelner Güterabfertigungen einzuschränken oder aufzuheben, wurden bislang noch nicht gefaßt.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Eine Zusatzfrage!

Karl Wienand (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002507, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ist die Bundesregierung bereit, die Bundesbahn darauf hinzuweisen, .daß gerade die Gemeinden ,an der oberen Sieg im Rahmen des Strukturverbesserungsprogramms des Landes Nordrhein-Westfalen als förderungswürdig anerkannt sind und auf Grund dessen besonderes Gewicht darauf gelegt werden muß, daß gerade die verkehrspolitischen Verhältnisse in Ordnung sind, damit die Mittel- und Kleinindustrie in diesen Gemeinden erhalten und weiter gefördert werden kann?

Not found (Staatssekretär:in)

Ich bin überzeugt, daß dieser Gesichtspunkt bei der Prüfung bereits heute berücksichtigt wird, bin aber gern bereit, die Bundesbahn darauf noch besonders aufmerksam zu machen. Im übrigen bestimmt das Bundesbahngesetz, daß die Bundesbahn solche Entscheidungen selbständig nur dann treffen kann, wenn den berechtigten Anforderungen des Verkehrs Rechnung getragen ist. Sie muß also diese Frage prüfen; sonst läuft sie Gefahr, daß sich die Bundesregierung einschaltet und Auflagen erteilt.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Eine zweite Zusatzfrage!

Karl Wienand (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002507, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich nehme an, der Bundesregierung ist bekannt, daß die Siegtalstraße eine der gefährlichsten Straßen ist und kaum für den Güterverkehr benutzt werden kann, die einzige Möglichkeit des Güterverkehrs also bei der Bundesbahn liegt. Darf ich Ihre Antwort so verstehen, daß unter diesen Gesichtspunkten besonderer Nachdruck darauf gelegt wird, daß diese Möglichkeit erhalten bleibt?

Not found (Staatssekretär:in)

In dieser Verallgemeinerung, Herr Abgeordneter, kann man das nicht sagen. Ich müßte sonst auf die Details des Frachtaufkommens der einzelnen Stationen eingehen. Ich bin aber gern bereit, diese Frage im Detail mit Ihnen zu besprechen oder schriftlich darauf zurückzukommen.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Brück.

Valentin Brück (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000277, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, die Bundesbahndirektion Köln zu ersuchen, mit der Gemeinde Blankenberg in Verbindung zu treten, um die Schließung der Güterabfertigung dadurch zu verhindern, daß die Verkehrsnutzer der Gemeinde Blankenberg in stärkerem Maße die Bundesbahn in der Frachtführung benutzen?

Not found (Staatssekretär:in)

Ich habe diese meine Zusage zu Ihrem Herrn Vorredner - ({0}) Herr Abgeordneter, ich bin gern bereit, das zu prüfen.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Herr Abgeordneter, die Verhandlung leitet der Präsident. ({0}) Ich rufe auf die Frage X/9 - des Abgeordneten Folger -: Auf welcher Rechtsgrundlage wurden die verschiedenen Untersuchungsgruppen tätig, die den Absturz des tschechoslowakischen Verkehrsflugzeuges in Oberrüsselbach untersuchten? Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Herrn Staatssekretär Dr. Seiermann vom 18. April 1961 lautet: Nach dem Absturz des tschechoslowakischen Verkehrsflugzeugs OK-OAD am 28. 3. 1961 bei Forchheim waren an der Unfallstelle tätig: 1. Der Untersuchungsreferent des Luftfahrt-Bundesamts zur fachlichen Untersuchung des Unfalls auf Grund von § 2 Abs. 1 Nr. 6 des Gesetzes über das Luftfahrt-Bundesamt vom 30. November 1954 ({1}) und von § 4 der Allgemeinen Verwaltungsvorschriften des Bundesministers für Verkehr für die fachliche Untersuchung von Unfällen bei dem Betrieb von Luftfahrzeugen in der Fassung dor Änderungsvorschrift vom 16. August 1960 ({2}), 2. ein bevollmächtigter Vertreter des tschechoslowakischen Verkehrsministeriums mit sieben Beratern, davon vier Vertreter vom Verkehrsministerium und drei Vertreter vom tschechoslowakischen Luftfahrtunternehmen auf Grund von Artikel 26 des Abkommens über die Internationale Zivilluftfahrt vom 7. Dezember 1944 ({3}) und Kapitel 5 Nr. 5.3 des Anhangs 13 zu diesem Abkommen, 3. vier Vertreter des sowjetischen Flugzeug-Herstellerwerks, die auf Ersuchen des Untersuchungsreferenten des LuftfahrtBundesamts als Ersatz für die verbrannten Flugzeugpapiere die technischen Unterlagen für das abgestürzte Flugzeug überbrachten, auf Grund von Kapitel 5 Nr. 5.3 Anmerkung 1 und Nr. 5.4 des Anhangs 13 zum Abkommen über die Internationale Zivilluftfahrt, 4. ein Vertreter des Bundesministers für Verkehr als Aufsichtsbehörde des Luftfahrt-Bundesamts, 5. ein Vertreter des bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft und Verkehr auf Grund von § 2 Abs. 1 Nr. 6 des Gesetzes über das Luftfahrt-Bundesamt, 6. Vertreter der Staatsanwaltschaft und von ihr zugezogene Sachverständige auf Grund der Bestimmungen der Stratprozeßordnung, 7. die örtliche Polizei auf Grund der Bestimmungen der Strafprozeßordnung und des Bayerischen Polizeiautgabengesetzes vom 16. Oktober 1954 ({4}), 8. Angehörige der amerikanischen Streitkräfte, die mit Kraftfahrzeugen aus ihren in der Nähe gelegenen Kasernen zur Unfallstelle gefahren waren, um Hilfe zu leisten. Sie hatten von dem Unfall durch die Besatzung eines amerikanischen Hubschraubers, die den Absturz beobachtet hatte, Kenntnis erhalten. Die Amerikaner hatten die Unfallstelle verlassen, nach dem ihre Hilfe nicht benötigt wurde. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Wohnungsbau. Ich rufe auf die Frage des Abgeordneten Baier ({5}), die Sie unter VIII/1 finden: Wird bei der Hergabe von Darlehen in Höhe von 100 Millionen DM durch die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung für den Bau von Wohnungen für Fernpendler den Richtlinien für den sozialen Wohnungsbau Rechnung getragen, wonach der Einsatz von Bundesmitteln den Grundsätzen einer neuzeitlichen Raumordnung Rechnung tragen und einer weiteren Zusammenballung in Gebieten mit überdurchschnittlicher Bevölkerungsdichte entgegenwirken soll? Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär.

Not found (Staatssekretär:in)

Ich beantworte die Frage des Herrn Abgeordneten Baier ({0}) wie folgt: Das bezeichnete Wohnungsbauprogramm geht nicht auf eine Initiative der Bundesregierung zurück. Als dem Wohnungsbauministerium bekannt wurde, daß die Absicht bestand, diese Maßnahme für Fernpendler durchzuführen, hat sich das Ministerium sogleich in die Verhandlungen eingeschaltet und darauf hingewiesen, daß der Wohnungsbau für Fernpendler vom Standpunkt einer gesunden Raumordnung aus zu Fehlentscheidungen führen kann. Es ist bekannt, daß die Bundesregierung bestrebt ist, eine Entlastung der Ballungsgebiete und eine Hebung der Wirtschaftskraft der schwach strukturierten Gebietsteile der Bundesrepublik herbeizuführen. Unter diesem Gesichtspunkt ist es z. B. nicht sinnvoll, Fernpendler, in deren Wohnorten in absehbarer Zeit sich Industriebetriebe ansiedeln werden, jetzt von diesen Orten abzuziehen und damit die beabsichtigte Hebung der Wirtschaftskraft dieser Gebiete zu erschweren oder gar unmöglich zu machen. Auf der anderen Seite muß zugegeben werden, daß man Fernpendlern, .die seit langem in einem festen Arbeitsverhältnis zu einem bestimmten Betrieb stehen und in deren Wohnorten die eben genannten Voraussetzungen nicht gegeben sind, bezüglich einer zumutbaren wohnlichen Unterbringung helfen muß. Die Bundesanstalt hat sich diesen Anregungen gegenüber sehr aufgeschlossen gezeigt. Die Grundsätze über die Gewährung der Mittel sehen für den begünstigten Personenkreis vor, daß nur solche Arbeitnehmer bedacht werden können, . die bereits länger als zwei Jahre in einem gleichen Betrieb tätig sind. Damit ist sichergestellt, daß die Maßnahme nicht zur Abwerbung von Arbeitskräften benutzt werden kann. Außerdem sollen die Standorte der Wohnungen nach Möglichkeit nicht in den Ballungsgebieten gewählt werden. Bei der Vergabe der Mittel ist ausdrücklich eine Einschaltung der für die Landesplanung zuständigen Stellen vorgesehen. Die Mittel kommen auch solchen Arbeitnehmern zugute, die an Betriebe außerhalb der Ballungsgebiete herangeführt werden sollen oder deren weitere Beschäftigung in solchen Gebieten sichergestellt werden soll. Besonders diese Bestimmung dürfte zur Entlastung der Ballungsgebiete förderlich sein.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Eine Zusatzfrage!

Fritz Baier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000081, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, was wird seitens des Bundesministeriums für Wohnungsbau getan, um im Rahmen der Industrieansiedlung in wirtschaftsschwachen Räumen den Wohnungsbau insbesondere für die dabei notwendigen Fachkräfte zu fördern? Ich glaube, hier wäre ein Weg gegeben, auf dem das Pendlerproblem gelöst werden könnte, ohne daß die wirtschaftsschwachen Räume dabei entvölkert werden.

Not found (Staatssekretär:in)

Das Wohnungsbauministerium, Herr Abgeordneter, ist mit Ihnen über die Dringlichkeit dieser Maßnahmen völlig einer Meinung. Dem Wohnungsbauministerium stehen für diesen Zweck besondere Mittel zur Verfügung. Es ist dies vor allen Dingen der aus den Rückflüssen gespeiste Fonds in Höhe von etwa 5 Millionen DM für das Rechnungsjahr 1960 und in gleicher Höhe für das Rechnungsjahr 1961, der für die Ansiedlung von Schlüssel- und Fachkräften in den Zonenrandgebieten verwendet wird. Es handelt sich dabei um einen Fonds, der unter Umständen auch noch durch die Mittel für allgemeine Eigentumsmaßnahmen aufgestockt werden kann. Um die Bedeutung dieser Beträge klarzumachen, darf ich darauf hinweisen, daß es sich dabei um zusätzliche Förderungsmittel handelt; dadurch ist der Wohnungsbaueffekt verhältnismäßig hoch. Für solche Maßnahmen kommen auch noch die sogenannten Demonstrativbaumittel in Betracht, die dem Wohnungsbauministerium für das Rechnungsjahr 1960 in Höhe von etwa 27 Millionen DM und für das Rechnungsjahr 1961 in gleicher Höhe zur Verfügung stehen. Auch diese Mittel dienen nach der Zweckbestimmung ausdrücklich der Entlastung der Ballungsgebiete und der Hebung der Wirtschaftskraft schwachstrukturierter Industriegebiete. Aus diesen Mitteln sind z. B. größere Siedlungsvorhaben gerade im Zonenrandgebiet, z. B. in Eschwege und bei Helmstedt, durchgeführt worden. ({0})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Die Fragestunde ist beendet. Die beiden Fragen, die noch nicht behandelt worden sind, können nicht mehr aufgerufen werden. Der Postminister hat den Sitzungssaal verlassen, nachdem er mich gefragt hat, ob die Fragen aus seinem Geschäftsbereich heute wohl noch behandelt würden, und ich ihm diese Frage verneint habe. Die Punkte 2 und 3 der schriftlichen Tagesordnung werden am Freitag aufgerufen werden. Als zweiten Punkt behandeln wir den Punkt 4 der schriftlichen Tagesordnung: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung Eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Wehrdisziplinarordnung ({0}) ; Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verteidigung ({1}) ({2}) ({3}) Berichterstatter ist der Abgeordnete Dr. Götz. Ich bitte ihn, seinen Bericht zu erstatten.

Dr. Hermann Götz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000704, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf auf den Schriftlichen Bericht verweisen, den ich dem Hohen Hause vorgelegt habe. Ich bitte, mir zu gestatten, daß ich in Ergänzung zu diesem Schriftlichen Bericht noch einige kurze Ausführungen mache. Ich möchte das Hohe Haus noch einmal auf die wichtigsten Punkte dieser Novelle zur Wehrdisziplinarordnung aufmerksam machen. Die Novelle zur Wehrdisziplinarordnung scheint sehr umfangreich zu sein. Die seit vier Jahren in Kraft befindliche Disziplinarordnung wurde durch die Regierungsvorlage in 51 Punkten geändert. Bei der Mehrzahl dieser Änderungen geht es jedoch nur um die Beseitigung von aufgetretenen Unklarheiten, Zweifelsfällen, Unebenheiten und Lücken, die sich bei der praktischen Handhabung des Gesetzes im Laufe der vier Jahre herausgestellt haben. Ich darf aber feststellen, daß aus dem Auftreten dieser Unebenheiten und Unklarheiten nicht der Schluß gezogen werden kann, daß sich die Wehrdisziplinarordnung bei ihrer Handhabung nicht als ein brauchbares Instrument zur Aufrechterhaltung der Disziplin in der Truppe erwiesen habe. Ich darf hier - ich glaube, mir das als Berichterstatter gestatten zu dürfen - feststellen, daß die Anwendung der Disziplinarordnung in der Vergangenheit immer in dem Geiste vor sich ging, in dem die Truppe aufgebaut und in dem die Truppe geführt wird. Von 51 Änderungen sind drei besonders beachtenswert, einmal die Aufhebung des Verbotes der Doppelbestrafung und im Zusammenhang damit die Aufhebung der uneingeschränkten Pflicht des Disziplinarvorgesetzten zur Abgabe an die Strafverfolgungsbehörden, zweitens die Änderung der Bestimmungen über die vorläufige Festnahme und die Möglichkeit zur Verhängung von Arreststrafen ohne vorherige richterliche Rechtmäßigkeitserklärung an Bord von Schiffen, die sich außerhalb der Hoheitsgewässer der Bundesrepublik befinden, und drittens die Neuregelung der Bestimmungen über die Eintragung einfacher Disziplinarstrafen in die Disziplinarbücher und die Tilgung dieser einfachen Disziplinarstrafen. Ich darf zunächst zu diesem letzten von mir erwähnten Punkt einiges sagen, weil es sich bei ihm im Vergleich zu den beiden anderen Punkten um den weniger bedeutsamen handelt. Die Änderung der Bestimmung über die Tilgung bedeutet einen beachtlichen Fortschritt vor allem im Interesse der Berufssoldaten. Nach der bisher geltenden Regelung können nämlich einfache Disziplinarstrafen nur bei Soldaten getilgt werden, die nicht Berufssoldaten oder Soldaten auf Zeit sind. Eine Tilgung von einfachen Disziplinarstrafen, die gegen Berufssoldaten oder gegen Soldaten auf Zeit verhängt worden sind, hatte das Gesetz nicht vorgesehen, und zwar deshalb, weil auch nach dem Disziplinarrecht für Bundesbeamte Disziplinarstrafen nicht getilgt werden können. Die militärischen Verhältnisse - insbesondere das militärische Unterordnungsverhältnis, in dem die befehlsgebundenen Soldaten leben - bringen es nun abereinmal mit sich, daß Disziplinarstrafen bei Soldaten häufiger verhängt werden als bei Beamten. Zum anderen muß hier noch erwähnt werden, daß das ständige enge militärische Zusammenleben es dem Disziplinarvorgesetzten ja durchaus ermöglicht, insbesondere dem Kompaniechef, sich auch ohne Kenntnis der vor längerer Zeit verhängten Strafen ein Persönlichkeitsbild von seinen Untergebenen zu machen. Daher wurde in dem Entwurf vorgeschlagen, auch bei Berufssoldaten und bei Soldaten auf Zeit eine Tilgungsmöglichkeit der einfachen Disziplinarstrafen vorzusehen. Der Ausschuß hat dem einmütig zugestimmt. Eine andere Bestimmung wurde im Ausschuß sehr eingehend erörtert, sie betrifft die Eintragung einfacher Disziplinarstrafen in die Strafbücher. Die Strafbücher haben den Zweck, den höheren Disziplinarvorgesetzten die Möglichkeit zu geben, die Handhabung des Disziplinarrechts ständig zu überwachen. Nach bisher geltendem Recht sind die Disziplinarstrafen, nachdem sie unanfechtbar geworden sind, in die Disziplinarbücher und, soweit Personalakten geführt werden, in diese einzutragen. Die so formulierte Bestimmung in § 42 aber konnte Zweifel aufkommen lassen, ob Disziplinarstrafen, die gegen Offiziere verhängt werden, nur in deren Personalakten oder auch in die Disziplinarbücher einzutragen sind. Diese Frage stellt sich übrigens nicht nur für Disziplinarstrafen bei Offizieren, sondern auch bei Unteroffizieren, für die ebenfalls Personalakten geführt werden. Der Regierungsentwurf wollte diese Zweifel dadurch beheben, daß er in einer Neufassung des § 42 klargestellt hat, daß bei Offizieren Disziplinarstrafen nur in die Personalakten einzutragen sind. Die Mehrheit des Ausschusses war der Auffassung, daß hier nach dem Gleichheitsgrundsatz und dem Grundsatz der Gleichbehandlung sich diese Frage auch bei Unteroffizieren stellt und die Strafen, die gegen Unteroffiziere verhängt werden, soweit für sie Personalakten geführt werden, nur in diese einzutragen sind. Ich darf ein kurzes Wort zur Aufhebung des Verbots der Doppelbestrafung und im Zusammenhang damit zur Aufhebung der uneingeschränkten Abgabepflicht sagen. Bei der derzeitigen Rechtslage kann ein Disziplinarvorgesetzter ein Dienstvergehen nur dann mit einer einfachen Disziplinarstrafe ahnden, wenn das Dienstvergehen nicht unter ein Strafgesetz fällt oder wenn dieses Dienstvergehen wegen Geringfügigkeit strafrechtlich nicht weiterverfolgt wird. Zur Sicherung dieses Verbots der Doppelbestrafung wurde in § 22 die uneingeschränkte Abgabepflicht durch den Disziplinarvorgesetzten an die Strafverfolgungsbehörde festgelegt. Folgende Überlegungen aber sprechen für eine Änderung dieser beiden Bestimmungen: erstens einmal die Tatsache, daß das Beamtendisziplinarrecht ein solches Verbot der Doppelbestrafung nicht kennt und daß es auch nicht die uneingeschränkte Abgabepflicht an die Strafverfolgungsbehörde vorsieht. Es ist einfach nicht einzusehen, warum der Soldat schlechter gestellt sein soll als jeder andere Staatsbürger und vor allem als der Beamte, zumal die Lage des Soldaten völlig der des Beamten entspricht. Zum zweiten haben die praktischen Erfahrungen gezeigt, daß die Erwägungen, die seinerzeit bei der Schaffung der Wehrdisziplinarordnung zu dem Verbot der Doppelbestrafung geführt haben, nicht mehr aufrechtzuerhalten sind. Gerade ,der mit der einfachen Disziplinarstrafe verfolgte erzieherische Zweck kann - das wird einleuchten - nur erreicht werden, wenn die Strafe der Tat möglichst auf dem Fuße folgt. Dieser erzieherische Zweck wird dann aber nicht erreicht, wenn der Disziplinarvorgesetzte erst nach einem oft sehr lange dauernden Verfahren bei der Strafverfolgungsbehörde oder bei dem Strafgericht eine einfache Disziplinarstrafe verhängen kann. Dabei ist noch in Erwägung zu ziehen, daß es sich bei den meisten an die Strafverfolgungsbehörden abzugebenden Dienstvergehen um Bagatellfälle handelt, die ohnehin zur disziplinaren Bestrafung zurückgegeben werden. Und drittens: Die uneingeschränkte Pflicht des Vorgesetzten zur Anzeige des Soldaten bei der Strafverfolgungsbehörde ist wirklich nicht geeignet, das Vertrauensverhältnis zwischen Vorgesetzten und Untergebenen zu fördern. Der Vorgesetzte muß auch, worauf ich schon hinwies, in Bagatellfällen, z. B. bei Verkehrsübertretungen, Anzeige erstatten. In den meisten Fällen wird der Staatsanwalt das Verfahren einstellen oder von einer Bestrafung absehen. Dann erst kann der Disziplinarvorgesetzte bestrafen. In den Augen des Soldaten erscheint dann - wenn ich mir erlauben darf, das hier in der Sprache des Soldaten zu sagen - der Staatsanwalt als der feine Kerl und der Kompaniechef als derjenige, der ihn unbedingt „in den Bau bringen" will. Viertens wird durch diese uneingeschränkte Abgabepflicht des Disziplinarvorgesetzten das Disziplinarrecht oder der im Disziplinarrecht geltende Er8834 Deutscher Bundestag - 3. Wahlperiode - 154. Sitzung. Bonn, Mittwoch, cien 19. April 1961 messensgrundsatz ausgehöhlt, weil der Disziplinarvorgesetzte auch dann eine Sache an die Staatsanwaltschaft abgeben muß, wenn er bei leichteren Straftaten wie beispielsweise bei Übertretungen von einer einfachen Disziplinarstrafe Abstand nehmen wollte, weil er eine andere erzieherische Maßnahme für ausreichend hielt. Nun darf ich zu dem letzten und wohl strittigsten Punkt noch einiges bemerken. Es handelt sich dabei um die erweiterte vorläufige Festnahme über den auf die Festnahme folgenden Tag hinaus ohne richterlichen Haftbefehl und um die Verhängung von Arreststrafen ohne richterliche Rechtmäßigkeitserklärung, in beiden Fällen unter der Voraussetzung, daß diese disziplinaren Maßnahmen an Bord von Schiffen, die sich außerhalb der Hoheitsgewässer der Bundesrepublik befinden, getroffen werden. Zur Erläuterung, worum es sich dabei handelt, kurz folgende Feststellung: Nach bisher geltendem Recht muß der Festgenommene spätestens am Ende des auf die Festnahme folgenden Tages wieder auf freien Fuß gesetzt werden, wenn nicht vorher ein richterlicher Haftbefehl erwirkt werden konnte. Eine Arreststrafe darf erst verhängt werden, wenn sie ein Truppendienstrichter ihrer Art und Dauer nach für rechtmäßig erklärt hat. Das würde bedeuten, daß in allen jenen Fällen, in denen ein Truppendienstrichter nicht rechtzeitig zu erreichen ist, der Festgenommene nicht über die festgesetzte Frist hinaus festgehalten werden darf bzw. eine Arreststrafe nicht verhängt werden kann. Das ist auch dann nicht möglich, wenn diese Maßnahmen aus disziplinaren Gründen dringend geboten sind. Diese Fälle können vor allem auf Schiffen eintreten, die sich oft wochenlang auf hoher See befinden. Auf Grund der Erfahrungen, die seit dem Inkrafttreten der Wehrdisziplinarordnung von der Bundesmarine gemacht wurden, hält das Bundesverteidigungsministerium eine Ergänzung der beiden Bestimmungen dahingehend für erforderlich, daß unter bestimmten Voraussetzungen, die jeden Mißbrauch ausschließen - ich darf das unterstreichen -, die Festnahme auch ohne richterlichen Haftbefehl über die erwähnte Frist hinaus verlängert bzw. eine Arreststrafe auch ohne richterliche Rechtmäßigkeitserklärung verhängt werden kann. Diese Ergänzung finden Sie in Abs. 4 des § 9 und in Abs. 5 des § 28. Der Verteidigungsausschuß hat sich mit den beiden neuen Bestimmungen sehr ausführlich und eingehend befaßt. Ich darf betonen, daß über die sachliche Notwendigkeit einer solchen Ergänzungsbestimmung unter den Mitgliedern des Verteidigungsausschusses Übereinstimmung bestand. Aber eine Minderheit des Ausschusses hatte Bedenken, ob die Bestimmungen des § 9 Abs. 4 und des § 28 Abs. 5 mit Art. 104 des Grundgesetzes vereinbar sind. So hat sich der Ausschuß auch sehr eingehend mit den verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten auseinandergesetzt, worüber ich im Schriftlichen Bericht ausführlich berichtet habe. Die Mehrheit des Ausschusses glaubte unter Berücksichtigung einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 10. Februar 1960 und nach Erwägung aller verfassungsrechtlichen Gesichtspunkte und schließlich unter Berücksichtigung der Tatsache, daß vor allem die vorgesehene Änderung des § 9 Abs. 4 - die erweiterte vorläufige Festnahme - sachlich in vollem Umfange dem § 106 des Seemannsgesetzes entspricht, das seinerzeit von Bundestag und Bundesrat ohne verfassungsrechtliche Bedenken verabschiedet wurde, diesen beiden Bestimmungen ihre Zustimmung geben zu können. Das sind die wichtigsten Punkte der Novelle zur Vehrdisziplinarordnung, auf die Ihre Aufmerksamkeit besonders zu lenken ich in Ergänzung meines Schriftlichen Berichts für notwendig hielt. Es bleibt mir nur noch zu bemerken, daß die Regierungsvorlage mit den im Ausschuß beschlossenen Änderungen in der Schlußabstimmung einstimmig angenommen wurde. ({0})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Ich danke dem Herrn Berichterstatter für seinen Bericht. Ich rufe nunmehr die einzelnen Artikel und die Änderungen ziffernweise auf. Zunächst Art. 1! Die Bestimmung, die vor Nr. 1 des Regierungsentwurfs eingesetzt werden soll, lautet auf Vorschlag des Ausschusses: „In § 2 Abs. 2 Nr. 2 ... ". Wer damit einverstanden ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Angenommen. Nun die Nummern 1, - 2, - 3, - 4, - 5, - 6, - 7, - 8, - 9, - 10, - 11. - Wer mit diesen Bestimmungen einverstanden ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmige Annahme. Zu Nr. 12 ist ein Änderungsantrag angekündigt. Sie finden ihn auf Umdruck 848. Wer begründet ihn? - Herr Abgeordneter Wittrock!

Karl Wittrock (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002545, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, es sollte jetzt kein verfassungsrechtlicher Exkurs durchgeführt werden. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hält sich aber für verpflichtet, auf die Problematik hinzuweisen, die in der vom Ausschuß vorgeschlagenen Ergänzung des § 28 enthalten ist. Es handelt sich hier um eine Problematik, die unter dem Gesichtspunkt der Freiheitsgarantie des Art. 104 des Grundgesetzes gesehen werden muß. Die vom Ausschuß vorgeschlagene Regelung hat nicht rein vorläufigen Charakter etwa im Sinne einer vorläufigen Festnahme, sondern sie eröffnet die Möglichkeit einer Freiheitsentziehung durch die Festsetzung einer Arreststrafe nach der Wehrdisziplinarordnung. Wir sind der Auffassung, daß wir die verfassungsrechtlichen Bedenken, die in diesem Falle bestehen, durchaus beachten sollten und müßten. Meine Damen und Herren, wenn gegen eine derartige Regelung, die vorsieht, auch ohne einen Richter einen Freiheitsentzug zuzulassen, verfassungsrechtliche Zweifel geäußert werden - sie sind hier unabweisbar zu äußern -, dann sollte ihnen das Hohe Haus Rechnung tragen. Das Hohe Haus sollte es nicht riskieren, eine Korrektur durch das Bundesverfassungsgericht in Kauf zu nehmen. Meine Damen und Herren, wir wissen, daß das Bundesverfassungsgericht gerade die Garantie gegen eine Freiheitsentziehung ohne richterliche Entscheidung sehr ernst nimmt. Hier ist ja eine einen anderen Sachbereich berührende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts erwähnt worden. Immerhin läßt das Bundesverfassungsgericht idurch seine Entscheidung erkennen, wie ernst es die Rechtsgarantie des Art. 104 des Grundgesetzes nimmt. Meine Damen und Herren, eben deshalb sollten die hier gegen die vorgesehene Möglichkeit der Verhängung einer Arreststrafe ohne eine richterliche Entscheidung geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken und Zweifel vom Hause beachtet werden. Man kann sie, wie die verfassungsrechtliche Situation nun beschaffen ist, nur dadurch beachten, daß man auf den vom Ausschuß vorgeschlagenen Abs. 5 der hier in Betracht kommenden Vorschrift verzichtet. Aus dieser Erwägung hat die sozialdemokratische Bundestagsfraktion den Streichungsantrag gestellt, den Sie aus dem vorliegenden Umdruck ersehen können. Ich bitte namens der sozialdemokratischen Fraktion um die Zustimmung zu diesem Streichungsantrag. Das Grundgesetz gilt auch für diejenigen, die sich auf den Schiffen der Bundesmarine außerhalb des deutschen Hoheitsgebietes befinden. Deshalb sollten die Rechtsgarantien des Grundgesetzes auch für diese Personen beachtet werden. Es bestehen keine Bedenken - das ist hier ausdrücklich auch von dem Berichterstatter angeführt worden - gegen die vorläufige Maßnahme, die § 9 in der Fassung der Beschlüsse des Verteidigungsausschusses vorsieht. Aber es bestehen Bedenken, ohne einen Richter eine Strafmaßnahme vorzusehen, wie es in der hier in Betracht kommenden Vorschrift geplant ist. Ich darf die Kollegen darauf hinweisen, daß der Innenausschuß, der im Gegensatz zum Rechtsausschuß die Möglichkeit hatte, sich mit dieser Vorschrift zu befassen, die gleichen Bedenken geäußert hat, die ich hier eben vorgetragen habe. Ich darf die Kolleginnen und Kollegen des Hauses weiterhin darüber unterrichten, daß auch aus der Mitte des Bundesrates sehr erhebliche Einwendungen geäußert worden sind. Auch der Rechtsausschuß des Bundesrates - der sich im Gegensatz zum Rechtsausschuß des Bundestages mit dem Problem befassen konnte - hat Bedenken geäußert. Wir sollten um der verf assungsrechtlichen Rechtssicherheit willen diese Bedenken beachten, ihnen Rechnung tragen und deshalb dem sozialdemokratischen Streichungsantrag zustimmen.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Benda.

Prof. Dr. Ernst Benda (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000139, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie für meine Fraktion, den Antrag der Fraktion der SPD abzulehnen. Herr Kollege Wittrock, ich bin mit Ihnen einig darüber, daß es wohl wenig sinnvoll ist, im Augenblick in die verfassungsrechtlichen Einzelprobleme einzusteigen. Wir haben ja die Dinge - Sie waren allerdings nicht dabei - im Verteidigungsausschuß sehr ausführlich erörtert. Aber nicht nur dort hat eine eingehende Diskussion stattgefunden. Ich darf Sie gleich in einem Punkt korrigieren, Herr Kollege Wittrock: Es ist nicht zutreffend, daß der Rechtsausschuß des Bundesrates in der Frage, von der Sie sprachen, verfassungsrechtliche Bedenken erhoben hat. Das Gegenteil ist ,der Fall! Es handelt sich um eine Sitzung des Rechtsausschusses des Bundesrates, an der bemerkenswerterweise ein erheblicher Teil der Herren Landesjustizminister persönlich teilgenommen hat. Der Rechtsausschuß des Bundesrates hat - wenn ich das Stimmenverhältnis richtig in Erinnerung habe - mit sieben Stimmen gegen eine Stimme ausdrücklich die Verfassungsmäßigkeit der in Frage stehenden Bestimmung nicht etwa verneint, sondern im Gegenteil bejaht. Erst das Plenum des Bundesrates hat in seiner Stellungnahme zur Regierungsvorlage die Bundesregierung gebeten, noch einmal die verfassungsrechtliche Problematik der Frage zu prüfen, mehr auch nicht. Es hat lediglich darauf hingewiesen, daß eine nochmalige Prüfung unter bestimmten Gesichtspunkten erforderlich sei. Diese Prüfung ist dann erfolgt. Sie finden die Stellungnahme, die die Bundesregierung auf Grund dieser Aufforderung abgegeben hat, in der Drucksache, die dem Ausschuß als Beratungsgrundlage gedient hat. Herr Kollege Wittrock, vielleicht noch etwas mehr Grundsätzliches: Sie haben gesagt, man sollte in den Fällen, wo man vernünftigerweise verfassungsrechtliche Zweifel geltend machen könne, diesen Zweifeln nachgeben, weil man unter keinen Umständen eine Korrektur durch das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe riskieren dürfe. Herr Kollege Wittrock, wenn diese Ihre Auffassung - die ich soeben natürlich verkürzt wiedergegeben habe - zu einem Prinzip unserer Arbeit würde, würde ich das geradezu für ein Unglück halten. Wir stehen auch bei der Entscheidung verfassungsrechtlicher Fragen, Herr Kollege Wittrock, unter der Herrschaft des Grundgesetzes - das ist selbstverständlich -, nicht unter der Herrschaft von Karlsruhe. Das hat das Bundesverfassungsgericht selber bei mehreren Gelegenheiten in klarer und dankenswerter Weise ausgesprochen. Wir haben verfassungsrechtliche Fragen mit peinlichster Sorgfalt zu prüfen. Das ist in diesem Fall geschehen. Diejenigen Damen und Herren, die dabei waren, werden das, zu welchem Ergebnis sie auch gekommen sind, bestätigen. Wenn wir dem Ergebnis und zu der ehrlichen Überzeugung gekommen sind, daß diese Vorschrift verfassungsmäßig st - über ihre sachliche Notwendigkeit ist bisher ein Streit überhaupt nicht aufgetaucht -, dann haben wir nicht nur das Recht, sondern geradezu die Pflicht, so zu verfahren, wie wir es für sachlich notwendig halten. Im übrigen darf ich in diesem Zusammenhang noch auf ein spezielles verfassungsrechtliches Problem aufmerksam machen. Gerade bei der Regelung dieser Frage haben wir eine spezielle Verpflichtung, die sich aus Art. 104 Abs. 2 Satz 4 des Grundgesetzes ergibt, wo es heißt, daß das Nähere über die in Abs. 2 Satz 1 bis 3 getroffenen Regelungen gesetzlich zu regeln ist. Für die Regelung der Frage, um die es sich hier handelt, besteht zur Zeit eine gesetzgeberische Lücke. Es gibt keine Möglichkeit, in den Fällen, in denen der Tatbestand des jetzt vorgeschlagenen Abs. 5 erfüllt ist, nämlich wo eine fast notstandsähnliche Situation besteht, in der nur durch die Festnahme des Täters die militärische Disziplin an Bord aufrechterhalten werden kann, auf Grund eines Gesetzes in der erforderlichen Weise einzuschreiten. Wenn diese gesetzliche Lücke nicht ausgefüllt wird, könnte man argumentieren, daß wir damit die uns in Art. 104 Abs. 2 Satz 4 gestellte Aufgabe vernachlässigen, weil wir hier einen Auftrag nicht erfüllen. Herr Kollege Wittrock, ich darf mir erlauben, das genauso kursorisch wie Sie zu sagen, ohne auf die Einzelfragen einzugehen. Ich möchte zusammenfassen: Der Herr Berichterstatter hat die Einzelargumente zu einem sehr großen Teil schon vorgetragen. Wir haben es uns nicht ganz einfach gemacht, weder im Ausschuß noch vorher oder auch hinterher bei unseren Beratungen innerhalb der zuständigen Arbeitskreise der Fraktion. Wir sind der festen Überzeugung, daß diese Regelung den verfassungsmäßigen Anforderungen, die wir nicht leicht nehmen, die wir genauso ernst nehmen wie Sie, genügend Rechnung trägt. Wir sind weiterhin mit Ihnen - jedenfalls mit Ihren Kollegen aus dem Verteidigungsausschuß - der Überzeugung, daß die Regelung sachlich unbedingt notwendig ist. Daher kommen wir zu dem Ergebnis, daß man diese Regelung treffen sollte. Ich bitte Sie nochmals, den Antrag der Fraktion der SPD abzulehnen. ({0})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Herr Bundesverteidigungsminister!

Dr. h. c. Franz Josef Strauß (Minister:in)

Politiker ID: 11002270

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Anschluß an das,' was Herr Kollege Benda gesagt hat, darf ich auf folgendes hinweisen. Die beiden Bestimmungen Art. 1 Nr. 5 b betreffend § 9 Abs. 4 und Nr. 12 b betreffend § 28 Abs. 5 hängen eng miteinander zusammen und können weder rechtlich noch in der Sache voneinander getrennt werden. Im einen Fall handelt es sich, wie Sie wissen, um die Frist für die Aufrechterhaltung einer volläufigen Festnahme, im anderen Fall handelt es sich darum, die Möglichkeit zu schaffen, daß Arrest ohne vorherige richterliche Rechtsmäßigkeitserklärung verhängt wird. Ich möchte dazu einige Bemerkungen machen. Für beide Änderungen besteht, wie auch in den Ausschüssen zum Teil einstimmig, zum Teil mit Mehrheit festgestellt worden ist, eine - ich darf auf Grund der vierjährigen Erfahrung sagen -und kaum lösbare disziplinare Probleme gestellt worden sind. Ich darf auf einige Beispiele hinweisen, die sich in der Praxis zugetragen haben. zwingende militärische Notwendigkeit. Es gilt, wie soeben erwähnt worden ist, eine Gesetzeslücke zu schließen, durch welche die Kommandanten von Schiffen der Bundesmarine bereits vor schwierige Auf einer Schulfregatte, die eine mehrmonatige Reise nach Südamerika unternimmt, kommt es infolge des ständigen engen Zusammenlebens der Besatzung an Bord zu einer Auseinandersetzung zwischen einigen Matrosen. Durch die lange Seereise in tropischen Gewässern ist einer der Matrosen in einen psychisch labilen Zustand geraten, hat zum Bordmesser gegriffen und einem Kameraden Verletzungen beigebracht. Er wird festgenommen. Nach der zur Zeit geltenden Regelung muß er spätestens am Ende des nächsten Tages wieder auf freien Fuß gesetzt werden. Es liegt auf der Hand, daß diese Freilassung wegen der Gefahr für die Besatzung nicht zu verantworten ist. Bevor Sie mich ungeduldig unterbrechen, darf ich darauf hinweisen, daß die Dinge im Zusammenhang stehen. Darum möchte ich beides zusammen erwähnen. Ich weiß, daß sich Ihr Änderungsantrag nur auf § 28 Abs. 5 bezieht, nicht auf § 9 Abs. 4. Auch bei Gefährdung des Schiffes selbst, z. B. bei Sabotagegefahr, kann die Fortsetzung des Arrestes über die bisher zulässige Frist hinaus notwendig sein. Das ist der eine Fall. ({0}) Ein anderes Beispiel zum Nachweis dafür, daß die erweiterte vorläufige Festnahme allein nicht ausreicht und daß auch die Möglichkeit der Verhängung von Arreststrafen gegeben sein muß: Die Fregatte liegt auf der Reede eines südamerikanischen I Hafens unter gefährlichen Strömungs- und Windverhältnissen vor Anker. Ein Gefreiter, der nachts als Ankerwache eingeteilt ist, begibt sich wider seine Pflicht an einen windgeschützten Platz des Schiffes und legt sich schlafen. Die Ankerkette bricht. Das Schiff treibt der Felsenküste entgegen und droht aufzulaufen. Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine erweiterte vorläufige Festnahme liegen nicht vor, weil der Gefreite nach der Tat keine unmittelbare Gefahr für Menschen oder Schiff mehr darstellt. Andererseits ist dieser Soldat bereits mehrfach mit Geldbußen, Ausgangsbeschränkungen und sogar mit Arrest disziplinar vorbestraft. Außerdem wird festgestellt, daß er auf seine Kameraden allgemein einen ungünstigen Einfluß ausübt, die Zucht und die Ordnung gefährdet. Hier hilft nur eine sofortige Arreststrafe, um die gefährdete Disziplin baldmöglichst wiederherzustellen. Zur Zeit ist der Kommandant hieran gehindert. § 28 WDO schreibt vor, daß vorher ein Truppendienstrichter die Vorgänge prüfen muß und sich mit der Frage der Rechtmäßigkeit der vom Kommandanten beabsichtigten Arreststrafe zu befassen hat. Ein Truppendienstrichter steht naturgemäß nicht zur Verfügung. Ich darf hier auch bemerken, daß der Vorschlag, auf funktechnischem Wege die Zustimmung des Truppendienstrichters einzuholen, erstens einmal naturgemäß gewissen Bedenken begegnet und insbesondere in Spannungs- und Krisenzeiten nicht durchführbar ist. Zum zweiten verlangen die Truppendienstrichter die Übersendung der Akten sowie Bundesverteidigungsminister Strauß die aktenkundige Einvernahme des Beschuldigten und sind bei ihrer richterlichen Unabhängigkeit im allgemeinen nicht bereit, nur auf Grund einer allgemeinen Darstellung des Sachverhalts die Bestätigung oder Nichtbestätigung der vom zuständigen Disziplinarvorgesetzten verhängten Arreststrafe vorzunehmen. Wir haben außerdem nur 13 Truppendienstrichter für die ganze Bundeswehr. Wir haben keine Möglichkeit, Abstellungen etwa für Auslandsfahrten bei der Bundesmarine vorzunehmen. Abgesehen von den wenigen Arrestfällen hätte der Richter auf See auch keine Aufgabe.' Mit Funkübermittlung kann nach durchgeführten Versuchen aus technischen Gründen nicht geholfen werden. Der Kommandant muß also mit der Bestrafung unter Umständen Wochen oder Monate warten, bis er nämlich wieder mit einem Truppendienstrichter in Verbindung treten kann. Nach einer mir vorliegenden Meldung hat das dazu geführt, daß angesichts der Unmöglichkeit, die vorläufige Festnahme länger auszudehnen, andererseits angesichts der Unmöglichkeit, eine Arreststrafe zu vollziehen, ein Kommandant einen Matrosen, einen Soldaten der Bundesmarine, in Lissabon an Land gesetzt und dem deutschen Konsul zur weiteren Veranlassung übergeben hat. Dieser Zustand ist nicht tragbar. An diesem Fall hat man im Jahre 1957 bei Schaffung der Wehrdisziplinarordnung, insbesondere ihres § 28, offensichtlich nicht gedacht. Wir können aber nicht einfach um der Perfektion willen - ich darf das hier sagen;, ich bitte, mir dieses Wort zu gestatten - ein in der Sache unmögliches Ergebnis in Kauf nehmen. Herr Kollege Wittrock, Sie haben hier den Standpunkt vertreten: wo immer jemand verfassungsrechtliche Bedenken erhebt, darf das Parlament nicht mehr tätig werden. Ich gehöre diesem Hause jetzt beinahe zwölf Jahre an. Wenn in jedem Fall, wo von irgendeiner Seite, gleichgültig aus welchem Grunde, verfassungsrechtliche Bedenken erhoben worden sind, das Parlament nicht mehr hätte entscheiden dürfen, dann läge der größte Teil der hinter uns liegenden Gesetzgebungsarbeit wahrscheinlich noch vor uns. Ich darf insbesondere an den Streit erinnern, der in diesem Hause bei mehreren Gelegenheiten ausgetragen worden ist. Im Zusammenhang mit dem Erlaß des Wehrpflichtgesetzes wurde damals von Ihrer Fraktion betont, daß der Paragraph - ich weiß jetzt im Augenblick die Nummer nicht -, der die situationsbedingte - und dazu gehört sowohl die technisch wie die politisch situationsbedingte - Kriegsdienstverweigerung ausschließe, verfassungswidrig sei. Darüber ist lange verhandelt worden. Darüber ist auch in Karlsruhe gestritten worden. Da haben namhafte Juristen Ihrer Fraktion als Anwälte in Karlsruhe die technisch und politisch situationsbedingte Kriegsdienstverweigerung als verfassungsmäßig gewissermaßen zwingend nachgewiesen. Ich erinnere mich einer Äußerung, die hier im Plenum - ich weiß nicht, ob es in dieser oder in der letzten Wahlperiode war - gefallen ist, daß man bei diesem Paragraphen gar nicht prüfen müsse, ob er verfassungswidrig sei; er sei verfassungswidrig in sich selber. Also, wenn wir danach zu gehen hätten, würde das Parlament allerdings seine - ({1}) - Ich nehme jetzt Stellung zu einem Änderungsantrag, Herr Kollege Heinemann. Ich habe im Augenblick nicht die Absicht, eine Frage zu beantworten. Wir können es insbesondere nicht verantworten - und darauf darf ich wieder hinweisen -, daß Kommandanten gegebenenfalls zur Selbsthilfe greifen, wenn sich erhebliche disziplinare Schwierigkeiten ergeben sollten, und daß sie im Zuge der von ihnen für notwendig befundenen Maßnahmen in Ermangelung der erforderlichen Regelung womöglich Mittel anwenden, die, abgesehen vom Verstoß gegen das geltende Gesetz, weit über das tragbare Maß hinausgehen. Ich möchte hier auf folgendes hinweisen. Wenn ein Kommandant die sofortige Verhängung einer Arreststrafe für notwendig hält, wenn ihm aber dieses Mittel genommen wird, dann greift er gerade bei dem Fall, den ich vorher erwähnt habe, zu dem Mittel der vorläufigen Festnahme, für die ja dann die Fristen aufgehoben würden. Man soll nicht eine Verantwortung, die wir hier als Gesetzgeber zu tragen haben, auf den Kommandanten eines Schiffes abwälzen. Wenn der Kommandant dann Gefahr läuft, wegen eines Vergehens gegen Bestimmungen der Wehrdisziplinarordnung zur Verantwortung gezogen zu werden, dann ist wieder der typische Fall eingetreten, den wir leider auch bei der Gesetzgebung in anderen Fällen haben: daß Verantwortungen, die oben geregelt werden müssen, auf Untergebene abgewälzt werden, die dann in ihrer akuten dienstlichen Pflicht zu entscheiden haben, um später dann unter Umständen wegen dieser Entscheidung zur Verantwortung gezogen zu werden. Diese Art der Gesetzgebung, auch diese Art der Handhabung der Gesetze führt zur Verantwortungsscheu und führt dazu, daß sich die zuständigen Vorgesetzten von ihren Dienstvorgesetzten, aber auch vom Parlament im Stich gelassen fühlen, daß sie sich der allgemeinen Resignation hingeben und sich sagen: Am besten kommt derjenige an, der gar nichts mehr tut und gar nichts mehr entscheidet. Wir müssen hier eine einwandfreie Regelung schaffen, die der wirklichen Praxis Rechnung trägt und die auch sehr wohl verantwortet werden kann. Ich darf noch auf folgendes hinweisen. In Art. 104 Abs. 3 des Grundgesetzes steht, daß jeder wegen des Verdachts einer strafbaren Handlung vorläufig Festgenommene spätestens am Tage nach der Festnahme dem Richter vorzuführen ist usw. Die Bestimmungen sind Ihnen ja bekannt. Wenn der Richter nicht die Fortdauer der Haft anordnet, ist der Betreffende wieder auf freien Fuß zu setzen. Hier ist die Voraussetzung sogar eine strafbare Handlung im Sinne des Strafgesetzbuches. Im Falle der vorläufigen Festnahme nach der Wehrdisziplinarordnung braucht nun keine straf8838 Bundesverteidigungsminister Strauß bare Handlung im Sinne des Strafgesetzbuches vorzuliegen. Es kann sehr wohl eine Dienstpflichtverletzung vorliegen, die nicht als strafbare Handlung im Sinne einer strafrechtlichen Bestimmung aufzufassen ist. Hier aber wird eine Bestimmung des Grundgesetzes - wenn ich Ihrer Argumentation folgen wollte - durch den Art. 1 Nr. 5 Buchstabe b aufgehoben. Das erschiene mir viel weitergehend als im anderen Falle, wo wir lediglich vorübergehend auf die richterliche Bestätigung einer Arreststrafe - nicht einer anderen Freiheitsstrafe - verzichten. Ich darf noch ein kurzes Wort zur verfassungsrechtlichen Seite sagen, ohne auf die Einzelheiten einzugehen. Die Frage, ob die vorgeschlagene Regelung mit Art. 2 und Art. 104 des Grundgesetzes vereinbar ist, hat die Bundesregierung in allen Stadien des Gesetzgebungsverfahrens wiederholt eingehend geprüft und im vollen Bewußtsein der Bedeutung des Grundgesetzes bejaht. Die vorgesehene Ergänzung des § 9 Abs. 4 entspricht sachlich voll und ganz dem § 106 des Seemannsgesetzes vom 26. Juli 1957, den die gesetzgebenden Körperschaften ohne verfassungsrechtliche Bedenken verabschiedet haben. Im übrigen läßt Art. 104 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes von dem in Abs. 2 Satz 1 niedergelegten Grundsatz vorgängiger richterlicher Entscheidung über Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung ausdrücklich eine Ausnahme zu, und zwar, wie das Bundesverfassungsgericht in einer Entscheidung vom 10. Februar 1960 ausgeführt hat, in Fällen, in denen der in Satz 1 gesetzten Regel nicht entsprochen worden ist oder nicht entsprochen werden konnte. Für jede nicht auf richterlicher Anordnung beruhende Freiheitsentziehung enthält Satz 2 lediglich die Weisung, die Entscheidung unverzüglich nachzuholen. Das Nähere ist nach Satz 4 gesetzlich zu regeln. Ein Vorschlag für diese gesetzliche Regelung liegt, wie Kollege Benda soeben erwähnt hat, nunmehr vor. Der Vorschlag trägt dem § 28 Abs. 3 der Wehrdisziplinarordnung und dem Art. 104 des Grundgesetzes dadurch Rechnung, daß der Kommandant verpflichtet ist, die Arrestvorgänge nach dem Einlaufen in einen Hafen der Bundesrepublik Deutschland unverzüglich dem Richter vorzulegen. Dieser hat die Rechtmäßigkeitsprüfung nachzuholen. Erklärt der Richter dabei die verhängte Arreststrafe für nicht rechtmäßig, so hebt er sie auf. Bei der sorgfältigen Auswahl der in das Ausland entsandten Kommandanten wird das aber kaum oder nur in sehr wenigen Fällen vorkommen. Jeder dieser Kommandanten hat ein dringendes Interesse daran, sich nicht der Gefahr der Aufhebung seiner Arreststrafe durch einen Truppendienstrichter auszusetzen. Ich habe nicht die Absicht, zu den verfassungsrechtlichen Fragen im einzelnen Stellung zu nehmen. Ich darf auf den Schriftlichen Bericht des Herrn Berichterstatters verweisen, der die verfassungsrechtliche Problematik behandelt hat. Im übrigen hat der Rechtsausschuß des Bundesrates die verfassungsrechtlichen Fragen erörtert und hat gegen den Regierungsentwurf insoweit keine Bedenken erhoben - entgegen Ihrer Annahme. Der Bundesrat hat ebenfalls keinen Änderungsvorschlag gemacht und in seiner Plenarsitzung vom 28. Oktober 1960 lediglich empfohlen, die Frage der Verfassungskonformität noch einmal zu prüfen. Das ist geschehen, mit positivem Ergebnis geschehen. Dabei hat sich insbesondere herausgestellt, daß die Begründung, mit der der Bundesrat seine Empfehlung versehen hat, im Gegensatz zu der Auslegung des Art. 104 des Grundgesetzes steht, die das Verfassungsgericht in der von mir vorher erwähnten Entscheidung vom Februar 1960 zugrunde gelegt hat. Nachdem nunmehr auch im federführenden Verteidigungsausschuß die Regierungsvorlage nach eingehender Prüfung mit Mehrheit angenommen worden ist, bitte ich ,das Hohe Haus, in dieser für die Disziplinarverhältnisse der Bundesmarine wesentlichen Frage ,die von der Bundesregierung vorgeschlagene Fassung zu verabschieden. Es mögen rechtliche Zweifel erhoben werden. In diesem Hause sind schon viele rechtliche Zweifel erhoben worden. Sie können auch in vielen Fällen erhoben werden Ich bitte Sie aber - nicht um recht zu behalten, sondern auch im Interesse des Ansehens unserer Gesetzgebungsarbeit, im Interesse des Ansehens der Gesetze, die wir schaffen, bei denjenigen, die sie zu vollziehen haben - um eine Regelung, die den wirklichen Verhältnissen Rechnung trägt. ({2})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Heinemann.

Dr. Dr. Gustav W. Heinemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000848, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Streit um § 25 des Wehrpflichtgesetzes steht sicherlich heute hier nicht zur Debatte. Nachdem aber der Herr Bundesverteidigungsminister dazu einige Bemerkungen gemacht hat, die ich nur als überaus ungut beurteilen kann, möchte ich folgende Richtigstellungen aussprechen. Das Bundesverfassungsgericht, Herr Strauß, hat den § 25 des Wehrpflichtgesetzes im Tenor seiner Entscheidung für verfassungsgemäß erklärt. Das Entscheidende aber, das wirklich Entscheidende, das in der Sache Entscheidende steht in ,den Gründen. Das Bundesverfassungsgericht hat gesagt: Der § 25 des Wehrpflichtgesetzes entspricht nur dann der Verfassung, wenn er in einer ganz bestimmten Weise ausgelegt wird, wenn er „verfassungskonform" ausgelegt wird. Die Auslegung, die das Bundesverfassungsgericht für verfassungskonform hält, widerspricht total dem, was hier die Mehrheit des Parlaments in § 25 hat hineinlegen wollen. Das Bundesverfassungsgericht sagt erstens: Jede echte Gewissensentscheidung ist zu respektieren. Es stünde niemandem zu, einen Unterschied zu machen zwischen anerkennenswerten und nicht anerkennenswerten Gewissensgründen. Zweitens sagt das Bundesverfassungsgericht, Herr Strauß, daß jede Gewissensentscheidung „situationsbezogen" ist. Also genau der damals hier so hart und vielfältig umstrittene Ausdruck wird vom Bundesverfassungsgericht positiv aufgenommen. Drittens und endlich steht in dem Beschluß, daß im Hinblick auf atomare Bewaffnung auch eine Kriegsdienstverweigerung dann anzuerkennen ist, wenn sie als grundsätzliche Kriegsdienstverweigerung ausgesprochen wird, Ich kann nur herzlich bitten, daß dieser Beschluß des Bundesverfassungsgerichts mit d e m Inhalt respektiert wird, den das Bundesverfassungsgericht ihm verbindlich auch für Sie gegeben hat. ({0})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Wittrock.

Karl Wittrock (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002545, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Weder Sie, Herr Minister, noch Sie, meine Damen und Herren von der Mehrheitsfraktion, entscheiden verfassungsrechtliche Fragen hier von dieser Stelle her ex cathedra. Wenn eine Fraktion und wenn Mitglieder dieses Hauses der Auffassung sind, daß wesentliche verfassungsrechtliche Bedenken bestehen, dann ist es ihre Pflicht, dem ganzen Hause diese Bedenken vorzutragen, um das ganze Haus zum Nachdenken zu veranlassen, natürlich mit dem Ziel, daß aus diesem Nachdenken, Herr Minister, dann die entsprechenden Konsequenzen gezogen werden. Das ist ja der Sinn einer jeden Antragstellung zu derartigen Problemen, und ich glaube, das Haus in seiner Gesamtheit hat nach gewissen Erfahrungen der Vergangenheit die Aufgabe, dann, wenn hier auf verfassungsrechtliche Fragen hingewiesen wird, sich ernsthaft Gedanken darüber zu machen, wenn es um das Ziel der Schlußfolgerungen geht. Herr Minister, Sie haben zur Begründung Ihres Standpunktes im wesentlichen nur gewisse sachliche Bedürfnisse angeführt. Der Berichterstatter hat hier, und zwar unbestrittenermaßen, darauf hingewiesen, daß hinsichtlich bestimmter sachlicher Notwendigkeiten keine Meinungsverschiedenheiten bestehen. Aber wenn man sachliche Notwendigkeiten zum Maßstab für die Entscheidung eines verfassungsrechtlichen Problems nimmt, dann ist man doch haargenau an der Stelle, wo man die Verfassung letzten Endes aus der sogenannten Natur der Sache heraus interpretiert, und dann kann man letzten Endes mit der Verfassung machen, was man will; denn es wird immer gewisse Situationen geben, in denen man sich auf den Standpunkt stellen kann: Die sachliche Notwendigkeit in dieser oder jener Richtung gebietet eine ganz bestimmte Interpretation auch von Grundrechtsartikeln. Na ja, die sachlichen Notwendigkeiten - auf diesen Standpunkt kann man sich, wenn man Ihrer These folgt, stellen - gebieten eben hier eine Anpassung, eine an diese sogenannten sachlichen Notwendigkeiten anpassende Interpretation der Verfassung. Das bedeutet letzten Endes nichts anderes, als daß man die Verfassung so zurechtbiegt oder so zurechtzubiegen droht, wie es auf Grund einer ganz bestimmten Sachlage am besten in den Kram paßt. Das Bundesverfassungsgericht hat sich deshalb auch, gerade weil es diese Gefahr sieht, ausdrücklich gegen eine jede Interpretation des Grundgesetzes aus der sogenannten Natur einer Sache heraus gewandt. Das sollten Sie dabei bedenken. Unser Standpunkt bedeutet nicht etwa, daß wir uns ganz bestimmten Erwägungen aus dem Bereich etwa der Bundesmarine verschließen wollten. Unser Standpunkt bedeutet vielmehr, daß wir hier keinen Präzedenzfall aus einer die Dinge verfassungsrechtlich zurechtbiegenden Interpretation des Grundgesetzes schaffen wollen. Die Kollegen im Verteidigungsausschuß, Herr Bundesminister, haben erklärt: Man kann sich darüber unterhalten, welche Konsequenzen sich aus den vom Ressortminister vorgetragenen sachlichen Notwendigkeiten hinsichtlich eines erneuten Durchdenkens des Problemkreises des Art. 104 des Grundgesetzes ergeben. Das war doch der Punkt, auf den die hier zitierte Minderheit hingewiesen hat. Diesen Weg sollte man beschreiten. Man sollte sich überlegen, ob die Bedürfnisse im Bereich der Bundeswehr ein neues Durchdenken des Problemkreises der richterlichen Freiheitsgarantie erfordern. Wenn man das durchdenkt, dann schafft man saubere und klare Verhältnisse, und dann bietet man nicht die Hand dazu, verfassungsrechtliche Interpretationskunststückchen aus der Natur der Sache heraus zu unternehmen. Es hat keine Meinungsverschiedenheiten über den Fall der vorläufigen Festnahme gegeben. Aber, Herr Minister, Sie wissen ganz genau, daß es auch hier bestimmte Zweifel gibt. Sie sind nicht zu einem Antrag erhoben worden. Der Antrag erstreckt sich allein auf § 28 Abs. 5. Der Streichungsantrag soll eine klare verfassungsrechtliche Situation schaffen. Er soll die richterliche Freiheitsgarantie, die Garantie, daß eine Freiheitseinschränkung nur auf Grund einer richterlichen Anordnung erfolgt, in jeder Weise durchsetzen. Herr Minister, das eine sei noch abschließend erwähnt. Sie sagen, es müsse durch schnelle Verhängung einer Arreststrafe eine abschreckende Wirkung erzielt werden. Nun, Sie wissen, daß die Anordnung einer Arreststrafe und die Durchführung der ersten Maßnahmen zur Einleitung eines entsprechenden Verfahrens durchaus möglich sind und daß von daher gesehen auch durchaus eine abschreckende Wirkung besteht.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Benda?

Karl Wittrock (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002545, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Bitte schön!

Prof. Dr. Ernst Benda (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000139, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Wittrock, würden Sie mir freundlicherweise die Stelle des Grundgesetzes nennen, am besten zitieren, in der steht, daß eine Freiheitsentziehung nur auf Grund richterlicher Anordnung - ich lege Wert auf das Wort „Anordnung" - erfolgen darf?

Karl Wittrock (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002545, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Art. 104 Abs. 2 des Grundgesetzes lautet: Über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung hat nur der Richter zu entscheiden . . . ({0}) Das ist die Bestimmung, um die es hier geht. Das ist der zentrale Ausgangspunkt für die Betrachtung. ({1})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Bundesminister für Verteidigung.

Dr. h. c. Franz Josef Strauß (Minister:in)

Politiker ID: 11002270

Ich darf zunächst noch einmal auf die Sache eingehen. Herr Kollege Wittrock, Ihr Argument, daß die Präliminarien, die Formalien der Einleitung einer Disziplinarstrafe, einer Arreststrafe, die Wochen oder Monate später nach Anlaufen eines Hafens und obendrein eines deutschen Hafens bei richterlicher Bestätigung vollstreckt werden kann, schon abschreckend wirken, ist zwar eine mich beinahe rührende Auffassung, entspringt aber doch einer mangelnden Kenntnis der Mentalität gerade der wenigen, um die es hier geht. Es geht nicht darum, eine abschreckende Wirkung auf die überwältigende Mehrheit der Soldaten auszuüben, die brav und anständig ihre Pflicht erfüllen. In jeder Einheit gibt es aber immer wieder den einen oder anderen, der nun einmal durch sofortige Maßnahmen eines besseren belehrt und zur Ordnung gerufen werden muß. Beim Heer und bei der Luftwaffe wirkt sich das nicht so aus, weil dort die Einholung einer richterlichen Bestätigung innerhalb sehr kurzer Zeit, auch wenn sich die Truppe im Ausland, auf französischen Übungsplätzen oder auf italienischen Flugplätzen, befindet, ohne weiteres möglich ist. Aber in der engen Bordgemeinschaft wirkt sich eine Disziplinlosigkeit eines notorisch undisziplinierten Soldaten ansteckend aus, und da kann ich mir Ihre Auffassung, daß allein ,die Ankündigung ausreiche, man werde eine Disziplinarstrafe vollstrecken, sobald der Richter sie bestätigt habe, nur aus einer wirklichen - ich sage das nicht im polemischen Sinne des Wortes - Unkenntnis der tatsächlichen Verhältnisse erklären. Wir bemühen uns gerade, eine klare Rechtsgrundlage zu schaffen und unsere Kommandanten aus dem Zwielicht, ich darf sagen: aus der ihnen nicht zuzumutenden Situation herauszuholen, daß sie sich auf die eine Bestimmung berufen müssen, weil die andere für sie nicht gegeben ist und obwohl die klaren Voraussetzungen für die Anwendung einer verlängerten vorläufigen Festnahme bei genauer Prüfung nicht gegeben sind. Wir sollten sie nicht veranlassen, ihr Gewissen zu strapazieren. Deshalb sollten wir ihnen die Möglichkeit geben, von einer klaren rechtlichen Bestimmung Gebrauch zu machen. Ein Zweites. Herr Kollege Wittrock, es ist manchmal erschütternd: Man kann sagen, was man will, es wird einfach nicht gehört. Sie haben mir und der Regierungsmehrheit vorgeworfen, wir hätten das Grundgesetz willkürlich aus der Sache heraus interpretiert. Das ist doch - entschuldigen Sie - einfach nicht wahr. Sie sind Jurist. Sie haben Ihre Überzeugung. Es ist nur eigenartig, daß die juristische Überzeugung in dem einen Teil des Hauses so und in dem anderen Teil des Hauses so ist. Ob das mit der Jurisprudenz allein zusammenhängt oder auch mit politischen Standpunkten, überlasse ich dem gesunden Menschenverstand. Man müßte eigentlich annehmen, daß die Front bei den Meistern der Jurisprudenz quer durch die Fraktionen hindurchgeht. Ich möchte mich nicht einer politischen Prophezeiung schuldig machen, aber ich bin überzeugt, daß die Juristen auf der Seite der CDU/ CSU sich für die Konformität der Bestimmung mit dem Grundgesetz aussprechen werden. Sie werden sich nach Ihrer Ankündigung bedauerlicherweise, wenn es mir nicht gelingt, Sie noch umzustimmen, gegen die Konformität aussprechen. Da sträubt sich einfach meine Intelligenz - wenn ich das Wort strapazieren darf - dagegen, daß das rein juristische Gründe sein sollen, die mit einem politischen Hintergrund nichts zu tun haben sollen. ({0}) - Ich spreche zu beiden; ich schaue nur Sie an, weil Sie vorher gesprochen haben und weil ich das so gern tue. Weiter darf ich Sie auf folgendes hinweisen. Wenn Sie fundierte juristische Bedenken haben - ich möchte jetzt darüber nicht sprechen -, wenn Sie uns andererseits in der Sache zustimmen können, Herr Kollege Wittrock, dann hätte ich an Ihrer Stelle - was wir schon mehrmals getan haben - in Form eines Initiativantrages eine Ergänzung des Grundgesetzes vorgeschlagen. Diese Ergänzung hätte dann Ihre verfassungsrechtlichen Bedenken beseitigt. Ich bin überzeugt, daß sich die Mehrheit des Hauses Ihrem Initiativantrag angeschlossen hätte. Sie wollen jedoch diese Bestimmung des Regierungsentwurfs beseitigen, ohne daß Sie einen Ersatz dafür bieten. Sie könnten einen Ersatz in Form eines Initiativgesetzentwurfs bieten. Wir sind allerdings der Meinung, daß es dieses Initiativgesetzentwurfs nicht bedarf. Ich darf noch eine weitere Bemerkung machen. Mit dem Vorwurf, daß das Grundgesetz aus der Sache heraus interpretiert werde, haben Sie die Bemerkung verbunden, daß eben dann die Interpretation des Grundgesetzes zurechtgebogen werde. Diesen Standpunkt können Sie nicht aufrechterhalten. Ich glaube nicht, daß die immerhin angesehenen juristischen Beamten meines Hauses aus der Sache heraus wider ihr Gewissen unter Zurechtbiegung der Interpretation des Grundgesetzes diese Bestimmung vorgeschlagen haben. Ich glaube nicht, daß man den beteiligten juristischen Beamten anderer Ministerien diesen Vorwurf machen kann. Diese Leute haben ebenso ein juristisches Gewissen und prüfen die Dinge genauso ernst, wie es die eine oder andere Seite dieses Hauses für sich in Anspruch nehmen kann.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Gestatten Sie eine Frage des Herrn Abgeordneten Schmidt ({0}) ?

Dr. h. c. Franz Josef Strauß (Minister:in)

Politiker ID: 11002270

Ja.

Dr. Otto Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002015, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Gilt das auch für das Justizministerium?

Dr. h. c. Franz Josef Strauß (Minister:in)

Politiker ID: 11002270

Das gilt für die Bundesregierung. Ich darf jetzt auf den Art. 104 Abs. 4 des Grundgesetzes zu sprechen kommen, wo es heißt: Über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung hat nur der Richter zu entscheiden. Es geht dann aber weiter: Bei jeder nicht auf richterlicher Anordnung beruhenden Freiheitsentziehung ist unverzüglich eine richterliche Entscheidung herbeizuführen. „Unverzüglich" kann nicht anders ausgelegt werden als: so bald es möglich ist, eine richterliche Entscheidung - in dem Falle: Bestätigung - herbeizuführen. Es ist dann einschränkend gesagt: Die Polizei darf aus eigener Machtvollkommenheit niemanden länger als bis zum Ende des Tages nach dem Ergreifen in eigenem Gewahrsam halten. Hier handelt es sich aber nicht um die Polizei. Zum Schluß heißt es: Das Nähere ist gesetzlich zu regeln. Wir beschließen ja dieses Gesetz, um den Kommandanten eine einwandfreie rechtliche Grundlage zu geben, um sie jedes Zweifels und jedes Zwielichtes zu entheben und um eine klare und saubere Situation zu schaffen. Ich bitte Sie wirklich, überzeugt zu sein, daß das nichts zu tun hat mit einer Interpretation des Grundgesetzes ad libitum einfach aus der jeweiligen Sache heraus und daß das nichts zu tun hat mit einer Interpretation des Grundgesetzes ad usum delphini - Sie kennen den Ausdruck, der heißt: nach dem Wunsch oder nach der Notwendigkeit des Kronprinzen. ({0})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Benda.

Prof. Dr. Ernst Benda (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000139, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe lange überlegt, Herr Minister, ob ich Ihnen in einem Punkte widersprechen soll. Ich möchte es tun, und zwar deswegen, weil das, was Sie über die Betrachtung verfassungsrechtlicher Probleme durch Juristen gesagt haben, die gleichzeitig Politiker sind, fast wörtlich - das ist ein interessanter Zufall - mit dem übereinstimmt, was der Herr Kollege Merten mir im Verteidigungsausschuß gesagt hat. ({0}). Ich habe damals gegenüber dem Herrn Kollegen Merten - jedenfalls für meine Person - wegen dieser Ausführungen protestiert. Ich würde es einfach nicht gerecht finden, wenn ich gegen Ihre Äußerung, Herr Minister, nicht auch protestierte. Ich darf also als Jurist, der sich gleichzeitig bemüht, politisch tätig zu sein, für meine Person sagen - und ich glaube, das ganz allgemein für sehr viele meiner Berufskollegen in diesem Hause sagen zu dürfen -: Welcher unterschiedlichen Meinung wir in Einzelfragen auch immer sein mögen, - wenn es um eine Verfassungsfrage geht, kann es für uns zunächst einmal gar nichts anderes als den Maßstab des Grundgesetzes geben. ({1}) Die Fragen der politischen Zweckmäßigkeit, die wir als Politiker nicht gering schätzen und nicht gering schätzen dürfen und die legitim sind, spielen dann eine zweitrangige Rolle. Insofern möchte ich hier als Jurist von Anfang an der weitverbreiteten, aber dennoch falschen Meinung widersprechen, daß irgend jemand von uns - ich glaube, ich kann für sehr viele meiner Kollegen sprechen - bereit sei, in einer Frage, in der wir politisch noch so gern etwas machen würden, bewußt gegen das zu verstoßen, was uns vom Grundgesetz aufgegeben ist. Ich halte diese Klarstellung - Herr Minister, ich glaube, daß wir gar nicht unterschiedlicher Meinung sind -, nachdem, wie gesagt, der Herr Kollege Merten das einmal im Verteidigungsausschuß gesagt hat und wir die Sache in einer, wie ich hoffe, ganz vernünftigen Form bereinigt haben, einfach für notwendig, damit mir in diesem Punkte nicht gesagt werden kann, ich trüge auf zwei verschiedenen Schultern. ({2})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Ich glaube, daß das Haus dem Abgeordneten Benda für diese Erklärung dankbar sein kann. Das Wort hat der Abgeordnete Merten.

Hans Merten (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001480, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren, ich möchte noch einiges zur Klarstellung sagen. Zunächst möchte ich mich jetzt nicht darauf einlassen, zu klären, wen der Herr Bundesverteidigungsminister mit dem Kronprinzen gemeint hat. ({0}) Diese Frage kann vielleicht bei anderer Gelegenheit noch einmal besprochen werden. Ich möchte nur sagen, aus welcher Haltung die sozialdemokratische Fraktion und auch ihre Juristen - aber natürlich aus rein juristischen Motiven - zu diesem Antrag gekommen ist. Wir haben 1957, als die Wehrdisziplinarordnung zum erstenmal hier in diesem Hause beschlossen wurde, schon einmal genau dieselbe Diskussion im Verteidigungsausschuß gehabt. Damals waren der Ausschuß und auch das Haus einstimmig der Meinung, man sollte die entsprechenden Paragraphen so formulieren, wie sie formuliert worden sind, und sollte auch für diejenigen Teile der Bundeswehr, die sich außerhalb des deutschen Hoheitsgebietes befänden, keine Sonderregelung treffen, wie sie jetzt in § 28 Abs. 5 vorgesehen ist. Wir haben uns etwas darüber gewundert, daß inzwischen eine Änderung der Meinung der Mehrheit des Hauses eingetreten ist. Wir sehen aber ein, daß, wie es auch der Herr Minister hier dargelegt hat, die Sache es erforderlich macht, für die Schiffe auf hoher See außerhalb der deutschen Hoheitsgewässer eine Sonderregelung zu treffen. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion ist also durchaus damit einverstanden - das möchte ich hier ganz klar sagen -, daß den Kommandanten der Schiffe eine Möglichkeit gegeben wird, die Disziplin an Bord - unter den besonderen Verhältnissen an Bord - aufrechtzuerhalten. Das haben wir auch im Verteidigungsausschuß ganz klar zum Ausdruck gebracht. Wir waren aber erstens mit den Bedenken des Bundesrates konfrontiert, und sie sind ja keineswegs ausgeräumt. Diese Bedenken hat der Bundesrat im Verteidigungsausschuß noch einmal ausdrücklich durch die Vertreterin des Landes Niedersachsen vorbringen lassen. Zweitens waren wir unter dem Eindruck, daß der Ausschuß für Inneres dieses Hauses diese Bedenken weitgehend teilt und aus diesem Grunde darum gebeten hat, daß der Rechtsausschuß in eine Prüfung der Angelegenheit eintritt. Herr Kollege Benda selber war es, der im Verteidigungsausschuß erklärte, daß der Rechtsausschuß aus Zeitmangel und aus grundsätzlichen Erwägungen dazu nicht in der Lage sein würde und daß wir das im Verteidigungsausschuß klären müßten. Daraufhin haben wir, die sozialdemokratische Fraktion, vorgeschlagen, man möge mit unserer Zustimmung das Grundgesetz in diesem Punkte ändern, damit die vom Verteidigungsministerium, wie wir glauben, mit Recht beabsichtigten Pläne in die Tat umgesetzt werden könnten. Im Verteidigungsausschuß bestand auch durchaus die Neigung, hier einen interfraktionellen Antrag auf Änderung des Art. 104 des Grundgesetzes einzubringen, insbesondere unter dem Eindruck der Bedenken, die von verschiedenen Seiten geäußert worden sind. Wir waren sehr unangenehm berührt, als in der nächsten Sitzung des Ausschusses plötzlich erklärt wurde, diese Änderung sei nicht notwendig, und man könne so etwas auch ohne diese Änderung hier hineinbringen. Ich betone, daß wir bereit sind, in der Sache den Wünschen, die vom Ministerium geäußert worden sind, Rechnung zu tragen, weil wir die Berechtigung dieser Wünsche anerkennen. Wir wünschen aber, daß, wenn diese Dinge im Gesetz ihren Niederschlag finden sollen, das in einer rechtlich absolut einwandfreien Form geschieht, die auf keiner Seite zu Bedenken irgendwelcher Art Anlaß gibt. Aus diesem Grunde haben wir diesen Antrag gestellt, nicht um die Sache aus dem Gesetz herauszubringen, sondern um der Sache den besten Dienst zu leisten, den man ihr leisten kann, nämlich sie auf rechtlich einwandfreien Grundlagen aufzubauen. ({1}) Damit ist in dieser Frage, glaube ich, der Sache viel mehr gedient, als wenn hier noch irgendwelche Zweifel zurückbleiben. Mir lag daran, das hier sehr klar auszusprechen, damit nicht der Eindruck entsteht, als sei von der sozialdemokratischen Fraktion beispielsweise beabsichtigt, Disziplinlosigkeit auf den Schiffen der Bundesmarine einreißen zu lassen oder ähnliche Dinge, die dann sehr leicht in solchen Fällen unterstellt werden.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Keine weiteren Wortmeldungen. Dann kommen wir zur Abstimmung. Wer dem Antrag Umdruck 848 zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Das letzte war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Nr. 12. Wer für die Annahme im ganzen ist, den bitte ich um das Handzeichen. ({0}) - Litera a. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmige Annahme. Litera a1. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmige Annahme. Litera b. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Gegen zahlreiche Gegenstimmen angenommen. Litera c. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmige Annahme. Nunmehr Nr. 12 im ganzen. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen. Nrn. 13, 14, 15, 16, 17 ohne Änderungsanträge. Wer zustimmen will, gebe ,das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmige Annahme. Nr. 18. Hier liegt unter Nr. 845 ein Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Krone und Genossen vor. Wird er begründet? - Vielleicht könnte man hei der Begründung auch den Versuch machen, das Deutsch dieses Antrages ein bißchen zu vereinfachen.

Dr. Hermann Götz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000704, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich darf zunächst darauf hinweisen, daß der Antrag meiner Fraktion sich nicht gegen das Anliegen ausspricht, das der Ausschuß mit Mehrheit akzeptiert und für das er die Formulierung gefunden hat, wie sie in Nr. 18 des Entwurfs abgedruckt ist. Auch nach unserer Fassung sollen in Zukunft Disziplinarstrafen, die gegen Offiziere verhängt werden, in die Disziplinarbücher eingetragen werden. Aber der Ausschuß hat bei der Formulierung die praktische Auswirkung übersehen. Es heißt hier: „Soweit Personalakten geührt werden, nur in diese." Dabei haben wir im AusDr. Götz Schuß an Offiziere und die Unteroffiziere gedacht, soweit sie Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit sind. Wir haben aber dabei übersehen, daß Personalakten in der Bundeswehr auch für Mannschaftsdienstgrade der Bundesmarine und der Luftwaffe geführt werden, soweit sie fliegerisches Personal sind. Die Fassung des Ausschusses „Soweit Personalakten geführt werden, nur in diese", hätte zur Folge, daß Disziplinarstrafen, die gegen Mannschaftsdienstgrade der Bundesmarine oder des fliegerischen Personals verhängt werden, nicht in die Disziplinarbücher, sondern nur in deren Personalakten eingetragen würden. Das war nicht unsere Absicht. Das würde ja auch die Überwachung des Disziplinarrechts und der gegen Mannschaftsdienstgrade verhängten Disziplinarstrafen erheblich erschweren. Dem wollten wir dadurch Rechnung tragen, daß wir in unserem Antrag gesagt haben: daß „einfache Disziplinarstrafen" - für alle, gleichgültig ob Offiziere oder Unteroffiziere - „in die Disziplinarbücher einzutragen" sind und: „Soweit Personalakten geführt werden, sind sie auch in diese einzutragen", nicht: „nur in diese". Damit wird also, glaube ich, der Mangel in der praktischen Handhabung behoben. Ich möchte meinen, daß das ganze Haus diesem Antrag zustimmen kann.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Keine weiteren Wortmeldungen mehr. Darf ich einen kleinen redaktionellen Vorschlag machen: Förmliche Anerkennungen sind unmittelbar nach Erteilung, Disziplinarstrafen unverzüglich nach Eintritt der Rechtskraft in die Disziplinarbücher und gegebenenfalls in die Personalakten einzutragen. Wir vermeiden damit eine ganze Reihe von schwer lesbaren Schachtelsätzen. ({0})

Dr. h. c. Franz Josef Strauß (Minister:in)

Politiker ID: 11002270

Herr Präsident, wenn ich Sie richtig verstanden habe, soll es heißen: „unmittelbar nach Erteilung"?

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

„Unmittelbar nach Erteilung"; hier heiß es: alsbald.

Dr. h. c. Franz Josef Strauß (Minister:in)

Politiker ID: 11002270

Das ist nicht der Sinn! Sie sind alsbald, nachdem sie ausgesprochen sind, d. h. in der Fassung, in der sie erteilt worden sind, einzutragen.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Aber das versteht sich doch von selbst! Man kann doch nicht gut eine andere Fassung als jene eintragen, in der die Anerkennungen erteilt worden sind. Die bisherige Fassung würde voraussetzen, daß man davon ausgeht, der Disziplinarbuchführer habe das Recht, eine Anerkennung nach eigenem Gutdünken zu formulieren. Das darf er doch nicht, er hat doch lediglich zu beurkunden, und eine Beurkundung muß doch so erfolgen, wie der Akt, der beurkundet wird, geschehen ist.

Dr. h. c. Franz Josef Strauß (Minister:in)

Politiker ID: 11002270

Ich wollte nicht auf die Zweckmäßigkeit oder Nichtzweckmäßigkeit 'dieser Bestimmung eingehen, sondern ich wollte nur klarstellen, daß Ihre Interpretation, es handle sich um einen temporalen Nebensatz -

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Alsbald!

Dr. h. c. Franz Josef Strauß (Minister:in)

Politiker ID: 11002270

„Alsbald" ist hier - entschuldigen Sie diesen Ausdruck - -

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Ist zeitlich.

Dr. h. c. Franz Josef Strauß (Minister:in)

Politiker ID: 11002270

Es mündet leider in einen Nebensatz ein. Es wäre ein temporaler Nebensatz, wenn es hieße: sobald sie erteilt worden sind. Das ist Ihre Interpretation. Aber ich glaube nicht, daß Ihre Interpretation dem Regierungsentwurf und der Meinung des Ausschuses entspricht. Vielmehr soll gesagt werden: Förmliche Anerkennung sind bald einzutragen. ({0}) „Alsbald" klingt gesetzestechnisch besser als das einfache Wort „bald", aber das Wort „alsbald" heißt hier soviel wie „bald"; es ist aber adverbial gemeint.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Übersetzen wir es ins Lateinische, dann wissen wir es besser!

Dr. h. c. Franz Josef Strauß (Minister:in)

Politiker ID: 11002270

Da heißt es: quam primum!

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das heißt auf deutsch „unverzüiglich".

Dr. h. c. Franz Josef Strauß (Minister:in)

Politiker ID: 11002270

Quam primum, und cum mit Konjunktiv - -({0}) „Subito" stimmt ebenfalls wieder, ({1}) aber nicht „repente". ({2}) Förmliche Anerkennungen sind alsbald - wenn ich es auf lateinisch nach Vorschlag des Herrn Präsicienten besser ausdrücken kann: quam primum -, d. h. sobald wie möglich, und zwar so, wie sie erteilt worden sind, einzutragen. ({3})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Herr Minister, ich habe hier keine Anträge zu stellen. Ich wollte nur eine Anregung geben, wie man diesen Satz einfacher formulieren könnte.

Dr. h. c. Franz Josef Strauß (Minister:in)

Politiker ID: 11002270

Ich wollte einer Änderung des Textes nicht von vornherein widersprechen. Ich möchte nur sagen, daß Ihr redaktioneller Vorschlag eine Änderung des Inhalts zur Folge hat, nicht nur eine Änderung der verbalen Fassung.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Wir sehen, wie schwer diese Formulierung eindeutig zu verstehen ist, wenn ich geglaubt habe, sie so auslegen zu können, wie ich dargetan habe. ({0}) Ich glaube, wir beenden diesen Dialog. Ich bitte um Entschuldigung, daß ich das Amt des Präsidenten dazu mißbraucht habe, dem Hause eine Anregung zu unterbreiten ({1}) und gar vielleicht einen Dolmetscher notwendig zu machen. Wer für diesen Antrag ist - wie er auf Umdruck 845 formuliert ist; um der Sprachregelung in dieser Formulierung zu folgen -, der gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmige Annahme. Wir stimmen nunmehr über Nr. 18 in der neuen Fassung ab. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmige Annahme. Nunmehr stimmen wir ab über die Nrn. 19, 20, 21, 22, 23, 24, 25, 26, 27, 28, 29, 30, 31, 32 usw. bis 51 a. Wer mit diesen Bestimmungen einverstanden ist, gebe ,das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmige Annahme. Ich rufe auf Art. 2, 3, 4, 5, Einleitung und Überschrift. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmige Annahme. - Die zweite Beratung ist beendet. Ich rufe auf zur dritten Beratung. Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Anträge liegen nicht vor. Dann kommen wir zur Abstimmung über das Gesetz im ganzen. Wer zustimmen will, möge sich erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei zwei Enthaltungen angenommen. - Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt. Punkt 5: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur und zur Sicherung land-und forstwirtschaftlicher Betriebe ({2}) ({3}) , Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (19. Ausschuß ({4}). ({5}) Berichterstatter ist der Abgeordnete Walter. ({6}) - Sie verzichten. Verzichtet das Haus auf Entgegennahme des mündlichen Berichts? - Das Haus verzichtet. Dann treten wir in die Einzelberatung ein. Um es gleich zu bemerken: bisher liegen drei Änderungsanträge vor. Der Herr Vorsitzende des Ausschusses hat mir mitteilen lassen, daß in § i Abs. 2 hinter das Wort „Weinbau" ein Komma gehöre. Das scheint mir dem Duden zu entsprechen. Ich rufe auf die §§ 1, 2 und 3. Wer diesen Paragraphen zustimmen will, gebe ,das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmige Annahme. Zu § 4 liegen eine Reihe von Änderungsanträgen vor: Umdruck 847 Ziffern 1 und 2 und Umdruck 849 Ziffern 1 und 2. Wir kommen zunächst zu dem Änderungsantrag Umdruck 849 Ziffer 1 zu § 4 Nr. 1. Wer begründet ihn? - Bitte!

Harri Bading (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000073, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieser Gesetzentwurf, der den Titel „Entwurf eines Gesetzes über Maßnahmen zur Verbesserung ,der Agrarstruktur und zur Sicherung land-und forstwirtschaftlicher Betriebe" trägt, hat sicherlich eine recht große Bedeutung für die Zukunft der deutschen Landwirtschaft. Wir müssen uns daher hier darüber klarwerden, welches der Sinn dieses Gesetzentwurfs zur Verbesserung ,der Agrarstruktur ist. Ich glaube, man kann das kurz zusammenfassen, indem man drei Ziele aufführt, einmal die Schaffung ausreichender Betriebsgrößen, zweitens die Verhinderung der Teilung von Betrieben unter eine bestimmte Grenze, besonders wenn diese Betriebe in ihrer jetzigen Größe erst durch große Aufwendungen der öffentlichen Hand geschaffen worden sind, und drittens, was zweifellos auch mit zur Verbesserung der Agrarstruktur gehört, die Förderung der Schaffung von Arbeitsmöglichkeiten außerhalb der Landwirtschaft. In kleinbäuerlichen Gebieten können wir die Agrarstruktur nur verbessern, wenn wir einem Teil der bisher landwirtschaftlich tätigen Bevölkerung die Möglichkeit geben, außerhalb der Landwirtschaft ihr Brot zu verdienen und ein Einkommen zu erzielen, das im großen und ganzen als angemessen zu bezeichnen ist. Deswegen beantragt meine Fraktion eine Ergänzung des § 4 Nr. 1, wonach eine Genehmigung nicht nur dann, wenn - wie nach dem bisherigen Wortlaut - der Bund oder ein Land, sondern auch dann, wenn eine Gemeinde oder ein Gemeindeverband als Vertragsteil an der Veräußerung beteiligt ist, nicht erforderlich sein soll. In allen kleinbäuerlichen Gegenden müssen die Gemeinden und Gemeindeverbände in der Lage sein, Land für gewerbliche Zwecke zur Verfügung zu stellen. Jeder, der die Verhältnisse kennt, weiß, daß man bei Gesprächen mit Bürgermeistern von Dörfern in solchen kleinbäuerlichen Gegenden immer wieder gefragt wird: Können Sie nicht entweder in diesem Dorf oder in einer Nachbargemeinde industrielle Arbeitsmöglichkeiten für unsere Einwohner schaffen helfen? Das ist einer der wichtigsten Punkte der Strukturänderung solcher Gebiete. Wir sind infolgedessen der Ansicht, daß das Grundstücksverkehrsgesetz; das ja ein Gesetz zur Verbesserung der Agrarstruktur ist, auch hierauf Rücksicht nehmen muß. Ich gebe offen zu, daß es für manche, die im traditionellen Denken befangen sind, ein Greuel sein mag, wenn auf dem flachen Land industrielle Arbeitsmöglichkeiten geschaffen werden. Ich bin aber der Ansicht, daß wir uns im Hinblick auf die großen Aufgaben, die uns als Gesetzgeber gerade auf dem Gebiet einer Agrarstrukturänderung gestellt sind, von diesem traditionellen Denken frei machen sollten. Die Landwirtschaft ist auf den Dörfern nicht mehr die einzige Erwerbsquelle. Uns kommt es zu, dafür zu sorgen, daß auch andere Arbeitsmöglichkeiten und Erwerbsquellen für die Bevölkerung geschaffen werden. Unter Ziffer 2 des Antrags Umdruck 847 beantragt die SPD zu § 4 Nr. 2 eine Fassung, wonach eine Grundstücksveräußerung nicht nur dann von der Genehmigungspflicht ausgenommen sein soll, wenn eine mit den Rechten einer Körperschaft des öffentlichen Rechts ausgestattete Religionsgemeinschaft ein Grundstück erwirbt, sondern auch dann, wenn eine mit den Rechten einer Körperschaft des öffentlichen Rechts ausgestattete Wohlfahrtsorganisation ein Grundstück erwirbt. Wenn man die vom Ausschuß beschlossene Fassung nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Mehrung des Besitzes der toten Hand betrachtet, sondern unter dem Gesichtspunkt, daß den Kirchen selbstverständlich die Möglichkeit gegeben werden muß, zur Erfüllung ihrer sozialen Aufgaben Land zu erwerben, dann muß das für alle Körperschaften des öffentlichen Rechts gelten, die sich mit sozialen Aufgaben beschäftigen, also nicht nur, wenn es sich um Kirchen handelt, sondern auch, wenn es sich um Wohlfahrtsorganisationen des öffentlichen Rechts handelt. ({0}) - Aber selbstverständlich sind das Körperschaften des öffentlichen Rechts. Ich erinnere Sie an das Sozialwerk, ich erinnere Sie aber auch an den hessischen Landeswohlfahrtsverband. Das ist auch eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Die würden hierdurch ausgeschlossen sein. Infolgedessen bitte ich Sie, unseren beiden Anträgen zu entsprechen. ({1})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Wir kommen zur Begründung des Änderungsantrages Umdruck 849 Ziffer 1. Das Wort hat der Abgeordnete Walter.

Fritz Walter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002421, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In Umdruck 849 hat die Freie demokratische Fraktion den Antrag gestellt, in § 4 Nr. 1 die Worte „Vertragsteil an der Veräußerung" durch das Wort „Veräußerer" und in § 4 Nr. 2 das Wort „handelt" durch die Worte „oder einen Teil davon handelt, durch dessen Veräußerung der Betrieb seine Lebensfähigkeit verlieren würde", zu ersetzen. Das Gesetz hat das Ziel, die Verbesserung der Agrarstruktur zu gewährleisten, und hat deshalb die Bewegung von landwirtschaftlichem Grund und Boden einer Genehmigungspflicht unterstellt. Davon ausgenommen sind Bund und Länder. Bund und Länder haben das Ziel der Verbesserung der Agrarstruktur herausgestellt und beabsichtigen es sogar durch einen Gesetzentwurf zu befestigen. Wir sind der Meinung, dann sollten Bund und Länder für die Umwandlung, die sich durch die Verbesserung der Agrarstruktur ergibt, ebenfalls einen Beitrag leisten und dem Gesetz auch bis zu einem gewissen Grade unterstellt sein. Wenn der Bund verkauft, braucht er ja dazu keine Genehmigung. Die gesamte Landwirtschaft ist daran interessiert, daß zur Verbesserung der Agrarstruktur Grund und Boden, der dem Bund oder den Ländern gehört, mit aufgenommen wird. Umgekehrt sollten der Bund oder die Länder, wenn sie kaufen, ebenfalls bis zu einem gewissen Grade der Genehmigungspflicht unterstellt werden. ({0})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Herr Abgeordneter Bauknecht!

Bernhard Bauknecht (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000110, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte das Hohe Haus, die Anträge, die mein Kollege Bading von der sozialdemokratischen Fraktion gestellt hat, abzulehnen. Der eine Punkt des Antrags befaßt sich mit der Frage, ob die Gemeinden von der Genehmigungspflicht ausgenommen werden sollten. Ich darf darauf aufmerksam machen, daß sich gerade mein federführender Ernährungsausschuß mit dieser Frage eingehend befaßt hat und daß wir u. a. unsere Beratungen für eine große Zeitspanne ausgesetzt haben, weil wir die Verabschiedung des Bundesbaugesetzes abwarten wollten. Im Bundesbaugesetz ist das Vorkaufsrecht der Gemeinden zur vollen Zufriedenheit der Gemeinden geregelt. Das Grundstücksverkehrsgesetz beschränkt sich aber auf den Rayon außerhalb der Baubezirke. Wir haben auch Verhandlungen mit Gemeindeverbänden und mit dem Städteverband gepflogen; sie sind mit der jetzigen Regelung völlig einverstanden. Meine Damen und Herren, wohin würde es führen, wenn die Gemeinde innerhalb des ganzen Gemeindebereichs ohne Genehmigungspflicht kaufen könnte, wie sie wollte! Herr Bading, Sie haben darauf hingewiesen, daß es notwendig sei, im Zuge der Verbesserung der Agrarstruktur auch in den ländlichen Gebieten, wo die Landwirtschaft im kleineren betrieben wird, die Industrie anzusiedeln. Dem stimmen wir vollauf zu; aber, Herr Bading, wenn ein Industriebetrieb Interesse an der Niederlassung in einem ländlichen Gebiet hat, wird er von diesem Gesetz nicht behindert. Der Antrag soll nur genehmigungspflichtig sein, aber er braucht nicht abgelehnt zu werden. Was wir haben wollen, ist nur eine Kontrolle. Ich komme zu Ihrem Antrag bezüglich des § 4 Nr. 2 auf Einbeziehung der Wohlfahrtsorganisationen, soweit sie den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts haben. Meine Damen und Herren, ich bitte, auch diesen Antrag abzulehnen. Wir haben den Religionsgesellschaften hier wohl ein besonderes Recht eingeräumt; aber das hängt - ich darf Ihnen sagen, daß sich die Mitglieder meiner Fraktion das eingehend überlegt haben - damit zusammen, daß sich die Religionsgemeinschaften, die zum Teil über großen Grundbesitz verfügen, nicht der Notwendigkeit verschließen können, aus sozialen Gründen Land abzugeben. Die Freistellung von der Genehmigung ist lediglich dafür gedacht, daß bei Abgabe zu sozialen Zwecken, also zu Wohnungsbau- oder sonstigen öffentlichen Zwecken, wieder Ersatzland beschafft werden kann. Ich bitte daher, die beiden Anträge abzulehnen. Zu dem Antrag von Herrn Walter wird mein Kollege Seidl Stellung nehmen.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Es ist nunmehr doch zu beiden Ziffern gesprochen worden, obwohl wir erst bei Ziffer 1 waren. Herr Seidl, bitte!

Franz Seidl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002152, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nur ein paar Worte zu dem Antrag sagen, den der Kollege Walter begründet hat, nämlich den Bund und die Länder bei Grunderwerb ebenfalls der Genehmigungspflicht zu unterstellen. Der Antrag ist meiner Ansicht nach sehr ungewöhnlich. Es würde der Fall eintreten, daß die weisungsgebundenen unteren Verwaltungsbeh örden, die unteren Landwirtschaftsbehörden - die Länder bestimmen, welche Behörden es sein sollen - in diesem Verfahren über den Antrag der obersten Dienstbehörde zu entscheiden hätten. Hier würde etwas gemacht, was wir sonst, glaube ich, bisher nirgends haben. Der Antrag unterstellt -meiner Ansicht nach völlig zu Unrecht -, daß Bund und Länder auf der einen Seite zwar die Agrarstruktur gesetzlich fördern wollen, andererseits aber dem Gesetz zuwiderhandeln würden. Das darf man weder dem Bund noch den Ländern zutrauen. Herr Kollege Walter, Sie haben in Ihrem Bericht, der allerdings nicht Ihre persönliche Meinung darstellen muß, diesen Gedanken selber zum Ausdruck gebracht, daß es nicht angängig ist, den unteren Behörden die Überwachung zu übertragen, wenn die oberste Behörde an den Grundstücksgeschäften beteiligt ist. Aus diesen Gründen bitte ich, den Antrag abzulehnen.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Keine weiteren Wortmeldungen? Dann kommen wir zur Abstimmung. Zur Abstimmung hat. das Wort der Abgeordnete Dr. Bucher.

Dr. Ewald Bucher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000288, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die beiden vorliegenden Änderungsanträge gehen in entgegengesetzte Richtung, so daß man im Zweifel sein kann, welcher der weitergehende ist. Der unsere will die Genehmigungsfreiheit einschränken, der der SPD-Fraktion will sie erweitern. Nun wären wir mit dem Antrag der SPD-Fraktion einverstanden, wenn unser Antrag angenommen würde. Dann haben wir selbstverständlich nichts dagegen, daß auch die Gemeinden und Gemeindeverbände aufgeführt werden. Ich erlaube mir deshalb die Anregung - zu entscheiden darüber hat ja der Herr Präsident -, bei der Abstimmung so zu verfahren, daß unser Änderungsantrag Umdruck 849 Ziffer 1 praktisch als Änderungsantrag zum Antrag der SPD Umdruck 847 Ziffer 1 betrachtet wird, daß über unseren Antrag zuerst abgestimmt wird und daß daraufhin, ob er nun angenommen oder abgelehnt wird, der Antrag der SPD zur Abstimmung gestellt wird.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Man kann wirklich darüber streiten, wie man es machen soll. Ich hatte umgekehrt gedacht, daß der Antrag weitergeht, der mehr Beteiligte von der Genehmigungspflicht freistellen will, ({0}) während der weniger weitgehende Antrag nur dann von der Genehmigung freistellen will, wenn eine Körperschaft als Verkäufer, nicht als Käufer beteiligt ist. Ich glaube, ich werde die Abstimmung so durchführen, daß zunächst über den Änderungsantrag Umdruck 847 Ziffer 1 entschieden wird. Mag die Abstimmung ausgehen, wie sie will, es kommt in jedem Fall noch zur Abstimmung über den Anderungsantrag 849 Ziffer 1. Das sind zwei ganz verschiedene Anträge, die sich nicht widersprechen. In jedem wird etwas anderes verlangt. Man kann also durchaus den einen annehmen oder ablehnen und dann den anderen annehmen oder ablehnen, ohne daß hieraus ein Widerspruch entsteht. Änderungsantrag Umdruck 847 Ziffer 1! Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt. Änderungsantrag Umdruck 849 Ziffer 1! Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit Mehrheit abgelehnt. Änderungsantrag Umdruck 847 Ziffer 2! Das ist der weitergehende Antrag. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das zweite war die Mehrheit, der Antrag ist abgelehnt. Änderungsantrag Umdruck 849 Ziffer 2! Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das ist mit großer Mehrheit abgelehnt. Wir stimmen nunmehr ab über § 4 in seiner jetzigen Fassung. Wer zustimmen will, gebe das HandVizepräsident Dr. Schmid zeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen. §§ 5, - 6, - 7, - 8, - 9, - 10, - 11, - 12. -Wer diesen Bestimmungen zustimmen will, der gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Gegen einige wenige Stimmen angenommen. Zu § 13 liegt der Änderungsantrag Umdruck 847 Ziffer 3 vor, der lautet: Der Zweite Abschnitt - Gerichtliche Zuweisung eines Betriebes - mit den §§ 13, 14, 15, 16 und 17 wird gestrichen. Zur Begründung erteile ich das Wort dem Abgeordneten Dr. Harm.

Dr. Walter Harm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000812, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Art. 14 des Grundgesetzes gewährleistet das Erbrecht und fügt hinzu, daß Inhalt und Schranken durch die Gesetze bestimmt werden. Die Bestimmungen der §§ 13 bis 17 des Grundstückverkehrsgesetzes würden einen Teil der Bevölkerung in all den Fällen, in denen der Erblasser es aus irgendwelchen Gründen unterlassen hat, testamentarisch eine Regelung für seinen landwirtschaftlichen Besitz zu treffen, in puncto Erbrecht unter ein Sonderrecht stellen. Bei einer durch gesetzliche Erbfolge entstandenen Erbengemeinschaft könnte das Gericht nämlich auf Antrag eines Miterben die Gesamtheit der Grundstücke, aus denen der Betrieb besteht, ungeteilt einem Erben zuweisen. Das ist der § 13. Laut § 15 wäre der Betrieb vom Gericht unter Umständen dem Erben zuzuweisen, der nach dem mutmaßlichen Willen des Erblassers als Erbe in Betracht gekommen wäre. Nur dieses noch - von den anderen Einzelheiten sehe ich ab -: Den übrigen Miterben stände an Stelle ihres echten Erbrechtes nur ein Anspruch auf Zahlung Jeines Geldbetrages zu, da formell zwar „dem Wert ihres Anteils an dem zugewiesenen Betrieb ... entspricht". So § 16. Aber bei dieser Bewertung soll vom Einheitswert ausgegangen werden, von welchem nach oben bis zum Dreifachen oder auch nach unten abgewichen werden kann. An einer anderen Stelle des Gesetzes wird dann wieder auf den Ertragswert abgestellt. Die ganze Bewertungsgrundlage ist in dem Gesetz unklar und unbestimmt. Jedenfalls bringt sie den Richter in größte Schwierigkeiten, wenn er die Miterben gerecht behandeln will. Nun, Sie wissen alle - ich brauche es in diesem Hause nicht zu erläutern -, daß, wenn man bei landwirtschaftlichem Besitz den Einheitswert zur Grundlage der Bewertung und der Auseinandersetzung unter Erben macht, das eine höchst problematische Erbteilung ergeben würde. Hinzu kommt, daß das Recht der Miterben unter Umständen in der Weise weiter beschränkt ist, daß sie sich bezüglich ihrer Abfindungsansprüche gedulden müssen, daß eine Stundung von Gerichts wegen möglich ist. Sie sehen also, daß das Schicksal eines Miterben bei einem landwirtschaftlichen Betrieb denkbar unklar und ungewiß und auch, ich möchte sagen, ungerecht ist. Aus all diesen Gründen hatte der Rechtsausschuß von vornherein gegen diese ganze Institution der gerichtlichen Zuweisung seine Bedenken, und er hat dem federführenden Ausschuß empfohlen, diese Bestimmungen fallenzulassen. Wiewohl nun einige Einzelheiten gegenüber dem ursprünglichen Entwurf geändert worden sind, bleibt doch das bestehen, was ich Ihnen soeben vorgetragen habe. Ich muß feststellen, daß die grundsätzlichen Bedenken des Rechtsausschusses mit diesen Änderungen nicht ausgeräumt sind und daß vor allen Dingen wir von der SPD die Institution der §§ 13 bis 17, die dem Richter eine Verantwortung aufbürden, eine Entscheidung zu treffen, die von Rechts wegen der Erblasser hätte treffen sollen, unmöglich für recht und billig erachten können. Wo der Erblasser keine testamentarische Regelung über seinen landwirtschaftlichen Besitz getroffen hat, würde nach diesem Gesetzentwurf die gerichtliche Zuweisung bei teilweiser Entrechtung der übrigen Miterben Platz greifen. Es gäbe also in Zukunft zweierlei Erbrecht in Deutschland, und besonders beklagenswert wären dabei diejenigen, die das Pech hatten, zum Vater einen Landwirt gehabt zu haben. Das Rechtsinstitut des privaten Erbrechts würde damit für einen Teil der Bevölkerung durch den Gesetzgeber, nämlich durch uns hier heute, in seinem Gesamtcharakter so umgestaltet, daß von einem privaten Erbrecht nicht mehr gesprochen werden kann. Der Kommentar von v. Mangoldt zum Grundgesetz führt als Beispiel für eine solche, ich möchte sagen, Verfälschung bzw. Änderung des Erbrechts den Fall an, daß der Gesetzgeber ein Gesetz fertigen würde, nach welchem der Staat einen so großen Anteil an der Erbmasse für sich reklamiert, daß von einem echten Erbrecht für die eigentlichen Erben nicht mehr gesprochen werden könnte. Genauso sehen wir diese Bestimmungen, die ich Ihnen zitiert habe, und so hat auch der Rechtsausschuß die Dinge gesehen. Die erbrechtlichen Bestimmungen des Grundstücksverkehrsgesetzes können deshalb in dieser Form unter gar keinen Umständen Gesetz werden; denn sie sind nicht nur unbillig, sondern widersprechen auch dem allgemeinen Erbrecht und dem durch das Grundgesetz sanktionierten Erbrecht überhaupt. Ich möchte einmal hören, was die gesamte Landwirtschaft sagen würde, ob sie nicht von Entrechtung und Enterbung sprechen würde, wenn wir ein Gesetz schaffen wollten, in dem es hieße, der Staat könne jeden landwirtschaftlichen Besitz zum höchstens dreifachen Einheitswert für sich reklamieren. Aber ähnlich liegt es hier im Verhältnis zwischen den Erben untereinander. Wir halten deshalb den Gesetzentwurf mit der darin vorgesehenen Regelung für ebenso unbillig wie auch gegen das Gesetz rund das Grundgesetz verstoßend und beantragen deshalb, wie schon im Rechtsausschuß zum Ausdruck gebracht worden ist, die Streichung der §§ 13 bis 17. ({0})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Seidl.

Franz Seidl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002152, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Harm hat zu Beginn und auch am Schluß seiner Ausführungen in den Vordergrund gestellt, daß mit der Schaffung der Möglichkeit einer Zuweisung ein gesondertes Erbrecht, ein Extraerbrecht für einen Teil der Bevölkerung geschaffen würde, und hat das als ein Novum hingestellt. Ich darf darauf hinweisen, daß es bereits jetzt in nahezu allen deutschen Ländern ein derartiges beschränktes Erbrecht auf Grund des Höferechtes gibt. Das ist also insofern nichts Neues. Das Zuweisungsverfahren soll dazu dienen, die geschlossene Erhaltung und Weiterführung bäuerlicher Betriebe zu ermöglichen, wenn durch einen Zufall oder vielleicht auch einmal durch Nachlässigkeit der Erblasser es versäumt hat, eine letztwillige Verfügung zu treffen, damit der Hof nicht entweder in Erbengemeinschaft weiter verwaltet wird, was bekanntlich - darüber sind sich wohl alle einig - eine gute Führung dieses Betriebes nicht gewährleistet, oder veräußert wird. Es ist das Ziel sowohl des Höferechts wie auch des vorliegenden Gesetzentwurfs, die geschlossene Erhaltung der bäuerlichen Betriebe möglich zu machen. Ich darf nun auf die verfassungsrechtlichen Bedenken eingehen. Wir kennen dieses Institut auch in der Schweiz. Auch das schweizerische Recht kennt diese Zuweisung. Ich glaube, man muß hier das Institut der Zuweisung als solches und die Frage der Abfindung der weichenden Erben unterscheiden. Die Verfassungsmäßigkeit des Zuweisungsverfahrens ist auf Grund der geltenden Zuweisungsverfahren schon einige Male Gegenstand höchstrichterlicher Entscheidung gewesen. Eine dieser Entscheidungen des Bundesgerichtshofes ist veröffentlicht; sie ist in Band 5, Seite 124/49 zu finden; die zwei anderen Entscheidungen sind meines Wissens nicht veröffentlicht. In der genannten Entscheidung hat sich das Bundesgericht mit diesem Problem befaßt und die Verfassungsmäßigkeit bestätigt, und zwar unter Hinweis auf verschiedene analoge Bestimmungen des deutschen Rechts, des schweizerischen Rechts sowie auf Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs, das für den Erb- und den Pflichtteil vorsieht, ,daß der Erblasser bestimmen kann, daß ein Landgut einem der Erben zum Ertragswert zugewiesen wird. Diese Bestimmungen sind schon sehr alt, so alt wie das Bürgerliche Gesetzbuch selbst, so daß gegen die Zuweisung als solche meiner Ansicht nach verfassungsrechtliche Bedenken nicht bestehen können. Die Erben erwerben ihr Erbrecht eben belastet mit der Möglichkeit der Zuweisung, die nach dem in diesem Gesetz zum Ausdruck kommenden Willen, nämlich Erhaltung und Förderung der Agrarstruktur, Erhaltung der geschlossenen Höfe zur Verbesserung und Sicherung der Volksernährung, als notwendig erachtet wird. Wenn aber Erbrecht mit dieser Möglichkeit belastet erworben wird, dann scheint es mir gar nicht mehr fraglich zu sein, ob auch noch etwa durch die Zuweisung selbst ein Eingriff in das Eigentum, nämlich in den angefallenen Erbteil, stattfinden sollte und könnte - das ist meiner Ansicht nach gar nicht mehr zu prüfen -, sondern dieses Erbrecht ist eben mit dieser Möglichkeit der Zuweisung belastet. Ich habe deshalb keine Bedenken. Ich habe das im Rechtsausschuß auch bereits zum Ausdruck gebracht. Der Rechtsausschuß war meines Wissens vor allem wegen der ursprünglichen Fassung gegen diese Möglichkeit, weil er - da, Herr Kollege Harm, gebe ich Ihnen recht - eine Aushöhlung des Erbrechts dadurch befürchtete, daß der Einheitswert zur Grundlage der Abfindung gemacht werden sollte. Das könnte allerdings verfassungsrechtliche Bedenken heraufbeschwören. Nachdem aber der Richter die Möglichkeit hat, die Abfindung bis zum Dreifachen des Einheitswertes zu suchen und zu finden, glaube ich, daß dabei eine Aushöhlung des Erbrechts - zu dem ja auch das Pflichtteilrecht gehört; der Erblasser selber könnte jemand auf den Pflichtteil setzen -, weil diese Beträge den Pflichtteil übersteigen, nicht mehr vorliegt. Sie haben mit Recht Entscheidungen zitiert, in denen festgestellt worden ist, daß ein Steuerrecht, das das Erbrecht so weit durch fiskalische Mittel beeinträchtigt, daß nichts mehr davon übrigbleibt, gegen die Garantie des Erbrechts im Grundgesetz verstößt. Hier aber soll eine angemessene Abfindung gegeben werden, und gerade die richterliche Findung dieser Abfindung, von der Sie glauben, daß sie den Richter überfordert, gibt meiner Ansicht nach die Möglichkeit, auch bei Stellung des Antrags von seiten eines Beteiligten zu einer Einigung zu kommen, vielleicht noch leichter, als wenn man eine starre Grenze gezogen hätte. Mir persönlich wäre der schon im BGB vorhanden gewesene Ertragswert lieber gewesen. Vielleicht spricht aber für die jetzige Lösung, daß dadurch eine dem einzelnen Fall besser entsprechende gerechte Abfindung möglich ist. Ich bitte, bei dieser Gelegenheit nicht zu übersehen, daß in der bäuerlichen Praxis beim Übergabevertrag nach den gleichen Grundsätzen gehandelt wird. Der größte Teil der landwirtschaftlichen Besitzungen wird dadurch auf den Nachfolger übertragen, daß die Inhaber den Betrieb einem ihrer Kinder zu Bedingungen übergeben, bei denen sicher die weichenden Erben auch durch diese vorweggenommene Erbfolge benachteiligt werden. Das wird aber in Kauf genommen, weil man diesen Grund und Boden, diesen Hof, diese Heimat, diesen landwirtschaftlichen Besitz der Familie erhalten will. Als Ersatz dafür, daß diese Möglichkeit von dem Erblasser versäumt wird, soll sie eben durch das gerichtliche Zuweisungsverfahren geschaffen werden. Sicher könnten in vielen Fällen große Ungerechtigkeiten entstehen, wenn dieses Verfahren nicht möglich wäre. In bäuerlichen Kreisen ist es sehr häufig üblich, daß, auch wenn zweimal geheiratet Seidl ({0}) wird und der erste Eheteil stirbt, wiederum eine Gütergemeinschaft und eine gegenseitige Alleinerbeneinsetzung stattfindet. Plötzlich stirbt dann der zweite Ehegatte, der nunmehr alleiniger Eigentümer geworden ist, auch, so daß entfernte Verwandte - Kinder aus der zweiten Ehe sind vielleicht nicht vorhanden - den Hof erben würden, während der schon seit 20 oder 30 Jahren auf dem Hof arbeitende Sohn aus der ersten Ehe den Hof verlassen müßte. Gerade für solche Fälle, die ich persönlich erlebt habe, scheint mir das Zuweisungsverfahren eine gute Korrektur zu sein. Herr Kollege Harm, Sie haben zum Schluß die Frage gestellt, was die Bauern sagen würden, wenn der Staat den Grund und Boden zum Einheitswert erwürbe. Das steht hier doch nun wirklich nicht zur Debatte. Darüber sind wir uns doch wohl alle einig, daß mit dem Gesetz gerade das Gegenteil erreicht werden soll. Selbständige bäuerliche Betriebe sollen gerade durch dieses Zuweisungsverfahren erhalten werden. Eine Kolchosierung würde in diesem Hause wohl keine Zustimmung finden. Angesichts der Ziele, die mit diesem Gesetz verfolgt werden, und der Tatsache, daß sich verfassungsrechtliche Bedenken nicht nachweisen lassen, bitte ich, den Antrag der SPD abzulehnen.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort der Abgeordnete Harm.

Dr. Walter Harm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000812, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es tut mir leid, daß ich meinem Kollegen Seidl widersprechen muß. Der Herr Kollege Seidl weist auf das Höferecht hin, das in einem Teil des Bundesgebietes gilt. Die Gefahr, die mit diesem Gesetzentwurf verbunden ist, besteht gerade darin, daß dieses Höferecht jetzt praktisch für das gesamte Rechtsgebiet einheitlich eingeführt werden soll. In der Begründung zu dem vorliegenden Gesetzentwurf heißt es doch, daß manche Bedenken verfassungsrechtlicher Art gegen das Höferecht auch in der Vergangenheit schon bestanden haben. Sie haben dann auf das Schweizer Beispiel hingewiesen. Es ist verständlich, wenn man sich vom deutschen Raum aus gern auf das Schweizer Beispiel - auch in puncto Milchwirtschaft - bezieht. Sie wissen, daß die Verhältnisse dort keineswegs besser liegen, denn das patriarchalische Prinzip ist in der Schweiz noch stärker ausgeprägt als in unserem Gebietsteil. Ich muß Ihnen noch weiter widersprechen, Herr Kollege Seidl. Sie meinen, ich hätte ausgeführt, wenn der Staat einen zu großen Teil der Erbmasse für sich in Anspruch nehme, würde nichts Nennenswertes übrigbleiben. Ich habe nach Mangoldt zitiert: „Wenn dem privaten Erben kein nennenswerter Anteil am Erbe mehr verbleibt". So steht es im Kommentar; das ist doch etwas anderes, als wenn man sagt: „Nichts mehr übrigbleibt". Betrachtet man nun einmal die Bewertungsgrundlagen genau, ,die in ,dem vorliegenden Grundstücksverkehrsgesetz enthalten sind, so muß man sagen, daß dem Richter damit eine Last aufgebürdet wird, die ein pflichtbewußter Richter überhaupt nicht tragen kann. Wie soll er denn die verschiedenen Interessen gegeneinander abwägen? Ich stelle da die Gegenfrage: Wenn der Erblasser, wenn der Eigentümer es unterläßt, eine Regelung für den Fall seines Todes zu treffen, warum soll dann der Staat verpflichtet oder berechtigt sein, den Eigentümer, den Erblasser zu korrigieren? Ich meine, zu allererst muß doch die Familie selber entscheiden, wie es mit dem Besitz in der Zukunft werden soll. Ein pflichtbewußter Landwirt wird eben eine Regelung treffen. In den Ausnahmefällen, in denen der Eigentümer, der Betriebsinhaber es verabsäumt oder nicht will - gleichgültig, aus welchen Motiven -, sollte der Staat nicht berufen sein, zu tüfteln, wie der mutmaßliche Wille gewesen sein möge. ({0}) Dabei können Isich nämlich die unmöglichsten Konsequenzen ergeben. Der Staat ist nicht dazu da, die Souveränität ,des einzelnen zu korrigieren oder gar zu ersetzen. Aus allen diesen Bedenken halte ich die §§ 13 bis 17 in der vorliegenden Fassung für unmöglich.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Seither.

Max Seither (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002157, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Seidl glaubt, daß hinsichtlich der Zuweisung keine wesentlichen verfassungsrechtlichen Bedenken zu erheben seien. Man muß davon ausgehen, daß hier zum erstenmal im deutschen Recht, in der Freiheit, in der Demokratie das Zuweisungsverfahren im ganzen Bundesgebiet verankert werden soll. Wenn das Gesetz so in Kraft tritt, ist in Zukunft auch in den Gebieten der Realteilung die Zwangszuweisung auf Antrag möglich, wenn der Erblasser von sich aus keine Verfügung getroffen hat. Wir werden da viele Härtefälle erleben. Man muß die sich ergebenden Auswirkungen auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten beurteilen. Um deutlich zu machen, um was es geht, möchte ich einmal ein Beispiel anführen; denn ich glaube, das Hohe Haus ist es sich selbst schuldig, diese Frage einmal von der praktischen Seite her zu überprüfen. Wenn das Gesetz, wie es vorgesehen ist, am 1. Oktober in dieser Form in Kraft tritt, wird in einem speziellen Fall - den ich als Einzelfall herausgreife, ,der sich aber vervielfältigen läßt - folgende Situation eintreten. Der Vater ist während des Krieges gefallen. Die Mutter wurde auf Grund des Erbvertrages oder des Ehevertrages oder der letztwilligen Verfügung des Vaters Alleinerbin. Die drei Kinder haben den Betrieb gemeinsam bewirtschaftet. Der älteste Sohn, unverheiratet, ist am 1. Oktober 36 Jahre alt, der zweite Sohn, 30 Jahre alt, verheiratet, mit einem Kind, und die Tochter ist verheiratet und hat durch Verfügung der Mutter bereits einen Erbanteil von 5 Morgen Weinbauland bekommen, d. h. sie hat schon eine gewisse Abfin8850 dung erhalten. Wenn nun die Mutter nach dem 1. Oktober stirbt, wird einer der Erben, vielleicht der Sohn, der verheiratet ist, bei Gericht einen Antrag auf Durchführung des neu eingeführten Zuweisungsverfahrens stellen können. Das Gericht ist dann nach den vorgesehenen gesetzlichen Bestimmungen gehalten, die Zuweisung zu verfügen. Daß heißt praktisch: das Gericht muß feststellen, was der Betrieb tragen kann. Es wird, weil dort keine Rechtsform dieser Art besteht, versuchen müssen, irgendwie einen Weg zu finden. Es wird vom Einheitswert ausgehen und diesen, was rechtlich möglich ist, vielleicht sogar mit 3 multiplizieren. Trotzdem wird es dem Ertragswert in dieser Gegend kaum gerecht werden können. Wir erleben dann, daß der weichende Erbe, der nicht berücksichtigt werden kann, weil die Zuweisung nur einem der Familie vorbehalten ist, vom Hofe gehen muß, ohne daß er eine entsprechende Abfindung bekommt, da die Belastung, die der Betrieb tragen kann, es nicht erlaubt, daß er entspresprechend abgefunden werden kann. ({0}) Damit enteignen wir also praktisch einen der Erbberechtigten. ({1}) Man muß doch davon ausgehen, daß die Erben den Betrieb gemeinsam bewirtschaftet und gemeinsam dazu beigetragen haben, daß der Betrieb blühen konnte. Sie haben also gemeinsam Opfer zugunsten des Betriebes gebracht. Dabei gingen sie auf Grund des bisherigen Erbrechts von der Voraussetzung aus, daß es ihr eigener gemeinsamer Betrieb sei. ({2}) - Herr Bauknecht, Sie wissen ganz genau, wenn die Eltern nicht verfügt haben, kann es, wenn das Recht so gestaltet wird, nachher nicht mehr so bleiben. ({3}) - Eben nicht! Bei uns ist das Erbrecht bekanntlich ein ganz anderes als in Norddeutschland. Das ist Ihnen doch bekannt. ({4}) - Herr Bauknecht, Sie sagen, die Leute könnten sich friedlich auseinandersetzen. Wenn einer der Erbberechtigten den Antrag auf Zwangszuweisung stellt, um einen Vorteil zu haben - denn das ist doch die Folge -, ({5}) gibt es doch keine friedliche Auseinandersetzung mehr, weil der andere, der bewußt benachteiligt werden soll, von sich aus gar nicht mehr bereit ist, sich friedlich auseinanderzusetzen. ({6}) - Entschuldigen Sie, Herr Bauknecht, dann haben wir eine unterschiedliche Kenntnis von dem Gesetz. Dann gehen Sie nachher hier herauf und beweisen Sie mir Ihre Behauptung. Ich bin also der Meinung, es müßte schon verfassungsrechtlich geprüft werden, inwieweit hier eine Benachteiligung des einen Erben eintritt; unter Umständen wird er geradezu enteignet, mindestens aber berufslos. Er war ja bislang Mitbewirtschafter des Betriebes und ging davon aus, Miteigentümer des Betriebes zu sein. Durch das neue Zuweisungsverfahren wird er als Eigentümer ausgeschlossen; er wird berufslos. Wir als Gesetzgeber tragen von vornherein den Streit in die Familie hinein. Ich bin also der Meinung, ein Zuweisungsverfahren dieser Art ist überhaupt nicht unserer Zeit entsprechend, und es kann meines Erachtens nicht mit verfassungsrechtlichen Überlegungen untermauert werden. Sie werden es erleben, daß, wenn vor dem Verfassungsgericht ein Prozeß dieser Art in einem solchen speziellen Falle angestrengt würde, der weichende Erbe gewinnen kann. Daß diese Dinge in den Ländern, wo es die Zuweisung gibt - ich darf vielleicht sagen, dieses Zuweisungsverfahren ist nicht mehr oder weniger als das alte Erbhofrechtsverfahren; früher kannten wir das in Deutschland nicht -, noch nicht hochgekommen sind, ist doch einfach daraus zu erklären, daß wir dort, in Norddeutschland, größere Betriebe haben, wo sowieso die Erbfolge und das Erbrecht aus Brauchtum erwächst und deshalb von vornherein die Eltern auf geschlossene Hofübergabe an einen der Erben disponieren können. Das ist in Süddeutschland nicht der Fall, und daraus ergeben sich für den süddeutschen Raum ganz bestimmte Schwierigkeiten. Darauf möchte ich hier aufmerksam gemacht haben. Ich würde schon sagen, es ist verfassungsrechtlich außerordentlich bedenklich, ein Zuweisungsverfahren auf das ganze Gebiet auszudehnen.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Pflaumbaum

Dr. Walter Pflaumbaum (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001708, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir aus der landwirtschaftlichen Praxis heraus ein paar Worte zu dieser Frage. ({0}) - Hier war nicht von Raumfragen die Rede, meine verehrten Herren Kollegen, ich spreche auf Grund der Verhältnisse in der landwirtschaftlichen Praxis schlechthin. Herr Kollege Harm hat gemeint, daß ein Bauer, wenn er verstirbt und kein Testament hinterläßt, das Motiv gehabt habe, die Dinge sollten ohne Testament geregelt werden. In der Praxis, mein verehrter Herr Kollege Harm, trifft das sehr häufig nicht zu. Wir erleben im Bauerntum, daß vor allem jüngere Bauern tödlich verunglücken, plötzlich sterben und kein Testament hinterlassen. Diese jüngeDr. Pflaumbaum ren Bauern wollten niemals so früh versterben, ohne die Regelung für die Kinder, für die Erben vorgenommen zu haben. An diese Fälle ist in diesem Augenblick gedacht worden. Man muß erst einmal bedenken, daß hier die Zuweisung nur auf Antrag erfolgen soll; sie erfolgt in diesen Fällen nicht ohne weiteres, sondern nur dann, wenn von einem der Erben ein Antrag vorliegt. In diesem Fall soll der Richter - das ist der Grundgedanke - der Schiedsrichter für die verschiedenen Auffassungen der Familienmitglieder, der Kinder usw. sein. Das muß doch als erwünscht angesehen werden; denn wenn die Kinder sonst keinen Ausweg wissen und jeder Erbe seinen Teil fordert, wird doch der Hof in der Praxis nicht von einem weitergeführt werden können, weil die wirtschaftliche Grundlage dafür fehlt. Nun ist hier in der Frage der Bewertung der Höfe das Problem aufgeworfen worden, ob der Ertragswert oder der Einheitswert zugrundegelegt werden soll. Beim Ertragswert hat der Richter gar keinen Anhalt. Er müßte von der einen Seite Gutachten anfordern. Dann werden von der anderen Seite Gegengutachten kommen und das Obergutachten. Um das zu vermeiden, ist hier der Einheitswert eingesetzt worden, aber mit der Maßgabe, daß er nur als Grundlage dient und daß je nach dem, wie die Länder entscheiden, entweder für gewisse Gebiete hier die Regel festgelegt wird oder individuell für den Einzelbetrieb der Wert festgestellt werden kann, um einen Anhaltspunkt zu haben und nicht die vielen Gutachten zu benötigen. Aus meinen Erfahrungen darf ich berichten - sie erstrecken sich nur auf den norddeutschen Raum -, daß wir einer Anzahl von Fällen gegenübergestanden haben, in denen wir uns gefreut haben, für die Kinder und für die Familie die Grundlage zu haben, das Problem nach gerechten und sozialen Grundsätzen zu lösen. Ich darf deshalb unter dem Gesichtspunkt der Praxis bitten, den Antrag der SPD abzulehnen. Ich bin der Meinung, daß die Landwirtschaft wünscht, eine solche Regelung für Notfälle - wie ich betonen darf - zu haben.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete iSeither.

Max Seither (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002157, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Sache wird so dargestellt, als ob, wenn die Elternteile frühzeitig gestorben sind und kein Ubergabevertrag gemacht oder kein Nachfolger bestimmt ist, kein Ausweg möglich wäre und der Hof zerschlagen werden müßte. Zunächst einmal ist festzustellen: wenn ein solcher Fall einträte - in der Gegend, wo die Höfeordnung schon besteht -, wäre der Vormund, ,der dann durch Gericht einzusetzen ist, gehalten, so zu verfahren, wie der Erblasser unter Umständen nach Hofbrauch verfahren wäre. ({0}) Im süddeutschen Raum war die Situation bis zum Inkrafttreten des Gesetzes eine andere. Im süddeutschen Raum wäre in einem solchen Fall nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch die Erbauseinandersetzung erfolgt, d. h. jeder der Erbberechtigten hätte je nach Ertragswert des Betriebes oder, in diesem Fall besser gesagt, Verkehrswert des Betriebes einen entsprechenden prozentualen Anteil bekommen. Aber wir machen ja hier ein neues Gesetz, und nach § 9 des neuen Gesetzes, dessen zweite Lesung bereits gewesen ist, ist die Realteilung 'der Betriebe nicht mehr möglich, die gerade noch eine Existenzgrundlage darstellen. Mit anderen Worten gesagt: dieser Fall kann also nicht mehr zur Zerschlagung des Betriebes führen. Man muß auch in den Realteilungsgebieten versuchen, neue Möglichkeiten der Erbauseinandersetzung zu finden. In diesem Zusammenhang möchte ich kritisch bemerken: obwohl wir das Realteilungsrecht ausschließen, haben wir leider versäumt, Übergangsregelungen zu finden, und wir haben ganz bestimmt versäumt, auch den Weg zu suchen, auf dem dort, wo über Nacht ein ganz neues Recht eintritt, für die weichenden Erben eine Lösung gefunden werden kann. Es trifft also nicht zu, daß dann, wenn diese Zuweisung nicht bestünde, nun plötzlich die Betriebe zerschlagen würden. Nach § 9 des neuen Gesetzes sind Betriebsgrößen, die eine Ackernahrung darstellen, sowieso nicht mehr teilbar. Das bedeutet auch für Süddeutschland ein ganz neues materielles Recht. Wir sollten uns also durchaus auch hier um diese Frage bemühen und überlegen, inwieweit Härtefälle das ist wohl der Ausgangspunkt Ihrer Betrachtung - möglich sind. Herr Kollege Seidl, Sie haben vorhin einen speziellen Härtefall genannt, Sie sagten: wenn eine Frau keinen Übergabevertrag mache, oder gar, wenn sie noch einmal verheiratet sei und nur ein Erbe übriggeblieben sei und die anderen Erben aus der Verwandtschaft den Hof bekämen, sei ein Unrecht gegenüber denen eingetreten, die mit dem Hof hätten rechnen können. Auch das, Herr Kollege Seidl, ist nach der heutigen Lage praktisch gar nicht möglich. Nach dem einzuführenden neuen Recht könnte es gar nicht soweit kommen, denn der Betrieb muß ja erhalten bleiben. Das ist die Grundvoraussetzung in § 9. ({1}) - Entschuldigung, Sie können auch jederzeit über Ihren Besitz verfügen, d. h. in Ihrem Beispiel: die Frau aus zweiter Ehe kann, wenn sie Alleinerbin ist, sowieso in eigener Entscheidung die anderen alle ausschließen und das Erbe dem zuweisen, der ihr gerade paßt. Das Zuweisungsverfahren wird den Härtefall, den Sie angezogen haben, also in keiner Weise absichern und abdecken können. Denn die Verfügung des Erblassers ist doch in jedem Fall die Grundvoraussetzung. Erst dann kann auf Antrag die Zuweisung erfolgen. Meine sehr verehrten Anwesenden, es gibt keine guten Gründe, die Zwangszuweisung in Deutschland einzuführen. Ich bedaure außerordentlich, daß wir im Ernährungsausschuß zu keiner besseren Lösung gekommen sind. Ich muß hier sagen: leider ist man noch zu sehr im Geist alter Denkweise der Ver8852 gangenheit verhaftet. Das ganze Gesetz ist meines Erachtens nur aus den alten Betrachtungen zu verstehen, mindestens zum großen Teil. ({2}) - Entschuldigen Sie, Herr Bauknecht. Ein Wort dazu! Wenn ich „alte Denkweise" sage, darf ich dem Hohen Hause ein Beispiel geben, um das deutlich zu machen. Die Bundesregierung hat ein Gesetz vorgelegt, demzufolge auch die Zwangsbewirtschaftung - es nennt sich keusch „Bewirtschaftung" -hätte betrieben werden können. Die Sozialdemokraten im Ernährungsausschuß mußten Sie in langen, eingehenden Debatten zunächst überzeugen, daß es so nicht zu machen ist. Ich darf an einzelne Diskussionen erinnern. Mindestens drei Tage mußten wir versuchen, Sie zu überzeugen, was für einen ausgesprochenen Stuß das in unserer modernen Zeit, in unseren wirtschaftlichen und ernährungspolitischen Situationen darstellt. Dann haben Sie - vielleicht darf ich das sagen - die Abstimmung am Abend ausgesetzt. Sie wollten es noch einmal überschlafen. Ich habe Ihnen, Herr Dr. Pflaumbaum, einen guten Schlaf gewünscht. Sie kamen morgens ausgeruht zurück und wollten dann nichts mehr davon wissen. Da war auch der Geist einer alten Zeit sehr deutlich zum Tragen gekommen. ({3}) - Entschuldigen Sie, meine Herren, ich habe die Protokolle da, meine eigenen Protokolle. Ich könnte Wort für Wort zitieren. Ich will das hier nicht in aller Öffentlichkeit tun, sondern nur deutlich machen, daß man in einer modernen Zeit so nicht verfahren kann. Ich lehne deshalb die Zwangszuweisung unter allen Umständen ab und möchte alle Damen und Herren bitten, diese Frage einmal ernstlich zu prüfen. ({4})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Seidl.

Franz Seidl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002152, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Entschuldigen Sie, aber ich muß auf diese Ausführungen hin doch einige Worte sagen. Zunächst zu Ihnen, Herr Kollege Harm, zur Überforderung der Richter. Bereits nach dem geltenden Recht - und das bitte ich nicht zu übersehen; ich habe da eine sehr große Praxis - hat der Richter die Übergabeverträge unter Lebenden, in denen genau die gleichen Abfindungen, oft auch mit den, wie Sie meinen, ungerechten, von den Beteiligten allerdings hingenommenen Ausgleichungsansprüchen, vorliegen, zu überprüfen gehabt. Auch hier mußte der Richter sagen: Mein lieber Übergeber, hier hast du dem Jungen zuviel auferlegt, so kann er den Hof nicht weiterbewirtschaften. Wenn er es da schon gekonnt hat, dann, glaube ich, kann man ebenso - und die Richter haben in diesen Gegenden ja ,die Erfahrung - etwa eine Abfindung festsetzen.

Max Seither (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002157, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Seidl, sehe ich richtig? Diese Ausführungen treffen doch nur zu, wenn bereits eine Höfeordnung in einem Land bestanden hat und wenn man auf Grund der Höfeordnung die Auseinandersetzung betrieben hat, nicht auf Grund des normalen Rechts.

Franz Seidl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002152, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nein, Herr Kollege Seither, da sind Sie nicht ganz recht unterrichtet. Nach dem Kontrollratsgesetz Nr. 45 und den anderen geltenden Gesetzen und Verordnungen war es so - das wissen Sie auch -, daß jede Veräußerung eines Grundstücks - dazu gehört auch die Übergabe - der Genehmigung durch das Bauerngericht, die landwirtschaftliche Behörde, bedurfte, wobei sogar feststand, woran sich die Gerichte in allen Ländern Gott sei Dank nicht mehr gehalten haben, daß eine Belastung in Höhe von mehr als 7/10 des Einheitswerts nicht zulässig ist. Ich glaube, Sie erinnern sich an diese Bestimmung. Wenn man das weiß, meine Damen und Herren, dann kommt einem die Zuweisung doch nicht so sonderbar vor.

Max Seither (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002157, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Seidl, wir verstehen uns anscheinend nicht richtig. Ich darf vielleicht die Frage noch einmal präzisieren. Ich bin mit Ihnen der Meinung, daß im allgemeinen Recht es so ist, wie Sie sagen. Ich möchte aber die Frage an Sie richten, wo im Realteilungsgebiet, wo ja real geteilt worden ist, die Frage auch so beantwortet werden kann, wie Sie sie zu beantworten versuchen.

Franz Seidl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002152, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Schon nach dem Kontrollratsgesetz war eben die Realteilung nicht mehr zulässig. Zur Erläuterung der bisherigen Lage darf ich folgendes Beispiel geben. Nehmen Sie an, im Realteilungsgebiet hat der Erblasser drei Kinder zu Erben eingesetzt, mit der Folge, daß sie nicht, wie Sie meinen, einen wertmäßigen Anteil erhalten haben, sondern Miteigentümer des Betriebes geworden sind. Dann gibt es nur drei Möglichkeiten: entweder sie bewirtschaften den Betrieb gemeinsam oder sie verpachten ihn oder sie setzen sich auseinander. Die Realteilung ist in solchen Fällen von den Gerichten nicht mehr genehmigt worden - bei uns jedenfalls nicht -, weil sie eine unwirtschaftliche Zerschlagung darstellt.

Max Seither (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002157, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Seidl, aus Ihrer Begründung könnte man entnehmen, daß auf Grund des Kontrollratsgesetzes Nr. 45 im ganzen Bundesgebiet eine solche Regelung Platz gegriffen habe. Ist Ihnen bekannt, daß beispielsweise in den Ländern Rheinland-Pfalz, Hessen und Baden-Württemberg eine solche Regelung von dem Kontrollratsgesetz nicht abgeleitet worden ist und daß dort die Rechtsprechung in keinem Fall, aber auch in gar keinem Fall, so ist, wie Sie es geschildert haben?

Franz Seidl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002152, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Das ist mir nicht bekannt, sondern im Gegenteil, mir ist bekannt, daß in allen Bundesländern in etwa nach diesem Grundsatz verfahren worden ist. ({0}) - Das stimmt sicher! Seidl ({1}) Nun, Herr Kollege, zu Ihrem Beispiel: drei auf einem Hof. Aus Ihren Ausführungen entnehme ich, daß es sich um einen kleineren Hof handelt. Die Tochter war nach Ihrem Beispiel auch schon weg, der eine Bruder verheiratet, der andere noch nicht, die Mutter lebte noch. Nun zeigt die Erfahrung, daß, solange ein Elternteil oder beide noch leben, die Kinder am Hof gemeinsam wirtschaften, bis sie weggehen. Heiratet der zweite Sohn, dann kann man den Betrieb, falls er so groß ist, daß er für zwei Familien den Unterhalt gewährleistet, teilen und kann ihn auf Grund ,des Zuteilungsverfahrens beiden zuteilen. Gewährt er aber nur einer Familie Unterhalt, so wäre es mißlich, beide Brüder, die dann leider kein ausreichendes Auskommen hätten - der zweite Bruder heiratet wohl auch noch - auf diesem Hof wirtschaften zu lassen. Das ist nicht möglich .Daher ist auch schon nach dem jetzt geltenden Recht in einem solchen Falle jeder einzelne berechtigt, die Auseinandersetzung zu verlangen. Nach dem bürgerlichen Erbrecht kann jeder Miterbe verlangen, daß bezüglich der Erbmasse die Auseinandersetzung stattfindet. In einem solchen Fall kann entweder nur der eine übernehmen oder es findet ein Verkauf im Wege der Zwangsversteigerung statt. Jetzt kommt das Zweite: Bisher hatten wir, z. B. bei uns in Bayern, die Möglichkeit, durch die Bieterlaubnis eine gewisse Lenkungsmöglichkeit ähnlich wie in diesem Verfahren, allerdings im Rahmen des umständlichen und schwierigen Verfahrens der Zwangsversteigerung zur Auseinandersetzung. Diese Möglichkeit ist nach Inkrafttreten dieses Gesetzes nicht mehr gegeben. Nun frage ich Sie, ob Sie glauben, daß dann dieses Ihr Beispiel gut ist. Wäre es nicht in diesem Fall gerade richtig, daß man sagt: derjenige, der am längsten dort gewirtschaftet hat, der es am besten versteht, dem hätte wahrscheinlich die Mutter allein übergeben, während sie den anderen abgefunden hätte. Weil es nun die Mutter nicht mehr tun konnte, soll es das Gericht tun, und zwar nur auf Antrag eines der beiden. Meinen sie, sie könnten den Betrieb zusammen weiterbewirtschaften, dann können sie es tun. Kein Mensch spricht von einer Zwangszuweisung, die das Gericht ohne Antrag von sich aus vornehmen könnte. Nun will ich Ihnen aber, gerade weil Sie Süddeutschland erwähnt haben, das Beispiel, das ich vorhin angeführt habe, nochmals verdeutlichen; ich habe zwei derartige Fälle in meiner Praxis gehabt: Allgemeine Gütergemeinschaft, der Mann gestorben, die Frau wiederverheiratet, wiederum allgemeine Gütergemeinschaft, alleinige Erbeinsetzung und Kinder nur aus der 1. Ehe. Die Frau ruft den Notar. Er kommt zu spät; die Frau war inzwischen gestorben. Von ihr sind keine Kinder vorhanden. Alleinerbin, Eigentümerin war sie. Folglich nach unserem Bürgerlichen Gesetzbuch Erbschaft der Verwandten, 16 an ,der Zahl, darunter unmündige Kinder, also Beteiligung des Vormundschaftsgerichtes. Der andere Beteiligte, der Sohn aus erster Ehe, 40 Jahre alt, verheiratet, bereits drei kleine Kinder, seit 25 Jahren auf dem Hofe tätig. Es ist in diesem Falle gelungen, die Beteiligten zu einer Vereinbarung zu bringen. Wäre das nicht gelungen, hätte dieser Mann den Hof, der von ,seinem Vater stammt, verlassen müssen. Also bleibt nur die Möglichkeit, den Hof zu verkaufen. Dann hat dieser Mann nicht nur, wie Sie in Ihrem Beispiel sagten, seinen Beruf verloren, sondern auch die Heimat, in der schon lange die Eltern, Großeltern und Vorväter gewirkt haben. ({2}) Halten Sie das für richtig?! Ich glaube, gerade diese Beispiele zeigen, daß man eine solche Möglichkeit schaffen sollte. Zu den verfassungsrechtlichen Problemen möchte ich nicht mehr Stellung nehmen; das ist genügend dargetan. Nachdem eine bessere Regelung auch für die Abfindung geschaffen wurde, halte ich diese Fragen nicht mehr für so durchschlaggebend. Ich möchte dabei hinzufügen, die letztwillige Verfügung jedes Erblassers bleibt unbestritten, mag er verfügen, was er will. Ob dann das, was er verfügt, z. B. die Erbeinsetzung von Dreien, sich in der Praxis hinterher dahin auswirken kann, daß jene den Hof in drei Teile teilen können, das hat er nicht mehr in der Hand. Das steht, wie Sie richtig sagen, im Gesetz in § 9. Das ist normalerweise nicht möglich, es sei denn, der Hof ist wirklich so groß, daß man drei lebensfähige Höfe daraus machen kann. Es bleibt also das Zuweisungsverfahren, um das noch einmal klarzustellen, nur möglich 1. auf Antrag, 2. wenn keine letztwillige Verfügung vorliegt. Ich glaube, das gibt Sicherung genug. Dieses Institut wird vielleicht gar nicht so oft in Anspruch genommen. Aber dort, wo es vorhanden war, hat es sich bewährt. Auch aus der Schweiz hat man berichtet, es habe sich dort gut bewährt. Deshalb sollte es auch bei uns zur Erhaltung geschlossener bäuerlicher Betriebe eingeführt werden. ({3})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Keine weiteren Wortmeldungen. Dann kommen wir zur Abstimmung. Es ist der Antrag auf Streichung des Abschnittes gestellt worden. Wir können aber nicht negativ abstimmen, sondern nur positiv. Ich rufe also die einzelnen Paragraphen auf. Wer sie annehmen will, stimmt dafür, wer sie ablehnen will, stimmt dagegen. § 13. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Das letzte ist die Minderheit; § 13 ist angenommen. § 14. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; angenommen. § 15. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; angenommen. § 16. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; angenommen. Vizepräsident Dr. Schmid § 17. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit. Diese Bestimmung ist angenommen. § 18 im Dritten Abschnitt. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen angenommen. § 19. Hier liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 847 unter Ziffer 4 vor. Wer begründet ihn? - Bitte, Herr Bading.

Harri Bading (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000073, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der § 19 sieht vor, daß die Landwirtschaftsbehörde vor der Entscheidung über einen Genehmignungsantrag die land- und forstwirtschaftliche Berufsvertretung zu hören hat; das Nähere bestimmt die Landesregierung, und zwar deswegen, weil nicht ganz klar ist, was in den einzelnen Ländern die land- und forstwirtschaftliche Berufsvertretung ist. Wir halten es aber nicht für ausreichend, daß allein die land- und forstwirtschaftliche Berufsvertretung gehört wird, denn sie ist bei allen Maßnahmen der Agrarstrukturverbesserung Partei, sie ist nicht objektiv, auch wenn sie formal als objektiv anzusehen ist. Sie denkt doch anders, als in anderen Berufsteilen oder Wirtschaftszweigen gedacht wird. Das liegt einfach in der Natur der Sache. Die Agrarstrukturverbesserung ist nicht eine ausschließlich landwirtschaftliche, sondern eine allgemeinwirtschaftliche Angelegenheit. Infolgedessen genügt es nicht, daß nur die bäuerliche Berufsvertreturig gehört wird. Leider Gottes ist bei uns die Gesetzgebung über die Raumordnung noch ganz in den Anfängen. Über die Schuldfrage will ich gar nichts sagen. Nach unserer Ansicht hätte die Bundesregierung auf diesem Gebiet bedeutend aktiver sein müssen; ({0}) aber sie ist es nicht gewesen und wird es in den letzten Monaten ihres Lebens wohl auch nicht mehr werden. Deswegen haben wir als, wie ich zugebe, mageren Ersatz die Anhörung der Landesplanungsbehörde vorgeschlagen, damit wenigstens sie eingeschaltet wird. Die Landesplanungsbehörde ist bis zum Regierungspräsidenten vertreten. Wir wünschen, daß die landesplanerischen Gedankengänge vor der Entscheidung der Landwirtschaftsbehörde zumindest angehört werden müssen. Deswegen bitte ich, diesen Antrag anzunehmen. ({1})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bauknecht.

Bernhard Bauknecht (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000110, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte das Hohe Haus aus zwei Gründen bitten, diesen Antrag abzulehnen. Erstens würde die Sache verschleppt und kompliziert, wenn in jedem Fall die Landesplanungsbehörde gehört werden müßte. Zum zweiten ist es überflüssig, weil die Länder die Verwaltungsanordnung treffen können, daß die Landesplanungsbehörde in einzelnen Fällen gehört wird. ({0}) - Ja, sicher, aber die Länder haben ja die Möglichkeit, entsprechende Verwaltungsanordnungen zu treffen. Herr Bading, Sie müssen doch wirklich zugeben: wenn in jedem Falle die Landesplanungsbehörde gehört werden müßte, ergäbe sich eine endlose Verschleppung. Ich bitte daher, den Antrag abzulehnen.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Keine weiteren Wortmeldungen? - Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Änderungsantrag Umdruck 847 Ziffer 4 zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Das letzte war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Wer den §§ 19 bis 21 in der Ausschußfassung zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Angenommen! § 22! Dazu liegt der Änderungsantrag Umdruck 847 Ziffer 5 auf Streichung vor. Das Wort hat der Abgeordnete Harm.

Dr. Walter Harm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000812, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Entwurf sieht in § 22 Abs. 5 vor - ich zitiere -: Die Länder, in denen die land- und forstwirtschaftliche Berufsvertretung nicht Trägerin des Genehmigungsverfahrens ist, bestimmen, daß die land- und forstwirtschaftliche Berufsvertretung gerichtliche Entscheiduig beantragen kann, wenn entgegen ihrer Stellungnahme eine Genehmigung erteilt wird oder nach § 6 Abs. 2 als erteilt gilt. . . . Wie wir soeben gehört haben, hat nach § 19 die Landwirtschaftsbehörde vor der Entscheidung über einen Genehmigungsantrag die auf Grund des § 32 Abs. 3 des Gesetzes über das gerichtliche Verfahren in Landwirtschaftssachen bestimmte land- und forstwirtschaftliche Berufsvertretung zu hören. Diese Avancierung von einer nur anzuhörenden Berufsvertretung zur Prozeßpartei ist meines Wissens ein rechtliches Novum und würde das ganze Genehmigungsverfahren praktisch restlos in die Hände der Berufsvertretung legen, ({0}) so daß einem solchen Verfahren kein Vertrauen mehr entgegengebracht werden könnte. Ich darf daran erinnern, daß es auch in anderen Rechtsgebieten ein Anhörungsrecht der Berufsvertretungen gibt, z. B. hört die Justizverwaltung die Anwaltskammern an, wenn ein Rechtsanwalt beim Gericht zugelassen werden soll. Aber nirgends gibt es meines Wissens die Bindung einer Behörde an die Stellungnahme einer Berufsvertretung oder gar ein selbständiges Rechtsmittel für die betreffende BeDr. Harm rufsvertretung, wenn die Behörde nicht gemäß dem Votum der anzuhörenden Stelle entschieden hat. Dieses Bedenken kann man nicht übersehen, meine Damen und Herren. Wir sind der Meinung, daß man ein solches Novum und ein solches Unikum, möchte ich sagen, nicht in dieses Gesetz hineinbringen sollte. ({1})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Bauknecht.

Bernhard Bauknecht (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000110, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In dem § 22 ist der Abs. 5 ein gewisser Notbehelf, um einen gleichen Rechtszustand herzustellen zwischen den Ländern, die eine Landwirtschaftskammer haben, und denjenigen Ländern, die keine Kammer haben. Es ist bekannt, daß in Süddeutschland, in Bayern und in Baden-Württemberg, keine Landwirtschaftskammern vorhanden sind. Während in allen übrigen Bundesländern die Maßnahmen praktisch weitgehend durch die Berufsvertretung zusammen mit der Landwirtschaftsbehörde vorgenommen werden können - auch bei der Entscheidung in der ersten Instanz -, ist diese Möglichkeit in Bayern und in Baden-Würtemberg also nicht gegeben. Um diese Rechtsungleichheit zu beseitigen, haben wir hier den Passus aufgenommen, daß die Länder für diese Fälle bestimmen, wer als Berufsvertretung gilt, welche die gerichtliche Entscheidung beantragen kann. In den norddeutschen Ländern haben wir meist eine Grundstückverkehrskommission; dort ist die Berufsvertretung genügend eingeschaltet. Ich darf noch einmal sagen: Wir haben diesen Passus aufgenommen, weil in den süddeutschen Ländern ein Vakuum besteht. Ich bitte daher, dem Antrag in der Ausschußfassung zuzustimmen und den Antrag der SPD abzulehnen.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Dann stimmen wir ab, zunächst über § 22 Abs. 1 bis 4. Wer zustimmen will, der gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmige Annahme. Wer § 22 Abs. 5 zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; angenommen. §§ 23 und 24! Dazu liegt kein Änderungsantrag vor. Wer den Bestimmungen zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmige Anahme. Zu § 25 liegt der Änderungsantrag Umdruck 844 vor. Das Wort hat Herr Abgeordneter Bauknecht.

Bernhard Bauknecht (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000110, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei ,den Beratungen des Gesetzes war übersehen worden, daß eine zusätzliche Änderung in dem § 60 des Gesetzes über das gerichtliche Verfahren in Landwirtschaftssachen vorgenommen werden muß. Die beantragte Streichung dient lediglich der Klarstellung. Wenn sie nicht erfolgte, würde eine Verwirrung entstehen, zumal an anderen Stellen die Anpassung des Wortlautes des Gesetzes über das gerichtliche Verfahren in Landwirtschaftssachen an die neue Rechtslage durchgeführt worden ist. Ich bitte daher, diesem Antrag zuzustimmen.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Keine Wortmeldungen? - Dann stimmen wir zunächst ab über den Änderungsantrag Umdruck 844, wonach die Nr. 13 des § 25 eine andere Fassung erhalten soll. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen. Nun stimmen wir ab über den § 25 in der so geänderten Fassung. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? -Das erste war die Mehrheit; § 25 ist in der geänderten Fassung angenommen. § 26! Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; § 26 ist angenommen. Zu § 27 liegt ein Änderungsantrag - Umdruck 847 Ziffer 6 - vor. Er bezieht sich auf die Nr. 1 des § 27. - Das Wort hat der Abgeordnete Schmidt ({0}).

Dr. R. Martin Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002014, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Meine Damen und Herren! In § 27 werden die Bestimmungen des Reichssiedlungsgesetzes in einigen Teilen abgeändert. Das Reichssiedlungsgesetz vom 11. August 1919 ist fast 42 Jahre alt und hat sich, das muß man wohl sagen, außerordentlich bewährt. Es hat alle Zeiten überstanden, ist auch heute noch gültig, und ich meine, es sollte im großen und ganzen auch gültig bleiben, bis auf einige Änderungen, durch die es an die heutige Zeit angepaßt werden muß. Ob aber alle jetzigen Änderungen - das lassen Sie mich vorweg sagen - zweckmäßig und im Sinne der Ziele des Gesetzes sind, wage ich zu bezweifeln. Meine Fraktion schlägt Ihnen vor, die Nr. 1 des § 27 zu ergänzen. Es ist offensichtlich, daß sich die Aufgaben dieses Gesetzes im Laufe der 42 Jahre geändert haben. Wir haben nach 1945 verschiedene Einzel-Siedlungsgesetze gehabt; ich erinnere an das Flüchtlingssiedlungsgesetz, an das Siedlungsförderungsgesetz, an das Bundesvertriebenengesetz und auch an die Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur. Im Rahmen dieser neuen Aufgaben haben sich auch die Aufgaben der Siedlungsunternehmen geändert. Sie ändern den § 1 des Reichssiedlungsgesetzes von 1919, und zwar durchaus richtig. Aber wenn wir ihn schon ändern, dann lassen Sie uns auch die Aufgabenstellung der Unternehmen ändern. In dem Gesetz von 1919 heißt es in der Aufgabenstellung: „Siedlungsunternehmen zu begründen zur Schaffung neuer Siedlungen sowie zur Hebung bestehender Kleinbetriebe, doch höchstens auf die Größe einer selbständigen Ackernahrung, soweit das dazu erforderliche Land auf Grund der Bestimmungen die8856 Dr. Schmidt ({0}) ses Gesetzes beschafft werden kann." Die Aufgabenstellung des Gesetzes war also sehr eng. In der Tat haben die Siedlungsunternehmen nach 1945 wesentlich weitere Aufgaben übernommen. Das ist nicht in allen Ländern gleich; auf Grund der Landesgesetzgebung ist das sehr verschieden. Wir wollen - und das schlägt meine Fraktion vor - diese Aufgabenstellung nun für das ganze Bundesgebiet vereinheitlichen und das auch hier in der Änderung zum Ausdruck bringen. Die Siedlungsunternehmen von heute haben also nicht nur ,die Aufgabe, Siedlungsland zu beschaffen, sie haben nicht nur die Aufgabe, neue Siedlungen und Anliegersiedlungen, Nebenerwerbsstellen usw. zu schaffen; sie sollen sich auch um die Aufstockung von Kleinbetrieben zu der Größe eines Familienbetriebes und um die Überführung von Pachtbetrieben in Eigentum kümmern; usw. usf. All das sollten Aufgaben der Siedlungsunternehmen sein, und ich glaube, es ist zweckdienlich, wenn wir diese Aufgabenstellung in das Gesetz unmittelbar hineinschreiben. Für den Fall, daß einer der Kollegen darauf hinweisen sollte, daß man eine solche Änderung und Erweiterung der Aufgaben - in Wirklichkeit ist es gar keine Erweiterung - in ein zukünftiges Siedlungsgesetz einarbeiten sollte, muß ich sagen, daß wir darauf lange warten müßten. Wenn wir das Reichssiedlungsgesetz schon so weitgehend ändern, dann lassen Sie uns auch diese Erweiterung der Aufgaben in das Gesetz schreiben.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Wird das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Bauknecht.

Bernhard Bauknecht (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000110, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es tut mir leid, daß ich den Antrag stellen muß, auch diese Änderung des § 27 abzulehnen. Erstens gehört die Ergänzung dem Inhalt, der Materie nach nicht in dieses Gesetz. Zum zweiten würde sie die jetzige Praxis draußen erschweren. Wir befürchten, daß dann diese Aufgaben auf die Landsiedlung beschränkt würden, die unter dem Einfluß der Landesregierung steht oder ihr angeschlossen ist, und die freien Siedlungsgesellschaften, wie die GFK und die Deutsche Bauernsiedlung, behindert wären. Ich bitte daher, den Antrag abzulehnen.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Herr Abgeordneter Bading!

Harri Bading (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000073, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Bauknecht hat eben beantragt, unseren Antrag abzulehnen, weil er inhaltlich nicht zu diesem Gesetz gehöre. Dann darf ich ihn aber auf § 30 Nr. 2 aufmerksam machen. Danach werden in diesem Gesetz zur Verbesserung der Agrarstruktur beamtenrechtliche Vorschriften geändert, die sich auf die Deutsche Landesrentenbank beziehen. Ich möchte ihn fragen, ob das mit der Verbesserung der Agrarstruktur etwas zu tun hat. ({0})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Wollen Sie antworten? - Sie wollen nicht antworten. ({0}) Herr Abgeordneter Schmidt hat das Wort.

Dr. R. Martin Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002014, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Meine Damen und Herren! Ich möchte dem Einwand des Kollegen Bauknecht noch in anderer Weise widersprechen. Er hat davon gesprochen, daß andere Gesellschaften die Aufgaben dann nicht übernehmen könnten. Herr Kollege Bauknecht, lesen Sie die Änderung, die wir alle gemeinsam im Ausschuß beschlossen haben. In § i Abs. 1 Satz 3 des RSG, den wir anders gefaßt haben, steht ausdrücklich, daß die Landesregierung auch solche Gesellschaften wie die GFK als Siedlungsunternehmen beauftragen kann. Also Ihr Argument zieht nicht; Sie sind nicht konsequent. Die Landesregierung hat diese Möglichkeit. ({0}) - Hier steht doch „kann"! Also trifft das nicht zu, was Sie vorhin gesagt haben.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Änderungsantrag Umdruck 847 Ziffer 6 zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das letzte war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Wir stimmen nunmehr ab über die §§ 27 bis 40 sowie über die Einleitung und die Überschrift. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Gegen zahlreiche Gegenstimmen angenommen. Damit ist die zweite Lesung beendet. Es erhebt sich nun die Frage, ob wir vor der dritten Lesung in die Mittagspause eintreten wollen. ({0}) - Das würde voraussetzen, daß keine allgemeine Aussprache in der dritten Lesung gewünscht wird; denn wenn eine solche Aussprache gewünscht werden sollte, werde ich im Interesse der Gesundheit der Abgeordneten die Sitzung unterbrechen. - Herr Abgeordneter Bauknecht!

Bernhard Bauknecht (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000110, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich schlage dem Hohen Hause vor, mit Rücksicht auf die Zeit auf eine große Aussprache in der dritten Lesung zu verzichten. Der Herr Präsident hat mir vorhin zugesagt, daß die Erklärung, die ich für meine Fraktion abzugeben hätte, und die Erklärungen, die andere abgeben wollten - Herr Kollege Seither von der SPD -, in den Stenographischen Bericht mit aufgenommen werden. Ich nehme an, daß diese Möglichkeit besteht, und möchte deshalb darum bitten, sofort die dritte Lesung vorzunehmen.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Besteht auf allen Seiten des Hauses Einverständnis darüber, daß die Erklärungen, die hier nicht abgegeben werden, als Vizepräsident Dr. Schmid vorgetragen gelten und damit in den Stenographischen Bericht aufgenommen werden? - Widerspruch erfolgt nicht; dann werde ich so verfahren.' Wir kommen damit zur dritten Beratung. Änderungsanträge liegen mir nicht vor. Es werden auch keine gestellt. Ich rufe auf zur Schlußabstimmung über das Gesetz im ganzen. Wer zustimmen will, möge sich erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Gegen zahlreiche Gegenstimmen angenommen. Wir kommen nun zu dem zweiten Antrag des Ausschusses, die zu dem Gesetzentwurf eingegangenen Petitionen für erledigt zu erklären. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Meine Damen und Herren, ich unterbreche die Sitzung. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Punkt 7 der Tagesordnung: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundesfernstragesetzes ({0}), Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen ({1}) ({2}) ({3}) b) Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Straßenbaufinanzierungsgesetzes ({4}), c) Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über eine Untersuchung von Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden ({5}). Ich frage, ob der Herr Berichterstatter zu Punkt a das Wort möchte. - Als Berichterstatter der Herr Abgeodnete Besold! Das Haus ist so spärlich besetzt. ({6})

Dr. Anton Besold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000166, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie, ,daß ich neben dem Schriftlichen Bericht der Beratung noch eine kurze gestraffte Zusammenfassung vorausschicke. Das Bundesfernstraßengesetz vom 6. August 1953 regelt die Rechtsverhältnisse der Bundesautobahnen * s. Anlagen 2, 3, 4 und 5. und der Bundesstraßen, und das gehört zur Zuständigkeit des Bundes. Die Novelle, die wir heute beraten, will zuvörderst im Rahmen des Grundgesetzes und unter Ausschöpfung aller vom Grundgesetz gegebenen Möglichkeiten eine zusätzliche Förderung der kommunalen Baulastträger erreichen. Neben der Erwähnung der sonstigen Zwecke der Novelle, den Gesetzesvollzug zu erleichtern und zu beschleunigen und unter Berücksichtigung der Rechtsprechung der letzten Jahre und der neueren Bundesgesetzgebung einige Verbesserungen zu bringen, möchte ich in meinem mündlichen Bericht lediglich die Förderungsmaßnahmen des Bundes für die Gemeinden, die kleineren, die mittleren Gemeinden und die Großstämte, konzentriert zusammenfassen, weil nämlich gerade in letzter Zeit in der Öffentlichkeit die Hilfe des Bundes für die Gemeinden immer wieder einer Kritik unterzogen worden ist. Dabei hat man offenbar übersehen, daß es Grenzen gibt, die die Verfassung, also das Grundgesetz, zieht; außerdem möchten gerade die schärfsten Kritiker das von den Gemeinden so sehr gehütete Prinzip der Selbstverwaltung mit seinen Verantwortungen und Beschwernissen bei der Lösung der Verkehrsprobleme übersehen. Was leistet der Bund nunmehr zusätzlich für die kommunalen Baulastträger und wie weitet er seine finanzielle Hilfe zugunsten der kommunalen Baulastträger aus? Erstens. Die Novelle schafft zunächst die Rechtsgrundlage, damit in Ortsdurchfahrten die zur Aufnahme des weiträumigen Verkehrs notwendigen Straßen zu Bundesstraßen aufgestuft werden können. Dadurch wird die Möglichkeit geschaffen, den Gemeinden für die notwendigen Ausbaumaßnahmen eine ausreichende Bundeshilfe zu gewähren. Nach Auffassung des Ausschusses können entsprechend den jeweiligen örtlichen Verhältnissen durch Aufstufungen in den Städten Ringstraßen, Tangentialstraßen und sonstige Verbindungsstraßen in das zusammenhängende Verkehrsnetz der Bundesfernstraßen einbezogen werden; in weiträumigen Großstädten kann es notwendig erscheinen, mehr als einen Orts durchfahrtsring mit entsprechenden radialen Querverbindungen zu schaffen. Zweitens. Der Ausschuß ist über den Vorschlag der Bundesregierung hinausgegangen und hat im Interesse einer Verbesserung der Verkehrsverhältnisse und zur Entlastung der kleineren und mittleren Städte und Gemeinden die Baulast für Ortsdurchfahrten der Bundesstraßen nicht nur in den Gemeinden bis zu 20 000 Einwohnern - bisher waren es nur 9000 Einwohner -, sondern bis zu 50 000 Einwohnern übernommen. Dadurch werden immerhin 301 Gemeinden von den Straßenbaulasten für Ortsdurchfahrten der Bundesstraßen entlastet. Drittens. Der Bund kommt auch nach der Ausschußvorlage in Erweiterung der Regierungsvorlage in jedem Fall für die Radwege in den Ortsdurchfahrten auf, weil er Baulastträger ist. Der Bau von Radfahrwegen dient gleichzeitig ,der Entflechtung des Verkehrs. Viertens. Die Möglichkeiten der Gewährung von Zuschüssen oder Darlehen des Bundes, natürlich unter der Voraussetzung, daß sich auch das Land an den Kosten beteiligt, sind erheblich erweitert worden. Der Ausschuß ist bei der Beratung und Fassung des § 5 a, der das Kernstück der Novelle ist, von dem Gedanken ausgegangen, den Gemeinden beim Ausbau ihrer Straßen zu helfen, soweit es im Rahmen des Grundgesetzes überhaupt möglich ist. Bisher waren Zuwendungen bundesgesetzlich nur für Ortsdurchfahrten und Zubringerstraßen zu Bundesautobahnen vorgesehen .letzt könn en Zuwendungen auch für Zubringerstraßen zu Bundesstraßen in der Baulast des Bundes gewährt werden. Der Anstoß zu dieser Erweiterung geht auf den Beschluß des Deutschen Bundestages zurück, mit dem bei Verabschiedung des Straßenbaufinanzierungsqesetzes die Mineralölsteuer für Vergaserkraftstoff um einen weiteren Pfennig, dem sogenannten Gemeindepfennig, angehoben wurde, um eine Erhöhung der Zuwendungen des Bundes für kommunale Baulastträger zu ermöglichen. Bei diesen Bestrebungen handelt es sich um Ortsdurchfahrten von Bundesstraßen in der Baulast der Gemeinden und um kommunale Zubringerstraßen zu Bundesfernstraßen in .der Baulast des Bundes. Dazu ist noch hervorzuheben, daß der Ausschuß den Begriff der Zubringerstraße weitestgehend gefaßt wissen will. Der Ausschuß ist davon ausgegangen, daß Zubringerstraßen öffentliche Straßen sind, die dem Anschluß von Siedlungsgebieten, in denen mit einem größeren Verkehrsaufkommen zu rechnen ist, an das Netz der Bundesfernstraßen dienen. Die Eigenschaft einer Straße als Zubringerstraße wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß ihr Verkehr der Bundesfernstraße nicht unmittelbar, sondern über eine andere Straße zugeführt wird, sofern es sich bei dieser anderen Straße um verhältnismäßig kurze Abschnitte handelt, - also die größtmögliche Auslegungschance für die Zubringerstraßen. Der Ausschuß hält es in Abweichung vom Regierungsentwurf für richtig, die Zuwendungen des Bundes statt von einem „erheblichen Interesse des Bundes" von einem „erheblichen Interesse des weiträumigen Verkehrs" abhängig zu machen. Damit wird auf die obiektiven Gegebenheiten und Not- wendigkeiten des Verkehrs abgestellt. Ferner hebe ich folgendes ausdrücklich hervor: Der Ausschuß war einhellig der Ansicht, daß auch der Grunderwerb zuschußfähig von seiten des Bundes ist - auch wenn das nicht ausdrücklich im Gesetz erwähnt ist -, da jedes Vorhaben zum Bau oder Ausbau einer Ortsdurchfahrt oder einer Zubringerstraße technisch und wirtschaftlich eine Einheit ist, zu der eben auch der Grunderwerb gehört. Dies ist im Bericht ausdrücklich festgehalten, so daß über die Möglichkeiten von Zuschüssen beim Gunderwerb keinerlei Zweifel sein können. Der Ausschuß ist weiter der Auffassung, daß auch Zuwendungen für die Verlegung von Straßenbahnen in Ortsdurchfahrten, also in Städten im Zuge von Bundesstraßen, gegeben werden können, wenn dadurch im Interesse des weiträumigen Verkehrs die Ortsdurchfahrten entlastet werden. Allgemein sei festgestellt, daß der Ausschuß dem wichtigen § 5 a eine möglichst weite Fassung geben wollte, um damit der Verwaltung bei der Gewährung der Zuwendungen an die Gemeinden einen weiten Ermessensspielraum einzuräumen. Damit sind - das ist die Meinung des Ausschusses - alle verfassungsrechtlich zulässigen Förderungsmaßnahmen des Bundes zugunsten kommunaler Baulastträger ausgeschöpft.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Zweite Lesung. Ich rufe Art. 1 Nrn. 1 bis 3 auf. So weit keine Änderungsanträge. Wird das Wort zu diesen Nummern gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer zustimmen will, gebe bitte ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmige Annahme. Bei Nr. 4 liegen zwei Änderungsanträge auf den Umdrucken 843 und 850 ({0}) vor. Kein Streit darüber, daß 850 - Änderungsantrag der Fraktionen der FDP und der SPD - der weitergehende Änderungsantrag ist, deshalb wird er zunächst behandelt. Wird zur Begründung das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Eisenmann.

Otto Eisenmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000459, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sind der Auffassung, daß § 5 a die Fassung erhalten sollte. die wir Ihnen in diesem Umdruck vorschlagen. Man sollte bei dieser Frage des § 5 a durchaus auch an die Verwaltungszuständigkeit der Kommunen denken, und man sollte daran denken, die Selbstverwaltung zu stärken. Wir würden wünschen, daß der Bund bei der Delegierung der Aufgaben nicht die Länder mit der Aufgabe der Durchführung der Verwaltung von Ortsdurchfahrten betraut, sondern daß weiter delegiert wird. Wir empfehlen daher, unseren Antrag in der Form, wie er hier vorgeschlagen ist, anzunehmen. Wir sind der Meinung, daß dieser Antrag konstruktiver ist, und bitten die Freunde der CDU/CSU, ihren Antrag Umdruck 843 zurückzuziehen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Abgeordneter Könen!

Willy Könen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001156, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ergänzend hierzu möchte ich kurz noch folgendes sagen. Die Formulierung, wie sie Ihnen in Umdruck 850 ({0}) vorliegt, hilft auch dazu, sich verständlicher zu machen über das, was den Gemeinden gerade beim Straßenbau immer ein wenig Sorge gemacht hat. Es soll nämlich folgender Zustand hergestellt werden: Wie der Bund bei der Zusammenstellung seiner Baulasten die Folgelasten der modernen Verkehrsführung und alles, was dazu gehört, als selbstverständlich berücksichtigt, so soll es auch bei den Straßen sein, die nicht in der Baulast des Bundes sind. Im übrigen ersehen Sie aus dem Umdruck 850, daß es sich bei § 5 a um eine Fassung handelt, die der Ausschuß für Kommunalpolitik als mitberatender Ausschuß ,dem Verkehrsausschuß einstimmig Könen ({1}) empfohlen hatte. Ich bedaure es außerordentlich, daß es nicht zu dem beabsichtigten interfraktionellen Antrag gekommen ist, und zwar 'deshalb nicht gekommen ist, weil erstens, wie ich erst heute mittag erfuhr, einer der beteiligten Herren von der CDU erkrankt ist, also gar nicht in Bonn sein konnte, und zweitens auf der Seite der FDP durch unsere Abwesenheit - der Ausschuß war zu der Zeit in Berlin - die Dinge nicht ganz klar gegangen sind. Ich möchte deshalb wirklich bitten, nachdem nun auch unser Ausschußvorsitzender, Herr Dr. Willeke, seinen Namen unter den Änderungsantrag der CDU gesetzt hat und in einer Rücksprache mit mir über diese Dinge ebenfalls gesprochen hat, sich doch dem Antrag Umdruck 850 anzuschließen, ohne Rücksicht darauf, daß der Änderungsantrag der CDU vorliegt. Er enthält in der Formulierung das, was Sie im Interessse der Gemeinden wollen. Vielleicht ist es sogar möglich, daß Sie Ihren Antrag zurückziehen, damit es auf diesem Wege zu einer interfraktionellen Meinungsbildung und Annahme de's Antrages kommt. Ich möchte Sie sehr darum gebeten haben.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Zur Begründung des Antrags Umdruck 843 Herr Abgeordneter Drachsler!

Hans Drachsler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000414, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bevor ich den Änderungsantrag meiner Fraktion auf Umdruck 843 näher begründe, ist es - wir sind mit den beiden Anträgen nicht sehr weit auseinander - zum besseren Verstehen, glaube ich, doch nötig, einige allgemeine Bemerkungen vorauszuschicken. Wir könnten an dieser Stelle heute wiederum eine Debatte über Straßenbau, Straßenbaufinanzierung und Verkehrsentwicklung oder Straßenverkehr führen. Das ist anscheinend nicht nötig, denn wir haben im Ausschuß für Verkehr gerade dieses Gesetz gründlich beraten. Aber immerhin ist es ein Thema, das die Öffentlichkeit in der heutigen Hochkonjunktur der Motorisierung allgemein stärkstens interessiert. Sosehr wir in diesem Hause bemüht sind, gute neuzeitliche Straßenverkehrsgesetze, Straßenbaufinanzierungsgesetze als Bundesgesetze zu verabschieden, müssen wir doch alle miteinander zugeben, daß diese Maßnahmen nicht ausreichen, um das Fließband der Autoproduktion und die damit weiter zunehmende Verkehrsentwicklung einzuholen. Die Gesetzgebung, namentlich die Straßenbaufinanzierung mit ihrem komplizierten Zubehör an Verwaltung, an Planung, an föderativen Kompetenzen - was wir besonders bei der Beratung des § 5 a merkten -, kann idiesen Wettlauf mit der Verkehrsentwicklung einfach nicht erfolgreich bestehen. Es gibt nicht nur ungleiche Startbedingungen, sondern auf der Strecke liegen auch zu große Hindernisse. Wir müssen uns mit den Gegebenheiten abfinden. Wir können von seiten des Bundes nur das Mögliche, nicht aber das von seiten der Verkehrsteilnehmer Gewünschte tun. Der Ruf nach guten Straßen wird in der heutigen Zeit immer lauter, nicht nur hinsichtlich der Autobahnen und Bundesfernstraßen, sondern auch hinsichtlich der Straßen von Stadt zu Stadt, in den Städten, von den Gemeinden zu den Gemeinden und in den Gemeinden. Wir müssen zugeben, daß dieser Ruf berechtigt ist. Der Autofahrer von heute kümmert sich dabei nicht so sehr um die Schranken, die uns die Verfassung setzt - man denke nur an die Finanzierungsschwierigkeiten zwischen Bund, Ländern und Gemeinden -, sondern er wünscht von seiten des Gesetzgebers praktikable Lösungen. Wir müssen bei der Hilfe des Bundes an die unteren Baulastträger streng auf die Zuständigkeiten von Bund und Ländern achten. Das aber, glaube ich, ändert nichts an der Tatsache, daß die Väter unseres Grundgesetzes sicherlich manchen Paragraphen anders gefaßt hätten, wenn sie im Jahre 1948 vorausgesehen hätten, daß meinetwegen im Jahre 1960 in der Bundesrepublik 2 Millionen Autos produziert werden. Das konnte man nicht voraussehen. Daher haben wir heute die Aufgabe, mit den ungewollten und unverschuldeten Versäumnissen, den Sünden unserer Gesetzesväter auf dem Gebiet des Verkehrs und seiner Entwicklung fertig zu werden, ganz abgesehen von den Folgen dieser Verkehrsdichte, die sich heute in unseren Großstädten, auch in den kleineren und mittleren Städten auf den Straßen zeigt. Der Verkehrsnutzer hat, wie schon gesagt, leider nicht das Verständnis, das er aufbringen müßte, um den Rahmen der Möglichkeiten des Bundes und der Länder hier richtig einzuschätzen. Die Bundesregierung war in den jetzt nun bald zwölf Jahren ihrer Verkehrspolitik stets bemüht, den Wünschen der Straßenverkehrsteilnehmer im Rahmen des Möglichen gerecht zu werden. Ihr Ziel ist es, ein leistungsfähiges Gesamtstraßennetz zu bauen. Sie sieht in der Erfüllung dieses Ziels eine Gesamtaufgabe für alle Bundesglieder, also für sich, für die Länder und für die Gemeinden. Die Straßenbaupolitik des Bundes und seine Verkehrsgesetzgebung sind immer länderfreundlich und gemeindefreundlich im Rahmen des Möglichen gewesen. Diese Zuneigung ist nicht verfassungswidrig. Jedoch muß bei der praktischen Auswirkung dieser Gemeindefreundlichkeit immer sehr auf die Kompetenzen von Bund und Ländern Rücksicht genommen werden. Die Länder, oder sagen wir vielleicht besser: die Länderkabinette, haben dafür immer Verständnis gefunden. Wenn Schwierigkeiten aufgetreten sind, lagen sie mehr in den Rivalitäten auf der Verwaltungsebene, bei den oft abgekapselten Straßenbaubehörden und in ihrer vielfach auch mit Erfolg verteidigten Souveränität gegenüber den Bundesbehörden. Es bleibt nur zu hoffen, daß durch die Verabschiedung des neuen Bundesfernstraßengesetzes ein neuer Ansatzpunkt für eine freiwillige Zusammenarbeit gegeben wird. Eine solche Grundlage hat der Bundestag mit der Verabschiedung des Straßenbaufinanzierungsgesetzes vom 9. März 1960, also im vergangenen Jahre, schon geschaffen. Damit hat der Bund erneut bewiesen, daß er bereit ist, seine Hilfe an fremde Baulastträger zu erhöhen. Der Bundestag hat in einer klaren Willenserklärung damals zugunsten des kommunalen Straßen8860 baur einen zusätzlichen Pfennig, Gemeindepfennig, beschlossen. Nach seinem Willen sollte dieses Mehraufkommen zweckgebunden für Gemeinde-und Kreisstraßen Verwendung finden, soweit sie in einem Sachzusammenhang mit Straßen des Bundes stehen. Der Bund kassiert seit dem 1. April 1960 diesen Gemeindepfennig. Die Länder ihrerseits wollten dabei gerne die Spendierer an die Gemeinden und Kreise sein und hätten daher eine globale Zuweisung von seiten des Bundes gewünscht. Daß es dadurch bisher nicht zu allgemeinen Richtlinien zur beiderseitigen Zufriedenheit gekommen ist, bedauert der Gesetzgeber sehr. Denn er muß darauf achten, daß die Gelder, die kraft Gesetzes zweckgebunden aufgebracht werden, auch rechtzeitig wieder zweckverwendet werden und den Gemeinden zugute kommen. Durch die mit Umdruck 843 beantragte Änderung des § 5 a des Bundesfernstraßengesetzes, die auf einen Wunsch der Länder zurückgeht, soll nunmehr die Hilfe an fremde Baulastträger noch weiter erhöht werden, wie mein Kollege Besold schon begründet hat. Das Kernstück dieser Hilfe ist, wie gesagt, § 5 a. Mit ihm soll nach einem Antrag meiner Fraktion das nachgeholt werden, was wir 1960 versäumt haben, nämlich die gesetzliche Verankerung des Gemeindepfennigs in Abs. 2. Hier wird klar gesagt, daß der Bund aus dem zweckgebundenen Mehraufkommen der Mineralölsteuer Zuschüsse zum Bau oder Ausbau von Gemeinde- und Kreisstraßen gewährt - wir sagen absichtlich: gewährt -, die Zubringerstraßen zu Bundesstraßen sind. Mit diesem Änderungsantrag wird den Wünschen der kommunalen Spitzenverbände und auch des Kommunalpolitischen Ausschusses, Kollege Eisenmann, sowie der Länder weitgehend entsprochen. Wir sagen absichtlich: der Bund gewährt, und nicht: kann gewähren, wie es in Abs. 1 heißt, weil der Gemeindepfennig ja auch nicht etwa eingehoben werden kann , sondern eingehoben wird. Der Bund macht seine Hilfe mit Recht davon abhängig, daß sich auch die Länder an der Finanzierung beteiligen. Diese Novelle beinhaltet also zwischen den Zeilen einen neuen Appell an die Länder, ihrerseits ebenfalls alles zu tun, was im gesetzlichen und finanziellen Rahmen möglich ist, um den Gemeinden bei der Bewältigung ihrer Verkehrsaufgaben zu helfen. Bei dieser Gelegenheit sei noch einmal darauf hingewiesen, daß der Gesetzgeber erwartet, daß die Länder sich recht bald mit dem Bund über praktikable Richtlinien über die Verteilung dieser Gelder einigen. Die Länder ihrerseits haben bei dem Antrags- und Genehmigungsverfahren eine bedeutende Einflußmöglichkeit auf die Verteilung der Aufkommen aus dem Gemeindepfennig. Es sei noch ein Wort darüber gesagt, daß die Einführung des Gemeindepfennigs in der Öffentlichkeit vielfach zu falschen Vorstellungen Anlaß gegeben hat. Das nimmt nicht wunder. Die Gemeinden und Kreise, deren Verkehrsnot immer größer wird und die nicht die Finanzmittel in dem nötigen Ausmaß haben, hegten bei Verabschiedung des Straßenbaufinanzierungsgesetzes im vergangenen Jahr große Hoffnungen. Es war klar, daß damit nicht jede Dorfstraße gebaut oder ausgebaut werden kann. Das wollte der Gesetzgeber auch nicht zum Ausdruck bringen. Es handelt sich vielmehr darum, daß der Bund - und zwar nur dann, wenn auch die Länder helfen - eine Hilfe für den Bau oder Ausbau von Gemeinde- und Kreisstraßen gibt, die in einem Zusammenhang mit dem Verkehr auf Bundesstraßen stehen. Die einschränkenden Bestimmungen über das „blaue Netz" sind weggefallen. Die regionale Verkehrsbedeutung wird bei der Genehmigung solcher Maßnahmen in Zukunft eine große Rolle spielen. Ein Anfang jedenfalls ist mit diesem neuen Weg gemacht, so daß es möglich sein sollte, in enger Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und Gemeinden, und zwar auf freiwilliger Basis, solange eine gesetzliche Regelung fehlt, von Jahr zu Jahr unserem Fernziel näherzukommen: „Gute Straßen bis ins letzte Dorf" zu schaffen. Dieses Ziel kann natürlich nicht auf einmal, sondern nur im Rahmen eines Planes, der sich über einen längeren Zeitraum 'erstreckt, erreicht werden. Ich bitte Sie, unserem Antrag zuzustimmen. Ich betone noch einmal, daß nach meiner Überzeugung der Antrag der FDP nicht weitergehend ist. Er enthält im wesentlichen das gleiche, bis auf den § 5 a Abs. 2, wo einige Bestimmungen über Hilfen beim Grunderwerb stehen. Herr Kollege Besold hat bereits ausdrücklich betont, daß das sowieso im Gesetz mit einbegriffen ist. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Nun, Herr Kollege, wir wollen einmal dabei bleiben, daß der Antrag Umdruck 850 der weitergehende ist. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Stecker.

Dr. Josef Stecker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002225, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte über den Änderungsantrag der FDP und der SPD auf Umdruck 850 ({0}) einiges sagen. Herr Kollege Könen, die CDU/CSU-Fraktion kann sich leider nicht nicht dazu bereit finden, diesem Antrag zuzustimmen. Nach unserer Meinung ist die Fassung unglücklich und schlecht praktikabel. Darüber hinaus erscheint sie in verfassungsrechtlicher Hinsicht bedenklich. Schließlich würde sie auch zu einer Verzettelung der zur Verfügung stehenden Mittel führen. Ich möchte noch einmal betonen, wovon wir ausgehen. Wir haben nicht über eine Neuverteilung der Finanzmasse zwischen Bund, Ländern und Gemeinden zu diskutieren, sondern wir haben den rechtlichen Rahmen abzustecken, in dem der Bund auf dem Gebiete des kommunalen Straßenbaus tätig werden kann. Ich bin der Meinung, daß der vom Kollegen Drachsler begründete Änderungsantrag tatsächlich alle Möglichkeiten auf diesem Gebiete ausschöpft. Was müssen wir zunächst einmal feststellen? Der Bund darf nach der Verfassung gesetzgeberisch nur tätig werden, soweit es sich um den Bau von Fernstraßen handelt. Wir haben die Ausdehnung auf den kommunalen Straßenbau vom Bunde aus verfassungsrechtlich nur dadurch möglich gemacht, daß wir den Begriff des Sachzusammenhangs gründlich untersucht und so weitgehend wie möglich ausgelegt haben. Das heißt, wir haben eine Bundeszuständigkeit kraft Sachzusammenhanges geschaffen und haben gesagt, daß die Straßen, die für das überregionale Straßennetz Bedeutung haben, mit unterstützt werden können, auch wenn sie in der kommunalen Baulast sind. Was unterscheidet nun unseren Antrag von dem Antrag, der, wie Sie mit Recht sagen, Herr Könen, mit dem Antrag des Kommunalpolitischen Ausschusses und mit den Wünschen der Spitzenverbände identisch ist? Zunächst einmal unterscheiden Sie zwischen sogenannten „Zubringerstraßen zu Bundesfernstraßen" und „sonstigen Straßen, die zu dem Bundesfernstraßennetz in Beziehung stehen." Das ist nach meiner Auffassung schon vom Sprachlichen her kein wirklicher Unterschied; ich kann das nicht unterscheiden. Letzten Endes bringt jede Straße, die auf eine Bundesstraße zuläuft, den Verkehr auf diese Straße. Sie ist also insoweit eine Zubringerstraße. In der Tat ist sowohl nach den Erörterungen im Verkehrsausschuß wie auch nach der Praxis der Begriff der Zubringerstraße so weit gefaßt, daß er die von Ihnen angeführten sogenannten „Beziehungsstraßen" mit umfaßt. Es kommt überhaupt bei Ihrem Antrag, Herr Könen, das Kuriose heraus, daß Zubringerstraßen zu Bundesfernstraßen in Zukunft nicht mehr aus dem Gemeindepfennig gefördert werden können. Das war sicherlich nicht der Sinn unserer Bemühungen um diesen Pfennig. Ich glaube, ich kann wohl einiges über den Sinn und Zweck der damaligen Regelung sagen. Ihr Antrag weicht weiter insofern von unserem ab, als idie Bundesfernstraßenzubringer auch dann zu bezuschussen sind, wenn sie innerhalb einer Großstadt auf die Bundesstraße auflaufen. Mir erscheint es in der Tat verfassungsrechtlich problematisch, ob wir solche rein innerstädtischen Straßen bezuschussen können. Sie werden mich fragen: Was sollen denn aber unsere Großstädte machen? Ich muß Ihnen darauf antworten, daß allein durch die Ausweitung des Begriffes der Ortsdurchfahrt viele Möglichkeiten geschaffen worden sind, ihnen zu helfen. Sie müssen sich vorstellen: die meisten wirklichen Zubringer zu den Großstädten sind sowieso klassifizierte Straßen. Auch von den Ländern können wir wohl mit Recht erwarten, daß sie ihr Ortsdurchfahrtrecht anpassen. Dann ist ein so weites Feld der Bezuschussung für Straßenbau innerhalb der Großstädte schon jetzt geschaffen, daß hier wirklich kein Schade geschieht. Ich darf ein Beispiel erwähnen: Im Ruhrgebiet sind 27,4 % des gesamten Bundesstraßennetzes Ortsdurchfahrten. Nach der von uns vorgeschlagenen Fassung, die wenigstens völlig verfassungsmäßig ist, ist in den nächsten Jahren - ich möchte sagen: in den nächsten zehn Jahren - keine rechtliche Grenze für eine Hilfe des Bundes, sondern eher eine finanzielle und technische Grenze gezogen. Sie haben den Grunderwerb und die Folgemaßnahmen erwähnt. Der Grunderwerb ist, wie wir schon gesagt haben, in die Bezuschussung eingeschlossen. Das ergibt sich einfach aus dem Sachzusammenhang. Ein Straßenbau ist eine wirtschaftliche Einheit; es gehört also auch der Grunderwerb dazu. Wenn Sie über die Folgemaßnahmen erreichen wollen, daß der Bund die Verlegung von Straßenbahnen und Kanalisation in den Großstädten finanziert, muß ich Ihnen allerdings sagen: Hier ist nach meiner Ansicht die Grenze einer echten Finanzordnung nicht nur gestreift, sondern überschritten. Wir würden so stark in den innerstädtischen Bereich eingreifen, daß wir der kommunalen Selbstverwaltung sicherlich keinen Dienst erweisen würden, und es bestehen ja, wie gesagt, Zuschußmöglichkeiten auf anderen Gebieten in genügendem Umfang. Zusammenfassend, meine Damen und Herren, darf ich sagen, daß wir den Wünschen der Kommunen mit unserem Antrag voll gerecht werden können und uns dabei in den verfassungsrechtlichen Grenzen halten. Ich bin allerdings mit Ihnen der Meinung, daß wir den Weg offenhalten müssen, um diese ganzen Fragen in der nächsten Legislaturperiode zu lösen, indem wir die Finanzstruktur der Bundesrepublik gesund gestalten. Das kann man eben nur, wenn man eine klare Scheidung der Aufgaben zwischen Bund, Ländern und Gemeinden vollzieht, wenn man weiter eine Zusammenfassung aller Finanzquellen erzielt und die gesamte Finanzmasse nach den Aufgabenbereichen verteilt. Dazu müssen wir alle zusammenwirken, denn das ist nur mit Hilfe einer Änderung der Verfassung möglich. Das will gründlich überlegt und gut vorbereitet sein. Für den jetzigen Augenblick reicht die von Herrn Drachsler vorgeschlagene Lösung.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Herr Bundesverkehrsminister.

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf mich den Ausführungen, die die Herren Kollegen Drachsler und Dr. Stecker soeben gemacht haben, ausdrücklich anschließen. Die Formulierung, die mit dem Umdruck 850 ({0}) beantragt wird, würde uns bei der Durchführung in erhebliche Schwierigkeiten bringen. In der Formulierung heißt es z. B., daß ein Teil der Mineralölsteuer zur Förderung des kommunalen Straßenbaus bestimmt sei. Das ist nicht der Fall. Noch eine ganze Reihe anderer Fragen ist hier angeschnitten, von denen meine sehr verehrten Vorredner mit Recht sagten, daß sie an den Grenzen des Verfassungsmäßigen lägen. Ich hatte die Ehre, im Parlamentarischen Rat in dem Ausschuß, der diese Abgrenzungen durchzuführen hatte, mitzuarbeiten, und ich bin der Auffassung, daß damals diese weite Ausdehnung, wie sie der Antrag Umdruck 850 ({1}) vorsieht, nicht gewollt war. Ich glaube, daß insbesondere die Gewährung von Zuschüssen zu den Kosten der notwendigen Folgemaßnahmen, die soeben hier charakterisiert worden sind, über die enge Auslegung hinausgeht, die das Bundesverfassungsgericht in seinen letzten Urteilen dem Begriff der Bundesaufgaben gegeben hat. Ich möchte Sie deswegen herzlich bitten, uns nicht durch die Annahme des Umdrucks 850 ({2}) in Schwierigkeiten zu bringen, indem die Frage der Verfassungsmäßigkeit aufgeworfen wird; denn durch Verfassungstreitigkeiten würden wir bei der Durchführung der notwendigen Arbeiten zurückgeworfen werden. Mit der Fassung des § 5 a, wie sie mit dem Umdruck 843 beantragt wird, wollen wir uns ja gerade die Möglichkeit schaffen, die Richtlinien, die wir nach dem Straßenbaufinanzierungsgesetz nicht in der erwünschten Weise gestalten konnten, nunmehr neu zu gestalten und mit der Arbeit zu beginnen, die im vorigen Jahr selbstverständlich noch nicht den nötigen Erfolg haben konnte, weil das Gesetz so spät verabschiedet wurde. Ich idarf Sie daran erinnern, daß ich bereits am 17. September 1953 in München in einem Vortrag, der auch gedruckt vorliegt, ausdrücklich darauf hingewiesen habe, idaß es natürlich das Ideal ist, wenn Straßenverkehr, Straßennetz und Straßenverwaltung eine organische Einheit bilden. Das Grundgesetz sieht das nicht vor. Wir haben uns in den letzten Jahren bemüht, durch Ausweitung des Begriffs des Sachzusammenhangs Möglichkeiten zu finden, auch den Gemeinden und den Großstädten weitgehend zu helfen. Es ist nicht richtig, wenn gesagt wird, daß diese Hilfe nicht gegeben worden sei. Überall, wo wirklich Verkehrsplanungen vorgelegt worden sind, haben sie unsere volle Unterstützung und unsere volle Aufmerksamkeit gefunden, und jederzeit sind meine Mitarbeiter und bin ich bereit gewesen, mit den entsprechenden Stellen zu sprechen. Aber Sie wissen ja, wie es geht. Während man vor wenigen Wochen von dem verehrten Herrn Oberbürgermeister Vogel gehört hat, in München sei nun endgültig alles klar, liest man gestern in der „Süddeutschen Zeitung", daß es wieder eine neue Lösung mit Untertunnelung des Hofgartens gibt. Es ist also wirklich etwas schwierig, bei diesen Dingen voranzukommen. Tun Sie uns bitte den Gefallen, den Antrag Umdruck 843 anzunehmen. Dann geben Sie uns die Möglichkeit zu praktischer Arbeit. Überlassen Sie die anderen Fragen, wie mein verehrter Herr Vorredner gesagt hat, einer wirklich grundsätzlichen Überprüfung, über die ja nachher noch gesprochen wird, einer Überprüfung, die uns wiederum zeigen wird, wo die Grenzen unserer Verfassung in ihrer Weiterentwicklung zu liegen haben und wie wir diesen Notwendigkeiten mit Vernunft und mit Sachlichkeit entsprechen können. ({3})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat Herr Abgeordneter Jacobi.

Werner Jacobi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001000, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist in diesem Hause allmählich zur Praxis geworden, daß man das Grundgesetz entweder zitiert, um sich auf es, sich selbst ischützend, zu berufen, oder idaß man von ihm ausgeht, weil sich eine Regelung anbahnt, die man abwehren möchte und die dann angeblich mit idem Grundgesetz in Widerspruch steht. Auf den heutigen Fall angewandt, ist es keineswegs so, daß die Anträge, die im Kommunalpolitischen Ausschuß zur Erörterung anstanden und die - wie ich ausdrücklich betonen möchte -, zu einem einstimmigen Beschluß dieses Ausschusses geführt haben, der sich jetzt in dem Umdruck 850 ({0}) wiederfindet, ohne Prüfung der verfassungsrechtlichen Bedingungen gestellt und beraten worden wären. Die verfassungsrechtliche Seite ist eingehend untersucht worden. Es gibt andererseits keinen Zweifel darüber, daß hier Notwendigkeiten bestehen, unabhängig von der verfassungsrechtlichen Problematik, die aber im Grunde genommen auch schon beim Regierungsentwurf untersucht worden ist und die bei den vielen Diskussionen, die in der Öffentlichkeit stattgefunden haben, ja auch eine nicht nur flüchtige Betrachtung erfahren hat. Wie immer man die Dinge sieht, faktisch ist es so, daß Notzustände bestehen, die kein Mensch bestreitet. Deklamatorisch hört man immer wieder: Den Gemeinden muß geholfen werden. Bei einer intensiven Diskussion, bei einer vernünftigen Aussprache gibt eis auch nirgendwo Zweifel darüber, daß der Verkehr eine Einheit darstellt und daß man eine klügelnde Differenzierung der Probleme nicht vornehmen kann. Es ist also weitgehend eine Frage des guten Willens. ({1}) - Des Geldes natürlich! Aber das sollten Sie lieber nicht anschneiden; denn es ist ja Geld da. ({2}) Es ist nur die Frage, wofür es verwendet wird. Bedenken Sie, Herr Kollege Müller-Hermann, daß 85 % des Straßenverkehrs Nah- und Nachbarschaftsverkehr und nur 15 % Fernverkehr sind - das wissen Sie besser als ich -, daß andererseits nur 7,6 % des gesamten Straßennetzes Bundesstraßen, aber 76,5 % Kommunalstraßen sind! Den Straßenbauträgern ist es nun einmal nicht gleichgültig, wohin die Mineralölsteuer fließt. Man muß wirklich mehr als bisher daran denken, die begonnenen Ansätze weiterzuführen. Denken Sie bitte doch daran, daß sich im Zusammenhang mit der verfassungsrechtlichen Problematik in der Praxis der Bundesregierung und dieses Hauses auch einiges entwickelt hat, was nicht mehr so gesehen werden kann, wie es früher der Fall war! So haben wir z. B. ein Gutachten des Bundesjustizministeriums zum Straßenbaufinanzierungsgesetz mit der Rechtskonstruktion - die eine Notkonstruktion sein mag, die aber erforderlich ist, um den Notwendigkeiten unserer Zeit Rechnung zu tragen - der Bundeszuständigkeit kraft Sachzusammenhangs. Meine sehr verehrten Damen und Herren, beantworten Sie mir da bitte die Frage, ob nicht hier ein Sachzusammenhang vorliegt! Grenzfragen der Verfassung hin und her! Aber wenn es schon einmal Grenzfragen sind, dann sind es keine Fragen, die unabdingbar nur so oder so betrachtet werden können, sondern bei denen manchmal auch der Satz gilt: Wo kein Kläger ist, ist auch kein Richter. Der Bund hat die zentralen Rechts- und Finanzierungsprobleme auf dem Gebiete des Straßenbaus und des Straßenverkehrs bisher nicht zu lösen vermocht. Ich stelle das rein sachlich fest. Er hat aber die Pflicht, sich zu überlegen, was er im Rahmen des Möglichen tun kann; und ihm ist mehr an Möglichkeiten gegeben, als sich hier im Grunde genommen ergeben würde, wenn Sie den Antrag Umdruck 843 dem Antrag Umdruck 850 vorzögen. Der Herr Präsident hat zu Beginn der Nachmittagssitzung, als dieser Punkt aufgerufen wurde, mit Recht darauf hingewiesen, daß man ohne weiteres erkennen kann, daß der Antrag Umdruck 850 sehr viel weiter geht als der Antrag Umdruck 843. Hier geht es einfach darum, ob Sie den Gemeinden und Gemeindeverbänden bei den Fragen, die mit der Ortsdurchfahrt zusammenhängen, Steine oder Brot geben wollen, ob Sie ihnen echte Hilfe angedeihen lassen wollen oder nicht. ({3}) Ich vermag bei einer sehr extensiven Auslegung des Antrags Umdruck 843 im Vergleich zu der Formulierung des Antrags Umdruck 850 fürwahr nicht zu erkennen, wieweit der Antrag Umdruck 843 den Notwendigkeiten Rechnung trägt und dem entspricht, was Sie auch bei vielen Tagungen und Gesprächen mit den Vertretern der Gemeinden und Gemeindeverbände immer wieder gesagt haben. Ich bitte also darum, noch einmal zu überprüfen, ob Sie nicht Ihre Stellungnahme ändern sollten. Dabei weise ich nochmals mit Nachdruck darauf hin, daß der Antrag Umdruck 850 dem Wortlaut nach einem einstimmigen Beschluß des Kommunalpolitischen Ausschusses entspricht. Sie wollen doch wohl nicht so weit gehen, diesem Ausschuß zu unterstellen, daß er nicht auch die verfassungsrechtliche Problematik gekannt und untersucht habe und daß er Ihnen einen Antrag vorgelegt habe, der nicht durchdacht sei. Der Antrag Umdruck 850 ist ein Antrag, der den Gemeinden hilft, der klare Rechtsverhältnisse schafft. Der Änderungsantrag der CDU/CSU entspricht dem nicht.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Kollege Jacobi, zur Klarstellung, welcher Antrag der weitergehende ist. Ich verstehe, daß der Antrag der FDP und der SPD, wenn er angenommen wird, den Bund mehr Geld kostet als der Antrag der CDU/ CSU Umdruck 843 - so verstehe ich es mit meinem Laienverstand -; und das, was den Bund mehr kostet, halte ich für weitergehend. ({0}) Infolgedessen ist also der Antrag Umdruck 850, von Ihnen ist das jetzt klar bestätigt, der weitergehende. ({1}) - Ich darf ja meine Meinung nicht sagen. ({2}) - Wollen Sie etwas anderes dazu sagen? Sind Sie der Meinung, daß der Antrag Umdruck 843 der weitergehende ist? - Dann geht es der Reihenfolge nach. Das Wort hat Herr Kollege Dr. Besold.

Dr. Anton Besold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000166, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir brauchen uns über den § 5 a wirklich nicht zu echauffieren. Im Ausschuß ist dieser § 5 a, der wirklich das Kernstück ist, eingehend besprochen worden, ({0}) - im Verkehrsausschuß -, und ich möchte Ihnen jetzt sagen, daß er in der Fassung des Umdrucks 843 in seiner Umfänglichkeit und seinem Inhalt dem entspricht, was wir in der Ausschußfassung erarbeitet haben. In dem Änderungsantrag Umdruck 843 ist lediglich hinzugekommen, daß das Aufkommen der Zubringerstraßen zu den Bundesstraßen, der sogenannte Gemeindepfennig, zweckgebunden wird. Das ist nämlich das, was die Gemeinden gewollt haben. Der Antrag Umdruck 850 paßt nicht in das Ausschußergebnis hinein. Wir haben uns nämlich im Ausschuß stundenlang darüber unterhalten, was denn eigentlich „Zubringerstraße" ist, wieweit wir den Begriff „Zubringerstraße" erweitern, und haben das, was „Zubringerstraße" ist, dann auf Grund der Protokolle in den Bericht eingearbeitet. Ich habe mich bei der Berichterstattung bezüglich der Begriffsbestimmung, was Zubringerstraße ist, genau an die Meinung des Ausschusses gehalten. Das ist in meinem Bericht unter Nr. 4 festgelegt; dort heißt es ausdrücklich: Dabei ist der Ausschuß davon ausgegangen, daß Zubringerstraßen öffentliche Straßen sind, die dem Anschluß von Siedlungsgebieten, in denen mit einem größeren Verkehrsaufkommen zu rechnen ist, an das Netz der Bundesfernstraßen dienen. Die Eigenschaft einer Straße als Zubringerstraße wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß ihr Verkehr der Bundesfernstraße nicht unmittelbar, sondern über eine andere Straße zugeführt wird, sofern es sich bei dieser anderen Straße um verhältnismäßig kurze Abschnitte handelt. Wir haben diese sehr weitgehende Fassung wortwörtlich hereingenommen, um ja nicht verfassungsrechtlich irgendwie in Konflikte zu kommen und einen genau umgrenzten und nach der Fassung weitestmöglichen Begriff hier festzulegen. Das ist nun das Gefährliche an dem Änderungsantrag Umdruck 850. Hier heißt es: Zuschüsse zu den Kosten des Baues oder Ausbaues anderer Kreis- und Gemeindestraßen, die mit dem Bundesfernstraßennetz in Beziehung stehen. Meine Damen und Herren, hier ist überhaupt keine räumliche Abgrenzung mehr gegeben. Hiernach könnte jede Straße, die irgendwie zu einer Bundesstraße führt, hereingenommen werden. Hier kommen wir mit der Verfassung und mit der gemeinsam erarbeiteten Begriffsbestimmung, was Zubrin8864 gerstraße ist, in Konflikt. Der Änderungsantrag Umdruck 850 birgt also die Gefahr der Verfassungswidrigkeit in sich. Der Änderungsantrag Umdruck 843 ist umfänglich nichts anderes als das, was wir als Ausschußfassung gemeinsam mit allen Fraktionen erarbeitet haben, mit dem Abmaß, daß lediglich der sogenannte Gemeindepfennig für die Kreis- und Gemeindestraßen zweckgebunden ist, was auch der Kommunalausschuß wollte. Ich appelliere also an diejenigen, die im Kommunalpolitischen Ausschuß waren und die vielleicht dem Antrag Umdruck 850 zustimmen wollten, weil er vom Kommunalpolitischen Ausschuß genehmigt ist, doch den sachlichen Überlegungen des Verkehrsausschusses und auch der im Bericht festgelegten Formulierung Rechnung zu tragen und dem Antrag Umdruck 843 zuzustimmen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Abgeordneter Müller-Hermann!

Dr. Ernst Müller-Hermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001569, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Respekt vor dem Votum des Präsidenten verbietet es mir, hier zu der Frage Stellung zu nehmen, welcher Antrag weiter geht. Aber ich glaube, es ist nötig, gerade auch wegen der von den kommunalen Spitzenverbänden vorgetragenen Wünsche und Bedenken darauf hinzuweisen, daß die Ausschußformulierung des § 5 a und auch die abgeänderte Formulierung meiner Kollegen Drachsler, Besold und Stecker nur im Zusammenhang mit dem Ausschußbericht gesehen werden kann. Der Ausschußbericht sagt ausdrücklich - ich darf einen Satz verlesen -: Er ({0}) will dem § 5 a eine möglichst weite Fassung geben und damit der Verwaltung bei der Gewährung der Zuwendungen einen weiten Ermessensspielraum lassen. Dieser Ermessensspielraum wird durch Ihre Formulierung eingeengt. Wenn ich es auf einen ganz simplen Nenner bringen darf: Unsere Ausschußfassung und auch die Änderungsvorschläge meiner Kollegen gehen letzten Endes darauf hinaus, daß der Großzügigkeit des Bundes dort, wo es als notwendig angesehen wird, im Gesetzestext keine Grenzen gesetzt werden. ({1}) - Sie engen durch Ihre Formulierung die Möglichkeiten des Bundes ein. Der Ausschuß hat in seinem Bericht ausdrücklich darauf hingewiesen, daß nach § 5 a auch Zuwendungen für die Verlegung von Straßenbahnen in Ortsdurchfahrten gegeben werden können. Das könnte bei Ihrer Fassung ausgeschlossen sein. Also glauben Sie mir, daß die von uns vorgeschlagene Fassung gerade im Interesse der Gemeinden und der Städte diejenige Fassung ist, die dem Bund, den Städten und den Gemeinden die größten Möglichkeiten gibt, einen angemessenen Ausgleich dort zu finden, wo eine Bezuschussung durch den Bund aus übergeordneten Gesichtspunkten nötig ist.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Kollege Müller-Hermann, ich habe verstanden, worauf sich Ihr Einwand bezieht. Aber wir wollen erst einmal den Änderungsantrag Umdruck 850 abhandeln und darüber abstimmen. Wird dazu noch das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich lasse abstimmen über den Änderungsantrag der Fraktionen der FDP und der SPD Umdruck 850 ({0}). Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Der Antrag ist abgelehnt. Wir kommen nun zum Änderungsantrag Umdruck 843. - Zur Begründung eines Änderungsantrags zum Änderungsantrag Umdruck 843 der Herr Abgeordnete Dr. Bleiß!

Dr. Paul Bleiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000196, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Leider hat der Änderungsantrag Umdruck 850 ({0}) nicht die Zustimmung der Mehrheit des Hohen Hauses gefunden. Trotzdem fühlen wir uns verpflichtet, aus der gegebenen Situation heraus noch die jeweils beste Lösung zu finden. Deshalb bitte ich Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren von der CDU/CSU-Fraktion, mit folgenden Änderungsanträgen zum Änderungsantrag Umdruck 843 einverstanden zu sein. In dem Änderungsantrag Umdruck 843 ist der Abs. 1 des § 5 a wie folgt formuliert: Zum Bau oder Ausbau von Ortsdurchfahrten im Zuge von Bundesstraßen und zum Bau oder Ausbau von Zubringerstraßen zu Bundesautobahnen kann der Bund Zuschüsse oder Darlehen gewähren. - Dadurch engen Sie die Zuschußgewährung ein und beziehen sie nur auf die Bundesautobahnen. Wir bitten Sie deshalb, das Wort „Bundesautobahnen" durch das Wort „Bundesfernstraßen" zu ersetzen, damit sämtliche Zubringerstraßen zu den Bundesstraßen zuschußberechtigt werden. Das liegt im Interesse eines gleichmäßigen Ausbaus unseres Straßennetzes. Mein zweiter Vorschlag bezieht sich auf den Abs. 2. Dort heißt es: Soweit Mittel für Zuwendungen an fremde Baulastträger im Bundeshaushalt aus einem zweckgebundenen Mehraufkommen der Mineralölsteuer bereitgestellt werden, ... Jedes Mehraufkommen aus der Mineralölsteuer ist nach dem Wortlaut des Straßenbaufinanzierungsgesetzes zweckgebunden; denn alle Mineralölsteuern sind mit Ausnahme des Sockelbetrages zweckgebunden. Ich bitte deshalb in Abs. 2 das Wort „zweckgebundenen" zu streichen und nur „ ... aus dem Mehraufkommen ... " zu sagen. Dabei handelt es sich auch um eine redaktionelle Änderung. Ich bitte Sie, diesen beiden Änderungsanträgen zuzustimmen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Dazu Herr Abgeordneter Dr. Stecker!

Dr. Josef Stecker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002225, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Bleiß, ich glaube, beide Vorschläge sind nicht praktikabel. In unserem Änderungsantrag trennen wir zwischen Zubringerstraßen zu Bundesautobahnen und Zubringerstraßen zu Bundesstraßen. Im Abs. 1 wird das erstere, im Abs. 2 das zweite behandelt. Der Begriff „Bundesfernstraßen" umfaßt ja beides, die Bundesautobahnen und die Bundesstraßen. Wir haben das deshalb auseinandergezogen, weil nach Abs. 1 auch die Bezuschussung von Zubringerstraßen möglich ist, die Landstraßen 1. Ordnung sind. Das ist immer so gewesen und soll auch nicht geändert werden, weil es bei der Anlegung von Autobahnzubringern vielfach zu einer völligen Änderung der Verkehrsverhältnisse in dem betreffenden Raum kommt. Es würde also systematisch nicht richtig sein, hier im Abs. 1 von „Bundesfernstraßen" zu sprechen. Im zweiten Absatz haben wir ja die Zuschüsse für die Zubringerstraßen zu Bundesstraßen vorgesehen. Diese Zubringerstraßen sollen aus dem sogenannten „Gemeindepfennig" bezuschußt werden und sind bisher in der Praxis auch bezuschußt worden. Nun zu Ihrem Vorschlag, das Wort „zweckgebundenen" zu streichen. Ich meine, man sollte es stehenlassen; denn damit soll praktisch ausgedrückt werden, daß die Mittel dem kommunalen Straßenbau aus dein zweckgebundenen Aufkommen zugeführt werden sollen. Wir wollen also eine Verstärkung der Zweckbindung für die Gemeinden. Ich glaube, es liegt auch in Ihrem Interesse, wenn wir das Wort stehenlassen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Zu einer Frage Herr Abgeordneter Könen!

Willy Könen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001156, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wenn das so wäre, wie Sie zum Schluß gesagt haben, müßte es da nicht zumindest statt „aus einem zweckgebundenen" heißen „aus dem zweckgebundenen"? Wenn Sie „aus einem" sagen, gibt es auch ein anderes.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Ist das eine redaktionelle Änderung?

Dr. Josef Stecker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002225, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Gegen „aus dem zweckgebundenen" hätte ich keine Bedenken.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Berichterstatter, ist das das gleiche? - Bitte sehr.

Dr. Anton Besold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000166, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nach meiner Ansicht ist mit dem zweckgebundenen Mehraufkommen lediglich das Mehraufkommen aus ,dem Gemeindepfennig gemeint, der seinerzeit bei dem Straßenbaufinanzierungsgesetz beschlossen worden ist und der den kommunalen Baulastträgern zukommen sollte. Das und nichts anderes ist gemeint. Nach der Fassung, die Herr Kollege Bleiß vorgeschlagen hat, würde überhaupt das gesamte Mehraufkommen aus der Mineralölsteuer nunmehr den Gemeinden zugewiesen werden. Das wäre nicht das Richtige. Es muß also klargestellt werden, ,daß mit dem zweckgebundenen Mehraufkommen nichtsanderes gemeint ist als der Gemeindepfennig, von dem in dem Entschließungsantrag Umdruck 484 - ich glaube, der war es - die Rede ist, der bei der Beschlußfassung über das Straßenbaufinanzierungsgesetz verabschiedet worden ist. ({0}) Das ist genau ,das, was der Kommunalpolitische Ausschuß will. Er will, daß dieser Gemeindepfennig zugunsten der Gemeinde- und Kreisstraßen zweckgebunden wird. Um den Erwägungen des Kommunalpolitischen Ausschusses entgegenzukommen, haben wir die Ausschußfassung hier erweitert. Der Herr Kollege Bleiß hat Bedenken, daß in dem Gesetz nur die Zubringerstraßen zu den Bundesautobahnen gemeint seien; er hat diese Bedenken wegen der Fassung des Abs. 1, Diese Bedenken treffen nicht zu. Der § 5 a in seiner jetzigen Fassung bringt etwas Neues; er bringt etwas, was bisher noch nicht gesetzlich verankert war: daß auch die Zubringerstraßen zu Bundesstraßen bezuschußt werden können. Diese Verpflichtung, die in der allgemeinen vom Verkehrsausschuß beschlossenen Fassung in einem Satz enthalten war, haben wir hier auseinandergenommen. Die Verpflichtung, daß auch die Zubringerstraßen zu Bundesstraßen zu bezuschussen sind, ist im Abs. 2 enthalten. ({1}) Wir haben das deshalb hier hineingenommen, weil wir die Zweckbindung des Gemeindepfennigs für diese Gemeinde- und Kreisstraßen wollten. ({2}) In Abs. 1 ist ,die Bezuschussungsmöglichkeit für Zubringerstraßen zu den Bundesautobahnen rechtsverbindlich niedergelegt. In Abs. 2 werden die Bezuschussungsmöglichkeiten für Zubringerstraßen zu Bundesstraßen behandelt. Der Herr Kollege Bleiß hat befürchtet, daß das nicht der Fall sei. Ich bitte, die Fassung genau zu lesen. Im übrigen ist ja am Anfang des Art. i - ich habe das heute schon einmal erwähnt - die große Möglichkeit zur Aufstufung von Ringstraßen, Tangentialstraßen, Ortsdurchfahrten usw. gegeben. Hier sind Aufstufungsmöglichkeiten für die Gemeinden und insbesondere die Städte gegeben. Dadurch können sie dann in den Genuß der Vorteile der in § 5 a vorgesehenen Regelung kommen. Es ist vielleicht etwas schwierig, die rechtlichen Zusammenhänge zu überschauen. Es ist aber so, wie ich es dargestellt habe. Ich kann wohl sagen, daß die Fassung des § 5 a, die in Umdruck 843 enthalten ist, dem entspricht, was wir im Ausschuß erarbeitet haben; hier kommt zusätzlich nur die Zweckbindung hinzu.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Abgeordneter Faller.

Walter Faller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000516, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Besold und Herr Kollege Stecker, ich kann Ihren Ausführungen leider nicht folgen. Lesen Sie bitte einmal den Text Ihres Antrages genau durch und vergleichen Sie ihn mit der Ausschußfassung. Sie werden feststellen, daß nach der Ausschußfassung der Bund die Möglichkeit haben sollte, global aus der Gesamtheit der Mittel die Zubringerstraßen zu der Gesamtheit der Bundesfernstraßen zu bezuschussen. Nach Ihrem Antrag kann er das in Zukunft nur noch aus dem Mehraufkommen des Gemeindepfennigs, er kann es also nicht mehr aus der Gesamtsumme tun, sondern nur noch aus dem von Ihnen genannten Gemeindepfennig. Das ist absolut klar. Nach Ihrem Antrag können die Gemeinden- und Kreisstraßen in Zukunft aus dem Mehraufkommen nur noch bezuschußt werden, wenn sie Zubringerstraßen zu Bundesstraßen sind. Es kann aber keine Landstraße mehr, wenn es sich um ein größeres Bauvorhaben eines Landes handelt, das auch im Interesse des Bundes liegt, mit diesen Mitteln bezuschußt werden. Die Landstraßen lassen Sie aus der Bezuschussung hier völlig heraus.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Dr. Besold, Sie hatten sich zuerst gemeldet? ({0}) - Herr Dr. Stecker, bitte sehr!

Dr. Josef Stecker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002225, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Faller, Sie haben insoweit recht, als wir die Kreis- und Gemeindestraßen, die Zubringerstraßen zu Bundesstraßen sind, also außerhalb der Ortslage, nur aus dem Gemeindepfennig bezuschussen wollen. Das ist ja die Praxis gewesen, und das war damals auch der Gedankengang, nämlich einen Pfennig auf die Steuer aufzuschlagen und damit eine Ausweitung der Zweckbestimmung auf die Zubringerstraßen zu ermöglichen. Insofern, Herr Faller, kann das keine Schwierigkeiten bereiten. Sie haben auch recht, wenn Sie sagen, daß unser Vorschlag gegenüber der Ausschußfassung insofern eine Einengung ist, als wir die Landstraßen I. Ordnung vom Gemeindepfennig ausgeschlossen haben und als wir die Zubringer zu Bundesstraßen aus der allgemeinen Finanzmasse jetzt nicht mehr bezuschussen können. Von unserer Fassung kann man, nach der Praxis und nach den Möglichkeiten, die in ihr stecken, sagen, ,daß sie voll und ganz dem entspricht, was wir im Ausschuß beschlossen haben; denn wir können aus dem Gemeindepfennig auch Ortsdurchfahrten bezuschussen. Ich glaube, Herr Faller, daß hier nur ein Mißverständnis vorliegt. ({0}) - Landstraßen I. Ordnung nur, wenn sie Zubringer zu Bundesautobahnen sind. So steht es im Abs. 1: Zum Bau oder Ausbau von Ortsdurchfahrten im Zuge von Bundesstraßen und zum Bau oder Ausbau von Zubringerstraßen zu Bundesautobahnen kann der Bund Zuschüsse oder Darlehen gewähren. ({1}) - Ja, nur zu Bundesautobahnen. ({2}) - Nein, das ist auch nie so gewesen. Wir haben nie Landstraßen I. Ordnung, die Zubringerstraßen zu Bundesstraßen sind, bezuschußt. ({3}) - Herr Jacobi, sind Sie der Meinung, daß für den Bund ein Anlaß besteht, jetzt bei der Finanzierung von Landstraßen I. Ordnung behilflich zu sein? ({4}) - Ich glaube, das wäre eine völlige Verkennung der wirklichen Finanzsituation. Die Länder sind doch jetzt durchaus in der Lage, ihre Landstraßen I. Ordnung in Ordnung zu bringen. Es wäre völlig verfehlt, wenn wir die jetzt hier hineinnähmen. Es sollte vielmehr eine Hilfe für die Kommunalstraßen sein; als solche ist diese Vorlage gedacht. Ich warne davor, die Dinge so auszuweiten, daß die Vorlage am Ende verwässert wird und das Geld nicht mehr denen zugute kommt, für die die Hilfe gedacht war.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Jetzt sehen Sie, meine Damen und Herren, warum das Haus umgebaut werden muß. Eine solche Debatte muß vom Platz aus geführt werden. Das Wort hat der Abgeordnete Ritzel.

Heinrich Georg Ritzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001860, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich befürchte, daß der Herr Kollege Stecker und seine Freunde die Realität der Entwicklung in unserer Zeit völlig übersehen haben. Der Herr Bundesverkehrsminister läßt soeben die Pläne für eine Bundesstraße - ich will nur diese Tatsache als Beispiel anführen - fertigstellen, die von der Autobahn bei der Mainüberquerung in Richtung Rüsselsheim-Darmstadt abgeht. Nehmen Sie nur diesen Fall, und nehmen Sie an, der Antrag Umdruck 843 wird Gesetz. Dann besteht keine Möglichkeit, aus allgemeinen Mitteln eine Finanzierung der hier in Frage kommenden Straßen zu unterstützen, sondern es besteht nur die Möglichkeit der Finanzierung aus dem zweckgebundenen Mehraufkommen. Wenn Sie dagegen den Antrag Bleiß nehmen und den Begriff von „Bundesautobahnen" auf „Bundesfernstraßen" erweitern, dann ermöglichen Sie das, was Sie wollen. Dann können Sie auch die Mittel für Entlastungsstraßen zur Verfügung stellen, wie sie im bundesdeutschen Straßennetz mehr und mehr notwendig werden. Sie können nicht behaupten und nicht beweisen, Herr Kollege Stecker, daß die Formulierung „Bundesstraßen" unter Abs. 2 die Möglichkeit gibt, die Finanzierung in bezug auf die Zubringerstraßen in einem Umfang sicherzustellen, wie es möglich ist, wenn Sie die Finanzierungsmöglichkeit entsprechend dem Antrag Bleiß unter Abs. 1 fassen; denn Sie binden die Möglichkeit der Mittelbewilligung an das zweckgebundene Mehraufkommen, während nach dem Antrag Bleiß die allgemeinen Mittel für Fernstraßenverbindungen zur Verfügung gehalten werden können. Sie bringen also uns selbst in die allergrößten Schwierigkeiten, wenn Sie auf dieser sinnwidrigen Formulierung des Abs. 1 beharren und bei Abs. 2 die Beschränkung belassen, wie sie sich aus dem Wortlaut ergibt. Um dessentwillen, im Interesse unserer wohlverstandenen Straßenbaupolitik bitte ich Sie, die beiden Änderungsanträge, mindestens aber den Änderungsantrag zu Abs. 1, anzunehmen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Abgeordneter Besold.

Dr. Anton Besold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000166, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte jetzt nochmals versuchen, das, was mit unserem Antrag gewollt ist, klarzustellen, weil niemand die Katze im Sack kaufen und niemand sich über den Umfang einer Bestimmung im unklaren sein soll. Herr Kollege Bleiß, in § 5a ist eindeutig festgelegt, daß sowohl die Zubringerstraßen zu Autobahnen als auch die Zubringerstraßen zu Bundesstraßen bezuschussungspflichtig sind. ({0}) - Bezüglich der Autobahnen steht es in Abs. 1, bezüglich der Bundesstraßen steht es in Abs. 2. ({1}) - Ich gebe Ihnen zu, daß in Abs. 2 die Landstraßen I. Ordnung nicht mit umfaßt sind. Die waren aber bisher noch nie dabei. Dabei müssen Sie aber auch daran denken, daß die Länder das Aufkommen der Kraftfahrzeugsteuer haben. Wir haben hier den Begriff der Zubringerstraße so weit gedehnt und bis in die Gemeindestraßen hineinverlängert, daß ich nur sagen kann, wir haben in der Beziehung wirklich alles getan, was zu tun war. Nun noch einige Worte über die Zweckbindung! Ich habe gesagt, wir haben den sogenannten Gemeindepfennig aus dem Mehraufkommen der Mineralölsteuer für die Gemeinde- und Kreisstraßen zweckgebunden. Meine Damen und Herren, das heißt - und das darf man nicht vergessen -, daß diese Gelder aus dem Gemeindepfennig in Zukunft nicht für andere Dinge verwendet werden dürfen, sondern - und das ist der Wille des Kommunalpolitischen Ausschusses, das ist der Wille aller derjenigen, die die Interessen der Gemeinden vertreten wollen - wir wollten, daß diese Gelder nicht für andere Zwecke verbuttert werden dürfen, sondern daß sie ausschließlich 'für diese Gemeinde- und Kreisstraßen zweckgebunden sind, und ebenso auch das in Zukunft mögliche Mehraufkommen aus dem Gemeindepfennig. Daß wir natürlich damit in Kauf nehmen müssen, daß dann die anderen zweckgebundenen Mittel nicht auch noch dafür verwendet werden, das ist ganz klar und selbstverständlich; aber ich glaube, die Zweckbindung für diese Straßen und die Tatsache, daß diese Gelder für nichts anderes als ausschließlich für den in Abs. 2 festgelegten Zweck verwendet werden dürfen, das wollen die Gemeinden, und darum ist der Antrag Umdruck 843 das einzig Richtige. ({2})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Erlauben Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Könen?

Dr. Anton Besold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000166, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte!

Willy Könen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001156, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wenn es so ist, wie Sie soeben sagten, daß nämlich aus Ihrem Antrag hervorgeht, daß in ,den Absätzen 1 und 2 eine Zuschußpflicht gemeint ist, warum formulieren Sie dann in Abs. 1 „kann gewähren" und in Abs. 2 „gewährt"?

Dr. Anton Besold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000166, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Das ist doch der Gesamttopf des Bundes, meine Damen und Herren, das müssen Sie doch einsehen! Es handelt sich hier um die Verpflichtung, Autobahnen, Bundesstraßen und Zubringerstraßen bezuschussungspflichtig zu machen, und daß ist festgelegt.

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im englischen Parlament ist es möglich, daß man die Plenarsitzung unterbricht und eine Ausschußsitzung einschiebt; aber hier müssen wir das leider in der Plenarsitzung tun. Darf ich zu dem Antrag folgendes feststellen - und deswegen bin ich dafür, daß der Antrag Umdruck 843 so angenommen wird -: Mir könnte es ja lieber sein, wenn in Abs. 1 das Wort „Bundesfernstraßen" stünde, aber wir haben hier das Wort „Bundesautobahnen" gemeint und das deshalb ausdrücklich gesagt, weil eben gewisse Straßen, die in der Baulast des Landes sind, nicht bezuschußt werden sollen; denn wir wollen nicht die Länder bezuschussen. Deswegen ist das hier geteilt worden. Wir haben im ersten Fall den Bau oder Ausbau von Ortsdurchfahrten im Zuge von Bundesstraßen, die bezuschußt werden können; das sind jene Straßen im Zuge von Ortsdurchfahrten von Bundesstraßen in Städten über 50 000 Einwohnern. Dann haben wir die Zubringerstraßen zu Bundesautobahnen. Diese sollen bezuschußt werden, damit wir ein vollständiges Netz bekommen, wie wir auch jetzt die Regelung haben; denn auch dort, wo eine Bundesautobahn eine Landesstraße schneidet, geben wir ja die Möglichkeit für den Ausbau. Die andere Regelung aber - im Abs. 2 - begrenzt doch die Mittel. Das Wort „auch" besagt, daß sich das auf den Ausbau von Gemeinde- und Kreisstraßen bezieht; da sollen nicht Landstraßen I. Ordnung bezuschußt werden. Ich darf mir dazu eine Bemerkung gestatten. Die Länder haben in den Jahren von 1955 bis 1960 insgesamt 6 Milliarden DM als Kraftfahrzeugsteuer eingenommen. Sie haben aber für ihre Straßenangelegenheiten nur 5 Milliarden DM ausgegeben, wovon sie 30 % den Gemeinden zugeteilt haben. Sie haben also 1 Milliarde DM im Sack be8868 halten. In diesem Hause nennt man das gelegentlich „zweckentfremdet"; ich benutze das Wort nicht gern, weil es eine gesetzliche Bestimmung voraussetzt. Aber wir können doch wirklich nicht eine Bestimmung annehmen - wenn Sie dem Änderungsantrag des Herrn Kollegen Bleiß folgen -, nach der wir gezwungen sind, noch die Straßen der Länder vom Bund aus zu bezuschussen. Das wäre doch falsch. Dafür ist ein anderes Gesetz da.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Meine Damen und Herren, ich möchte weitergehen. Im Augenblick liegen keine Wortmeldungen vor. Ich lasse abstimmen erstens über den Änderungsantrag - - Herr Kollege Dr. Bleiß, kann über Ihren Änderungsantrag zu Umdruck 843 in einem abgestimmt werden, oder wollen Sie getrennte Abstimmung? ({0}) Meine Damen und Herren, Sie erinnern sich: der Herr Abgeordnete Dr. Bleiß hat beantragt, in dem Umdruck 843 in Abs. 1 des § 5 a statt „Bundesautobahnen" „Bundesfernstraßen" zu lesen. Ist das klar? Ich lasse darüber abstimmen. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Der Antrag ist abgelehnt. Zu Abs. 2 haben Sie, Herr Dr. Bleiß, beantragt, die beiden Worte „einem zweckgebundenen" durch das Wort „dem" zu ersetzen. Ist das klar? Jedermann weiß, worum es geht? ({1}) Wer zustimmen will, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Auch dieser Änderungsantrag ist abgelehnt. Nun komme ich zu dem Änderungsantrag Umdruck 843 in ,der vorliegenden Fassung. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen und einigen Gegenstimmen ist der Änderungsantrag Umdruck 843 angenommen. Wer ,der so geänderten Nr. 4 zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Bestimmung ist bei einer Anzahl Enthaltungen angenommen. Zu Nr. 5 liegt kein Änderungsantrag vor. Dann kommen wir zu dem Änderungsantrag Umdruck 851 auf Einfügung einer Nr. 5 a. Zur Begründung Herr Abgeordneter Dr. Bucher!

Dr. Ewald Bucher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000288, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die vorliegende Novelle zum Bundesfernstraßengesetz gibt Gelegenheit, auch in § 7 eine Änderung vorzunehmen, die wir für notwendig halten. Nach der jetzigen Fassung ist unter „Gemeingebrauch" im Sinne des § 7 nur der Gebrauch der Bundesfernstraßen zum Verkehr - zum fließenden und zum ruhenden Verkehr - zu verstehen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Einen Augenblick, Herr Abgeordneter Bucher! Ich sehe hier, Sie haben geschrieben, es soll eine Nr. 5 a eingefügt werden.

Dr. Ewald Bucher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000288, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ja, das hat mit Nr. 5 nichts zu tun.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Jetzt eben sehe ich, daß sich das auf § 7 bezieht. Dann bitte ich Sie, einen Augenblick zu unterbrechen. Ich muß hier erst über Nr. 5 abstimmen lassen. Ich war der Meinung, daß Nr. 5 a zu § 6 gehöre. Wer Nr. 5 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das ist einstimmig angenommen. Jetzt bitte ich, mit dem Änderungsantrag Umdruck 851 fortzufahren.

Dr. Ewald Bucher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000288, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Die Definition, die jetzt in § 7 gegeben ist, widerspricht der sonst üblichen Auffassung, wonach unter Gemeingebrauch jede Nutzung zu verstehen ist, auch gewerbliche Nutzung, soweit sie ohne Verkehrsbehinderung möglich ist, also auch die Anliegernutzung, das, was man unter gesteigertem Gemeingebrauch versteht. Nach der jetzigen Fassung des § 7 ist ein solcher gesteigerter Gemeingebrauch als Sondernutzung aufzufassen und also gebührenpflichtig. Dies ist festzustellen, obwohl eigentlich anzunehmen ist, daß das nicht die Absicht des Gesetzgebers war. Denn aus der Begründung zum Bundesfernstraßengesetz ergibt sich nichts dafür. Es steht sogar ausdrücklich darin, daß die bisher entwickelten Grundsätze zum Gemeingebrauch nicht angestastet werden sollen. Auch aus dem seinerzeitigen Ausschußbericht für die zweite Beratung des Gesetzes ergibt sich nichts dafür, daß daran etwas geändert werden sollte. Unser Antrag geht nun dahin, die Worte „zum Verkehr" zu streichen, so daß also der Gebrauch der Bundesfernstraßen „jedermann im Rahmen der Widmung und der verkehrsbehördlichen Vorschriften gestattet" ist, und auch die weiteren einschränkenden Schlußsätze des § 7 Abs. 1 wegfallen zu lassen. Man kann dagegen natürlich einwenden, gewerbliche Nutzung bei Bundesfernstraßen spiele keine große Rolle, zumal es eine Ausnahmeregelung für Ortsdurchfahrten gibt. Aber ich glaube, wir sollten hierbei auf das Prinzip achten; denn es bestehen nun einmal verfassungsrechtliche Bedenken gegen die jetzige Regelung. Art. 14 des Grundgesetzes steht in erster Linie entgegen. Er verbietet einen Eingriff in die Rechtsstellung der bisherigen Anlieger. Die Eigentumsgarantie des Art. 14 des Grundgesetzes erstreckt sich auch auf eine rechtlich gesicherte wirtschaftliche Position. Auch sie kann Enteignungsobjekt sein. Der Straßenanlieger zahlt ja seinen Anliegerbeitrag und erwirbt dadurch eine Rechtsposition, in die man nicht nachträglich eingreifen darf. Ein höherer Zweck, der einen solchen Eingriff rechtfertigen würde, liegt nicht vor. Es liegt höchstens ein fiskalischer Zweck vor, der nach anerkannter Rechtsprechung nicht genügt; er kann nicht als höherer Zweck im Sinne des Art. 14 anerkannt werden. Ich will es bei diesen rechtlichen Betrachtungen bewenden lassen und auf das ausführliche Gutachten von Professor Schätzel zu diesem Thema verweisen, das er - übrigens unter Mitarbeit eines höheren Beamten des Bundesinnenministeriums - erstellt hat. Auch wenn man diese verfassungsrechtliche Ansicht nicht teilen sollte, so sprechen auch rechtspolitische Gründe dafür, sich für die allgemeinere Fassung zu entscheiden, wie wir sie vorschlagen. Das bedeutet doch nichts anderes, als daß der Bürger nach unserem Vorschlag grundsätzlich nicht genötigt sein soll, sich um eine Genehmigung zu bemühen, sondern daß umgekehrt, wie es eigentlich gute Übung sein sollte, die Verwaltung, sofern ein Mißbrauch vorliegt, ihrerseits einschreiten muß. Wir sehen hierin einen Stein zu dem Verwaltungsgebäude, das wir in diesem Hause laufend errichten und über dessen zunehmendes Wachstum wir uns nachher selber sehr verwundern. Man verfährt hier wieder einmal nach der in Deutschland leider üblich gewordenen Maxime, zu sagen: alles, was nicht erlaubt ist, ist verboten, während es ja gerade umgekehrt so sein sollte, wie es etwa in England gehandhabt wird, daß alles, was nicht ausdrücklich verboten ist, erlaubt ist. Wir machen es damit dem Bürger und auch der Verwaltung leichter. Denn wenn die Verwaltung nur bei Mißbräuchen einzugreifen braucht, hat sie weniger Arbeit, weil die Mißbräuche Gott sei Dank auf den meisten Lebensgebieten die Ausnahme gegenüber dem rechten Gebrauch sind. Wenn die Verwaltung nur bei Mißbräuchen einzugreifen braucht, hat sie also weniger zu tun, als wenn sie von vornherein in jedem einzelnen Fall eine Genehmigung erteilen muß. Wir könnten hier also der weiteren Auswirkung des Parkinsonschen Gesetzes, wenn auch nur in bescheidenem Rahmen, entgegentreten. Zum Schluß darf ich noch darauf hinweisen, daß der Entwurf eines Landesgesetzes, nämlich des Hessischen Landeswegegesetzes, die Einwände, die ich gegen § 7 des Bundesfernstraßengesetzes vorgetragen habe, bereits berücksichtigt hat. Der Entwurf ist auf entsprechende Einwände hin, die vorgetragen worden sind, geändert worden. Wir täten gut daran, auch den § 7 des Bundesfernstraßengesetzes in dieser Weise zu ändern. Ich darf Ihnen deswegen unseren Antrag auf Umdruck 851 zur Annahme empfehlen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Herr Bundesverkehrsminister.

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Angelegenheit ist im Ausschuß nicht behandelt worden. Der Inhalt des Antrages kommt hier erstmalig zur Sprache. Die bisherige Bestimmung, die seit dem Jahre 1953 gilt, hat zu keinen Schwierigkeiten geführt. Sie lautet - und das muß man sich gegenüber diesem Antrag vor Augen halten -: Der Gebrauch der Bundesfernstraßen ist jedermann im Rahmen der Widmung und der verkehrsbehördlichen Vorschriften zum Verkehr gestattet ({0}). Hierbei hat der fließende Verkehr den Vorrang vor dem ruhenden Verkehr. Kein Gemeingebrauch liegt vor, wenn jemand die Straße nicht vorwiegend zum Verkehr, sondern zu anderen Zwecken benutzt. Es geht hier gar nicht um Gebühren, es geht in erster Linie um die Sicherheit auf den Straßen. Wenn dem Antrag, den der Herr Kollege Dr. Bucher soeben begründet hat, stattgegeben wird, kann jedermann beliebig Zu- und Abfahrten anlegen, Reklameschilder und Kästen für Automaten aufstellen, Werbemittel anderer Art anbringen, Kaffeehaustische aufstellen usw., ohne daß ihm das noch untersagt ist. Die ganze Angelegenheit liegt bisher bei den Gemeinden. Sie haben die Möglichkeit, darüber im einzelnen Bestimmungen zu treffen. Diese Ausgestaltung des Wegerechts hat sich bei uns in Deutschland in langen Jahren herausgebildet, wobei der Begriff des Gemeingebrauchs mit Bezug auf den Verkehr eben eine gewisse Abwandlung erfahren hat. Es wäre schlecht, wenn diese Bestimmung, um die uns manche andere Länder beneiden, weil sie sie für sehr gut und richtig für die Verkehrssicherheit halten, geändert und den Gemeinden die Zuständigkeit für die Entscheidung solcher Fragen genommen würde. Ich bitte deshalb, den Antrag abzulehnen und sich darüber im klaren zu sein, daß es sich hier um eine Frage handelt, bei der man Art. 14 des Grundgesetzes nicht in Anspruch nehmen kann. Der höhere Zweck ist die Sicherheit des Verkehrs. ({1})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Dr. Besold! ({0}) Ich halte es nicht für möglich, einen Antrag dieser Art an den Ausschuß zu überweisen, es sei denn, daß der sich darauf beziehende Teil der Vorlage auch an den Ausschuß zurückverwiesen wird. Wenn das nicht in Erwägung gezogen wird, müssen wir jetzt über den Antrag abstimmen. - Herr Dr. Besold! ({1}) - Hoffentlich habe ich Sie nicht dazu provoziert. Das war eine Art Rechtsbelehrung.

Dr. Anton Besold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000166, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nicht, daß die Verabschiedung des Gesetzes durch eine Ausschußverweisung dieses Antrages verzögert wird. Es besteht wohl auch kein Anlaß dazu. Der Inhalt dieses Antrges ist uns erst heute in der Frühe bekanntgeworden. Wir haben uns bemüht, einen Weg zu finden. Wenn man von einem Prinzip, das in einem Gesetz festgelegt ist, abweicht und wenn noch dazu verfassungsrechtliche Fragen zu erwägen sind, so kann man das nicht im Plenum tun, das müßte in einer Ausschußsitzung behandelt werden. Ich glaube aber, daß die Antragsteller, die diesen Antrag formuliert haben, in keiner Weise irgendwelche Nachteile haben werden. Mit § 8 Abs. 7 ist ja ein Ventil gegeben. Es ist nicht so, daß der Gemeingebrauch nur zum Verkehr gestattet ist. In § 8 Abs. 7 heißt es vielmehr: Örtliche Vorschriften, die die Sondernutzung für Anlieger an Ortsdurchfahrten abweichend regeln, bedürfen der Zustimmung der obersten Landesstraßenbaubehörde. Es kann also im Einzelfall jederzeit in den Ländern die oberste Landesstraßenbaubehörde Ausnahmen von diesem Gemeingebrauch zulassen, wie es in § 7 niedergelegt ist. Damit ist denjenigen, die uns heute verspätet am Tage vor der Verabschiedung dieses Gesetzes diesen Antrag eingebracht haben - ich meine jetzt nicht die FDP, sondern die Antragsteller -, wirklich ein Ventil für die Zukunft gegeben. Die Verabschiedung dieses Gesetzes darf keine Verzögerung erleiden. Ich bitte, diesen Antrag abzulehnen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Abgeordneter Faller!

Walter Faller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000516, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedaure sehr, daß dieser Antrag nicht dem Verkehrsausschuß vorgelegen hat, damit wir ihn dort hätten wenigstens ausführlich besprechen und über ihn hätten debattieren können. Wir müssen ehrlich erklären: es ist hier einfach nicht zu übersehen, welche Konsequenzen durch die Annahme dieses Antrags in gewerbepolitischer, aber auch in kommunalpolitischer Hinsicht entstünden. Wir wollen unter keinen Umständen, daß die Selbstverwaltung der Gemeinden durch die Annahme dieses Antrages irgendwie eingeschränkt wird. Wenn die Möglichkeit bestanden hätte, den Antrag allein an den Ausschuß zu überweisen, hätten wir einen derartigen Antrag gestellt. Da das aber nicht möglich ist, sehen wir uns gezwungen, ihn abzulehnen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Kollege Eisenmann!

Otto Eisenmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000459, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir ziehen diesen Antrag hiermit zurück. Wir werden einen Änderungsantrag zum Gesetzentwurf einbringen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Der Antrag ist zurückgezogen. Ich rufe auf die Nrn. 6 und 7. Soweit liegen keine Änderungsanträge vor. Wer zustimmen will, bitte ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Nr. 7 a. Wer zustimmen will, bitte ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Angenommen. Dann kommt Nr. 8. Hier liegt ein Änderungsantrag der Herren Abgeordneten Eisenmann und Ramms vor. Wollen Sie begründen? - Herr Abgeordneter Eisenmann!

Otto Eisenmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000459, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Bei § 9 sind wir der Auffassung, daß die Frist der Veränderungssperre von vier Jahren auf zwei Jahre verkürzt werden sollte. Wir sind der Meinung, daß wir gut beraten sind, wenn wir die Frist verkürzen. Wenn eine Stadt oder Planungsbehörde die Möglichkeit hat, einen Bürger vier Jahre festzulegen, wenn Veränderungen an seinem Grundstück vorgenommen werden sollen, so sind wir der Meinung, daß es eine zu harte Maßnahme und eine zu harte Beschränkung der Möglichkeit ist, auf seinem Grundstück Veränderungen vorzunehmen, die vielleicht wirtschaftlich absolut notwendig sind. Wir sind auch der Auffassung, daß die Baubehörden und auch die Selbstverwaltungsorgane vielleicht etwas überlegter vorgehen, bevor sie Baufluchten und Baupläne festlegen und daß sie vor Festlegung der Bau- und Straßenfluchten darüber nachdenken, in welchem Zeitraum sie diese Maßnahmen durchführen können. Insoweit, glaube ich, ist der Schutz des Bürgers an die rasche Durchführung der Maßnahmen gekoppelt und an ein mehr überlegtes Vorgehen der öffentlichen Hand. Wir wollen also durch die Verkürzung der Veränderungssperre von vier auf zwei Jahre erreichen, daß der Bürger mehr vor eventuellem Mißbrauch durch die öffentliche Hand geschützt wird. Wir bitten um Zustimmung.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Besold.

Dr. Anton Besold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000166, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich bitte, diesen Antrag abzulehnen. Eine Verkürzung der Frist von vier auf zwei Jahre erscheint mit Rücksicht auf die übereinstimmende Befristung im Bundesbaugesetz nicht angemessen. Das war auch, glaube ich, die Ansicht des gesamten Verkehrsausschusses.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Keine weiteren Wortmeldungen. Wer dem Änderungsantrag auf Umdruck 852 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Der Antrag ist abgelehnt. Wer den Ziffern 8, 9 und 10 in der Fassung des Ausschusses zustimmen will, gebe bitte ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Angenommen! Ich muß noch über die Ziffer 9 a abstimmen lassen. Wer zustimmen will, gebe bitte ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Angenommen! Ich rufe die Ziffer 11 auf. Hier liegt der Änderungsantrag der CDU/CSU auf Umdruck 846 vor. Wird er begründet? - Herr Abgeordneter Dr. Besold!

Dr. Anton Besold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000166, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte, diesem Änderungsantrag zuzustimmen. Wir haben uns schon im Ausschuß darüber unterhalten. In der ersten Lesung im Ausschuß war der Änderungsantrag schon angenommen, aber wir hatten dann in der zweiten Lesung im Ausschuß eine andere Auffassung. Es handelt sich um die Frage, wie bei der Änderung von Kreuzungen und Einmündungen die Lasten verteilt werden. Die jetzige Fassung der Ausschußvorlage sieht die Kostenteilung nach Fahrbahnbreiten vor. Der Änderungsantrag will die Kostenteilung nach dem Veranlassungsprinzip. Die Kostenteilung nach Fahrbahnbreiten hat zu unbilligen Härten geführt, weil sie die Interessenlage und die Veranlassung völlig außer acht läßt. Außerdem sind ständig Schwierigkeiten eingetreten, weil die Gemeinden für etwas aufkommen mußten, was sie überhaupt nicht veranlaßt hatten. Deshalb bitte ich, die im Umdruck 846 beantragte Fassung anzunehmen - es ist die vom Bundesrat vorgeschlagene Fassung -, weil sie die sauberere, gerechtere und in der Praxis bewährte Kostenteilung bringt.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Keine weiteren Wortmeldungen? - Wer diesem Änderungsantrag zustimmen will, gebe bitte ein Handzeichen. ({0}) - Jetzt bin ich wirklich in der Abstimmung. Es tut mir schrecklich leid, meine Herren. Auch der Präsident ist ein fehlsamer Mensch. Das sehen Sie ja. Ich bitte, das in Rechnung zu stellen. Alles kann er auch nicht sehen. Wer also zustimmen will, gebe bitte ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Jetzt habe ich nicht verstanden: Wollen Sie dagegen sein? ({1}) - Einer ist dagegen. Enthaltungen? - Dieser Änderungsantrag ist angenommen. Herr Abgeordneter Eisenmann, wenn Sie etwas dazu sagen wollen, können Sie eine Erklärung abgeben. Die Möglichkeit, Ihnen das Wort dazu zu geben, hat der Präsident. Das Wort zu einer Erklärung hat der Abgeordnete Eisenmann.

Otto Eisenmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000459, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist eine neckische Erklärung. Ich wollte, wenn unsere Wortmeldung noch rechtzeitig hätte angebracht werden können, gesagt haben: Herr Kollege Dr. Besold, wir freuen uns sehr, daß nach der irrigen Auffassung in der zweiten Lesung nun die erste Auffassung der ersten Lesung des Ausschusses wieder zur Auffassung im Plenum geworden ist. Insoweit sind wir sehr glücklich, daß Sie auf den richtigen Weg zurückgefunden haben.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Wer der Ziffer 11 in der geänderten Fassung zustimmen will, gebe bitte ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Angenommen! Wir kommen zu den Ziffern 12, - 13, - 14, -15, - und 16. - Keine Änderungsanträge! Wer zustimmen will, gebe bitte ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Angenommen! Art. 2, - Art. 2 a, - Art. 3, - Art. 4, - Art. 5, - Einleitung und Überschrift! Wer zustimmen will, gebe bitte ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Angenommen! Dritte Beratung! Allgemeine Aussprache! Wird das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Faller!

Walter Faller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000516, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir hätten eigenlich auf eine allgemeine Aussprache verzichten können; aber da der Kollege Drachsler vorhin die Begründung seines Antrags praktisch schon zur allgemeinen Aussprache gemacht hat, sehen wir uns genötigt, noch ein paar Worte zu dem Gesetz zu sagen. Meine Fraktion wird dem Gesetz zustimmen, weil es immerhin einige wesentliche Verbesserungen, vor allen Dingen für die Gemeinden bis zu 50 000 Einwohnern, bringt. Ich darf daran erinnern, daß meine Fraktion bei der Verabschiedung des Straßenbaufinanzierungsgesetzes bereits einen Antrag eingebracht hatte, die Einwohnerzahl heraufzusetzen, daß damals aber unser Antrag im Hinblick auf die Verabschiedung dieses Gesetzes zurückgestellt wurde. Wir freuen uns, daß nun eine noch höhere Zahl, als wir sie damals beantragt hatten, angenommen werden konnte, wenn auch zuerst gegen einige Widerstände. Nicht wahr, Herr Kollege Besold? Die Verbesserungen in diesem Gesetz, die Erhöhung der Einwohnerzahl von 9000 auf 50 000, bringen für den Bund selbstverständlich erhebliche zusätzliche Belastungen und für die Gemeinden wesentliche Entlastungen. Der zweite positive Punkt ist die Möglichkeit der Bezuschussung von Tangentialstraßen und Ringstraßen in Gemeinden mit mehr als 50 000 Einwohnern. Drittens. Die Finanzierung von Zubringerstraßen - allerdings sind Sie leider unserem Antrag nicht gefolgt; wir waren der Auffassung, daß in dieser Frage noch etwas mehr getan werden könne -bringt immerhin auch hier eine wesentliche Verbesserung gegenüber dem bisherigen Zustand. Erfreulich ist vor allen Dingen die Möglichkeit der Bezuschussung und Mitfinanzierung der Nebenkosten des Ersatzwohnungsbaues und der Grunderwerbskosten. Wir alle, die wir kommunalpolitisch tätig sind, wissen ja, daß der Ausbau einer Ortsdurchfahrt einer Gemeinde sehr oft dadurch fast unmöglich gemacht wurde, daß die Nebenkosten, die ihr durch den Ausbau der Ortsdurchfahrt entstanden, manchmal höher waren als die Kosten der Ortsdurchfahrt, der Straße, selbst. Unbefriedigend bei diesem Gesetz ist noch, daß zwar dem Bund wesentlich höhere Auflagen erteilt werden, daß ihm aber leider keine zusätzlichen Mit8872 tel für diese zusätzlichen Kosten zur Verfügung stehen, daß also aus dem bisherigen Aufkommen zusätzliche Arbeiten finanziert werden müssen, was für den Bund einigermaßen schwierig sein wird. Ich darf dabei schon auf unseren Gesetzentwurf hinweisen, der nachher noch zur Debatte steht und der auch den Zweck haben soll, diese Aufgaben zu finanzieren. ({0}) - Er wird ja nachher begründet. Ich nehme an, daß sogar Herr Staatssekretär Hettlage damit einverstanden ist, so daß er dann auch von Ihnen akzeptiert werden kann. ({1}) - Es freut mich, daß die CDU/CSU-Fraktion so selbständig geworden ist. Unbefriedigend ist auch, daß die Not der Städte über 50 000 Einwohner in diesem Gesetz nicht in dem Maße berücksichtigt werden konnte und nicht so berücksichtigt wurde, wie es notwendig gewesen wäre, um die berühmten Flaschenhälse des Verkehrs einigermaßen und rechtzeitig beseitigen zu können. Ich habe mich gewundert, daß der Bundesverkehrsminister vorhin von den ständigen Änderungen der Planungen in den Großstädten gesprochen und darauf hingewiesen hat, daß München seine Planung nun schon wieder einmal geändert habe. Herr Bundesverkehrsminister, wie ich gehört habe, soll es auch in Ihrem Ministerium hier und da vorkommen, daß Bauvorhaben, sogar noch während sie im Bau sind, geändert werden. Denn so riesige Probleme, wie diese Bauvorhaben sie darstellen, stoßen natürlich immer auf Widerspruch, berechtigten und unberechtigten Widerspruch, bei dem dann eben entschieden werden muß, ob er berechtigt oder ob er nicht berechtigt ist. Wir werden diesem Gesetz zustimmen. Ich möchte den Appell an die Länder richten, unserem Vorgehen hier im Bundestag nachzueifern und sobald als möglich für die Ortsdurchfahrten im Zuge von Landstraßen I. Ordnung ebenfalls zu höheren Einwohnerzahlen zu kommen, damit auch für diejenigen Gemeinden, die nicht das Glück haben, von einer Bundesstraße durchzogen zu werden, eine Verbesserung der finanziellen Situation erreicht werden kann. ({2})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat Herr Abgeordneter Eisenmann.

Otto Eisenmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000459, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Ich muß dasselbe sagen, was Herr Kollege Faller in seinem ersten Satz gesagt hat. Herr Kollege Hans Drachsler hat bei § 5 a einige grundsätzliche Bemerkungen zu diesem Gesetz gemacht. Ich darf für die FDP-Fraktion sagen: Wir sind froh, daß dieses Gesetz einmütige Zustimmung in diesem Hause findet. Ich wünschte, daß wir bei allen Fragen, die keine parteitaktischen Fragen sind, sondern bei denen es um gesamtpolitische Aufgaben geht, immer mehr zu derartigen Mehrheiten in diesem Hohen Hause und damit zu schnellen Verabschiedungen und zu konstruktiven Lösungen kommen, wie es im Sinne staatspolitischer Überlegungen und staatspolitischer Verantwortung notwendig ist. Ich bin mit Ihnen, Herr Kollege Faller, der Auffassung, daß dieses Gesetz einen weiteren Schritt nach vorn für unsere Kommunen und für unser gesamtes Straßennetz bedeutet. Wir wünschen, daß weitere konstruktive Schritte auf Bundesebene und auf Länderebene folgen und daß wir zu einer immer besseren und gerechteren Regelung hinsichtlich der Baulast auf der einen und der Mittelzuweisung auf der anderen Seite kommen. Wir freuen uns, daß das Gesetz verabschiedet wird. Wir hoffen, daß in Kürze - vielleicht wird man sich darüber nachher noch unterhalten müssen - auch Voraussetzungen dafür geschaffen werden können, daß auch in den Schwerpunktgebieten, in den großen Städten, in den Ballungszentren mit Hilfe des Bundes und der Länder Verkehrslösungen erreicht werden, die einen Schritt aus der Verkehrsverklemmung nach vorn bedeuten. Die FDP wird dem Gesetzentwurf ebenfalls zustimmen. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Abgeordneter Dr. Besold!

Dr. Anton Besold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000166, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir alle dürfen uns freuen, daß es uns gelungen ist, in dieser kurzen Arbeitszeit dieses Gesetz, das immerhin umfängliche Hilfe für die Gemeinden bringt, und zwar nicht nur für die kleinen Gemeinden, sondern auch für die mittleren und großen Städte Vorteile bietet, durchzuziehen. Herr Kollege Faller, meine Freunde in meiner Partei haben sich ebenfalls von Anfang an für die 50 000-Einwohner-Grenze eingesetzt. Ich bekenne, daß ich selber mich zunächst nur für die 30 000-Einwohner-Grenze eingesetzt habe, weil ich geglaubt habe, diese Sache sollte nacheinander verkraftet werden; ich war aber im Prinzip nicht gegen die 50 000-Einwohner-Grenze. Das zur Ehre meiner Fraktionskollegen. Ich glaube, hier haben Sie alle an einem Strang gezogen. Ich war Ihnen in Gedanken nicht fremd, sondern nur etwas vorsichtiger in bezug auf die Möglichkeit, die Belastung zu verkraften. Im übrigen ist noch sehr viel zu tun, insbesondere, um all .das zu bewältigen, was sich in den Großstädten tut. Ich halte aber ,die immer wieder erhobenen Beschuldigungen, der Bund sei daran schuld, daß diese Probleme nicht gelöst würden, für unberechtigt. Denn schließlich und endlich haben die Gemeinden das Prinzip der Selbstverwaltung. Sie sind sehr darauf bedacht, daß dieses Prinzip gewahrt wird. Das bedeutet aber, daß man auch Verantwortung und Beschwernisse auf sich zu nehmen hat, daß die Gemeinden mit der nötigen vorausschauenden Planung die Dinge auch ihrerseits vorwärtstreiben müssen. Ich glaube, !daß nach all dem, was wir bei den Auseinandersetzungen erlebt haben, die wir in den letzten Wochen in den Zeitungen lesen konnten, gerade der Enquete-Gesetzesantrag, den die CDU/ CSU heute mit eingereicht hat, geeignet ist, all diese Probleme aufzugreifen und zu eruieren, damit wir uns nicht in diesen großen und auf weite Sicht zu sehenden Fragen Fehlinvestitionen leisten. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Die allgemeine Aussprache ist geschlossen. Es liegt ein redaktioneller Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU vor, dem Sie wahrscheinlich zustimmen werden. In § 5 a soll in Abs. 2 statt „einem zweckgebundenen Mehraufkommen" gelesen werden: „dem zweckgebundenen Mehraufkommen". - Alles einverstanden? - Es ist so beschlossen. Meine Damen und Herren! Andere Anträge liegen mir nicht vor. Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz in 3. Lesung zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Meine Herren, ({0}) Sie stehen und unterhalten sich. Wollen Sie sich enthalten? Ich frage, um zu vermeiden, daß meine Feststellungen nachher angefochten werden. - Also: Dieses Gesetz ist einstimmig angenommen. Beeindruckt nicht nur von der Einstimmigkeit, sondern vor allem von der ausgezeichnet sachlichen Debatte, die hier heute geführt worden ist, benutzt der Präsident des Hauses die Gelegenheit, dem Herrn Bundesverkehrsminister und seinen Mitarbeitern und vor allem dem Ausschußvorsitzenden und dem Ausschuß seinen Dank für diese Leistung auszusprechen. Ich muß noch über die Ziffern 2 und 3 des Ausschußantrages - Seite 5 der Vorlage - abstimmen lassen. Wer dem Antrag des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. -Gegenprobe! - Enthaltungen? - Es ist so beschlossen. Wir kommen nun zur Ersten Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Straßenbaufinanzierungsgesetzes ({1}). Wird die Vorlage begründet? - Bitte sehr, Herr Abgeordneter Höhne.

Franz Höhne (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000920, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben soeben, wie ausdrücklich festgestellt worden ist, ein Gesetz mit Freude verabschiedet. Ich schließe mich diesem ungeteilten Ausdruck der Freude an, obwohl wir uns alle darüber klar sind, daß dieses Bundesfernstraßengesetz auch in seiner jetzigen Fassung nicht der Weisheit letzter Schluß sein kann. Aber wir müssen uns ebensosehr auch darüber klar sein, daß wir mit dem Bundesfernstraßengesetz eigentlich nur den technischen Rahmen gesteckt haben, der uns, gemessen an dem Anwachsen des Verkehrs und !den heutigen Verkehrsverhältnissen, die Möglichkeiten gibt, einige Verbesserungen durchzuführen. Durchgeführt werden sie aber nur entsprechend den Möglichkeiten des finanziellen Einsatzes. Da ist in der Debatte zum Bundesfernstraßengesetz schon gesagt worden, daß wir zwar jetzt einen Rahmen geschaffen haben, daß aber zu dem Rahmen, den wir gesteckt haben, die Finanzdecke fehlt. Es sind erhebliche Mehraufwendungen für dieses Bundesfernstraßengesetz zu erwarten. Wir haben schon am 28. März vorigen Jahres anläßlich der Debatte über das Straßenbaufinanzierungsgesetz starke Bedenken angemeldet, daß immer noch erhebliche Beträge aus dem zweckgebundenen Aufkommen aus der Mineralölsteuer und dem sonstigen Verkehrsaufkommen für andere Zwecke gebraucht werden. Noch im Jahre 1960 hatten wir nahezu 1 Milliarde DM zweckentfremdeter Mittel aus dem Verkehrsaufkommen. In ,dieser Milliarde ist auch der Sockelbetrag enthalten, den sich der Herr Finanzminister damals ausbedungen hat. Ich möchte daran erinnern, daß damals schon gesagt worden ist, man wolle sich bemühen, diesen Sockelbetrag Zug um Zug abzubauen. Nun möchte ich gern wissen, wann wohl ein geeigneterer Zeitpunkt, den Sockelbetrag abzubauen, gekommen ist, wenn nicht jetzt. Ich begrüße daher auch die Meinungsäußerung des Herrn Staatssekretärs Prof. Dr. Hettlage. Anläßlich des Straßentages führte er aus, daß er für den Abbau des Sockelbetrages sei, jedoch müsse der geeignete Zeitpunkt abgewartet werden. Angesichts der neuen Situation, die wir jetzt mit dem Bundesfernstraßengesetz haben, ist der geeignete Zeitpunkt gegeben - jetzt und nicht später, zu keiner anderen Zeit -, mit !dem Abbau zu beginnen. Wie lange wollen wir noch warten, die Straßenbaumaßnahmen, die unbedingt erforderlich sind, durchzuführen? Ziehen wir doch einmal in Erwägung, daß 1954 1,4 Millionen Personenkraftfahrzeuge und 4 Millionen Kraftfahrzeuge insgesamt zugelassen worden sind! Gegenüber 1954 ist heute bei den Personenkraftwagen ein Anwachsen von 1,4 Millionen auf 5 Millionen zu verzeichnen. Diesem Anwachsen können wir nicht einfach mit geschlossenen Augen gegenüber stehen. Hier muß etwas geschehen, und es ist höchste Zeit. Sachverständige sagen, daß bis zum Jahre 1962 mit einer weiteren Million Neuzulassungen von Personenkraftwagen und Lastkraftwagen zu rechnen sei. Bis dahin wird eine völlig ausweglose Situation auf dem Straßensektor eingetreten sein. Allein diese Zahlen sind ein Beweis dafür, daß es jetzt höchste Zeit ist, den Sockelbetrag zunächst einmal anzuknabbern. Das Bundesfernstraßengesetz bedürfte eigentlich einer völligen Neuregelung der Straßenfinanzierung überhaupt. Aber ich gebe zu, daß dieser Bundestag das Problem nicht mehr lösen kann. Wir müssen uns allerdings darüber im klaren sein, daß Hähne die Mittel, die heute auf Grund des Straßenbaufinanzierungsgesetzes zur Verfügung stehen, nicht genügen, um ,das Ziel des Bundesfernstraßengesetzes zu erreichen, die Zubringerwege zu den Bundesautobahnen und den Bundesstraßen zu finanzieren. Ein Weg, der dringenden Not abzuhelfen und mehr Mittel für den Straßenbau freizubekommen, ist zunächst einmal die sofortige Kürzung des Sockelbetrages. Wir haben - das habe ich im vorigen Jahr bereits von dieser Stelle aus gesagt - rund 4 1/2 Milliarden DM aus dem Verkehr aufkommende Mittel zweckentfremdet. Nun ist durch die Zweckbindung eine andere Situation geschaffen worden. Wir haben nunmehr einen Weg, den wir mit dem Ziele der Vierjahrespläne beschreiten, und die Mittel, mit denen wir die Ausführung der Pläne zum großen Teil finanzieren können. Ich sage: „zum großen Teil" ; denn nicht einmal der erste Vierjahresplan konnte finanziell voll erfüllt werden. Es mußten Abstriche gemacht werden. Man geht immer davon aus, daß die Straßenbauindustrie der Bundesrepublik nicht in der Lage sei, diese großen Mittel zu verkraften. Das ist nicht richtig. Richtig ist, daß ein Drittel unserer Straßenbaukapazität überhaupt nicht ausgeschöpft worden ist. ({0}) Von der Straßenbauindustrie her bestehen gar keine Bedenken, mehr Mittel einzusetzen. Wir haben sowieso vieles vernachlässigt. Ich I brauche heute keinen Katalog über Straßenunfallziffern und Folgen des heutigen Straßenverkehrs aufzustellen. Das hieße offene Türen einrennen. Jedermann weiß, welche schrecklichen Verkehrsverhältnisse bei uns herrschen. Gemessen an dem Anwachsen des allgemeinen Aufkommens - 1954 hatten wir einen Bundeshaushalt von 23 Milliarden, heute haben wir einen Bundeshaushalt von 48 Milliarden - ist ,der Straßenbau doch wirklich vernachlässigt worden. Es spricht nichts gegen den von uns vorgelegten Antrag Drucksache 2657. Nach Artikel 1 dieses Antrages sollen in Artikel 1 Abs. 2 Nr. 1 des Straßenbaufinanzierungsgesetzes vom 28. März 1960 die Worte „sechshundert Millionen Deutsche Mark" durch die Worte „vierhundert Millionen Deutsche Mark" ersetzt werden. Wir wollen also den Sockelbetrag von 600 Millionen DM auf 400 Millionen DM herabgesetzt haben. Die 200 Millionen DM sollen für die vermehrten Ansprüche zur Verfügung stehen, die durch das Fernstraßengesetz erwachsen. Ich appelliere an Sie, heute unserem Anliegen stattzugeben. Es ist an der Zeit, daß wir für den Straßenbau das tun, was dieser Bundestag noch zu tun in der Lage ist. Ich habe ausdrücklich darauf hingewiesen, daß wir nicht mehr in der Lage sind, ein neues Straßenbaufinanzierungsgesetz zu schaffen oder neue Möglichkeiten der Straßenbaufinanzierung zu erörtern. Dazu hat dieser dritte Bundestag nicht mehr die Möglichkeit. Bei einigem guten Willen - wir müssen uns des Ernstes der Sachlage bewußt sein - besteht aber die Möglichkeit, den aus dem Gesamtfinanzierungsplan herausgehobenen Sockelbetrag von 600 Millionen DM von Fall zu Fall abzubauen. Unser Antrag geht dahin, mit dem Abbau des Sockelbetrages von 600 Millionen DM zu beginnen. Ich bitte Sie, den Antrag der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion Drucksache 2657 an den Ausschuß für Finanzen und Steuern und den Ausschuß für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen zu überweisen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Zur Begründung der Drucksache 2628 hat der Abgeordnete Müller-Hermann das Wort.

Dr. Ernst Müller-Hermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001569, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Beratungen der letzten Stunde haben deutlich gezeigt, daß quer durch alle Reihen dieses Hauses hindurch Übereinstimmung darüber besteht, ,daß wir den Fragen des Verkehrs und insbesondere ,den Fragen des Straßenbaues eine sehr große Aufmerksamkeit widmen müssen. So verstehe ich auch, daß die Kollegen der sozialdemokratischen Fraktion - durchaus in Übereinstimmung mit uns - der Auffassung sind, daß die Novelle zum Bundesfernstraßengesetz, die wir jetzt verabschiedet haben, nur einen weiteren Baustein zu dem Werk darstellt, mit dem wir den Verkehrsbedürfnissen im allgemeinen Rechnung tragen und die vom Bund zu erwartenden Maßnahmen ergreifen wollen. Auf ,die Frage, ob der von Ihnen vorgeschlagene Weg des Abbaues des Sockelbetrages zum gegenwärtigen Zeitpunkt richtig ist, will ich Ihnen eine sehr klare Antwort geben. Ich darf mit dieser Antwort die Begründung des von meiner Fraktion eingebrachten Gesetzentwurfs verbinden. Aus den Worten des sehr verehrten Kollegen Höhne war herauszuhören, daß er und seine Freunde nicht erwarten, daß dieser Gesetzentwurf noch in dieser Legislaturperiode verwirklicht werden kann. Wir haben vor etwa einem Jahr in diesem Hause einstimmig die Straßenbaufinanzierung verabschiedet und waren damals der Auffassung, daß wir mit dem Straßenbaufinanzierungsgesetz die finanziellen Grundlagen für das ierste Vierjahresprogramm des Bundes geschaffen haben. Wir waren uns seinerzeit durchaus darüber einig, daß, wenn das zweite Vierjahresprogramm, das im Jahre 1963 anläuft, zur Diskussion steht, wir uns in diesem Hohen Hause darüber Gedanken machen müssen, wie wir es finanzieren können. Wir alle werden uns dabei mit der Frage zu beschäftigen haben, ob und inwieweit auch ein Abbau des Sockelbetrages möglich und zweckmäßig ist. Zu dem jetzigen Zeitpunkt besteht aber wohl kein Anlaß, diese Frage zu entscheiden. Zur Geschäftsordnung würde ich bitten, Herr Präsident, den Antrag der SPD-Fraktion, wie es sich der Sache nach als zweckmäßig erweist, dem Finanzausschuß als federführendem Ausschuß und zur Mitberatung an den Verkehrsausschuß ({0}) sowie an den Haushaltsausschuß zu überweisen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, noch eines zu den Bemerkungen des Kollegen Höhne. Er hat behauptet, die Bauindustrie sei nicht in vollem Umfang ausgelastet. Ich will es mir versagen, an dieser Stelle - ich glaube, zum x-tenmal - darauf hinzuweisen, daß der Bund bezüglich der notwendigen Maßnahmen auf dem Gebiet des Straßenbaues mit gutem Gewissen dasteht. Viele Autofahrer schimpfen heute schon, daß sie nirgends mehr fahren können, weil überall gebaut wird. Also, man hat es schwer, es allen Leuten recht zu machen. Die Engpässe bestehen heute weniger in der Finanzierung der nötigen Straßenbaumaßnahmen als durch die Schwierigkeiten beim Grunderwerb und vor allem in den Planungsarbeiten. Wir sind uns aber auch darüber einig, daß ein leistungsfähiges Straßennetz nicht nur die Bundesautobahnen und die Bundesfernstraßen umfassen darf, sondern daß wir unser Augenmerk auch auf die kommunalen Probleme richten müssen. Ich darf darauf hinweisen, daß das Grundgesetz sehr klare Zuständigkeiten zugewiesen hat. Es hat gewissermaßen Schwerpunkte der Verantwortlichkeit für die verschiedenen Straßennetze festgelegt. Bei den ständig zunehmenden Appellen an den Bund, sehr viel mehr noch als bisher für die Kommunalstraßen und für die Lösung der städtischen Verkehrsprobleme zu tun, wird meines Erachtens leider etwas zu sehr vernachlässigt, auch an die Gutwilligkeit der Länder zu appellieren, vermehrte Zuschüsse zu geben, da diese nach dem Grundgesetz in erster Linie zuständig sind. Wir wollen aber gerade durch diese Gesetzesinitiative - eine Enquete in den Gemeinden durchzuführen - durchaus die Mitverantwortlichkeit des Bundes auch für die Situation in den Städten zum Ausdruck bringen. Dieser Enquete-Gesetzentwurf sieht vor, daß die Bundesregierung eine Sachverständigenkommission einsetzt, die die innerstädtischen Verkehrsprobleme untersucht und damit dem kommenden Bundestag den Länderparlamenten, der Bundesregierung und den Länderregierungen ein aufbereitetes Material zur Verfügung stellt, das zweckdienliche, finanziell vertretbare und rationelle Maßnahmen ermöglicht. Wir wissen alle, daß gerade die Bereinigung der Verkehrssituation in den Städten ein außerordentlich komplexes Problem ist. Wir haben deshalb unsere Enquetebegehren nicht darauf beschränkt, daß nur die Fragen des Straßenbaues untersucht werden, sondern auch eine Untersuchung darüber verlangt, inwieweit die Massenverkehrsmittel, insbesondere die Nahverkehrsmittel der öffentlichen Verkehrsbetriebe in die Lage versetzt werden können - in die Lage versetzt werden müssen -, den ständig wachsenden Anforderungen zu entsprechen. Ich glaube, wir sind uns alle darüber im klaren, daß viele Personen durch attraktiv ausgerüstete und preiswert fahrende Nahverkehrsmittel angereizt werden, auf den individuellen Straßenverkehr zu verzichten und damit zu einer Entlastung der Stadtstraßen beizutragen. Wir haben auch zur Diskussion gestellt, für die Untersuchung im Rahmen dieser Enquete zu überlegen, welche Entscheidungen, welche Maßnahmen getroffen werden müssen, um den ruhenden Verkehr in den Gemeinden und Städten zu bewältigen. Ich glaube, das Problem wird nicht ({1}) dadurch erledigt, daß die Autofahrer in den Städten durch polizeiliche Maßnahmen und Parkverbote zur Verzweiflung getrieben werden, wenn sie keine Parklücke finden, oder daß wir den Polizeidienststellen zu zweifelhaften Einnahmequellen über Strafmandate verhelfen. Wir müssen uns vielmehr hier wirklich überlegen, wie, eventuell auch auf dem Wege der Gesetzgebung, ein Anreiz geschaffen werden kann und wieweit Vorschriften erlassen werden können, um genügenden Raum für das Parken in den Städten zu schaffen. Wir haben dabei angeregt, daß dieses Problem auch im Zusammenhang mit den Fragen des zivilen Bevölkerungsschutzes untersucht wird. Der dritte Themenkreis, den wir in der Untersuchung angesprochen wissen wollen, betrifft das Problem der sogenannten zweiten Ebene. Die fliegende Pressekonferenz des Deutschen Städtetages hat etwas den Eindruck zu erwecken versucht, als ob nun außerordentlich dringlich für die Erschließung der zweiten Ebene schon jetzt Beträge auch durch den Bund zur Verfügung gestellt werden müßten. Wir alle, die wir mit der Materie etwas länger vertraut sind, wissen, daß in den allermeisten Städten, den Großstädten, die Planungsarbeiten kaum vor Ablauf von zwei weiteren Jahren so weit abgeschlossen sein können und sein werden, daß an die praktische Realisierung dieser Bauvorhaben herangegangen werden kann. Ich glaube, daß wir diesen Zeitraum von zwei Jahren auch hier auf Bundesebene zur Verfügung haben müssen, um durch diese Enqueteuntersuchung die Voraussetzungen für zweckdienliche Entscheidungen dieses Hohen Hauses zu schaffen. Ich möchte mich bei meinen weiteren Ausführungen auf zwei kurze Einwendungen beschränken. Zum Teil sind in der Öffentlichkeit Bedenken bezüglich dieser Enquete dahin geäußert worden, daß ebenso wie bei der Arbeit der Prüfungskommission für die Deutsche Bundesbahn, mit der wir an und für sich sehr gute Erfahrungen gemacht haben, doch ein längerer Zeitraum ins Land gehen wird, bevor Ergebnisse dieser Kommission vorliegen dürften. Ich meine, daß wir dieser Kommission durchaus eine terminliche Auflage machen könnten, etwa dahingehend, daß nacheinem Zeitraum von einem Dreivierteljahr oder einem Jahr zunächst ein Zwischenbericht angefertigt wird, der uns in die Lage versetzt, das vorbereitete Material für vorläufige Entscheidungen zu verwenden, und daß ein ausführlicherer Bericht dann auf einen späteren Zeitraum zurückgestellt wird. Die zweite Frage, auf die ich kurz noch zum Abschluß eingehen will, ist die Frage der Zusammensetzung dieser Enquetekommission. Meine Damen und Herren, mir ist bekannt, daß die unterschiedlichsten Interessen in dieser Enquetekommission berücksichtigt sein sollen. Die Bundesregierung wird sicherlich vor einer nicht ganz einfachen Aufgabe stehen, ein arbeitsfähiges, qualitativ hochstehendes Gremium zu schaffen, das auf der anderen Seite auch so klein gehalten sein muß, daß wirklich eine Arbeitsfähigkeit ermöglicht wird. Die Erledigung dieser Aufgaben wollen wir aber getrost der Bundesregierung überlassen. Ich würde bloß empfehlen, neben der Erörterung der verschiedensten Interessengesichtspunkte, die zweifellos in dieser Kommission berücksichtigt werden sollten, zu erwägen, auch die eine oder andere Persönlichkeit heranzuziehen, die nichts anderes mitbringt als gesunden Menschenverstand. Ich glaube, daß ,das gerade für die Bewältigung dieses Problems sehr wichtig sein könnte. Ich bitte das Hohe Haus, den Gesetzentwurf auf der Drucksache 2628 an den Verkehrsausschuß als federführenden Ausschuß und den Kommunalpolitischen Ausschuß als mitberatenden Ausschuß zu überweisen.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Dresbach. ({0}) - Danke schön. Das Wort hat der Abgeordnete Eisenmann.

Otto Eisenmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000459, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und meine Herren! Zuerst zur Drucksache 2657, ,dem Antrag der Fraktion der SPD. Ich darf auch hier nur das wiederholen, was ich vor kurzem bei der dritten Lesung des Verkehrshaushalts gesagt habe: die FDP-Fraktion ist der Meinung, daß man den Sockelbetrag von 600 Millionen DM Zug um Zug, nach Möglichkeit innerhalb dreier Jahresetappen, zweckgebunden für den Straßenausbau verwenden sollte. Meine verehrten Herren Kollegen und meine verehrten Kolleginnen aus der Mitte des Hauses, es war ja damals bei der Verhandlung und Behandlung und Verabschiedung des Straßenbaufinanzierungsgesetzes eine sehr große Groteske, daß die SPD und FDP bei der Durchsetzung des § 1 regierungsfreundlicher waren als die CDU. Wir haben ja damals durch namentliche Abstimmung gemeinsam erreicht - man hört es manchmal nicht mehr gerne -, daß die Zweckbindung der Kraftverkehrsabgaben überhaupt erst einmal ausgesprochen worden ist. Ich weiß, Herr Kollege Dresbach, wir haben eine sehr lebhafte Debatte über die Frage, ob Zweckbindung oder nicht, gehabt. ({0}) - Ich weiß, Herr Kollege! Ich will heute nur eines dazu sagen. Die Fraktion der Freien Demokraten ist der Auffassung, daß die Verkehrsabgaben zweckgebunden werden sollten. Wir werden Ihrem Antrag, Herr Kollege Dr. Bleiß, zustimmen. Wir werden allerdings auch bereit sein, bei der Beratung des Antrags im Ausschuß einen Ergänzungsantrag zu stellen, der über Ihren etwas hinausgeht, dahingehend, daß man zu je drei gleichen Teilen in den nächsten drei Jahren die 600 Millionen DM abbauen und zweckgebunden für den Straßenbau verwenden sollte. Wir decken uns in der Diktion. Wir werden uns erlauben, diesen Antrag im Ausschuß oder auch in der zweiten Lesung zu stellen. ({1}) Herr Kollege Müller-Hermann, nun zu Ihrer Begründung des Antrags Drucksache 2628! Wenn es die Zeit erlaubte, würde man dazu sehr vieles sagen können. Ich möchte folgende Bemerkung an den Anfang stellen. Die Enquete enthält viele Dinge, die eigentlich eine Selbstverständlichkeit sind; jedenfalls uns sind sie ohne Zweifel Selbstverständlichkeiten. Es gibt keinen Kollegen in diesem Hause, sofern er sich mit verkehrspolitischen Fragen - mit der Lösung, Planung, Durchführung und Finanzierung - beschäftigt hat, dem das, was darin gefordert wird, nicht geläufig ist. Das sind Selbstverständlichkeiten. Ich hätte bald gesagt - wenn es eine politische Versammlung wäre und nicht das Hohe Haus -: es ist ein schöngeistiger, platonischer Antrag, er kostet nicht viel, er kostet eigentlich gar nichts, und ob überhaupt ein Auftrag daraus wird, der verwirklicht wird, wird sich in aller Kürze erweisen müssen. Ein zweites, Herr Kollege Müller-Hermann! Ich wünschte jedenfalls für die FDP-Fraktion, daß die Ergebnisse - wenn man schon eine solche Sachverständigenkommission einsetzen will - nicht zu spät kommen und daß sie dem Hohen Hause rechtzeitig zugeleitet werden, daß sie vor allem - das vermisse ich in Ihrem § 4 - so rechtzeitig zugeleitet werden, daß der Bericht der Sachverständigenkommission vor Verabschiedung des zweiten Vierjahresplanes zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden mit ausgewertet und erörtert werden kann. Ich glaube also, dazu wird eine Ergänzung des § 4 nötig sein. Das dritte! Ich möchte nicht, daß das Ergebnis der Sachverständigenkommission dasselbe ist, wie es leider das der Brand-Kommission war; es war eine hervorragende Kommisison, sie hat wesentliche Unterlagen geschaffen. Inwieweit diese Unterlagen beim Bundesbahngesetz ihren Niederschlag gefunden haben, das zu beurteilen überlasse ich Ihnen, meine Herren Kollegen, die Sie ebenfalls Mitglieder des Verkehrsausschusses und der anderen Ausschüsse sind. So sollte man jedenfalls bei der Behandlung dieser Frage nicht vorgehen. Aber eine Bemerkung, Herr Kollege Müller-Hermann, der Sie vorhin gesprochen haben! Ich weiß, Sie sind in einer schwierigen Situation. Wir sind mit unseren Überlegungen in der verkehrspolitischen Planung überhaupt nicht so weit auseinander. Sie haben gesagt, der Bund habe Entscheidendes zur Behebung der Straßenverkehrsnot getan. Ich möchte Ihnen eines sagen: der Bund hat sich bei der Lösung der Straßenverkehrsprobleme weiß Gott nicht mit Ruhm bekleckert. Bisher war das Sperrvorhaben des Bundesfinanzministers stärker als die Dynamik des Bundesverkehrsministers, der ein so großes Sachverständnis hat. Wir wünschten, daß die Dinge sich künftig etwas anders gestalten. Dann wird diese Frage wesentlich besser gelöst werden können. Wenn dann das wahr wird, was Herr Staatssekretär Dr. Hettlage am Freitag auf dem Deutschen Straßentag gesagt hat, daß der Juliusturm, der in der Vergangenheit für falsche Zwecke verwandt worden ist, künftig nicht mehr bestehen wird, sondern daß die Mittel mehr für den Straßenbau ausgegeben werden, dann bekommt der Straßenbau freie Fahrt, dann wird das Licht auf Grün gedreht. Wir werden diese Bemühungen unbedingt unterstützen. Forschungsaufträge! Dazu stelle ich die Frage an die Regierung, ob man nicht ohne Enquete Forschungsaufträge erteilen kann, ob es nicht laufend notwendig ist, Forschungsaufträge auf verschiedenen Sektoren zu erteilen. Ob es dazu einer Enquete und eines Gesetzes bedarf, ist eine Frage, auf die ich nicht weiter eingehen möchte. Grundsätzlich stimmen wir natürlich nicht gegen Ihren Antrag, Herr Kollege Müller-Hermann, nicht, weil er nichts kostet; es wäre uns lieber, es würden klare, harte Zahlen darin enthalten sein, die man nach Möglichkeit noch heute zur Lösung der Verkehrsprobleme einsetzen könnte. Im Grunde sind wir nicht dagegen. Wir wünschen nur, daß sowohl der Antrag Drucksache 2657 und Ihr Antrag Drucksache 2628 noch behandelt wird und noch etwas herauskommt, was möglichst bald verwirklicht werden kann. ({2})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Bleiß.

Dr. Paul Bleiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000196, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte zu den zur Debatte stehenden Punkten 7 b und 7 c unserer Tagesordnung noch einmal kurz Stellung nehmen. Mein Freund Höhne hat unseren Gesetzesentwurf zur Änderung des Straßenbaufinanzierungsgesetzes schon ausführlich begründet. Herr Kollege MüllerHermann, Sie hatten gemeint, der erste Vierjahresplan sei verabschiedet, und wir hätten im vergangenen Jahr für ihn auch die finanzielle Grundlage geschaffen. Nun, das ist richtig. Aber in der Zwischenzeit ist der laufende Vierjahresplan wesentlich aufgestockt worden, und zwar durch das Gesetz, das vor einer halben oder dreiviertel Stunde vom Plenum des Hohen Hauses einstimmig beschlossen worden ist. Jetzt kommt nämlich hinzu, daß die gewachsene Baulast bei den Ortsdurchfahrten in Gemeinden von 9- bis 50 000 Einwohnern der Bund zu tragen hat, daß sich der Bund an den Neben- und Folgekosten beteiligen muß, daß der erweiterte Ausbau der Zubringerstraßen auch einen erheblichen finanziellen Mehrbedarf verursacht und daß darüber hinaus auch Bundeszuschüsse zum Ausbau des äußeren und mittleren Ringes in Großstädten gegeben werden können. Herr Kollege Müller-Hermann, das ist ein zusätzlicher Bedarf. Um diesen zusätzlichen Bedarf muß der Vierjahresplan auch in seiner Finanzierung eben aufgestockt werden. Die Finanzdecke von rd. 8 Milliarden DM, die wir im vergangenen Jahr in der Gesamtheit beschlossen haben, waren nur auf den Plan in dem Umfang, wie er uns damals vorlag, abgestellt. Unterdes haben wir ein Zwischenstadium erreicht, und es kommt darauf an, dieses Zwischenstadium zu finanzieren. Ich kann feststellen, daß wir uns durchaus in Übereinstimmung mit Herrn Staatssekretär Professor Hettlage befinden, wenn wir der Meinung sind, daß in der Vergangenheit zuwenig für den Straßenbau getan wurde. Das Argument des Nichtkönnens wegen der Vordringlichkeit anderer Aufgaben ist jetzt offiziell durch den Herrn Staatssekretär Hettlage widerlegt worden. Herr Kollege Müller-Hermann, von diesem Argument dürfen Sie nun in der Zukunft keinen Gebrauch mehr machen. Ein Zweites möchte ich herausstellen, auch darin befinden wir uns in absoluter Übereinstimmung mit Herrn Professor Hettlage. Es ist in einer sehr maßgebenden Zeitung wiedergegeben. Ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren: In der Frage der Zweckbindung des Mineralölaufkommens sei der Bundesfinanzminister über seinen Schatten gesprungen, sagte der Staatssekretär. Auch die verbleibende Zweckentfremdung, die nach Angaben von Hettlage etwa 250 Millionen beträgt, könne bei günstiger Gelegenheit noch beseitigt werden. Wir sind der Meinung, daß die günstige Gelegenheit gegeben ist. Einmal haben sich die Steuereinnahmen sehr günstig und in einem positiven Trend entwickelt. Zum anderen ist der Bund verpflichtet, haushaltsmäßig mehr zu tun, wenn er das heute verabschiedete Gesetz wirklich ausfüllen will, wenn das neue Bundesfernstraßengesetz nicht nur reine Theorie bleiben, sondern auch in der Praxis durchgesetzt werden soll. Meine Damen und Herren, wir werden in den Ausschüssen über die Zweckbindung gern noch einmal mit Ihnen sprechen. Das ist für uns ein sehr wichtiges Anliegen. Lassen Sie mich nun zu der zweiten Frage kommen, zu dem Enquete-Gesetzentwurf, der uns in der Drucksache 2628 vorliegt. Es ist unbestritten, daß Enqueten sehr nützlich sein können. Bei dem hohen Leistungsstand der statistischen Erfassung und der schnellen Auswertung des anfallenden Zahlenmaterials sollte es auch möglich sein, in verhältnismäßig kurzer Zeit brauchbare Ergebnisse zu erzielen, die als Unterlagen für politische und wirtschaftliche Entscheidungen des Parlaments und der Wirtschaft dienen können. Die Durchführung einer solchen Enquete verlangt aber, daß man sich vor Beginn der Arbeit über den Umfang und über die Zielsetzung der Untersuchungen genau im klaren ist und daß man Ermessungstatbestände und Schätzungen auf ein einigermaßen vertretbares Ausmaß beschränkt. Bei dem Entwurf, Herr Kollege Müller-Hermann, der federführend von Ihnen eingereicht worden ist und der heute zur ersten Lesung ansteht, sind diese Voraussetzungen nach meiner Auffassung vorerst noch nicht erfüllt. Soweit ich Ihre Vorlage verstehe, ist gewollt, einen Fünfzehnjahresplan aufzustellen, der folgende Probleme berücksichtigt: 1. Wie kann ein leistungsfähiges Netz der Straßen von Bund, Ländern, Gemeinden und Gemeindeverbänden geschaffen werden? 2. Wie können die innergemeindlichen Verkehrsverhältnisse unter dem Gesichtspunkt einer gesunden Raumordnung, eines neuzeitlichen Städtebaues und einer Entlastung der Ballungsgebiete verbessert werden? 3. Wie können der Massenverkehr mit öffentlichen Verkehrsmitteln und der Individualverkehr aufeinander abgestimmt werden? 4. Wie können die Schwierigkeiten bei der Unterbringung des ruhenden Verkehrs behoben werden? Ein solches Programm, wie Sie es hier aufgestellt haben, durchzuführen, Herr Kollege Müller-Hermann, bedeutet bei 24 000 Gemeinden und 511 Landkreisen eine so immense Arbeit, daß selbst eine Mammutkommission das zusammenfassende Ergebnis, nämlich die Schaffung eines leistungsfähigen Straßennetzes in seiner Gesamtheit, erst nach einer Anzahl von Jahren vorlegen könnte. Denn es ist nicht damit getan, die Planschätzungen der 24 000 Gemeinden einfach zu addieren. Die Hauptschwierigkeiten einer solchen zentralen Erfassung liegen nach meiner Meinung darin, daß die Detailplanungen nach einer Dringlichkeitsskala geordnet und dabei auch die unterschiedlichen strukturellen Verhältnisse in den Ländern berücksichtigt werden müssen. Mir ist nicht klar, nach welchem Schema oder Generalnenner eine solche nach Dringlichkeiten geordnete Einstufung bei den 24 000 Gemeinden erfolgen soll, die nicht nur in ihrer Einwohnerzahl, sondern auch in ihrem Stadtbild und ihrer geographischen Lage völlig von einander verschieden sind. Aber vielleicht können wir die Schwierigkeiten einmal an Hand eines Beispiels etwas genauer betrachten. Das beste Beispiel liefert wohl der Bund selbst. Für den Ausbau der Bundesfernstraßen liegt uns zur Zeit ein erster Vierjahresplan vor. Er läuft Ende 1962 ab. Der zweite Vierjahresplan ist dem Vernehmen nach in Vorbereitung. Es wäre sehr interessant, zu hören - Herr Bundesverkehrsminister, eine Frage an Sie -, bis wann der Bund einen sich bis 1975 erstreckenden Plan unter dem Gesichtspunkt einer gesünderen Raumordnung, unter dem Gesichtspunkt eines neuzeitlichen Städtebaues und unter Berücksichtigung der Verkehrsentwicklung vorlegen könnte. Ich glaube, allein das wäre eine Enquete wert. Aber Sie wollen wesentlich mehr, Sie wollen auch die Verhältnisse in den Ländern, den Kreisen, den Gemeinden erfassen, um zu einem umfassenden städtebaulichen und gesamten Straßenbauplan zu kommen. Herr Kollege Müller-Hermann, ein weiteres Faktum. Bei einer Enquete müssen Fragebogen ausgefüllt werden, müssen viele Fragebogen ausgefüllt werden. Sie sollen auch tunlich genaue Angaben unter dem Gesichtspunkt einer gesunden Raumordnung, eines neuzeitlichen Städtebaus enthalten. Diese Begriffe müssen doch entsprechend klar definiert sein, wenn die Gemeinden den voraussichtlichen Kostenaufwand feststellen, die vielen Auflagen, die Sie stellen, auch wirklich erfüllen sollen. Ohne eine genaue Definition dieser Begriffe, wird es den Gemeinden einfach unmöglich sein, die Auflagen gewissenhaft zu erfüllen. Man wird über den Daumen peilen. Man wird einfach schätzen, und das kann nicht der Sinn einer Enquete sein. Mir ist auch nicht klar, warum 'die Abstimmung des Massenverkehrs mit öffentlichen Verkehrsmitteln auf den Individualverkehr in die Enquete einbezogen werden soll. Das ist nach meiner Auffassung in einer jeden Stadt völlig unterschiedlich. Hierfür gibt es einfach keinen Generalnenner. Ich darf Sie fragen: was soll eigentlich in dieser Hinsicht durch die Enquete erreicht werden? Daß die Nahverkehrsmittel bequem sein müssen, daß sie neuzeitlich und billig sein müssen, daß sie in einer schnellen Folge verkehren müssen, um den Individualverkehr einzudämmen; nun, Herr Kollege Müller-Hermann, das sind alles Erkenntnisse, die heute schon ganz allgemein sind und die man nicht erst durch eine Enquete festzulegen braucht. Es ist heute auch eine ganz allgemeine Erkenntnis, daß die Sünden der Vergangenheit, durch die sträfliche Vernachlässigung des Arbeiterberufsverkehrs, die die Abwanderung zum Individualverkehr beschleunigt haben, kaum noch gutzumachen sind. Das ist ebenfalls eine klare Erkenntnis. Eine Tonne Frachtgut, die einmal von der Schiene abgewandert ist, ist kaum zurückzuholen. Wenn sich jemand vom Schienenverkehr, vom Massenverkehr wegen einer Vielzahl von Schwierigkeiten abgewandt hat, dann wird es sehr schwierig sein, ihn wieder zu den Massenverkehrsmitteln zurückzubewegen. ({0}) Insoweit liegen heute schon klare Erkenntnisse vor. ({1}) Herr Kollege Müller-Hermann, Sie verlangen in § 1 Abs. 2 unter Ziffer 2 eine Untersuchung der Frage: Wie können der Massenverkehr mit öffentlichen Verkehrsmitteln und der Individualverkehr so aufeinander abgestimmt werden, daß ein flüssiger und wirtschaftlicher Straßenverkehr sichergestellt ist? Was Sie sich darunter vorstellen, werden Sie im Ausschuß noch näher erklären müssen. Das gleiche, Herr Kollege Müller-Hermann, gilt für den Bau von Tiefgaragen und von der Koppelung mit Aufgaben des zivilen Luftschutzes. Auch hier möchte ich Ihnen sagen: das ist in jeder Stadt, in jeder Gemeinde verschieden. Dafür gibt es überhaupt keinen Generalnenner. Schließlich fragen Sie in § 1 Abs. 2 unter Ziffer 4: In welchem Umfang können die innerstädtischen Verkehrswege durch die Erschließung weiterer Verkehrsebenen entlastet werden? Inwieweit kann auch hier der Bau von unterirdischen Anlagen mit Aufgaben des zivilen Bevölkerungsschutzes verbunden werden? Herr Kollege Müller-Hermann, ich darf Sie heute schon darauf hinweisen, daß der Verband öffentlicher Verkehrsunternehmen bereits Untersuchungen durchgeführt hat und daß, auf diesen Unterlagen basierend, die Fraktion der SPD einen Zehnjahresplan für den Ausbau des zweiten Weges entwickelt hat. Ich empfehle diesen Antrag Ihrer Lektüre, muß aber leider sagen, daß dieser Plan von Ihnen, also von der CDU-Fraktion, noch nicht einmal andeutungsweise honoriert worden ist.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Eine Zwischenfrage!

Dr. Ernst Müller-Hermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001569, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr verehrter Herr Dr. Bleiß, wissen Sie bei Ihren guten Verbindungen zu dem Verband öffentlicher Verkehrsbetriebe nicht, daß die Fragen bezüglich der öffentlichen Nahverkehrsmittel und der Verbindung mit dem zivilen Bevölkerungsschutz, die wir untersucht wissen wollen, gerade auf Wunsch dieses Verbandes in den Gesetzentwurf über eine Enquete eingefügt worden sind?

Dr. Paul Bleiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000196, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wunderbar! Aber inzwischen hat der Verband schon eine Vorarbeit geleistet. Die Zahlen stehen uns zur Verfügung. Wir sind gern bereit, sie auch Ihnen zur Verfügung zu stellen. Das würde zweifellos Ihre Enquete wesentlich erleichtern. ({0}) - Die funktionieren ausgezeichnet. Also Sie können die Unterlagen gern haben, wenn Sie Wert darauf legen, sie einzusehen. Wir sind gar nicht so. Meine Damen und Herren, ich habe nur ein paar Beispiele erwähnt, um zu zeigen, daß der Antrag der CDU/CSU-Fraktion eine ganze Reihe von Tatbeständen anführt, die mit einer Enquete - jedenfalls im bisher üblichen Sinne - nur sehr wenig zu tun haben. Der vorgesehene 15-Jahresplan erscheint bei den 24 000 Gemeinden wenig realistisch. Wenn man überhaupt eine Enquete durchführen will, hielte ich es für richtiger, den 15-Jahresplan zunächst in 5 Dreijahrespläne aufzuteilen, damit überhaupt erst einmal ein vernünftiger Anfang gemacht werden kann. Wir erwarten von dem Herrn Bundesverkehrsminister, daß er uns im Ausschuß präzise Vorschläge über den Umfang und den Zweck der Enquete macht, Vorschläge, die sich realisieren lassen. Wir würden es auch gern sehen, wenn uns der Herr Bundesverkehrsminister seine definitive Stellungnahme zu Straßenbauplänen wissen ließe. Denn auch hier haben sich im Laufe der Jahre einige Merkwürdigkeiten ergeben. Beispielsweise in der 38. Sitzung der 2. Legislaturperiode am 9. Juli 1954 führte der Herr Bundesverkehrsminister vor dem Deutschen Bundestag - wenn ich mit Genehmigung des Herrn Präsidenten aus dem Stenographischen Bericht zitieren darf - folgendes aus: Aber Idie Landkreise sind ebenso wie viele Gemeinden finanziell nicht stark genug, um die wachsenden Straßenbauaufgaben zu bewältigen. Da ,das gesamte Straßennetz eine verkehrswirtschaftliche Einheit bildet, erscheint es notwendig, das gesamte Investitionsproblem im Straßenbau nach einem von allen Beteiligten gemeinsam aufgestellten übergeordneten Plan zu lösen. Das war 1954. Fünf Jahre später, nämlich am 11. Juni 1959, sagte in der 74. Sitzung des Deutschen Bundestages, als die SPD den Antrag einbrachte, daß ein Gesamtplan aufgestellt werde, der Herr Bundesverkehrsminister: So begrüßenswert es wäre, daß ,der finanzielle Aufwand für die Straßen von allen Baulastträgern in der Bundesrepublik zugleich für vier Jahre veranschlagt und festgestellt würde, scheint doch im Augenblick eine solche gemeinsame Planung, ja nur eine zentrale Zusammenfassung aller Einzelpläne, nicht durchführbar zu sein, weil dazu ein neuer großer Apparat erforderlich wäre. Also 1954 für einen solchen Plan, 1959 gegen einen solchen Plan! Bei zwei einander derart diametral entgegengesetzten Meinungsäußerungen wäre es für uns nützlich zu erfahren, welche Auffassung der Herr Bundesverkehrsminister zur Zeit vertritt. Wahrscheinlich wird er jetzt wieder eine Schwenkung um 180 Grad vornehmen, weil diesmal der Antrag auf eine Planfeststellung nicht von der SPD, sondern von der CDU-Fraktion eingebracht wird. Das ist bezeichnend für die Konzeption des Herrn Bundesverkehrsministers! Wenn wir auch im Prinzip für eine Enquete sind und im Prinzip die Erstellung eines Gesamtplans für den Straßenbau bejahen, so werden wir unsere definitive Stellungnahme doch davon abhängig machen, daß uns im Ausschuß konkrete Vorschläge vorgelegt werden, die die Durchführung einer vernünftigen Enquete ermöglichen. Aber so nützlich auch eine Enquete sein kann - das möchte ich ausdrücklich betonen -, sie darf nach unserer Auffassung nicht dazu führen, daß vordringliche Straßenbauten verzögert werden. Lassen Sie mich das sagen! Ich habe den Eindruck, daß der Enquete-Entwurf vielleicht nur eingebracht wurde, um die so dringende Hilfe für die Großstädte zur Beseitigung der immer augenscheinlicher werdenden Verkehrsnot hinauszuschieben und dafür das richtige Mäntelchen zu haben. Wenn das so sein sollte, werden wir uns einer solchen Zwecksetzung schärfstens widersetzen. Unter dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherheit ist eine schnelle Hilfe für die Großstädte wirksamer als eine Enquete, die dem 4. Deutschen Bundestag, wie Sie selbst ausgeführt haben, die Entscheidung erleichtern soll. ({1}) - Herr Kollege Besold, auf diese Hilfe für die Großstädte kommt es mir hier entscheidend an. ({2}) Durch eine Enquete darf diese Hilfe für die Großstädte nicht verzögert werden, sie muß zum mindesten nebenher und tunlichst schon vorhergehen. Wenn das auch Ihre Auffassungen sind, dann sind wir uns völlig einig. Aber darüber werden wir uns im Ausschuß aussprechen müssen. Ich schließe mich nicht ohne weiteres der Auffassung des Herrn Kollegen Müller-Hermann an, daß die Verkehrsplanung in vielen Städten im argen liege. Das ist ein Argument, das Sie leider immer und immer wieder vorbringen. Ich bin viel eher der Meinung, daß eine Reihe von baureifen Projekten da sind, die nicht realisiert werden können, weil es an den nötigen Mitteln fehlt. Solche Mängel können wir heute schon beseitigen, und wir sollten es so schnell wie möglich tun. Das wäre möglich, bevor die Enquete überhaupt anläuft. Meine Damen und Herren, wir werden im Ausschuß über den Enquete-Vorschlag sprechen. Wir hoffen, daß die Enquete auf ein vernünftiges Maß reduziert werden kann und daß eine vernünftige Enquete auch dem von uns allen gewollten Zweck dient, den Straßenbau so schnell wie möglich an die Motorisierung anzupassen.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Herr Bundesverkehrsminister.

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf dem Herrn Kollegen Müller-Hermann und der Fraktion sehr danken, daß dieses Enquete-Gesetz jetzt vorgelegt worden ist; denn ich halte es nach den Erfahrungen, die ich habe, für unbedingt erforderlich, daß wir in diesen Fragen endlich einmal festen Boden unter den Füßen gewinnen, einen festen Boden, der sich bisher in den Beschlüssen der Beschlußkörperschaften der Großstädte nicht gewinnen ließ. Lassen Sie mich doch nicht das Lied der Sorgen und der Nöte noch einmal anstimmen, die ich in den zwölf Jahren mit diesen Städten und mit ihren Beschlußkörperschaften gehabt habe. Lassen Sie mich doch nicht noch einmal sagen, wie notwendig es ist, daß wir uns darüber klar sind, daß die soziologischen Verhältnisse in unseren Großstädten sich völlig verändert haben und daß wir diese Verhältnisse zu beurteilen und zu betrachten haben. Sehr verehrter Herr Kollege Bleiß, Sie sagen, es sei sehr schwer gewesen, ein Pfund, das von der Schiene auf die Straße gewandert sei, wieder auf die Schiene zurückzubringen. Dazu möchte ich Ihnen sagen: Es sind sehr viele Menschen wieder in die Eisenbahn gestiegen, die früher mit Autos gefahren sind. So etwas ließe sich bei den Straßenbahnen sicherlich noch viel besser machen, wenn die Straßenbahnen nicht nur Stehbahnen, sondern gelegentlich auch einmal Sitzbahnen wären. ({0}) - Selbstverständlich kommt es auf das Wetter an. Aber es hängt auch damit zusammen, daß manche Leute gut zu Fuß sind und daß ihnen ein Weg vom Büro zur Station oder von der Station zum Büro sehr viel dienlicher ist, als wenn sie sich sozusagen nur von Schreibtisch zu Schreibtisch rollen lassen. Auch mir ist das sehr viel dienlicher. Infolgedessen möchte ich aber in diesem Zusammenhang noch folgendes bemerken. Ich habe Herrn Kollegen Dr. Bleiß bereits auf einen Vortrag hingewiesen - und ich empfehle Ihnen, diesen gedruckten Vortrag noch einmal zu lesen -, den ich am 17. September 1953 in München gerade über die Frage gehalten habe, wie man durch eine Gesamtstraßenbauverwaltung in der Lage wäre, solche Pläne aufzustellen. Wir haben diese Möglichkeiten nicht. Das Grundgesetz und die Art des Aufbaues unseres Staates geben uns nicht die Chancen, die Frankreich, Italien und die anderen Länder in dieser Beziehung haben. Wir müssen uns mit den gegebenen Verhältnissen abfinden, und wir sind deshalb Schritt für Schritt vorgegangen, mit Ihnen gemeinsam, mit Ihrer Unterstützung. Wir haben von 1953 an systematisch die Straßenausbaupläne des Bundes entwickelt, und ich würde Gott danken, wenn gleichzeitig und gleichschrittig mit uns die Länder und die Gemeinden das Gleiche getan hätten und sich nicht erst jetzt über diese Fragen vielfältig noch Gedanken machen müßten. Wir brauchen, um eine Entscheidung finden zu können, wie wir die grundgesetzliche Situation ändern und die Situation in den Gemeinden wirklich l so anpacken können, daß hier sinnvoll die Verhältnisse und die Entwicklungen gefaßt werden, eine solche Untersuchung. Aber damit ist ganz klar, daß, wenn wir Gesamtpläne machen, wie wir sie für die Bundesstraßen zuerst und vorbildlich hingestellt haben, wie sie einzelne Länder nachgemacht haben, wie sie jetzt in einzelnen Gemeinden erarbeitet worden sind - - Ich will gern zugeben, daß die Stadt Hannover dabei den Anfang gemacht hat, weit vor allen anderen, aber es sind ihr die anderen, sehr langsam, gefolgt: Nürnberg hat gut gearbeitet und viele andere Städte auch. Aber: Gesamtpläne können Sie erst machen, wenn Sie auch tatsächlich in der Lage sind, die einzelnen Beschlußkörperschaften dazu zu bekommen, daß sie sich zu diesen Plänen bekennen. Mit Planungen allein ist es nicht getan. Diese Planungen greifen tief in das Leben der Menschen ein. Wo Selbstverwaltungskörperschaften sind, bedürfen Sie der Beschlüsse dieser Selbstverwaltungskörperschaften. Hier einmal Grundsätze herauszustellen, die es diesen Selbstverwaltungskörperschaften ermöglichen, wirklich nach einheitlichen Prinzipien vorzugehen, das ist einer der entscheidenden Zwecke dieser Enquete. Ich bin überzeugt, daß diese Enquete verhältnismäßig schnell durchgeführt werden wird, weil wir überall schon gute Vorarbeiten finden. Eine Zusammenfassung dieser Vorarbeiten ist das Wesentlichste, das bei dieser Enquete wird durchgeführt werden müssen. Ich bin überzeugt, daß, wennn wir dieses Gesetz jetzt schnell verabschieden, wir noch vor dem Wahlkampf in der Lage ,sind, die Kommission so weit zusammenzustellen, daß sie arbeiten kann. Es ist hier davon gesprochen worden, daß es sehr schwierig sei, eine solche Kommission zu bilden. Nun, wir denken an eine kleine Kommission, die sich ihre Unterausschüsse selbst bildet, denen sie bestimmte Aufgaben gibt, so daß es hier zu einer Zusammenarbeit kommt, wie wir sie ja auch sonst in diesen Fragen gewohnt sind. Daß wir dabei - das möchte ich Ihnen auf Ihre Frage noch ausdrücklich sagen - keineswegs daran denken, irgendwelche Zeit zu verlieren bei Aufgaben, die ausgeführt werden können, beweist Ihnen das, was wir in den letzten Jahren in den Großstädten geleistet haben. Dort, wo wir es allein machen konnten - Einführung bei Freimann, Unterführung des Neubiberger Flugplatzes, Unterstützung in Köln bei der Servatiusbrücke und bei anderen Dingen -, da haben wir gearbeitet, und da haben sich die Dinge vorzüglich abgewickelt. Wir haben dafür leider nicht die nötigen Mittel gehabt. Ich habe Ihnen aber schon in der letzten Sitzung gesagt, daß auch die Mittel, die ich im vorigen Jahr für diesen Zweck zur Verfügung gestellt hatte und die voll verplant wurden, nur zu ungefähr 50 % abgerufen worden sind. Also liegen die Pläne in dem Maße, wie es Ihnen vorschwebt, nicht vor. Ich darf aber bemerken, daß nach meinen Zahlen wir ja nicht nur im ersten Vierjahresplan eine Milliarde für diese Unterstützungen vorgesehen haben, sondern daß diese Mittel auch ergänzt werden durch die Mittel, die die Länder und natürlich auch die Gemeinden selbst hinzutun werden. Wenn wir im ersten Vierjahresplan mit 1,7 Milliarden DM für diese Angelegenheiten der Großstädte rechnen konnten, so können wir heute schon sagen, daß wir im zweiten Vierjahresplan für diese Zwecke sicherlich weit über 3 Milliarden DM, wahrscheinlich 3 1/2 Milliarden DM, zur Verfügung haben werden. Das heißt, daß die Mittel für diese Aufgaben sich vom ersten zum zweiten Vierjahresplan verdoppeln werden. Gebe Gott, daß die Städte in der Lage sind, uns doppelt soviel Möglichkeiten zum Bauen zu verschaffen! ({1})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Dresbach.

Dr. Dr. h. c. August Dresbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000419, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der Sozialdemokraten, den Sockel bei dem Straßenbaufinanzierungsgesetz zu senken, und die Ankündigung des Herrn Eisenmann, daß er ganz beseitigt werden soll, geben mir Veranlassung, einige grundsätzliche Worte zu sagen. Herr Eisenmann, ich nehme Ihnen das an sich nicht übel. Sie möchten die Zeit, bis Sie bei uns in der Koalition sind, doch etwas nützen ({0}) und päpstlicher als der Papst erscheinen. Nachher hört das von selber auf. ({1}) - Herr Dr. Bleiß, Sie können mit Engelszungen reden, - Sie werden mich nicht von der Auffassung abbringen, daß die Mineralölsteuer genauso eine Verbrauchsteuer ist wie jede andere auch. ({2}) Die Geschichte der Zweckbindung der Steuern zeigt, daß immer wieder ein Zustand kam, bei dem der allgemeine Finanzbedarf die Auflösung der Zweckbindung nötig machte. Ich würde Ihnen und auch den Straßenbauleuten also raten, nicht von Ewigkeitswerten zu sprechen; das löst sich nachher alles von selber wieder auf und fließt dann wie vordem wieder in den allgemeinen Finanztopf. Für mich steht jedenfalls trotz Ihrer abweichenden Meinung die Einheit der Kasse und die Einheit des Haushalts nach wie vor als erstes da. Aber eins darf ich - ({3}) - Lassen Sie mich doch eben zu Ende sprechen! Herr Seuffert soll nämlich jetzt Gelegenheit haben - er wartet ja noch auf das Steueränderungsgesetz -, mir zu erwidern. - Herr Bleiß, wenn Sie aber die Mineralölsteuer vollkommen aus der Dekkung des allgemeinen Finanzbedarfs ausschließen, ihr den Steuercharakter nehmen und ihr damit tatsächlich den Charakter einer Gebühr verleihen, dann sagen Sie bitte Ihrem Hintermann Seuffert - er sitzt ja wohl gerade hinter Ihnen -, er müsse dann demnächst die Berechnung über die Belastung mit direkten und indirekten Steuern aufmachen; denn dann rückt die Mineralölsteuer aus dem Bereich der Verbrauchsteuern heraus und wird eben eine Gebühr. Also, Herr Bleiß, es ist ganz gut, wenn Sie sich etwas an eine Zusammenarbeit mit Ihren Steuerfreunden begeben; das gilt auch für uns. Jedenfalls hat es mich ein bißchen komisch angemutet, daß Ihr Kollege vorhin eine Novelle zu einem Steuergesetz nicht einmal dem Steuerausschuß überweisen wollte. Dann sind wir bald so weit, daß die Umsatzsteuer nur noch an den Mittelstandsausschuß kommt. ({4})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Bleiß.

Dr. Paul Bleiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000196, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich wollte an sich nur zwei Fragen stellen. Die eine Frage richtet sich an den Herrn Bundesverkehrsminister. Ich hatte mir vorhin schon erlaubt, zu fragen, bis zu welchem Zeitpunkt ein Fünfzehnjahresplan, also ein Plan bis zum Jahre 1975, für die Bundesfernstraßen fertiggestellt werden könnte. Das gibt gleichzeitig einen Hinweis auf den Umfang einer Enquete bei 24 000 Gemeinden. Die zweite Frage, die ich stellen will, möchte ich an Herrn Kollegen Dresbach richten. Herr Kollege Dresbach, Sie sind ein fanatischer Vertreter des allgemeinen Deckungsprinzips; das ist bekannt. Ich möchte an Sie die Frage richten: Bekennen Sie sich auch zum Kostendeckungsprinzip der Bundesregierung bei den Verkehrsträgern? Sind Sie der Meinung, daß jeder Verkehrsträger seine Straßen- oder seine Wegekosten zu tragen hat, oder nicht? Wenn Sie nicht dieser Meinung sind, würde sich eine Reihe sehr interessanter verkehrspolitischer Perspektiven Ihrer Fraktion daraus ergeben.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Herr Bundesverkehrsminister.

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Der Herr Kollege Bleiß soll nicht sagen können, daß er zweimal gefragt und keine Antwort bekommen habe. Für die Bundesstraßen und die Bundesautobahnen kann ich den Plan für die Zeit zwischen 1970 und 1975 in einem Jahr fertigstellen. Bis 1970 haben wir den Plan schon einmal fertiggestellt. Das sind ja schon einmal 15 Jahre, gerechnet ab 1955, als wir die Pläne ausarbeiteten. Ich bin der Meinung, daß das auch in anderen Fällen übersehbare Zeiträume sind, bis man zu einem Ergebnis kommt. Ob dann der Plan, den ich aufgestellt habe, die Wünsche jeder einzelnen Stadt und jedes einzelnen Dorfes erfüllt, - ja, verehrter Herr Bleiß, das kann ich Ihnen vorher nicht versprechen. ({0}) - Bestandteil einer Enquete ist, daß die ganzen entscheidenden Stellen, die Selbstverwaltungskörperschaften, die Möglichkeit haben, ihre Auffassungen vorzutragen, und daß sie nicht von oben her über den Bart balbiert werden. Da sie aber das größte Interesse daran haben, bald zu der Unterstützung zu gelangen, die sie vom Bund und von den Ländern erhalten sollen, bin ich überzeugt, daß sie sich bei der Behandlung der Fragen die größte Mühe geben werden, uns zu helfen, damit das Ziel, diese Arbeiten so schnell und so vollkommen wie möglich durchzuführen, erreicht wird. Dabei muß ich natürlich bemerken, daß die Frage der Vollkommenheit immerhin eine Angelegenheit ist, die nicht dem Menschen allein zusteht. ({1})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir können dann über die Überweisungsanträge abstimmen. Der Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 2657 soll nach neuester Vereinbarung an den Finanzausschuß - federführend - sowie an den Ausschuß für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen und den Haushaltsausschuß - mitberatend - überwiesen werden. Erhebt sich Widerspruch? - Das ist nicht der Fall; es ist so beschlossen. Der Antrag der Fraktion der CDU/CSU Drucksache 2628 soll an den Ausschuß für Verkehr, Post-und Fernmeldewesen - federführend - und an den Kommunalpolitischen Ausschuß - mitberatend - überwiesen werden. Erhebt sich Widerspruch? - Das ist nicht der Fall; dann ist so beschlossen. Damit ist Punkt 7 der Tagesordnung erledigt. Ich rufe auf Punkt 6 der Tagesordnung: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte und des Gerichtskostengesetzes ({0}); Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses ({1}) ({2}) ({3}). Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Winter. Wünscht er seinen Bericht mündlich zu erstatten? - Der Berichterstatter scheint nicht im Saale zu sein. Wünscht das Haus die Entgegennahme des mündlichen Berichts? - Das ist nicht der Fall; dann verzichten wir auf ,die Berichterstattung und verweisen auf den Schriftlichen Bericht. Ich rufe auf zur zweiten Beratung die §§ 1 bis 5 sowie die Einleitung und Überschrift. Wird dazu das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer den aufgerufenen Paragraphen sowie der Einleitung und der Überschrift zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Ich rufe auf zur dritten Beratung. Wird das Wort zur allgemeinen Aussprache gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Änderungsanträge liegen nicht vor. Wir kommen damit zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz im ganzen zustimmen will, möge sich erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest. Ich rufe auf Punkt 8 der Tagesordnung: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Gewährung von Kindergeld für zweite Kinder und die Errichtung einer Kindergeldkasse ({4}) ({5}). Zur Begründung hat das Wort der Herr Bundesarbeitsminister.

Theodor Blank (Minister:in)

Politiker ID: 11000195

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung hat in ihrer Regierungserklärung vom 29. Oktober 1957 versichert, den Familien mit Kindern ihre besondere Hilfe angedeihen zu lassen. In Durchführung dieser Zusage hat sie Ende 1958 einen Gesetzentwurf vorgelegt, der die Erhöhung des Kindergeldes für dritte und Bundesarbeitsminister Blank weitere Kinder von 30 auf 40 DM monatlich vorsah. Dieses Gesetz ist Anfang 1959 von diesem Hohen Hause verabschiedet worden. Schon bei der Vorbereitung des damaligen Gesetzentwurfs war die Frage geprüft worden, ob - wie namentlich aus Kreisen der Familienverbände gewünscht wurde - an Stelle einer linearen Erhöhung des Kindergeldes für dritte und weitere Kinder ein Kindergeld für zweite Kinder eingeführt werden solle. Die Bundesregierung war jedoch der Auffassung, daß eine Erhöhung der Leistungen für die dritten und weiteren Kinder vorrangig sei, da die größeren Familien einer Hilfe am meisten bedürften, und deshalb die Gewährung von Kindergeld an Zweikinderfamilien zurückgestellt werden müsse. Wenn bisher für Zweitkinder kein Kindergeld gewährt worden ist, so bedeutet dies nicht, daß für die Verbesserung der wirtschaftlichen Lage der Zweikinderfamilien in den letzten Jahren nichts geschehen wäre. Neben der allgemeinen Steigerung des Realeinkommens infolge der günstigen Wirtschaftsentwicklung hat es eine erhebliche Erhöhung der Kinderfreibeträge im Einkommensteuerrecht dem einzelnen erleichtert, seine Familie zu unterhalten. Der Steuerfreibetrag für das zweite Kind, um das es hier geht, ist seit Inkrafttreten des Kindergeldgesetzes von 600 auf 1680 DM jährlich heraufgesetzt worden. In der sogenannten Proportionalzone des Steuertarifs, in der der Steuersatz einheitlich 20 % beträgt, führt der Freibetrag für das zweite Kind zu einer Verminderung der Steuerlast um 28 DM monatlich. Oberhalb der Proportionalzone - d. h. von einem Monatsverdienst von etwa 1500 DM an - ist die Steuererleichterung noch größer. Der Steuerfreibetrag für Kinder kann sich aber nur dort als Erleichterung der Familienlast auswirken, wo eine Einkommensteuerpflicht besteht. Personen mit einem Monatslohn von weniger als 460 DM, die schon bei einem Kinde keine Lohnsteuer zu zahlen haben, nützt es nichts, daß ihnen bei Geburt eines zweiten Kindes ein Steuerfreibetrag für dieses Kind zuerkannt wird. Bei Monatsverdiensten zwischen 460 und 550 DM führt der Steuerfreibetrag für das zweite Kind zwar zu einer gewissen, aber nur geringen Entlastung. Vom sozialen Standpunkt aus ist es nicht zu vertreten, daß die zusätzlichen Aufwendungen, die die Geburt eines zweiten Kindes für die Eltern mit sich bringt, gerade bei den niedrigen Einkommen von den Eltern voll durch Einschränkung des Eigenverbrauches getragen werden müssen, während bei den höheren Einkommen die Steuerermäßigung die Last vermindert. Das Ziel des Entwurfs ist es daher, den Familien mit zwei oder mehr Kindern, bei denen sich wegen der niedrigen Höhe ihres Einkommens der Steuerfreibetrag für das zweite Kind nicht oder nicht genügend auswirken kann, zu helfen. Unter diesem Gesichtspunkt bitte ich, auch die im Entwurf vorgesehene Einkommensgrenze von 6600 DM jährlich oder 550 DM monatlich zu betrachten. Diese Grenze hat - nicht unerwartet - mancherlei Kritik gefunden. Man kann sicher fragen, ob es nicht wünschenswert wäre, auch den Zweikinderfamilien mit einem Einkommen über 550 DM monatlich zu der Entlastung durch den Steuerfreibetrag noch das Zweitkindergeld von 25 DM zu gewähren. Es ist aber vom sozialen Standpunkt aus vordringlich, den Familien mit niedrigeren Einkommen eine Hilfe für die zweiten Kinder zu gewähren. Wenn gegen den Entwurf das Bedenken geltend gemacht worden ist, daß „eine Bedarfsprüfung bei Familienleistungen als Eingriff in die private Sphäre und als entwürdigend empfunden werde", so darf ich zunächst darauf hinweisen, daß hier keine Bedürftigkeitsprüfung im Sinne der „Reichsgrundsätze über Voraussetzung, Art und Maß der öffentlichen Fürsorge" vorgesehen ist. Dort werden außer den Einkommens- auch die Vermögensverhältnisse der Fürsorgeberechtigten geprüft, um sicherzustellen, daß zunächst alle eigenen Mittel eingesetzt werden, bevor die Fürsorge eintritt. Beim Zweitkindergeld handelt es sich dagegen darum, daß von einer bestimmten Einkommensgrenze an im Hinblick auf die Vorteile der Steuerfreibeträge eine besondere Schutzbedürftigkeit nicht mehr als gegeben angesehen werden soll. Die Einführung einer Einkommensgrenze ist auch keine ungewöhnliche Besonderheit gerade des vorliegenden Gesetzentwurfs. Auch andere Vorschriften, bei denen es sich um Leistungen aus öffentlichen Mitteln oder um den Verzicht auf öffentliche Einnahmen handelt, sehen Einkommensgrenzen vor. Ich erinnere an die Unterhaltshilfe im Lastenausgleich, an die Ausgabe von Volkswagenaktien, an die Studentenförderung nach dem Honnefer Modell und an die Regelung der Miet- und Lastenbeihilfen. ({0}) Auch im Steuerrecht werden Vergünstigungen bestimmter Art nur Beziehern niedriger Einkünfte eingeräumt. Die progressive Gestaltung des Einkommensteuertarifs kann in diesem Zusammenhang ebenfalls am Rande erwähnt werden. Vor allem hat es aber auf den verschiedensten Gebieten der sozialen Sicherheit von jeher Einkommensgrenzen gegeben, und zwar aus gutem Grund, da bei höheren Einkommen die Notwendigkeit, den einzelnen gegen die Wechselfälle des Lebens durch die Gemeinschaft zu schützen, geringer wird, der einzelne vielmehr weitgehend für sich selbst sorgen kann. Weshalb es gerade beim Kindergeldrecht gegen die menschliche Würde verstoßen soll, wenn nur bis zu einer bestimmten Einkommenshöhe die Schutzbedürftigkeit bejaht wird, vermag ich nicht einzusehen. ({1}) Über eines muß man sich bei der Stellungnahme zu der Frage von Einkommensgrenzen jedenfalls völlig klar sein: Je weiter der Kreis der Bezieher von Leistungen aus öffentlichen Mitteln ausgedehnt wird, um so weniger intensiv muß bei der natürlichen Begrenzung dieser Mittel die Hilfe für den einzelnen bleiben. ({2}) Bundesarbeitsminister Blank Im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten, die sich bei der derzeitigen Lage des Bundeshaushalts ergeben - auch der Finanzausschuß des Bundesrates hat ja anerkannt, daß Deckungsvorschläge für eine wesentliche Erhöhung der Aufwendungen des Bundes über 375 Millionen DM hinaus im Haushaltsjahr 1961 bzw. 500 Millionen DM im Haushaltsjahr 1962 nicht gemacht werden können - wäre ein Verzicht auf die Einkommensgrenze nur möglich bei einer Senkung des Zweitkindergeldes unter 25 DM monatlich. Damit wäre jedoch eine wirksame Hilfe für dic Familien nicht mehr gegeben. Sollten später einmal größere Mittel aus dem. Bundeshaushalt fur Familienleistungen eingesetzt werden können, so wird nach meiner Auffassung immer noch sorgfältig geprüft werden müssen, ob es nicht sinnvoller wäre, zunächst die Hilfe für die wirklich kinderreichen Familien zu verstärken, bevor man sich entschließt, etwa auch Zweikinderfamilien mit höherem Einkommen, bei denen sich der Freibetrag für das zweite Kind schon als beträchtliche Steuerermäßigung auswirkt, Zweitkindergeld zu gewähren. Aus dem, was ich soeben über die Einkommensgrenze gesagt habe, war bereits zu entnehmen, daß die Finanzierung des Zweitkindergeldes ausschließlich aus allgemeinen Haushaltsmitteln des Bundes erfolgen soll. Damit wird bei dem Zweitkindergeld den Bedenken Rechnung getragen, die von weiten Kreisen der mittelständischen Wirtschaft und auch von den lohnintensiven Großbetrieben dagegen geltend gemacht werden, daß die Mittel für die Kindergeldgewährung nach den bisherigen Kindergeldgesetzen fast ausschließlich durch Beiträge der Unternehmer nach der Lohnsumme aufgebracht werden. Einwendungen gegen die in dem Entwurf vorgesehene Lösung der Finanzierungsfrage für das Zweitkindergeld, die auch im Sinne der Entschließung dieses Hohen Hauses vom 26. Februar 1959 liegt, sind mir bisher nicht bekanntgeworden. Ich darf es daher insoweit wohl bei diesen wenigen Worten bewenden lassen und wegen der Einzelheiten der finanziellen Auswirkungen auf die schriftliche Begründung verweisen. Kritik haben dagegen die organisatorischen Bestimmungen des Entwurfes gefunden, so daß ich hierauf eingehen muß. Der Entwurf sieht als Träger der Kindergeldzahlung eine für das ganze Bundesgebiet zuständige Kindergeldkasse vor. Sie soll als Anstalt des öffentlichen Rechts in enger Anlehnung an die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung errichtet werden. Die Kindergeldkasse soll als Organ im wesentlichen die Organe der Bundesanstalt übernehmen. Sie soll nicht über eigenes Personal oder Räumlichkeiten verfügen, vielmehr sollen die Dienststellen der Bundesanstalt - von den wenigen den Organen der Kindergeldkasse übertragenen Aufgaben abgesehen - das Gesetz als Auftragsangelegenheit durchführen. Ich gebe gern zu, daß die Durchführung der Kindergeldgesetzgebung für zweite Kinder und für dritte und weitere Kinder durch verschiedene Träger der Kindergeldzahlung auch nach meiner Auffassung ein unerfreulicher Zustand ist, ({3}) der nur für eine kurze Übergangszeit gelten kann. ({4}) Die Kindergeldkasse soll - das kommt in der Begründung und auch im Text des Entwurfs zum Ausdruck - sobald als möglich auch die Aufgabe übernehmen, das Kindergeld für dritte und weitere Kinder auszuzahlen. Ich bedauere, daß ich Ihnen den in meinem Ministerium zurerst ausgearbeiteten Entwurf, der die seit langem gewünschte Vereinheitlichung der Kindergeldgesetzgebung bringen sollte, nicht vorlegen kann. Ich habe mich überzeugen müssen, daß die vielschichtigen Probleme, die eine grundlegende Reform der Kindergeldgesetzgebung aufwirft, insbesondere die Frage der Finanzierung der Gesamtheit der Kindergeldleistungen, in der jetzt ablaufenden Legislaturperiode nicht mehr so gründlich beraten werden können, wie dies notwendig erscheint. Um die erwünschte, baldige Hilfe für die zweiten Kinder nicht zu gefährden, hat sich die Bundesregierung daher entschlossen, den Entwurf auf die vorliegende Regelung des Zweitkindergeldes zu beschränken. Bei allen Ihren Überlegungen zu den organisatorischen Vorschriften bitte ich Sie aber zu berücksichtigen, daß die Kindergeldkasse später auch die Kindergeldzahlung für die dritten und weiteren Kinder übernehmen soll. Bei aller Kritik, die an der Errichtung einer Kindergeldkasse in Anlehnung an die Bundesanstalt laut geworden ist, scheint mir doch Übereinstimmung darüber zu bestehen, daß die Errichtung einer völlig neuen Organisation mit eigenem Verwaltungsapparat sowohl aus Gründen der Sparsamkeit in der Verwaltung wie im Hinblick auf die Unmöglichkeit, im Zeichen der Vollbeschäftigung geeignete Arbeitskräfte für eine neue Organisation zu gewinnen, nicht in Frage kommt; die Anlehnung des Trägers der Kindergeldzahlung an eine bestehende Verwaltung erscheint daher notwendig. Soweit ich sehe, wird auch nicht beanstandet, daß von der Übertragung der Zweitkindergeldzahlung an die bei den Berufsgenossenschaften errichteten Familienausgleichskassen Abstand genommen wurde, vielmehr deren spätere Auflösung vorgesehen ist. Ich darf daraus schließen, daß die Darlegungen der Familienausgleichskassen, sie könnten die Zahlung des Zweitkindergeldes weder personell noch raummäßig bewältigen, die Offentlichkeit überzeugt haben. Von vielen Seiten wird dagegen gefordert, daß die Finanzämter mit der Durchführung der Kindergeldzahlung betraut werden sollten. Für eine solche Lösung scheinen auch gerade die Finanzierung des Zweitkindergeldes aus allgemeinen Haushaltsmitteln und die Einführung einer Einkommensgrenze zu sprechen. Bei der Beantwortung der Großen Anfrage der SPD in der Sitzung dieses Hohen Hauses vom 28. Oktober 1960 habe ich bereits darauf hingewiesen, daß in meinem Ministerium gemeinsam mit dem Familienministerium für das Zweitkindergeld zunächst eine „Finanzamtslösung" erwogen wurde. Der Vorschlag ist aber auf die entschiedene und einheitliche Ablehnung der Finanzminister der Länder gestoßen. ({5}) Bundesarbeitsminister Blank Wenn ich auch nicht alle Bedenken der Länderfinanzverwaltungen teile, so habe ich mich jedoch davon überzeugen lassen, daß die Schwierigkeiten einer Übertragung der Aufgaben an die Finanzämter erheblich größer sind, als meist angenommen wird. ({6}) Insbesondere hätte die Gewährung von Leistungen einschließlich der damit verbundenen Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen den Aufbau eines neuen, zusätzlichen Verwaltungsapparates erfordert. Eine genauere Untersuchung zeigt auch, daß - entgegen einer verbreiteten Annahme - greifbare Unterlagen zur Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen bei den Finanzämtern nicht vorliegen und daß es ihnen auch an Erfahrungen bei dieser Art der Verwaltungstätigkeit fehlt. Es gibt auch zu denken, daß zwar mehrere Staaten ihre Familienleistungen aus Steuermitteln finanzieren, daß aber - von Osterreich abgesehen - keiner dieser Staaten seine Finanzverwaltung mit der Gewährung der Leistungen betraut hat. Die Durchführung der Familienzulagengesetze ist vielmehr, soweit nicht besondere Organisationen geschaffen worden sind, den Stellen übertragen, die für andere Leistungen der sozialen Sicherheit zuständig sind. Auch in der Bundesrepublik erscheint daher beim Kindergeld, das heute international als ein Teilgebiet der sozialen Sicherheit anerkannt ist, die Anlehnung an einen Träger der sozialen Sicherheit als die natürlichste Lösung. Die besten Voraussetzungen für eine solche Anlehnung bietet dabei die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung. Gewiß ist der Hinweis richtig, daß die Kindergeldzahlung nicht im inneren Zusammenhang mit dem traditionellen Aufgabenbereich der Bundesanstalt steht. Welcher Stelle man aber auch immer die Kindergeldgewährung übertragen sollte, überall wird es sich dabei - wenn man die bei den Berufsgenossenschaften errichteten Familienausgleichskassen ausnimmt - für die betreffende Stelle um einen neuen Aufgabenbereich handeln. Während die Finanzämter über keine Erfahrungen auf dem Gebiete der sozialen Leistungen verfügen, sind die Arbeitsämter mit solchen Aufgaben bestens vertraut, da sie auch heute schon die Voraussetzungen für die Gewährung von Kindergeld und Familienzuschlägen an Arbeitslose prüfen. Gegenüber den Familienausgleichskassen besteht bei der Bundesanstalt der Vorteil, daß bei ihr die zahlreichen Übergänge von Kasse zu Kasse infolge der Fluktuation der Arbeitskräfte von Wirtschaftszweig zu Wirtschaftszweig mit allen ihren Schwierigkeiten fortfallen. Der organisatorische Aufbau der Bundesanstalt ermöglicht auch die zentrale kassenmäßige Bearbeitung der Auszahlungen für das ganze Bundesgebiet und damit die Verwendung moderner Büromaschinen in einem ganz anderen Umfang, als das bei den Familienausgleichskassen möglich ist und selbst bei den Finanzämtern durchzuführen wäre. Die Arbeitsämter erfüllen auch die personellen und raummäßigen Voraussetzungen für die Übernahme der neuen Aufgabe. Ich möchte aber ausdrücklich bemerken, daß sich nicht die Bundesanstalt um die neue Aufgabe bemüht hat, ({7}) sondern ,daß ich, nachdem sich sowohl die Finanzverwaltung wie die Familienausgleichskassen außerstande erklärt hatten, die Zahlung von Zweitkindergeld zu übernehmen, an den Herrn Präsidenten der Bundesanstalt mit der Bitte herangetreten bin, doch zu prüfen, ob ,die verwaltungsmäßigen Voraussetzungen für die Beauftragung der Bundesanstalt gegeben seien. Für die Bundesanstalt sprach dabei auch, daß ein Teil der Verwaltungsarbeit, der sich aus der Notwendigkeit einer periodischen Überprüfung des Fortbestehens der Anspruchsvoraussetzungen ergibt, in die Sommermonate verlegt werden kann, in denen der Arbeitsanfall in den Versicherungsabteilungen der Arbeitsämter geringer ist als im Winter. Bei der Beratung des Entwurfs im Bundesrat ist bezweifelt worden, ob die Errichtung einer besonderen Kindergeldkasse überhaupt notwendig sei oder ob nicht ,die Aufgabe der Bundesanstalt unmittelbar als Auftragsangelegenheit übertragen werden könnte. ({8}) Die Bundesregierung hat die Gründe für die im Entwurf getroffene Regelung in der schriftlichen Stellungnahme zu den Vorschlägen des Bundesrates dargelegt, sich aber bereit erklärt, im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens die Notwendigkeit einer Kindergeldkasse nochmals zu überprüfen. Die Erörterung dieser Frage kann daher meines Erachtens den zuständigen Ausschüssen überlassen bleiben. Meine Damen und Herren, der Entwurf wird sicher nicht alle Wünsche befriedigen, aber er bringt einen erheblichen sozial- und familienpolitischen Fortschritt. Die Zahl der dritten und weiteren Kinder, für die nach den bisherigen Kindergeldgesetzen Kindergeld gewährt wird, beläuft sich nach dem letzten Bericht des Gesamtverbandes der Familienausgleichskassen auf rund 1,7 Millionen Kinder. Die Zahl der durch den Entwurf neu in die Kindergeldgesetzgebung einbezogenen Kinder beträgt annähernd 1,6 Millionen. ({9}) Die Zahl der Kinder, für die ein Anspruch auf Kindergeld besteht, wird sich also nach diesem Entwurf annähernd verdoppeln. ({10}) Das Zweitkindergeld erfordert - bezogen auf das volle Kalenderjahr - einen Aufwand von rund einer halben Milliarde Deutsche Mark, die der Bund allein aufzubringen hat. Das, meine Damen und Herren, ist sicher auch eine beachtliche Leistung. Ich bitte Sie daher, den Entwurf zu billigen und ihn bald zu verabschieden. ({11})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Ich eröffne die allgemeine Aussprache, nachdem der Gesetzentwurf eingebracht und begründet ist. Das Wort hat Frau Abgeordnete Döhring.

Clara Döhring (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000395, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Wir Sozialdemokraten begrüßen es selbstverständlich, daß die Bundesregierung mit dem vorliegenden Gesetzentwurf jetzt endlich Schritte unternimmt, auch die Zweitkinder in die Kindergeldgesetzgebung einzubeziehen. Meine politischen Freunde und ich haben dies von Anfang an, wie Ihnen allen ja bekannt ist, immer wieder gefordert. Außerdem haben wir von Anfang an gefordert, daß das Kindergeld aus allgemeinen Steuermitteln zu gewähren ist. Wir hatten diese Forderungen bekanntlich auch bei unserer Großen Anfrage am 5. Oktober 1960 noch einmal gestellt, und wenn wir auch wissen, daß bei Ihrer Entscheidung der näher heranrückende Wahltermin sicherlich eine Rolle gespielt haben wird, so begrüßen wir sie doch im Interesse der Familien, die schon so lange auf Kindergeld für ihre zweiten Kinder warten. Das bis jetzt geschaffene Kindergeldrecht ist aus vielen Gründen, insbesondere wegen des berufsständischen Aufbaues, von Anfang an unzulänglich gewesen. Der jetzt vorliegende Gesetzentwurf kommt den Forderungen entgegen, die wir Sozialdemokraten, wie ich bereits betont habe, von vornherein erhoben haben, als wir eine Kindergeldgesetzgebung in diesem Hause in Angriff genommen haben. Wenn Sie jetzt vorsehen, daß wenigstens für die zweiten Kinder das Kindergeld aus allgemeinen Steuermitteln finanziert wird, so können wir Sie zu dieser Fortentwicklung Ihrer Auffassung auf familienpolitischem Gebiet nur beglückwünschen. Zu unserem Bedauern - und auch das muß ich hier nun aussprechen, meine Herren und Damen von der CDU/CSU - hat aber die Bundesregierung aus ihren neuen Einsichten nicht alle notwendigen Folgerungen gezogen. Sie ist auf halbem Wege stehengeblieben. Wir Sozialdemokraten haben dreierlei zu bemängeln: 1. Was den Empfängerkreis angeht, so soll die Mehrzahl der Zweitkinder ausgeschlossen sein. Es gibt in der Bundesrepublik bekanntlich rund 3,3 bis 3,5 Millionen Zweitkinder, während, wie Herr Minister Blank ausgeführt hat, nur 1,6 Millionen Zweitkinder berücksichtigt werden sollen. 2. Was die Finanzierung betrifft, so will es die Regierung für die dritten und weiteren Kinder auf unbestimmte Zeit bei dem alten verfehlten System belassen. Der Herr Bundesarbeitsminister hat zwar gesagt, daß die Bundesregierung die Vorschläge für eine Neuordnung, die sie gemäß einem Auftrag des Bundestages schon lange hätte vorlegen müssen, bald unterbreiten werde. Wir wissen aber, mit welchen Verzögerungen dabei zu rechnen ist. ({0}) - Die Weichen sind gestellt. Wir werden darüber im Ausschuß zu beraten haben, Herr Kollege Ruf. Ich komme noch darauf zu sprechen. 3. Was die Organisation betrifft, so sieht der Gesetzentwurf eine Doppelgleisigkeit vor, über die man nur den Kopf schütteln kann. All das halten wir nicht für gut. Die Vorlage, die wir heute beraten, bringt keine Reform, wie sie schon lange versprochen worden ist, und ich muß hier schon unser großes Bedauern aussprechen, daß der vom Bundestag erteilte Auftrag zu einer grundlegenden Neuregelung des Kindergeldrechtes nicht erfüllt worden ist. Besonders ernste Bedenken hat meine Fraktion gegen die vorgeschlagene Einführung einer Einkommensgrenze für die Gewährung von Kindergeld für Zweitkinder. Diese Begrenzung führt dazu, daß also mehr als die Hälfte der in Frage kommenden Familien in unserer Bundesrepublik für ihr zweites Kind kein Kindergeld erhalten. ({1}) - Ich komme darauf, Herr Kollege Ruf. - Zudem ist damit zu rechnen, daß bei einer weiteren wirtschaftlichen Aufwärtsentwicklung die Zahl der Familien, die Kindergeld für das zweite Kind erhalten, immer geringer wird. Bei einer beachtlichen Zahl von Familien wird das Einkommen um die im Gesetzentwurf vorgesehene Einkommensgrenze herumpendeln, so daß sie in dem einen Jahr Kindergeld erhalten, in dem folgenden vielleicht das halbe oder sogenannte Ausgleichskindergeld, um dann im dritten Jahr den Kindergeldanspruch ganz zu verlieren. Außerdem werden die Auswirkungen in den einzelnen Ländern und regional recht verschieden sein. Beispielsweise ergibt sich in Baden-Württemberg auf Grund der dortigen Lohnstruktur - ein größerer Teil der Arbeitnehmer sind infolge der vorherrschenden weiterverarbeitenden und Veredelungsindustrie qualifizierte Facharbeiter -, daß überhaupt nur 20 bis 22 % der in Betracht kommenden Familien das Zweitkindergeld erhalten würden. Aber ganz abgesehen von dem enormen Verwaltungsaufwand, der durch die Einkommensüberprüfungen entsteht und auf ,den ich noch zu sprechen kommen werde, halten wir Sozialdemokraten die Einführung einer Einkommensgrenze bei der Gewährung von Kindergeld für äußerst bedenklich, ja einfach für unmöglich. Warum, darauf komme ich noch. Es wäre sozialpolitisch ungerechtfertigt, wenn das Kindergeld durch die Festsetzung einer Einkommensgrenze von 550 bzw. 566 DM im Monat mit einem gewissen Bedürftigkeitsprinzip, das in dieses Gesetz hineinkommen soll, verkoppelt wird. ({2}) - Ich habe den Herrn Minister sehr wohl verstanden und spreche hier davon, daß Sie ausgerechnet in das Kindergeldgesetz ein gewisses BedürftigkeitsFrau Döhring ({3}) prinzip durch die Einkommensbegrenzung hineinbringen wollen. ({4}) Das, meine Damen und Herren von der CDU, würde eine Klassifizierung der Familien bedeuten, und dies ausgerechnet auf dem Gebiete des Kindergeldes. Diese Bedürftigkeitsprüfung oder Einkommensüberprüfung stellt einen Eingriff in den persönlichen Lebensbereich dar: sie ist nach Auffassung meiner Fraktion unseren Familien einfach nicht zuzumuten. Vor allem würden diejenigen Familien benachteiligt - das wollen Sie bitte auch bedenken -, in denen die Ehefrau trotz ihrer häuslichen Pflichten aus wirtschaftlichen Gründen - ich betone das -, nämlich gerade wegen der besseren Erziehung der Kinder und der besseren Kleidung und Ernährung ({5}) zum Mitverdienen gezwungen ist. Oder glauben Sie, meine Herren und Damen von der CDU/CSU, daß der Betrag von 25 DM im Monat einen aus wirtschaftlichen Gründen notwendigen Mitverdienst der Ehefrau und Mutter ersetzen würde? Es gibt doch eine sehr beachtliche Anzahl von Müttern, die große persönliche Opfer auf sich nehmen müssen, um den Lebensunterhalt der Familie bestreiten zu helfen. ({6}) - Ich habe ausdrücklich gesagt „eine beachtliche Anzahl", Herr Kollege. Gestatten Sie mir, daß ich da etwas aus meiner Praxis spreche. Ich komme bei meiner dienstlichen Tätigkeit mit diesen Leuten zusammen. Ich denke dabei beispielsweise an die vielen Zeitungsträgerinnen - um nur eine Gruppe herauszunehmen -, die am frühen Morgen diese Arbeit tun, um tagsüber bei ihren Kindern sein zu können, die aber auf diese 120 oder 130 oder 140 DM im Monat einfach nicht verzichten können, weil sie sie zum Familienunterhalt dringend benötigen. ({7}) Praktisch würden also alle diese Mütter und Familien bestraft werden, wenn ihre zweiten Kinder nach dem hier vorgelegten Gesetz vom Kindergeld ausgeschlossen würden. Durch die im Gesetzentwurf vorgesehene Einkommensgrenze würde erstmals - ich betone das - in die Familienpolitik das Bedürftigkeitsprinzip hineinkommen. Namens der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion möchte ich Sie nachdrücklichst davor warnen, diesen Weg zu gehen. ({8}) Das hat wahrlich nichts mehr mit einer fortschrittlichen Familienpolitik und mit einem guten Familienlastenausgleich zu tun. Meine Fraktion wird mit allem Nachdruck gegen ein solches sozial rückschrittliches Vorhaben eintreten. Wir haben dabei die Hoffnung, aus Ihren Reihen, meine Herren und Damen von der CDU/CSU-Fraktion, noch einige Mitstreiter zu bekommen. Darf ich in diesem Zusammenhang den Herrn Bundesfamilienminister an die Erklärung erinnern, mit der er am 14. Oktober 1954 die Ablehnung der Einführung von Einkommensgrenzen als Voraussetzung für die Kindergeldgewährung vor diesem Hohen Haus begründete. Mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten darf ich hier zitieren: Die Bundesregierung lehnt es mit aller Entschiedenheit ab, unsere Familienpolitik zu einer Politik des Mitleids mit den „armen Leuten mit den vielen Kindern" stempeln zu lassen. ({9}) Ich stelle fest, daß jeder derartige Versuch ein Angriff auf die familienpolitische Grundkonzeption der Bundesregierung ist. ({10}) - Einen kleinen Moment, Herr Familienminister! Lassen Sie mich das Zitat zunächst zu Ende bringen! Solange ich die Verantwortung für die Grundlinien dieser Familienpolitik trage, - so sagten Sie weiter, Herr Minister werde ich jedem Versuch, in längst überholte Mitleidstheorien zurückzufallen, mit allem Nachdruck entgegentreten. Bitte schön, Herr Minister.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Icherteile Ihnen das Wort.

Dr. Franz Josef Wuermeling (Minister:in)

Politiker ID: 11002570

Verehrte Frau Kollegin, ist Ihnen nicht bewußt, daß die Festlegung dieser Einkommensgrenze nicht den Zweck verfolgt, zu differenzieren zwischen den Familien mit größeren und kleineren Einkommen, sondern umgekehrt über das Kindergeld den Empfängern von kleinen Einkommen das gewährt werden soll, was die Empfänger von höheren Einkommen jetzt bereits auf dem Weg über die Steuer haben? Halten Sie es nicht für ein Gebot der Gerechtigkeit, den Empfängern kleiner Einkommen nicht länger vorzuenthalten, was man den Empfängern großer Einkommen bisher schon über die Steuer zugestanden hat? ({0})

Clara Döhring (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000395, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, wenn ich hierauf eine Antwort geben wollte, ({0}) müßte ich sehr weit zurückgreifen. Ich müßte Ihnen nämlich vor allen Dingen zunächst sagen, daß Sie diesen Standpunkt nicht immer vertreten haben. Das wäre Nummer eins. Aber nun Nummer zwei: es ist zu bedenken, daß gerade beim Dritt- und Mehrkindergeldgesetz alle ohne Einkommensbegrenzung berücksichtigt worden sind. Das war der richtige Standpunkt in der Familienpolitik. ({1}) Ich stelle deshalb die Frage an Sie, Herr Bundesfamilienminister Dr. Wuermeling: Sind Sie bereit - und das schließt sich jetzt an das an, was ich zi8888 Frau Döhring ({2}) tiert habe -, das, was Sie seinerzeit unter dem Beifall Ihrer Fraktion vor diesem Hohen Hause feierlich erklärt haben, auch zu tun und mit uns gemeinsam der Einführung von Einkommensgrenzen bei der Kindergeldgesetzgebung entgegenzutreten? Ich stelle diese Frage an Sie, Herr Bundesfamilienminister, weil wir wissen, daß der für diese Gesetzesvorlage federführende Bundesarbeitsminister, Herr Blank, seine Bereitschaft zur Einbeziehung der Zweitkinder ausdrücklich an die Bedingung geknüpft hat, daß Einkommensgrenzen festgesetzt werden. Das bedeutet also, daß Sie sich, Herr Familienminister, auch bei dieser wichtigen Sache nicht durchsetzen konnten; leider! Das bedauern wir Sozialdemokraten aufrichtig.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Gestatten Sie eine Zusatzfrage? - Bitte, Herr Minister!

Dr. Franz Josef Wuermeling (Minister:in)

Politiker ID: 11002570

Ist Ihnen nicht bekannt, verehrte Frau Kollegin, daß von mir die Forderung nach Realisierung dessen, was in diesem Gesetz steht, seit mindestens anderthalb Jahren immer wieder propagiert worden ist?

Clara Döhring (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000395, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, da muß ich ehrlich gestehen: in dieser Deutlichkeit, daß Sie das Zweitkindergeld von einer Einkommensgrenze abhängig machen wollen, ist das in der Presse noch nie zu lesen gewesen. ({0}) - Negativsteuer? Das ist ein ganz anderes Problem, Herr Stingl; darauf wollen wir hier jetzt lieber nicht eingehen. ({1}) - Da müßten wir sehr weit ausholen, Herr Stingl. ({2}) Gestatten Sie mir, nun einmal kurz aufzuzeigen, welche verwaltungstechnischen Schwierigkeiten sich bei der beabsichtigten Einführung einer Einkommensbegrenzung ergeben. Vor der Gewährung von Kindergeld muß die Kindergeldkasse, soweit die Gewährung von Zweitkindergeld für die ersten sechs Monate eines Kalenderjahres in Betracht kommt, bei allen antragstellenden Personen, die zwei und mehr Kinder haben, feststellen, wie hoch das Einkommen im vorletzten Jahr war. Von diesem Einkommen soll die Kindergeldkasse den im Lohnsteuer-Jahresausgleich nachträglich berücksichtigten steuerfreien Jahresbetrag sowie den nach § 3 Ziffer 17 des Einkommensteuergesetzes steuerfreien Teil des Weihnachtsgeldes abziehen. Hinzuzurechnen ist dann der auf der Lohnsteuerkarte eingetragene Jahreshinzurechnungsbetrag. Die Kindergeldkasse hat dann zu prüfen, ob beide Ehegatten im Berechnungsjahr Arbeitseinkommen hatten. Sie hat gegebenenfalls beide Einkommen zusammenzurechnen und diesen Betrag dann um jenen Betrag zu kürzen, der in § 9 a Ziff. 1 und § 10 c Ziff. 1 des Einkommensteuergesetzes bezeichnet ist. Dabei ist des weiterenvon der Kindergeldkasse zu prüfen, ob der letztgenannte Betrag höher ist als der Arbeitslohn des Ehegatten, der einen niedrigeren Arbeitslohn hat. Für die zweite Jahreshälfte, nämlich für die Monate Juli bis Dezember eines jeden Kalenderjahres, ist diese Berechnung für alle antragstellenden Personen mit zwei und mehr Kindern noch einmal durchzuführen, und zwar unter Zugrundelegung der entsprechenden Beträge für das vorangegangene Jahr. Ein solches nach unserer Auffassung völlig überflüssiges und bürokratisches Verfahren, wie es die komplizierte Anwendung einer Einkommensgrenze nun einmal bedingt, erfordert ja auch einen enormen Verwaltungsaufwand. Die Regierung selbst beziffert diesen Aufwand in ihrer Begründung zum Gesetzentwurf auf rund das Doppelte des Betrages - wenigstens für die Anlaufzeit -, den die Familienausgleichskassen heute für die Auszahlung von Kindergeld an dritte und weitere Kinder benötigen. Zur Rechtfertigung ihrer Auffassung führt die Regierung an - der Herr Bundesarbeitsminister hat es hier ausgeführt -, daß die Bezieher von Einkommen über 550 bzw. 566 DM bereits steuerliche Vergünstigungen in Höhe von 28 DM und mehr pro Monat für das zweite Kind bekommen. Herr Bundesarbeitsminister und meine Herren und Damen von der Regierungspartei, dieses Argument kann nicht überzeugen; denn bekanntlich erhalten auch die Bezieher von Einkommen unter 550 DM steuerliche Ermäßigungen für die zweiten Kinder, wenn auch diese Vergünstigungen mit den niedrigeren Einkommen geringer werden und dann bei rund 450 oder 460 DM ganz zusammenschrumpfen. Die Schwierigkeiten und bedenklichen Auswirkungen, die die Einführung von Einkommensgrenzen in der Kindergeldgesetzgebung mit sich bringt, zeigen sich insbesondere bei der Vorschrift des § 2 Abs. 6 des Gesetzentwurfs. Danach ist bei der vorgesehenen Einkommensprüfung das Einkommen einer Person, mit der der Anspruchsberechtigte in eheähnlicher Gemeinschaft lebt, ebenso zu berücksichtigen wie das Einkommen des Ehegatten. Das bedeutet doch in der Praxis, daß die Kindergeldkasse verpflichtet ist, jede alleinstehende Frau und jeden alleinstehenden Mann, d. h. auch jede Verwitwete und jeden Verwitweten, auch die geschiedenen und überhaupt ,die alleinstehenden Personen, soweit sie nach diesem Gesetz anspruchsberechtigt würden, daraufhin zu kontrollieren, ob etwa eine eheähnliche Gemeinschaft besteht, aus der die Einkommen zusammenzurechnen wären. Es wäre interessant, einmal von der Regierung zu erfahren, wie sie sich die Durchführung dieser neuen, dem Fürsorgerecht entnommenen Bestimmung eigentlich vorstellt. Nach dem Gesetzentwurf werden aber nicht nur alle Familien mit Einkommen über 550 bzw. 566 DM im Monat von ,der Leistungsberechtigung für das zweite Kind ausgeschlossen, sondern auch alle Empfänger von Sozialleistungen. Hier wollen Sie den bisher beschrittenen falschen Weg konsequent weitergehen. Das bedauern wir. ({3}) Frau Döhring ({4}) Wir bedauern sehr, daß Sie auch bei der Gewährung von Zweitkindergeld diese Personengruppen unberücksichtigt lassen wollen. Meine politischen Freunde und ich hoffen, daß wir bei ,den Ausschußberatungen auch in dieser Hinsicht zu einem besseren Gesetzentwurf kommen werden. ({5}) - Aber Herr Minister, das bekommen sie doch für eingezahlte Beiträge! Kindergeld soll darüber hinaus vom Bund gezahlt werden. Das wollen wir doch endlich einmal hier feststellen. ({6}) - Ach, die Bundeszuschüsse werden jedes Jahr weniger. Es steht fest, daß diese Sozialleistungen auf Beiträgen ,der versicherten Verstorbenen, soweit es sich um Waisenkinder handelt, beruhen. Das können Sie mir doch nicht abstreiten. ({7}) Aus all den dargelegten Gründen wird die Einführung von Einkommensgrenzen in die Kindergeldgesetzgebung von uns Sozialdemokraten grundsätzlich abgelehnt. Bei der Gewährung von Kindergeld für ,die Dritt- und Mehrkinder haben Sie selbst, meine Herren und Damen von der Regierungspartei, die Einführung von Einkommensgrenzen für falsch gehalten. Daß jetzt beim Kindergeld für Zweitkinder das Bedürftigkeitsprinzip auf einmal richtig sein soll, ist uns unverständlich und den betroffenen Familien auch. Wenn Sie, meine Herren und Damen von der CDU/CSU, bei dem bleiben sollten, was der Gesetzentwurf vorsieht, so würden Sie der Familienpolitik einen denkbar schlechten Dienst erweisen. Nun noch einige Bemerkungen zu den Fragen der Organisation. Der Gesetzentwurf sieht vor, daß neben den bei den Trägern der Unfallversicherung geschaffenen Familienausgleichskassen nun auch Kindergeldkassen bei ,den Arbeitsämtern errichtet werden sollen, die für die Zweitkinder zuständig sind. Es sollen also für Familien, die mehr als zwei Kinder haben, zwei verschiedene Organisationen zuständig sein. ({8}) Das ist wahrlich eine groteske Situation! Es ist kein vernünftiger Grund für diese Zweigleisigkeit ersichtlich, und es wäre in der deutschen Sozialgeschichte einmalig, daß zwei Organisationen für die gleiche soziale Leistung zuständig sind. Das bedeutet übrigens auch eine doppelte Verwaltungsarbeit. Hier zeigen sich die mangelnden Vorarbeiten. Man kommt jetzt in der letzten Runde mit einem Gesetz, das hoppla-hoppla noch vorgelegt wird, obwohl die Bundesregierung schon lange beauftragt war, diese Neuregelung vorzulegen; darauf komme ich noch kurz. Herr Kollege Winkelheide, Sie haben von den Familienausgleichskassen immer als „klassischer Lösung" gesprochen, während wir früher die Auszahlung durch die Finanzämter vorgeschlagen haben. Entweder haben sich diese Familienausgleichskassen, wie Sie es immer behaupten, gut bewährt, dann müßten Sie logischerweise auch die Auszahlung des Kindergeldes für die zweiten Kinder dieser Organisation übertragen; oder aber, das System der Familienausgleichskassen ist unzweckmäßig oder hat sich festgefahren, dann müßte das System abgeschafft werden und eine Einrichtung mit der Durchführung für alle Anspruchsberechtigten beauftragt werden. ({9}) - Gewiß, der Herr Bundesarbeitsminister hat das angedeutet, und wir hoffen sehr, daß wir in den Ausschußberatungen dahin kommen, daß wir kein Präjudiz schaffen. Zwei Organisationen nebeneinander für ein und denselben Gesetzesbereich, das, meine Herren und Damen von der CDU/CSU, ist verwaltungstechnischer Unsinn. Diese Frage muß nach Auffassung meiner Fraktion bei den Ausschußberatungen gründlich überlegt werden, damit etwas Sinnvolles zustande kommt. ({10}) - Nein; das habe ich auch nicht behauptet. ({11}) - Ich habe nur behauptet, daß in diesem Gesetzentwurf schon die Lösung hätte sein müssen, zu der vom Bundestag am 26. Februar 1959 einstimmig der Auftrag erteilt worden ist. ({12}) Ebenso wie bei der Organisation ist die Regelung der Finanzierung zweigleisig; ich habe es schon kurz angedeutet. Während die Mittel für das Kindergeld für Zweitkinder vom Bund aufgebracht werden - wir begrüßen es sehr, wie ich anfangs schon sagte, daß Sie hier auf unsere Linie eingeschwenkt sind -, soll nun das Kindergeld für Dritt- und Mehr-Kinder weiterhin aus den Beiträgen der Selbständigen finanziert werden. Ich betone: Wir begrüßen es sehr, daß Sie nunmehr die grundsätzliche Ablehnung der Finanzierung des Kindergeldes aus allgemeinen Steuermitteln aufgegeben haben. Wie seltsam muten doch angesichts des jetzt vorgelegten Gesetzentwurfs die Worte an, mit denen Sie, Herr Familienminister, am 2. Juli 1954 im Bayerischen Rundfunk Ihre damalige dogmatische Auffassung begründet haben. Das Kindergeld - so sagten Sie soll bei uns nicht als Staatsalmosen aus Steuermitteln, sondern als Rechtsanspruch aus Arbeitsleistung gewährt werden. Wir beglückwünschen Sie zu der Umkehrung Ihrer Auffassung, nämlich zu unserer Auffassung. ({13}) Frau Döhring ({14}) Es ist gut und einer vernünftigen Politik des Familienlastenausgleichs nur dienlich, wenn Sie jetzt derlei Argumente zum alten Eisen legen und Ihre Bedenken gegen die Finanzierung von Kindergeld aus allgemeinen Steuermitteln zurückgestellt haben. Allerdings ist, wie ich schon sagte, noch nicht klar, wie Sie die Finanzierungsfrage bei der angekündigten Reform der Kindergeldgesetzgebung regeln wollen. Wir dürfen Sie vielleicht bitten, sich hierzu auch noch deutlicher zu äußern, entweder hier oder im Ausschuß. Mit Bedauern müssen wir aber feststellen, daß die Bundesregierung den ihr vom Bundestag am 26. Februar 1959 einstimmig erteilten Auftrag nicht ausgeführt hat. Nach diesem Auftrag hatte die Bundesregierung eine Untersuchung über das Ausmaß der besonderen Belastungen lohnintensiver Betriebe vorzunehmen. Auf Grund der Ergebnisse dieser Untersuchung sollte ein Gesetzentwurf vorgelegt werden, der die ungleichmäßige Belastung besonders bei der Aufbringung der Mittel beseitigt. Am 3. Februar 1960 hatte die Bundesregierung hier vor diesem Hohen Hause noch einmal versprochen, diesen Auftrag baldigst zu erfüllen. Aber dieser Gesetzentwurf sieht, wie gesagt, nichts davon vor; der Auftrag ist nicht erfüllt. Wir stellen mit Bedauern fest, daß es bei der ungerechtfertigten Belastung der Klein- und Mittelbetriebe und der Selbständigen hinsichtlich der Dritt- und Mehrkinder zunächst bleiben soll. Diese Nichterfüllung des Auftrags und diese Nichteinhaltung der Zusage der Regierung bedauern wir Sozialdemokraten außerordentlich. Abschließend möchte ich noch einmal auf die Kardinalfrage bei diesem Gesetzentwurf zurückkommen. Die Festsetzung einer Einkommensgrenze für die Gewährung von Kindergeld bedeutet nach Auffassung der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion die Einführung eines gewissen Fürsorgeprinzips in den Familienlastenausgleich, und das, meine Herren und Damen von der CDU/CSU, ist nicht gut; das hat mit einer sinnvollen Familienpolitik durchaus nichts zu tun. ({15}) Unsere Familien wollen keine Bedürftigkeitsprüfungen und Einkommensprüfungen, sondern einen gerechten Familienlastenausgleich. ({16})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Spitzmüller.

Kurt Spitzmüller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002202, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Zum fünften Male im 3. Deutschen Bundestag beschäftigen wir uns in einer Debatte mit der gesetzlichen Regelung des Kindergeldes, und noch immer nicht handelt es sich um ein Kindergeldschlußgesetz. Die das Haus trennenden Probleme werden in diesem Gesetzentwurf zwar nicht direkt angesprochen, bleiben aber im Raum stehen. Wir Freien Demokraten stellen jedoch mit Befriedigung fest, daß die Bundesregierung und die sie tragende CDU-Mehrheit erstmals bereit sind, Verbesserungen der Kindergeldgewährung einzuführen, ohne die neue Last, die entsteht, auf die Schultern der selbständig Tätigen zu legen. Das ist ein Fortschritt. ({0}) - Ja, aber nicht direkt. - Das ist ein Fortschritt, und dazu möchten wir Ihnen, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, recht herzlich gratulieren, daß Sie, wenn auch spät in dieser Wahlperiode, sich den jahrelang von der Opposition vertretenen Anschauungen genähert haben. ({1}) Wir wollen jedoch nicht übersehen, daß die Regierung, daß der Herr Arbeitsminister, daß Sie, meine Damen und Herren von der CDU, es mit als Ihre Aufgabe in diesem 3. Deutschen Bundestag angesehen haben, bei der Neuregelung des Kindergeldgesetzes zu erreichen, daß die mittelständische Wirtschaft entlastet wird. Hiervon ist in diesem Entwurf keine Rede. Der Entschließungsantrag der Christlich-Demokratischen Union vom Februar 1959 bleibt also leider Makulatur. Aber ich möchte hier auch sagen, daß wir von der offenen Art, wie der Herr Bundesarbeitsminister seine Ansichten dargelegt hat, sehr beeindruckt sind. Er hat zweifellos neue Ansatzpunkte gegeben, über die man sich unterhalten kann. Mit dem Willen, zur objektiven und sachlichen Zusammenarbeit zu kommen, wird man manchen Ansatzpunkt für weitere Gemeinsamkeiten finden. Leider ist die Frage der Aufbringung in diesem Entwurf das einzige, was wir als besonders positiv herausstellen können. Diese Millionen Kindergeldzahlungen werden aus allgemeinen Steuermitteln fließen. So müssen wir sagen: die harte Diskussion 'im Dezember 1958 und im Februar 1959 hat doch noch, wenn auch etwas spät, ihre Früchte getragen, nicht zuletzt sicherlich auch dank der Stellungnahme der öffentlichen Meinung, der Presse. Was uns in dem vorliegenden Gesetzentwurf ebenfalls befremdet, ist die Zweigleisigkeit, die in der Kindergeldgewährung eingeschlagen wird. Es ist nämlich nicht ersichtlich - hier muß ich Sie, Herr Kollege Ruf, mit Ihrem Zwischenruf packen; Sie haben gesagt: Die Weichen sind gestellt! -({2}) - Das kann man aus dem Gesetzentwurf leider nicht ersehen. Ich komme noch darauf. ({3}) - Ja, ja, lassen Sie mich nur zu Ende kommen. Bis jetzt kann ich darin nur einen Gesetzeszwitter sehen, bei dem man nicht weiß, was am Ende herauskommt. ({4}) Soll hier ein Ansatz für eine gesamte Übernahme der Leistungen aus Etatmitteln geschaffen werden, oder soll hier nur eine Übergangslösung, sagen wir einmal, bis einige Monate nach der Wahl getroffen werden, um dann wieder in das unerfreuliche System der lohnbezogenen Abgaben einzuschwenken? Darüber sagt nämlich der § 9 nichts aus. Ich möchte hier nachdrücklich erklären: wer zu diesem Gesetzentwurf mit all seinen Listen und Tücken ja sagen soll, muß auf diese Fragen eine sehr eindeutige Antwort haben. Einmal müssen wir wissen, wie die Weichen gestellt werden sollen. Gilt das, was Herr Minister Wuermeling im Zentralorgan des Familienbundes der deutschen Katholiken geschrieben hat, nämlich: „ein neuer Schritt, dem später weitere folgen müssen", also der Beginn eines Familienlastenausgleichs aus allgemeinen Steuermitteln als Kompensation zum Leistungslohn, der sich bekanntlich nicht an den Familienverhältnissen orientiert, oder gilt das, was der Herr Minister Blank ausgeführt hat, nämlich: „Kindergeld für Zweitkinder, wo die Einkommenslage der Familie es erfordert"? Der Gesetzentwurf sagt über den weiteren Weg Ihrer Vorstellungen nichts aus. Wir wären sehr dankbar, wenn wir darüber eine Auskunft bekämen. ({5}) Herr Minister Wuermeling - d. h. der Herr Abgeordnete Wuermeling; denn er saß ja auf seinem Abgeordnetensitz - hat hier in die Debatte geworfen, daß das doch lediglich eine Herstellung der Gerechtigkeit sei, indem die Familien, die den Steuerfreibetrag nicht ausnützen könnten, ihn auf eine andere Art und Weise bekämen. Das hört sich zunächst recht schön an. ({6}) Wir werden darüber im Ausschuß einige grundsätzliche Betrachtungen anstellen müssen. Wo kommen wir hin, wenn das Schule macht? Wo kommen wir hin, wenn wir all den Leuten, die gewisse Steuerfreibeträge nicht ausnützen können, die Gelegenheit dazu über ein anderes Gesetz geben? ({7}) Im Sinne der Gerechtigkeit, die Sie, Herr Minister Wuermeling, angeführt haben, müßten wir dann all jene armen Schlucker, die wegen ihrer Einkommenslage nicht all die Möglichkeiten, beispielsweise des § 7 des Einkommensteuergesetzes, ausschöpfen können, auch in irgendeiner Form im Sinne der Gerechtigkeit zum Zuge kommen lassen. ({8}) Wir müssen hier vom Grundsätzlichen ausgehen. Das Wort Negativsteuer ist nicht gefallen. Mit Recht hat sich jedoch damals bei der Debatte über die Große Anfrage der SPD der Kollege Dr. Dresbach sehr entschieden gegen die Verwendung dieses Wortes - in welcher Form auch immer - gewandt; er hat den Nagel auf den Kopf getroffen. Herr Minister, Sie haben vorhin bei der Rede der Kollegin Döhring durch einen Zwischenruf zum Ausdruck gebracht, daß Sie seit eineinhalb Jahren das vertreten hätten, was in dem Gesetzentwurf niedergelegt ist. Ich habe die Angewohnheit, mir vieles von dem, was Sie schreiben, zu Gemüte zu führen. Ich muß feststellen, daß Sie im „Rheinischen Merkur" vom Oktober 1959 davon nichts gesagt haben. Dort haben Sie lediglich ausgeführt: „Hierbei sollte dann auch die Frage des Kindergeldes für die Zweitkinder ihre Lösung und Befriedung finden." Wie soll diese Lösung und Befriedung aussehen? Ist das eine Übergangslösung, und wie soll die Endlösung aussehen? Das müssen wir wissen, denn wir können uns leider Gottes hier nicht mehr auf Ministerversprechungen einlassen. Ich möchte hier nicht das ganze Geschehen Revue passieren lassen, sonst passiert es mir, daß mir der Kollege Horn sagt, er wolle mit mir keinen Skat spielen, denn ich sei ein alter Zurückkarter, und mit solchen Leuten solle man sich nicht zum Skat oder Doppelkopf an einen Tisch setzen. Wir wollen jedoch ganz klar herausstellen, daß im Oktober 1960 bei der Debatte über die Große Anfrage der Herr Minister Blank erklärt hat, im interministeriellen Ausschuß sei man nun so weit, daß nur noch abschließende Formulierungen ausständen; dann besitze man eine geeignete Grundlage für weitere Entscheidungen. Aus der Begründung dieses Regierungsgesetzes müssen wir nun staunend vernehmen, daß diese abschließenden Formulierungen offensichtlich noch nicht gefunden worden sind. In der Begründung heißt es nämlich: Die hiermit zusammenhängenden Fragen, insbesondere die Regelung der Aufbringung der Mittel nach Übernahme der Kindergeldleistungen für die dritten und weiteren Kinder durch die Kindergeldklassen bedürfen jedoch noch eingehender Prüfung, die bis zum Ablauf der gegenwärtigen Legislaturperiode nicht mehr abgeschlossen werden kann. Der Entwurf behält deshalb die Übertragung ... einem besonderen Gesetz vor. Zum erstenmal hat der Herr Minister Blank im Februar 1959 die Erklärung abgegeben, daß er sich mit aller Energie mit seinen Männern an diese Arbeit machen wolle, um auf diese Weise eine einheitliche Kindergeldgesetzregelung sicherzustellen. Heute muß er uns erklären: Wir müssen das dem 4. Deutschen Bundestag überlassen. Bei aller Würdigung der Offenheit, mit der Sie uns heute die Dinge dargelegt haben, Herr Minister, können wir uns auch bei einer milden Beurteilung Ihres Verhaltens nicht des Eindrucks erwehren, daß Sie bei der Abfassung der Gesetzentwürfe, für die Ihr Haus zuständig ist, etwas von der Vorstellung ausgehen, daß die Vollbeschäftigung des nächsten Bundestages schon heute garantiert werden müsse. Sie kündigen hier an, der 4. Bundestag werde sich nicht nur mit der Krankenversicherungs- und der Unfallversicherungsreform, sondern auch mit der grundsätzlichen Neuregelung des Kindergeldes zu beschäftigen haben. Sehr geehrter Herr Minister, mit diesem Kindergeldgesetz schaffen Sie eine neue Institution, und zwar nach unserer Meinung beim falschen Amt. Sie schlagen hier - aus welchen Gründen auch immer - eine Kindergeldregelung für einen Teil der Zweitkinder vor. Dabei kommen Sie in etwa in die Nähe des Fürsorgeprinzips und der Bedürftigkeitsprüfung; ich komme noch darauf zu sprechen, was Sie hier sehr Wichtiges dazu gesagt haben. Dabei wäre doch die Unterbringung beim Finanzamt viel eher möglich. Sie haben die Gründe angeführt, die dagegen sprechen. Aber seien wir uns im klaren: wenn man geschlossen in diesem Hause den Willen hat, die Einschaltung des Finanzamtes durchzubringen, dann kann man das; nur gehört dazu der geschlossene Wille des Hauses, einem sich bedenklich breitmachenden Föderalismus auch einmal tatkräftig entgegenzutreten. ({9}) - Den können wir ja überstimmen, wenn wir geschlossen auftreten. ({10}) - Wir können uns ja zu einem Kraftakt aufraffen, Herr Minister, wenn es um die Familien geht. ({11}) - Aber, Herr Minister, wieso sind denn hier verfassungsrechtliche Bedenken? Das glaube ich nicht. Sie sollten als Familienminister, wenn es um die Familienpolitik geht, einmal vom Bund her Kraft zeigen. Da sollte gerade der Familienminister nicht gleich Bedenken haben, sondern sollte einmal überprüfen, wieweit man so etwas durchzusetzen vermag. ({12}) - Aber, Herr Minister, warum denn gleich so bedenklich! Ich meine, ausgerechnet Sie sollten versuchen, recht kräftig mitzuziehen, um zu einem einheitlichen Ergebnis zu kommen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir sind der Meinung, daß die Lösung, die gerade hinsichtlich der Einkommensbegrenzung etwas zweifelhaft ist, beim Finanzamt sicherlich besser untergebracht wäre. Der Herr Minister hat erklärt, daß einer Finanzamtslösung einiges entgegenstehe. Nun, man Wird das im Ausschuß zweifellos prüfen und dann zu einem abschließenden Ergebnis kommen. Wir können zu diesem Gesetz insonderheit dann nicht ja sagen, wenn die Regierung nicht ganz klar erklärt, wohin die Reise nach der Durchführung dieser Übergangsregelung gehen soll; denn wir können - das, Herr Minister werden Sie wohl einsehen - keinen Blankoscheck querschreiben. Das wäre von uns zuviel verlangt. Wir können hier an einem Strang nur ziehen, wenn wir wissen, was auf diesem Wechsel für die Zukunft der Kindergeldgestaltung steht. Dann können wir uns vielleicht entschließen, mit Ihnen diesen Wechsel für den nächsten Bundestag querzuschreiben. Wir sind der Meinung, noch ist es Zeit, im Ausschuß die Weichen richtig zu stellen. Die von Ihnen vorgesehene Regelung schafft weder Klarheit für die Zukunft, noch schafft sie Gerechtigkeit für die Gegenwart, und wir müssen diese Lösung deshalb selbst als Zwischenlösung ablehnen. Wir sollten uns im Ausschuß in kollegialer Zusammenarbeit dazu aufraffen, nicht einen halben, sondern einen ganzen Schritt zu tun. ({13})

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Das Wort hat Herr Abgeordneter Winkelheide.

Bernhard Winkelheide (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002526, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident Meine Damen und Herren! Die CDU/CSU-Fraktion bejaht den Entwurf. Herr Kollege Spitzmüller, Sie haben gesagt, dieser Entwurf bringe keine volle Klarheit. Er stellt aber - was wir in Zwischenrufen schon bekräftigt haben - doch ganz kräftig die Weiche. Zweitens ist die Weiche derart gestellt, daß Ihre Sehnsucht danach, daß das Geld aus allgemeinen Steuermiteln kommt, im Ansatz zunächst einmal in Erfüllung geht. Wenn Sie, Herr Kollege Spitzmüller, den Ausführungen des Herrn Arbeitsministers gefolgt wären, hätten Sie hören müssen, daß er einen Entwurf zu einer Ganzheitslösung, zu einer Ganzheitsreform ausgearbeitet hat, daß er aber auf Schwierigkeiten gestoßen ist. Wir könnten uns im Ausschuß einmal darüber unterhalten - ich befasse mich schon jahrelang mit diesem Problem -, daß für eine totale, umfassende Lösung eine Reihe von Gesetzen geändert werden müßte. Dann müßte das Kindergeld, auch wenn es vom Finanzamt käme - was eine sehr schlechte Lösung ist -, die Priorität vor allem anderen Kindergeld haben, das nach x Gesetzen - einschließlich der Regelung für den öffentlichen Dienst - gezahlt wird. Das kann man nicht mit einer Handbewegung abtun, Herr Kollege Spitzmüller. Das Gebiet ist viel komplexer und viel interessanter. Dann will ich Ihnen noch eines sagen. Wenn Sie das ganze auf den Staat verlagern, könnnen Sie auch noch einen Volkswirtschaftler daransetzen, der auf Grund unserer Steuergesetzgebung folgendes berechnet: Wenn ein Familienvater 50 DM Kindergeld erhält, zahlt er durch die allgemeinen Abgaben auf Grund der Größe seiner Familie - Umsatzsteuer! - einen ganz dicken Batzen des Geldes, das er vom Staat erhält wieder zurück. So einfach sind die Probleme nicht zu lösen. Es gibt keine ideale Lösung. Wir sollten die Lösung in der Form suchen, daß wir die Kindergeldregelung kontinuierlich weiterentwickeln. In diesem Sinne begrüßen wir das Gesetz in der Form, wie es uns hier vorgelegt worden ist. Es stellt zumindest einen Akt der Weiterführung, einen Akt der Weichenstellung dar. Was Sie gesagt haben, Frau Kollege Döhring, kannn ich Ihnen nicht abnehmen. Ich muß vielmehr sagen, daß dieses Gesetz auch einen Akt der Gerechtigkeit darstellt. Sehen Sie einmal, Frau Kollegin Döhring, - ({0}) - Entschuldigen Sie mal, Frau Kollegin Döhring, ich habe aus Ihren Reihen immer wieder das Wort gehört - ich will es nur sinngemäß anwenden -: Ihr Brüder aus der CDU, Ihr macht die Reichen reich und die Armen ärmer. - Das haben wir in so vielen Wendungen gehört. Ich will nicht behaupten, daß der, der 550 DM verdient, reich ist, aber ich will das Wort sinngemäß anwenden: Wir möchten nun der Familie, die 460 bis 550 im Monat verdient, die ein zweites Kind erhält, im Rahmen unserer Mittel helfen, und das ist ein Akt der Gerechtigkeit. Wenn Sie sagen, das ist es nicht, dann behaupten wir, es ist ein Akt der Gerechtigkeit. - Keine Zwischenfrage; ich lege jetzt erst einmal meine Meinung dar. - Es ist ein Akt der Gerechtigkeit, und die Familien draußen werden das als einen Akt der Gerechtigkeit empfinden, Frau Kollegin Döhring. Ich möchte Ihnen sagen, Frau Kollegin Döhring - ({1}) - Hören Sie mal auf! - Frau Kollegin Döhring, ich möchte Ihnen einmal sagen: Wenn wir Ihre Politik, die Sie seit zehn Jahren in der Frage des Kindergeldes betrieben haben - alles oder gar nichts -, geführt hätten, dann hätten wir heute noch kein Kindergeld und dann würden wir uns heute noch streiten. ({2}) Da wir aber die Verantwortung auf uns genommen haben, haben wir mindestens doch in den letzten Jahren der Familie jedes Jahr erheblich geholfen. Wissen Sie - Sie haben das so zwischen den Zeilen gesagt, ,ich will Ihnen als einer Dame gegenüber kulant sein -, Sie haben so getan, als wenn das alles gar nichts sei, was wir geleistet hätten. Wir zahlen in Deutschland, das sei der Öffentlichkeit einmal gesagt, in verschiedenen Sparten - öffentlicher Dienst, Familienausgleichskassen, in den verschiedenen Sozialversicherungszweigen - an Kindergeld, dazu an Steuerfreibeträgen im Rahmen des Lastenausgleichs Jahr für Jahr immerhin 4 Milliarden DM. Das sollten wir auch einmal nach dieser Seite hin werten. ' ({3}) Die Steuerfreibeträge sind doch ein unsichtbares Kindergeld. Nehmen Sie einmal Schweden, dort wird vom ersten Kind an Kindergeld gezahlt, aber dort gibt es keine Steuerfreibeträge für die Familie. So muß ich die Steuerfreibeträge als eine echte Hilfe für die Familie ansehen. Frau Kollegin Döhring, ich muß noch einiges mehr sagen, weil Sie hier so getan haben, als wenn das alles gar nichts sei, was geleistet worden ist. Sie haben ja nach zwölf Jahren in diesen Tagen die Familie entdeckt und im Godesberger Programm eine familienpolitische Konzeption entworfen. ({4}) Da muß ich Ihnen sagen: Zur Familienpolitik gehört nicht nur die Diskussion hier darüber, wie das Kindergeld am besten gestaltet wird, sondern dazu gehört auch ,die Sicherung der Freiheit. ({5}) - Ich heiße nicht Wuermeling, ich heiße Winkelheide. ({6}) Ich habe hier eine interessante Schrift, ({7}) - eine interessante Schrift, die „Neue Heimat". Da ist oben ein Panzer abgebildet, und daneben steht eine wunderbare, schöne Eigenheimsiedlung. Darunter ist zu lesen: „Mit dem Betrag, den ein schwerer Panzer kostet - bis 1,2 Millionen DM -, kann man auch 30 Einfamilienhäuser bauen." ({8}) Dann geht es weiter mit den Flugzeugen, mit den Werften und Schiffen usf. usf. Da muß ich sagen: Jawohl, der das ausgerechnet hat, der hat ganz gut gerechnet; aber wenn der Panzer nicht da wäre, könnte die Familie auch nicht in Freiheit leben und das Naturgesetz erfüllen! ({9}) Darum ist die Freiheitspolitik ein Anfang der Familienpolitik. Aber zur Familienpolitik gehört auch noch mehr: die Eigentumsbildung, der gesamte Wohnungsbau, die gesamte Steuerpolitik und dergleichen mehr. Da können Sie doch wohl nicht behaupten, daß Sie ,die erfolgreichste Partei in dieser letzten Legislaturperiode gewesen sind, sondern da ist die CDU/CSU die erfolgreichste Partei auf all diesen Gebieten geblieben. ({10}) Und nun, meine Damen und Herren, noch ein weiteres Wort zum Inhalt des hier vorliegenden Gesetzes. Dieses Gesetz bemüht sich - was ich bereits darzulegen versuchte und was der Herr Minister sehr gut erklärt hat -, keine Fürsorgegrenze einzuführen, sondern eine Einkommensgrenze. Ich möchte das Wort „Fürsorgegrenze" hier nicht in der Öffentlichkeit stehenlassen; dann geht morgen durch die Presse, das sei eine Fürsorgegrenze. Es ist vielmehr eine Einkommensgrenze, die, wie der Minister klargelegt hat, überall in vielen Gesetzen vorhanden ist. Denen unterhalb dieser Grenze zahlen wir das Kinderged zunächst einmal. Wenn wir dann im nächsten Bundestag, im 4. Deutschen Bundestag, den Schalthebel weiterstellen - das ist in der Begründung und in § 9 gesagt -, dann werden wir auch dort Überlegungen darüber anstellen, wie die weitere Finanzierung möglich ist und wie der gesamte Umbau erfolgen soll. Wenn wir dann alle wieder so zusammen sind wie heute, dann wird es ganz bestimmt auch eine gute Entwicklung nach der Seite hin geben. Ich will auf die einzelnen technischen Dinge nicht eingehen, das können wir im Ausschuß beraten. Ich meine auch, die erste Lesung ist nicht dazu da, daß wir in ihr die Ausschußberatung durchführen. Aber auf einige Ihrer Einwände möchte ich doch noch eingehen. Sie haben gesagt, daß wir nach dem Gesetz - da steht es auch geschrieben - ebenfalls das Einkommen der Frau ermitteln. Dann müssen Sie gerechterweise sagen: da ist auch noch eine Toleranzgrenze drin! Aber es ist ein Akt der Gerechtigkeit, vor allem gegenüber den Frauen, die viele Kinder haben und nicht arbeiten können. Wir würden die anderen Frauen begünstigen, wenn wir es nicht anrechneten. Das Einkommen muß mit einer Toleranzgrenze angerechnet werden. Wir vertreten die Auffassung - bei aller Würdigung der wirt8894 schaftlichen Situation der Familien heute -: der Platz der Frau und Mutter soll am häuslichen Herd und im Heim sein, und die wirtschaftlichen Verhältnisse sollen so sein, daß die Ehefrau nicht gezwungen ist, zu arbeiten. Darum soll das nicht noch attraktiver gestaltet werden. ({11}) - Wir könnten den Vergleich anstellen, das haben Sie oft getan, und in den Reden draußen wird es auch immer wieder getan. Gehen Sie einmal durch die Länder Europas und besehen Sie sich die Systeme in Europa! Da finden Sie, wenn Sie näher hinschauen, daß dort, wo für das erste, zweite und dritte Kind Kindergeld gezahlt wird, es die Familienausgleichskassen machen - kaum staatliche Lösungen -, und wenn Sie noch näher hinschauen, erkennen Sie, daß die Selbständigen ausgeschlossen sind; es gilt nur für den Kreis der Unselbständigen. Wegen der soziologischen und der gesamten Struktur haben wir auch die Selbständigen eingeschlossen. Wir haben in den anderen Zweigen das Kindergeld, das Sie immer nicht wahrhaben wollen. Es macht die Gesamtsumme von 4 Milliarden DM aus. Da können Sie die Forderung einfach nicht erheben: Zahlt für alle Kinder Kindergeld! Jedes Kind hat bei uns Kindergeld, entweder in barer Münze oder in Form eines Steuerfreibetrages. Das ist die Politik, die wir betrieben haben. Lassen Sie mich noch ein Wort sagen zu den Klagen, die Sie bezüglich der Einrichtung der zentralen Kasse haben. Sie haben mir das Wort, das ich damals hier bei der Verabschiedung des ersten Gesetzes gesagt habe - „klassische Lösung" - so nett vorgehalten. Das ist ganz schön. Ich habe mich nur gefreut, daß sehr viele Klagen beim Bundesverfassungsgericht eingereicht worden sind: das sei nicht verfassungsrechtlich und was weiß ich. Das Bundesverfassungsgericht hat die „klassische Lösung" bejaht. Das nur nebenbei. Wenn das die klassische Lösung gewesen ist, dann müßte die Familienausgleichskasse der alten Prägung, wie sie jetzt sechs Jahre gearbeitet hat, auch die Aufgabe der Auszahlung des Zweitkindergeldes übernehmen. Jetzt kommen zwei große Probleme auf. Die Beitragszahlung - dazu haben wir uns bekannt - ist so geregelt, daß allgemeine Bundesmittel genommen werden, um diese 500 Millionen DM zu decken. Wenn Sie aber den Familienausgleichskassen, die heute bestehen - 36 in der gewerblichen Wirtschaft, 18 in der Landwirtschaft -, öffentliche Mittel geben, dann müssen Sie auch den Verwaltungsapparat vergrößern, zwangsläufig, weil dann die ganze Komplikation des Bundesrechnungshofes dazutritt. Das ist also nicht durchführbar, auch personell nicht durchführbar, verwaltungsmäßig nicht durchführbar. Auf der anderen Seite haben wir nun einmal auch Erkenntnisse in den letzten 10 Jahren unserer Familienpolitik und der Beitragspolitik gewonnen, nämlich Erkenntnisse darüber, daß es in den letzten Jahren zu einer sehr großen Verschärfung zwischen den arbeits- und lohnintensiven Betrieben in unserer Wirtschaft gekommen ist. Das ist ein Faktum. - Herr Kollege, schütteln Sie nicht den Kopf! Wenn bei Ihnen die Erkenntnisse eher gekommen wären, hätte Professor Carlo Schmid auch eher die Rede halten können von der zweiten industriellen Revolution; die hat er ja auch erst später gehalten. Das sind doch Erkenntnisse, die in der dynamischen Wirtschaft liegen. Diesen Erkenntnissen von der Notwendigkeit der Erhaltung des Mittelstandes, der Wettbewerbsfähigkeit des Mittelstandes verschließen wir uns nicht. Darum konnten wir da keine Beitragserhöhungen vornehmen. Darum bestehen in der Übergangszeit - Herr Kollege Spitzmüller, das müssen wir nun einmal für eine Übergangszeit hinnehmen - zwei oder, wenn Sie wollen, sogar drei Systeme nebeneinander. Für das Zweitkind liegt die Einkommensgrenze bei 550 DM, wie aus der Ausschußvorlage hervorgeht. Darüber kann man noch miteinander reden, daß dort das Kindergeld von einer großen Zentralkasse gezahlt wird. Ich ziehe diese Zentralkasse allen Finanzämtern vor, weil sich dadurch eine Verbilligung ergibt. Ich habe dieser Tage einen Brief des Deutschen Gewerkschaftsbundes gelesen, in dem es heißt, die Familienausgleichs-Kassen alter Prägung hätten billiliger gearbeitet, als was hier an Verwaltungskosten von der Bundesregierung für die neue Anstalt angegeben worden ist. Nichts gegen die Finanzämter, aber sie arbeiten nicht so ganz billig. Darum sind wir für eine möglichst technische Löung, eine große Zentralkasse, in die nachher die anderen, die dritten und weiteren Kinder überführt werden. Dieses Auszahlungssystem wird eine klare Sache sein. Und wenn Sie sagen: „Hier und da habe ich die Meinung gehört..." - ja, Gott, das hat keine Beziehung! Die Leute, die Witze machen, haben hierzu auch einen Witz zu machen. Damals haben sie gesagt, das dritte Kind sei ein Unfall, und hier sagen sie nun, wir benutzten das Kindergeld zur Arbeitsbeschaffung für die Bundesanstalt. Wer Witze machen will, kann über jeden Gegenstand Witze machen. Eine innere Beziehung hat das Finanzamt zur Familienpolitik bestimmt nicht. Das Finanzamt hat da pychologisch nicht die Verankerung im Volk, weil das Finanzamt immer nimmt. ({12}) Der Mensch und die Familie wenden sich aber mehr an die Arbeitsverwaltung, wo sie beraten werden, wenn sie keine Arbeit haben. Da liegen ihre sozialen Beziehungen viel stärker. Darum sind wir für die Anlehnung an die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung. Das kann eine ganz gute Sache sein. Ich könnte noch mehr sagen, ich will es mir aber in dieser Stunde verkneifen. Ich habe mit einem Ihrer früheren Kollegen aus dem 1. Deutschen Bundestag über einen solchen Plan gesprochen. Alles, was jetzt an Lösungen und neuen Lösungsversuchen auf den Tisch kommt, ist nicht neu, hat alles schon einmal in der Diskussion gestanden, ist alles schon einmal dagewesen. Wir sind den Weg sukzessive gegangen, Zug um Zug. Darum bin ich dafür, daß die Institution geschaffen wird, daß sie zu arbeiten beginnt. Wir sollten uns im Ausschuß so schnell, wie es eben geht, darum bemühen. Wegen der Bedeutung dieses Gesetzes appelliere ich an alle. Das ist kein Wahlschlager; lesen Sie es in der Zeitung nach! Da habe ich dieser Tage gelesen: Man kann von vielen Gesetzen wohl sagen, daß sie einen Wahlanstrich haben, aber von dem Kindergeldgesetz kann man es nicht sagen, weil es sich seit 1957 in der Diskussion befindet. Also hat es mit der Wahl nichts zu tun. ({13}) Aber es hat mit dem Ende der Legislaturperiode zu tun. Darum appelliere ich an Sie von der SPD und der FDP: Machen wir im Sozialpolitischen Ausschuß ein paar Überstunden, damit wir ,das Gesetz unter Dach und Fach bekommen, damit das Kindergeld ausgeschüttet werden kann, damit wirklich denen Gerechtigkeit widerfährt, die Gerechtigkeit in dieser Welt und in den Familien verdienen! Meine Damen und Herren, ich darf im Namen der CDU/CSU-Fraktion beantragen, daß dieser Entwurf dem Ausschuß für Sozialpolitik und zur Mitberatung dem Haushaltsausschuß überwiesen wird, damit er recht bald beraten und recht bald zum Segen der Familien hier verabschiedet werden kann. ({14})

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Das Wort hat der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung. I Blank, Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur ein paar kurze Bemerkungen noch. Ich möchte nicht im einzelnen auf das eingehen, was die Diskussionsredner gesagt haben. Aber, Frau Döhring, ich muß hier doch eine Frage behandeln, weil sonst der Eindruck entstehen könnte, daß bei dem Entwurf dieses Gesetzes etwas völlig Neues, höchst Problematisches, wenn nicht gar sittlich Anfechtbares erfunden worden ist, nämlich die Bestimmung in § 2 Abs. 6, wonach das Einkommen einer Person, mit der der Berechtigte in eheähnlicher Gemeinschaft lebt, ebenso zu berücksichtigen ist wie das Einkommen eines Ehegatten. Diese Bestimmung ist wortwörtlich aus § 149 Abs. 5 AVAVG abgeschrieben worden, und wenn ich mich recht entsinne, haben Sie, meine Damen und Herren von der SPD, der Novelle, die im Jahre 1957 diese Bestimmung ins AVAVG brachte, zugestimmt. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 16. Dezember 1958 ausdrücklich festgestellt, daß diese Bestimmung mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Ich habe nur deshalb die Sprache noch einmal darauf gebracht, um das hier klarzustellen. Sie fragen, wie wir feststellen wollten, ob die Voraussetzung des § 2 Abs. 6 vorliegt. Ich antworte darauf: in genau derselben Weise, wie das schon bisher geschieht, wenn jemand Unterstützungen nach dem AVAVG beansprucht. Wir wollen eine solche Bestimmung, damit nicht wegen eines finanziellen Vorteils in die Onkelehe ausgewichen werden kann. Herr Kollege Spitzmüller, ich weiß gar nicht, womit ich soviel Wohlwollen Ihrerseits verdient habe. Sie haben gesagt, daß ich die Dinge mit Offenheit behandelt hätte. Nun, ich habe Ihnen doch ganz klar gesagt, daß es nicht möglich war, einen anderen Entwurf vorzulegen - ich hatte zwar einen erarbeitet -, weil die vielfältige Problematik, um die es geht, in der dem Bundestag noch zur Verfügung stehenden Zeit meiner Überzeugung nach nicht ausdiskutiert und nicht entschieden werden könnte. Diejenigen, Herr Kollege Spitzmüller, die ein Einkommen unter 550 DM im Monat haben und denen ich helfen will, hätten wenig Verständnis für diese Grundsatzdiskussion, weil sie ihretwegen bis zum nächsten Jahr hätten warten müssen; ({0}) denn vorher würde das Parlament ein Gesetz nicht verabschieden können. Deswegen habe ich eine pragmatische Lösung gesucht, keine Lösung nach der grundsätzlichen Seite hin. Wer aber meinen Ausführungne aufmerksam gefolgt ist, wird bemerkt haben, daß hier unter Aussparung von Problemen, die im Augenblick aus Zeitmangel noch nicht gelöst werden können, klar ein neuer Weg aufgezeigt wird. Denn keiner von Ihnen wird glauben, daß es eine Möglichkeit gibt, auf die Dauer zwei Systeme der Kindergeldgewährung nebeneinander laufen zu lassen. Wie man hier zu einer Lösung kommt, Herr Kollege Spitzmüller, darüber können wir im Augenblick keinen Wechsel ausstellen. Sie sagten, Sie seien nicht bereit, einen solchen Wechsel - und Sie gebrauchten meinen Namen, um den Ausdruck etwas farbiger zu gestalten - querzuschreiben. Herr Kollege Spitzmüller, darüber sollten Sie sich heute den Kopf noch nicht zerbrechen. Denn es ist ja noch nicht sicher, ob Sie demnächst Handlungsvollmacht auf dieser Bank haben werden. ({1}) Deshalb ist das eine unnütze Überlegung. Ich wollte Ihnen nur folgendes sagen. Es liegt doch klar auf der Hand, daß wir nicht mitten in einem laufenden Geschäftsjahr in die bisherige Form der Auszahlung des Kindergeldes eingreifen könnten. Das ist doch unmöglich! Infolgedessen müssen wir das die bisherigen Kindergeldkassen weiter betreiben lassen. Ich freue mich, daß ich noch einmal das Wort ergreifen konnte, um etwas nachzuholen, was ich vorhin versäumt habe; ich möchte nämlich an dieser Stelle, im Parlament, den Kindergeldkassen für die geleistete Arbeit danken, ({2}) danken dafür, daß sie bereit sind, diese Arbeit auch noch bis zur endgültigen Lösung - sicherlich über das nächste Jahr hinaus - zu leisten. Ich darf immerhin darauf hinweisen, daß wir 375 Millionen DM für die Einführung des Zweitkindergeldes aufwenden müssen und daß etwa 750 bis 800 Millionen DM, wenn nicht sogar mehr, gegenwärtig noch aus dem Beitragsaufkommen der Kindergeldkasse für die dritten und weiteren Kinder aufgebracht werden müssen. Bundesarbeitsminister Blank Natürlich haben wir die Frage untersucht, die das Parlament uns gestellt hat. Wir haben einen Bericht über die wirtschaftlichen Auswirkungen der gesetzlichen Sozialabgaben auf die lohnintensiven Mittel-und Kleinbetriebe erstellt. Das ist eine sehr umfangreiche, eine sehr ins Detail gehende Arbeit. Ich habe sie dem Kabinett mit der Bitte vorgelegt, es möge beschließen, das Ergebnis der Untersuchung dem Bundestag zuzuleiten; denn ich glaube, daß es falsch wäre, wenn ich von mir aus jetzt schon aus diesem Untersuchungsergebnis Konsequenzen ziehen wollte, ohne dem Parlament die Möglichkeit gegeben zu haben, sich mit dem Ergebnis der Untersuchung zu befassen. ({3}) Wenn ich alles zusammenfasse, so komme ich zu folgendem. Ich bin sicher, daß Sie, meine Damen und Herren, die Dinge in den Ausschüssen beraten werden. Ich bin auch sicher, daß diejenigen, die diese geringen Einkünfte haben, kein Verständnis für eine lange Grundsatzdebatte haben werden, sondern daß sie von uns erwarten, daß wir iihnen so bald als möglich helfen. Um so bald als möglich helfen zu können ({4}) - Augenblick, Herr Geiger -, werden sich meine Freunde des Vorwurfs Ihres Sozialexperten immer erinnern, der nämlich dahin ging: „Ihr hattet ja die Mehrheit!" Wir haben sie und werden sie anwenden. ({5})

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Das Wort hat Frau Abgeordnete Schanzenbach.

Marta Schanzenbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001941, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Arbeitsminister, wir wissen sehr wohl, daß Sie als CDU-Fraktion hier die Mehrheit haben. Wir wissen auch, daß Sie sie gebrauchen. Ich weiß nicht, ob das in einer Demokratie die beste Form des Miteinander, die beste Form für unser Volk ist. Aber wir müssen uns mit dem auseinandersetzen, was Sie uns nun bieten. Vorhin hat einer der Herren Kollegen gesagt, die SPD habe erst neuerdings die Familie entdeckt. Ich muß immer lächeln, wenn ich diese Redewendung von Ihnen höre. Vielleicht darf ich Ihnen - Sie sind ja alle keine heurigen Hasen in der Politik - sagen, daß wir Sozialdemokraten schon in einer Zeit für die Familie gesorgt haben, als sich Ihre politischen Vorfahren noch nicht im geringsten um den Vierten Stand gekümmert haben. ({0}) Von da an haben die Sozialdemokraten ununterbrochen bis zum heutigen Tage für soziale Gerechtigkeit gesorgt, und sie werden es weiter tun. Vorhin ist davon gesprochen worden, diese Vorlage sei keine umfassende und ideale Lösung, aber die Weichen sollten gestellt werden. Ich muß dazu sagen: es ist gerade das schlimme daran, daß hier zum zweitenmal die Weichen gestellt werden. Das erstemal waren sie falsch gestellt. Die Ergebnisse kennen wir. Jetzt sind wir wieder dabei, die Weichen falsch zu stellen. Verfolgt man die Debatte und auch das, was draußen über die Kindergeldgesetzgebung von den einzelnen Ministern unserer Regierung gesagt wird, so stellt man fest, daß das überhaupt keine Harmonie hat. Herr Minister Wuermeling ist in einer sehr schwierigen Situation. Es heißt, daß er die uns vorgelegte Konzeption jetzt angeblich seit anderthalb Jahren vertritt. Ich habe den Eindruck, daß es noch keine anderthalb Jahre her sind, Herr Wuermeling, seit Sie das Referat zum Thema der wirtschaftlichen Sicherung der Familie in der modernen Gesellschaft im Institut für Arbeitsrecht und Sozialpolitik in München gehalten haben. Ich möchte, weil ich glaube, daß das in dieser Debatte interessant ist, mit der Genehmigung des Herrn Präsidenten einen Absatz aus diesem Referat vorlesen. Es heißt - ich zitiere wörtlich -: Gerade eine wirtschaftliche Familienpolitik auf gesetzlicher Grundlage kann gar nicht anders als weitgehend generalisierend vorgehen. Das liegt nicht zuletzt auch im Interesse der Familie selbst, daß der Staat in die Familienpolitik nicht hineindirigieren darf. Es ist zudem zu bedenken, welch immenser Verwaltungsaufwand und welche deprimierenden Formularbekenntnisse notwendig wären, wollte man die Familie mit Kindern zur Feststellung ihrer speziellen Schutzbedürftigkeit auch nur nach einigen dieser Komponenten durchleuchten. Unsere Väter und Mütter müssen bewahrt bleiben vor solchen Versuchen einer buchstabenverhafteten Bürokratie und perfektionistischen Gesetzgebung - und der Steuerzahler vor dem, was das kosten würde. Herr Minister, ich bin durchaus mit dem einverstanden, was Sie hier vorgetragen haben, nicht aber mit dem vorgelegten Regierungsentwurf. Über die ganze Entwicklungsgeschichte ist in dieser Debatte genügend gesagt worden. Aber einen Punkt sollten wir, glaube ich, doch noch herausgreifen, weil da die Weichen in einem unguten Sinne gestellt werden. Ich habe manchmal den Eindruck - besonders auch nachdem der Herr Minister vorhin wieder erklärte: Wir wollen keine Grundsatzdebatte -, daß hier im Parlament Damen und Herren sind, die sich mit den tatsächlichen Verhältnissen, mit dem praktischen Leben nicht genügend beschäftigen, sondern die Gesetzgebung viel zu stark vom „grünen Tisch" her betreiben. Ich erlebe das zur Zeit im Ausschuß für Familien- und Jugendfragen bei unserer Novelle zum Reichsjugendwohlfahrtsgesetz. Bei dieser Novelle wird genauso argumentiert. Darum scheint es mir wichtig, die Frage der Einkommensbegrenzung noch einmal von der praktischen Seite her aufzugreifen. Herr Winkelheide hat gesagt, daß auch das Einkommen der Ehefrauen bei der Einkommensbegrenzung mit einbezogen werden sollte. Das ist ein Standpunkt, den man einnehmen kann; aber ich halte ihn für sehr bedenklich. Man hat wieder den Eindruck, daß die Regierungspartei die veränderte gesellschaftspolitische Situation einfach nicht genau erkennt und nicht bereit ist, die Konsequenzen aus dieser Veränderung zu ziehen. Nach der Denkschrift des Familienministeriums, die im Jahre 1958 herausgegeben worden ist, hatten etwa 20 bis 25 % aller Lohnsteuerpflichtigen mit zwei Kindern ein monatliches Bruttoeinkommen von 400 DM. Rund ein Drittel hatten ein Einkommen unter 450 DM brutto, rund die Hälfte ein Einkommen unter 500 DM brutto. Etwa ein Viertel aller Mehrkinderfamilien lebten am Rande des Existenzminimums. Ich glaube nicht, daß sich diese Zahlen in den letzten zwei Jahren zugunsten der Lohnsteuerpflichtigen wesentlich verschoben haben. Es ist eine allgemeine Redensart, daß die Frauen zu Hause bleiben sollen, um ihrer Erziehungsaufgabe nachkommen zu können. Ich glaube, jede Frau, die Kinder hat, möchte das sehr gern tun. Aber durch eine Erhebung vom Sommer 1959 ist festgestellt, idaß 3 % aller erwerbstätigen Mütter 25 % zum Familieneinkommen beitragen. 72 % aller erwerbstätigen Mütter tragen 25 bis 50 % bei. 23 % tragen 50 bis 75 %, 2,2 % der erwerbstätigen Mütter tragen über 75 % bei. Da braucht man sich überhaupt nicht zu fragen, warum die Frauen mitarbeiten, die durch diese Doppelarbeit im Beruf und im Haushalt große Belastungen auf sich nehmen müssen. Bei einer Erhebung in West-Berlin hat sich herausgestellt, daß 16,2 % der befragten Mütter wöchentlich über 80 Stunden arbeiten. 31,2 % arbeiten 80 bis 90 Stunden wöchentlich, und 52,5 % arbeiten mehr als 90 Stunden wöchentlich, Arbeitsphysiologische Untersuchungen ergaben, daß 39 % der durch Hausarbeit belasteten berufstätigen Frauen ständig die normale Schwerarbeiterbelastung überschreiten. Vor vier Jahren machte das Forschungsinstitut für Arbeitsphysiologie und Personalwesen in Braunschweig darauf aufmerksam, daß 85 % aller sozialversicherten Frauen vor dem 65. Lebensjahr invalide werden. Nun können Sie fragen: Warum tragen Sie das vor? Ich glaube, diese Fragen stehen in engem Zusammenhang mit der Kindergeldgesetzgebung; denn die Doppelbelastung der Frau ist darauf zurückzuführen, daß das Einkommen des Mannes nicht zur Erhaltung einer Normalfamilie ausreicht, so daß die Frau zur Mitarbeit gezwungen ist. Das Ziel jeder guten Familienpolitik muß sein, die Familie wirtschaftlich durch das eigene Einkommen und durch die sozialen Hilfen so zu stellen, daß die Mutter nicht gezwungen ist, aus wirtschaftlicher Not der Erwerbsarbeit nachzugehen. ({1}) Diese Aufgabe ist bisher nicht erfüllt worden. Wenn Sie nun in dieser Gesetzesvorlage verlangen, daß das Einkommen von Vater und Mutter zusammengerechnet wird, gehen die Einsparungen, die der Staat dadurch macht, wieder einmal wie so oft in unserer Sozialgesetzgebung auf Kosten der Mütter und letztlich auf Kasten der Kinder. ({2}) Das ist die eine Bemerkung zu der Einkommensbegrenzung. Ich möchte noch eine zweite dazu machen. Man hat hier immer gesagt: Die Einkommensbegrenzung bedeutet keine Prüfung der Hilfsbedürftigkeit. Sie mögen das theoretisch nennen, wie Sie es wollen, praktisch kommt sie einer solchen gleich. Jede Einkommensbegrenzung wirkt abwertend. Wir wissen, daß die Kindergeldbezieher zum Teil jetzt schon Schwierigkeiten unter ihren Arbeitskollegen haben. Wenn aber Kindergeldempfänger vom zweiten Kind an durch diese Einkommensbegrenzung und die damit verbundenen Kontrollen gewissermaßen zu armen Leuten abgestempelt werden, dann belasten Sie mit dieser Kindergeldgesetzgebung auch die Einstellung der Familien zu diesem Gesetz. ({3}) Die Kindergeldfamilien werden abgewertet. Ich möchte fast sagen, daß Sie durch die Heraufbeschwörung dieser Entwertung auch die Erziehungskraft dieser Familien schwächen. Meine Damen und Herren, jede Fürsorgerin weiß, wie sich das in der Praxis auswirkt. Was ich hier sage, ist keine Theorie, es sind Tatsachen, die aus der Praxis immer wieder nachgewiesen werden können. Viele Familien kommen durch die immerwährende Verschiebung der Einkommensgrenze in eine schwierige Situation. Wenn die Familie ein Einkommen von weniger als 550 DM hat, bekommt sie für das zweite Kind Kindergeld. Erhält der Mann eine Gehaltserhöhung, fällt der Anspruch weg. Wird die Abmeldung vergessen und stellt die Kontrolle eine Überzahlung fest, wird eine Rückzahlung gefordert. Vielleicht hat die Frau bisher nicht gearbeitet. Dadurch aber, 'daß eine Rückzahlung gefordert wird, kann die Frau gezwungen sein, einer Arbeit nachzugehen, um die Schulden, die durch den Bezug des Kindergeldes entstanden sind, dem Staat zurückzuzahlen. Ich bin der Meinung, daß mit dem Kindergeld für das zweite Kind auf der einen Seite eine Hilfe gegeben wird, auf der anderen Seite aber durch die Einkommensbegrenzung eine Unruhe und eine große Unsicherheit in die Familien kommt. Die Tatsache, daß es oft Kindergeldgespräche geben wird, wenn die Eltern mit diesem Gesetz in Konflikt geraten sind, und daß diese ganzen Fragen dann vor den Kindern erörtert werden, wird sich nachteilig auf die pädagogische Atmosphäre in der Familie auswirken. Wir kennen doch diese schwierige Situation, die wir durch das Anrechnungsprinzip zum Teil auch in der Kriegsopferversorgung haben. Wir kennen die Schwierigkeiten, die mit der Fürsorge verbunden sind, und wir wissen, daß all diese Nachprüfungen etwas Deprimierendes für die Familien an sich haben. Eine gute Familienpolitik muß davon Abstand nehmen. Ich möchte auf einen dritten Punkt hinweisen. Wenn diese Vorlage so durchkommt, wie sie vorliegt, wird eine ungeheure Verwaltungsarbeit damit verbunden sein. Es wird viel Geld ausgegeben wer8898 den müssen, das als Kindergeldleistung besser angebracht wäre. Diese Auffassung, die ich Ihnen hier vortrage, ist nicht nur die Auffassung der sozialdemokratischen Fraktion. Die Vertreter der Familienverbände haben dieselbe Auffassung. Ich meine, jeder Abgeordnete in diesem Hause, der eine gesunde Familienpolitik anstrebt, der unseren Familien, unseren Müttern, unseren Kindern wirklich helfen will, muß dazu beitragen, daß diese Einkommensbegrenzung wegfällt. Ich habe die große Sorge, daß die Entwicklung in unserer ganzen Sozialgesetzgebung sich dem Fürsorgeprinzip zuwendet. Dieser Weg bringt uns in der Sozialgesetzgebung nicht vorwärts. Mit dem Fürsorgeprinzip tragen Sie der Wirklichkeit nicht Rechnung. Sie helfen damit nur unzureichend, Sie zerstören das Gemeinschaftsgefühl der Menschen untereinander, und Sie erschweren damit auch die Zusammenarbeit hier im Parlament. Vielleicht gelingt es doch noch - nach allen Erfahrungen habe ich zwar wenig Hoffnung -, daß wir diese Einkommensbegrenzung aus dem Gesetz herausbringen. Wir brauchen das Kindergeld für das zweite Kind so schnell wie möglich, aber nicht in der Form, die diese Gesetzesvorlage vorsieht. ({4}) Ich bitte Sie, meine Damen und Herren von der CDU, sich die Frage der Einkommensbegrenzung noch einmal sehr gründlich von der praktischen Auswirkung her zu überlegen. ({5})

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Das Wort hat der Abgeordnete Spitzmüller.

Kurt Spitzmüller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002202, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Nur noch einige ganz kurze Bemerkungen zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Winkelheide und des Herrn Arbeitsministers. Herr Minister, wir haben volles Verständnis dafür, daß Sie hier eine pragmatische Lösung vorschlagen. Wir freuen uns, daß Sie einen neuen Weg geben; das ist selbstverständlich. Wir sind aber doch leicht erschüttert, daß Sie hier ausgeführt haben, diejenigen, die das Kindergeld bekommen sollen, hätten kein Verständnis für lange Grundsatzdebatten, und daß Sie die Mehrheit nicht nur haben, sondern - das haben Sie angekündigt - sie auch gebrauchen werden. Es ist zwar verständlich, daß Sie das hier ausführen, aber, meine sehr verehrten Damen und Herren von der CDU, machen wir uns doch nichts vor! Im Jahre 1958/59, beim Kindergeld-Neuregelungsgesetz, hatten die Fraktionen doch von dem Herrn Familienminister den Brief bekommen, in dem ebenfalls gebeten wurde, die Grundsatzdebatte zurückzustellen und im Interesse der Betroffenen so schnell wie möglich dem Gesetzentwurf unverändert zuzustimmen. Wir haben dann die Grundsatzdebatte doch nicht ganz zurückgestellt. Wir sind zwar unterlegen; aber wir sind mit dem Ergebnis der harten Grundsatzdebatte von 1958/59 sehr zufrieden, denn sie hat den Sinneswandel Ihrer Partei von 1959 bis 1961 zweifellos beeinflußt. Es war der Herr Familienminister Wuermeling, der schon im März 1959 erklärt hat, die harte Debatte um das Kindergeld habe nun bei ihm die Überzeugung bekräftigt, daß man mit dieser Form des Aufbringungssystem nicht mehr weiterkomme, wenn man den Familienlastenausgleich verbessern wolle. Ich würde es begrüßen, wenn wir harte Debatten im Jahre 1961 verhindern könnten - harte Debatten, die vielleicht notwendig sind, um für das Jahr 1963 die Weichen einigermaßen zu stellen und die Entwicklung zu begünstigen. Deshalb meine Bitte heute von der FDP an den unbekannten Arbeitsminister in spe, dem Ausschuß für Sozialpolitik im nächsten Bundestag doch einmal Gelegenheit zu einer Grundsatzdebatte zu geben, bei der der Ausschuß nicht unter dem Omen steht: „Wenn ihr nicht schnell handelt, zieht ihr euch den Unmut soundso vieler Antragsberechtigter zu. ({0})

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Ich schließe die Beratung. Beantragt ist Überweisung an den Ausschuß für Sozialpolitik - federführend - und an den Haushaltsausschuß. Besteht Einverständnis? - Es ist so beschlossen. Ich rufe Punkt 9 der Tagesordnung auf: Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen ({0}). Der Entwurf wird begründet von dem Herrn Abgeordneten Kurlbaum. Kurlbaum ({1}); Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion hat schon in der Erklärung zur dritten Lesung des Kartellgesetzes im Juli 1957 zwei Hauptmängel des Kartellgesetzes herausgestellt: erstens die allgemeine Zulassung einer verbindlichen Preisbindung der zweiten Hand zusammen mit der allgemeinen Zulassung der Rabattkartelle und zweitens die Tatsache, daß im jetzigen Kartellgesetz die Aufgabe ungelöst geblieben ist, den Machtmißbrauch in der Wirtschaft wirksam einzugrenzen und damit die so unterschiedlichen Chancen der Starken und der Schwachen in der Wirtschaft auszugleichen. Wer sich die Entwicklung und die Erfahrungen mit diesem Kartellgesetz in den letzten vier Jahren unvoreingenommen vergegenwärtigt, der muß zu dem Schluß kommen, daß wir mit unserer damaligen Kritik den Nagel auf den Kopf getroffen haben. Im Oktober 1959 hatten wir dann hier die sogenannte Konzentrationsdebatte. In unserer Drucksache 1279 haben wir damals eine Reihe konkreter Maßnahmen verlangt: erstens eine Verbesserung des Kartellgesetzes, zweitens eine Verbesserung der Publizitätsvorschriften für alle Wirtschaftsunternehmen von einer bestimmten Größe an, drittens eine unabhängige Monopolkommission für die Deutscher Bundestag - :3. Wahlperiode Kurlbaum laufende Untersuchung von Umfang und Formen der Marktbeherrschung und schließlich auch eine konzentrationsneutrale Umsatzsteuer. An Stelle der von uns verlangten permanenten Monopolkommission ist dann eine einmalige Enquete beschlossen worden. Auf Grund des Gesetzes über die Enquete soll diese nunmehr am 1. Mai begonnen werden, so daß nicht vor Mitte 1963 Ergebnisse für den Bundestag zur Verfügung stehen werden. Man wird abwarten müssen, ob es dann in der zweiten Halbzeit der nächsten Legislaturperiode noch zu gesetzgeberischen Maßnahmen kommen wird, die der Schwierigkeit der Materie gerecht werden. ({2}) Die SPD-Fraktion hat in den letzten Jahren bei jeder Gelegenheit immer wieder betont: Wenn man abwarten will, bis der Enquetebericht vorliegt, dann werden wahrscheinlich bezüglich der unerwünschten Konzentration der Wirtschaft vollendete Tatsachen in einem Umfange geschaffen sein, daß nachträgliche Reparaturen hoffnungslos erscheinen müssen. Unsere Wirtschaft wird dann in Zukunft weitgehend nicht mehr durch einen Wettbewerb gekennzeichnet sein, der sich zugunsten des Verbrauchers auswirken kann, sondern durch Dirigismus und Diktat der Manager privater Großunternehmen. Man muß sich fragen, ob wir dann überhaupt noch eine wirklich überzeugende Demokratie haben werden. ({3}) Lasen Sie mich in dieser Hinsicht ein paar Zahlen nennen. Am 1. Januar 1956 hatten wir noch 2500 Aktiengesellschaften. In don fünf Jahren seitdem sind mehr als 500 davon verschwunden, ein Drittel davon durch Liquidation und Konkurs, zwei Drittel aber - und das ist wesentlich durch Fusion und Umwandlungen, d. h. durch Konzentration auf andere Unternehmen. Weiter möchte ich erwähnen, daß allein in den drei Jahren von 1957 bis 1959 bei den Aktiengesellschaften sich etwa 180 die Konzentration verstärkende Fusionen und Umwandlungen abgespielt haben. Daneben sind über 100 Aktiengesellschaften in Gesellschaften anderer Rechtsformen umgewandelt worden, offensichtlich mit dem Ziel einer Flucht aus der Publizität. Ein Beispiel dafür ist die Umwandlung der Margarine-Union. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hat ,daher konsequent und unbeirrt immer wieder gesetzgeberische Maßnahmen verlangt und konkrete Vorschläge vorgelegt. Im Juli 1959 haben wir die sofortige Außerkraftsetzung des Umwandlungssteuergesetzes verlangt, das die Konzentration in bestimmten Einzelfällen mit neuen Abschreibungsmöglichkeiten von Hunderten von Millionen belohnt hat. Der SPD-Antrag ist abgelehnt worden, und das lukrative Umwandlungsgeschäft ist weitergegangen. Im Dezember 1959 hat die SPD-Fraktion gelegentlich der Verabschiedung des Gratisaktiengesetzes folgende Anträge gestellt: 1. einen Antrag zur besseren Unterrichtung der Öffentlichkeit über die personelle und finanzielle Verflechtung, also über die fortschreitende Konzernbildung, 2. einen Antrag auf Ausdehnung der wirklich verhältnismäßig harmlosen jetzigen Publizitätsvorschriften von der Aktiengesellschaft auf die größeren Gesellschaften mit beschränkter Haftung. Auch dieser Vorschlag sollte die Flucht aus der Publizität eindämmen. Beide SPD-Anträge sind abgelehnt worden. Im Dezember 1960 hat unsere Fraktion nochmals Vorschläge unterbreitet, die wiederum die Verbesserung der Publizität der Aktiengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung und zweitens einen gewissen Mindestschutz für die Minderheiten der Kapitalgesellschaften zum Ziele hatten. Die CDU-Fraktion hat schon bei der ersten Lesung erklärt, daß sie nur bereit sei, die Aktienrechtsreform im ganzen zu verabschieden. Wenn es dabei bleibt, meine Damen und Herren von der CDU/CSU-Fraktion, wird auch in der 3. Legislaturperiode wieder nichts Wirksames geschehen zur Eindämmung des Mißbrauchs wirtschaftlicher Macht; denn auch zur Reform des Umsatzsteuersystems hat die Bundesregierung, abgesehen von einem unzureichenden Gesetzesvorschlag des Bundesfinanzministeriums, keinen positiven Beitrag geliefert. Wenn man so verfährt, nützen auch platonische Erklärungen nichts, wie sie im Schriftlichen Bericht des Wirtschaftspolitischen Ausschusses zum Enquete-Gesetz" zu lesen sind. Dort heißt es: Der Ausschuß betont ausdrücklich, daß die Enquete die Bundesregierung nicht daran hindern darf, gesetzgeberische Maßnahmen sofort zu treffen, deren Notwendigkeit schon jetzt erkennbar ist. Wir stellen fest, daß sich die Bundesregierung nach wie vor gehindert sieht, das zu tun. Heute steht nun unser Änderungsantrag zum Kartellgesetz in erster Lesung zur Debatte. Meine Fraktion hatte gehofft, im April wenigstens wie in den Vorjahren schon im Besitz des Berichts des Bundeskartellamtes für 1960 zu sein. Es ist keine gute Sache, wenn die Veröffentlichung des Berichts, wie es scheint, deshalb immer wieder um Monate hinausgeschoben wird, weil es so lange dauert, bis sich das Bundeswirtschaftsministerium und das Bundeskartellamt darüber einigen, was die Öffentlichkeit von den Feststellungen und Erfahrungen des Bundeskartellamtes wissen darf. Diese Handhabung entspricht nicht einmal dem Wortlaut, geschweige denn dem Sinn des § 50 des Kartellgesetzes, der seinerzeit auf Antrag meiner Fraktion noch in das Gesetz eingefügt wurde. Nun zu unseren konkreten Anträgen. Zu § 18, der die sogenannten Individualverträge behandelt, gab es bereits in der Fassung des Regierungsentwurfs für die Kartellbehörde schon dann eine Eingriffsmöglichkeit, wenn die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit eines Vertragspartners solcher Verträge unbillig eingeschränkt war. In der Ausschußberatung wurde dann als zusätzliche Bedingung für einen Eingriff der Kartellbehörde eine wesentliche Beeinträchtigung des Wettbewerbes auf dem Markt hinzugefügt. Eine unbillige Einschränkung der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit eines Vertragspartners genügt also nicht für ein Eingreifen der Kartellbehörde. Kurlbaum Diese Gesetzesbestimmung ist ein Widerspruch in sich. Für die SPD-Fraktion ist es klar, daß weder eine unbillige Einschränkung der Bewegungsfreiheit eines schwächeren Vertragspartners noch eine wesentliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs im allgemeinen zugelassen werden dürfen. Darum geht es in Ziffer 1 des von uns vorgeschlagenen Artikels I. Nun zu § 22, der sich mit den marktbeherrschenden Unternehmen und marktbeherrschenden Gruppen befaßt! Nach der jetzigen Fassung gelten nur ganz bestimmte Machtmißbräuche als solche, und zwar im wesentlichen nur solche gegenüber Kunden und Lieferanten. Als Mißbräuche gelten aber insbesondere nicht alle die möglichen Mißbräuche gegenüber Wettbewerbern. Inzwischen hat sich eindeutig herausgestellt, daß dieses Gesetz dem kleinen Wettbewerber gegenüber den Großmächten in der Wirtschaft keinen ausreichenden Schutz gewährt. Dieser Mangel stellt eine weitere konzentrationsfördernde Tatsache dar. Damit beschäftigt sich die Ziffer 2 des Artikels I unseres Entwurfs. Nun zu § 23 des Kartellgesetzes! In seiner jetzigen Fassung schreibt er die Meldepflicht für Zusammenschlüsse unter bestimmten Bedingungen vor. Diese Regelung hat sich als ein völliger Fehlschlag erwiesen. Mit unserem Vorschlag wollen wir teilweise den Inhalt des Kartellgesetzes wiederherstellen, wie er ursprünglich im Regierungsentwurf enthalten war. Allerdings wünschen wir die Änderung, daß das Genehmigungsrecht an Stelle der Kartellbehörde dem Bundeswirtschaftsminister gegeben werden soll, weil es sich hier um eine wirtschaftspolitische Entscheidung ersten Ranges handelt, die das zukünftige Bild unserer Wirtschaft entscheidend bestimmen wird. Es geht nämlich um die Entscheidung der Frage, inwieweit wir vom Standpunkt der Gesamtwirtschaft aus eine Unternehmenskonzentration als wünschenswert betrachten und daher zulassen wollen. Wenn man unsere Anträge zum Kartellgesetz als Ganzes betrachtet, dann wird erkennbar, daß sie als allgemeines Ziel eine wirksame Einengung der Möglichkeiten für den Machtmißbrauch in der Wirtschaft gegenüber dem Verbraucher und dem kleineren Wettbewerber anstreben. In diesem Ziel sollten Sie, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, eigentlich mit uns einig sein. Man kann aber nun mit wirksamen Maßnahmen nicht mehr beliebig warten. Wirksame gesetzgeberische Maßnahmen zur Erreichung dieses Zieles - der wirksamen Einengung des Machtmißbrauches - sind aber in drei Legislaturperioden noch nicht getroffen worden. Auf solche Maßnahmen warten der Verbraucher und der kleinere Unternehmer nach wie vor vergeblich. Wir wissen, daß es bei den Mehrheitsverhältnissen in diesem Bundestag nicht leicht sein wird, noch eine Beratung unserer Anträge durchzusetzen. Ich möchte aber dazu sagen: Sie, meine Damen und Herren von der CDU, hatten sich vor kurzer Zeit fest vorgenommen, das neue Aktiengesetz mit seinen 400 Paragraphen durchzuberaten. Sollte es dann nicht möglich sein, unseren Gesetzentwurf, der nicht 400 Paragraphen, sondern nur die vier Ziffern umfaßt, zu beraten? Oder kommt es Ihnen immer nur entscheidend darauf an, ob ein Antrag von Ihnen oder von uns eingebracht worden ist? Wir haben uns vorgenommen, in der Beratung im Ausschuß auch noch das Problem der verbindlichen Preisbindung der zweiten Hand zur Sprache zu bringen. Meine Damen und Herren, ich glaube, es ist klargeworden, daß dieses Problem nach einer Entscheidung geradezu schreit. Wir halten es für erforderlich, daß den' Bundestag sobald als möglich ein umfassender Bericht über den Umfang und die Wirkungen der Preisbindung der zweiten Hand zusammen mit internationalen Vergleichen zugeleitet wird. Aus diesem Bericht sollte weiter ersichtlich sein, wie sich unter der Wirkung der Preisbindung der zweiten Hand die Kosten und die Preise in den die Preisbindung anwendenden Wirtschaftsbereichen und Wirtschaftsstufen zusammensetzen. Zum Schluß eine Bitte, meine Damen und Herren von der Regierungsfraktion. Nehmen Sie das Problem des Mißbrauchs wirtschaftlicher Macht ernster als bisher! In der augenblicklichen Konjunkturlage allerdings betrifft dieses Problem in erster Linie nur den Verbraucher und nicht so sehr den kleinen Unternehmer. Aber bei einer veränderten Konjunkturlage kommt es auch auf Sie, meine Damen und Herren von der Koalition - insoweit Sie sich für den kleineren Unternehmer interessieren -, automatisch in voller Schärfe wieder zu.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Illerhaus.

Joseph Illerhaus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000991, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch die CDU/CSU hat an einer Novelle zu dem Kartellgesetz ein ganz großes Interesse. Es ist nicht so, Herr Kurlbaum, daß nur die sozialistische Fraktion irgendwelche Mißstände erkannt hätte oder daß nur sie der Meinung sei, es müsse an dem Kartellgesetz etwas geändert werden. Ich darf doch in aller Freundschaft darauf hinweisen, daß dieses Kartellgesetz, das wir in der vergangenen Legislaturperiode in jahrelanger Arbeit erstellt haben, erst am 1. Januar 1958 in Kraft getreten ist. Wir meinen, daß wir eine Novelle zu diesem Gesetz nicht stückchenweise einbringen können, sondern eine Novelle größeren Umfangs, und dazu müssen einige Voraussetzungen erfüllt sein. Herr Kurlbaum, Sie können doch heute nicht sagen, wir hätten vier Jahre lang mit dem Kartellgesetz Erfahrungen hinter uns. Das Gesetz ist am 1. Januar 1958 in Kraft getreten, und der erste Bericht, dem man wirklich etwas entnehmen kann, das Hand und Fuß hat, liegt uns noch gar nicht vor. Diesen Bericht, den Bericht für das Jahr 1960, erwarten wir in der allernächster Zeit. Sie werden mir zugeben müssen, daß der Bericht für das Jahr 1959 wirklich noch nicht Entscheidendes aussagen kann, das eine Revision und eine Novelle - zumindest eine Novelle, die so schnell eingebracht werden soll - rechtfertigen könnte. Aber noch eine andere Voraussetzung muß erst erfüllt sein. Sie wissen, daß wir in Straßburg dabei sind, im Rahmen der EWG-Verträge die Wettbewerbsverordnung der EWG-Kommission zu Art. 85 ff. der Römischen Verträge zu erarbeiten. Nach den bisherigen Vorstellungen soll diese Verordnung dieses Jahr in Kraft treten. Wir sind der Meinung, daß wir diese europäische Kartellverordnung abwarten sollten, damit wir auch diese Ergebnisse in einer Novelle zum Kartellgesetz verwenden können. Es ist sicherlich richtig, Herr Kurlbaum, daß eine Reihe von Fragen, die Sie angeschnitten haben, auch uns sehr stark interessiert. Auch wir sind durchaus der Meinung, daß die Fragen der Publizitätspflicht, der Monopolstellung usw. überprüft werden müssen. Aber wir haben nun einmal den Gesetzentwurf Drucksache 1884 - Entwurf eines Gesetzes über eine Untersuchung der Konzentration in der Wirtschaft - verabschiedet. Man sollte nicht auf der einen Seite ein Gesetz machen, um eine Übersicht über den Umfang der Konzentration in der Wirtschaft zu bekommen, und dann auf der anderen Seite die Ergebnisse der Untersuchung im vorhinein in Gesetzesform vorwegnehmen. Das würde nicht gut gehen. Da sind unsere Meinungen eben unterschiedlich. Meine Damen und Herren, auf den materiellen Inhalt des Antrages der SPD will ich nicht eingehen. Es wäre manches dazu zu sagen. Ich sagte Ihnen, Herr Kurlbaum, wir werden in vielen Dingen einer Meinung werden, aber so dirigistische Züge, wie Sie manchmal hineinbringen, werden Sie von der CDU/CSU nicht erwarten können. ({0}) - Herr Kurlbaum, ich sage Ihnen: Es ist einiges da hineingekommen, worüber man sehr ernsthaft diskutieren muß und wo Konsequenzen gezogen werden sollen. Wenn man sagt „in sonstiger Weise ihre Marktstellung mißbrauchen", muß man sehr ernsthaft untersuchen, was mit „in sonstiger Weise mißbrauchen" gemeint ist; das kann so weit und so weit gehen. ({1}) - Verehrter Herr Kurlbaum, in dem Entwurf ist einiges enthalten, worüber man sehr ernsthaft sprechen muß, vor allem darüber, wie man so etwas in Gesetzesform kleidet. Ich finde, Sie haben in Ihrem Gesetzentwurf ein großes Problem vergessen, nämlich das der Preisbindung der zweiten Hand. Sie haben diese Frage jetzt in der Begründung angeschnitten; wenn Sie es nicht getan hätten, hätte ich Sie danach gefragt. Ich hätte Ihnen dann auch gesagt, warum Sie vermutlich die Frage in Ihrem Entwurf nicht angeschnitten haben. Ich hatte fast die Sorge, Sie hätten wegen des bevorstehenden Wahlkampfes dieses heiße Eisen „Preisbindung der zweiten Hand" nicht angefaßt, weil Sie da natürlich bei einer Reihe von Leuten nicht zum Zug kommen. ({2}) Es ist ja nicht so, daß es nur vier Ziffern wären, über die zu beraten wäre. Es sind nicht nur vier Ziffern in Ihrem Antrag, Herr Kurlbaum. Vier sind es nach der Zählung der Nummern, aber, Herr Kurlbaum, es sind doch ein paar sehr wichtige neuralgische Punkte in diesem Entwurf enthalten. Ich sage Ihnen noch einmal, daß wir durchaus die Novelle zum Kartellgesetz im nächsten Bundestag mit Ihnen machen wollen. Aber wir sind der Meinung - und Sie werden mir innerlich sicher zustimmen müssen -, daß der Wirtschaftsausschuß und der jetzige Bundestag keine Möglichkeit mehr haben, diese Probleme wirklich ernsthaft durchzudiskutieren und etwas zu ändern. Dazu gehört wirklich eine umfassende Erfahrung, und die wird uns durch den zu erwartenden neuen Bericht der Kartellbehörde vermittelt werden. Nach der Wahl müssen wir uns im neuen Bundestag sehr ernsthaft mit den einzelnen Anliegen befassen. Ich glaube, daß wir dann einige wichtige Bestimmungen in dem Kartellgesetz ändern werden. Ob diese Änderungen alle so ausfallen, wie Sie das wünschen, weiß ich nicht. Jedenfalls werden wir eine Reihe von Bestimmungen ändern. Herr Kurlbaum, Sie warfen vorhin ein, ob ich in der Frage der Preisbindung der zweiten Hand nicht einen Antrag stellen wolle. Glauben Sie nur nicht, daß ich noch einmal als Verteidiger der Preisbindung der zweiten Hand in dem Umfang auftreten werde, wie ich es damals getan habe! Wir haben immerhin vier Jahre der Erfahrung hinter uns, und verlassen Sie sich darauf, daß uns das nächste Jahr noch weitere Erfahrungen bringen wird. Wir werden uns dann sehr ernsthaft über die Frage der Preisbindung der zweiten Hand unterhalten müssen, und wir werden auch da eine Lösung finden müssen, die sowohl den wirtschaftlichen Gegebenheiten als auch den Bedürfnissen der Beteiligten Rechnung trägt. Im Namen meiner Fraktion darf ich bitten, den Entwurf dem Wirtschaftspolitischen Ausschuß zu überweisen. Dabei muß ich allerdings in aller Offenheit sagen, meine Damen und Herren, daß wir diesen Antrag - das ist die Meinung der CDU/CSU-Fraktion - in diesem Bundestag nicht mehr abschließend werden beraten können. ({3})

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Ich schließe die Beratung. Vorgesehen ist Überweisung an den Wirtschaftsausschuß. ({0}) - Bitte? - Ich habe die Beratung geschlossen; es lag keine Wortmeldung mehr vor. ({1}) Vizepräsident Dr. Dehler Vorgesehen ist Überweisung an den Wirtschaftsausschuß. - Kein Widerspruch; es ist so beschlossen. ({2}) Ich rufe den Tagesordnungspunkt 10 auf: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Alters- und Hinterbliebenenversicherung der Rechtsanwälte ({3}) ({4}). Eine Begründung erfolgt nicht. Aussprache ist nicht vorgesehen. Vorgeschlagen ist die Überweisung an den Ausschuß für Sozialpolitik - federführend -, an den Rechtsausschuß und den Haushaltsausschuß. - Kein Widerspruch; es ist so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 11 auf: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 20. April 1960 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland über Arbeitslosenversicherung ({5}). Eine Begründung wird nicht gewünscht. Vorgeschlagen ist Überweisung an den Ausschuß für Arbeit. - Kein Widerspruch; es ist so beschlossen. ({6}) Dann rufe ich den Tagesordnungspunkt 14 auf: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Preise für Getreide inländischer Erzeugung sowie über besondere Maßnahmen in der Getreide- und Futtermittelwirtschaft ({7}) ({8}). Ohne Begründung und Debatte! Vorgesehen ist die Überweisung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - federführend - und an den Wirtschaftsausschuß. - Ich stelle fest, daß so beschlossen ist. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 15 auf: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Ermächtigungen zum Erlaß von Rechtsverordnungen ({9}). Ohne Begründung! Vorgeschlagen ist Überweisung an den Rechtsausschuß. - Ich stelle fest, daß so beschlossen ist. ({10}) Ich rufe Punkt 16 der Tagesordnung auf: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Achten Berichtigungs- und Änderungsprotokoll vom 18. Februar 1959 zum Wortlaut der dem Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen beigefügten Zollzugeständnislisten ({11}). Ohne Begründung! Vorgeschlagen ist Überweisung an den Außenhandelsausschuß. Ich stelle fest, daß so beschlossen ist. Tagesordnungspunkt 17: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 28. September 1960 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Belgien über Leistungen zugunsten belgischer Staatsangehöriger, die von nationalsozialistischen Verf olgungsmaßnahmen betroffen worden sind. ({12}). Die Vorlage wird nicht begründet. Keine Aussprache. Vorgeschlagen ist Überweisung an den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten - federführend -, an den Ausschuß für Wiedergutmachung und an den Haushaltsausschuß. - Kein Widerspruch; es ist so beschlossen. Ich rufe Punkt 18 auf: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung ({13}) - Immunitätsangelegenheiten - betreffend Genehmigung zur Durchführung eines Ehrengerichtsverfahrens gegen den Abgeordneten Dr. Eckhardt gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 6. Februar 1961 ({14}). Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Wittrock. Wird ein Bericht erstattet? ({15}) - Es wird anscheinend darauf verzichtet; das folgere ich nus der Nichtanwesenheit des Berichterstatters. ({16}) - Wenn Bedenken bestehen, setze ich die Beralung des Punktes aus; Punkt 18 wird also nicht erledigt. Der Herr Abgeordnete Wittrock, der auch die Berichterstattung zu Punkt 19 hat, ist nicht im Saal. Den Punkt setze ich ebenfalls noch aus. Ich rufe dann den Tagesordnungspunkt 20 auf: Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten ({17}) über den Antrag der Abgeordneten Dr. Serres, Dr. Zimmer und Genossen betreffend Errichtung eines beratenden parlamentarischen Organs der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ({18}). Vizepräsident Dr. Dehler Berichterstatterin ist Frau Abgeordnete Brökelschen. Es liegt ein Schriftlicher Bericht vor. Ich darf wohl annehmen, daß auf den mündlichen Bericht verzichtet wird; die Sache ist ja nicht strittig. Der Vorschlag geht dahin, der Bundestag wolle beschließen, den Antrag der Abgeordneten Dr. Serres, Dr. Zimmer und Genossen Drucksache 2205 - unverändert anzunehmen. Ich stelle diesen Antrag zur Abstimmung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich, Zeichen zu geben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich darf einstimmige Annahme feststellen. Ich rufe Punkt 21 auf: Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs einer Vierten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1961 ({19}) ({20}). Keine Begründung. Vorgesehen ist Überweisung an den Außenhandelsausschuß. - Es erfolgt kein Widerspruch; es ist so beschlossen. Ich rufe Punkt 22 auf: Beratung der Übersicht 18 des Rechtsausschusses ({21}) über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht ({22}). Es ist der Antrag des Rechtsauschusses, von einer Äußerung in den vorbezeichneten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht abzusehen. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich, Zeichen zu geben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist einstimmig angenommen. Punkt 23: Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen betreffend Veräußerung eines Teils der ehemaligen Pionierkaserne in Berlin-Tempelhof, General-Pape-Straße 1-4, an das Land Berlin ({23}). Der Antrag soll an den Haushaltsausschuß überwiesen werden. - Kein Widerspruch; es ist so beschlossen. Punkt 24: Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen betreffend Veräußerung eines Teils der ehemaligen Gardeschützenkaserne in Berlin-Lichterfelde an das Land Berlin ({24}). Vorgesehen ist ebenfalls Überweisung an den Haushaltsausschuß. - Kein Widerspruch; es ist so beschlossen. Punkt 25: Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen betreffend Veräußerung des ehemaligen Standort- und Kurlazaretts Höxter jetzt Weserbergland-Klinik) an die Weserbergland-Klinik GmbH ({25}). Auch dieser Antrag soll an den Haushaltsausschuß überwiesen werden. - Kein Widerspruch; es ist so beschlossen. Wir sind am Ende der heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung ein auf Donnerstag, den 20. April, nicht, wie vorgesehen, 15.00 Uhr, sondern 17.00 Uhr. Ich schließe die Sitzung.