Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 3/8/1961

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Die Sitzung ist eröffnet. Meine Damen und Herren, ich habe dem Herrn Abgeordneten Dr. Baron Manteuffel-Szoege meine und des Hauses Glückwünsche zum 72. Geburtstag am 7. März auszusprechen. ({0}) Der amtierende Präsident des Deutschen Bundestages hat anläßlich des Hinscheidens von König Mohammed V. von Marokko dem Botschafter des Königreichs Marokko das Beileid des Bundestages übermittelt. Der Bundestag hat den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesfernstraßengesetzes - Drucksache 2159 - dem Ausschuß für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen - federführend - und dem Ausschuß für Kommunalpolitik und öffentliche Fürsorge zur Mitberatung überwiesen. Der Ausschuß für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen hat nunmehr Änderungen beschlossen, die den Bundeshaushalt berühren. Der Haushaltsausschuß hat daher gebeten, daß der Entwurf auch ihm zur Mitberatung überwiesen wird. - Widerspruch erfolgt nicht; dem Antrag ist stattgegeben. Die folgenden amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen: Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 3. März 1961 den nachstehenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 des Grundgesetzes nicht gestellt: Gesetz zur Überwachung strafrechtlicher und anderer Verbringungsverbote; Ausführungsgesetz zu Artikel 26 Abs. 2 des Grundgesetzes ({1}) Viertes D-Markbilanzergänzungsgesetz Gesetz zu dem Abkommen vom 14. Juli 1960 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen Gesetz zur Ausführung des Abkommens vom 14, Juli 1960 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen Gesetz zu dem Abkommen vom 20. April 1960 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland über Soziale Sicherheit Personenbeförderungsgesetz ({2}) Gesetz zu dem Übereinkommen vom 14. Dezember 1957 über Rüstungskontrollmaßnahmen der Westeuropäischen Union Gesetz über den unmittelbaren Zwang bei Ausübung öffentlicher Gewalt durch Vollzugsbeamte des Bundes ({3}) Gesetz zu dem Abkommen vom 17. November 1959 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Vereinigten Arabischen Republik ({4}) zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung bei den Steuern vom Einkommen In der gleichen Sitzung hat der Bundesrat zum Außenwirtschaftsgesetz, Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln ({5}) Gesetz zur Änderung des Länderfinanzausgleichsgesetzes 1958 und des Fünften Überleitungsgesetzes Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse des Reichsvermögens und der preußischen Beteiligungen ({6}) verlangt, daß der Vermittlungsausschuß einberufen wird. Seine Schreiben sind als Drucksachen 2574, 2575, 2576, 2577 verteilt. Der Herr Bundesminister des Auswärtigen hat unter dem 23. Februar 1961 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Frau Dr. Rehling, Frau Renger und Genossen betr. Ratifizierung und Unterzeichnung von Konventionen des Europarates - Drucksache 2479 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 2559 verteilt. Der Leiter der Bundesmonopolverwaltung für Branntwein hat am 20. Februar 1961 gemäß den §§ 6 und 9 des Branntweinmonopolgesetzes den Geschäftsbericht der Bundesmonopolverwaltung für Branntwein sowie Bilanz nebst Gewinn- und Verlustrechnung der Verwertungsstelle für das Geschäftsjahr 1959/60 ({7}) vorgelegt, der als Drucksache 2562 verteilt wird. Der Herr Stellvertreter des Bundeskanzlers hat unter dem 28. Februar 1961 mitgeteilt: Die Fünfundzwanzigste Verordnung über Zolltarifänderungen zur Durchführung des Gemeinsamen Marktes der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl ({8}) - Drucksachen 2238, 2394) - ist als Vorschalt- und Nachlaufverordnung von der Bundesregierung im Umlaufverfahren mit Ausschlußfrist zum 25. Oktober 1960 beschlossen worden. Die Vorschaltverordnung ist am 8. November 1960 im Bundesgesetzblatt Teil II Seite 2357 verkündet worden und am 13. November 1960 in Kraft getreten. Sie ist durch § 6 Abs. 2 Nr. 4 des Zolltarifgesetzes vom 23. Dezember 1960 ({9}) mit Ablauf des 31. Dezember 1960 außer Kraft gesetzt worden. Die Verordnung bezog sich auf den Deutschen Zolltarif 1960, der mit Ablauf des 31. Dezember 1960 außer Kraft getreten ist. Die vom Deutschen Bundestag in seiner Sitzung am 25. Januar 1961 behandelte Nachlaufverordnung hat dadurch ihre gesetzliche Grundlage verloren. Die Verordnung ist deshalb nicht mehr zu verkünden. Der Herr Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen hat unter dem 28. Februar 1961 unter Bezugnahme auf § 17 Abs. 5 des Postverwaltungsgesetzes den Voranschlag der Deutschen Bundespost für das Rechnungsjahr 1961 übersandt. Er liegt im Archiv zur Einsichtnahme aus. Der Herr Stellvertreter des Bundeskanzlers hat unter dem 2. März 1961 gemäß § 30 Abs. 4 des Bundesbahngesetzes vom 13. Dezember 1951 ({10}) den Nachtrag zum Wirtschaftsplan und den Nachtrag zum Stellenplan der Deutschen Bundesbahn für das Geschäftsjahr 1960 zur Kenntnis übersandt. Die Nachträge liegen im Archiv zur Einsichtnahme aus. Der Herr Abgeordnete Behrisch ist am 24. Februar 1961 aus der Fraktion der SPD ausgetreten. Wir kommen damit zur Fragestunde ({11}). Ich beginne mit den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts. Vizepräsident Dr. Jaeger Ich rufe die Frage II/ 1 - des Abgeordneten Dr. Kohut - auf: Wer ist nach Auffassung der Bundesregierung ermächtigt, in Entwicklungsländern Zusagen zu Lasten des Bundeshaushalts zu machen? Der Herr Bundesminister des Auswärtigen!

Dr. Heinrich Brentano (Minister:in)

Politiker ID: 11000263

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf die Frage des Herrn Kollegen Kohut kann ich nur antworten: Zu Zusagen zu Lasten des Bundeshaushalts in Entwicklungsländern ist derjenige ermächtigt, der hierzu von der Bundesregierung allgemein oder im Einzelfall beauftragt wird.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine Zusatzfrage Herr Abgeordneter Kohut!

Dr. Oswald Adolph Kohut (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001169, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Minister, erhalten die jeweiligen Beauftragten auch die zutreffenden und richtigen Informationen vom Auswärtigen Amt?

Dr. Heinrich Brentano (Minister:in)

Politiker ID: 11000263

Ganz gewiß, Herr Kollege Kohut.

Dr. Oswald Adolph Kohut (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001169, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Danke.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Die nächste Frage - des Abgeordneten Schneider ({0}) -wird erst am Freitag aufgerufen. Ich komme damit zur Frage II/3 - wieder des Abgeordneten Kohut -: Ist die Bundesregierung bereit, das von einem bekannten deutschen Politiker, der nicht Mitglied der Bundesregierung ist, gegebene Versprechen, die Bundesrepublik werde das Haushaltsdefizit von Kamerun in Höhe von 4 Millionen DM ausgleichen, zu erfüllen? Herr Bundesminister bitte!

Dr. Heinrich Brentano (Minister:in)

Politiker ID: 11000263

Die Frage des Herrn Kollegen Kohut beantworte ich wie folgt: Die Bundesregierung war im Sommer 1960 bereit, aus Kap. 502 Tit. 669 der Regierung von Kamerun jeweils 4 Millionen DM für Förderungsmaßnahmen zur Verfügung zu stellen. Das Auswärtige Amt bat eine hochgestellte Persönlichkeit anläßlich ihrer Afrika-Reise, das deutsche Angebot auf Hilfe zu unterbreiten und festzustellen, ob die an Hand der Berichterstattung deutscherseits vorgesehenen Vorschläge zu diesen Förderungsmaßnahmen den Wünschen der Regierung von Kamerun entsprächen. Die von den deutschen Vorschlägen abweichenden Vorstellungen der Regierung von Kamerun wurden von dem Ministerpräsidenten Assalé anläßlich seines Deutschlandbesuches im Oktober vergangenen Jahres näher präzisiert. Die Bundesregierung hat diesen Wünschen nach Klärung einer Reihe von Fragen dann entsprochen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine Zusatzfrage Herr Abgeordneter Kohut.

Dr. Oswald Adolph Kohut (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001169, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Trifft es zu, Herr Minister, daß Staatssekretär Professor Carstens in einer Kabinettssitzung die Zusage der von Ihnen genannten hochgestellten Persönlichkeit als unzulässig bezeichnet hat?

Dr. Heinrich Brentano (Minister:in)

Politiker ID: 11000263

Ich glaube ganz bestimmt, daß das nicht zutreffend ist. Ich kann Herrn Carstens im Augenblick nicht fragen. Ich werde aber dieser Frage nachgehen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine weitere Zusatzfrage?

Dr. Oswald Adolph Kohut (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001169, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Wenn es sich aber als richtig herausstellt, was Professor Carstens gesagt hat, welche Konsequenzen beabsichtigt die Bundesregierung dann zu ziehen?

Dr. Heinrich Brentano (Minister:in)

Politiker ID: 11000263

Herr Kollege, ich bin überfordert, wenn Sie mich in dieser hypothetischen Form fragen. Ich kann nur sagen, daß die Gewährung dieses Betrages an die Regierung von Kamerun im vollen Einverständnis mit der Bundesregierung und auf meine Weisung erfolgte.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Ich komme zur Frage II/4 - ebenfalls des Abgeordneten Dr. Kohut -: Hat der Herr Bundesaußenminister bei seinen Verhandlungen mit der amerikanischen Regierung neben der Frage des Ausgleichs der amerikanischen Zahlungsbilanz auch die Frage der Rückgabe des deutschen Privateigentums in den USA angeschnitten? Herr Bundesminister, bitte.

Dr. Heinrich Brentano (Minister:in)

Politiker ID: 11000263

Auf die Frage 4 des Herrn Kollegen Dr. Kohut habe ich folgende Antwort zu geben. Bei den Besprechungen in Washington ist auch die Frage des beschlagnahmten deutschen Vermögens in einem Gespräch zwischen Staatssekretär van Scherpenberg und Unterstaatssekretär Ball angeschnitten worden.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine Zusatzfrage?

Dr. Oswald Adolph Kohut (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001169, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Warum ist die Bundesregierung nicht in der Lage, zu einer die deutschen Privateigentümer befriedigenden Lösung unter Hinweis darauf zu gelangen, daß selbst die kommunistischen Staaten wie Ungarn, Bulgarien, Rumänien ihr früheres Privateigentum von den USA zurückerhalten haben?

Dr. Heinrich Brentano (Minister:in)

Politiker ID: 11000263

Herr Kollege, ich kann Ihre Frage, die weitgehend mit der Frage übereinstimmt, die Herr Kollege Dr. Bucher gestellt hat, dahin beantworten, daß wir selbstverständlich in Washington angekündigt haben, daß wir die Frage der Rückerstattung des deutschen Vermögens weiter behandeln werden, sei es innerhalb, sei es außerhalb der schweBundesaußenminister Dr. von Brentano benden deutsch-amerikanischen Finanzverhandlungen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine weitere Zusatzfrage? - Herr Abgeordneter Dr. Kohut!

Dr. Oswald Adolph Kohut (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001169, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ist es der Bundesregierung wenigstens gelungen, mit der Regierung der Vereinigten Staaten darüber Übereinstimmung zu erzielen, daß zu den tragenden Grundsätzen der freien Welt, die gemeinsam zu verteidigen sich beide Länder verpflichtet haben, auch der Schutz des Privateigentums gehört?

Dr. Heinrich Brentano (Minister:in)

Politiker ID: 11000263

Ich kann die Frage hier schwer beantworten. Denn ich weiß nicht, auf welche Vereinbarung Sie sich beziehen, wenn Sie fragen, ob es der Bundesregierung gelungen sei, diese Übereinstimmung zu erzielen.

Dr. Oswald Adolph Kohut (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001169, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ist dieser Grundsatz für die Zukunft festgelegt worden?

Dr. Heinrich Brentano (Minister:in)

Politiker ID: 11000263

Ich habe keinen Zweifel daran, meine Damen und Herren, daß dieser Grundsatz für die Gegenwart und für die Zukunft gilt. Das haben auch sämtliche Sprecher der Vereinigten Staaten zum Ausdruck gebracht. Bezüglich der Vergangenheit müssen wir uns, glaube ich, darüber im klaren sein, daß das System, das hinter uns liegt, die Grundsätze von Recht und Gerechtigkeit und des Privateigentums in einer so hemmungslosen und maßlosen Weise gebrochen hat, daß wir mit gewissen Reaktionen in der Welt wohl rechnen mußten und rechnen müssen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Abgeordneter Müller-Hermann.

Dr. Ernst Müller-Hermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001569, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminister, können Sie vor dem Parlament die Erklärung abgeben, daß die Bundesregierung mit dem gleichen Nachdruck wie bisher die Rückgabe der deutschen Privatvermögen in den Vereinigten Staaten im Geiste echter Partnerschaft betreiben wird, und können Sie noch etwas darüber sagen, welches Ihnen der geeignete Zeitpunkt zu sein scheint, um neue Verhandlungen mit dem alten Ziel aufzunehmen?

Dr. Heinrich Brentano (Minister:in)

Politiker ID: 11000263

Die Bundesregierung wird in jedem Falle, auch in den kommenden Verhandlungen mit der Regierung der Vereinigten Staaten, diese Forderung nach angemessenem Ausgleich der deutschen beschlagnahmten Vermögen zur Sprache bringen, und zwar mit demselben Nachdruck, wie das seither geschehen ist. Ich möchte auch nicht daran zweifeln, daß in den späteren Verhandlungen die amerikanische Administration die Zusage des Präsidenten Eisenhower, die er am 31. Juli 1957, war es wohl, gegeben hat, einlösen wird.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine weitere Zusatzfrage? - Herr Abgeordneter Memmel!

Linus Memmel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001466, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wollen Sie damit sagen, daß die Pressemeldung nicht richtig ist, nach der der jetzige Präsident erklärt hat, er sei nicht an die Zusagen seines Vorgängers gebunden?

Dr. Heinrich Brentano (Minister:in)

Politiker ID: 11000263

Der jetzige Präsident, Herr Kennedy, hat überhaupt keine Erklärung darüber abgegeben.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Abgeordneter Ritzel!

Heinrich Georg Ritzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001860, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Harr Bundesaußenminister, wird sich die Bundesregierung für den Fall der Freigabe der deutschen Vermögen in Amerika in erster Linie dafür einsetzen, daß die kleinen Leute bei der Rückzahlung ihrer Vermögensbeträge berücksichtigt werden?

Dr. Heinrich Brentano (Minister:in)

Politiker ID: 11000263

Diese Frage kann ich unbedenklich mit Ja beantworten.

Heinrich Georg Ritzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001860, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Danke.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Damit komme ich zur Frage II/5 - des Herrn Abgeordneten Bucher. Treffen Pressemeldungen 711, nach denen sich die Bundesregierung, wenn auch zögernd, damit einverstanden erklärt hat, daß Lösungsvorschläge für eine Rückgabe des deutschen Privatvermögens in den Vereinigten Staaten vorerst nicht erörtert werden? Herr Bundesminister, bitte.

Dr. Heinrich Brentano (Minister:in)

Politiker ID: 11000263

Ich weiß nicht, Herr Kollege Bucher, ob ich Ihre Frage praktisch nicht schon beantwortet habe. Ich kann zu Ihrer Frage nur noch einmal feststellen, daß die von Ihnen zitierten Meldungen nicht zutreffen und daß bei den Besprechungen in Washington die Vertreter der Bundesregierung angekündigt haben, daß die Frage weiter behandelt wird.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Bucher!

Dr. Ewald Bucher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000288, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Hält es die Bundesregierung nicht für angebracht, jetzt schon oder in absehbarer Zeit wenigstens eine innerdeutsche Regelung vorzusehen, die den von diesen Vermögensbeschlagnahmen Betroffenen eine Entschädigung gewährt?

Dr. Heinrich Brentano (Minister:in)

Politiker ID: 11000263

Wir sind, Herr Kollege Bucher, mit der Prüfung dieser Frage befaßt. Ich glaube, daß wir uns in Kürze mit dieser Frage auch im Kabinett beschäftigen werden.

Dr. Ewald Bucher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000288, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Danke.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Ich komme damit zur Frage II/6 - der Frau Abgeordneten Dr. Hubert -: Wie weit sind die von der Bundesregierung in der Sitzung vom 12. November 1959 angekündigten Vorarbeiten für die Ratifizierung des europäischen Abkommens über den Austausch von therapeutischen Substanzen menschlichen Ursprungs fortgeschritten? Herr Bundesminister, bitte.

Dr. Heinrich Brentano (Minister:in)

Politiker ID: 11000263

Ich darf diese Frage folgendermaßen beantworten: Nachdem alle sachlich interessierten Bundesministerien dem vom Auswärtigen Amt ausgearbeiteten Entwurf eines Zustimmungsgesetzes, seiner Begründung und einer Denkschrift zu dem Europäischen Übereinkommen über den Austausch therapeutischer Substanzen menschlichen Ursprungs vom 15. Dezember 1958 ihre Zustimmung gegeben haben, liegt dieser Entwurf im Augenblick dem Herrn Bundesminister der Justiz zur Prüfung der Rechtsförmlichkeit vor. Diese Prüfung steht unmittelbar vor ihrem Abschluß, so daß das Zustimmungsgesetz innerhalb der nächsten Wochen dem Bundeskabinett zur Beschlußfassung und anschließend den gesetzgebenden Körperschaften zur Verabschiedung zugeleitet werden kann.

Dr. Elinor Hubert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000969, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sie rechnen also damit, Herr Bundesminister, daß es noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet wird?

Dr. Heinrich Brentano (Minister:in)

Politiker ID: 11000263

Jawohl!

Dr. Elinor Hubert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000969, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich danke.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Ich komme damit zur Frage II auf Drucksache 2578, einer Frage des Abgeordneten Paul: Was hat die Bundesregierung unternommen, um dem Antrag Drucksache 905 betr. Empfehlung des Europarates zur Berufsausbildung junger Flüchtlinge, der vom Bundestag am 20. Januar 1960 angenommen wurde, zu entsprechen? Herr Bundesminister, bitte!

Dr. Heinrich Brentano (Minister:in)

Politiker ID: 11000263

Das im 3. Tätigkeitsbericht des Sonderbeauftragten des Europarats für die nationalen Flüchtlinge und Bevölkerungsüberschüsse vom 30. September 1958 enthaltene Aktionsprogramm zur Berufsausbildung ungelernter Arbeitskräfte ist mehrfach im Ministerkomitee des Europarats - auf der Ebene der Beauftragten - behandelt worden. Der deutsche Vertreter beim Europarat hat weisungsgemäß zu den wichtigsten Vorschlägen des Sonderbeauftragten eine grundsätzlich positive Haltung eingenommen; es sind die Vorschläge 1) der Schaffung eines Informations- und Forschungszentrums, 2) der Einrichtung von 30 Lehrgängen zur Verbesserung der Berufsausbildung von Lehrkräften, 3) der Förderung der beschleunigten Berufsausbildung im Rahmen eines Modellversuchs mit 300 Jungarbeitern. Die Ministerbeauftragten haben im März 1960 die Gründung eines Informations- und Forschungszentrums beschlossen. Die Bundesregierung ist anteilig an den Kosten des Zentrums, das in Kürze seine Tätigkeit aufnehmen wird, beteiligt. Die weitere Behandlung der unter 2) und 3) genannten Vorschläge ist von den Ministerbeauftragten zurückgestellt worden, bis die ersten Ergebnisse der Tätigkeit des Informations- und Forschungszentrums vorliegen.

Ernst Paul (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001681, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Danke.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Ich danke Ihnen, Herr Bundesminister. Ich komme zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes und rufe die Frage I/2 - des Abgeordneten Metzger -: Wer ist der Verfasser des im Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung Nr. 35 vom 21. Februar 1961 erschienenen Artikels mit der Überschrift: „Das Opfer der Synode für die Einheit der Evangelischen Kirche - Präses Scharf übernahm die Nachfolge von Bischof D. Dr. Dibelius"? Ist der Abgeordnete Metzger im Saal oder wird er vertreten? - Das ist nicht der Fall. Dann wird die Frage schriftlich beantwortet. Ich komme zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz und rufe auf die Fragen III/ 1 und 2 - des Abgeordneten Dr. Mommer -: Bis wann gedenkt die Bundesregierung die am 13. Dezember 1957 von ihr unterzeichnete Europäische Konvention über die Auslieferung den gesetzgebenden Körperschaften zur Verabschiedung vorzulegen? Bis wann gedenkt die Bundesregierung die am 20. April 1959 unterzeichnete Europäische Konvention über den Rechtshilfeverkehr den gesetzgebenden Körperschaften zur Verabschiedung vorzulegen?

Fritz Schäffer (Minister:in)

Politiker ID: 11001935

Hier sind zwei Fragen gestellt worden. Ich darf bemerken, daß sie in einem inneren Zusammenhang miteinander stehen. Wenn ich die erste Frage beantworte, muß ich gleichzeitig im wesentlichen die zweite Frage mitbeantworten.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Bitte sehr!

Fritz Schäffer (Minister:in)

Politiker ID: 11001935

Die Bundesregierung wird dem Bundestag und dem Bundesrat die Gesetze zu dem am 13. Dezember 1957 unterzeichneten Europäischen Auslieferungsübereinkommen und zu dem am 20. April 1959 unterzeichneten Europäischen Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen so bald als möglich zur Verabschiedung vorlegen. Wegen des „so bald als möglich" darf ich folgendes bemerken. Die schwedische Regierung hat zu den Artikeln 8 und 12 des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen Vorbehalte angekündigt, die der Bundesregierung nicht annehmbar erscheinen. Es besteht aber Aussicht, daß es der schwedischen Regierung durch ein inBundesminister Schäffer nerstaatliches Gesetz ermöglicht wird, die Vorbehalte zurückzunehmen. Das Auswärtige Amt hat auf meine Anregung hin letztmalig mit einer an die Königlich Schwedische Botschaft gerichteten Verbalnote vom 27. Februar 1961 angefragt, ob und wann mit der Rücknahme der Vorbehalte gerechnet werden kann. Eine Antwort steht noch aus. Sobald die durch diese Vorbehalte ausgelösten Bedenken beseitigt sind, wird das Europäische Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen den gesetzgebenden Körperschaften vorgelegt werden. Das Europäische Auslieferungsübereinkommen steht mit dem Europäischen Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen in sachlichem Zusammenhang. Sie müssen also gemeinsam behandelt und auch gemeinsam vorgelegt werden. Zu Ihrer Unterrichtung, Herr Kollege Dr. Mommer, möchte ich noch bemerken, daß das Europäische Auslieferungsübereinkommen bisher nur von Norwegen, Schweden und der Türkei ratifiziert worden ist. Es ist von vier Europastaaten noch nicht unterzeichnet worden. Das Europäische Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen ist bisher von sechs Europastaaten noch nicht unterzeichnet und noch von keinem einzigen Staat ratifiziert worden. Im übrigen darf ich betonen, daß die beiden Übereinkommen als Musterverträge bei zweiseitigen Verhandlungen über den Abschluß von Auslieferungs- und Rechtshilfeverträgen mit Belgien, Osterreich, Monako, dem Iran und Libanon gedient und daß wesentliche Teile der Übereinkommen Eingang in die zweiseitigen Verträge gefunden haben,

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Mommer!

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001529, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Bundesminister, Sie führen besondere Gründe für die Verzögerung der Vorlage der Ratifikationsgesetze an. Es dauert aber gewöhnlich so lange und -

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Abgeordneter, darf ich Sie bitten, eine Frage zu stellen!

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001529, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sie kommt, Herr Präsident, sie kommt! In der Regel dauert es mehrere Jahre - warum ist das so, Herr Bundesminister? -, bis die Bundesregierung dem Hause Ratifikationsgesetze zu Verträgen vorlegt, die sie doch vor der Unterzeichnung geprüft hat. Müßte es nicht möglich sein, dem Hause die Urkunden in einer Frist von, sagen wir, einem halben Jahr vorzulegen?

Fritz Schäffer (Minister:in)

Politiker ID: 11001935

Ich darf folgendes bemerken. Die Bundesregierung kann die Vorlage dem Hause erst zuleiten, wenn die vorbereitenden Arbeiten abgeschlossen sind. In diesem Fall - das habe ich dargelegt - ist der Zusammenhang zwischen den beiden Verträgen so eng, daß sie nur gleichzeitig vorgelegt werden können. Die gleichzeitige Vorlage ist jetzt noch nicht möglich, weil die Hemmnisse, die von seiten Schwedens kommen, noch nicht überwunden sind. Wir hoffen, daß sie überwunden werden. Ich darf darauf hinweisen: Deutschland ist nicht etwa ein Land, das anderen nachhinkt, sondern die Hemmnisse sind bei allen gleich.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001529, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wie kommt es dann, Herr Bundesminister, daß die beiden Konventionen -wenn sie nur zusammen ratifiziert werden können - getrennt unterzeichnet werden konnten?

Fritz Schäffer (Minister:in)

Politiker ID: 11001935

Diese beiden Konventionen sind ja in verschiedenen Jahren abgeschlossen. Es sind immer besondere Verhandlungen erforderlich. Aber die Gegenstände greifen ineinander. Wenn die Verträge heute in Kraft träten, müßten neue Verhandlungen mit vielen Ländern eingeleitet werden, es sei denn, daß das gleichzeitige Inkrafttreten gesichert werden kann und mit den Ländern dann vorher schon Ersatzabkommen auf anderen Gebieten geschlossen werden können. Die jetzigen Verträge gehen zum Teil über die bestehenden hinaus, zum Teil bleiben sie hinter ihnen zurück.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Ich danke Ihnen, Herr Bundesminister. Ich komme zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft, zunächst zur Frage IV/1 - des Herrn Abgeordneten Dröscher -: Tretft es zu, daß ab sofort die Ausstellung deutscher Erzeugnisse in Klubs, Messehallen usw. der amerikanischen Stationierungsstreitkräfte im Gebiet der Bundesrepublik untersagt ist und die bisher den Ausstellern gegebenen Verkautsgenehmigungen nicht mehr erneuert werden dürfen? Herr Bundesminister, bitte!

Dr. Ludwig Erhard (Minister:in)

Politiker ID: 11000486

Die Frage ist mit Ja zu beantworten.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dröscher.

Wilhelm Dröscher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000422, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Hat die Bundesregierung die Absicht, geeignete Schritte zu unternehmen mit dem Ziel, die Wiederzulassung deutscher Verkäufer zu erreichen?

Dr. Ludwig Erhard (Minister:in)

Politiker ID: 11000486

Die Maßnahme ist nicht nur gegenüber Deutschland, sondern gegenüber allen europäischen Ländern getroffen worden, in denen amerikanische Truppen stationiert sind. Die Bundesregierung sieht zur Zeit keine Veranlassung, Schritte zu unternehmen, urn so mehr, als bekannt ist, daß diese Verfügung auf die Sorgen der amerikanischen Regierung um eine weitere Verschlechterung der Zahlungsbilanz zurückgeht.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Ich komme zur Frage IV/2 - des Abgeordneten Rademacher -: Aus welchem Titel wurde die Reise des Hamburger CDU-Vorsitzenden, Erik Blumenfeld, der laut Pressemeldung als offiziel8294 Vizepräsident Dr. Jaeger ler Wahlkampfbeobachter des Bundeskanzlers zur Präsidentenwahl in die USA entsandt wurde, finanziert? Er wird vertreten. Bitte sehr, Herr Bundesminister.

Dr. Ludwig Erhard (Minister:in)

Politiker ID: 11000486

Für die Reise des Hamburger CDU-Vorsitzenden Erik Blumenfeld sind Bundesmittel nicht zur Verfügung gestellt worden.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine Zusatzfrage.

Dr. Rolf Dahlgrün (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000348, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Bundesminister, dann ist es also nicht richtig, wenn Herr Blumenfeld z. B. in Presseverlautbarungen als Beauftragter des Herrn Bundeskanzlers bezeichnet wird? Es müßte dann heißen „Beauftragter des Parteivorsitzenden der CDU"?

Dr. Ludwig Erhard (Minister:in)

Politiker ID: 11000486

Ich weiß nicht, in welcher Eigenschaft Herr Blumenfeld nach Amerika geflogen ist. Ich kann nur das wiedergeben, was mir vom Bundeskanzleramt schriftlich in die Hand gegeben worden ist.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Ich komme zur Frage IV/3 - des Abgeordneten Unertl -: Aus welchen Gründen ist das am 9. November 1960 vom Bundestag verabschiedete Gesetz gegen den Betriebs- und Belegschaftshandel noch nicht verkündet, und wann kann mit der Verkündung gerechnet werden? Herr Bundesminister, bitte!

Dr. Ludwig Erhard (Minister:in)

Politiker ID: 11000486

Mit Rücksicht auf die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen das vom Deutschen Bundestag am 9. November 1960 verabschiedete Gesetz gegen den Betriebs- und Belegschaftshandel hat das Bundespräsidialamt gebeten, eine eingehende gutachtliche Stellungnahme der Bundesregierung zur Frage der Vereinbarkeit des Gesetzes mit dem Grundgesetz herbeizuführen. Damit werden schwerwiegende verfassungsrechtliche Fragen aufgegriffen, die eine sehr eingehende Prüfung erfordern. Ich bedaure deshalb, eine abschließende Antwort noch nicht geben zu können.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Unertl.

Franz Xaver Unertl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002355, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminister, sind Sie nicht der Meinung, daß die Klärung der Verhältnisse innerhalb von fünf Monaten - das Gesetz wurde bereits im November verabschiedet - möglich gewesen wäre?

Dr. Ludwig Erhard (Minister:in)

Politiker ID: 11000486

Herr Abgeordneter, in den Beratungen des federführenden Mittelstandsausschusses haben die Vertreter der Bundesregierung von Anfang an ausdrücklich auf die verfassungsrechtlichen Bedenken hingewiesen. In einer schriftlichen Stellungnahme der Bundesregierung gegenüber dem Wirtschaftsausschuß vom 23. September 1960 sind die verfassungsrechtlichen Bedenken noch einmal im einzelnen dargelegt worden. Ich hoffe, daß eine endgültige und letzte Stellungnahme für die Entscheidung des Bundespräsidenten in Kürze vorliegen kann.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine zweite Zusatzfrage des Abgeordneten Unertl.

Franz Xaver Unertl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002355, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminister, auch der Bundesrat hat sich doch trotz der bekannten verfassungsrechtlichen Bedenken zustimmend geäußert. Außerdem: ist es denn nicht eine Abwertung des Parlaments, also des Bundestages, -

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Ich bitte, eine Frage zu stellen!

Franz Xaver Unertl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002355, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident, das ist eine Frage, die jetzt sehr akut ist. Ist es nicht eine Abwertung des Parlaments, daß bei derlei Gesetzen, die ausgerechnet den Mittelstand betreffen, verfassungsrechtliche Bedenken in jeder Form angemeldet werden? Da könnte man gleich Karlsruhe regieren lassen!

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Nachdem ich zum Schluß noch ein Fragezeichen gehört habe, darf ich Sie bitten, Herr Bundesminister, zu antworten.

Dr. Ludwig Erhard (Minister:in)

Politiker ID: 11000486

Die Haltung und die Stellungnahme des Bundesrates kann das Recht des Bundespräsidenten, ein verfassungsrechtliches Gutachten einzuholen, nicht schmälern und nicht aufheben. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Ich komme zur Frage IV/4 - des Herrn Abgeordneten Dürr -: Teilt die Bundesregierung die von den Sozialausschüssen der christlich-demokratischen Arbeitnehmerschaft erhobene Forderung, entweder die Industrie- und Handelskammern paritätisch mit Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu besetzen odor unverzüglich Arbeitnehmerkammern zu errichten?

Dr. Ludwig Erhard (Minister:in)

Politiker ID: 11000486

Die Bundesregierung hat noch keine Gelegenheit gehabt, sich mit den von den Sozialausschüssen der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft am 26. Februar 1961 erhobenen Forderungen zu befassen. Der Bundeskanzler hat schon auf der Bundestagung der Sozialausschüsse geäußert, die Bundesregierung werde die Beschlüsse sorgsam prüfen. Ich darf für die Bundesregierung diese Erklärung wiederholen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dürr!

Hermann Dürr (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000424, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Bundesminister, ist es nicht so, daß schon vor der Tagung der Sozialausschüsse die Forderung nach paritätischer Besetzung der Industrie- und Handelskammern von anderen politischen Gruppen erhoben wurde, und ist es nicht so, daß die Bundesregierung damals - als es noch eine von den Sozialdemokraten erhobene Forderung war - die Frage schon geprüft hat und deshalb über ihre Stellungnahme Auskunft geben kann?

Dr. Ludwig Erhard (Minister:in)

Politiker ID: 11000486

Über Fragen dieser und ähnlicher Art, wie sie in den Forderungen der Sozialausschüsse zum Ausdruck kommen, wurden schon seit zehn Jahren gelegentlich Unterhaltungen gepflogen. Aber im Zusammenhang mit der letzten Aktion vom Februar 1961 sind irgendwelche Verhandlungen oder Besprechungen auf Regierungsebene noch nicht geführt worden.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Ich danke Ihnen, Herr Bundesminister. Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verteidigung. Ich rufe zunächst die Frage VI/1 - des Herrn Abgeordneten Merten - auf: Welche dienstlichen Anweisungen oder Befehle gibt es innerhalb der Bundeswehr, die die Tätigkeit des Wehrbeauftragten des Bundestages zum Gegenstand haben?

Dr. h. c. Franz Josef Strauß (Minister:in)

Politiker ID: 11002270

Darf ich vorschlagen, Herr Präsident, daß ich die Fragen 1 und 2, weil sie sachlich zusammengehören, zusammen beantworte.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Bitte sehr, dann rufe ich gleich die Frage VI/2 mit auf: Werden die Soldaten über die Tätigkeit des Wehrbeauftragten des Bundestages belehrt oder unterrichtet oder sonst in irgendeiner Form informiert?

Dr. h. c. Franz Josef Strauß (Minister:in)

Politiker ID: 11002270

Die Truppe wird insbesondere nach der Neueinstellung von Wehrpflichtigen im Rahmen des staatsbürgerlichen Unterrichts über die Tätigkeit des Wehrbeauftragten eingehend belehrt. Als Unterlagen dienen neben dem Text des Gesetzes über den Wehrbeauftragten die Verfügung des Generalinspekteurs der Bundeswehr vom 10. Juli 1959 mit dem Titel „Truppe und Wehrbeauftragter". Diese Verfügung wurde bis zu den Kompanien verteilt und ist in der Hand- bzw. Belehrungsakte jedes Einheitsführers enthalten.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

In Vertretung des Herrn Abgeordneten Merten Herr Abgeordneter Börner zu einer Zusatzfrage!

Holger Börner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000225, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Darf ich Sie fragen, Herr Minister, ob Ihnen eine im Fernsehen abgegebene Stellungnahme eines Offiziers der Bundeswehr bekannt ist, der nach der Pflicht oder dem Recht des Soldaten befragt wurde, den Wehrbeauftragten anzurufen, und der auf die Frage die Auskunft gab: „Er darf, aber er soll nicht."

Dr. h. c. Franz Josef Strauß (Minister:in)

Politiker ID: 11002270

Obwohl es noch kein zweites Fernsehprogramm gibt, ist das Programm jetzt schon so reichhaltig, daß ich leider nicht in der Lage bin, es lückenlos zu verfolgen. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Börner!

Holger Börner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000225, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Darf ich Sie dann bitten, diese Äußerung, die auch von der Presse übernommen wurde, einmal in den Gegenstand Ihrer Betrachtungen einzubeziehen.

Dr. h. c. Franz Josef Strauß (Minister:in)

Politiker ID: 11002270

Selbstverständlich!

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Wir kommen zur Frage VI/3 - des Herrn Abgeordneten Jahn ({0}) -: Billigt der Herr Bundesverteidigungsminister die Verwendung des nationalsozialistischen Schlagwortes „reinrassig" zur Kennzeichnung der Zusammensetzung eines Bataillons in der von ihm als Sonderdruck hergestellten Broschüre „Wissenswertes über die Bundeswehr" auf Seite 29?

Dr. h. c. Franz Josef Strauß (Minister:in)

Politiker ID: 11002270

Der Begriff „reinrassig" wird auch in der militärischen Fachsprache seit langem verwendet. Er hat keine weltanschauliche Bedeutung. Der Ausdruck, der auch in der Tierzucht geläufig ist, ({0}) kann nichts dafür, daß Unmenschen ihn im menschlichen Bereich für unmenschliche Zwecke mißbraucht haben. Auf einen Truppenteil angewandt, bedeutet er, daß diese Einheit dem Typ einer bestimmten Waffengattung entspricht und nicht mit Teilen von Einheiten anderer Waffengattungen zu einem gemischten Kampfverband zusammengeschlossen ist. Der vorgeschlagene Ersatzausdruck „reintypisch", also die Verbindung eines guten deutschen Wortes mit einem aus dem Griechischen kommenden latinisierten Fremdwort, scheint, an den heutigen Sprachanforderungen gemessen, nicht besser zu sein als der Ausdruck „reinrassig", wenn er seiner schiechten Bedeutung einmal entkleidet ist.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jahn!

Gerhard Jahn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001012, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Bundesminister, ist Ihnen nicht bekannt, daß der Begriff „reinrassig" ein typisches Produkt der nationalsozialistischen Sprachregelung ist? ({0})

Dr. h. c. Franz Josef Strauß (Minister:in)

Politiker ID: 11002270

Ich glaube, daß eine Schöpfung Gottes, die auch das Tier ist, genauso wenig abgewertet werden darf, wie das bei anderen Erzeugnissen der Fall ist. Für mich steht das Tier sogar noch über dem Kriegsmaterial. Wenn also der Ausdruck in der Tierzucht Bundesverteidigungsminister Strauß verwendet wird, habe ich keine Bedenken, ihn auf dem Materialgebiet anzuwenden. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jahn!

Gerhard Jahn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001012, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Halten Sie die Verwendung von Begriffen aus der Tierzucht für Einheiten der Bundeswehr und für Menschen, die darin sind, für besonders sinnvoll?

Dr. h. c. Franz Josef Strauß (Minister:in)

Politiker ID: 11002270

Ich sehe in der Verwendung von Ausdrücken aus dem Bereich des Grünen Plans keine Abwertung für Einheiten oder Ausrüstungsgegenstände der Bundeswehr. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Wir kommen zur Frage VI/4 - des Abgeordneten Dr. Tamblé -: Was hat das Bundesverteidigungsministerium veranlaßt, seine vor Jahren ausgesprochene Verzichterklärung auf die im Aufbauplan der Gemeinde List ({0}) als Kurzentrum ausgewiesenen ehemaligen Wehrmachtliegenschaften zurückzunehmen? Herr Bundesminister, darf' ich bitten!

Dr. h. c. Franz Josef Strauß (Minister:in)

Politiker ID: 11002270

Zum bundeseigenen Gelände des ehemaligen Seefliegerhorstes List auf Sylt gehört unter anderem auch die sogenannte Offizierheimanlage. Sie liegt etwa 500 m abgesetzt von der Kaserne des früheren Seefliegerhorstes und besteht aus dem eigentlichen Offizier-heim sowie vier Offizier-Ledigenwohnhäusern. Zuletzt war hier ein Altersheim des Landkreises Flensburg untergebracht. Da der Kreis in der Zwischenzeit ein neues Altersheim gebaut hat, wurden die letzten Teile der Offizieranlage im Herbst 1960 endgültig frei. Bereits seit 1951 hat die Gemeinde List mit Unterstützung der Landesregierung bei der damaligen „Dienststelle Blank" vorgetragen, daß sie auf die Dauer nicht existenzfähig sei, wenn die bundeseigene Offizierheimanlage nicht freigegeben und ihr als Kurzentrum überlassen würde. Da seinerzeit im Anfangsstadium der militärischen Planungen ein bestimmter Verwendungszweck für die ehemaligen Wehrmachtliegenschaften in List auf Sylt nicht angegeben werden konnte, andererseits die Dienststelle Blank sich auch aus anderen Gründen den dringenden Wünschen, die ihr vorgetragen wurden, nicht verschließen konnte, wurde trotz erheblicher Bedenken die Offizierheimanlage zur zivilen Verwendung freigegeben. Die Gemeinde hat die Anlage in ihren Aufbauplan einbezogen. Inzwischen haben sich die Verhältnisse grundlegend gewandelt. Mit Beginn der Aufstellung der Bundeswehr, insbesondere der Aufstellung der Bundesmarine, wurde auch der ehemalige Seefliegerhorst List wieder für militärische Zwecke in Anspruch genommen. Er ist zur Zeit mit der Marine-Versorgungsschule belegt. Im Zuge des weiteren Aufbaues der Marine werden auch die Lehrgänge der Marine-Versorgungsschule personell ständig verstärkt. Darüber hinaus müssen im Zusammenhang mit der Marine-Versorgungsschule nunmehr logistische Lehrgänge für jeweils etwa hundert Marineoffiziere anlaufen. Würden hierfür das Offiziersheim und die vier Ofiizier-Ledigenwohnhäuser nicht zur Verfügung stehen, müßten aus Bundesmitteln entsprechende Neubauten errichtet werden. Dies würde aber, da geeignete bundeseigene Liegenschaften vorhanden sind, den gesetzlichen Bestimmungen widersprechen. Aus diesen Gründen mußte der seinerzeit erklärte Verzicht zurückgenommen werden. Die von der Gemeinde geltend gemachten wirtschaftlichen Gründe sind durch die stärkere und permanente Belegung mit militärischen Einheiten im Zuge der Lehrgänge und der Ausbildungsvorhaben weitgehend berücksichtigt.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Tamblé.

Dr. Richard Tamble (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002297, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Was gedenken Sie, Herr Bundesminister, zu tun, damit der hart um ihre Existenz ringenden Bädergemeinde geholfen wird, nachdem sie nun auf diese Kurheimanlage verzichten muß?

Dr. h. c. Franz Josef Strauß (Minister:in)

Politiker ID: 11002270

Die ehemalige Offizierheimanlage ist vor nahezu 30 Jahren gebaut worden. Sie ist für militärische Zwecke auch heute noch verwendbar. Als modernes Kurzentrum dürfte sie mit Rücksicht darauf, in welchem Umfang die Ansprüche und Forderungen der Touristen und Kurgäste seit dem Jahre 1950 gestiegen sind, heute kaum mehr den Notwendigkeiten genügen. Da andererseits auch für den militärischen Standort List und dessen Angehörige ein kulturelles Zentrum erwünscht ist, habe ich der Gemeinde List neuerdings vorgeschlagen, eine moderne Mehrzweckhalle für Kino, Theater, Konzerte und sonstige kulturelle Veranstaltungen nach neuesten Gesichtspunkten zu planen. An den Kosten der Errichtung eines solchen Kurzentrums würde sich das Verteidigungsministerium im Rahmen ,der haushaltsrechtlichen Möglichkeiten mit einer Bundesfinanzhilfe in angemessener Höhe beteiligen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine weitere Zusatzfrage?

Dr. Richard Tamble (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002297, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Glauben Sie nicht, Herr Bundesminister, daß man der Gemeinde und ihrer Bevölkerung sehr viel Aufregung hätte ersparen können, wenn man v o r Ergreifung dieser einschneidenden Maßnahme, wie es sich doch wohl gehört hätte, mit der Gemeinde Rücksprache genommen hätte?

Dr. h. c. Franz Josef Strauß (Minister:in)

Politiker ID: 11002270

Ich bin selbst nicht in der Lage, sämtliche Infrastrukturvorhaben der Bundeswehr im einzelnen zu überblicken und die sich daraus etwa ergebenden Aussprachenotwendigkeiten von hier aus festzulegen. Ich vermag von hier aus auch nicht festzustellen, ob mit der Gemeinde oder mit der Landesregierung gesprochen worden ist oder ob das nicht der Fall war. Bundesverteidigungsminister Strauß Aber der Ausdruck „einschneidende Maßnahme" erscheint mir etwas zu weitgehend. Wenn es sich darum handelte, daß der Gemeinde etwas weggenommen wird, was sie bisher in Benützung hatte und für ihren Fremdenverkehr benötigte, würde ich Ihnen recht geben. Es handelt sich aber um eine Anlage, die bisher von der Gemeinde nicht benutzt wurde, die angesichts der gesteigerten Ansprüche und Wünsche für den genannten Zweck nur in beschränkter Weise geeignet ist, um eine Anlage, die besser durch einen modernen Neubau ersetzt wird. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Ich komme zur Frage VI/5 - des Abgeordneten Weber ({0}) : Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um Grundstucksbesitzer und Gemeinden, vor allem in der Nähe von Bundeswehr-Standorten, vor Schäden durch Wehrmachtfahrzeuge an den Privatgrundstücken bzw. an öffentlichen Feld- und Waldwegen zu schützen?

Dr. h. c. Franz Josef Strauß (Minister:in)

Politiker ID: 11002270

Die Bundesregierung hat seit Bestehen der Bundeswehr dafür Sorge getragen, daß im Interesse eines guten Einvernehmens mit der Bevölkerung die Schäden an Privatgrundstücken und öffentlichen Wegen durch Bundeswehrkraftfahrzeuge so gering wie möglich gehalten werden. Hierzu haben insbesondere folgende Maßnahmen beigetragen: Die Ausbildung findet so weit wie möglich auf bundeswehreigenen Übungsplätzen und Ausbildungsstätten statt. Diese reichen wegen der allgemein bekannten Schwierigkeiten in der Landbeschaffung jedoch nicht aus. Im Interesse einer kriegsnahen Ausbildung ist daher eine Ausbildung auch im freien Gelände notweridig, insbesondere bei der Verbandsausbildung und bei Übungen im größeren Rahmen. Für diese Übungen und Manöver bestehen besondere Anweisungen. Durch Anmeldung bei den zuständigen Behörden ist sichergestellt, daß derartige Übungen rechtzeitig bekanntgemacht werden. Das Betreten besonders zu schützender Objekte wird in den Übungsbestimmungen verboten. Die Truppe hat Befehl, Flurschäden weitestgehend zu vermeiden. In den betreffenden Dienstvorschriften ist dies grundsätzlich geregelt. Die Truppe wird über alle Vorschriften und Befehle zur Schadensverhütung ständig belehrt. Im Rahmen der Dienstaufsichtspflicht sind die Vorgesetzten für deren Einhaltung verantwortlich. Ich vermag mich aber hier der Bemerkung nicht zu enthalten, daß die Forderung auf eine realistische Ausbildung auf der einen Seite und die Forderung auf vollständige Vermeidung von Schäden auf der anderen Seite sich einfach nicht vereinbaren lassen. Halten wir uns an die Forderung einer totalen, unter Strafe gestellten Vermeidung aller Schäden, wird mit Recht die Kritik erhoben werden, daß die Bundeswehr eine wirklichkeitsfremde Ausbildung betreibe, wie sie einmal mit der Bemerkung erhoben worden ist, daß die Bundeswehr sich benehme wie bei der Erfindung des Flugzeuges zur Zeit Otto Lilienthals und der Gebrüder Wright. Wir müssen also versuchen, diese beiden Forderungen zu kombinieren. Ich bin mir bewußt, daß das angesichts der menschlichen Unzulänglichkeit nur in begrenztem Umfange möglich ist. Durch entsprechende Anordnungen ist sichergestellt, daß sogar im Gegensatz zu erlassenen Bestimmungen entstandene Schäden sofort und großzügig geregelt werden. 1960 sind aus dem Kapitel 14 03 Titel 306 über 1,7 Millionen DM gezahlt worden. Diese Zahl ist im Vergleich zu Übungen alliierter Verbände, wo wesentlich größere Schäden auftreten und ersetzt werden müssen, sehr niedrig. Ich sehe auf Grund der bisherigen Erfahrungen keinen Anlaß, eigentlich auch keinen rechten Sinn darin, die bestehenden Bestimmungen zu ändern oder zu ergänzen. Wir werden jedoch weiterhin bemüht sein, in der übervölkerten Bundesrepublik das so schwierige Problem der Übungsstätten dadurch zu erleichtern, daß immer mehr Übungsmöglichkeiten außerhalb der Bundesrepublik, aber selbstverständlich unter Inkaufnahme der damit verbundenen wesentlich erhöhten Kosten geschaffen werden.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Weber!

Fritz Weber (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002434, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Bundesminister, bei voller Anerkennung des von Ihnen Dargestellten habe ich die Zusatzfrage: Halten Sie es für richtig, daß auch bei den Angehörigen der Bundeswehr ein nun einmal verursachter Schaden nur dann anerkannt wird, wenn der Betreffende direkt erkannt und sein Name oder die Fahrzeugnummer festgestellt werden kann und dann auch gemeldet wird, und daß man sich ähnlich wie bei den Alliierten, die sich auf den Standpunkt stellen: „Kannit verstan", hier nach dem Grundsatz „Wenn du mich nicht direkt fängst, so gilt es nicht" der Aufgabe entzieht, den nun einmal verursachten Schaden zu melden und dafür gerade zu stehen.

Dr. h. c. Franz Josef Strauß (Minister:in)

Politiker ID: 11002270

Auch die Bundeswehr kann sich nicht über die öffentlich-rechtlichen und zivilrechtlichen Bestimmungen hinwegsetzen. Wir haben in einzelnen Fällen auch die Erfahrung gemacht, daß Schäden aufgetreten sind, ohne daß die Bundeswehr daran beteiligt war. Ich glaube, daß insbesondere die vom Parlament immer betonten Hinweise und Mahnungen des Rechnungshofes, hier genaue Feststellungen zu treffen, insbesondere den Kausalkonnex festzustellen, von uns nicht ohne weiteres übergangen werden können. Daß man allerdings nicht mit bürokratischer Schikane verfahren soll: in dieser Forderung, Herr Abgeordneter, haben Sie mich völlig auf Ihrer Seite.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine weitere Zusatzfrage? - Herr Abgeordneter Weber.

Fritz Weber (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002434, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Minister, darf ich Ihre Antwort so verstehen, daß auch die Bürger Weber ({0}) und die Bürgermeister in solchen Fällen, in denen ein Schaden entstanden ist, dann bei Ihnen die notwendige Hilfe und Unterstützung bekommen und daß für die Bundeswehr Anordnungen erlassen werden, daß es ihre Pflicht ist, auch das Eigentum des Bürgers zu achten und zu schützen, und daß diese Grundhaltung auch als ein Teil der inneren, moralischen Aufrüstung der Bundeswehr in dem jungen Staatsbürger verankert wird?

Dr. h. c. Franz Josef Strauß (Minister:in)

Politiker ID: 11002270

Ich werde mich nach bestem Wissen und Gewissen bemühen, diese Idealforderungen zu erfüllen oder mich wenigstens ihrer Erfüllung schrittweise zu nähern. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dröscher.

Wilhelm Dröscher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000422, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, habe ich Sie richtig verstanden, daß Sie sagten, es sei durch erlassene Anordnungen im Gegensatz zu vorhandenen Bestimmungen sichergestellt, daß diese Schäden schnell und zufriedenstellend reguliert würden?

Dr. h. c. Franz Josef Strauß (Minister:in)

Politiker ID: 11002270

Sie dürfen mich so verstehen, daß die Bundeswehr die im gesamten Bereich des öffentlichen Dienstes erlassenen Bestimmungen auf Grund der besonderen Art der Schäden und der besonderen Schwierigkeit, sie festzustellen, und um auch psychologisch größeren Arger zu vermeiden, großzügiger auslegt, als es sonst bei Schäden, die von Fahrzeugen der öffentlichen Hand verursacht werden, der Fall zu sein pflegt.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dröscher!

Wilhelm Dröscher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000422, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Bundesminister, wäre es dann nicht im Interesse einer Rechtseinheitlichkeit richtig, die Bestimmungen, die Sie meinen, zu ändern?

Dr. h. c. Franz Josef Strauß (Minister:in)

Politiker ID: 11002270

Das liegt außerhalb der Zuständigkeit des Verteidigungsministeriums. Insbesondere darf ich hier darauf hinweisen, daß die Abweichung von ,den Bestimmungen darin besteht, daß entstandene Schäden an Ort und Stelle geschätzt und sofort entschädigt werden. Das ist eine großzügige Prozedur, die man wohl sonst nicht immer anwenden kann, die aber bei Schäden, die die Bundeswehr verursacht, angebracht ist.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Ich danke Ihnen, Herr Bundesminister. Ich komme zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr, und zwar zunächst zu der Frage VII/1 - des Herrn Abgeordneten Gewandt -: Wann wird das Gutachten über einen vollschiffbaren Anschluß des Hamburger Hafens an das europäische Wasserstraßennetz vorgelegt?

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Das Gutachten über einen vollschiffbaren Anschluß der Häfen Hamburg und Lübeck an das europäische Wasserstraßennetz wird aus zwei Teilen bestehen. Die technische Untersuchung wird von der Wasser-und Schiffahrtsdirektion Hamburg, die verkehrswirtschaftliche von Professor Dr. Dr. Berkenkopf, Universität Köln, durchgeführt. Die Ergebnisse beider Untersuchungen werden im Sommer dieses Jahres erwartet. Das Bundesverkehrsministerium wird alsdann die abschließende Stellungnahme erarbeiten. Diese dürfte im Herbst dieses Jahres vorliegen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine Zusatzfrage? - Dann komme ich zur Frage VII/2 - des Herrn Abgeordneten Dr. Dahlgrün -: Was sagt der Herr Bundesverkehrsminister zu dem in der Presse wiedergegebenen Vorwurf des hessischen Verkehrsministers Franke, ihm sei bei der Auslegung der Unfallstatistik für die Autobahnstrecke Frankfurt-Mannheim ein Irrtum unterlaufen?

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Ich bin auf die Darlegungen, die Herr Minister Franke vorgetragen hat, bereits in einer Stellungnahme eingegangen, die im Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung vom 24. Februar 1961, Seite 338, unter der Überschrift „Unberechtigte Vorwürfe gegen die Straßenbaupolitik des Bundes" abgedruckt ist. Ich darf auf diese Veröffentlichung Bezug nehmen. Die Richtigkeit der von mir in dieser Entgegnung verwendeten Zahlen wird Herr Minister Franke nicht bestreiten können. Setzt man die Verlustzahlen im Zwölfmonatsabschnitt August 1957 bis Juli 1958 - dem letzten Jahr vor Einführung der Geschwindigkeitsbegrenzung auf der Autobahn Frankfurt-Mannheim - gleich 100, so betrug die Kennzahl der Getöteten und Verletzten auf dieser Strecke bei Geschwindigkeitsbegrenzung im Zeitraum August 1958 bis Juli 1959 72 % und in den entsprechenden Monaten 1959/60 87 %, dagegen auf den übrigen hessischen Autobahnstrecken 1958/59 112 % und 1959/60 140 %. Für Unfälle mit nur Sachschaden lauten die Zahlen für 1958/59 94 :125 und für 1959/60 140 :158. Die Entwicklung war also auf der geschwindigkeitsbeschränkten Strecke wesentlich günstiger. An der in diesem Vergleich zum Ausdruck kommenden Tendenz ändert sich auch nichts, wenn man die relativ sehr hohen Unfallzahlen der Monate August und September 1957 eliminiert. Ich werde Ihnen, sehr geehrter Herr Kollege, auf Wunsch gern noch weiteres Zahlenmaterial schriftlich zuleiten.

Dr. Rolf Dahlgrün (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000348, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Danke sehr.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Ich komme zur Frage VII/3 - des Abgeordneten Josten -: Welche Pläne hat die Bundesregierung, um die Ahrstrecke der Bundesbahn zu elektrifizieren?

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Es ist nicht beabsichtigt, die Ahrstrecke der Deutschen Bundesbahn zu elektrifizieren. Sie wird nach und nach verdieselt werden.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Josten.

Johann Peter Josten (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001034, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß wir durchgehende Züge haben, die aus dem Raum Dortmund-Köln zur Ahr - nach Bad Neuenahr bzw. Ahrweiler - fahren, und wären Sie bereit, in Ihrem Hause überprüfen zu lassen, ob die Strecke wenigstens bis dorthin elektrifiziert werden kann, damit diese Züge aus dem rheinischen Raum wie bisher ohne wesentlichen Aufenthalt in Remagen durchfahren können?

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Es würde zweifellos wirtschaftlich nicht gerechtfertigt sein, wenn wegen der Ausflugszüge an die Ahr eine Elektrifizierung erfolgen sollte. Wenn aber die Strecke verdieselt ist, wird natürlich nach wie vor ein Umspannen in Remagen erforderlich sein. Dieser kurze Aufenthalt muß eben hingenommen werden.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Ich danke Ihnen, Herr Minister. Ich komme zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen, und zwar zu den Fragen VIII/1 und VIII/2 - des Abgeordneten Berger -: Kann der Herr Bundespostminister erklären, warum Streifbandsendungen fur die 35 km zwischen Duisburg und Herne laut Mitteilung in der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung" vorn 9. Februar 1961 sieben Tage benötigen? Warum wurde laut Mitteilung der „Ruhrnachrichten" vom 11. Februar 1961 ein Brief aus Konstanz mit Poststempel vom 1. Februar 1961 erst am 9. Februar in Herne ausgeliefert?

Dr. h. c. Richard Stücklen (Minister:in)

Politiker ID: 11002281

Herr Präsident! Ich würde vorschlagen, daß ich die Antwort auf diese beiden Fragen zusammenfasse. Die verkehrsmäßigen und organisatorischen Voraussetzungen rechtfertigen eine Verzögerung dieser Art nicht. Ich bitte aber zu bedenken, daß bei einem Massenverkehr von allein 8 Milliarden Briefsendungen im Jahr Fehlleistungen einfach nicht auszuschließen sind.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine Zusatzfrage,

Ulrich Berger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000151, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß nach den Zeitungsmeldungen diese Fehlleistungen recht häufig vorkommen sollen?

Dr. h. c. Richard Stücklen (Minister:in)

Politiker ID: 11002281

Solche Zeitungsmeldungen sind mir nicht bekannt. Ich bitte aber zu bedenken, daß bei 8 Milliarden Sendungen, wenn nur eine Fehlerquote von 1 Promille da ist, ein beachtlicher Teil an Fehlleistungen vorhanden sein muß.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Ich danke Ihnen, Herr Bundesminister. Ich komme zu der Frage aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Wohnungsbau, der Frage des Abgeordneten Büttner. Ist der Bundesregierung bekannt, daß Gemeinden Beschlüsse gefaßt haben, Mieter, deren Mieten für freifinanzierte Wohnungen 30 v. II. des Einkommens übersteigen, auf die Dringlichkeitsliste der Wohnungsuchenden zu setzen?

Not found (Staatssekretär:in)

Ich beantworte die Frage des Herrn Abgeordneten Büttner wie folgt: Beschlüsse dieser Art sind der Bundesregierung nicht bekannt. Die Durchführung der Wohnraumbewirtschaftung ist nach dem Grundgesetz Sache der Länder. Auch die Aufsicht liegt bei den obersten Landesbehörden und nicht bei dem Bundesminister für Wohnungsbau. Wenn aber von einzelnen Gemeinden solche Beschlüsse gefaßt sein sollten, so ist dagegen, - glaube ich - nichts einzuwenden. Die Wohnungen werden von den Wohnungsbehörden nach dem Grundsatz der Dringlichkeit vergeben. Es kann durchaus sein, daß auch jemand, der bereits eine Wohnung hat, noch in die Dringlichkeitsliste aufgenommen wird. So läßt sich z. B. denken, daß jemand zunächst eine freifinanzierte Wohnung gemietet hat, um schnell zu einer Wohnung zu kommen, die Miete aber auf die Dauer nicht bezahlen kann. Vielleicht haben sich auch nachträglich seine Einkommensverhältnisse geändert. Wenn die Wohnungsbehörden sich solcher Fälle annehmen, so muß man diese Praxis billigen. In Zukunft wird dieses Problem durch das soziale Miet- und Wohnrecht gelöst werden. Eine der wesentlichsten Aufgaben des hierfür vorgesehenen Gesetzes wird es sein, den Mietern, deren Miete unzumutbar hoch ist, die Wohnung wirtschaftlich zu sichern.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Büttner.

Fritz Büttner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000301, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Darf ich Sie, Herr Staatssekretär, da Ihnen solche Beschlüsse nicht bekannt sind und da mir aus meiner kommunalpolitischen Tätigkeit konkrete Fälle vorliegen, fragen, ob Sie der Ansicht sind, daß das Problem der Wohnungen für junge Ehepaare durch das Ansteigen der Dringlichkeitsfälle immer schwieriger wird?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, das Problem der Wohnungen für junge Ehepaare läßt sich nur durch einen Neubau von Wohnungen für diese Bevölkerungsgruppe lösen, nicht durch die Wohnraumbewirtschaftung,

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter!

Fritz Büttner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000301, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, wegen der geschilderten Verhältnisse in dieser Richtung mehr für junge Ehepaare zu tun, als das nach den jetzigen Unterlagen vorgesehen ist?

Not found (Staatssekretär:in)

Es sind Schritte in dieser Richtung vorgesehen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär. Damit stehen wir am Ende der Fragestunde. Ich rufe auf Punkt 2 der Tagesordnung: Beratung der Sammelübersicht 32 des Ausschusses für Petitionen ({0}) über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages zu Petitionen ({1}). Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Antrag ist angenommen. Wir kommen zu Punkt 3 der Tagesordnung: Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1961 (Haushaltsgesetz 1961 ({2}) ; Berichte des Haushaltsausschusses ({3}). Ich rufe zunächst auf: Einzelplan 01 - Bundespräsident und Bundespräsidialamt ({4}). Ich erteile der Berichterstatterin, Frau Abgeordneten Rösch, das Wort.

Julie Rösch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001872, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Der Einzelplan 01 - Bundespräsident und Bundespräsidialamt - liegt Ihnen vor. Geringfügige Änderungen bitte ich diesem Einzelplan - Drucksache 2500 - zu entnehmen. Ich bitte um Ihre Zustimmung.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Ich danke der Frau Berichterstatterin. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Einzelplan 01 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Auch keine Enthaltungen; einstimmig angenommen. Wir kommen zum Einzelplan 02 - Deutscher Bundestag ({0}). Ich erteile das Wort der Frau Abgeordneten Rösch als Berichterstatterin.

Julie Rösch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001872, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Der Einzelplan 02 - Deutscher Bundestag - liegt Ihnen mit Drucksache 2501 vor. Wir haben in diesem Jahr keinen Überrollungshaushalt wie in den letzten Jahren. Deshalb ist es uns auch möglich gewesen, den vermehrten Anforderungen an die Verwaltung dadurch Rechnung zu tragen, daß wir die seit langem gewünschten und notwendigen Stellenhebungen durchgeführt haben. Einzelheiten können Sie aus der Drucksache 2501 entnehmen. Ich bitte Sie, dem Einzelplan 02 Ihre Zustimmung zu geben.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Ich danke der Frau Berichterstatterin. Wird zur Begründung der Änderungsanträge Umdrucke 787, 798 und 800 das Wort gewünscht? -Herr Abgeordneter Ritzel!

Heinrich Georg Ritzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001860, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem Änderungsantrag der Fraktionen der SPD und der FDP Umdruck 787 wird Ihnen vorgeschlagen, in Kap. 02 01 Tit. 600 - Zuschuß an die Deutsche Parlamentarische Gesellschaft - den Ansatz von 63 500 DM um 10 000 DM auf 73 500 DM zu erhöhen. Ich darf diesen interfraktionellen Antrag kurz begründen. Die Mitglieder des Vorstandes der Parlamentarischen Gesellschaft sind mit dem Hinweis vorstellig geworden, daß die mit dem Haushaltsansatz von 63 500 DM zur Verfügung stehenden Mittel nicht dazu ausreichen werden, die Aufgaben der Parlamentarischen Gesellschaft zur erfüllen. Die Parlamentarische Gesellschaft hat es sich mehr und mehr zur Pflicht gemacht, ein Gespräch zwischen ,den Parteien zu fördern und auch eine Fühlungnahme mit den in Bonn akkreditieren Diplomaten zu ermöglichen. Diesem Zweck galten in der letzten Zeit Veranstaltungen und sollen in der nächsten Zeit Veranstaltungen gelten. Nach einer mir schriftlich vorliegenden Mitteilung würden die allein schon für Mai vorgesehenen Maßnahmen nicht finanziert werden können. Die Parlamentarische Gesellschaft hat ihre Mittel in der letzten Zeit u. a. auch für bauliche Veränderungen in dem ihr zugewiesenen Haus aufwenden müssen. Sie ist ohne Reserven. Nach den mir vorliegenden Mitteilungen wäre sie auch nicht in der Lage, andere zusätzliche Verpflichtungen zu erfüllen, u. a. eine Leistung von 3200 DM für rückständige Lohnsteuer zu entrichten. Sie wäre auch nicht in der Lage, die nachträglich wider Erwarten angeforderten Heizungskosten für die Jahre 1959 und 1960 zu bezahlen. Es handelt sich im ganzen um eine Differenz von etwa 10 000 DM. Mit der Bewilligung dieses Betrages würde vor allem auch ermöglicht werden, das Gespräch zwischen den Parteien und Fraktionen auf dem Boden der Parlamentarischen Gesellschaft ebenso zu pflegen und zu fördern wie die FühlungRitzel nahme zwischen Parlamentariern und den Chefs und Angehörigen der hier akkreditierten diplomatischen Missionen. Aus diesem Grunde schlagen die beiden Fraktionen vor, das Haus möge an Stelle der vorgesehenen 63 500 DM 73 500 DM, also 10 000 DM mehr, für diese Zwecke bewilligen. Ich bitte Sie um Zustimmung.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Damit ist der Antrag Umdruck 787 begründet. Zur Begründung des Antrags Umdruck 800 hat das Wort der Abgeordnete Brese.

Wilhelm Brese (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000264, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem Umdruck 800 habe ich Ihnen den Antrag unterbreitet, den Tit. 954 zu streichen. Er beinhaltet den Umbau bzw. die Umgestaltung des Plenarsaals und Erneuerungsarbeiten. Ich möchte Ihnen zu diesem Antrag meine Gründe sagen. Auf unserem Volke liegt eine große Abgabenlast, und wenn wir hier über unseren Haushalt, der ein Volumen von 48 Milliarden DM erreicht hat, verhandeln, so weiß ich, daß man sich weithin Gedanken darüber macht, wie die Entwicklung weitergehen soll. Ich stehe auf dem Standpunkt, daß wir nach dem verlorenen Kriege und nach dem Zusammenbruch alle Ursache haben, in unserem ganzen Leben einen bescheidenen Stil zu wahren. Deswegen bin ich dagegen, hier, wo wir optisch im Blickpunkt des ganzen Volkes stehen, zu solch einer Änderung zu kommen und einen Betrag von 1,2 Milliarden DM für den Umbau dieses Saales einzusetzen. ({0}) - Millionen! Ich habe in letzten Monaten im Haushaltsausschuß immer nur von Milliarden gehört; nehmen Sie es mir deshalb nicht übel, wenn ich jetzt Milliarden und Millionen verwechsele. Es ist aber nicht allein der Gesichtspunkt der Sparsamkeit, wenn ich einmal so sagen darf, der mich dazu bewegt, diesen Antrag einzubringen. Ich bin auch der Meinung, die Umorganisation ist völlig überflüssig. Die Würde dieses Hauses hängt nach meiner Meinung nicht von dem Raum ab, in dem wir tagen, die Würde dieses Hauses hängt vielmehr von uns selber ab, davon, wie wir uns hier dem Volke gegenüber zeigen. ({1}) Ich kenne die Gründe der Damen und Herren, die für die Änderung dieses Saales eintreten. Es sind wohlerwogene Gründe. Sie haben das englische Vorbild vor Augen, und Sie sehen, wie man im Londoner Parlament tagt. Ich habe das englische Parlament gesehen, ich habe aber auch das Repräsentantenhaus in Washington und den Reichstag in Tokio gesehen. Ich weiß nicht, ob das englische Vorbild für uns das richtige ist. Ich möchte es bezweifeln; denn wir haben Beispiele dafür, daß das Kopieren englischer Verhältnisse auf unsere Verhältnisse nicht immer richtig ist. Dabei möchte ich die Wehrmacht erwähnen, da hat es auch Versuche gegeben. Ich möchte aber auch die Politik in der früheren britischen Zone erwähnen und hier nur das Wort „Zweigleisigkeit" einmal nennen. Auch das hat sich nach meiner Meinung nicht bewährt. ({2}) Warum sollen wir denn nun mit unserer Tradition brechen und ausgerechnet an dieser Stelle einen neuen Versuch machen? Ich stehe auf dem Standpunkt: nichts wäre falscher für uns, als nun auch noch Experimente in diesem Saal zu machen. ({3}) Ich habe mir auch sagen lassen, daß der Saal, wie wir ihn jetzt haben - wir haben ihn ja schon einmal umgestaltet -, durchaus unschön geworden sei. Ein prominenter Vertreter hat mir gesagt, der Adler verunziere diesen Raum. Ja, darüber kann man sicher streiten. Der Adler soll zu groß und zu fett geworden sein. Er ist nun eben ein Symbol. Ich bin der Meinung, auch der nächste Adler der hier angebracht wird, wird zur Kritik Anlaß geben. Es ist also kein Grund zum Renovieren und Umbau dieses Saals vorhanden, Deswegen habe ich den Antrag auf Streichung des Tit. 954 eingebracht. Sollten Ausbesserungsarbeiten vorgenommen werden müssen, so verweise ich auf Tit. 204 „Unterhaltung der Gebäude" - 243 000 DM haben wir dafür eingesetzt - und Tit. 205 „Kleinere Neu-, Um- und Erweiterungsbauten . . .", wofür 100 000 DM im Etat stehen. Ich glaube, mit diesen 343 000 DM sind die vielleicht notwendigen Renovierungen in diesem Saal durchzuführen. Meine Damen und Herren, ich bitte darum, daß Sie diesem meinem Antrag zustimmen. ({4})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort zur Begründung des Antrags Umdruck 798 hat der Abgeordnete Dr. Bucher.

Dr. Ewald Bucher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000288, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann mich weitgehend auf die Begründung stützen, die Herr Kollege Brese für seinen Antrag gegeben hat. Der Antrag geht weiter als der unsere. Wir wollen die Mittel für die Instandsetzung nicht streichen, obwohl auch sie uns reichlich hoch bemessen zu sein scheinen; so instandsetzungsbedürftig ist das hier ja nicht gerade. Für unsere Haltung ist nicht nur der Grundsatz maßgebend „Keine Experimente!"; Herr Brese hat immerhin das Verdienst, den Beifall der FDP für diesen bisher so erfolgreich vertretenen Grundsatz hervorgerufen zu haben. Es gibt aber noch zwei andere Gründe. Einmal ist das englische Vorbild, das ja gewiß ein altes Steckenpferd unseres hochverehrten Herrn Präsidenten ist, eben auf ein dort seit vielen Jahrzehnten bestehendes Zweiparteiensystem zugeschnitten. ({0}) Dieses Zweiparteiensystem besteht bei uns nicht. Ob es jemals bestehen sollte, darüber hat nicht ein Architekt, sondern darüber hat der Wähler zu entscheiden . ({1}) Er hat es bis jetzt nicht so gewollt. Zum zweiten versprechen wir uns davon auch keine wesentliche Verbesserung der Verhandlungen in diesem Hause. Herr Brese hat schon davon gesprochen, daß sich der Geist der Verhandlungen durch die Architektur sowieso nicht beeinflussen läßt. Zu diesem weitschichtigen Thema ist ja vielleicht nachher im Zusammenhang mit dem Einzelplan 04 noch manches zu sagen. Ich will mich jetzt darüber nicht verbreiten, aber das eine sagen - ich spreche nur vom rein Technischen -: Die Urheber der Umbauplane stellen sich vor, daß es eine lebhafte Diskussion hin und her geben wird, wenn man dieses Schema bei uns einführt. Aber schauen Sie sich unseren Saal an, und vergleichen Sie damit das englische Unterhaus! Unsere Stenographen haben in der letzten Nummer ihrer Zeitschrift eine sehr gute Ubersicht über die Parlamentssäle mit Bildern gebracht. Da wird es ganz klar: Selbstverständlich, im englischen Unterhaus gibt es eine Diskussion hin und her, einfach auf Grund der Tatsache, daß das Haus auf beiden Seiten aus nur je fünf Bänken besteht. Hier gibt es eine sehr intime, eine sehr diskussionsfreundliche Atmosphäre, während das in unserem Riesensaal so oder so nicht der Fall sein wird. Ich könnte mir vorstellen, daß die Reform einen Sinn hätte, wenn man, was ursprünglich geplant war, auf die sogenannten Bauchläden verzichtet hätte. Da man das aber nicht tun, sondern diesen Raum in dieser Größe belassen will, wird der praktische Nutzeffekt aus dem Geld, das man hierfür ausgibt, sehr gering sein. Aus diesem Grunde bitten wir Sie, unserem Antrag auf Streichung der hierfür vorgesehenen Mittel zuzustimmen. ({2})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort zur Begründung eines Eventualantrags hat der Abgeordnete Memmel.

Linus Memmel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001466, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe einen Eventualantrag für den Fall, daß nicht gemäß dem Antrag auf Umdruck 798 der Sperrvermerk gestrichen wird. Dann möchte ich nämlich haben, daß man in dem Sperrvermerk, der bis jetzt lautet: Von den Mitteln sind 700 000 DM gesperrt und dürfen nur mit vorheriger Zustimmung des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages freigegeben werden, die beiden Worte „des Haushaltsausschusses" streicht. Damit erreicht man, daß die Mittel nur mit Zustimmung des Deutschen Bundestages freigegeben werden können. Ich wünsche das nicht deswegen, weil der Haushaltsausschuß sonst über eine Summe von 700 000 DM verfügen könnte - er verfügt sonst über höhere Summen -, sondern deshalb, weil diese 700 000 DM das ganze Plenum berühren. Daher wäre die Streichung der zwei Worte „des Haushaltsausschusses" am Platze.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Abgeordneter Memmel, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Conring?

Linus Memmel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001466, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte! Ich bin an sich fertig.

Dr. Hermann Conring (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000336, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Memmel, ist Ihnen bekannt, daß, wenn Ihr Antrag angenommen würde, es der Zustimmung des Haushaltsausschusses natürlich nicht mehr bedürfen würde, daß dann aber ganz allein die Zustimmung des Finanzministers übrig bliebe und daß das Plenum überhaupt nicht gefragt zu werden brauchte? Deshalb bitte ich Sie, Ihren Antrag zurückzuziehen.

Linus Memmel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001466, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Das ist mir nicht bekannt, Herr Kollege Conring. Ich will mit dem Antrag nur erreichen, daß nicht der Haushaltsausschuß allein über diese 700 000 DM, die uns alle in diesem Hause berühren, zu entscheiden hat, sondern das Plenum.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Gerstenmaier.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000669, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, hier wird nicht meine Sache verhandelt. Ich könnte dem Hause sagen: tua res agitur; deine Sache und nichts anderes wird verhandelt. Ich bin den Herren Vorrednern dankbar; denn sie haben mir die Möglichkeit gegeben, hier noch einige Worte der Erklärung für einen Gedanken auszusprechen, von dem ich meine, daß er durch die Fraktionen hindurch - ich muß allerdings bedauerlicher; weise die FDP ausnehmen - Anhänger und Gegner hat. Lassen Sie mich in aller Ruhe und ohne jede Leidenschaft einige Bemerkungen zur Sache machen. Es gibt drei Grundtypen des Parlamentssaales in parlamentarischen Demokratien oder in Demokratien, in denen das Parlament jedenfalls ein bestimmendes Wort zu sagen hat. Es ist der englische Grundtyp, es ist der Grundtyp, den wir im Europaratssaal in einer, wie ich meine, idealen Form und, infolge der höheren Abgeordnetenzahl etwas abgewandelt, in ,der französischen Kammer vor uns haben, und es gibt schließlich den Typ, den wir hier haben. Ich möchte nichts zu den beiden anderen Typen sagen. Ich möchte nur sagen, ,daß dieser Saal, so wie er vor uns ist, dem Charakter des Hörsaals folgt, an den wir vom Kindergarten über die Grundschule und die höhere Schule bis zur Universität völlig gewöhnt sind. ({0}) Dazu gehört der ganze Aufbau hier: Einer spricht, alles sieht her. Den meisten Kollegen ist es allerdings gewöhnlich langweilig, immer hinzuhören und zu dem einen hinzusehen, der da oben steht, und deshalb beschäftigen sie sich anderweitig. Was dieser Saal aus seiner Mitte verbannt - eigentlich künstlich verbannt -, ist eine echte, gesteigerte Chance der Diskussion. Nun muß ich noch ein Wort zu dem sagen, was der Herr Kollege Bucher hier vorgetragen hat. Herr Kollege Bucher, bei dem Vorschlag, den ich für einen Teil des Hauses zu vertreten habe, gebe ich zu, daß für die besondere Position der FDP eine Schwierigkeit besteht. Ich habe Verständnis dafür, daß Sie Wert darauf legen, die Opposition in diesem Hause in einer vorsichtig gestuften Form zur optischen Darstellung zu bringen. ({1}) Vorsichtig gestuft! Aber, meine Damen und Herren, ich bin der Meinung: wenn man schon in der Opposition ist, sollte man doch auch den Mut haben, das klar kundzutun. ({2}) Es ist doch keine Schande, in der Opposition zu sein. So ist es doch gar nicht. Es ist gar keine Schande, in der Opposition zu sein, obwohl - das sage ich auch ganz freimütig - es Fälle gibt im Leben einer Nation, auch im Leben einer parlamentarischen Demokratie, in denen noch etwas anderes denkbar sein könnte, als daß man sich in Opposition und Regierungskoalition als feindlicher oder mindestens gegnerischer Haufen gegenübersteht. Ich bekenne mich dazu, daß es im Leben einer Nation solche Situationen gibt. Aber die Realisierung einer solchen Situation wird nicht dadurch für ewige Zeiten verhindert, daß man in diesem Saal eine andere Möglichkeit der Diskussion schafft, als wir sie seither gehabt haben. Ferner, Herr Kollege Bucher: es gehört nach meiner Überzeugung, soweit ich mir die klassische Literatur des politischen Liberalismus in Deutschland vergegenwärtige, zu ihm der selten in Worte gefaßte Glaube an den Sinn und Wert der Diskussion. Das gehört zum Wesen des Liberalismus - und davon können wir alle etwas lernen -: der Glaube an Sinn und Wert der Diskussion. Nun, meine Damen und Herren, dieses Haus ist, das ist wahr, anders als das englische organisiert. Ein großer Teil seiner Arbeit und seiner Diskussionen vollzieht sich eben nicht hier im Plenum, sondern vollzieht sich in den groß gewordenen Fraktionen, in den Arbeitskreisen, geht von dort in Ausschüsse und Unterausschüsse, so daß ein großer Teil der materiellen Behandlung des Stoffes in den Ausschüssen und Fraktionen erfolgt und das Ganze dann so kondensiert in den Plenarsaal kommt, daß die ernste Gefahr besteht, daß hier die Diskussion zur Sache immer mehr zurücktritt und immer weiter das Bedürfnis vorherrscht, eben einen notwendigen protokollarischen oder richtiger einen quasi notariellen Akt durch eine offizielle Verabschiedung vor dem Plenum zu vollziehen. Man kann das beklagen oder man kann es begrüßen, aber es ist jedenfalls die Misere, unter der kraft der inneren Organisation dieses Hauses die Plenardebatte leidet. Um so mehr besteht doch ein Bedürfnis danach, das Wenige, was dem Plenum an Diskussion noch möglich ist, so echt und lebendig und so vielgestaltig wie möglich zur Darstellung zu bringen. Und hier kann ich nur sagen, Herr Kollege Brese: ich verstehe Ihre Argumente wirklich nicht. Sie kommen und sagen, das deutsche Volk werde nicht verstehen, daß seine oberste frei gewählte Vertretung eine denkbar lebendige, eine denkbar sachgerechte Diskussion zur Sache führe. Das sind doch keine Argumente, Herr Kollege Brese. Sie unterschätzen einfach das deutsche Volk. ({3}) Wenn es nach Ihrem Antrag ginge, würde dem Präsidenten des Hauses sogar die Möglichkeit genommen, allein dieses Wahrzeichen hier etwas zu revidieren. Das ist doch fällig. Ich denke an unseren Bundesadler, der die Stirnseite des Saales ziert. Nicht einmal den dürfte man dann vielleicht etwas umgestalten. Wenn es nach Ihnen ginge, dürften wir hier auch nicht einmal fragen, ob wir den notwendigen Anstrich erneuern dürften. Das geht doch nicht. Das ist eine Unterschätzung des deutschen Volkes, die können Sie diesem Parlament und dem deutschen Volk nicht zumuten. Meine Damen und Herren, ich möchte auch noch eine Bemerkung zur Sache machen. Ich habe jetzt bald sieben Jahre die Ehre, Bundestagspräsident zu sein. In unserer Geschäftsordnung steht, daß der Abgeordnete in freier Rede spricht. Ich habe längst die Ermahnungen an die einzelnen Mitglieder des Hauses aufgegeben, doch um Gottes willen endlich einmal der Geschäftsordnung zu folgen und in freier Rede zu sprechen. Solange Sie diese Organisation mit Pult und Anmarsch haben, werden Sie das nicht schaffen. Und Sie werden gleichzeitig einer großen Reihe von Abgeordneten, die sich schwer entschließen, hier heraufzusteigen, die aber wenigstens mit kurzen Diskussionsbemerkungen durchaus etwas zu sagen hätten und die der allgemeinen Debatte viel mehr Farbe, Individualität geben und ihre Stimme mit in das Konzert dieses Hauses bringen könnten, eine weitere Möglichkeit verweigern. Ich bin deshalb der Meinung, meine Damen und Herren, das Haus gewährt sich selber eine Chance mehr für die Erfüllung des Auftrags, der ihm vom deutschen Volk geworden ist, und das Haus gewährt vor allem den Abgeordneten eine Chance mehr, die nicht in der ersten Reihe der Fraktionssprecher sitzen und die nicht einem auserwählten Expertenkreis angehören, der hier der Natur der Gegenstände nach so oder so das Wort führt. Wir wollen hier in der allgemeinen Diskussion möglichst viele mit redlichen Gesichtspunkten und eigener Stimme zu Gehör gebracht wissen. Deshalb ist es notwendig, daß der Saal umgestaltet wird - nur so kommen wir zu einer Diskussion - und daß wir dieses Instrumentarium hier etwas beseitigen. Kurz und gut, meine Damen und Herren, ich bitte Sie, sämtliche Änderungsanträge, die hier begründet worden sind, abzulehnen. ({4})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Carlo Schmid.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001993, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch ich möchte mich für meine Person dem Antrag unseres Präsidenten anschließen. In dieser Sache werden ja wohl alle Redner für ihre Person sprechen und nach ihren persönlichen Vorstellungen abstimmen. Ich freue mich, daß wir einmal Gelegenheit haben, den Auftrag zu erfüllen, den uns das Grundgesetz gibt, nämlich allein nach der Stimme unseres Gewissens und allein nach unserer selbst überlegten Meinung abzustimmen. ({0}) Wir haben jetzt eine ausgezeichnete Gelegenheit, zu zeigen, wie wir Gewissen mit Verstand verbinden können. ({1}) Manche Reden, welche von den Kollegen gehalten wurden, die Änderunganträge begründet haben, klangen mir so, als sei das Problem, mit dem wir - um in einer uns geläufigen Sprache zu reden -,,ringen", das, die Aufgabe zu lösen, den Saal zu verschönern, also etwas für die Ästhetik dieses Saales zu tun. Man könnte manches für die Ästhetik dieses Saales tun. Aber darum handelt es sich doch in Wirklichkeit gar nicht. Doch nun zunächst ein Wort an unsere Kollegen, die auf die Pflicht zur Sparsamkeit abstellen! Natürlich haben wir sparsam zu sein, und natürlich ist eine Etatdebatte immer auch ein Anlaß, zur Sparsamkeit zu raten. Aber, meine Damen und Herren, gerade eine Republik, gerade eine Demokratie muß es sich abfordern, in würdiger Form auch nach außen zur Darstellung zu kommen! ({2}) Eine Demokratie, eine Republik, die sich versteckt, die immer wieder zum Ausdruck bringt: „Für mich ist äußere Würde zu teuer", hat etwas von ihrem Pathos und damit von ihrer Würde abgegeben, ({3}) und die überschauende Weisheit der Rechnungshöfe über das Bedürfnis der Nation gestellt in allem, was von ihr sichtbar wird, ihrer Selbsteinschätzung gemäß vergegenwärtigt zu sein. ({4}) Aber es handelt sich doch nicht um Verschönerung des Saales. Es handelt sich darum, daß wir, einige von uns - ich hoffe, die Mehrheit dieses Hauses -, möchten, daß es in diesem Raume unter uns anders zugehe als bisher. Der Herr Präsident hatte recht, als er sagte, wir seien von Jugend auf, vom Kindergarten bis zum Hörsaal, an das Lehrhausschema gewöhnt. Die ältesten Kindheitseindrücke pflegen am dauerhaftesten zu sein. ({5}) Manchmal habe ich den Eindruck, daß unsere Erinnerungen an die Kindergartenzeit gelegentlich so stark sind wie die Erinnerungen an die Hörsaalzeit. ({6}) - Ich wollte damit niemanden beleidigen. ({7})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Meine Damen und Herren, ich darf Sie um etwas Ruhe für den Redner bitten.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001993, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Es handelt sich darum, ob die Struktur des Saales uns zwingt, Vorlesungen anzuhören, odor ob sie uns veranlaßt, zu diskutieren, weil wir uns dann einander nicht nur in einem doch recht abstrakten Sinne gegenübersitzen. Das einander politisch Gegenüberstehen muß auch sichtbar zum Ausdruck kommen. Durch diese Sichtbarkeit wird aus der Abstraktion lebendige Wirklichkeit werden. Man fürchte doch nicht, daß damit die Vorstellung, Politik sei ein Freund-FeindVerhältnis, unterstrichen werden könnte! Wenn sich Freunde auseinandersetzen, bleiben sie doch Freunde! Auch ein Freund-Freund-Verhältnis - das sollte Demokratie sein - kann auf diese Weise einen sachgerechteren Ausdruck finden als im Hörsaalmodell. Es wäre gut, wenn in diesem Raume der Bundeskanzler - der jeweilige Bundeskanzler - dem jeweiligen Führer der Opposition so gegenübersäße, daß beide das Weiße im Auge des anderen sehen könnten. ({0}) Manches würde dann vielleicht anders gesagt, als es heute gesagt wird, und manches würde vielleicht nicht gesagt werden, wenn der Sprecher sähe, daß sein Gegenüber sein Gesicht fest ins Auge faßt. Vor allen Dingen wäre es gut, wenn wir, wie es im englischen Unterhaus der Fall ist, von unserem Platz aus reden könnten und wenn wir das Auge des Präsidenten einfangen könnten, um das Wort erteilt zu bekommen, nicht irgendwann, sondern unmittelbar nach einem bestimmten Gesagten. Das ergäbe dann endlich eine lebendige Diskussion.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Abgeordneter Dr. Schmid, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Zoglmann?

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001993, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Bitte sehr!

Siegfried Zoglmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002605, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Professor Schmid, Sie haben eben gesagt, daß sich die Gegner Auge in Auge gegenüberstehen müßten. Würden Sie bitte die Frage beantworten, was Sie dann mit diesem Saal tun, wenn in diesem Parlament vielleicht einmal eine große Koalition besteht? ({0})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001993, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Abgeordneter Zoglmann, es tut mir leid, ich kann Ihre Frage nicht beantworten. Ich habe sie akustisch nicht verstanden. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Vielleicht, Herr Abgeordneter Zoglmann, wollen Sie Ihre Frage wiederholen.

Siegfried Zoglmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002605, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich habe Sie gefragt, Herr Kollege Schmid, was Sie dann tun, wenn in diesem Saal eine große Koalition amtiert.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001993, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Abgeordneter Zogelmann, das würde ich dem Talent der FDP, sich wandelnden Situationen gegenüber wandlungsfähig zu verhalten, überlassen. ({0}) Meine Damen und Herren, Herr Abgeordneter Brese hat ein in der Bundesrepublik nicht ungeläufiges Wort gebraucht. Er sprach von Experimenten auch in diesem Saal: Keine Experimente mit diesem Saal! Herr Abgeordneter Hilbert, ich weiß, Sie sind kein Freund von Experimenten. Sie halten es mehr mit den guten alten Gewohnheiten des Hotzenwaldes. Nun, meine Damen und Herren, wagen wir doch einmal ein Experiment, das sich immerhin in anderen Ländern seit einigen Jahrhunderten bewährt und segensreich ausgewirkt hat! ({1})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat Herr Abgeordneter Schoettle.

Erwin Schoettle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002061, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich weder in den Bereich der politischen Philosophie noch in den der Ästhetik versteigen; das ist nicht meine besondere Begabung. Ich möchte zur Sache reden. Ich halte den Antrag des Herrn Kollegen Brese für falsch, weil ich glaube, daß er den Bedürfnissen dieses Hauses nicht entspricht. Ich halte den Antrag der Fraktion der FDP für richtig. Einige meiner Freunde und ich werden ihm zustimmen. Ich will auch die Gründe dafür sagen. Ich halte nichts von Illusionen. Daß man Verstand mit irgend etwas anderem paaren kann, Herr Kollege Schmid, ist eine Sache für sich. Aber Verstand ist schließlich nicht das Monopol bestimmter Leute. Unsereiner kann wohl für sich in Anspruch nehmen, daß er auch noch etwas von dieser Qualität hat. ({0}) Ich meine, man sollte nicht Illusionen nähren, als ob durch einen Umbau dieses Saales das politische Klima, das Verhältnis der Gruppen zueinander geändert werden könnte. ({1}) Man sollte einfach zur Kenntnis nehmen, daß das politische Klima, das heute in der Bundesrepublik vorhanden ist, ein Resultat einer bestimmten politischen Entwicklung ist, die man nicht durch architektonische Kunststücke verändern kann. ({2}) Ich halte dafür, daß man auch in diesem Plenarsaal noch einiges machen kann. Man kann in diesem Hause überhaupt noch manches machen. Man könnte z. B. dafür sorgen, daß die Arbeitsmöglichkeiten der Abgeordneten verbessert werden. ({3}) Man könnte z. B. dafür sorgen, daß auch - ich will das ganz deutlich aussprechen - die Arbeitsbedingungen des Personals auf bestimmten Gebieten verbessert werden. ({4}) Man könnte, gerade wenn man am Plenarsaal noch herumdoktern will, dafür sorgen, daß Regierung und Bundesrat endlich auf die Ebene dieses Parlaments gesetzt werden, ({5}) schon damit die Herren Abgeordneten - von den Damen habe ich es noch nicht bemerkt - nicht während der Plenartagungen hier an dieser Klagemauer mit dem Rücken zum Hause stehen und bei der Regierung antichambrieren müssen. ({6}) Das wäre auch ein ästhetischer Gewinn. Kurz und gut, ich werde für den Antrag der FDP stimmen. Einige meiner Freunde werden es anders halten; aber das ist nun einmal so Brauch hier. ({7})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Mommer.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001529, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Einige kurze Bemerkungen! Nein, diejenigen, die für den Umbau dieses Saales sind - und ich gehöre zu ihnen -, haben nicht die Illusion, als ob man durch den Umbau à la Unterhaus gleich die Atmosphäre des Unterhauses hier schaffen könnte. Herr Bucher hat schon darauf hingewiesen, daß wir dann auch nur fünf Bänke haben müßten. Herr Bucher, es würde mich interessieren, ob Sie für einen solchen Antrag wären. Ich wäre bereit, mitzustimmen. Aber ich glaube nicht, daß es in diesem Hause für einen solchen Antrag eine Mehrheit gibt. Nein, es geht nicht darum, Illusionen über die Atmosphäre des Hauses in bezug auf die Architektur des Hauses zu haben. Es geht nur darum, daß wir uns hier einen Augenblick auf das besinnen, was wir alle aus eigener Erfahrung wissen. Wir alle sind Versammlungsredner, meine Damen und Herren. Jeder von uns muß doch zugeben, daß er als Redner in sehr verschiedenem Maße Kontakt mit seinen Zuhörern hat, je nachdem, wie der Saal aussieht, in dem er spricht, je nachdem, wie er zu seinen Zuhörern steht und sitzt. Ich selber erlebe das immer wieder und habe es noch am letzten Wochenende erlebt. Ich mußte in zwei Versammlungen zu dem gleichen Thema reden. Wie verschieden war der Kontakt und wie verschieden war die Wirkung meiner Rede in einem scheußlichen Saal gewesen, und wie zufrieden war ich mit mir und waren auch die Zuhörer mit mir in einem geeigneten, guten Saal, in dem mich die Zuhörer umgaben. Wir haben doch auch Erfahrungen aus anderen Parlamenten. Viele von uns gehören dem Europarat an oder haben ihm angehört. Dort spricht man vom Platze aus, dort ist man von seinen Kollegen umgeben, und dadurch, daß man dort nicht doziert, wie man es hier tun muß, sondern zu seinen Kollegen Auge in Auge spricht, kommt ein anderer Ton hinein. Man meint, wir könnten die Atmosphäre des Hauses nicht mit einem Schlag ändern. Wir sollten sie ändern! Das Funktionieren dieses Hauses ist entscheidend für den Bestand dieser Demokratie in Deutschland. Jeder von uns, der glaubt, an einem Ende etwas zu dem beitragen zu können, was in Richtung auf Stabilisierung und auf Ausbau der demokratischen Freiheit und ihrer Institution hier getan werden könnte, der sollte dafür sein, da etwas zu tun, wo etwas getan werden kann, und sei es auch nur ein bescheidener kleiner Beitrag. Ich bin sicher: wenn wir hier aus diesem Hörsaal wegkommen - man könnte es auch eine große Scheune nennen -, dann ergeben sich Verbesserungen. Wer von uns hätte 1949 diesen Saal so bauen lassen, wenn er vorher gefragt worden wäre und die Gelegenheit gehabt hätte, sich einmal in der Welt umzusehen, wie Plenarsäle aussehen und wie sie aussehen sollten? ({0}) Dieser Saal ist der schlechteste Saal in der Welt, den ich kenne, und ich habe mir schon einige angesehen, meine Herren. ({1}) Ist er uns denn so ans Herz gewachsen, nachdem Leute, die nicht mit uns zu tun hatten, die uns nicht fragen konnten, uns ihn hier so hingesetzt haben nach dem Modell der Kinderschule, der Schule und des Hörsaals? Nein! Hier muß etwas geschehen. Und wer z. B. das Anliegen hat, daß die Bundesregierung hier nicht als Obrigkeit auch im Höhenunterschied gleich so viel höher sitzt als wir, sondern daß wir sie zu uns hineinnehmen, wo sie hingehört als Ausdruck und Komitee dieses Hauses, das gleichzeitig wieder eigenes Verfassungsorgan ist - wer das haben will, daß sie als unseresgleichen erscheint, als die von diesem Hause, von der Mehrheit des Hauses damit Beauftragten, die Regierungsgeschäfte zu führen, wer das will, der muß dieser Lösung zustimmen und darf nicht glauben, daß man das auf irgendeine andere Weise erreichen könnte. Herr Bucher, es ist nicht so, daß die Unterhauslösung notwendigerweise eine Zweiparteienlösung ist. Schließlich gibt es auch in Großbritannien eine liberale Partei und liberale Abgeordnete. Ihre Zahl ist noch geringer als die der liberalen Abgeordneten hier in diesem Hause, aber sie sind da, und sie finden im Unterhaus Platz. Auch ich bin voll Vertrauen, daß wir mit allen Situationen fertig würden, auch in der Konstruktion, wenn es einmal mehr Fraktionen gäbe, als das gegenwärtig der Fall ist, oder wenn es einmal andere Kombinationen in der Koalition geben sollte, als wir sie bisher gehabt haben. Deswegen, meine Damen und Herren: hier ist eine Gelegenheit, etwas zu tun, und wenn wir sie verpassen, dann wird sie für viele Jahre vorüber sein. ({2})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Krone.

Dr. Heinrich Krone (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001225, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Schoettle, ich möchte Ihnen in der sehr nüchternen Darstellung dieser Frage folgen. Aber in einem möchte ich Ihnen nicht folgen, wenn Sie als Argument gegen den Umbau gesagt haben: Sorgt erst einmal für bessere Arbeitsmöglichkeiten! Beides ist notwendig. ({0}) Sie sind viel zu sachlich, Herr Kollege Schoettle, um nicht zu wissen, daß das Argument im Grunde nicht zieht. Ein zweites: Daß das Niveau des Parlamentes nicht in erster Linie von der Technik abhängt, weiß jeder im Hause. Aber es ist die Frage, ob wir durch einen besseren Umbau des Hauses auch mit dazu beitragen, daß die politische Diskussion besser wird, - und das glaube ich, ist möglich. Argumente will ich nicht mehr anfügen. Ich bitte meine Fraktion, doch mit großer Mehrheit dem zuzustimmen, was gestern in unserer Fraktion beschlossen worden ist. ({1})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Gerstenmaier.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000669, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Meine Damen und Herren! Diejenigen, die für diesen Vorschlag sind, folgen nicht der Illusion - Herr Kollege Schoettle, wenn Sie mir einen Augenblick Ihr Ohr leihen wollen ich möchte es jetzt in einem Beispiel sagen, damit es jedermann genau versteht -, daß z. B. eine Bachsche Fuge von der Orgel gemacht wird. Aber Sie sind der Meinung, daß eine ausgezeichnete Orgel einer Bachschen Fuge eben gerade angemessen ist. Und gerade das, was in diesem Beispiel gemeint ist, gilt auch hier: Ein Saal, der der Diskussion möglichst gerecht wird, ist geD. Dr. Gerstenmaier rade gut genug für das Unternehmen, dem wir uns hier zu stellen haben. ({0}) Herr Kollege Mommer hat vollkommen recht: Sie bringen doch diese Organisation - ich meine die Aufbauten für die Bundesregierung und den Bundesrat - nicht in eine andere Form und Gestalt, wenn Sie nicht an das Gesamtproblem herangehen. Das ist unmöglich, Es wäre doch dilettantisch, wenn ich anfinge, dies oder das zu flicken oder einfach diese Emporen herunterzusetzen. Das ist doch einfach nicht drin. Herr Kollege Schoettle, Sie haben mich auf etwas angesprochen, weshalb ich den amtierenden Präsidenten um die Erlaubnis bitten möchte, als Präsident des Hauses folgendes zu sagen. Dazu ist vielleicht der Abgeordnete nicht befugt, aber schließlich doch derjenige, der als Präsident die Last des Hauses trägt und der nicht erst seit heute, sondern seit mindestens zwei Jahren um diese Sache bemüht ist. Meine Damen und Herren, das sage ich ganz offen, und ich stehe dazu, auch auf die Gefahr hin, daß mir der Vorhalt gemacht wird, ich gedächte in einer übertriebenen Weise Mittel für das Parlament einzusetzen. Auch auf diese Gefahr hin bin ich der Meinung - Herr Kollege Schoettle, darin stimme ich Ihnen zu -, daß es berechtigt ist, z. B. jedem Abgeordneten, der in diesem Hause ein gerüttelt Maß von Arbeit und Last zu tragen hat, einen eigenen ausreichenden - nicht übertriebenen, aber ausreichenden - Arbeitsraum im Laufe der Zeit zur Verfügung zu stellen. ({1}) Das ist das Ziel des Präsidiums. Meine Damen und Herren, Sie wissen aber doch selber, daß wir das nicht einfach aus der Luft gewinnen können. Wir müssen hier Schritt für Schritt gehen und sind dabei von Entscheidungen abhängig, die gar nicht allein in unserer Hand liegen, weil wir in diesem Gesamtkomplex so beschränkt sind, daß ich dem Hause damit nicht kommen möchte, solange nicht die Voraussetzungen so völlig klar sind, daß klare durchgreifende und hinreichende Beschlüsse gefaßt werden können. Man soll aber nicht annehmen, daß wir uns einer Illusion hingeben. Nein, meine Herren, ich bin auch nicht der Meinung, daß schon damit, daß wir jedem einzelnen Abgeordneten einen eigenen Arbeitsraum zubilligen und das zu realisieren versuchen, das politische Klima an sich verändert würde. Aber wir vertreten die Absicht, diesen Saal umzubauen, in der Überzeugung, daß es eine Chance mehr ist für das Haus und für alle seine Mitglieder. Ich bitte darum noch einmal, die Änderungsanträge abzulehnen. ({2})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Lenz ({0}).

Hans Lenz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001323, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diese Diskussion erinnert mich an die Beratungen jenes Kirchengemeinderates, der festgestellt hatte: „Der Geist Gottes weht nicht in unserem Haus; also laßt es uns umbauen!" ({0}) Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, daß man in diesem Hause diskutieren kann, dann war es der Verlauf der letzten halben Stunde. ({1}) Wenn wir uns entschließen könnten, an den Plenarsitzungen teilzunehmen, wenn wir uns entschließen könnten, einander zuzuhören, dann kann man auch in diesem Saal argumentieren und diskutieren. Dann bedarf es keines Umbaues. ({2})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Es liegen keine Wortmeldungen mehr vor. Ich komme damit zur Abstimmung über die Änderungsanträge, zuerst über den Änderungsantrag der Fraktionen der SPD und der FDP auf Umdruck 787 betreffend die Erhöhung des Zuschusses an die Deutsche Parlamentarische Gesellschaft. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die große Mehrheit; der Antrag ist angenommen. Ich komme dann zum Änderungsantrag des Abgeordneten Brese auf Umdruck 800, den Tit. 954 (1 Umgestaltung des Plenarsaals und Instandsetzungsarbeiten - zu streichen. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das zweite ist die große Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Ich komme dann zum Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 798, die Summe in Tit. 954 - Umgestaltung des Plenarsaals und Instandsetzungsarbeiten - um 500 000 DM zu kürzen und den Sperrvermerk zu streichen. Wer ,diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das zweite war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Ich komme damit zu dem Eventualantrag des Abgeordneten Memmel, bei Tit. 954 des Kap. 02 01 die Worte „des Haushaltsausschusses" zu streichen. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Antrag ist abgelehnt. Ich komme nunmehr zur Abstimmung über den Einzelplan 02, Haushalt des Deutschen Bundestages. Wer diesem Haushalt mit der soeben beschlossenen einen Änderung, sonst in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um ,die Gegenprobe. - Der Einzelplan 02 ist angenommen. Dann komme ich zum Einzelplan 03 - Bundesrat ({0}). Vizepräsident Dr. Jaeger Ich erteile das Wort als Berichterstatter dem Abgeordneten Dr. Schild. - Das Haus verzichtet auf den mündlichen Bericht. Es liegen keine Änderungsanträge vor. Wortmeldungen liegen ebenfalls nicht vor. Ich komme zur Abstimmung. Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen! Enthaltungen? - Keine Enthaltungen! - Einzelplan 03 ist einstimmig angenommen. Ich komme nunmehr zum Einzelplan 04 -Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes ({1}) Der Berichterstatter, Abg. Giencke, sitzt zu meiner Linken als Schriftführer und bittet das Haus, deshalb auf eine mündliche Berichterstattung zu verzichten. - Dem Wunsch wird entsprochen. Damit treten wir in die Beratung ein. Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.

Dr. Konrad Adenauer (Kanzler:in)

Politiker ID: 11000009

Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! In den letzten zwei bis drei Wochen haben sich verschiedene Ereignisse vor unseren Augen abgespielt, über die ich kurz zu Ihnen sprechen möchte. Sie wissen, daß gestern und vorgestern der amerikanische Sonderbotschafter Harriman hier gewesen ist und daß er, außer mit mir, mit einer Reihe von Bundesministern Aussprachen gehabt hat. Die Aussprache mit mir war am Montag und Dienstag jedesmal von mehrstündiger Dauer. Herr von Brentano war dabei anwesend. Sie bezog sich insbesondere auf politische Fragen. Herr Harriman hatte von seinem Präsidenten den Auftrag, in den europäischen Hauptstädten festzustellen, welche Ansichten dort über diese oder jene Frage bestünden. Hier eröffnete er die Aussprache am Montag mit der Frage an mich, wie es eigentlich komme, daß in der deutschen Öffentlichkeit über die Absichten des neuen Präsidenten hinsichtlich Europas und hinsichtlich der NATO eine mit den wirklichen Verhältnissen nicht übereinstimmende Ansicht kundgetan werde. Wir haben uns darüber ausgesprochen. Es lagen beiderseits Mißverständnisse vor, Mißverständnisse zunächst auf deutscher Seite, die die Erklärung des Präsidenten Kennedy anscheinend nur unvollständig bekommen hatte. Daraufhin war nun wieder in der Regierung der Vereinigten Staaten eine gewisse Mißstimmung über die Kritik, die hier auch in der Presse laut geworden ist, entstanden. Ich kann Ihnen, meine Damen und Herren, nur ganz positiv folgendes sagen. Die Ansichten des Präsidenten Kennedy über das Verhältnis von Europa und Amerika, die Ansichten des Präsidenten Kennedy über die Verpflichtungen der Vereinigten Staaten gegenüber NATO sind genauso, vielleicht sogar noch etwas pointierter, wie die Ansichten drüben unter dem Präsidenten Eisenhower waren, und ich möchte Sie doch, statt da viele Worte zu machen, auf die Botschaft hinweisen, die Kennedy am 15. Februar an den NATO-Rat gerichtet hat. Es heißt darin wörtlich so: Wirksame kollektive Verteidigung ist die erste Aufgabe unseres großen Bündnisses in der NATO. Unsere Aufgabe besteht hierbei darin, jeden Angreifer davon zu überzeugen, daß einem Angriff auf das Gebiet von NATO-Mitgliedern mit raschem und strafendem Wistand begegnet wird. Die Vereinigten Staaten vertrauen zwar auch auf die wachsende Stärke aller; aber sie werden ihre volle Beteiligung an den gemeinsamen Verteidigungsanstrengungen fortsetzen. Ich bin überzeugt, daß die Aufrechterhaltung der amerikanischen militärischen Stärke in Europa für die Sicherheit der atlantischen Gemeinschaft und der freien Welt weiterhin wesentlich ist. Die Stärke in Europa ist ebenso wie die Stärke hier in den Vereinigten Staaten wesentliche Voraussetzung für den Frieden. Meine Herren, diese Erklärung ist sehr klar und sehr deutlich, und ich bin auch durch das ganze Gespräche, das ich mit Herrn Harriman gehabt habe, vollkommen davon überzeugt, daß die Vereinigten Staaten die Bedeutung der NATO und die Bedeutung Europas für den Frieden der Welt und auch für den Frieden Amerikas durchaus verstehen und würdigen und dementsprechend auch handeln werden. ({0}) Die gesamten Verhandlungen mit Herrn Harriman, auch diejenigen, die er mit anderen Mitgliedern des Kabinetts geführt hat, sind in durchaus harmonischem und zufriedenstellendem Geiste verlaufen, so daß die Vorbereitung auch für die Aussprache, die ich im April mit Präsident Kennedy haben werde, sehr gut und sehr ausführlich gewesen ist. Meine verehrten Damen und Herren! Ich komme von diesem immerhin ziemlich friedlichen Punkte zu einem weniger friedlichen, nämlich zum Fernsehstreit. ({1}) Sie wissen, daß das Urteil, das über 80 Schreibmaschinenseiten umfaßt, am 28. Februar verkündet worden ist. Sobald wir im Besitz des Urteils waren und unsere besonders Sachverständigen sich durchgearbeitet hatten, ist das Kabinett zu einer Sitzung zusammengetreten, um zu diesem Urteil und zu diesem Fernsehstreit Stellung zu nehmen. Die Beschlüsse, die das Kabinett gefaßt hat, sind einstimmig gefaßt worden. Das Kabinett war sich darin einig, daß das Urteil des Bundesverfassungsgerichts falsch ist, meine Damen und Herren. ({2}) - Aber, meine Damen und Herren, das Urteil des Bundesverfassungsgerichts muß den Gesetzen entsprechend beachtet werden. ({3}) Infolgedessen hat das Kabinett beschlossen - ebenfalls einstimmig -, sich an keinen weiteren Fernsehangelegenheiten mehr zu beteiligen. ({4}) Damit Sie, meine verehrten Damen und Herren auf dieser Seite des Hauses ({5}), nun nicht glauben, daß wir uns etwas leichtfertig mit der ganzen Sache befaßt hätten, darf ich Ihnen sagen, daß, ehe diese GmbH auf Beschluß des Kabinetts gegründet wurde, die Rechtsfrage durch das Innenministerium, durch das Justizministerium - ({6}) - Meine Damen und Herren, warum Sie das Justizministerium zum Lachen veranlaßt, ist mir völlig schleierhaft. ({7}) Die beiden Ministerien haben vorher vier anerkannte Staatsrechtler hinzugezogen ({8}) und sie auch um Erstattung eines Gutachtens über die Zuständigkeit des Bundes auf diesem Gebiete gebeten. ({9}) Ich möchte noch folgendes hinzufügen. Die Bundesregierung hat volle sieben Jahre mit den Ländern über die Möglichkeit verhandelt, gemeinsam mit den Ländern ein zweites Fernsehen zu errichten. Erst dann sind wir dazu geschritten, die Gesellschaft zu gründen, als wir uns - ich möchte betonen: leider - davon überzeugen mußten, daß ein Zusammengehen mit den Ländern eben nicht möglich war. Ich habe den Eindruck, daß der Hauptleidtragende in der ganzen Angelegenheit das deutsche Publikum ist. ({10}) Wenn man uns hätte gewähren lassen, so würde ({11}) - Ja, meine Damen und Herren, selbstverständlich wären auch Vertreter Ihrer Politik maßgeblich mit beteiligt worden. Was wollen Sie denn?! ({12}) Wenn das geschehen wäre, hätten wir das zweite Fernsehen spätestens am 15. Januar gehabt, und zwar ein Fernsehen nicht auf regionaler Grundlage. Ich bitte Sie um alles in der Welt: ist es denn überhaupt noch zu verstehen, daß wir in der Bundesrepublik nur Fernsehen auf regionaler Grundlage haben sollen? ({13}) Aber das Bundesverfassungsgericht hat gesprochen. Damit ist diese Sache für uns erledigt. Ich kann nur wünschen und hoffen, daß möglichst bald ein Kontrastprogramm wirklich kommt und kein Monopol entsteht. ({14}) Nun, meine Damen und Herren, der dritte Vorgang, der ja sehr hohe Wellen geschlagen hat. Ich hoffe, daß sich diese hohen Wellen langsam beruhigen werden. Dieser Vorgang ist die Änderung des Wechselkurses des Dollar. ({15}) - Meine Damen und Herren, wenn ich so erheiternd auf Sie wirke, komme ich öfters hierher. ({16}) Ich wiederhole, der dritte Vorgang ist die Änderung des Wechselkurses des Dollars. Das, meine Damen und Herren, ist der korrekte Ausdruck für den Vorgang. ({17}) Damit kommt auch zum Ausdruck, daß es ein Vorgang von großer internationaler Bedeutung ist. Einer der maßgebenden Gesichtspunkte war, wie wir den Wechselkurs gestalten könnten, damit in der internationalen Zahlungsbilanz keine Schwierigkeiten entstehen. Aber davon abgesehen hatten wir auch interne Gründe. ({18}) Es ist wirklich untragbar, daß bei der Bundesbank so hohe Bestände an Devisen und Gold - es waren am 5. März rund 32 Milliarden DM - liegen. Dadurch wird in der großen internationalen Öffentlichkeit der Eindruck hervorgerufen, daß wir ein eminent reiches Land seien; und das - lassen Sie mich das betonen - sind wir nicht. ({19}) Frankreich und England sind viel reicher als wir, ganz zu schweigen von den Vereinigten Staaten von Nordamerika. Aber optisch ist das natürlich erregend und erweckt die Begehrlichkeit auf unseren vermeintlichen Reichtum. Nun möchte ich Ihnen noch ein Wort darüber sagen, wie es gekommen ist, daß der Bundesbankpräsident Blessing und ich, als die gleiche Frage im Herbst vorigen Jahres intern zur Erörterung stand, der Ansicht waren, eine Wechselkursänderung nicht vornehmen zu sollen, während wir uns nunmehr davon überzeugt haben, ,daß die Änderung nötig sei. Im Herbst vorigen Jahres waren Anzeichen dafür vorhanden, daß die Konjunktur nicht weiter emporsteigen werde. In diesem Stadium der Entwicklung der Konjunktur hielten wir es nicht für gut, einen derartigen Beschluß zu fassen. Dieses langsame Absinken der Konjunktur hat in den Wintermonaten auch angehalten. Die Monate Januar und Februar aber haben ein derartiges Ansteigen der Konjunktur gebracht, daß wir der weiteren Entwicklung bei uns, nämlich einer weiteren Überhitzung der Konjunktur, nur mit großer Sorge entgegensehen konnten. Das war der Grund, warum wir, Herr Blessing und ich, uns nunmehr auf den Standpunkt gestellt haben, es müsse eine derartige Änderung des Wechselkurses erfolgen. Selbstverständlich mußte ein derartiger Beschluß in der größten Heimlichkeit erfolgen, damit keine Devisenspekulationen irgendwelcher Art Platz greifen konnten. Daß durch dieses Moment der Überraschung eine Verwirrung eintreten mußte, ist ganz klar. Das wird vorübergehen. Es ist auch ganz klar, daß die eine oder die andere Sparte unserer Wirtschaft sich durch diesen Beschluß geschädigt fühlen wird und geschädigt fühlen muß. Aber wir sind der Auffassung, daß das allgemeine Beste den Belangen einer einzelnen Wirtschaftssparte vorangehen muß. ({20}) Wir sind weiter der Auffassung, daß auch diese zunächst etwas beeinträchtigten Sparten der Wirtschaft das wieder aufholen werden, daß man von einem Rückgang nach einiger Zeit wohl kaum wird sprechen können, wohl von einem nicht so starken Anstieg wie bisher. Diesem Nachteil stehen aber die Rücksicht, die wir auch auf den inneren Geldwert nehmen müssen, und die Rücksicht - das ist genau dasselbe - auf die Sparer gegenüber, ({21}) von denen wir doch Gott sei Dank in unserem Land noch sehr viele haben. ({22}) So hat mich ein Danktelegramm des Herrn Butschkau, des Präsidenten des Sparkassenverbandes, zu diesem Beschluß, der den Interessen der Sparer in weitem Maße entgegenkommt, außerordentlich gefreut. Und manches Telegramm, das mich tadelte, wiege ich nicht so schwer. Das Telegramm von Herrn Butschkau wiegt bei mir schwerer, weil es für die Sparer spricht. ({23}) Meine Damen und Herren, in der Zwischenzeit ist auch das Memorandum, das mir Botschafter Smirnow im Auftrage der Regierung Sowjetrußlands am 17. Februar überreicht hat, der Öffentlichkeit übergeben worden. Es durfte der Öffentlichkeit nicht früher übergeben werden als vor wenigen Tagen. Mit diesem Memorandum werden sich die zuständigen Ausschüsse sehr eingehend zu beschäftigen haben. Darin werden die ganzen Fragen des Verhältnisses zwischen Sowjetrußland und der Bundesrepublik behandelt, an erster Stelle natürlich die deutsche Frage, das ist die Frage der Wiedervereinigung und die Frage Berlins. Der Ton des Memorandums ist freundlicher als der Ton uns in früheren Jahren übergebener Schriftstücke, die dieselbe Materie betrafen. Aber man darf doch nicht übersehen, daß dieses Memorandum im Effekt sehr hart ist. Da wird mit nackten Worten gesagt: Ihr habt den Krieg angefangen, ihr habt den Krieg verloren; die Grenzen der Bundesrepublik sind festgesetzt durch den Ausgang des Krieges, und jetzt - so heißt es wörtlich - müssen diese Grenzen juristisch untermauert werden. Dann kommt die Drohung: sonst Friedensvertrag mit der Zone usw. Obgleich die Sowjetunion ja das Selbstbestimmungsrecht anderer Völker, anderer Nationen, auch am Kongo, anerkennt, wird das Selbstbestimmungsrecht hier den Einwohnern der Sowjetzone verweigert. ({24}) Das ist natürlich eine sehr große und ernste Frage, die die drei früheren Partner Sowjetrußlands im Kriege, die Vereinigten Staaten, Großbritannien und auch, meine Damen und Herren, Frankreich, in erster Linie mit betrifft. Sie werden verstehen, daß wir die Sache sehr gewissenhaft und nach allen Seiten hin prüfen, ehe wir dazu Stellung nehmen können. Das, meine Damen und Herren, sind die wesentlichsten Begebenheiten gerade der letzten vierzehn Tage, und ich benutze gern diese Gelegenheit, sie Ihnen hier vorzutragen. Ich darf mir vielleicht noch ein allgemeines Wort erlauben. Ich glaube, daß zwar die außenpolitische Entwicklung in diesem Jahre an unsere Nerven sehr starke Anforderungen stellen wird, daß wir aber nicht die Ruhe darüber verlieren dürfen. Es war für mich besonders erfreulich und besonders tröstlich, daß ich sowohl bei meinem Besuch in Paris vor 14 Tagen wie bei meinem Besuch in London vor einer Woche und auch jetzt bei dem Besuch Harrimans hier bei uns habe feststellen können, daß die Bundesrepublik Deutschland an diesen Ländern treue Freunde hat, die zu ihr stehen werden. ({25})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Erler.

Fritz Erler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000488, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist selbstverständlich, daß es bei der Erörterung des Haushalts des Bundeskanzleramts nicht lediglich um haushaltstechnische, sondern um hochpolitische Fragen geht. Es war daher gut und richtig, daß der Herr Bundeskanzler die Gelegenheit benutzt hat, dem Hohen Hause zu einigen aktuellen politischen Fragen Aufschluß über die Ereignisse der jüngsten Tage zu geben. Es ist infolgedessen auch selbstverständlich, daß wir im weiteren Verlauf der Debatte nicht nur über diese gerade aktuellen Fragen reden werden, sondern dabei auch etwas Rückschau auf die Politik halten müssen, für die der Herr Bundeskanzler die Richtlinien gegeben hat. Der Herr Bundeskanzler hat zunächst über seine Aussprache mit dem Sonderbotschafter des amerikanischen Präsidenten, mit Herrn Harriman, berichtet. Wir begrüßen es, daß diese Gespräche Gelegenheit gegeben haben, einige Mißverständnisse, die in den letzten Wochen und Monaten die deutsch-amerikanischen Beziehungen belastet haben, aus dem Wege zu räumen. Wir haben die Hoffnung, daß es den vereinten Bemühungen aller politischen Kräfte dieses Hauses gelingt, die in den Vereinigten Staaten spürbar gewordene Abkühlung dem deutschen Volke gegenüber wieder zu wenden und die Beziehungen zwischen den beiden Völkern wieder so herzlich zu gestalten, wie sie um unser aller Schicksal willen sein müssen. Der Herr Bundeskanzler und die Bundesregierung haben erkennen müssen, daß Bündnisse nur lebenskräftig sind, wenn sie von den Völkern und nicht nur von den Regierungen getragen werden, ({0}) und daß es infolgedessen auch in den Beziehungen zu den Vereinigten Staaten darauf ankam, sich nicht allzu einseitig nur auf die gerade im Amte befindliche Regierung zu stützen, sondern dabei auch Wert darauf zu legen, daß bei aller korrekten Zusammenarbeit mit der Regierung alle Kräfte des anderen Landes in das Verhältnis zum deutschen Volk mit einbezogen werden. ({1}) Genau in diesem Sinne hat der Sonderbotschafter Harriman gehandelt, als er hier in Bonn sehr freundschaftliche Aussprachen mit den Führern der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands hatte, um darzutun, daß sich das amerikanische Volk und die jetzige amerikanische Regierung bei aller Notwendigkeit der engsten Zusammenarbeit mit der Bundesregierung bewußt sind, daß es um die Freund-schaff zwischen den Völkern geht. Man konnte mit gutem Gewissen die Kunde nach Amerika bringen, daß auch ein Regierungswechsel in diesem Lande den Grundpfeiler unserer Existenz, die deutsch-amerikanische Freundschaft, nicht zu erschüttern vermag. ({2}) Der Herr Bundeskanzler hat weiterhin über das jüngste Memorandum der Sowjetunion berichtet. Er hat mit Recht darauf aufmerksam gemacht, daß in diesem Memorandum, vielleicht noch in einer fast härteren Sprache als früher, zwei alte sowjetische Forderungen - er hat nur die eine erwähnt - wieder auftauchen. Das sowjetische Memorandum geht davon aus, daß man durch einen völkerrechtlichen Akt des Abschlusses eines sogenannten Friedensvertrages mit zwei verschiedenen Völkerrechtssubjekten, wie die Sowjetunion sie sieht, die Spaltung Deutschlands verewigen sollte und auf diese Weise unsere Landsleute in Mitteldeutschland für immer einer ihnen von fremder Macht aufgezwungenen Gewaltherrschaft überlassen müßte. Wir verwahren uns wie die Bundesregierung und ihre Mehrheit - und hier stehen alle deutschen Kräfte zusammen - gegen den Versuch, in einer Zeit, in der überall auf dem Erdenrund Kolonialherrschaft zusammenbricht, ein Kolonialregime mitten in Europa gegen den Willen der Bevölkerung aufrechtzuerhalten. ({3}) Wir sind überzeugt, daß - bei allen Schwierigkeiten einer vernünftigen Lösung der damit gestellten Fragen - auf die Dauer ein solcher Anachronismus nicht fortbestehen kann. Das Memorandum versucht ein Zweites: es versucht, die deutsche Hauptstadt Berlin aus der Verbindung, aus der lebenswichtigen Verbindung mit dem freien Westen und aus den Bindungen mit der Bundesrepublik Deutschland herauszulösen und damit in den Griff der Machthaber jenseits der Zonengrenze zu bringen. Die Sowjetunion muß wissen, daß auch dieser Versuch nicht geeignet ist, jenes Ziel zu erreichen, von dem an anderer Stelle in den sowjetischen Schriftstücken die Rede ist, nämlich: gute und möglichst freundschaftliche Beziehungen zwischen der Sowjetunion und der Bundesrepublik Deutschland herzustellen. Wir sind für normale und bessere Beziehungen, für in Zukunft nicht nur korrekte Beziehungen, sondern auch für Beziehungen der hoffentlich einmal einsetzenden Zusammenarbeit mit allen Nachbarn, nicht nur im Westen, sondern auch im Osten. Aber die Sowjetunion muß wissen, daß eine solche Gestaltung der Beziehungen zwischen dem deutschen und dem sowjetischen Volke ganz entscheidend davon abhängen wird, in welchem Ausmaß die Sowjetunion bereit ist, den lebenswichtigen Interessen des deutschen Volkes auf Bewahrung seiner Hauptstadt Berlin und auf Gewährung des Selbstbestimmungsrechts auch für die Deutschen jenseits der Zonengrenze zu entsprechen. Es wäre interessant für uns alle, zu erfahren, was es über das Memorandum hinaus zur Zeit sonst noch an Meinungsaustausch und Austausch von Schriftstücken zwischen der Bundesregierung und der Sowjetunion gibt und gegeben hat. Wir hoffen, daß der Herr Bundeskanzler die Gelegenheit nutzen wird, in der nächsten Sitzung des Auswärtigen Ausschusses zu berichten. Denn der ganze Komplex der deutsch-sowjetischen Beziehungen kann mit Nutzen nur erörtert werden, wenn man im vollen Besitz der Kenntnis aller einschlägigen Tatsachen ist. Damit möchte ich dieses Kapitel verlassen. Der Herr Bundeskanzler hat noch zwei weitere Fragen erwähnt, auf die in dieser Debatte sicher noch eingegangen werden muß. Er hat einmal Urteilsschelte am Urteil des Bundesverfassungsgericht geübt und als Praeceptor Germaniae festgehalten, daß er dieses Urteil für falsch halte. ({4}) Er hat sich darüber hinaus mit den Vorgängen um die Aufwertung der D-Mark befaßt und damit seine alte Neigung bekundet, die er der deutschen Wählerschaft immer wieder versichert hat, daß er einem jeden Experimente abhold sei. ({5}) Und nun zu einigen anderen Fragen, die im Zusammenhang mit dem Haushalt des Bundeskanzlers, glaube ich, besprochen werden müssen. Seit vier Jahren, seit dem Zusammentritt dieses Bundestages nach den letzten Bundestagswahlen, hat die CDU/ CSU in diesem Hause die absolute Mehrheit. Sie hatte die Möglichkeit, ihr Programm oder das, was sie dafür hält, ({6}) durchzusetzen. Denn die Frage ist erlaubt, ob sie ein Programm hat. Sie beschränkt sich - ({7}) - Na sicher! Wo steht's geschrieben? ({8}) Sie beschränkt sich, wenn sie nach ihrem Programm gefragt wird, auf die Kritik an den Programmen anderer, z. B. am Godesberger Programm der Sozialdemokratischen Partei. ({9}) Sie gibt uns keine Auskunft darüber, ob etwa das Ahlener Programm noch gelte oder welches andere Programm eigentlich an seine Stelle getreten sei. ({10}) - Ja sicher, wir haben fleißig gearbeitet und haben die Vorstellungen der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands ({11}) schwarz auf weiß, damit jeder das lesen kann, den Bedingungen der modernen Industriegesellschaft angepaßt. ({12}) - Meine Damen und Herren, da nun gerade einmal der Kollege Rasner hier von Kopfständen spricht, sei er z. B. befragt, ob denn vielleicht allenfalls als Programmersatz die Regierungserklärungen gelten könnten. Da hat es etwa im Jahre 1949 - und da Sie ja für geradlinige Politik bekannt sind, warte ich eigentlich immer noch auf Ihre Gesetze auf ,diesem Gebiet - in der Regierungserklärung geheißen: Die soziale und gesellschaftspolitische Anerkennung der Arbeitnehmerschaft macht eine Neuordnung der Besitzverhältnisse in den Grundindustrien notwendig. ({13}) Die Regierungserklärungen - nicht nur die letzte, sondern die der einander folgenden Regierungen unter der Führung des jetzigen Bundeskanzlers - sind überhaupt eine lehrreiche Lektüre. ({14}) Man kann dabei vergleichen ({15}) die Ankündigungen und was dann daraus geworden ist. - Herr Kollege Hilbert, da werden Sie mitunter erschreckt sein! ({16}) Man kann außerdem feststellen, welch eine Fülle von Fragen offengeblieben ist. Gehen wir doch einmal diesen Katalog - folgend dem Rat des Kollegen Hilbert, daß man dabei lernen kann - freundschaftlich miteinander durch! ({17}) Da hat es z. B. im Jahre 1953 mit besonderem Nachdruck geheißen, daß die Bundesregierung der Erfüllung der Verpflichtungen, die wir gegenüber Berlin haben, einen großen Vorrang einräume. Und 1957 wurde wiederholt: Berlin kann sich auf die Bundesrepublik - nicht nur auf die westliche Allianz, sondern auf die Bundesrepublik! - verlassen. ({18}) Und jetzt wird die lebensnotwendige Verflechtung mit dem Rechts-, Wirtschafts- und Währungssystem der Bundesrepublik zurückweichend behandelt. Letztes Beispiel, meine Damen und Herren: Ihr Beschluß über die Bankenaufsicht! ({19}) Der Bundestag hatte mit Ihren Stimmen, mit fast allen Stimmen dieses Hauses gegen vier Stimmen, am 6. Februar 1957 beschlossen, die Bundesregierung solle unverzüglich die notwendigen organisatorischen Voraussetzungen für die Verlegung von Bundesministerien sowie anderen Dienststellen und Institutionen nach Berlin schaffen und bei neu zu errichtenden Bundesbehörden vorsehen, daß sie - einschließlich der dafür erforderlichen Bauten - von vornherein in Berlin zu errichten seien. Nur mit Wehmut können wir heute registrieren, daß wir das, was wir damals in Ausführung dieses Beschlusses unterlassen haben, durch den späteren Verlauf der Entwicklung wohl kaum noch wieder aufholen können. Nur mit Wehmut, sage ich. Ich bin sicher, daß Sie diese Wehmut teilen. Ein Zweites. In der Regierungserklärung des Jahres 1957, Kollege Hilbert, hieß es: Die Besuchsreisen der Landsleute aus Mitteldeutschland werden weiter gefördert werden, ... Jetzt haben wir es mit einem Gesetzentwurf des Bundesinnenministers zu tun, der praktisch auf eine weitgehende Beschränkung jener Besuchsreisen hinausläuft. ({20}) Die Kritik in diesem Hause, auch aus Ihren Reihen, war allgemein. Fragen Sie den Kollegen Benda noch einmal danach! ({21}) Im Jahre 1953 hat es geheißen: Es gibt keinen anderen Weg zur Wiedervereinigung als den durch die europäische Integration. Es nimmt sich heute geradezu gespenstisch aus, wenn man das nachliest. Jeder weiß jetzt, daß wir der Wiedervereinigung leider, leider sehr ferngerückt sind. Der europäische Zusammenschluß ist sicher notwendig, obwohl er nicht zur Wiedervereinigung führt, obwohl jeder weiß, daß das zwei verschiedene Probleme sind, die von Ihnen in diesem Zusammenhang hineinmanövriert worden sind. Um so notwendiger ist es, die deutsche Frage in geeigneter Weise wieder auf die Tagesordnung zu bringen, damit die Hoffnungen unserer Landsleute auf Erlösung nicht gänzlich zerstört werden. ({22}) In den Vereinigten Staaten ist unter der neuen Regierung Kennedy eine redliche Diskussion, eine redliche Bestandsaufnahme aller großen anstehenden Weltprobleme im Gange. Hier wurde das abgelehnt. Wir tun so, als hätte sich die Welt seit 1952 nicht verändert. ({23}) 1953 hat die Bundesregierung erklärt: Im großen Ost-West-Konflikt wird Deutschland alles in seinen Kräften Stehende tun, um zusammen mit allen, die guten Willens sind, an einer Entspannung und friedlichen Bereinigung mitzuwirken. Das war ein richtiger Satz. Sie haben ihn damals bestätigt. Das hörte man in Regierungserklärungen. Ich wäre froh, wenn diese Erkenntnis gelegentlich auch in Wahlkämpfen zum Ausdruck käme. ({24}) 1957 hat es in der Regierungserklärung geheißen, und zwar mit allem Nachdruck, daß wir entschlossen sind, auch mit den osteuropäischen Völkern für alle Zukunft in guten nachbarlichen Beziehungen zu leben ... Wird dann hier wieder einmal ein Anlauf dazu gemacht, solche Beziehungen, die ein Gespräch zu jenen Völkern erst in Gang zu setzen geeignet sind, zustande zu bringen, erstickt jeder Anlauf gleich im vordersten Graben. ({25}) 1953 hat es geheißen, die sogenannte kleineuropäische Lösung sei nicht das Endziel. 1957 wurde hinzugefügt, die Bundesregierung stelle sich als Aufgabe das Überführen und Hineinführen der deutschen Wirtschaft in die europäische Wirtschaft entsprechend den Römischen Verträgen und - „und" heißt es! die Schaffung einer Freihandelszone. Was ist davon übriggeblieben? Wer bestimmt dabei eigentlich die Richtlinien der Politik? Gibt es hier eine einheitliche Politik zwischen dem Bundeskanzler, dem Bundeswirtschaftsminister, dem Bundesaußenminister? Was gibt es eigentlich zur Erreichung dieses damals gesteckten Zieles außer frommen Wünschen und unverbindlichen Expertenbesprechungen? Wo bleibt der politische Wille, von dem der Herr Bundeswirtschaftsminister behauptet hat, wenn er vorhanden wäre, würden vernünftige Männer innerhalb von vier Wochen in einer Klausurtagung die nötigen Vorschläge erarbeiten können? Wenn er dieser Meinung ist, müßte sein Einfluß im Kabinett groß genug sein, um diesen Willen aufzubringen. Wir warten heute noch immer auf die Taten. ({26}) 1957 hat es geheißen, uns obliege es - und jetzt zitiere ich -, den entwicklungsfähigen Ländern ... materielle und kulturelle Hilfe zu leisten ... Wir müssen uns darüber klar sein, daß wir für diese Politik Opfer zu bringen haben ... Diese in der Regierungserklärung ausgesprochenen Sätze waren richtig. Deshalb hätte vielleicht der Kollege Höcherl lieber seine Regierung und seinen Bundeskanzler fragen sollen, welche Opfer der eigentlich meine, und er hätte sich nicht beim Kanzlerkandidaten Brandt danach erkundigen sollen. ({27}) Heute haben wir es mit einem vollendeten Chaos an Erklärungen zu dem Gebiet der Entwicklungshilfe zu tun. Das Zahlenspiel ist recht verwirrend. Die Erklärungen der Minister widersprechen einander. In einer Meldung aus den Vereinigten Staaten, die im deutschen Rundfunk kam, heißt es zu diesem Thema unter anderem: Ausschlaggebend für den plötzlichen Entschluß des Präsidenten zur Einladung des Bundeskanzlers seien jedoch Berichte über die deutsche Reaktion auf das Ergebnis seiner Washingtoner Unterredung mit Brentano gewesen. ({28}) Das Prinzip der kontinuierlichen Hilfeleistung sei nach amerikanischen Korrespondentenberichten aus Bonn von den Ministern Erhard und Etzel mehrmals in Frage gestellt worden. Deren Äußerungen hätten Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Politik der Bundesregierung aufkommen lassen. Die Vorverlegung des Kanzlerbesuches müsse vor diesem Hintergrund gesehen und verstanden werden, Die Reise nach Washington gebe Adenauer Gelegenheit, den Eindruck, in Bonn wisse die rechte Hand nicht, was die linke tue, zu korrigieren und die von Brentano auch in seinem Namen übernommene Verpflichtung zu bestätigen. Bei diesem Hintergrund ist es doch wohl auch erforderlich, dem Bundestag einmal reinen Wein einzuschenken, mit welchen langfristigen Aufgaben und Belastungen die Bundesregierung rechnet, welche Pläne sie dafür entwickelt hat oder welche Vorbereitungen für die Ausarbeitung solcher Pläne getroffen sind und um welche Länder es sich dabei vorrangig handelt. Wir müssen uns darüber im klaren sein, daß ohne ernsthafte gründliche Vorbereitungen keine sinnvolle Verwendung der Mittel möglich ist, die hier in einer erheblichen Größenordnung bereitgestellt werden. Fehlleitungen müssen unter allen Umständen vermieden werden. Schließlich muß man sich darüber unterhalten, wie nicht nur einmalig, sondern nach den Zusagen auch künftig die Mittel, an die die Bundesregierung denkt, aufgebracht werden sollen. Die Frage des Kollegen Höcherl ist berechtigt; aber seine Regierung muß darüber zunächst einmal Aufschluß geben; denn sie ist doch Amerika gegenüber die Verpflichtung eingegangen und niemand anders. ({29}) Im vorigen Jahr hat es noch geheißen: Nur ja keine Wahlgeschenke, wir befinden uns am Rande des Defizits. Inzwischen haben wir vom Bundesfinanzminister die überraschende Feststellung gehört, der Rand des Defizits sei ihm immer wieder weggelaufen; ein sehr plastisches Bild. ({30}) Durch die Unterlassung wichtiger sozialer Ausgaben ({31}) sind Kassenbestände entstanden, die die Begehrlichkeit im In- und Ausland geweckt haben. Daher kam man dann zu Wahlgeschenken aller Art, daher, Herr Minister, aber auch zu Mißverständnissen hinsichtlich unserer Leistungsfähigkeit im Ausland, die natürlich im wesentlichen durch den Devisenturm der Bundesbank entstanden sind; das ist ein zweites Problem. Hätten Sie die Wünsche beizeiten erfüllt, dann hätten Sie wahrscheinlich die Begehrlichkeit anderer nicht geweckt, um das einmal ganz klar zu sagen. ({32}) 1953 hat es geheißen, die Bundesregierung werde darauf achten, daß in stärkerem Maße als bisher auch die mittleren und kleineren Unternehmungen an der binnenwirtschaftlichen Entwicklung teilnehmen. 1957 hieß es: Wir wollen nicht, daß schließlich bei immer größerer Konzentration der Wirtschaft zu Großbetrieben das Volk aus einer kleinen Schicht von Herrschern über die Wirtschaft und einer großen Klasse von Abhängigen besteht. Die Konzentration ist weitergegangen. Die Zahlen über den Anteil der Großunternehmungen an Produktion, Umsatz und Gewinn weisen eindeutig aus, wie sehr der Anteil der Großwirtschaft an unserer gesamten wirtschaftlichen Leistung und am gesamten Wirtschaftsertrag gestiegen ist. Das ging insbesondere zu Lasten jener mittleren und kleineren Unternehmungen, denen Sie Ihre besondere Fürsorge versprochen haben. ({33}) Meine Damen und Herren, diese Konzentration ist weitergegangen, vor allem dank der Steuerpolitik, für die Sie die Verantwortung tragen. ({34}) 1953 hat es geheißen: Ziel der Finanzpolitik müsse sein, die Steuerlast weiter zu mindern. Sicher! Einige Steuern sind gesenkt worden. ({35}) - Sicher, und dafür haben Sie ihnen durch die Beibehaltung der Umsatzsteuersätze bei steigenden Preisen den gleichen Betrag und mehr wieder aus der Tasche gezogen. ({36}) Die Steuerlast im ganzen ist nicht gesunken. Sie können doch nicht so tun, als ob es in unserem Volk nur Einkommen- und Körperschaftsteuerzahler gäbe. Außerdem ist die Steuerlast selbst umgeschichtet worden, und in welche Richtung! ({37}) Gerade der Anteil der Steuern vom Umsatz, der Verkehrssteuern und der Zölle am gesamten Aufkommen ist gestiegen und nicht gesunken. ({38}) Das heißt, die Steuerlast ist von den Leuten mit dem größten Kreuz auf die schwächeren Teile der Bevölkerung verlagert worden. ({39})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Gestatten Sie eine Frage? ({0})

Karl Krammig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001195, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Erler, ist Ihnen nicht bekannt, daß nach den Zahlen, die jetzt für das Rechnungsjahr 1961 vorausgeschätzt sind -77 Milliarden Steueraufkommen in Bund, Ländern und Gemeinden -, das Verhältnis der direkten zu den indirekten Steuern sich erneut wesentlich zu den direkten Steuern hin verschoben hat? Wie können Sie eine solche Behauptung hier aufstellen? ({0})

Fritz Erler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000488, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Viel besser, als die Vorschätzungen zugrunde zu legen, ist es, daß man sich die realen Ergebnisse der vergangenen Jahre ansieht; dann sieht die Entwicklung eben anders aus. ({0}) 1957 haben Sie eine echte Steuer- und Finanzreform angekündigt, und in der sehr plastischen Sprache des Herrn Bundeskanzlers hat es ausdrücklich geheißen: „worunter nicht das Einschieben des einen oder anderen Paragraphen verstanden wurde". Wo ist diese Steuer- und Finanzreform geblieben? Nicht einmal die Pläne, die Umsatzsteuer ihrer konzentrationsfördernden Wirkung zu berauben, sind in diesem Bundestag durchgeführt worden. Wenn schon von Finanzreform die Rede war, dann stand dabei auch der Finanzausgleich zwischen Bund, Ländern und Gemeinden zur Debatte. Dazu hat es 1953 geheißen: eine Finanzreform, welche die Neuverteilung der Steuerquellen, die Umgestaltung des Finanzausgleichs unter den Ländern und eine klare Scheidung der Aufgabenkreise von Bund und Ländern einbezieht, und dann wörtlich: Die Bundesregierung hofft, daß die eingesetzte Kommission noch in den nächsten Wochen ihre Arbeit beendet hat und daß dann die entscheidenden Besprechungen mit den Ländern beginnen können. 1953! Vor acht Jahren! 1957 hat es geheißen: „Die Bundesregierung sieht in der kommunalen Selbstverwaltung das Fundament des demokratischen Staatsaufbaues." Sie bringen zwar heute Zahlen, wonach auch bei den Gemeinden das Steueraufkommen gestiegen sei. ({1}) Das wird niemand bestreiten. Aber nehmen Sie einmal die Schuldenlast und sehen Sie, daß in derselben Zeit, in der der Bund als Bankier aufgetreten ist, die Gemeinden eine erdrückende Schuldenlast haben auf sich nehmen müssen, um die dringendsten Gemeinschaftsaufgaben in diesem Bereich überhaupt meistern zu können. ({2}) Wir glauben, es bestehe nicht unbedingt Anlaß, daß der Bundesgesetzgeber Steuergeschenke zu Lasten anderer macht, hier also der Gemeinden. ({3}) - Das war übrigens eine besonders liebenswürdige Bemerkung: „Sie reden von Dingen, von denen Sie nichts kennen." Ich war zufällig sogar einmal Mitarbeiter von einigen steuerrechtlichen Fachzeitschriften. Man muß nicht unbedingt ein Fachidiot sein, um sich auf einigen Gebieten äußern zu können. ({4}) Es ist zwar eine Weile her, aber immerhin, was man gelernt hat, sitzt noch. ({5}) - Sicher! Und deshalb ist es Aufgabe eines Politikers in einigermaßen verantwortlicher Stellung, nicht etwa den Wald vor lauter Bäumen nicht zu sehen, sondern sich einen Überblick über den Zusammenhang der Gesamtprobleme zu bewahren. Nur dann ist eine vernünftige Gesetzgebung möglich. Sonst kommen Sie dazu, daß Sie den Spezialisten mit dem Interessenten verwechseln, und das wäre ganz verderblich. ({6}) 1953 hat es geheißen, es müsse sichergestellt werden, daß Kosten- und Preissenkungen auch in vollem Umfange dem Verbraucher zugute kämen. Über diesen Punkt herrscht seitdem Schweigen im Walde. ({7}) - Wer hat denn inzwischen regiert, Sie oder wir? Hatten Sie die Möglichkeit, diese Regierungserklärung in die Tat umzusetzen, oder nicht? Danach wird gefragt. ({8}) Zur Diskussion steht, was Sie hier in diesem Saal sich vorgenommen haben und was Sie davon tatsächlich durchgeführt haben. ({9}) Mit der D-Mark-Aufwertung, zu der ja nachher sicher noch mehr gesagt werden wird, wird der Eindruck zu erwecken versucht, man werde für die D-Mark mehr kaufen können. Es wäre gut, wenn der Verbraucher möglichst bald in den Genuß der damit verbundenen Senkungen der Einfuhrpreise käme. Wir sind die letzten, die sich im Interesse der deutschen Verbraucherschaft nicht sehr darüber freuen würden. Aber, meine Damen und Herren, Wünsche allein sind noch kein wirtschaftspolitisches Mittel zur Preissenkung. Wir werden erst noch sehen, ob diese Preissenkungen beim Verbraucher landen. ({10}) In diesem Zusammenhang noch eine kleine Anmerkung! Herr Bundeskanzler, Sie haben diese Sitzung des Bundestages heute dazu benutzt, Ihre Motive darzulegen. Es hat aber im Anschluß an die nackte Verkündung auch bereits Diskussionen vor der Presse gegeben. Ich stelle mir wirklich die Frage, ob nicht derart weitreichende Dinge - falls es schnell gehen muß, notfalls gleich nach der Verkündung - in diesem Hause erläutert werden müssen. Wozu ist das Parlament eigentlich da? ({11}) Hat es nicht ein Anrecht darauf, nachdem eine solche Entscheidung gefallen ist, die Begründung als erster entgegenzunehmen? ({12}) - „Nein" höre ich. Wenn Sie für den Parlamentarismus abdanken - ich tue es nicht. ({13}) Sicher kann das Verfassungsgericht, das jetzt nicht die besondere Liebe der Bundesregierung errungen hat, die Bundesregierung nicht etwa durch Urteil zu parlamentsfreundlichem Verhalten zwingen. Das wäre zuviel verlangt. Das ist natürlich Aufgabe dieses Hauses und seiner Mehrheit selbst. Es tut mir leid, daß die Mehrheit auf diesem Gebiet nicht ein bißchen aktiver ist. Vielleicht muß man sie zu dem Zweck erst etwas ändern. ({14}) 1957 hat es geheißen, die Volksaktie solle sich nicht etwa nur auf Betriebe, die dem Bund gehören, erstrecken. Was ist übrig geblieben? Ausschließlich Bundesunternehmen! Vorschläge für das andere Ziel - Betriebe, die nicht nur dem Bund gehören - sind nicht von der Bundesregierung, sondern bisher einzig und allein von der Sozialdemokratischen Partei vorgelegt worden. Ebenso sind viele Forderungen der CDU-Sozialausschüsse, die besonders vor Wahlen ziemlich lautstark verkündet werden, von dieser Regierung nicht erfüllt worden. Zwölf Jahre hatte sie dazu Zeit. Vorhin haben wir vom Herrn Wirtschaftsminister gehört, daß eine Reihe dieser Gedanken seit zehn Jahren erörtert worden seien. Das ist immerhin eine ganze Masse Zeit, um sie endlich in die Tat umzusetzen. Man kann also zu dem schlichten Schluß kommen: Wenn es die Mitglieder der CDU-Sozialausschüsse mit ihren seit zehn Jahren verschleppten Forderungen ernst meinen, dann müssen sie ihre Mitgliedschaft auffordern, das nächste Mal sozialdemokratisch zu wählen. Unter ihrer Regierung haben sie kein Gehör gefunden. ({15}) Sehr am Herzen lag und liegt den CDU-Sozialausschüssen die Sozialreform. 1957 wurde die Kor8316 rektur etwa zutage tretender Mängel in der bisherigen Gesetzgebung angekündigt. Ein großes Programm ist steckengeblieben wie vieles andere. Die Neuordnung der Krankenversicherung: Sie haben es mit einem Scherbenhaufen zu tun. Sie haben inzwischen das Vorschaltgesetz der SPD abgeschrieben, ({16}) mit einer wichtigen Ausnahme: die sozialdemokratischen Deckungsvorschläge, damit nicht nachher die Vorstände der Krankenkassen dasitzen und das, was sie beschlossen haben, in höhere Beiträge umwandeln müssen, haben Sie vergessen in Ihren Entwurf aufzunehmen. ({17}) Und die Selbstbeteiligung, Kollege Höcherl, ist ja nicht aufgehoben, sie ist nur aufgeschoben. Über ihre Einführung wird doch in Wahrheit erst mit der Bundestagswahl entschieden. Sie ist geboren aus einem doppelten Mißtrauen: aus Mißtrauen gegen Versicherte und Ärzte, und beides ist nicht angebracht. ({18}) Meine Damen und Herren, es ist doch nicht wahr, daß es notwendig ist, um dort Abhilfe zu schaffen, wo tatsächlich ein Mißbrauch von Versicherungseinrichtungen vorhanden ist - niemand wird ihn bestreiten -, alle Versicherten zu bestrafen. Das ist polizeistaatliches und nicht rechtsstaatliches Denken. ({19}) Sie stellen der Umwelt die Leistungen in diesem Volke vor. Meine Damen und Herren, es ist nicht nur Ihre, es ist eine großartige Gemeinschaftsleistung des ganzen Volkes. ({20}) - Jawohl, es ist eine Gemeinschaftsleistung, und gerade wenn es eine solche Gemeinschaftsleistung ist, dann können Sie nicht vor das Volk treten und gleichzeitig sagen, wir müssen durch die Selbstbeteiligung den Leuten bescheinigen, daß sie sich bisher allzu eilfertig zum Arzt und zur Versicherung gedrängt haben. Was in Deutschland aufgebaut worden ist, das ist von einem Volk von fleißigen Leuten und nicht von Drückebergern hingestellt worden. ({21}) Geradezu ins Humoristische geht es aber, wenn man sich Ihre Entscheidung über das Kindergeld ansieht. Die SPD war von jeher für eine klare Lösung: aus allgemeinen Steuermitteln, Aufbringung durch entsprechende Gestaltung des Steuertarifs und Auszahlung durch die Finanzämter auch für das zweite Kind. Statt dessen haben wir eine ganz unglückliche Flickwerkgesetzgebung zu beklagen: ständige Änderungen, wobei der Familienminister, was das zweite Kind angeht, früher gegen den Vorschlag gestimmt hat, den er jetzt selber eingebracht hat. Jetzt ist er mit dem Herannahen der Wahl plötzlich auch für die Einbeziehung des zweiten Kindes, aber in einer von ihm früher für diskriminierend erklärten Form, nämlich durch eine Art Bedürftigkeitsprüfung mit Einkommensgrenzen, und jetzt haben wir zwei Sorten Kindergeld mit zwei verschiedenen Aufbringungsverfahren, das eine durch die Berufsgenossenschaft und das andere durch die Arbeitsämter. Das ist die schlechteste gesetzestechnische Regelung dieses Problems, die es irgendwo auf dem weiten Erdenrund gibt. ({22}) Nur noch zur Vervollständigung dieses Katalogs von Unterlassungen: Im Jahre 1957 hat es geheißen, auf dem Gebiet des Rechtswesens stehe in der kommenden Legislaturperiode an erster Stelle der Abschluß der Großen Strafrechtsreform. Wir können nur sagen: Fehlanzeige! Dafür hatte der Justizminister ja auch zuviel zu tun, nämlich als Treuhänder beim Fernsehen. ({23}) Im Jahre 1957 hat es geheißen: Nach unser aller Überzeugung steht das Wohl des gesamten Volkes über dem Wohl einer Partei. Ein richtiger Grundsatz! Wie weit er beherzigt wurde, davon zeugt die Diskussion um das Fernsehen. Kollege Höcherl hat im vergangenen Jahr in Erlangen gesagt, ab Januar 1961 werde das zweite Fernsehprogramm die Leistungen der Bundesregierung ins rechte Licht setzen. Der Ton lag bei ihm natürlich darauf, daß es das rechte und nicht etwa das linke Licht war. ({24}) Aber rechtes Licht heißt doch wohl auch: durch teilweise Verdunklung dessen, was auch andere unter Umständen beizutragen haben. ({25}) Das hat das Verfassungsgericht völlig richtig verstanden, und deshalb hält ja auch der Bundeskanzler dieses Urteil für falsch. ({26}) Daher rasch noch ein paar Feststellungen, damit wir es nicht vergessen. Nach den Erklärungen, die der Bundeskanzler vorhin gegeben hat, sah das wieder einmal so bewährt einfach aus. Was hat das Bundesverfassungsgericht am 28. Februar 1961 eigentlich entschieden? Gründung und Existenz der Deutschland-Fernsehen GmbH verstoßen gegen Artikel 5 des Grundgesetzes. - Das ist der Artikel über die Meinungsfreiheit. Die Gesellschaft ist völlig in der Hand des Staates. Sie ist ein Instrument des Bundes. Sie wird kraft der verfassungsmäßigen Kompetenzen der Bundesregierung und des Bundeskanzlers von diesen beherrscht. ({27}) Artikel 5 des Grundgesetzes verlangt, daß dieses moderne Instrument der Meinungsbildung weder dem Staat noch einer gesellschaftlichen Gruppe ausgeliefert wird. ({28}) - „Noch einer gesellschaftlichen Gruppe." Sie wissen genauso gut wie ich, daß nicht die Landesregierungen den Rundfunk beherrschen, sondern daß ,es sich um Körperschaften handelt, in denen Sie genauso vertreten sind wie andere. Und das ärgert Sie, weil Sie es allein machen wollen. Das ist doch der ganze Hintergrund. ({29}) Doch hören wir weiter: Die Veranstalter von Rundfunkdarbietungen müssen also so organisiert werden, daß alle in Betracht kommenden Kräfte in ihren Organen Einfluß haben und im Gesamtprogramm zu Wort kommen können. Ein Mindestmaß von inhaltlicher Ausgewogenheit, Sachlichkeit und gegenseitiger Achtung läßt sich nur sicherstellen, wenn diese Grundsätze durch Gesetz allgemein verbindlich gemacht werden. So weit das Verfassungsgericht. Es hat außerdem noch die Mißachtung der Länderrechte durch die Bundesregierung verurteilt. Der Bundesregierung wurde bescheinigt, daß sie versucht hat, einen Staatsrundfunk einzurichten und damit die Meinungsfreiheit zu verletzen. Sie hat nicht mit den Ländern, sondern nur mit ihren Parteifreunden gesprochen ({30}) und damit das Fernsehen als Parteiangelegenheit aufzuziehen versucht. ({31}) Sie hat vollendete Tatsachen schaffen wollen, statt zu verhandeln. Das ist überhaupt eine Spezialität des Bundesinnenministers, auch auf anderen Gebieten. ({32}) Form und Inhalt ihres Vorgehens waren verfassungswidrig; ({33}) und das, obwohl es in den Regierungserklärungen von 1949 und 1953 hieß, die Bundesregierung habe den ernsten Willen, den föderativen Charakter des Grundgesetzes sicherzustellen und die Rechte der Länder zu wahren. Sie bekenne sich zu dem föderativen Aufbau der Bundesrepublik, der durch das Grundgesetz gewährleistet ist. Bekenntnis und Praxis stimmen - wie vorhin bei vielen anderen Punkten der Regierungserklärungen gezeigt - nicht miteinander überein. Meine Damen und Herren, in Ländern mit alter demokratischer Tradition wäre nach einem solchen Urteil die Regierung zurückgetreten. ({34}) - Wir fordern das gar nicht erst, weil wir genau wissen, die macht das sowieso nicht. ({35}) Mindestens hätte der Regierungschef in einem solchen anderen Lande seine verantwortlichen Berater entfernt. Aber ich will Ihnen eines zugeben. Auf Ihren Widerspruch hin überlege ich mir das noch einmal und sage: In Ländern mit alter demokratischer gefestigter Tradition wäre ein solches Verhalten der Regierung gar nicht erst passiert. ({36})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Rasner?

Fritz Erler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000488, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Bitte schön!

Will Rasner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001777, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Erler, wieviel Prozesse hat eigentlich die SPD bisher in Karlsruhe verloren? ({0})

Fritz Erler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000488, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich kann Ihnen die Statistik nicht sagen. Ich kann Ihnen nur sagen, daß wir nie versucht haben, eine vollendete Tatsache zu schaffen, bevor das Bundesverfassungsgericht sich zu dem Problem überhaupt geäußert hatte, ({0}) und daß wir nach dem Urteil nicht in Organen wie der „Politisch-Sozialen Korrespondenz" damit gewinkt haben, daß man sich darüber unterhalten müsse, in welcher Weise das Bundesverfassungsgericht unter Umständen unzulässigerweise in die Politik eingriffe, oder so ähnlich. Hier geht es einfach um den Respekt vor dem höchsten Gericht dieses Staates, und derartige Feststellungen, wie sie in dem Urteil gegenüber der Politik der Bundesregierung getroffen worden sind, sind bisher gegen die Sozialdemokratische Partei nicht ergangen. ({1}) Meine Damen und Herren, jetzt hat es der Regierung die Sprache verschlagen. Sie schweigt auch über die finanziellen Probleme.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Einen Augenblick, Herr Kollege Erler! Ich habe übersehen, daß hier eine Zwischenfrage zu stellen gewünscht wird. Wollen Sie darauf antworten?

Fritz Erler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000488, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Bitte schön.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Bitte, Herr Abgeordneter Gewandt.

Heinrich Gewandt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000675, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Erler, ist Ihnen entgangen, daß die sozialdemokratische Landesregierung in Hamburg die Volksbefragung vorbereitet, Karten verteilt und Steuergelder dafür ausgegeben hat, obwohl die Rechtmäßigkeit bestritten und ein Verfahren in Karlsruhe anhängig gewesen ist?

Fritz Erler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000488, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Die sozialdemokratische Regierung in Hamburg hat sich dann selbstverständlich diesem Verfahren in aller Loyalität gebeugt. ({0}) - Bitte! ({1}) Ich möchte außerdem darauf aufmerksam machen, daß es bei dieser Volksbefragung, über die das Verfassungsgericht entschieden hat, noch lange nicht um den Mißbrauch von Staatsgewalt ({2}) zur Unterdrückung der Meinungen anderer ging, und das ist der Punkt. ({3}) - Herr Kollege Rasner, meinen Sie nicht, es sollten nach mir auch noch ein paar andere reden. - Sie wissen, daß ich durchaus bereit bin; ich möchte nur nicht, daß mir nachher der Vorwurf gemacht wird, ich hätte zu lange gesprochen. Die Hälfte geht auf Ihre Zwischenfragen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Kollege Erler, das wird von Ihrer Redezeit abgezogen.

Fritz Erler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000488, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Gut, dann bin ich beruhigt.

Will Rasner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001777, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Erler, ist dann die Hamburger Regierung zurückgetreten? ({0})

Fritz Erler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000488, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Nein, natürlich nicht. Die Hamburger Regierung hat auch nicht den Versuch unternommen, ({0}) mit Staatsmacht ({1}) die Parteimeinung gegen Andersdenkende durchzusetzen. Das ist der Unterschied. ({2}) Kehren wir also zurück zu der bemerkenswerten Schweigsamkeit der Bundesregierung. Sie schweigt. ({3}) - Entschuldigen Sie, wir werden über das zweite Fernsehen noch öfter reden. Melden Sie sich nachher ruhig zum Wort. Wir müssen schließlich noch - -({4}) - Vielleicht fragen Sie einmal dazu einen Hamburger Abgeordneten. Es gibt ja noch mehr Prozesse beim Bundesverfassungsgericht, die sich alle ausschlachten lassen. Aber keiner ist von dieser klaren Bedeutung für die verfassungsrechtliche Position zwischen Bund und Ländern ({5}) und für die Frage der Bewahrung der Meinungsfreiheit des Bürgers gegenüber einer diesen Staat beherrschenden Partei - keiner! ({6}) Die Regierung, deren Bulletin sich nicht davon abbringen läßt, zur Ausnutzung seines offenbar zu reichlichen Raumes alte Artikel zu aktuellen Fragen noch einmal abzudrucken, die sonst eilig genug ist, jeden Spruch des Bundesverfassungsgerichts sofort mindestens teilweise im Bulletin zum Abdruck zu bringen, 'diese Regierung hat bisher das Bulletin nicht dazu benutzt, auch nur eine Zeile von diesem Urteil zu veröffentlichen. So schweigsam ist die Bundesregierung sonst nicht. Hier erheben sich ein paar Fragen. Fließen die aus Bundesmitteln geleisteten Einlagen bei der Deutschland-Fernsehen-GmbH - von denen wir ja aus .der Fragestunde wissen, daß sie aus Bundesmitteln geleistet wurden - an die Bundeskasse zurück? Welche Verluste sind durch ,die Gesellschaftstätigkeit dieses Unternehmens - es können nicht viele sein; Aufsichtsratssitzungen usw. - entstanden? Wer trägt diese Aufwendungen? Welches Obligo ist der Bund oder ist die Deutschland-Fernsehen-GmbH für den Bund gegenüber der FreiesFernsehen-GmbH eingegangen, die bisher über 120 Millionen DM verbraucht hat? Der Staatssekretär verweigerte in der Fragestunde die Auskunft, weil der Prozeß noch laufe. Jetzt ist der Prozeß entschieden. Jetzt muß geklärt werden, ob der Auftrag an die Freies-Fernsehen-GmbH schriftlich erteilt worden ist und von wem, ob er die Grundlage bietet für Ansprüche jenes Unternehmens gegen den Bund oder an wen sonst. Der Bundestag muß verlangen, daß das verfassungswidrige Verhalten der Bundesregierung nicht zu Belastungen der Steuerzahler führt. Das Kabinett hat heute durch den Herrn Bundeskanzler erklären lassen, es werde sich nicht mehr an Fernsehangelegenheiten beteiligen. Aber die CDU-Fraktion legt uns ein Stück Papier auf den Tisch, in dem es sich eben doch um eine Beteiligung an Fernsehangelegenheiten handelt, nämlich anscheinend um die Liquidationskosten dieses Abenteuers. Der Antrag Umdruck 786 kündigt Belastungen an, läßt aber erklärlicherweise den Markbetrag offen. Vielleicht wäre es gut, von den Antragstellern und von der Bundesregierung zu erfahren, um welche Beträge und um welche Art Belastungen es dabei eigentlich geht und wer dafür verantwortlich ist. Die Sache war streitig und rechtshängig. Wer bei dieser Lage Ausgaben in dieser Höhe verursacht hat und etwa Verpflichtungen eingegangen ist, der hat nun tatsächlich grob fahrlässig gehandelt. Wenn dabei auch noch der Innen- und der Justizminister mitgewirkt haben - als Hüter der Verfassung -, dann nur um so schlimmer! Nur noch eine Feststellung dazu. Herr Bundeskanzler, Sie haben gesagt, es sei mit den Ländern lange Zeit ohne Ergebnis verhandelt worden. Die Länder haben nach den Feststellungen des Bundesverfassungsgerichts im Jahre 1955 dem Bund einen Vertragsentwurf vorgelegt, den der Bund nicht akzeptiert hat. ({7}) Später hat der Herr Bundespostminister sich geweigert, denjenigen Rundfunkanstalten, die Anträge auf Erteilung von Frequenzen für das zweite Fernsehen stellten, jene Frequenzen zuzuteilen. Dort liegen die Gründe dafür, daß das deutsche Publikum bisher noch nicht in den Genuß eines zweiten Fernsehprogramms kommen konnte. ({8}) Das Bundesverfassungsgerichtsurteil legt einige Tendenzen bloß, die wir seit Jahren auch beim Bundespresseamt, das ja gleichfalls dem Herrn Bundeskanzler untersteht, beklagen. Jenes Amt ist nicht tätig für das Volksganze, sondern für die Parteimeinung der Regierungsmehrheit. Uns betrübt das, weil die 36 Millionen DM für die Pressearbeit z. B. im Ausland von allen Steuerzahlern aufgebracht werden, ({9}) wie das andere Geld auch. Diese Mittel sollten ganz besonders der Vertretung der Interessen von Volk und Staat dienen und nicht etwa nur einseitiger Unterrichtung. ({10}) Statt dessen hörten wir hier Staatssekretär von Eckardt, der am 25. Januar mit wackerem Mut zwar nur zum Tit. 300 sprach, aber immerhin verkündete: Wir dienen damit nach der Zweckbestimmung der Verständlichmachung der Politik der Bundesregierung, nicht der Bundesrepublik. Man höre sich einmal diesen kleinen Unterschied an! Wiederholt haben wir beanstandet, daß das Bulletin Parteipropaganda macht; die Regierung und ihre Mehrheit stellen sich dort selbst dar. Die Opposition hat nicht diese Möglichkeit der Selbstdarstellung sondern wird allenfalls, und dann noch unkorrekt, zitiert. Das Parteiorgan Bulletin unterschlug z. B. bei der Grünen Woche in Berlin die Reden des Regierenden Bürgermeisters und des Vizepräsidenten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft Mansholt und brachte nur die Rede des Bundesernährungsministers Schwarz. ({11}) Offenbar hat man sich dabei etwas nach den Parteifarben der Beteiligten gerichtet. Am 20. Oktober 1960 versuchte das Bulletin einen Unterschied zwischen dem Realisten Gaitskell in England und der sozialdemokratischen Führung hier zu konstruieren und behauptete dabei, daß Gaitskell für die britische Nuklearrüstung eintrete. Der Verfasser dieses Beitrages hatte offenbar weder die Gaitskell-Vorlage an den Parteitag von Scarborough noch die dort gehaltenen Gaitskell-Reden gelesen. Eine von mir erbetene Berichtigung wurde verweigert. ({12}) Auf ein in dem Briefwechsel gemachtes Angebot einer Besprechung schwieg der Chefredakteur his zum heutigen Tag, ({13}) wie Schweigen überhaupt eine bemerkenswerte Eigenschaft des Presseamts ist; sonst hätte es sich ja wohl inzwischen zum Fernsehurteil auch einmal geäußert. ({14}) Meine Damen und Herren, wir haben Sorge um das Ansehen der Bundesrepublik und des deutschen Volkes im Ausland. Wir haben früher beklagt, daß der Bundeskanzler das von ihm in der Welt unbestreitbar errungene Vertrauen nicht auf sein ganzes Volk übertragen habe. Wir haben aber nie geglaubt, daß er die bisherige Vertrauensgrundlage durch Wahlhelfer aller Art selbst zerstören lassen würde. ({15}) Meine Damen und Herren, das ist ein sehr ernster Punkt. Es gibt genügend Stoff für eine politische Auseinandersetzung zwischen unseren Parteien und zwischen den beiden Bewerbern um die Kanzlerschaft. Aber die in diese Auseinandersetzung hineingebrachte Emigrantenhetze schadet unserem ganzen Volk und seinem Ansehen. Geben Sie sich darüber keinen Illusionen hin. ({16}) Wer gegen Hitler wirkte, der tat das für das deutsche Volk und seine Freiheit. ({17}) Der Eichmann-Prozeß wird noch sehr schwere Belastungsproben für das Ansehen unseres Volkes draußen bringen. Gerade vor diesem Prozeß muß im Interesse unseres Volkes klargemacht werden, daß Hitler und Eichmann nicht Deutschland waren, meine Damen und Herren. ({18}) - Wenn ich die Wahl zwischen Eichmann und Brandt habe, entscheide ich mich für Brandt, damit Sie es genau wissen. ({19}) - Nein, weil der Zwischenruf kam: „Brandt war nicht Deutschland!" Brandt gehört wie Sie und ich ({20}) zu den Menschen in unserem Lande, die sich um den Aufbau einer stabilen Demokratie und um den Nachweis draußen in der Welt bemühen, daß das deutsche Volk die Schrecken der Vergangenheit nicht wieder auf sich laden will. Da sollten wir alle an einem Strang ziehen, alle ohne Ausnahme, darum bitte ich Sie. ({21}) - Nein, zu diesem Punkt lassen Sie mich jetzt bitte aussprechen, Herr Müller-Hermann! ({22}) - Natürlich nicht! ({23})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Einen Augenblick, meine Damen und Herren. ({0}) - Lassen Sie jetzt bitte den Präsidenten sprechen! Ich finde, daß es sich hier um ein Mißverständnis, auch um einen mißverständlichen Ausdruck handelt. ({1}) - Ruhe! - Die Entscheidung „Eichmann oder Brandt?" ist keine Möglichkeit für diesen Saal. ({2}) Ich finde, daß der Herr Kollege Erler jetzt bemüht ist, dieses Mißverständnis auszuräumen. Deshalb hören Sie ihn bitte an!

Fritz Erler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000488, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich habe mich bereits die ganze Zeit darum bemüht. Dieses Mißverständnis ist nicht durch mich, sondern durch einen Zwischenruf geschaffen worden, Herr Präsident. Und da bitte ich mit allem Nachdruck, hier wirklich Kenntnis zu nehmen, daß es uns darum geht - darum habe ich Sie angefleht -, der Welt gegenüber klarzumachen, daß Hitler und Eichmann nicht Deutschland sind. Deswegen können Sie in diesem Zusammenhang nicht dazwischenrufen: „Und Brandt!", weil Sie damit Parallelen ziehen. ({0}) Meine Damen und Herren, den sehr mutigen Erlaß, den der Generalinspekteur der Bundeswehr zum 20. Juli an die Bundeswehr zum Thema der Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft richtete, haben wir von ganzem Herzen begrüßt, und wir sollten uns alle zu jener Haltung bekennen, die damals ausdrücklich an die Bundeswehr von dem ranghöchsteü Soldaten der Bundesrepublik herangetragen worden ist. Ich meine zu diesm Thema, daß der Vorsitzende der CDU mit einem einzigen Satz von dieser Stelle einer gefährlichen Entartung unseres politischen Lebens Einhalt gebieten könnte. ({1}) Wie sich sein Gegenkandidat in entsprechnder Situation verhalten hat, dafür ein einziges Beispiel: ({2}) Am 10. Juli 1960 hat Willy Brandt im RIAS Berlin gesagt: Ein ernstes Wort muß zu den unqualifizierten Angriffen - Chruschtschows - gegen den Bundeskanzler gesagt werden. Sie wissen, daß ich mit dem Bundeskanzler in einer Reihe von Fragen, zumal auf innenpolitischem Gebiet, nicht einer Meinung bin. Aber derartig unqualifizierte Schimpfereien, ,die Adenauer im Grund als einen Mann wie Hitler oder als etwas noch Schlimmeres hinstellen, müssen entschieden zurückgewiesen werden. Sie unterstellen nämlich, daß" das deutsche Volk bereit wäre, einen neuen Hitler zu dulden. Das geht gegen uns alle. Und der sowjetische Ministerpräsident muß wissen, daß er durch derartige Maßlosigkeiten nur eines erzielt: Uns, die Deutschen, einander noch näher zu bringen. - So Willy Brandt zu Angriffen gegen Bundeskanzler Dr. Adenauer. ({3}) Meine Damen und Herren, nach diesem ernsten Kapitel einmal ein etwas heiteres. Bundeskanzler Dr. Adenauer hat plötzlich entdeckt, daß im Kabinett eine Frau fehlt. Er möchte gerne eine Frau als Mitglied des Kabinetts haben. Er hatte zwölf Jahre Zeit dazu; aber offenbar war das nicht lange genug. Dabei zeugt doch des Kanzlers Kinder- und Enkelschar davon, daß er nicht erst jetzt entdeckt hat, daß es Frauen in unserem Volke gibt. Die Sache hängt also mehr mit der Wahl als mit dem ernsthaften Wunsch der Beteiligung einer Frau am Kabinett zusammen. Schließlich interessiert sich das Volk auch mit Recht für ,den Kanzler der nächsten vier Jahre. Die entscheidenden Parteien müssen darüber Klarheit schaffen. Wir haben das getan. Unser Kanzler heißt Brandt. ({4}) Dagegen, meine Damen und Herren, ist es nicht so ganz klar, ({5}) - Zunächst heißt er Adenauer. Aber was dann? Erhard ist sicher in Ihrer Fraktion populär, aber möglicherweise doch nur ein Statthalter auf Zeit, da der Herr Bundeskanzler ihn nicht für einen Politiker hält, wie er es oft genug gesagt hat. In den Vereinigten Staaten hörte man einen neuen Namen. Dort ist der Verteidigungsminister als präsumtiver Kronprinz, als „Germany's Nr. 2" ausdrücklich vorgestellt worden, und er hat dem nicht widersprochen. ({6}) Das ist sicher nur auf seine Bescheidenheit zurückzuführen, ({7}) mit der er sich auch so lange gegen den Vorsitz in der CSU gesträubt hat. ({8}) Ein letztes, meine Damen und Herren! Gelegentlich höre ich einen ganz schlimmen Vorwurf: die Sozialdemokraten wollten an die Macht. Das ist natürlich ein schlimmer Vorwurf von einer Partei, die an der Macht ist und gern da bleiben will. Das kann ich verstehen. Aber schließlich geht es darum in der Politik; das ist nun einmal nicht anders. ({9}) Es muß nur anständig um die Macht gerungen und es darf kein Mißbrauch mit ihr getrieben werden. ({10}) Die Macht selbst ist weder gut noch böse; das hängt ganz von ihrem Gebrauch ab. Deshalb möchte ich mit der Bemerkung schließen, die ich dem Italiener Manzoni verdanke, daß, auch wenn Ihnen das nicht gefällt, Opposition tatsächlich die Kunst ist, den Ast, auf dem die Regierung sitzt, so abzusägen, daß man selbst darauf Platz nehmen kann. ({11})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Jaeger.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001006, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe schon überzeugendere Reden meines verehrten Kollegen Erler gehört als die heutige, bessere als das Potpourri der Politik, das wir soeben vernommen haben. ({0}) - Nein, das bin ich gar nicht.

Fritz Erler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000488, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Eine Zwischenfrage, Herr Kollege Jaeger. Darf ich, da sich dieses Potpourri ganz eng an die Tastatur der Regierungserklärungen angelehnt hat, daraus schließen, daß Sie die Regierungserklärungen für Potpourris halten?

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001006, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Die Erklärung des Herrn Bundeskanzlers hatte genau vier Punkte, die klar voneinander abgegrenzt waren. Ihre Punkte konnte ich gar nicht rasch genug zählen, und auch die Übergänge schienen mir verworren. Im übrigen muß ich, nachdem der Herr Bundeskanzler heute in einer so launigen, heiteren und ganz allgemein und für seine Person besonders friedlichen Weise gesprochen hat, aus den Äußerungen und der Tonart des Herrn Kollegen Erler entnehmen, was man eigentlich von der Parole „Seid nett zu einander!" zu halten hat. Meine Damen und Herren, ich will mich nicht wie mein verehrter Vorredner über alle Gebiete der Politik verbreiten. Freunde von mir werden sich, wenn die Einzelhaushalte der Ministerien beraten werden, mit der D-Mark-Aufwertung, mit der Sozialreform, mit dem Fernsehen und ähnlichen Fragen befassen. Aber lassen Sie mich doch von einem allgemeinen politischen Standpunkt aus einmal kurz etwas sagen. Man kann, wenn man die Frage des Wechselkurses des Dollars hier behandelt, nicht sagen, daran sehe man, was die Bundesregierung von der Parole „Keine Experimente!" halte. Denn die Absage an Experimente ist noch keine Absage an Initiative und Unternehmungsgeist. ({0}) Mit dieser Initiative und mit diesem Unternehmungsgeist hat die Bundesregierung und hat die Christlich-Demokratische und Christlich-Soziale Union in den vergangenen Jahren ihre Erfolge erzielt, und zwar nach einem Grundsatz, der alt ist, dem Grundsatz, erst zu wägen und dann zu wagen, - während man uns bei der Opposition - wobei ich etwa an den Deutschland-Plan erinnere - mit dem Vorbild vorausging, erst etwas zu wagen und nachher beim Überdenken festzustellen, daß alles falsch war. ({1}) Ich stehe, glaube ich, nicht in dem rühmlichen Verdacht, ein Sozialpolitiker zu sein, und gehöre nicht einmal zu den Sozialausschüssen. Aber ich möchte doch meinen: wenn diejenigen meiner politischen Freunde, die in diesem Kreise maßgebend sind, eine Wahlparole ausgeben - und sie werden das wie in der Vergangenheit auch in der Zukunft tun -, so werden sie sicher keine Sekunde den Gedanken erwägen, ihren Anhängern zu empfehlen, SPD zu wählen; denn dann würden sie die Partei der sozialpolitischen Worte wählen, während die CDU/CSU nun einmal die Partei der sozialpolitischen Taten ist. ({2}) Unser Wirtschaftsminister und unsere Arbeitsminister haben die Arbeitslosigkeit beseitigt. Sie haben das Flüchtlingsproblem gelöst. ({3}) Sie haben die Rentenreform geschaffen. Unser Außenminister und unser Bundeskanzler haben die Demontage gestoppt. Wir haben den Wiederaufbau und den Wohnungsbau in die Wege geleitet. Schließlich und endlich war es unsere Regierung, die das Mitbestimmungsrecht eingeführt hat. Meine Damen und Herren, eine beachtliche Liste wirtschaftspolitischer und sozialpolitischer Erfolge! ({4}) Dann ist vom Bundesverfassungsgericht und von seinem jüngsten Urteil gesprochen worden. Über frühere Urteile pflegt man im allgemeinen zu schweigen. Ich möchte einmal ganz vorweg und ohne zu irgendeinem dieser Urteile Stellung zu nehmen, sagen: es zeichnet unseren Staat aus, daß das Verfassungsgericht von Rechts wegen Feststellungen treffen kann, die von allen Organen anerkannt werden. Das ist etwas, worauf jeder von ans stolz sein sollte, auch wenn das eine oder andere Urteil seinen persönlichen Auffassungen nicht voll oder überhaupt nicht entsprechen sollte. ({5}) In einer Zeitung fand ich dieser Tage eine Karikatur, in der das Fernsehen abgebildet war mit „Ein" und „Aus", und darunter stand: Der längere Arm - der 8322 Deutscher Bundestag 3. Wahlperiode -Dr. Jaeger Verfassungsgerichtshof - drückte auf „Aus". Daß dies möglich ist, daß der längste Arm in diesem Staat das Gerichtswesen und damit die Rechtsprechung und damit das Recht ist, das, meine Damen und Herren, schützt diese Regierung vor allen Vorwürfen autoritärer Tendenzen. ({6})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Zu einer Zwischenfrage Herr Abgeordneter Schmid!

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001993, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Jaeger, glauben Sie nicht, daß es notwendig ist, den Spruch eines Gerichtes nicht nur auszuführen, sondern auch dem Spruch des Gerichtes seinen Respekt zu bezeugen?

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001006, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Dr. Schmid, in der Ausführung eines Spruches sehe ich den Respekt; denn ich halte nicht viel von Worten, aber viel von Taten. ({0})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001993, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Glauben Sie, daß es sehr respektvoll ist, wenn der Betroffene, der Chef der Regierung, von dieser Tribüne aus sagt, der Spruch des höchsten deutschen Gerichts, des Gerichts, dem es anvertraut ist, die Verfassung zu interpretieren, sei falsch? ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001006, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Würden Sie es für klug oder würden Sie es für ,dem Charakter des Bundeskanzlers angemessen halten, wenn er seine bisherige Rechtsüberzeugung verleugnete? Er hat sich dem Spruch des Bundesverfassungsgerichts zu beugen, aber er kann seinen eigenen Charakter nicht aufgeben. ({0}) - Ja, Herr Kollege Schmid, ich hatte auf Grund der Rede des Herrn Bundeskanzlers durchaus den Eindruck, daß er dem Gericht den schuldigen Respekt erweist, indem er das Urteil durchführt. Im übrigen möchten Sie ja nur, daß der Herr Bundeskanzler so viel Respekt vor dem Gericht hat, daß er zurücktritt. Das ist ja aus der Rede des Herrn Erler hervorgegangen. Da kann ich nur sagen: Der Herr Bundeskanzler hat sich, da Sie sich ja immer als die Patentdemokraten hinstellen, an dem demokratischen Verhalten des Ministerpräsidenten Zinn und der Bürgermeister Brauer und Kaisen orientiert, die auch nicht zurückgetreten sind, als ihnen das Bundesverfassungsgericht bestätigt hatte, daß sie in einer Zentralfrage der Demokratie unrecht gehabt hatten. ({1}) Herr Kollege Erler, Sie meinen, in Hamburg sei kein Mißbrauch staatlicher Gewalt erfolgt. Nun, sind staatliche Gelder vielleicht keine staatliche Gewalt? In dieser Welt ist wahrscheinlich das Geld eine der größten Gewalten! Und glauben Sie nicht, daß die Frage der Volksbefragung eine Frage ist, die an die Fundamente unserer Demokratie mehr gerührt hat als jeder andere Prozeß? ({2}) Dieses Hohe Haus, das das deutsche Volk repräsentiert, hätte abdanken müssen, wenn die Volksbefragungen durchgeführt worden wären, und dem Weltbolschewismus wäre das Tor in unser Vaterland geöffnet worden. ({3}) Ich behaupte nicht, daß Sie ({4}) keine Demokraten sind, weil Sie sich hier in einer Verfassungsrechtsfrage geirrt haben. Aber Sie sollen auch nicht von der Bundesregierung behaupten, sie sei nicht aus Demokraten zusammengesetzt, wenn sie sich nach dem Urteil des Gerichts einmal geirrt hat. Meine Damen und Herren, ich darf nun zu dem kommen, was ich auf die Ausführungen des Herrn Kollegen Erler in der Hauptsache sagen möchte, nämlich zu den Fragen der auswärtigen Politik. Herr Kollege Erler hat hier gesagt, es komme darauf an, daß. die guten Beziehungen zwischen den Staaten fundiert würden durch eine Freundschaft zwischen den Völkern, und man solle deshalb nicht nur die Beziehungen zwischen den Regierungen, sondern auch zu 'den Teilen des Volkes pflegen, die nicht in der Regierung repräsentiert sind. Ein vollkommen richtiger Satz! Aber diesen Satz hat, glaube ich, diese Bundesregierung verwirklicht. Denn sie hatte genau die gleichen guten Beziehungen zum Präsidenten Truman und seinem Außenminister Acheson, die Demokraten waren, wie zum Präsidenten Eisenhower und seinen Außenministern Dulles und Herter, die Republikaner waren, wie - der Besuch Harrimans hat es erst erwiesen - zum heutigen Präsidenten Kennedy und seinem Außenminister Rusk. Ich glaube, diese Regierung, die Regierung der gleichen Partei durch zwölf Jahre, hat zu drei amerikanischen Regierungen, die zwei verschiedenen Parteien angehört haben, immer die gleichen guten Beziehungen gehabt und wird diese Beziehungen auch weiter pflegen. Und dann, meine Damen und Herren, worauf beruht wohl die Freundschaft, die wir für unser Volk in anderen Völkern und nicht zuletzt im Volk der Vereinigten Staaten erringen wollten und errungen haben? Sie beruht, glaube ich, auf der Überzeugung unserer Verbündeten, daß dieses Volk eine wirkliche geistige Wiedergeburt erlebt hat und daß es in einem echten Sinne demokratisch gesinnt ist. Diese Freundschaft beruht darauf, daß man der Regierung dieses Volkes zutraut, daß sie die geschlossenen Verträge hält. Sie haben vorhin gesagt, Herr Brandt gehöre zu den Männern, die sich darum bemühten, der Welt zu zeigen, daß Hitler und Eichmann nicht Deutschland gewesen seien. Aber bevor Herr Brandt als Deutscher Bundestag - 3. Wahlperiode - 147. Sitzung. Bonn, Mittwoch; den 8. März 1961 8323 Regierender Bürgermeister solch einen Versuch machen konnte, hatte dieser Bundeskanzler die ganze Welt davon schon überzeugt. ({5}) Daran, daß die Welt an. die demokratische Gesinnung des deutschen Volkes glaubt, hat sicherlich nicht nur die Regierung, sondern daran hat auch die Opposition ein Verdienst. Aber an die Vertragstreue hat doch die Welt bis vor einem Jahr nur bei der Bundesregierung glauben können. ({6}) Denn vorher gab es eine gemeinsame Außenpolitik ja nicht einmal in Worten. Ich darf Sie noch einmal daran erinnern, daß am 25. März 1958 mein Freund Kiesinger, der heutige Ministerpräsident von Baden-Württemberg, hier als Sprecher unserer Fraktion von gemeinsamer Außenpolitik sprach und der Abgeordnete Wehner damals gerufen hat: „Gibt es nicht!", und der Abgeordnete Schoettle gerufen hat: „Gibt es nicht!". Wenn Sie heute die gemeinsame Außenpolitik wünschen und auf den Boden der Außenpolitik dieser Regierung treten wollen, dann sind wir die letzten, die das nicht begrüßen. Das kann dem Vertrauen der Welt zu Deutschland, das kann der Freundschaft der Vereinigten Staaten zu unserem Volk nur nützen. Wenn es bisher daran gefehlt hat, dann lag es nicht an uns; es lag an Ihnen. ({7}) Aber eine gemeinsame Außenpolitik ist keine Sache der Worte, die in diesem Hohen Hause, die in Rundfunkreden, die vielleicht vom Regierenden Bürgermeister von Berlin verkündet werden, sondern es ist eine Frage des politischen Verhaltens in den Konsequenzen. ({8}) Wo ist die Konsequenz der NATO-Treue in der Zustimmung zu den modernen Waffen, ohne die keine Armee der Welt bestehen kann? ({9}) Wenn Sie schon diese modernsten Waffen, die nuklearen Waffen, absolut ablehnen wollen, so könnten Sie trotzdem dem Verteidigungshaushalt zustimmen; denn diese Waffen sind nicht deutscher Besitz und kosten keinen Pfennig. ({10}) Sie könnten also für die anderen Waffen stimmen. Aber Sie wollen auch den neuen Verteidigungshaushalt ablehnen wie den alten. Sie haben in diesem Hause so gestimmt, daß es, wenn es nach Ihnen gegangen wäre, bis zum heutigen Tage keinen deutschen Soldaten gäbe, keinen Wehrpflichtigen und keinen Berufssoldaten, ({11}) keine moderne und keine konventionelle Waffe, keine Patrone und keinen Hosenknopf! Und dann gehen Sie hinaus ins Land und spielen sich draußen als die Schutzherren der Bundeswehr und ihrer Offiziere auf! ({12}) Lassen Sie mich noch ein Wort zur Europapolitik sagen. Ich weiß nicht, was Herr Erler hier für Vorstellungen hat und was er an unserer Politik aussetzen will. Unsere Europapolitik war konsequent vom ersten Tage bis heute. Wir haben doch ja gesagt zum Beitritt zum Europarat, Sie haben nein gesagt! Wir haben ja gesagt zur Europäischen Verteidigungsgemeinschaft, Sie haben nein gesagt. So ist es bei vielen anderen Abstimmungen gewesen. Unsere Politik war immer klar, auch im Verhältnis zu Großbritannien. Wir haben immer den Standpunkt vertreten, daß man Europa, wenn möglich, mit England bauen muß, daß man es nur im Notfall und zeitweise ohne England und niemals gegen England bauen darf. Wir freuen uns, daß unser Bundeskanzler, nachdem ihm die Freundschaft und Versöhnung mit Frankreich gelungen ist, nun dabei ist, dieselbe feste und dauerhafte Freundschaft zu Großbritannien herzustellen. ({13}) Meine Damen und Herren, malen Sie auf der Linken keine Gespenster an die Wand! Es gibt in diesem Lande keine Emigrantenhetze und schon gar keine Emigrantenhetze aus den Reihen der Christlich-Demokratischen und Christlich-Sozialen Union. ({14}) In unseren Reihen sind genauso wie in den Ihren Männer gestanden, die am 20. Juli aufgestanden sind. In unseren Reihen sind genauso wie in den Ihrigen Männer gestanden, die hinausgehen mußten. Ich bin der Meinung, man kann weder diejenigen, die im Lande geblieben sind, noch diejenigen, die hinausgegangen sind, über einen Kamm scheren. Man muß jeden nach seinem persönlichen Verhalten beurteilen. ({15}) Niemals werde ich dem heutigen Regierenden Bürdermeister von Berlin oder einem anderen einen Vorwurf machen, weil er, um sein Leben zu retten, hinausgegangen ist. Meine Damen und Herren, wir sind doch nicht wahnwitzig. Wir haben doch in diesem Lande gelebt. Wir wissen doch, was passiert ist. Wir wollen auch gar nicht alles aufzählen, was einmal in früheren Zeiten, vor 1945, geschrieben worden ist. Diejenigen, die mit der Archivarbeit angefangen haben, waren ja die Sozialdemokraten, die den letzten kleinsten Nationalsozialisten gepiesackt haben und nun nicht wollen, daß wir nach großen Kommunisten fragen. ({16})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Dr. Hubert?

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001006, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte sehr!

Dr. Elinor Hubert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000969, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Jaeger, halten Sie es nicht für einen sehr großen Unterschied, ob es sich um Menschen handelt, die im Hitlerreich in Stellungen gewesen sind und letzten Endes in irgendeiner Weise dort mitgearbeitet haben, oder ob es sich um jemanden handelt, der gegen den Hitlerstaat gekämpft hat? Ich glaube, das kann man nicht auf einen Nenner bringen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001006, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Verehrte Frau Kollegin Dr. Hubert, auch dieses Pauschalurteil wird der Sache nicht gerecht. Es gab auch Männer in verantwortlichen Stellungen hier, die praktisch - wie ihnen nachher bescheinigt worden ist - Erhebliches gegen den Nationalsozialismus getan haben. Es gab sogar Männer, die am 20. Juli ihren Kopf riskiert haben, und solche, die ihn verloren haben. Es gab aber draußen auch Männer - ich meine nicht Herrn Brandt, sondern ich sage das ganz allgemein -, die für den Bolschewismus und damit nur für ein anderes totalitäres Regime gekämpft haben. ({0}) Die ganze Frage ist so diffizil, daß man sie mit pauschalen Urteilen nicht abtun sollte, und sie ist so schwierig, daß ich gar nicht die Absicht habe, Zitate aus der Zeit vor 1945 zu bringen. Ich finde es viel interessanter, daß der heutige Regierende Bürgermeister von Berlin im Jahre 1946 oder 1947 seinen Parteivorsitzenden Kurt Schumacher kritisiert hat, weil er ihm gegenüber dem Osten zu hart war. ({1}) Ich bezweifle nicht, daß Herr Brandt heute tiefere Einsichten in diese Dinge hat, als er sie 1946 hatte. Aber ich persönlich vertraue mehr Männern, die nicht nur gegen den Nationalsozialismus, sondern auch gegen den Bolschewismus hart gewesen sind, so hart wie die Männer dieser Regierung. ({2}) Denn sehen Sie, meine Damen und Herren, unser Bundeskanzler ist ein Mann, von dem Sie wissen, woher er kommt, wo er steht und wohin er geht. Bei manchem anderen ist die Vergangenheit sehr rot, die Gegenwart undurchsichtig und die Zukunft dunkel. ({3}) Herr Erler hat die Katze aus dem Sack gelassen. Er hat gesagt, er wünsche den Rücktritt der Regierung. Das ist sein gutes Recht. Viele Leute meinen: Nun nach zwölf Jahren, da wird's mal Zeit, daß andere an die Regierung kommen; das sei ein demokratisches Gesetz. Das ist eine kurzschlüssige Auffassung. Demokratie heißt nicht, daß alle vier, acht oder zwölf Jahre die Regierung wechselt. Demokratie heißt, daß alle vier Jahre das Volk gefragt wird, ob es einen Regierungswechsel will oder nicht. ({4}) Das Volk wird sich dann für den entscheiden, der nach seiner Auffassung die bessere Politik gemacht hat. Meistens ist es so - in der demokratischen Fibel haben wir es so gelernt -, daß sich die Regierung nach einigen Jahren verbraucht und die Opposition Recht bekommen hat und dann auch die Mehrheit erhält. Bei uns ist der Vorgang umgekehrt. Die Regierung hat sich nicht verbraucht. Ihr Kanzler und sie selber sind frischer denn je; ({5}) verbraucht hat sich in unserer Bundesrepublik die Opposition, ({6}) die Opposition, die am 30. Juni des letzten Jahres in der großen außenpolitischen Debatte alles verleugnen mußte, was sie elf Jahre gepredigt hatte, und damit der Regierung Recht gegeben hat. ({7}) Herr Kollege Erler hat vom Astabsägen gesprochen. Bei der deutschen Sozialdemokratie besteht die Kunst darin, den Ast abzusägen, auf dem sie selbst sitzt. ({8})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bucher.

Dr. Ewald Bucher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000288, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will nicht wie meine Vorredner nun schon viele Dinge vorwegnehmen, die zu späteren Einzelplänen zu sagen sind, und ich will dabei auch nicht bereits die erste Wahlrede halten, sondern ich werde mich bemühen, die Debatte auf den Einzelplan 04 zu beschränken. Wenn wir heute das zwölfte Mal vor der Frage stehen, ob der Einzelplan des Bundeskanzlers Dr. Adenauer von diesem Hause gebilligt werden soll oder nicht, so machen wir von der FDP uns die Entscheidung nicht leicht. Selbstverständlich ist es, daß eine Oppositionspartei, auch wenn sie, wie es Herr Abgeordneter Gerstenmaier heute sagte, eine wohldosiert abgestufte Opposition betreibt, den Haushalt im ganzen ablehnt. Aber - ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Einen Augenblick, meine Damen und Herren! Mittagspause ist erst in einer halben Stunde. Ich bitte, doch Platz zu nehmen.

Dr. Ewald Bucher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000288, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Aber sie überlegt sich gleichzeitig bei jedem Einzelplan und auch bei diesem, ob sie zu dem einzelnen ja oder nein sagt, und es ist keineswegs für uns selbstverständlichlich, daß wir zum Einzelplan des Bundeskanzlers nein sagen. Denn es ergibt sich hier durchaus ein Einerseits - Andererseits. Ich brauche das, was von den Sprechern der CDU in viel bewegteren Worten und in viel rhapsodischerer Weise dazu gesagt wird, hier nicht meinerseits auszubreiten. Aber entkleidet allen rhapsodischeren Charakters bleibt selbstverständlich übrig, daß in diesen zwölf Jahren ganz Wesentliches geleistet worden ist. Beginnt man mit dem Hauptgebiet des Herrn Bundeskanzlers, mit der Außenpolitik, so zeigt sich allerdings das Einerseits - Andererseits sofort in ganz besonders starkem Maße. Einerseits: selbstverständlich stehen wir alle hinter der Politik, die sich gegen Zumutungen von sowjetischer Seite wehrt, wie sie in dem neuen Memorandum wieder enthalten sind und wie sie sich besonders immer wieder als Angriff auf Berlin zeigen. Andererseits bleibt die Feststellung, über die wir nun seit dem 30. Juni 1960 in diesem Hause allerdings nicht mehr sprechen, daß mehr als die Erhaltung des Bestehenden, eben der Bundesrepublik, des halben Deutschlands, nicht gelungen ist. Ich bin nicht der Ansicht, wie offenbar Herr Kollege Jaeger, daß das, was sich an diesem 30. Juni letzten Jahres hier abgespielt hat, für die Regierungspartei Anlaß zu besonderem Triumph sei; sondern es zeugt von der schlichten Tatsache, daß es keinen Sinn mehr hat, darüber hier zu sprechen. Auch auf allen anderen Gebieten, auf dem Gebiet der Wirtschaft und in der Frage des Ansehens, der Geltung des deutschen Staates im Ausland ist Erhebliches geleistet worden. Es ist geleistet worden nicht nur von dieser Bundesregierung, sondern vom deutschen Volk, so wie es Reinhold Maier immer betont, wobei man aber ruhig sagen sollte: Die Bundesregierung hat das Verdienst, daß sie dem deutschen Volk die Möglichkeit gegeben hat, diese Aufbauarbeit zu leisten, eine Möglichkeit, die etwa dasselbe deutsche Volk in der sowjetischen Besatzungszone nicht gehabt hat. Äußerlich betrachtet scheint also alles in bester Ordnung zu sein: wirtschaftlicher Aufbau, sozialpolitische Sicherheit. Nun stellt sich die Frage nach dem demokratischen Aufbau unseres Volkes. Hier ist mir gestern das alte Wort meines Landsmanns Ludwig Uhland wieder vergegenwärtigt worden; er sagte, kein gekröntes Haupt solle in Zukunft in Deutschland regieren, das nicht mit einem Tropfen demokratischen Ols gesalbt sei. Das war sehr bescheiden gedacht. Wir haben ja heute keine gekrönten Häupter mehr. Aber dafür sind wir andererseits bereit und in der Lage, nicht nur Tropfen demokratischen Ols zur Verfügung zu stellen, sondern die führenden Personen in ganzen Wannen demokratischen Ols zu baden. Nur, ich finde, es wird wenig Gebrauch davon gemacht. Denn unsere Verfassung - und das meine ich mit der Wanne demokratischen Ols -, unsere glänzend ausgearbeitete Verfassung, die alle rechtsstaatlichen Garantien gibt, lebt eben doch nicht so im Bewußtsein des deutschen Volkes, wie das sein müßte und wie es z. B. bei der nie in Kraft getretenen Verfassung von 1848 war, sondern es herrschte bei uns und herrscht weithin noch heute doch die Vorstellung: Wir haben einen Kaiser, oder wir haben einen Hindenburg, oder wir haben einen Bundeskanzler, und der wird es schon richtig machen. Sie werden bemerken, daß ich eine vierte Möglichkeit, die wir auch noch hatten, absichtlich ausgelassen habe, um keinesfalls in den Verdacht zu kommen, einen der Genannten damit vergleichen zu wollen. Aber diese vierte Möglichkeit, von der man auch in Deutschland geneigt war zu sagen: Er wird es schon richtig machen, zeigt eben gerade die Gefahr, die in dieser Denkungsweise steckt. Nun ist es andererseits erfreulich, festzustellen, daß das Grundgesetz mehr und mehr anerkannt wird. Wenn Sie heute in einer Versammlung vom Grundgesetz reden, stoßen Sie nicht mehr, wie vielleicht vor zehn Jahren noch, auf ein etwas verwundertes Kopfschütteln und Fragen, was denn das für ein Stück Papier sei, sondern es wird bestimmt mehr und mehr anerkannt. Aber leider trägt eben die Politik der Bundesregierung und gerade die Politik des Herrn Bundeskanzlers nicht dazu bei, diese Entwicklung noch mehr zu fördern. Ein Musterbeispiel dafür ist das, was wir an dem Fernsehdebakel erlebt haben. Es geht dabei gar nicht um die Sache, sondern es geht um die Methode. Bezeichnenderweise hat auch das Gericht besonders scharf die Methode kritisiert, die hier angewandt worden ist. Das muß ja schon zu denken geben; denn es ist eigentlich selten, daß ein Gericht sich mit politischen Methoden befaßt. Zu der Feststellung, daß die Gründung einer privatrechtlichen Fernsehen-GmbH verfassungsrechtlich unmöglich war, bedurfte es keiner Gutachten von vier Professoren. ({0}) Nun ist es also passiert, das Urteil liegt vor. Da stellt sich der Herr Bundeskanzler hierher und sagt: Es war die böse Opposition, die an das Bundesverfassungsgericht gegangen ist, und er vergießt Krokodilstränen darüber, daß der eigentlich Leidtragende in dieser Sache das deutsche Fernsehpublikum sei. Aber das zeigt gerade, in welche Gefahr wir geraten, wenn wir uns einfach darauf verlassen: Wenn in diesem Staat etwas nicht stimmt, wird das ja vor dem Bundesverfassungsgericht ausgebügelt werden. Wenn uns das nicht paßt, stellen wir uns eben hierhin und sagen: Das Urteil ist falsch. Ich halte diese Urteilsschelte, vorgenommen durch den Bundeskanzler hier vor dem Deutschen Bundestag, nicht für angängig. ({1}) Er kann sagen: Das Urteil ist falsch. Er hat dieses Recht, wenn er dann die Konsequenz zieht, zurückzutreten, wenn er sagt: Das Urteil ist so falsch, daß ich mich zwar darunter beugen muß, weil es ein Urteil des obersten Gerichts ist, aber ich habe hier eine solche Niederlage erlitten, daß ich unter heftiger Kritik an diesem Urteil meinen Abschied nehme. Das wäre möglich. Wenn er das aber nicht tut, darf er nicht das Ansehen des höchsten deutschen Gerichts durch die doch sehr zwielichtige Äußerung in Zweifel ziehen. Er sagt: Es ist falsch, aber wir respektieren es. Natürlich! Etwas anderes haben wir beileibe nicht erwartet, als daß es respektiert wird. Was denn sonst? ({2}) Man beklagt sich bei uns oft darüber, unser Staat werde zum Justizstaat. Aber die sich darüber beklagen, haben diese Gefahr selbst heraufbeschworen. Hier muß man vor allem einmal darauf hinweisen, daß sich die Rangordnung unserer obersten Verfassungsorgane in der Wirklichkeit ganz anders entwickelt hat, als im Grundgesetz vorgesehen. Vor einiger Zeit hat auf der Tagung einer Akademie ein französischer Journalist die Rangordnung unserer Verfasungsorgane in ihrer praktischen Wirksamkeit folgendermaßen aufgestellt: Bundeskanzler, Bundesverfassungsgericht, Bundesrat, Bundesregierung, Bundestag. Dabei fällt zunächst einmal das weite Auseinanderhängen von Bundeskanzler und Bundesregierung auf. Als der Herr Bundeskanzler heute davon sprach, daß im Innenministerium und im Justizministerium Gutachten ausgearbeitet worden seien, war eine allgemeine Heiterkeit hier im Hause festzustellen. Das hängt mit der Erscheinung zusammen, daß der Rang, die Wirksamkeit der Bundesregierung weit hinter der des Bundeskanzlers, viel weiter als im Grundgesetz vorgesehen, zurücksteht. Das besonders Bedenkliche an dieser Rangordnung, die der französische Journalist meiner Ansicht nach völlig richtig wiedergegeben hat, sind zwei Dinge, einmal das sehr weite Zurücktreten des Bundestages, praktisch an die letzte Stelle, und zum anderen das sehr starke Hervortreten des Bundesverfassungsgerichts. Dieses Bundesverfassungsgericht ist ja beileibe nicht gedacht als ein allgemeiner Kadi, der die letzte Instanz im Staat sein soll, sozusagen Ersatz für einen absoluten Monarchen, sondern es soll ein Verfassungsorgan, ein Kontrollorgan sein und als solches in das Gleichgewicht aller dieser Organe eingebaut sein. Wenn man dieses Gleichgewicht stört, nutzt man das Bundesverfassungsgericht ab. Ich gebe zu, es gab sicher viele Klagen, auch solche von seiten der Opposition, die beim Bundesverfassungsgericht eingebracht worden sind und die zu dieser Abnutzung beigetragen haben. Wenn ich mich etwa an die Klage wegen Beschränkung der Redezeit in diesem Hause erinnere, an der ich selbst als Kläger beteiligt war, so stehe ich heute nicht an, zu erklären, daß mit dieser Klage das Bundesverfassungsgericht wohl überfordert war. Woher kommt es aber, daß eine solche Klage eingereicht wird? Doch eben aus dem ganzen Klima, aus der ganzen politischen Atmosphäre, die hier herrscht und die dazu geführt hat, daß in der Opposition zu sein zwar nicht gerade eine Schande war, aber doch eine Stellung minderen Rechtes bedeutete. Wir sind deshalb besonders dankbar dafür, daß der Herr Bundestagspräsident heute so nachdrücklich betont hat, in der Opposition zu sein sei keine Schande. Das war aber doch - wenn Sie an die Stimmung vor zwei Jahren denken - die Einstellung, die hier weithin herrschte, und so etwas beschwört dann natürlich solche Schritte zum Bundesverfassungsgericht herauf. Ich glaube allerdings, hoffen zu können, daß sich diese Atmosphäre in der letzten Zeit gebessert hat. Ein Zeichen dafür war nach meiner Ansicht die Haltung des Hauses zu dem Gesetz über Ein- und Ausreisebeschränkungen, wo eigentlich das ganze Haus, mit geringfügigen Ausnahmen, den Entwurf der Regierung abgelehnt und gezeigt hat, daß man bereit ist, sachlich darüber zu diskutieren und sich nicht von vornherein festzulegen. Abgesehen aber von dieser Verschiebung in den Gewichten, der Verschiebung also, daß das Bundesverfassungsgericht so weit nach vorn gerückt ist, ist besonders bedenklich die Zurückstellung des Bundestages und die Zurücksetzung der Bundesregierung gegenüber dem Bundeskanzler. Das letzte liegt hauptsächlich an der Handhabung der Richtlinienpolitik. Der Art. 65 des Grundgesetzes läßt sich darüber aus, und ich glaube, es lohnt sich immer wieder, diesen Artikel zu lesen. Er enthält nämlich nicht, wie weithin geglaubt wird, nur den einen Satz: „Der Bundeskanzler bestimmt die Richtlinien der Politik", sondern es heißt weiter, daß innerhalb dieser Richtlinien jeder Bundesminister sein Ressort selbständig und unter eigener Verantwortung verwaltet; und im dritten Satz ist gesagt, daß bei Meinungsverschiedenheiten zwischen Bundesministern die Bundesregierung entscheidet. Das Wesentliche ist hier der Zusammenhang dieser ganzen Bestimmung, und hier müssen wir doch immer wieder feststellen, daß einerseits diese Richtlinienpolitik zu stark ausgedehnt, also die Stellung der Bundesminister übergangen wird, und daß sie andererseits zu lax gehandhabt wird. Der Herr Bundeskanzler hat einmal an dieser Stelle gesagt, als ihm ein ähnlicher Vorwurf gemacht wurde: Einerseits wird mir vorgeworfen, ich zöge die Zügel zu straff an, und andererseits, ich hielte die Zügel zu locker; dann wird ja wohl die Mitte gerade wahr sein. Nun, so einfach sind die Dinge nicht. Es kommt darauf an, bei welcher Gelegenheit man die Zügel straff hält und bei welcher Gelegenheit man sie locker hält. Die Zügel werden z. B. straff gehalten, d. h. die Bundesminister werden gar nicht gefragt, wenn der Herr Rehwinkel zum Herrn Bundeskanzler kommt und eine Zusage über 300 Millionen DM erhält, ohne daß der zuständige Minister dabei ist. Ich will damit gar nichts darüber sagen, ob diese Forderung des Herrn Rehwinkel berechtigt war oder nicht; damit befassen wir uns bei diesem Haushalt nicht. Aber die Methode widerspricht jedenfalls dem Grundgesetz. In ähnlicher Weise haben wir es schon oft erlebt, daß Vertreter von Interessen - durchaus legitimen Interessen oft - empfangen wurden und daß ihnen Zusagen gemacht wurden; etwa den Vertretern der Ärzte in der Krankenversicherungsfrage. Andererseits verzichtet der Bundeskanzler darauf, die Richtlinien der Politik zu bestimmen, etwa in der Frage der Zahlungen, die wir an die USA leisten sollen. Hier ist ja nun ein völlig heilloses Durcheinander entstanden, vor allem, da mit diesen Zahlungen nun auch die Ausgaben für die Entwicklungshilfe verknüpft werden. Da wurde zunächst ein Angebot gemacht, das etwa auf 4 Milliarden DM ging und zu dem der Herr Bundeswirtschaftsminister sagte: Kein Pfennig mehr! Dann reiste der Herr Außenminister nach den . Vereinigten Staaten, und der erstaunte Rundfunkhörer vernahm nun, daß in einer Pressekonferenz angekündigt wurde, es würden 2 Milliarden Dollar - also etwa genau das Doppelte - bezahlt. Nachher, ebenfalls an diesem ominösen 28. Februar, gibt der Herr Bundeswirtschaftsminister der „Stuttgarter Zeitung" ein Interview und sagt auf die Frage, ob für diese Entwicklungshilfe und die Verpflichtungen, die wir gegenüber den USA eingehen, Haushaltsmittel benötigt würden, davon wisse er nichts, er sei ja „nur" Wirtschaftsminister und könne nichts darüber sagen, wie der Haushalt aussehen werde, - der genau eine Woche später hier im Hause ansteht. Ich glaube, wenn ich oder irgend jemand von Ihnen, meine Damen und Herren, auf einer ganz gewöhnlichen Dorfversammlung sagen würde, man sei ja nur Abgeordneter und vielleicht im Geschäftsordnungs- oder im Rechtsausschuß und wisse nicht, wieviel Milliarden im Haushalt ständen, so würde einem das sehr übel genommen. - Bei einem solchen Durcheinander kann man also doch nicht im geringsten von Richtlinien sprechen. Nehmen Sie ein anderes Beispiel: Bei den Christlichen Arbeitnehmern in Königswinter unterstützt der Bundeskanzler die Forderung auf eine expansive Lohnpolitik; das heißt also: Lohnerhöhungen sollten auch ohne Produktivitätssteigerungen möglich sein. Die beiden für Finanzen und Wirtschaft verantwortlichen Minister verkünden kurz darauf, die Bundesregierung appelliere an die Tarifparteien, Maß zu halten. Man erkennt daraus nun schon die Linie. Es wird von den Richtlinien kein Gebrauch gemacht, wenn es darum geht, unpopuläre Dinge nicht auszusprechen oder populäre Dinge sehr wohl auszusprechen. Dabei begrüßen wir es im Prinzip, daß der Bundeskanzler eine starke Stellung haben soll, so wie es im Grundgesetz beabsichtigt ist. Sie ermöglicht eine klare Konzeption und ermöglicht es, daß diese klare Konzeption erkennbar wird; aber nicht nur erkennbar, sondern eben auch durchgeführt. So z. B. wurde in Regierungserklärungen erkennbar - es ist heute schon von Herrn Kollegen Erler zitiert worden -, daß dem Herrn Bundeskanzler daran liege, die kleinen und mittleren Existenzen in der mittelständischen Wirtschaft zu fördern, und es steht in der Regierungserklärung noch der schöne Satz dabei: „Dafür wird der Bundeswirtschaftsminister sorgen." Nun, man lasse ihn doch dafür sorgen! Hier ist ein reiches Feld, Richtlinien für eine Wirtschaftspolitik zu entwickeln. Bis jetzt haben wir sie leider vermißt. ({3}) Hier wird diese Möglichkeit gar nicht ausgenützt, es wird keine politische und keine wirtschaftspolitische Klarheit geschaffen, sondern der Bundeskanzler trifft Einzelentscheidungen an Stelle seiner Fachminister nach dem Motto: Right or wrong - my party! ({4}) Es würde uns im Zusammenhang dieses Haushalts natürlich ganz besonders auch die Frage interessieren, wie denn die Ausgaben finanziert werden sollen, die für das Fernsehexperiment - es war sicher ein Experiment - gemacht worden sind. Diese Frage ist heute hier schon angesprochen worden, und es wird Gelegenheit sein, bei dem Antrag, der hierzu vorliegt, darüber zu sprechen. Bevor ich zum Schluß komme, möchte ich noch einen Punkt behandeln, der mir persönlich ebenfalls sehr am Herzen liegt, und zwar den Punkt Emigrantenhetze. Ich kann hierzu von einem völlig neutralen persönlichen Standpunkt aus sprechen; denn die Fraktion ,der FDP ist ja nicht der Ansicht, daß der Bundeskanzlerkandidat der SPD Bundeskanzler werden sollte. Darum geht es gar nicht. Aber es ist doch eine ganz bedenkliche Erscheinung, wenn die Tatsache, daß jemand emigriert ist, nun ausgesprochen oder unterschwellig immer wieder dazu ausgenützt werden soll, ihn schlechtzumachen. Erfreulicherweise hat Herr Dr. Jaeger hierzu sehr klar Stellung genommen. Aber ich würde es doch be- grüßen, wenn der Herr Bundeskanzler selber diese Gelegenheit benützte, dazu ein Wort zu sagen und die Atmosphäre hier zu entgiften. ({5}) Ich habe mir sagen lassen, ,daß der Herr Bundeskanzler eine Schallplatte besprochen habe, die nun, mit Rosen vorne drauf, herauskommen solle. Er spricht da über sein Leben und wird gefragt, ob er nicht während ,der Zeit des Dritten Reiches auch einmal über die Notwendigkeit nachgedacht habe, zu emigrieren. Darauf antwortet der Herr Bundeskanzler dem Sinne nach - ich weiß es nicht wörtlich -, er habe bei seiner Familie und bei seinem Volk bleiben wollen, um all das mitzumachen, was ihnen bevorstehe. Diese Haltung wird sicher in keiner Weise Kritik hervorrufen. Sie kann von niemandem kritisiert werden und ist sicher auch nicht mit der Absicht verbunden, unterschwellige Propaganda zu betreiben. Sie könnte aber doch so ausgelegt werden, als ob damit das Gegenteil als nicht richtig hingestellt werden sollte. Gerade deshalb, meine ich, wäre ein Wort aus ,dem Munde des Herrn Bundeskanzlers zu diesem Punkt doch sehr wertvoll. ({6}) Zusammenfassend möchte ich sagen: Die starke Stellung, die das Grundgesetz dem Bundeskanzler gibt - u. a. durch ,das konstruktive Mißtrauensvotum -, ist nur dann berechtigt, wenn sie als logisches Correspondens ein starkes Parlament hat; denn nur in der Zusammenarbeit dieser beiden kann die Demokratie funktionieren, so wie Max Weber gesagt hat: Nur aus einem Parlament, das Entscheidungsmacht hat, können politische Persönlichkeiten wachsen. Das aber ist es, was wir dem Herrn Bundeskanzler in erster Linie zum Vorwurf machen: daß diese politische Entscheidungsmacht des Parlaments bei jeder Gelegenheit zurückgedrängt wird, obwohl sie ein praktisches Gebot und ein Gebot der Stunde wäre. Aus diesen grundsätzlichen Erwägungen müssen wir den Haushalt des Bundeskanzlers ablehnen. ({7})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Meine Damen und Herren, ich unterbreche jetzt die Sitzung. Um 15 Uhr beginnt der Herr Abgeordnete Dr. Deist. Die Sitzung wird bis 15 Uhr unterbrochen. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Die Sitzung ist wieder eröffnet. Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.

Dr. Konrad Adenauer (Kanzler:in)

Politiker ID: 11000009

Herr Präsident, meine Damen und meine Herren! Herr Kollege Erler hat einige Ausführungen gemacht, auf die ich antworten möchte. Ich lege zunächst Wert darauf, zu sagen, daß der Wahlkampf sachlich und unter politischen Gesichtspunkten geführt werden muß. In allen Parteien gibt es zahlreiche Männer und Frauen, die einen konsequenten Kampf gegen Hitler und sein System geführt haben. Aus allen Parteien lernten Gegner des Hitlersystems das Grauen der Konzentrationslager kennen. Aus allen Parteien haben Gegner des Hitlersystems als Beamte und Soldaten Widerstand geleistet, Verfolgten geholfen, das Grauen zu mildern versucht. Keinem, der aus persönlichen oder politischen Gründen in die Emigration ging, keinem, der im Inland an seinem Platz verbleibend Widerstand geleistet hat, kann aus dieser Tatsache allein ein Vorwurf gemacht werden. Es kommt in jedem Falle darauf an, daß die Motive seines Handelns wie sein Handeln selbst ehrenwert waren. Eine pauschale Verurteilung wäre ebenso falsch wie eine pauschale Verherrlichung. Im übrigen, meine Damen und Herren, ist das Ganze keine theoretisch-historische Frage, sondern sie ist von brennender Aktualität. Tausende fliehen monatlich aus der sowjetischen Besatzungszone, Hunderttausende verbleiben an dem Ort, an den sie das Schicksal hinstellte, und leisten im Amt, im Beruf, in ihren Religionsgemeinschaften zähen Widerstand gegen Ulbrichts System. Damit durch die unglückliche Formulierung „Lieber Brandt als Eichmann" nicht ein für das deutsche Volk in seiner Gesamtheit unübersehbarer Schaden entsteht, stelle ich fest: Das deutsche Volk ist sich in der Verurteilung und in dem Abscheu gegen Eichmann und seine Untaten absolut einig. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Deist.

Dr. Heinrich Deist (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000367, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler hat heute vormittag den Bundestag über die Entscheidung der Bundesregierung über die Aufwertung der D-Mark unterrichtet. Gestatten Sie mir, daß ich zu diesem Tatbestand einige Bemerkungen mache. Zunächst hat der Herr Bundeskanzler diese Mitteilung gewissermaßen mit einem kleinen Horsd oeuvre versehen, indem er die Neufestsetzung des Wertes der Deutschen Mark als eine Änderung des Wechselkurses des Dollars bezeichnete. Ich will keine philologische Betrachtung darüber anstellen, ob man sich bei der Veränderung eines Wechselkurses, die also ein wechselseitiges Verhältnis betrifft, auch in die Lage des Herrn des Weißen Hauses versetzen kann, weil von dort aus der Kurs des Dollars verändert erscheint. Aber mir scheint es eine politisch-psychologische Sonderleistung zu sein, wenn der Eindruck hervorgerufen wird, als wenn wir Deutschen gewissermaßen als Herren der Welt ({0}) nicht etwa die D-Mark aufgewertet, sondern den Dollar abgewertet haben, nachdem der Präsident der Vereinigten Staaten in seinem Bericht über die Lage der Nation vor dem Kongreß ausdrücklich erklärt hatte: Diese Regierung wird den Wert des Dollars in keiner Weise antasten. - Ich wollte diese Bemerkung nur vorweg machen, weil es mir bedenklich erscheint, ohne Rücksicht auf die möglichen politisch-psychologischen Rückwirkungen so zu sprechen. Im übrigen handelt es sich bei der Entscheidung der Bundesregierung um einen ernsten Tatbestand, der eine entsprechend ernste und sachliche Würdigung verlangt. Denn letzten Endes geht es um die Stabilität der Währung, um die Stabilität der äußeren Währungsverhältnisse und um die Stabilität des inneren Preisniveaus als der Grundlage einer gesunden wirtschaftlichen Entwicklung. Ich darf daran erinnern und möchte es mit Genugtuung verzeichnen, daß der Herr Bundesfinanzminister bereits vor mehr als einem Jahre und der Herr Bundeswirtschaftsminister in diesen Tagen in einer Rundfunkrede sehr deutlich darauf hingewiesen haben, daß es unerträglich ist, wenn die Kaufkraft der D-Mark laufend wie in den letzten zehn Jahren jährlich um etwa 2 bis 3 % sinkt. Einer solchen Entwicklung können wir nicht tatenlos zusehen. Die Sparer, die Hausfrauen, die Arbeitnehmer und die Verbraucher haben einen Anspruch darauf, daß alles getan wird, um die Stabilität der Währung und die Stabilität des Preisniveaus zu sichern. Das ist eine gemeinsame Aufgabe und ein gemeinsames Interesse aller verantwortlichen Deutschen in der Bundesrepublik. Wir, meine Freunde und ich, haben wiederholt an der Haltung der Bundesregierung Kritik geübt, weil wir meinten, daß sie in der Vergangenheit nicht alles und nicht genügend getan habe, um diese Stabilität zu sichern. Der Herr Bundeskanzler hat ein klein wenig über die Vorgeschichte dieser Entscheidung gesagt. Lassen Sie mich auch einiges über die Entwicklung des Jahres 1960, die zu dieser Entscheidung geführt hat, hinzufügen. Im Laufe des Jahres 1960 stellte sich allmählich sehr deutlich heraus, daß die konjunkturellen Überhitzungserscheinungen und der steigende Preistrend auf gewerblichem Gebiet zwei Hauptquellen hatten. Eine dieser beiden Hauptquellen war die überschäumende Auslandsnachfrage nach deutschen Gütern, insbesondere nach Investitionsgütern. Sie fand ihren Ausdruck in dem Ausfuhrüberschuß von etwa 5 Milliarden DM, den wir in den letzten Jahren zu verzeichnen hatten und der zu hohen Zahlungsbilanzüberschüssen geführt hat. Sie hat eine zweite Quelle; es war die übermäßige Investitionstätigkeit der deutschen Wirtschaft, die von Gewinnerwartungen gestärkt und bestimmt war, die in diesem Umfange in den RealiDr. Deist täten sicherlich keine Grundlage hatte. Auf Grund dieser Gewinnerwartungen ergab sich ein Investitionsboom, ein Investitionsfieber als zweites Merkmal der Konjunkturentwicklung. Hier drohte zweifellos eine ernste Gefahr für die gesunde wirtschaftliche Entwicklung. Wir mußten im Laufe des Jahres 1960 - das gilt insbesondere für die Bundesnotenbank - die Erfahrung machen, daß monetäre Maßnahmen zur Erschwerung der Kreditversorgung nicht mehr ausreichten, um eine gleichgewichtige und gefahrlose Entwicklung der Wirtschaft sicherzustellen. In diesem Jahre 1960 wurde für alle, die die Dinge gewissenhaft und verantwortungsvoll verfolgten, klar, daß entscheidende Schritte zu einer Normalisierung der wirtschaftlichen Entwicklung ergriffen werden mußten. Ich glaube, man kann auch sagen, daß der Augenblick, in dem dies überdeutlich wurde und damit in ganz Deutschland die Überzeugung wuchs, nunmehr müsse etwas getan werden, im Herbst des vergangenen Jahres erreicht war. Meine Damen und Herren! Zur Beurteilung der Maßnahmen und unserer Haltung zu diesen Maßnahmen ist es vielleicht gut, wenn man die Diskussion über die möglichen Maßnahmen hier kurz rekapituliert. Im Herbst 1960 standen zur Erörterung die Möglichkeit einer Aufwertung und andere wirksame und geschmeidigere Maßnahmen. Ich darf daran erinnern, daß die Aufwertung damals von Bundesregierung, Bundesbank und von allen politischen Parteien aus vier entscheidenden Gründen abgelehnt worden ist. Ich meine, bei einer sachlichen Erörterung der Fragen muß man sich, gerade wenn man wünscht, daß eine gesunde wirtschaftliche Entwicklung aufrechterhalten und fortgeführt wird, mit diesem Problem kurz auseinandersetzen. Es war einmal die Überlegung, daß das politische Vertrauen arg beeinträchtigt werden könnte, wenn der einmal festgesetzte Währungskurs der D-Mark verändert würde. Es war zweitens die Überlegung - und die gilt wohl auch heute noch und ist für die künftige Entwicklung nicht unwichtig -, daß wir eine völlig unterschiedliche Konjunkturlage in Europa auf der einen und in den USA auf der anderen Seite haben. In Europa haben wir eine verhältnismäßig hohe, sehr gute Konjunktur; in Amerika herrscht seit Jahren eine Rezession, d. h. eine sehr schwache wirtschaftliche Entwicklung. Auch diese Unterschiede haben sicherlich zu dem Zahlungsungleichgewicht in der Welt wesentlich beigetragen, und es gibt keinen Grund, daß diese Entwicklung so weiter verläuft. Im Gegenteil, in den USA werden zur Zeit ernsthafte Anstrengungen gemacht, um diese Rezession zu überwinden. Wir wissen, daß in Großbritannien und in den USA eine kräftige Exportkampagne anläuft. Niemand kann also übersehen, wie die Konjunktur und damit das Zahlungsungleichgewicht sich in den nächsten Monaten entwickeln wird. Die dritte Überlegung war, daß es bei dieser Unübersichtlichkeit schwierig ist, eine Maßnahme zu treffen, die unwiderruflich und nicht korrigierbar ist; denn ganz zweifellos ist eine Entscheidung über die Veränderung des Wechselkurses schwerlich revidierbar und damit unwiderruflich. Schließlich war die vierte Überlegung, daß die Berichtigung des Wechselkurses genauso wie Maßnahmen der Bundesnotenbank eine globale und damit sehr harte und generell wirkende Maßnahme ist, die man nur dann anwenden sollte, wenn andere Möglichkeiten nicht mehr verbleiben. Meine Damen und Herren! Das waren, wenn ich das rekapitulieren darf, ,die Überlegungen, die uns fast alle dazu gebracht haben, bis in die vergangene Woche eine Währungsaufwertung abzulehnen. Wir Sozialdemokraten waren immer der Auffassung - und insbesondere im Herbst -, daß die Dinge nicht so weitergehen könnten und daß ernsthafte Schritte unternommen werden müßten. Aber im Hinblick auf die Vielgestaltigkeit der Ursachen für die augenblicklichen Schwierigkeiten waren wir der Auffassung, daß es mehrere wirksame und anpassungsfähige Maßnahmen sein sollten. Sie wissen, wir waren der Meinung, man sollte dem Exportüberschuß, den ich lieber und, ich glaube, richtiger als Einfuhrdefizit bezeichnen möchte, also der Diskrepanz zwischen Einfuhr und Ausfuhr, dadurch begegnen, daß man die Belastung der Einfuhr mit Umsatzausgleichsteuer und die Entlastung der Ausfuhr durch die Umsatzsteuerrückvergütung suspendiert. Ein solches Vorgehen hätte folgenden Effekt gehabt. Es hätte sich auf den Warenverkehr etwa in gleicher Weise ausgewirkt wie die derzeit vorgenommene Aufwertung der D-Mark. Aber wir hätten die Möglichkeit gehabt, die Wirkung solcher Maßnahmen auf die Außenwirtschaft zunächst einmal zu überprüfen und abzutasten. Es hätte auch die Möglichkeit bestanden, gezielte Maßnahmen zu ergreifen. Wir wissen alle, daß nicht die gesamte Wirtschaft von dem herrschenden Boom ergriffen ist. Wir wissen alle, daß es Industriezweige gibt, die im Schatten stehen. Dazu gehört in erster Linie der Kohlenbergbau, und dazu gehören im gewissen Umfange auch die Werften, die Textil- und die Lederindustrie. Wir hätten schließlich die Möglichkeit gehabt, die getroffenen Maßnahmen der Entwicklung anzupassen. Vielleicht ist es nicht ganz uninteressant, festzustellen, daß im Herbst des vergangenen Jahres zwischen der Bundesregierung, dem Bundeswirtschaftsminister und den Wirtschaftspolitikern sowohl der Regierungspartei als auch der Sozialdemokratie Übereinstimmung über die Zweckmäßigkeit solcher Maßnahmen bestand. Aber ihre Durchführung ist seinerzeit an dem starken Druck gewisser Interessentengruppen der Industrie gescheitert. Wir waren darüber hinaus der Auffassung - und das ist auch für die heutige Situation nicht uninteressant -, daß es wichtig sei, dem Investitionsboom zu begegnen. Wir befanden uns hier in weitgehender Übereinstimmung z. B. mit dem Herrn Bundesfinanzminister, der !der Auffassung war, daß man dem Investitionsboom in der Großwirtschaft mit antizyklischen Maßnahmen auf dem Gebiet der Steuerpolitik begegnen müsse. Leider ist auch das im Herbst des vergangenen Jahres nicht geschehen. Schließlich - und ich glaube, daß ist für die zukünftige Entwicklung noch wichtiger - waren wir der Meinung, daß alle solche Maßnahmen nur Bedeutung haben, wenn sichergestellt ist, daß sie sich wirklich auf das Endverbraucher-Preisniveau auswirken, d. h. daß der Verbraucher durch Preissenkungen in den Genuß solcher Maßnahmen kommt. Darum waren wir der Auffassung, daß besondere Maßnahmen zur Sicherung der Preisstabilität, insbesondere auf dem Gebiet der Kartell- und Monopolkontrolle, erfolgen müßten. Auch darüber bestand theoretisch Übereinstimmung, wenn auch praktisch auf diesem Gebiete wenig geschehen ist. Ich möchte hier mein Bedauern darüber zum Ausdruck bringen, daß es im Herbst vergangenen Jahres nicht möglich war, solche damals sicherlich verhältnismäßig leicht durchzuführenden flexiblen Maßnahmen, die eine Anpassung an veränderte Verhältnisse zugelassen hätten, durchzuführen. ({1}) Es ist meine feste Überzeugung, daß sich, obwohl sich alle Verantwortlichen in Deutschland in diesem Zeitpunkt über die Notwendigkeit solcher Maßnahmen einig waren, die Bundesregierung in den Verhandlungen mit der Industrie ihre Hände so weit gebunden hatte, daß sie hier in ihren Entscheidungen nicht mehr frei war. Inzwischen ist die Entwicklung in den letzten sechs Monaten weitergerollt. Heute ist kein Zweifel mehr möglich, daß die Konjunktur unvermindert fortschreitet. Wir sehen, daß sich in der Außenwirtschaft, insbesondere in der Zahlungsbilanz, keine wesentlichen Veränderungen andeuten. Infolgedessen wurde der außenpolitische Druck, nunmehr endlich etwas zur Normalisierung unserer außenwirtschaftlichen Verhältnisse zu unternehmen, übermächtig. Schließlich stellte sich heraus, daß die Feststellungen der deutschen Wirtschaftswissenschaft und fast aller deutschen Wirtschaftspolitiker, es müsse ernsthaft etwas gegen diese Preissteigerungen unternommen werden, nicht mehr zu bestreiten war. Nach den Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers hat sich offenbar ein Teil der Bundesregierung - vermutlich auf Grund der Zahlen des Monats Dezember - der Illusion hingegeben, die Konjunktur werde sich allmählich selbst beruhigen. Seit die Zahlen für den Monat Januar bekanntgeworden sind, ist deutlich geworden, daß diese Illusion endgültig aufgegeben werden muß. Das war die Grundlage für die plötzliche und für die meisten unerwartete Entscheidung der Bundesregierung, die D-Mark aufzuwerten und ihre bisherigen Einwände beiseite zu stellen. Die Erleichterung in der Öffentlichkeit ist, wenn ich sie richtig deute, gewissermaßen einem „Na endlich, es wurde endlich Zeit, daß wirksame Maßnahmen ergriffen wurden, die längst überfällig waren" gleichzusetzen. Wir sind auch heute noch der Auffassung, daß es möglich gewesen wäre, an Stelle einer Währungsaufwertung flexiblere Maßnahmen zu treffen. Aber ich möchte eines klarstellen, um unsere Haltung deutlich zu machen. Wir halten jedenfalls die von der Bundesregierung getroffene Entscheidung für wesentlich besser als ihre Untätigkeit in den letzten Monaten. ({2}) Ich meine, es kommt hier auf eine objektive Betrachtung und auf Klarstellung unserer Auffassung an. Deshalb möchte ich hinzufügen, daß jene aus den Kreisen der deutschen Industrie, die jedenfalls im Herbst mit dazu beigetragen haben, daß rechtzeitige flexible Maßnahmen nicht ergriffen wurden, kein Recht haben, sich darüber zu beschweren, daß nunmehr nach Ablauf eines halben Jahres härtere globale Schritte unternommen werden mußten. ({3}) Das ist der Tatbestand, von dem wir auszugehen haben. Ich bin der Auffassung, wir sollten den Tatbestand, wie er heute vorliegt," in aller Nüchternheit, in aller Objektivität, in aller Sachlichkeit überprüfen. Mir scheint, daß bei einer so schwerwiegenden Entscheidung, wie sie eine Änderung des Außenwertes der D-Mark ist, nicht der Zeitpunkt gegeben ist, auf der einen Seite finstere Prognosen zu stellen oder auf der anderen Seite Fanfarenklänge auszustoßen. Es ist angemessener, würdiger und verantwortungsbewußter, den Sachverhalt ganz nüchtern zu sehen. Der scheint mir - ich möchte annehmen, daß das auch die Auffassung der Bundesregierung ist - der zu sein, daß eine einseitige Währungsmaßnahme in jedem Falle ein Experiment ist, das zahlreiche Risiken einschließt, bei denen niemand im voraus genau übersehen kann, zu welchen Konsequenzen es führen wird. Man sollte aber zu gleicher Zeit auch feststellen, daß die D-Mark-Aufwertung, ganz gleich, wie man sonst zu diesem Schritte stehen mag, auf jeden Fall eine geeignete Maßnahme ist, um die Diskrepanz zwischen Einfuhren und Ausfuhren wirksam auf ein normales Maß zurückzuführen und damit den Preissteigerungstendenzen entgegenzuwirken. Was wir heute zu tun haben, ist einzig und allein, gemeinsam dafür zu sorgen, daß die durch diese Maßnahme ermöglichten Preissenkungen und die durch sie ermöglichte Stabilisierung des Preisniveaus auch wirklich dem Verbraucher zugute kommt. ({4}) Wir brauchen eine stabile Währung, ein stabiles Preisniveau, damit sich der Sparer darauf verlassen kann, daß sein Sparguthaben noch nach einigen Jahren denselben Wert hat wie zu jener Zeit, als er es einzahlte. Wir brauchen die Stabilität auch um der Arbeitnehmer willen. Sie waren bisher immer gezwungen, nicht nur um einen Anteil am steigenden Volkseinkommen, sondern auch um einen Ausgleich für die Senkung der Kaufkraft der D-Mark zu kämpfen, und liefen dabei immer Gefahr, leichtfertig zum Prügelknaben einer ungenügenden Preispolitik gemacht zu werden. Auch die Hausfrau muß sich darauf verlassen können, daß ihr Haushaltsgeld am Ende eines Jahres noch denselben Wert hat wie am Anfang eines Jahres. Das scheint mir eine gemeinsame Aufgabe zu sein. Ich möchte mit Genugtuung vermerken, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister auf eine Frage zu der übrigen Konjunkturpolitik, die wir im Laufe des Sonntags gestellt haben, am Montagabend im Rundfunk folgende Antwort gegeben hat, die ich wörtlich zitieren möchte: Niemand behauptet und niemand wird glauben wollen, daß die Aufwertung das Allheilmittel zur Lösung aller wirtschaftlichen, sozialen und finanziellen Sorgen sei. Aber mit diesem Schritt haben wir die Grundlage für eine zielbewußte aktive Konjunkturpolitik zurückgewonnen. Das ist genau der Kernpunkt, auf den es in der augenblicklichen Situation ankommt. Auf ihn sollten wir uns konzentrieren, denn wir alle haben ein Interesse daran, daß dieses Experiment der Aufwertung der D-Mark gelingt. Wir werden über diese Konjunkturpolitik in Zukunft noch mehrfach zu sprechen haben. Ich möchte mich heute auf drei Punkte beschränken, die für mein Empfinden für eine sachliche Erörterung dieses Problems von besonderer Bedeutung sind. Der erste Punkt. Ich glaube, man sagt nicht zuviel, wenn man darauf hinweist, daß das Vertrauen zur Währung und zu den Äußerungen derer, die für die Währung verantwortlich sind, in gewissem Umfange beeinträchtigt und gestört ist. Ich möchte jedem ganz deutlich machen: damit meine ich nicht den Umstand, daß die Bundesregierung ihre Entscheidung bis zum Augenblick der Durchführung geheimgehalten hat. Es ist selbstverständlich, daß solche Fragen nicht auf dem breiten Markt erörtert werden können, weil ihnen dann ein großer Teil ihrer Wirksamkeit genommen wird. Darum handelt es sich nicht. Aber es sind zwei andere Dinge, mit denen wir uns, glaube ich, befassen müssen. Die Bundesregierung hat früher nicht nur erklärt, daß sie eine D-Mark-Aufwertung ablehne, sondern sie hat auch so scharfe und deutliche Formulierungen gewählt wie die: Wer auf die Aufwertung spekuliert, wird sich täuschen. Nun ist folgendes zu verzeichnen. Wir alle wissen, und die Bundesregierung weiß es, daß die Zahlungsbilanzschwierigkeiten auch dadurch beseitigt werden müssen, daß wir Kapital exportieren. Die Bundesregierung hat deshalb dringend geraten, Kapitalexport vorzunehmen. Heute ergibt sich nun aber: Wer in den vergangenen Monaten verantwortungsbewußt gehandelt und Kapital exportiert hat, der ist durch die Währungsaufwertung mit einem Verlust eines Teiles seines Kapitals bestraft worden. Wer aber unverantwortlich genug war, entgegen diesen Anregungen zu importieren, der ist durch eine Aufwertung seines Kapitalguthabens belohnt worden. Dadurch ist eine Vertrauensstörung eingetreten, und wir alle haben Anlaß, dafür Sorge zu tragen, daß diese Vertrauensstörung wieder beseitigt wird. Ein zweiter Punkt ist noch wichtig, und gerade diejenigen, die ein Interesse daran haben, daß das Vertrauen zur Währung gefestigt wird, sollten ihn nicht übersehen. Wir haben bisher mit Lautstärke gemeinsam die Auffassung vertreten: Hände weg von der Währung; wer die Währung verändert, der ändert die Grundlagen unserer gesunden Wirtschaft! Wir sollten nicht übersehen, daß in den USA und in Großbritannien ventiliert wird, daß eine weitere Währungsaufwertung kommen müsse. Noch bedenklicher scheint mir zu sein, daß es auch deutsche Stimmen gibt, die bereits in diesem Augenblick davon sprechen, dieser Währungsaufwertung müsse eine zweite folgen. Ich glaube, es ist ,gut, wenn in diesem Augenblick auch von dem Redner der Opposition zum Ausdruck gebracht wird, daß niemand in Deutschland ein Interesse daran haben kann und darf, daß eine solche Unsicherheit in Deutschland aufkommt. ({5}) Das System fester Wechselkurse beruht darauf, daß nicht dauernd an ihnen herumgeschraubt wird. Es muß deutlich sein, daß die getroffene Maßnahme der Festigung der D-Mark dient, daß sie nicht der Beginn einer Salamitaktik ist und daß nicht daran gedacht ist, sie zu wiederholen, sondern daß es sich wirklich um eine einmalige Maßnahme handelt, die auf Grund der augenblicklichen Situation zwingend geboten war. Wir alle brauchen ein festes Vertrauen zur D-Mark, weil das die Grundlage für die Sicherheit unserer wirtschaftlichen Entwicklung ist. Jedenfalls möchte ich meinen Beitrag und den Beitrag meiner Partei dazu leisten, daß in der deutschen Öffentlichkeit klar wird: Über diese Notwendigkeit, an der Währung nicht herumzumanipulieren, gibt es an den verantwortlichen Stellen in Deutschland keine unterschiedliche Meinung. Einen zweiten Gesichtspunkt, meine Damen und Herren: Es ist sicher, daß der größte Teil der Wirtschaft in der augenblicklichen Hochkonjunktur und bei seiner augenblicklichen Gewinnlage das, was an Lasten aus dieser Währungsaufwertung auf sie zukommt, verkraften kann. Wir wissen aber auch, daß es Industriezweige gibt - ich habe einige, insbesondere den Kohlenbergbau genannt -, die entweder im Schatten der Konjunktur stehen oder sich in strukturellen Anpassungsprozessen befinden, die also von der D-Mark-Aufwertung schwer getroffen werden. Ich meine, die Bundesregierung sollte Überlegungen darüber anstellen, daß hier nicht unzuträgliche Härten entstehen, obwohl ich gern zugebe, daß die augenblickliche Wirtschaftslage eine Anpassung an veränderte Verhältnisse erleichtert. Damit komme ich zu dem dritten, entscheidenden Punkt. Nach dem Willen der Bundesregierung und, ich meine, nach unser aller Willen soll die Neufestsetzung des Außenwertes der D-Mark den Sinn haben, Preissenkungen herbeizuführen und damit den augenblicklichen Preissteigerungstendenzen Einhalt zu gebieten. Wir wissen, daß das nicht automatisch geschieht. Wir wissen aber ebenso, daß der moderne Staat genügend Mittel, insbesondere das Mittel der Kartell- und Monopolkontrolle, in der Hand hat, um darauf hinzuwirken, daß Kostensenkungen bei der Einfuhr an den Verbraucher weitergegeben werden, ohne daß der Staat zu dirigistischen Methoden zu greifen braucht. Aber wir sollten uns darüber klar sein, daß es dazu einiger Anstrengungen und einiger wirtschaftspolitischer Aktivität bedarf. Ich sagte schon: die Investitionsgüterindustrie kann sicherlich verschiedenes verkraften und kann sicherlich auch einen Teil ihrer Preise senken. Wir wissen aber ebenso, daß die Investitionsgüterindustrie eine starke Stellung am Markte hat und bei der augenblicklichen Marktsituation vielfach in der Lage ist, Preissenkungen beim Export durch Preiserhöhungen im Inland wettzumachen. Hier liegt die Aufgabe der Bundesregierung. Es wird auch ganz interessant sein, zu sehen, ob sich die Senkung der Rohöleinfuhrkosten in den Tankstellenpreisen für Benzin auswirkt. ({6}) Bei Konsumgütern wäre es interessant, darauf zu achten, ob z. B. so wichtige Artikel wie Kühlschränke, Waschmaschinen und dergleichen mehr im Preise sinken werden oder ob das nicht der Fall sein wird. Was mich zu diesen Bemerkungen veranlaßt, meine Damen und Herren, sind Meldungen der Presse, insbesondere gestern und heute, in denen unverblümt zum Ausdruck kommt, daß sich diese Maßnahmen jedenfalls in dem Preisniveau für den Verbraucher kaum auswirken würden. Ich glaube, es ist unsere gemeinsame Aufgabe, und es ist eine wichtige Aufgabe, dafür Sorge zu tragen, daß diese Erwartungen gewisser Kreise der deutschen Wirtschaft nicht eintreffen. ({7}) Ich möchte mit diesen drei Bemerkungen, die, glaube ich, für die aktuelle Beurteilung der Situation nicht ohne Bedeutung sind, abschließen und sagen: Wir müssen uns mit Ernst in den nächsten Wochen dieser Aufgabe widmen, damit der Verbraucher, der sich auf die Versprechungen, die heute gemacht werden, verläßt, wirklich in den Genuß der Erfolge der eingeleiteten Maßnahmen kommt. Denn darüber sollten wir uns klar sein: Der Verbraucher ist jedenfalls in einigen Wochen und Monaten in der Lage, an Hand von Fakten zu beurteilen, ob die Mark mehr wert ist, ob sie wenigstens soviel wert ist wie vorher oder ob sie weiterhin an Wert verliert. Wir hoffen, daß er in der Lage ist, ein positives Urteil abzugeben. Aber das wird nicht so sehr von den Reden abhängen, die wir heute halten, sondern das wird davon abhängen, ob das realisiert wird, was der Herr Bundeswirtschaftsminister am Montag selbst verlangt hat, nämlich eine zielbewußte aktive Konjunkturpolitik durchzuführen. ({8})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Herr Bundeswirtschaftsminister.

Dr. Ludwig Erhard (Minister:in)

Politiker ID: 11000486

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ehe ich mich mit Ihrem sachlichen Beitrag zur Aufwertung auseinandersetze, Herr Dr. Deist, und ebenfalls sachlich antworte, habe ich auf einige Äußerungen von Herrn Kollegen Er l e r von heute früh hinzuweisen. Er sagte, die CDU solle einmal erklären, welches Programm sie habe; die SPD habe es ausgesprochen und habe es niedergeschrieben. Da liegt meiner Ansicht nach der entscheidende Unterschied: Wir haben ein Programm praktiziert, und Sie haben es bloß niedergeschrieben. ({0}) Ich glaube, jedermann in Deutschland weiß, welche Politik diese Regierung durchführt, und das deutsche Volk hat jetzt immerhin zwölf Jahre Zeit gehabt, diese Politik zu verfolgen. Offenbar hat das deutsche Volk unsere Politik begriffen. ({1}) Herr Kollege Erler hat weiter gesagt, wir sollten einmal reihum alles das prüfen, was die Regierung gesagt und was sie getan habe. Es wäre für mich sehr verlockend, jetzt einmal darzustellen, was die SPD seit 1948 alles gesagt hat, und daran die Frage zu knüpfen: Wie wäre wohl die deutsche Politik abgelaufen, wenn das, was Sie, d. h. was die SPD in diesen Jahren alles gesagt und gewollt hat, Wirklichkeit geworden wäre! ({2}) Meine Damen und Herren, auch mir kommt es nicht auf die Polemik an. Ich glaubte das aber richtigstellen zu müssen. Heute früh war von der Entwicklungshilfe und von unseren Vorstellungen darüber die Rede. Dabei schien es noch einmal so, als ob in bezug auf diese Frage eine babylonische Sprachverwirrung vorherrschte. Das ist doch keineswegs der Fall. Schon bevor die ersten amerikanischen Unterhändler im November vorigen Jahres zu uns nach Deutschland kamen, stand fest, daß wir durch eine Reihe von besonderen Umständen in der Lage sein werden, ein Bukett von rund 4 Milliarden DM für die Entwicklungshilfe vorzulegen. Ich gestehe gerne zu, Sie waren mit mir und mit uns der Meinung, daß die Entwicklungshilfe ein wesentliches Anliegen ist und daß auch wir ihr entsprechen müssen, wenn wir vor der Welt ehrlich bleiben wollen. Da gibt es also keinen Unterschied. Aber ich weiß nicht, warum man es immer wieder so darstellt, als ob im Regierungslager offenbar die unterschiedlichsten Auffassungen vorgeherrscht hätten und Äpfel und Nüsse durcheinandergeworfen würden. Deshalb möchte ich noch einmal ganz deutlich sagen, um was es geht. Die Entwicklungshilfe hat primär aus ihrem moralischen Anlaß und aus ihrem Zweck heraus mit der Zahlungsbilanzsituation nichts zu tun, obwohl ich zugebe, daß eine nicht an deutsche Exporte gebundene Entwicklungshilfe selbstverständlich auch entlastend auf die Zahlungsbilanz dritter Länder einwirkt. Insofern ist also eine Berührung und Beziehung gegeben. Ich selber habe schon, und zwar vor dem Besuch der Herren Anderson und Dillon, im Bulletin der Bundesregierung zum Ausdruck gebracht, daß das selbstverständlich nicht eine einmalige Leistung sein kann und sein darf, sondern daß wir in interBundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhard national gemäßen Größenordnungen und Maßstäben auch in Zukunft zu dieser Leistung, zu diesem Opfer bereit sein müssen. Ich weiß also auch nicht, wie wir in Amerika mißverstanden werden konnten; denn jedermann konnte es in Deutschland hören, und jedermann konnte es in Deutschland lesen, was die Absicht der Regierung ist. Auf einem völlig anderen Blatt steht die Übertragung von internationaler Liquidität, die ganz bewußt und gezielt der Absicht dient, etwas von unserem Zuviel an internationaler Liquidität zu transferieren, um damit indirekt im Zeichen einer internationalen Solidarität die Besorgnisse der Regierung der Vereinigten Staaten zu beseitigen. Ich glaube. man muß diese zwei Dinge ganz deutlich auseinanderhalten. Daß sie in der Größenordnung, je etwa 4 Milliarden DM, übereinstimmen, hat vielleicht mit zu dieser Verwechslung beigetragen. Im Grunde genommen sind es aber zwei verschiedene Dinge. Es ist wohl legitim, daß sowohl der Herr Bundesfinanzminister wie auch ich darauf hingewiesen haben, daß es in der ganzen Welt keine Regierung gibt, die angesichts einer ja doch nicht ganz klar vor uns liegenden Entwicklung, klar weder im politischen noch im wirtschaftlichen, noch im sozialen Bereich, eine feste Verpflichtung und Bindung im Sinne eines internationalen Vertrages eingehen könnte, wieviel wir auch in den kommenden Jahren für die Entwicklungshilfe zu leisten in der Lage seien. Aber das Bekenntnis, daß wir hier eine internationale Verpflichtung zu erfüllen haben und daß wir hinter unseren Freunden in der freien Welt nicht zurückstehen wollen, bleibt bestehen. ({3}) Nun meinte Kollege Erler, die Begehrlichkeit des Auslandes, also die Anforderungen an deutsche Leistungen oder Zahlungen, sei auch darauf zurückzuführen, daß wir notwendige soziale Verpflichtungen nicht erfüllt hätten. Es ist jetzt nicht meines Amtes, über einen anderen Haushalt zu sprechen; aber ich möchte dazu doch wenigstens ein paar Zahlen geben. Die gesamten Sozialleistungen der Bundesrepublik einschließlich der sozialen Leistungen nach dem Lastenausgleichsgesetz sind in den zehn Jahren von 1950 bis 1960 von 9,9 Milliarden auf 35,6 Milliarden angestiegen. ({4}) Vom gesamten Sozialaufwand sind allein aus dem Bundeshaushalt in den zehn Jahren 4,1 Milliarden gegen 11,9 Milliarden aufgebracht worden. Die Rentenausgaben 'haben sich in allen Rentenversicherungszweigen in diesen zehn Jahren von 2,4 Milliarden auf 16 Milliarden erhöht, und die Sach- und Barleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung sind von 1,7 Milliarden auf 8 Milliarden angestiegen. Man kann dieser Regierung also wirklich nicht vorwerfen, daß sie es in ihrer Politik an sozialer Verantwortung habe fehlen lassen. ({5}) Abgesehen davon ist dieser Einwand auch deshalb sachlich nicht richtig, weil es gar keinem Zweifel unterliegt, daß es die Zahlungsbilanzüberschüsse gewesen sind, die eine falsche Optik, eine falsche Betrachtung und eine falsche Auslegung mit sich gebracht haben. Es ist ganz sicher - ich meine, da kann es unter denkenden und wissenden Menschen gar keinen Zweifel geben -, daß die Zahlungsbilanzüberschüsse zwar ein Element internationaler, zwischenstaatlicher Störung bedeuten, aber niemals eine Aussage über die Belastungsfähigkeit einer Volkswirtschaft zulassen. ({6}) Diese Maßstäbe sind einfach falsch, und es bleibt unser gutes Recht, das immer auszusprechen, ohne uns damit von irgendeiner internationalen Verpflichtung zu lösen und ohne etwas von dem Bewußtsein der Solidarität der freien Welt und des westlichen Bündnisses preiszugeben. Soviel zu dieser Frage, meine Damen und Herren! Wir werden darauf noch zurückkommen. Im übrigen kann ich für mich persönlich darauf hinweisen, ,daß ich schon seit dem Jahre 1954 warnend meine Stimme erhoben habe, daß das fortdauernde Ansteigen und Anwachsen der Zahlungsbilanzüberschüsse uns in Bedrängnis bringen und noch manchen Arger verursachen werde. Das ist Tatsache geworden; wir wissen es ja nur zu gut aus dem mannigfachsten Erfahrungen und Erscheinungen. Dann ist über die Konzentration gesprochen worden. Es ist ganz sicher, daß das ein Problem ist, mit dem wir uns sehr eingehend auseinanderzusetzen haben. Ich glaube, auch hier hat die Bundesregierung mit mancher Vorlage - ich denke z. B. nur an die jetzt anstehende Behandlung der Frage der Organschaft, der Umsatzsteuerfreiheit in der Organschaft und dergleichen - deutlich bewiesen, daß sie entschlossen ist, dieses Problem anzupacken. Ich bin mit Ihnen der Meinung, daß ,die Volksaktie allein, d. h. nur auf die bundeseigenen Betriebe bezogen, noch nicht der Weisheit letzter Schluß ist. Ich glaube, daß man möglicherweise auch in den privaten Aktiengesellschaften mit der Ausgabe von Bezugsrechten den Gedanken einer breiteren Streuung verbinden kann. Wir stehen am Anfang dieses Prozesses, wie ja auch durch die Ergebnisbeteiligung und durch andere Maßnahmen sichtbar geworden ist, welch guten Willens wir sind und mit welcher Entschlossenheit wir an dieses Problem herangehen wollen. Wenn Sie aber, meine Damen und Herren, einmal die Statistiken prüfen - und dazu wird bei meinem Haushalt vielleicht noch im besonderen Gelegenheit sein.-, dann stellen Sie doch fest, daß so schreiende Ungerechtigkeiten, wie hier allenthalben behauptet wird, gar nicht vorgekommen sind. Nimmt man die Umsatzsteigerung der deutschen Industrie in ihrer Gesamtheit von 1950 bis 1960, dann ergibt sich, daß das Jahr 1960 bei 305 % des Jahres 1950 steht. Aber auch das Handwerk steht auf 300 %, und - jetzt werden Sie vielleicht besonders überrascht sein - die Erlöse der Landwirtschaft stehen auf 292 %. Die Differenzierungen im wirtschaftlichen Fortschritt sind also im einzelnen gar nicht so bedeutend, wie es hier hingestellt wird, obwohl es dabei bleibt, daß wir mit dem Problem der Konzen8334 Bundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhard tration fertig werden müssen. Ich gebe natürlich auch zu, daß die Umsatzsteigerung allein kein Maßstab für den Gewinn ist. Nun komme ich aber zu dem interessantesten Gebiet, nämlich dem der Aufwertung. Meine Damen und Herren, was da in den letzten vier, fünf Tagen geschrieben worden ist, das geht auf keine Kuhhaut. Herr Kollege Deist, Sie wissen genau - jetzt sprechen wir uns persönlich an -, daß mein erster Plan und mein ganzes Bemühen dahin gegangen ist, eine Aufwertung vorzunehmen, weil ich das allein für den richtigen oder mindestens den richtigsten Schritt erachtet habe, und daß ich mich schon im Jahre 1957 mit solchen Fragen beschäftigte. Die Frage der Suspendierung der Umsatzsteuer im grenzüberschreitenden Verkehr war in meinen Augen immer bloß eine Ersatzlösung; am Anfang stand immer die Aufwertung. Warum Ersatzlösung? Meine Damen und Herren, der ganze Deutsche Bundestag hätte bis zum Ende dieser Legislaturperiode gar nichts anderes mehr zu tun brauchen, als die Wünsche und Anträge der einzelnen Wirtschaftskreise und Industriegruppen zu behandeln, ({7}) die dann alle aus einer daraus erwachsenden Belastung oder Erschwerung hätten fliehen wollen. Im übrigen gibt es ganze Bereiche, die gar keine Umsatzsteuer zahlen, z. B. Rohstoffe. Mit der jetzigen Aufwertung erfolgt ja auch eine gewisse Verbilligung der deutschen Produktion. Denn die Rohstoffe, die wir vom Ausland einführen, werden billiger. Vor allen Dingen, meine Damen und Herren: wenn wir jetzt mit der Umsatzsteuer angefangen hätten, dann wäre das dem ganzen Ausland gegenüber ein Beweis dafür gewesen, daß die D-Mark unterbewertet ist, und wir hätten uns mit Spekulationen dann erst recht nicht mehr retten können. In dieser Situation gab es tatsächlich nur einen Ausweg, und das war die Aufwertung. Das war keine Kurzschlußreaktion, Herr Dr. Deist. Eine Kurzschlußreaktion dauert keine vier Jahre. ({8}) Das scheint Ihnen vielleicht so, wenn Sie an Ihre Sünden der Vergangenheit denken. ({9}) Das war sorgfältigst überlegt und geprüft, und Sie haben ja zugegeben, daß die Sache fabelhaft funktioniert hat. Sie ist geheimgeblieben, Damit komme ich gleich zu dem Vorwurf des Wortbruchs, des Vertrauensbruchs. Ja, meine Damen und Herren, wenn etwas davon an die Öffentlichkeit gekommen wäre oder wir sogar die Öffentlichkeit mehr oder minder deutlich unterrichtet hätten, so wäre das geradezu einem Appell gleichgekommen so ungefähr: „Spekulanten aller Länder, bereichert euch!" Das ist doch bei einer solchen Sache völlig unmöglich. ({10}) Nun unterhalten wir uns wieder einmal über Marktwirtschaft. Herr Kollege Deist und auch Herr Kollege Erler haben heute morgen gesagt: „Na, wirksam ist es ja nur dann, wenn die verbilligten Importe dann auch beim Verbraucher ankommen." Ich habe nicht den geringsten Zweifel, daß sie ankommen werden, und zwar nicht nur für die eingeführten Güter, sondern auch für die deutschen Güter, die dann einem Exportdruck vom Ausland her unterliegen. Ich darf wieder einmal ein Beispiel anführen. Als wir im Herbst 1959 den Butterzoll gesenkt haben, als die Verhältnisse auf diesem Markt etwas turbulent geworden waren, sind zwei Behauptungen im Raum gestanden; einmal: „Es gibt auf dem Weltmarkt keine Butter mehr", und auf der anderen Seite: „Die Gewinne, die da durch den Fortfall der Zölle erzielt werden, werden dem Händler zufließen." Wir haben dann erlebt, was mit dem Butterpreis geworden ist. Es ist in einer Marktwirtschaft bei dem Gewicht unserer Einfuhr völlig undenkbar, daß die Verbilligung, die damit Platz greift, auf die deutschen Preise nicht zurückwirkt. Ich hoffe allerdings auch auf die Haltung der Sozialpartner. Denn das war ja nicht zuletzt ein Teil der Konjunkturüberhitzung, daß sie alle - ich spreche alle an - etwas die Contenance verloren haben und daß sie sich in geistiger Verirrung verstiegen haben über das, was selbst in einer blühenden und expansiven Volkswirtschaft möglich ist. Ich hoffe, daß sich die Arbeitnehmer jetzt etwas überlegen, wieviel man füglich fordern kann, um nicht wieder den ganzen Vorteil der Währungsaufwertung von neuem durch Antreiben der Preisspirale wegzuschenken. Ich bin überzeugt: auch die Arbeitgeber werden in der Beurteilung dessen, was an Gewinn und an Investitionen angesichts der ganzen volkswirtschaftlichen Potenzen möglich ist, ihr Verhalten noch einmal überprüfen, und sie werden auch etwas härter werden. Deshalb vertraue ich darauf, daß diese Maßnahme nicht nur materielle Reaktionen auslösen, sondern zu einer Besinnung der Menschen führen wird. Erst dann wird sie voll wirksam. ({11}) Ich glaube nicht, daß in der Betrachtungsweise ein Unterschied zwischen uns besteht. Ich erkenne durchaus an, daß Sie die Dinge ruhig dargestellt haben. Die Bundesregierung hat wiederholt erklärt: Es ist der wesentliche Inhalt ihrer Politik, für die Stabilität der Währung, d. h. die Stabilität der Preise, für den Schutz des Sparers einzutreten, um damit die Voraussetzungen für eine breite Eigentumsbildung in privater Hand zu schaffen. Daß das ihr Wille ist, hat die Bundesregierung jetzt bestätigt. Sie hat zugleich ihre Unabhängigkeit vor aller Welt und vor allen Gruppen zum Ausdruck gebracht. ({12}) Es ist nicht wahr, daß irgendeine fremde Regierung - ich muß das zu deren Ehrenschutz sagen - auch nur den geringsten Einfluß auf diese deutsche Maßnahme ausgeübt hat. Die waren genauso überrascht wie Sie. Um eine andere Verleumdung, die in der Welt steht, zu zerstreuen, möchte ich auch sagen: Wir haben niemals daran gedacht, uns durch die Währungsaufwertung von internationalen VerpflichtunBundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhard gen freizukaufen, weil die Zahlungsbilzanüberschüsse geringer werden oder vielleicht einmal überhaupt verschwinden. Die Dinge haben gar nichts miteinander zu tun. Wir wollten vielmehr zu unserem Versprechen vor dem deutschen Volk stehen, daß es die Politik der Bundesregierung ist, die Stabilität der Währung zu wahren. Wenn Sie bedenken, daß die in Nominalwerten gesparten Beträge, Lebensversicherung, Kontensparen, Bausparen und dergleichen mehr, heute einen Stand von 136 Milliarden DM erreicht haben, so wissen Sie erst, was es bedeutet, wenn dem deutschen Sparer durch einen jährlichen Kaufkraftschwund von 2 oder 3 % 2 3/4 oder 4 Milliarden DM verlorengehen. Hierzu haben wir nein gesagt! Herr Deist, was mich bei Ihren Ausführungen am meisten geärgert und was mich auch zu heftigen Reaktionen getrieben hat, waren Ihre wiederholten Hinweise, die Bundesregierung sei gebunden; sie habe sozusagen mit der Industrie schon Preisabsprachen und dergleichen getroffen. Ich hoffe, Sie haben die Antwort jetzt deutlich vernommen und haben sie als das vernommen, was sie ist, nämlich eine Ohrfeige, eine moralische Ohrfeige. ({13}) Mir wäre es auch lieber gewesen, wenn wir die Aufwertung im vergangenen Herbst durchgeführt hätten. Ich persönlich habe auch nicht an einen Konjunkturabschwung auf lange Sicht geglaubt. Aber ich stehe ja nicht allein in der Welt. Bei den wissenschaftlichen Instituten, in allen Zweigen der Wirtschaft, auch im Regierungslager und bei der Notenbank war man der Meinung: Die Konjunktur wird sehr viel differenzierter; sie wird möglicherweise etwas abflauen, abgesehen von dem saisonalen Abschwung im Winter; kurz und gut: in dieser Situation sollte man etwas zurückstehen, sollte die Dinge überprüfen. Wir waren uns schon im vorigen Herbst darüber einig, daß wir uns Ende Februar im kleinen Kreise - der „kleine Kreis" ist ja bekannt - zusammensetzen sollten, um uns aufs neue zu überlegen, ob in diesem Jahre ein solcher Schritt notwendig werden wird. Ich glaube, die Konjunkturentwicklung, so wie sie sich angelassen hat, zeigt deutlich, daß es der geeignete Zeitpunkt gewesen ist, den wir genutzt haben. Diesen Zeitpunkt können Sie natürlich nicht mathematisch genau errechnen, und keine Rechenmaschine gibt Ihnen darüber Auskunft, ob nun der Satz, den wir gewählt haben, absolut richtig ist. Aber eine Wirkung wird er nach meiner Meinung unter allen Umständen erzielen, und zwar eine Wirkung nach der gewollten Richtung hin. Drei Gründe haben uns im besonderen veranlaßt, diesen Schritt zu vollziehen: einmal die Klarheit darüber, wie die Konjunktur im Jahre 1961 ablaufen wird, zweitens die Klarheit darüber - die damals noch nicht bestand -, wie ein seinerzeit noch zu wählender amerikanischer Präsident währungsund kreditpolitisch operieren wird - das steht heute auch fest -, und drittens stand bereits fest, daß eine multilaterale breite Aktion etwa aller europäischen Währungen prakisch nicht in Frage kommt. Wir haben sogar ganz richtig vermutet, daß das einzige Land, das sich unserem Schritt anschließen werde, wahrscheinlich Holland sein werde, weil dort die Verhältnisse am ähnlichsten sind. Ich möchte es noch einmal auf eine ganz kurze Formel bringen. Wir standen vor der Frage: Wollen wir das Vakuum, das zwischen dem deutschen Preisniveau und dem Weltmarktpreisniveau bei den früheren Wechselkursen bestand, durch Preissteigerungen ausfüllen lassen, oder wollen wir zu unserem Versprechen stehen? Und da war dann die Währungsaufwertung zu einem zwingenden Gebot geworden. Ich bin überzeugt, der deutsche Verbraucher wird es auch an der Preisentwicklung merken, vor allen Dingen wenn sich die Sozialpartner jetzt verantwortungsbewußt verhalten. Ich glaube, die etwa 5 Millionen Deutsche, die im Sommer über die Grenzen gehen, wissen sehr genau, was es bedeutet, ob sie für einen Hundertmarkschein 103 oder 108 bis 109 Schweizer Franken bekommen oder im Falle einer Abwertung bloß 98. Das Gerede, wer aufwerten kann, könne auch abwerten, scheint mir logisch widerspruchsvoll zu sein. Das kommt mir genau so vor, wie wenn man sagt, man dürfe den Menschen nicht zureden, sie möchten tugendhaft sein, weil ihnen damit zum Bewußtsein komme, daß sie auch lasterhaft sein könnten. ({14}) Das ist wirklich ein verdammt schlechtes Argument. ({15}) Aber ich würde mich freuen, wenn die Regierung bei einem solchen Schritt, bei dem wirklich nationalpolitische Fragen und Interessen angesprochen sind, mit der Opposition gemeinsam operieren könnte und wenn die gegenseitigen Verdächtigungen da endlich aus der Welt geschafft werden würden. Ich wünsche, daß Sie ebensoviel Unabhängigkeit gegenüber den Ihnen verbundenen Gruppen bezeugen, wie das die Regierung entgegen manchem Verdacht ihrerseits getan hat. ({16})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Dahlgrün.

Dr. Rolf Dahlgrün (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000348, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei uns zulande pflegt man, wenn etwas Unvorhergesehenes, Plötzliches passiert ist, zu sagen: Nu is dat „malheurt" ! Ich bin versucht, auch zu der Aufwertung der D-Mark zu sagen: Nu is dat „malheurt"! Meine Damen und Herren, wir stehen vor dieser Tatsache. Die Absicht der Aufwertung ist, wie es Herr Bundesminister Professor Erhard auch gesagt hat, absolut legitim und richtigerweise geheimgehalten worden. Die insoweit erhobenen Vorwürfe ziehen weder bei uns noch in irgendeinem anderen Lande der Welt. Jede Regierung hat das legitime Recht, das so zu tun. Nun könnte man überlegen: Wer hat es zu verantworten, wie ist es dazu gekommen, warum mußten wir zu einem solch einschneidenden, alle Teile des Volkes, alle Zweige der Wirtschaft gleichmäßig schwer treffenden Schnitt kommen? Ich weiß, viele unter Ihnen werden sagen, es sei müßig, sich darüber zu unterhalten und zu fragen, ob es nicht besser gewesen wäre, vor einer solchen Maßnahme im Wege internationaler Verhandlungen den Versuch zu machen, den Druck der überschüssigen Zahlungsbilanz zu mildern. Sie wissen, daß gerade von unserer Notenbank insoweit ganz konkrete Vorschläge gemacht worden sind, um keinen Alleingang zu wagen, der nun doch hat getan werden müssen. Man könnte sich darüber unterhalten, ob es durch Maßnahmen der Wirtschaftspolitik nicht möglich gewesen wäre, diesen Überschuß gar nicht erst entstehen zu lassen. Ich erinnere daran, daß wir von der FDP uns seit vielen Monaten - ich möchte fast sagen: seit Jahren - dafür eingesetzt haben, Steuern zu ermäßigen und die hereinkommenden Mehreinnahmen mindestens nicht in voller Höhe sofort durch steigende Staatsausgaben zu „verbraten". Sie wissen, daß mit Mehreinnahmen von 8 oder 9 Milliarden DM nicht gerechnet wurde. Sie sind dann doch hereingekommen, aber auch ausgegeben worden. ({0}) Alle diese Dinge liegen in der Vergangenheit. Wir sollten nach dem Schnitt, der nun vorgenommen worden ist, den Blick in die Zukunft richten und überlegen, was wir jetzt tun können. Ich will gerade als Hamburger Abgeordneter hier an dieser Stelle nicht verschweigen, daß einzelne Zweige der Wirtschaft, beispielsweise die Werften an der Küste und die deutsche Schiffahrt, durch die D-Mark-Aufwertung in ganz besonderer Weise betroffen werden. Ich will auch nicht verschweigen, daß zum Beispiel die Kohle, die sich in den letzten Jahren sehr viel Mühe gegeben hat, in ihren Exportbemühungen zurückgeworfen werden wird. Möglicherweise werden wir vor Überlegungen gestellt werden, wie wir helfen können, was wir bei der Kohle in der Vergangenheit soundso oft haben tun müssen. Alle diese Dinge sind bitter und müssen jetzt ins Auge gefaßt werden. Es ist verhältnismäßig billig, zu sagen - wie das heute morgen geschehen ist -, einzelne Wirtschaftszweige, einzelne Teile der Volkswirtschaft müßten zum Besten des Ganzen leiden. Natürlich müssen sie das; trotzdem dürfen wir sie in ihren Nöten nicht im Stich lassen. Wir müssen in die Zukunft sehen und versuchen - wie das Herr Professor Erhard auch schon gesagt hat -, das Beste aus der Sache zu machen. Dabei scheint es mir besonders wichtig zu sein, daß wir uns alle, die wir in diesen Dingen tätig sind, ganz klar darüber bleiben, daß die D-Mark-Aufwertung keine Alternative ist, daß sie kein Allheilmittel gewesen ist, mit dem wir nun aus allen Sorgen herausgekommen sind. Ich möchte sagen: gerade weil wir die D-Mark haben aufwerten müssen, gerade weil wir diesen globalen, alle treffenden Schritt wahrscheinlich nicht mehr haben vermeiden können, desto sorgfältiger, desto überlegter und desto vorsichtiger müssen in der Zukunft die Haushalts-, Wirtschafts- und Steuerpolitik betrieben werden. Ich glaube, darüber hat niemand in diesem Hause einen Zweifel. Wir müssen noch vorsichtiger und noch sorgfältiger als zuvor sein; denn nach diesem Währungsschnitt, den man nicht ohne weiteres redressieren kann, sind steigende Staatsausgaben, steigende Soziallasten, steigende Löhne, also ein weiteres Hochtreiben des Kostengefüges der Wirtschaft, ganz besonders gefährlich geworden. Mit dem Appell des Bundeswirtschaftsministers an die Sozialpartner, an beide Teile - an die Arbeitgeber, die vielleicht unter dem Druck des Mangels an Arbeitskräften geneigt sein könnten, leichthin etwas zuzubilligen, weil es noch zu tragen ist, und an die Arbeitnehmer, an die Gewerkschaften -, muß nun nach diesem Währungsschnitt endlich versucht werden, die Einsicht zu vermitteln, daß jetzt die Grenze erreicht ist und daß es wirklich notwendig ist, sehr vorsichtig und sehr sorgfältig vorzugehen, Disziplin zu wahren und Maß zu halten. Den gleichen Appell hat man aber auch an den Staat, an die Länder und an die Kommunen zu richten. Auch die steigenden Staatsausgaben müssen, nachdem wir an diesem bedauerlichen Punkt angelangt sind, gebremst werden. Es ist wirklich unmöglich - ich schließe hier den Bundestag in vollem Umfange ein -, trotz der bevorstehenden Wahl so zu tun, als ob wir wirklich reich wären und mit der Gießkanne über alle Gebiete hinweggehen und mit vollen Händen irgendwelchen vermeintlichen Segen ausstreuen könnten. Das wird nach diesem Währungsschnitt nicht mehr möglich sein. Ich hoffe, daß die Appelle, die der Bundesfinanzminister ebenso wie der Bundeswirtschaftsministers in den vergangenen Jahren so oft an die Öffentlichkeit gerichtet haben, nun mehr befolgt werden, als das in der Vergangenheit der Fall war.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Etzel!

Franz Etzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000497, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Darf der Abgeordnete Etzel Sie als Sprecher der FDP fragen, ob Sie nunmehr bereit sind, die noch in den Fachausschüssen liegenden Anträge Ihrer Fraktion, die diesen Haushalt, wenn sie angenommen würden, um 2358 Millionen DM zusätzlich belasten würden, zurückzuziehen? Dann wäre ich dankbar. Das wäre eine Konsequenz daraus.

Dr. Rolf Dahlgrün (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000348, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Darf ich Ihnen, Herr Kollege Etzel, dazu den Vorschlag machen, daß wir bei dem Einzelplan 08 des Herrn Bundesfinanzministers über diese von Ihnen immer wieder aufgemachte Rechnung noch einmal eingehend sprechen. Es ist ja zu dieser Diskussion durch die Erklärungen des Herrn Bundeskanzlers heute morgen über die D-Mark-Aufwertung gekommen. Ich fürchte, daß wir allzuviel von den Einzelplänen 08 und 09 vorwegnehmen könnten. Ich war vor der Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Etzel auch am Ende und kann nur wiederholen: die D-Mark-Aufwertung ist kein Allheilmittel. Sie ist keine Alternative, sondern sollte uns nur veranlassen, vorsichtiger, sorgDr. Dahlgrün fältiger und besser Haushalts-, Finanz- und Wirtschaftspolitik zu machen. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Abgeordnete Schmücker. Zwischendurch gestatte ich mir die Bemerkung, Herr Kollege Atzenroth, daß der Plenarsaal auch deshalb umgebaut werden muß, damit die „Klagemauer" verschwindet.

Dr. h. c. Kurt Schmücker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002040, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der CDU/CSU legt Wert darauf, auch vor diesem Hohen Hause festzustellen, daß sie das entschlossene Handeln der Regierung begrüßt und unterstützt. Die Regierung konnte sich auf die Fraktion verlassen, weil sie aus den Fraktionsberatungen wußte, daß in unserer Fraktion die Absicht vorhanden war, auf jeden Fall die Stabilität der Währung zu sichern und notfalls auch zu dem Mittel der D-Mark-Aufwertung zu greifen. Natürlich kam diese Maßnahme auch für uns überraschend. Aber diese Überraschung ist nicht die einzige. Ich finde es sehr überraschend, daß man nach den ersten Stellungnahmen, die der Kollege Deist und der Kollege Mende abgegeben haben, heute aus den Fraktionsreden mehr oder weniger eine Zustimmung hören kann. Herr Kollege Erler, Sie haben beklagt, daß die Bundesregierung nicht sofort vor dieses Haus getreten ist und Mitteilungen über die D-Mark-Aufwertung gemacht hat. Ich fürchte, wenn ich mir die ersten vorschnellen Äußerungen aus Ihren Reihen betrachte und die heutigen Äußerungen von Herrn Deist überdenke, die ich doch nur als Zustimmung werten kann, eine vorschnelle Debatte hier im Haus hätte zu einigen Kurzschlußreaktionen geführt. Herr Dr. Deist hat noch einmal darauf hingewiesen, daß es vielleicht doch richtiger gewesen wäre, der Suspendierung der Umsatzausgleichsteuer den Vorzug zu geben. Herr Minister Erhard sagte bereits, daß wir im Herbst in dieser Maßnahme sozusagen die zweitbeste gesehen hatten; aber Herr Kollege Dr. Deist, Sie haben selbst betont, daß Wir mit der Umsatzausgleichsteuer nur den grenzüberschreitenden Warenverkehr erfassen. Der Dienstleistungsverkehr, der doch ,ein recht erhebliches Ausmaß hat, und der Kapitalverkehr wären dagegen nicht betroffen worden. Ich glaube auch, in Anbetracht der Schwierigkeit, Ausnahmebestimmungen durchzuführen, und der Gefahr, über diese Ausnahmebestimmungen wieder zu einem gewissen Dirigismus zu kommen, ist eine Aufwertung klarer, zielsicherer und dient den Zielen besser als die Behelfsmaßnahmen. Ich gebe gerne zu, daß das, was Herr Dr. Deist hier ausgeführt hat, sowohl im Ton wie auch in der Sache sehr ruhig und sachlich vorgetragen worden ist, aber, meine Herren von der SPD, hier müssen wir Sie auch bitten, wenn Sie diesen Ton wünschen, diesen Ton in Ihren Pressediensten anzuschlagen. Ich habe ein ganzes Bündel mitgebracht und kann Ihnen notfalls daraus vorlesen. Ich will das gar nicht tun, aber durch Ihren „Volkswirtschaftlichen Pressedienst" geht wie ein roter Faden - ich weiß nicht, ob man bei Ihnen von ,einem roten Faden reden darf -, deshalb sage ich: wie der roteste Faden durch sämtliche Artikel der Vorwurf, als führen wir im Schlepptau der Großwirtschaft. Sie behaupten sogar, daß auch andere Instanzen - Sie nehmen nicht einmal die Bundesnotenbank dabei aus - sich im Schlepptau dieser Großwirtschaft befinden, Meine Damen und Herren! Wenn wir also in aller Ruhe und Sachlichkeit über diese Dinge sprechen wollen - und das ist richtig -, dann, meine ich, müssen wir das auch ausdehnen auf die Besprechungen, die außerhalb dieses Hauses auch innerhalb der Pressedienste stattfinden. Sie sollten derartige Vorwürfe also nicht erheben. Darf ich noch kurz auf einige allgemeine Punkte zu sprechen kommen. Es wird gar nicht bestritten, daß hie und da auch Schäden entstehen, aber sie sind nicht so groß, wie behauptet wird, und der Vorteil der Stabilisierung dürfte doch erheblich größer sein. Man muß doch immer im Auge behalten, daß andernfalls der Umweg über eine Inflationierung oder, wie es ebenfalls Vorschläge gibt, möglicherweise über eine Investitionskontrolle gegangen würde. Ich kann mir nicht vorstellen, daß die klageführenden Wirtschaftskreise diese beiden anderen Wege für besser halten als den klaren Weg, den die Bundesregierung gegangen ist. Wir wollen gerne zugeben, daß insbesondere die Schiffahrt betroffen worden ist. Man sollte einmal darüber reden, wie man hier die Dinge bereinigen kann. Aber ich darf doch darauf hinweisen, daß wir der Schiffahrt in der Einkommen- und Körperschaftsteuer - ich glaube, es ist der § 34 - recht erhebliche Vorteile gewährt haben. Und wenn man schon Nachteile anführt, dann darf man auch nicht ganz verschweigen, was man sonst an Vorteilen vom Gesetzgeber erhalten hat. Ich möchte fast sagen, den meisten, die da heute so laut klagen, steht es gar nicht gut zu Gesicht, wenn sie stöhnen, und schon gar nicht, daß sie sogar das Mittelstandsargument in die Debatte bringen. Unter den Kreditrestriktionen hat der Mittelstand gelitten. Er hatte nicht die Möglichkeit wie viele Großbetriebe, sich im Ausland Geld zu besorgen. Dieser Kapitalimport hat doch wesentlich mit dazu beigetragen, daß wir zu den Zahlungsbilanz-Schwierigkeiten gekommen sind, derentwegen Wir nun die Aufwertung vornehmen mußten. Meine Damen und Herren! Weiter wird der Vorwurf erhoben, daß man so eine Art Vertrauensbruch begangen habe. Davon kann wohl keine Rede sein; denn jede Regierung ist dem Gesamtwohl verpflichtet und kann nicht mit irgendeiner Gruppe, möge sie heißen, wie sie will, irgendwelche Abmachungen treffen. Aber das Überraschungsmoment gehört nun einmal zu einer solchen Währungsmaßnahme. Wenn eine sehr angesehene und gut informierte Zeitung gestern klagte, daß es doch vom Bundeswirtschaftsminister nicht schön gewesen sei, daß er einige Tage vorher gar nichts von diesen Dingen angedeutet habe, so können wir nur sagen, daß wir ihm und dem gesamten Bundeskabinett ein Lob dafür spenden, ({0}) daß diesmal dicht gehalten worden ist und keine Spekulationsmöglichkeiten gegeben waren. ({1}) Das war ja im vergangenen Herbst auch ein Argument dafür, keine Aufwertung vorzunehmen. Damals ist ausführlich und in aller Breite über diese Dinge gesprochen worden. Ich hätte es einmal erleben mögen, in welchem Ausmaß, wenn die Aufwertung damals gekommen wäre, Spekulationsgewinne entstanden wären. In einem Punkt bin ich vielleicht etwas anderer Ansicht als der Herr Bundeswirtschaftsminister. Er sagt, im vergangenen Herbst wäre die Aufwertung besser gewesen. Das kann man, glaube ich, so nicht sagen; denn man mußte damals mit der natürlichen Konjunkturabschwächung des Winters rechnen. Und dann spielt hier auch das Argument eine Rolle, das ich vorhin schon anführte: daß in einem allgemeinen Gespräch über die Aufwertung die Durchführung einer solchen Maßnahme recht gefährlich ist. Das Überraschungsmoment war im vorigen Herbst nicht gegeben. Daraus ziehen wir den Schluß, daß die Aufwertung gerade in diesem Augenblick eine glückliche Lösung war. Ich wiederhole: die Fraktion der CDU/CSU steht hinter dieser Maßnahme. Herr Kollege Dr. Dahlgrün, Sie haben es mir schwer gemacht, auf die Argumente der FDP zu antworten. Mir wäre es lieber gewesen, Herr Mende hätte hier oben gestanden; denn er hat sich ja sehr energisch zu diesem Komplex geäußert. Er hat noch einige wirtschaftliche Weisheiten mehr von sich gegeben. So will er z. B. - nach der „Welt" - unsere Goldreserven für die Entwicklungshilfe einsetzen. Das sollten Sie einmal in Ihrer Fraktion mit ihm ausdiskutieren. Ich bin davon überzeugt, Herr Dahlgrün, daß es Ihnen gelingt, Ihren Kollegen auf die richtige Bahn zu bringen. Ich habe auch Ihre Ausführungen so verstanden: Nun, die Sache ist geschehen; wir stehen zu der Maßnahme und müssen sehen, daß die gewünschten Erfolge eintreten und wir die wirtschaftlichen Verhältnisse stabilisieren. Wir müssen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zum Maßhalten auffordern. Meine Damen und Herren, es nützt uns nichts, daß wir in der Entwicklung immer weiter fortschreiten, wenn es uns nicht gelingt, im Innern und besonders hinsichtlich der Währung die nötige Stabilität zu erhalten. Die Regierung hat einen maßgeblichen Schritt getan; wir sollten ihr dafür danken und das hier auch anerkennend aussprechen. ({2})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat Abgeordneter Dr. Deist.

Dr. Heinrich Deist (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000367, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur eine kurze Bemerkung! Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat sich sehr darüber erregt, daß ich in früheren Äußerungen darauf hingewiesen habe, in welch starkem Umfang die Bundesregierung unter dem Einfluß und dem Druck wichtiger und mächtiger Interessengruppen in Deutschland steht. Ich habe immer den Eindruck, daß, wenn der Herr Bundeswirtschaftsminister in der Form reagiert, wie er es heute in bezug auf diesen Punkt getan hat, das ein deutlicher Beweis dafür ist, daß er nicht mehr im Recht ist. ({0}) Es ist ein bekanntes und ernst zu nehmendes Problem, welchen Einfluß Interessengruppen auf die Regierung und auf die politischen Entscheidungen haben. Ich glaube, das sollten wir zunächst einmal feststellen. Zweitens: das Urteil darüber, welchen Einfluß diese Interessengruppen auf die Regierung und die herrschenden Gruppen haben, ist natürlich ein Werturteil, über das man streiten kann. Ob man es in der Weise behandeln und mit derartigen Bewertungen versehen sollte, wie der Herr Bundeswirtschaftsminister das tut, und ob das einer sachlichen Erörterung dient, erscheint mir zweifelhaft. Ich habe in Unterhaltungen in anderen Staaten - das gilt sowohl für die europäischen Staaten als auch für Nordamerika - den Eindruck gewonnen, daß tatsächlich - und das wird auch von Nichtsozialisten in diesen Ländern bestätigt - in keinem westlichen Lande die Interessengruppen der Wirtschaft einen derart starken Einfluß auf das politische Leben haben, wie dies bei uns in Deutschland der Fall ist. Meine Damen und Herren, es muß doch möglich sein, das festzustellen - Sie können anderer Auffassung sein -, ohne daß anschließend diffamierende Bemerkungen über denjenigen gemacht werden, der diese Dinge hier in Sorge um unsere deutsche Demokratie darlegt. Sie wissen ganz genau, daß diese Auffassung nicht von mir allein vertreten wird. Sie wissen, daß die breiten Schichten der mittleren und kleineren Unternehmer - Herr Schmücker müßte es eigentlich besonders wissen - der Klage voll darüber sind, wie stark dieser Einfluß bei uns in Deutschland ist. Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat schon einmal so heftig reagiert. Ich habe in der Antwort einige Beweisstücke aufgeführt, gegen die er nichts hat einwenden können und einwenden wollen. Ich habe darauf hingewiesen, daß eine ganz andere Stelle, nämlich die „Frankfurter Allgemeine Zeitung", zu haargenau derselben Beurteilung der Situation gekommen ist wie ich. Ich darf darauf hinweisen, daß z. B. im November vergangenen Jahres im Konjunkturbericht des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung folgender Satz zu lesen ist - im November vergangenen Jahres! -: Darüber hinaus verstärkt sich der Eindruck, daß Preiserhöhungen kaschiert werden oder bis zu einem späteren, politisch weniger ungünstigen Zeitpunkt aufgeschoben werden sollen. Dann ist davon die Rede, daß sich trotz „dieser da und dort unternommenen Anstrengungen" dieser Preistrend wohl durchsetzen werde. Deutscher Bundestag -- 3. Wahlperiode Dr. Deist Ich glaube, das Problem, in welchem Umfang die Bundesregierung in Deutschland unter dem Einfluß sehr starker Interessengruppen steht, läßt sich nicht mit einer so einfachen Bemerkung abtun, wie das heute geschehen ist. Das ist vielmehr ein sehr ernstes Problem der politischen Entwicklung in Deutschland. ({1})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Keine weiteren Wortmeldungen. Ich rufe auf den Änderungsantrag auf Umdruck 786 der Fraktion der CDU/CSU. Herr Abgeordneter Dr. Heck zur Begründung.

Dr. Bruno Heck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000837, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe den Antrag meiner Fraktion auf Umdruck 786 zu begründen. Ich komme damit auf ein Thema zurück, das der Herr Bundeskanzler bei seinen Ausführungen angeschnitten hat, ein Thema, das in den Reihen der Opposition große Heiterkeit ausgelöst hat. Meine Damen und Herren von der Opposition, wir haben volles Verständnis, daß Sie guten Mutes und froher Dinge sind. Aber ich möchte meinen, daß Ihre Freude vielleicht doch mehr eine Schadenfreude ist. Der Zweck unseres Antrages ist, vor dem Hohen Hause ganz offen zu sagen, daß die Fraktion der CDU/CSU in der Sache Zweites Fernseh-Programm voll und ganz hinter der Bundesregierung steht. Die Fraktion war der Meinung, die die Bundesregierung auch vertreten hat, daß die Bundesregierung nach dem Grundgesetz ermächtigt gewesen sei, so zu handeln, wie sie gehandelt hat. Wir haben heute eine neue Situation und wir - das hat der Herr Bundeskanzler schon gesagt - respektieren, was das Bundesverfassungsgericht entschieden hat. Aber es ist nun einmal so, daß die Bundesregierung einen Auftrag an die Freies Fernsehen GmbH zu dem Zwecke erteilt hat, zum gleichen Zeitpunkt, zu dem die Senderreihe für ein zweites Fernsehprogramm fertiggestellt ist, auch ein Programm zur Verfügung zu haben. Es ist ganz klar, daß auf Grund eines solchen Auftrages unter Umständen in Zukunft gewisse finanzielle Verpflichtungen für die Bundesregierung entstehen können; denn daß die Herstellung eines Fernsehprogramms Geld kostet, ist selbstverständlich. Wir sind jedenfalls der Meinung, daß etwaige Konsequenzen getragen werden müssen. In welchem Umfang solche Konsequenzen eintreten, wird davon abhängen, in welchem Umfange und in welcher Form sich die Länder, die nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes die ausschließliche Verantwortung für das zweite Programm haben, dessen bedienen, was im vergangenen Jahr für das zweite Programm bei der Freien Fernsehen GmbH vorbereitet worden ist. Ich darf Sie deswegen bitten, unserem Änderungsantrag auf Umdruck 786 zuzustimmen, im Einzelplan 04 einen neuen Tit. 602 „Zweites Fernseh-Programm" als Leertitel einzufügen. Dieser Titel ist deswegen als Leertitel gestaltet, weil noch nicht abzusehen ist, ob überhaupt und, wenn ja, in welchem Umfange finanzielle Verpflichtungen auf die Bundesregierung zukommen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Der Herr Bundesfinanzminister hat das Wort.

Franz Etzel (Minister:in)

Politiker ID: 11000497

Herr Kollege Ritzel, Sie mögen entschuldigen, aber es ist besser, wenn ich vorher noch etwas zu diesem Thema sage. Zu der haushaltsrechtlichen Seite des Auftrags, den der Staatssekretär des Bundespresse- und Informationsamtes der Bundesregierung an die „Freies Fernsehen GmbH" erteilt hat, möchte ich folgendes bemerken. Die Bundesregierung hat durch Beschluß vom 9. Dezember 1959 den Staatssekretär ,des Bundespresse- und Informationsamtes ermächtigt, der „Freies Fernsehen GmbH" einen Auftrag zur Erstellung eines zweiten Fernseh-Programms zu erteilen. Der Auftrag ist am 30. Dezember 1959 erteilt worden. In diesem Schreiben wurde die Erstattung von Aufwendungen bis zum Betrag von 20 Millionen DM für den Fall zugesichert, daß der Auftrag durch Widerruf oder Kündigung vorzeitig begndet würde. Die vorerwähnte Höchstsumme von 20 Millionen DM ist entsprechend dem Fortschritt der Arbeiten an dem Programm und dem Ausbau der technischen Betriebsanlagen zuletzt bis auf 120 Millionen DM erweitert worden. Weitere Zusagen irgendwelcher Art sind der Gesellschaft „Freies Fernsehen GmbH" nicht gemacht worden. Die Bundesregierung hat an die Gesellschaft oder an Dritte weder Zahlungen geleistet noch Kredite gegeben, zugesagt oder verbürgt. Bei der Erteilung des Auftrags gingen die Beteiligten davon aus, daß die Gesellschaft ihr Sendeprogramm aus eigenen Möglichkeiten finanziert und abwickelt. Zur Zwischenfinanzierung hat die Gesellschaft einen Bankkredit erhalten. Die Ermächtigung der Bundesregierung zu dem Auftrag beruht auf § 45 b Abs. 1 der Haushaltsordnung. Eine Zahlungsverpflichtung konnte aus dem Auftrag nur unter der doppelten Voraussetzung entstehen, daß einmal der Gesellschaft das Ausstrahlen und die Verwertung ihrer Programmproduktion unmöglich gemacht wird und daß in diesem Falle zum zweiten die Aufwendungen der Gesellschaft bei Durchführung des Auftrags nicht mindestens in Höhe der entstandenen Aufwendungen ausgeglichen werden können. Mit dem Eintritt einer solchen doppelten Voraussetzung für einen Auslageersatz konnte bei Erteilung des Auftrages schwerlich gerechnet werden. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Februar 1961 steht auch heute noch keineswegs fest, ob künftig mit einer Inanspruchnahme von Haushaltsmitteln des Bundes zu rechnen ist. Es besteht auch heute noch die begründete Aussicht, daß die bisher geschaffenen Werte angemessen zu verwerten sind. Trotzdem hält es die Bundesregierung in diesem Augenblick, da der Auftrag an die „Freies Fernsehen GmbH" entsprechend dem Karlsruher Urteil ausläuft, Bundesfinanzminister Etzel für richtig, dem Bundestag diese haushaltsrechtlichen Zusammenhänge darzulegen und eine grundsätzliche Genehmigung unseres bisherigen Tuns durch das Parlament herbeizuführen. Die Bundesregierung begrüßt daher den Antrag der CDU/CSU-Fraktion 'auf Umdruck 786. Er soll für den Fall Vorsorge treffen, daß der Bund aus dem Auftrag auf Ersatz von Aufwendungen in Anspruch genommen wird, ein Risiko, das nach der jetzt entstandenen Lage nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann und auf das ich in aller Offenheit hinweisen möchte. Zahlen können aus der Sache heraus - weil die Verhandlungen noch nicht beendet sind - zur Zeit nicht genannt werden. Das theoretische Obligo ergibt sich aus dem Mitgeteilten. Für eine Übergangszeit werden ,die Maßnahmen getroffen werden, die aus wirtschaftlichen Gründen zur Erhaltung der geschaffenen Werte notwendig sind. Maßnahmen zur geeigneten Verwendung sind eingeleitet. Ich möchte noch auf ein zweites Problem hinweisen; es betrifft die Deutschland-Fernseh-GmbH. Mit der Gründung der Deutschland-Fernseh-GmbH übernahmen die Gründer die Verpflichtung zur Aufbringung des Stammkapitals in Höhe von 23 000 DM; von diesem Betrag sind der Gesellschaft bisher 11 500 DM zugeflossen. Für die finanzielle Erstausstattung der Gesellschaft sind mit Zustimmung des Bundesfinanzministeriums bis zu 80 000 DM zur Verfügung gestellt worden; davon ist etwa die Hälfte zur Zeit in Anspruch genommen worden. Weitere Kosten werden der Gesellschaft über die bisher bar zur Verfügung gestellten Mittel im Zuge der Liquidation vielleicht entstehen. Der Betrag von 80 000 DM wird nicht ausgeschöpft werden. Da die Errichtung der Gesellschaft durch Urteil des Bundesverfassungsgerichts gegenstandslos geworden ist, müssen nunmehr die bisher verauslagten Beträge auf den Bundeshaushalt übernommen werden. Bei der Abwicklung der Vorschüsse wird hinsichtlich der vom Haushalt zu übernehmenden Ausgaben der Haushaltsausschuß in der üblichen Weise unterrichtet werden. Wir werden dort die einzelnen Zusammenhänge in Kürze vortragen. Ich hielt mich für verpflichtet, zur Ergänzung der Ausführungen meines Kollegen Dr. Heck auch von der Regierungsseite aus diese ergänzenden Angaben zu machen. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ritzel.

Heinrich Georg Ritzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001860, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es sind wahrhaft erstaunliche Ausführungen, die der Herr Bundesfinanzminister zur Begründung und Erläuterung des Antrags auf Umdruck 786 gemacht hat. ({0}) Wenn ich recht verstanden habe, Herr Bundesfinanzminister, nannten Ste das Datum des 9. Dezember 1959 als das Datum, an dem die Regierung beschloß, den Herrn Staatssekretär von Eckardt zu bevollmächtigen, einen Auftrag an die Organisation Freies Fernsehen mit einem Obligo von 20 Millionen DM zu erteilen. Ich muß sagen, daß die Bundesregierung in meinen Augen mit dieser Haltung und Handlung etine Tat begangen hat, deren Qualifizierung nicht ganz leichtfällt. Die Bundesregierung hatte keinen Haushaltsansatz; die Bundesregierung hatte keine Bindungsermächtigung; die Bundesregierung hat dem Haushaltsausschuß des Bundestages keine Mitteilung gemacht. ({1}) Die Bundesregierung hat die Aufstellung des Etats 1960 vorübergehen lassen, ohne eine Bemerkung dazu zu machen, ohne einen Ansatz zu bringen. ({2}) Die Bundesregierung hat die Aufstellung des Haushalts 1961 vorübergehen lassen, ohne Bemerkung in diester Hinsicht zu machen. Die Bundesregierung geht heute auf Grund des Antrags der Regierungsfraktion, der CDU/CSU, den Weg, der, wenn man es oberflächlich betrachtet, als eine legale Sanktionierung eines Vorgangs angesehen werden könnte, der vom Bundesverfassungsgericht als nicht verfassungsmäßig charakterisiert worden ist. Meine Damen und Herren, das Grundgesetz sagt in Art. 112, daß Haushaltsüberschreitungen und außerplanmäßige Ausgaben der Zustimmung des Bundesministers der Finanzen bedürfen, daß die Zustimmung nur im Falle eines unvorhergesehenen und unabweisbaren Bedürfnisses erteilt werden darf. Herr Bundesfinanzminister, ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, daß die Ermächtigung, die Sie vor fünf Vierteljahren dem Kabinett gegeben haben, mit den Bestimmungen der Reichshaushaltsordnung in sinngemäßer Anwendung des Art. 112 des Grundgesetzes nicht in Einklang zu bringen ist. ({3}) Die Frage ist: Ist es bei diesem Sachverhalt berechtigt, in Ausgabe des Haushaltsplans 04 03 einen Leertitel als großen Gefälligkeitsausweg zu wählen? Aus den Darlegungen des Herrn Bundesfinanzministers war nicht zu hören, daß die Summe zu übersehen ist. Es ist jetzt endlich eine Teilantwort erteilt worden zu der Frage, die als Fragestundenfrage nach der ersten Verweigerung einer Antwort noch für übermorgen früh auf der Tagesordnung steht. Es scheint mir als dem Fragesteller jetzt schon reichlich überflüssig zu sein, diese Frage auf der Tagesordnung zu belassen; denn die Methoden, mit denen hier nun Etatrecht geschaffen werden soll, sind ziemlich einmalig. Eine Zustimmung des Bundesfinanzministers zu Haushaltsüberschreitungen und außerplanmäßigen Ausgaben, Herr Minister, wird wohl nach übereinstimmender Meinung der Interpreten der Reichshaushaltsordnung höher qualifiziert als die Tatsache, daß Sie hier einen Leertitel haben, also keine Zahlen einsetzen, die Sie dem Hause zur Gänze noch vorenthalten. Zu den Praktiken, die nach Art. 112 des Grundgesetzes möglich sind, gehören zwei Standardbegriffe. Der eine lautet „unvorhergesehen" und der andere „unabweisbar". Ich gebe zu, daß die Bundesregierung das Urteil von Karlsruhe nicht vorhergesehen hat. Insofern ist der Tatbestand des Art. 112 erfüllt. Aber unabweisbar? Meine Damen und Herren, wenn dem Parlament keine Vorlage gemacht wird, Herr Bundeskanzler, für die Sie als Regierungschef verantwortlich zu zeichnen hätten, wenn das Parlament mit seinen Ausschüssen fünf Vierteljahre ohne Orientierung gehalten wird und wenn die Bundesregierung sich etwas zumutete, was wahrhaftig nicht unabweisbar war - das hat das Bundesverfassungsgericht ja soeben attestiert, das haben weite Teile der öffentlichen Meinung nicht nur in diesem Hause bestätigt -, dann kann man wirklich nicht sagen, daß die nun plötzlich und überraschend auf den Bundessteuerzahler zukommende Last in einer unbekannten Größenordnung etwas Unabweisbares ist. Der Herr Bundesfinanzminister sprach von der möglichen Verwertung von Arbeitsleistungen aus der Zwischenzeit. Vermutlich sind damit die sogenannten Konserven gemeint, Herr Bundesfinanzminister. Die Konserven werden wahrscheinlich einen minderen Preis erzielen; denn der Verkäufer befindet sich ja in einer Notlage. Ich beglückwünsche die Bundesregierung zu dem, was auf diesem Gebiet noch auf sie zukommt, wahrhaftig nicht. Aber wenn schon Einnahmen erwartet werden, Herr Bundesfinanzminister, - wir haben ja das Instrument der Leertitel auch auf dem Einnahmegebiet. Warum sehen Sie dann nur Ausgaben und keine Einnahmen vor? Warum lassen Sie dann nicht ebenfalls ein bißchen die Katze aus dem Sack? Oder ist noch unklar, wer die Eigentümer der Konserven sind? Ich weiß es nicht! Vielleicht wäre es gut, wenn die Regierung das einmal etwas klarer und deutlicher sagte. ({4}) Jedenfalls steht noch die Frage offen, auf die der Herr Staatssekretär des Presse- und Informationsamtes in der Fragestunde auch nicht antwortete, nämlich die Frage, welche Wirkung jener Brief hat, den wir nunmehr im Wortlaut sehen möchten, jener Brief, der den kreditgewährenden Banken vorgelegt worden ist, die auf Grund der Unterschrift, die unter diesem Brief stehen muß, offensichtlich in gutem Glauben in das Geschäft eingestiegen sind und nun auf diejenigen warten, die die Verpflichtung realisieren. Meine Damen und Herren, liebend gern würden wir mithelfen, einen Ausweg aus dem Dilemma zu suchen, in das die Bundesregierung geraten ist. Aber Sie können von uns nicht verlangen - ich wiederhole den Satz -, daß wir auch nur in der Form eines Leertitels eine Katze im Sack kaufen und daß wir - bei aller Tierliebe -({5}) geneigt sind, im Rahmen eines Leertitels ohne Mitwirkung dieses Hauses - nur mit einer Information an den Haushaltsausschuß zu verspäteter Zeit - in diesem Ausmaß und mit dieser Tragweite Vollmachten zum Nachteil des Steuerzahlers zu erteilen. Ich glaube, Sie werden den Beschluß auf die Errichtung dieses Leertitels allein fassen müssen. ({6})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Bucher.

Dr. Ewald Bucher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000288, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist schon eine Zumutung, wenn das Hohe Haus nun noch, wenn auch zunächst nur in Form eines Leertitels, die Gelder für die Aufwendungen bewilligen soll, die durch das verfassungswidrige Fernsehexperiment entstanden sind. Immerhin, die Bundesregierung ist jetzt etwas von dem hohen Roß heruntergestiegen, auf dem sie noch vor kurzem in der Fragestunde saß. Damals hat ja der Herr Bundesinnenminister in seiner bekannt zurückhaltenden Art gegenüber dem Parlament ({0}) die Frage, aus welchem Titel die Gelder genommen würden, um - ich glaube, es handelte sich damals nur um die Deutschland-Fernsehen GrabH - die Sache zu finanzieren, geantwortet. aus einem dafür geeigneten Titel. Heute erfahren wir nun also, welcher Titel ausersehen werden soll, dafür geeignet zu sein. Die Regierung nimmt nun für sich in Anspruch, sie habe bona fide gehandelt, sie habe also dieses Urteil nicht vorausgesehen. Nun, zum schlechten Glauben gehört ja nicht nur der Fall des vorsätzlichen Nichtvoraussehenwollens, sondern auch der Fall, daß man es hätte voraussehen müssen, also des grobfahrlässigen Nichtvoraussehens, und je höher jemand gestellt ist, der den guten Glaubt-, für sich in Anspruch nimmt, desto höher sind die Anforderungen, die an den guten Glauben gestellt werden. Ich meine also, das konnte man voraussehen. Aber auch wenn man es wirklich nicht konnte, ist ja noch die Frage, ob die Ausgaben - - ({1}) - Herr Abgeordneter Niederalt, dieses Urteil hat jedenfalls Licht in eine sehr dunkle Sache gebracht, und insofern akzeptiere ich den „Hellseher". ({2}) Dazu, daß die Ausgabe nicht unabweisbar war, hat Herr Ritzel schon das Notwendige gesagt. Ich möchte nur folgendes sagen: Auch wenn man es wirklich nicht vorausgesehen hat und nicht voraussehen konnte - ({3}) - Erstens das, und zweitens konnte man voraussehen, daß der Prozeß, der hier angestrengt war, einige Zeit dauern würde. Deshalb war es jedenfalls voreilig, diese Maßnahmen schon in die Wege zu leiten. Denn wir wissen doch alle, daß, wenn eine Gesellschaft anfängt zu produzieren und ihre Produktion auf Konserven zu ziehen, wie man so schön sagt, diese Dinge sehr schnell veralten. Schauen Sie sich doch irgendeine Fernsehsendung an, die einen aktuellen Beigeschmack hat, oder auch einen Film dieser Art! Ich denke z. B. an einen ganz bestimmten Film, der zur Zeit als Kassenmagnet durch die Kinos geht und der bestimmt in einem halben Jahr veraltet ist und nicht mehr aufgeführt werden kann, weil zahlreiche aktuelle Anspielungen darin sind. So wird es auch mit diesen Konserven gehen; davon ist doch vieles nicht. mehr verwendbar. Ich sehe ganz ab von dem Verwaltungsaufwand, der durch das frühzeitige Anlaufen dieser Dinge entstanden ist. Ich gebe Ihnen natürlich zu, die Bundesregierung kommt nun in die peinliche Lage, sich hier am Konservenhandel beteiligen zu müssen; ({4}) aber wir können ihr nicht helfen, es tut uns leid. - Wir müssen also diesen Antrag ablehnen. ({5})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Herr Bundesfinanzminister. ) Etzel, Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege Ritzel, ich möchte keine Unklarheit bestehen lassen. Soweit eine solche entstanden ist, mag es daran liegen, daß man bei der Verlesung einer Erklärung nicht sofort jede Einzelheit übersieht. Die Handlungen in der Vergangenheit waren gestützt auf § 45 b der Reichshaushaltsordnung; die in der Zukunft, für die der Leertitel dienen soll, werden auf Art. 112 des Grundgesetzes gestützt werden. Eins ist völlig klar: irgendwelche Zahlungen sind bis heute nicht geleistet. ({0}) - Nein, keine Bürgschaften! Es ist ein Apparat entstanden, der uns nicht gehört, zu dem wir keinen unmittelbaren Zugang haben. Aber dieser Apparat muß verwertet werden. Er hat in sich einen beachtlichen Wert, Herr Kollege Ritzel. Auf der Einnahmeseite kann allerdings kein Leertitel eingesetzt werden, weil es sich hier um das Problem handelt, Auslagen zu ersetzen. Wo keine Auslagen entstanden sind, wo z. B. die „Freies Fernsehen GmbH" Gewinne macht, stehen diese natürlich nicht dem Bunde zu, und es entstehen auch keine Auslagen. ({1}) Einen Augenblick bitte, lassen Sie mich erst meinen Gedanken zu Ende führen. Ich halte es nicht für richtig, in dieser Diskussion das, was an Werten aufgebaut wurde, gewissermaßen zu zerfleddern. Wir hoffen auch in dieser Stunde noch, sie zu dem Betrag zu verwerten, den ihr Aufbau gekostet hat. Wenn jetzt das zweite Fernsehprogramm von anderen Stellen durchgeführt werden soll, müssen sie ja auch von etwas ausgehen, sie müssen eine Sachsubstanz haben. Ich möchte vergleichsweise sagen: Es ist ein Film produziert worden, und ein anderes Kino wird den Film drehen. Es wird dabei dieselben Preise aufwenden müssen wie das erste Kino. Aber Sie wollten eine Zwischenfrage stellen. Bitte sehr!

Karl Wittrock (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002545, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Bundesminister, ist Ihnen bekannt, daß diese Gesellschaft zwei Geschäftsführer hat, darunter einen ehemaligen Staatssekretär - es handelt sich um den ehemaligen Staatssekretär Gladenbeck -, ist Ihnen bekannt, daß beide Geschäftsführer ein Gehalt in Höhe von je 84 000 DM zuzüglich Aufwandsentschädigung beziehen, und wird die Bundesregierung und wird der Bundesminister der Finanzen darauf hinwirken, daß schon im Liquidationsstadium durch eine Reduzierung dieser Aufwendungen eine größtmögliche Einsparung eintritt?

Franz Etzel (Minister:in)

Politiker ID: 11000497

Wenn es gelingt, die bisher geschaffenen Werte zu iden Gestehungskosten zu verkaufen, muß der Käufer sehen, ob er die bestehenden Beträge fortführen will. Wenn es zu einem Auslagenersatz kommt, besteht meines Erachtens ein Recht des Staatssekretärs von Eckardt, die Angemessenheit der Aufwendungen zu kontrollieren. ({0}) - Ich will es anders ausdrücken: Angemessene Aufwendungen werden erstattet und keine unangemessenen. ({1})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat Herr Abgeordneter Ritzel.

Heinrich Georg Ritzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001860, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich habe nur zwei kleine Fragen. Die eine Frage ist: glauben Sie, Herr Bundesfinanzminister, daß das Vorgehen der Regierung sowohl dem Grundgesetz als auch der Reichshaushaltsordnung entspricht? Die zweite Frage ist: wo sind denn die Verteidiger dieses Antrages auf Errichtung eines Leertitels aus der CDU/CSU-Vertretung im Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages? ({0}) Warum sprechen die Herren nicht? ({1})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Keine weiteren Wortmeldungen. Ich lasse abstimmen. ({0}) - Herr Bundesfinanzminister, wünschen Sie das Wort? ({1})

Franz Etzel (Minister:in)

Politiker ID: 11000497

Herr Kollege Ritzel, es ist doch ganz selbstverständlich, daß ich geglaubt habe und glaube, daß hier eine Rechtsgrundlage besteht. Das Kabinett hat die sachliche Vordringlichkeit einer frühzeitigen Vorbereitung eines zweiten Fernsehprogrammes im Interesse der Bevölkerung festgestellt. Wir sind davon ausgegangen, daß auf Grund dieser politischen Entscheidung ein dringender Fall im Sinne des Haushaltsrechts anerkannt werden muß. Die zweite Frage ist nicht an mich gerichtet.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Wünschen Sie das Wort? - Herr Abgeordneter Rasner.

Will Rasner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001777, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Heck hat für unsere Fraktion gesprochen. Alle Mitglieder des Haushaltsausschusses gehören zu unserer Fraktion. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das letztere ist zwar nicht ganz richtig; ({0}) aber Sie meinen: alle Mitglieder der CDU/CSU im Haushaltsausschuß stehen hinter diesem Antrag; das wollten Sie sagen. ({1}) Herr Abgeordneter Dr. Schäfer!

Dr. Friedrich Schäfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001930, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich halte es für unmöglich, daß man einen Leertitel beschließt und der Regierung eine Generalvollmacht gibt, nach eigener Prüfung dann diejenigen Zahlungen zu leisten, die sie im Sinne der §§ 662 ff. BGB für notwendig oder für angemessen hält. ({0}) - Das steht nämlich darin. Ich halte es für notwendig, von vornherein festzustellen, daß Zahlungen nur nach vorheriger Konsultierung des Haushaltsausschusses geleistet werden dürfen. Deshalb beantrage ich alternativ, mindestens den Zusatz einzufügen, daß Zahlungen nur mit Zustimmung des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages geleistet werden dürfen. ({1})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Meine Damen und Herren, ich lasse über den Zusatzantrag zuerst abstimmen. ({0}) - Ich lasse dann zuerst über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU Umdruck 786 abstimmen. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen. Jetzt, Herr Abgeordneter Schäfer, möchten Sie, daß auch über Ihren Zusatzantrag abgestimmt wird? ({1}) Meine Damen und Herren, Sie haben den Zusatzantrag gehört. Er geht dahin, daß Zahlungen nur mit Zustimmung des Haushaltsausschusses zu leisten sind. ({2}) - Sie wollen widersprechen? ({3}) Ich stelle jetzt den Zusatzantrag des Abgeordneten Dr. Schäfer zur Abstimmung. Wer diesem Zusatzantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt. ({4}) Damit ist der Änderungsantrag Umdruck 786 unverändert angenommen. ({5}) - Meine Damen und Herren, bitte keine Schwierigkeiten, es kommen noch ganz andere Änderungsanträge. - Herr Bundesfinanzminister, wünschen Sie dazu das Wort? ({6}) - Nein, Herr Bundesfinanzminister, die Abstimmung über den Änderungsantrag ist bereits erfolgt. ({7}) - Sie möchten dazu eine Erklärung abgeben? - Bitte sehr.

Franz Etzel (Minister:in)

Politiker ID: 11000497

Meine Damen und Herren, es ist selbstverständlich, daß ich die Zahlungen, die dort im einzelnen zu leisten sind, nach Anhörung des Haushaltsauschusses in die Wege leiten werde. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Der Saal dreht sich noch ganz von selber in die richtige Richtung, wenn das so weitergeht. Präsident D. Dr. Gerstenmaier Wir kommen nun zu dem Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 788. - Zur Begründung des Antrags Umdruck 788 Ziffer 1 hat das Wort der Herr Abgeordnete Hermsdorf.

Hans Hermsdorf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000883, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach der Erklärung, die der Bundesfinanzminister soeben hier abgegeben hat und für die ich ihm im Namen meiner Fraktion aufrichtig danke, fällt es mir besonders leicht, den Antrag Umdruck 788 Ziffer 1 zu begründen. Nach den grundsätzlichen Politischen Auseinandersetzungen von heute morgen und auch noch heute nachmittag treten jetzt die einzelnen Haushaltsexperten der verschiedenen Fraktionen sozusagen in die Geschäftsordnungsdebatte und in die Diskussion über die Sachanträge ein. Ich möchte von vornherein klarstellen, daß die sozialdemokratische Fraktion bei der Behandlung dieses Haushalts bemüht ist, der Bundesregierung und der Verwaltung die Arbeit so leicht wie nur irgend möglich zu machen. Der Antrag meiner Fraktion besagt nicht mehr und nicht weniger, als daß der persönliche Referent des Bundeskanzlers für seine Dienstgeschäfte einen Personenwagen, und zwar einen Mercedes 180, haben soll. ({0}) Dieser Antrag hat sehr viele Ursachen. Die erste ist, daß wir Sozialdemokraten selbstverständlich für die Erhaltung des Besitzstandes sind; ({1}) Der jetzige persönliche Referent, Herr Dr. Barth, den ich sehr gut von seiner Tätigkeit in der Bremer Botschaft her kenne und zu dem wir ein sehr vernünftiges Verhältnis gehabt haben, hat bei der Bremer Verwaltung einen eigenen Wagen gehabt. Wir sind ,der Meinung, er sollte ihn auch jetzt beim Bundeskanzler haben. Insofern möchten wir auf alle Fälle Herrn Barth die Möglichkeit geben, seine Arbeit so gut auszuführen und so beweglich zu sein, wie das nur irgend möglich ist. Es gibt aber noch einen anderen Grund. Wir haben vor dem Herrn Bundeskanzler und auch vor der Verwaltung den nötigen Respekt. Was wir unter allen Umständen vermeiden möchten, ist, daß der Herr Bundeskanzler wieder einmal als Zeuge vor Gericht erscheinen muß, weil es um Leihwagen geht. ({2}) Wir möchten auch keinesfalls Herrn Barth in die schwierige Situation bringen, sich, weil er keinen Wagen hat, wieder irgendeinen leihen zu müssen. Er soll einfach einen Wagen haben. Warum soll er ihn nicht haben? Ich habe mir genau das Urteil in der Leihwagensache angesehen. In dem Prozeß hat der Bundeskanzler als Zeuge ausgeführt, der Bundeskanzleretat sei natürlich - wie alle anderen auch - den haushaltsmäßigen Beschränkungen unterworfen, und der Haushaltsausschuß sei immer sehr engstirnig und gar nicht so freigebig in der Bewilligung der Mittel. Herr Bundeskanzler, ich bin ganz sicher, daß diese Meinung richtig ist. Aber ich möchte auch sagen: sowohl die Kollegen der CDU/CSU als auch wir möchten unter gar keinen Umständen diesen Vorwurf auf uns sitzen lassen. Sie sollen also den 10. Wagen in Ihrem Hause haben. Meine Damen und Herren, nehmen Sie den Antrag nicht so humorvoll, wie er vielleicht auf den ersten Blick erscheint. ({3}) Wenn Sie einmal das Gerichtsurteil lesen und sehen, in welcher schwierigen Situation sich Herr Kilb befunden hat, werden Sie zugeben, daß es doch nicht mehr als recht und billig wäre, wenn wir einem persönlichen Referenten ein solches Schicksal in Zukunft ersparten. Aus diesem Grunde bitte ich Sie von der CDU/CSU wirklich sehr, diesem Antrag zuzustimmen. Er enthält durchaus keine Polemik, sondern soll nur vermeiden, daß der Bundeskanzler in Zukunft wieder vor Gericht erscheinen muß. ({4}) In der Urteilsbegründung ist weiterhin gesagt worden, daß die Firma „Mercedes" diese Wagen gestellt habe, weil sie die Politik des Bundeskanzlers unterstütze. Das ist das gute Recht von „Mercedes". Wir möchten aber nach dem Wechsel des Generaldirektors bei „Mercedes", nachdem wir dort einen sozialdemokratischen Generaldirektor haben, keinesfalls in die Gefahr kommen, daß der jetzt uns Leihwagen stellt. Auch aus diesem Grunde wollen wir, daß Herr Barth einen Wagen bekommt. ({5}) Ich bitte Sie deshalb, diesem Antrag zuzustimmen. ({6})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort zu dem Antrag hat Herr Dr. Conring.

Dr. Hermann Conring (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000336, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Karneval ist vorbei. Karneval auf Kasten der Steuerzahler lehnen wir ab. Wir bitten, den Antrag abzulehnen. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Abgeordneter Hermsdorf!

Hans Hermsdorf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000883, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Dr. Conring, natürlich ist der Karneval vorbei. Auch wir lehnen den Karneval in diesem Hause ab. Aber die zusätzliche Bemerkung, die Sie gemacht haben, daß wir hier auf Kosten der Steuerzahler Karneval veranstalten, muß ich auch ablehnen. Bitte, wenn Sie wollen, bin ich bereit, aus dem Gerichtsurteil vorzulesen, daß der Herr Bundeskanzler gesagt hat, er komme mit diesen 9 Wagen nicht ans. Ich verstehe eigentlich nicht, woher Sie den Mut nehmen, dem Bundeskanzler jetzt zu widersprechen. ({0}) Aber es gibt auch hier manchmal Überraschungen. Ich möchte Ihnen, Herr Kollege Conring, sagen: in der Sache sind Sie auch dafür, Sie möchten nur nicht zustimmen, weil das so den Anruch der Leihwagen hat. Gerade diesen Anruch aber wollen wir vermeiden. Wer behauptet, diese Ausgabe von 8900 DM sei eine Angelegenheit, die sozusagen dem Steuerzahler zur Last falle, dem muß ich ehrlich sagen: wenn ich so die Milliardenbeträge höre, mit denen Sie jonglieren, meine ich, man sollte lieber überlegen, ob da nicht zuviel ausgegeben wird, nicht aber hier, wo wir 8900 DM ausgeben wollen, damit Herr Barth beweglich ist. ({1})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Meine Damen und Herren! Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag unter Ziffer 1 des Umdrucks 788. Wer dem Antrag .zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen! - Das zweite ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. ({0}) Wir kommen jetzt zu dem Antrag unter Ziffer 2. Zur Begründung hat Herr Abgeordneter Ritzel das Wort.

Heinrich Georg Ritzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001860, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist schön, wenn hie und da im Ernst des Daseins auch einige heitere Minuten eintreten. Wir kehren jetzt aber zum Ernst zurück. Sagen Sie nicht: Alle Jahre wieder! ({0}) - Nein, ich werde Sie enttäuschen, Herr Kollege Rasner. Ich denke nicht daran, das Protokoll des Vorjahres zu Rate zu ziehen. Ich kann verstehen, daß Sie es nötig haben, da und dort eine geistige Anleihe zu machen. Aber lassen wir das. Ich habe den Antrag zu begründen, wonach eine parlamentarische Mitwirkung bei der Verwendung des Geheimfonds des Herrn Bundeskanzlers im Einzelplan 04 Kap. 04 03 Tit. 300 erfolgen soll. Herr Bundeskanzler, es sind wohl sieben Jahre her, als Sie meinten, der Ausdruck „Reptilienfonds" sei seinerzeit gegen Bismarck geprägt worden. Ich erinnere mich noch, daß Herr Professor Gülich damals spornstreichs in die Bibliothek rannte, um nachzusehen, daß Sie im Unrecht seien. Es konnte auch den Nachweis dafür liefern und eine Rede des Reichskanzlers Fürst Bismarck - ich glaube, aus dem Jahre 1869 - zitieren, wonach dieser den Ausdruck geprägt hat, indem er sagte, daß mit diesem Fonds die „Reptilien" verfolgt werden sollten. Daher, Herr Bundeskanzler, stammt der Ausdruck „Reptilienfonds". Was hat es nun mit dem „Reptilienfonds" auf sich? Ich darf dazu mit gütiger Erlaubnis des Herrn Kollegen Rasner einmal das Protokoll der 140. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 25. Januar 1961 zu Rate ziehen, nämlich die Wiedergabe des so neckischen Frage- und Antwortspiels auf Grund einer Frage des Herrn Kollegen Dr. Bucher von der FDP. Die Frage lautete: Wie hoch sind die Kosten für den neuerdings vom Bundespresse- und Informationsamt herausgegebenen Abreißkalender? Herr Staatssekretär von Eckardt tat mir leid; denn er wand sich - ich will keine zoologischen Vergleiche anstellen - wirklich in großer Verlegenheit. Er selbst hat einmal in einer Ausschußsitzung gesagt, man könne ja einen Teil dieses „Reptilienfonds" offenlegen. Laut Protokoll sagte er aber am 25. Januar 1961: Zur Förderung des Informationswesens stehen im Haushalt des Presse- und Informationsamts bestimmte Haushaltsmittel zur Verfügung, deren Jahresabrechnung nur der Prüfung durch den Präsidenten des Bundesrechnungshofs unterliegt. Wie ich wiederholt dargelegt habe, ist die Bundesregierung grundsätzlich verpflichtet, Auskünfte über Ausgaben aus diesem Titel gegenüber allen Stellen mit Aasnahme des Präsidenten des Bundesrechnungshofs zu verweigern. Auf die Frage, ob denn die Ausgabe für einen Kalender, den die Bundesregierung - lies Presse- und Informationsamt - herausgibt, wirklich eine geheime Ausgabe sei, meinte der Herr Staatssekretär laut Protokoll: Ich kann in meiner Antwort nicht sortieren zwischen geheim und nicht geheim, sondern muß mich an die Bestimmungen halten, denen ich unterworfèn bin. Ich muß sagen, der Herr Staatssekretär hat die für ihn als einen Beamten einzig denkbare Haltung eingenommen. Er kann nur durch eine Willensäußerung seines höchsten Chefs, des Herrn Bundeskanzlers, entlastet werden. Aber die liegt nicht vor. Im Verlauf dieser Unterhaltung entspann sich damals auch eine kleine Nebendebatte in bezug auf die Kosten für die Herausgabe eines hessischen Kalenders - ich habe ihn hier -, durch den sich die Bundesregierung - lies Presse- und Informationsamt - überhaupt erst hatte anregen lassen. Es wurde damals der Verdacht ausgesprochen, die Hessen machten das ähnlich und finanzierten das auch aus Geheimmitteln. Ich habe daraufhin Gelegenheit genommen, an den Herrn hessischen Ministerpräsidenten Dr. Georg August Zinn zu schreiben. Er gab mir am 21. Februar folgende Antwort: Der Hessen-Kalender wird seit dem Jahre 1958 vom Hessen-Dienst der Staatskanzlei hergestellt und aus Mitteln des Hessen-Dienstes, d. h. dem Einzelplan 17 13 651, bezahlt. Die Ausgaben sind vom Landtag nachzuprüfen. - Also kein Geheimtitel. Nun komme ich zum eigentlichen Kern des Problems. Ich verstehe durchaus, daß jede Regierung einen Fonds haben muß, der nicht auf dem öffentlichen Markt kontrolliert werden kann. Das ist selbstverständlich. Ich darf daran erinnern, daß die sozialdemokratische Bundestagsfraktion in bezug auf einen Fonds beim Einzelplan des Auswärtigen Amts keine parlamentarische Kontrolle gefordert hat. Aber hier ist es doch etwas anders, und zwar aus folgendem Grunde. Zunächst einmal - und deswegen wählte ich eingangs das Beispiel dieses Bundes-Kalenders - entfallen je ungefähr 50% - so ganz geheim kann es ja nie gehalten werden, Herr Staatssekretär - auf Dinge, die man öffentlich sagen kann, und auf Dinge, die man nicht öffentlich sagen kann. Wir sind also der Meinung, Sie könnten die 13 Millionen zunächst einmal reduzieren, um die Beträge öffentlich im Haushalt auszuweisen, die nicht partout geheimgehalten werden müssen. Das wäre ein netter Anfang. Das haben Sie bisher nicht gemacht. Wir sind zweitens der Meinung, daß eine gewisse parlamentarische Kontrolle auch in bezug auf den Rest notwendig ist. Ich darf dazu folgendes sagen. Wir fordern in diesem Antrag Prüfung durch den Rechnungsprüfungsausschuß des Deutschen Bundestages. Der Rechnungsprüfungsausschuß ist eine Institution des Haushaltsausschusses und damit des Parlaments. Er ist nach dem d'Hondtschen System besetzt. Er behandelt sehr viel Dinge, über die nicht in aller Öffentlichkeit berichtet wird. Er hängt nicht alles an die große Glocke. Anerkannt ist, daß sich in der Praxis des Rechnungsprüfungsausschusses folgendes entwickelt hat: Gegenstände der Rechnungsprüfung - ich folge hier einer Aufzählung aus dem Kommentar des sehr geschätzten Herrn Ministerialdirektors Dr. Vialon aus dem Bundeskanzleramt -, die nicht von grundsätzlicher oder schwerwiegender Bedeutung sind, sollen im Plenum erörtert werden. Prüfungsfeststellungen von geringerer finanzieller Tragweite, aber von grundsätzlicher Bedeutung für die Haushaltsführung und das Haushaltsgebaren sollen nur dem Haushaltsausschuß bekanntgegeben werden, um diese Feststellungen bei den Haushaltsberatungen zu verwerten. - So weit, so richtig. Was wollen wir? Wir wollen nicht einmal die Berichterstattung an den Haushaltsausschuß. Wir wollen nur die Kontrolle durch diesen Rechnungsprüfungsausschuß, der dazu die nötige Qualifikation besitzt. Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir, daß ich dazu noch einige Bemerkungen mache. Wir haben wiederum in dem sehr guten Kommentar zur Reichshaushaltsordnung auf Seite 50 eine Feststellung, die ich Ihnen nicht vorenthalten möchte. Es heißt dort: Regelmäßig begründet die Exekutive mit erhöhter Staatsraison die Fernhaltung des kritischen Prüfers von den oben genannten gefährlichen Fonds ({1}). Es stellt sich aber oft heraus, - sagt der Kommentator daß diese Tendenz nur den Versuch zur Aufrechterhaltung eines Mysteriums oder des Wunsches nach ganz selbständiger Bewirtschaftung bedeutet. Ich überlasse es der Fraktion der CDU, was sie davon auswählen will, das Mysterium oder den Wunsch nach ganz selbständiger, d. h. unkontrollierter Bewirtschaftung. Zu dem Problem der parlamentarischen Kontrolle noch eines: Gelegentlich ist die Prüfung einem kleinen und besonders ausgewählten parlamentarischen Unterausschuß oder dergleichen übertragen worden, ,wie das manchmal auch für die Prüfung der einschlägigen Voranschläge geschieht. so heißt es in dem Kommentar Vialon auf Seite 967. Und es geht weiter: In Einzelfällen sind auch ein solches Gremium und der Präsident des Bundesrechnungshofes mit der Rechnungsprüfung vertraulicher Ausgaben betraut worden. Die Prüfung sogenannter Reptilienfonds wurde auf diese Weise in allseits befriedigender Weise geregelt. - Nur hier nicht! -Haushaltsrechtliche Bedenken gegen diese Handhabung, also der Mitwirkung eines Parlamentausschusses, bestehen um so weniger, als in solchen Fällen gerade die politische Kontrolle im Vordergrund steht und von einem Ausschuß des politischen Kontrollorgans gehandhabt werden soll. Die Einschaltung auch des Präsidenten des Bundesrechnungshofes empfiehlt sich aber wegen der Belegprüfung in allen diesen Fällen. Dagegen haben wir auch wirklich nichts einzuwenden. An einer anderen Stelle - und damit komme ich zum Schluß - heißt es, auf Seite 46 des Kommentars: Das Wesen der Kontrolle, wie sie hier verstanden wird, besteht nicht in der Aufsicht des Schutzmannes, sondern mehr in der Rolle des verantwortungsvollen Mitarbeiters, sei es derjenigen der Öffentlichkeit oder der Legislative, der Exekutive oder gar der Administration selbst. Der Schutzmann ist natürlich auch unerläßlich, aber er kommt regelmäßig erst später. Viel wichtiger ist die stete politische Kontrolle beim Zustandekommen und dem Vollzug des Haushaltsplans unter dem Gesichtspunkt der Vollständigkeit und Klarheit dieses Plans sowie des in ihm angestrebten Gleichgewichts. Herr Bundeskanzler, es liegt in Ihrer Hand, eine auch die Opposition versöhnende Geste zu machen und Ihren Geheimfonds aufzuteilen. Da, wo Druckaufträge, die ja doch der Öffentlichkeit zugehen, finanziert werden, besteht wahrhaftig kein Anlaß, diese Dinge als geheim zu behandeln. Da, wo wirklich ein Anlaß besteht, sie geheim zu behandeln, bitte ich Sie sehr, das Anliegen des Parlaments zu verstehen - des Parlaments, das ja nicht nur aus der Regierungspartei besteht -, das darin besteht und darin gipfelt, einen amtlich anerkannten und bewährten, unter dem Vorsitz eines CDU-Abgeordneten, des Herrn Kollegen Leicht, stehenden Ausschuß, den Ausschuß für Rechnungsprüfung - Unterausschuß des Haushaltsausschusses - mit einem Teil der Funktionen zu betrauen, die heute nach Ihrem bisher dokumentierten Willen allein von dem Herrn Präsidenten des Bundesrechnungshofes ausgeübt werden. Es sind Steuermittel, Herr Bundeskanzler, und wir sind Vertreter der Steuerzahler. Es gibt ein ganz legales Anliegen, wenn wir diesen Wunsch, auf dessen Erfüllung ich hoffe bis zum Beweis des Gegenteils, in diesem Jahr wieder einmal an Sie richten. ({2})

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Keine Wortmeldungen! Ich stelle dann die Ziffer 2 des Umdrucks 788 zur Abstimmung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich, das Zeichen zu geben. - Gegenprobe! Enthaltungen? - Mit Mehrheit abgelehnt! Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Arndt.

Dr. Adolf Arndt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000047, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion habe ich zu erklären. Der Herr Bundeskanzler hat eine Erklärung zum politischen Widerstand und zur politischen Emigration abgegeben. In dieser Erklärung heißt es: Keinem, der aus persönlichen oder politischen Gründen in die Emigration ging, keinem, der im Innern an seinem Platz verbleibend Widerstand leistete, kann aus dieser Tatsache allein ein Vorwurf gemacht werden. Es kommt in jedem Falle darauf an, daß die Motive seines Handelns wie sein Handeln selbst ehrenwert waren. Diese Erklärung kann nicht befriedigen. Sie ist insoweit bloß negativ gehalten. Die Erklärung hißt in der Schwebe, ob zwar für sich allein die Tatsache des Widerstandes oder der Emigration aus politischen Gründen nicht ausreiche, um einen Vorwurf zu begründen, aber eine solche Tatsache doch einem Argwohn offenstehe. Die Erklärung schließt mindestens das Mißverständnis nicht aus, als sei die Tatsache des Widerstandes oder der politischen Emigration ein immerhin der näheren Nachforschung erst noch bedürfendes Ereignis, ob sich ein Mensch wirklich ehrenwert verhielt. Es geht nicht um die Selbstverständlichkeit, daß Pauschalverurteilungen und Pauschalverherrlichungen in gleicher Weise zu verwerfen sind. ({0}) Wir bestehen auf der Feststellung, daß die Tatsache des Widerstandes oder der politischen Emigration grundsätzlich f ü r eine Achtung gebietende Haltung spricht und keinen Anlaß zu Verdächtigungen bietet. ({1}) Ich erinnere daran, daß der Bundestag sich einig war, als er im Vorspruch zum Bundesentschädigungsgesetz sagte - und ich darf das wörtlich ins Gedächtnis rufen -, daß der aus Überzeugung oder um des Glaubens oder Gewissens willen gegen die nationalsozialistische Gewaltherrschaft geleistete Widerstand ein Verdienst um das Wohl des Deutschen Volkes und Staates war. Gilt das noch, Herr Bundeskanzler, oder wo stehen wir heute, 16 Jahre danach? Herr Bundeskanzler, es liegt in Ihrer Hand und steht in Ihrer Verantwortung, durch eine im Positiven befriedigende Erklärung schweren Schaden von unserem Staat und unserem Volk abzuwenden. ({2}) Unser aller Abscheu gegenüber Verbrechern wie Eichmann muß eine schlichte Selbstverständlichkeit sein. Das ist aber nur die eine Seite der Sache. Die andere Seite ist die von uns und vornehmlich von Ihnen als Bundeskanzler geschuldete Erklärung: Wer gegen Hitlers Macht für Freiheit und Menschlichkeit einstand, wo auch immer, der stand für Deutschland. ({3})

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Krone.

Dr. Heinrich Krone (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001225, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin über diese Prklärung der sozialdemokratischen Fraktion verwundert. ({0}) ich hätte angenommen, Sie würden der Erklä ung des Herrn Bundeskanzlers aus vollem Herzen zustimmen. Sie besagt, daß ein jeder, der, sei es hier oder draußen, für den freiheitlichen Rechtsstaat nur für den - gearbeitet hat, unsren Respekt verdient. ({1})

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Ich schließe die Beratung des Einzelplans 04 und rufe auf zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses auf Drucksache 2503. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich, ein Zeichen zu geben. - Gegenprobe! Enthaltungen? - Der Einzelplan 04 ist mit Mehrheit angenommen. Ich rufe auf Einzelplan 05 Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts ({0}). Es liegt der Bericht des Herrn Abgeordneten Dr. Conring vor. Ich danke dem Herrn Abgeordneten. Wünschen Sie eine mündliche Ergänzung? - Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Conring.

Dr. Hermann Conring (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000336, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mir erlaubt, Ihnen einen ausführlichen Schriftlichen Bericht vorzulegen. Ich weiß, daß Sie ihn gelesen haben. Ich darf darauf Bezug nehmen.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Ich komme zunächst zur Behandlung des Änderungsantrages der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP auf Umdruck 784. Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht. Wir stimmen über diesen Änderungsantrag ab. Ich bitte, im Falle der Zustimmung Zeichen zu geben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist einmütig angenommen. Das Wort hat Herr Abgeordneter Wischnewski.

Hans Jürgen Wischnewski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002531, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die zweite Lesung des Haushalts des Auswärtigen Amtes bietet die günstige Gelegenheit, einige wenige Bemerkungen zur deutschen Außenpolitik gegenüber den neuen jungen Staaten der Welt zu machen. Es ist völlig unbestritten, daß die Entwicklungspolitik heute ein entscheidender Faktor der Außenpolitik überhaupt ist. Ich habe nicht die Absicht, hier eine Debatte über Probleme ,der Entwicklungshilfe anzufangen, obwohl gerade die Ereignisse der letzten Wochen eigentlich dazu reizen würden. Das soll bei anderer Gelegenheit geschehen. Es kommt mir vielmehr darauf an, in diesem Zusammenhang einige politische Bemerkungen zu machen. Unbestritten hat die Welt in den letzten Jahren ihr Gesicht in einem entscheidenden Maße verändert. Es gibt auf dieser Welt nicht mehr nur Ost und West, sondern viele neue junge Staaten sind dazwischengetreten. Sie verändern damit die politische Situation in der Welt insgesamt in einem entscheidenden Maße. Sie wollen und werden ihre Rolle in der Weltpolitik spielen. Die Veränderungen zeigen sich insbesondere ganz eindeutig in der Vollversammlung der Vereinten Nationen. Die deutsche Außenpolitik hat sich mehr als bisher auf diese veränderte Situation einzustellen. Die entscheidendsten Veränderungen hat es im vergangenen Jahre in Afrika gegeben. Das Jahr 1960 wird unbestritten als das Jahr Afrikas in die Weltgeschichte eingehen. Bei der Diskussion werden hier einige wenige afrikanische Probleme im Vordergrund stehen. Damit sollen keineswegs die Probleme in Asien und auch in Lateinamerika hintangestellt werden. Im Gegenteil, auch in Asien und Lateinamerika bedarf es einer wesentlichen Intensivierung der deutschen Außenpolitik. Wir möchten ausdrücklich begrüßen, daß insbesondere in den letzten Wochen in bezug auf Asien hier erste Schritte unternommen worden sind. Sechzehn Länder haben im vergangenen Jahr in Afrika ihre Unabhängigkeit gewonnen. Weitere werden schon in absehbarer Zeit folgen. Für eine Reihe von ihnen sind bereits entsprechende Termine festgelegt. Wir begrüßen es, daß diese neuen jungen Staaten die Unabhängigkeit gewonnen haben. Wir freuen uns mit ihnen, daß sie diesen Weg gehen konnten und daß sie die Möglichkeit haben, nun ihre Geschicke weitestgehend in die eigene Hand zu nehmen. Für unsere Außenpolitik ergibt sich damit eine entscheidende Aufgabe, nämlich ein wirkliches Partnerschaftsverhältnis und eine wahre Freundschaft zu diesen neuen Ländern zu gewinnen. Es ergibt sich die Notwendigkeit, in dieser Hinsicht alle Anstrengungen, die möglich sind, zu unternehmen. Nur eine wirkliche Partnerschaft und eine wahre Freundschaft zu den neuen Ländern gibt auch uns die Möglichkeit, für unsere Probleme dort um entsprechendes Verständnis zu werben und entsprechendes Verständnis für unsere Probleme zu finden. Es ist notwendig, daß auch diese Länder Verständnis für die Situation in Berlin und für unser Streben nach Selbstbestimmungsrecht von 17 Millionen Deutschen im anderen Teil Deutschlands haben. Verständnis für 'die eigenen Probleme kann man nur finden, wenn man Verständnis für die Probleme des anderen hat. Wir müssen mehr als bisher darum bemüht sein, dieses Verständnis für die Probleme der anderen zu finden. Zu diesem Verständnis gehört auch, daß wir bereit sind, den Wunsch nach Bündnisfreiheit und Neutralität dieser neuen Länder zu respektieren. Wir wollen keinen kalten Krieg in den sogenannten Entwicklungsländern, und wir wollen unsere Hilfe so gewähren, als gäbe es das Problem des Kommunismus auf dieser Welt überhaupt nicht. Wir suchen in Afrika, Asien und Lateinamerika Freunde und Partner und keine Faustpfänder im kalten Krieg. Wer nur Faustpfänder im kalten Krieg sucht, wird dafür sehr bald bezahlen müssen. Die Sowjets haben die ersten Erfahrungen in dieser Hinsicht vor sehr kurzer Zeit machen müssen. Das Zeitalter des Kolonialismus ist endgültig zu Ende. Aber einige Länder, insbesondere auch in Afrika, befinden sich noch im kolonialen Umbruch. Die Bundesrepublik darf sich an keinen Maßnahmen - auch nicht an multilateralen - beteiligen, die sie in den Verdacht bringen könnten, den Kolonialismus direkt oder indirekt zu stützen. Die strengsten Maßstäbe, die überhaupt möglich sind, müssen hier angewendet werden. Eine Angelegenheit bringt uns hier etwas in Sorge: entgegen den bisherigen Vereinbarungen wird nun der Entwicklungsfonds der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft doch in Algerien verwendet. Diese Tatsache wird der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und damit der Bundesrepublik nicht zugute kommen. In diesem Zusammenhang möchten wir unsere Genugtaung darüber zum Ausdruck bringen, daß sich in Algerien eine Regelung abzeichnet. Wir möchten dem französischen Volk und dem algerischen Volk von ganzem Herzen den Frieden wünschen. Auf diese Weise kann eine sehr starke Belastung für die westliche Welt entfallen. Wir hoffen, daß dann auch sehr bald eine Möglichkeit gegeben ist, daß die mehr als 20 000 jungen Deutschen zurückkehren, die leichtfertig oder tragisch - das ist sehr unterschiedlich - in die französische Fremdenlegion gekommen sind. Ich darf hier daran erinnern, daß bedauerlicherweise der vor mehr als zwei Jahren einstimmig gefaßte Beschluß des Deutschen Bundestages zu diesem Problem noch keine Auswirkungen gehabt hat. Es gibt noch andere Gefahrenpunkte in Afrika, die erwähnt werden sollten, weil sie auch uns betreffen. Ich meine die sehr gespannte Situation in den portugiesischen Besitzungen, insbesondere in Angola, wo der Kolonialismus noch in einer sehr harten Art und Weise betrieben wird. Das kann uns keineswegs gleichgültig sein, denn auch Portugal ist Mitglied unseres Bündnissystems. Alle Dinge, die sich dort in negativer Weise abspielen, können sich auch für die westliche Welt insgesamt schädlich auswirken. Wir möchten deshalb dringend empfehlen, daß diese Fragen in den zuständigen NATO-Gremien einmal zur Sprache gebracht werden. Wir möchten auch nicht das geringste mit der Rassenpolitik der Südafrikanischen Union zu tun haben. Es gibt hier einige Momente, die uns in Besorgnis bringen. Ich meine zum Beispiel die Entschuldigung des Auswärtigen Amtes für den Boykottaufruf des Deutschen Gewerkschaftsbundes und des Internationalen Bundes freier Gewerkschaften gegenüber Waren aus der Südafrikanischen Union. Ich habe volles Verständnis dafür, daß sich das Auswärtige Amt mit diesen Maßnahmen der Gewerkschaften nicht solidarisch erklärt hat und auch nicht solidarisch erklären konnte, sicher; aber es hätte völlig genügt, wenn eindeutig erklärt worden wäre, daß bei uns in einem freien Lande die Gewerkschaften eine unabhängige Einrichtung sind und in diesen Fragen das tun, was sie für richtig halten. So hätte man auf eine Entschuldigung, die uns in anderen Ländern Afrikas sehr viel geschadet hat, ohne weiteres verzichten können. Noch etwas anderes in diesem Zusammenhang erfüllt uns mit größter Besorgnis. Der deutsche Botschafter in der Südafrikanischen Union hat vor wenigen Tagen in einem Rundfunkvortag in Pretoria von dem geheimen Verständnis des deutschen Volkes für die Politik der Südafrikanischen Union gesprochen. Ich möchte diese Ausführungen auf das schärfste zurückweisen. ({0}) Ich möchte eindeutig zum Ausdruck bringen, ,daß ich davon überzeugt bin und daß wir alle davon überzeugt sein sollten, daß die überwältigende Mehrheit unseres Volkes weder ein geheimes noch ein offenes Verständnis für die Rassenpolitik der Südafrikanischen Union haben kann. ({1}) Etwas Spezielles muß zu diesem Fall gesagt werden. Ich muß leider den Fall des deutschen Lehrers Niedermaier hierbei kurz erwähnen. Wir haben eine Kleine Anfrage eingebracht; ,die Antwort steht noch aus. Aber am 1. März hat der Sprecher der Bundesregierung zu dieser Angelegenheit in der Bundespressekonferenz bereits Stellung genommen. Ich muß sagen, seine Stellungnahme ist für mich überraschend und absolut unverständlich. Ich habe daraus entnehmen müssen, die Bundesregierung wolle in weit stärkerem Maße die Maßnahmen der Südafrikanischen Union gegen diese deutsche Familie verteidigen, als die Regierung der Südafrikanischen Union das selbst zu tun versucht hat. Die Frage der deutschen Familie Niedermaier hat am 17. Februar 1961 im Parlament der Südafrikanischen Union zur Debatte gestanden, wo deren Justizminister und der amtierende Innenminister dazu Stellung genommen haben. Die Protokolle habe ich in den letzten Tagen daraufhin durchsehen können. Daß pädagogische Erwägungen der Anlaß für ,die Entlassung waren, davon hat die Südafrikanische Union selbst nicht ein einziges Wort gesagt. ({2}) Ich habe den Eindruck, daß mit Rücksicht auf die Politik der Südafrikanischen Union ein deutscher Staatsbürger, der auf Veranlassung des Auswärtigen Amtes dorthin geschickt worden ist, nicht in dem notwendigen Maße geschützt wurde. Wir werden die endgültige Beantwortung dieser Kleinen Anfrage noch abwarten und werden dann erneut zu dieser Angelegenheit Stellung nehmen müssen, weil es unbestritten eins der ärgsten Vorkommnisse ist, das einem deutschen Lehrer bisher im Ausland widerfahren ist. Zu wenigen anderen Fragen einige kurze Bemerkungen. Im nächsten Jahr, 1962, läuft der Entwicklungsfonds der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft aus. Neue Überlegungen sind notwendig. Wenn ich richtig unterrichtet bin, haben die Besprechungen und Verhandlungen über eine neue Regelung bereits begonnen. Wir hoffen und erwarten, daß die Bundesregierung in den Verhandlungen, an denen sie beteiligt ist, alles unternimmt, um zu verhindern, daß die tragische Spaltung, die wir in Europa zwischen EWG und EFTA hau: n, nun auch noch nach Afrika übertragen wird. Das wäre etwas, was sich tragisch auswirken würde. Wir soliten versuchen, soweit wie irgend möglich, soweit Möglichkeiten überhaupt gegeben sind, Afrika als Einheit zu betrachten. In diesem Zusammenhang scheint es mir notwendig zu sein, ein Wort zu dem Brief zu sagen, den das Finanzministerium an das Auswärtige Amt und an das Wirtschaftsministerium in bezug auf die Entwicklungspolitik und auf die Entwicklungshilfe allgemein geschrieben hat. Ich will nur zu einem Problem Stellung nehmen: zu der Art und Weise, wie dort eine Schwerpunktbildung bei der Entwicklungspolitik vorgeschlagen worden ist. Zunächst einmal glaube ich, daß wir eine derartige Diskussion niemals öffentlich führen sollten, wie es das Finanzministerium bedauerlicherweise getan hat, weil dabei sehr leicht die Gefahr besteht, daß unserer außenpolitischen Situation in erheblichem Maße Schaden zugefügt wird. Zweitens halte ich es für unverantwortlich, in der Öffentlichkeit festzustellen, daß nach Auffassung des Finanzministeriums der ganze lateinamerikanische Raum bei der Schwerpunktbildung für eine deutsche Entwicklungspolitik abgestrichen werden sollte. Auch auf diese Art und Weise kann unserer Position in erheblichem Maße Schaden zugefügt werden. Derartige Dinge müssen mit viel größerem Fingerspitzengefühl angefaßt werden und sollten niemals öffentlich ausgetragen werden. In bezug auf die Entwicklungsländer und unsere Außenpolitik einige wenige personelle Fragen. Unbestritten bemüht sich der weitaus größte Teil unserer Diplomaten, in diesen jungen Ländern auf beste Art und Weise Aufgaben zu erfüllen, Aufgaben, die oft sehr schwierig sind, besonders wenn es sich um ganz neu eingerichtete Botschaften handelt. Wir möchten diese Bestrebungen ausdrücklich akzeptieien und auch anerkennen. Aber noch nicht alle Diplomaten haben die Zeichen der Zeit erkannt. Manche sehen ihre Hauptaufgabe noch immer darin, Party-Kontakte mit anderen europäischen Diplomaten zu pflegen. Sicher hat sich in der letzten Zeit einiges geändert. Aber es muß noch mehr auf diesem Gebiet getan werden, um sich generell der neuen Situation anzupassen. Ich möchte hier auch in aller Deutlichkeit zum Ausdruck bringen, daß ich der Meinung bin und sein muß, daß gerade in einigen Entwicklungsländern unsere diplomatischen Vertretungen zahlenmäßig personell zu schwach besetzt sind. In einigen Staaten in Afrika, wo ich es selbst erleben konnte, sind die Handelsdelegationen der sowjetischen Besatzungszone mehr als doppelt so stark besetzt wie unsere diplomatischen Vertretungen. Ich will damit keineswegs zum Ausdruck bringen, daß wir nun den Ehrgeiz entwickeln sollten, in einen zahlenmäßigen personellen Wettstreit mit der Sowjetzone einzutreten. Aber wir werden nicht daran vorbeikommen, uns um eine bestimmte, auch personelle Schwerpunktbildung zu bemühen. Bei dieser Gelegenheit möchte ich dringend darum bitten, baldmöglichst eine hauptamtliche Vertretung des Auswärtigen Amts in Daressalam, der Hauptstadt von Tanganyika, zu errichten und sobald wie möglich entsprechende Überlegungen auch für Uganda anzustellen. Wahrscheinlich wird aber auch eine Überprüfung der personellen Situation in bezug auf die Entwicklungsländer im Auswärtigen Amt selbst notwendig sein. Ich glaube, daß eine Reihe von Referaten, die sich insbesondere mit diesen Problemen, mit dem Kontakt zu den Entwicklungsländern zu beschäftigen haben, zahlenmäßig personell viel zu schwach besetzt sind, während bei anderen nach meiner Auffassung Abstriche ohne weiteres möglich wären. Eine ganz kurze Bemerkung auch zur Öffentlichkeitsarbeit in den Entwicklungsländern! Unbestritten ist die Öffentlichkeitsarbeit gerade in den Entwicklungsländern von entscheidender Bedeutung. Die Menschen in den Entwicklungsländern kennen in den weitaus meisten Fällen unsere politische Situation nicht, und es ist unsere Aufgabe, sie mit unserer besonderen Situation soweit wie möglich vertraut zu machen. Es gibt an unseren diplomatischen Vertretungen Öffentlichkeitsreferenten, die sich in wirklich hervorragender Weise um ihre Aufgabe bemühen. Ein großer Teil des Materials aber, das ihnen für ihre Arbeit zur Verfügung gestellt wird, scheint mir völlig unzureichend und völlig unangebracht zu sein, weil es in keiner Weise auf die Verhältnisse dieser Länder abgestimmt ist. Die beste Öffentlichkeitsarbeit ist immer die, in möglichst großem Umfange Menschen aus diesen Ländern in die Bundesrepublik einzuladen und ihnen die Möglichkeit zu geben, die Verhältnisse bei uns und auch unsere besondere politische Situation selbst an Ort und Stelle kennenzulernen. Es kann nur im Interesse unserer Politik sein, wenn wir in noch stärkerem Maße als bisher die Möglichkeit haben, Politiker, aber auch andere Menschen aus diesen neuen Ländern in die Bundesrepublik einzuladen. In diesem Zusammenhang lassen Sie mich bitte ein kurzes Wort sagen zur Beteiligung der Bundesrepublik an Messen und Ausstellungen und zu eigenen Ausstellungen und Messen, die die Bundesrepublik in der vergangenen Zeit durchgeführt hat. Unbestritten war die Deutsche Industrieausstellung 1960 in Teheran ein großer Erfolg. Aber sie war auch mit einem unendlich großen Aufwand verbunden. 20 Millionen DM sind für die Deutsche Industrieausstellung in Teheran ausgegeben worden, davon kamen mehr als 4,5 Millionen DM aus Steuermitteln. Ich glaube, daß man auf eine Reihe von Dingen ohne weiteres hätte verzichten können und daß man hier für die Zukunft eine Umschichtung wird vornehmen müssen. Man hat eine große Trachtenkapelle nach Teheran geholt, man hat Feuerwerke veranstaltet und ähnliches. Zur selben Zeit war aber nicht die Möglichkeit gegeben, in anderen Ländern, in denen man auch dringend hätte in Erscheinung treten müssen, solche Ausstellungen, wenn auch nur in weit kleinerem Rahmen, durchzuführen. Es ergibt sich unbestritten die Notwendigkeit, eine ständige Industrie-Wanderausstellung zu errichten, und man sollte versuchen, diese Wanderausstellung in so viele Länder wie nur irgend möglich zu bringen. Sicherlich ist das auch für unsere Öffentlichkeitsarbeit von entscheidender Bedeutung. Das heißt, wir müssen Wert darauf legen, daß unsere Industrieprodukte auch dort in Erscheinung treten, wo nicht direkt die Möglichkeit besteht, entsprechende Abschlüsse für unsere Wirtschaft zu tätigen. Eine Bemerkung soll auch zur Kulturarbeit in den Entwicklungsländern, in diesen neuen, jungen Staaten, gemacht werden. Ich glaube, wir müssen uns weit mehr als bisher der Situation dieser Länder anpassen. Die kulturelle Arbeit der Bundesrepublik in den Entwicklungsländern sollte in erster Linie Bildungshilfe sein. Ich erinnere mich, daß im vergangenen Jahr ein Quartett nach Afrika gegangen ist und dort Haydn und Mozart gespielt hat. An einer Veranstaltung in der deutschen Botschaft haben 300 Menschen teilgenommen, von denen 284 Europäer waren, - einfach deshalb, weil das offensichtlich nicht die richtige Art und Weise ist, die Afrikaner anzusprechen. Viel entscheidender scheint mir hier im Rahmen der kulturellen Arbeit der Bundesrepublik die Stipendienfrage zu sein. Ich meine, daß die Situation um die Stipendien für unsere diplomatischen Vertreter fast zu kompliziert ist; um wieviel mehr für diejenigen, die daran interessiert sind, diese Stipendien für sich in Anspruch zu nehmen. Da gibt es allgemeine Stipendien, da gibt es Stipendien aus dem Entwicklungsfonds, da gibt es regional begrenzte Stipendien und Stipendien, die nicht regional begrenzt sind, Stipendien, die zeitlich begrenzt sind, und Stipendien, die langfristig laufen. Sehr oft sind für die verschiedenen Stipendien die verschiedensten Institutionen zuständig. Hier bedarf es ganz eindeutig zumindest einer zentralen Auskunftsstelle, um erreichen zu können, daß diejenigen, die daran interessiert sind, sich an dieser Stipendienarbeit zu beteiligen, es leichter haben als bisher und daß auch unsere diplomatischen Vertretungen leichter und besser als bisher dementsprechende Auskünfte geben können. Wenn ich hier eine Reihe von kritischen Bemerkungen machen mußte, so möchte ich aber doch auch zum Ausdruck bringen, daß in der vergangenen Zeit vieles und auch Positives geschehen ist, und das soll hier seine Anerkennung finden. Eine positive Politik gegenüber den neuen und jungen Staaten ist nur dann möglich, wenn wir uns noch stärker darum bemühen, bei der Bevölkerung der Bundesrepublik insgesamt Verständnis für die veränderte und neue Situation zu finden. Dazu gehört auch, daß wir uns sehr darum bemühen müssen, unsere Sprache der veränderten Weltsituation anzupassen. Wir lesen auch in den Zeitungen immer noch von „Negern" und von „Schwarzen". Wir sollten bereit sein, diese Worte aus unserem Vokabularium zu streichen. Wir wollen Europäer und Deutsche genannt werden, und die Menschen in Afrika wollen als Afrikaner oder Tunesier, Senegalesen usw. bezeichnet werden. Wir sollten darauf Rücksicht nehmen. Es wird darauf ankommen, unsere Politik gegenüber diesen Ländern wesentlich zu intensivieren. Das Streben nach echter Partnerschaft und wahrer Freundschaft ist eine große Aufgabe, die zu erfüllen ist. Wir haben die Aufgabe, neue Freunde in der Welt zu gewinnen, ohne die alten Freunde zu verlieren. Damit dienen wir auch der Lösung der deutschen Probleme. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zum Haushalt insgesamt einen abschließenden Satz, unabhängig von diesen Ausführungen. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hat in den vergangenen Monaten in aller Deutlichkeit auf die zwingende Notwendigkeit einer gemeinsamen Außenpolitik, einer gemeinsamen Bestandsaufnahme in der Außenpolitik hingewiesen, einer gemeinsamen Bestandsaufnahme, wie wir sie jetzt z. B. in den Vereinigten Staaten erleben. Zu dieser gemeinsamen Bestandsaufnahme waren und sind Sie offensichtlich nicht bereit. Wir bedauern außerordentlich, daß offensichtlich parteiegoistische Maßstäbe dafür der Grundsatz sind. Die sozialdemokratische Fraktion wird dem Haushalt des auswärtigen Amtes nicht zustimmen.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Das Wort hat der Herr Bundesaußenminister.

Dr. Heinrich Brentano (Minister:in)

Politiker ID: 11000263

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte auf die Ausführungen des Herrn Kollegen Wischnewski nur mit einigen Worten antworten. Ich kann mich verhältnismäßig kurz fassen, weil ich dem Teil seiner Ausführungen, der die Entwicklungshilfe betraf, meine uneingeschränkte Zustimmung geben kann. Ich will diese ganze Materie hier nicht erschöpfend behandeln. Bei der Entwicklungspolitik geht es um einige Aufgaben, die ich wie folgt umreißen möchte. Einmal müssen und werden wir Entwicklungshilfe nur auf ausdrücklichen Wunsch und im Einvernehmen mit den Regierungen der Empfängerländer leisten. Ich stelle das mit eindeutiger Klarheit fest, um dem immer wiederholten Vorwurf von der anderen Seite zu begegnen, daß die Entwicklungshilfe eine Neuauflage des Kolonialismus sei. Dieser Vorwurf ist unsinnig. Ich wiederhole: wir werden nur dann und nur dort tätig, wo man diese Mithilfe von uns will. Zum zweiten ist es selbstverständlich, daß Entwicklungshilfe gegeben wird und gegeben werden muß ohne jede politische Bindung und ohne jede politische Auflage. Ich unterstreiche, was hier gesagt worden ist: Es ist nicht unsere Aufgabe, im Wege der Entwicklungshilfe oder auf dem Umweg über die Entwicklungshilfe in die außenpolitische Zielsetzung dieser Länder einzugreifen. Wenn sich diese Länder nach reiflicher Überlegung aus eigenem Interesse zur Neutralität und zum Neutralismus bekennen, so ist es nicht unsere Sache, ihnen Belehrungen zu erteilen. Unsere Sache ist es, ihnen im Rahmen der Entwicklungshilfe zu helfen, ihnen als Partner zur Seite zu stehen und in all diesen Ländern um Verständnis für unsere Politik zu werben, so wie wir Verständnis für die eigene Politik dieser Länder zu zeigen bereit sind. Eine dritte Voraussetzung für die Entwicklungspolitik scheint mir zu sein, daß jede Hilfe der Förderung der Selbsthilfe dienen soll. Wir wollen nicht, wenn ich mich so ausdrücken darf, Krücken spenden; wir wollen, daß die Entwicklungsländer bei ihrer Eingliederung in die arbeitsteilige Weltwirtschaft als gleichberechtigte Partner eingeführt werden. Das heißt allerdings auch - und das wird auf die Dauer gesehen gewisse Konsequenzen für unsre Außenhandelspolitik haben -, daß wir bereit sein müssen, unsere Märkte den Erzeugnissen der Entwicklungsländer zu öffnen. Denn wie können diese Länder ihren Verpflichtungen nachkommen, wenn nicht durch den Verkauf dessen, was ihnen an Überschuß zur Verfügung steht? Vielleicht müssen wir da auch in der Handelspolitik gewisse Konsequenzen ziehen. Ich will es nur als eine unerläßliche Forderung ankündigen; denn wenn wir das nicht täten, würden wir ja dort eine wirtschaftliche Kapazität schaffen, die sich im Leerlauf bewegen würde. Wir würden nicht zur sozialen Hebung, zur wirtschaftlichen Gesundung der Länder beitragen, sondern lediglich einen Beitrag zu einer neuen sozialen Verelendung leisten. Bundesaußenminister Dr. von Brentano Eine weitere Aufgabe ist uns, ich möchte sagen, im Indirekten gestellt. Wir sollten zur Schaffung einer gesunden Sozialstruktur in den Empfängerländern beitragen. Wir sollten mithelfen, etwa über die Eigentumsbildung einen gesellschaftlich tragfähigen Mittelstand zu bilden. Wir dürfen nicht zulassen, daß unsere Entwicklungspolitik dazu dient, den sozialen Fortschritt zugunsten überlebter Sozialstrukturen zu verhindern. Ich weiß, daß das natürlich nur mit großer Behutsamkeit geschehen kann; denn wir dürfen uns auch auf diesem Gebiet nicht in die innere Entwicklung dieser Länder einschalten. Aber wir können Einfluß nehmen im menschlichen, im soziologischen Bereich. Hier können auch die Arbeiten der Gewerkschaften von großer Bedeutung sein, und wir sollten nicht zögern, uns dieser Mitarbeit zu versichern. Worum es geht, hat einmal der verstorbene amerikanische Außenminister John Foster Dulles ausgedrückt, als er sagte: „Wir können nicht dadurch Erfolg haben, daß wir den Kommunismus in der Höhe der Wirtschaftshilfe überbieten, sondern nur, indem wir den in letzter Zeit unabhängig gewordenen und neu entstandenen Völkern das Gefühl geben, daß ihre Wünsche am ehesten und am besten erfüllt werden, wenn sie ein Teil der Gemeinschaft der freien Nationen werden und auch bleiben." Ich möchte eine kleine Einschränkung zu dem machen, was Herr Kollege Wischnewski gesagt hat, als er in seiner These, wie ich glaube, mit Recht darauf hinwies, daß die Entwicklungshilfe im Kampf gegen ,den Kommunismus nicht eingesetzt werden soll. Insoweit stimme ich ihm völlig zu. Auf det anderen Seite sollten wir uns auch ganz nüchtern darüber klar sein, daß hier eine außenpolitische Aufgabe liegt, ,daß wir durch die Entwicklungshilfe die politische Lebensform, zu der wir uns bekennen, in diesen Ländern vertreten; denn wir stehen in der Tat dort in einer Auseinandersetzung mit dem Kommunismus. ({0}) Wir müssen uns dieser Aufgabe im Intersse jener Völker bewußt sein, die wir davor schützen wollen, daß sie auf dem Wege über den Mißbrauch ihrer nationalen Aspirationen in die schreckliche Unfreiheit des Weltbolschewismus hineingeführt werden. ({1}) Insoweit ist es auch - hierin schließe ich mich wieder ganz 'dem an, was Herr Kollege Wischnewski gesagt hat - in der Tat eine außenpolitische Aufgabe, die wir zu erfüllen haben, eine außenpolitische Aufgabe auch deswegen, weil wir, wie ich glaube, nicht Schwerpunkte bilden sollten, aber doch Prioritäten schaffen müssen. Wir müssen uns klar darüber sein, wo wir wirksam werden können. Wir wissen doch alle, daß wir mit den Beträgen - seien sie noch so hoch , die wir flüssig machen können, nicht die ganze Welt berieseln können. Es sind Milliarden von Menschen, vielleicht 11/4 Milliarde in drei Erdteilen, die auf unsere Unterstützung warten. Wir müssen Prioritäten schaffen, wir müssen wissen, wo die Not am größten ist, wo auch unsere Hilfe erwünscht ist, wo ,die psychologischen und politischen Voraussetzungen für unsere Wirksamkeit gegeben sind. Wir müssen auch die Frage prüfen, wo die Leistung unser Vermögen überschreitet, wo also an Stelle der bilateralen Hilfe eine multilaterale Hilfe einsetzen muß. Wir haben hier die Institutionen etwa des DAG und der OECD. Ich darf sagen, daß ich bei meinem Besuch in Washington sowohl mit 'dem Außenminister Dean Rusk als auch mit dem amerikanischen Präsidenten gerade darüber gesprochen habe, wie wir diese Entwicklungshilfe koordinieren, wie wir zu einer echten Kooperation mit den anderen Ländern kommen können, die bereit sind, unter den gleichen Voraussetzungen und Bedingungen Entwicklungshilfe zu geben. Ich sagte damals, daß eine Institution wie etwa die OECD eine geeignete Clearingstelle werden kann, wo wir uns über unsere Vorstellungen verständigen, wo wir gemeinsam beraten, was wir zu zweit oder zu dritt oder zu mehreren tun können. Es gibt Beispiele, die ich hier nennen kann, etwa das Indus-Projekt, Projekte, die die Leistungsfähigkeit eines einzelnen Landes übersteigen und wo wir uns mit anderen Ländern zusammenschließen müssen. Alle diese Fragen sind in der Tat außenpolitische Fragen. Wir sollten sie in engster Kooperation mit all denen prüfen und entscheiden, die unter den gleichen Voraussetzungen und mit den gleichen Vorstellungen an diese Aufgaben herangehen. Eine weitere Frage, die auch angeschnitten worden ist, betrifft das Verhältnis der Kapitalhilfe zur technischen Hilfe und zur Bildungshilfe. Ich glaube, daß wir gut daran tun, wenn wir in großer Offenheit mit diesen Ländern sprechen und hochgespannte Erwartungen auch dämpfen, selbst wenn wir manchmal eine Enttäuschung hervorrufen. Ich glaube nicht, daß wir etwas Gutes im Interesse der Entwicklung dieser Länder tun, wenn wir dort Fabriken errichten, ohne vorher die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß Menschen da sind, die in diesen Fabriken arbeiten können. Wir sollten erst einmal Fachschulen errichten, denn eine Fabrik ohne die notwendigen Fachkräfte ist nur eine Belastung und kein Fortschritt. Wir haben schon in einer Reihe von Ländern mit sehr gutem Erfolg solche Ausbildungsstätten errichtet. Wir haben 48 Ausbildungsstätten der verschiedensten Art in den letzten drei Jahren draußen aufgebaut. Ich glaube, zusammenfassend sagen zu können, daß sich diese Arbeit hervorragend bewährt hat. Von diesen Ausbildungsstätten werden jetzt jährlich bereits rund 10 000 junge Menschen, Handwerker und Techniker, nach einer gründlichen Ausbildung entlassen. Diese jungen Leute sind dort ausgebildet und mit der deutschen Sprache vertraut gemacht worden. Ich glaube, daß wir hier gerade auf dem Gebiet des Menschlichen, aber auch als Voraussetzung für jede technische und wirtschaftliche Arbeit etwas sehr Wesentliches geschaffen haben. Den Menschen in diesen Ländern das Know how beizubringen, ist eine Voraussetzung für ihre wirtschaftliche Entwicklung, die wir fördern wollen. Bundesaußenminister Dr. von Brentano Ich meine überhaupt, daß wir bei der Diskussion über die Entwicklungshilfe nicht immer nur an Geld denken sollten, sondern wir sollten uns darüber klar sein, daß das Geld, auch wenn wir viel ausgeben, wertlos sein wird, wenn wir nicht die nötigen Menschen haben, die wir dort einsetzen können, Menschen, die mit innerer Leidenschaft hingehen, die das Gefühl haben, dort eine große und verpflichtende Aufgabe zu erfüllen, seien es Ärzte, Gewerbelehrer, Techniker, Architekten oder Krankenpfleger usw., die sich dort betätigen und an dieser - ich möchte wirklich sagen - Pionierarbeit teilnehmen. Es geht auch darum, daß wir in diesen Ländern, die zum Teil weit zurückgeblieben sind, zunächst einmal die Infrastruktur schaffen. Das können wir, wie ich glaube, nicht mit Geld allein, sondern wir brauchen dazu den Einsatz und die Bereitschaft von Menschen. Ich bin sehr froh, sagen zu können, daß nach meinen Feststellungen mehr Menschen, als ich eigentlich erwartet hatte, dazu bereit sind und sich auch laufend dazu bereit erklären. Ich will nicht auf die Frage eingehen, wie etwa das Verhältnis der Kapitalhilfe zur langfristigen Anlage ist, weil das ins Detail gehen würde. Ich möchte nur eines feststellen: wir glauben, daß Budgethilfen nicht gegeben werden sollten, ({2}) sondern daß wir lediglich projektierte Anlagen und projektierte Vorhaben gemeinsam mit dem Empfängerland errichten und finanzieren sollten, wobei die Auswahl der Projekte im Interesse einer optimalen Entwicklung dieses Landes erfolgen muß. Hier müssen die Interessen des Landes gesehen werden, und vielleicht werden wir manchmal die Interessen des Landes sogar besser wahrnehmen als diejenigen, die das Land selber vertreten, die in dem begreiflichen Wunsch, zwei Schritte auf einmal zu tun, Vorstellungen haben und Wünsche äußern, die nicht zu verwirklichen sind. Fangen wir doch mit den einfachen und kleinen Dingen an und bauen wir von unten nach oben auf! Ich glaube, daß das sowohl für die wirtschaftliche als auch für die soziologische Entwicklung in diesen Ländern von entscheidender Bedeutung sein wird. ({3}) Es ist auch von der Öffentlichkeitsarbeit gesprochen worden. Ich habe dazu schon etwas gesagt und möchte nur darauf hinweisen, daß wir in diesen Ländern selbstverständlich auch eine konsequente Öffentlichkeitsarbeit leisten müssen. Wir müssen in der öffentlichen Meinung dieser Länder eine Bereitschaft für die Zusammenarbeit mit uns wecken, wir müssen gewisse Vorurteile beseitigen, und wir müssen auch einer zielbewußten Propaganda der kommunistischen Länder dort entgegentreten. Selbstverständlich sind dieser Öffentlichkeitsarbeit auch gewisse Grenzen gezogen. Wenn ich aber auf die bisherige Arbeit in diesen Ländern schaue und mir das Ergebnis betrachte, glaube ich sagen zu können, daß die ersten Versuche - vergessen wir doch nicht, daß wir alles das erst seit wenigen Jahren und Monaten tun! - erfreulich und befriedigend waren. Auf die Frage der Besetzung der diplomatischen Vertretungen draußen möchte ich ebenfalls eingehen. Es ist nicht leicht - ich will das zugeben -, für diese Länder von heute auf morgen in jedem Fall die geeigneten Personen zu finden. Es würde mich gar nicht erstaunen, wenn ich von der einen oder anderen Seite Kritik, auch berechtigte Kritik hörte. Aber ich glaube auf der anderen Seite sagen zu können - und das ist mir von sehr zuverlässiger und unbestechlicher Seite bestätigt worden -, daß sich gerade unsere Vertretungen in den jungen Ländern im großen ganzen ausgezeichnet bewährt haben. Ich glaube, ich verrate kein Geheimnis und ich bin nicht indiskret, wenn ich davon spreche, daß Sonderbotschafter Harriman mir gestern sagte, daß er vor kurzem acht Länder Afrikas besucht habe und mir bestätigen wolle, daß ihm die Unterstützung, die die deutschen Vertretungen ihm gewährt hätten, von ungeheurem Vorteil gewesen sei. Er müsse mir das Kompliment machen, daß er bei den deutschen Vertretungen die beste Beratung und das beste Wissen von allen Vertretungen gefunden habe, denen er begegnet sei. Ich habe dieses Komplement gern für meine Mitarbeiter entgegengenommen. Aber es scheint mir doch dafür zu sprechen, daß die Leute, die wir hinausgeschickt haben, die richtigen sind und daß sie sich der großen Aufgabe, die sie zu erfüllen haben, auch bewußt sind. Ich möchte noch eine Bemerkung zu dem machen, was hinsichtlich der Politik gegenüber Südafrika gesagt wurde. Zunächst, Herr Kollege Wischnewski: von einer solchen Sendung und einem solchen Geheimbericht, wie es in der Anfrage der SPD gesagt wird, ist mir auch nach sorgfältiger Überprüfung nichts bekanntgeworden. Ich halte es für völlig ausgeschlossen, daß eine solche Äußerung des deutschen Botschafters dort existiert. Aber ich werde selbstverständlich der Sache nachgehen. Wir werden uns bei der Behandlung Ihrer Anfrage noch darüber zu unterhalten haben. Ich möchte auch nicht im einzelnen auf den Fall des Lehrers Niedermaier eingehen. Ich glaube, daß man hier einem Einzelfall allzuviel Ehre antut, wenn man ihn zu einem Politikum stempelt. ({4}) Ich darf Ihnen sagen, meine Damen und Herren, daß dem Herrn Niedermaier - ich habe nicht das Vergnügen, ihn zu kennen - vom Schulvorstand auf Grund seines Vertrages wegen mangelnder Leistungsfähigkeit ordnungsgemäß gekündigt wurde, längst bevor sich der ganze Vorfall mit den Kindern überhaupt ereignete und zu einer vorläufigen Unterbringung der Kinder führte. Die Kündigung hat also mit diesem politischen Verhalten oder mangelndem Wohlverhalten nichts zu tun. Deswegen ist auch das Interesse, das wir haben, nicht so groß. Denn er hätte den Posten auf Wunsch des Schulvorstandes doch verlassen. Im übrigen habe ich wegen dieser ganzen Vorfälle einen Bericht angefordert. Ich möchte auf die Einzelheiten des Berichts in dieser Sitzung nicht eingehen. Vielleicht ist es besser, wenn wir darüber im Auswärtigen Ausschuß sprechen. Es sind dabei auch Dinge zu erwähnen, die sich für diese öffentliche Diskussion vielleicht nicht eignen. Aber selbstverständlich bin ich auch bereit, wenn Sie das wünschen, bei der Beantwortung der Anfrage auf diese ganzen Einzelheiten einzugehen. ({5}) Ob damit dem Herrn Niedermaier gedient ist, möchte ich offenlassen.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Vogel.

Dr. Rudolf Vogel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002380, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nur einige ganz kurze Bemerkungen zu dem Thema Entwicklungshilfe und zu dem Antrag, die Bindungsermächtigungen erneut um 100 Millionen DM auf 215 Millionen DM aufzustocken. An sich ist es ein ungewöhnlicher Vorgang, daß eine so hohe Bindungsermächtigung neu ausgebracht wird, ohne daß sie vorher im Haushaltsausschuß hinreichend diskutiert worden ist. Aber im Haushaltsausschuß nahmen wir sie als eine Art von Vorschuß auf, weil die Bundesregierung bis zur Beendigung der Haushaltsberatungen noch nicht in der Lage war, unsrem Wunsch nachzukommen, ein umfassendes Ausbildungsprogramm vorzulegen. Es ist wohl der einmütige Wunsch des Hohen Hauses, daß möglichst bald ein solches Gesamtprogramm vorgelegt werden kann. Daß das mit außerordentlichen Schwierigkeiten verknüpft ist, scheint mir auf der Hand zu liegen; denn wir werden völlig neue Wege beschreiten müssen. Wir werden uns zum Teil von bis dahin eingefahrenen Verwaltungsvorstellungen trennen müssen, um Aufgaben zu bewältigen, die für uns Neuland bedeuten. Wenn innerhalb des Haushaltes des Auswärtigen Amtes nunmehr 85 Millionen DM an ordentlichen Mitteln ausgewiesen sind und darüber hinaus fast eine Viertel Milliarde an Bindungsermächtigungen, dann ist das ein ungewöhnlicher Vorgang, und er sollte auch als solcher gewertet werden. Wenn ich nun hier einige Hinweise darauf gebe, was wir uns unter diesem Ausbildungsprogramm vorstellen, dann spreche ich damit eine Reihe von Fragen an, die auch innerhalb unserer eigenen Reihen noch keineswegs völlig ausdiskutiert sind und die wahrscheinlich auch in einem Jahr oder in zwei Jahren noch nicht richtig ausdiskutiert werden können. Aber ich glaube, daß der Außenminister völlig richtig liegt, wenn er hier ausgeführt hat, daß es nicht unsere Aufgabe sein kann, in einen Kapitalinvestitionswettbewerb etwa mit den Vereinigten Staaten, mit England oder mit Frankreich in bezug auf die Höhe der zu investierenden Summen einzutreten. Wir sind - das hat der Herr Bundeswirtschaftsminister vorhin hier bereits ausgeführt kein Land, das in einen Kapitalwettbewerb mit diesen Ländern treten kann, die keine Inflation hinter sich gebracht haben, sondern der Schwerpunkt unserer Hilfe, unseres Beistandes an die Entwicklungsländer wird bei dem liegen, was jetzt auf einer Berliner Tagung der „Deutschen Stiftung für Entwicklungsländer" von einem bedeutenden ausländischen Fachmann als „human investment", als Investition in die Menschen, zusammengefaßt bezeichnet wurde. Das ist ein ungeheuer weiter Fächer von Aufgaben, der sich hier für uns auftut. Er reicht von der verstärkten Ausbildung in der deutschen Sprache bis zum Mediziner, der neue Aufgaben erhalten wird, vom Geologen bis zum Vermessungsbeamten, vom Hygieniker bis zum einfachen Heilgehilfen, der irgendwo draußen einen Arzt im Dschungel ersetzen soll. Wenn man auf ein derartiges Ausbildungsprogramm hinarbeitet, muß man sich darüber im klaren sein, daß - und hier, Herr Kollege Wischnewski, glaube ich Sie richtig zu interpretieren - man keineswegs auf Grund der bisherigen Erfahrungen weiter bestrebt sein sollte, den Schwerpunkt dieser Ausbildungshilfe nach Deutschland selber zu legen. Ich stimme mit Ihnen völlig überein, daß wir danach trachten sollten, auf Grund aller Erfahrungsberichte und auf Grund dessen, was wir bis jetzt erprobt haben, die Ausbildung in die Entwicklungsländer hineinzulegen und unser Bestreben darauf gerichtet sein sollte, möglichst viele Fachleute für eine solche Aufgabe bei uns auszubilden. Wir haben die Erfahrung gemacht, daß z. B. - um nur ein Beispiel herauszunehmen - die 70 oder 80 japanischen Bergarbeiter, die im Ruhrgebiet fachtechnisch geschult worden sind, keinerlei Neigung mehr zeigten, in ihre Heimat zurückzukehren. Ich weiß, daß mit Südkoreanern, die in Amerika ausgebildet worden sind, und mit vielen Vertretern anderer Nationen genau die gleichen Erfahrungen gemacht worden sind. Die betreffenden Fachkräfte hatten sich so an die neue Atmosphäre und natürlich auch an den höheren Lebensstandard gewöhnt, daß sie, wie gesagt, keine Neigung mehr zeigten, in ihr Heimatland zurückzukehren. Wir werden also die vorliegenden Erfahrungsberichte berücksichtigen und die sich daraus ergebenden finanziellen und ausbildungstechnischen Konsequenzen ziehen müssen. Aber nun, Herr Bundesaußenminister, eine Bemerkung auch zu dem Personal, das Ihnen der Haushaltsausschuß zur Bewältigung der neuen Aufgaben bewilligt hat. Diese Bemerkung trifft auch die anderen Ministerien, die zum Teil mehr Personal erhalten haben als Ihr eigenes Haus. Sie bauen innerhalb des Auswärtigen Amtes eine neue Fachabteilung auf. Das ist für die Struktur des Auswärtigen Amtes eine nicht einfach zu bewältigende Aufgabe. Es stellte sich seit Jahren heraus, daß die anderen Ministerien, die ihre Beamten auf lange Sicht einstellen, entsprechend ausbilden und auch auf dem Posten lassen, naturgemäß eine größere Facherfahrung bei ihren Beamten sammeln, als dies bei ständig fluktuierenden Beamten des Auswärtigen Amtes in deren Fachabteilungen, ob es die Kulturabteilung, die Rechtsabteilung oder die neu zu gründende Entwicklungsabteilung ist, möglich sein kann. Deswegen der Hinweis darauf, daß das Auswärtige Amt rechtzeitig dafür Sorge tragen muß, bei der neu zu gründenden Entwicklungsabteilung Fachleute heranzubilden, die sich auch auf Jahre hinaus auf diese Aufgabe konzentrieren und nicht nur nach einem Auslandsposten trachten. Ob das Auswärtige Amt sich zusätzlich entschließen kann, derartigen Kräften Zusicherungen dergestalt zu machen, sie bei Bewährung in ihrer Beförderung entsprechend zu berücksichtigen, ist eine Aufgabe, die das Haus innerhalb seiner eigenen Mauern lösen muß. Aber ich glaube, daß das notwendig sein wird. Es wird nicht nur in der Entwicklungsabteilung notwendig sein, sondern es wird sich in verstärktem Maße vor allen Dingen auch in der Kulturabteilung, vielleicht auch in der Rechtsabteilung als unvermeidlich erweisen. Noch eine zweite Bemerkung dazu! Ich habe die leise Befürchtung - und ich glaube, diese Befürchtung wird von vielen meiner Freunde geteilt -, daß das, was bis jetzt im Lenkungsausschuß getan wird, zwar sicher eine sehr notwendige und fruchtbare Arbeit ist, daß dort jedoch im allgemeinen nur Entscheidungen über Probleme gefällt werden, die an die Ressorts herangetragen worden sind. Es findet sozusagen nur ein Clearing statt. Das aber, was wir uns im Grunde genommen als die Aufgabe des Lenkungsausschusses vorstellen, das Ergreifen von Initiativen, die Entwicklung neuer Ideen, die Ausarbeitung von Programmen und Plänen, konnte bis jetzt noch nicht in Angriff genommen werden. Ich glaube, es ist der Wunsch des Hohen Hauses, daß das so schnell wie möglich geschieht. Dazu bedarf es natürlich nicht nur reiner Verwaltungserfahrung, sondern hier werden Kräfte mit neuen Ideen und einer ungewöhnlichen, vielleicht auch außergewöhnlichen organisatorischen Begabung gesucht. Sie herauszufinden wird nicht einfach sein, aber es wird unerläßlich bleiben. Eine Bemerkung noch zu einem neu auftauchenden Problem im Zusammenhang mit der Idee des Herrn Präsidenten Kennedy, junge Kräfte in die Entwicklungsländer im Rahmen eines „Friedenkorps" zu entsenden. Hierzu darf ich vielleicht sagen: Einer der ersten Fachleute aus den Entwicklungsländern selber hat zu dieser Idee, junge Kräfte in einem moralischen Aufruf dazu anzufeuern, freiwillig in den Entwicklungsländern Dienst zu tun, den Ausdruck gebraucht: Gott bewahre uns vor einem neuen „Kinderkreuzzug" in die Entwicklungsländer! Ich kenne innerhalb der Entwicklungsländer äußerste Befürchtungen und Vorbehalte gegenüber derartigen Ideen! Es steckt unendlich viel guter Wille, es steckt ein hoher Idealismus darin. Niemand wird ihn verkennen. Ob es aber organisatorisch, ob es psychologisch das Richtige sein wird, kann, glaube ich, heute noch niemand übersehen. Wir sollten nur mit äußerster Vorsicht an diese neue Idee herangehen. Lassen Sie mich schließen mit einem Appell an die Bundesregierung und das Auswärtige Amt, doch die jetzt beginnenden neuen Verhandlungen, auch im Rahmen der OECD und der anderen multilateralen Organisationen und Institutionen, so zu führen, daß möglichst bald eine Koordination des Beistandes für die Entwicklungsländer herbeigeführt wird. Ich darf dazu ein Beispiel beitragen. Der Assistent von Paul G. Hoffmann berichtete auf der bereits zitierten Tagung in der „Deutschen Stiftung für Entwicklungsländer" in Berlin, er habe kürzlich allein in einem einzigen kleinen neugegründeten afrikanischen Lande festgestellt, daß dort 34 Länder gleichzeitig Beauftragte entsandt hatten, die dem betreffenden kleinen Land Hilfsanerbieten machen sollten. 34 gleichzeitig angebotene Programme! Völlig unkoordiniert miteinander und völlig ohne Absprache, ob das betreffende Land sie überhaupt brauche und ob es einen Nutzen daraus ziehen könne! Allen Fachleuten auf dieser Tagung in Berlin schien das ein Beispiel für die Anarchie zu sein, die heute auf dem Gebiet der Entwicklungshilfe herrscht. Die Beseitigung einer solchen Anarchie in den Angeboten an diese Länder wird auch von den Entwicklungsländern selbst gewürdigt. Unendlich viel Zeit und Geld könnte gespart, eine furchtbare Verschwendung guten Willens und menschlicher Arbeitskraft muß verhindert werden. Wir könnten alle nur gewinnen, wenn möglichst bald eine internationale Dokumentation über das erreicht werden könnte, was jetzt an Programmen läuft, und wenn wir mit Hilfe von entsprechenden Fachleuten die Entwicklungsländer veranlassen könnten, klare, vernünftige Pläne für das aufzustellen, was sie selbst brauchen, um so zu einer wirklichen Partnerschaft im Beistand auf beiden Seiten zu gelangen. Wenn wir auf diesem Gebiet einen Schritt vorwärtskämen, könnten, glaube ich, Milliarden gesperrt werden, die sonst vielleicht sinnlos ausgegeben werden. ({0})

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Ich schließe die Beratung des Einzelplans 05. Wir stimmen ab über den Antrag des Ausschusses auf Drucksache 2504. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich, Zeichen zu geben. Gegenprobe! - Bei wenigen Gegenstimmen angenommen. Ich rufe auf: Einzelplan 06 - Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern ({0}). Es liegen vor die Berichte der Herren Abgeordneten Niederalt und Dr. Stoltenberg. Wir verbinden mit der Beratung des Einzelplans 06 die Beratung des Einzelplans 36: Einzelplan 36 - Zivile Notstandsplanung ({1}). Berichterstatter ist der Herr Abgeordnete Kreitmeyer. Ich danke den Herren Berichterstattern. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Niederalt als Berichterstatter.

Alois Niederalt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001607, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie in jedem Jahr möchte ich Ihnen auch bei der diesjährigen Beratung des Ein8356 zelplans 06 einen kurzen Überblick über die Entwicklung des Ausgabebedarfs und des Personalmehrbedarfs des Bundesministeriums des Innern geben. Der Bundesminister des Innern hat sich im Haushaltsjahr 1961 zum ersten Male in die Reihe der Etatmilliardäre begeben. Die Regierungsvorlage weist einen Gesamtausgabebedarf im ordentlichen Haushalt von 959 415 600 DM und im außerordentlichen Haushalt von 84 000 000 DM, zusammen also von I 043 415 600 DM, aus. Das ist gegenüber dem Vorjahr ein Mehrbetrag von 151 159 400 DM. Dieser Mehrbedarf ist, abgesehen von den Besoldungs und Lohnerhöhungen, die ihren Niederschlag in allen Kapiteln finden, vornehmlich auf Erhöhungen bei den Allgemeinen Bewilligungen, also dem Kapital 06 02, mit rund 76,6 Millionen DM, beim Statistischen Bundesamt mit rund 9,5 Millionen DM, beim Bundeskriminalamt mit rund 2,6 Millionen DM, beim Bundesamt für den zivilen Bevölkerungsschutz mit rund 36,4 Millionen DM und beim Bundesgrenzschutz einschließlich der Ausgaben im außerordentlichen Etat mit rund 22,3 Millionen DM zurückzuführen. In dieser Aufzählung zeichnen sich wiederum wie in jedem Jahr die drei finanziellen Schwerpunkte des Bundesministeriums des Innern ab. Es sind dies erstens Wissenschaft und Forschung, für die im Einzelplan 06 nach den Veränderungen im Haushaltsausschuß nunmehr 380,3 Millionen DM zur Verfügung stehen, zweitens die öffentliche Sicherheit, für die 284,5 Millionen DM benötigt werden, und drittens der zivile Bevölkerungsschutz mit rund 126,7 Millionen DM. Dabei muß ich bemerken, daß die Hauptausgaben für den zivilen Bevölkerungsschutz im Einzelplan 36 mit 476 Milionen DM ausgebracht sind, die noch dazu kommen. Durch die Übernahme der sogenannten Nachschiebeliste der Regierung und durch Beschlüsse, denen Anträge aus den Reihen des Haushaltsausschusses zugrunde lagen, hat sich der Gesamtmehrbedarf von 151 159 400 DM auf 167 686 800 DM erhöht. Der Gesamtansatz im Einzelplan 06 für das Rechnungsjahr 1961 beträgt somit 1 059 943 000 DM. Nun ein kurzer Überblick über den Personalbedarf. Für den Gesamtbereich des Bundesministeriums des Innern war nach der Regierungsvorlage ein Personalmehrbedarf von insgesamt 506 neuen Stellen, und zwar 179 für Beamte, 233 für Angestellte und 94 für Arbeiter gefordert. Dazu kamen weitere 165 Stellen für Angestellte beim Statistischen Bundesamt, die - das ist kein echter Zugang - seit mehreren Jahren voll beschäftigt und ebenso lange aus einem haushaltsmäßig bei Tit. 104 a veranschlagten Globalansatz für die Außenhandelsstatistik bezahlt wurden. Hier handelt es sich nur um die redaktionelle Klarstellung eines seit Jahren bestehenden, von uns haushaltsrechtlich gebilligten Zustandes. Der Mehrbedarf an Personal verteilt sich im wesentlichen auf folgende Kapitel: Kap. 06 08 - Statistisches Bundesamt - 53 Kräfte, Bundesamt für Verfassungsschutz 112 Kräfte, Bundeskriminalamt 54 Kräfte, Bundesgesundheitsamt 25 Kräfte, Bundesverwaltungsamt 12 Kräfte, ziviler Bevölkerungsschutz 83 Kräfte, Bundesgrenzschutz 138 Kräfte, Beschaffungsstelle des Bundesinnenministeriums 13 Kräfte, Deutsches Archäologisches Institut 13 Kräfte und Institut für Ost-West-Forschung 22 Kräfte. Da die zusätzlich geforderten Stellen entweder zur Durchführung neuer gesetzlicher Aufgaben benötigt werden oder auf einer nachgewiesenen Aufgabenerweiterung der einzelnen Dienststellen beruhen, hat sich der Haushaltsausschuß auf geringfügige Änderungen beschränkt. Sie sind im Mündlichen Bericht des Haushaltsausschusses einzeln aufgeführt. Soviel zur allgemeinen Übersicht. Nun noch einige ganz kurze Bemerkungen zu den einzelnen Kapiteln. Zunächst zu Kap. 06 01, das ist das Bundesinnenministerium selber! An Personalveränderungen waren hier die Planstellen und die Mittel für zwei neue Referate - je eines in der Abteilung für kuturelle Angelegenheiten und der Abteilung „Ziviler Bevölkerungsschutz" - vorgesehen. Zugleich wurde mit der Bewilligung der Planstellen das im Vorjahr im Wege des § 2 Abs. 4 des Haushaltsgesetzes 1960 zunächst mit einer kw-Stelle ausgestattete Strahlenschutzreferat in der Abteilung 4 als Daueraufgabe anerkannt und endgültig etatisiert. Zum Bundesamt für Verfassungschutz und dem Bundeskriminalamt ist folgendes zu bemerken. Der Mehrbedarf bei beiden Dienststellen ist durch die Personalvermehrung bedingt. Der Haushaltsausschuß hat sich nach eingehender, zeitweise vertraulicher Beratung den Mehranforderungen nicht verschließen können und hat beide Kapitel in der Fassung der Regierungsvorlage verabschiedet, weil die Personalvermehrungen zur Gewährleistung unserer inneren Sicherheit unbedingt erforderlich sind. Die Personalvermehrungen beim Bundeskriminalamt werden ganz allgemein mit der Tatsache begründet, daß sich die Zahl der bekanntgewordenen Straftaten auch im Jahre 1960 erhöht hat. Obwohl die Kriminalstatistik für 1960 noch nicht vollständig vorliegt, läßt sich schon sagen, daß die bekanntgewordenen Straftaten wiederum zunahmen, wie schon in den vergangenen Jahren auch in diesem Jahr um etwa 4,5 %. Dabei ist leider auch die Aufklärungszahl weiter rückläufig. Es wurden etwa 3 % weniger Fälle als im vorigen Jahr aufgeklärt. Diese Entwicklung zeigt, daß auch die Bundesrepublik von der sogenannten Wohlstandskriminalität nicht verschont bleibt und daß entsprechende Gegenmaßnahmen ergriffen werden müssen. Kap. 06 15 - Bundesverwaltungsamt. Der Personalmehrbedarf von insgesamt 12 neuen Stellen ist durch Übertragung neuer Aufgaben, nämlich die Auslandslehrerbesoldung und die Wiedereinziehung der nach § 26 des Konsulargesetzes an Deutsche im Ausland gewährten Darlehen, aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts bedingt. Darüber hinaus hat der Haushaltsausschuß weitere 11 Beamtenstellen und 10 Stellen für Angestellte zusätzlich gebilligt, und zwar zur Durchführung der Aufgaben auf Grund des Abkommens zwischen der Bundesregierung und dem Hoben Kommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge betreffend Leistungen zugunsten von Nationalgeschädigten vom 5. Oktober 1960 und zur Durchführung der Entschädigungsregelung für niederländische Rückwanderer in Anlehnung an das Bundesentschädigungsgesetz. Kap. 0619 - Bundesamt für zivilen Bevölkerungsschutz. Außer den Personalmehranforderungen ergibt sich ein Mehrbedarf insbesondere durch den weiteren Ausbau des Luftschutzwarndienstes, vornehmlich durch die Bauten für die Warnämter. Für die Arbeit des Bundesluftschutzverbandes sind 16 Millionen vorgesehen. Dies bedeutet gegenüber dem Rechnungsjahr 1960 eine Steigerung von rund 1,1 Million. Bei den Verhandlungen im Haushaltsausschuß wurden einige Ansätze gegenüber der Regierungsvorlage um insgesamt rund 11 Millionen gekürzt, weil nach neueren Erkenntnissen die Gelder für Baumaßnahmen und Einrichtungen im Rechnungsjahr 1961 nicht voll verausgabt werden können. Beim Kap. 06 24 - Beschaffungen für die Bereitschaftspolizeien der Länder - hat sich der Gesamtbedarf gegenüber dem Rechnungsjahr 1960 um rund 150 000 DM vermindert. Das Kapitel wurde entsprechend der Regierungsvorlage angenommen. Kap. 06 25 - Bundesgrenzschutz. In der Regierungsvorlage war noch eine Durchschnittsstärke von 17 000 Mann vorgesehen. Da die Auffüllung des Bundesgrenzschutzes in der Zwischenzeit jedoch nicht so schnell wie erwartet vor sich ging, hat die Regierung dem Haushaltsausschuß vorgeschlagen, eine Durchschnittsstärke von 16 000 Mann zugrunde zu legen. Der Gesamtmehrbedarf von rund 22,3 Millionen verringert sich dadurch um rund 7 Millionen auf 15,3 Millionen. Die Mehranforderungen verteilen sich im wesentlichen auf Personalausgaben, Baumaßnahmen und Ausrüstung. Die Veränderungen im Stellenplan sind hauptsächlich auf die Verstärkung der Hubschrauber-Flugbereitschaft, des ABC-Schutzes und der hauptamtlichen Lehrkräfte der Grenzschutzfachschulen zurückzuführen. Kap. 06 26 - Beschaffungsstelle des Bundesinnenministeriums. Der Mehrbedarf ergibt sich hauptsächlich aus ,den Personalmehranforderungen. Diese sind wegen der vermehrten Beschaffung auf dem Gebiet des zivilen Bevölkerungsschutzes notwendig geworden. Schließlich ist zum Kap. 06 35 - Bundeszentrale für Heimatdienst - zu bemerken: Der Haushaltsausschuß hat den Tit. 300 für die Sacharbeit der Bundeszentrale für Heimatdienst gegenüber der Regierungsvorlage um 500 000 DM erhöht. Der Betrag soll zur verstärkten Herstellung und Verteilung staatsbürgerlicher Schriften sowie staatsbürgerlicher Informationen an Lehrer, Behörden und Betriebe führen. Zum Schluß darf ich noch auf einen Druckfehler aufmerksam machen, der im Mündlichen Bericht vorgekommen ist. Im Mündlichen Bericht zum Einzelplan 06 auf Seite 6 bei Kap. 06 09 Titel 307 muß der Ansatz richtig lauten 123 000 DM statt 12 300 DM. Ich darf bitten, das zu berichtigen.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Von der Berichtigung haben wir Kenntnis genommen. Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Zu weiteren Ergänzungen Herr Abgeordneter Kreitmeyer!

Reinhold Kreitmeyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001210, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Unter Hinweis auf den Mündlichen Bericht Drucksache 2526 sowie den Schriftlichen Bericht zu Drucksache 2526 und unter Berücksichtigung eines sehr umfangreichen Änderungsantrages möchte ich Ihnen den Vorschlag machen, auf eine gesonderte Berichterstattung zu verzichten, um Doppelarbeit zu vermeiden.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Wir können dann zunächst in die Beratung der Änderungsanträge eintreten. Wir behandeln zuerst das Kap. 06 02. Zu Tit. 614 Buchstabe b liegt der Änderungsantrag Umdruck 790 Ziffer 1 vor. Der Antrag wird begründet von Herrn Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen. Er hat das Wort.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002033, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herern! Ich habe die Ehre, im Auftrag der Fraktion der SPD den Antrag Umdruck 790 Ziff. 1 zu Kap. 06 02 - Allgemeine Bewilligungen - zu begründen. Bei der Bundestagswahl im Jahre 1953 hat das Institut für Politische Wissenschaften in Berlin erstmalig eine Wahluntersuchung vorgenommen, die später unter dem Titel „Wähler und Gewählte" erschienen ist. Der Bund hat den Herausgebern eine indirekte Unterstützung geleistet, indem er drei Jahre später 100 Exemplare ankaufte und den Mitgliedern dieses Hauses über die Fraktionen zur Verfügung stellte. Sie wissen, daß die Bundestagswahl 1957 von dem englischen Wissenschaftler U. W. Kitzinger aus Oxford untersucht worden ist. Sein Buch ist zunächst in Englisch erschienen, und die Kollegen haben sich damit durchquälen müssen. Vor einem halben Jahr ist es übersetzt worden und nunmehr unter dem Titel „Wahlkampf in Westdeutschland" auch hier erschienen. Beide Untersuchungen sind sehr wertvolle Arbeiten. Sie schildern den Ablauf der Wahlkämpfe in den einzelnen Wahlkreisen und geben vor allem Hinweise auf die Veränderungen in der Politik. Sie sind besonders nützlich für jede Art der staatsbürgerlichen Bildungsarbeit und zum Gebrauch in den Parteien und politischen Organisationen. Leider ist noch von keinem Institut bekannt, daß es sich auf eine Untersuchung und Beschreibung der vor uns liegenden Wahlauseinandersetzung des Jahres 1961 vorbereitet. Vorbereitungen insbesondere für eine Beobachtung des Wahlkampfes, der Versammlungen, der Aufstellung der Kandidaten, der Publikationen der Parteien usw. bedürfen natürlich einer sorgfältigen Planung. Das untersuchende Institut muß sich rechtzeitig über die zur Verfügung stehenden Mittel unterrichten, um Beobachter einsetzen zu können usw.; denn Sie wissen ja, daß zumeist Studenten der politischen Wissenschaften und der Soziologie diese Beobachtungen als Praktikum durchführen. Es wäre außerordentlich bedauerlich, wenn die Bundestagswahl 1961 in keiner Weise wissenschaftlich einen Niederschlag finden würde. In den angelsächsischen Ländern gibt es derartige Untersuchungen von allen Wahlen. Die politische Wissenschaft hat in Deutschland erst nach 1945 wieder mit ihrer Tätigkeit beginnen können. Es ist klar, daß Parlamentswahlkämpfe Mittelpunkte dieser Arbeit sind und sein müssen, Wir sollten sie deshalb auch auswerten lassen. Der dafür notwendige Aufwand ist wirklich nicht allzu hoch. Wir möchten, daß im Einzelplan des Bundesinnenministeriums ein Betrag von 50 000 DM eingesetzt wird, der demjenigen Institut zur Verfügung stehen soll, das sich in diesem Herbst an die Arbeit macht. Mit diesen 50 000 DM kann nur ein Teil der Aufwendungen gedeckt werden. Aber ich bin überzeugt, daß das betreffende Institut aus seinen laufenden Mitteln und aus der Veröffentlichung die weiteren Mittel aufbringen kann. Wir denken also nur an einen Zuschuß. Wir haben kein bestimmtes Institut im Auge. Glücklicherweise gibt es in der Bundesrepublik schon mehrere hervorragende Institute an den Universitäten. Wir stellen uns vor, daß es Aufgabe des Bundesinnenministeriums sein wird, mit einigen dieser Institute darüber zu verhandeln, ob sie bereit und, eine solche Untersuchung vorzunehmen. Meine Damen und Herren, wir haben weiter den Wunsch, daß der Ansatz für die Kommission für Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien und der Ansatz für das Institut für Zeitgeschichte in München um je 20 000 DM erhöht werden. Der Herr Minister versichert bei jeder Gelegenheit seine Zuneigung und seine Freundschaft zu diesen beiden Institutionen. Wir freuen uns darüber. Um so mehr bedauern wir, daß das nicht in Zahlen hier im Haushalt seinen Ausdruck findet. Gerade solche Institutionen, die nur einen globalen Zuschuß erhalten, werden natürlich in ihrer praktischen Arbeit entscheidend geschmälert durch die Lohn- und Gehaltserhöhungen und nicht zuletzt durch die erhöhten Druckkosten für die Veröffentlichungen dieser Institute. Wenn diese Institutionen wirksam arbeiten sollen - und daß sie wirksam arbeiten, liegt im gemeinsamen Interesse -, dann müssen sie auch über die notwendigen Geldmittel verfügen. Wir bitten deshalb, meine Damen und Herren, um Annahme unseres Antrages. Lassen Sie mich noch eine Bemerkung zu einem Vorgang machen, Herr Minister, der uns soeben von einer Besuchergruppe, die heute Ihr Haus besucht hat, mitgeteilt worden ist. Ein Herr Ihres Hauses, der mit dieser Besuchergruppe gesprochen hat - es war Herr Regierungsdirektor Krause -, hat geglaubt, die Besuchergruppe darauf hinweisen zu müssen, daß der Respekt vor einem Parlament, das doch sehr viele Lobbyisten und Funktionäre enthalte, nicht gerade besonders groß sei, und er hat sich auch sonst in seiner ganzen Art unter dem Widerspruch dieser Besuchergruppe abwertend über das Parlament ausgesprochen. ({0}) Meine Damen und Herren! Wenn dieser Geist Schule macht, dann wäre es in Ihrem Hause, Herr Minister, sehr schlecht bestellt. Ich würde es deshalb für gut halten, wenn Sie diese Dinge untersuchten. Ich fürchte allerdings, daß eine solche Geisteshaltung nicht zuletzt ein Ergebnis der Art wäre, wie dieses Parlament durch die Regierung behandelt wird.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Das Wort hat der Herr Bundesinnenminister.

Dr. Gerhard Schröder (Minister:in)

Politiker ID: 11002077

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen macht es mir schwer, ein positives Wort zu den Anliegen zu sagen, die er hier dem Hohen Hause vorgetragen hat. Ich muß mich nun leider mit dem Schlußpunkt seiner Ausführungen beschäftigen. Von diesem Vorfall weiß ich gar nichts. Ich werde mich. nachdem ein solcher angeblicher Vorfall hier geschildert worden ist, um die Sache kümmern und werde den betreffenden Beamten um eine dienstliche Äußerung bitten. Es bleibt abzuwarten, was dort wirklich gesagt worden ist. Ich glaube aber, Herr Kollege Schmitt-Vokkenhausen, es ist eine nicht angemessene Schlußfolgerung, einen solchen Vorfall, sollte er vorgekommen sein, irgendwie mit der Haltung und Einstellung der Bundesregierung in Verbindung zu bringen. Die Mitglieder der Bundesregierung sind beinahe alle, mit der einen oder anderen Ausnahme, seit zwölf Jahren Angehörige dieses Hohen Hauses, und sie würden es sich sicherlich verbitten, wenn ihre eigene Arbeit in diesem Hohen Hause dadurch herabgesetz würde, daß das Hohe Haus als Ganzes entwertet wird. ({0})

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Stoltenberg. ({0}) - Dann Herr Kollege Niederalt!

Alois Niederalt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001607, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die letzten Bemerkungen des Herrn Schmitt-Vockenhausen dürfen, glaube ich, auch von uns, den Bundestagskollegen, nicht unwidersprochen bleiben. Ich unterstelle einmal, daß das, was Herr Schmitt-Vockenhausen hier vorgetragen hat, richtig ist. Dann frage ich hier das Hohe Haus: ist der Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen berechtigt, aus einem solchen einzelnen Vorgang zu solchen Verallgemeinerungen zu kommen, wie er sie hier vorgetragen hat? Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, das ist nach meiner Meinung nicht die rechte Manier. ({0})

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Wir stimmen dann ab über die Ziffer 1 des Änderungsantrages der Fraktion der SPD Umdruck 790. Wer zuzustimmen Vizepräsident Dr. Dehler wünscht, den bitte ich, ein Zeichen zu geben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt. Ich rufe dann zu Tit. 614 c) den Antrag auf Umdruck 789 auf. Das Wort zur Begründung hat der Herr Abgeordnete Dr. Schäfer.

Dr. Friedrich Schäfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001930, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe die Ehre, unseren Antrag auf Umdruck 789 zu begründen. Ich darf daran erinnern, daß vor wenigen Tagen der Minister für gesamtdeutsche Fragen über ,den Flüchtlingsstrom aus der sowjetischen Besatzungszone eine Rede gehalten hat, die im Bulletin der Bundesregierung abgedruckt ist. Ich darf davon ausgehen, daß sich das ganze Haus einig ist in der Sorge um die Brüder und Schwestern in der sowjetischen Besatzungszone, die aus politischen Gründen Haus und Hof verlassen müssen und ihre Existenz aufgeben. Ein besonders schwieriges Problem ist es, hier die Wissenschaftler aufzunehmen, die aus der Zone flüchten müssen. Sie wissen, es gibt ein Programm, das sich in zwei Teile teilt: einen ersten Teil, der schon seit acht oder neun Jahren besteht, und einen zweiten Teil, den man dazugestellt hat, um die geflohenen Professoren aufzunehmen. Im letzten Jahr sind 350 Wissenschaftler aus der Zone geflohen. Sie konnten nicht untergebracht werden. Die Fluchtbewegung flaut in ihrem Umfang nicht ab; im Gegenteil, wir haben mit einer mindestens gleichgroßen Zahl auch im Jahre 1961 zu rechnen. Wir haben die Hoffnung, daß bei der Durchführung der Empfehlungen des Wissenschaftsrates die Möglichkeit besteht, die qualifizierten Dozenten auf planmäßige Lehrstühle oder Dozentenstellen der Landesuniversitäten - andere haben wir ja nicht - zu bringen. Das braucht aber seine Zeit, das wird zwei oder drei Jahre in Anspruch nehmen. Jetzt, in der Übergangszeit, muß geholfen werden. Ich möchte unseren Antrag ergänzen bzw. revidieren; ich stelle den Antrag, die 2 Millionen DM als „künftig wegfallend" zu bezeichnen, so daß sie nur in diesem Jahr als wahrscheinlich einem Spitzenjahr der notwendigen Hilfe zur Verfügung stehen, weil wir nächstes Jahr schon damit rechnen können - allerdings müssen wir auch einen Druck auf die Länder ausüben -, daß die Professoren neu verwendet werden, so daß wir hoffentlich im nächsten Jahr hier wieder eine geringere Inanspruchnahme des Bundeshaushalts haben werden. Ich bitte, unserem Antrage - mit dieser Ergänzung - zuzustimmen. Es ist eine gesamtpolitische Frage, es ist eine Frage von hochpolitischer Bedeutung. Wir dürfen uns nicht nur mit Worten als den freiheitlichen Teil und als die Zufluchtstätte bezeichnen, sondern wir müssen auch denjenigen, die die Konsequenzen ziehen, den Emigranten aus der sowjetischen Besatzungszone, hier eine neue Existenz schaffen. Deshalb bitte ich Sie, dem Antrage zuzustimmen.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Stoltenberg.

Dr. Gerhard Stoltenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002259, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu diesem Punkt haben wir bereits im letzten Jahr in der zweiten Lesung des Haushalts eine kurze Debatte geführt; wir haben damals auf Grund eines interfraktionellen Antrags den Ansatz erhöht. Ich sage das, um klarzumachen, daß dies hier nicht ein Punkt ist, bei dem es etwa um politische oder parteipolitische Gegensätze gehen kann. Wenn wir uns nicht in der Lage sehen, dem Antrag der Opposition zuzustimmen, dann geschieht dies aus einer ganz bestimmten sachlichen Überlegung heraus. Wir möchten zunächst einmal darauf verweisen, daß wir während der Ausschußberatung gemeinsam beschlossen haben, die Mittel aus diesem Titel künftig ausschließlich zur Versorgung der aus der Sowjetzone geflüchteten Wissenschaftler zu verwenden und den bisherigen zweiten Verwendungszweck, die Bildung einer sogenannten Hochschullehrerreserve aus Kräften hier in der Bundesrepublik, fallenzulassen. Nun ist ja die Frage, ob es sich hier wirklich um einen zusätzlichen Bedarf handelt. Unserer Fraktion sind bis zu diesem Augenblick keine Unterlagen zugänglich gemacht worden - weder von der Bundesregierung noch von den wissenschaftlichen Organisationen -, die uns darauf bringen könnten, daß hier wirklich ein unabweisbarer Mehrbedarf gegenüber der Regierungsvorlage oder auch dem Ergebnis der Ausschußberatungen - bei denen ja ein entsprechender Antrag nicht gestellt worden ist - vorliegt. Es kommt aber ein zweites hinzu. Ich muß darauf verweisen, Herr Kollege Schäfer, daß wir bereits heute, bevor nun die jüngsten Empfehlungen des Wissenschaftsrates über den personellen Ausbau der Hochschule verwirklicht werden können, eine erhebliche Vermehrung der Zahl der Lehrstühle, der Dozenturen und der Stellen für wissenschaftliche Hilfskräfte haben und daß diese Stellen an den Universitäten und Hochschulen zu einem ganz beträchtlichen Prozentsatz nicht besetzt sind, bei den Ordinariaten etwa 10 %, in manchen Fakultäten und Fachgruppen bis zu 20 %. Wenn hier wirklich - wie gesagt: wir haben keine Unterlagen darüber - ein zusätzlicher Bedarf entstanden ist, so kann das nicht daran liegen, daß keine Mittel oder keine Stellen vorhanden sind. Vielmehr sind die Gründe vielleicht im administrativen Zusammenwirken der Länderbehörden und Universitätsverwaltungen mit den vertriebenen Wissenschaftlern und ihren Organisationen zu suchen, nicht aber in einem Umstand, der durch einen zusätzlichen Betrag im Bundeshaushalt beseitigt werden kann. Ich schlage deshalb vor, daß die Bundesregierung gebeten wird, zu prüfen, wie man zu einem schnelleren Einsatz der vertriebenen Wissenschaftler, soweit sie geeignet sind, in den vorhandenen Lehrstühlen, in den vorhandenen Stellen der Universi8360 täten kommen kann. Ein Blick auf die Stellenpläne und die Besetzung der Stellen zeigt deutlich, daß nicht fehlendes Geld oder fehlende Stellen die Ursachen sind. Aus diesem Grunde werden wir den Antrag ablehnen. ({0})

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Schäfer.

Dr. Friedrich Schäfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001930, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zur Ergänzung möchte ich nur folgendes anführen. Die Westdeutsche Rektorenkonferenz hat sich schon vor sechs Wochen an unsere Fraktion gewandt. Ich nehme an, daß auch die anderen Fraktionen dieses Hauses die gleichen Unterlagen bekommen haben. Letzte Woche habe ich erneut eine Zuschrift des Präsidenten der Westdeutschen Rektorenkonferenz bekommen, auf die ich mich vorhin inhaltlich bezogen habe. Herr Kollege Dr. Stoltenberg, die Westdeutsche Rektorenkonferenz bittet dringend darum, ihr für dieses Jahr die Hilfe zu geben. Was Sie soeben vorgetragen haben, ist kein Argument, das dagegen spricht; dann soundso viele Prozent freie Stellen werden immer da sein. Ich sagte das vorhin schon, und wir sind alle um einen Abbau bemüht. Wir werden in zwei oder drei Jahren eine gewisse Entlastung durch die Durchführung der Empfehlung des Wissenschaftsrats bekommen. Derzeit ist aber die Notlage so groß, daß sich die Westdeutsche Rektorenkonferenz wiederholt - ich sage noch einmal: letztmals vor acht Tagen - an uns gewandt und gebeten hat, der Bundestag möge die Mittel zur Verfügung stellen.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Wir kommen zur Abstimmung. Es handelt sich um den Änderungsantrag Umdruck 789 mit der mündlichen Ergänzung, daß die Erhöhung von 2 Millionen DM den kw-Vermerk erhalten soll. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit Mehrheit abgelehnt. Ich rufe auf die Änderungsanträge zu Tit. 615, zunächst den Änderungsantrag Umdruck 790 Ziffer 2. Wer begründet diesen Antrag? - Bitte, Herr Abgeordneter Lohmar!

Dr. Ulrich Lohmar (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001370, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir eine allgemeine Betrachtung der Tätigkeit des Bundesministeriums des Innern auf kulturpolitischem Gebiet. Wir haben heute morgen vom Herrn Bundeskanzler gehört, daß er und seine Kabinettskollegen das Urteil von Karlsruhe im Fernsehstreit, das ja über die Fernsehfrage, die in Karlsruhe zur Diskussion gestanden hat, hinaus einige Bedeutung für die Abgrenzung kulturpolitischer Zuständigkeiten und Möglichkeiten ({0}) für Bund und Länder hat, für falsch hielten. Angesichts dieser Bewertung läge es nun nahe, daß der Bundesinnenminister einer kritischen Betrachtung der Kulturpolitik des Bundes mit dem Hinweis auf dieses Urteil begegnen und sagen könnte: „Also bitte sehr, meine Herren von der Opposition, was wollen Sie? Das Urteil von Karlsruhe besagt, daß Kulturpolitik Ländersache ist. Warum also sprechen Sie uns, die Bundesregierung, auf ein etwaiges Vernachlässigen kulturpolitischer Aufgaben an?" ({1}) - Ich höre hier soeben einen Zwischenruf, das sei sehr gut und sehr konsequent. Ich glaube aber nicht, daß die Kulturpolitiker in Ihren eigenen Reihen mit einer solchen Deutung der gegenwärtigen Situation übereinstimmen würden. Ich meine, daß der Bund auch nach dem Urteil von Karlsruhe eine Zuständigkeit behält und damit zu einer politischen Arbeit verpflichtet ist in den Bereichen der Förderung der wissenschaftlichen Forschung, der Förderung der Studenten und der politischen Bildung, wie sie sich vor allem in der Bundeszentrale für Heimatdienst in den letzten Jahren herausgebildet hat. Ich möchte zu diesen drei Bereichen einige kritische Bemerkungen machen. Der Bundesminister hat sich eine neue Spielart ausgesucht, um seine Reserve gegenüber demokratischen Grundanschauungen in harmloser Weise zum Ausdruck zu bringen. Er hat sich am 28. Februar in Oldenburg zum „Grünkohlkönig" wählen lassen. Ich gebe zu, das ist eine sehr harmlose Form, Herr Innenminister, um vielleicht monarchistische Sympathien erkennen zu lassen. ({2}) - Also bitte, der Landesvater von Niedersachsen hat immer sehr eigenwillige Neigungen dieser Art gehabt, aber ich glaube, das dürfte eine der ganz wenigen Übereinstimmungen zwischen Ihnen beiden sein. Meine Damen und Herren, diese harmlose Art, sich etwas sehr Eigenwilliges unter Demokratie vorzustellen, kann man leider nicht in allen Tätigkeitsbereichen unseres Innenministers beobachten. Da gibt es bei der Bundeszentrale für Heimatdienst einen Erlaß des Ministers vom 12. August 1960. In diesem Erlaß hat der Herr Innenminister die Bundeszentrale für Heimatdienst ersucht, alle von ihr verbreiteten Publikationen einschließlich der Beilage, die Sie alle jede Woche in der Wochenzeitung „Das Parlament" finden, dem Bundesinnenministerium vorher zu einer endgültigen Entscheidung vorzulegen. Dieser Erlaß entspricht offensichtlich nicht ,den Intentionen, die Mehrheit und Minderheit - gegenwärtige Mehrheit und gegenwärtige Minderheit, um es präzise zu sagen - bei der Gründung der Bundeszentrale für Heimatdienst im Auge gehabt haben. Dieses Parlament hat nicht umsonst der Bundeszentrale für Heimatdienst ein Kuratorium aus Parlamentariern beigegeben. Es ist geschehen, weil die Absicht bestand und, wie ich hoffe, besteht, aus dieser Bundeszentrale kein Instrument zur Propagierung der Politik der Bundesregierung oder - noch spezieller - der spezifischen Auffassungen des Herrn Bundesinnenministers werden zu lassen. Der Innenminister hat )den Mitgliedern des Kuratoriums der Bundeszentrale für Heimatdienst - Abgeordneten dieses Hauses - die Ehre zuteil werden lassen, ihnen zwar nicht dieses Schriftstück, diesen Erlaß, zugänglich zu machen - ({3}) - Herr Kollege Niederalt, es bleibt Ihnen unbenommen, sich in eine Ihnen genehme Beziehung zur Bundesregierung zu setzen, aber Sie müssen uns erlauben, unsere eigenen Vorstellungen davon zu haben, und die stimmen in diesem Punkt nicht überein. ({4}) - Aber er hätte doch über diesen Erlaß, Herr Kollege Niederalt, sicherlich vorher mit den beiden Vorsitzenden des Kuratoriums sprechen können. Das hätte er tun müssen, wenn er die Absicht gehabt hätte, sich eine wirksame Mitarbeit dieses Kuratoriums auch für die Zukunft zu sichern. Die Landeszentralen für Heimatdienst, also die Einrichtungen, die sich auf der Ebene der Länder einer ähnlichen Arbeit widmen wie die Bundeszentrale auf der Ebene des Bundes, haben dem Bundesminister des Innern unter dem Datum des 19. Oktober 1960 ihre Bedenken mitgeteilt, die sie im Hinblick auf diesen vorhin von mir zitierten Erlaß hegen. Es heißt in diesem von allen Landeszentralen - auch von den Landeszentralen in den von der CDU regierten Bundesländern - unterschriebenen Brief: Da politische Bildungsarbeit um ihrer Glaubwürdigkeit willen uneingeschränkte sachliche Eigenständigkeit der unmittelbar Verantwortlichen bedingt, wurde einstimmig beschlossen, Sie, hochverehrter Herr Bundesminister, zu bitten, den Zustand wieder herzustellen, der vor diesem Erlaß als zweckmäßig und der Aufgabe angemessen anerkannt worden war. Der Herr Bundesinnenminister hat es vermieden, diesen Brief bald zu beantworten. Er hat dann durch einen Beamten seines Hauses mitteilen lassen, daß die Angelegenheit von ihm nicht in der hier befürchteten Weise betrachtet werde. Dabei ist es geblieben. Die Antwort war salopp und - ich meine - bürokratisch. Es stellt sich die Frage, meine Damen und Herren, ob die Bundeszentrale für Heimatdienst in ihrer Arbeit in nächster Zeit vielleicht andere Formen der Intervention des Herrn Bundesinnenministers zu erwarten hat, Interventionen in personeller Hinsicht. Ich stelle nur diese Frage. Ich möchte diese Frage nicht zu einer Behauptung verdichten, meine aber, es wäre. gut, wenn dieses Hohe Haus seine Aufmerksamkeit einmal dem Geschehen in der Bundeszentrale für Heimatdienst zuwenden und darauf achten würde, daß ähnliche Versuche einer parteipolitischen Verengung der Arbeit der Bundeszentrale in Zukunft unterbleiben. Ein ähnliches Beispiel der versuchten Einengung eines Instituts haben wir bei dem von der Bundesregierung beabsichtigten Ost-West-Institut. Die Bundesregierung hat dieses Insitut schon im vergangenen Jahr mit ihrem Wunsch begründet, daß sie eine Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern brauche, die sie in die Lage versetze, kurzfristig politisch relevante Probleme im Ostblock untersuchen zu lassen. Wir haben uns in den zuständigen Ausschüssen darüber unterhalten, und niemand - auch von der gegenwärtigen Opposition niemand - hat die sachliche Berechtigung dieses Anliegens bestritten. Die Frage ist aber, in welcher Weise man dieses Anliegen der Bundesregierung verwirklichen sollte. Ich meine, die Ständige Konferenz der Kultusminister hat im Prinzip recht, wenn sie gegenüber dem Begehren der Bundesregierung zum Ausdruck gebracht hat, daß nach ihrer Meinung eine solche Forschungsarbeit von unabhängigen wissenschaftlichen Instituten geleistet werden sollte, die einer Universität angegliedert sind und mit denen die Bundesregierung durch vertragliche Vereinbarungen eine Zusammenarbeit bewirken könnte. ({5}) Vertreter des Bundesinnenministeriums haben uns in den Vorberatungen gesagt, daß die in der Bundesrepublik bestehenden Osteuropa-Institute zu einer solchen Zusammenarbeit entweder nicht geeignet oder nicht bereit seien. Ich kann nicht abschätzen, inwieweit dieser Auskunft eine genügend sorgsame Fühlungsnahme mit allen in Frage kommenden Ostforschungsinstituten an Universitäten der Bundesrepublik vorausgegangen ist. Einige Gespräche, die einige meiner Freunde und ich selber in den letzten Monaten mit Vertretern solcher Institute geführt haben, haben uns zu dem Eindruck gebracht, daß die Bundesregierung hier offensichtlich etwas vorschnell die Auffassung vertreten hat, diese freien Forschungsinstitute - etwa das Berliner Institut - seien nicht bereit oder in der Lage, eine solche Zusammenarbeit einzugehen. Nun, meine Damen und Herren, wir haben das zur Kenntnis genommen und uns dann berichten lassen, wie die personelle Konstruktion dieses Ost-West-Instituts aussehen soll. Dabei stellte sich heraus, daß der Herr Bundesinnenminister es für richtig hielt, vier Wissenschaftler zu berufen, an deren Qualität als Wissenschaftler man keine Kritik üben kann und sollte, die aber zufällig alle vier politisch und weltanschaulich, sagen wir, in der näheren Umgebung der Bundesregierung ihre Heimat haben. Wir haben demgegenüber gesagt: Es ist eine schlechte Sache, wenn man ein solches mit dem Anspruch auf Wissenschaftlichkeit auftretendes Institut von vornherein mit einer personellen Besetzung belastet, die den deutlichen Eindruck erweckt, als ob es der Regierung hier weniger um die sachgemäße Erforschung von Tatbeständen gehe als um die wissenschaftlich verbrämte Propagierung bestimmter außenpolitischer Grundsätze. Nun, wenn man das will, kann man das tun. Aber dann sollte man es nicht im Rahmen eines sich wissenschaftlich nennenden Forschungsinstituts tun. Ich finde, auch die beteiligten Professoren sollten darauf achten, daß sie hier nicht in eine Zwitterstellung hineingeraten. ({6}) - Nach dem d'Hondtschen System? Ich habe kaum gemeint, daß man das so formalistisch handhaben sollte, Herr Kollege Conring. Aber auf der anderen Seite finde ich, daß die Mehrheitsfraktion durchaus nicht so einseitig an die Besetzung eines solchen Gremiums herangehen muß wie hier. Es gibt andere Beispiele; nehmen Sie den Deutschen Ausschuß für das Erziehungs- und Bildungswesen, nehmen Sie die früher vom Innenminister zusammengesetzte Parteienrechtskommission, zwei Gremien, von denen auch ich sagen würde: Einverstanden, da ist eine genügende Spannbreite in den Auffassungen der beteiligten Wissenschaftler vorhanden, eben im Gegensatz zu dem Ost-West-Institut, das wir hier erörtern. Wir haben dann, um einen Ausgleich zu finden und eine einmütige Meinungsbildung darüber herbeizuführen, in den Ausschußberatungen vorgeschlagen, man möge doch diesem Institut ähnlich wie der Bundeszentrale für Heimatdienst ein Gremium, aus Parlamentariern bestehend, beigeben, das die Arbeit dieses Instituts sachverständig und mit Ratschlägen begleitet. Es war, glaube ich, der Kollege Dr. Heck, der in den Ausschußberatungen dagegen geltend machte, man sollte in dieser Frage nicht die Zuständigkeiten der Legislative und der Exekutive verwischen. Wir haben diesen Einwand zwar nicht als stichhaltig anerkennen können, aber wir haben gesagt: Gut, wenn das die Meinung der Mehrheitsfraktion ist, dann wollen wir über eine dritte Möglichkeit reden. Wie wäre es mit einem wissenschaftlichen Beirat für dieses Ost-West-Institut, einem Beirat, der eine größere Spannbreite in seiner Zusammensetzung erkennen läßt als die Leitung durch die vorgesehenen vier Professoren? Der Kollege Heck hat uns als Vorsitzender des Ausschusses für Kulturpolitik und Publizistik versichert, daß er sich beim Bundesministerium des Innern dafür verwenden werde, daß ein solcher wissenschaftlicher Beirat geschaffen werde und daß dieser Beirat keinen Anlaß zu einer solchen Kritik geben solle, wie sie an der Leitung dieses Instituts geübt werden muß. Ich möchte diese Gelegenheit, Herr Bundesminister, benutzen, Sie zu fragen, ob diese angekündigte Intervention des Herrn Kollegen Heck mittlerweile bis zu Ihnen gedrungen ist und welche Folgerungen Sie daraus zu ziehen gedenken. Uns interessiert, ob Sie bereit sind, ein solches ausgewogenes Gremium von Wissenschaftlern als Beirat zu konstituieren, und wie Sie sich die personelle Zusammensetzung eines solchen Beirats vorstellen, Meine Damen und Herren! In diesem Bereich ist auch eine kritische Bemerkung angebracht zu der Art und Weise, wie der Herr Bundesminister des Innern die Kommission von politischen Wissenschaftlern und Angehörigen verwandter Disziplinen besetzt hat, die sich mit der Beratung der Bundesregierung in Fragen der politischen Bildung der deutschen Jugend befassen soll. Sie erinnern sich vielleicht, daß wir uns mit diesem Thema befassen mußten im Anschluß an die Vorfälle zu Beginn des vergangenen Jahres, als einige Schmierfinken in manchen deutschen Städten Synagogen besudelt und Symbole der Schreckensherrschaft des Dritten Reiches an anderen Stellen angemalt hatten. Die Bundesregierung hat damals angekündigt, sie werde eine Kommission berufen, die sich der politischen Bildung der jungen Generation in unserem Lande widmen solle. Es hat, meine Damen und Herren, rund ein Jahr gedauert, bis der Herr Bundesminister des Innern diese Kommission auf die Beine gestellt hat; eine bemerkenswert lange Zeit, wenn man weiß und sich vor Augen hält, wieviel anerkannte erfahrene Wissenschaftler es in der Bundesrepublik gibt, die auf diesem Gebiete der politischen Bildung und Erziehung ihre Erfahrungen gesammelt haben und die in sehr viel kürzerer Zeit bereit und in der Lage gewesen wären, der Bundesregierung entsprechende Ratschläge und Gutachten zur Verfügung zu stellen. Nun, meine Damen und Herren, von diesem Wissenschaftlerkreis, wo beinahe die Mehrzahl zu den ständigen Gutachtern der Bundesregierung zählt, muß man das gleiche bemerken wie zu der personellen Zusammensetzung des Ost-West-Instituts. Es findet sich in diesem Kreis beispielsweise ein Mann, der das besondere Interesse auch einiger Damen und Herren bei der CDU/CSU erwecken wird, nämlich Herr Professor Peters aus Köln. Seine Berufung in dieses Gremium zeigt, mit welcher Sorgfalt der Herr Bundesinnenminister bei der Auswahl dieses Personenkreises offenbar vorgegangen ist. Professor Peters hat, als im Frühjahr 1948 an der Humboldt-Universität im damals noch ungeteilten Berlin die Unterdrückung der akademischen Freiheit durch die kommunistische Volksbildungsverwaltung der Zone mit der Relegation von drei Redakteuren der Studentenzeitschrift „Colloquium" ihren Höhepunkt erreichte und wo alle demokratischen Kräfte Berlins einmütig die Gründung einer Freien Universität im Westen der Stadt Berlin forderten, sich diesem Begehren widersetzt. Die drei demokratischen Fraktionen der Berliner Stadtverordnetenversammlung schlossen sich diesem damals von den Studenten vorgebrachten Wunsch an, selbstverständlich gegen die Opposition der SED. Ein einziger nichtkommunistischer Stadtverordneter stimmte in dieser Frage zusammen mit den Kommunisten, nämlich der stellvertretende Vorsitzende der CDU-Fraktion, Herr Professor Peters. Zur Ehre der Damen und Herren der damaligen CDU-Fraktion im Berliner Stadtparlament darf und muß man hinzufügen, daß sie Professor Peters daraufhin umgehend von seinem PoLohmar sten abgelöst und sich einen neuen stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden gewählt haben. Aber damit nicht genug, meine Damen und Herren! Professor Peters stellte sich in seiner Eigenschaft als Dekan der juristischen Fakultät und Mitglied des Senats der Humboldt-Universität in bezug auf die ohne jedes ordentliche Verfahren erfolgte Relegation der drei Studenten hinter die Willkürmaßnahmen des kommunistischen Volksbildungspräsidenten Paul Wandel, über dessen führende Rolle im Parteiapparat der KPD Sie bei Wolfgang Leonhard in „Die Revolution entläßt ihre Kinder" einiges nachlesen können. Sie werden verstehen, meine Damen und Herren, daß wir einen Mann wie Professor Peters wegen seiner Haltung im Jahre 1948 für ungeeignet halten, die Bundesregierung ausgerechnet in Fragen der staatsbürgerlichen Bildung der jungen Generation in diesem Staate zu beraten. ({7}) Ich hoffe, daß der Herr Bundesminister des Innern daraus die Konsequenzen zieht. Es gibt ein viertes Thema in ,diesem Zusammenhang, das die recht eigenwillige Art, in der vom Bundesinnenministerium solche Probleme gelöst werden, deutlich werden läßt. Ich meine die Entscheidung des Herrn Bundesinnenministers, die Studentenverbände, die man etwas verallgemeinernd und generalisierend unter ,dem Stichwort Korporationen zusammenzufassen pflegt, in die Förderung durch Bundesjugendplan-Mittel einzubeziehen. Die Bundesregierung hat in einer Erklärung im Bulletin der Bundesregierung den Eindruck zu erwecken versucht, als ob sie sich vor dieser Entscheidung mit den dafür zuständigen Selbstverwaltungsgremien der deutschen Studentenschaft beraten habe. Dieser Eindruck entspricht nicht den Tatsachen. Die Berufung auf die Westdeutsche Rektorenkonferenz und deren positive Stellungnahme zu einer solchen Maßnahme ist deshalb uninteressant, weil die Westdeutsche Rektorenkonferenz dafür gar nicht zuständig ist. Mittlerweile haben alle im Bundesjugendring zusammengeschlossenen Jugendverbände gegen die Entscheidung des Herrn Bundesinnenministers protestiert, und zwar vorgestern auf der, ich glaube, 23. Vollversammlung des Bundesjugendrings in Hannover. Sie haben das mit der Begründung getan, daß ihrer Meinung nach die Zielsetzung des hier angesprochenen Kreises von studentischen Verbindungen, besser gesagt: akademischen Verbindungen, gegen die Ziele einer demokratischen Jugenderziehung verstoße, gegen die Ziele nämlich, auf die sich die im Bundesjugendring zusammenarbeitenden Jugendverbände verständigt haben und für deren Verwirklichung sie gemeinsam eintreten. Ich meine, daß man in der Sache nicht so undifferenziert wird argumentieren können. Aber ich möchte meinen, daß die Art und Weise, wie der Herr Bundesinnenminister dieses Problem gelöst hat, nämlich ohne eine der Sache förderliche vorherige Beratung mit den zuständigen Gremien in der Studentenschaft oder auch in diesem Hohen Hause einfach von sich aus eine solche Entscheidung zu fällen, der Schwierigkeit des Problems nicht gerecht wird. Ich möchte zur Sache wenige Bemerkungen machen. Man darf nicht verkennen, daß bei einigen der sogenannten Traditionsverbindungen, insbesondere bei der Deutschen Burschenschaft, unter den studentischen Mitgliedern viel guter Wille vorhanden ist, aus den Fehlern der Korporationen während der Weimarer Zeit zu lernen und sich heute in eine unserer Zeit entsprechende Beziehung zum demokratischen Staat zu bringen. Ich meine, diese Tatsache sollte uns davor bewahren, einer kollektiven Ablehnung aller Bestrebungen in diesen Traditionsverbindungen das Wort zu reden. Wir sollten vielmehr diesen Prozeß der Differenzierung der Vorstellungen fördern und uns darum bemühen, daß diese Ansätze weiterentwickelt werden, Ansätze, die allerdings durch oft nicht lesbare Briefe von Alten Herren an ihre Verbandsblätter sehr gefährdet und sehr beeinträchtigt werden. Vor allen Dingen in der Einschätzung der parlamentarischen Demokratie, des 20. Juli 1944 und des Antisemitismus kommen viele Alte Herren offenbar nicht über die Vorstellungen hinweg, die sie sich in der Weimarer Zeit während ihres Widerstandes gegen den ersten Versuch, eine deutsche Demokratie aufzubauen, gebildet haben und die sie heute ihren jungen Kommilitonen vermitteln wollen. Um so mehr muß man anerkennen, daß sich viele Studenten in den Korporationen gegen diese Widerstände aus dem Kreis ihrer Alten Herren zur Wehr gesetzt haben. Man sollte ihnen helfen, auf diesem Wege weiterzugehen. Nur meine ich, Herr Bundesinnenminister, wäre es besser, wenn man vorher darüber sprechen und sich darüber unterhalten würde, in welcher Weise man diesem politisch und sachlich wichtigen Anliegen am besten gerecht werden kann. ({8}) Lassen Sie mich jetzt einiges zu einem ganz anderen Bereich sagen, nämlich zu dem Bereich der Wissenschaft und Forschung. Dieses Hohe Haus sollte die Haushaltsberatungen nicht vorübergehen lassen, ohne die Gelegenheit zu benutzen, dem Wissenschaftsrat für die Erstellung seines Gutachtens ausdrücklich und herzlich zu danken. ({9}) Der Wissenschafsrat ist das einzige in Deutschland arbeitende Gremium, das für einen begrenzten Bereich unseres Bildungswesens, nämlich für den Bereich der Wissenschaft und Forschung, einen brauchbaren Bedarfsplan mit durchdachten Sachvorschlägen ausgearbeitet hat, einen Bedarfsplan, den es in allen anderen Bereichen unseres Bildungswesens in dieser präzisen Art und in dieser für die Bundesrepublik im ganzen zutreffenden Aussage noch nicht gibt. Ich meine, das ist eine gute Leistung gewesen. Nur, meine Damen und Herren, wenn man heute mit Mitgliedern des Wissenschaftsrates spricht, dann verhehlen sie einem nicht ihre Sorgen, ob denn ihre Vorschläge in der Sache - da wird die Reaktion an den Hochschulen von einiger Bedeutung sein - auch so verwirklicht werden können, wie es in dem Gutachten vorgesehen ist. Ich möchte diese Sorgen nicht verschweigen und darum bitten, daß das ganze Parlament seinen ernsthaften Willen deutlich macht, den Vorschlägen des Wissenschaftsrates in ihren finanziellen Konsequenzen zu entsprechen und keinerlei Zweifel auch an der Bereitschaft der Bundesregierung, im notwendigen Ausmaß zu helfen, aufkommen zu lassen. In diesem Zusammenhang sollte man, glaube ich, an ein Wort erinnern, das der Erste Vorsitzende des Wissenschaftsrates, Professor Coing, vor einiger Zeit mit seiner Feststellung geprägt hat: „Wir stehen im Bereich des Hochschulwesens vor einer politischen Entscheidung von außerordentlicher Bedeutung". Das heißt, es handelt sich bei diesem Problem der Förderung von Wissenschaft und Forschung nicht um ein Sachproblem einer zweitrangigen Größenordnung, sondern es handelt sich um ein Kernstück einer auch außenpolitisch für unsere weiteren Überlegungen entscheidenden politischen Konzeption. Man sollte nicht den unsinnigen Streit darüber fortsetzen, ob die Bundesregierung und das Parlament sich im formalen Sinne an die Vorschläge des Wissenschaftsrates binden könnten. Herr Kollege Stoltenberg und ich haben darüber, ich glaube, vor zwei Jahren, hier einen Disput geführt. Ich meine, man sollte in der Sache gemeinsam zum Ausdruck bringen, daß man diese Vorschläge in ihrer Bedeutung würdigt und die Konsequenzen auch finanzieller Art daraus ziehen wird. Ohne eine solche im Ergebnis verbindliche Form der Zusammenarbeit würde das Zusammenwirken von Wissenschaftlern und Politikern relativ sinnlos werden. Lassen Sie mich in diesem Rahmen einige Themen anschneiden, von denen ich glaube, daß ihnen der Wissenschaftsrat, in dem auch die Bundesregierung vertreten ist, seine Aufmerksamkeit zuwenden sollte. Ich finde, wir müssen zu einer stärkeren Förderung der gesamtdeutschen Arbeit an unseren Hochschulen kommen. Die Westdeutsche Rektorenkonferenz hat 1960 vorgeschlagen, daß eine solche gesamtdeutsche Forschungsarbeit von den deutschen Hochschulen gemeinsam geleistet werden sollte. Es sollte ein gesamtdeutsches Forschungsinstitut errichtet werden mit der Aufgabe einer ständigen Beobachtung der Entwicklung des Geschehens an den mitteldeutschen Hochschulen und Universitäten und im Blick darauf, wie man eine Situation von unserer Hochschulpolitik aus anvisieren und im Auge behalten muß, die unter dem Stichwort „Wiedervereinigung" hoffentlich eines Tages auf uns zukommt. Ich halte dieses Anliegen, dem sich nicht nur die Westdeutsche Rektorenkonferenz, sondern auch der Verband Deutscher Studentenschaften angenommen hat, für außerordentlich wichtig und wollte diese Beratung des Haushalts des Herrn Bundesinnenministers nicht vorübergehen lassen, ohne die Aufmerksamkeit darauf zu lenken. Lassen Sie mich ein anderes Problem erwähnen. Es handelt sich um die Notwendigkeit der Einrichtung eines Dokumentationszentrums. Darüber hat Herr Bundesminister Prof. Balke auf dem Kulturpolitischen Kongreß der CDU in Gelsenkirchen ausgezeichnete Bemerkungen gemacht, denen man nichts hinzuzufügen braucht. Der Herr Bundesminister des Innern hat am 9. Januar dieses Jahres dem Hohen Hause mitgeteilt, daß sich in der Bundesrepublik bereits zahlreiche Stellen mit wissenschaftlicher Dokumentation befaßten, daß die Schaffung einer Stelle, ,die, ohne selbst zu dokumentieren, zentrale Lenkungsfunktionen ausübe, immer dringender geworden sei und daß die Max-PlanckGesellschaft sich bereit erklärt habe, ihre Erfahrungen für den Aufbau einer solchen Steuerungsstelle in Form eines Instituts für Dokumentationswesen zur Verfügung zu stellen. Entsprechende Verhandlungen, kündigte der Innenminister an, mit der Max-Planck-Gesellschaft seien aufgenommen worden. Seit dem 9. Januar sind rund zwei Monate verstrichen. Vielleicht ist die Frage erlaubt, ob diese Verhandlungen mit der Max-Planck-Gesellschaft mittlerweile zu einem greifbaren Ergebnis geführt haben. Ich meine, wir sollten versuchen, hier sehr bald zu einer alle Partner befriedigenden Lösung zu kommen. Nun zu einem anderen Thema! Auch hier möchte ich wieder eine Bitte an die Bundesregierung aussprechen, die sie bei ihrer Mitarbeit innerhalb des Wissenschaftsrates berücksichtigen möge. Es geht hier um die unserer Auffassung nach notwendige Förderung von Lehrstühlen für sozialwissenschaftliche und politische Bildung einerseits und von Lehrstühlen zur Erforschung von wirtschaftlichen, soziologischen und technischen Bildungsproblemen andererseits. Die zweite Gruppe von Lehrstühlen hat Bundesminister Balke in seinem vorhin erwähnten Vortrag ebenfalls angesprochen. Ich darf mich auf das beziehen, was er dazu gesagt hat. Dabei sollte man sich vielleicht der Erfahrungen erinnern, die unsere Technischen Hochschulen und Universitäten in diesen Bereichen seit langem mit ihrer Praxis gesammelt haben, auf manchen Gebieten nicht nur Wissenschaftler unterrichten zu lassen. Ich könnte mir vorstellen, daß es eine ausgezeichnete Form der Auflockerung der politischen Bildung an unseren Hochschulen und Universitäten wäre, wenn man sich dazu entschlösse, mehr Praktiker aus der staatlichen Verwaltung und aus der Politik in diese Arbeit einzubeziehen, auch deshalb, um in einen engeren Gedankenaustausch zwischen Politik und Verwaltung einerseits und den Wissenschaftlern andererseits zu kommen. Ich halte es jedenfalls für ein Land wie Deutschland für unmöglich, daß sich das Zusammenspiel von Wissenschaft und Politik darauf beschränkt, hochdotierte Gutachten für sehr spezielle Zwecke anzufordern und im übrigen voneinander wenig Notiz zu nehmen. Hier liegt bei der Ausweitung der Arbeit unserer Hochschulen und Universitäten in der Richtung einer verstärkten politischen Bildung eine Möglichkeit, auch zu einer engeren Zusammenarbeit zwischen dem politischen und dem wissenschaftlichen Raum zu kommen. Hierher, meine Damen und Herren, gehört auch ein anderes Thema, das man unter dem Stichwort „gleiche Chance in der Studentenförderung" zusammenfassen könnte. Wir haben uns darüber in diesem Hause manches Mal unterhalten, und es hat die eine oder andere Stimme aus dem Kreise der gegenwärtigen Mehrheit in diesem Parlament gegeben, die zum Ausdruck brachte, die von der Opposition, der Sozialdemokratie, hervorgehobene Tatsache, daß die soziologische Struktur der Studentenschaft heute doch nicht die tatsächlich vorhandenen Talente wiederspiegele, daß insbesondere der Anteil von Kindern aus der Arbeiterschaft nach wie vor unverhältnismäßig gering sei, diese Tatsache habe ihre Ursache nicht in einem schlechten Willen der Bundesregierung, Arbeiterstudenten zu fördern, sondern es sei eben so, und daran könne man nichts Wesentliches ändern. Ich finde, Herr Kollege Stoltenberg hat es sich auf dem Kongreß seiner Partei in Gelsenkirchen zu leicht gemacht, als er mit einer Zahlenakrobatik - verzeihen Sie, Herr Kollege Stoltenberg - den Nachweis zu führen versuchte, der natürlich absolut gesehen stimmt, daß sich in den letzten Jahren die Zahl von Studierenden, die aus der Arbeiterschaft stammen, vervierfacht habe. Das ist eine halbe Wahrheit, Herr Kollege Stoltenberg, insofern, als sie genau wissen, daß sich der Anteil an der Gesamtstudentenschaft eben nur unwesentlich erhöht hat. ({10}) Meine Damen und Herren, ich bin nicht der Auffassung und möchte das mit Deutlichkeit sagen, daß es sich hier um ein Problem handelt, das man nur materiell angehen kann. Ich glaube, wahrscheinlich mit manchen Kollegen der CDU, daß es sich dabei auch um psychologische Schwierigkeiten handelt, die aus dem durch die deutsche Geschichte der letzten hundert Jahre belasteten Verhältnis zwischen den Akademikern und den Arbeitern resultieren, wenn man es einmal so pauschal im Rückblick auf die Vergangenheit sagen will, und daß dieses Verhältnis entspannt werden muß. Ich meine auch, daß die deutschen Gewerkschaften hier eine große pädagogische Aufgabe sehen sollten und daß sie sich dieser Aufgabe der Heranführung von Kindern aus der Arbeiterschaft an die Hochschulen mehr und energischer annehmen müssen, als sie das bisher getan haben, etwa im Rahmen ihrer Stiftung "Mitbestimmung". Aber ich würde es für einen Vorteil halten, wenn die Bundesregierung erwöge, wie man zu verläßlichen Untersuchungsergebnissen über die in den einzelnen Bevölkerungsgruppen tatsächlich vorhandenen Begabungsreserven kommen könnte. Eine solche Untersuchung anzusetzen und durchzuführen, müßte in einer relativ kurzen Zeit möglich sein, Herr Bundesminister. Ich könnte mir denken, daß die Ergebnisse für unsere weiteren Beratungen über die Studienförderung von Gewicht sein könnten. Deshalb meine Bitte, diesen Vorschlag einmal auf seine Realisierbarkeit zu überprüfen. Hierher gehört auch der Antrag Umdruck 790 Ziffer 2, den ich unter anderem zu begründen habe. Mit ihm trägt meine Fraktion an Sie den Wunsch heran, die Mittel für die Studentenförderung von 79 065 000 DM um 11 200 000 DM auf 90 265 000 DM zu erhöhen. Vielleicht interessiert Sie, meine Damen und Herren, im Rahmen der Begründung dieses Antrags eine Stellungnahme, die die Gedanken wiedergibt, die der Verband Deutscher Studentenschaften auf seiner Mitgliederversammlung in Bonn heute geäußert hat. Es heißt in dieser Stellungnahme der Organisation aller unserer Studenten, daß seit 1958 die Zahl der Stipendiaten wegen der unveränderten Bestimmungen über die Bedürftigkeit trotz steigenden Preis-Lohn-Indexes um etwa 25 % abgenommen habe. Über 5000 bedürftige Studenten, teilt der VDS mit, seien da, die heute überhaupt keine Zuschüsse mehr erhielten, und Tausende andere, die nur unzureichende Stipendien bekämen, liefen Gefahr, aus wirtschaftlichen Gründen ihr Studium unterbrechen oder sogar aufgeben zu müssen. Der VDS verlangt im Interesse dieser Studenten, die als Darlehen vorgesehenen 6 Millionen DM als Stipendien zu vergeben und die Bedingungen dafür entsprechend zu ändern. Die Mitgliederversammlung des VDS wandte sich gegen die Darlehnspläne der Bundesregierung mit der Erklärung, daß in der Hand des Mittelstandes - meine Damen und Herren, hören Sie gut zu! - nicht Schulden, sondern auch nach Auffassung der Bundesregierung Eigentum gebildet werden soll. Ich finde, das ist eine sehr treffende Formulierung für den gegenwärtigen Zustand, den wir bei der Studienförderung haben. Vielleicht macht Sie die Stellungnahme des Verbandes Deutscher Studentenschaften ein wenig geneigter, unserem Antrag zuzustimmen, auch dann, wenn dieser Studentenverband zahlenmäßig nicht so interessant ist wie die Heerscharen des Herrn Rehwinkel. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich in diesem Zusammenhang noch ein Wort zu einem anderen Thema sagen, das mit unserer Hochschulpolitik zusammenhängt. Ich meine die Frage, wie wir die Vorschläge des Wissenschaftsrates für den Ausbau unserer Hochschulen und Universitäten so rasch verwirklichen können, daß wir an dem Problem vorbeikommen, Abiturienten den Zugang zur Hochschule sperren zu müssen. Der Herr Bundesinnenminister hat vor langer Zeit einmal in einer verunglückten Denkschrift zu diesem Problem voreilig Stellung genommen. Er ist dann selber nie mehr darauf zurückgekommen, - mit Recht. Der Vorsitzende des Wissenschaftsrates, Professor Coing, hat vor einiger Zeit darauf hingewiesen, daß nach den Angaben der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung eine nennenswerte Arbeitslosigkeit von Angehörigen akademischer Berufe bisher nirgendwo festzustellen sei. Das heißt, wir bilden heute auch bei der steigenden Zahl von Studierenden nicht zu viele Studenten aus, sondern offenbar werden sie alle in unserem Wirtschaftsleben, in unserem gesellschaftlichen Leben irgendwo eine ihnen und ihrer Ausbildung entsprechende berufliche Tätigkeit finden können. Ich meine, das ist ein Grund mehr, dafür zu sorgen, die Empfehlungen des Wissenschaftsrats im ganzen so rasch wie möglich in die Tat umzusetzen. Lassen Sie mich aus meinen Darlegungen das Problem der Studentenwohnheime ausklammern; dazu wird meine Fraktionskollegin Frau Krappe in anderem Zusammenhang in den nächsten Tagen noch einiges sagen, weil davon ja auch andere Ressorts betroffen sind. Im Rahmen der Hochschulpolitik möchte ich abschließend noch eine Bitte äußern dürfen, nämlich auf eine engere Zusammenarbeit zwischen den Universitäten und den Einrichtungen der Erwachsenenbildung. Der Wissenschaftsrat hat sich dankenswerterweise in seinem Gutachten nicht darauf beschränkt, finanzielle Forderungen zu stellen; er hat zugleich sachliche Anregungen für die Verwendung der von ihm geforderten Mittel gegeben. Ich meine, in diesen Rahmen von sachlichen Vorschlägen gehört auch die Anregung einer institutionell engeren Zusammenarbeit zwischen Hochschulen und Institutionen der Erwachsenenbildung. Wir haben dafür in der Bundesrepublik interessante Beispiele, z. B. in Göttingen. Ebenso bemerkenswerte Beispiele dafür gibt es in Skandinavien, einem Gebiet, dem ja seit einiger Zeit das besondere Interesse der Mehrheitspartei gilt, wenn auch in anderem Zusammenhang. Vielleicht wäre es nützlich, sich in Skandinavien nicht so sehr für die Vergangenheit von Herrn Brandt, sondern mehr für die Erfahrungen der skandinavischen Völker in der Volksbildung zu interessieren! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zusammenfassen. Im Bereich der politischen Bildung hat, meine ich, die Bundesregierung im ganzen eine einseitige, auf Einengung der Fragestellung und der Antworten tendierende Form der Arbeit erkennen lassen mit einem mehr oder minder blutlos vorgebrachten formalen Ja zum demokratischen Staat im Hinblick auf die Abwehr des Kommunismus im Negativen verharrend, in der Defensive verbleibend. Ich meine, daß sich die Bundesregierung statt dessen von anderen Grundsätzen in der Förderung der politischen Bildung leiten lassen sollte, einmal von dem Grundsatz, in der Zusammensetzung aller Gremien eine Vielfalt der Meinungen nicht nur zuzulassen, sondern zu fördern. Ich glaube, daß dieses bewußte und eindeutige Ja zu einer Vielfalt von Meinungen im Rahmen einer demokratischen Grundordnung die einzig mögliche Antwort darstellt, die wir alle auf den Kommunismus geben können. Diese Antwort kann nicht in dem Versuch bestehen, eine geschlossene Ideologie zu entwikkeln, die sich sehr bald totalitär verengen würde. Zweitens sollte die Bundesregierung überlegen, wie man in der Förderung der politischen Bildung und insbesondere in der Auseinandersetzung mit dem Kommunismus über die Position der bloßen Verteidigung, der Defensive hinauskommt, wie man zu einem Angriff übergehen kann, einem Angriff ohne Polemik, ohne Schlagworte, aber einem politischen Angriff in den Bereichen, in denen die Auseinandersetzung mit den Kommunisten in den nächsten Jahren auch und vor allem geführt werden muß, nämlich auf dem wissenschaftlichen Gebiet, dem technischen Gebiet, dem politischen Gebiet, dem geistigen Gebiet, wenn wir diesen Oberbegriff verwenden wollen. Versuche wie der - mittlerweile entschlafene - Verein „Rettet die Freiheit" sind dazu untauglich. Ich könnte das zwar aus persönlichen Gründen bedauern, Herr Kollege Dr. Barzel; denn so haben Sie mehr Zeit, mir in unserem umkämpften Wahlkreis in die Quere zu kommen, während vorher Ihre Zeit durch den Verein „Rettet die Freiheit" absorbiert wurde. Aber schön, das kann man hinnehmen. Meine Damen und Herren! Im Bereich von Wissenschaft und Forschung, möchte ich meinen, trifft genau das zu, was Bundesminister Balke - um ihn noch einmal zu zitieren - in Gelsenkirchen über den „cultural lag" - ich möchte sagen: der CDU - bemerkt hat, den „cultural lag" nämlich, der die zeitliche - und ich füge hinzu: sachliche - Differenz in der Anpassung der gesellschaftlichen Institutionen an die tatsächliche Entwicklung bedeutet. ({11}) Ja, bitte, das ist genau die Formulierung, meine Damen und Herren, die die Tätigkeit der Bundesregierung in der Förderung von Wissenschaft und Forschung und auch in der Studentenförderung in den letzten vier Jahren kennzeichnet. Sie haben sich erst im vergangenen Jahr dazu bequemt, unter dem ständigen Druck nicht allein der gegenwärtigen Opposition, sondern auch einer sich dieser Anliegen annehmenden öffentlichen Meinung hier einiges Verständnis zu zeigen. Aber das ist immer mit reichlicher Verspätung erfolgt und immer so, daß man im nachhinein etwas tat. ({12}) - Aber Herr Kollege Niederalt, wollen Sie bestreiten, daß die Bundesregierung nach dem Karlsruher Urteil eine Mitzuständigkeit in der Förderung der wissenschaftlichen Forschung und in der Studienförderung behält? Davon reden wir jetzt. ({13}) In diesen beiden Bereichen hat die Bundesregierung in den letzten Jahren von sich aus keine in sich geschlossene Konzeption entwickelt. ({14}) - Vielleicht hat sie sie auch entwickelt; aber dann wäre es interessant gewesen, sie der Öffentlichkeit mitzuteilen, meine Damen und Herren. Es genügt nicht, dem Wissenschafsrat auf die Schulter zu klopfen und zu sagen: „Das habt ihr schön gemacht!" Wir Sozialdemokraten brauchen uns diesen Vorwurf selber nicht zu machen, weil wir schon 1956 bei unseren Beratungen in München auf die Wichtigkeit dieser Probleme hingewiesen haben und in der Arbeit des Wissenschaftsrates eine Fortentwicklung von Vorschlägen sehen konnten, die wir selber mit haben in der Öffentlichkeit durchsetzen lassen. Meine Damen und Herren, Sie sollten sich einmal ansehen, was Präsident Kennedy - Sie halten ja auch viel von einer engen Zusammenarbeit mit den Amerikanern - nicht nur in bezug auf die Zukunkt der NATO gesagt hat, sondern was er über die Ausgestaltung des amerikanischen Erziehungswesens bemerkt hat. Die Probleme, die er dargelegt hat, stellen sich in abgewandelter Form für die Bundesrepublik Deutschland auch. Sie stellen sich im Bereich der politischen Bildung, im Bereich der Förderung von Forschung und Wissenschaft im Prinzip genauso wie in den Vereinigten Staaten. Meine Damen und Herren, Sie sollten die Entschlossenheit und den Schwung, der aus diesen Vorschlägen Kennedys für sein Land spricht, nicht nur im militärischen Bereich mit positiven Anmerkungen zur Kenntnis nehmen, sondern auch in diesem anderen Raum, dem des Erziehungs- und Bildungswesens, wo wir, glaube ich, in Deutschland ebenso wie die Amerikaner in ihrem Land zu einem neuen Stil und zu einer unserer Zeit entsprechenden Politik kommen müssen. Aber, meine Damen und Herren, ich kann verstehen, wenn Sie sich nicht allen Anregungen der gegenwärtigen Opposition in diesen Fragen aufgeschlossen zeigen. Schließlich muß ja auch einer Regierung Brandt noch einiges zu tun übrigbleiben. ({15})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Bundesminister des Innern.

Dr. Gerhard Schröder (Minister:in)

Politiker ID: 11002077

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte die leise Hoffnung, daß mein Haushalt noch bis 9 Uhr etwas weiter gefördert werden könnte. Lieber Herr Kollege Lohmar, Sie nehmen es mir nicht übel, wenn ich so ein bißchen die Vermutung äußere, daß Sie Ihr taktisches Konzept auf dieser Seite des Hauses ({0}) geändert haben. Sie haben mit „USA", mit „Kennedy" und ähnlichem geschlossen. Sie werden verstehen, daß ich ein wenig an eine Filibuster-Rede gedacht habe, die dort mehr die Angehörigen der Südstaaten halten. Ich werde jetzt das Gegenteil tun: ich werde so schnell wie möglich alle Ihre Punkte behandeln. Zunächst eine kleine Feststellung, die sich an das anschließt, was Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen vorgebracht hat. Sie können daraus ersehen, Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, was wir für eine prompt arbeitende Institution sind. Ich habe bereits eine kurze Aufzeichnung hier, aus der ich Ihnen folgendes vorlesen darf: Eine Besuchergruppe des „Haus Rissen", Hamburg, war heute um 15 Uhr im Innenministerium. Teilnehmer: Richter, Lehrer, Offiziere und Gewerkschaftler, sogenanntes Bonn-Seminar. Thema: Aufgaben des Bundesministeriums des Innern, aktuelle Fragen der Innenpolitik. Das Seminar hört entsprechende Vorträge in den Bundesministerien der Finanzen, für Verteidigung, im Auswärtigen Amt, im Wirtschaftsministerium und der Bundeszentrale für Heimatdienst jeweils durch dafür zuständige ausgewählte Referenten. Etwa vier Seminare im Jahr finden statt. In der Diskussion hat Ministerialrat Krause folgendes gesagt: a) Zum Gesetzgebungsverfahren: Im Gegensatz zum Bundestag, dem bisher ein sogenannter Rechtsdienst wie in den USA nicht zur Verfügung steht, hat die Ministerialbürokratie es mit zahlreichen Sachkennern leichter, die Gesetzgebung vorzubereiten. Daher stammt der weitaus größere Teil der Gesetzentwürfe von der Bundesregierung. b) Zur Zusammensetzung des Deutschen Bundestages: Die Bildung eines unabhängigen Urteils ist bei den im heutigen technischen Zeitalter oft sehr komplizierten Grundtatbeständen schwierig. Daher sind mehr erfahrene Sachkenner, die häufig aus der Beamtenschaft oder den Industrien, Verbänden, Interessengruppen stammen, ins Parlament eingezogen. Im 1. Bundestag waren noch vergleichsweise mehr freie Berufe vertreten. Das ganze sei ohne irgendeine Wertung erklärt. Zum Schluß sei dem Referenten der ausdrückliche Dank für die objektive Darstellung ausgesprochen worden. ({1}) - Herr Kollege Blachstein, waren Sie zufällig auch auf dem Seminar, und haben Sie auch den Vortrag gehört? ({2}) - Ich lese Ihnen die Darstellung desjenigen Herrn vor, der dort einen Vortrag gehalten hat, und zwar nach seinen Aufzeichnungen, und die haben in meinen Augen zunächst die Glaubwürdigkeit für sich. ({3}) Meine Damen und Herren, wie Sie das werten wollen, bleibt Ihnen durchaus überlassen. Ich habe nur das äußerste getan, um einem hier erhobenen Vorwurf mit einer Darstellung des betreffenden Referenten so schnell wie möglich entgegenzutreten. Mehr kann ich nicht tun. ({4}) Die Rede des Kollegen Lohmar ist ein Beweis für etwas, was ich kommen sah, was Sie 'demnächst Bundesinnenminister Dr. Schröder noch sehr viel stärker merken und auch zugeben werden. Das Karlsruher Urteil ist von manchen Seiten als ein Sieg gefeiert worden. Ich frage mich, wer eigentlich in Karlsruhe gesiegt hat. Herr Kollege Lohmar, wenn Sie sozusagen nicht zufällig Ihr Herz für die sozialdemokratisch geführten Länder, die diese Klage eingereicht haben, schlagen ließen, könnten Sie mit dem Urteil eigentlich sehr wenig zufrieden sein; denn wenn Sie in die Sache einsteigen, werden Sie finden, daß wir für einen ganz großen Teil der uns hier liebgewordenen Betätigungen, die unter dem Gesichtspunkt der nationalen Repräsentanz wirklich von ganz großer Bedeutung sind, mit dem Urteil in Zukunft die allergrößten Schwierigkeiten haben werden, ({5}) und diese Zeche bezahlt nicht die Bundesregierung, diese Zeche bezahlt das ganze Hohe Haus und im Grunde das deutsche Volk. Vielleicht können wir darüber morgen noch etwas mehr sagen. Jetzt gilt plötzlich der Satz: „Cuius regio, eius televisio". ({6}) Ob auf ,der Basis der Geltung dieses Satzes die Ansprüche der deutschen Gesamtheit erfüllt werden können, wollen wir dann einmal mit aller Fassung abwarten. Herr Kollege Lohmar nahm etwas Anstoß daran, daß ich - übrigens nicht in Oldenburg; die Zeitungen berichten falsch, es war hier in Bonn, gerade 1 hier gegenüber im Hause der Parlamentarischen Gesellschaft - von den sehr liebenswürdigen Oldenburger Landsleuten, die sich dabei meiner nordwestdeutschen Abstammung erinnerten, wie Sie gemerkt haben werden, zum „Grünkohlkönig" gewählt worden bin. Meine Damen und Herren, ich bin ohne jeden Arg zu der Veranstaltung gegangen. Kollege Ollenhauer, den ich gerade hier sehe, war auch anwesend, und in dem Vortrag dort ist des längeren erörtert worden, ob man nicht vielleicht den Kollegen Ollenhauer als „Grünkohlkönig" nehmen sollte. Man hat ihn eigentlich nur deswegen nicht gewählt, wie das „Kurfürstenkollegium" vorgetragen hat, weil man die Befürchtung hatte, daß er doch Schwierigkeiten mit seiner Fraktion, seiner Partei usw. bekommen könnte, und man wollte ihn in diese Verlegenheit nicht bringen. ({7}) Ich habe mir, bevor ich diese Wahl angenommen habe, einen kurzen Blick auf die Vorgänger erlaubt. Da konnte nicht so furchtbar viel passieren. Diese Veranstaltung, dieses Grünkohlessen der Stadt Oldenburg, hat eine gewisse Berühmtheit erlangt. Es sind also wirklich sehr feine Leute, die da zusammenkommen. ({8}) - Warum Sie das bestreiten wollen, weiß ich nicht. Sie waren nicht da, das ist aber kein Beweis für das Gegenteil. Ich sage Ihnen, es waren sehr feine Leute da. Üblicherweise kommt jährlich der Bundespräsident. Er war in diesem Jahre aus gesundheitlichen Gründen leider verhindert. Und dann spielte sich diese jetzt schon traditio- 1 nell gewordene Wahl ab. Ich hatte die Hoffnung, sie würde an mir vorübergehen, weil ich eigentlich nicht recht darauf vorbereitet war. Es wurden alle möglichen Kandidaten durchgeprüft. Ministerpräsident Kopf war es schon einmal gewesen, Ministerpräsident Hellwege war es schon einmal gewesen - offenbar ist Wiederwahl ausgeschlossen; das hat ja auch etwas für sich -, und mein Kollege, der Bundesminister für Arbeit, war Vorsitzender des „Kurfürstenkollegiums". Es war eine sehr nette Veranstaltung, und ich glaube, die Sache war ungeheuer demokratisch. Kollege Ollenhauer ist diesmal, was selten vorkommt, ein Kronzeuge für mich. Ich bin überzeugt, er wird es gern bestätigen. Herr Kollege Lohmar, Sie können ganz unbesorgt sein. Nichts davon ist a) undemokratisch, nichts berechtigt Sie ''b) zu irgendwelchen Befürchtungen für die Zukunft. Ich bleibe auf dem Boden des Grundgesetzes. Nun ganz kurz zu den Vorwürfen. ({9}) - Wir sprechen jetzt über die Probleme, und nun gehe ich zum Telegrammstil über. ({10}) Zunächst ist gesagt worden, die Bundeszentrale für Heimatdienst zeige offenbar eine Neigung, nicht mehr so ganz auf dem Pfad der Tugend zu wandeln, wobei der „Pfad der Tugend", auf dem die Bundeszentrale zu wandeln hat, der Pfad der Überparteilichkeit ist. Nun, meine verehrten Damen und Herren: Beispiele her! Belege dafür, Zitate her! Vorwürfe konkretisieren, nicht Befürchtungen in den Raum malen, mit Scheinwerfern an den Himmel malen, sondern Tatsachen her! Tatsachen gibt es keine, wie Sie wissen, und deswegen weise ich diesen Vorwurf gelassen, aber gestützt auf die wirklichen Vorgänge zurück. Sie haben gesagt: Es gibt einen Erlaß vom 12. August 1960. Diesen Erlaß gibt es. In dem Erlaß steht, daß das Bundesministerium des Innern die Bundeszentrale darum bittet, um eine bessere Übersicht über ihre Publikationen zu haben, in Zukunft einen entsprechenden Plan zu machen und Publikationen, bei denen also eine gewisse Prüfung wünschenswert sein kann - die Prüfung nämlich, ob man sie fördern soll oder nicht -, mit entsprechenden Voten vorzulegen, um ein Urteil darüber zu haben, ob man dafür das gute Geld der Steuerzahler ausgeben soll oder ob man es lieber nicht tun soll. Ich habe hier schon mehrfach vorgetragen, was mir vorschwebt. Es liegt etwa in folgender Richtung. Ich bin nicht dafür, daß wir möglichst viel Geld „verkleckern" - um es einmal so auszudrücken -, sondern daß wir uns möglichst auf ein paar Punkte konzentrieren, bei denen der Nutzeffekt möglicherweise größer ist. Mit anderen Worten: nicht ein Dutzend Bücher mäßiger Qualität fördern, sondern lieber ein, zwei wirklich sehr gute. Davon haben Bundesinnenminister Dr. Schröder wir alle mehr, die Schulen, die Lehrer usw. Das liegt auf der Hand. Manches, was im Bundesinnenministerium geschieht - dafür habe ich volles Verständnis; Demokratie braucht Wachsamkeit, und das Kapitol hatte Gänse, um es rechtzeitig zu alarmieren -, wird etwas überbesorgt angesehen. Ich lasse mich gern sozusagen aus den Schriften widerlegen; dagegen ist nichts einzuwenden. Aber ich habe es nicht sehr gerne, wenn man einen unbegründeten Verdacht äußert, weil man sagt: Die Richtung paßt mir nicht. Es ist nicht fair, so anzugreifen. Ich habe damals dem Kuratorium gesagt, wir würden uns nach einigen Monaten darüber unterhalten, ob dieser Erlaß die Leistungsfähigkeit dieser Institution gesteigert hat oder nicht. Hat er die Leistungsfähigkeit nicht gesteigert, kommen wir vielleicht auf einen neuen Gedanken. Wir sind ja keine alten, festgefahrenen, einseitigen Menschen, sondern wir sind dem Fortschritt, der Neuerung, dem Experiment aufgeschlossen. Ich bin also der Meinung, daß wir noch gar kein endgültiges Rezept dafür haben, wie wir die staatsbürgerliche Arbeit am besten leisten. Wir können da einmal die Akzente verschieben, die Methoden wechseln, und es ist ganz klar, daß wir gerade die jüngere Generation nicht überfüttern dürfen, um sie nicht abzustumpfen - leider gibt es schon gewisse Anzeichen dafür , sondern wir müssen in den Methoden beweglich sein.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Lohmar?

Dr. Gerhard Schröder (Minister:in)

Politiker ID: 11002077

Bitte schön!

Dr. Ulrich Lohmar (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001370, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Bundesminister, wie erklären Sie sich - um noch einmal auf den Erlaß zurückzukommen - die von den Landeszentralen für Heimatdienst einmütig zum Ausdruck gebrachte Auffassung, daß mit Ihrem Erlaß die Gefahr einer - sagen wir - Schrumpfung der überparteilichen Grundlage der Bundeszentrale für Heimatdienst gegeben sei?

Dr. Gerhard Schröder (Minister:in)

Politiker ID: 11002077

Das ist ganz leicht zu erklären, Herr Kollege Lohmar: unbegründete Besorgnis! Dafür gilt, was ich gerade gesagt habe: An ihren Taten sollt ihr sie erkennen, nicht an euren Vorurteilen messen! Ich bin also gern bereit, mich diesem Test zu stellen; das wird auch gegenüber dem Kuratorium geschehen. Ich darf Ihnen sagen, Herr Kollege Lohmar: ich habe bisher nicht ein einziges. kritisches Wort über irgendeine der in der Zwischenzeit herausgekommenen Publikationen der Bundeszentrale gehört, kein kritisches Wort von irgendeinem Mitglied des Kuratoriums. Das ist, glaube ich, für mich ein ganz schönes Alibi. Dieses Alibi wird sich bis zu den Landeszentralen herumsprechen, selbst wenn es etwas länger dauert; aber ich bin da ganz getrost. Dann haben Sie etwas gesagt, was natürlich ein Ausdruck Ihrer Politik ist. Sie haben einen Akzent auf Personalien gelegt und vor einer parteipolitischen Verengung - ich glaube, diesen Ausdruck haben Sie gebraucht - gewarnt. Meine Damen und Herren, ich neige nicht zu einer parteipolitischen Verengung. Ich bin ein Anhänger eines Prinzips, das den Versuch macht, die qualifiziertesten Leute nach den unparteilichsten und objektivsten Methoden für bestimmte Arbeitsplätze auszuwählen. Das gefällt auch meinen eigenen politischen Freunden nicht immer sehr. Ich halte also nichts von der Patronage auf der Basis des Parteibuches, weil man damit im öffentlichen Dienst - wie ich meine Aufgabe sehe - im Grunde sehr schlecht fährt. Denn wenn wir uns Leute engagieren, deren Leistung hinter dem zurückbleibt, was erwartet wird, können wir uns nicht damit entschuldigen, daß wir ja einen Parteienproporz gewahrt hätten, und wir können dann nicht bitten, so nett zu sein und das anzuerkennen, sondern wir werden dann getadelt. ({0}) - Gleichgültig, welche Art von Proporz. Wir werden getadelt, wenn wir leistungsmäßig nicht das bieten, was man erwarten kann. Ich darf Sie darauf hinweisen, Herr Kollege Lohmar, daß das gar nicht meine Erfindungen sind. Es steht vielmehr schon im Grundgesetz, daß - ich erhebe jetzt keinen Anspruch auf genaues zitieren - ohne Ansehen der Haut- oder der Haarfarbe, des Glaubens, der Abstammung, der politischen Anschauung usw, nur das Gesetz, nur die Unparteilichkeit gelten soll. Wenn das im Grundgesetz steht, dann soll man mich, den man immer darauf anspricht, daß ich das Grundgesetz peinlichst zu hüten habe, doch nicht in diese Art von Versuchung bringen, daß man mir nahelegt: Könntest du nicht doch vielleicht etwas parteipolitische Gesichtspunkte geltend machen? Ich sage Ihnen, daß bis heute - ich spreche von meiner Amtszeit - nicht eine einzige Anstellung bei der Bundeszentrale für Heimatdienst unter parteipolitischen Gesichtspunkten erfolgt ist, nicht eine einzige, und dabei wollen wir auch bleiben. Wenn von irgendeiner Seite des Hohen Hauses besonders geeignete und qualifizierte Leute vorgeschlagen werden, so haben diese den Test mit anderen geeigneten Bewerbern auszuhalten. Solche Stellen haben wir in der letzten Zeit bereits ausgeschrieben; ich denke gerade an einen ganz bestimmten Fall. Wir werden das auch weiter tun, und wir werden uns bemühen, wirklich auf eine qualitative Auslese zu sehen und nicht eine mehr oder minder versteckte parteipolitische Sortierung vorzunehmen. Denn auf die Dauer würde das dieser Arbeit nicht dienen. Dort muß ohne jedes Vorurteil und ohne jede Voreingenommenheit gearbeitet werden können. Eine gewisse Ausnahme gilt, wie Sie wissen, bei der Herausgabe der Zeitung „Das Parlament". Da hat man sich darauf verständigt, daß beide Seiten des Hohen Hauses die Redaktion bilden sollten. Gleichgültig, ob ich es für richtig halte oder nicht, das ist eine Sache, die wir durchgehalten haben und weiter durchhalten werden. Aber man soll nicht die Berücksichtigung parteipolitischer Gesichtpunkte an den Minister heranbringen, wenn er nach dem Grundgesetz geradezu gehalten ist, das nicht zu tun. Bundesinnenminister Dr. Schröder Das bringt mich zu dem zweiten, dem Ost-West-Institut; ich darf diesen abgekürzten Arbeitstitel einmal verwenden. Auch da haben Sie Bedenken hinsichtlich der Personalien erhoben. Ich will Ihnen nur mal die Namen der vier Professoren nennen, die jetzt dorthin in ein Direktorium berufen werden. Das ist der Professor Boris Meissner aus Kiel - wie Sie zugeben werden, einer der hervorragendsten Kenner dieses Feldes -, das ist der Professor Thalheim aus Berlin, der mir als ähnlich qualifiziert geschildert wird, das ist Professor Stökel aus Köln, und das ist der Professor Pater Wetter aus Rom, der ohne Zweifel einer der hervorragendsten Kenner des dialektischen Materialismus ist, wie in aller Welt anerkannt wird. Wenn wir uns also in einer Zusammenarbeit mit diesen vier Männern zunächst eine vorläufige Arbeitsbasis geschaffen haben, dann haben wir, glaube ich, alles getan, was wir tun konnten, und ein weites Feld, von Berlin bis Rom - um nur nach den Orten zu gehen -, abgesteckt. Wenn sich das nicht als genügend erweist, dann können Ergänzungen und Veränderungen vorgenommen werden. Bitte nehmen Sie das nicht als Ewigkeitslösung! Wir müssen hier schnell und zügig zur Arbeit kommen. Ich glaube, deswegen brauchen wir auch keinen größeren Beirat. Vier Professoren reichen zunächst aus, um diese Arbeit in angemessener Weise anlaufen zu lassen. Nun zu einem der nächsten Kinder der Bundesregierung und speziell meines Ressorts, der Kommission zur Beratung der Bundesregierung in Fragen der politischen Bildung. Sie haben getadelt, es habe etwas lange gedauert, bis wir diese Kommission zusammengebracht hätten. Nun, wenn Sie zwölf Männer für eine solche Arbeit aussuchen und dabei in der Tat vielerlei Aspekte berücksichtigen müssen, um eben nicht einseitig zu sein, dann dauert es eine gewisse Zeit. Sie haben nur einen herausgegriffen, und dazu werde ich gleich zwei Worte sagen. Wenn Sie sich die Herren wirklich einmal ansehen und wenn Sie darauf achten, wer von den Herren in der Emigration war - einer davon steht mir persönlich sehr nahe; es ist zufällig einer der hervorragendsten deutschen Historiker -, dann werden Sie nicht sagen, daß wir dort irgendeine Art von ungleicher Behandlung gewählt hätten. Wir haben vielmehr den Versuch gemacht, die hervorragendsten Leute, die bereit waren mitzumachen, dafür zusammenzubringen, und das wird jeder sagen, der sich unvoreingenommen die Qualifikation und den Lebenslauf der Betreffenden ansieht. Kritik haben Sie geäußert am Professor Peters, und davon bin ich überrascht. Professor Peters ist, wie Sie wissen, nicht mehr Professor in Berlin, sondern in Köln. Er ist Präsident der Görresgesellschaft und ein weithin außerordentlich geachteter Mann. Den Vorfall, den Sie geschildert haben, kann man nach einer bloßen Schilderung sicherlich nicht abschließend beurteilen. Aber wenn jemand geglaubt hat - ich will einmal nach Ihrer Schilderung die für mich nächstliegende positive Auslegung wählen -, so lange wie möglich an der Humboldt-Universität in Berlin als einer Institution festhalten zu sollen, einer Universität, an der ich selbst studiert habe, dann habe ich dafür sehr viel Verständnis, muß es auch politisch nicht richtig gewesen sein, aus der Perspektive von heute betrachtet. Wenn man aber 1948 der Meinung war, es sei wünschenswert, diese leuchtende Universität möglichst erhalten zu können, auch in unserem Sinne aufrecht erhalten zu können, dann ist das doch nicht etwas, glaube ich, was einen solchen Tadel rechtfertigt wie den, den Sie gerade angebracht haben. Ich möchte mich also in aller Form und mit allem Nachdruck vor Professor Peters als ein Mitglied dieser Kommission stellen. ({1}) Nun kommt der nächste Punkt: die Korporationen! Auch hier darf ich mir erlauben, an das Grundgesetz zu erinnern. Vor rund zwei Jahren - bitte, legen Sie mich nicht genau auf das Datum fest - sind gewisse, für die Korporationen einengende Bestimmungen im Bundesjugendplan usw. gefallen. Ich habe in dieser Hinsicht zum erstenmal das Vergnügen, sozusagen Arm in Arm mit meinem Freund und Kollegen Wuermeling in Erscheinung zu treten, was gerade in diesem Falle doch von einer besonderen Delikatesse ist. Kurz und gut, er ist zuständig für den Bundesjugendplan. Ich habe davon überhaupt nur den Teil, der sich auf die Studenten bezieht. Ich bin also in dieser Sache, wenn Sie so wollen, eine Art Untermieter bei ihm. Diese einengenden Bestimmungen für die Korporationen sind weggefallen; es sind aber noch gar keine Bewilligungen da. Die Korporationen sind alle in der Lage, auf der Basis dieser Vorschriften um Unterstützung gewisser Vorhaben zu bitten. Meine verehrten Damen und Herren! Welche Art von Test soll hier angelegt werden? Ich will Ihnen sagen, zu welcher Art von Test ich allein berechtigt bin. Ich bin allein berechtigt zu einem doppelten Test, nämlich a) : Entspricht dieser Antrag den gesetzlichen Bestimmungen, die ich mir aber nicht ausdenke, sondern die mehr oder weniger hier gemacht werden? Test b) lautet: Stehen die betreffenden Antragsteller auf dem Boden des Grundgesetzes oder nicht? Das ist der einzig zulässige Test. Es wird überhaupt nicht danach gefragt, was mir gefällt oder nicht, sondern es wird gefragt: Stehen Sie auf ,dem Boden des Grundgesetzes? Meine Damen und Herren! Ich habe gewisse Schwierigkeiten auf diesem Gebiet einmal mit dem sozialistischen Studentenbund gehabt. Herr Lohmar, das war gerade, als Sie den Vorsitz niedergelegt und den berühmten Aufsatz geschrieben hatten. Sie erinnern sich, damals - es war vor Ihrem Eintritt in den Bundestag - hat es schon einmal eine gewisse Debatte gegeben, die sich um Ihre schriftstellerische Arbeit von damals rankte. Nun gut, welcher Test wurde damals angelegt? Damals wurde ein Test angelegt - ich will mich jetzt vorsichtig ausdrücken -, der nachträglich noch eine ganz gute Rechtfertigung hatte, aber nicht Ihrer Person wegen, sondern weil sich doch offensichtlich in diesem sozialistischen Studentenbereich eine Scheidung der Geister ergeben hat, bei der die einen Geister nach ultra-links gingen und sich die anderen wieder auf den Boden der rechten Lehre der Sozialdemokratischen Partei und damit auf den Boden des Grundgesetzes stellten. Bundesinnenminister Dr. Schröder Kurz und gut, ich habe also schon einmal die Randerscheinungen links kennengelernt. Seien Sie sicher, ich werde mit ebenso großem Interesse auch die Randerscheinungen rechts, wenn sie sich irgendwo herausstellen sollten, sehen und entsprechend handeln. Nach links und nach rechts wacht unparteiisch allein das Auge ,des Grundgesetzes. Ich bitte, mich auch hier durch Tatsachen und Fakten zu widerlegen, aber bitte nicht auf der Basis von Vorurteilen. Ich hatte gedacht, der Kollege Dresbach würde in der Lage sein, ,dieses Problem der Korporationen etwas zu beleuchten. ({2}) - Ich weiß es. Ich habe ihn vorher angesprochen, und er hat mir gesagt: „Da habe ich schon einen Brief an die ,Frankfurter Allgemeine Zeitung geschrieben". - Ich habe gesagt, das sei sehr schade. ({3}) - Mit der Bundesarmenkasse, das ist nicht ganz geglückt in dem Brief des Herrn Kollegen Dresbach. Nur, meine Damen und Herren, um das klarzustellen: Hier empfängt niemand etwas aus einer Armenkasse. Es wäre sehr schädlich, diejenigen, die hier eine Unterstützung für staatsbürgerliche Bildungsarbeit erfahren, etwa als die Empfänger von Leistungen aus einer Armenkasse hinzustellen. Im Gegenteil, wir müssen uns in dieser Frage eher ein bißchen wie die Mäzene vorkommen, bescheidene Mäzene natürlich, aber doch nicht wie Verteiler von Armengeldern. Das möchte ich weder den sozialistischen Studenten noch irgendwelchen Korporationen zumuten. Ich glaube, Sie können mir zustimmen - und ich würde Sie eigentlich bitten, mir zuzustimmen -: Der Boden des Grundgesetzes ist alleiniger Test für die Möglichkeiten des Handelns der Regierung! Noch kürzer zum Wissenschaftsrat! Ich kann völlig unterstützen, was Sie gesagt haben. Die Bundesregierung hat dem Wissenschaftsrat gedankt, und sie wird alles tun, unterstützt und zum Teil geradezu angetrieben durch das Hohe Haus, die Arbeiten des Wissenschafsrates auch in die Wirklichkeit umzusetzen. Förderung der gesamtdeutschen Forschung! Das ist ein Anliegen, das wir ebenso haben und unterstützen wie Sie. Schließlich noch ein letztes Wort zur Dokumentationszentrale! Herr Kollege Lohmar, Sie haben gesagt: Im Januar schrieb der Minister einen Brief. Wir sind zwei Monate weiter. Was kann er mitteilen? - Er kann etwas mitteilen, nämlich: Die MaxPlanck-Gesellschaft hat sich bereit erklärt, dieses Dokumentationszentrum einzurichten. Wenn Sie „Max-Planck-Gesellschaft" hören, werden Sie wissen, daß sich diese Sache in besten Händen befindet. ({4})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Was Wort hat Herr Dr. Stoltenberg.

Dr. Gerhard Stoltenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002259, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ausführungen des Kollegen Lohmar kann man im Grunde in zwei Teile aufgliedern. Sie bestanden einmal aus polemischen Äußerungen an die Adresse des Innenministers, bestimmt von dem Bemühen, ihm einen einseitigen Ermessensmißbrauch oder die Tendenz zur Verengung der Meinungsfreiheit nachzuweisen. Sie bestanden zum zweiten aus einer Reihe von sachlichen Bemerkungen zu aktuellen Fragen der Kulturpolitik, sachlichen, allerdings auch sehr ausführlichen Bemerkungen. Ich werde versuchen, mit der gebotenen Kürze vor allem zu diesem zweiten Teil etwas zu sagen. Zum ersten Teil möchte ich, anknüpfend an die Ausführungen des Herrn Innenministers, nur bemerken, daß mir die Beispiele für diese Thesen nicht sehr eindrucksvoll und nicht sehr durchschlagend erscheinen. Wenn dem Innenminister in einer Gesamtbewertung seiner Tätigkeit in diesen Jahren nicht mehr vorzuhalten ist als das, was hier gesagt wurde, braucht uns, glaube ich, für den Grundsatz der Meinungsfreiheit und der Unabhängigkeit der Geschäftsführung im Bereich der Wissenschafs- oder Kulturpolitik nicht bange zu sein. ({0}) Ich möchte - in Ergänzung der Ausführungen des Ministers selbst - nur noch auf einen Punkt eingehen. Ich bin etwas überrascht, Herr Kollege Lohmar, daß Sie hier unter Hinweis auf eine Äußerung aus dem Kreise der Kultusminister-Konferenz die Ansicht vertreten haben, es sei unzweckmäßig, das Ost-West-Institut vom Grundsatz der wissenschaftlichen Unabhängigkeit aus in der Form einer Wissenschaftlichen Bundesanstalt zu organisieren. Ich glaube, diesen Grundsatz kann man nicht anerkennen. Wir haben im Bereich der Bundesrepublik eine Reihe von Beispielen dafür, daß sehr angesehene wissenschaftliche Institutionen in einer langen Tradition - schon vom Reich her - als Bundesanstalten wissenschaftlich hervorragend arbeiten. Es ist eine Fülle an Beispielen dafür aufzuführen. Ich wende mich deshalb gegen die These - auch wenn sie aus dem Kreise der Kultusminister-Konferenz laut geworden ist -, daß es nicht legitim sei, solche Aufgaben, an denen der Bund auch für seine eigene politische Arbeit ein unmittelbares Interesse hat, von Institutionen in der Organisationsform einer Bundesanstalt wahrnehmen zu lassen. Aus der Fülle der Probleme, die Sie im zweiten Teil Ihrer Ausführungen angeschnitten haben, darf ich hier nur einige wenige Punkte berühren. In Bekräftigung dessen, was Herr Minister Schröder hier schon sagte, möchte auch ich meinen Eindruck wiedergeben, daß Ihr Manuskript offenbar bereits vor der Lektüre des Karlsruher Urteils ausgearbeitet worden ist. Ich glaube, man kann es wirklich nicht so machen, wie es hier heute von der Opposition praktiziert wurde, daß man im ersten Teil der Debatte mit allem Nachdruck und, wie ich durchaus verstehe, unter dem Gesichtspunkt des Fernsehurteils mit voller Genugtuung die Pflicht der Bundesregierung postuliert, alle Konsequenzen aus die8372 sem Urteil zu ziehen, und daß man dann die sehr bedeutsamen Ausführungen zur Verfassungssituation und zur Verantwortung im Bereich der Kulturpolitik hier praktisch in einer einstündigen Rede negiert. ({1}) Ich möchte damit nicht den Standpunkt vertreten, daß abrupte Konsequenzen daraus gezogen werden sollten. Ich meine aber schon, daß man die vom Bund eingeleiteten Maßnahmen, die übernommenen Verpflichtungen des Bundes, die weitergehenden Planungen und die Forderungen. die auf den Bund zukommen, doch einmal unter dem Gesichtspunkt der verfassungsmäßigen Zuständigkeit betrachten muß, wie er in diesen Formulierungen seinen Ausdruck findet. ({2}) Es sind zwei Gesichtspunkte. Der eine ist die Rechtssituation, die Verfassungssituation, wie sie in diesem Urteil formuliert wurde. Der zweite aber, was wir in einer Haushaltsdebatte zusätzlich zu betonen haben, ist die Entwicklung des Verhältnisses der Finanzkraft zwischen Bund und Ländern, wie sie vor allen Dingen in den letzten zwei Jahren deutlich erkennbar geworden ist. Wir dürfen in einer solchen Betrachtung nicht übersehen, daß sich die Steuereinnahmen der Länder gegenüber dem vorigen Jahr um 20 % erhöht haben, daß die steigende Kurve der Ländereinnahmen weit über das Ausmaß dessen hinausgeht, was der Bund an Mehreinnahmen zu verzeichnen hat, und daß die Länder heute in einem ganz anderen Maße als vor drei, vier Jahren, als wir die großen Debatten über Wissenschaft und Forschung mit den ersten konkreten Beschlüssen eröffneten, in der Lage sind, wesentliche Aufgaben selbst zu lösen. Im Lichte solcher Tatsachen muß man die Einzelprobleme betrachten. Der Bund hat auf Grund gemeinsamer Beschlüsse dieses Hohen Hauses seit etwa vier Jahren eine Reihe von Aufgaben übernommen, die an sich außerhalb seiner verfassungsmäßigen Kompetenz liegen, ({3}) und zwar durchaus auf Grund des unmittelbaren Notstandes für Wissenschaft, Forschung und kulturelle Aufgaben, den es damals zweifellos auch von der finanziellen und materiellen Seite her gegeben hat. Wir betonen gemeinsam mit Ihnen, daß selbst nach diesem Urteil gewisse begrenzte Kompetenzen und Verpflichtungen bleiben, etwa im Bereich der überregionalen Forschung, wo das Grundgesetz sie ausdrücklich postuliert. Wir meinen allerdings, daß dieser Bereich der Bundesverantwortung nicht nur finanziell, sondern auch politisch-administrativ noch stärker verankert werden muß, als es gegenwärtig der Fall ist. ({4}) Andererseits wollen wir aber doch in eine nüchterne Prüfung im einzelnen eintreten, wie sich nun die Verantwortlichkeiten auf Grund der finanziellen Entwicklung und auch der Verfassungsinterpretation begrenzen. Es ist bisher - das muß man einmal sehr deutlich in einer solchen Diskussion sagen - doch die Praxis der interessierten Verbände, zum Teil auch der Ressortminister der Länder und die Praxis der Oppositon in diesem Hause, unterstützt durch einen Teil der Publizistik, gewesen, die finanzielle Verantwortung des Bundes praktisch unbegrenzt zu postulieren und zu strapazieren, ohne Rücksicht auf die parlamentarische, verwaltungsmäßige Zuständigkeit nach der Verfassung und der Verfassungswirklichkeit. ({5}) Wir müssen uns darüber im klaren sein, daß wir in Zukunft Verpflichtungen dort tatkräftig übernehmen, aber auch nur dort, wo wir das Recht der vollen Mitgestaltung nach der Verfassung im Einvernehmen mit den Ländern haben, nicht nur, so möchte ich betonen, über Verwaltungsgremien, sondern auch von seiten des Parlaments. Welche praktischen Folgerungen ergeben sich hieraus? Ich glaube, es wird für den Bund in Zukunft vier Schwerpunkte seiner Betätigung im Bereich des Kulturellen und der wissenschaftlichen Forschung geben, wobei ich das Thema der auswärtigen Kulturpolitik nicht in diese Betrachtung einbeziehe. Diese vier Schwerpunkte sind erstens die Fortsetzung des Aufbaus der wissenschaftlichen Hochschulen nach den hier von uns gemeinsam vertretenen Grundsätzen - ich darf auf die Entschließung des Bundestages vom vergangenen Sommer verweisen -, zweitens nach der Verfassung die Förderung der freien überregionalen Forschungsinstitutionen, drittens in einer begrenzten Zuständigkeit des Bundes einiges aus dem weiten Bereich der Ausbildunghilfen ({6}) und viertens einige gesamtdeutsche Aufgaben im kulturellen Bereich, wie sie sich vor allem im Haushalt des Gesamtdeutschen Ministeriums niederschlagen. Das große Ausbauprogramm der Universitäten, um jetzt einiges zu Punkt 1 zu sagen, geht bereits in das dritte Jahr. Auch das muß einmal betont werden. Bereits bevor die Gesamtempfehlung des Wissenschaftsrates vorlag, die wir genauso würdigen und schätzen wie Sie, hat der Staat - Bund und Länder gemeinsam - diese Aufgabe in Angriff genommen. Wir haben im vergangenen Sommer hier gemeinsam beschlossen, daß wir in den nächsten fünf Jahren vom Bund eine Milliarde DM für diese Aufgabe zur Verfügung stellen wollen. Dazu kommen, wie Sie wissen, Sondermittel aus dem Atomhaushalt und aus anderen Einzelplänen. Dieser Beschluß des Bundestages soll in einem Verwaltungsabkommen, über das noch verhandelt wird, festgelegt werden. Nun müssen wir uns allerdings darüber im klaren sein, daß nach den Empfehlungen des Wissenschaftsrates und auch auf Grund der Entwicklung der Baupreise über diese zwei Milliarden hinaus ein zusätzlicher Betrag bereits heute erkennbar ist. Ich möchte hier auch im Namen meiner Freunde eines sehr deutlich betonen: Wir müssen von den Ländern erwarten, daß sie diesen zusätzlichen Bedarf auf Grund ihrer gesteigerten Finanzkraft und auch der durch das jüngste Gerichtsurteil erneut bekräftigten Eigenverantwortung selber decken, daß sie bereit sind, höhere Ansätze, als sie noch vor ein, zwei Jahren vorgesehen waren, hierfür zur Verfügung zu stellen und daß nicht wieder in der öffentlichen Diskussion und in dem Verlangen der Ressortminister der Bund für einen solchen Mehrbedarf haftbar gemacht werden kann. ({7}) Aus diesem Grunde haben wir in Bekräftigung eines bereits im Vorjahr gefaßten Beschlusses im Haushaltsausschuß eine Entscheidung herbeigeführt, daß die Bundesmittel konzentriert für die Bauvorhaben und die Erstausstattung verwendet werden sollen und daß die Länder von uns aufgefordert werden, die Vorleistung - etwa in der Form der Grunderwerbs- und Aufschließungkosten - als eine zusätzliche Leistung für die Wissenschaft aus eigener Kraft zu erbringen. Das bedeutet in seiner Auswirkung mehr Mittel für die Wissenschaft. Es bedeutet aber auch eine erhöhte Eigenverantwor tung im Finanziellen. In der Öffentlichkeit wird auf Grund der Empfehlung des Wissenschaftsrates die Frage neuer Hochschulen und Universitäten diskutiert. Wir haben im letzten Sommer hier erklärt, daß der Bund bereit ist, dafür einen gewissen Beitrag ins Auge zu fassen. Wir haben auf die Möglichkeit verwiesen, etwa Mittel aus der Volkswagenprivatisierung als Darlehen den Ländern zur Verfügung zu stellen; in welcher Größenordnung, ist dabei offengeblieben. Ich möchte aber im Hinblick auf einige Verlautbarungen der letzten Wochen und einige Zeitungsartikel und Kommentare betonen, daß es eine völlige Illusion ist, anzunehmen, der Bund werde in einer Größenordnung von über 50 % zusätzlich zu den beschlossenen Mitteln hier erneute Lasten auf sich nehmen. Das entspricht weder der Verfassung noch der Finanzkraft. ({8}) Zum zweiten Punkt, der überregionalen Forschung, kann ich mich auf einige kurze Bemerkungen beschränken. Hier ist eine klare Bundeskompetenz gegeben. Aber sie ist dem Bund durch Jahre hindurch von den Ländern bestritten worden. Eine gewisse Klärung zeichnet sich jetzt durch das Verwaltungsabkommen ab, dessen Abschluß wir demnächst erwarten und dem wir bereits bei der Bemessung der diesjährigen Haushaltsansätze Rechnung getragen haben. Wir gehen dabei von einer Steigerung der Bundesleistungen auf 50 % der Ausgaben für die überregionalen Forschungsinstitute -Max-Planck-Gesellschaft und Deutsche Forschungsgemeinschaft - aus. Wir sind dazu bereit, aber wir möchten hier deutlich betonen, daß die erhöhte Leistung, wie sie von den Ländern gewünscht wird, auch eine verstärkte Mitwirkung bedeuten muß, und zwar nicht nur im Bereich der Verwaltung, sondern auch im Bereich des Parlaments. Das dritte Thema, das hier durch Anträge aufgeworfen worden ist, über die wir zu entscheiden haben, ist die Frage der Ausbildungsbeihilfe. Wir diskutieren dieses Thema heute und auch sonst vor allem unter dem Gesichtspunkt der Studienförderung. Wir haben fast jedes Jahr darüber Debatten gehabt, die sich in den Argumentationen oft wiederholt haben. Wir sind dazu bereit, diese Diskussion fortzusetzen. Ich möchte aber betonen, daß wir die Studienförderung an den wissenschaftlichen Hochschulen, für die wir im Haushalt eine Mitverantwortung übernommen haben, nicht isoliert sehen können, sondern daß wir sie im Zusammenhang mit der Entwicklung an den nichtwissenschaftlichen Hochschulen, an den Fachschulen und auch im Bereich anderer Ausbildungswege in der gewerblichen Wirtschaft betrachten müssen. Es geht nicht an, in einem gut organisierten publizistischen und politischen Druck nur diesen Bereich zu betrachten und hier die Ansätze durch immer neue Forderungen erhöhen zu wollen, ohne eine Relation, ohne eine Einbeziehung anderer gleichwertiger, wenn auch nicht gleichartiger Ausbildungsgänge. Dieser Grundsatz einer gleichwertigen Förderung der verschiedenen Ausbildungsgänge muß im Vordergrund stehen. Nun handelt es sich hier, wie gesagt, teilweise um eine gemeinsame Aufgabe von Bund und Ländern, etwa in der Förderung nach dem Honnefer Modell. Aber daneben steht eine reine Zuständigkeit der Länder im Bereich der nichtwissenschaftlichen Hochschulen und der Fachschulen. Deshalb das möchten wir auch zu den vorliegenden Anträgen betonen - kann eine grundlegende Veränderung im System, etwa in der Bemessungsgrundlage, wie Sie sie wünschen, nur im Einvernehmen mit den Ländern, nur parallel an den wissenschaftlichen und nichtwissenschaftlichen Hochschulen erfolgen. Schon deshalb ist uns eine einseitige Zustimmung, auf Kosten des Bundes eine 25prozentige Anhebung der Bemessungsgrundlage vorzunehmen, nicht möglich. Wir werden die Vorschläge der Regierung abwerten müssen, in welcher Form auf Grund der Lebenshaltungskosten eine Änderung wünschenswert erscheint; Vorschläge, die nur im Einvernehmen mit den Ländern erfolgen können. Wir beantragen nun, statt dessen im Rahmen des jetzt gewählten Ansatzes die Aufnahme eines Sonderprogramms für Studenten aus mittleren Einkommensgruppen durch eine Darlehnsförderung. Hier ist sie möglich - ich möchte das im Gegensatz zu der von Ihnen zitierten Stellungnahme des Verbandes Deutscher Studentenschaften sagen -, weil wir hier nach den Erfahrungen und Möglichkeiten von einem stärkeren Anteil der Familie ausgehen können und die staatliche Hilfe also wirklich nur eine Ergänzung darzustellen braucht. Infolgedessen scheint mir eine Verschuldung in unzumutbarem Umfang nicht zu befürchten zu sein. Ich spreche, Herr Kollege Lohmar, nicht aus der Theorie. Ich habe genau wie Sie auch in den fünfziger Jahren studiert, also in einer noch überschaubaren Zeitspanne, und habe selbst in meinen letzten zwei, drei Studiensemestern ein Darlehen aufgenommen, um vom Werkstudententum herunterzukommen; ich habe das niemals als eine unzumutbare Verschuldung empfunden. Das ist eine alte Forderung unserer Fraktion, die wir in den Haushaltsberatungen wiederholt erhoben haben, und wir stehen auch - das möchte ich betonen - bei diesen Gedanken absolut in Übereinstimmung mit den Vorschlägen des Deutschen Studentenwerks, also zweifellos einer sehr erfahrenen Institution mit einer großen sachlichen Autorität in dieser Hinsicht. ({9}) - Dann haben Sie die Stellungnahme des Deutschen Studentenwerks nicht gelesen. ({10}) Sie unterscheidet sich nur in der Höhe der Ansätze von uns, nicht dem Grunde nach. ({11}) - Darüber können wir noch diskutieren. Ich bin bereit, Ihnen die Stellungnahme vorzutragen. Der Ansatz in der Regierungs- und Ausschußvorlage ist gegenüber dem Vorjahre bereits um mehr als 20 Millionen erhöht. In diesem Betrag ist zweifellos nach den jüngsten Schätzungen eine gewisse Reserve vorhanden. Sollten die Berechnungen einen Mehrbedarf auf Grund der Richtlinienänderung, die wir vorschlagen, ergeben, dann erwarten wir eine Vorlage der Regierung bis zur Sommerpause, in der über den zusätzlichen Bedarf Auskunft gegeben wird und über die Möglichkeit, ihn durch Minderausgaben bei anderen Titeln zu decken. Ich komme zum Schluß. Der Bund leistet einen sachlich und finanziell bedeutsamen Beitrag für die Aufgaben von Wissenschaft und Forschung, die Aufgaben der Förderung, der Ausbildung, der gesamtdeutschen Repräsentation im Bereich der Kultur. Dieser Beitrag ist zahlenmäßig von Jahr zu Jahr gewachsen. Aber die verfassungspolitische Situation ebenso wie die sachlichen Notwendigkeiten und die finanzielle Gesamtentwicklung bei Bund und Ländern machen es erforderlich, daß wir noch deutlicher als bisher zu einer klaren Schwerpunktbildung und damit auch zu einer sachlichen Begrenzung der Bundesleistungen kommen. Als zweites muß betont werden, daß in der heutigen Diskussion über die Fragen der Entwicklung von Wissenschaft und Forschung, des gesamten kulturellen Lebens, im Gegensatz zur Zeit vor drei, vier Jahren nicht mehr die Finanzfragen der kritische oder entscheidende Punkt sind. Es geht heute gerade auch in den ernst zu nehmenden Debatten der wissenschaftlichen Institutionen selbst, nachdem die Finanzierung dem Grunde nach gesichert ist, in zunehmendem Maße um die ungleich schwierigeren Probleme der organisatorischen und auch spezifisch geistigen, wissenschaftlichen Entwicklung selbst, der Stellung der wissenschaftlichen Institutionen in einer sich stark wandelnden Gesellschaft. Diese Aufgabe zu meistern kann, gerade vom Grundsatz der Freiheit der Wissenschaft her, nur in begrenztem Umfange Aufgabe des Staates sein. Soweit aber hier der Staat mitzuwirken hat, bekennen wir uns zu dieser Verantwortung. ({12})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat Frau Dr. Lüders.

Dr. Dr. h. c. Marie Elisabeth Lüders (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001391, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren und vor allem Sie, Herr Bundesminister! Ich habe heute die große Freude, einen ganz besonderen Vertrauensausdruck Ihnen gegenüber vorzutragen. Sie gehören ja zu den wenigen Herren nicht nur in der Verwaltung, sondern auch weit darüber hinaus, die, wie mir scheint, tatsächlich von der Notwendigkeit überzeugt sind, daß Frauen als Mitarbeiterinnen in der Verwaltung, überhaupt in allen Bereichen auch des öffentlichen Lebens vollkommen unentbehrlich sind. Sie haben diese Auffassung immer wieder öffentlich vorgetragen und ich muß sagen, das ist mir immer eine ganz besondere Freude gewesen. Ich weiß nicht, ob und inwieweit Sie nun vielleicht in der Lage sind, auf einigen Gebieten Ihren Einfluß dahin geltend zu machen - obschon es sich in der Hauptsache um Landesfragen handelt -, daß zum Beispiel bei den Universitäten weit mehr dafür Sorge getragen wird, daß Frauen als Dozentinnen, und zwar mit Aufstiegsmöglichkeiten, eingesetzt werden. Wir wissen sehr genau, daß eine große Anzahl von Dozenturen sehr zum Schaden der Lernenden nicht besetzt sind. Wir wissen aber auch - nicht nur ich, sondern sicher auch Sie -, daß man, milde ausgedrückt, überall zögernd darin ist, Frauen Dozenturen zu übertragen. Es geht zwar nicht immer so weit, daß, wie es neulich in einer nahegelegenen Universität passiert ist, der Leiter einer Abteilung in der Universität es beanstandete, als eine sehr qualifizierte Frau dazu berufen werden sollte, die Prüfungsaufgaben der Studierenden zu überwachen, und dieser Professor dann meinte: Aber nein, es ist doch vollkommen unmöglich, daß eine Frau die Studenten bei der Abfassung ihrer Arbeiten überwacht; das kann doch nur ein Mann sein! Nun, das ist eine etwas merkwürdige Auffassung. Da auch aus Ihrem Etat, Herr Minister, große Summen für die Förderung der Studenten, für den Ausbau der Universitäten und der Institute zur Verfügung gestellt werden, wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie vielleicht doch die Möglichkeit fänden, die Universitäten einmal darauf aufmerksam zu machen, daß sie ganz gewiß eine Anzahl von Dozenturen durch sehr bewährte und begabte Frauen besetzen könnten. Zwei andere Fragen möchte ich noch anschneiden und Sie um Förderung bitten. Das eine ist die Bekämpfung der erschreckend steigenden Suchtgefahren Tabak und Alkohol. Ich brauche dazu nichts weiter zu sagen. Ich bin kein vereidigter Abstinenzler - ich trinke keinen Alkohol, und zwar deshalb nicht, weil er mir nicht bekommt - und auch kein vereidigter Nichtraucher, ganz einfach, weil mir der Qualm an den Augen unangenehm ist. Aber die Vorgänge, die dort von der Wissenschaft festgestellt werden, sind doch wohl erschreckend und geben zu denken. Ich glaube, daß Ihre Gesundheitsabteilung Wesentliches zu einer Förderung der Bekämpfung der Suchtgefahren beitragen könnte. Ebenfalls macht uns die Zunahme von Mißbildungen bei Geburten Sorgen. Sie wissen ja, daß Sie schon 1958, glaube ich, auf einen Antrag hin einen Bericht oder eine Stellungnahme über den Einfluß der Radioaktivität auf Mißbildungen zugesagt haben. Ein anderes Gebiet, bei dem ich Sie bitten möchte, auch einmal Ihren Einfluß mit geltend zu machen, ist die ebenfalls erschreckende Zunahme der Berufskrankheiten unter den Frauen, mit der Folge vorzeitiger Invalidität, insbesondere bei den Hunderttausenden von Verkäuferinnen, bei Stenotypistinnen und in ähnlichen Berufen. Die Folge ist ein großer Ausfall an arbeitsfähigen Kräften, und wir haben ja einen solchen Mangel an brauchbaren Arbeitskräften, daß es mir wirklich ein Raubbau zu sein scheint, wenn wir nicht versuchen, dieser Krankheiten besser als bisher Herr zu werden, und vor allen Dingen nicht dahin wirken, daß die erschreckende Zunahme der Frühinvalidität nicht noch weiter anhält. Es handelt sich ja nicht nur um den Ausfall von Arbeitskräften, es handelt sich auch um eine erhebliche finanzielle Belastung der Steuerzahler durch die Versorgung dieser vorzeitig invalidisierten Personen. Ich glaube, wir haben allen Anlaß, hier sehr aufmerksam zu sein. Das gilt auch für die in der Landwirtschaft tätigen Frauen, die dort gesundheitlich überaus gefährdet sind; auch hier würde ich bitten, vielleicht von Ihrem Ressort aus mitzuwirken. ({0})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Herr Bundesinnenminister.

Dr. Gerhard Schröder (Minister:in)

Politiker ID: 11002077

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte der verehrten Frau Kollegin Dr. Lüders kurz antworten. Das Anliegen, das sie an erster Stelle erwähnt hat, nämlich mehr Betätigungsmöglichkeiten für Frauen an den Universitäten, bei Dozenturen usw. zu schaffen, ist, wie sie selbst bereits richtig gesagt hat, in erster Linie eine Sache der Länder. Aber das, was wir tun können, um auf diese Dinge vielleicht einen mehr oder weniger indirekten Einfluß zu nehmen, wollen wir gern versuchen. Ich stimme in der Beurteilung der Notwendigkeit mit meiner Frau Vorrednerin völlig überein. Das gleiche gilt für die Frage der Bekämpfung der Suchtgefahren, der Untersuchung über Mißbildungen bei Geburten und schließlich der Bekämpfung der Berufskrankheiten der Frauen. Lassen Sie mich zu dem vorletzten Punkt - Mißbildungen bei Geburten - etwas sagen. Das Hohe Haus wird sich daran erinnern, daß wir einmal eine Untersuchung auf diesem Felde vorgelegt haben. Wir werden bemüht sein, diese Untersuchung zu erweitern. Selbstverständlich lassen sich statistisch einigermaßen überzeugende Ergebnisse und Unterlagen erst über einen längeren Zeitraum hin schaffen. Wir sind aber dabei, das zu tun, und werden dem Hause zu gegebener Zeit erneut eine solche Ubersicht vorlegen. Was über die Berufskrankheiten der Frauen gesagt worden ist, möchte ich ebenfalls voll und ganz unterstützen. Unsere Gesundheitsabteilung nimmt sich in Verbindung mit dem Bundesgesundheitsrat gerade dieses Problems sehr an, und ich hoffe, daß wir, soweit es in unseren Möglichkeiten liegt, auch hier Vorschläge machen und Abhilfe schaffen können.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Zu dem Änderungsantrag Umdruck 790 Ziffer 2 meldet sich niemand mehr zu Wort? - Es ist offenbar so. Dann kommen wir zur Abstimmung. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen will, gebe das Handzeichen. ({0}) - Umdruck 790 Ziffer 2; dem Antrag, über den wir seit mehr als einer Stunde verhandeln, was wir offenbar alle bemerkt haben. ({1}) - Gegenprobe! - Ich muß bitten, die Abstimmung durch Erheben von den Sitzen zu wiederholen. Wer für den Antrag ist, erhebe sich. - Gegenprobe! - Es ist unklar; wir müssen einen Hammelsprung machen. Meine Damen und Herren, ich kann kein Ergebnis der Abstimmung bekanntgeben; das Haus ist nicht beschlußfähig. Ich berufe die nächste Sitzung des Bundestages ein auf morgen vormittag 9 Uhr. Die Tagesordnung ist bekannt. Ich schließe die heutige Sitzung.