Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Zur Tagesordnung Herr Abgeordneter Arndgen!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Auftrag der CDU/CSU-Fraktion, der SPD-Fraktion und der FDP-Fraktion beantrage ich, den Mündlichen Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik über den von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Selbstverwaltungsgesetzes, Drucksache 212, auf die Tagesordnung zu setzen. Die Verabschiedung dieses Gesetzes ist notwendig, weil, wenn es nicht in Kürze verabschiedet wird, sich in Berlin Schwierigkeiten bei der Durchführung der Sozialwahlen ergeben werden. Ich bitte daher, diesen Gesetzentwurf heute mit zu beraten.
Meine Damen und Herren, darf ich annehmen, daß die Drucksache im Besitz der Mitglieder des Hohen Hauses ist?
({0})
- Dann kann sie noch im Laufe der Sitzung verteilt werden. Sind Sie mit dem Vorschlag des Abgeordneten Arndgen einverstanden?
({1})
- Das ist der Fall. Dann wird dieser Gesetzentwurf auf die Tagesordnung gesetzt und zu einem späteren Zeitpunkt verhandelt.
Ich habe Ihnen vor Eintritt in die Tagesordnung ebenfalls einige Vorschläge zu machen. Der Ausschuß für Atomkernenergie und Wasserwirtschaft hat darauf hingewiesen, daß vor der Verabschiedung des Gesetzes zur Reinhaltung der Bundeswasserstraßen, Drucksache 46, wichtige verfassungsrechtliche Fragen zu klären sind, und um Überweisung der Vorlage auch an den Rechtsausschuß gebeten. Da auch im Ältestenrat darüber Einverständnis besteht, daß bei derartigen Fragen der Rechtsausschuß hinzugezogen werden soll, schlage ich vor, den Gesetzentwurf Drucksache 46 auch dem Rechtsausschuß zur Mitberatung zu überweisen. - Das Haus ist damit einverstanden; die Überweisung ist erfolgt.
Dann besteht eine interfraktionelle Vereinbarung, die heutige Tagesordnung zu erweitern um die
Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundesrückerstattungsgesetzes ({2}).
Ich stelle das Einverständnis des Hauses fest; es ist so beschlossen.
Ist diese Drucksache verteilt?
({3})
Können wir es dann vorweg behandeln? - Das Haus ist einverstanden.
Dann kommen wir zunächst zur Beratung dieses Gesetzentwurfs. Berichterstattung und Aussprache erübrigen sich wohl. Der Ausschuß hat vorgeschlagen, den Entwurf unverändert anzunehmen.
Ich rufe also in zweiter Lesung auf die Artikel 1, - 2, - 3, - 4, - Einleitung und Überschrift. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Es ist so beschlossen.
Wir kommen zur
dritten Beratung,
und zwar zur Schlußabstimmung, nachdem wiederum auf Aussprache verzichtet wird. Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. -- Ich bitte um die Gegenprobe. - Ohne Gegenstimmen. Enthaltungen? - Ohne Enthaltungen einstimmig angenommen.
Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Herr Bundesminister des Auswärtigen hat unter dem 13. Januar 1958 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Serres, Kalbitzer und Genossen betr. Wirtschaftshilfe für Südeuropa ({4}) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 137 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Verteidigung hat unter dem 20. Februar 1958 die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP betr. Gemeinschaftsproduktion von ABC-Waffen ({5}) beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 241 verteilt.
Dann kommen wir zu Punkt 1 der Tagesordnung:
Große Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Privatwirtschaftliches Fernsehen ({6}).
Wer begründet die Große Anfrage? - Herr Abgeordneter Kühn.
Meine Damen und Herren! Eine angesehene Tageszeitung hat die Problematik, die uns am heutigen Vormittag beschäftigt, eine der wichtigsten innenpolitischen Entscheidungen genannt, die seit Bestehen der Bundesrepublik getroffen werden müsse. Und in der Tat: Rundfunk und Fernsehen sind die wirkungsmächtigsten Beeinflussungsmittel für die Bildung der allgemeinen Geschmacksrichtungen, der politischen und gesellschaftlichen Überzeugung. Der Herr Bundeskanzler, dem niemand eine bemerkenswerte Begabung für Taktik absprechen will, hat uns ja gerade in diesen Wochen wieder gezeigt, welche Bedeutung er dem Rundfunk als meinungsbeeinflussendem Institut beimißt,
({0})
in dem Augenblick, als er versuchte, den Rundfunk zum nachparlamentarischen Raum zu machen und eine für ihn peinliche und peinvolle Niederlage auf diese Art zu korrigieren.
({1})
Nun, meine Damen und Herren, ich will nicht in Wunden rühren, aber Sie können nicht bestreiten, daß die Adjektive „peinlich" und „peinvoll" geradezu von Nächstenliebe getragen sind
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als Bezeichnungen für jene Situation, in der Sie in jener Nacht dort gesessen haben, ein viertel tausend CDU-Abgeordnete in einem Zustand, den man nur illustrieren kann mit dem Vergleich von jenem bekannten Greis, der auf jenem bekannten Dach gesessen hat, als niemand sich hier oben hinstellte, um sich vor seinen Bundeskanzler zu stellen; niemand konnte oder wollte von denen, die es gekonnt hätten.
Nun, jedenfalls waren Sie am Rundfunk dann alle da. Nach Gerüchten aus wohlinformierten Kreisen hat man in jener Nacht versucht, den Herrn Innenminister in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Evangelischen Arbeitskreises der CDU nach hier zu bemühen. Er erschien vor dem Mikrophon als Mitglied des geschäftsführenden Vorstandes der CDU. Nachdem der Herr Bundeskanzler für die Regierung gesprochen hatte, sprach Herr Dr. Schröder dann in dieser Metamorphose.
Aber lassen wir das. Ich glaube, hier haben wir gespürt, wie notwendig es ist, für den deutschen Rundfunk eine Ordnung für die Austragung politischer Streitfälle zu formulieren, und zwar auf der Grundlage, daß eine solche Diskussion zu erfolgen hat nach dem Prinzip, daß gleiche Zeitquoten zur Verfügung gestellt werden für die beiden Konzeptionen, die gegeneinander im Streite stehen, nicht aber, daß man mit quantitativen Zeitmanipulationen versucht, qualifizierte Niederlagen im Parlament am Rundfunk wieder auszubügeln.
Zudem - auch dies sollte, glaube ich, an dieser Stelle gesagt werden - sollten wir uns alle miteinander angewöhnen, wer auch immer hier den kürzeren zieht, parlamentarische Debatten im Parlament auszukämpfen.
Nun zur Geschichte unserer Großen Anfrage. Durch eine vielleicht unerwünschte indiskrete Meldung einer amerikanischen Nachrichtenagentur erfuhr die deutsche Öffentlichkeit von den Absichten, die die Bundesregierung in ihrem auf diesem Gebiet nicht ganz unbescholtenen Gemüt bewegen. Am 27. November berichtete United Press, daß das Bundespostministerium geneigt sei, den technischen Apparat, mit dessen Hilfe man ein zweites Fernsehprogramm ausstrahlen könne, nicht den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zur Verfügung zu stellen, sondern einer privaten Gesellschaft auszuleihen, die sich durch Reklamesendungen finanzieren werde. Danach soll also die Bundespost Strahler bauen und betreiben, und eine GmbH, die sich sinnigerweise „Freies Fernsehen" nennt - wir werden darauf noch zurückkommen -, soll diese Strahler mieten und das Recht erhalten, über diese Strahler der Bundespost Programme ins Volk hinauszustrahlen. Diese Mitteilung hat die Öffentlichkeit alarmiert. Ich glaube, mit dem Begriff „alarmiert" soll man sparsam umgehen, aber in diesem Fall muß man diesen Begriff anwenden; denn Sie wissen ganz genau, daß nicht nur die Parteien der Opposition, sondern auch die Gewerkschaften, die Genossenschaften, auch die gewerbliche Wirtschaft, auch beide Kirchen sofort sehr fundierte Bedenken und erhebliche Proteste gegen diese kundgewordene Absicht der Bundesregierung erhoben haben. Wir haben daraufhin geglaubt, daß es richtig sei, unsere Große Anfrage einzubringen, in der wir unter Ziffer 1 fragen, ob es zutrifft, daß das Bundespostministerium einer privatwirtschaftlichen Fernsehgesellschaft den Betrieb eines sogenannten „freien" Fernsehens ermöglichen will. Wir würden nicht zum parlamentarischen Instrument einer Großen Anfrage gegriffen haben, wenn nicht außer dieser UP-Meldung eine Reihe aufsehenerregender Indizien für die Absichten der Bundesregierung vorgelegen hätten.
Diese Vorgeschichte hat uns zu der in Ziffer 2 formulierten Frage veranlaßt, ob es zutrifft, wie der Herr Bundespostminister geschrieben hat, daß wirklich keinerlei Gespräche über die Zuteilung von Frequenzen in den Bereichen IV und V - das ist der technische Begriff - mit Wirtschaftsgruppen oder mit privaten Interessenten geführt worden sind mit dem Ziel, privaten Unternehmen diese technischen Möglichkeiten zur Verfügung zu stellen. Am 6. Juli 1957 hatte der Amtsvorgänger des gegenwärtigen Herrn Ministers für das Post- und Fernmeldewesen den Rundfunkanstalten in einer Form auf ihre Frage geantwortet, die, ich würde sagen, etwas einem delphischen Orakel glich. Er sagte dabei: „Über die Verwendung der Frequenzbereiche IV und V habe ich bestimmte Vorstellungen." Er sei nicht in der Lage, im gegenwärtigen Zeitpunkt Frequenzzuteilungen vorzunehmen. Welche sind diese „bestimmte Vorstellungen", die die Bundesregierung hat?
Die Arbeitsgemeinschaft öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten der Bundesrepublik hat in einem Schreiben darauf hingewiesen, daß nach ihren zuverlässigen Informationen das Bundespostministerium privaten Interessenten gewisse Hoffnungen
Kühn ({3})
gemacht habe. Darauf erfolgte vom Bundespostministerium die Antwort: Ich beabsichtige auch nicht, Rundfunksendegenehmigungen an Private zu erteilen. Das war ein klares Wort des damaligen Postministers. Die darauf folgenden Gerüchte, Indizien und Meldungen jedoch veranlassen uns, die Frage zu stellen: Ist die Antwort des damaligen Bundespostministers Lemmer auch die Antwort, die uns der gegenwärtige Herr Bundespostminister Stücklen zu geben hat, daß er keine Sendegenehmigung an Private erteilen wird, oder hat auch er bestimmte Vorstellungen, die vielleicht nicht identisch sind mit jenen bestimmten Vorstellungen, die sein Amtsvorgänger hatte?
Mehr noch als die Antwort des Ressortministers auf diese unsere Frage würde uns eine verbindliche Antwort des Herrn Bundeskanzlers interessiert haben; denn bei der Frage, die wir hier diskutieren, geht es ja nicht so sehr um eine Ressortfrage. Es geht um sehr viel mehr, es geht um eine Grundfrage der demokratischen Ordnung in unserem Staat. Deshalb wäre es uns lieb gewesen, wenn der Mann, der für die Richtlinien der Politik in der Bundesregierung verantwortlich ist, uns hier eine klare Antwort gegeben hätte. Wenn ich ein Wort zitieren wollte, das einmal in einer Zeitung gestanden hat, so würde ich sagen: Die Antwort des Ressortministers läßt nicht ganz ausgeschlossen, daß man sich vielleicht „Stücklen um Stücklen" an eine Überraschungslösung heranpirschen möchte oder daß eines Tages - und dies ist ja im Schoß der Bundesregierung besprochen worden, meine Damen und Herren, Sie werden es nicht bestreiten - auf dem Weg über einen vom Bundeskanzleramt patronisierten Verwaltungsakt einfach ein Fait accompli geschaffen wird. Denn alles hat doch wiederum bewiesen, daß man ursprünglich beabsichtigte, in dieser Frage das Parlament einfach zu überfahren und die Offentlichkeit vor vollendete Tatsachen zu stellen. Hier sollte uns wiederum ein Kabinettsbeschluß im Kostüm eines fachministeriellen Verwaltungsaktes serviert werden. Insofern freue ich mich über den Antrag der CDU/CSU- Fraktion, keineswegs seines Inhaltes wegen - wir werden darüber noch zu diskutieren haben -, aber weil sich mittlerweile auch in Ihren Kreisen die Erkenntnis durchgesetzt hat, daß diese Frage durch Gesetz geregelt werden muß. Selbst in den Ländern, in denen wir ein Werbefernsehen auf privater Grundlage haben - ich denke an England -, ist es nicht über eine Regierungsanweisung, sondern über einen Gesetzgebungsakt des Parlamentes eingeführt worden.
({4})
Diesen Versuch einer Überraschung und Überrollung der Offentlichkeit zu verhindern war der Sinn unserer Großen Anfrage. Die bestimmten Vorstellungen der Koalitionsparteien sind uns nun heute in dem vorliegenden CDU-DP-Antrag entschleiert worden. Ich nehme an, daß sich diese Absichten weitgehend mit den Absichten der Regierung decken; denn es ist wohl kaum anzunehmen, daß die Koalitionsparteien diesen ihren Antrag eingebracht haben, ohne ihn mit der Regierung zu beraten.
So brauchen wir gar nicht mehr gespannt zu sein auf die Antwort des Herrn Ministers auf die Frage, die wir unter Ziffer 3 gestellt haben, ob es nämlich zutrifft - damals war dahinter noch ein gewisses Fragezeichen zu setzen -, daß die Bundesregierung es abgelehnt habe, den öffentlich-rechtlichen Anstalten die Frequenzen IV und V zur Verfügung zu stellen, und sie irgendeinem anderen Träger - damals war noch ganz klar: einem privaten Träger - zur Verfügung stellen wolle. Die CDU hat in ihrem Antrag - ich will zu diesem Antrag nicht weiter sprechen; das wird einer meiner Freunde tun - in einem Satz die ganzen Absichten sichtbar gemacht: Das Ziel soll ein zweites Programm sein, das nicht von den bestehenden Rundfunkanstalten veranstaltet wird. Es bleibt offen - und wir harren der Begründung -, ob sich die CDU darunter vorstellt, ob eine neukonstruierte öffentlich-rechtliche Bundesrundfunkanstalt oder ein privates Fernsehunternehmen dieses zweite Programm nach ihrem Sinn ausstrahlen soll.
In der Formulierung und in der Begründung Ihres Antrags, meine Damen und Herren, zeigt sich aber, daß Sie hier nicht nur die Frage des Werbefernsehens oder des zweiten Fernsehprogramms anrühren und regeln wollen, sondern daß Sie auch den ganzen Hörfunk nach diesen Prinzipien neu organisieren wollen. Damit wirft sich die unter Ziffer 4 von uns gestellte Frage auf, die Frage nämlich: Wie glauben Sie das mit der Kulturhoheit der Länder vereinbaren zu können? Daß die den Antrag mitunterzeichnende DP es mit der Kulturhoheit der Länder nicht allzu genau nimmt, ist mir verständlich. Deshalb ist die Mitunterzeichnung nicht erstaunlich. Da sich nun aber bei Ihnen in der CDU-Fraktion die föderalistischen Paulusse allmählich vollends zu zentralistischen Saulussen gewandelt haben, nehme ich an - ich glaube, das ist keine unzulässige Vision -, daß wir sehr bald einen neuen Antrag auf Schaffung eines Bundeskultusministeriums von der DP bekommen,
({5})
bei dem Sie dann in wechselseitiger Freundlichkeit die Unterschrift leisten.
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Das Rundfunkrecht ist seit Jahren eine Streitfrage zwischen den Ländern und der Bundesregierung. Der Bund begründet auf das Fernmeldeanlagengesetz von 1928 seine Funkhoheit, die Länder begründen auf das Grundgesetz ihre Kulturhoheit. Ich glaube, nach der verfassungsrechtlichen Grundlage ist zumindest klar, daß alles das, was aus dem Mikrofon herauskommt und was über den Bildschirm ins Volk hineingetragen wird, unter den Begriff der Kulturhoheit der Länder fällt.
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Kühn ({8})
Es ist die verfassungsrechtlich begründete Auffassung der Länder, daß die Bundesregierung nicht nach eigenem Ermessen Sendelizenzen vergeben kann.
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Fernsehfunk und Hörfunk sind die Aufgaben der Rundfunkanstalten öffentlichen Rechts, und es gibt sogar eine Reihe von Landesgesetzen - Sie wissen das so gut wie ich -, die den auf Landesgesetzen aufgebauten öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten das ausschließliche Senderecht zubilligen.
Sie wissen genauso, daß Ihre politischen Freunde diesen Gedanken ihre Zustimmung gegeben haben, doch hoffentlich auch in der Auffassung, daß dies mit dem Verfassungscharakter der Bundesrepublik in völliger Übereinstimmung steht. Sie wissen, daß die Länder Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Hessen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Bayern alle gegen die Absichten der Bundesregierung protestiert haben, und dies sind fürwahr Regierungen der verschiedensten Parteicouleur. Und die Frage, die uns interessiert, ist, ob die Bundesregierung nicht glaubt, daß auf dem Wege etwaige verfassungsmäßige Schwierigkeiten entstehen, die mit Rücksicht auf das Ansehen der Bundesrepublik - ganz unabhängig von allen übrigen politischen Fragen - nicht sehr zweckmäßig sind. Wir können die Rechtsfrage in dieser Diskussion, glaube ich, nicht entscheiden. Was wir in dieser Diskussion können, ist, die Kernprobleme sichtbar zu machen, die sich in dieser Diskussion verbergen.
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Meine Damen und Herren, Rundfunk und Fernsehen - ich habe es bereits gesagt - sind Machtinstrumente; sie sind über den Werbefunk und das Werbefernsehen wirtschaftspolitische Machtinstrumente zur Erzeugung und Lenkung von Konsumwünschen; sie sind über Nachrichten, über Kommentare und über zugeteilte Sendezeiten zugleich allgemeinpolitische Machtinstrumente zur Erzeugung und Lenkung politischer Meinungen. Darin verbirgt sich eine große Gefahr, die zur tödlichen Gefahr für die Demokratie werden muß, wenn dieses Instrument in die Hände bestimmter Machtgruppen gerät,
({11})
seien es politische oder seien es wirtschaftliche.
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- Warum klatschen Sie so gegen Ihren eigenen Antrag?
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- Wir werden diese Frage jetzt sorgfältig untersuchen. - Um dies zu verhindern, hat man nach 1945 die Form der öffentlich-rechtlichen Anstalten geschaffen. Sie - diese öffentlich-rechtlichen Anstalten - verfolgen keine wirtschaftliche Machtpolitik, und sie bilden, wie ich glaube, die größte und gesichertste Voraussetzung dafür, daß die Sendungen möglichst frei bleiben von Einflüssen einseitiger Machtgruppen.
Eine für Sie von der CDU vielleicht zumindest anhörenswerte Stimme ist die Herdersche Korrespondenz, die sich gerade in diesen Tagen in ihrer Februar-Nummer mit diesem Problem auseinandergesetzt und geschrieben hat, daß sich nach 1945 die antizentralistischen, föderalistischen und antietatistischen Tendenzen in der Rundfunkorganisation maßgebend durchgesetzt hätten unter dem noch frischen Eindruck der restlosen Politisierung des Rundfunks und seines Mißbrauchs durch den totalitären nationalistischen Staat. Die Herdersche Korrespondenz, die ja üblicherweise nicht unsere Argumente zu vertreten pflegt, sagt, daß zumindest theoretisch eine fast ideale Konstruktion gefunden worden sei. In dem System der öffentlichrechtlichen Anstalten aus all den Elementen, die der Sache nach zu berücksichtigen gewesen seien, habe man Aufsichtsgremien geschaffen. „Man wird aber auch zugeben müssen", schreibt sie doch weiter, „daß diese Konstruktion sich praktisch durchaus im ganzen bewährt hat". Ich für mein Teil möchte dieser Herderschen Korrespondenz keineswegs so vorbehaltlos zustimmen. Ich glaube, in der Organisation des deutschen Rundfunkwesens ist noch einiges unvollkommen, und man wird gar nicht so ohne weiteres zustimmen dürfen, wenn etwa die Meinung vertreten wird, es sei alles ideal, wie es sei. Bei diesem Organisationsprinzip auf demokratischer Grundlage kommen jedoch möglichst alle für das geistige Gesicht unseres Volkes bestimmenden Kräfte in den Aufsichtsgremien zur Wirkung. Es gibt kein besseres Prinzip als dieses, und ich frage mich und ich frage Sie: Warum wollen Sie dieses Ordnungsprinzip brechen? In unserer Diskussion interessiert uns viel weniger, ob Sie dies verfassungsrechtlich können; das wird die Zukunft ergeben. Uns interessiert die Frage nach den Motiven Ihres Wollens. Ich will vielen unter Ihnen nicht die guten Motive bestreiten. Aber ich will auch ebenso offen sagen, daß ich diese guten Motive nicht allen unter Ihnen zubilligen kann. Bei denen, denen ich sie nicht zubilligen kann, handelt es sich vielmehr, wie ich glaube, um Vorwände für ihre eigentlichen Absichten.
Zu diesen Vorwänden gehört beispielsweise, man müsse das Niveau der Sendungen durch Konkurrenz heben. Ich bin weit davon entfernt, sagte ich, alles das, was im Hör- und Sehfunk an Sendungen ausgestrahlt wird, für ideal und glänzend zu halten. Es gibt manches Kritisierenswertes. Wenn ich Ihnen meine persönliche Meinung sagen darf, so glaube ich, daß z. B. die Kommentare zum innerdeutschen Zeitgeschehen uns alle miteinander unbefriedigt sein lassen, daß die Tendenz besteht, überhaupt kein heißes Eisen mehr anzurühren. Ich wäre bei manchem Kommentar, den ich höre, geneigt, den Kommentatoren das Wort Ludwig Börnes entgegenzurufen: „Seid Glühwein oder brunnenkühles Wasser, aber kein abgestandenes Naß!" - Es wäre mir sehr viel lieber, es würden viel häufiger profilierte Meinungen, die die umstrittenen Gegensätze sichtbarer machen, als es geschieht, im Hör- und im Sehfunk in Erscheinung treten, in der ausgewogenen, gleichgewichtigen Form für beide Richtungen, die in einer Demokratie erforderlich ist.
Kühn ({14})
Aber das liegt nicht etwa daran, daß das System der Aufsichtsgremien dies verhindere. Es liegt vielleicht ein bißchen an der Neigung zum freiwilligen Konformismus, der in unserem Volke allzusehr verbreitet ist.
Aber nun zu dem Einwand, das Niveau solle durch private Konkurrenz gehoben werden. Eine in der Bundesrepublik sehr verbreitete Zeitschrift hat geschrieben: „Das Fernsehen braucht die Aufmunterung durch privatwirtschaftliche Initiative! Es braucht Konkurrenz! Die Kulturprogramme in den Rundfunkanstalten", so wird dort ausgeführt, „befriedigen nur die Rundfunkräte und die Beauftragten beider Konfessionen, aber das ist auch alles." Nun, in der Tat, ein am wirtschaftlichen Gewinn und an Massenwerbung interessiertes privates Fernsehen, das sich „Freies Fernsehen" nennt, würde in einem gewissen Sinn frei von Hemmungen sein. Es würde in einem gewissen Sinne eine Aufmunterung zur Folge haben, denn ein privatwirtschaftlich getragenes Fernsehen ist ja nicht dafür da und fühlt sich auch nicht als Vermittler von Kulturwerten, sondern als Verursacher von Konsumwünschen. Es hat ja wirtschaftliche, auf Gewinn orientierte und nicht kulturelle Absichten. Es wird ein massenattraktives Programm zu senden versuchen. Sie wissen, daß die kirchliche Hauptstelle der Katholischen Rundfunk- und Fernseharbeit dies in dramatischen Worten ausgedrückt hat: Darin steckt die Tendenz zu einer ständigen Niveausenkung nicht nur dieses privatwirtschaftlichen Fernsehens, sondern geradezu der animierende Zwang auch für die übrigen Anstalten, mit dem Niveau herunterzugehen, weil die Neigung des Publikums nicht auf ein steigendes Niveau gerichtet ist. Das zeigen die Erfahrungen aller Länder, in denen es sehr intensive und begründete Studien über dieses Problem gibt. Die Flucht nach unten als die große Gefahr auch für die öffentlich-rechtlichen Anstalten hat die Kirchliche Hauptstelle der Katholischen Rundfunk- und Fernseharbeit, glaube ich, richtig gekennzeichnet.
Es sind aber nicht nur die beiden Kirchen, die diesen Gesichtspunkt herausgestellt haben. Der Deutsche Gewerkschaftsbund hat gesagt, die Vermengung von kommerziellen Interessen mit kulturellen Dingen müsse zwangsläufig zu einer Verflachung des Programms führen. Wir haben doch das Beispiel in England. Wer von Ihnen einmal in England Gelegenheit gehabt hat, die beiden Programme, das öffentlich-rechtliche und das privatwirtschaftliche, nebeneinander zu sehen, der kann - ganz unabhängig von den amerikanischen Erfahrungen, die noch dramatischer sind - nicht bestreiten, daß das privatwirtschaftlich getragene Fernsehen auf vielen Gebieten zu einer Senkung des Niveaus geführt hat.
Sehen Sie sich doch nur einmal - ich will Ihnen gar nicht das ganze Wochenprogramm nennen - das Programm jener Dezemberwoche im britischen privatwirtschaftlichen Fernsehen an, die für viele Mitglieder dieses Hauses als erste Adventwoche besondere Bedeutung hat. Am ersten Tag dieser Woche, am Sonntag, wurde ein Wildwestfilm - die Bearbeitung des „Letzten Mohikaners" - mit Mord und Totschlag für die lieben Kleinen gesendet. Es kam ein zweiter Film über Robin Hood, Totschlag im historischen Gewande, und schließlich ein dritter „Highway-Patrol" mit Mord und Totschlag auf den amerikanischen Landstraßen. Zum Abschluß dieses Adventtages wurde dann noch ein Kriminalspiel mit dem Mordversuch an einer Tante gesendet. Nun, wenn Sie das alles einmal addieren - und die ganze Woche geht munter so weiter -, kommen Sie zu dem Ergebnis, das auch das „Sonntagsblatt" von Herrn Bischof Lilje zum Ausdruck gebracht hat: die Tendenzen bei der Programmgestaltung müßten ähnliche werden wie etwa bei der Schnulzenproduktion vieler Filme. Ich halte das noch für eine sehr gelinde Charakterisierung der zu befürchtenden Tendenz.
Nun sagen viele unter Ihnen - Sie machen sich ja weitgehend zum Wortführer oder zum Nachsprecher dieser privatwirtschaftlichen Absichten -, private Konkurrenz würde das Niveau heben. Der Grundsatz, daß diese Konkurrenz das Niveau hebt, gilt nicht für den Kulturkonsum, meine Damen und Herren! In der materiellen Konsumgestaltung wird wirtschaftliche Konkurrenz durchaus zur Hebung des qualitativen Niveaus führen können. Im Kulturkonsum liegt eine geradezu umgekehrt proportionale Situation vor: je mehr derartige Konkurrenz, um so mehr wird das Niveau sinken. Von Niveauhebung kann man, ich bin geneigt, zu sagen: vielleicht nur in Gänsefüßchen reden. Sie werden dann erleben, daß eine Strumpffabrik A kommt, die 5 cm über dem Knie zeigt. Dann kommt eine Strumpffabrik B, die 10 cm über dem Knie zeigt. Im Laufe der Zeit nimmt das auch den Charakter einer Niveauhebung an, wenn Sie es so nehmen wollen.
({15})
Ich glaube, alle Erfahrungen beweisen uns, daß hier der allgemeine, aus der materiellen Konsumgütergestaltung bewahrheitete Grundsatz, daß Konkurrenz die Qualität hebe, nicht gilt.
Wer sind denn nun die Leute, die dieses sogenannte freie Fernsehen machen wollen? Welche Garantien bieten sie denn, daß sie Besseres leisten können? Ist es für Sie von der CDU eine Garantie, daß der Bundesverband der Deutschen Industrie sie anstellt? Denn das ist doch das Organ, das im wesentlichen hinter den Absichten eines privatwirtschaftlichen Fernsehens steht. Ist Ihnen das überzeugend? Glauben Sie, daß damit eine Verbesserung der Qualität gewährleistet sei?
Ich glaube, wir dürfen es uns nicht so einfach machen wie das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel", der in einem Artikel geschrieben hat: „Kinder, laßt doch die Leute erst mal machen!" Wenn wir jemandem ein solches Instrument ausliefern, haben wir einen irreparablen Zustand geschaffen. Dann haben diejenigen, die dies getan haben, auch vor unserem Volke die Verantwortung zu tragen.
Welche Beweggründe haben die Leute, die dieses sogenannte freie Fernsehen machen wollen? Angeblich haben sie kulturelle Beweggründe. Aber lassen Sie mich wiederum die Herdersche Korrespondenz zi692
Kühn ({16})
tieren, die sagt, das Hauptinteresse sei ein wirtschaftliches Interesse. Die Herdersche Korrespondenz sagt dann mit leiser Ironie, man könne es diesen Leuten kaum abnehmen, wenn sie sagten, ihr zentrales Anliegen sei es, dem Fernsehzuschauer ein zweites Programm zu bieten, damit er die Möglichkeit einer Auslese habe. Wiederum die Herdersche Korrespondenz sagt, und zwar in Übereinstimmung mit fast allen, die dieses Problem ruhig und nüchtern beurteilen, ohne eigene machtpolitische oder wirtschaftspolitische Überlegungen: Es kommt denen, die das private Werbefernsehen machen wollen, in erster Linie darauf an, den Werbeträger von großer Effektivität zu sichern - und ich möchte hier hinzufügen: den Werbeträger im weitesten Sinne, auch im Sinne der politischen Machtmanipulation.
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Welche Garantien wollen Sie denn gegen diesen Mißbrauch einbauen? Wir haben gelesen, daß die Bundespost überlegt, einen Benutzungsvertrag aufzuerlegen, der Bestimmungen enthält, die die Programmgestaltung unter die Kontrolle eines unabhängigen Aufsichtsgremiums stellen. Wir haben den Vertrag dieser freien Werbefernsehgesellschaft gesehen. Darin steht: Der Aufsichtsrat bestimmt die Organe. Meine Damen und Herren - daran kommen Sie nicht vorbei -, wenn Sie ein solches Instrument den Leuten geben, die es mit ihrem Geld finanzieren, werden Sie immer wieder vor der Tatsache stehen, daß derjenige, der die Musik bezahlt, auch die Melodie bestimmt, die gespielt wird. Das freie Fernsehen ist in Wirklichkeit ein domestiziertes Fernsehen, ein Fernsehen, das in den Dienst wirtschaftlicher oder politischer Machtgruppen gestellt werden soll, manipuliert von denen, die das Geld geben.
Ich bin geneigt, zu sagen: ich finde es sonderbar und es stimmt mich ein bißchen traurig, zu sehen, daß offensichtlich die größte Fraktion des Parlaments mitzuhelfen bereit ist, die antiparlamentarischen Ressentiments zu unterstützen,
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die von manchen Seiten systematisch geschürt werden. Ja, wollen Sie dieses sogenannte freie Fernsehen als freier denn das Fernsehen bezeichnen, das wir heute unter öffentlich-rechtlicher Kontrolle haben und das letzten Endes den Parlamenten als den vom Volke gewählten Organen gegenüber verantwortlich ist?
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In den öffentlich-rechtlichen Anstalten und ihren Gremien ist eine umfassende demokratische Legitimation vorhanden, aus der die Aufsichtsorgane. gebildet wurden. Hier hat man alle Kulturträger, im weitesten Umfange alle gestaltenden Kräfte in den Aufsichtsorganen, vertreten sein lassen.
Lassen Sie mich, weil ich glaube, daß Sie das immerhin zum Nachdenken veranlassen könnte, vor allem diejenigen unter Ihnen, die sich mit diesem Problem noch nicht intensiver beschäftigt haben, wieder die Hauptstelle der Katholischen Rundfunkarbeit zitieren, die gesagt hat: Nicht ohne Grund ist nach 1945 das westdeutsche Rundfunkwesen in Anstalten des öffentlichen Rechts gegliedert worden, die von den Bildungs- und Erziehungskräften mitgetragen werden. Auch die Kirche als geistige und sittliche Ordnungsmacht trägt hier eine Mitverantwortung.
Der in den Gesetzen und Staatsverträgen verbürgte Charakter des Rundfunks und des Fernsehens als eines der ganzen Gesellschaft verpflichteten freien Mittlers der Kultur muß gewahrt bleiben. Ist nach Ihrem Urteil - diese Frage erlaube ich mir zu stellen - der Bundesverband der Deutschen Industrie als Lenker des Rundfunks ein größerer Garant der Freiheit als die gewählten Parlamente? Ist es für viele unter Ihnen ein Kriterium der Freiheit, von bestimmten wirtschaftlichen Machtgruppen abhängig zu sein? Ich glaube, daß die meisten unter Ihnen das genausowenig wünschen wie wir. Ich habe die ehrlichen Motive dieser Mehrheit anerkannt, und ich hoffe auch, daß nicht mancher unter Ihnen eines Tages an das Wort von Oscar Wilde denken muß: Wenn ein Mann etwas ganz Törichtes tut, so tut er es sehr oft aus den edelsten Motiven. Es wäre nicht nur töricht, es wäre mehr, es wäre gefährlich, wenn Sie die Absichten realisierten, die sich auch in Ihrem Antrag und in den Äußerungen der Regierung offenkundig verbergen.
Das freie Fernsehen, so hat man uns gesagt, will keinen Gewinn. Gut, wenn sie keinen wirtschaftlichen Gewinn wollen, was wollen dann die Leute, die dieses „freie" Fernsehen, getragen vom Bundesverband der Deutschen Industrie, dem Markenartikelverband und einigen anderen, damit? Die Antwort scheint mir einfach: Der Bundesverband der Deutschen Industrie und die Verbände, die sich mit ihm unter dem Motto „freies Fernsehen" in Wirklichkeit das Fernsehen aneignen wollen, haben die politische Bedeutung dieses Instrumentes erkannt. Sie wollen nicht materiellen Gewinn, aber sie wollen politische Macht damit ausstrahlen.
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Es ist die Sache der Regierung, unsere Befürchtungen hier zu zerstreuen. Es ist die Sache der Regierung, ganz deutlich zu machen, ob und wieweit sich die von ihr vertretenen Interessen mit denen der Industrie decken. Man bedarf wohl nicht allzu großer Findigkeit, um einer Regierung zuzutrauen, daß sie sich von den optisch auf die Bildschirme gefunkten Waage-Anzeigen in kommenden Wahlen etwas Besonderes, Zusätzliches verspricht. Diese privaten Werbeträger sollen ja auch nach dem, was wir gehört haben, der Bundesregierung bereits die Gewährung von besonderen Redezeiten zugebilligt haben. Auch darüber etwas zu hören, wäre uns interessant. Es würde bei mir die Erinnerung an Papens „Stunde der Reichsregierung" wachrufen. Ich glaube, daß wir dann nicht weit von Konsequenzen entfernt sein könnten so ähnlich, wie es damals auch der Fall war.
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Hören Sie, was der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der deutschen Rundfunkanstalten, der ja
Kühn. ({22})
Ihnen politisch näher steht als uns, zu diesem Kapitel gesagt hat. Sie werden uns gern unterstellen, daß wir bei der Regierung Absichten vermuten, die wir aus unserer Oppositionsstellung in die Haltung der Regierung hineininterpretieren möchten. Aber, bitte, hier hören Sie wörtlich aus seinem Memorandum:
Für die Bundesregierung ist anscheinend der Plan, ein zweites Fernsehsystem einzurichten, deshalb interessant, weil hier die Gelegenheit gegeben wäre, die Ordnung dieser Einrichtung zu bestimmen und die Publikationsmöglichkeiten zu nutzen.
Von der Regierung her! Es gibt das Wort, daß der Bildschirm ein Fenster in die Welt sei. Sie werden es uns nicht verübeln, wenn wir den Verdacht haben, daß die Bundesregierung hier ganz gern in das politische Bewußtsein des Volkes hineinfensterln möchte.
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Wer das will, wer Fernsehen und Rundfunk zu einem Instrument politischer Machtinteressen machen will - sei es in der Regierung, sei es in den Fraktionen der Koalition -, der möge bedenken, was der Fernsehbeauftragte der Evangelischen Kirche - um noch eine andere Stimme zu zitieren - dazu gesagt hat:
Falls auf dem Umwege über das kommerzielle Fernsehen lediglich politischer Einfluß auf das Fernsehen genommen werden soll, so werden zweifellos die damit verbundenen Schäden für das Volksganze erheblich größer sein als der politische Gewinn.
Ich habe diese beiden Stellen zitiert, um bei Ihnen nicht den Eindruck entstehen zu lassen, als hätten lediglich wir aus politischen Oppositionsüberlegungen diese Besorgnisse. In der Tat, auf die Dauer wird, wie es der evangelische Rundfunkbeauftragte gesagt hat, niemand von einer solchen Manipulierung des Rundfunks und des Fernsehens Nutzen haben können, dem es wirklich um die freiheitlich-demokratische Gestaltung in unserem Volke geht, niemand, wo auch immer er in diesem Hause sitzt. Da ich auch der Mehrheit, den Regierungsparteien, dieses gemeinsame Anliegen nicht bestreiten möchte - ich bin fast geneigt, zu sagen: noch nicht -, obwohl ich Ihren Antrag gelesen habe,
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möchte ich an Sie appellieren: wer für die Demokratie ist, der muß gegen die Privatisierung
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und er muß auch gegen die Gouvernementalisierung und gegen die Regierungsabhängigkeit von Rundfunk und Fernsehen sein.
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Die Mittel der Meinungsbildung Machtgruppen ausliefern heißt die Demokratie zu Grabe tragen.
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Das Wort zur Beantwortung der Großen Anfrage hat der Herr Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Für die Bundesregierung beantworte ich die Große Anfrage der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei Drucksache 153. Gestatten Sie mir, daß ich zunächst zu den Punkten 2 und 3 und erst danach zu Punkt 1 der Großen Anfrage der Fraktion der SPD Stellung nehme.
Das unter Punkt 2 der Großen Anfrage der Fraktion der SPD erwähnte Schreiben des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen ist die Antwort auf ein Schreiben der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten vom 12. September 1957, in dem die Rundfunkanstalten die Auffassung vertreten haben, daß sämtliche Rundfunkfrequenzen den Rundfunkanstalten zugeteilt werden müßten. In dem gleichen Schreiben heißt es weiter, daß die Rundfunkanstalten zu ihrem Bedauern feststellen müßten, daß nach zuverlässigen Informationen Gespräche zwischen dem Bundespostministerium und Vertretern privater Wirtschaftsgruppen über die Zuteilung von Frequenzen aus den Bereichen IV und V geführt worden seien, ohne die Rundfunkanstalten hinzuzuziehen. Ich darf die Antwort des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen vom 2. Oktober 1957 auf dieses Schreiben der Arbeitsgemeinschaft verlesen:
Ihrer Auffassung, daß die Rundfunkfrequenzen eines internationalen Frequenzplanes in vollem Umfange den Rundfunkanstalten zugeteilt werden müssen, vermag ich nicht zuzustimmen.
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Ich darf ferner feststellen, daß keine Gespräche über Zuteilung von Frequenzen aus den Bereichen IV und V an private Wirtschaftsgruppen geführt worden sind. Zwar liegen mir zahlreiche Anträge auf Zuteilung von Frequenzen in Rundfunkbereichen vor; ich habe jedoch bisher nur in einem Falle eine befristete Genehmigung für Versuchszwecke, Impulssendungen, an Private erteilt. Ich beabsichtige auch nicht, Rundfunksendegenehmigungen an Private zu erteilen. Ihre Vermutung, daß mein Brief vom 6. Juli 1957 mit einer solchen Absicht in Zusammenhang gebracht werden müsse, geht daher fehl.
Ich begrüße eine gemeinsame Erörterung über die technischen Einzelheiten für die Bereiche IV und V und sehe Ihren Vorschlägen gern entgegen. Ich sehe auch keine Schwierigkeit, Frequenzen in diesen Bereichen für Versuche zum Studium der Ausbreitungserscheinungen und sonstiger technischer Fragen befristet zuzuteilen. Auch von mir werden derartige Versuche angestellt, so daß ein gegenseitiger Austausch
der Ergebnisse im Hinblick auf eine etwaige UKW-Rundfunkkonferenz mir zweckmäßig erscheint.
Soweit dieses Schreiben. An der in diesem Schreiben niedergelegten Auffassung, daß unbeschadet der rechtlichen Möglichkeit aus Zweckmäßigkeitsgründen privaten Stellen keine Genehmigungen zum Errichten und Betreiben von Rundfunksendeanlagen erteilt werden sollten, halte ich fest. Jede Zersplitterung der Rundfunktechnik ist nicht nur unwirtschaftlich, sondern wirkt sich auch zum Nachteil der Gesamtheit der Rundfunkteilnehmer aus, da dann nicht mehr der Gedanke einer gleichmäßigen Versorgung im Vordergrund steht, sondern das Interesse, bestimmte Bereiche zu erfassen.
Mit dem in dem soeben verlesenen Brief erwähnten Schreiben vom 6. Juli 1957 komme ich zu Punkt 3 der Großen Anfrage. Dieses Schreiben stellt den Bescheid dar, den der Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen der Arbeitsgemeinschaft auf den Antrag der Rundfunkanstalten auf Zuweisung der Frequenzbereiche IV und V erteilt hat. Er hat folgenden Wortlaut:
Über die Verwendung der Frequenzbereiche IV und V habe ich bestimmte Vorstellungen. Die grundsätzlichen Untersuchungen über die technischen Gegebenheiten in diesen Bereichen sowohl auf der Sendeseite wie auch auf der Empfangsseite sind jedoch noch nicht abgeschlossen. Aus diesem Grunde sehe ich mich nicht in der Lage, im gegenwärtigen Zeitpunkt Frequenzzuteilungen für Rundfunksender in den Bereichen IV und V vorzunehmen.
Soweit dieses Schreiben.
Der Antrag der Rundfunkanstalten auf Zuweisung der Frequenzbereiche IV und V ist also nicht abgelehnt worden, weil die Bundespost diese Frequenzbereiche ganz oder teilweise für Bundessender reservieren will, über die ein privates Werbefernsehprogramm ausgestrahlt wird, sondern weil die technischen Gegebenheiten in diesen Bereichen noch nicht hinreichend erforscht sind. Unklarheiten bestehen noch sowohl auf der Sende- wie auch auf der Empfangsseite.
Zunächst zur Sendeseite: In Anbetracht des bedauerlichen Mangels an Frequenzen im Lang- und Mittelwellenbereich muß ich auf eine rationelle Ausnutzung der Bereiche IV und V bedacht sein mit dem Ziel, die Verteilung der Frequenzen in diesen Bereichen so vorzunehmen, daß möglichst viele Programme untergebracht werden können. Die hierfür erforderlichen Untersuchungen werden vom fernmeldetechnischen Zentralamt der Deutschen Bundespost durchgeführt. Sie sind aber noch nicht so weit gediehen, daß ich bereits heute Frequenzen zuteilen könnte, ohne die optimale Gesamtplanung zu gefährden.
Auch die Konstruktion der Empfänger ist heute keineswegs schon so klar, daß ich Sender in den Bereichen IV und V in Betrieb gehen lassen könnte. Es dürfte Ihnen bekannt sein, daß der Fernsehrundfunkempfang in den Bereichen I und III durch UKW- Tonrundfunkgeräte in erheblichem Umfang gestört wird. Dies ist darauf zurückzuführen, daß die Störstrahlung bei einer großen Anzahl von Geräten dieser Art nicht entsprechend den Empfehlungen der Deutschen Bundespost ausreichend unterdrückt ist. Diese Geräte müssen jetzt mit einem großen Kostenaufwand für die Deutsche Bundespost ausfindig gemacht werden und von ihren Besitzern auf eigene Kosten umgebaut werden. Ähnliche Störstrahlungen können auch bei dem Fernsehempfang in den Bereichen IV und V auftreten. Um eine Wiederholung dieser unliebsamen Vorkommnisse zu verhindern, werde ich Fernsehsender in den Bereichen IV und V erst dann in Betrieb gehen lassen, wenn durch geeignete Maßnahmen sichergestellt ist, daß nur solche Empfänger auf den Markt kommen, bei denen die Störstrahlung ausreichend unterdrückt ist.
Mit dem Hinweis in dem Schreiben des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen an die Arbeitsgemeinschaft vom 6. Juli 1957, daß er über die Verwendung der Frequenzbereiche IV und V bestimmte Vorstellungen habe, komme ich zu Punkt 1 der Großen Anfrage.
Die technische Erschließung der Bereiche IV und V und die dadurch bedingte Ausweitung des Fernsehens von der Programmseite her hat eine lebhafte Diskussion der Frage in Gang gebracht, ob die Ausstrahlung von Fernsehprogrammen den Rundfunkanstalten der Länder vorbehalten bleiben soll. Ich darf die in diesem Zusammenhang vorgebrachten Wünsche und Vorschläge ebenso als bekannt voraussetzen wie die Gründe, die für und gegen die verschiedenen Lösungen vorgebracht worden sind. Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß die Frage der Auswertung der Bereiche IV und V einer sehr sorgfältigen Prüfung bedarf. Sie ist nicht der Meinung, daß diese Frage damit abgetan werden könnte, daß, gleich welche Möglichkeiten sich bei einer optimalen Ausnutzung der Bereiche IV und V ergeben werden, nur die Rundfunkanstalten der Länder berechtigt seien, Rundfunkprogramme in diesen Bereichen zu verbreiten. Die Prüfung, zu der sich die Bundesregierung verpflichtet fühlt, ist noch nicht abgeschlossen, da die hierfür notwendige genaue Kenntnis der technischen Möglichkeiten der Bereiche IV und V noch nicht gegeben ist.
Zur Frage 4. Die Bundesregierung ist nicht der Auffassung, daß die sogenannte Kulturhoheit der Länder der Zulassung eines privatwirtschaftlichen Werbefernsehens entgegenstehen würde. Das Grundgesetz kennt keine ausschließlich den Ländern zustehende allgemeine Kompetenz für Kulturfragen.
({1})
Sofern der Bund auf einem Gebiet zuständig ist, wird diese Zuständigkeit nicht dadurch beeinträchtigt, daß materiell Kulturfragen berührt werden. Auf dem Gebiet des Rundfunks, zu dem auch das Fernsehen gehört, ergibt sich die Zuständigkeit des Bundes aus seiner Kompetenz für das Fernmeldewesen, Art. 73 Ziffer 7 und Art. 87 des Grundgesetzes.
Zur Frage 5. Das Werbefernsehen tritt neben die Tonrundfunkwerbung und die Werbung mit groStücklen
ßen Anzeigen in Tageszeitungen und Zeitschriften sowie an Litfaßsäulen. Wegen der hohen Kosten machen zur Zeit von diesen bereits bestehenden Werbemitteln vor allem Großunternehmen Gebrauch. Das gleiche wird auch für das Werbefernsehen zu gelten haben. Die mittelständischen Betriebe werden von den Möglichkeiten, die das Werbefernsehen bietet, nicht in dem gleichen Umfang wie die Großunternehmen Gebrauch machen können. Es muß aber angenommen werden, daß die Aufsichtsgremien der Rundfunkanstalten bei ihren Beschlüssen, das Werbefernsehen einzuführen, die Frage einer möglichen weiteren Benachteiligung der mittleren und kleineren selbständigen Existenzen eingehend geprüft haben. Die Tatsache, daß nach den Verlautbarungen diese Beschlüsse einstimmig gefaßt worden sind, läßt vermuten, daß von diesen Gremien die Gefahr einer Verschiebung der Wettbewerbslage zuungunsten der mittleren und kleineren Betriebe durch das Werbefernsehen nicht angenommen worden ist. Die Bundesregierung wird aber trotzdem bei ihren künftigen Entscheidungen dieser Frage ihre besondere Aufmerksamkeit zuwenden und entsprechend den in der Regierungserklärung festgelegten Grundsätzen zur Förderung des Mittelstandes eine sorgfältige Abwägung der Interessen vornehmen.
Daß das Werbefernsehen die wirtschaftliche Grundlage der Presse einengt und damit eine Gefährdung ihrer politischen Unabhängigkeit bedeutet, ist nicht anzunehmen. Dies ist durch die Tonrundfunkwerbung ebenfalls nicht geschehen. Auch
;, das Beispiel in Großbritannien zeigt, daß solche Befürchtungen nicht begründet sind. Die berechtigten Interessen der Presse werden ebenso wie die der mittleren und kleineren Betriebe der Wirtschaft verantwortungsbewußt berücksichtigt werden. Was die Presse betrifft, so möchte ich noch darauf hinweisen, daß der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger Mitglied der Gruppe ist, die sich für die Einführung eines privatwirtschaftlichen Werbefernsehens einsetzt.
({2})
Das Hohe Haus hat die Antwort der Bundesregierung entgegengenommen. Ich darf unterstellen, daß Sie eine Aussprache über die Antwort wünschen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schmidt ({0}).
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn die Große Anfrage der SPD über den informatorischen Zweck hinaus eine politische Gestaltung, einen Schritt nach vorn auslöst, dann hat sie ihren Sinn erfüllt. Insofern können wir nur dankbar sein für die Initiative der SPD, als sie früher, als es sonst vielleicht der Fall gewesen wäre, eine actio im Sinne einer politischen Gestaltung bei den Koalitionsparteien ausgelöst hat. Ich habe die Ehre, dem Hohen Hause einen Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der DP zu unterbreiten und zu begründen, der Ihnen auf Umdruck 18 heute auf
die Pulte gelegt worden ist. Wir bitten, diesen Antrag dem zuständigen Ausschuß zu überweisen, damit er dort gründlich beraten werden kann.
Der Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und DP zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD hat folgenden Wortlaut:
Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht,
1. eine gesetzliche bzw., soweit erforderlich, eine staatsvertragliche Regelung auf dem Gebiet des Rundfunkwesens anzubahnen, bei der u. a. in Betracht gezogen werden sollte, unter welchen Voraussetzungen und Auflagen, in welchem Umfang und an wen Sendelizenzen erteilt werden dürfen. Das Ziel sollte u. a. ein zweites Programm sein, das nicht durch die bestehenden Rundfunkanstalten veranstaltet wird;
({0})
2. bis zu dieser Regelung alle Möglichkeiten auszuschöpfen, die geeignet sind, Rundfunk und Fernsehen zunächst von der Geschäftswerbung freizuhalten;
3. für den Fall, daß die Bundesregierung die Einführung von Geschäftswerbung in Funk und Fernsehen im Rahmen der Regelung unter Nummer 1 für tunlich oder unabweisbar hält, folgende Fragen zu klären und darüber dem Bundestag zu berichten,
a) wie jeder Mißbrauch, insbesondere jede nachteilige Auswirkung auf das Programm ausgeschaltet werden kann,
b) wie ungünstige Folgen für die gesellschaftliche und wirtschaftliche Struktur verhindert werden können;
4. durch die Deutsche Bundespost die technischen Vorbereitungen für die Ausstrahlung eines zweiten Fernsehprogramms treffen zu lassen.
- Herr Kollege, ich glaube, auch die Offentlichkeit hat einen Anspruch darauf, zu erfahren, was in diesem Antrag steht, um den Verhandlungen in diesem Hause folgen zu können.
({1})
Der Antrag der Koalition zu Ziffer 1 spricht mit Vorbedacht nicht von einem Rundfunkgesetz - darum hat sich das Hohe Haus in zwei Legislaturperioden vergeblich bemüht -, er spricht von einer „gesetzlichen bzw., soweit erforderlich, einer staatsvertraglichen Regelung auf dem Gebiet des Rundfunkwesens". Und das heißt nun nicht, daß wir ein perfektionistisches Bundesrundfunkgesetz brauchen, das alle Streitfragen und Meinungsverschiedenheiten, die zwischen Bund und Ländern in Ansehung des außerordentlich schwierigen Komplexes bestehen, regelt, sondern das heißt, daß nun endlich einmal die im Grundgesetz geregelte ausschließ696
Dr. Schmidt ({2})
liche Bundeskompetenz gesetzlich angesprochen und das unabweisbar Notwendige geregelt werden muß, um dem Bund zu geben, was des Bundes ist.
({3})
Was auf diesem Gebiet durch sehr verschiedenes Besatzungsrecht von drei Besatzungsmächten, durch Länderrecht vor und nach Inkrafttreten des Grundgesetzes an Verwirrung ausgelöst worden ist, übersteigt nachgerade jedes erträgliche Maß. Das bezeugt am besten die Fülle der Literatur, die Fülle der Gutachten und das fast unübersehbare Bündel von Streitfragen. Es würde zu weit führen, hier auch nur die elementarsten Probleme aufzuzeigen. Das Entscheidende für uns im Deutschen Bundestag ist, daß einmal die in Art. 73 Nr. 7 des Grundgesetzes angesprochene ausschließliche Zuständigkeit des Bundes, nämlich seine Funkhoheit, unbestreitbar umrissen wird. Auch die Länder, auch die Rundfunkanstalten, die sich darauf berufen, -die Funkhoheit der Bundesrepublik sei erloschen, können nicht bestreiten, daß die Alliierte Hohe Kommission, als sie ihnen die Ausübungsmöglichkeiten übertrug, sich selbst die Funkhoheit vorbehalten hat und auch selbst von dieser Funkhoheit entsprechenden Gebrauch gemacht hat. So kann nicht zweifelhaft sein, daß nach Art. 73 Nr. 7 des Grundgesetzes diese Funkhoheit beim Bund liegt und daß insbesondere nach der Wiederherstellung der deutschen Souveränität auch die Rechte der Alliierten Hohen Kommission auf die Bundesrepublik übergegangen sind. Ebensowenig kann man bestreiten, daß das Fernmeldeanlagengesetz nach wie vor in Kraft ist. Wir sind schon der Meinung, daß, wenn die Uneinsichtigkeit auf den verschiedensten Seiten weiterhin jeder verständigen gesetzlichen oder staatsvertraglichen Regelung im Wege stehen sollte, gegebenenfalls auch von den Exekutivmöglichkeiten, die die Gesetzgebung gibt, Gebrauch gemacht werden müßte.
Das Besatzungsrecht auf dem Gebiete des Rundfunkwesens muß jedenfalls abgelöst werden. Es bezweckte seinerzeit, die nationalsozialistisch-staatliche Einheitsorganisation als Machtinstrument zu zerschlagen. Jeder überzeugte Anhänger einer rechtsstaatlichen und freiheitlichen Ordnung konnte damit nur einverstanden sein und muß auch heute damit einverstanden sein und wird es auch in der Zukunft sein müssen. Alsdann wurde nach dem Willen der Besatzungsmächte ein regionales, selbständiges Anstaltssystem aufgebaut. Auch das entsprach der damaligen politischen Entwicklung, und niemand denkt daran, dieses regionale Anstaltssystem anzutasten.
Aber, Herr Kollege Kühn, es kann nicht bestritten werden, daß die politische Entwicklung inzwischen weitergegangen ist, daß die Länder den Bund geschaffen haben, daß der Bund nun über die Gesichtspunkte der Länder hinaus das deutsche Volk als Ganzes zu repräsentieren hat, und zwar als Ganzes auch hinsichtlich unserer Brüder und Schwestern, die durch einen Staatsnotstand von uns getrennt sind. Es kann niemand bestreiten, daß der Bund nun seine Beziehungen zur Welt aufgenommen hat und daß auch von daher begründete Gesichtspunkte und Ansprüche gestellt sind. Das verpflichtet uns geradezu, dem Bunde zu geben, was des Bundes ist.
Herr Kollege Kühn, es geht nicht darum, der jeweils führenden Gruppe ein Machtinstrument in die Hand zu geben. Nichts wäre verhängnisvoller; das würde das Grundgesetz eklatant verletzen. Aber es geht darum, eine Organisation auf Bundesebene zu schaffen, die unabhängig und frei das ganze deutsche Volk anspricht und in seinen vielfältigen Meinungen und Auffassungen im Rahmen des Grundgesetzes seine schöpferischen Leistungen auch über die Grenzen hinaus als Ganzes vertritt und ihnen würdigen Ausdruck verleiht.
({4})
- Jawohl, einen Bundessender, aber nicht in der Organisationsform, in der Sie es meinen. Wie die Organisation erfolgt, das kann hier völlig offenbleiben. Mannigfache Formen bieten sich an. Das ist hier nicht das Entscheidende. Die Kulturhoheit der Länder wird dadurch unseres Erachtens nicht berührt. Kulturhoheit ist ja dann ein Widerspruch in sich selbst, wenn diese, Hoheit etwa eine Hoheit über das Programm, über die künstlerischen, wissenschaftlichen und volksbildnerischen Äußerungen über das Mikrophon sein soll; denn diese Äußerungen sind nach dem Grundgesetz frei, und niemand, auch die Länder nicht, auch der Bund nicht, niemand hat ein Hoheitsrecht über diese Äußerungen durch das Mikrophon. Hoheit meint doch öffentlich-rechtliche Vollmacht, zu erlauben, zu genehmigen, zu versagen. Hinsichtlich dieser künstlerischen, wissenschaftlichen und sonstigen volksbildnerischen Äußerungen hat der Staat überhaupt nichts zun tun. Er hat nur über eins zu wachen. Er hat darüber zu wachen, daß das Grundgesetz nicht verletzt wird. Darüber hat der Bund auf der Bundesebene selbst zu wachen. Dessen kann er sich nicht begeben, auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Art. 30 des Grundgesetzes. Es wäre ja auch widersinnig, wenn die große Zahl der Länder etwa als Kollektivgremium die Einhaltung des Grundgesetzes auf der Bundesebene zu überwachen hätte.
Den Ländern, insbesondere den bestehenden Rundfunkanstalten, soll durch unseren Antrag nichts genommen werden, was ihnen gerechterweise gebührt. Daher streben wir sehr wohl, soweit erforderlich, staatsvertragliche Verhandlungen an, allerdings in der Hoffnung, daß sie nicht weitere vier Jahre vergeblich geführt werden und daß auch die Rundfunkanstalten einsehen, daß hier eine Neuordnung unabweisbar ist.
Die regionalen Rundfunkanstalten tun ihren notwendigen Dienst. Aber ihr Monopol, meine Damen und Herren, ist vom Übel.
({5})
Sie scheffeln die ständig wachsenden Gebühren risikolos in ihre Scheuern, ohne daß sie nach Leistung und Gegenleistung zu fragen brauchen. Es kann ihnen gleichgültig sein, wer aus welchem Grunde vom Rundfunk abspringt. Mit der Leistung jedes Monopolinhabers - und das gilt auch für
Dr. Schmidt ({6})
die bestehenden Rundfunkanstalten - muß man sich abfinden, ob sie gut oder schlecht ist,
({7})
und jeder, der dem Monopolinhaber dient, ist ausschließlich auf seine Loyalität angewiesen.
Das ist der Grund, weshalb wir in Ziffer 1 unseres Antrags ein zweites Programm fordern, auf das unser Volk seit langem einen Anspruch hat,
({8})
und zwar ein zweites Programm, das nicht über die bestehenden Rundfunkanstalten ausgestrahlt und von ihnen veranstaltet wird.
({9})
Das bedeutet aber nicht, daß das etwa in privater Hand und verbunden mit einem kommerziellen Fernsehen geschehen müsse. Das ist eine ganz andere Frage,
({10})
und das spricht dieser Antrag überhaupt nicht an.
({11})
- Wir haben ja eine Gebührenhoheit des Bundes; darauf komme ich gleich noch zu sprechen, Herr Kollege.
Ich war sehr überrascht, heute morgen, als ich mir die Frankfurter Allgemeine Zeitung kaufte, die Überschrift zu sehen: Ein privates Fernsehprogramm von der Regierungskoalition beantragt. Wer lesen kann, der muß objektiv feststellen, daß davon in diesem Antrag nicht die Rede ist und auch nicht die Rede sein kann.
Wir haben zunächst einmal die Frage der Geschäftswerbung durch Rundfunkanstalten anzusprechen. Mit der Geschäftswerbung haben ja die bestehenden Rundfunkanstalten begonnen.
({12})
Diese Entwicklung bedauern wir mit einem großen Teil der Bevölkerung, die sich nämlich für ihr eigenes Geld nicht auch noch Werbung aufnötigen lassen will.
({13})
Das ist doch die Grundfrage, und das spricht die Anfrage der SPD mit keinem Worte an. Etwas ganz anderes ist es, wenn keine Empfangsgebühren erhoben werden. Jedermann weiß, daß man nichts umsonst haben kann. Wenn man nicht bereit ist, eine Empfangsgebühr zu zahlen, muß man die Werbung eben in Kauf nehmen. Durch das Vorgehen der bestehenden Rundfunkanstalten ist die Rechts- und Wirtschaftsgrundlage verschoben worden.
({14})
Das ist der Sinn unseres Antrags unter Ziffer 2. Die Entwicklung droht hier jetzt alles zu präjudizieren. Einige Rundfunkanstalten sind vorangegangen, und diejenigen, die widerstanden haben, fühlen sich nun durch irgendwelche Gerüchte über die
Einführung eines privaten Werbefernsehens veranlaßt, denen zu folgen, die vorangegangen sind.
({15})
Wir würden tatsächlich, Herr Kollege Kühn, überfahren werden, wenn wir nicht zunächst hier gemeinsam dem Willen Ausdruck gäben, daß die Entwicklung der Tatsachen nicht in Zukunft alles Weitere präjudiziert, daß einmal die Grundfrage überhaupt, ob sich Funk und Fernsehen für die Geschäftswerbung eignen, in einer gesetzlichen oder staatsvertraglichen Regelung geklärt wird.
({16})
Die Ziffer 2 spricht von allen Möglichkeiten, die die Bundesregierung ausschöpfen soll. Es ist sicherlich zu fragen, welche Möglichkeiten. Diese Möglichkeiten werden bei dem Rechtswirrwarr, der besteht, und bei der höchst unterschiedlichen Regelung nach den verschiedenen Seiten hin verschieden sein. Aber wir denken in allererster Linie an die Gebühren. Nach der herrschenden Meinung in der Literatur liegt die Gebührenhoheit beim Bunde. Die Gebühren werden für die Empfangsanlagen als Konzessionsgebühren erhoben, und von da her ist auch hoheitlich die Möglichkeit eines Eingriffs, soweit es die vertragliche Regelung gestattet. Aber soweit die Landesrundfunkgesetze die Gebührenhoheit des Bundes nach Inkrafttreten des Bundesgesetzes tangieren, sind sie zweifellos gegenstandslos und nichtig geworden.
Im übrigen meine ich: was den Rundfunkanstalten erlaubt ist, das sollte jedem anderen Sendelizenzinhaber billig sein. Die Frage der Geschäftswerbung in Funk und Fernsehen scheint uns in ihren Vorausetzungen und in ihren Folgen noch ungeklärt zu sein. Hier mögen uns die Erfahrungen in anderen Ländern dienen. Sicher ist, daß sie nicht ohne weiteres übertragen werden können. Wir müssen in diesem Zusammenhang aber auch die Einwirkungsmöglichkeiten aus dem Ausland berücksichtigen. Ich denke z. B. an die neue Maßnahme von Radio Luxemburg. Wir müssen daran denken, daß wir in einen Gemeinsamen Europäischen Markt hineingehen und daß auch international in diesem Gemeinsamen Markt möglichst gleichmäßige und gleichwertige Vorstellungen über den Funk und das Fernsehen als Mittel der Werbung bestehen sollten und müssen.
So ist vieles zu prüfen. Ich meine -- und ich glaube, darin stimme ich mit dem größeren Teil der Mitglieder der CDU/CSU-Fraktion überein -, daß zunächst einmal geprüft werden muß, welche geistigen, welche seelischen und sittlichen Auswirkungen die Geschäftswerbung über Funk und Fernsehen auf Erwachsene und Kinder haben kann. Hier sind sicherlich unübersteigbare Grenzen geboten. Es kann aber sein - und, Herr Kollege Kühn, ich bin überrascht, daß Sie in dieser Hinsicht den englischen privaten Werbefernsehsender offenbar abwerten -, daß sich diese Grenzen ziehen lassen. Ich habe mit Interesse in diesen Tagen die Bestimmungen der Television Act über die Einrichtung von ITA gelesen und festgestellt, daß darin
Dr. Schmidt ({17})
sehr sorgfältig Mißbrauchsmöglichkeiten nicht nur angesprochen, sondern mit Machtmöglichkeiten ausgeschaltet werden, die wir unseren bestehenden Rundfunkanstalten gegenüber jedenfalls nicht haben.
({18})
- Ich bin gern bereit, mich auch darüber zu informieren, wie es in der Praxis aussieht. - Das Problem, Herr Kühn, ist für uns alle so ernst und so wichtig, daß wir uns in diesem Zeitpunkt unter keinen Umständen präjudizieren lassen hinsichtlich der Einführung eines privaten Werbefernsehens.
({19})
Daraus ist die Ziffer 3 zu begründen mit den beiden dort aufgeführten Fragen, auf die ich um so weniger einzugehen brauche, als dort alle diese Fragen angesprochen sind, wie z. B. die mittelständische Wirtschaft in unserer gesellschaftlichen Struktur gewahrt werden kann, wie insbesondere der Mißbrauch auch der Programmgestaltung ausgeschaltet werden kann usw.
Die Ziffer 4 unseres Antrages will die Funkhoheit mit ihren notwendigen technischen Voraussetzungen für das zweite Programm im Fernsehen wieder fest in die leistungsfähige, bewährte und vertrauenswürdige Hand der Bundespost legen. Nur so kann die notwendige Ausgewogenheit der Kräfte zwischen Bund und Ländern erreicht werden. Die technischen Vorbereitungen nehmen geraume Zeit in Anspruch. Bis dahin sollten wir unsere Pflicht tun und die rechtlichen Voraussetzungen für das zweite Programm schaffen.
({20})
Das Wort hat der Abgeordnete Euler.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Kühn hat seine Ausführungen vornehmlich auf den Begriff der Kulturhoheit der Länder gestützt und sich dabei auf Art. 30 des Grundgesetzes berufen. Wer Art. 30 des Grundgesetzes liest, wird darin nichts von Kulturhoheit finden, denn es ist darin einfach gesagt:
Die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben ist Sache der Länder, soweit dieses Grundgesetz keine andere Regelung trifft oder zuläßt.
Nun hat aber, Herr Kollege Kühn, das Grundgesetz für den gesamten Bereich der Kultur eine außerordentlich wichtige, die wichtigste Regelung überhaupt getroffen, die man sich vorstellen kann, und zwar mit den Artikeln 4 und 5, die die Magna Charta des gesamten Kulturlebens darstellen. Denn was gäbe es in unserer Demokratie, im gesamten demokratischen Bereich der Welt für den Sektor Kultur Grundlegenderes als jenes in Art. 5 des Grundgesetzes festgelegte Prinzip, wonach Kunst
und Wissenschaft, Forschung und Lehre frei sind? Das ist doch das eine, was im Zusammenhang mit Fernsehen ebenso wie mit Rundfunk und Zeitungswesen zu beachten ist.
Bei dem anderen Prinzip, das in Art. 5 Abs. 1 des Grundgesetzes seinen Niederschlag gefunden hat, handelt es sich um die Informationsfreiheit und die darauf beruhende Freiheit der Meinungsbildung und Meinungsäußerung. Danach kann man, wenn man von Kulturhoheit überhaupt sprechen will, nur von einer Kulturhoheit des Bundes sprechen insofern, als der Bund lediglich darüber zu wachen hat, daß die Prinzipien der Freiheit, der freien Information, der freien Meinung und ihrer Äußerung, der Freiheit der Kunst und Wissenschaft, der Forschung und der Lehre nicht verletzt werden. Der Bund hat keineswegs eine positive Kulturhoheit etwa in dem Sinne, daß er auf diesem Gebiet etwas zu verfügen hätte. Es gibt im Bereich der Kultur nur e i n Prinzip, nur eine Hoheit: das ist die der Freiheit der eigenschöpferischen Persönlichkeit. Es sind alle diejenigen Störungen abzuwehren, die diese Hoheit beschränken könnten. Darum geht es dem Grundgesetz. Der Wahrer dieser Freiheit zur Abwehr von Störungen, die sie behindern, ist der Bund, es können niemals die Länder sein.
Herr Kollege Kühn ist also sehr schlecht beraten, wenn er seine Ausführungen auf eine angebliche Kulturhoheit der Länder stützt, die es in Wirklichkeit gar nicht gibt. Nach dem heutigen Inhalt des Grundgesetzes gibt es lediglich für den beschränkteren Bereich des Schul- und Erziehungswesens die Gesetzgebungskompetenz der Länder, und zwar in Ermangelung einer ausdrücklichen Gesetzgebungsbefugnis des Bundes.
Warum sprach eigentlich Herr Kollege Kühn so ausschweifend von der Kulturhoheit der Länder? Anscheinend wollte er vergessen machen, daß ein Monopol in Anspruch genommen wird, das die Länder, nachdem sie es auf dem Gebiete des Rundfunks praktisch haben, nun auch für den Bereich des Fernsehens haben wollen.
Hier besteht allerdings ein prinzipieller Unterschied. Der Rundfunkempfang ist schon aus technischen Gründen sehr viel freier, viel weniger regional gebunden, als der Fernsehempfang nicht nur heute ist, sondern wahrscheinlich noch für sehr lange Zeit sein wird. Der Rundfunkhörer ist im hessischen Bereich nicht von Radio Frankfurt abhängig. Er kann eine relativ große Zahl deutscher Sender hören, auch wenn er nur ein verhältnismäßig billiges und wenig leistungsfähiges Empfangsgerät besitzt. Der Empfänger des Fernsehens ist jedoch auch mit dem besten und teuersten Empfangsgerät, das heute zu haben ist, auf seinen regionalen Sender angewiesen, und an den Empfang ausländischer Sendungen im deutschen Bereich ist gar nicht zu denken.
Nun hört man mancherlei Argumente von den Verfechtern dieses Monopols für die Rundfunkgesellschaften. Sie gehen daran vorbei, daß nach unseren demokratischen Anschauungen und auch nach
dem Inhalt des Grundgesetzes jedes Monopol auf dem kulturellen Gebiet nicht nur undemokratisch, sondern auch unmoralisch ist. Es muß als verfassungswidrig bezeichnet werden, den Rundfunkgesellschaften neben dem bisherigen Monopol auch noch das Monopol für die Fernsehprogramme zu belassen.
Unter den vielen schlechten Argumenten, die für die schlechte Sache dieses Fernsehmonopols geltend gemacht werden, gibt es zwei, die einander ausschließen. Von den Verfechtern wird nämlich einerseits gesagt, es bestehe überhaupt kein Monopol, während andererseits gesagt wird - und das hat auch Herr Kollege Kühn gesagt -, das Monopol sei erforderlich, um das Niveau der Sendungen zu halten.
Was zunächst das Bestreiten des Vorliegens eines Monopols betrifft, so darf ich darauf aufmerksam machen, daß das Bundesgebiet nach dem Fernsehvertrag vom 27. März 1953 in neun Parzellenmonopole - darf man wohl sagen -, in neun Teilgebietsmonopole aufgeteilt ist und daß diese neun Teilbereichsmonopolgesellschaften zu einer das Gesamtgebiet umfassenden Monopolsendeorganisation verbunden sind. Sie betreiben ein Programm aus sieben Studios, die einander abwechseln, und jeder Fernsehzuschauer oder Fernsehhörer im gesamten Bundesgebiet kann nur ein Programm empfangen.
Wie nachteilig sich das Fehlen eines Wettbewerbs auswirkt, ist u. a. daran zu sehen, daß die Verteilung der Programme auf die Studios schon seit Jahren nach demselben Schlüssel festgelegt ist. Für den Anteil der einzelnen Rundfunkanstalten an den Werbungen ist nicht eine wachsende Qualität oder ein Qualitätsverlust bei den einzelnen Anstalten entscheidend, sondern es ist ein Schlüssel festgelegt, wonach 46 % dem Nord- und Westdeutschen Rundfunkverband, 18 % dem Bayerischen Rundfunk und je 9% den vier Rundfunkanstalten Hessen, Süddeutschland, Südwestdeutschland und Sender Freies Berlin zustehen. Schon allein eine derartige schematische Abwicklung zeigt, wie nachteilig sich die mangelnde Konkurrenz in der Erstarrung des ganzen Sendesystems auswirkt.
Wenn das zweite Programm von denselben Rundfunkgesellschaften gesendet würde, so wie das im Rundfunk ja schon getan wird - dort wird neben dem sogenannten ersten Programm ein etwas anders zusammengesetzes zweites Programm gesendet; dieses Prinzip des zweiten Programms wird von ihnen nun auch für das Fernsehen entwickelt werden -, würde das durchaus keine Brechung des Monopols bedeuten; das wäre nur ein abgewandeltes Muster. Es wäre nicht ein qualitativ anderes, sondern lediglich ein anders zusammengesetzes Programm, und beide Programme blieben in der Hand desselben Apparats. Damit würde die Macht des Monopols nur gestärkt, sie würde nur wachsen.
Wir sind entschieden der Meinung, daß es erforderlich ist, diesen gegenwärtigen monopolistischen Zustand zu überwinden. Wir sind es auch deswegen, weil wir nicht der Auffassung sein können, daß gerade der Wettstreit der weiteren Entwicklung des Fernsehens unzuträglich wäre. Wie sollte gerade auf dem Gebiete des Fernsehens der Wettstreit ein schädliches, leistungsminderndes Prinzip sein, während auf allen anderen kulturellen Gebieten der Wettstreit sich immer wieder als ein positives, antreibendes, leistungssteigerndes Moment erweist.
Im 17. Jahrhundert hat das Zeitungswesen in Deutschland damit angefangen, daß es, weil man die Presse für etwas sehr Gefährliches hielt, in bestimmten Gegenden oder Städten nur eine, öffentlich lizenzierte und überwachte, streng zensurierte Zeitung gab. Es hat etwa 2 1/2 Jahrhunderte gedauert, bis sich das Prinzip der Pressefreiheit durchgesetzt hat, bis man zu der Erkenntnis kam, daß es sowohl für die Öffentlichkeit wie für die Entwicklung des Pressewesens selbst nicht schädlich ist, Wettstreit durch freies Nebeneinanderbestehen mehrerer Zeitungen innerhalb derselben Region oder innerhalb derselben Stadt zu haben. Weder das Wachstum noch das geistige Niveau des Zeitungswesens ist durch das Prinzip der Freiheit bedroht worden; und so war es auf allen Gebieten.
Nichts ist uns selbstverständlicher als die Erfahrung, daß nicht nur im wirtschaftlichen, sondern auch im geistigen und kulturellen und auch im politischen Bereich der Wettstreit leistungssteigernd wirkt. Da macht sich Herr Kühn plötzlich anheischig, uns vom Gegenteil überzeugen zu wollen. Das kann ihm natürlich nicht gelingen.
Es wird gesagt, ein vom Massengeschmack unabhängiges Programm hohen kulturellen Niveaus könne sich nur auf den heutigen monopolistischen _Zustand stützen. Dann müßten wir ja den Zustand eines hohen Leistungsniveaus haben. Denn die Rundfunkgesellschaften sind ja heute ohne Wettbewerb und haben ungeteilt die Gebühren der Fernsehteilnehmer. Sie haben keine Konkurrenten neben sich. Trotzdem besteht Einhelligkeit darüber, daß das deutsche Fernsehprogramm dieser neun Teilmonopolisten, in einer monopolistischen Sendeorganisation zusammengefaßt, schlechter, als es heute ist, nicht sein kann. Natürlich ist aller Anfang schwer, und wir wollen gar nicht bestreiten, daß ganz außerordentliche Schwierigkeiten zu überwinden waren, um den heutigen Zustand zu erreichen. Wir würdigen auch durchaus die Leistung der Rundfunkgesellschaften, die in der bisherigen Entwicklung zutage getreten ist. Aber wir sind der Meinung, daß sich diese Entwicklung durchaus beschleunigen läßt, nicht nur in Richtung einer quantitativen Ausbreitung, sondern auch einer qualitativen Steigerung des deutschen Fernsehens.
Die Entwicklung in England ist die beste Parallele für uns, wenn wir uns fragen, ob wir den Empfehlungen des Herrn Kollegen Kühn von der SPD folgen sollen oder ob wir uns dafür entscheiden sollen, das Monopol der Rundfunkgesellschaften zu brechen, indem wir freie Sendegesellschaften zulassen. In England hat die Entwicklung auch so begonnen, daß die BBC als monopolistische öffent700
lich-rechtliche Anstalt allein befugt war, das Fernsehen zu betreiben, bis dann der Independent-Television-Authority-Act vom 30. Juli 1954 nach jahrelangen Kämpfen durchgefochten wurde. Sehr viele Argumente von der Art, wie wir sie heute von der Sozialdemokratie hörten, wurden in England jahrelang vorgetragen, um den Gesetzesakt, mit dem das freie Fernsehen begründet wurde, zu verhindern. Schließlich, nach jahrelangen Kämpfen, im Juli 1954, wurde das Gesetz wirksam, mit dem die freie Fernsehautorität als Grundlage des freien Fernsehens in England geschaffen wurde. Nach kurzer Zeit stellte sich heraus, daß sich der Wettbewerb in jeder Weise günstig auswirkte. Zwar hat zunächst die ITA große Vorteile gegenüber der BBC errungen; nicht weniger als 72 % der Hörer entschieden sich für die Sendungen der ITA, nur 28 % blieben bei der BBC. Aber siehe an, in den letzten Monaten ist eine Rückwendung eingetreten, und zwar gerade deshalb, weil die BBC die Chance genutzt hat, die Qualität ihrer Sendungen außerordentlich zu steigern. Die BBC hat in einem ganz anderen Maße als vordem gelernt, auf das Vertrauen ihrer Zuhörer zu achten. Sie hat gelernt, sehr wichtige Sendungen, die ein allgemeines Bedürfnis trafen, in ihr Programm aufzunehmen; und schon ist eine starke Rückwendung eingetreten, nicht etwa deshalb, weil sie ihr Programm popularisiert hat, sondern deswegen, weil sie wertvolle Sendungen in ihr Programm aufgenommen hat, die in diesem Umfang vorher in ihm nicht enthalten waren. Wir wissen aus den verschiedensten Äußerungen sowohl von der einen wie auch von der anderen Seite, daß der Wettstreit zwischen dem britischen Rundfunk auf der einen Seite und der freien Fernsehorganisation auf der anderen Seite durchaus nicht so zu sehen ist, wie es Herr Kollege Kühn dargestellt hat, nämlich so, als handle es sich eben darum, daß das freie Fernsehen über die größere Bindungslosigkeit, wie er wohl etwa zu verstehen gab, zu einer solchen Niveausenkung führte, daß es ihm leichter wurde, die Masse der Hörer zu gewinnen.
Wir haben auf der einen Seite Äußerungen aus der Umgebung des Programmdirektors der britischen Rundfunkgesellschaft, die etwa dahin gehen, daß alle früheren Sorgen über das kommerzielle Fernsehen behoben seien. Das kommerzielle Fernsehen hat in der kurzen Zeit seines Bestehens gute Arbeit geleistet - so wird gesagt -, und die BBC hat kein Monopol für gute Absichten oder gute Technik. Auf der anderen Seite steht kein geringerer als Kenneth Clark, ein Kunstwissenschaftler sehr prominenter Art in England, Vorsitzender des Art Councils, auch jahrelanger Vorsitzender der Fernsehbehörde der ITA, bevor er von Sir Kirkpatrick abgelöst wurde. Kenneth Clark hat einmal die Aufgabe der Fesselung großer Zuhörer- und Zuschauermassen dahin bezeichnet, daß er sagte, die Zuschauer müßten Vertrauen zum Programm haben. Sie müßten wissen, daß das Programm sie interessieren und unterhalten wolle und nicht langweilen oder schulmeistern wolle. Darüber hinaus ist zu sagen, so fährt er fort, daß das Publikum, wenn es erst Vertrauen zu einem Programm erworben hat, bereitwilliger sein wird, auch gehaltvollere Sendungen einzuschalten als bisher.
Es ist wie auch auf anderen Gebieten des politischen und geistigen Lebens in einer Demokratie eben das Problem, wie man das Vertrauen der breiten Volksmassen gewinnt. Man müßte ja Feind des demokratischen Prinzips sein, wenn man der Überzeugung huldigen wollte, daß das nur mit minderwertigen und verwerflichen Mitteln zu erzielen sei, sei es nun im Bereich der Politik, sei es im Bereich der Kultur und des Geisteslebens. Im Gegenteil. Die Erfahrungen zeigen, daß immer sehr positive Leistungen erforderlich sind, um auf die Dauer Erfolg in einer Demokratie zu haben.
({0})
Wir dürfen, glaube ich, auch nicht kurzsichtig der Auffassung sein, es sei nicht möglich, breite Volksmassen über wertvolle Sendungen des Rundfunks und Fernsehens zu gewinnen. Wir sind vielmehr überzeugt, daß gerade durch die Dauerhaftigkeit dieser modernen Einrichtungen immer breitere Volksschichten eine Sehnsucht für die wertvollen Produktionen auf allen Gebieten des Geisteslebens gewinnen werden.
({1})
Diese Auffassung finden wir erneut bestätigt. Wir sind deshalb nicht die Gegner des Prinzips der Freiheit auch auf diesem Gebiet, sondern seine Förderer. Wir können von der Überwindung des gegenwärtigen monopolistischen Zustands nur Vorteile erwarten.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Zoglmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich dem Gang der Verhandlung richtig gefolgt bin, dann habe ich den Eindruck gewonnen, daß wir in einer Art babylonischer Sprachverwirrung befangen sind. Das ist eigentlich kein guter Aspekt für das Problem, das hier zur Behandlung steht. Denn man hat den Eindruck, daß man hier nach dem alten Volkssprichwort verfährt: Der Sack wird geschlagen, und der Esel wird gemeint! Deshalb glaube ich, daß es notwendig ist, die Dinge hier konkret anzurühren und in aller Offenheit und .aller Ehrlichkeit das Problem zu erörtern, das zur Diskussion steht.
Sehr verehrter Herr Kollege Schmidt, wenn ich hier Ihre Aussagen über die Prärogativen des Bundes, über die Aufgaben und die Vormachtstellung des Bundes gegenüber den Ländern höre, dann muß ich sagen, ich habe bisher eigentlich anderes aus den Reihen der CDU, auch anderes - Sie sind mir nicht böse, wenn ich Ihnen das sage - von Ihnen im Landtag Nordrhein-Westfalen gehört. Es erhebt sich daher mit Recht die Frage, ob beispielsweise der Herr Bundespostminister Stücklen das, was er eben gesagt hat - das Grundgesetz kenne keine
Bestimmung, die die Kulturhoheit nur den Ländern zuweise - auch im Münchener Maximilianeum vertreten könnte, ohne Gefahr zu laufen, daß er dort sofort erhebliche Widerstände auslöste. Aber wir haben ein gutes Gedächtnis, und wir werden uns diese Dinge merken. Wir verfahren nach der Methode: Im Himmel ist mehr Freude über einen reuigen Sünder als über 99 Gerechte, die der Reue nicht bedürfen. Wir werden Sie in der Zukunft, in den kommenden Landtagswahlkämpfen daran erinnern, was Sie über das Vorrecht des Bundes gegenüber den Ländern ausgesagt haben.
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Ein Zweites! Ich bin sehr dankbar, lieber Herr Kollege Schmidt, für eine Aussage, die Sie gemacht haben, nämlich, daß jedes Monopol von Übel sei. Ich glaube, es ist notwendig, daß wir auch das in unser Gedächtnis gut aufnehmen, damit wir es bis zu den nächsten Landtagswahlkämpfen nicht vergessen, wenn Sie dort wieder den Versuch unternehmen sollten, das Monopol des Christentums allein für die CDU in Anspruch zu nehmen.
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.Jedenfalls scheint es mir zweckmäßig zu sein, diese Sprachverwirrung wieder auf den Boden nüchterner Erwägungen zurückzuführen.
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Meine Damen und Herren, ich darf um Ruhe bitten.
Ich bin eigentlich sehr erfreut, daß mein erstes Auftreten im Bundestag gleich solche erheblichen Effekte bei Ihnen auslöst. Ich muß sagen, das gibt mir eigentlich ein gutes Gefühl für die nächsten vier Jahre.
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Sie werden immer sehr lebendig sein, wenn ich hier heraufkomme. Das ist sehr erfreulich für dieses Haus.
Jedenfalls glaube ich, daß die freimütigen Bekenntnisse der CDU zum Vorrecht des Bundes gegenüber den Ländern
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und die freimütige Absage der CDU an jedes Monopol - also auch das Monopol der CDU in der Vertretung der Anliegen des Christentums ({2})
von uns genau registriert und in Zukunft entsprechend verwertet werden müssen.
Herr Kollege Kühn, es ist für einen Mann Ihrer Provenienz - Sie sind mir nicht böse, wenn ich das sage - wahrscheinlich ebenso wie für einen Mann meiner Provenienz - ich komme von einer ganz anderen Seite ({3})
nicht sehr zweckmäßig, nun plötzlich, wenn die CDU den Weg von einem föderalistischen Saulus zu einem zentralistischen Paulus geht,
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den umgekehrten Weg einzuschlagen und unsererseits von einem zentralistischen Saulus zu einem föderalistischen Paulus zu werden. Das kann auch nicht der Zweck der Übung sein. Sie von der SPD und wir von der FDP bewegen uns immer auf einem sehr problematischen Boden, wenn wir etwa allzu stark die Kulturhoheit der Länder in die zentrale Erwägung dieser Dinge miteinbeziehen. Ich glaube, so kann man die Probleme nicht anfassen. Es gibt so viel zu der Frage, die heute zur Erörterung steht, auszusagen, daß wir gar nicht auf die sehr problematische Kulturhoheit der Länder zurückzugreifen brauchen.
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Nun zur Sache selbst. Es ist viel zu schwerwiegend - ich darf es noch einmal sagen -, als daß wir es uns hier erlauben könnten, mit verkehrten Zungen zu sprechen. Das Problem, lieber Herr Kollege Schmidt, um das es hier geht, ist so ernst, daß jeder, der sich mit diesen Dingen befaßt hat, es wirklich mit aller Objektivität, zu der ein Mensch überhaupt in der Lage ist, behandeln sollte.
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Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben heute in Amerika rund 41 Millionen Fernsehgeräte in Betrieb. Wir haben heute in England bereits in jedem zweiten Haushalt, nämlich rund 8 Millionen Haushalten, ein Fernsehgerät. Wir bewegen uns auch in Deutschland angesichts der sehr lebhaften Entwicklung in dieser Richtung. Wir haben vor einigen Wochen, glaube ich, noch den millionsten Fernsehempfänger gesucht und auch entsprechend prämiiert, und wir sind jetzt bereits sehr schnell in Richtung auf die zweite Million in Bewegung. In der Bundesrepublik werden täglich 1200 oder 1300 neue Fernsehgeräte aufgestellt. Daran erkennen Sie, daß wir hier einer Entwicklung entgegengehen, die ohne Zweifel, ich möchte fast sagen, den Möglichkeiten einer Beeinflussung der breiten Masse geradezu revolutionäre Aspekte ergibt, und das veranlaßt uns, diese Sache aus dem Streit der Interessengruppen herauszuhalten.
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Denn Interessengruppen scheinen mir auf der einen und auf der anderen Seite im Augenblick diejenigen zu sein, die den Ton angeben. Aber in einer Demokratie, in der wir doch alle leben, sollte man sich einmal auch die Mühe machen, den Fernsehteilnehmer zu fragen, wie er zu den einzelnen Problemen steht.
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Er ist bisher nirgends, weder auf der einen noch auf der anderen Seite, gefragt oder um seine Aussage gebeten worden.
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- Er hat nur zu zahlen! Das geht sehr einfach. Es erscheint der Briefträger, holt die 5 DM ab, und damit ist seine Mitwirkung bei dem Problem des Fernsehens eigentlich schon erledigt. Er hat dann nur noch die Möglichkeit, den Kasten einzuschalten oder, wenn ihm das Programm nicht gefällt, auszuschalten. Das scheint mir in einer Demokratie für den einzelnen doch ein bißchen zu wenig zu sein. Man sollte mehr Mitwirkung der breiten Masse erwarten dürfen. Also: aus dem Streit der Interessengruppen einmal heraus und in die wirkliche Problematik der Sache hinein! Das scheint mir die Forderung zu sein, die wir hier erheben sollten.
Und ein Zweites. Auch in dem Streit um Werbefernsehen muß gerade von diesem Platze aus einmal ausgesprochen werden, daß es dabei eigentlich gar nicht um die Frage geht, ob es zu einem Werbefernsehen kommen soll, sondern daß es sich nur noch um die Frage dreht, wer das Werbefernsehen betreiben und wie es aussehen soll.
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- Das ist doch eindeutig!
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- Die bestehenden Fakten sind es ja eben, die es am Ende - ({12})
- Es gibt natürlich noch Leute, die sagen, man sollte weitergehen und man sollte das Werbefernsehen überhaupt verbieten.
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Das ist eine sehr problematische Angelegenheit. Wir stehen hier vor diesem Problem etwa so ähnlich wie vor 120 Jahren die Menschen in Deutschland, als sich der „Adler" mit bestürzender Schnelligkeit von Fürth nach Nürnberg oder umgekehrt bewegte. Auch damals stand man vor der Frage: kann man mit den technischen Problemen fertig werden oder nicht? Ich bin der Meinung, es wäre falsch, wenn wir sagten: es handelt sich bei diesem Werbefernsehen um eine Art Teufelserfindung, und wir müssen es mit Verboten reglementieren. Damit kommen wir nicht weiter. Die Technik an sich ist wohl weder gut noch schlecht. Ob sie zum Guten oder Schlechten ausschlägt, ist dann eine Sache der Menschen, die sich der Technik bedienen. Das ist nämlich das Problem.
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Ich möchte sagen, wir sollten hier eindeutig zur Kenntnis nehmen, daß es nicht mehr um die Frage geht: ob oder ob nicht, sondern nur noch um die Frage: wer und wie. Wenn ich das hier sage, so tue ich es im vollen Bewußtsein dessen, was ich damit ausdrücken will. Die Rundfunkanstalten sind im Augenblick - nicht nur in München, wo es schon seit zwei Jahren praktiziert worden ist, sondern auch im Rhein-Main-Gebiet - dabei , das Werbefernsehen zu praktizieren, und der Westdeutsche bzw. der Norddeutsche Rundfunk haben in ihren Gremien entsprechende Beschlüsse gefaßt. Ich bin Mitglied des Rundfunkrates des Westdeutschen Rundfunks. Wir sind eigentlich gar nicht gefragt worden, ob wir es haben wollen oder nicht.
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Wir sind eigentlich im Grunde genommen, sagen wir einmal,
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in der Richtung in Anspruch genommen worden, dafür zu sorgen, daß es nur von einer Seite her kommen kann. Das scheint mir nicht der richtige Weg zu sein.
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- Ich komme noch auf die Kriterien. Es ist nicht alles in allen Bereichen so, wie wir es eigentlich wünschen. Es ist nicht mehr die Frage, ob oder nicht, sondern nur noch, wer und wie, und dieses „wer und wie" steht hier zur Diskussion und nichts anderes.
Wenn ich nun die Möglichkeiten prüfe, so muß ich sagen, es gibt drei. Die eine Möglichkeit ist, daß man es durch die Anstalten praktiziert. Dann wird natürlich sofort gesagt, das ist ein monopolistisches Verfahren. Die zweite Möglichkeit ist, daß die Anstalten und die Wirtschaft das Werbefernsehen praktizieren. Das wäre schon ein Zusammenwirken von Faktoren, die. sagen wir einmal, im Grunde genommen beiderbeitig interessiert sind. Schließlich bietet sich noch eine dritte Möglichkeit an - oder ich darf sagen, vielmehr nahm ich bis heute, bis zum Beginn dieser Diskussion an, es biete sich noch eine dritte Möglichkeit an -: das sogenannte „Freie Werbefernsehen", das von der „Studiengesellschaft zur Förderung der Funk- und Fernsehwerbung" inauguriert ist. Aber ich habe heute eigentlich nach den Aussagen des Herrn Bundespostministers und auch nach Lesen Ihres Antrages, lieber Herr Kollege Schmidt, den Eindruck, daß man noch mit einer vierten Möglichkeit in diesem Hause rechnen muß. Ich muß schon sagen, auf Grund der Mehrheitsverhältnisse - wir wissen, dieses Haus hat eine eindeutige Mehrheit - müssen wir eigentlich unterstellen, daß die Dinge im Bratofen schon sehr weit vorgekocht sind. Aber ich höre soeben aus den Reihen der CDU einige gegenteilige Auffassungen, die eine so, die andere anders. Ich hoffe also, daß die Mehrheit des Hauses selbst noch nicht ganz eindeutig auf diese vierte Möglichkeit festgelegt ist, die mir eigentlich jetzt als das ausschlagZoglmann
gebende Problem im Raume zu stehen scheint. Hier ist ein böses Wort gefallen, das Wort vom „Bundessender". Von seiten des Herrn Kollegen Schmidt ist gesagt worden: Zweites Fernsehprogramm - ja, aber keine Genehmigung an private Stellen. Wenn ich Sie richtig verstehe, lieber Herr Kollege Schmidt, heißt das noch, daß das dann der Bund macht.
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Allerdings würden Sie die Dinge nicht etwa auf eine bessere Ebene heben hinsichtlich der Bedenken, die vor allem wir anzumelden haben, nämlich: wie verhindern wir den politischen Mißbrauch dieses Werbefernsehens und des Fernsehens überhaupt?
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Wenn Sie sagen, daß das in die Hände des Bundes gelegt werden soll - ({20})
- Bitte, aber das ergibt sich doch aus der Auslegung Ihrer Ausführungen. Sie haben wörtlich erklärt: Es soll ein zweites Werbefernsehen kommen
- wir können es nachher alle im Stenographischen Bericht nachlesen - ({21})
- Sehr richtig. Und Sie haben weiter gesagt: Dieses zweite Werbefernsehen soll kein privates Werbefernsehen sein. Herr Kollege Schmidt, es gibt nur noch zwei Möglichkeiten: es kann der Staat machen, es kann, wenn Sie wollen, eine öffentlich-rechtliche Institution machen, es können die Kirchen machen. Das ist dann alles nicht privat. Aber nach dem, was Sie hier formuliert haben, und aus dem, was man so an Imponderabilien aus den Dingen herausliest, habe ich eigentlich den Eindruck, daß an eine bundesgesetzliche bzw. bundesmäßige Regelung gedacht ist. Mit anderen Worten: es kommt dann der Bundessender im Fernsehen. Ich muß Ihnen sagen: meine Erfahrungen - Sie wissen, ich bin ein gebranntes Kind - reichen mir. Ich möchte nicht erneut hier gewisse alleinige Machtzusammenballungen in den Händen der jeweiligen Regierung sehen,
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sondern ich wünsche, daß die Macht geteilt bleibt.
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Das ist ein Gedanke, der uns bei diesen Dingen bewegt.
Ein zweiter Gedanke: wenn wir verhindern wollen, daß diese Dinge in einer nicht erwünschten Entwicklung verlaufen - in irgendeiner Form kommen sie; die Kanäle IV und V sind durch Besatzungsverfügungen nun freigegeben -, müssen wir eindeutig auf einer gesetzlichen Regelung all der Dinge bestehen, die mit diesen Fragen im Zusammenhang stehen.
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Ein Weiteres: die gesetzliche Regelung muß in allererster Linie Sicherheit dafür bieten, daß das Fernsehen auf gar keinen Fall in den Händen von Interessengruppen oder in den Händen von politisch einseitig interessierten Stellen mißbraucht werden kann.
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Das ist eine These, die von vornherein feststehen muß. Wenn ich allerdings schon vor der Alternative stehe: privates Fernsehen durch die Markenartikelindustrie oder Werbefernsehen durch Stellen, die von der Bundesregierung oder ihr nahestehenden Interessengruppen dirigiert werden, dann bin ich schon lieber für die Markenartikelindustrie; ich habe nämlich den Eindruck - und ich darf hier ein offenes Wort sagen -, daß Persil nicht nur die Wäsche der CDU, sondern auch unsere Wäsche gern wäscht. Oder ich darf mir noch ein privates Wort erlauben - ich komme aus einem Wahlkreis, in dem der Steinhäger hergestellt wird -: ich habe den Eindruck, daß die Herren König, Schlichte und Jückemöller dieses hervorragende westfälische Getränk nicht nur durch die Kehlen politisch einseitig orientierter Leute laufen sehen möchten, sondern uns allen zugute kommen lassen wollen. Es scheint mir dann schon besser, wir legen das in die Hände von Leuten, die ein Interesse daran haben, möglichst aus dem Streit der Meinungen herausgehalten zu werden und nur ihre Artikel anzubieten.
Dann kommen wir allerdings zum zweiten Problem: Wie sorgen wir dafür, lieber Herr Kollege Kühn, daß sich die Strumpfwerbung nicht so vollzieht, daß die Hebung des Niveaus am Ende bei Dingen ankommt, die mit der Hebung des Niveaus nicht mehr in einem ursächlichen Zusammenhang stehen.
Ich darf da den Herrn Kollegen Euler apostrophieren. Er hat hier die englische Lösung in den Raum gestellt und gesagt: Dort macht das die unabhängige Fernsehbehörde neben dem BBC; die Hörer sind abgewandert, und jetzt sind sie ungefähr zu drei Vierteln bei dieser neuen, freien Institution. Ich hoffe, das hängt nicht nur damit zusammen, daß vielleicht die Ansagerin hinter dem Fernsehschirm eine bestimmte Taillenweite aufweist, die etwas günstiger liegt als etwa die ihrer Konkurrentin beim BBC.
Es überzeugt mich allerdings nicht, wenn die Rundfunkanstalten die angeblich befürchtete Niveausenkung durch das zweite, freie Werbefernsehen damit aus dem Raume verweisen wollen, daß sie den Programmdirektor des Nordwestdeutschen Fernsehens, Herrn Dr. Münster, nach Amerika schicken und ihn dort Filme aus dem amerikanischen Fernsehen aufkaufen lassen, die uns dann hier vorgeführt werden sollen. Das ist kein überzeugender Beweis; denn wenn wir schon hinsichtlich der englischen Dinge viele Vorbehalte machen müssen - Herr Kollege Kühn, Sie haben das Programm in der Adventswoche zitiert -, müssen wir noch viel größere Vorbehalte gegenüber den amerikanischen Methoden machen.
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- Dann korrigiere ich mich, aber es ist das gleiche. Er hat in seinem Gepäck die amerikanischen Fernsehfilme mitgebracht. Das scheint mir doch etwas problematisch zu sein.
Ich glaube, wir müssen uns hier einmal auch damit befassen, welche Auswirkungen diese Werbung etwa auf die Kreise vor allem des Mittelstandes hat. Werbung ist ja eine sehr große Voraussetzung für das Florieren bestimmter wirtschaftlicher Vorgänge. Ich könnte mir vorstellen, daß, wenn hier nicht eine Regelung gefunden wird, die das Ganze in einen erträglichen Rahmen verweist, dann möglicherweise gerade die mittelständischen Schichten, die ja sowieso beim deutschen Wirtschaftswunder zu kurz gekommen sind, die ersten sind, die jetzt, vielleicht weil sie bisher die letzten waren, von dem berühmten Hund gebissen werden.
Man sollte sich vergegenwärtigen, welche Möglichkeiten wir haben, den Mittelstand am Werbefernsehen zu beteiligen. Vor allem wenn wir an die fernere Entwicklung denken - denken Sie doch daran, daß in Amerika bereits in 300 Städten Fernsehwerbung gemacht werden kann -, kann es vielleicht auch zu einer regionalen Gliederung kommen, wobei wir dann auch dem Mittelstand regional die Möglichkeit geben sollten, von diesem Werbeinstrument entsprechend Gebrauch zu machen.
In diesem Zusammenhang wird immer auch die Presse erwähnt. Ich darf mich dazu bekennen. Ich bin nicht nur Journalist, sondern auch Verleger, und ich bin ein kleiner Verleger - Sie sehen, ich muß mich schon bemühen, damit ich hier darübersehen kann -, aber ich bin es auch sonst. Ich muß einmal deutlich sagen: es ist ein falsches Argument, wenn man behauptet, daß damit die Presse oder die Verleger oder die Zeitungen zusammenbrechen würden. Denn jetzt wird ja auch geworben. Wir haben im Augenblick in der deutschen Industrie einen Werbeetat von, wenn ich das richtig im Gedächtnis behalten habe, 1,3 Milliarden DM im Jahr. Wenn ein neues Fernsehen kommt, so werden sich die Summen zunächst etwa zwischen 40 und 50 Millionen DM im Jahr bewegen. Man kann da also nicht von einer solchen Umschichtung der Werbeetats sprechen, daß dann grundsätzliche Entwicklungen ausgelöst würden; besonders dann nicht, wenn man sich vergegenwärtigt, daß z. B. der Stern ein Jahresinsertionsaufkommen von 20 Millionen DM hat. Auch hier sind also falsche Argumente in die Diskussion geworfen worden, und wir sollten die Dinge wieder in die richtigen Maßstäbe versetzen.
Nun noch ein Wort zur Kulturhoheit der Länder. Gleichgültig wie dieser Streit im einzelnen ausgehen mag, scheint es mir doch so zu sein, daß die Länder auf gar keinen Fall eine Hoheit in der Richtung der Kulturpflege haben. Denn sonst müßten die Länder ja auch die Zeitungen herausgeben, die Kinos betreiben, die Filmindustrie wesentlich beeinflussen usw. Davon kann nicht die Rede sein. Die Länder haben ohne Zweifel kein Recht zur Hoheit in der Kulturpflege. Die Parallele zum Film scheint mir überhaupt ohne Zweifel naheliegend zu sein. Ich glaube, daß man das einmal in aller
Deutlichkeit sagen muß, weil sonst auch hier falsche Argumente verwendet werden.
Noch ein Weiteres. Der Herr Minister Stücklen hat hier gesagt, er habe bestimmte Vorstellungen für die Verwendung der Kanäle IV und V. Ich habe ihm sehr aufmerksam zugehört. Ich habe leider aus seinen Äußerungen nicht entnehmen können, welche Vorstellungen er hat. Ich wäre dankbar, wenn er sich noch einmal hierher an das Mikrophon bemühte und dem Hohen Hause mitteilte, welche Vorstellungen er hat. Das brauchen nicht seine letzten Überlegungen zu sein. Wir möchten als deutsches Bundesparlament auch in die gedanklichen Vorerwägungen mit eingeweiht sein. Vielleicht können wir ihn sogar inspirieren, vielleicht können wir ihm sogar den einen oder anderen guten Rat geben. Es wäre also ganz gut, sehr verehrter Herr Minister, wenn Sie sich noch einmal bemühten und uns von dieser Stelle aus sagten, welche Gedanken und welche Vorstellungen Sie für die Verwendung der Kanäle IV und V haben.
Nun abschließend zu dem Antrag der CDU. Lieber Herr Kollege Schmidt, wenn man diesen Antrag flüchtig durchliest, so stellt man fest, daß er uns eigentlich nur in einem einzigen Punkt die Möglichkeit gibt zuzustimmen. Es ist der Punkt 4, wonach die Deutsche Bundespost die technischen Vorbereitungen für die Ausstrahlung eines zweiten Fernsehprogramms treffen soll. Dieser Punkt kann ohne weiteres vom ganzen Haus angenommen werden. Ich glaube, ich kann auch für meine Freunde sagen, daß wir zustimmen werden.
Aber wenn ich in Punkt 1 lese: „gesetzliche bzw. soweit erforderlich staatsvertragliche Regelung", dann muß ich sagen: Staatsverträge zwischen den deutschen Ländern und Staatsverträge zwischen Bund und Ländern scheinen mir nicht nur deshalb problematisch zu sein, weil es in der Vergangenheit vier Jahre gedauert hat und man nicht zu einem Ende gekommen ist, sondern auch deshalb, weil, wie wir alle wissen, Staatsverträge in diesem Haus nur noch en bloc angenommen oder abgelehnt werden können. Dieses Haus hätte dann nur noch zu ratifizieren, sehr verehrter Herr Kollege Schmidt, und das ist doch die berühmte Politik des Vogelfriß-oder-stirb, und die scheint mir nicht zweckmäßig zu sein.
({27})
Denn wir wollen mitwirken, und zwar auch in den Ausschüssen. Deshalb erscheint mir eine staatsvertragliche Regelung auf alle Fälle problematisch; man braucht eine gesetzliche Regelung.
({28})
- Ja, aber hier steht „staatsvertragliche".
In Punkt 2 heißt es, „bis zu dieser Regelung" sollten „alle Möglichkeiten" ausgeschöpft werden, „die geeignet sind, Rundfunk und Fernsehen zunächst von der Geschäftswerbung freizuhalten". Ich hoffe, daß das nicht von der Erwägung ausgeht, daß sich die einen unter Hinweis darauf, daß hier ein
Monopol besteht, auf die Notwendigkeit berufen, ein zweites, freies Werbefernsehen zu inaugurieren und zu installieren, und daß andere sich darauf berufen, daß, solange sie nicht da seien, die Rundfunkanstalten kein Werbefernsehen veranstalten dürften. Das würde doch bedeuten, daß die andere Seite, temporär jedenfalls, ein Monopol für sich in Anspruch nimmt. Dieser Punkt müßte ebenfalls noch geklärt werden.
Der Punkt 3, sehr verehrter Herr Kollege Schmidt, ist eigentlich sehr problematisch. Ich habe den Eindruck, daß mit diesem Punkt 3 Punkt 1 wieder aus der Welt geschafft werden soll. Denn entweder wollen Sie eine gesetzliche Regelung, dann brauchen Sie den Punkt 3 nicht; oder Sie wollen einen Verwaltungsakt, dann müssen Sie allerdings den Punkt 3 in den Vordergrund stellen. Deshalb würde ich sagen: wir können diesem Antrag der CDU/ CSU, so wie er ist, unsere Zustimmung nicht geben, sondern wir können nur eindeutig erklären, unsererseits zur Kenntnis zu nehmen, daß wir eine Entwicklung haben, der wir nicht in die Räder fallen können. Es könnte sehr leicht sein, daß diese Räder über uns hinweggehen. Es kommt vielmehr darauf an, dafür zu sorgen, daß sich die auf uns zukommende Entwicklung in bestimmten Bahnen weiter bewegt. Diese Bahnen müssen sein: Sicherheit und Gewähr dafür, daß das Werbefernsehen nicht von politischen Stellen mißbraucht werden kann. Diese Sicherheit kann man durch eine gesetzliche Regelung schaffen in der Richtung der Festlegung des Programmwertes, in der Richtung der ) Festlegung der Aufsichtsgremien. Ich darf abschließend sagen: diese gesetzliche Regelung scheint mir auch deshalb notwendig zu sein, weil es am Ende auch dem Herrn Bundespostminister zugute kommt, wenn wir ihn aus allen Versuchungen heraushalten, die an ihn dann herantreten, wenn er keinerlei Bindungen hat. Wir bitten nicht umsonst: Und führe uns nicht in Versuchung! Die meisten kommen nämlich darin um. Sorgen wir deshalb durch gesetzliche Regelung dafür, daß niemand in Versuchung geführt wird; dann werden die Dinge auch ihren richtigen Lauf nehmen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Blachstein.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst mein Bedauern darüber aussprechen, daß bei einer so wichtigen Frage, die das Verhältnis von Bund und Ländern betrifft, keiner der Länderminister und kein Landeskultusminister im Hause anwesend ist. Ich weiß, daß der Bundesrat in Berlin tagt, und mache trotzdem diese Bemerkung.
Nun zur Antwort des Herrn Bundespostministers auf unsere Anfrage, zu der der Herr Bundesinnenminister bisher geschwiegen hat, der Bundesinnenminister, der ja auch Verfassungsminister ist. Ich glaube, es wäre interessant, Ihre Meinung zu den überraschenden Darlegungen des Herrn BundesPostministers über das Verhältnis des Bundes zu den Ländern auf diesem Gebiet zu hören. Das heißt, vielleicht wird für die, die einiges von den Dingen wissen, Ihre persönliche Haltung, Herr Bundesinnenminister, nicht so überraschend sein wie für das Haus und die Öffentlichkeit doch interessant, inwieweit Sie sich diese neuen Auslegungen des Grundgesetzes zu eigen machen.
Der Herr Bundespostminister hat uns heute eindeutig erklärt, daß die vorhandenen Rundfunk- Lind Fernsehfrequenzen nicht nur für die bestehenden Rundfunkanstalten zur Verfügung stehen sollen, und er hat dabei auch klar zum Ausdruck gebracht, daß es sich dabei nicht etwa nur um andere staatliche Verwendungen handeln würde, sondern um die Betreibung von Rundfunk und Fernsehen durch andere Stellen als die durch die Länder eingerichteten öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Um auf die praktische Frage der Zuteilung der Frequenzen IV und V zu kommen, hat sich der Herr Bundespostminister darauf berufen, eine Zuteilung dieser Frequenzen sei vorläufig nicht möglich, da sie technisch nicht in vollem Umfang ausgemessen seien und zu einer optimalen Ausnutzung diese Ergebnisse abgewartet werden müßten. Ich frage Sie, Herr Bundespostminister: Sind Sie bereit, wenn die technischen Messungen abgeschlossen sind und die optimale Ausnutzung dieser Bänder festgelegt sein wird, den bestehenden Rundfunkanstalten die Frequenzen zur Verfügung zu stellen, die zur Ausfüllung der Versorgungslücken und zur Schaffung eines zweiten Fernsehprogramms bei den Rundfunkanstalten notwendig sind?
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- Die Frage ist nicht beantwortet. Bisher ist nur so viel beantwortet, daß sie vorläufig nicht zur Verfügung gestellt werden. Der Antrag der Mehrheitspartei dieses Hauses ist ja nicht identisch mit der Stellungnahme der Regierung. Jedenfalls war das bisher bei uns nicht so, und ich glaube auch nicht, daß das in der Zukunft so sein soll. Die Erklärung, daß nicht beabsichtigt sei, Frequenzen an Private zuzuteilen, bedeutet ja nicht, daß nicht neue Einrichtungen mit dem Betrieb von Rundfunk und Fernsehen betraut werden können oder sollen. Außerdem hat die Begründung des Antrags durch den Kollegen Schmidt von der CDU doch deutlich gemacht, daß der Antrag der CDU/CSU gerade diesen Zweck hat, neue Einrichtungen mit der Durchführung mindesten eines zweiten Programms - Sie sagen nicht „Fernsehen", aber ich nehme an, daß das gemeint ist - zu beauftragen. Überhaupt liegt im ersten Teil Ihres Antrags die Frage, wer Lizenzen erteilen soll, nicht nur für Fernsehen, sondern auf dem ganzen Gebiet von Rundfunk und Fernsehen. Das bedeutet - das ist hier schon gesagt worden - eine völlige Neuorganisation, falls das Haus oder die Regierung sich dazu entschließt. Daß im gegenwärtigen Zeitpunkt Private nicht solche Sender errichten oder betreiben, bietet keinerlei Garantie, daß nicht andere Stellen, die zu schaffen sind, die Programme gestalten und für die Programme verantwortlich werden. Ich wäre also dankbar, wenn wir heute eine klare Antwort darauf bekommen könnten, ob für die bestehenden Versorgungslücken und
ein zweites Fernsehprogramm bei den vorhandenen Anstalten die notwendigen Frequenzen aus den Bereichen IV und V zur Verfügung gestellt werden, wenn die Messungen und Berechnungen abgeschlossen sein werden.
Dabei noch eine Frage, Herr Bundespostminister. Sind bereits Sender für diesen Zweck im Bau oder sind solche Sender vielleicht sogar schon fertiggestellt? Ich hätte Sie gern gebeten, dem Hause Auskunft darüber zu geben, was auf diesem Gebiet von der Bundespost bisher bereits veranlaßt, durchgeführt oder geplant ist.
Es handelt sich für uns nicht etwa darum, daß wir die Entstehung eines zweiten Fernsehprogramms verhindern wollten. Ganz im Gegenteil! Wir sind der Meinung, daß die Zuschauer für die nicht geringe Gebühr von 7 Mark im Monat ein Recht darauf haben, eine Möglichkeit der Auswahl unter zwei Programmen zu bekommen.
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Wir wünschen, daß, sobald es technisch, organisatorisch und vom Programm her möglich ist, die Rundfunkanstalten ein solches zweites Programm produzieren und den Zuschauern von Flensburg bis München zur Verfügung stellen. Aber die Frage ist: Wer soll ein solches Programm gestalten, und wie können wir das Niveau, die Qualität der Leistungen heben? Wir sind uns darüber einig, daß manches gebessert werden kann. Der Kollege Euler übertreibt meines Erachtens stark, wenn er erklärt, das deutsche Fernsehprogramm sei so schlecht, daß es 1 nicht schlechter werden könne. Mit einem solchen Urteil stellt man denen, die an diesem Programm arbeiten, Autoren, Regisseuren, Schauspielern, Kameraleuten, Technikern, ein Zeugnis aus, das sie nicht verdienen. Aber ich möchte hinzufügen: auch wir sind der Meinung, daß an diesem Programm sehr vieles verbesserungswürdig ist und verbessert werden sollte, daß man vor allem die Möglichkeit der Auswahl haben sollte. Wir sind nämlich verbraucherfreundlich und gar nicht so monopolbesessen, wie Sie manchmal meinen. Sonst sind Sie ja die Anhänger der Monopole. In diesem Fall meinen Sie, wir seien es. Aber wir sind verbraucherfreundlich und möchten auch hier dem Verbraucher wirklich zu seinem Recht verhelfen.
Herr Schmidt hat in seiner Begründung des Antrags der CDU/CSU gesagt, daß durch unsere Große Anfrage die Möglichkeit geboten worden sei, an die politische Gestaltung dieser Dinge heranzugehen. Wenn man den Antrag mit der Überschrift „CDU" und erstaunlicherweise „CSU" sowie die Unterschrift Dr. Krone liest und sich den Text ansieht, so entdeckt man einen Pferdefuß. Entschuldigen Sie meine zoologischen Vergleiche!
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Dieser Pferdefuß sieht einem Vogel ähnlich,
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nämlich jenem Vogelschen Gesetzentwurf aus dem Jahre 1953, den Sie jetzt in sehr unklarer, verschwommener und - ich muß Ihnen das sagen - in der Formulierung teilweise wohl nicht ganz ohne
Absicht irreführender Weise in diesem Antrag neu in Gang zu bringen versuchen: eine umfassende Bundesgesetzgebung für den Rundfunk in der Bundesrepublik.
Auf einen Zwischenruf hat Herr Schmidt während seiner Begründung durchaus bejaht, daß die Schaffung eines Bundessenders beabsichtigt sei. Wir haben gegen einen Bundessender erhebliche Bedenken, genauso wie wir gegen Landessender erhebliche Bedenken hätten. Wir haben heute keine Landessender, sondern wir haben durch Landesgesetze errichtete öffentlich-rechtliche Körperschaften, Rundfunkanstalten, die für die Programme zuständig sind. Und dann gibt es Aufsichtsgremien - die aus den Vertretern verschiedener Parteien, Konfessionen, der Kunst, der Wissenschaft und der Publizistik zusammengesetzt sind -, die für die Überparteilichkeit und Unabhängigkeit zu sorgen haben. Genauso wie wir keine Landessender wünschen, wünschen wir auch keinen Bundessender. Wir wünschen einen staatsfreien Rundfunk, einen Rundfunk, der soweit wie möglich vom Staate frei ist.
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Der Antrag, den Sie hier heute vorlegen, erinnert uns an den Gesetzentwurf vom Jahre 1953, der dem Bund ein Übergewicht bei der Kontrolle des Rundfunks insgesamt sichern sollte, wobei die Landesrundfunkanstalten dann über UKW so eine Art Provinzdasein weiterfristen sollten, während der deutsche Reichssender, die Große Welle für das ganze Land, kontrolliert und wesentlich beeinflußt von der Bundesregierung, den Ausschlag geben sollte.
Wir fürchten, daß Sie auf einen solchen Weg zurückgekommen sind. Gerade die Bestätigung des Begründers des Antrags, daß ein Bundessender erwünscht sei, sagt uns das. Wir schließen nicht aus, daß der Bund Aufgaben auch auf diesem Gebiet hat. Selbstverständlich ist es Sache des Bundes, die Rundfunkhoheit wahrzunehmen. Dazu gehört die Vertretung der Bundesrepublik auf internationalen Konferenzen, dazu gehört die Verteilung der Wellen, dazu gehört vielleicht noch einiges andere, aber nicht die Gestaltung und Beeinflussung der Rundfunkprogramme in den Ländern oder an anderer Stelle.
Es gibt zwei weitere Punkte, an denen wir uns darüber einig sind, daß eine Bundesbeteiligung angebracht ist. Seit einigen Jahren funktioniert die Deutsche Kurzwelle, die unter Mitwirkung der Bundesregierung den Auslandsdienst betreibt. In einem kleinen Spitzengremium von drei Leuten hat die Bundesregierung einen Vertreter. Soweit mir bekannt ist, funktioniert diese Welle nicht nur technisch, sondern es hat auch bisher kaum politische Differenzen oder Beanstandungen des Programms dieses Deutschen Kurzwellendienstes durch die Bundesregierung gegeben.
Das zweite Gebiet, auf dem wir eine Beteiligung des Bundes für richtig und möglich halten, ist die Deutsche Langwelle. Auch hier ist die BundesregieBlachstein
rung durch ihre Vertreter an den Vorbereitungen beteiligt. Daß wir keine Langwelle haben, ist nicht zuletzt durch die unglücklichen Eingriffe der Bundesregierung in den vergangenen Jahren verschuldet worden.
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Wenn man glaubt, der Bund müsse in diesen Fragen so chaosordnend eingreifen, so möchte ich dazu sagen, daß in der Vergangenheit leider Dinge geschehen sind, die genau das Gegenteil von dem bewirkt haben, was im deutschen Interesse erwünscht gewesen wäre.
Wir haben nun die erstaunlichen Eröffnungen des Bundespostministers und der CDU und der CSU über das neue Verhältnis von Bund und Ländern gehört, das wir sicher nicht hier entscheiden können, sondern, wenn sich dieser Standpunkt durchsetzen sollte, in Karlsruhe entschieden wird. Ich bin überzeugt, daß eine solche neue Auslegung der Beziehungen zwischen Bund und Ländern eine Verfassungsklage nach sich ziehen wird. Wir haben hier vor fünf Jahren über diese Frage gesprochen, und ein Mitglied dieses Hauses, Herr Dr. Jaeger, hat damals über die Zuständigkeit von Bund und Ländern einiges gesagt, was ich Ihnen, vor allem den Kollegen der CSU, soweit sie noch hier sind, gern in Erinnerung rufen möchte. Herr Dr. Jaeger hat damals in der 259. Sitzung des 1. Bundestages am 15. April 1953 ausgeführt:
Die Zuständigkeit zwischen Bund und Ländern ist im Grundgesetz für die Bundesrepublik eindeutig festgelegt, und zwar nach den Artikeln 30 und 70 derart, daß die Zuständigkeit der Länder die Regel ist, die Zuständigkeit des Bundes die Ausnahme, und zwar immer nur dort, wo sie ausdrücklich im Grundgesetz ausgesprochen worden ist. Daraus ergibt sich auch der Grundsatz, daß bei der Auslegung der Zuständigkeit des Bundes einschränkend und nicht ausweitend vorgegangen werden darf. Außerdem sind sich alle Teile, sogar die Unitarier, in diesem Hohen Hause immer darüber einig gewesen, daß Kulturfragen prinzipiell Angelegenheit der Länder sind, da sie grundsätzlich nicht dem Bund überantwortet wurden.
Was den Rundfunk betrifft, so kommt hinzu, daß zwar für Presse und Film die Möglichkeit einer Rahmengesetzgebung besteht, daß diese Möglichkeit aber eben nicht für den Rundfunk besteht.
Das waren die Ausführungen des Herrn Dr. Jaeger in der damaligen Debatte über den Antrag Vogel und Genossen über ein Bundesrundfunkgesetz. Es wäre doch interessant, von den Kollegen, die damals diesen Versuch, dem Bund zu geben, was ihm nicht gebührt, praktisch durch ihre Haltung zum Scheitern brachten, einmal zu erfahren, wie sie sich heute gegen einen ähnlichen Versuch stellen.
Ich glaube, daß erhebliche Bedenken gegen die Behauptung des Kollegen Schmidt bestehen, daß das alles im Rahmen des Grundgesetzes geschaffen werden solle. Das, was hier beabsichtigt ist, geht weit über den im Grundgesetz vorgesehenen Rahmen hinaus.
Der Antrag Umdruck 18 ist reichlich unklar, ich glaube, nicht ganz unabsichtlich so unklar, um vielleicht einerseits der Bundesregierung einen gewissen Spielraum zu lassen und andererseits einige Kollegen aus Ihren Reihen leichter zu ihrer Unterschrift unter einen solchen Antrag zu bringen, als wenn man so klar wie damals in dem Antrag auf ein Bundesrundfunkgesetz gesagt hätte, wo man eigentlich hin will.
Hier wird eine Überprüfung der Zuteilung von Sendelizenzen gefordert. Wir sind der Meinung, daß eine solche Überprüfung nicht notwendig ist, daß wir von dem Prinzip der öffentlich-rechtlichen Körperschaften nicht abgehen und im Interesse eines unabhängigen Rundfunks und Fernsehens in der Bundesrepublik an dieser Organisationsform festhalten sollten, was im einzelnen Land, bei der einzelnen Anstalt vielleicht überprüfenswert sein kann.
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Der letzte Satz der Ziffer 1 Ihres Antrags auf ein zweites Programm ist direkt gegen die Rundfunkanstalten gerichtet und geht weit über das hinaus, was notwendig wäre, wenn man neben den Rundfunkanstalten noch ein kommerzielles Fernsehen in einer „freien" oder, wie Sie es nennen wollen, unabhängigen Gesellschaft begründen wollte. Hier wird der Versuch gemacht, die Entwicklung des Fernsehens bei den Anstalten aufzuhalten, die unserer Meinung nach notwendige Schaffung eines zweiten Programms für die Zuschauer zu verhindern und auf eine spätere Regelung außerhalb der bisherigen und, ich würde sagen, im großen und ganzen bewährten Form des Rundfunks in der Bundesrepublik abzuschieben.
Nun sagt man, wir seien nicht konsequent, wenn wir gegen eine private Fernsehgesellschaft seien. Auch der Bundespostminister hat darauf hingewiesen, daß in den Gremien der Anstalten einstimmige Beschlüsse auf Einführung des Werbefernsehens gefaßt worden sind. Die beiden größten Anstalten haben am längsten mit der Einführung des Werbefernsehens gewartet, weil es eine ganze Reihe großer Bedenken gab, die auch bei Ihnen heute zum Teil vorhanden sind,
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die gegen eine solche Einführung eines Werbeprogramms bei den Anstalten sprachen. Aber wir waren gezwungen, diese Meinung eines Tages aufzugeben.
({8})
- Wir waren dadurch gezwungen, da bei der Post und bei der Bundesregierung und bei Ihren Freunden in der Wirtschaft und in diesem Hause so weit auf die Schaffung eines solchen zweiten, von
Großkonzernen betriebenen Programms vorgearbeitet wurde, daß es keinen Ausweg gab, als die Dinge bei den Anstalten - ({9})
- Wir haben sehr lange gewartet, und wir haben uns den Zeitpunkt sehr gut überlegt.
({10})
- Herr Dr. Heck, wir haben die Anfrage zu dem Zeitpunkt eingebracht, als wir befürchteten, daß die Bundesregierung ohne das Parlament Fakten schaffen könnte. Wir waren der Meinung, daß es sich auf jeden Fall, welche Entscheidung auch immer getroffen wird, um eine so wichtige politische und wirtschaftliche Entscheidung handelt, daß das Parlament eingeschaltet werden muß.
({11})
- Entschuldigen Sie, Herr Schmidt, die Rundfunkanstalten haben Landesgesetze und Satzungen, nach denen sie verfahren. Ich weiß nicht, ob irgendwo der Vorwurf erhoben worden ist, daß gegen bestehende Gesetze Beschlüsse auf die Einführung des Werbefernsehens getroffen worden seien. Es gibt in Ihrem Antrag ja die Formulierung des Ausschöpfens aller Möglichkeiten, um Rundfunk und Fernsehen von der Geschäftswerbung freizuhalten. Ich weiß nicht, ob Herr Dr. Schröder den Bundesgrenzschutz marschieren läßt oder wie Sie gegen das Werbefernsehen vorgehen wollen, das in einigen Ländern bereits praktiziert wird und das bei anderen Anstalten vorbereitet wird.
({12})
Es ist ja Ihre Sache, wie Sie Ihren Antrag ausdeuten. Sie haben ihn so formuliert, daß man sich darunter vorstellen kann, was einem gefällt.
({13})
- Vielleicht werden Sie mich belehren, Herr Dr. Heck. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie zu dem „Ausschöpfen aller Möglichkeiten, die geeignet sind" einige Erläuterungen gäben.
Die Einführung des Werbefernsehens bei den Anstalten war nicht aufzuhalten, auch nicht durch Prozesse, die darum von privater Seite geführt wurden. Ich glaube, die Entwicklung, daß alle Anstalten das Werbefernsehen zu ihrem bisherigen Programm aussenden werden, wird kaum zu verhindern sein.
Nun werden als Begründung eines solchen freien Werbefernsehens immer die Hebung der Qualität der Sendungen und die Notwendigkeit der Konkurrenz angeführt. Mein Kollege Heinz Kühn hat dazu in der Begründung unserer Großen Anfrage schon einiges gesagt. Lassen Sie mich noch ein paar andere Gesichtspunkte hinzufügen. Als die Engländer ihr zweites Programm einführten, hatten sie den riesigen amerikanischen Markt hinter sich, den amerikanischen wie den kanadischen, der uns nicht ohne weiteres offensteht. Man kann zwar Filme kaufen, kann sie mit deutschem Text versehen, aber das ist alles etwas schwieriger als in dem sehr viel größeren englisch sprechenden, englisch produzierenden englisch - amerikanisch - kanadischen Raum. Ich glaube, daß man heute in Deutschland nicht ohne weiteres und nicht ohne Schaden für alle zu einem zweiten oder gar dritten Programm kommen kann. Wir haben durch Krieg und Nachkriegsentwicklung eine ganze Menge Zeit verloren. Wir haben durch gewisse Ereignisse in unserem Land einen harten Aderlaß an Intelligenz und schöpferischen Menschen, und es gibt einfach einen Mangel heute sowohl an Technikern wie an Autoren, an Publizisten und an Interpreten. Jeder, der davon etwas weiß, wird das bestätigen. Vielleicht sind ein paar Bürgermeister hier, die in den letzten Jahren sehr schöne Stadttheater gebaut haben und die auch ein Lied davon singen können, wieviel schwieriger es ist, einen Bühnenleiter und einen Generalmusikdirektor zu finden, als in Zeiten der Hochkonjunktur das Haus zu bauen. Wir sind in diesem Lande nicht überreich gesegnet
({14})
an produktiven Kräften. Wenn wir jetzt z. B. ein freies Fernsehen einführten, würden wir eine Folge sofort bekommen: eine Verdoppelung und Verdreifachung der Honorare! Meine Kollegen von der Presse da oben hören das sicher gern. Aber, meine Damen und Herren, damit, daß man durch eine Erweiterung des Marktes einfach die Preise in die Höhe treibt, ist ja noch keine Verbesserung der Qualität erreicht.
Ich gebe Ihnen zu: Es gibt eine ganze Menge Dinge, die auch heute kritisch erwähnt und auch an anderer Stelle, von Kritikern und in der Presse debattiert worden sind. Mängel im Programm - die gibt es wirklich, vielleicht auch eine gewisse Streifheit und einen gewissen Bürokratismus in den Funkhäusern und bei den Fernsehabteilungen. Das gibt's auch. Aber daneben steht ein wirklicher Mangel an brauchbaren Kräften, um ein uferloses Programm ausarbeiten, um zweite und dritte Programme haben zu können.
Würdigen Sie doch wenigstens noch den Gesichtspunkt, daß eine Gesellschaft, die werben will, die den legitimen Zweck hat, Geld zu verdienen, sich andere Aufgaben stellt als die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, die einen Kulturauftrag haben. Wieweit sie ihn erfüllen - nun gut, dahinter haben wir alle ein Fragezeichen zu setzen. Aber das ist doch keine wirkliche Konkurrenz. Wir setzen doch zwei völlig ungleichwertige Dinge nebeneinander. Die Bundesregierung hat ja noch andere Pläne. Auch einige von Ihnen wollen ja gar nicht, daß das Werbefernsehen kommt, sondern sie möchten den Bundesfernsehsender haben. Dann hätten wir wenigstens nicht die verschiedenen Ebenen, daß die einen Geld verdienen und die anderen einen kulturellen Auftrag und die Aufgabe der Zerstreuung und Unterhaltung unseres Volkes haben.
({15})
- Sehen Sie, aus den Gründen, die ich eben anführte, als ich die Frage nach dem Bundessender stellte, habe ich die Zustimmungserklärung durch Herrn Schmidt ({16}) erhalten.
({17})
Meine Bedenken: Sehen Sie, wir sitzen doch schon lange in diesem Hause. Wir kennen den Herrn Bundesinnenminister. Der Bund wächst sich immer mehr aus; er wird immer kräftiger. Schauen Sie sich den Adler hier über uns an! Er ist doch ganz mächtig.
({18})
- Ja, sicher, Herr Bundesinnenminister. Aber die Tendenzen auf Ihrer Seite, den Funk in Ihre Hand zu bekommen, die große Funkfreudigkeit des Herrn Bundeskanzlers und das besondere Interesse des Herrn Globke für diese Frage - er gehört eigentlich auch da hin, ich weiß nicht, ob er da ist -, lassen uns den Anfängen zu wehren versuchen, daß Sie überhaupt einen solchen Schritt machen.
Ich hoffe, daß wir auch in diesem Falle die öffentliche Meinung wie 1953 - ({19})
- Unter öffentliche Meinung verstehe ich nicht die Sozialdemokraten allein,
({20})
die ja bei der öffentlichen Meinung sehr am Rande marschieren. Herr Pferdmenges, wer macht denn die öffentliche Meinung in diesem Lande? Die sozialdemokratische Presse? Oder meinen Sie nicht, daß es einige Zeitungen gibt, die eine sehr viel größere Wirkung auf die öffentliche Meinung in diesem Lande haben als die Möglichkeiten, die die Sozialdemokraten durch ihre Presse oder durch ihre Leute im Rundfunk hätten? Ich hoffe, daß die öffentliche Meinung, die sich 1953 gegen jeden Versuch, den Rundfunk zu politisieren und zu verstaatlichen, gewehrt hat, auch in diesem Falle durch diesen unklaren Antrag hindurchfindet und nicht meint, hier ginge es um die Schaffung eines freien Fernsehens.
Das einzige, was in dem Antrag klar ist, ist der Punkt 4. Den hat die Postbürokratie aufgeschrieben, und die weiß, was sie will. Ihr ist durch die Entwicklung nach 1945 der Rundfunk genommen worden, und sie möchte ihn wieder haben. Sie möchte jetzt wenigstens an dieser Stelle wieder hereinkommen. Dieser Punkt ist klar und eindeutig. Das ist aber auch das einzige, was in diesem Antrag wirklich klar und eindeutig ist. Ich bin der Post dankbar, daß sie aufschreibt und uns zur Kenntnis gibt, was sie wünscht.
Ich bin der Meinung, daß wir nicht wieder spalten sollten - ein Gesichtspunkt, den Sie vorhin angeführt haben -, daß wir eine zweckmäßige einheitliche Organisation haben sollten. Darüber, wie man sie macht, kann man reden. Ich bin dabei der Meinung, daß es angesichts der bei uns immer sehr naheliegenden Ausweitungs- und Herrschaftstendenzen im staatlichen Bereich besser ist, wenn es die Post nicht macht. Aber immerhin wäre es eine Frage, über die man reden kann.
Wir können Ihrem Antrag nicht zustimmen. Wir halten ihn für eine schlechte Sache und glauben, daß Sie damit nicht nur in diesem Hause, sondern auch bei den Ländern und anderen unabhängigen Kräften auf große Schwierigkeiten stoßen werden. Aber das wird abzuwarten sein.
Noch ein Wort zu der so freundlich angekündigten Neuverteilung der Gebühreneinnahmen. Auf die Frage, wer denn den zweiten Sender bezahlen soll, wurde ja im Hinblick auf die Mittelständler in der CDU angekündigt, das würde nicht die Werbung sein. Zu der Hörergebühr darf ich vielleicht wieder Herrn Dr. Jaeger zitieren. Er hat in der Sitzung vom 15. April 1953 über die Hörergebühr gesagt:
Zur Unabhängigkeit des Rundfunks und zu seiner Freiheit, wenn sie eine Bedeutung haben soll, gehört natürlich auch die wirtschaftliche Unabhängigkeit, und damit hängt nun einmal das Problem der Hörergelder zusammen. Von sehr prominenter Seite wurde hier die alte These vertreten, daß diese Hörergebühr von 2 DM im Monat, wie sie jetzt allgemein eingehoben wird, eine Verwaltungsgebühr sei, die als Lizenzgebühr aufzufassen sei. Sicherlich ist das in den Anfängen des Rundfunks so gedacht gewesen. Aber eine solche Lizenzgebühr bestimmt man im allgemeinen für den Verwaltungsakt der Genehmigung zur Aufstellung eines Empfangsgeräts. Längst hat sich der Charakter der Gebühr gewandelt, und man muß sie heute, wie das auch von Gutachten, die man nicht so leichthin abtun sollte, wie dies manchmal geschieht, festgestellt worden ist, als eine Anstaltsgebühr bezeichnen, als eine Gebühr und eine Gegengabe für die Nutzung und für die Leistung seitens der Rundfunkanstalt. Damit gehört der Rechtsanspruch auf Gebühr zum Vermögen und, wenn Sie so wollen, zum Eigentum der einzelnen Anstalten. Sie ihnen zu nehmen, würde eine Enteignung bedeuten, für die eine Entschädigung nach Art. 14 des Grundgesetzes festzusetzen wäre.
Soweit Herr Dr. Jaeger im Jahre 1953. Ich nehme an, Herr Bundespostminister, daß Sie die Meinung eines Ihrer Freunde zu dieser Sache interessiert. Damals saßen Sie übrigens noch da unten und haben mit Herrn Dr. Jaeger die Ansprüche, die Sie heute da oben etwas anders sehen, abgelehnt und das Funkgesetz zu Fall gebracht. Ich weiß nicht, ob Sie persönlich dagegen gestimmt haben. Aber die CSU hat damals, wenn ich mich recht erinnere, in imponierender Geschlossenheit - bei Ihnen gibt es ja keinen Fraktionszwang ({21})
und in völliger Übereinstimmung das Gesetz abgelehnt.
Nun ein Wort zu allen Versuchen, mit „freiem" Fernsehen anzufangen; es handelt sich um ein Fernsehen der großen Konzerne und Monopole. Es handelt sich, wenn Sie diesen Weg gehen, auch finanziell um bedeutende Größenordnungen. Die fünf Gesellschaften, die heute in England für die ITA, die nur einen Rahmen darstellt, den der Gesetzgeber geschaffen hat, Fernsehen produzieren, müssen nach dem Gesetz je einen Kapitalinvestitionsfonds von 36 Millionen DM haben. Ich sehe hier Kollegen, die meinen, das sei doch nicht so viel, daß es nicht zu schaffen wäre. Sicher! Wir haben in der Bundesrepublik Wirtschaftsgruppen, Konzerne und Unternehmen, die durchaus in der Lage sind, solche Werbefernseh-Produktionsunternehmen mit einem in Deutschland notwendigen Betrag zu finanzieren; ich weiß nicht, ob er ebenso hoch oder höher sein muß; jedenfalls wird er hoch sein müssen. Nur, meine verehrten Kollegen vom Mittelstand der CDU/CSU, glauben Sie doch nicht, daß Sie daran partizipieren werden!
({22})
Denn die Kosten, die hier für die Werbung entstehen, bewegen sich in Kapitalgrößenordnungen, die auf jeden Fall dem Kleinhandel, dem Handwerk, und wen Sie sonst zum Mittelstand rechnen wollen, eine Beteiligung unmöglich machen.
Sie haben in Ihrem Antrag unter 3 a oder 3 b eine etwas schwammige Formulierung, daß darüber berichtet werden soll. Sie können es heute schon wissen, wie diese Dinge aussehen, wenn sie auf uns zukommen. Der Vorteil, der dabei entsteht, wenn die Werbung bei den heute bestehenden Anstalten betrieben wird, ist, daß dort nicht das Profitmotiv - das ich gar nicht abwerten will, wenn wir eine private Gesellschaft haben -, daß dort nicht die Erzielung von Gewinn das Wesentliche ist und daß es deshalb möglich ist, mit den Wirtschaftsgruppen, mit dem Mittelstand, mit der Presse, mit den Zeitschriftenverlegern zu Vereinbarungen zu kommen, um diese Dinge zu vertreten. Wenn Sie jedoch die privaten Gruppen, die sehr mächtigen, kapitalstarken privaten Gruppen haben, dann werden Sie sehr viel schwerer zu solchen Abmachungen kommen können, als es in Zusammenarbeit mit den öffentlich-rechtlichen Anstalten möglich ist.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluß kommen. Wir sind für ein zweites Programm bei den Anstalten, und wir erwarten, daß die Post die notwendigen Frequenzen für dieses zweite Programm trotz Ihres Antrags zur Verfügung stellt. Wir sind dafür, daß im Rundfunk und im Fernsehen keine Staatsorganisationen geschaffen werden und keine Dominierungen durch Parteien oder Gruppen, sondern die Gleichwertigkeit und die Gleichrangigkeit von Regierung und Opposition, wie sie in einem demokratischen Staat besteht, in den Anstalten, die Rundfunk und Fernsehen betreiben, gewährleistet werden. Wir wollen weder einen Staatsfunk noch einen Bundesfunk noch einen Regierungsfunk.
({23})
- Sie möchten die SPD heraus haben?! ({24}) Sie möchten allein dort sein?!
({25})
- Mit dem Besitzstand sieht es folgendermaßen aus. Ja, meine Damen und Herren, wir können darüber reden, wenn Sie wollen, lange! Wir haben nichts zu scheuen; wir sind dazu bereit. Ich fände es im Verhältnis zu den betroffenen Leuten in der Publizistik nicht sehr gut. Aber nehmen Sie die Intendanten; Sie haben den Zuruf gemacht. Die drei größten Anstalten, der Westdeutsche Rundfunk, der Norddeutsche Rundfunk und der Bayerische Rundfunk, haben keinen Sozialdemokraten als Intendanten - ist das wahr? -,
({26})
ein paar kleine, Berlin und Bremen - ja, wir kennen sie -, sicher.
({27})
- Sehen Sie Ihre Nervosität in diesem Punkt! Erstens glauben Sie, daß wir noch ein paar Jahre zurück sind. Es waren einmal ein paar mehr. Sie haben dafür gesorgt, daß es weniger geworden sind.
({28})
Sie haben sich erheblich ausgebreitet. Sie haben ein politisches Klima in diesem Lande geschaffen, in dem es nur wenige Publizisten gibt, die vor dem Mikrophon noch zu sprechen wagen,
({29})
nicht zuletzt wegen der wirtschaftlichen Macht, die hinter Ihnen und hinter den Zeitungen, und was Sie sonst noch alles kontrollieren, steht. Wir möchten, daß das nicht noch mehr in diese Richtung geht, sondern daß wir mindestens das halten, was wir haben. Wir sind sehr bescheiden geworden. Wir möchten wenigstens das halten, was noch an Gleichrangigkeit und Gleichwertigkeit von Regierung und Opposition in der Offentlichkeit vorhanden ist. Wir können Ihrem Antrag nicht zustimmen, weil er unklar ist, weil er nach unserer Meinung grundgesetzwidrig ist und weil er politisch, wirtschaftlich und kulturell schädlich ist.
({30})
Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Von einigen der Herren Vorredner ich glaube, es war vor allem der Herr Kollege Kühn - ist das Bedauern darüber geäußert worden, daß der Herr Bundeskanzler heute nicht zugegen sei; es handle sich um eine sehr wichtige Sache, eine Sache, die zu den Richtlinien der Politik gehöre - soweit ich es richtig in Erinnerung behalten habe. Ich möchte dazu sagen: Sicherlich wird niemand hier im Hause sein, der dem Herrn Bundeskanzler seine kurzen FerienBundesinnenminister Dr. Schröder
tage nicht gönnt, aber ich glaube nicht, daß seine Anwesenheit heute zu diesem Punkt erforderlich wäre. Ich darf ausdrücklich die Erklärung abgeben, daß die von meinem Freund Stücklen eingangs verlesene formulierte Erklärung die einhellige Meinung der Bundesregierung darstellt und sich damit in voller Übereinstimmung mit den Richtlinien der Politik befindet.
Einige vermissen heute den Herrn Bundeskanzler, aber wir haben doch die Freude gehabt, wenigstens in indirekter Form die Rundfunkanstalten hier vertreten zu sehen. Ich muß das sagen, weil dann und wann ein sehr merkwürdiger Zungenschlag hineingekommen ist. Er ist leider dem Herrn Kollegen Blachstein passiert, der an einer Stelle gesagt hat: Wir haben lange mit der Einführung des Werbefernsehens gewartet. Sicherlich hat er nicht im Augenblick daran gedacht, - ({0})
- Lieber Herr Kollege Blachstein, ich muß das trotzdem feststellen; ich werde anschließend einige Ausführungen dazu machen, die in die Richtung gehen, daß die Bundesregierung es nicht begrüßt, wenn die Gremien, die die Unabhängigkeit des Rundfunks zu sichern haben, einen parteipolitischen Charakter tragen. Das gilt, wie sich versteht, ganz gleichmäßig nach allen Seiten. Hier hat aber die Anfrage begründet Herr Kollege Kühn, der stellvertretende Vorsitzende des Verwaltungsrates des Westdeutschen Rundfunks. Es hat dann gesprochen für die SPD Herr Kollege Blachstein, der Mitglied des Verwaltungsrats des Norddeutschen Rundfunks ist und der Vorsitzender des Kuratoriums des Nord-und Westdeutschen Rundfunkverbandes ist.
({1})
- Ich spreche vom Kollegen Blachstein, und ich habe von Ihnen gesprochen, Herr Kollege Kühn. Ich habe nicht recht gehört, ob sich auch der Kollege Zoglmann der Mitgliedschaft in einem Rundfunkoder Verwaltungsrat gerühmt hat.
({2})
- Ich möchte nur feststellen, daß die Anstalten durch die Sprecher der Opposition heute sehr reichlich vertreten gewesen sind, wohlgemerkt: durch die Sprecher der Opposition.
({3})
Ich will nun, da die Debatte noch eine Zeitlang weitergehen wird, nur zu ganz wenigen Fragen kurz Stellung nehmen. Zunächst zu der Frage der Zuständigkeit. Nachdem hier gewisse Zweifel aufgetreten und gewisse Bedenken von den oppositionellen Sprechern angemeldet worden sind, halte ich es doch für richtig, zu wiederholen, was die Antwort der Bundesregierung zu Ziffer 4 besagt. Dort wird gesagt, die Bundesregierung sei nicht der Auffassung, daß die sogenannte Kulturhoheit der Länder der Zulassung eines privatwirtschaftlichen
Fersehens entgegenstehe. Das Grundgesetz kennt keine ausschließlich den Ländern zustehende allgemeine Kompetenz für Kulturfragen. Sofern der Bund auf einem Gebiet zuständig ist, wird diese Zuständigkeit nicht dadurch beeinträchtigt, daß materiell Kulturfragen berührt werden. Auf dem Gebiet des Rundfunks, zu dem auch das Fernsehen gehört, ergibt sich die Zuständigkeit des Bundes aus seiner Kompetenz für das Fernmeldewesen, Art. 73 Nr. 7 und Art. 87 des Grundgesetzes.
Ich möchte dieses Bild - Sie werden verstehen, daß Zeit und Ort nicht ganz adäquat sind, diese Sache umfassender zu entwickeln - nur durch drei ganz kurze Hinweise auf den Parlamentarischen Rat etwas beleuchten. Im Parlamentarischen Rat ist damals von unserem früheren Kollegen Laforet der Antrag gestellt worden, die Gesetzgebungsbefugnis des Bundes auf die technische Seite des Rundfunks zu beschränken, also weniger zu tun als das, was heute im Grundgesetz steht. Dieser Antrag ist abgelehnt worden. Der Parlamentarische Rat wollte dem Bundesgesetzgeber die Freiheit lassen, das Rundfunkwesen bundesgesetzlich zu regeln oder davon abzusehen. Das ist also - wenn Sie so wollen - ein Vorgang aus dem Lager der heutigen Regierungskoalition, und zwar im Parlamentarischen Rat negativ entschieden.
Dann möchte ich jemand anders zitieren, der sich zufällig ebenfalls gerade im Hause befindet; es ist das damalige Mitglied des Parlamentarischen Rates Herr Dr. Menzel. Er hat dort am 22. September 1948 folgendes erklärt:
Ich meine aber, daß die Hoheit über die technische Seite und den Aufbau dem Bund zustehe, weil der Rundfunk ein so wesentliches Instrument der politischen Willensbildung und der politischen Macht darstellt, daß der Bund sich insoweit nichts irgendwie von den Ländern vorschreiben lassen sollte.
Und er fährt am selben Tage fort:
Alles, was gesetzgeberisch zu regeln ist, muß der Bund tun.
({4})
In diesem Zusammenhang darf vielleicht auch eine ganz kurze Stimme aus den Reihen der heutigen SPD-FDP-Opposition nicht fehlen - ich nenne den Namen nicht, aber ich zitiere korrekt -:
Ich bin der Meinung von Herrn Süsterhenn. Es ist noch eine Frage der Wellenlänge. Aber die Möglichkeit, daß meinethalben der Staat sich einen Rundfunk macht und auf der anderen Seite Gruppen privater oder kirchlicher Organisationen das gleiche tun, sollte gegeben sein. Es ist geplant, in Bamberg einen gemeinsamen christlichen Sender von beiden Kirchen aufzubauen. So war es wenigstens in den Zeitungen zu lesen, und das sollte man an sich nicht beschneiden. Die Entwicklungen sind auf dem Gebiet vorhanden. Dann kann der Hörer sich aussuchen, was er hören will. Ich bin nicht dafür, staatliche oder staatlich konzessionierte Monopole von vornherein zu begünstigen.
Bundesinnenminister Dr. Schröder
Ich begnüge mich bei diesem Stand der Debatte mit diesen kurzen Zitaten, denen Sie, glaube ich, zugestehen werden, daß sie außerordentlich aufschlußreich sind und sich - wie sollte es anders sein - in Übereinstimmung mit der Erklärung befinden, die die Bundesregierung eingangs der Debatte abgegeben hat.
Ich darf aber nun noch in vier Punkten umreißen, was die Bundesregierung wirklich vorhat und was ihr vorschwebt. Ich sage noch einmal: es handelt sich dabei um eine einheitliche Meinung der Bundesregierung, damit nicht der Herr Bundeskanzler wieder persönlich bemüht wird.
Erstens. Die Bundesregierung ist für einen unabhängigen Rundfunk, und sie ist für ein unabhängiges Fernsehen mit einem sorgfältig geregelten Anstaltscharakter.
Zweitens. Die Bundesregierung ist gegen jede Monopolstellung auf diesem Gebiet. Sie ist vor allem gegen die Monopolstellungen, die noch aus der Frühperiode nach 1945 stammen und in manchem noch besatzungsrechtliche Schalen tragen.
Drittens. Die Bundesregierung ist der Überzeugung, daß der Parteienproporz, der offenbar auf dieser oder jener Seite des Hauses eine gewisse Sympathie gefunden hat, als Leitung und Aufsicht ungeeignet ist, Unabhängigkeit und Neutralität der genannten Anstalten zu gewährleisten, und daß dafür - und dafür gibt es hervorragende ausländische Vergleichsbeispiele - bessere Wege als die des Parteienproporzes gefunden werden müssen.
Viertens wünscht die Bundesregierung die Möglichkeit, ihre außenpolitischen und ihre gesamtdeutschen Aufgaben und Verpflichtungen in einer angemessenen Weise wahrnehmen zu können, was sie bisher auf diesem Gebiet leider nicht hat tun können.
({5})
'Wenn man sich auf diesem Gebiet nach ausländischen Vergleichsbildern umsieht, dann glaube ich mit einem gewissen Nachdruck auf Großbritannien hinweisen zu können. Ich habe immer sehr bedauert - das habe ich auch schon in diesem Hohen Hause anläßlich einer Tagung in Berlin ausgesprochen -, daß man uns damals, als man in der britischen Zone eine Anstalt schuf, nicht das Statut der BBC dafür gegeben hat. Hätte man uns das Statut der BBC gegeben, wäre das, was sich damals bei uns entwickelt hat und was sich bis heute in einer gewissen Umbildung noch findet, wesentlich besser geworden.
({6})
Ich glaube also, daß die Einrichtungen drüben, wie die Gesellschaften BBC und ITA, die heute beide schon zitiert worden sind, auch nach ihren Statuten durchaus des Studiums werte Vergleichsmaßstäbe bilden können. Das Hohe Haus sollte die Gelegenheit benutzen, sich durch ausgewählte Vertreter von dem Funktionieren dieses Systems und von seiner - in meinen Augen - Überlegenheit gegenüber unseren derzeitigen Zuständen in Großbritannien an Ort und Stelle einen Eindruck zu verschaffen.
Ich darf hier eine ganz kleine Einschaltung machen. Es ist das Gespenst an die Wand gemalt worden, daß, wenn sich das Werbefernsehen nun verbreitet, es eine ganz ungewöhnliche Veränderung des Werbeaufwands und des Werbeetats geben würde. In Großbritannien liegen die Zahlen wie folgt. Der Beginn des Werbefernsehens datiert vom September 1955. 1954 sind für Anzeigen - ich nenne nur die Prozentsätze, um das Hohe Haus nicht mit Zahlen zu bemühen - 92,2 % des Werbeetats ausgegeben worden, 1956, also ein Jahr nach Einführung des Werbefernsehens, 85 %. Der Aufwand für die Werbung im Rundfunk hat sich von 0,3 auf 0,2 % gesenkt. Dafür hat das Fernsehen einen Werbeaufwand von 7,4 % erhalten. Sie sehen daraus, daß es sich hier um Verschiebungen innerhalb einer Größenordnung handelt, die doch einen recht begrenzten Charakter tragen.
Lassen Sie mich mit ganz wenigen Bemerkungen schließen. Ich habe bedauert, daß der Herr Kollege Blachstein wiederum - ich weiß nicht, ob er es selbst gewesen ist oder wer es sonst für seine Freunde damals in Berlin vorgetragen hat - sozusagen der Bundesregierung das Scheitern der Bemühungen um einen vernünftigen Langwellenbetrieb auferlegen will. Herr Kollege Blachstein kennt intimer als ich die Vorgänge auf der nichtparlamentarischen Seite des Rundfunks und sollte deswegen wissen, daß es wirklich nicht an dem Bund gelegen hat, daß wir nicht schon längst zu einem guten Langwellenbetrieb gekommen sind.
({7})
Ein Stellungnahme zu dem Antrag, den die Regierungskoalition vorgelegt hat, möchte ich einstweilen nicht abgeben. Ich habe gehört, daß beantragt wird, diesen Antrag dem Ausschuß zu überweisen. Dort kann eingehender über die einzelnen Punkte gesprochen werden. Ich bin der Meinung, wir sollten nach wie vor sehr sorgfältig und behutsam auf diesem Gebiete vorgehen. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben bisher acht Jahre darauf verwendet, auf diesem Gebiet zu befriedigenderen Zuständen als denen zu kommen, die wir heute haben. Wir haben auch einen langen, mühseligen Weg der Vertragsversuche hinter uns. Ich pflege zu sagen, daß Staatssekretär Bleek, der jetzt nicht mehr im Innenministerium tätig ist, allein drei bis vier Jahre seines Lebens an die Aufgabe verwendet hat, zu befriedigenden Rundfunkverträgen zu kommen, leider jedoch ohne Erfolg.
({8})
Die Bundesregierung fühlt aber die Verpflichtung,
das äußerste in ihren Kräften Stehende zu tun, um
von den Gestaltungsrechten, die das Grundgesetz
einräumt, einen adäquaten Gebrauch zu machen.
Kollege Kühn hatte die Sache von vornherein unter das Stichwort gestellt, Rundfunk und Fernsehen seien Machtinstrumente der bedeutendsten Art, und wenn Sie noch das Zitat von Herrn Menzel im Ohr haben, das ich aus dem Parlamentarischen Rat vorgelesen habe, so ist es in der Tat die sozialdemokratische Fraktion damals wie heute, die dieBundesinnenminister Dr. Schröder
sen Machtgesichtspunkt mit besonderer Eindringlichkeit hervorhebt. Meine Damen und Herren, es wird Sie wundern, aber wir unterscheiden uns darin von Ihnen: Für uns sind dies nicht Instrumente der politischen Macht, sondern für uns sind dies Bestandteile unserer öffentlichen Ordnung, und wir haben kein anderes Ziel, als dafür zu sorgen, daß diese öffentliche Ordnung eine möglichst gerechte Ordnung ist. Ich glaube, daß wir die Handhabe haben, eine solche gerechte Ordnung zu schaffen, und ich bitte das Hohe Haus darum, uns dabei behilflich zu sein.
({9})
Das Wort hat der Abgeordnete Zimmermann.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gerade die letzten Ausführungen des Herrn Bundesministers des Innern haben nach meiner Ansicht sehr viel zu der wünschenswerten und für alle Teile des Hauses erforderlichen Klarheit beigetragen, und ich glaube auch, gerade Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren von der SPD, werden bemerkt haben, wie klar, aber doch auch wie vorsichtig und zurückhaltend der Herr Bundesminister des Innern formuliert hat. Daß in diesem Hause bei dieser schwierigen Materie, die Öffentlichkeit und Bevölkerung so sehr angeht, natürlich Meinungsverschiedenheiten in Nuancen bestehen, Meinungsverschiedenheiten in Nuancen auch bei meinen eigenen Freunden, ist doch eigentlich nicht verwunderlich.
({0})
Warum sollte das auch nicht der Fall sein? In der heutigen Debatte hat sich allerdings etwas Verwunderliches gezeigt. Es hat sich gezeigt, daß scheinbar jetzt auf einmal die Föderalisten auf die linke Seite des Hauses hinübergewechselt sind, und das möchten wir doch nicht so ohne weiteres unwidersprochen im Raume stehen lassen.
({1})
Meine Freunde von der CSU und eine große, große Mehrheit der CDU bekennen sich nach wie vor zu den föderalistischen Prinzipien.
({2})
Darauf legen wir Gewicht, das an dieser Stelle und nach diesen Korrekturen, die hier angebracht werden sollten, noch einmal festzustellen, und wir werden dafür sorgen, daß die Rechte der Länder auch bei der Schaffung eines zweiten Programms gewahrt werden. Wir hoffen sogar, daß eine vertragliche Regelung möglich sein wird.
({3})
Aber meine Herren von der SPD und Herr Kollege Kühn, seit wann ist denn die Aufhebung eines Monopols, von dem Sie gesprochen haben - gleich von wem und wie ein zweites Programm getragen wird -, ein Gradmesser der Demokratie? Das möchte ich Sie einmal fragen. Warum darf man denn neben ein Monopol, so wie es sich bei den regionalen Anstalten doch ganz ohne Frage eingeführt hat, nicht etwas hinstellen, was eine Auswahlmöglichkeit für die Bevölkerung gibt? Ich spreche jetzt nicht davon, wer der Träger dieser Auswahlmöglichkeit schließlich sein soll.
({4})
Man sollte sich hier nicht so sehr auf die vielgerühmte Offentlichkeit berufen, Herr Kollege Blachstein. Die Offentlichkeit wird immer dann ins Treffen geführt, wenn die anderen Argumente fehlen, und jeder nimmt für sich in Anspruch, diese sogenannte Öffentlichkeit zu vertreten.
({5})
Und wenn man so tut, als müßte ein zweites Programm nun unter allen Umständen und auf jeden Fall die Niveaulosigkeit und die Parterreakrobatik geradezu herausfordern, hat man doch eine etwas zu schlechte Meinung von der deutschen Bevölkerung insgesamt. Die Öffentlichkeit, Herr Kollege Kühn, ist keineswegs so alarmiert worden durch diese, wie Sie sagten, grauenerregenden Vorstellungen, die die Bundesregierung und die der Herr Bundespostminister etwa mit dem zweiten Programm hätten. Das ist gar nicht der Fall. Im Gegenteil, die Offentlichkeit erwartet mit Spannung, was denn nun aus diesem zweiten Programm werden soll.
({6})
Es geht auch viel zu weit, zu sagen, ein zweites Programm sei in se, schon von vornherein, a priori undemokratisch, vom Grad der Demokratie gar nicht zu reden. Sie haben die These aufgestellt, alles, was aus dem Mikrofon herauskomme, alles, was auf dem Fernsehschirm erscheine, sei Sache der Länder. Ob man so weit gehen kann, weiß ich allerdings nicht. Das bedarf einer sehr sorgfältigen Prüfung, will man nicht von vornherein unterstellen, daß Rundfunk und Fernsehen ausschließlich Kulturmittler sind. Muß man dann nicht auch sagen, daß ein gewichtiger Teil ihrer Sendungen bloße Nachrichten- und bloße Informationstätigkeit sind?
Wenn Sie davon sprechen, daß eine Verfassungsklage, eine verfassungsrechtliche Auseinandersetzung im Bereich der Möglichkeiten liege, dann möchte ich Ihnen darauf antworten: Ist denn ein verfassungsmäßiger Streit über ein durchaus legitimes Anliegen, über ein die Offentlichkeit außerordentlich interessierendes Problem, a priori schon etwas Schlechtes? Ist es etwas Schlechtes, wenn darüber verfassungsrechtlich verschiedene Auffassungen bestehen? Gerade Sie, meine Herren von der Sozialdemokratie, haben doch in viel wesentlicheren Fragen der deutschen Politik das Verfassungsgericht sehr stark in Anspruch genommen
({7})
und haben sich nicht darüber beschwert, daß das geschehen ist. Sie sollten den Unionsfraktionen und ihren Freunden von der Deutschen Partei nicht nur die schlechten Motive unterstellen.
({8})
Sonst müßten wir uns zu der Frage veranlaßt sehen: Warum verteidigen Sie heute mit soviel Verve
die Regionalanstalten, und was für Motive sind bei Ihnen die vorherrschenden für dieses Beginnen?
({9})
Auch in England gibt es andere Programme als das zitierte am Adventstag, ganz andere, in denen sich ITA und BBC kaum unterscheiden. Ich bin davon überzeugt, daß es die rechtliche Möglichkeit gibt, bei der Gestaltung eines zweiten Programms und bei seiner Lizenzierung jede nur mögliche Auflage zu machen. Die Absichten der Wirtschaft und das, was die „Herdersche Korrespondenz", die Sie so ausführlich zitiert haben, dazu sagt, brauchen durchaus nicht mit den Absichten des Lizenzgebers identisch zu sein. Auch ich würde mich dagegen wehren, daß nun etwa der Markenartikelverband neben dem Deutschen Fernsehen der Regionalanstalten ein zweites Monopol sollte errichten dürfen. Das wird niemals unsere Absicht sein.
Sie sagten weiter, Herr Blachstein, Autoren und Künstler gebe es zu wenige, zu wenige mit einem guten Namen, zu wenige, die wirklich etwas könnten. Da haben Sie recht. Aber würden diese Probleme geringer sein, wenn nun nicht etwa ein freies Fernsehen käme, sondern wenn man das zweite Programm auch durch ein öffentlich-rechtliches Unternehmen oder durch die Regionalanstalten gestalten ließe? Diesen Mangel können Sie durch keine noch so gut geartete Konstruktion für ein zweites Programm aus der Welt schaffen, er ist einfach vorhanden, und Wettbewerb wird die Qualität der Autoren und der Künstler eher fördern als das Gegenteil, davon bin ich überzeugt.
Zum Abschluß möchte ich noch ein wenig auf die Frage eingehen, wie heute die Situation der Regionalanstalten und wie die Ausstrahlung ihrer Programme ist. Fernab jeder überzogenen Kritik möchte ich dazu sagen, daß uns natürlich nicht alles darin gefällt; das wäre auch zuviel verlangt. Aber wenn man sehen muß, wie heute in der sowjetisch besetzten Zone ein neues Netz von Sendern aufgebaut wird, die sämtlich stärker sind als irgendein Sender, den es in der Bundesrepublik Deutschland gibt, wenn man sich an fünf Fingern abzählen kann, in wieviel Monaten der gesamte Bereich der Bundesrepublik durch diese Fernsehsender erfaßt wird, dann weiß ich nicht, ob die Stellungnahme genügt, die der Fernsehbeirat der westdeutschen Sender dazu abgegeben hat. Dieser Fernsehbeirat erklärte, daß man dem sogenannten DDR-Programm nicht Sendungen ähnlichen Charakters entgegensetzen, sondern vielmehr das westdeutsche Programm so gestalten wolle, daß es von sich aus für den Westen spreche.
Das ist ein hehres Beginnen, meine sehr verehrten Damen und Herren, das Programm in der Bundesrepublik so gestalten zu wollen, daß es von sich aus für den Westen spricht. Mehr als eine Sünde gegen diesen hehren Gedanken scheint mir aber die Sendung zu sein, die am Sonntagabend über den Süddeutschen Rundfunk gegangen ist.
({10}) Ich meine die Sendung, die sich Besuch aus der Zone betitelt hat
({11})
und die über das ganze Bundesgebiet ausgestrahlt worden ist.
Diese Sendung ist natürlich auch von einem großen Teil jener 200 000 Apparatebesitzer in der sowjetisch besetzten Zone empfangen worden. Dazu kommt, daß in der SBZ die Zahl dieser Apparate nicht wie bei uns mit drei, vier Zuschauern pro Apparat vervielfacht werden darf, sondern daß sich drüben mehrere Familien um einen solchen Fernsehschirm scharen, so daß an einem solchen Abend - gerade wenn, wie hier, in dem Streifen um Erfurt die Möglichkeit besteht, das westdeutsche Programm zu empfangen , 1 Million, 11/2 Millionen oder 2 Millionen Menschen am Bildschirm sitzen, um etwas aus dem Westen, um etwas aus der Bundesrepublik Deutschland zu sehen. Denn diese Menschen warten auf eine solche Gelegenheit, einmal nicht immer nur die Hetzsendungen von drüben in sich aufnehmen zu müssen.
Ausgerechnet in den Tagen, in denen die soziale und wirtschaftspolitische Unruhe in der Zone wieder einem Höhepunkt zustrebt, ausgelöst durch neue Normerhöhungen ohne Lohnausgleich und angekündigte Preissteigerungen, ausgerechnet in dem Augenblick, in dem unsere Presse und die internationale Presse jeden Tag über die wachsende Erschwerung der Lebens- und Arbeitsbedingungen in der Zone berichten, ausgerechnet in diesen Tagen hat es der Süddeutsche Rundfunk für richtig befunden, im Bundesprogramm diese Sendung „Besuch aus der Zone" auszustrahlen.
Mit einer bemerkenswerten politischen Instinktlosigkeit
({12})
ich hoffe, daß es keine Absicht war wird in
diesem Film ein völlig schiefes Bild von den Verhältnissen in der Bundesrepublik gezeichnet. Auf dem Hintergrund einer ganz, ganz dürftigen Spielhandlung werden hier sogenannte westdeutsche Kapitalisten gezeigt, die ihre Erfolge einem angeblichen Patentraub aus der SBZ verdanken. Und es wird so dargestellt, als sei es hier üblich, Geschäftsabschlüsse ausschließlich in Schlemmerlokalen vonstatten gehen zu lassen. Dagegen wird ein mitspielender wackerer KP-Funktionär als ein Muster von Bravheit auf den ostdeutschen Fernsehschirm gezeichnet.
({13})
Wenn die deutschen Regionalanstalten, wenn das Deutsche Fernsehen und wenn im besonderen der Süddeutsche Rundfunk in Stuttgart unter seinem sattsam bekannten Intendanten Dr. Eberhard glauben, daß solche Sendungen etwa den Standpunkt der Regionalanstalten und der Länder in dieser schwierigen Frage stärken könnten, dann scheint mir das ein hoffnungsloses Unterfangen zu sein.
({14})
Wir wissen heute ganz genau und wir werden es aller Voraussicht nach in den nächsten Monaten leider erleben müssen, daß die Propaganda von
drüben, ausgestrahlt durch starke Sender, durch ein raffiniertes und geschicktes Programm versuchen wird, die westdeutsche Offentlichkeit mit diesen Ideen zu infiltrieren. Wir müssen dem etwas entgegensetzen. Wenn ich mich dabei allerdings der jahrelangen Auseinandersetzungen und Schwierigkeiten erinnere, die der Kurzwelle und der Langwelle vorangegangen sind, dann möchte ich meinen, daß sich die westdeutschen Regionalanstalten zu einem anderen Handeln entschließen müßten, als sie es in der Vergangenheit in Fragen von nationalem deutschen Interesse an den Tag gelegt haben.
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Es trägt nicht zur Erhärtung und zur Verständlichmachung des Standpunktes der Regionalanstalten bei, wenn Sendungen wie die am Sonntag gesendet werden dürfen. Die Deutsche Kurzwelle mit ihren vier Stunden, mit ihren wenigen Nachrichtensendungen in vier Sprachen und mit viel Musik ist hoffnungslos dem unterlegen, was England, Frankreich, Italien und was die anderen großen europischen Länder in einer Vielzahl von Stunden und in vielen Sprachen senden, und ist noch hoffnungsloser dem unterlegen, was Sowjetrußland, die Satellitenstaaten und die SBZ auf diesem Gebiete tun. Deswegen sollte man es nicht von vornherein als unmoralisch ablehnen, wenn die Bundesregierung und die Fraktionen der Koalition bei der heutigen Debatte über dieses Problem auch diese Gesichtspunkte mit im Auge haben.
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Was der Herr Bundespostminister und was soeben der Herr Bundesminister des Innern gesagt hat, ist, glaube ich, eine zuverlässige, klare, nüchterne und auch positive Grundlage für die Behandlung dieses schwierigen Problems. Wir sollten es, auch wenn wir uns heute in Nuancen und darüber hinaus vielleicht in manchen Dingen nicht einig sind, als das betrachten, was es ist: es ist ein hochpolitisches Problem im Hinblick auf den Osten, es ist auch ein internes Problem, das jeden in der Bundesrepublik interessiert, der sich von einem zweiten Programm, gleich wer es gestaltet, nicht eine Niveaulosigkeit, sondern eine echte Auswahlmöglichkeit, wie sie bei Presse und Funk gegeben ist, verspricht. Darauf hat die Bevölkerung einen legitimen Anspruch.
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Das Wort hat der Abgeordnete Schmücker.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir zuvor das freimütige Eingeständnis, daß ich sicherlich nicht so viel Erfahrung zu diesem Tagesordnungspunkt mitbringe wie diejenigen Damen und Herren, die seit Jahr und Tag in den Verwaltungsräten unserer Rundfunkanstalten sitzen. Aber ich stehe dafür nicht in der Gefahr, betriebsblind zu werden. Ich spreche hier nur als Hörer.
Mir geht es darum, daß wir durch ein von den bestehenden Anstalten unabhängiges zweites Programm etwas mehr Wettbewerb in das Fernsehen hineinbringen. Dagegen wehren sich wie immer so auch hier die jeweils glücklich Besitzenden. Das ist in diesem Fall der Verband der Rundfunkanstalten, böse Zungen sagen: das Kartell der Rundfunkanstalten. Man spricht gegen die Werbung, weil sie die finanzielle Grundlage für ein zweites Programm hergeben könnte. Obwohl diese Herren dagegen sind, haben sie in ihren eigenen Anstalten bereits die Werbung eingeführt, wie gesagt, nicht wegen der Werbung, sondern nur um ein selbständiges zweites Programm zu verhindern, das auf der Basis der Werbung aufgebaut werden könnte.
Die Problematik ist hier eingehend dargestellt worden. Aber ich finde, daß die Frage der Werbung im Fernsehen etwas zu kurz gekommen ist. Ich darf wohl vor allen Dingen in Erwiderung der Ausführungen des verehrten Herrn Kollegen Zoglmann sagen: ich bin nicht der Auffassung, daß man sich einfach mit den Tatsachen abzufinden hat. Herr Zoglmann, ich meine auch, Sie sollten nicht so tun, als gehörten diejenigen, die sich gegen diese sogenannte zwangsläufige Entwicklung stellen, zu irgendwelchen hinterwäldlerischen, rückständigen Leuten.
Hier ist vor einiger Zeit einmal gesagt worden, daß das Wort „zwangsläufig" einer gewissen Denkkategorie angehöre. Ich will darüber nicht rechten. Aber eine zwangsläufige Entwicklung gibt es auf diesem Gebiete nach meiner Meinung nicht.
Herr Kollege Kühn, Sie haben Ihre Anfrage begründet, aber vergessen, etwas zu Punkt 5 zu sagen. Ich hatte ohnehin die Vermutung, daß dieser Punkt 5 den anderen Punkten nur angehängt worden ist. Vielleicht kann ich hier einiges nachholen. Ich bin überzeugt, daß ich eine Strecke des Weges sogar mit Ihnen gemeinsam gehe. Aber ich bin leider ebenfalls überzeugt, daß wir uns zum Schluß wieder trennen werden.
Ich bin nicht so töricht, jede Werbung abzulehnen. Sie ist aus vielerlei Gründen notwendig. Aber ich bin ebenfalls nicht so töricht, die Gefahren der Werbung zu übersehen. In der Werbung steckt immer die Gefahr einer gewissen Übersteigerung. Sie ist in ihrem Wesen etwas Radikales, möchte ich sagen. Diese Sucht zur Übersteigerung betrifft sowohl den Aufwand, etwa die Plakatgröße, die technische Seite, wie auch das Thema. Wir erleben es ja, daß die unsinnigsten Zusammenhänge konstruiert werden, nur um bestimmte Gefühle, um nicht zu sagen: Instinkte anzusprechen. Die große Gefahr unserer Zeit - darin gebe ich den Kollegen auch von der Opposition recht - ist die Massensuggestion. Gerade wir Deutschen sollten uns nach den Erfahrungen von 1933, 1939 und 1945 darüber Gedanken machen. Ein Teil unserer Werbung ist in diese Massensuggestion eingestiegen. Man müßte eigentlich eine Gegenwerbung starten und den Leuten einmal sagen, wie sie gegängelt werden; ich lasse auf jeden Fall keine passende Gelegenheit vorübergehen, zu erklären, daß man in
den Prospekten nicht das zu lesen hat, was darin
steht, sondern immer das, was nicht darin steht.
Wenn wir schon bei dem heutigen Stand der Werbung solche Ergebnisse haben, wie wird es dann sein, wenn die Werbung in das Fernsehen einsteigt? Ich darf Ihnen einmal nur zwei unerfreuliche Beispiele - nach meiner Meinung unerfreuliche - vortragen.
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- Ich komme gleich dazu! Ich habe Ihnen ja gesagt, Herr Kollege Zoglmann, daß ich mich dagegen wehre, daß eine außerparlamentarische Kraft Fakten schafft und daß wir im Parlament dann nicht mehr die Möglichkeit haben sollen, darüber zu urteilen. Wenn das so weitergeht, frage ich Sie, was sollen wir hier überhaupt noch?
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Darf ich nun erst einmal in meinem Referat fortfahren! Ich möchte Sie an die unerfreulichen Tatbestände erinnern, die zum Teil - ich sage ausdrücklich, zum Teil - von der Werbung hervorgerufen worden sind. So hat es z. B. die Zigarettenindustrie verstanden, den Zigarettenkonsum, der ja durch die immer mehr managerkrank werdenden Männer wesentlich zurückgegangen ist, durch den Konsum bei den Frauen mehr als wettzumachen. Nach der Ansicht maßgeblicher Kreise ist das gesundheitspolitisch nicht ohne Bedenken.
Ich nehme ein anderes Beispiel. Sie wissen genau,
wie die Verhältnisse z. B. auf dem deutschen Margarinemarkt sind. Das ist nicht etwa ein Ergebnis des Wettbewerbs im Preis oder in der Qualität, sondern das ist ein Ergebnis der Werbung. Ich frage mich also: wie wird das werden, wenn diese Werbung nun auch in das Fernsehen einsteigt, und um wieviel schwieriger wird es werden, das will ich hinzufügen, wenn man um diese Werbung sozusagen drumherum eine Kultur- und Unterhaltungssendung aufbaut? Die Werbung hat ja ohnehin das Bestreben, nicht mehr als Werbung erkannt zu werden. Sie tarnt sich immer mehr und will sich als etwas anderes ausgeben, als sie wirklich ist. Ich nehme die Warnungen, die von den Kirchen und auch von namhaften anderen Persönlichkeiten ausgesprochen werden, durchaus ernst. Wenn jemand sagt, es sei unvermeidbar und man müsse nur das Beste herausholen, dann geben diese Damen und Herren bereits zu, daß in dieser Hinsicht eine große Gefahr besteht.
Ich bin der Auffassung, Herr Kollege Zoglmann, hier gibt es keine Zwangsläufigkeit! Der Gesetzgeber muß eingreifen. Er soll alles genau prüfen und abwägen. Dies ist sicherlich eine erste Debatte, die noch keine endgültige Entscheidung fordert. Aber es müssen alle Gesichtspunkte berücksichtigt werden. Ich bin, das wiederhole ich, ohnehin darüber erschüttert, wie gering die tatsächlichen Möglichkeiten dieses Hauses sind. Das betrifft nicht nur diesen Sektor. Denken Sie einmal an die Wirtschaftspolitik!
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In der Wirtschaftspolitik werden viel mehr Entscheidungen zwischen den Sozialpartnern getroffen als hier von uns. Die Gesetze spielen manchmal kaum noch eine Rolle. So ist es draußen bei der Beeinflussung der öffentlichen Meinung. Wir dürfen hier nicht zurückweichen. Es ist unsere Aufgabe, das Leben unseres Volkes zu gestalten, und wir dürfen uns nicht damit zufriedengeben oder gar abfinden, daß draußen bereits Tatsachen geschaffen worden sind.
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- Damit ist er sicher einverstanden. Ich habe es mehrfach mit ihm diskutiert. Ich bedaure, daß er nicht hier ist; ich bin sicher, er würde es sonst bestätigen.
Wir müssen dafür sorgen, daß überall Maß gehalten wird. Wir müssen dafür sorgen, daß die Kräfte, die Maß halten wollen, auch gestärkt werden. Darum bin ich der Meinung - über unseren Antrag noch hinausgehend -, daß das Werbefernsehen, soweit es jetzt besteht, eingestellt werden sollte. Der von mir begrüßte und von Ihnen auch geforderte Wettbewerb im Fernsehen muß auf andere Art und Weise erreicht werden.
Nun meine Bedenken zum Werbefernsehen. Ich bin nicht der Auffassung, daß wir amerikanische Verhältnisse bei uns bekommen würden. Wir haben sehr viele gute Gesetze. Sie kennen ja die amerikanischen Beispiele. Das hübscheste ist der Apfelschuß beim Tell mit der Obstreklame. Dann wird es etwas schlechter mit der Unfallreportage, wobei dann gleichzeitig für Heftpflaster geworben wird. Etwas scheußlicher ist es schon, wenn man anläßlich eines Staatsbegräbnisses die Vorzüge einer Lebensversicherung preist. Der deutsche Werbefunk hat ja neulich - vor einigen Wochen war es wohl - eine Sendung „Die frechste Schau der Welt" gebracht und damit nach meiner Meinung eine gute Karikatur gegeben, wenngleich nach dem Einwand des „Hör zu" hier etwas Eigenreklame getrieben werden sollte. Aber ich möchte Herrn Manfred Schmidt hier in Schutz nehmen: Das sind Mecki-Sünden, die er hier begangen hat. Immerhin ist es erfreulich, wenn man aus der guten Bastion eines Verlags, der in den meisten Städten oder in sehr vielen Städten bis zu 60 % des Vertriebs kontrolliert, eine solche Kritik anwenden kann.
Ich gebe zu, daß wir nicht Gefahr laufen, in amerikanische Verhältnisse zu kommen. Aber eine Gefahr der Entartung aus dem Prinzip der Werbung heraus besteht, ich möchte sogar sagen: eine Wahrscheinlichkeit. Wenn uns das Beispiel des britischen Fernsehens hier vor Augen gehalten wird, das uns in dieser rosaroten Schrift übersandt worden ist, so ist das nicht ganz überzeugend; denn es gibt auch andere Darstellungen, die hier zitiert worden sind. Herr Zoglmann, Sie hätten vielleicht doch die günstige Gelegenheit wahrnehmen sollen, für ein zweites Programm zu sprechen, um damit bei der Wahl viele Stimmen zu holen, die zu bekommen für Sie sonst aussichtslos wäre. Ich möchte lediglich die Überschriften aus dem „Handelsblatt" zitieren:
Mord und Totschlag im Äther - Die Umsätze steigen - Das Programm sinkt, nur um damit zu sagen, daß die Meinungen durchaus unterschiedlich sind.
Die entscheidende Frage scheint mir zu sein: wer kann überhaupt werben? Nach dem Grundgesetz kann es natürlich jeder, so wie es jedem, arm und reich, in gleicher Weise verboten ist, Brötchen zu stehlen, unter Brücken zu schlafen usw. usw. In Wirklichkeit kann nur der Große werben. Die Preise sind zwangsläufig viel zu hoch, um die Kleinen beteiligen zu können. Alles, was man über die Sondergebühren sagt, ist nicht realisierbar. Denn wo wollen Sie die Grenze ziehen? Zwei Preise sind nicht möglich. Außerdem ist es ja so, daß die Werbung sich immer gern tarnt. Ich sagte schon, daß man über den Kulturfilm viel geschickter fährt. Ich gebe zu, daß Handel und Handwerk Gemeinschaftswerbungen veranstalten könnten. Aber es besteht auch die Gefahr, daß durch diese Zusammenschlüsse die Befugnisse des einzelnen im eigenen Betrieb noch weiter eingeschränkt werden, wie wir doch wissen, daß beispielsweise die Form der Kette, gegen die ich nichts habe, aus dieser Form der Zusammenschlüsse entstanden ist. Die Hauptbetroffenen würden nach meiner Meinung gar nicht Einzelhandel und Handwerk sein, sondern die mittlere Industrie. Ich verweise auf das Beispiel, das ich vorhin mit der Margarine gebracht habe. Ein weiterer Hauptbetroffener würde im Nachteil sein: der Großhandel. Er hätte nicht die Möglichkeit, so wie die anderen einzusteigen. Ich bin auch der Auffassung, daß durch ein Werbefernsehen, gleichgültig ) wo es veranstaltet wird, die Wettbewerbsgleichheit verletzt wird, weil durch diese Werbung, durch diese Kraft und diesen Umfang der Werbung, den anderen, vor allen Dingen den Kleineren, eine Werbung fast unmöglich gemacht wird. Ich möchte sagen, der Bestand des Wettbewerbs wird durch die Fernsehwerbung in Frage gestellt. Wir haben - Herr Bundesminister Stücklen hat das hier noch einmal unterstrichen - uns immer dazu bekannt, daß wir gegen die Konzentration in der Wirtschaft antreten wollen. Hier ist es unsere Aufgabe, die dekonzentrierenden Kräfte zu unterstützen und nicht dem Sog der Konzentration noch weiteren Vorschub zu leisten. Es nützt nichts, wenn wir bei Steuergesetzen und bei sonstigen Anlässen unsere Absichten betonen. Wir müssen auch hier das Entsprechende tun.
Aber nun zu Ihnen, Herr K ü h n. Ich nehme an, bis jetzt waren Sie leidlich mit mir einverstanden. Alles, was ich sagte, gilt sowohl für ein privatwirtschaftliches wie für ein gemischtwirtschaftliches und für ein öffentlich-rechtliches Fernsehen. Sie werfen unserem Antrag vor, er sei etwas konfus. Sie sollten sich daraufhin einmal Ihre Große Anfrage durchsehen. Der Minister war schon genötigt, mit der Frage 2 anzufangen. Wenn er die Frage 1 zuerst beantwortet hätte, wären die Fragen 2 und 3 überflüssig geworden. Die Frage 5 haben Sie - Ihrem Namen alle Ehre machend - kühn übergangen.
Ich möchte betonen, daß nach meiner Meinung - im Gegensatz zu Ihrem Punkt 2 - Körperschaften des öffentlichen Rechts dann, wenn sie Werbung gegen Entgelt betreiben, sich durch nichts von privatwirtschaftlichen oder gemischtwirtschaftlichen Unternehmungen unterscheiden. Vielleicht kann man sogar sagen, daß, wenn eine Körperschaft des öffentlichen Rechts so etwas tut, das weitaus gefährlicher ist, weil sie von Hause aus viel mächtiger ist. Sie ist mit viel höheren und weiteren Rechten als eine private Gesellschaft ausgestattet.
Aber nun zum Punkt 5. Ich meine, wir sollten diesen Punkt etwas intensiver behandeln; er ist bisher zu kurz gekommen. Man sollte den Dank dafür aussprechen, daß hier Bemühungen vorliegen, auf die Kleineren und Mittleren - wir sagen Mittelständler, Sie sagen Mittelschichten - Rücksicht zu nehmen. Ich sagte schon, daß das Werbefernsehen keineswegs nur bei den Privaten gefährlich ist; das ist genauso bei den Körperschaften des öffentlichen Rechts der Fall. Denn wer Kunden hat, ist von diesen Kunden abhängig. Sie könnten mir entgegenhalten: Dann ist es bei der Presse auch so. Ich bin keineswegs der Meinung, daß das, was wir in den Inseratenplantagen vor uns haben, ungefährlich ist.
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Aber durch die Vielzahl der Zeitungen ist es immerhin möglich, die Meinungen zum Zuge kommen zu lassen.
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- Ich habe gesagt, daß auch das, was wir in den Zeitungsanzeigen vor uns haben, nicht ganz ungefährlich ist. Ich verhehle das gar nicht, füge aber hinzu, daß es doch etwas völlig anderes ist. Weil wir eine Vielzahl von Zeitungen haben, gleicht sich das wieder aus. Ich komme Ihnen gern entgegen. Sie hätten nur meine Ausführungen bis zum Ende abwarten sollen; dann wäre nach meiner Meinung Ihr Zwischenruf nicht notwendig geworden. Aber bei dem Fernsehen ist es etwas völlig anderes. Hier handelt es sich entweder um eine Anstalt oder allenfalls um zwei Anstalten.
Ich darf noch auf einen anderen Gesichtspunkt hinweisen. Ich halte es für eine sehr schlechte Rechtsentwicklung in Deutschland, daß bei uns die öffentlich-rechtlichen Anstalten wirtschaftlich tätig werden können. Wir haben früher bei der Investitionshilfe und im Zusammenhang mit den Regiebetrieben schon einmal darüber gesprochen. Es muß auch hier und heute wieder daran erinnert werden. Ebenso schlecht ist es, daß wir z. B. sogenannte Hoheitsaufgaben des Staates durch Gesellschaften mit beschränkter Haftung durchführen lassen, wie das z. B. bei der Emsland-GmbH der Fall ist. Ich bin nicht in der Lage, Ihnen dazu eine ausführliche Darstellung zu geben. Ich bin auf juristischem Gebiet ein Laie. Ich bitte Sie nur, mir diese Darstellung nicht gleich als „gesundes Volksempfinden" auszulegen. Ich halte es für unsere Entwicklung nicht für zuträglich, daß sich öffentlich-rechtliche Anstalten wirtschaftlich betätigen.
Der Rundfunk bekommt für seine Rundfunktätigkeit Gebühren. Wenn er jetzt zusätzlich Werbung
betreiben will, dann muß man sich doch fragen, ob nicht wenigstens die Möglichkeit besteht, ihm die Entgelte, die er für das Werbefernsehen erhält, freundlich in Abzug zu bringen. Natürlich sagt man, das dürfe nicht geschehen, denn das Geld werde ja für kulturelle Zwecke aufgewendet. Ich gehe also nicht so weit, daß ich sage, daß der Zweck die Mittel heiligen könnte.
Ich fasse zusammen. Wir sollten ein generelles Verbot des Werbefernsehens überlegen, indem man den Körperschaften des öffentlichen Rechts untersagt, unmittelbar oder mittelbar Werbung für fremde Rechnung zu betreiben. Es gibt auch einen zweiten Weg. Man könnte dem UWG in § 1 einen zweiten Absatz anfügen und etwa sagen: „Als unlauter gelten auch solche Werbemethoden, die durch ihre Wirkung, sei es auch nur örtlich oder zeitlich beschränkt, in den Bestand des Wettbewerbs als solchen fühlbar eingreifen." Nun wird man uns entgegenhalten, das geht nicht, weil unsere Nachbarländer Werbefunk haben; ich denke an Luxemburg .Aber wir dürfen nicht übersehen, daß zwar die Frequenzen keine Ländergrenzen kennen, daß die Frequenzen jedoch natürliche Grenzen haben. Ich meine, man muß hier beides aufeinander abstimmen.
Wenn ein generelles Verbot nicht möglich sein sollte, was ich sehr bedauern würde, müßten wir eben einen andern Weg suchen. Dann müßten wir beispielsweise bei den Frequenzzuteilungen bestimmte Auflagen machen oder aber bei der Gebührenverrechnung so verfahren, daß kein Anreiz
mehr besteht, die Werbung ins Fernsehen zu übernehmen.
Ich bin sicher, daß die Mehrheit der Hörer und Seher, die hier ja immer wieder als diejenigen angesprochen worden sind, die nicht zum Sprechen kommen, unserer Meinung sein werden. Wir müssen dafür sorgen, daß es einen anspornenden Wettbewerb in Funk und Fernsehen gibt. Aber wir sollten ebenfalls dafür sorgen, daß die Funk- und Fernsehprogramme von geschäftlicher Werbung freigehalten werden können.
Um diese Probleme unbefangen und ohne jeden Druck von außen behandeln zu können, erscheint es mir notwendig, daß alle geschaffenen Tatsachen rückgängig gemacht werden. Ich bitte darum, die Gesichtspunkte, die ich Ihnen - ich sagte es ja schon - als ein auf diesem Gebiet Unbefangener, als Hörer mitgeteilt habe, bei der Beratung im Ausschuß freundlichst berücksichtigen zu wollen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Görgen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Blachstein hat ausgeführt, die SPD müsse den Antrag der CDU/CSU-Fraktion ablehnen, weil er unklar sei. Ich glaube, die Diskussion des heutigen Tages hat ergeben, daß diese Unklarheit nicht etwa in unserem Antrag liegt oder gar von uns, soweit sie vorhanden ist, gewollt war, sondern in der rundfunkpolitischen Lage der Bundesrepublik zu suchen ist. Wir haben es doch heute morgen erleben können, daß hier über wesentliche Vorstellungen des Grundgesetzes, über Funkhoheit, über die Kulturhoheit der Länder, diskutiert wurde und daß sich die Gelehrten keineswegs darüber klar waren, inwieweit unser Thema von der Sicht dieser Begriffe her klar und eindeutig bearbeitet oder gar gelöst werden könnte. Dazu kommt noch, daß nicht nur Unklarheiten in sich bestehen, sondern daß auch verschiedene Auffassungen zutage getreten sind, und Sie werden sicherlich bemerkt haben, daß auch innerhalb der CDU/CSU-Fraktion über dieses Thema zweifelsohne noch häufig wird gesprochen werden müssen. Sie werden aber nicht annehmen, daß die CSU-Fraktion eine Behauptung, die von der Tribüne dieses Hauses ausgesprochen wird, wonach dieses Problem mit der Kulturhoheit der Länder nichts zu tun habe, ohne weiteres hinnimmt.
Darüber hinaus hat die Diskussion ein durchaus erfreuliches Endergebnis gezeitigt. In wesentlichen Fragen herrschte Klarheit, und Opposition und Regierung waren sich darüber einig.
Zunächst besteht Einigkeit darüber, daß hier ein Rechtswirrwarr besteht, der, wie es unser Antrag besagt, beseitigt werden muß durch eine Gesetzgebung, die klare Kompetenzen herbeiführt. Weil es diese klaren Kompetenzen nicht gibt, haben wir heute morgen die Diskussion geführt; denn wenn es sie gäbe, wären sowohl die Große Anfrage der SPD wie auch unser Antrag überhaupt überflüssig. Es ist also Klarheit darüber herbeigeführt worden, daß ein Rechtswirrwarr besteht, der durch eine klare Abgrenzung der Kompetenzen beseitigt werden muß.
Zweitens bestand Einmütigkeit darüber, daß sich das Haus absolut gegen jeden Versuch wendet, ein Meinungsmonopol zu schaffen,
({0})
das eine politische Einseitigkeit sowohl im kulturellen Programm des Rundfunks als auch besonders in der Kommentierung und der Berichterstattung herbeiführen würde. Niemand in diesem Hause hat dem politischen Meinungsmonopol das Wort geredet und insbesondere wäre es eine falsche Unterstellung, wenn man annehmen wollte, daß die angeblichen Unklarheiten des CDU/CSU-Antrags etwa etwas damit zu tun hätten, daß sich hinter diesem Antrag der Versuch der CDU/CSU verberge, nun auf privatwirtschaftlichem Wege eine Art von politischem Meinungsmonopol zu schaffen.
Dritteis bestand auch Einigkeit darüber, daß alle Beteiligten an der Diskussion sich darüber klar waren, daß das Niveau der Programme, d. h. der augenblicklichen Rundfunkprogramme, zu Beanstandungen Anlaß gibt und daß dieses Niveau zu heben ist; ob nun durch Wettbewerb oder durch anderweitige organisatorische Maßnahmen, blieb durchaus offen.
Das vierte, worüber man sich einig war - ich möchte das namens der CDU/CSU-Fraktion besonders stark betonen -, ist, daß nicht auf diesem
Wege der Versuch gemacht werden sollte oder gar könnte, die, wie es hieß, sogenannte Kulturhoheit der Länder - ich möchte dieses „sogenannte" ruhig weglassen - anzutasten. Vielmehr soll uns diese Diskussion dazu bringen, die Kulturhoheit schärfer und klarer zu definieren; denn es hat sich ja erwiesen, daß auf diesem Gebiet die klaren Definitionen fehlen.
Fünftens bestand Übereinstimmung darin, daß die Regierung und die Opposition gewisse Gefahren des privaten Fernsehens aufgezeigt haben. Ich darf Ihnen von saarländischer Erfahrung her berichten, daß diese Gefahren wirklich nicht zu unterschätzen sind. Sie bestehen sicherlich darin, daß das private Fernsehen eine gewaltige Finanzmacht schafft, die dann von sich aus einen Einfluß auf die Gestaltung des Programms ausübt, eine Einwirkung, die nur sehr schwer rückgängig gemacht werden kann. Noch vor wenigen Tagen hat anläßlich einer Haushaltsdebatte im saarländischen Landtag der Kultusminister sich genötigt gesehen, gegen die Morgenprogramme des privaten Werbefunks energisch Protest zu erheben, weil diese mit sehr erotisierenden Schlagern ausgefüllt sind. Sie werden gerade zu einer Zeit gesendet, da sich die Familie am Kaffeetisch befindet, die Kinder angezogen werden und in die Schule geschickt werden sollen. Wir haben eine ganze Reihe von weiteren Gründen vorzubringen und wir sehen die Gefahren des Werbefernsehens durchaus. Wir sehen insbesondere auch, daß, wie Herr Kollege Schmücker hier ausgeführt hat, der Mittelstand durch die Vergabe öffentlicher Gelder an andere ganz eindeutig benachteiligt werden würde. Ich glaube, der Vergleich mit einer Illustrierten, in der auch ein Mittelständler inserieren könne, stimmt nicht, und zwar deswegen nicht, weil die Illustrierte ein reines Privatunternehmen ist, während hier mit Hilfe des Staates ein Organ geschaffen werden soll, in dem eindeutig nur Großbetriebe werben könnten.
Als sechster Punkt: Es bestand doch Übereinstimmung darüber, daß die Bundesregierung zweifelsohne gewisse Informationspflichten auszuüben hat, daß sie außenpolitische und gesamtdeutsche Fragen nicht nur unter innenpolitischen Gesichtspunkten zu betrachten, sondern ihre Politik auch gegenüber der Welt, gegenüber den Nachbarstaaten und gegenüber den Deutschen, die im Ausland wohnen, zu verdeutlichen hat. Ich habe jahrelang in Südamerika gelebt. Glauben Sie mir, wir haben es dort immer sehr bedauert, daß man zwar alle möglichen Rundfunkstationen, aber kaum die Stimme der Bundesrepublik hören konnte. Es kann wohl kein Zweifel darüber bestehen, daß diese Art von Rundfunkarbeit, wenn sie mit den entsprechenden Vorsichtsmaßnahmen aufgebaut wird, zu den Rechten des Bundes gehört.
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-- Der Apparat steht, aber in technisch und programmatisch völlig unzureichender Weise.
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Die CDU/CSU hätte bei der Großen Anfrage der SPD viel weniger Unbehagen gespürt - verzeihen Sie diesen Ausdruck -, wenn sie den Eindruck gehabt hätte, daß diese Anfrage aus ganz reinem Herzen komme. Aber wenn wir die rundfunkpolitische Situation in der Bundesrepublik betrachten, müssen wir feststellen, daß sich hinter der Sorge der SPD durchaus auch der handgreifliche Wille verbirgt, erworbene und errungene Positionen auch weiterhin zu verteidigen.
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- Sie haben vorhin gesagt, Herr Blachstein, es sei um diese Positionen gar nicht so gut bestellt. Jetzt fragen Sie: Wozu sind wir denn hier? Doch nur um diese Positionen zu verteidigen!
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Am Schluß seiner Rede hat Herr Kollege Kühn den Ausdruck vom „Grab der Demokratie" an die Wand gezaubert. Ich glaube, wir sollten doch ein bißchen vorsichtig sein und nicht immer wieder vom Grab der Demokratie sprechen, wenn es sich um Meinungsverschiedenheiten handelt, die, wie wir sie sehen, zum großen Teil nicht programmatischer, sondern rein technischer, verfahrensrechtlicher Art sind. In Frankreich gibt es einen reinen Staatssendebetrieb, der von sozialistischen Regierungen aufgebaut wurde. Sie werden doch nicht behaupten wollen, daß die nun seit vielen Jahren betriebenen „sozialistischen" Staatssender die Demokratie ins Grab gebracht haben! Vielleicht wäre es richtig, von einem „Grab der Demokratie" zu sprechen, wenn die Bundesregierung tatsächlich ein Meinungsmonopol besäße. Aber die Bundesregierung hat doch gar kein solches Meinungsmonopol, sondern sie bemüht sich lediglich, innerhalb ihres Pflichtenkreises endlich einmal zu Wort zu kommen.
Man hat hier behauptet, es gebe heute kaum noch Publizisten, die es wagten, vor dem Mikrophon zu sprechen. Meine Damen und Herren, da muß ich doch fragen: Warum denn? Doch offenbar deswegen, weil sie mit den Länderregierungen, die doch den Einfluß auf die Mikrophone ausüben, zu rechnen haben, weil sie vor diesen Angst haben, nicht aber vor einem Druck der Bundesregierung, der gar nicht besteht. Das „Grab der Demokratie" werden wir dann schaufeln, wenn wir immer wieder davon reden, so wie in der Fabel der junge Bauer immer gerufen hat: Der Wolf kommt, der Wolf kommt! Als er dann endlich kam, war niemand da, ihm zu helfen. Wir sollten in so rein technischen und normalen Auseinandersetzungen, wie sie sich heute abgespielt haben, nicht zu so gewaltigen und tönenden Worten greifen und vom „Grab der Demokratie" sprechen. Wir sollten vielmehr daran denken, daß gewisse Gemeinsamkeiten tatsächlich bestehen, und wenn dies der Fall ist, müßte es doch möglich sein, in der Bundesrepublik zu einer gemeinsamen, fruchtbaren Arbeit auch auf dem Gebiete des Rundfunkwesens zu gelangen.
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Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. - Ich habe mich geirrt. Das Wort hat der Abgeordnete Kühn.
Ich hätte mich nicht wieder zum Wort gemeldet, wenn nicht die Ausführungen des Herrn Innenministers noch einer Antwort bedürften. Ich glaube, nach diesen seinen Erklärungen wird er selber nicht damit gerechnet haben, daß sie unwidersprochen bleiben. Wir haben heute angesichts der vorgerückten Zeit keine Veranlassung, all die Sach- und Fachfragen, die angerührt worden sind, hier zu diskutieren. Die eingehende Beratung im Ausschuß wird uns dazu Gelegenheit geben.
Aber ein ganz kurzes Wort. Ich bin von dem Kollegen Schmücker gewissermaßen an ein eigenes Versäumnis gemahnt worden. Zur Frage 5, der Frage nämlich, welche Rückwirkungen auf die Mittelschicht unseres Volkes ein solches Werbefernsehen haben würde, vor allen Dingen wenn es von den großindustriellen Privatgruppen getragen wird, hätte ich nicht mehr sagen können, als was mein Freund Blachstein nachher nachgetragen hat. Ich unterschreibe vollinhaltlich, was Dr. Oeckel, der Leiter der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit des Deutschen Industrie- und Handelstages, zu den großen Besorgnissen gesagt hat, die hier für die wirtschaftenden Mittelschichten unseres Volkes vorhanden sind, wenn eine Werbefernsehminute 12 000 DM kosten soll.
Aber wer ist denn dazu übergegangen, halbvollendete Tatsachen zu schaffen? Die Bundesregierung, die immer wieder ihre bestimmten Vorstellungen, die sie irgendwo in sich trägt, auch heute hier zu Markte getragen hat, hätte eindeutig zu einem früheren Zeitpunkt, als hinter den Kulissen gekungelt wurde, erklären können: Wie werden nie unsere Hand zur Förderung des Werbefernsehens hergeben. Ich glaube, die Anstalten hätten dann nicht den Schritt der Notwehr unternommen.
({0})
Ich zitiere das „Sonntagsblatt" von Bischof Lilje, der das folgende geschrieben hat:
Warum soll, wenn es denn schon nicht anders geht, die Wirtschaftswerbung denn nicht auch im öffentlichen Fernsehen möglich sein?
Wir haben es bereits in 23 Ländern draußen in der Welt. Wir sind dem starken Druck ausgesetzt, daß hier der werbenden Wirtschaft eine Werbemöglichkeit nicht vorenthalten werden darf. Wenn die Dinge durch eine sehr, nun, sagen wir es gelinde: zwielichtige Haltung der Organe der Bundesregierung auf uns zukamen, dann war es eine Notwendigkeit, zu sagen: Wenn schon, dann liegt bei den öffentlich-rechtlichen Anstalten, die eine letztlich demokratische Verantwortung und Legitimation haben, ein Höchstmaß an Möglichkeiten vor, Mißbrauch der Großwirtschaft den Kleinen gegenüber zu verhindern.
Ich möchte noch eine Sache, die bei Ihnen ganz gewiß sehr unpopulär ist, nicht unwidersprochen hier im Raume stehen lassen. Der Sprecher der CDU hat einer Sendung, die im deutschen Fernsehen über den Bildschirm gegangen ist, eine
Charakterisierung erteilt, die ich für völlig ungerechtfertigt halte.
({1})
Der Film „Besuch aus der Zone" - ich bekenne es hier offen - ist meines Erachtens eine gute Sendung gewesen.
({2})
Meine Damen und Herren, die Auseinandersetzung zwischen West und Ost kann nicht so geführt werden, daß man gewissermaßen ständig mit der ideologischen Waffe des kalten Krieges, ich möchte fast sagen, rundfunkpublizistisch das in die Wirklichkeit umzusetzen versucht, was ihr Kollege Manteuffel-Szoege neulich gesagt hat: das Böse auch mit der Atombombe auszurotten. Man kann die geistige Auseinandersetzung nicht so betreiben, als gäbe es
um ein anderes Wort aus Ihren Reihen zu zitieren - im Westen nur Gentlemen und im Osten nur Banditen. Was hat sich denn in diesem Film ereignet? Ein einziger Kommunist tritt dort auf und setzt sich durch sein menschlich ordentliches Verhalten in Gegensatz zu seiner Partei. Auf der anderen Seite steht ein Privatunternehmer der Zone, der auf Besuch in den Westen kommt und die Möglichkeit hat, dort eine sehr gut dotierte Position zu bekommen. Dieser Mann gerät in einen Gewissenskonflikt, weil er einen Telefonanruf bekommt: „Wenn du nicht zurückkehrst, geht dein Unternehmen hier zugrunde, und du weißt, Hunderte von Menschen hängen daran." In diesem Gewissenskonflikt wählt er den Weg zurück. Der einzige Schönheitsfehler, den Sie daran aussetzen können, ist, daß sich hier auch einmal gegen seinen stalinistischkommunistischen Ulbricht-Apparat ein Kommunist aus menschlich anständigem Begehren in Gegensatz setzt. Ich bin nicht der Meinung, daß die Auseinandersetzung zwischen West und Ost in einer solchen Schwarzweißmalerei geführt werden kann, wie das offensichtlich hier erwartet wird.
({3}) Ich halte diese Sendung für gut.
Von demselben Sprecher und anderen ist mehrfach die Deutsche Welle kritisiert worden. Ich weiß nicht, ob die Sprecher aus totaler Unkenntnis der Materie geredet haben oder ob sie unbedingt Angriffspunkte konstruieren wollen. Lassen Sie mich doch kurz Tatsachen über die Deutsche Welle anführen. In den vier Jahren, die jetzt Anfang Mai zu Ende gehen, in denen die Deutsche Welle als Rundfunkanstalt, die nach Übersee in das deutsch sprechende Ausland hinausfunkt, existiert, hat es noch kein einziges Mal eine Beanstandung seitens der Bundesregierung gegeben, die in dem dreiköpfigen Beirat durch Herrn von Eckhardt, den Chef des Bundespresse- und. Informationsamtes, vertreten ist. Nicht ein einziges Mal eine Beanstandung! Im Gegenteil, Herr Außenminister von Brentano hat nach einer Auslandreise die Deutsche Welle wissen lassen, daß er sehr froh über ihre Wirkung in der deutschsprachigen Welt draußen sei. In ähnlicher Form hat sich der Herr Bundeswirtschaftsminister geäußert, und der Herr BundesKühn ({4})
tagspräsident hat neulich in einer Anregung, die ich für sehr wertvoll halte, gesagt, man solle den fremdsprachlichen Sendeteil auch auf asiatische Sprachen ausdehnen. Ich glaube, informiert zu sein, daß er vorgeschlagen hat, auch Arabisch und Hindu zu senden, eine Sache, die angesichts der wachsenden Bedeutung dieser Gebiete ohne Zweifel von der Deutschen Welle ernsthaft in Erwägung gezogen werden sollte. Mit dem, was die Deutsche Welle bisher in ihrem fremdsprachlichen Dienst geleistet hat, hat sie mehr geleistet, als in den ursprünglichen Plänen vorgesehen war. 25 Millionen DM haben die deutschen Rundfunkanstalten in dieses Institut investiert, und als unlängst einige Herren des Auswärtigen Amtes sich die Sendeanlagen angesehen haben, waren sie erstaunt darüber, daß dies alles geschehen ist, ohne auch nur in irgendeiner Weise den Bund haushaltsmäßig dabei in Anspruch zu nehmen.
Ich halte es einfach nicht für fair, gegen die Deutsche Welle Stellung zu nehmen, in der wir Sozialdemokraten keinerlei Position haben, meine Damen und Herren, wo wir nichts Parteipolitisches zu verteidigen haben, wo, wenn wir die Aufrechnung machten, sie sehr viel anders aussähe, als sich manch einer in seiner Phantasie vorstellt. Ich halte es für unfair, hier einfach frei weg über Leistungen zu sprechen, die auch von Ihren darüber unterrichteten Leuten als durchaus anerkennenswert bezeichnet worden sind.
Aber was mich auf die 'Tribüne gerufen hat, ist der Herr Innenminister. Er hat erklärt, wir hätten von unserer Seite indirekt für die Rundfunkanstalten gesprochen, und hat es so dargestellt, als wären diese Anstalten nur durch Sozialdemokraten vertreten. Dem Herrn Minister, dem schlecht informierten und besser zu informierenden Herrn Minister, könnte ich eine lange Liste von CDU-Parlamentariern zur Verfügung stellen, die, wenn mich meine Erinnerung und meine Kenntnis nicht trügt, länger ist als die von SPD-Abgeordneten, die in irgendwelchen Aufsichtsgremien der Rundfunkanstalten tätig sind. Ich glaube, es steht einem Verfassungsminister übel an, diesen Tatbestand zu kritisieren.
({5})
Denn er sollte sich der Tatsache bewußt sein, daß in Art. 21 des Grundgesetzes den Parteien eine Funktion zugesprochen worden ist, die ihre Mitwirkung in der Offentlichkeit durchaus legitimiert. Und wenn er weiß - und er weiß es - daß nach dem Gesetz über den Westdeutschen Rundfunk von 21 Beiratsmitgliedern nur vier Parlamentarier sein dürfen, so ist es einfach nicht recht und nicht gerecht, in einer solchen Weise hier zu sprechen, wie er es getan hat. Zudem befindet sich seine Kartei in einer gelinden Unordnung, wenn er den Vorsitz des Kuratoriums des Nord- und Westdeutschen Rundfunkverbandes meinem Freund Blachstein zugesprochen hat. Der Vorsitz befindet sich in den Händen eines CDU-Abgeordneten, Herr Innenminister.
({6})
Der Herr Innenminister scheint Bedenken zu haben, wenn Abgeordnete in solchen Gremien sitzen. Als es sich aber darum handelte, die Vertretung des Bundes in der Langwelle zu fixieren, hat er es für richtig und vertretbar gehalten, daß drei Staatssekretäre darin sitzen, nicht aber das Abgeordnetenhaus dort vertreten ist.
({7})
Seine Bedenken gegen Staatssekretäre reduzieren sich dann auf Null.
Der Herr Innenminister hat noch etwas gesagt, was nicht unwidersprochen im Raum stehenbleiben darf. Er hat gesagt, Machtgesichtspunkte seien von der sozialdemokratischen Seite vertreten worden. Herr Minister, ich glaube, Sie können sich solche zwielichtigen Unterstellungen ersparen. Dieser Herr Innenminister sollte nicht so tun, als habe es keinen Instinkt für Macht. Wenn Sie uns dies weiszumachen versuchen wollen, sind Sie, gelinde gesprochen, ein Spaßvogel, Herr Minister.
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Das glauben Sie doch selber nicht. Sie werden nicht verbergen können, in welchem Ausmaß Sie Machtpolitik betreiben, auch wenn Sie sich der harmlosesten Verkleidungen hier auf der Tribüne bedienen.
Nun ist gegen das Fernsehen ein Vorwurf erhoben worden; ich glaube, es war, wenn ich recht informiert bin, der ehemalige Generaldirektor des Senders von Herrn Johannes Hoffmann, der diesen Vorwurf hier erhoben hat.
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Ich möchte jedenfalls feststellen: im Fernsehen besitzt die Sozialdemokratische Partei nirgendwo einen Vertreter in einer leitenden Funktion. Sie müßten mir den noch nennen, der als Sozialdemokrat in einer leitenden Funktion beim Fernsehen untergebracht wäre. Ich beanstande das hier gar nicht, ich habe es nicht kritisiert. Aber tun Sie doch nicht immer so, als wäre die Sozialdemokratische Partei diejenige, die durch ihre Leute draußen die Rundfunkanstalten und das Fernsehen dirigiert.
Nun zu dem, was Herr Euler gesagt hat. Ich muß ihm die Windmühlen nehmen, die er attackiert hat.
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Ich habe nicht gesagt, das Monopol schütze das Niveau. Ich habe nur gesagt, das Niveau müsse, wenn es ein privates, aus privatwirtschaftlichen Spekulationen betriebenes Fernsehen gebe, sinken. Ich habe auch gar nichts gegen einen Wettbewerb im Fernsehen. Ich glaube, er existiert schon. Es ist doch von einigen Ihrer Sprecher darauf hingewiesen worden - ich glaube, es war sogar Herr Euler, der von dem partiellen Monopol gesprochen hat -, daß es zwischen den Rundfunkanstalten einen sehr ernsten Wettbewerb gibt. Glauben Sie doch nicht, daß das alles so harmonisch wäre! Ein Intendant versucht in seiner Anstalt bessere Sendespiele auf die Beine zu stellen als der andere. Wenn der eine
722 Deutscher Bundestag --- 3. Wahlperiode Kühn ({11})
irgendwie eine Quizsendung gemacht hat, versucht es der andere auch. Wir haben diese Versuche doch immer wieder erlebt! Hier haben wir doch einen Wettbewerb!
Mein Freund Blachstein hat darauf hingewiesen, wo letzten Endes die Crux liegt: wir sind ein doppelt amputiertes Volk, wenn Sie hier so wollen. Die anderen haben das große menschliche Reservoir, aus dem sie schöpfen können. Die Engländer haben das angelsächsische Reservoir. Das französische Volk hat die ausgesprochen mimische Begabung und die Begabung für die Conférence und damit ein menschlich größeres Reservoir als wir. Wir haben nur das halbe Deutschland zu unserer Verfügung und auch dies noch nach dem Aderlaß, den das Dritte Reich den geistigen Schichten unseres Volkes bereitet hat. Wir kennen das doch nicht nur auf dem Gebiete des Rundfunks. Wir kennen es auf dem Gebiete des Films und in vielen anderen Bereichen.
Nun ist von den CSU- und CDU-Sprechern immer wieder gesagt worden, es müsse etwas anderes geschaffen werden. Etwas anderes! Alle Reden, die uns hier aus den Kreisen der Koalition gehalten worden sind, haben es nicht vermocht, dieses „etwas" zu substantiieren. Wie denken Sie sich denn die Sache? Der Herr Bundespostminister hat gesagt: Wenn die technischen Voraussetzungen geklärt sind! Er ist meinem Freunde Blachstein die Antwort auf dessen konkrete Frage schuldig geblieben, ob er sich denn bereit erkläre, den Rundfunkanstalten des öffentlichen Rechts die Frequenzen zur Verfügung zu stellen, die es ihnen gestatten würden, ein zweites Programm auszustrahlen. Er hat von den technischen Schwierigkeiten gesprochen und sich dahinter verschanzt. Er hat aber doch gesagt: Bestimmte Vorstellungen sind da! - Nun, wenn die technischen Voraussetzungen noch nicht klar sind, dann sollte die Regierung dem Hause zumindest ihre politischen Absichten darlegen. Diese politischen Absichten sind uns heute nicht mitgeteilt worden. Auch der Herr Bundesinnenminister hat gesagt, es komme darauf an, einen sorgfältig geregelten Anstaltscharakter zu finden. Nun, ein bißchen mehr Offenheit in bezug auf die Sorgfältigkeit dieser Regelung wäre mir sehr lieb gewesen.
Herr Dr. Schmidt hat als erster Sprecher der CDU gesagt, unsere Anfrage habe die Meinungsbildung in der Koalition beschleunigt. Nun, das war immerhin eine verdienstvolle Wirkung unserer Großen Anfrage. Denn bis dahin sah es sehr deutlich danach aus, als wollten Sie die Regelung dieser Frage den einsamen Beschlüssen des Kanzlers und dessen Verwaltungsakten überlassen.
Über allen Ausführungen hat bei Ihnen das Motto gestanden: Die Rundfunkanstalten nicht! Man muß dem Bund geben, was des Bundes ist! Aber was ist denn des Bundes? Was ist denn konkret zu fordern gewesen? Die Uneinsichtigkeit der Rundfunkanstalten ist kritisiert worden. Was ist konkret auszusetzen? Was fordert die Bundesregierung konkret? Was haben ihr die Anstalten verweigert?
Es wurde gesagt, die politische Entwicklung sei weitergegangen. Zwei Beispiele wurden erwähnt. In die Sowjetzone und in die Welt gelte es zu wirken. Was für das Wirken in die Welt an technischen und programmatischen Möglichkeiten vorhanden sein muß, habe ich soeben im Zusammenhang mit der Deutschen Welle aufgezeigt. Über ihre Verbesserung wird sich immer reden lassen. Die Bundesregierung hat hier einen ungewöhnlich großen Einfluß. Hier kann vieles mehr geschehen.
Wirkung in die Sowjetzone! Meine Damen und Herren, wer hat denn in diesem Hause die Anträge auf Errichtung einer Deutschen Langwelle gestellt? Woran ist sie denn gescheiert? An vielen Dingen, nicht zuletzt aber doch an der sehr zögernden und letzten Endes sogar torpedierenden Beeinflussung durch die Bundesregierung, als wir die Forderung stellten, der Sitz der Deutschen Langwelle solle Berlin sein.
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Bei der Diskussion über die Frage, wie die innere Ordnung der Deutschen Langwelle aussehen solle, hat sich doch gezeigt, was die Bundesregierung in Wirklichkeit anstrebt. Wir haben es doch erlebt, mit welcher Leidenschaft der Herr Innenminister und die Seinen hier dagegen gekämpft haben, als wir die Forderung stellten, daß zumindest auch der Bundestag dabei vertreten sein solle und daß nach d'Hondt neben der Regierung ein Vertreter der Koalition und ein Vertreter der Opposition dieses Hauses sitzen sollten. Wenn wir daran denken, mit einem solchen Sender eine gesamtdeutsche Aufgabe zu erfüllen, dann müssen wir auch die Gesamtheit unserer Nation, vertreten in den beiden Seiten dieses Hauses, dabei zur Mitwirkung bringen, und dann dürfen wir diesen Sender nicht zu einem Instrument der Koalition und zu einem Regierungssender machen; denn ein solcher könnte ja nie die nationalpolitische Aufgabe erfüllen, 'die ein solcher Sender erfüllen müßte.
Die Diskussion insgesamt war von Ihnen aus, meine Damen und Herren, ein bißchen die Diskussion des Nebelablassens. Ich verstehe das. Wer sorgfältig auf Ihre Diskussionsreden gehört hat, weiß und hat es nicht nur gespürt, sondern wörtlich hören können, wie groß die Gegensätze in Ihrem eigenen Lager sind. So ist auch diese Verkleisterung und Vernebelung in den Formulierungen zu erklären. Wir werden es im Ausschuß. glaube ich, leicht haben, diese Vernebelungen zu zerreißen.
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Das Wort hat der Bundesminister des Innern.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will mich mit Rücksicht auf die nahende Mittagszeit möglichst kurz fassen.
Der Herr Kollege Kühn hat seine die Große Anfrage begründenden Ausführungen auf der Basis der Verteidigung des Status quo gemacht.
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Ich glaube, das muß man doch wohl ganz eindeutig feststellen. Wenn er glaubte, der Bundesregierung eine zwielichtige Haltung vorwerfen zu können, so muß ich das zurückweisen.
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- Eine zwielichtige Haltung, haben Sie gesagt. Ich habe mir das gerade notiert, und ich muß das eindeutig zurückweisen. Die Erklärung der Bundesregierung ist völlig eindeutig.
Sie haben dann Gelegenheit genommen, den Fernsehfilm „Besuch aus der Zone" gegenüber den Angriffen des Kollegen Dr. Zimmermann zu verteidigen, die ich für völlig gerechtfertigt halte. Ich habe dieses Stück nicht ganz gesehen. Ich habe seine Einleitung gesehen. Ihm wurde eine besondere Prominenz dadurch verliehen, daß der aus Ihren Reihen stammende Intendant es mit einem eingehenden Vorspann versah. Ich teile die absolut negative Meinung über dieses Fernsehspiel, die der Kollege Zimmermann hier vorgetragen hat. Ich schlage vor, meine Damen und Herren, daß sich der Ausschuß, der sich ja mit der Sache beschäftigen wird, diesen Film einmal vorspielen läßt.
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Er wird ja wohl aus den Archiven wieder herauszuholen sein. Da finden sich dann solche Bemerkungen wie die, daß freie Wirtschaft zwar für die Großen gut ist, aber nicht für uns. Das rote Zugschlußlicht geht dann ab in die Sowjetzone, um die
Zuschauer ja nicht darüber im Zweifel zu lassen, in welchem der beiden Teile Deutschlands das Leben nach Ansicht des Autors gegenwärtig lebenswert ist.
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- Ich darf doch meine Meinung hier genauso vortragen, wie Sie Ihre Meinung.
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- Ach, Herr Kollege Schröter, so schnell sehe ich nicht rot,
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obwohl ich durch Sie in den acht Jahren daran gewöhnt worden bin. Aber so leicht sehe ich nicht rot.
Ich glaube, ich habe einen ganz fairen Vorschlag gemacht.
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Ich unterstütze die Meinung, die der Kollege Dr. Zimmermann hat. Sie haben eine andere Meinung. Ich habe vorgeschlagen, der ganze Ausschuß solle es sich ansehen.
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- Dann ist also keine Aufregung nötig. Ich wollte hier jedenfalls meine Meinung festgehalten haben. Das ist mein gutes Recht. Und ich bitte, mich dabei
doch nicht gleich zu attackieren. Ich selbst bin wesentlich toleranter, als ich von der anderen Seite des Hauses behandelt werde.
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- Meine verehrten Kollegen, leider läßt sich die Toleranz nicht in derselben Weise prüfen, wie ich es gerade in Form einer Ausschußüberprüfung vorgeschlagen habe. Aber erlauben Sie mir doch die Meinung, daß ich wirklich eine tolerante Auffassung habe.
Der Kollege Kühn, der ja, wie ich schon immer gesagt habe, eine viel tiefergehende Kenntnis der Personalien des Rundfunks hat, hat die Meinung ausgesprochen, meine Kartei sei nicht ganz in Ordnung. Ich bin für alle Beiträge zu meiner Kartei durchaus dankbar. Ich hoffe, daß nicht etwa der Kollege Blachstein, den ich dort noch reichlich verzeichnet habe, aus allen Gremien ausgeschieden ist; das würde mir in der Tat leid tun. Um Herrn Kollegen Zoglmann habe ich meine Kartei bereichern können. Ich habe gesagt, daß die Anstalten hier im Hause sehr gut präsent sind, nämlich durch prominenteste Sprecher.
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- Herr Kollege Blachstein, Sie haben leider den Fehler begangen - Sie werden mir erlauben, Ihnen das zu sagen -, etwas zu bemerken, was mich zu diesen Ausführungen gebracht hat. Sie haben gesagt - vielleicht haben Sie inzwischen schon das Stenogramm Ihrer Rede -: Wir haben mit der Einführung des Werbefernsehens lange gewartet. Und das meinten Sie doch wohl nicht als Mitglied der sozialdemokratischen Fraktion.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Minister?
Bitte sehr.
Herr Bundesminister, haben Sie beim Zuhören nicht bemerkt, daß diese Äußerung von mir auf einen Zuruf aus diesem Hause hin erfolgt ist?
Herr Blachstein, das ist wirklich Ihr persönliches Unglück gewesen, daß Sie diese Bemerkung gemacht haben. Aber Sie können mir nicht verwehren, wenn ich das, was - ({0})
- Gut, dann war es ein Glück. Dann erlauben Sie mir, daß ich den Punkt noch einmal genau klarstelle. Ich bin der Meinung, man täte gut daran, Anliegen, die Anliegen des ganzen möglichst unbefangenen Parlaments sein sollten, nicht durch hervorragende Sprecher der Anstalten selbst vertreten
zu lassen. Das ist meine Meinung, und ich glaube sie auf dem Boden des Grundgesetzes getrost haben zu dürfen.
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Herr Minister, es wird noch eine Zwischenfrage gewünscht.
Herr Bundesminister, ich wollte vorhin Ihren Redefluß nicht unterbrechen. Wenn Sie den Ausführungen ganz gefolgt sind, müssen Sie doch eigentlich den Eindruck haben, daß ich mich hier keineswegs als ein- Interpret der Auffassungen der Rundfunkanstalten vorgeführt habe, was die übrigen Herren Kollegen durchaus bestätigen können. Ich würde Ihnen also empfehlen, das Protokoll genau nachzulesen.
Ja, Herr Kollege, ich habe Ihre Ausführungen sehr sorgfältig gehört. Wie würde ich das nicht tun, wenn Sie in einer Debatte das Wort nehmen! Aber das ändert nichts daran, daß die Standpunkte in dieser Sache nach meiner Meinung möglichst von Damen und Herren aus dem Hause vertreten werden sollten, die das Problem mit jener Unbefangenheit ansehen, mit der es ein unbefangenes Haus und mit der es die unbefangene Regierung tut.
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Dann ist hier noch einmal an die Langwelle erinnert worden. Immer wenn ich das wieder höre, kommt mir jene Berliner Sitzung ins Gedächtnis, in der ich mich damals mit Rücksicht auf die besonderen Berliner Bedingungen sehr zurückhaltend ausgedrückt habe. Ich halte es für eine Tatsache, daß das, was wir auf diesem Gebiete redlicherweise gewollt und betrieben haben, sehr geschickt verhindert worden ist, und zwar aus mehr oder weniger - ja, wie soll ich diese Interessen bezeichnen? -, jedenfalls aus Interessen, die nicht der Förderung der Sache dienlich waren. Diejenigen, die diese Vorgänge etwas genauer kennen, werden das bestätigen. Aber das ist auch etwas, was sich vielleicht einmal einer ausführlicheren Darstellung im Ausschuß zugänglich erweisen wird.
Ich habe Sie, Herr Kollege Kühn, mit großem Bedacht bezüglich ihrer zugrunde liegenden Tendenz zitiert, Rundfunk und Fernsehen seien Machtinstrumente, um die gekämpft werde, offenbar zwischen den politischen Gruppen gekämpft werde.
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Wenn man die Politik etwas kennt und wenn man die grundsätzlichen Auffassungen kennt, die gerade in Ihren Kreisen über Machtpolitik gang und gäbe sind, stellt man fest, daß sie sich sehr eng mit der Personalpolitik verquickt, in einer Weise, die ich immer für ganz abträglich gehalten habe. Deswegen habe ich mit großem Vorbedacht ganz deutlich gesagt: das gilt ohne Rücksicht auf und
ohne Ansehen von politischen Gruppen, und ich tue niemandem wehe und etwas zuleide. Ich bin der festen Überzeugung, das sage ich seit Jahren, daß ein Parteienproporz gänzlich ungeeignet ist, für Unabhängigkeit und Neutralität Gewähr zu leisten. Das ist er seiner Natur nach nicht.
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Ich beziehe mich hier gerade auf ein Land, von dem doch viele von uns der Überzeugung sein werden, daß es sicher ein demokratisches Land mit einer sehr langen Erfahrung auf diesem Gebiete ist. Dort wird das Thema, was die Partei- und Personalpolitik angeht, völlig anders behandelt und, wie ich glaube, mit glänzendem Ergebnis. Die Parteien sollen sich in den Anstalten gar nicht engagieren. Die Parteien sollen gar nicht in die Lage kommen, die Anstalten etwa hier oder sonstwo vertreten zu müssen; sondern die Politiker gehören an die politische Arbeit, sie gehören nicht in die Leitung solcher Anstalten. Das ist ein Grundsatz, der vielleicht auf Ihrer Seite wenig Billigung findet, der vielleicht auch gar nicht einmal in allen anderen Reihen des Hauses geteilt wird. Aber glauben Sie mir: das ist ein Grundsatz, der mit unserer Verfassung, richtig aufgefaßt, in vollendetem Einklang steht.
Sie haben auf den Auftrag hingewiesen, den die Parteien im Grundgesetzt bekommen haben. Gerade um diesen Auftrag nicht zu gefährden, um die Parteien nicht in die Lage zu bringen, in der Wahrnehmung bestimmter Funktionen mit finanziellen Interessen belastet zu werden, halte ich es für richtig, daß man den Parteienproporz und die Beteiligung der Parteien an all diesen Gremien vermeidet. Ich berufe mich dafür auf ein, wie ich glaube, hervorragendes demokratisches Beispiel.
Sie haben mir eine Zensur erteilt hinsichtlich des, wie nannten Sie das so schön, Instinktes für die Macht, den Sie bei mir mit einem gewissen Kurswert einsetzen wollten. Um das Problem handelt es sich nicht, wie ich glaube vorher ausgeführt zu haben; hier handelt es sich um nichts weiter als dies: daß wir eine gute demokratische, tolerante und unabhängige Ordnung für Anstalten brauchen, die der Gesamtheit dienen sollen.
Wir sind nämlich der Überzeugung, Herr Kollege Kühn - und das wird Sie vielleicht wundern -, daß wir damit weitaus am besten fahren. Wir sind der Überzeugung - und ich glaube, daß dieses Problem die britische Regierung genauso sieht; wir haben ja vielleicht Gelegenheit, wenn der Besuch in Großbritannien stattfindet, uns darüber zu unterhalten -, mit unabhängigen Anstalten, die nicht die Komplikationen hervorrufen, mit denen wir leider sehr viel zu tun haben, fährt man besser, fährt aber nicht nur die Regierung besser, sondern fährt das ganze deutsche Volk besser.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Blachstein.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesinnenminister hat den Versuch gemacht, die beiden Sprecher der sozialdemokratischen Fraktion damit vor dem Hause abzuwerten, daß er erklärte, sie seien als Angehörige eines Aufsichtsgremiums oder zweier Aufsichtsgremien der Rundfunkanstalten in der Sache befangen.
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Ich muß sagen, es ist höchst eigenartig, den Versuch zu unternehmen, hier eine Debatte und die Redner einer Fraktion von seiten der Regierung abzuwerten, und ich möchte ihn zurückweisen. Wir in diesem Hause, in dem wir als Abgeordnete miteinander reden oder reden sollten, sind neben unserer Tätigkeit als Abgeordnete in einer ganzen Reihe von Organisationen und öffentlichen Einrichtungen tätig - die einen in Unternehmerverbänden, die anderen in Gewerkschaften, manche in Kirchen und manche in kulturellen, sozialen oder wirtschaftlichen Einrichtungen.
({1})
- Ja, natürlich auch diejenigen - wir haben sie gestern gehört -, die in der Grünen Front, in den Bauernverbänden eine öffentliche Funktion erfüllen. Mir scheint, es ist ein völlig legales Anliegen einer demokratischen Ordnung, daß Abgeordnete über ihre Tätigkeit in diesem Hause hinaus im öffentlichen Leben tätig sind. Ich wehre mich gegen einen solchen Versuch der Regierungsbank, ausgerechnet von dem Herrn Innenminister!
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Außerdem, meine Damen und Herren: die Kenntnisse, die man auf Grund der Mitarbeit in öffentlichen Einrichtungen bekommt, scheinen mir bisher den Debatten dieses Hauses nicht schädlich gewesen zu sein.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Kühn.
({0})
- Er verzichtet. Liegen weitere Wortmeldungen vor? - Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Aussprache. Ich habe den Eindruck, daß das Haus wünscht, den Antrag Umdruck 18 dem Ausschuß zu überweisen. Werden Vorschläge gemacht?
({1})
- Ausschuß für Kulturpolitik und Publizistik. Den Rechtsausschuß sollten wir zur Mitberatung einschalten.
({2})
- Das Verhältnis Bund und Länder ist angesprochen worden; es wäre also ganz gut, wenn der
Rechtsausschuß mit herangezogen würde.
({3})
- Wir haben ja den Grundsatz: ein Ausschuß federführend und ein Ausschuß mitberatend. Ich schlage Ihnen vor: Ausschuß für Kulturpolitik und Publizistik federführend, Rechtsausschuß mitberatend.
({4})
Falls postalisch-technische Fragen eine Rolle spielen sollten, könnten noch Kollegen des Ausschusses für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen den Verhandlungen beiwohnen oder gutachtlich gehört werden. Das ist doch keine Schwierigkeit. Wir überweisen Umdruck 18 dem Ausschuß für Kulturpolitik und Publizistik als dem federführenden und dem Rechtsausschuß als dem mitberatenden Ausschuß. - Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Erleichterung der Einreise in die Bundesrepublik ({5}).
Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat soll dieser Antrag an den Ausschuß für Inneres als federführenden und an den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten als mitberatenden Ausschuß ohne Debatte überwiesen werden. Ist das Haus einverstanden?
({6})
Ich stelle Ihr Einverständnis fest.
Wir haben noch einen Punkt zu erledigen, der nicht auf der Tagesordnung steht:
Zweite und dritte Beratung eines von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Selbstverwaltungsgesetzes ({7}).
Berichterstatter ist der Abgeordnete Weimer.
({8})
- Verzichtet das Haus auf Berichterstattung?
({9})
- Das Haus verzichtet. Ich stelle das fest.
Wir treten in die zweite Beratung ein. Ich rufe auf -. ich verweise auf Drucksache 135 - Art. 1, Art. 2, Art. 3, Art. 4, Einleitung und Überschrift. Wer zustimmen will, möge das Handzeichen geben.
- Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest. Ich schließe die zweite Beratung.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung.
Anträge sind nicht gestellt. Wer dem Gesetz als Ganzem zustimmen will, der möge sich von seinem Sitz erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Damit ist die Tagesordnung erledigt. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages ein auf Mittwoch, den 12. März, vormittags 9 Uhr, und schließe die 15. Sitzung.