Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Eine amtliche Mitteilung wird ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Herr Bundesminister des Innern hat unter dem 21. Februar 1961 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betr. Übertragung von Aufgaben auf das Bundesverwaltungsamt - Drucksache 2465 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 2548 verteilt.
Wir behandeln heute den Punkt 25 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes zur Verbesserung der wirtschaftlichen Sicherung der Arbeiter im Krankheitsfalle ({0}). .
Herr Abgeordneter Horn hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die deutsche Öffentlichkeit hat in den letzten Wochen das Faktum zur Kenntnis genommen, daß der Sozialpolitische Ausschuß dieses Hauses seine Beratungen über die Gesetzentwürfe zur Neuordnung der gesetzlichen Krankenversicherung eingestellt hat und sie auch in dieser restlichen Legislaturperiode nicht mehr aufnehmen wird. Diese Tatsache beinhaltet, daß damit nicht nur die Regierungsvorlage eine weitere Beratung nicht mehr erfährt. Meine politischen Freunde sind der Auffassung, daß beide Gesetzentwürfe, die dem Ausschuß vorliegen oder vorlagen, notwendigerweise einheitlich in der Gesamtschau der Dinge beurteilt werden müssen. Der Inhalt dieser Regierungsvorlage ist als Ganzes so ineinander verflochten, daß man nicht Teile oder einen Teil herausnehmen und erledigen kann oder sollte. Wenn man schon die Beratungen darüber einstellt, kann man es nur im ganzen tun. Das nur als kurze Vorbemerkung.
Die Debatte des heutigen Nachmittags wird sich ohne Zweifel auf die ganze Breite der Probleme erstrecken. Ich kann für die CDU/CSU-Fraktion schon zu Beginn dieser Erörterungen nur sagen: Wir sehen unsere Verantwortung für den Ablauf und die Gestaltung der Dinge durchaus deutlich und klar; und im Lichte dieser Verantwortung habe ich auch soeben diese Vorbemerkungen gemacht. Im übrigen werde ich mich bei meinen weiteren Darlegungen nur auf die Drucksache beziehen und mich mit ihr beschäftigen, die dem Hohen Hause heute nachmittag in erster Lesung vorliegt.
Meine Damen und Herren, die verschiedenen Parteitage der CDU/CSU, vor allen Dingen der CDU, haben sich in den letzten Jahren wiederholt mit dem Problem der wirtschaftlichen Sicherstellung der Arbeiter im Krankheitsfalle beschäftigt. Sie haben sich im Prinzip mit der Frage beschäftigt, daß Arbeiter und Angestellte in bezug auf die Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle gleichgestellt werden sollten. Wir haben das Prinzip immer wieder herausgestellt, gleichzeitig aber auch betont, daß sich die rein arbeitsrechtliche Lösung, die bei einer völligen Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten am Ende in Betracht käme, nach Lage der Dinge nicht auf einmal, mit einer Maßnahme würde durchführen lassen. Deshalb haben wir schon bei dem Gesetzentwurf im Jahre 1957 die gespaltene Lösung, das schrittweise Vorgehen, beim Hohen Hause beantragt und auch zur Annahme gebracht.
Was wir heute tun wollen, ist im Grunde genommen das gleiche. Wir stehen auf dem Standpunkt, daß dem damaligen ersten Schritt ein zweiter beachtlicher Schritt folgen muß. Die Struktur unserer Wirtschaft ist, das wissen wir, äußerst differenziert. Wir haben neben den Groß- und Mittelbetrieben - ich darf sagen: zum Glück - auch eine große Anzahl von Kleinbetrieben. Gerade diese Wirtschaftsstruktur hat zu sehr beachtlichen Erfolgen unserer sozialen Marktwirtschaft geführt; dieser Struktur haben wir letztlich die Erfolge der Marktwirtschaft zu verdanken. Bei allen Gesetzen und bei allen Maßnahmen, die wir hier in diesem Hause treffen, haben wir auf unsere Wirtschaftsordnung Rücksicht zu nehmen. Das gilt nicht zuletzt für die wirtschaftliche Sicherung der Arbeiter im Krankheitsfall. Wir glauben daher, daß wir das Ziel der vollen Angleichung des Rechts der Arbeiter im Krankheitsfall an das der Angestellten nicht mit einem Schritt, bei dem sich die letzten Auswirkungen noch nicht genügend klar überschauen ließen, erreichen können, sondern etappenweise, mit kleineren, dafür aber um so sichereren Schritten vorgehen sollten.
Der Ihnen vorliegende Gesetzentwurf geht daher wiederum von der sogenannten gespaltenen Lösung aus. Er gliedert sich schon rein äußerlich in zwei Teile, einen arbeitsrechtlichen und einen sozialversicherungsrechtlichen Teil. Der arbeitsrechtliche Teil
regelt die Zuschußzahlung des Arbeitgebers. Der sozialversicherungsrechtliche Teil enthält neben den Änderungen der Krankengeldberechnung, die mehr technischer Natur sind, eine weitere wichtige Verbesserung der wirtschaftlichen Sicherung des Arbeiters im Krankheitsfall, nämlich die Beseitigung der Aussteuerung, die Weiterzahlung des Krankengeldes auch nach der sechsten Woche in gleicher Höhe wie in den ersten sechs Wochen der Krankheit und schließlich eine Neuregelung der Karenztage.
Im einzelnen darf ich zu den Paragraphen und Abschnitten der Gesetzesvorlage folgendes sagen:
Wie bisher setzen sich die Krankenbezüge des Arbeiters während der ersten sechs Wochen der Arbeitsunfähigkeit aus dem Krankengeld und dem Arbeitgeberzuschuß zusammen. Der Arbeitgeberzuschuß ist in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen dem Krankengeld und dem vollen Nettoarbeitsentgelt zu leisten. Diesen Grundsatz enthält der Art. 1 Nr. 1 der Vorlage.
Neugefaßt wurde, wie Sie aus der Nr. 2 des Art. 1 ersehen, der § 2 des genannten Gesetzes, der den Begriff des Nettoarbeitsentgelts umschreibt. Die Neufassung ist durch die Methode der Berechnung des Krankengeldes veranlaßt worden. Ich kann es mir an dieser Stelle ersparen, darauf näher einzugehen, werde das aber bei der Begründung der Neufassung des § 182 der Reichsversicherungsordnung, die in der Vorlage vorgesehen ist, zu tun haben.
Nach Art. 1 Nr. 3 soll der § 5 des Krankengeldzuschußgesetzes geändert werden, der den Heimarbeitern und gewissen Hausgewerbetreibenden als Abgeltung des Arbeitgeberzuschusses einen Betrag von 1 v. H. des reinen Arbeitsentgelts zuspricht. Dieser Betrag soll nach der Vorlage auf 1,5 v. H. erhöht werden und entspricht damit in etwa der Verbesserung, die dem Arbeiter durch die Erhöhung von 90 auf 100 % des Nettoarbeitsentgelts in dieser Gesetzesvorlage gewährt wird.
Schließlich soll der § 7 redaktionell geändert werden. Dies ist in Nr. 4 des Art. 1 vorgesehen. Durch die Änderung soll klargestellt werden, daß dasselbe, was nach § 4 der Anordnung zur Vereinheitlichung der Erziehungsbeihilfen und sonstigen Leistungen an Lehrlinge und Anlernlinge in der privaten Wirtschaft gilt, auch für die Lehrlinge und Anlernlinge im öffentlichen Dienst gelten soll. Soviel zu diesem Teil!
Nun in knappen Darlegungen das Notwendigste zu den versicherungsrechtlichen Bestimmungen der Vorlage! Durch die Änderung der Krankengeldberechnung wird eine Änderung des § 180 der Reichsversicherungsordnung notwendig. Nach der in Art. 2 Nr. 1 unserer Vorlage vorgesehenen Änderung des § 180 der Reichsversicherungsordnung soll künftig der Grundlohn für die Barleistungen mit Ausnahme des Krankengeldes maßgebend sein, also für das Wochengeld, das Stillgeld, das Sterbegeld und natürlich auch für die Berechnung der Beiträge.
Das Krankengeld wird künftig für die gesamte Bezugsdauer 65 v. H. des wegen Arbeitsunfähigkeit entgangenen regelmäßigen Arbeitsentgelts betragen. Der Entwurf verwendet dafür den Begriff des „Regellohns", den ich nachher noch zu erläutern habe. Das Krankengeld erhöht sich nach der Vorlage für Versicherte mit einem Angehörigen um 4 v. H., für jeden weiteren Angehörigen um 3 v. H. dieses Regellohns. Voraussetzung für die Erhöhung des Krankengeldes ist, daß der Angehörige vom Versicherten bisher ganz oder überwiegend unterhalten worden ist und mit ihm in häuslicher Gemeinschaft lebt. Der Höchstbetrag des Krankengeldes beläuft sich auf 75 v. H. des Regellohns.
Zum Begriff des Regellohns kurz folgendes: Wie Ihnen zweifellos bekannt ist, hat der Grundlohn als Bemessungsgrundlage für das Krankengeld bisher zu sozialpolitisch zum Teil recht unerwünschten Ergebnissen geführt, weil nach dem bisher geltenden Recht die Krankenbezüge weit höher, aber auch weit niedriger sein können als der bei regelmäßiger Arbeitszeit erzielte Lohn. Es mag hier dahingestellt bleiben, ob bzw. inwieweit die Behauptungen, die vorwiegend von den Krankenkassen erhoben werden, zutreffen, daß ein hohes, durch Überstunden erzieltes Arbeitsentgelt manchen Versicherten dazu verführt, sich dann krank zu melden, wenn die Überstunden wieder wegfallen. Wir wollen das sicherlich nicht verallgemeinern. Wir werden aber zugeben müssen, daß solche Fälle in der Praxis vorkommen. Wir haben auch gar kein Interesse daran - und es kann auch, glaube ich, ganz allgemein nicht bestritten werden, daß es sozialpolitisch unerwünscht ist -, wenn das Krankengeld oder, besser gesagt, die Krankenbezüge in, was weiß ich, wieviel Fällen höher sind oder höher sein können als das bei normaler Arbeitszeit verdiente Arbeitsentgelt.
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Niemand kann das wollen. Wir wollen durch diese Vorlage auch sicherstellen, daß derartige - wenn Sie den Ausdruck gestatten - „Auswüchse" oder „Mißbräuche" in der Praxis bei der Berechnung der Krankenbezüge für die Zukunft ausgeschaltet werden. Wir werden über diesen Punkt auch im Ausschuß sehr gewissenhaft reden müssen.
Es ist natürlich auch unerwünscht, daß der Kranke, der vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit das Unglück hatte, infolge einer Produktionsflaute oder infolge anderer Umstände im Betrieb gering zu verdienen, nun noch ein ganz geringes Krankengeld oder ganz geringe Bezüge erhält. Gerade diese Unsicherheit über die Höhe des Krankengeldbezuges scheint mir und meinen Freunden ein wesentlicher Unterschied zwischen der Situation des Arbeiters und der des Angestellten zu sein. Der Ihnen vorgelegte Entwurf übernimmt insofern einen Gedanken des Regierungsentwurfs zum Krankenversicherungsneuregelungsgesetz mit dem Ziel, diese Unterschiede durch eine neue Art der Berechnung des Krankengeldes zu vermeiden.
Ich darf diese Art der Berechnung kurz darstellen. Der Berechnung wird das im letzten Lohnabrechnungszeitraum vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit erzielte Entgelt zugrunde gelegt. Dieses Entgelt wird durch die Zahl der Stunden geteilt, für die es geDeutscher Bundestag -- 3. Wahlperiode Horn
zahit wurde. Dabei werden alle Zuschläge, also auch Überstundenzuschläge, selbstverständlich auch Überstundenentgelte, Erschwerniszulagen, Schmutzzulagen usw., was es sonst noch geben mag, eingerechnet. Außer Betracht bleiben lediglich einmalige Zuwendungen, wie z. B. die Weihnachtsgratifikation. Die Überstundenzuschläge fallen nicht etwa unter den Tisch. Sie wirken sich bei der Errechnung des Stundenlohns erhöhend aus. Das ist nicht mehr als recht und billig, weil der Versicherte dafür auch Beiträge zahlt.
Das zu zahlende Krankengeld wird nun dadurch gefunden, daß dieser Stundenlohn, der im Berechnungszeitraum erzielt wurde, mit der Zahl der auf jeden Werktag während der Arbeitsunfähigkeit entfallenden Arbeitsstunden multipliziert wird. Für den Werktag wird dabei ein Sechstel der sich aus dem Inhalt des Arbeitsvertrages ergebenden regelmäßigen wöchentlichen Arbeitsstunden eingesetzt.
Während der Höchstbetrag des Grundlohns auf 22 DM pro Kalendertag festgesetzt war, ist der Höchstbetrag des Regellohns nach unserem Vorschlag auf 25,67 DM festzusetzen. Das Krankengeld - das muß beachtet werden - wird grundsätzlich nur für Werktage und für bezahlte Feiertage gezahlt.
Ich bitte um Entschuldigung, Herr Kollege Horn. Der Herr Kollege Schellenberg möchte eine Frage stellen. Das ist aber nicht zulässig. Erst wenn die Aussprache eröffnet ist, sind Fragen möglich.
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In dem Falle, in dem die FünfTage-Woche eingeführt ist, kann die Satzung der Krankenkasse bestimmen, daß für die Berechnung des Regellohns ein Fünftel der sich aus dem Inhalt des Arbeitsverhältnisses ergebenden regelmäßigen wöchentlichen Arbeitsstunden anzusetzen ist. In diesem Falle erhöht sich der Höchstbetrag des Regellohns auf 30,80 DM. Allerdings ist das Krankengeld dann eben nur für Arbeitstage und bezahlte Feiertage zu zahlen.
Diese Regelung ist - das gebe ich unumwunden zu - um einiges komplizierter als die bisher geltende Grundlohnregelung. Wie aber auf jedem Gebiet, ist es auch in diesem Falle so: für ein Mehr an Gerechtigkeit und an individueller Behandlung muß auch ein gewisses Mehr an Verwaltungsarbeit in Kauf genommen werden. Wenn wir diese Umstellung nun einmal so für richtig halten, kommen wir, auch wenn das von den Männern der Praxis zum Teil bedauert werden mag, an diesen Verwaltungsmaßnahmen und -arbeiten, die damit nun einmal verbunden sind, beim besten Willen nicht vorbei. Bei Versicherten, deren Arbeitsentgelt nach Monaten bemessen ist, bleibt es bei der bisherigen Grundlohnregelung. Dabei muß natürlich entsprechend das Krankengeld, das dann allerdings niedriger ist, für Kalendertage gezahlt werden.
Die von mir dargelegte Neuregelung der Krankengeldberechnung ist in der Änderung des § 182
in den Abs. 4, 5 und 6 - enthalten. Abs. 3 dieses Paragraphen in der Vorlage befaßt sich mit dem leidigen Problem der Karenztage. Auch zu dieser so heftig umstrittenen Frage an dieser Stelle nur wenige Hinweise! Wir haben mit unserer Gesetzesvorlage auch in dieser Beziehung einen wirklich sehr beachtlichen Schritt nach vorne getan. Ich kann an dieser Stelle nur die Hoffnung und die Erwartung aussprechen, daß die Entwicklung der tatsächlichen Verhältnisse, insbesondere des Krankenstandes, das Vertrauen rechtfertigt, das wir mit diesem Vorschlag in den Versicherten setzen. Der Entwurf behält nur noch einen Karenztag bei und auch diesen nur unter gewissen Voraussetzungen. Überhaupt keinen Karenztag gibt es bei Arbeitsunfall, bei Berufskrankheiten und, wie aus Art. 2 Nr. 4 der Vorlage - betreffend § 186 Abs. 1 Satz 1 - hervorgeht, bei Krankenhausbehandlung. Bei Krankenhausbehandlung erfolgt Krankengeldzahlung bzw. Übernahme der Kosten ab sofort ohne Karenztage. Ein Karenztag kann sich, muß sich aber nicht unbedingt daraus ergeben, daß das Krankengeld von dem Tage an gezahlt wird, der auf den Tag folgt, an dem die Arbeitsunfähigkeit festgestellt wird. Der Versicherte, der während des Arbeitstages oder nach der Arbeit erkrankt, zum Arzt geht und seine Arbeitsunfähigkeit feststellen läßt, braucht keinen Karenztag hinzunehmen. Für den, der vor Beginn seiner Arbeit zum Arzt geht, kommt der Karenztag allerdings in Frage; er entfällt aber, wenn die Arbeitsunfähigkeit z. B. am Samstag oder Sonntag beginnt bzw. festgestellt wird.
Meine Freunde haben es für richtig gehalten, die Lösung des Problems der Karenztage schrittweise vorzunehmen und zunächst einmal die Erfahrungen abzuwarten, die in der Praxis gesammelt werden. Sollte sich diese Regelung bewähren, so werden meine politischen Freunde nicht zögern - das darf ich schon an dieser Stelle erklären -, auch den restlichen Karenztag zu beseitigen, falls sich nicht bis dahin überhaupt andere Möglichkeiten der wirtschaftlichen Sicherung der Arbeiter im Krankheitsfall ergeben sollten. Es ist wie die ganze Vorlage - ich wiederhole das - ein zweiter, ein weiterer Schritt in Richtung auf das Ziel.
Ich muß aber noch auf eine weitere wichtige Verbesserung hinweisen. Unsere Vorlage sieht auch die Beseitigung der Aussteuerung vor. Durch eine Änderung des § 183 RVO wird erreicht, daß Krankengeld grundsätzlich ohne zeitliche Begrenzung gezahlt wird. Lediglich in dem Falle, daß die Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit innerhalb von drei Jahren 78 Wochen dauert, tritt ein Ende der Krankengeldzahlung ein. Zur sogenannten Aussteuerung wird ,es aber auch in diesem Falle nicht kommen, weil der Anschluß an die Leistungen der Rentenversicherung sichergestellt ist. Der Anspruch auf Krankengeld endet, wenn der Versicherte wieder arbeitsfähig ist - das ist selbstverständlich - oder wenn infolge seiner Erwerbsunfähigkeit oder wegen Alters die Rentenversicherung mit ihren Leistungen einzutreten hat. Die Krankenkasse muß dann aber Krankengeld weiterzahlen, solange der
Versicherte seine Rente tatsächlich erhält. Wird die Rente nachgezahlt, so soll dem Versicherten das bis dahin gezahlte Krankengeld auch dann verbleiben, wenn es höher als die Rente ist. Der Anspruch auf die Rente geht in diesem Fall - das ist nur natürlich - auf die Krankenkasse über. Sollte ausnahmsweise, meine Damen und Herren, der Fall eintreten, daß der Betrag der Rente das Krankengeld übersteigt, so bleibt dem Versicherten der überschießende Betrag erhalten. Es gibt keine Rückforderung der Kasse.
Anders ist allerdings die Regelung, wenn der Versicherte während des Bezugs von Krankengeld Rente wegen Berufsunfähigkeit oder Bergmannsrente nach § 48 Nr. 1 des Reichsknappschaftsgesetzes erhält. Hier ist davon auszugehen, daß der Versicherte nicht endgültig aus dem Erwerbsleben ausscheidet. Seine Rente stellt keinen vollen, sondern nur einen teilweisen Lohnersatz dar. Das Krankengeld muß in diesen Fällen weitergezahlt, aber so weit gekürzt werden, wie die Berufsunfähigkeitsrente die Funktion des Lohnersatzes erfüllt.
Der Grundsatz, meine Damen und Herren, der in § 183 Abs. 5 aufgestellt ist, daß nämlich der Anspruch auf Krankengeld ruht, solange von einem Träger der Rentenversicherung Übergangsgeld gezahlt wird, bedarf wohl keiner näheren Begründung. Er versteht sich ziemlich von selbst.
Nun zum Abs. 6 noch einige Bemerkungen. Wenn man von der Systematik der verschiedenen Versicherungszweige ausgeht, liegt Arbeitsunfähigkeit im versicherungsrechtlichen Sinn dann nicht mehr vor, wenn Erwerbsunfähigkeit eingetreten ist. Entsprechendes gilt, wenn die Voraussetzungen für den Bezug des Altersruhegeldes erfüllt sind. Hier liegt kein Risiko mehr vor, für dessen Absicherung die Krankenversicherung zuständig wäre. Bei der großzügig bemessenen Dauer des Krankengeldbezuges von 78 Wochen und bei der Gesamthöhe, die der Entwurf bis zu 75 % vorsieht, muß auch aus finanziellen Erwägungen - ich glaube, dem wird niemand widersprechen - darauf geachtet werden, daß die Krankenkassen nicht zugunsten anderer Versicherungsträger in einer unangemessenen Weise zusätzlich belastet werden. Die Kasse kann daher den Versicherten nach unserem Vorschlag anhalten, seinen Rentenantrag beim Rentenversicherungsträger zu stellen. Stellt 'er den Antrag, dann hat er Anspruch auf das Krankengeld, bis seine Rente bewilligt ist. Stellt er den Antrag dagegen nicht, dann soll der Anspruch auf Krankengeld nach Ablauf von vier Wochen - nach Fristsetzung - entfallen.
Die Beseitigung der Aussteuerung in bezug auf die Krankenhauspflege ergibt sich aus der Vorschrift des Verbesserungserlasses vom 3. November 1943, der Krankenhauspflege unter den gleichen Voraussetzungen und von der gleichen Dauer wie Krankengeld zubilligt.
Zu den restlichen Bestimmungen der Vorlage ist nicht mehr viel zu erläutern. Die Nummern 5 und 6 enthalten lediglich notwendig gewordene redaktionelle Änderungen. Art. 3 enthält Übergangsvorschriften, die die Berechnung und Zahlung des Krankengeldes und des Arbeitgeberzuschusses für die Fälle regeln, in denen bei Inkrafttreten dieses Gesetzes Arbeitsunfähigkeit besteht. Schließlich stellt Art. 4 sicher, daß das Gesetz auch in Berlin Geltung hat. Als sein Inkraftsetzungstermin ist nach Art. 5 der Erste des auf ,die Verkündung folgenden Monats vorgesehen.
Soviel als Begründung und Erläuterung zu dem Ihnen vorliegenden Gesetzentwurf.
Ich darf abschließend noch folgendes bemerken. Wir hätten, wenn die Neuregelung der gesetzlichen Krankenversicherung in ihrem ganzen Umfang durchgeführt worden wäre, die Frage der Verbesserung der Leistungen an Arbeiter im Krankheitsfalle im Zusammenhang damit gelöst. Es ist aber keine Frage, die dem Grunde nach oder als solche eine der Neuregelung der Krankenversicherung notwendig zugehörige wäre. Es handelt sich in der Tat ja auch um eine Verbesserung des Gesetzes über die wirtschaftliche Sicherung der Arbeiter im Krankheitsfall vom Jahre 1957, und es ist, ich kann es nur immer wieder sagen, ein zweiter Schritt auf dem Weg hin zum Ziele. Die Bestimmungen über die Aussteuerung, die wir in die Vorlage mit hineingenommen haben, halten wir keineswegs etwa für eine Rosine aus dem Gesetzentwurf zur Neuregelung der Krankenversicherung, sondern für eine der Sache und der Natur nach zur wirtschaftlichen Sicherung der Arbeiter im Krankheitsfalle notwendige Maßnahme.
Ich darf schon an dieser Stelle, am Schluß meiner Begründung, bitten, daß Sie ,dem Antrag folgen, die Vorlage an den Sozialpolitischen Ausschuß zu überweisen. Die CDU/CSU-Fraktion ist gewillt, die Beratung dieses Gesetzentwurfs im Sozialpolitischen Ausschuß sofort in Angriff zu nehmen, wenn die Novelle zum Gesetz über die Altershilfe für Landwirte erledigt ist. Das sollte uns allen gleichermaßen am Herzen liegen. Wir sollten deshalb auch gemeinsam alles tun, um sowohl die Novelle zum Gesetz über die Altershilfe für Landwirte als auch anschließend diese Vorlage im Ausschuß zügig zu beraten, damit sie vom Hohen Hause rechtzeitig in zweiter und dritter Lesung verabschiedet werden kann.
({0})
Der Gesetzesantrag ist begründet.
Ich darf darauf hinweisen, daß der Ältestenrat die Ausschüsse für Arbeit und für Mittelstandsfragen als mitberatend vorgesehen hat. Ich darf bitten, im Rahmen der Diskussion auf diesen Vorschlag einzugehen.
Ich ,eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem Abgeordneten Dr. Schellenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wer heute hier zum erstenmal auf der Tribüne des Hauses sitzt und die Ausführungen des Herrn Kollegen Horn gehört hat, der hat sicher den Eindruck gewonnen, es habe ein Ministerialrat des Bundesarbeitsministeriums geDr. Schellenberg
sprochen und nicht der sozialpolitische Sprecher der größten Fraktion dieses Hauses. Wir haben volles Verständnis dafür, daß Herr Kollege Horn für seine Fraktion den Eindruck zu erwecken versucht, daß es sich bei diesem Gesetzentwurf um die Regelung sehr interessanter sozialtechnischer Details handelt, und daß die CDU/CSU nicht gern politisch-grundsätzlich über die Zusammenhänge, die zu diesem Gesetzentwurf geführt haben, diskutieren möchte. Leider können wir der CDU/CSU nicht den Gefallen tun, auf diesen Wunsch einzugehen.
({0})
- Nein, nein! Ich werde Ihnen sehr viele lehrreiche Dinge zu sagen haben.
({1})
Meine Damen und Herren, wir werden Sie im Laufe des heutigen Nachmittags noch ermuntern, sich zu einigen grundsätzlichen Fragen so oder so zu bekennen. Denn ich glaube, es entspricht nicht der Bedeutung der Frage, die wir zu erörtern haben, daß wir hier eine Rede, die sich mit Detailfragen beschäftigt, entgegennehmen, durch die doch praktisch Ihre politische Hilflosigkeit in den Fragen, die zu erörtern sind, demonstriert wird.
({2})
Meine Damen und Herren, der Schritt, zu dem Sie durch die Vorlage dieses Gesetzentwurfes gezwungen sind, ist ein Dokument des Scheiterns Ihrer sozialpolitischen Vorstellungen in dieser Legislaturperiode.
({3})
Die unglückselige Entwicklung in bezug auf die Reform der Krankenversicherung begann vor neun Jahren, als Sie am 21. Februar 1952 den Antrag der sozialdemokratischen Fraktion auf Einsetzung einer unabhängigen Studienkommission, die die Grundlagen für eine Sozialreform erarbeiten sollte, in überheblicher Weise ablehnten. Damit waren schon die Weichen falsch gestellt, und das ist eine Ursache für das Durcheinander, in das wir in dieser Legislaturperiode hineingeraten sind, weil es nämlich unterlassen wurde, zuerst die Grundlagen für eine Sozialreform und damit auch für eine Krankenversicherungsreform zu klären.
({4})
Zu Beginn dieser Legislaturperiode hat der Herr Bundeskanzler bekanntlich in der Regierungserklärung eine Neuordnung der Krankenversicherung und der Unfallversicherung versprochen. Dabei hat er erklärt, daß die Folgerungen aus der veränderten gesellschaftlichen Struktur unseres Volkes gezogen werden sollten. Der Herr Bundeskanzler hat ein solches Versprechen abgegeben, obwohl inzwischen offenkundig geworden ist, daß innerhalb der CDU/CSU in keiner Weise die Voraussetzungen zur Lösung derartiger gesellschaftspolitischer Aufgaben und sozialpolitischer Fragen vorhanden waren. Offenbar sind diese Voraussetzungen auch bis heute nicht eingetreten.
Das hat die Bundesregierung und die CDU nicht daran gehindert, eine rege Propaganda für die
Krankenversicherungsreform zu entfalten. Aus öffentlichen Mitteln sind nicht weniger als vier Flugschriften finanziert worden: „Wer soll das bezahlen?" hieß die erste Schrift, „Ärzte fordern" - fordern! - „Selbstbeteiligung", „Kampf um die Krankenversicherung", und „Hilfe allen Kranken".
({5})
- Gut, ich werde Ihnen gleich antworten. Wir alle wissen heute, daß es, anstatt die Öffentlichkeit mit Propagandaschriften zu überfluten, wichtiger gewesen wäre, erst einmal die CDU/CSU-Fraktion von den Plänen der Bundesregierung zu überzeugen.
({6})
Das hätte der Öffentlichkeit nicht unerhebliche finanzielle Mittel erspart, und wir hier in diesem Hause hätten uns sinnvolleren Aufgaben widmen können, als ein volles Jahr in sinnlos gewordener Arbeit verbringen zu müssen.
({7})
Durch die Vorlage des Gesetzentwurfs, den wir heute zu beraten haben, wird de facto vom Plenum der Regierungsentwurf von der Tagesordnung abgesetzt. Es läge sehr nahe, das Hin und Her der Auseinandersetzungen um diesen Regierungsentwurf hier darzulegen. Ich will aus zeitlichen Gründen darauf verzichten, Details darzulegen. Diese Dinge werden als ein sehr unrühmliches Kapitel in die deutsche Sozialgeschichte eingehen und die Unfähigkeit der Partei offenbar machen, die die absolute Mehrheit hatte und unfähig war, in einer Legislativperiode auch nur einen Bereich der sozialen Ordnung neu zu gestalten.
({8})
- Wir können uns darüber unterhalten. Dann kommen wir in die Debatte, die wir wollen. Herr Kollege Memmel, ich werde mich sehr freuen, wenn Sie nachher dazu Stellung nehmen. Dann wird das etwas interessanter als bei den Ausführungen des Herrn Horn.
Meine Damen und Herren, ich will heute nur einige Tatbestände aus diesen Auseinandersetzungen um die Reform darlegen, die zur Bewertung des Gesetzentwurfs dienen können, den Sie heute als Ersatzlösung für die Reform einbringen. Nach all dem, was wir erlebt haben - und das muß ich Ihnen aus diesen Auseinandersetzungen darlegen
-, liegt es doch sehr nahe, daß wir einigen Ihrer Vorschläge, die Sie heute einbringen, mit gewisser Skepsis begegnen müssen.
Erstens. Schon bei der ersten Lesung dieses großartig angekündigten Regierungsentwurfs konnten
- Herr Kollege Stingl, ich schaue Sie an - sehr
geschickte Reden doch wohl nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Reform im Grunde, jedenfalls nach der Konzeption der Bundesregierung, schon gescheitert war, bevor wir überhaupt mit der Beratung hier im Hause begonnen hatten. Und dennoch
schloß der Herr Bundesarbeitsminister die Begründung der Regierungsvorlage mit folgender Erklärung:
Ich glaube, daß wir mit dem heutigen Tag den Anfang gemacht haben, auf dem Wege zu einer Sozialreform ein großes Stück fortzuschreiten. Zu der Arbeit, die vor Ihnen liegt, möchte ich Sie beglückwünschen.
({9})
Das Protokoll verzeichnet anhaltenden lebhaften Beifall bei den Regierungsparteien.
({10})
Es sei dahingestellt, ob es sich bei diesem anhaltenden lebhaften Beifall um Zweckoptimismus oder um Ahnungslosigkeit gehandelt hat.
({11})
Die zweite Phase bildeten die Beratungen im Ausschuß. Es ist unbestritten - Herr Kollege Memmel, Sie haben zuerst teilweise und nachher ständig an den Beratungen teilgenommen, Sie werden das bestätigen können -, daß beim ersten Durchgang im Ausschuß die CDU/CSU nicht in der Lage war, zu den neuralgischen Punkten der Regierungsvorlage Stellung zu nehmen. Dennoch wurde von der CDU nach Abschluß des ersten Durchgangs beantragt, nunmehr mit den Abstimmungen über alle anderen Punkte unverzüglich zu beginnen. Die sozialdemokratischen Mitglieder haben die Ausschußberatungen verlassen, weil uns Ihre Methode keine sinnvolle Arbeitsmethode zu sein schien. Wir fanden dabei, nachdem wir die Initiative ergriffen hatten, die Unterstützung - zuerst ein bißchen schwankend - der Kollegen der FDP. Nachdem wir den Ausschuß verlassen hatten, schien - schien! - die CDU/CSU endlich zur inneren Klarheit zu kommen.
({12})
Einstimmig beschloß nach diesem Eklat die CDU-Fraktion, den Schwarzen Peter bei der Festlegung der Kostenbeteiligung der Selbstverwaltung der Krankenkassen zuzuschieben. In der offiziellen Fraktionserklärung heißt es wörtlich:
Die gesetzestechnischen Formulierungen dieser Grundsätze werden wir in der Pfingstpause
1960 vorbereiten, so daß der Sozialpolitische Ausschuß des Bundestages sofort bei Wiederaufnahme der parlamentarischen Beratungen die Abstimmungen vornehmen kann.
({13})
Jetzt weiter:
Damit sind alle Spekulationen, die in letzter Zeit über die Uneinigkeit der Fraktion
- der CDU/CSU, muß ich in Klammern sagen in dieser Frage angestellt wurden, gegenstandslos.
So also die offiziellen Erklärungen der Fraktion!
Diese pathetischen Erklärungen haben noch nicht
einmal his zur nächsten Ausschußsitzung Bestand l gehabt.
Im übrigen haben diese niemals verwirklichten, einstimmig gefaßten Beschlüsse der CDU/CSU-Fraktion diese Fraktion keineswegs daran gehindert, kurz darauf geschlossen wiederum - allerdings völlig andere - Beschlüsse zu fassen. Auch sie waren, das müssen wir wohl feststellen, so wenig durchdacht, daß die CDU/CSU-Mitglieder im Sozialpolitischen Ausschuß selbst davon abrückten. Die Sachlage war so, ich glaube, das wird letztlich kein Kollege der CDU/CSU, der im Ausschuß mitgearbeitet hat, bestreiten können - ich erwarte hier nicht eine offene Zustimmung, er wird es sich in seinem stillen Kämmerlein bestätigen -: erst dann, wenn die Sozialdemokraten, bildlich gesprochen, mit der Faust auf den Tisch gehauen haben, kam die CDU/CSU zu Beschlüssen.
({14})
- Bezweifeln Sie das? Da gab es eine nette Story. In einer großen Zeitung, der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung", wurde die Story verbreitet, der Schellenberg sei der beste CDU-Mann, weil er dadurch, daß im Ausschuß Spannungen und Auseinandersetzungen seien, die CDU veranlasse, nun sich zur Einheit zusammenzuschließen.
({15})
Entschuldigen Sie, wenn ich hier so persönlich werde. Aber ich mußte das auf die Zwischenrufe sagen.
Die CDU hat sich dann zusammengefunden zu einstimmigen Beschlüssen, die aber ebensowenig fundiert waren wie die vorhergehenden Beschlüsse. Insofern haben wir, Herr Kollege Memmel, eine „schwere Schuld" auf uns geladen, weil wir Ihre Unsicherheit, um nicht zu sagen, Unfähigkeit, diese Dinge zu meistern, jetzt offenbar gemacht haben. Das ist unser politisches Recht, und ich meine sogar, bei einer so unausgegorenen Sache unsere politische Pflicht gewesen.
Nun ein dritter Tatbestand. Obwohl die CDU/CSU zu keiner einheitlichen Konzeption über die Neugestaltung kam, hat der Herr Bundeskanzler seine Fraktion wiederholt aufgefordert, nun endlich die Reform, die Gesamtreform so oder so zu verabschieden. Auch das muß ich zitieren, um es genau deutlich zu machen. Das ist zum ersten Male geschehen auf dem CDU-Parteitag in Karlsruhe im April 1960, zum zweiten Male am 22. September 1960 vor dem Bundesvorstand der CDU/CSU, zum dritten Male am 20. Oktober in einer Besprechung mit den CDU/CSU-Mitgliedern des Sozialpolitischen Ausschusses - wir mußten die Ausschußsitzung früher schließen, damit die CDU-Mitglieder sich zur Ermahnung zum Herrn Bundeskanzler begeben konnten -, und zum vierten Male ist am 18. November auf dem sogenannten Kleinen Parteitag der CDU im Bonner Bürgerverein die Ermahnung erfolgt. Nach Presseberichten hat der Herr Bundeskanzler erklärt: Nicht die Opposition, sondern die Mehrheit beherrscht das Parlament; ihre Entschließungen müssen unbedingt verwirklicht werden. - Dem kann man zustimmen; nur müssen die Entschlüsse und
Entschließungen dieser Mehrheitsfraktion zuvor wohlüberlegt sein, ehe sie darangehen kann, ihre Mehrheit durchzusetzen, sonst endet die Sache im Fiasko, wie geschehen.
Viertens muß folgendes erwähnt werden. Ungeachtet des Tatbestands, daß bei Beginn der Auseinandersetzungen Ihr Herr Fraktionsvorsitzender die Aktionen der Ärzte als staatsabträglich kennzeichnete, hat der Bundeskanzler mit denselben Repräsentanten der Ärzte in einer späteren Phase schriftliche Vereinbarungen getroffen und das Bundesarbeitsministerium angewiesen, entsprechende Formulierungen, die im Gegensatz zur Regierungsvorlage standen, auszuarbeiten. Wenn auch diese Vereinbarungen heute ad acta gelegt werden, ändert das doch wohl nichts daran, daß das eine verfassungspolitisch umstrittene Methode war.
Nachdem die Arbeiten des Sozialpolitischen Ausschusses wegen dieses Durcheinanders in eine Sackgasse geraten waren, mußte Mitte vergangenen Jahres jedem Einsichtigen klar sein, daß es unmöglich war, eine umfassende Reform in dieser Legislaturperiode zu verabschieden. Mitte vergangenen Jahres gab es nur zwei Möglichkeiten. Die erste war, auf jede gesetzliche Regelung der Krankenversicherung in dieser Legislaturperiode zu verzichten. Zu dieser Auffassung haben sich die Kollegen der FDP im Grundsatz bekannt. Wir hielten und halten diesen Weg nicht für sinnvoll, weil er nach unserer Auffassung mit einer sinnvollen Leistungsgestaltung, auf die die versicherte Bevölkerung schon zu lange wartet, unvereinbar ist.
Die zweite Möglichkeit bestand darin, sich in der Gesetzgebung auf Maßnahmen zu beschränken, die vordringlich sind, und diese noch in der gegenwärtigen Legislaturperiode durchzusetzen. Die sozialdemokratische Fraktion hat sich für diese Konzeption entschieden und einen Gesetzentwurf, der diese vordringlichen Maßnahmen vorsieht, mit einer eingehenden finanziellen Begründung vorgelegt. Niemand wird bestreiten, daß dies ein konstruktiver Beitrag zur Lösung der Krise um die Krankenversicherung war. Obwohl die CDU/CSU selbstverständlich auf Grund ihrer Mehrheit die Möglichkeit gehabt hätte, unseren Entwurf im Ausschuß in vielfältiger Weise zu modifizieren, hat man unseren Vorschlag zur Überwindung der Krise hochmütig abgelehnt. Die CDU hat hier noch bei der ersten Lesung des Gesetzentwurfs entgegen allem Sachverstand die Behauptung gewagt, es könne in dieser Legislaturperiode bei Eifer aller Mitglieder nicht nur eine umfassende Krankenversicherungsreform, sondern auch noch eine umfassende Unfallversicherungsreform verabschiedet werden. Meine Damen und Herren, das war ein sehr uneinsichtiges Verhalten. Sie von der CDU haben dadurch eine schwere Schuld auf sich geladen; denn Sie tragen allein die Verantwortung dafür, daß wir Sozialpolitiker trotz angestrengter Arbeit Monate nutzlos vertan haben und daß andere wichtige Gesetzentwürfe unerledigt bleiben.
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Heute legen Sie nun einen Gesetzentwurf vor, der in den wesentlichen Leistungsfragen sehr erheblich unserem Gesetzentwurf vom Juni 1960, den Sie auf Eis gelegt haben, entspricht.
({17})
- Wir kommen gleich zur fachlichen Auseinandersetzung. Ich möchte mich jetzt nicht über Grundlohn, Regellohn und ähnliche Fragen unterhalten. Herr Ruf, Sie kommen ja nachher zu Wort, und dann werde ich Ihnen darauf antworten.
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Im übrigen ist Ihr Zwischenruf in einem wesentlichen Punkt unrichtig; denn in dem Regierungsentwurf steht nichts von Leistungen zur Verbesserung der wirtschaftlichen Sicherung der Arbeiter im Krankheitsfall. Ich habe auch nichts davon gelesen, daß im Regierungsentwurf eine Beseitigung der Karenztage vorgesehen gewesen ist.
({19})
- Ja, Herr Kollege Stingl, ich habe schon gesagt: Sie haben eine geschickte Rede gehalten. Sie wollen das gern noch einmal hören.
({20})
Maßgebend ist das, was in dem Regierungsentwurf gestanden hat; maßgebend ist das, was hier von den Fraktionen als Gesetzentwurf eingebracht worden ist. Niemand kann bestreiten, daß wir Sozialdemokraten in dem Bestreben, aus der Kalamität hinsichtlich der Reform herauszuhelfen, als erste hier im Hause diese Verbesserungen am 21. Juni 1960 vorgeschlagen haben. Niemand kann das bestreiten. Heute müssen Sie mit der Einbringung Ihres Gesetzentwurfs offiziell das Scheitern der Regierungsvorstellungen zugeben. Sie gestehen damit ein, daß kein anderer Ausweg bleibt, als den Weg zu gehen, den wir bereits im Juni 1960 mit einem Gesetzentwurf vorgeschlagen haben,
({21})
nämlich die Regelung dringlicher Fragen im Bereich der Krankenversicherung. Nach all den harten Auseinandersetzungen kann man wohl sagen, daß das ein politischer Erfolg der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion ist.
({22})
- Herr Kollege Horn, ich will Sie beruhigen; wir triumphieren ja nicht;
({23})
denn wir wissen, daß sich kein Wandel Ihrer Auffassungen über die Zusammenhänge vollzogen hat,
({24})
sondern daß Sie nur aus taktischen Gründen kurzfristig klein beigeben wollen.
({25})
Meine Damen und Herren, nur im Hinblick auf die
Wahlen versuchen Sie mit mehr oder weniger Ge8222
schick, sich aus der verfahrenen Lage herauszuwinden.
({26})
Das mag wahltaktisch zweckmäßig sein, aber überzeugend und - gestatten Sie den Ausdruck - besonders glaubwürdig ist ein solches Verhalten nicht. Ich werde Ihnen das noch im einzelnen belegen, damit Sie mir nicht den Vorwurf eines unfairen Verhaltens machen können.
Ich beschäftige mich deshalb jetzt mit den Grundlagen Ihres Gesetzentwurfs. Da ist erstens die Überschrift. Die Überschrift entspricht erstaunlicherweise nicht dem Inhalt, um den es sich handelt. Es ist nämlich im sozialpolitischen Inhalt keine Novelle zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes zur Verbesserung der wirtschaftlichen Sicherung der Arbeiter im Krankheitsfalle. Das wird auch behandelt; aber auf Grund des Gesamtinhalts würde jeder Ministerialbeamte bei der Formulierung der Überschrift die Verpflichtung haben, dem Gesetzentwurf eine andere Überschrift zu geben. Im übrigen wollen Sie sich doch sicher nicht dem Vorwurf aussetzen, daß Sie hier nur die Fragen der wirtschaftlichen Sicherung der Arbeiter regeln und vor der Wahl nicht auch an die Angestellten oder an die Rentner denken. Also, meine Damen und Herren, die Überschrift des Gesetzentwurfs ist unzutreffend.
Sie haben erstaunliche Dinge mit der textlichen Gestaltung gemacht. Nehmen Sie sich einmal den Art. 1 und den Art. 2 vor. Diesen beiden Artikeln haben Sie keine Zwischenüberschrift gegeben. Wenn
Sie das nämlich getan hätten, hätten Sie dem Art. 2 die Zwischenüberschrift geben müssen: „Änderung und Ergänzung der Reichsversicherungsordnung", und dann wäre die Sache, die Sie verschleiern wollen, noch offensichtlicher geworden. Mit den Zwischenüberschriften haben Sie erst bei den Übergangsvorschriften angefangen.
({27})
Also, meine Damen und Herren, das sind doch - entschuldigen Sie - kleine Tricks, mit denen Sie in der Öffentlichkeit den Eindruck zu erwecken versuchen, daß sich Ihr Gesetzentwurf fundamental von dem Vorschaltgesetzentwurf der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion unterscheide. Diese Kniffe - anders kann ich das wirklich nicht bezeichnen - ändern doch nichts daran, daß Ihr Entwurf in den entscheidenden Leistungsfragen dem Gesetzentwurf der SPD entspricht, den Sie sich bisher geweigert haben zur Grundlage der Beratung zu machen.
Ich gebe gern zu, daß Sie in Ihren Entwurf auch einige Punkte des Regierungsentwurfs aufgenommen haben. Das steht freilich ein bißchen im Gegensatz zu dem, was Sie herausstellen wollen. Denn Sie möchten die Linie beziehen und sagen, diese ganze Materie habe nur sehr wenig mit der gescheiterten Krankenversicherungsreform zu tun. Sie wollen durch all diese Dinge den Eindruck erwecken, daß es sich nicht in Wirklichkeit um etwas handle, wofür wir den Ausdruck „Vorschaltgesetz" verwenden, also um einen Entwurf, der in seiner Grundanlage dem der SPD entspricht. Ich meine, wir sollten auf solche Manöver verzichten und uns jetzt endlich der sachlichen Arbeit widmen.
({28})
- Ja, dazu komme ich auch noch!
({29})
-- Meine Damen und Herren, es ist nichts bei der Geschichte herausgekommen. Dafür trägt die Verantwortung - ({30})
- Aber, Herr Kollege Stingl, nun kommen Sie doch nicht mit so billigen Dingen, zu meinen, die Reform sei deshalb gescheitert, weil Ihnen die Sozialdemokraten im Ausschuß beinahe zu jedem Antrag, den Sie eingebracht haben, nachgewiesen haben, daß er wenig überlegt war. Das war doch der Tatbestand!
({31})
- Meine Damen und Herren, Herr Kollege Memmel, ich bin bereit, hier darüber zu sprechen und das klarzustellen.
Was war denn der Knall, mit dem die Beratungen dann platzten. Ihre wenig überlegte Konzeption der Dreiklassenbildung der Versicherten, einstimmig beschlossen von Ihrer Fraktion! Dann haben Sie das Ganze im Ausschuß abgeändert und sind zur Zweiklassenbildung der Versicherten gekommen. Auf unsere Fragen im Ausschuß stellte sich folgendes heraus: In Ihrer „Konzeption" war die Möglichkeit einer unterschiedlichen Honorierung der Ärzte für Versicherte der gleichen Krankenkasse begründet.
({32})
Das hat doch ein Teil Ihrer eigenen Mitglieder noch gar nicht erkannt. Der Herr Regierungsvertreter hat mit viel Geschick versucht, Sie aus der Schwierigkeit herauszubringen, indem er sagte, das werde vertraglichen Verhandlungen überlassen bleiben.
Zerbrochen sind die Ausschußberatungen dann, als sich aus der von Ihnen konzipierten Zweiklassenbildung ergab, daß die Versicherten der gleichen Krankenkasse bei der Verordnung von Arzneien unterschiedlich behandelt werden. Für den Normalversicherten sollte nämlich der Arzt die sogenannten Grundsätze der wirtschaftlichen Verordnungsweise anwenden, während er für die Sonderklasse nicht an die Grundsätze der wirtschaftlichen Verordnungsweise gebunden sein sollte. Meine Damen und Herren, das haben Sie von der CDU vorher nicht erkannt; das haben wir im Zusammenhang mit den Ausschußberatungen offenkundig gemacht. Dann fehlte selbst Ihnen der Mut, den üblichen Antrag auf Schluß der Debatte und Abstimmung zu stellen.
({33})
Das war der Schluß der Beratungen. Jeder wird es bestätigen können.
Deutscher Bundestag - 3. Wahlperiode - 145. Sitzung. Borin, Donnerstag, den 23. Februar 1961 8223
Deshalb ist es sehr unvorsichtig, mich durch Zwischenrufe gewissermaßen zu nötigen, hier Details aus den Ausschußberatungen vorzutragen, wenn ich doch grundsätzlich mit Ihnen diskutieren will.
Nun zu der Aueinandersetzung mit dem Inhalt Ihres Entwurfs im einzelnen. Wir begrüßen es sehr, daß auch Sie sich durch diesen Gesetzentwurf dazu bekennen, in dieser Legislaturperiode Krankengeld und Zuschuß des Arbeitgebers so zu gestalten, daß Krankengeld und Zuschuß zusammen dem vollen Nettolohn entsprechen. Das begrüßen wir. Das entspricht unserem Gesetzentwurf vom Juni 1960 und war im Regierungsentwurf nicht enthalten.
Wenn Herr Kollege Horn vorhin erklärt hat, die Vorlage sei der zweite Schritt in der Weiterentwicklung in bezug auf die wirtschaftliche Sicherung der Arbeiter im Krankheitsfalle, so ist das richtig. Ich muß aber in diesem Zusammenhang sagen, daß die Initiative zum ersten Schritt des Jahres 1957 durch die sozialdemokratische Bundestagsfraktion ergriffen wurde. Denn das Gesetz von 1957 ging auf unseren Entwurf über die Gleichstellung der Arbeiter und Angestellten im Krankheitsfalle aus dem Jahre 1953 zurück. Wir sind froh, jetzt die Bestätigung zu erhalten, daß weitere Schritte zur Gleichstellung getan werden sollen. Aber wenn schon von ersten und zweiten Schritten gesprochen wird, muß klargestellt werden, daß der erste Schritt von den Sozialdemokraten vorgeschlagen und auch der zweite Schritt zuerst von Sozialdemokraten benutzt worden ist, nämlich durch unseren Gesetzentwurf vom 21. Juni 1960. Daran ist nun einmal nicht zu deuteln. Sie von der CDU hätten ja dafür sorgen können, daß die Bundesregierung Entsprechendes in ihren Gesetzentwurf aufnimmt, oder Sie selber hätten einen Entwurf rechtzeitig einbringen müssen.
Wir begrüßen die Weiterentwicklung als bedeutsamen Schritt. Darüber gibt es keine Meinungsverschiedenheit; wir haben sie selber beantragt. Aber wir müssen uns darüber klar sein, daß damit noch keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle verwirklicht ist und daß damit der Antrag meiner Fraktion auf Drucksache 1927, der im Ausschuß liegt, noch nicht erledigt ist. Er besagt:
Die Bundesregierung wird ersucht,
... dem Bundestag den Entwurf eines Gesetzes über die Lohnfortzahlung der Arbeiter im Krankheitsfalle vorzulegen.
Er muß noch erledigt werden.
Nun zu den weiteren Leistungsverbesserungen des Gesetzentwurfs! Die Erhöhung des Krankengeldes, insbesondere bei langdauernder Krankheit, die weitgehende Beseitigung der Aussteuerung, die Verbesserung hinsichtlich der Karenztage, -all diese Regelungen begrüßen wir selbstverständlich, und ich muß wieder hinzufügen: zumal da sie im Inhalt unserem Gesetzentwurf vom Juni 1960 entsprechen.
Allerdings muß ich darauf hinweisen, daß Ihr Vorschlag bezüglich der Karenztage für einen Teil der Arbeiter noch Benachteiligungen enthält. Wir sind der Auffassung, daß die Karenztage in vollem Umfange beseitigt werden müßten. Das ist für uns nicht nur eine wirtschaftliche Frage, sondern eine gesellschaftspolitische Frage der gleichen Behandlung der arbeitenden Menschen im Krankheitsfalle. Es ist geradezu ein moralisches Anliegen.
Ein weiterer Gesichtspunkt! Wir begrüßen es selbstverständlich sehr, daß in Ihrem Vorschaltgesetzentwurf keine Vorschriften über Kostenbeteiligungen irgendwelcher Art enthalten sind. Das begrüßen wir insbesondere deshalb, weil die Kostenbeteiligung eine zentrale Frage der Auseinandersetzung war.
({34})
Meine Damen und Herren, ich darf namens meiner Fraktion erklären, daß wir Ihren vorläufigen Verzicht auf Kostenbeteiligung als einen großen politischen Erfolg derjenigen betrachten, die sich mit allem Nachdruck gegen die Kostenbeteiligung gewandt haben.
({35})
- Herr Kollege Ruf, das hätten Sie nicht sagen sollen! Wenn Ihre Fraktion nicht der Auffassung gewesen wäre, daß der Verzicht auf die Kostenbeteiligung wahlpolitisch sehr wirksam ist, hätte sie die Pläne zur Kostenbeteiligung nicht fallengelassen.
Wir begrüßen es, daß Sie sich für diese Phase von der Kostenbeteiligung distanzieren, um so mehr, als Sie noch im Januar dieses Jahres mit Ihrer Mehrheit im Ausschuß verschiedene Regelungen der Kostenbeteiligung durchgesetzt haben. Es ist deshalb für uns sehr interessant, daß Sie plötzlich - gewissermaßen über Nacht - darauf verzichten wollen, die von Ihnen im Ausschuß beschlossenen Bestimmungen über die Kostenbeteiligung durchzusetzen.
Wir sind erfreut, aber gleichzeitig auch erstaunt über diesen plötzlichen Gesinnungswandel. Offenbar haben Sie eingesehen, daß Kostenbeteiligung nicht populär ist, obwohl Herr Ruf das Gegenteil gesagt hat. Deshalb schien es Ihnen ratsam, vor der Wahl auf eine Kostenbeteiligung zu verzichten.
({36})
- Ach, Herr Kollege Horn, jetzt kommen Sie wieder mit dem kleinen Trick! Sie haben in Art. 2 die Überschrift „Änderung und Ergänzung der Reichsversicherungsordnung" weggelassen. Wer Kostenbeteiligung will, wer sie beschlossen hat und sich zu ihr bekennt, müßte eigentlich auch den § 186 der Regierungsvorlage in die Änderung der RVO aufnehmen und eine Kostenbeteiligung einführen. Das scheint Ihnen aber im Augenblick aus wahlpolitischen Gründen nicht ratsam zu sein.
({37})
Nach all dem, was wir von Ihnen wissen, kann es
wohl nicht zweifelhaft sein, daß Sie eine Kostenbeteiligung in dieser oder jener Form nach der
Wahl durchführen würden, wenn Sie die Möglichkeit dazu erhielten,
({38})
was wir mit allen Kräften verhindern wollen. - Herr Kollege Becker, ich habe mit großem Interesse Ihren Zwischenruf gehört, daß wir dessen sicher sein können, daß Sie die Kostenbeteiligung nach der Wahl einführen;
({39})
das ist für uns außerordentlich interessant.
({40})
- Sie wollen zur Frage der Kostenbeteiligung bis zur Wahl keine Erklärung abgeben?
({41})
Ach, das wollen Sie erst nach der Wahl sagen?
({42})
Ja, meine Damen und Herren, so kann man auch Politik betreiben. Wir halten das aber nicht für aufrichtig. Wir werden Sie vielleicht noch im Laufe der Diskussion oder der weiteren Beratungen zwingen, sich in dieser zentralen Frage, die den Gegenstand der Auseinandersetzung bildet, klar zu Ihrer wirklichen Auffassung zu bekennen.
Nun, meine Damen und Herren, zu einer anderen sehr wichtigen Frage Ihres Gesetzentwurfs. Es ist sehr beachtlich, daß Ihr Entwurf keinen Vorschlag zur Finanzierung der vorgesehenen Leistungsverbesserungen enthält. Herr Kollege Horn hat sich mit vielen Details beschäftigt, die sehr kompliziert und für den Außenstehenden schwer begreiflich sind. Aber ich habe nicht gehört, Herr Kollege Horn, daß Sie eine klare Auskunft über die finanziellen Grundlagen Ihres Gesetzentwurfs gegeben haben. So, meine Damen und Herren, kann man doch wirklich nicht Sozialpolitik betreiben, indem uns hier in der ersten Lesung Detailfragen auf Punkt und Komma erläutert werden und zu der grundsätzlichen Frage, wie ein Leistungsvolumen in der Größenordnung, wie Fachleute schätzen, 500 Millionen DM finanziert werden soll, nicht ein klares Wort gesagt wird. Das halten wir nicht für eine verantwortungsbewußte und solide Politik. Das muß ich Ihnen mit allem Ernst sagen.
({43})
-- Aber, Herr Kollege, ich komme doch gleich noch darauf. Glauben Sie doch nicht, daß ich zur Finanzierung nicht spreche! Sie wissen doch, das ist ein Lieblingsthema von mir.
({44})
Meine Damen und Herren, da Sie keine Finanzierungsvorschläge für die Leistungsverbesserungen
durch die Änderung von Vorschriften der RVO
machen, führt dieser Teil Ihres Gesetzentwurfs zwangsläufig zu einer Erhöhung der Beiträge.
Das drängt mir einen Vergleich auf. Sie haben im Laufe der Auseinandersetzung - ich erwähnte es vorhin schon - einmal vorgeschlagen, den Kassen bei der Kostenbeteiligung den Schwarzen Peter zuzuschieben. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, daß Sie nun hinsichtlich der Finanzierung der Leistungsverbesserungen durch Beitragserhöhungen die gleiche Methode anwenden wollen, indem Sie den Selbstverwaltungsorganen der Kassen die Verantwortung für die Beitragserhöhung zuschieben wollen, damit Sie selber von der politischen Verantwortung für die Finanzierung befreit sind.
({45})
Diesen Eindruck habe ich und muß ihn haben bis zum Beweis des Gegenteils.
({46})
- Man kann die Finanzierung anders gestalten. Ich will es gleich darlegen.
({47})
- Ich komme darauf.
Meine Damen und Herren, im übrigen muß man den Eindruck haben, daß bei Ihren Plänen, die Verbesserungen durch Beitragserhöhungen zu finanzieren, der Gedanke mitgespielt habe, daß eine solche Methode die Vorstufe für eine Kostenbeteiligung sei, die nach der Wahl eingeführt werden könnte.
Deshalb muß ich namens meiner Fraktion sehr deutlich und mit allem Nachdruck betonen, daß klare Finanzverhältnisse zur Sicherung der Leistungsverbesserungen geschaffen werden müssen.
Wir haben in unserem Gesetzentwurf dazu Vorschläge gemacht. Die Vorschläge zielen auf eine Befreiung der Krankenversicherung von den sachfremden Aufgaben ab. Ich will sie ganz kurz in Ihr Gedächtnis zurückrufen.
({48})
- Sie haben sie aber nicht beachtet, Herr Kollege Arndgen, obwohl hinsichtlich der Arbeitsunfälle die Bundesregierung selber bereits in der zweiten Legislaturperiode in ihrem Gesetzentwurf zur Neuregelung der Unfallversicherung das vorgesehen hat, was wir nachher - und dazu bekenne ich mich - in unserem Entwurf eines Vorschaltgesetzes übernommen haben. Bezüglich der Finanzierung haben wir nämlich das übernommen, um es Ihnen zu erschweren, diese Art der Finanzierung abzulehnen. Wir haben also die Konzeption der Bundesregierung der vorigen Legislaturperiode übernommen, damit sie endlich in dieser Legislaturperiode verwirklicht wird.
({49})
- Herr Kollege Arndgen, Sie kennen leider die verschiedenen Entwürfe der Bundesregierung nicht. Ich
meine den Gesetzentwurf der vergangenen Legislaturperiode.
({50})
In dieser Legislaturperiode hat nämlich die Bundesregierung eine schlechtere Finanzierung vorgesehen. Auf diese Basis will ich mich natürlich nicht begeben. Wir wollen, daß Sie sich zu dem bekennen, was die Bundesregierung in der vorigen Legislaturperiode vorgeschlagen hat. Das ist unser Anliegen. Sie werden jedenfalls bei der Erörterung dieses Gesetzentwurfs nicht darum herumkommen, sich zur Frage der Finanzierung und der Erstattung sachfremder Ausgaben durch Abstimmung zu entscheiden.
Wir haben ferner vorgeschlagen, einen Teil der Ausgaben der Wochenhilfe aus Bundesmitteln zu finanzieren, eine Forderung, die überwiegend auch von den Sachverständigen erhoben wird. Im übrigen hat sich dieses Haus wiederholt mit der Frage des Ersatzes dieser Kosten beschäftigt. Wir haben durch einen einstimmigen Beschluß die Bundesregierung beauftragt, baldmöglichst die Frage des Ersatzes der Fremdaufgaben zu überprüfen. Wenn jetzt ein Gesetz zur Änderung der Reichsversicherungsordnung gemacht wird und keine klaren finanziellen Grundlagen vorhanden sind, muß endlich die Frage des Kostenersatzes geregelt werden.
Ich komme in Kürze zum Schluß.
({51})
- Sie haben reichlich Gelegenheit, noch Stellung zu nehmen. Ich bin bei den wirklichen Problemen und nicht bei gesetzestechnischen Einzelheiten, die wir gern mit Ihnen im Ausschuß beraten wollen.
Meine Damen und Herren, erstaunlicherweise ist in dem Teil Ihres Gesetzentwurfes, der die Änderung der Reichsversicherungsordnung betrifft, kein Vorschlag enthalten, die Versicherungspflichtgrenze von 660 DM zu ändern, obwohl doch im Ausschuß bei Beratung der Regierungsvorlage zur Neueregelung der Krankenversicherung beschlossen worden ist, die Versicherungspflichtgrenze und damit die Beitrags- und Leistungsgrenze auf 750 DM zu erhöhen. Es handelt sich hier um eine Frage, die für den überwiegenden Teil der Angestellten und für einen nicht unbeachtlichen Teil der Arbeiter von großer Bedeutung ist, zumal heute schon der überwiegende Teil der männlichen Angestellten ein Einkommen hat, das über der veralteten Versicherungs- und Beitragsgrenze von 660 DM liegt. Der Angestellte muß also seinen Krankenversicherungsbeitrag selbst zahlen, der Anteil des Arbeitgebers entfällt, und bei der Leistungsgewährung wird nicht sein tatsächliches Arbeitseinkommen, sondern ein vermindertes Arbeitseinkommen zugrunde gelegt. Das halten wir sozialpolitisch und vor allen Dingen familienpolitisch - Herr Kollege Winkelheide, ich wende mich da besonders an Sie - für sehr bedenklich. Wir werden Sie deshalb bei der Beratung des Gesetzentwurfs bitten, sich zu den Beschlüssen zu bekennen, die Sie im Ausschuß hinsichtlich der Versicherungspflichtgrenze gefaßt haben.
({52})
Es ist im übrigen auch finanzwirtschaftlich unverständlich, daß Sie zur Frage der Versicherungspflichtgrenze in Ihrem Vorschaltgesetz nicht Stellung genommen haben.
({53})
- Die Überschrift müssen wir sowieso ändern, Herr Memmel. Daran werden wir nicht vorbeikommen, weil man nicht ein Gesetz verabschieden kann, dessen Überschrift mit dem Inhalt in so offensichtlichem Widerspruch steht. Sie als Jurist werden mir das sicherlich bestätigen, Herr Kollege Memmel, ich erhoffe Ihre tatkräftige Mitarbeit dabei, dem Gesetz eine Überschrift zu geben, die dem Sachverhalt entspricht. Diese Überschrift wird der Überschrift sehr ähnlich sein, die die Sozialdemokraten ihrem Gesetzentwurf gegeben haben: Gesetzentwurf über vordringliche Maßnahmen in der gesetzlichen Krankenversicherung. Dann wären wir bezüglich der Überschrift einig, und über den Inhalt werden wir uns dann noch gründlich austauschen.
Aber, meine Damen und Herren, ich will meinen Gedanken weiterführen. Daß Sie die Versicherungspflichtgrenze nicht ändern wollen, ist auch unter finanzwirtschaftlichen Gesichtspunkten bedenklich; denn wir alle wissen, daß eine Erhöhung der Versicherungspflicht- und Beitragsgrenze mit zur Finanzierung der Leistungsverbesserung beitragen kann.
({54})
- Das ist ein Gesichtspunkt, Herr Kollege Ruf. Wenn Sie andere Finanzierungsvorschläge, etwa auf vollen Kostenersatz, haben, werden wir dankbar sein. Eins kommt zum anderen, um eine Finanzierung ohne Beitragserhöhungen sicherzustellen. Darauf kommt es entscheidend an.
Nun noch eine Leistungsfrage. Wir sind erstaunt, daß Sie in dem Abschnitt des Gesetzentwurfs „Änderung und Ergänzung der Reichsversicherungsordnung" - ohne Überschrift - nichts über die Frage der Gewährung eines Rechtsanspruchs auf Krankenhauspflege, über die Verbesserung der Leistungsgestaltung bei der Familienhilfe und über die Frage der Vorsorge gesagt haben. Diese Fragen haben Sie beim Regierungsentwurf als die positiven Seiten betont. Wir haben diese Verbesserungen in unserem Gesetzentwurf beantragt. Wir werden Sie natürlich bitten müssen, im Ausschuß zu diesen Fragen Stellung zu nehmen. Die Frage des Rechtsanspruchs auf Krankenhauspflege und Sicherung des gleichen Rechtsanspruchs auf Familienhilfe hat finanziell, wie wir wissen, erfreulicherweise insgesamt kein sehr bedeutsames Gewicht. Sie ist für den Einzelnen, der von Krankheit betroffen wird, unter Umständen von erheblicher sozialer und familienpolitischer Bedeutung.
Eine Reihe von anderen Leistungsfragen, auf die Herr Kollege Horn eingegangen ist, sind im Entwurf wenig durchdacht. Ich habe den Eindruck, da ist manches in Eile zusammengeschrieben. Das sehen Sie schon, wenn Sie die Überschrift des Art. 1 lesen.
Der erste Abschnitt des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes zur Verbesserung der wirtschaftlichen Sicherung der Arbeiter im Krankheitsfalle ... wird wie folgt geändert und ergänzt.
Das ist doch völlig falsch!
Es gibt auch noch andere Stellen, die übereilt hingeschrieben worden sind. Um einiges zu nennen und zu belegen: Krankengeld für Rentner soll es praktisch nicht geben. Aber die Konsequenz wäre doch dann, daß in § 167 die Versicherungspflicht der Altersrentner geregelt werden muß. Das haben Sie offenbar vergessen, oder Sie wollten nicht so viele Vorschriften aus der Reichsversicherungsordnung hineinbringen, damit nicht der Eindruck entsteht, hier würde die Reichsversicherungsordnung geändert. Es gibt noch andere Punkte: Familienzuschläge beim Hausgeld. Fehler! Die werden wir selbstverständlich korrigieren.
({55})
Dazu sind wir bereit, und das werden wir selbstverständlich im Ausschuß tun.
Meine Damen und Herren, ungeachtet der Skepsis auf Grund der Erfahrungen, die wir bei der Auseinandersetzung über die Neuregelung der Krankenversicherung ein Jahr lang gewonnen haben, möchte ich im Namen meiner Fraktion folgendes erklären. Wir werden alles tun, um den Gesetzentwurf möglichst bald zur Verabschiedung zu bringen. Das ist im Interesse der Menschen, die schon viel zu lange auf die dringend erforderlichen Leistungsverbesserungen warten, unbedingt erforderlich.
Selbstverständlich muß dieser Gesetzentwurf im Ausschuß zusammen mit dem bereits vorliegenden Gesetzentwurf der sozialdemokratischen Fraktion über vordringliche Maßnahmen in der gesetzlichen Krankenversicherung gemeinsam beraten werden, da beide Gesetzentwürfe die gleiche Materie beinhalten.
({56})
- Das wird der Ausschuß entscheiden! Herr Kollege Horn, ich möchte Sie bitten, nun nicht in dem Augenblick, in dem wir erklären, wir sind bereit, alles zu tun, um den Gesetzentwurf beschleunigt zu verabschieden, schon den Ausschußentscheidungen vorzugreifen und zu sagen: Machen wir nicht!
Meine Damen und Herren, Sie haben die Mehrheit, Sie können das beschließen. Dann wird es zu jedem einzelnen der Paragraphen einen Änderungsantrag geben. Aber, meine Damen und Herren, ich appelliere an Sie, daß wir nun endlich im Bereich der Krankenversicherung zu einer Arbeit kommen, die bald sachliche Ergebnisse bringt. Das muß doch die gemeinsame Angelegenheit sein. Deshalb würde ich bitten, nicht schon vor Beginn der Ausschußberatungen sich auf eine sachlich nicht gerechtfertigte Auffassung festzulegen. Es war bisher immer üblich, und wir werden alle politischen Mittel dafür einsetzen, daß ein Ausschuß, wenn zu der gleichen Materie zwei Gesetzentwürfe vorliegen, beide Gesetzentwürfe zur Grundlage seiner Beratung macht. Aber das werden wir im Ausschuß noch klären.
Meine Damen und Herren, das Ziel muß sein, zweierlei zu verwirklichen: einmal die Leistungsverbesserungen, über deren Inhalt wir im einzelnen noch diskutieren werden, und zum anderen die Finanzierung dieser Leistungsverbesserungen ohne Beitragserhöhung, nämlich durch Kostenersatz. Das ist die Aufgabe, die uns für den Rest der Legislaturperiode im Bereich der Krankenversicherung obliegt. Über alle anderen Fragen der zukünftigen Gestaltung der Krankenversicherung wird dann der Wähler entscheiden.
Ich schließe mit dem Umdruck der Erwartung, daß alle Parteien vorher der Öffentlichkeit klar sagen, welche Vorstellungen sie von einer Gesamtreform der Krankenversicherung haben. Die Sozialdemokraten werden das jedenfalls tun.
({57})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Stammberger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Reichskanzler Otto von Bismarck hat einmal folgende Sätze geprägt:
An Grundsätzen hält man solange fest, wie sie nicht auf die Probe gestellt werden. Geschieht das, so wirft man sie fort wie der Bauer die Pantoffeln und läuft, wie einem die Beine gewachsen sind.
Meine Damen und Herren, ich weiß nicht, in welchem Zusammenhang Bismarck das gesagt hat. Aber wenn er eine seherische Gabe hatte, dann hat er damit sicherlich die Bestrebungen der Bundesregierung und der CDU/CSU-Fraktion zur Reform der sozialen Krankenversicherung gemeint.
({0})
- Wenn Sie das bestreiten, dann hätten Sie sich vielleicht auf den heutigen Tag dadurch vorbereiten sollen, daß Sie einmal als eine Art Pflichtlektüre die Debatten nachgelesen hätten, die wir am 17. Februar vorigen Jahres bei der ersten Lesung des Regierungsentwurfs und am 29. September vorigen Jahres bei der ersten Lesung des Vorschaltgesetzes der SPD hier geführt haben. Sie haben am 17. Februar mit Fanfarengeschmetter den Stilwandel in der Sozialpolitik verkündet, und Sie haben diese Fiktion - wenn auch nur noch mit gedämpftem Trommelschlag - am 29. September aufrechterhalten. Und was ist dabei herausgekommen? Bestenfalls ein Scherbenhaufen, die kümmerlichen Reste dieses Reformversuches, die Sie jetzt mit der Fassade eines kleinen Mäuerchens zu verdecken suchen.
Herr Kollege Schellenberg hat Ihnen bereits gesagt: Das ist ein unrühmliches Kapitel in Ihrer parlamentarischen Tätigkeit. Er hat das - wie seine ganze Rede - mit dem genüßlichen Lächeln eines Feinschmeckeres getan, der sich an eine wohlbestellte Tafel setzt, die ihm die CDU/CSU hier bereitet hat. Ich muß gestehen, Herr Kollege Schellenberg, Sie haben reichlich lange und ausdauernd daran gespeist.
({1})
Im Grunde genommen hat aber Herr Kollege Schellenberg in diesem Punkte natürlich recht. Sie sollten dieses unrühmliche Kapitel in Ihrer Tätigkeit mit der Überschrift versehen: Vom Stilwandel zum Wandelstil.
({2})
Sie sollten nun auch nicht in den Fehler verfallen, die Schuld bei anderen zu suchen. Herr Kollege Memmel hat das mit seinen Zurufen bereits getan. Begonnen mit solch einer Art, ich möchte fast sagen „Dolchstoßlegende" hat der Bundeskanzler auf dem kleinen Parteitag der CDU/CSU im November des vorigen Jahres, als er seine Fraktion ermahnte, sich von der Opposition doch nicht abhalten zu lassen, dieses Reformwerk nun endlich zu beenden und das Gesetz zu verkünden. Als ob wir das angesichts Ihrer absoluten Mehrheit in diesem Hause überhaupt könnten!
Meine Damen und Herren, auch jetzt ist in einigen der Regierung wohlwollenden Zeitungen das Märlein aufgetaucht, an diesem Zusammenbruch seien gewisse Einflüsse auch außerhalb des Hauses schuld.
({3})
Aber daß es, Kollege Ruf, zum Scheitern dieser Reform kommen würde, das haben wir Freien Demokraten Ihnen bereits bei der ersten Lesung des Regierungsentwurfs vorausgesagt. Er ist gescheitert aus folgenden Gründen:
Erstens, weil dieser Entwurf in jeder Hinsicht mangelhaft und unüberlegt war;
zweitens, weil dieser Entwurf viel zu spät eingebracht wurde, als daß man der damals bei der ersten Lesung ausgesprochenen Hoffnung des Herrn Bundesarbeitsministers noch hätte entsprechen können, wir könnten aus diesem Entwurf etwas Vernünftiges machen;
zum dritten, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, weil Sie nicht in der Lage gewesen sind, sich auch nur zu einem einzigen Beschluß durchzuringer, der länger Bestand hatte als his zu Ihrer nächsten Arbeitskreis- oder Fraktionssitzung.
({4})
Und wo sind Sie jetzt gelandet? - Klatschen Sie bitte nicht zu früh, meine Herren von der SPD! -Wo sind Sie jetzt gelandet? Sie sind genau auf dem Boden eines „Rosinen-Gesetzes" gelandet, wie Sie es der SPD am 29. September vorigen Jahres bei der ersten Lesung des SPD-Entwurfs vorgeworfen haben. Nichts anderes ist dabei herausgekommen.
Herr Schellenberg hat mit Recht gesagt: „Na, für uns ist es ein gewisser politischer Erfolg." Ob es auch ein Erfolg ist für einen Stilwandel in der Sozialpolitik - den wir vom Grundsatz her begrüßen -, das steht auf einem ganz anderen Blatt.
({5})
Meine Damen und Herren! Das Bedauerliche ist, daß diese jetzt aus dem Zusammenhang gerissenen Einzelfragen, die in Ihrem Vorschaltgesetz hier nun vorgelegt werden, für sich allein betrachtet, gar nicht einmal so unsympathisch sind - das ist ja auch wohl der Sinn Ihres Gesetzentwurfes -, z. B. die Beseitigung der Aussteuerung, gegen die sich natürlich niemand aus guten Gründen wenden kann, und dann, Herr Kollege Horn, das, was Sie als einen „beachtlichen Vorschlag" bezeichnet haben, nämlich der Wegfall der Karenztage. Ich glaube, das Beachtlichste an diesem Ihrem Vorschlag ist doch, daß Sie plötzlich den Vorschlag der FDP aufnehmen, den wir bereits am 11. Dezember 1957 auf der Drucksache 83 diesem Hause vorgelegt haben.
({6})
- Ich irre gar nicht; Sie müssen es nur einmal nachlesen, Herr Kollege Stingl.
({7})
- Zu Ihren früheren Zitaten komme ich nachher auch noch. - Wir haben damals das gleiche beantragt, was Sie jetzt in Ihrem Vorschaltgesetz beantragen; nur mit dem Erfolg natürlich - so geht es einer augenblicklich noch kleinen Partei -, daß dieser Vorschlag einen dreijährigen Dornröschenschlaf - -({8})
- Warten Sie nur mal ab! - Nur mit dem Ergebnis, daß dieser Vorschlag nun seit drei .Jahren einen Dörnröschenschlaf im Ausschuß schläft, bis Prinz Horn jetzt kommt und ihn wieder wachküßt.
({9})
Aber Sie haben - und daher wohl Ihr Irrtum, Herr Kollege Stingl - eine etwas andere Formulierung gewählt, damit man es nicht gar zu sehr merkt; und diese Formulierung führt leicht zu Mißverständnissen, weshalb Sie zweckmäßigerweise doch auf unsere Formulierung zurückgreifen; aber das ist letzten Endes eine Sache der Ausschußarbeit.
Herr Kollege Horn, Sie haben Ihre Rede sehr hoffnungsvoll begonnen mit der Feststellung, daß alle Punkte der sozialen Krankenversicherung letzten Endes in einem untrennbaren und unvermeidbaren Zusammenhang stehen und daß man aus dieser Gesamtreform nichts herausbrechen sollte. Das ist richtig. Sie haben es allerdings später dann wieder eingeschränkt dahin gehend, daß das nicht gilt für die Punkte, die Sie in Ihrem Vorschaltgesetz gern haben wollen.
({10})
Nun, Herr Kollege Stingl, muß ich Sie zitieren, nämlich aus der Debatte über das Lohnfortzahlungsgesetz am 31. Mai 1957. Da haben Sie ausdrücklich gesagt: Es handelt sich hier um eine vorläufige Regelung; die endgültige Regelung kann erst im Zusammenhang mit der Krankenkassenreform im dritten Bundestag erfolgen. Damals waren Sie noch optimistisch. Sie glaubten, sie käme
({11})
im dritten Bundestag. Inzwischen sind Sie nicht mehr optimistisch. Sie sind bescheidener geworden. Statt optimistisch sind Sie jetzt optisch und nur noch auf die Wirkung zur Wahl bedacht.
({12})
Aber, meine Damen und Herren, wird sich die Optik letzten Endes auszahlen? Vielleicht bis zu den Wahlen; aber hinterher dürfte der große Katzenjammer kommen.
Da muß man doch auf einige Mängel Ihres Entwurfs hinweisen. Ein Mitglied Ihrer Fraktion, nämlich Herr Kollege Blöcker, hat sich sogar ein Gutachten fertigen lassen, das in der Zeitschrift „Die Krankenversicherung" veröffentlicht worden ist. Ich weiß nicht, ob er Ihnen dieses Gutachten in der Fraktionssitzung entgegengehalten hat oder ob er es unter dem Tisch hat verschwinden lassen; denn in diesem Gutachten wird nachgewiesen, daß wegen des Lohnsteuerausgleichs bereits bei einer 90%igen, erst recht natürlich bei einer 100%igen Lohnfortzahlung die Krankheit - sagen wir es einmal ganz deutlich - zum Geschäft werden kann. Das, was Herr Kollege Horn an der jetzigen Lösung bereits bemängelt, wird sich in einem noch viel stärkeren Maße dann fortsetzen, wenn man Ihrem Vorschlag folgt. Herr Kollege Horn, Sie haben eine derartige Entwicklung mit Recht als bedenklich bezeichnet, und ich glaube auch, daß sich mancher Sozialversicherte überlegen wird, ob es sinnvoll für ihn ist, mit seinen Kassenbeiträgen letzten Endes diejenigen zu finanzieren, die diese unschönen Lücken des Gesetzes in ebenso unschöner Weise ausnutzen.
({13})
Meine Damen und Herren, sind Sie sich darüber im klaren, daß es dann immer noch eine Gruppe von Angestellten gibt, und zwar die kurzfristig tätigen Angestellten, die je nach dem Tarifvertrag erst nach drei oder sechs Monaten in den vollen Genuß ihrer Rechte aus dem Angestelltenverhältnis kommen, die dann immer noch nicht von der Regelung erfaßt sind und daher eine Schlechterstellung gegenüber den Arbeitern erfahren? Sind Sie sich darüber klar, welche zusätzlichen Belastungen durch dieses Gesetz auf die gewerbliche Wirtschaft und insbesondere auch hier wieder auf den lohnintensiven Mittelstand zukommen? Auch als die SPD am 29. September vorigen Jahres ihren Antrag einbrachte, hat sie sich in klarer Erkenntnis dieser Folgen dafür ausgesprochen, daß hier in irgendeiner Form ein Ausgleich gefunden werden muß, wenn auch der Vorschlag, staatliche Subventionen zu zahlen, nicht der Weisheit letzter Schluß sein sollte. Und sind Sie sich auch darüber klar, daß es - um nun zu dem Lieblingskind des Herrn Kollegen Schellenberg zu kommen - hinsichtlich der Finanzierung zu erheblichen Schwierigkeiten bei den Kassen kommen wird? Der zulässige Höchstsatz der Kassenbeiträge ist 9 %. Der jetzt erhobene Beitrag beläuft sich im Bundesdurchschnitt auf 8,48 N. Sie haben sicher von jener Tagung der Arbeits- und Sozialminister der Länder gelesen, die vorgestern stattgefunden hat und in der man ganz offen davon gesprochen hat, daß es zu einem Ruin der Krankenkassen kommen muß, wenn man nicht dazu übergeht - und sind Sie etwa gewillt, das zu tun? -, die §§ 389 und 390 der Reichsversicherungsordnung entsprechend zu ändern, so daß die Kassen beträchtliche Beitragserhöhungen vornehmen können. Oder wollen Sie etwa, daß die Kassen das ihnen verbleibende Gebiet der Selbstverwaltung, nämlich die freiwilligen Leistungen, abbauen, damit sie die Möglichkeit haben, die pflichtmäßigen Mehrausgaben zu finanzieren? Mit dieser Frage sollten wir uns sehr eingehend beschäftigen. Es ist bezeichnend, daß selbst der Deutsche Gewerkschaftsbund in einer Eingabe, die Sie heute vorgefunden haben, vor dieser Entwicklung warnt.
Meine Damen und Herren! Wir haben ja schon einmal die Folgen eines Lohnfortzahlungsgesetzes erlebt. Ich meine das Gesetz, das wir im Jahr 1957 verabschiedet haben und das dann im Winter 1957/58 fast zu einem Ruin der sozialen Kassen geführt hat. Damals sind die ersten Rufe nach einer Reform laut geworden. Ich fürchte, wenn wir in allernächster Zeit wieder ein derartiges finanzielles Fiasko der Kassen erleben werden, dann wird der Beginn unserer sozialpolitischen Tätigkeit im 4. Bundestag auf diesem Gebiet wieder mit dem Odium belastet sein, daß die Kassen finanziell am Ende sind, und jede Reform wird auch im 4. Bundestag durch eine Hypothek des Mißtrauens belastet werden. Man wird nämlich wiederum in der breiten Öffentlichkeit der Auffassung sein, daß eine derartige Reform nicht aus dem Wandel der gesellschafts- und sozialpolitischen Vorstellungen heraus erfolgt, eben im Sinne des von der Bundesregierung proklamierten Stilwandels, sondern daß diese Reform letztlich eine Sanierung der Kassen auf Kosten der Versicherten ist.
({14})
Das ist schon rein psychologisch ein außerordentlich gefährlicher Weg, den Sie hier zu beschreiten beginnen.
Dazu kommt noch eins, und die SPD hat es heute sehr deutlich gesagt: sie wird versuchen, aus diesem Vorschaltgesetz noch viel mehr zu machen. Sie wird versuchen, dieses ihr Vorschaltgesetz etwa in die Richtung des SPD-Entwurfs zu bringen. Unsere Vorstellungen von diesem Entwurf haben wir bereits am 29. September vorigen Jahres dargelegt. Ich will mich hier nicht wiederholen. Ich bin fest davon überzeugt, daß es der SPD, weil die 2. und 3. Lesung dieses Entwurfs kurz vor den Wahlen sein wird, mit Hilfe des linken Flügels der CDU/CSU-Fraktion auch gelingen wird, diese Gedanken durchzusetzen. Sie kennen ja das alte Sprichwort: „Der Katzer läßt die Flausen nicht."
({15})
Aus diesem Grunde werden wir zwar der Überweisung des Gesetzentwurfs an die Ausschüsse zustimmen, aber ob wir auch in der 3. Lesung endgültig zuzustimmen vermögen, wird sich daraus ergeben, was der Sozialpolitische Ausschuß in seiner Mehrheit aus SPD und linkem Flügel der CDU/CSU aus diesem Gesetzentwurf machen und wie die von der SPD bereits heute angekündigte 2. Lesung mit all ihren großen Debatten ausgehen wird. Eine
Stellungnahme zur Schlußabstimmung können wir
unter diesen Umständen heute unmöglich abgeben.
({16})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schütz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Schellenberg hat zu dem Antrag, den die CDU/CSU-Fraktion eingereicht und begründet hat, drei beachtenswerte Bemerkungen gemacht. Er hat gesagt:
1. Mir gefällt nur die Überschrift nicht.
({0})
2. Es fehlt eine Zwischenüberschrift.
3. Sonst bin ich im großen und ganzen damit einverstanden.
({1})
Herr Kollege Schellenberg, ich möchte mich für diese Kritik an unserer Vorlage sehr herzlich bedanken.
({2})
Herr Kollege Schellenberg, ich möchte mir es aber wirklich nicht so leicht machen.
({3})
Ich will vor allem versuchen, auf das, was Herr Schellenberg, nicht gerade zu der Vorlage, sondern zu dem ganzen Problem gesagt hat, einzugehen.
({4})
Ich möchte auch zu den Fragen Stellung nehmen, die Herr Schellenberg an meine Fraktion gerichtet hat, damit die deutsche Öffentlichkeit sich durchaus darüber im klaren ist, wo die CDU/CSU-Fraktion, was die Krankenversicherungsreform in ihrer Gesamtproblematik angeht, steht.
({5})
Gestatten Sie mir einige wenige grundsätzliche Vorbemerkungen. Es ist allgemein bekannt - in der Öffentlichkeit wird das allerdings zu wenig beachtet -: wir haben 25 Millionen Pflichtversicherte, und diese 25 Millionen Pflichtversicherten bringen 17 Millionen mitversicherte Familienangehörige in die Sozialversicherung mit. Wir haben also 42 Millionen Männer, Frauen und Kinder, für die die soziale Krankenversicherung mit Ausnahme des Krankengeldes für alle gleiche Leistungen auf den Tisch legen muß. Aber wir haben nicht 42 Millionen, sondern nur 25 Millionen Beitragszahler. Daraus ergibt sich, daß dieser Beitrag so sein muß, daß die 25 Millionen Beitragszahler - selbstverständlich mit den Arbeitgeberzuschlägen - die Aufwendungen -für 42 Millionen Versicherte und Mitversicherte decken können.
Das zweite Phänomen der sozialen Krankenversicherung ist heute folgendes: So wie auf vielen Gebieten des modernen Lebens können wir im Reich der Medizin, der Heilbehandlung und der Vorbeugung beachtliche Fortschritte feststellen. Es ist unser aller Wille, die Menschen im Bereich der sozialen Krankenversicherung an dieser fortschrittlichen Entwicklung ohne Einschränkung teilnehmen zu lassen. Das verursacht Kosten. Die Aufwendungen in der gesetzlichen Krankenversicherung haben sich von 1950 bis 1960 vervierfacht. Sie stiegen von 2 auf 8 Milliarden DM. Wir sind erst am Beginn dieser Entwicklung. Daher die Überlegung, wie diese wachsenden Kosten sinnvoll und sozial gerecht aufgebracht werden können.
Die Konsequenz aus einer solchen Überlegung schlug sich in der so sehr umkämpften Regierungsvorlage nieder. Auch uns war klar - und der Kollege Stingl hat es dargelegt -, daß diese Vorlage wie jede andere, die wir in dieses Haus bekommen, kein Dogma, wohl aber eine brauchbare Arbeitsgrundlage darstellte.
({6})
Weil uns die Sache, um die wir hier diskutieren, sehr ernst ist - Herr Kollege von der FDP, nicht um der Optik willen! -, möchte ich mit einem kritischen Wort gegenüber uns selber beginnen.
({7})
- Jawohl, das ist notwendig, und wir wären nicht wahrhaftig, täten wir es nicht. Gehe hin und tue desgleichen!
({8})
Aus welchen Gründen, bleibt vorläufig dahingestellt, - wir müssen mit Bedauern feststellen, daß es uns nicht gelungen ist, allen Betroffenen die ideellen und materiellen Sachverhalte so klar darzustellen, daß unsere redliche Absicht das verdiente Verständnis und die notwendige Zustimmung gefunden hat.
({9})
Und wiederum, aus welchen Gründen auch immer, es bleibt weiter festzustellen, daß nicht -einmal -der Versuch einer sachlichen Untersuchung und Prüfung der vorgelegten Vorschläge gemacht wurde.
({10})
Im Gegenteil, weithin ist unter Einsatz erheblicher Mittel, die weit über das hinausgehen, was der Regierung zu tun möglich war, der Eindruck erweckt worden, daß die Vorlage tatsächlich nur Nachteile bringe.
({11})
Die Kampagne gegen die Vorstellungen der Regierung begann bereits zu einer Zeit, als diese Vor8230
Schütz ({12})
stellungen nur in Referentenentwürfen niedergelegt waren.
({13})
Der Herr Arbeitsminister hat die Referentenentwürfe einem außerordentlich großen Kreis aller Beteiligten zugänglich gemacht.
({14})
Wer ein schlechtes Gewissen gehabt hätte, hätte das nicht getan.
({15})
Schon in diesen Stadien setzten die scharfen Angriffe ein. In der Regierungsvorlage haben immerhin eine Fülle von Anregungen Beachtung gefunden. Dieser Arbeitsminister hat den Mut gehabt, ein neues Konzept zu entwickeln, zu dessen Grundgedanken der Gesetzgeber früher oder später zurückfinden muß, wenn er mit der Krankenversicherung nicht scheitern will.
({16})
Der bunte Chor der Nein-Sager war sich zwar einig in der Ablehnung.
({17})
Aber eine Verständigung darüber, wie man die auseinanderklaffenden Meinungen zusammenführen und damit die anstehenden Probleme wirklich bewältigen könnte, fand dieser Chor der Nein-Sager nicht.
({18})
- Herr Schellenberg, Sie haben geredet, jetzt darf ich reden; wir diskutieren nachher.
({19})
Wir haben bei dieser Gelegenheit festzustellen, daß die Schwierigkeiten ganz wesentlich darauf beruhten, daß einflußreiche Kräfte außerhalb dieses Hauses in einer bisher kaum gekannten Weise auf politische Entscheidungen, die letztlich allein diesem Hohen Hause anvertraut sind, Einfluß genommen haben.
({20})
- Ich meine alle diejenigen, die sich betroffen fühlen. Der Redner der Opposition hat darauf verwiesen
({21})
- Herr Schellenberg, ich habe dafür Verständnis daß die CDU/CSU-Fraktion in diesem Hause doch die Mehrheit habe - und Herr Stammberger hat sich dem angeschlossen -, und damit sei sie für alle Verzögerungen und schließlich auch für den Verzicht auf die abschließende Beratung in diesem Bundestag verantwortlich.
Im Ausschuß dagegen hörten wir freilich ganz andere Melodien.
({22})
Dort wurde tagelang über Teile, um nicht zu sagen, über Moleküle von Paragraphen endlos geredet, obwohl eingestandenermaßen neue Gesichtspunkte nicht mehr vorgebracht werden konnten.
({23})
Wurde dann ein Antrag auf Schluß der Debatte gestellt, dann begann es damit, daß wir „brutal von der Mehrheit Gebrauch machten", daß wir „die Demokratie vergewaltigten",
({24})
daß wir nicht zulassen wollten, daß darüber geredet werde.
({25})
Meine Damen und Herren, nur eins von beiden kann richtig sein. Die Wahrheit ist - da haben Sie recht -, ,daß wir von dieser Mehrheit dort zuwenig Gebrauch gemacht haben.
({26})
Einer Ihrer Kollegen, Herr Schellenberg, der in den 30 Sitzungen über achtzigmal das Wort ergriffen hat, begann davon einunddreißigmal: „Ich habe zwar nichts Neues zu sagen, aber ich möchte unterstreichen, was der und der schon gesagt hat."
({27})
In den 30 Sitzungstagen, die der Sozialpolitische Ausschuß mit der Beratung der Regierungsvorlage zugebracht hat, ist trotz dieser augenfälligen Verzögerungstaktik nur neunmal Schluß der Debatte beantragt worden.
({28})
- Ich habe es mir einmal herausgeschrieben, Herr Kollege Schellenberg. Nichts über Zahlen und Tatsachen, die Sie so sehr lieben!
({29})
- Darauf komme ich gleich, Herr Kollege, die bleiben Ihnen nicht erspart!
So umstritten einzelne Bestimmungen jener Vorlage gewesen sein mögen, nicht bestritten werden kann die Tatsache, daß unsere Kollegen von der sozialdemokratischen Opposition mit dem alten bewährten Mittel des Filibusterns die Verzögerung auf die Spitze getrieben haben.
({30})
Es ist allzu billig und gewiß keine demokratische
Tugend, dem anderen eine Schuld zuzumessen, von
der man selber zumindest in keiner Weise frei ist.
({31})
Schütz ({32})
Lassen Sie mich nun ein Wort zur Sache selber sagen!
({33})
Herr Kollege Schütz, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Herr Kollege ({0}), lassen Sie mich jetzt reden! Sie kommen dann dran!
({1})
Herr Kollege Schellenberg und auch der Kollege von der FDP glaubten feststellen zu müssen, daß die Regierung und die sie tragende Mehrheit in diesem Bundestag sozialpolitisch versagt haben, weil zwei Vorlagen - unter anderen - nicht oder nicht vollständig verabschiedet werden konnten. Bei der Unfallversicherung haben wir immerhin das Leistungsgesetz, das fast allen wesentlichen Anliegen der Leistungsempfänger Rechnung trägt, verabschiedet. Es ging dabei nicht nur um ,die Höhe der Sätze, sondern auch um eine Ausweitung des Empfängerkreises selber. Das Fremd- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetz ist - darin stimmen wir hoffentlich überein - eine beachtliche Leistung dieses Deutschen Bundestages.
({2})
Die zweimaligen Rentenerhöhungen und die Leistungsverbesserungen im Kindergeld sind ein Beweis für den guten Willen und das Verantwortungsbewußtsein der Mehrheit dieses Hauses, sozialpolitisch das Erforderliche zu tun.
Aus den eingangs erwähnten Gründen und im Hinblick auf das seinerzeit zu erwartende Karlsruher Urteil in der Zulassungsfrage ist die Regierungsvorlage trotz aller Bedenken bezüglich der Zeit vorgelegt worden. Meine Damen und Herren, halten Sie uns doch nicht für so naiv, daß nicht auch wir daran gedacht hätten, daß die Zeitspanne etwas knapp ist. Aber da kam halt das Karlsruher Urteil herangerollt, und eine ganze Reihe anderer Dinge gab es auch. Ein bißchen haben wir natürlich auch mit dem guten Willen der Kollegen von der Opposition gerechnet. Daß wir uns dabei so gründlich verrechnet haben, das können Sie uns zum Vorwurf machen; da haben Sie recht behalten. Das ist eine der großen Enttäuschungen, die wir erlebt haben.
Daß nun die Vorlage an mindestens 10 Stellen zum Teil sehr beachtliche Verbesserungen vorsah, hat bisher noch niemand bestritten. Umstritten blieb im Grund allein die allerdings entscheidende Frage der Kostendeckung. Wir haben es ja heute wieder gehört, daß alle oder fast alle zusätzlichen Kosten durch die Entlastung der Krankenversicherung von den Fremdkosten - wie die SPD-Fraktion sie sich vorstellt - gedeckt werden könnten.
So steht es auch in dem so sehr empfohlenen Vorschaltgesetz, das heute erneut als der geradezu klassische Ausweg bezeichnet worden ist,
({3})
ohne Beitragserhöhung, ohne Kostenbeteiligung! - Wenn es von uns direkt nachgemacht ist, können Sie für unsere Vorlage stimmen. Da können Sie sich ja freuen. Über Urheberrechte werden wir nicht streiten, Herr Schellenberg.
({4})
Man sagt: „Ohne Beitragserhöhung", ohne Kostenbeteiligung", „man nehme das Vorschaltgesetz, und alles wird gut!".
({5})
So gut, Herr Kollege Schellenberg, würde es auch wieder nicht nach Ihrem Vorschaltgesetz. Die Mehreinnahmen werden auf 630 Millionen DM geschätzt. Hier steht: monatlich; aber das ist sicher ein Druckfehler; es soll wohl „jährlich" heißen. Die Mehrausgaben werden auf 425 Millionen veranschlagt. Welch geradezu gigantisches Geschäft! Die Rechnung hat allerdings den einzigen Fehler, daß sie falsch ist. Unterstellt man, daß die Mehreinnahmen, wie sie das Vorschaltgesetz vorsieht, wirklich eingehen und daß die SPD schließlich auch einen brauchbaren Deckungsvorschlag hinsichtlich der vorgesehenen Zuschüsse aus Mitteln des Bundeshaushalts machen kann, so sind doch jedenfalls die Mehrausgaben, gelinde gesagt, in unbegründetem Optimismus zu niedrig geschätzt.
({6})
- Ja, „das zahlt die Regierung", natürlich! - Der Krankengeldmehraufwand würde nicht 240, sondern 340 Millionen DM ausmachen.
({7})
- Ich komme gleich dazu, Herr Schellenberg, nur Geduld! Ich bleibe nichts schuldig. Ich weiß, daß man bei einem so sachlichen und korrekten Mann wie Herrn Schellenberg nicht mit halber Arbeit aufwarten kann. Das geht nicht, nein. Herr Kollege Schellenberg, ich meine, bei aller Meinungsverschiedenheit sollten wir einander doch nicht für dumm verkaufen.
({8})
Wir verkaufen Sie nicht für dumm; aber Sie sollten es auch uns gegenüber nicht tun. Man kann durchaus eine andere Meinung haben, und diese Meinung kann korrekt und redlich sein!
Für das, was der Wegfall der Karenztage an Kosten verursacht - ich hoffe, daß das Vorschaltgesetz diese Kosten nicht ganz vergißt -, ist kein Pfennig eingesetzt.
({9})
Die Karenztage verursachen wohl immerhin auch 150 bis 200 Millionen DM Kosten. Für Wochenhilfe veranschlagt die SPD 39 Millionen DM. In Wirklichkeit werden es 180 Millionen sein.
Für die Mehrausgaben nach dem Vorschaltgesetz wird man, ohne daß man übertreibt, folgende An8232
Schütz ({10})
Sätze machen müssen. Sie selber sehen 425 Millionen DM vor. Dazu kommen noch 100 Millionen DM für Krankengeld, 140 Millionen DM für Wochenhilfe, Vorsorgehilfe - die Regelung für den Zahnersatz ist auch hinten runtergefallen - 230 Millionen DM. Das macht zusammen 895 Millionen DM. 895 bis 900 Millionen DM an Mehrausgaben brächte das Vorschaltgesetz der SPD. Wenn man Ihren Vorstellungen mit einer Kostenverlagerung auf den Bund - und dazu die Unfallversicherung - folgte, bliebe noch ein ungedecktes Defizit von 270 bis 280 Millionen DM. Das können Sie auch nicht aus der Westentasche bezahlen, sondern das müßte durch Beiträge gedeckt werden.
({11})
Nach unserer Vorlage betrüge das Defizit nur 210 Millionen DM gegenüber dem Defizit von 280 Millionen DM, das bei Ihrem Gesetzentwurf entstehen würde. Wenn schon Beiträge, dann sind wir immer noch um 70 Millionen DM unter Ihren Vorstellungen.
Nun aber noch einmal ein Blick auf die so heiß umkämpfte Regierungsvorlage. Der Streit, um nicht zu sagen: der Aufruhr, wurde entfacht durch den gespaltenen Beitrag oder durch den Grundsatz der Beteiligung an den Kosten für den Arztbesuch, die Medikamente und den Krankenhausaufenthalt. Die sozialdemokratische Opposition hat damit gedroht, daß sie diesen Gedanken jetzt erst recht in den Vordergrund stellen will. Wir wollen uns daran beteiligen mit sauberen Zahlen und sauberen Fakten.
Ein Beispiel für viele: Bei 80 % aller Versicherten, die sich in den letzten zwei Jahren einen Krankenschein besorgten, lagen die Arztkosten, die über diesen Krankenschein verrechnet wurden, unter 20 DM. Eine 10%ige Kostenbeteiligung hätte also bei 80 v. H. der Betroffenen zunächst einmal 2 DM betragen. Hätte Herr Jedermann aber im Jahr drei solche Krankenscheine benötigt so hätte er eine Kostenbeteiligung von dreimal diesen 2 DM getragen - die meisten lagen ja darunter -, zusammen also höchstens 6 DM.
Eine lineare Beitragserhöhung von einem einzigen Prozent beträgt dagegen bei einem Monatseinkommen von 500 DM im Jahr 60 DM und, wenn Sie Wert darauf legen, daß davon die Arbeiter nur die Hälfte zahlen und die andere Hälfte aus der Westentasche der Arbeitgeber gezahlt wird, im Jahr immer noch 30 DM gegenüber 6 DM bei 80 % aller Betroffenen. Und das ist der „große unsoziale Raubzug auf die Taschen der Versicherten"!
({12})
Ihr Einwand - auch darauf will ich gern eingehen -, daß dann die übrigen 20 %, bei denen die Kosten über 20 DM lagen, die von Haus aus schwerer Belasteten, einen unzumutbaren Beitrag hätten aufbringen müssen, kann nur - ich bedaure aufrichtig, es sagen zu müssen - ausgesprochen bösem Willen entstammen.
In der Regierungsvorlage des Arbeitsministers, in den Darlegungen unseres Kollegen Stingl bei der ersten Lesung wurde betont, daß die CDU/CSUFraktion über die Grenzen der Vorlage hinaus bei den zu kleinen Einkommen, bei den kinderreichen Familien und in den Fällen länger andauernder Krankheit die normale Kostenbeteiligung begrenzt oder ganz ausschaltet. Hierin unterscheiden wir uns.
Kann den hier und heute, in diesem Teil Deutschlands, der Bundesrepublik heißt, im Normalfall dem Arbeiter und Angestellten eine Beteiligung in der Höhe, wie sie die Vorlage, wie sie unser Kommentar vorsah, nicht als sozialpolitisch vertretbar zugemutet werden? Darüber hinaus liegt es doch im eigenen wohlverstandenen Interesse des Versicherten, wenn wir ihn an ,die Verantwortung für sich selbst erinnern und ihn mit den Solidaritätsverpflichtungen, die er auf sich genommen hat, nicht über Gebühr belasten.
Meine Damen und Herren, der Versicherte von heute ist nicht mehr der Versicherte von 1880.
({13})
Natürlich ist die SPD die älteste Partei in diesem Haus, und sie ist sehr stolz darauf. Aber die sozialen Verhältnisse sind heute anders, als sie zur Gründerzeit waren, und man muß sich - auch ohne Godesberg und Hannover - den neuen Verhältnissen etwas zuneigen.
({14})
Ich sage das aus innerster Uferzeugung: 100 Jahre deutsche Arbeiterbewegung oder Arbeiterbewegung in Deutschland, - bei Gott, sie sind nicht ohne Wirkung auf den Menschen „Arbeiter" geblieben! Selbstverständlich sind neue soziale Aufgaben entstanden. Aber wenn wir uns von den alten Vorstellungen nicht lösen können, müssen wir die neuen Aufgaben vernachlässigen. Das kommt mir vor, wie wenn eine Feuerwehr noch auf ein Haus spritzt, das vor 80 Jahren einmal gebrannt hat, und auf den Einwand, es brenne doch nicht mehr, erwidert: „Aber es hat vor 80 Jahren einmal gebrannt, und darum muß ich heute noch hinspritzen."
({15})
Inzwischen kann die ganze Umgebung niederbrennen, ohne daß es uns einfällt, aufzuziehen und uns mit den neuen Problemen, die sozialpolitisch und gesellschaftlich auf uns zukommen, auseinanderzusetzen!! Ich weiß, daß hier die Vorstellungen auseinandergehen; deshalb wollte ich die Sachlage einmal klar darstellen. Die Reformgedanken des Bundesarbeitsministers sollten den Weg zu einer Anpassung an die neuen sozialen Verhältnisse frei machen helfen.
Der „Vorwärts" vom 17. Februar gibt in einer Traueranzeige bekannt - ({16})
- Warten Sie nur!
({17})
- Herr Schellenberg, ich werde sie kassieren! - Der „Vorwärts" gibt in dieser „Traueranzeige" bekannt, daß bei der Bundestagswahl am 17. SeptemSchütz ({18})
ber die Kassenreform endgültig beigesetzt wird. Nun, Herr Schellenberg, Sie sind nicht der Herausgeber, und deshalb wende ich mich nicht an Sie.
({19})
- Das ist eine andere Sache; über Motive wird in der Politik nicht abgestimmt, nur über Fakten.
Über diese Form der Stellungnahme gestatten Sie mir zwei Bemerkungen! Über Geschmäcker und Ähnliches läßt sich in dieser buckligen Welt streiten. Aber der von uns allen geforderte Respekt vor dem Phänomen des Todes und der Respekt, den wir doch hoffentlich alle gemeinsam vor der Reform der Krankenversicherung haben, läßt uns dieses Inserat als eine echte Entgleisung erscheinen. Als ich es las, habe ich an den Kollegen Preller denken müssen, der den ganzen Ringelnatz auswendig konnte, und wo der Ringelnatz kein Verslein hatte, hat's der Preller gemacht. Ich habe mir gedacht, er würde gesagt haben: „Ärger' dich nicht", Vater Ringelnatz hätte gesagt:
Die SPD tut so dabei,
als ob's noch immer Fasching sei.
({20})
Dieses Winken hier und anderswo mit dem Wahltag ist eine nicht ganz originelle Erfindung. In diesem Hause sitzen noch ein paar Leute, die auch im Wirtschaftsrat gesessen haben. Ich erinnere mich, wie unsere Freunde von der Linken so in den letzten Wochen vor dem „Sonnenuntergang" uns all das, was wir im Wirtschaftsrat getan hatten - z B. die Marktwirtschaft und all ihre „bösen Folgen" -, als Anlaß für die kommende Abrechnung vor die Nase hielten.
(Abg. Horn: Sehr richtig!
Generalstreik, die Geschichte mit dem kalten Wasser, und was es nicht alles gab. Wenn sich davon nur ein Viertel im Jahre 1949 eingestellt hätte, hätte hier in der Mitte nur ein armseliges Häuflein geschlagener Invaliden gesessen.
({21})
Es ist aber etwas anders gekommen. Das sind Fakten. In diesem Hause wurden aber diese Töne 1953 und 1957 wiederholt. Ja, meine Damen und Herren, warum sollen sie denn 1961 ausbleiben?!
({22})
Wir wollen uns an jenem 17. September durchaus mit diesem Thema dem deutschen Volk stellen.
({23})
Ich erinnere an meine Zahlen, und hoffentlich sorgt jemand dafür, daß diese und viele anderen Zahlen und nicht die Dichtung aus Tausendundeiner Nacht dem Volk gesagt werden. Wenn es dann eine Alternative gibt, kann es doch wohl nur die sein: Die CDU/CSU-Fraktion will eine fortschrittliche Sozialversicherung. Sie will sie aber nicht über die Sozialisierung des Lohnes.
({24})
Die SPD hat zwar in Godesberg und Hannover auf die Sozialisierung der Hobelbänke und der Spinnmaschinen verzichtet, die Sozialisierung des Lohnes ist aber als der letzte Rest aus der alten Vorstellungswelt geblieben. In unseren Augen aber ist diese viel gefährlicher als die Sozialisierung der sichtbaren Gegenstände, denn sie greift nach dem lebendigen Menschen und zieht ihn ins Kollektiv, nimmt ihm von seinem Lohn den wohlverdienten Teil, ohne daß er in eigener Verantwortung darüber entscheiden könnte.
({25})
Meine Damen und Herren, wir werden uns dieser Alternative stellen. Wir haben keine Angst, daß das Volk, daß der deutsche Arbeiter, wenn es darauf ankommt, nicht das Wesen der Sache erkennt.
({26})
Auch der moderne Arbeiter und Angestellte ist ein Mensch, der in eigener Verantwortung für sich, für seine Familie und, wenn der Bruder neben ihm es nicht selber kann, durch einen Solidaritätsbeitrag in der sozialen Versicherung auch für seinen Mitarbeiter geradestehen will.
Eine soziale Krankenversicherung - jawohl, hundert Mal ja! Eine sozialistische Sozialversicherungsreform, meine Damen und Herren - nein!
({27})
Ich schließe die Beratung. Es besteht Einigkeit, daß die Vorlage an den Ausschuß für Sozialpolitik - federführend - überwiesen wird. Kann ich diese Einmütigkeit bitte - ({0})
- Es lagen keine Wortmeldungen vor.
({1})
- Nach der Geschäftsordnung ist Vorschrift, daß Wortmeldungen schriftlich erfolgen sollen,
({2})
und ich habe den Eindruck, die Thematik ist erschöpft.
({3})
- Ich möchte fast meinen, von dem, was wir gehört haben, hat wenig mehr als die Hälfte zur Sache gehört.
({4})
Vizepräsident Dr. Dehler
Gestatten Sie mir diese Kritik. Ich muß immer an den unvergeßlichen Präsidenten Dr. Ehlers denken, der da meinte, auch nach dem Jüngsten Gericht würden die Sozialpolitiker ihre Aussprache noch fortsetzen.
({5})
Also es ist beschlossen die Überweisung an den Ausschuß für Sozialpolitik.
({6})
- Ich kann auch zur Geschäftsordnung höchstens über die Frage der Überweisung das Wort erteilen, zu keinem anderen Punkte.
({7})
- Ich habe die Beratung geschlossen gehabt. Darüber kann ich keine Debatte zulassen.
({8})
Es ist noch zu fragen, ob die Vorlage an die Ausschüsse für Arbeit und - ({9})
- Ich bitte, Platz zu behalten. ({10})
- Ich habe die Beratung geschlossen. Dabei bleibe ich.
({11})
- Ich bin in der Abstimmung über die Überweisung der Vorlage.
({12})
Nur dazu kann ich das Wort erteilen, Herr Kollege Schellenberg!
({13})
- Nein, nur zur Frage der Überweisung! Haben Sie hierzu Anträge zu stellen?
({14})
- Bitte!
Ich beantrage vor Entscheidung über die Überweisung Unterbrechung der Sitzung.
({0})
Ich sehe keinen Anlaß zur Unterbrechung der Sitzung.
({0})
- Herr Kollege Mommer, wir wollen uns doch jetzt nicht grundlos erregen. Ich bitte, odnungsgemäß zu verfahren.
Ich stelle fest: Es hatte sich vorsorglich noch der Herr Abgeordnete Dr. Philipp zu Wort gemeldet aber nur für den Fall, daß weitere Wortmeldungen erfolgen. Das ist nicht geschehen.
({1})
- Herr Kollege Dr. Mommer, wozu wollen Sie den Antrag ,stellen?
({2})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist Übung in diesem Hause, daß, wenn eine Schwierigkeit auftaucht und eine Fraktion um kurze Unterbrechung der Sitzung bittet, man dieser Bitte nachkommt.
({0})
Ich bitte, das auch heute so zu handhaben.
Ich habe die Beratung geschlossen gehabt, und zwar ordnungsgemäß, nachdem - nicht entsprechend der Geschäftsordnung noch eine Wortmeldung vorlag. Ich kann nicht anders verfahren
({0})
und bin in der Abstimmung über die Überweisung dieser Vorlage. Ich sehe keinen Anlaß, die Sitzung zu unterbrechen.
Ich habe festgestellt, daß das Haus einig ist in der Überweisung der Vorlage an den Ausschuß für Sozialpolitik. Vorgesehen ist noch die Überweisung an den Ausschuß für Arbeit und an den Ausschuß für Mittelstandsfragen.
({1})
- An den Ausschuß für Sozialpolitik - federführend - ist schon überwiesen. - Allein.
({2})
- Besteht im Hause darüber Einverständnis? -({3})
Dann sind wir am Ende der Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung ein auf Freitag, den 24. Februar 1961, 9.00 Uhr.