Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, Herr Abgeordneter Dr. Leiske hat gestern seinen 72. Geburtstag gefeiert. Ich darf ihn beglückwünschen.
({0})
Der Haushaltsausschuß hat darum gebeten, den Entwurf eines Volkszählungsgesetzes 1961 - Drucksache 2255 -, der ihm in der 134. Sitzung am 7. Dezember 1960 gemäß § 96 der Geschäftsordnung überwiesen wurde, zur Mitberatung überwiesen zu erhalten. Ist das Haus damit einverstanden? - Es erfolgt kein Widerspruch; es ist so beschlossen. Der ursprüngliche Auftrag an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung entfällt damit.
Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen.
Der Herr Bundesminister des Innern hat unter dem 26. Januar 1961 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Reinhard, Wittmer-Eigenbrodt, Frau Dr. Pannhoff, Bauknecht, Struve und Genossen betr. Förderung der Ausbildung und der Beschäftigung von Dorfhelferinnen - Drucksache 2374 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 2448 verteilt.
Der Herr Bundesminister des Innern hat unter dem 27. Januar 1961 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betr. ziviler Bevölkerungsschutz - Drucksache 2408 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 2452 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hat unter dem 30. Januar 1961 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betr. Beschäftigung arbeitsloser älterer Angestellter innerhalb der öffentlichen Verwaltung - Drucksache 2409 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 2453 verteilt.
Der Herr Staatssekretär des Bundesministeriums des Innern hat unter deni 2. Februar 1961 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Josten, Dr. Storm ({1}), Stauch und Genossen betr. Personenkreis der hilflos Zivilgelähmten - Drucksache 2417 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 2460 verteilt.
Die Fraktion der SPD hat unter dem 3. Februar 1961 ihren Gesetzentwurf zur Änderung des Gesetze> über Krankenversicherung der Rentner - Drucksache 2401 - zurückgezogen, da er sich mit der Annahme des Umdrucks 741 in der Plenarsitzung am 25. Januar erledigt hat.
Der Ausschuß für Petitionen hat eine erste Übersicht über die gemäß § 115 der Geschäftsordnung erteilten Auskünfte der Bundesregierung zu Petitionen, die der Deutsche Bundestag der Bundesregierung zur Berücksichtigung oder zur Erwägung überwiesen hat, zusammengestellt, die als Drucksache 2446 verteilt wird.
Ich komme zum ersten Punkt der Tagesordnung: Fragestunde ({2}).
Zuerst zur Frage II, einer Frage aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern - des Abgeordneten Dr. Arndt -:
Ist es richtig, daß für die im Offiziersrang stehenden Verwaltungsbeamten des Bundesgrenzschutzes eine besondere und exklusive Kantine im Gebäude des ehemaligen Generalkommandos in Kassel eingerichtet wurde, während im gleichen Gebäude die Präsidenten, Senatspräsidenten und Bundesrichter am Bundesarbeitsgericht und Bundessozialgericht ihre Mahlzeiten zusammen mit allen Verwaltungsangehörigen dieser Gerichte einnehmen?
Das Wort hat Herr Staatssekretär Dr. Hölzl.
Herr Abgeordneter, ich beantworte Ihre Frage mit Nein. In Kassel essen wie in allen Standorten des Bundesgrenzschutzes die Verwaltungsbeamten mit den Vollzugsbeamten im Offiziersrang gemeinsam in einem Speiseraum. Es trifft also nicht zu, daß für die „Verwaltungsbeamten im Offiziersrang" ein besonderer Speiseraum oder eine Kantine bestehe. Für die Herren Präsidenten und Richter des Bundesarbeitsgerichts und des Bundessozialgerichts ,ist, wie mir berichtet worden ist, ein besonderer Speiseraum eingerichtet worden. Es 1 steht ihnen frei, diesen Raum zu benutzen oder mit den übrigen Angehörigen ihrer Behörde zu essen. Die Mahlzeiten für die Präsidenten und Richter der beiden Gerichte werden in derselben Küche bereitet und in gleicher Qualität geliefert wie die für die Vollzugs- und Verwaltungsbeamten im Offiziersrang des Bundesgrenzschutzes.
Zu reiner Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Arndt!
Ich habe es nicht ganz verstanden. Ich darf den Herrn Staatssekretär noch einmal fragen: Stimmt die im Weser-Kurier aufgestellte Behauptung, daß eben beim Bundesgrenzschutz eine besondere, exklusive Kantine für die Beamten des Bundesgrenzschutzes mit Offiziersrang eingerichtet sei?
Es besteht eine Kantine für die Verwaltungsbeamten im Offiziersrang und die Vollzugsbeamten im Offiziersrang. Diese ist aber nicht besonders exklusiv eingerichtet, sondern wurde vom Staatsbauamt Kassel-Land nach den vom Bundesminister des Innern im Benehmen mit dem Bundesminister der Finanzen herausgegebenen Richtlinien eingerichtet.
Eine Zusatzfrage!
Der Sinn der Frage ist ja der, warum eine solche Trennung eintritt. Tritt sie ein, weil befürchtet wird, daß die Beamten, die keinen Offiziersrang haben, nicht richtig mit Messer und Gabel umzugehen verstehen?
({0})
Es ist bei der Bundeswehr und beim Bundesgrenzschutz üblich, daß die Offiziere eigene Kasinos haben. So ist es nicht bloß in Kassel, sondern an allen Standorten des Bundesgrenzschutzes, genauso wie an allen Standorten der Bundeswehr.
Ich habe leider keine Zusatzfrage mehr.
Ich danke dem Herrn Staatssekretär.
Ich komme zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz. Zuerst rufe ich die Frage III/1 - des Abgeordneten Eplée - auf :
Hält die Bundesregierung die Höhe der Patentjahresgebühren, die - verglichen mit zahlreichen anderen Ländern - bei uns besonders hoch sind und sich dadurch hemmend auf die Erfindertätigkeit auswirken, für gerechtfertigt und zweckmäßig?
Das Wort hat Herr Bundesminister Schäffer.
Herr Präsident! Die Bundesregierung hält die Patentjahresgebühren der Höhe nach aus folgenden Gründen für gerechtfertigt und zweckmäßig.
Das Bundespatentamt arbeitet nach dem Prinzip der Kostendeckung, was vom Bundestag bei der Verabschiedung des Gesetzes über die patentamtlichen Gebühren vom 22. Februar 1955 gebilligt worden ist. Der Bundestag hat damals beschlossen, die bereits seit dem Erlaß des ersten Patentgesetzes im Jahre 1891 bewährte Progression der Jahresgebühren beizuhalten und die seit 1926 unverändert gebliebenen Gebührensätze zu erhöhen. Hierfür waren folgende Erwägungen ausschlaggebend, die nach Ansicht der Bundesregierung auch heute noch zutreffen:
1. Durch die Staffelung der Jahresgebühren wird erreicht, daß wirtschaftlich wertlose und die Wirtschaft unnötig belastende Patente vor Ablauf zum Erlöschen kommen. Das ist gerechtfertigt, weil nach dem Sinn des deutschen Patentrechts auf die Dauer nur derjenige Erfinder einen Anspruch auf Schutz seiner Erfindung haben soll, der sein Patent einer wirtschaftlichen Verwertung zuführt. Die Erfindertätigkeit wird durch die Staffelung der Jahresgebühren nicht gehemmt.
2. Die Höhe der Patentjahresgebühren im einzelnen ist durch das Prinzip der Kostendeckung bedingt.
Ähnliche Erwägungen haben in etwa 60 Kulturstaaten zur Einführung eines Systems von Verlängerungsgebühren oder von Jahresgebühren geführt. Nur zwei große Länder, die Vereinigten Staaten von Amerika und Kanada, erheben nach der
Patenterteilung keine weiteren Gebühren. Jedoch mehren sich gegenwärtig auch in den Vereinigten Staaten von Amerika die Stimmen, die die Einführung von Jahresgebühren fordern.
Herr Bundesminister, teilen Sie meine Auffassung, daß eine fühlbare Senkung der Jahrespatentgebühren respektive deren völlige Streichung den Weg zum Europapatent ebnet, das vor Jahren in Straßburg beschlossen worden ist, oder glauben Sie, daß sich dies auch mit den derzeitigen Jahrespatentgebühren erreichen lassen wird?
Ihre Frage zielt auf die Einführung von Europapatentgebühren ab. Ich darf dazu bemerken, daß schon seit längerer Zeit unter den EWG-Staaten - und nicht nur unter diesen allein, sondern auch unter anderen europäischen Staaten - Verhandlungen wegen der Einrichtung eines Europäischen Patentamts schweben; im Zusammenhang damit würde auch die Regelung der Patentgebühren für europäische Patente stehen. Die Bundesregierung wird in diesen Tagen genötigt sein, zu diesen Bestrebungen abschließend Stellung zu nehmen. Ich rechne damit, daß die Bundesregierung sich diesen Bestrebungen anschließt.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage III/2 - des Herrn Abgeordneten Eplée - auf:
Ist die Bundesregierung bereit, darauf hinzuwirken, daß die Patentlaufzeit vom Patenterteilungstag an beginnt, im Gegensatz zu der derzeitigen Praxis, wo die Patentlaufzeit bereits vom Tag nach der Patentanmeldung beginnt?
Die Bundesregierung beabsichtigt nicht, eine Änderung des Patentgesetzes dahin vorzuschlagen, daß die Patentlaufzeit am Tage der Patenterteilung beginnt. Die Verlegung des Beginns der Laufzeit eines Patents von dem Tag der Anmeldung auf den Tag der Erteilung würde zu einer ungerechtfertigten Begünstigung gerade derjenigen Anmelder führen, die das Patenterteilungsverfahren verzögern oder verschleppen oder bei denen das Patenterteilungsverfahren wegen des Einspruchs eines Dritten länger dauert. Denn bereits vor der Bekanntmachung einer Patentanmeldung hat der Anmelder durch die vom Gesetz gewährte Priorität gegenüber anderen Konkurrenten eine Besserstellung erlangt. Vom Zeitpunkt der Bekanntmachung der Anmeldung an genießt er darüber hinaus den vorläufigen Patentschutz. Jede Hinauszögerung des Erteilungsverfahrens würde deshalb zu einer Verlängerung der Schutzdauer führen, in deren Genuß ein um die Förderung des Patenterteilungsverfahrens bemühter Anmelder nicht gelangen würde. Unter diesen Umständen würde die Verlegung des Beginns der Laufzeit eines Patents auf' den Patenterteilungstag zu einer ungleichen Behandlung der Patentanmelder führen.
Wir kommen zur Frage III/3 - des Herrn Abgeordneten Wittrock -:
Ist dem Herrn Bundesjustizminister bekannt, daß ehemaligen Soldaten der Wehrmacht, die während des Krieges nach dem damaligen Militärstrafrecht zum Tode verurteilt worden sind, bei einem Antrag auf Straftilgung entgegengehalten wird, es müßten zunächst die mit dem Todesurteil verbundenen Ehrenfolgen im Gnadenwege aufgehoben werden, ehe eine Straftilgung vorgenommen werden könne?
Ist der Herr Abgeordnete Wittrock im Saal? - Wird er vertreten? - Dann wird die Frage schriftlich beantwortet.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen. Der Vertreter ist noch nicht da.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft, zunächst zur Frage V/1 - des Herrn Abgeordneten Dr. Atzenroth -:
Hält der Herr Bundeswirtschaftsminister die Feststellung des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium für Verkehr, daß in einem freien Wettbewerb auf dem Verkehrsmarkt nicht die zweckmäßigste Ordnungsform gesehen wird, mit der von ihm seit Jahren erfolgreich vertretenen sozialen Marktwirtschaft für vereinbar?
Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesverkehrsministerium ist ein Gremium unabhängiger Wissenschaftler, dessen Äußerungen keine offiziellen Verlautbarungen des Bundesministers für Verkehr oder der Bundesregierung darstellen. Der Beirat hat in seiner überwiegenden Mehrheit der Meinung Ausdruck gegeben, für den Verkehr sei ein regulierter Wettbewerb mittels Zulassungsbeschränkungen usw. die zweckmäßige Ordnungsform. Diese Äußerung beruht aber nicht auf einstimmiger Meinung des Beirats und verpflichtet die Bundesregierung in keiner Weise. Die Bundesregierung hält es grundsätzlich für zweckmäßig, daß auch für das Verkehrswesen eine Annäherung an marktwirtschaftliche Bedingungen angestrebt wird.
Keine Zusatzfrage! Wir kommen zur Frage V/2 - des Herrn Abgeordneten Gewandt -:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Mittel zur FÖrderung des Handwerks aus dem Etat des Bundeswirtschaftsministers, Kap. 09 02 Tit. 601, nie voll ausgeschöpft werden?
Die bei den Handwerksförderungsmitteln vorhandenen Ausgabereste sind mir bekannt. Sie sind dadurch entstanden, daß im Jahre 1956 eine Erhöhung des Ansatzes von 2 auf 6 Millionen DM eintrat und daß dieser starken Erhöhung nicht in dem gleichen Ausmaß sofort verwirklichungsreife Projekte gegenüberstanden, zumal das Bundeswirtschaftsministerium bei Vergabe der Mittel an die Zweckbestimmung des Titels und an die „Bundesrichtlinien 1953 zu § 64 a der Reichshaushaltsordnung" vom 1. April 1953 gebunden war. Immerhin war es möglich, die Reste in der Zeit vom 1. April 1959 bis zum 31. Dezember 1960 von über '7 Millionen DM auf 51/4 Millionen DM abzubauen.
Eine Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, beabsichtigen Sie, die Richtlinien zu überprüfen und gegebenenfalls elastischer zu gestalten?
Die Bundesregierung wird im Zusammenhang mit der Initiative zur Förderung des Mittelstandes gemäß Bundestagsdrucksache 2012 überprüfen, ob im mittelständischen Bereich Vereinfachungen und Erleichterungen angeordnet werden können. Im übrigen bemüht sich das Bundeswirtschaftsministerium darum, das Bewilligungsverfahren so unbürokratisch wie nur möglich zu halten. Die Bundesrichtlinien müssen natürlich, wie ich schon erwähnt habe, 'exakt eingehalten werden, und ihre Beachtung wird, wie Ihnen bekannt ist, vom Bundesrechnungshof sorgfältig überwacht.
Ich danke, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Frage VI/1 - des Herrn Abgeordneten Dröscher -:
Hält es die Bundesregierung für richtig, daß die Zinszuschüsse zur Förderung vordringlicher agrar- und ernährungswirtschaftlicher Maßnahmen, die durch die Zinssenkung auf bis zu 1 v. H. ermäßigt worden waren, nach dem Wiederanstieg des Zinssatzes im Jahre 1960 nicht wieder auf die frühere Höhe gebracht worden sind?
Bitte, Herr Staatssekretär Sonnemann.
In der landwirtschaftlichen Zinsverbilligungsaktion der Bundesregierung ist der Zinszuschuß niemals auf „bis zu 1 %" gesenkt worden. Die Verbilligungsspanne beläuft sich vielmehr seit eineinhalb Jahren auf 2 %. Seit 1956 wurden in den jeweiligen Zinsverbilligungsrichtlinien der verbilligungsfähige. Höchstzinssatz und die Verbilligungsspanne bei den langfristigen Krediten so festgesetzt, daß sich als Differenz ein Zinssatz von höchstens 5 % für den Letztkreditnehmer ergab. Als mit Wirkung vom 1. Juli 1959 der Ausgangszinssatz von 7 % auf 6 % gesenkt wurde, hätte der Verbilligungssatz demgemäß eigentlich auf 1 % vermindert werden müssen. Gerade dies ist jedoch nicht geschehen. Zugunsten des Letztkreditnehmers verblieb es vielmehr bei 2 v. H.; damit sollte allerdings kein Präjudiz geschaffen werden. Als dann infolge des steigenden Zinstrends am Kapitalmarkt der verbilligungsfähige Höchstzinssatz etappenweise wieder heraufgesetzt werden mußte, wurde die 2 %ige Verbilligungsspanne beibehalten.
Bitte sehr, Herr Abgeordneter.
Herr Staatssekretär, ist. Ihnen die Auskunft bekannt, die Ihr Haus am 16. November 1959 an die Banken gegeben hat und die wie folgt lautet:
Von verschiedenen am Zinsverbilligungsverfahren beteiligten Banken ist die Frage gestellt worden, ob - analog der Zinssenkungsklausel in Abschnitt III Abs. 3 der Richtlinien - für den umgekehrten Fall einer Erhöhung des landesüblichen Zinsfußes auch eine Heraufsetzung von dadurch zu niedrig gewordenen Zinssätzen älterer Kredite möglich sein würde. Auf diese Frage werde ich demnächst zurückkommen.
Jawohl, Herr Abgeordneter -
Herr Abgeordneter, diese Frage ist nicht einfach und kurz, sondern lang und kompliziert; sie ist für die Fragestunde nicht geeignet.
Sehr komplizierter Sachverhalt!
Ich komme zur nächsten Frage.
({0})
- Das war ja schon eine.
({1})
- Das war zu kompliziert; ist schon erledigt. ({2})
- Meine Damen und Herren, wenn der Präsident nicht zu entscheiden hat, wie hier verfahren wird, können wir die Fragestunde gleich abschaffen. Es ist im Ältestenrat festgelegt worden, daß diese Entscheidung beim Präsidenten liegt.
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Ich bitte, die nächste Frage, die Frage VI/2 - des Abgeordneten Freiherr von Kühlmann-Stumm Was hat die Bundesregierung unternommen, um das Einschleppen der im Mittelmeerraum aufgetretenen Viruskrankheit der Pferdepest in die Bundesrepublik zu verhindern?
zu beantworten.
Bitte sehr, Herr Staatssekretär.
Die afrikanische Pferdepest wurde im vergangenen Jahr erstmals in den östlichen Randstaaten des Mittelmeeres, der Türkei, Syrien, Libanon sowie auf der Insel Cypern festgestellt.
In einer vom Internationalen Tierseuchenamt und der Food and Agriculture Organisation - FAO - im Januar 1961 in Paris abgehaltenen Konferenz haben Sachverständige aus Wissenschaft und Verwaltung von 30 Ländern, darunter auch Vertreter der Bundesrepublik, gemeinsam alle mit dieser Seuche in Zusammenhang stehenden Fragen beraten. Eine Gefährdung des mitteleuropäischen Raumes wird danach nicht als wahrscheinlich angesehen. Trotzdem werden strenge veterinärpolizeiliche Maßnahmen bei der Einfuhr von Einhufern aus seuchegefährdeten Gebieten empfohlen.
In der Bundesrepublik ist die Einfuhr von Einhufern aus dem Ausland verboten. Ausnahmegenehmigungen werden durch die zuständigen obersten Landesbehörden, auch für Renn- und Turnierpferde nur unter solchen Auflagen erteilt, daß eine Seucheneinschleppung mit Sicherheit ausgeschlossen erscheint.
Um die Bekämpfung der Pferdepest in den befallenen Ländern durch Schutzimpfung zu fördern, wird zur Zeit geprüft, in welchem Umfang die Bundesrepublik durch Lieferung von kleinen Versuchstieren die Herstellung von Impfstoff in den betroffenen Ländern unterstützen kann.
Zusatzfrage? - Die Frage ist erledigt.
Ich komme zur Frage VI/3 - des Herrn Abgeordneten Gontrum -:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß in den Höhenförderungsgebieten der Landwirtschaft Unklarheit darüber besteht, ob die Leistung - etwa zur Einfriedung von Viehweiden oder beim Feldwegebau - allein durch Unternehmer durchgeführt werden darf oder auch durch Leistung der Landwirte selbst und daß die Landwirte größtes Interesse daran haben, solche Arbeiten selbst durchführen zu können?
Eigenleistungen der Landwirte in Form von Sachleistungen - wie z. B. Einfriedigungen von Viehweiden oder beim Feldwegebau - sind in den Richtlinien des Bundeslandwirtschaftsministeriums noch nie ausgeschlossen gewesen. Eine Unklarheit kann, soweit es die Bundesrichtlinien betrifft, nicht bestehen.
Eine Zusatzfrage?
Kann die Unklarheit durch Weisungen der Landesregierung gekommen sein?
Das ist nicht ausgeschlossen. Die Verwendungsrichtlinien der Bundesregierung regeln im allgemeinen die Verwendung von Mitteln - wie z. B. hier aus dem Grünen Plan - in einem großen Rahmen, lassen aber den Landesregierungen einen verhältnismäßig weiten Spielraum.
Danke sehr.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Vizepräsident Dr. Jaeger
Ich komme zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen, zunächst zur Frage IV/1 - des Abgeordneten Riedel ({0}) -:
Ist die Bundesregierung der Auffassung, daß der Erlaß des Reichsministers der Finanzen vom 13. September 1935 betreffend steuerliche Erfassung von Sammelbesteller-Verteilern noch geltendes Recht ist?
Ist der Abgeordnete Riedel ({1}) im Saale? - Er ist nicht da. Die Frage wird schriftlich beantwortet.
Ich komme zu den Fragen IV/2 und 3 - des Herrn Abgeordneten Ritzel -:
In welchem Umfang ist der Abschluß des Bundeshaushalts für das Rumpfrechnungsjahr 1960 durch über- und außerplanmäßige Ausgaben beeinflußt worden?
In welcher Hohe hat der Herr Bundesfinanzminister im Monat Dezember 1960 über- und außerplanmäßigen Ausgaben für das Rechnungsjahr 1960 zugestimmt?
Herr Abgeordneter Ritzel, ich beantworte Ihre erste Frage nach dem Umfang der über- und außerplanmäßigen Ausgaben im Jahre 1960.
1m gesamten Rechnungsjahr 1960 sind 1,8 Milliarden DM über- und außerplanmäßige Ausgaben geleistet worden. Die Mehrausgaben konnten bis auf einen kleinen Rest durch Einsparungen und Minderausgaben an anderer Stelle des Haushalts und zu einem kleinen Teil durch Mehreinnahmen ausgeglichen werden. Genaue Zahlen: Mehrausgaben 1,8 Milliarden DM, Einsparungen 1,2 Milliarden DM; Mehrsteuereinnahmen sind mit rund 600 Millionen DM zur Deckung herangezogen worden.
Die größere Zahl der überplanmäßigen und außerplanmäßigen Ausgaben des Jahres ist dem Haushaltsausschuß zur zustimmenden Kenntnisnahme vorgelegt worden.
Eine Zusatzfrage? - Herr Abgeordneter Ritzel!
Ist es Ihnen möglich, Herr Staatssekretär, zu sagen, wie hoch die außerplanmäßigen und überplanmäßigen Bewilligungen allein im Monat Dezember waren und wie viele davon auf den Einzelplan 14 entfallen?
Ich komme damit zur Beantwortung Ihrer zweiten Frage, Herr Abgeordneter.
Im Monat Dezember sind insgesamt rund 900 Millionen DM überplanmäßige und außerplanmäßige Ausgaben geleistet worden. Auf den Einzelplan der Verteidigung entfallen davon 30 Millionen DM.
Eine Zusatzfrage? - Herr Abgeordneter Ritzel!
Aus welchem Grunde hat der Bundestag die Ubersicht der über- und außerplanmäßigen Ausgaben des 4. Rechnungsvierteljahres 1959 erst im Dezember 1960, also erst drei Vierteljahre nach dem Ende des Rechnungsjahres, erhalten?
Ich kann Ihre Frage leider nicht beantworten, Herr Abgeordneter. Ich komme darauf zurück.
Keine Zusatzfrage mehr. Dann komme ich zur Frage IV/4 - des Herrn Abgeordneten Ritzel -:
Mit welchem Ergebnis wurden die Kassenbücher des Bundes für das Rechnungsjahr 1960 abgeschlossen?
Die Frage 4 ist mit der letzten Antwort wohl schon erledigt.
Auch ,diese letzte Frage ist schon erledigt?
({0})
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung, zur Frage VII/i - des Herrn Abgeordneten Büttner -:
Wird in das VI. Berufskrankheitenverzeichnis das BergmannsAugenzittern ({1}) als entschädigungspflichtige Berufskrankheit aufgenommen?
Die Frage beantworte ich mit ja. Aller Voraussicht nach werden wir die VI. Berufskrankheitenverordnung dem Bundesrat so rechtzeitig zuleiten können, daß er die Möglichkeit hat, im März zuzustimmen.
Eine Zusatzfrage? - Bitte!
Herr Staatssekretär, besteht nicht die Möglichkeit, die Angelegenheit wegen der vielen dringenden Fälle etwas zu beschleunigen?
Eine Beschleunigung über den angedeuteten Termin hinaus halte ich nicht für möglich, weil wir ja die Angelegenheit dem Bundesrat zuleiten müssen. Das wird im März geschehen.
Eine zweite Zusatzfrage? - Bitte!
Um wieviel Berufskrankheiten etwa wird das Verzeichnis ergänzt werden?
Das kann ich im Augenblick nicht sagen. Aber die in der Diskussion befindlichen Krankheiten sind, soweit ich es augenblicklich übersehen kann, alle in der neuen Verordnung enthalten.
Ich komme zur Frage VII/2 - des Herrn Abgeordneten Dr. Bucher -:
Hält es die Bundesregierung für gerechtfertigt, daß in die Freigrenze von 6000 DM hei der Beitragspflicht Selbständiger zum Kindergeld auch nichtberufliches Einkommen einbezogen wird?
Auch diese Frage ist mit ja zu beantworten. Der § 11 Abs. 1 Satz 3 des Kindergeldgesetzes, wonach Selbständige von der Beitragspflicht befreit sind, sofern ihr steuerpflichtiges Einkommen 6000 DM im Jahre nicht übersteigt, dient ja der Beitragsentlastung wirtschaftlich schwacher Selbständiger. Da es sich um eine Frage der wirtschaftlichen Leistungsfähig-knit handelt, erscheint es gerechtfertigt, bei der Feststellung, ob das Einkommen diese Höhe überschreitet, auch Einkünfte aus Kapitalvermögen und aus Vermietung oder Verpachtung zu berücksichtigen.
Eine Zusatzfrage? - Bitte Herr Abgeordneter!
Herr Staatssekretär, ist es nicht, wenn schon die Aufbringung des Kindergeldes an die Unternehmereigenschaft, an den Betrieb geknüpft ist, systemwidrig, bei dieser Freigrenze auch andere Einkünfte zu berücksichtigen?
Ich halte dieses Verfahren nicht für systemwidrig.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zu der Frage aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verteidigung, gestellt vom Abgeordneten Dröscher:
Glaubt die Bundesregierung, daß es für das gute Verhältnis zwischen Bundeswehr und Bevölkerung förderlich ist, wenn die Wehrbereichsverwaltung IV wegen eines Begatellschadens mit einer kleinen und finanzschwachen Randgemeinde des Truppenübungsplatzes Baumholder am Zivilgericht prozessiert, wie dies durch Beantragung eines Zahlungsbefehls über 61,12 DM gegen die Gemeinde Niederwörresbach Kr. Birkenfeld wegen „Verletzung der Verkehrssicherungspflicht aus unterlassener Wegestreuung" zu geschehen droht?
Die Wehrbereichsverwaltung war der Rechtsansicht, daß die Gemeinde an der Unfallstelle hätte streuen müssen. Da die Gemeinde den Schadensersatzanspruch nicht anerkannte, hat die Wehrbereichsverwaltung Klage auf Zahlung des Betrages erhoben. Der Prozeß richtete sich formell gegen die Gemeinde, wirtschaftlich jedoch gegen die Versicherungsgesellschaft, bei der die Gemeinde gegen Haftpflicht versichert ist. Da das Bundesministerium für Verteidigung Zweifel an der Erfolgsaussicht des Prozesses hatte, wurde die Wehrbereichsverwaltung angewiesen, die Klage zurückzuziehen.
Ich bitte, Herr Abgeordneter, dafür Verständnis zu haben, daß die bearbeitenden Beamten der Wehrbereichsverwaltung nicht von sich aus von dem
Prozeß Abstand nahmen, da sie der Ansicht waren, daß der Prozeß berechtigt sei. Nach § 66 der Reichswirtschaftsbestimmungen darf die Behörde eine Forderung nur dann niederschlagen, wenn die Einziehung des Betrages für den Schuldner eine besondere Härte darstellt. Einen solchen Härtefall konnte die Wehrbereichsverwaltung nicht annehmen, da die Gemeinde versichert war, also nicht selbst zu zahlen brauchte. Auch nach § 68 konnte die Wehrbereichsverwaltung ficht von der Einbeziehung des Betrages absehen, da diese Bestimmung nur für den Verkehr zwischen Bundesbehörden gilt.
Vielleicht wäre es zweckmäßig, diese Bestimmungen zu modernisieren.
Eine Zusatzfrage.
Darf ich fragen, Herr Staatssekretär, wieviel Kosten bisher bei dem Streitwert von 61 DM der Verwaltung entstanden sind?
Das ist mathematisch nicht zu errechnen, da wir leider das kameralistische System haben, bei dem Wirtschaftsberechnungen bei solchen Vorgängen nicht aufzustellen sind. Es ist aber anzunehmen, daß ähnlich hohe Kosten - wenn man genau rechnen würde - bisher entstanden sind.
Aber, Herr Abgeordneter, der einzelne Beamte, der glaubt, daß ein Rechtsanspruch vorliegt, kann eben nach den gesetzlichen Bestimmungen bei Weigerung des Verpflichteten nicht von einem Zahlungsbefehl absehen.
Vielleicht wäre das eine Frage, die zu einer Änderung der Bestimmungen Anlaß geben könnte.
Eine weitere Zusatzfrage.
Hat das Ministerium nicht die Absicht, eine Bagatellgrenze mindestens im Verkehr zwischen Behörden - kommunalen und staatlichen Behörden - einzuführen, damit der bearbeitende Beamte eine solche Möglichkeit erhält?
Herr Abgeordneter, nach den gesetzlichen Bestimmungen ist das nur im Verkehr zwischen Bundesbehörden zulässig. Darauf bezog sich ja meine Antwort, daß es vielleicht zweckmäßig wäre, die gesetzlichen Bestimmungen zu modernisieren, damit diese Bestimmung auch auf den Verkehr zwischen Behörden allgemein angewandt werden kann. Ich würde das für sehr zweckmäßig halten.
Ichdanke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Ich komme zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich ,des Bundesministers für Verkehr; zunächst zur Frage IX/1 - des Herrn Abgeordneten Dr. Atzenroth -:
Vizepräsident Dr. Jaeger
Warum hat der Herr Bundesverkehrsminister entgegen den deutlich ausgesprochenen Wünschen der betroffenen Gemeinden für die Umgehungsstraße Eltville-Niederwalluf die B-Lösung gewählt, obwohl dadurch unnötigerweise wertvolles Weinbaugelände von kleinen Winzern geopfert werden muß?
Herr Abgeordneter Dr. Atzenroth ist nicht anwesend. Er wird durch Herrn Abgeordneten Lenz ({0}) vertreten.
Es sind drei verschiedene Möglichkeiten der Weiterführung des Ausbaues der Bundesstraße 42 im Raum Eltville-Niederwalluf von der hessischen Straßenbauverwaltung eingehend untersucht worden. Die eine davon, die Führung am Rheinufer entlang, ist von den beiden Gemeinden Eltville und Niederwalluf sowie von den für die gemeindliche Planung zuständigen Behörden des Kreises und des Landes aus städtebaulichen, wasserwirtschaftlichen und aus Gründen ,des Landschaftsschutzes auf das entschiedenste abgelehnt worden. Es blieb daher nur noch die Wahl zwischen zwei bergseitig verlaufenden Linien, und zwar der kleinen Nordumgehung, als B-Linie bezeichnet, und der großen Nordumgehung, der C-Linie. Beide Linien führen durch Weinbaugelände. Die Entscheidung für die B-Linie ist nach Abwägung sämtlicher maßgeblicher Gesichtspunkte im Einvernehmen mit den an der Raumordnung beteiligten Bundesministerien gemäß § 16 Abs. 1 des Fernstraßengesetzes erfolgt. Auch der Herr Hessische Minister des Innern als oberste Landesplanungsbehörde hat dieser Linie, die in den Bauleitplanen aufgenommen ist, als der in verkehrlicher Hinsicht zweckmäßigsten zugestimmt. Die Zumutbarkeit der B-Linie in bezug auf die Belange des Weinbaues und der Landwirtschaft ist hierbei auch von dem Herrn Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten besonders eingehend geprüft und unter dem Gesichtspunkt der Möglichkeit gebilligt worden, die Winzer für das verlorengegangene Rebgelände durch Ersatzland aus Eigentum der öffentlichen Hand, das für die Anlage von Rebgärten besonders geeignet ist, zu entschädigen. Ein entsprechender Antrag ist dem hessischen Landtag von der dortigen CDU-Fraktion bereits vorgelegt worden. Dies ist bei der C-Linie, die straßenbau-
und verkehrstechnisch die ungünstigste ist und bei der außerdem eine größere Anzahl von kleineren Parzellen betroffen wird, nicht möglich. Übrigens ist die Ausführung nach der C-Linie um 7 bis 8 Millionen DM teurer als der Ausbau der B-Linie, die etwa den gleichen Aufwand erfordert wie die Rheinuferlinie.
Ich komme zu der Frage IX/2 - des Herrn Abgeordneten Faller -:
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um die auf schweizer Hoheitsgebiet beschäftigten Bediensteten der Deutschen Bundesbahn mit ihren im Bundesgebiet arbeitenden Kollegen personalrechtlich gleichzustellen?
Grundlage für die Fragen auf dem Gebiet des Personalrechts in diesem Raum sind im wesentlichen die zwischen dem ehemaligen Großherzogtum Ba-1 den einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft und den Kantonen Basel-Stadt und Schaffhausen andererseits abgeschlossenen Eisenbahnstaatsverträge von 1852 und 1858 einschließlich ihrer vielfältigen Nachträge, Erklärungen und Zusatzprotokolle und die von dem Bundesminister für Verkehr namens der Bundesrepublik Deutschland und dem Vorsteher des Eidgenössischen Post-und Eisenbahndepartements abgeschlossene Vereinbarung vom 25. August 1953 über den Betrieb und die Verwaltung der deutschen Eisenbahnstrecken in der Schweiz.
Auf Grund des Staatsvertrages von 1852 ist die Deutsche Bundesbahn verpflichtet, auch eine angemessene Zahl von Bediensteten schweizerischer Staatsangehörigkeit zu beschäftigen. Nach der Vereinbarung von 1953 ist die Deutsche Bundesbahn ferner gehalten, das für eine laufende ordnungsgemäße Betriebsführung auf den deutschen Strekken in der Schweiz erforderliche Personal einzusetzen; dazu gehört nach der Vorstellung der vertragschließenden Teile auch, daß ein gewisser Teil dieses Personals in der Schweiz selbst wohnt.
Für die auf Schweizer Gebiet beschäftigten Bediensteten der Deutschen Bundesbahn bestehen infolgedessen gegenüber ihren im Bundesgebiet arbeitenden Kollegen in personalrechtlicher
sicht einige Unterschiede. Sie betreffen Teile der Arbeitszeit- und der Feiertagsregelung, die sich auf Grund der Staatsverträge nach schweizerischem Recht richten müssen, sowie gewisse Unterschiede auch in der Besoldung bzw. Entlohnung. Die Vor-und Nachteile der Abweichungen heben sich jedoch nach unserer Auffassung zumindest gegenseitig in etwa auf. Es besteht deshalb unserer Ansicht nach kein Anlaß, auf eine Änderung der gegenwärtigen Verhältnisse hinzuwirken.
Eine Zusatzfrage!
Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß gleiche Vorschriften auch für den Zoll bestehen, daß aber die Zollverwaltung im Gegensatz zur Bundesbahn ihren Bediensteten für die an Feiertagen in der Schweiz geleistete Arbeit einen Ausgleich, also einen freien Tag, in der Bundesrepublik zugesteht?
Herr Kollege Faller, die Verhältnisse liegen beim Zoll und bei der Eisenbahn in staatsrechtlicher Beziehung nicht gleich. Man könnte vielleicht einmal überprüfen, ob sich hier eine Vereinheitlichung durchführen läßt. Ich weiß aber nicht, ob die für die Eisenbahner verlockende Feiertagsregelung günstiger ist; für den Zoll ist sie nicht so günstig. Man muß versuchen, das Gute mit dem weniger Guten auszugleichen. Man kann nicht nur den guten Tropfen nehmen.
Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Abgeordneter Faller,
Herr Minister, sind Sie bereit, in einer persönlichen Aussprache dazu Stellung zu nehmen, damit ich nicht wieder eine komplizierte Frage stellen muß?
Herzlich gern, Herr Faller. Sie wissen, daß ich Ihnen gerne zur Verfügung stehe, um dieses Problem einmal in allen Einzelheiten zu klären. Das gleiche gilt für meine Herren. Ich glaube, es würde das Hohe Haus zu sehr belasten, wenn ich mit diesen Einzelheiten aufwarten wollte.
Die nächste Frage ist zurückgestellt.
Ich danke Ihnen, Herr Bundesminister. Die Fragestunde ist damit beendet.
Ich rufe auf Punkt 2 der Tagesordnung:
Beratung der Sammelübersicht 30 des Ausschusses für Petitionen ({0}) über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages zu Petitionen ({1}).
Wird dazu das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Widerspruch gegen den Antrag des Ausschusses erhebt sich nicht; dann ist im Sinne des Ausschusses beschlossen.
Wir kommen zu Punkt 3 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den Verkehr mit Arzneimitteln ({2}) ({3}) ;
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Gesundheitswesen ({4}) ({5})
({6}).
Die Berichterstatterin, Frau Abgeordnete Dr. Hubert, hat einen Schriftlichen Bericht vorgelegt. Wünscht sie ihn zu ergänzen? - Bitte.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Der Schriftliche Bericht liegt Ihnen vor. Gestatten Sie mir trotzdem einige wenige Worte zu diesem Gesetzentwurf, den wir, wie ich hoffe, heute in zweiter und dritter Lesung verabschieden werden.
In einer gewissen Weise geschieht damit - das mag vielleicht etwas großartig klingen - etwas Historisches; denn wir verabschieden heute zum erstenmal ein Arzneimittelgesetz und bereiten damit dem seit 60 Jahren bestehenden grotesken Zustand ein Ende, daß zwar für die Herstellung von Arzneimitteln in der Apotheke sehr strenge Vorschriften bestehen, aber außerhalb der Apotheke jedermann Arzneimittel herstellen kann. Drei Versuche zu einer Regelung im alten Reichstag sind gescheitert. Ich hoffe, daß dieser Bundestag bei diesem für die Gesundheit unserer Bevölkerung so wichtigen Gesetz zu einem guten Ende kommen wird.
Dem Ausschuß für Fragen des Gesundheitswesens t haben zwei Entwürfe vorgelegen, ein Initiativgesetzentwurf von der Fraktion der SPD und ein Entwurf der Regierung. Ich darf als Berichterstatterin sagen, daß beide Entwürfe im Ausschuß in einer wirklich guten Zusammenarbeit behandelt worden sind; sie sind zu einer guten Einheit zusammengeschmolzen.
Ich möchte auch nicht versäumen, die gute Zusammenarbeit mit dem Wirtschaftsausschuß hervorzuheben. Seine Stellungnahme ist zwar nicht im Bericht gesondert wiedergegeben, aber überall dort, wo er zu den einzelnen Punkten etwas zu bemerken hatte, ist das im Bericht erwähnt. Insbesondere sind wir in § 26 der Anregung des Wirtschaftsausschusses gefolgt, indem wir durch eine Einfügung klargestellt haben, daß naturgemäß nur die gewerbsmäßige Abgabe von Arzneimitteln in dem Gesetz geregelt wird.
Vor allem hat sich der Gesundheitsausschuß die Vorstellungen des Wirtschaftsausschusses hinsichtlich der Registrierung der Arzneimittel zu eigen gemacht. Der Gesundheitsausschuß ist ebenso wie der Wirtschaftsausschuß in Abweichung von der Regierungsvorlage der Meinung, daß der deutschen Industrie durch die Registrierung keinerlei Hemmnisse in den Weg gelegt werden dürfen.
Ebenso hat der Gesundheitsausschuß, den Empfehlungen des Wirtschaftsausschusses folgend, bei den §§ 27 und 28 nur gesundheitspolitische Vorstellungen walten lassen. Gründe der Volksgesundheit haben uns bewogen, die Direktiven für die Rechtsverordnung der Bundesregierung so zu fassen, wie Sie sie jetzt in der Formulierung der einzelnen Paragraphen des Gesetzentwurfs finden.
Im einzelnen ist dem Bericht nicht mehr viel hinzuzufügen. Ich möchte das Haus nicht mit näheren Ausführungen aufhalten, sondern darf nur noch auf den Antrag des Ausschusses hinweisen, den Gesetzentwurf in der vorliegen Fassung anzunehmen, den von der SPD eingebrachten Entwurf als durch die Beschlußfassung erledigt abzulehnen und die zu dem Gesetzentwurf eingegangenen Petitionen für erledigt zu erklären.
Ich darf darum bitten, Herr Präsident, die Abstimmung in einzelnen Abschnitten vorzunehmen. Im Geschäftsordnungsausschuß hat eine Diskussion stattgefunden. Nachher wird auch zur zweiten Lesung des Entwurfs der SPD aufgerufen werden.
Im übrigen bitte ich das Hohe Haus, die Ausschußvorlage mit möglichst wenigen Änderungen anzunehmen. Der Ausschuß hat mit vielen Organisationen, die auch wirtschaftlich durch das Gesetz betroffen werden, diskutiert. Er hat versucht, soweit es die gesundheitlichen Belange erlauben, auch berechtigten Interessen Rechnung zu tragen und dem Hohen Hause ein möglichst ausgewogenes Gesetz vorzulegen.
({0})
Ich danke der Frau Berichterstatterin. Zum Bericht hat das Wort der Herr Abgeordnete Dr. Atzenroth.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieser Gesetzentwurf ist dem Wirtschaftsausschuß zur Mitberatung überwiesen worden. Der Wirtschaftsausschuß hat sich mit ihm in einer, vielleicht sogar in zwei Sitzungen beschäftigt. Er hat ausführlich Stellung genommen. Diese Stellungnahme weicht in einer Reihe von Punkten von der Stellungnahme des federführenden Ausschusses ab. Soviel ich mich erinnere, ist es üblich, daß die abweichende Stellungnahme eines mitberatenden Ausschusses im Bericht vermerkt wird. Ich kann in diesem Bericht nur an zwei Stellen Hinweise auf ganz nebensächliche abweichende Stellungnahmen des Wirtschaftsausschusses finden. In dem Hauptpunkt, nämlich in der Frage der Abgrenzung zwischen apothekenpflichtigen und frei verkäuflichen Arzneimitteln, ist die Stellungnahme des Wirtschaftsausschusses mit keinem Wort erwähnt. Ich sehe darin einen Mangel und eine Abkehr von der Gewohnheit, die sonst in diesem Hause gilt.
Frau Berichterstatterin!
Herr Kollege, da Sie darauf noch zu sprechen kommen, muß ich mir einige Bemerkungen erlauben. Bezüglich der meisten Anregungen des Wirtschaftsausschusses finden Sie in dem Bericht eine Bemerkung, auch da, wo diese Anregungen von den Empfehlungen des federführenden Ausschusses abweichen.
Wenn bei § 27 die Meinung des Wirtschaftsausschusses nicht besonders erwähnt ist, so liegt das daran, Herr Kollege, daß die Vorlage, die Sie seinerzeit beraten haben, später im federführenden Ausschuß infolge des neuen Antrages eines Kollegen nicht mehr der eigentliche Gegenstand und die eigentliche Grundlage unserer Beratung gewesen ist. Vielleicht hätte ich - es tut mir leid, daß ich das verabsäumt habe - trotzdem im Bericht erwähnen sollen, daß dadurch die Bemerkungen, die der Wirtschaftsausschuß zu der in erster Lesung im Ausschuß beschlossenen Fassung gemacht hatte, sagen wir einmal, gegenstandslos geworden waren. Das hätte im Bericht sicherlich bemerkt werden sollen, und es tut mir leid, daß Sie das nun hier vermißt haben. So ist es gekommen, daß das hier nicht besonders erwähnt worden ist.
({0})
Ich komme damit zur zweiten Beratung.
Ich rufe auf den § 1. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich rufe auf die §§ 2, -3, - 4, - 5, - 6, - 6 a, - 7, - 8, - 8 a, - 9, -10 und 11. - Das Wort zu den aufgerufenen Paragraphen wird nicht gewünscht. Wer ihnen zuzustimmen wünscht, den darf ich um das Handzeichen bitten. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf den § 12 mit dem Änderungsantrag auf Umdruck 748 Ziffer 1. - Das Wort hat der Abgeordnete Gewandt.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe mir erlaubt, dem Hause einen Ergänzungsantrag zu § 12 vorzulegen. Den Beratungen im Gesundheitsausschuß lag die Formulierung des Regierungsentwurfes über den Sachkundennachweis für die Herstellung von Arzneimitteln zugrunde. Der Ausschuß ist davon ausgegangen, daß man sehr hohe Anforderungen an den Hersteller stellen sollte, und hat sich daher, wie Sie sehen, dafür ausgesprochen, daß ein akademisches Studium und eine praktische Erfahrung Voraussetzung für die Herstellung von Arzneimitteln sein solle.
Im Entwurf der Regierung war vorgesehen, daß für die Herstellung einer Reihe von Arzneimitteln, von einfacheren Hausmitteln - ich möchte sie einmal so bezeichnen -, auch ein geringeres Maß an Sachkunde gefordert werden könne, ohne daß deshalb die Erlaubnis zur Gewerbeausübung versagt würde. Ich meine, jetzt eine Formulierung gefunden zu haben, um diesem Petitum zu entsprechen. Damit können auch weiterhin die bisher traditionsgemäß in Drogerien hergestellten Artikel wie Hustenbonbons, Hustensirupe etc. dort zubereitet werden. Das Verdünnen wird weiterhin in Drogerien möglich sein, ohne daß die Betreffenden eine akademische Prüfung abgelegt haben. Die Regierung würde bei Annahme dieses Antrages ermächtigt sein, die hiervon betroffenen Arzneimittel durch Rechtsverordnung zu bestimmen, so daß eine mißbräuchliche Ausweitung nicht möglich ist. Ich bitte Sie daher, diesem Änderungsantrag zuzustimmen.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Hubert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch der Entwurf der sozialdemokratischen Fraktion sah für bestimmte Arzneimittel - wir hatten hier besonders Tees und ähnliches aufgeführt - ein minderes Maß an Sachkunde vor. Wir waren mit dieser unserer Vorstellung im Ausschuß nicht durchgedrungen. Meine Fraktion wird dem Vorschlag des Herrn Kollegen Gewandt gern zustimmen, da er unseren Vorstellungen entspricht.
Wird weiter das Wort gewünscht? -- Das ist nicht der Fall.
Wer dem Antrag der Abgeordneten Gewandt, Dr. Elbrächter, Dr. Rüdel ({0}) auf Umdruck 748 Ziffer 1 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das
_ Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Es ist so beschlossen.
Wer § 12 in der Ausschußfassung, jedoch mit der soeben beschlossenen Änderung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Es ist so beschlossen.
Ich rufe auf §§ 13, - 14, - 15, -- 16. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Es ist so beschlossen.
Vizepräsident Dr. Jaeger
Ich rufe auf § 17 und den Antrag auf Umdruck 748 Ziffer 2, der nur die Konsequenz aus dem soeben angenommenen Änderungsantrag zieht. Wer dem Anderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Es ist so beschlossen.
Wer § 17 in der Ausschußfassung, jedoch mit der soeben beschlossenen Änderung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Es ist so beschlossen.
Ich komme zu den §§ 18, - 19, - 20, - 21, -22, - 23, - 24, - 25, - 26. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Es ist so beschlossen.
Soeben ist ein Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Atzenroth und Genossen zu § 27 eingegangen. Wird er begründet?
({1})
- Er ist so kurz, daß er auch ohne schriftliche Vorlage begründet werden kann. - Herr Abgeordneter Atzenroth!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mein Änderungsantrag bezieht sich auf § 27 Nr. 3 d. Die Ausschußfassung hat folgenden Wortlaut:
Preßsäfte aus
- ich betone das Wort -frischen Pflanzen und Pflanzenteilen, sofern
sie ohne Lösungsmittel mit Ausnahme von Wasser hergestellt sind.
Mein Vorschlag geht dahin, diese Worte zu ersetzen durch „Pflanzenpreßsäfte und Pflanzenauszüge". Die Hersteller dieser Heilmittel werden nach der neuen Fassung, die vorn Ausschuß vorgeschlagen wird, darauf beschränkt, ihre Herstellung nur in der Zeit vorzunehmen, wenn frische Pflanzen zur Verfügung stehen. Es ist nicht einzusehen, warum die Pflanzen, wenn sie in der Form von Pflanzenpreßsäften zunächst konserviert sind und in der Zeit verarbeitet werden, in der die frischen Pflanzen nicht zur Verfügung stehen, nicht denselben Schutz genießen sollen. Infolgedessen bitte ich Sie, dem Änderungsantrag Ihre Zustimmung zu geben.
Wird zu diesem Änderungsantrag, der verlesen ist, das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Stammberger!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie, den Antrag des Herrn Kollegen Atzenroth - er ist von ihm allein gestellt - abzulehnen. Wir haben uns über diese Angelegenheit im Ausschuß sehr eingehend unterhalten. Es kommt eben ganz darauf an, um welche Lösungsmittel außer Wasser es sich handelt. In den Fällen, in denen man solche Lösungen für den freien Verkauf ohne weiteres zulassen kann, hat die Bundesregierung die Möglichkeit, sie durch
Rechtsverordnung nach § 27 a freizugeben. Es bestehen also gar keine Bedenken, daß irgendwelche Schwierigkeiten für die Industrie entstehen könnten. Ich sehe gerade, daß Herr Dr. Elbrächter, der diese Dinge ja aus der industriellen Erzeugung sehr gut kennt, zustimmend nickt. Wir haben uns im Ausschuß über diese Frage wie über alle diese Probleme völlig geeinigt. Es besteht gar kein Anlaß, davon jetzt hier im Plenum abzuweichen.
({0})
Wird weiter dazu das Wort gewünscht? - Das ist nicht ,der Fall.
Meine Damen und Herren, ich lasse über den Änderungsantrag der Kollegen Dr. Atzenroth und Genossen abstimmen, der dahin geht, in § 27. Nr. 3 Buchstabe d - dessen Ausschußfassung Ihnen vorliegt - eine Streichung vorzunehmen und die gestrichenen Worte durch die Worte „Pflanzenpreßsäfte und Pflanzenauszüge" zu ersetzen. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Mit großer Mehrheit abgelehnt.
Wer § 27 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Es ist so beschlossen.
Ich rufe § 27 a auf und dazu den schon erwähnten Antrag der Abgeordneten Dr. Atzenroth und Genossen, Ziffer 2. - Herr Dr. Atzenroth!
({0})
Meine Damen und Herren! In ,der Ausschußfassung des § 27 a wird der Bundesregierung in Abs. 1 Nr. 4 die Möglichkeit gegeben, Heilmittel für den Verkehr außerhalb der Apotheken zuzulassen,
4. so welt nicht durch ihre Zulassung die ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung gefährdet wird.
Mein Antrag geht dahin, diesen Passus zu streichen. Icherkenne die Notwendigkeit der ersten drei Bestimmungen ohne weiteres an. Aber als Begründung für ,die Nichtzulassung des Verkaufs 'außerhalb ,der Apotheken auch die Gefährdung einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung anzuführen, widerspricht unserem Wirtschaftssystem.
Ich darf einmalgenerell ,die Begründung dafür geben, warum ich diese Anträge gestellt habe. Die Anträge entsprechen im wesentlichen der Auffassung, die alle Fraktionen im Wirtschaftspolitischen Ausschuß belkundet haben. Deswegen gen meinerstes Monitum zum Bericht. Wir sind der Meinung, .daß man von unserer Wirtschaftsordnung - und ich vermisse hier eigentlich die Unterstützung des Herrn Bundeswirtschaftsministers - nur da abgehen soll, wo es sich als unbedingt notwendig erweist. Sehr schnell wird immer die „Volksgesundheit" angeführt, aber auch diesen Begriff muß man so einschränken, wie das wirklich notwendig ist. Man muß zumindest andere Fragen ,gleichermaßen Mit in ¡den
Vordergrund stellen, nämlich die ,der Versorgung der Allgemeinheit und des Schutzes des Verbrauchers.
Wenn ich hier Antrage stelle, (dann muß ichdazu sagen, daß sie für keinen der beteiligten Wirtschaftszweigegestellt sind. Ich spreche welder für noch gegen Apotheken, weder für noch gegen Drogisten, sondern für ,den Verbraucher, für die Allgemeinheit. Der Allgemeinheit sollte man die Möglichkeit 'geben, die Dinge, bei denen die Rezeptpflicht nicht gegeben ist, auf ,breitester Basis und zu möglichst niedrigen Preisen zu kaufen. Diesem Bestreben dienen die Anträge, die ich hier vorgelegt habe, und dieses Bestreben wird zum großen Teil durch die Beschlüsse ,des Ausschusses gefährdet.
Ich darf noch einmal auf ,den Begriff „Gefährdung der Volksgesundheit" zurückkommen und darf den Bundeswirtschaftsminister - Ihren Minister von ,der Mehrheitspartei - zitieren, der gesagt hat: „Wo ist die Gefährdung der Gesundheit? Wo sind die Toten?" Das ist sein Wort. Das Argument „Gefährdung der Volksgesundheit" darf nicht übertrieben werden, und es kann [eingeschränkt werden, wenn wir diesen vierten Absatz streichen.
Ich bitte Sie, meinem Antrag zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Rüdel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diese Frage der Abgrenzung des Arzneimittelverkehrs innerhalb und außerhalb der Apotheken ist ein sehr schwieriges Problem. Der Ausschuß hat nach sehr langen Sitzungen eine Ausarbeitung vorgelegt. Wenn Sie etwas aus diesem Mosaik herarusbrechen, dann wird die Lösung der Abgrenzung, wie wir sie gefunden haben, sehr gefährdet. § 27 a Abs. 1 Nr. 4 Idient ja nicht dem Schutz der Apotheke, er kann auch gegen die Apotheke ,ausgelegt werden.
Wir wundern uns eigentlich, daß hier so entscheidende Anträge eingebracht werden, ohne daß wir eine Vorlage vorfinden. Man kann sich das nicht so leicht machen und durch einen Überraschungsantrag Änderungen vornehmen wollen, die sehr schwerwiegend sind.
({0})
Solche Anträge sollte man doch zumindest vor ihrer Einbringung mit den Ausschußmitgliedern besprechen und nicht durch einen Überraschungsantrag das ganze mühsam aufgebaute Werk gefährden.
Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, diesen Ant rag abzulehnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Gewandt.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die von Herrn Kollegen Atzenroth hier vertretene Auffassung über die Möglichkeiten einer, ich möchte sagen, wirtschaftspolitischen und protektionistischen Auslegung dieses Paragraphen ist nur möglich, wenn man den Passus isoliert sieht und nicht, wie es sein muß, im Zusammenhang mit den Formulierungen, um die der Ausschuß lange Zeit gerungen hat. Ihnen liegt ein Entschließungsentwurf unserer Fraktion vor, den später Herr Kollege Dr. Rüdel begründen wird. Dieser Entwurf umreißt ganz klar unseren Auftrag an die Regierung, sich beim Erlaß von Verordnungen nur von gesundheitspolitischen Gesichtspunkten leiten zu lassen.
Aber im Hinblick auf die Bedeutung der §§ 27 und 27 a sei in aller Kürze noch etwas zur Erläuterung gesagt: In der Tat sind diese Paragraphen die strittigsten und im Grunde genommen die neuralgischen Punkte des Gesetzes. Wir wissen alle, daß seit über 50 Jahren, nämlich seit dem Jahre 1901, als die kaiserliche Verordnung den Verkehr mit Arzneimitteln regelte, der Kampf um eine Anderung dieser kaiserlichen Verordnung das Verhältnis zwischen den in diesem Bereich beteiligten Kreisen der Wirtschaft erheblich gestört hat. Wir hoffen sehr, daß es uns mit diesem Gesetzentwurf gelingt, eine Befriedung auf einer gesunden Grundlage herbeizuführen. Das ist wohl das Entscheidende und die Grundlage für unsere Formulierung, die einerseits gesundheitspolitischen Zielen gerecht wird, auf der andern Seite aber auch nicht verkennt, daß es berechtigte wirtschaftliche Interessen gibt, die hier, wie wir meinen, voll gewahrt werden.
Meine Damen und Herren, in diesem Zusammenhang möchte ich mir, da es sonst keine Möglichkeit gibt, erlauben, etwas zu erwähnen, was nach meiner Auffassung in diesem Gesetz zu kurz gekommen ist. Es wäre sicher verkehrt, davon auszugehen, daß durch die Vermehrung der Verkaufsstätten eine Gefährdung der Volksgesundheit eintreten könnte. Ich glaube, eine viel größere Gefahr für die Zukunft ist für uns alle die kommerzielle Werbung auf dem Arzneimittelsektor. Wenn man gesundheitliche Schäden abwenden will, wird man sich künftig diesem Problem verstärkt zuwenden müssen.
Das Gesetz hat in seiner jetzigen Form aber nicht nur auf die Belange der einzelnen Stände im ausgewogenen Verhältnis Rücksicht genommen, wir haben uns auch bemüht, die seit Jahrzehnten in Deutschland gewachsenen Verbrauchsgewohnheiten zu respektieren, und ich glaube, das ist wichtig.
Das Gesetz ist, wenn Sie wollen, konservativ. Es bringt keine gesundheitspolitischen und keine wirtschaftspolitischen Experimente, sondern es bemüht sich, das ausgewogene Verhältnis der einzelnen am Arzneimittelverkehr beteiligten Kreise zu erhalten. Es bringt eine Reihe von Verbesserungen, von Modernisierungen, aber es wirft nichts über den Haufen.
Ich glaube aber - und das möchte ich abschließend sagen -, es wäre verkehrt, Herr Kollege Atzenroth, dieses Gesetz aus der Perspektive eines Standes oder einer Gruppe zu betrachten. Dann wird es immer schlecht abschneiden und Kritik hervorrufen. Wir haben uns bemüht - in einem sehr harmonischen Einvernehmen gerade auch zwischen
den Abgeordneten, die aus den verschiedensten Berufsständen kommen -, eine Regelung zu finden, die in erster Linie die übergeordneten Gesichtspunkte der Gesundheit und die übergeordneten wirtschaftlichen Gesichtspunkte respektiert. Aus der Perspektive eines Standes mag das Gesetz kritisiert werden. Ich glaube aber, wenn man diese übergeordneten Gesichtspunkte als Maßstab nimmt, muß man sagen, daß das Gesetzeinen Fortschritt bringt und zu einer Beruhigung führt. Deshalb sollte es in der vom Ausschuß beschlossenen Form unverändert angenommen werden.
({0})
Meine Damen und Herren, wird des weiteren das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Wir kommen damit zur Abstimmung über den verlesenen Antrag - Ziffer 2 des Umdrucks - der Abgeordneten Dr. Atzenroth und Genossen. Nach dem Antrag soll in § 27 a Abs. 1 die Nr. 4 gestrichen werden. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letzte ist die große Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wer § 27 a in 'der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, ,den bitte ich um ,das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Es ist so beschlossen.
Ich rufe §§ 28 und 28 a auf. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den beiden aufgerufenen Paragraphen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Es ist so beschlossen.
Ich rufe § 29 mit dem Antrag Umdruck 746 auf. Das Wort zur Begründung des Antrags hat der Abgeordnete Dr. Stammberger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Gesundheitsausschuß ist bei der Formulierung dieses Paragraphen von dem Regierungsentwurf insofern abgewichen, als er an die Stelle der enumerativen Aufzählung der Mitglieder des beabsichtigten Beirats praktisch der Bundesregierung die Möglichkeit gegeben hat, sich selbst die geeigneten Kreise herauszusuchen. Bei der Aufzählung dieser Kreise sind unbeabsichtigt die Krankenhäuser vergessen worden, die ja ebenfalls ein großes Interesse am Arzneimittelwesen haben. Wir bitten Sie, dieses offensichtliche Versehen dadurch zu korrigieren, daß Sie dem Antrag der FDP zustimmen.
Wind ,das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich lasse über den Antrag der Fraktion .der FDP auf Umdruck 746, der soeben begründet worden ist, abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Antrag ist angenommen.
Ich lasse nunmehr abstimmen über § 29 in der Ausschußfassung mit der soeben beschlossenen Änderung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ,das Handzeichen. - Angenommen.
Ich rufe auf § 30. Dazu liegt der Änderungsantrag Umdruck 744 Ziff. 1 vor. Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Dr. Dittrich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch das sorgfältigst vorbereitete Gesetz kann manchmal Lücken aufweisen. So bedarf auch ,der vorliegende Entwurf in § 30 Abs. 3 einer kleinen Ergänzung.
Mit der Vorschrift des § 30 Abs. 3 wird dem, ich darf wohl sagen, Unwesen der Ärztemuster zu Leibe gerückt. Es heißt dort:
Hersteller, Vertriebsunternehmer und Großhändler dürfen Muster von Arzneispezialitäten an die zur Ausübung der Heilkunde, Zahnheilkunde oder Tierheilkunde befugten Personen auf jeweilige Anforderung in einem dem Zwecke der Erprobung angemessenen Umfang abgeben, ...
Um nun zu verhindern, 'daß eine Industrie, die Wert darauf legt, Ärztemuster in größerem Maße abzugeben, dies durch eine Mittelsperson tut, beantragen wir, nach dem Worte „abgeben" einzufügen: „oder abgeben lassen". Wir glauben, daß diese Ergänzung notwendig ist, um eine Umgehung des Gesetzes zu verhindern. Wir bitten Sie, dem Antrag Ihre Zustimmung zu geben.
Wird weiter das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann komme ich zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Dittrich, Dr. Rüdel ({0}) und Dr. Stammberger unter Umdruck 744 Ziffer 1, der soeben begründet worden ist. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Mit Mehrheit angenommen.
Ich lasse nunmehr über § 30 in der Ausschußfassung mit der soeben beschlossenen Änderung abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Angenommen.
Ich rufe auf § 31. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Es ist so beschlossen.
Ich rufe auf § 32. Der mir schriftlich überreichte Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Atzenroth und Genossen ist zu diesem Punkt zurückgezogen. Es bleibt übrig der Antrag Umdruck 747 ({1}). Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Dr. Elbrächter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Hohe Haus hat sich bereits einmal mit diesem Fragenkreis beschäftigt, nämlich anläßlich der Verabschiedung der Änderung der Gewerbeordnung. Das Ziel unseres Antrages ist, daß der jetzige, durch § 56 der Gewerbe-o rdnung legitimierte Zustand aufrechterhalten bleibt. Wenn wir das Arzneimittelgesetz in der jetzt vorliegenden Fassung annehmen, würde in Zukunft das Aufsuchen von Bestellungen auf TierarzneimitDr. Elbrächter
tel verboten sein. Es liegen weder gesundheitspolitische noch gesundheitspolizeiliche Gründe für eine solch rigorose Maßnahme vor, die zweifellos einen Eingriff in seit Jahrzehnten bestehende Betriebe, und zwar in - ich betone das, weil es heutzutage modern ist - mittelständische Betriebe, bedeutet. Es handelt sich um einige hundert Betriebe mit mehreren Tausend Beschäftigten, deren Existenzgrundlage durch diese Bestimmung einschneidend betroffen werden würde, nach meiner Auffassung und der Auffassung der anderen Antragsteller ohne hinreichenden Grund.
Dieser Antrag steht in einem gewissen Zusammenhang mit § 26 Abs. 3 Nr. 2, dem Dispensierrecht der Tierärzte. Wir haben im Ausschuß lang und breit darüber beraten und waren trotz aller Bedenken bereit, das bestehende Dispensierrecht nicht nur auf alle Bundesländer auszudehnen, sondern es sogar insofern zu erweitern, als die Tierärzte ein Abgaberecht haben sollten. Sie sollen also nicht nur bei unmittelbarer Behandlung von Tieren das Recht haben, Arzneimittel aus ihrer eigenen Hausapotheke anzuwenden, sondern sie sollen diese auch den Tierhaltern liefern dürfen. Praktisch sind damit die Apotheken, Drogerien und die bestehenden Versandhäuser ausgeschaltet. Es ist nämlich ganz selbstverständlich, daß die Tierärzte dann von diesem Recht, das wir ihnen im § 26 zugestanden haben, weitgehend Gebrauch machen werden. Das bedeutet, daß durch die Annahme des Entwurfs in der vorliegenden Fassung ein Monopol statuiert wird.
Ich glaube, wir sind uns in diesem Hause alle einig, daß das ein höchst unerwünschter Zustand ist. Das war der Grund, warum wir seinerzeit bei der Beratung der Novelle zur Gewerbeordnung mit Mehrheit - ich betone: mit Mehrheit durch alle Fraktionen hindurch - eine Fassung beschlossen haben, die es ermöglichte, den bisherigen Zustand weiterhin beizubehalten.
Nun lassen Sie mich der Kürze wegen gleich auf die Einwände zu sprechen kommen, die sicherlich vorgetragen werden. Insbesondere mein sehr geschätzter Kollege Dittrich wird gleich als Opponent hier auftreten und Ihnen klarzumachen versuchen, daß ich mit meiner Auffassung ganz falsch liege. Es gibt drei Gründe, von denen man glaubt, sie sprächen dagegen, und die immer wieder vorgebracht werden.
Das erste ist, daß man sagt, mit diesem Recht des Aufsuchens von Bestellungen könne eine unerlaubte Ausübung der Tierheilkunde verbunden sein. Ich betone, daß bislang in jahrzehntelanger Praxis auch nicht der Schatten eines Beweises für diese Unterstellung beigebracht worden ist. Es liegt also kein begründeter Verdacht vor, daß hier die Umgehung eines Verbotes, das wir durch dieses Gesetz erwirken wollen, ermöglicht wird.
Der zweite Einwand ist der, daß Seuchen verschleppt werden könnten. Ich brauche darauf im einzelnen nicht einzugehen. Wer weiß, wie Seuchenzüge bei Tieren entstehen und wie sie verbreitet werden können, erkennt, daß dieser Grund absolut nicht stichhaltig ist.
Der dritte Einwand - wir haben damals darüber schon eingehend gesprochen - ist der, die Bauern könnten - ich darf das einmal ganz populär sagen - für dumm verkauft werden, es könnten ihnen Mittel angehängt werden, die sie nicht gebrauchten; man spekuliere also auf die Dummheit oder das Unwissen der Landwirte. Wenn so etwas vorläge, müßte man auch das in § 32 Abs. 1 erlaubte Aufsuchen von Bestellungen für die frei verkäuflichen Mittel untersagen. Das haben wir aus wohlerwogenen Gründen nicht getan. Wenn man also das Aufsuchen von Bestellungen für humanwirksame Mittel gestattet, dann muß man logischerweise auch das Aufsuchen von Bestellungen für Tierarzneimittel zulassen, denn die Gründe sind gleich.
Ich bitte Sie, unserem Änderungsantrag zuzustimmen. Ich bin überzeugt, daß wir damit recht tun. Aus wirtschaftspolitischen Gründen ist es notwendig - wir sind dazu verpflichtet -, alles zu tun, was das Entstehen monopolartiger Gebilde verhindert. Aus Gründen der Gerechtigkeit haben wir weiterhin die Pflicht, dafür zu sorgen, daß die wirtschaftliche Existenz von Leuten, die seit Jahrzehnten eine bewährte Praxis haben, nicht ruiniert wird. Daher meine Bitte, dem Antrag zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Dittrich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei dem Änderungsantrag des Kollegen Elbrächter und Genossen geht es um eine Frage, die schon wiederholt diskutiert wurde. Ich darf dabei feststellen, daß sowohl die Regierungsvorlage als auch der Entwurf der SPD die Bestimmung so enthalten, wie sie vom Ausschuß im § 32 Abs. 2 beschlossen worden ist.
Ich darf weiterhin folgendes feststellen. Bei dem Gesetz zur Änderung der Gewerbeordnung wurde zu dieser Bestimmung ausdrücklich erklärt, daß es sich nur um eine Regelung bis zum Inkrafttreten des Arzneimittelgesetzes handele. Man wollte diese Frage also nicht vorab entscheiden, sondern die Regelung dein Beratungen über das Arzneimittelgesetz vorbehalten.
Der Kollege Elbrächter hat diesen Änderungsantrag übrigens schon zweimal im Ausschuß für Gesundheitswesen gestellt und ist beide Male unterlegen;
({0})
Der Antrag wurde aus sehr wohlerwogenen Gründen abgelehnt.
({1})
- Keine Aufregung, Herr Kollege Elbrächter; das ist die ganze Sache nicht wert.
Worum geht es? Es geht darum, daß wir nicht zweierlei Recht schaffen, je nachdem, ob es sich um
Arzneimittel für den Menschen oder um Arzneimittel für das Tier handelt. Wir sollten da keinen Unterschied machen.
Noch etwas muß ich dem Kollegen Elbrächter entgegenhalten - insoweit waren seine Ausführungen nicht vollständig - , daß die Landwirte die Tierarzneimittel kaufen können, wo immer sie lustig sind: beim Hersteller, beim Großhändler, beim Tierarzt, soweit er die Tiere behandelt - das ist das Dispensierrecht -, auch in der Apotheke oder wo immer sonst es Arzneimittel gibt. Es ist nicht so, wie Kollege Elbrächter glauben machen möchte, daß die Industrie geschädigt werden könnte. Denn der Vertrieb der Tierarzneimittel ist überall möglich, nur nicht im Reisegewerbe, und das hat seine guten Gründe. Ich will nicht wiederholen, was Kollege Elbrächter bei dem Versuch, meine Argumente zu entkräften, dankenswerterweise ausgeführt hat. Was Kollege Elbrächter vorgebracht hat, reicht meines Erachtens nicht aus, um seinen Antrag, der einen so wesentlichen Punkt des Gesetzes ändern will, zum Siege zu verhelfen.
Der Kollege Elbrächter sprach von einem Monopol der Tierärzte. Herr Elbrächter, wo ist denn dieses Monopol? Sie wissen ganz genau, daß nach diesem Gesetz - Sie haben ja selbst daran mitgewirkt - die Tierärztliche Genossenschaft nicht mehr existent sein wird. Auch wissen Sie ganz genau, daß die Tierarzneimittel überall gekauft werden können. Von einem Monopol der Tierärzte kann daher unter keinen Umständen gesprochen werden.
Meine Damen und Herren, Sie werden mir in einem recht geben - und dem kann auch der Kollege Elbrächter nichts entgegenhalten -: mit einem Reisegewerbe in Tierarzneimitteln ist in vielen Fällen die Ausübung der Tierheilkunde verbunden, und gerade das sollten wir in diesem Gesetz nicht gestatten.
In den beiden ersten Lesungen dieses Gesetzes habe ich erklärt, daß ich es mir zur Aufgabe gemacht habe, solange ich dem Gesundheitsausschuß angehöre und hier mitarbeite, dem Reisegewerbe in Arzneimitteln, welche es auch immer sein mögen, den Kampf anzusagen. Diese Kampfansage enthält der Regierungsentwurf, enthält der SPD-Entwurf und die Fassung, die der Ausschuß beschlossen hat.
Das Reisegewerbe in Arzneimitteln kann überdies - das hat Kollege Elbrächter liebenswürdigerweise schon ausgeführt - dazu führen, daß Seuchen nicht rechtzeitig erkannt oder gemeldet werden. Dem sollten wir nicht Vorschub leisten. Wir sind für die Volksgesundheit in der Bundesrepublik verantwortlich und sollten daher einen solchen Änderungsantrag, wie ihn der Kollege Elbrächter gestellt hat, nicht stattgeben, zumal seine Behauptung, daß hier die Industrie oder der Mittelstand gefährdet werde, gar nicht zutrifft. Das Haus sollte es bei der Fassung des § 32 Abs. 2 belassen, wie sie der Ausschuß beschlossen hat.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Elbrächter.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, nur noch ganz wenige Worte! Ich verspreche, es kurz zu machen. Ich habe mich soeben schon bemüht, so kurz wie möglich zu sprechen. Daher waren meine Ausführungen notgedrungen unvollständig. Da es sich hier aber nur um ein Randproblem und nicht um ein Kernproblem des Arzneimittelgesetzes handelt, ist es nicht notwendig, nun ins Detail zu gehen.
Dennoch glaube ich Herrn Dittrich widersprechen zu müssen. Ich muß nochmals darauf aufmerksam machen, daß es völlig unlogisch ist, den § 32 Abs. 1 mit seiner Ausnahme anzunehmen, in Abs. 2 dagegen ein striktes Verbot einzuführen. Ich achte Grundsätze; sie sind etwas sehr Schönes und erleichtern uns das Zusammenleben ungemein. Aber dann muß man konsequent sein und darf nicht für die Anwendung beim Menschen gewisse Ausnahmen gestatten, während man für die Anwendung beim Vieh konsequent alles verbieten will.
Fraú Kollegin Hubert hat als Berichterstattenin in ihrer Einleitung sehr richtig gesagt, daß bei all unseren Erwägungen gesundheitspolitische Grundsätze den Vorrang gehabt haben. Andererseits hat sie aber zu Recht betont, daß es sich hier auch um wirtschaftliche Interessen handelt und daß man selbstverständlich die wirtschaftlichen Gesichtspunkte gebührend berücksichtigen muß.
Wir haben doch weiß Gott keinen Grund, um eines Grundsatzes willen, dessen Befolgung weder aus gesundheitspolitischen noch aus gesundheitspolizeilichen Gründen notwendig ist, Existenzen in Gefahr zu bringen. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß dann, wenn wir das Aufsuchen von Bestellungen untersagen, eine wirkliche Gefahr heraufbeschworen wird. Wir tun uns natürlich heute im Zeitalter der Vollbeschäftigung sehr leicht, wenn wir sagen, ein paar tausend Menschen werden woanders untergebracht. Aber so leicht dürfen wir es uns wirklich nicht machen. Wir werden unserer Verantwortung nicht gerecht, wenn wir einfach mit einem Federstrich darüber hinweggehen.
Im übrigen darf ich wiederholen, daß mein Petitum auch das Petitum des Wirtschaftspolitischen Ausschusses ist.
Wird des weiteren das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Ich lasse abstimmen über den Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Elbrächter, Illerhaus und Genossen auf Umdruck 747 ({0}). Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das zweite ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zu § 32 in der Ausschußfassung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Er ist mit Mehrheit beschlossen.
Ich erteile nunmehr dem Abgeordneten Lange das Wort zur Begründung eines Antrags auf Einfügung eines § 32 a.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es tut mir außerordentlich leid, daß dieser Antrag den Kollegen des Hauses nicht vorliegt. Aber er ist wahrscheinlich auch ohne Vorlage zu verstehen.
Wir haben soeben über den § 32 gestritten. Der § 32 hat ,dem Grunde nach dadurch eine ungute Formulierung, daß er das Feilbieten und das Aufsuchen von Bestellungen in einem Atemzuge nennt. Gerechterweise muß man allerdings zugeben, daß diese ungute Formulierung auch schon in der Gewerbeordnung enthalten ist. Man hat das Feilbieten und das Aufsuchen von Bestellungen leider nicht voneinander getrennt.
Bei dem Antrag, den ich jetzt begründen möchte, geht es darum, daß alle Handelsformen außerhalb der Apotheke und außerhalb dessen, was besondere Sachkunde erfordert, aus Gründen der Wettbewerbsgleichheit gleichgestellt werden. Wir haben ja hier zu anderer Zeit häufig genug schon die Auffassung vertreten, wir sollten keinen wie immer gearteten Handelsweg gegenüber einem anderen benachteiligen oder bevorzugen. Man kommt natürlich nicht daran vorbei, auch bei solchen Erwägungen die Sicherung der Gesundheit in den Vordergrund zu stellen. Deshalb soll in dem § 32 a, der neu eingefügt werden soll, der Bundesminister des Innern ermächtigt werden, im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Wirtschaft und, soweit deren Geschäftsbereiche berührt sind, mit dem Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und dem Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung durch Rechtsverordnung Ausnahmen zu § 32 Abs. 1 Satz 1 zuzulassen, sofern keine Gefährdung der Gesundheit zu befürchten ist. Von hier her ergibt sich also die Einschränkung. Unter diesem Gesichtspunkt, unter den wir das ganze Gesetz gestellt haben auch alle wirtschaftspolitischen Überlegungen sind ja diesem Gesichtspunkt der Sicherung der Gesundheit untergeordnet
- sollte also im Zweifelsfalle der Bundesinnenminister in den Stand gesetzt werden, Ausnahmen zuzulassen, die - ansonsten hätte man sie in den § 32 ausdrücklich hineingeschrieben - zu bestimmten, von allen nicht gewollten Weiterungen führen könnten.
Ich wäre dankbar, verehrte Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie diesem Antrage zustimmen könnten.
({0})
- Ich lese noch einmal vor:
Der Bundesminister des Innern wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Wirtschaft und, soweit deren Geschäftsbereiche berührt sind, mit dem Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und dem Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung
- das sind also die Formalien für die Rechtsverordnung durch Rechtsverordnung Ausnahmen zu § 32 Abs. 1 Satz 1 zuzulassen, sofern keine Gefährdung der Gesundheit zu befürchten ist.
Ich glaube, mit dieser sehr vorsichtigen Formulierung sind alle unliebsamen Folgerungen in bezug auf Gefährdung der Gesundheit ausgeschlossen, und wenn der Bundesminister des Innern weise davon Gebrauch macht, brauchen wir uns, meine ich, dem Vorwurf nicht auszusetzen, daß wir die eine oder die andere Form des Handels gegenüber anderen benachteiligen oder bevorzugen.
Ich wäre also dankbar, wenn Sie diesem Antrage entsprächen.
Meine Damen und Herren, wird zu dem soeben verlesenen Antrag das Wort gewünscht? - Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Stammberger.
Herr Präsident! Meine Damen unid Herren! Obwohl ich Mitglied einer Oppositionspartei bin, möchte ich mich hier zum Anwalt der Bundesregierung machen und ihr die Notwendigkeit einer weiteren Rechtsverordnung ersparen.
Die Fassung des Gesundheitsausschusses entspricht wortwörtlich der Fassung des Wirtschaftsausschusses im Ausschußbericht zur Novelle der Gewerbeordnung. Bei der Novelle ,der Gewerbeordnung ist in der zweiten und dritten Lesung im Plenum dasselbe passiert, was wir heute in zwei Fällen erleben. Es kommt nämlich im letzten Augenblick ein Antrag auf dein Tisch gewischt, über dessen Konsequenzen sich in der Eile manchmal nicht einmal diejenigen klarwerden können, die an dem Gesetz die ganze Zeit mitgewirkt haben.
({0})
Das ist ein schlechter Stil; Lassen Sie mich das rein-mal ganz offen aussprechen. Es ist damals ein Änderungsantrag der SPD angenommen worden. Herr Kollege Lange, ich spreche mich persönlich nicht von Schuld frei; auch ich habe nämlich Ihrer Argumentation geglaubt und habe sogar meine Fraktion gebeten, dem Antrag zuzustimmen. Wir haben hinterher feststellen müssen - gerade im Zusammenhang mit diesem Problem -, daß diese Begründung nicht stimmen konnte. Kein Vorwurf gegen Sie, Herr Kollege Lange; das ist eben so, wenn im letzten Augenblick ,die Leute durch das Haus rasen und noch versuchen, einige Abgeordnete zusammenzutrommeln, die nun für ihre Interessen hier irgend etwas auf den Tisch des Hauses legen.
Meine Damen und Herren, so kann man keine Gesetze machen.
Aus diesem Grunde bitte ich Sie, den Antrag abzulehnen.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Lange.
Meine Damen und Herren! Herr Kollege Stammberger, ich muß doch sehr bitten! Es geht hier erstens nicht um Interessenvertretung. Zweitens ist auch ,damals der Antrag zur Gewerbeordnung nicht unter dem Gesichtspunkt gestellt worden, daß man irgendwem irgend etwas im besonderen zuliebe tun wollte, sondern damals ist ausdrücklich betont worden, daß dieser Antrag nur Iden Sinn habe, den vorhandenen praktischen Zustand nicht durch die Gewerbeordnung zu ändern
({0})
- doch, idas hat wohl gestimmt -, sondern dass dem Arzneimittegesetz zu überlassen.
Ich habe sogar ausidrücklich erklärt: die Frage wird weiter zu prüfen sein, und die Entscheidung dieseis Hauses wird nach ,den in gesundheitspolitischer Hinsicht beim Arzneimittelgesetz gewonnenen Erkenntnissen zu treffen sein. Das war also die Einschränkung, die wir damals gemacht haben. Insoweit, Herr Kollege Stammberger, war das, glaube ich, eine völlig einwandfreie Sache.
Hier geht es nur darum, aus 'den soeben von mir genannten Gründen im Interesse aller Betroffenen -nicht im Interesse dieses oder jenes einzelnen - mögliche Ausnahmen dann zuzulassen, wenn sie im gesundheitspolitischen Sinne unbedenklich sind, also keine Gefährdung der Gesundheit .befürchten lassen. Darum geht es, um nicht mehr und nicht weniger. Es geht vor allem nicht darum, dem einen oder anderen irgend etwas zuzuschieben.
Wenn Sie, Herr Kollege Stammberger, aus solchen Erwägungen heraus die Betroffenen wirklich fragten, würden sie Ihnen zu diesen Punkten noch ganzandere Dinge sagen.
({1})
- Entschuldigen Sie, darum geht es jetzt gar nicht. Es geht doch um unsere Entscheidung. Man kann doch nicht eine Sache mit dem Hinweis, daß hier und dort dieser oder jener Vertreter irgendeiner Gruppe aufgekreuzt ist, positiv oder negativ beurteilen; hier geht es nur darum: sind wir bereit, unterbestimmten Voraussetzungen - und das sind sehr 'eingeschränkte, sehr erschwerende Voraussetzungen - die Gleichbehandlung aller Handelsformen außerhalb der Apotheke zuzulassen oder nicht? Das ist die Frage. Und das „Plötzliche" hat sich einfach daraus 'ergeben, daß man hier vorher
- wir waren ja gestern nicht hier im Hause - mit den Kollegen nicht hat reden können, sonst wäre vielleicht eine Unterhaltung auch mit dien Kollegen der anderen Fraktionen ermöglicht worden. Ich bitte das insoweit zu 'entschuldigen, Herr Kollege Stammberger. Trotzdem bitte ich, sich das noch einmal zu überlegen und nicht mit dieser, ich möchte sagen, abwertenden Argumentation gegenüber einem hier gestellten Antrag zu operieren.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Dittrich.
Herr Präsident! Meine ( Damen und Herren! Ich könnte mich eigentlich auf das beziehen, was ich vorher zum Ausdruck gebracht habe. Arzneimittel eignen sich nun einmal nicht, im Reisegewerbe vertrieben zu werden. Hier sollten wir einen Riegel vorschieben.
Gestatten Sie mir nur zwei Anmerkungen. Nach meiner Ansicht ist dieser Antrag - verzeihen Sie, Herr Kollege Lange, daß ich das sage - unlogisch; denn wir machen ja ohnedies in § 32 Abs. 1 Ausnahmen von dem grundsätzlichen Verbot des Feilbietens von Arzneimitteln und des Aufsuchens von Bestellungen. Warum soll die Regierung jetzt erneut die Ermächtigung erhalten, Rechtsverordnungen zu erlassen? Schon daraus mögen Sie ersehen, daß dem Antrag nicht stattgegeben werden kann.
Herr Kollege Lange, gestatten Sie mir bitte, noch eine Zweites auszuführen. Wenn wir einmal weitere Lücken hinsichtlich des Feilbietens von Arzneimitteln und des Aufsuchens von Bestellungen haben, können wir nicht mehr übersehen, wo das Ende ist. Man sollte Arzneimittel grundsätzlich - ich betone diesen Grundsatz noch einmal - nicht im Reisegewerbe vertreiben lassen. Wir müssen deshalb den Antrag des Kollegen Lange ablehnen.
Wird des weiteren das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung über den verlesenen Antrag des Abgeordneten Erwin Lange auf Einfügung eines neuen, § 32 a. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe auf die §§ 33, - 34, - 35, - 36, - 37, -38, - 39, - 40, - 41, - 42, - 43, - 43 a, - 44, -45, - 46, - 46 a und 47. Wird zu den aufgerufenen Paragraphen das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Es ist so beschlossen.
Ich rufe auf § 48 und dazu den Änderungsantrag Umdruck 744 Ziffer 2. - Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Stammberger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir beantragen unter Ziffer 2 nur eine mehr oder weniger redaktionelle Änderung. Mit Rücksicht auf die Notwendigkeit, die Registrierungsbehörde beim Gesundheitsamt nunmehr einzurichten, treten die entsprechenden Vorschriften erst am 1. Oktober dieses Jahres in Kraft. Aus diesem Grunde muß auch § 48 Abs. 1 geändert werden. Wie gesagt: mehr oder weniger eine redaktionelle Angleichung.
Wind das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Wer dem Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Dittrich, Dr. Rüdel ({0}) und Dr. Stammberger,
Vizepräsident Dr. Jaeger
Umdruck 744 Ziffer 2, zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Es ist so beschlossen.
Ich lasse nunmehr über § 48 in der Ausschußfassung mit der soeben beschlossenen Änderung abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Es ist so beschlossen.
Ich rufe auf die §§ 48 a, - 48 b, - 49, - 50, -51 - § 52 entfällt -, 52 a und 53. Wird dazu das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Es ist so beschlossen.
Die §§ 54 und 55 entfallen. Ich rufe auf § 56 und dazu den Änderungsantrag Umdruck 744 Ziffer 3. - Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Stammberger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach § 8 Abs. 1 Nr. 7 soll in Zukunft bei allen Arzneispezialitäten auch angegeben werden, ob ein Medikament rezeptpflichtig oder apothekenpflichtig ist. Das ist im Augenblick nur mit Schwierigkeiten möglich, weil die Abgrenzung der Abgabe noch durch die Kaiserliche Verordnung erfolgt und hier die Verhältnisse wegen der Überalterung dieser Verordnung unklar sind. Ein sofortiges Inkrafttreten des § 8 Abs. 1 Nr. 7 würde daher zu Schwierigkeiten führen. Klarheit kann frühestens durch den Erlaß der Rechtsverordnungen gemäß §§ 27 a, 28 und 31 erzielt werden. Auch dann erscheint uns noch eine gewisse Frist erforderlich, damit man sich auf die neuen Regelungen entsprechend einstellen kann. Daraus ergeben sich unsere Änderungsanträge Umdruck 744 Ziffer 3 a und Ziffer 3 b.
Nun zum Änderungsantrag unter Ziffer 3 c. Bis zum Erlaß einer Rechtsverordnung nach § 33 soll die bisherige Arzneitaxe weitergelten. Bevor diese Verordnung erlassen wird, beabsichtigt die Bundesregierung aber, in allernächster Zeit, mindestens einmal, wahrscheinlich noch ein zweites Mal, die Arzneitaxe zu ändern und den geänderten Verhältnissen anzupassen. Auch diese Änderungen müssen durch das Gesetz gedeckt werden. Deshalb ist eine - ich möchte auch hier sagen: mehr oder weniger redaktionelle - Änderung des § 56 Abs. 6 erforderlich. Ich bitte um Ihre Zustimmung.
Wind zu den Änderungsanträgen noch das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Herr Abgeordneter Dr. Stammberger, ich nehme an, daß wir über die Änderungsanträge Umdruck 744 Ziffer 3 im ganzen abstimmen können. - Wer den Änderungsanträgen Umdruck 744 Ziffer 3 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Es ist so beschlossen.
Ich lasse nunmehr abstimmen über § 56 in der Ausschußfassung mit den soeben beschlossenen Änderungen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Es ist so beschlossen.
Ich rufe auf die §§ 56 a und 57 sowie Einleitung und Überschrift. Wird dazu das Wort gewünscht? -Das ist nicht der Fall. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handweichen. - Es ist so beschlossen.
Damit stehen wir am Ende der zweiten Beratung. Wir kommen zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. - Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Dittrich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für die Fraktion der CDU/CSU darf ich in der dritten Lesung folgendes ausführen. Mit ,der Verabschiedung des Arzneimittelgesetzentwurfs wird die gesetzliche Regelung einer Materie abgeschlossen, deren Regelung in dem Maße dringlich geworden ist, in dem die industrielle Arzneimittelherstellung und mit ihr die Arzneispezialität in den Vordergrund traten, die mehr und mehr an die Stelle der individuellen Arzneizubereitung gerückt sind. Wenn man sich auch nicht vorstellen kann, daß die individuelle Rezeptur jemals vollständig durch die Arzneispezialität wird ersetzt werden können, so lagen doch in dieser Entwicklung zur industriellen Arzneifertigware eine Reihe von Fragestellungen eingeschlossen, die der Lösung bedurften.
Zwar hat es draußen und auch in diesem Hause nicht an vereinzelten Stimmen gefehlt, die die Auffassung vertraten, man könne auch heute noch auf eine gesetzliche Regelung verzichten. Eine solche Auffassung verkennt aber meines Erachtens die Tatsache, ,daß es sich bei Arzneimitteln um Waren „besonderer Art" handelt. Anders als bei sonstigen Waren, etwa Lebensmitteln oder anderen Verbrauchsgütern, hat nur der wissenschaftlich gebildete Fachmann ein begründetes Urteil über Wirkung, Wert und Preis. Die Verbrauchererwartung beim Arzneimittel - wenn ich einmal so sagen darf -ist in einem sonst feststellbaren Ausmaß nicht von der eigenen Kenntnis, sondern vom Vertrauen bestimmt. Dieses Vertrauen ist die Erwartung eines Heilung suchenden oder um eines der höchsten Güter, die Erhaltung der Gesundheit, besorgten Menschen. Um den Schutz dieses Vertrauens geht es bei diesem Gesetzentwurf in erster Linie.
Deshalb müssen wir auch in ,den Vordergrund der Beratung ,die gesundheitspolitischen Überlegungen stellen. Diesem Schutz des Vertrauens des kranken und besorgten Menschen sollen die Bestimmungen dienen, durch die sichergestellt wird, daß in Zukunft nur wirkliche Fachleute Arzneimittel herstellen, daß Betriebe, in denen Arzneimittel hergestellt und gelagert werden, regelmäßig zu kontrollieren sind und daß die Arzneimittel nach Inhalt, Stoffen und Mengen verständlich ,deklariert sein müssen. Eine vorschriftsmäßige Registrierung aller Arzneimittel ist die unerläßliche Voraussetzung für jede Überwachung.
Daß das Gesetz auch wirtschaftliche Aspekte hat, kann und soll nicht übersehen werden. Insbesondere
ist es für die pharmazeutische Industrie nachgerade lebenswichtig geworden, sich mit Rücksicht auf ihren Export auf innerdeutsche Rechtsnormen berufen zu können, um nicht gegenüber anderen Arzneimittel produzierenden Ländern im Wettbewerb zurückzustehen. Wir begrüßen es deshalb außerordentlich, daß der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie gerade mit der Art der Registrierung, wie sie in dem Gesetz verankert ist, zufrieden ist und keine Gefahr sieht, daß die deutsche pharmazeutische Industrie, die in der Welt ein so bedeutendes Ansehen hat, hintangestellt werden könnte.
Wirtschaftliche Aspekte hat auch die Regelung der Frage, innerhalb welcher Grenzen die Arzneimittelabgabe den Apotheken vorzubehalten und innerhalb welcher Grenzen sie dem freien Verkehr zu überlassen ist. Daß gerade diese Frage heftig umkämpft war, bedarf keiner näheren Ausführungen. Der Entwurf ist hier von dem Bestreben bestimmt, in das bestehende wirtschaftliche Gefüge so wenig wie möglich einzugreifen, aber dort, wo es aus gesundheitspolitischen Gründen unerläßlich ist, die gesetzlichen Voraussetzungen für ein Eingreifen zu schaffen, dann allerdings ohne Rücksicht auf wirtschaftliche Überlegungen oder gar Prestigefragen.
Die Dringlichkeit einer gesetzlichen Regelung des Arzneimittelwesens wird am besten durch die Tatsache klar, daß dem Bundestag zwei Gesetzentwürfe vorgelegen haben, einmal der Entwurf der SPD und zum anderen der Entwurf der Bundesregierung. Das ganze Haus hat Anlaß, der Bundesregierung für ihre gründliche Vorarbeit und unterstützende Beratung zu danken, ebenso aber auch den Mitgliedern des Gesundheitsausschusses und des Ausschusses für Wirtschaft wie den Mitgliedern der Fraktion der SPD, die mit ihrem Entwurf wertvolle Beiträge geleistet haben.
Es liegt in der Natur der Dinge, daß die Wünsche der von diesem Gesetzentwurf betroffenen oder an ihm interessierten Wirtschaftskreise häufig auseinandergehen. Daraus, daß offenbar keine dieser Gruppen mit dem Gesetzentwurf vollauf zufrieden ist, mögen Sie ersehen, daß wir es mit unserer Arbeit sehr ernst genommen haben. Daß wir gut gehandelt haben, ergibt sich daraus, daß alle diese Gruppen nicht zufrieden sind, so wie bei einem Vergleich in einem Gerichtsprozeß alle Parteien den Gerichtssaal verlassen und über ihn schimpfen.
Das deutsche Arzneimittelwesen hat einen weltweiten Ruf zu verteidigen. Man hat Deutschland einmal die „Apotheke der Welt" genannt. Wir sind davon überzeugt, daß dieser Entwurf des Arzneimittelgesetzes, der mit den Stimmen aller Fraktionen im Ausschuß für Gesundheitswesen einstimmig beschlossen wurde, zum Gesetz erhoben, eine geeignete Grundlage für die Weiterentwicklung des deutschen Arzneimittelwesens sein wird. Deshalb begrüßt die Fraktion der CDU/CSU die gegenwärtige Fassung dieses für das Gesundheitswesen bedeutsamen Entwurfs.
({0})
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Hubert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion begrüßt, daß durch dieses Gesetz nunmehr die Herstellung von Arzneimitteln auch außerhalb der Apotheke geregelt wird und daß die Abgabe von Arzneimitteln in und außerhalb der Apotheke gleichfalls ihre Regelung findet. Wir bedauern allerdings nach wir vor, daß die Materie durch die Vorwegnahme des Gesetzes über das Apothekenwesen auseinandergerissen wurde. Wir sind der Meinung, daß die Einheitlichkeit der Gesetzgebung besser gewahrt worden wäre, wenn sich die Mehrheit dieses Hohen Hauses hätte entschließen können, den schon im Juni 1958 vorgelegten Entwurf der sozialdemokratischen Fraktion sofort zum Gegenstand der Beratung zu machen. Dann wäre auch keine Verzögerung bei der Regelung des Apothekenwesens zu befürchten gewesen.
Obgleich es für eine Oppositionspartei immer besonders schwierig ist, einen Gesetzentwurf vorzulegen, da ihr der ganze Apparat eines Ministeriums nicht zur Verfügung steht, sind wir der Meinung, daß unser Entwurf klarer und übersichtlicher ist und gesetzessystematisch auch demjenigen, der davon zwar betroffen, aber nicht gerade ein besonderer Experte in der Gesetzesmaterie ist, einen besseren Überblick über dieses Gesetz gibt. Die Ausschußfassung ist in der vorliegenden Form, der der Regierungsentwurf zugrunde liegt, selbst für den mit der Materie Vertrauten manchmal mühsam zu lesen.
Wir vermissen in diesem Entwurf die Regelung der Werbung. Dieses Gesetz dient dem Schutze der Gesundheit. Die Werbung auf dem Gebiete des Arzneimittelwesens ist heute durch die Polizeiverordnung aus dem Jahre 1941 nicht mehr zufriedenstellend geregelt.
({0})
Wir brauchen bloß einen Blick in manche Zeitschriften und Illustrierten zu tun, um das zu erkennen.
({1})
- Neuerdings auch das Fernsehen! Hier klafft also eine Lücke im Gesetz. Wir hoffen, daß sie möglichst bald geschlossen werden wird. Wir haben es bedauert, daß - nachdem unsere Paragraphen, die sich auf die Werbung bezogen, im Ausschuß leider der Ablehnung verfielen - der Anregung des Wirtschaftsausschusses, diese Materie noch gesondert zu regeln, wozu wir uns gern bereit erklärt hatten, auch nicht mehr entsprochen worden ist.
({2})
- Vielleicht, Herr Kollege, aber ich war nicht so pessimistisch wie Sie. Jedenfalls müssen wir wünschen, daß diese Lücke so bald wie möglich ge- schlossen wird.
Wir begrüßen es vor allem, daß sich der Ausschuß bei den Bestimmungen über die Herstellung und auch über die vorzusehende Registrierung von Arzneimitteln unsere Vorstellungen - entgegen der Regierungsvorlage - insoweit zu eigen gemacht hat, als ein guter Weg gefunden worden ist, dem
Verbraucher die Sicherheit zu geben, daß die Arzneimittel mit der notwendigen Sorgfalt, mit der notwendigen Sachkunde und in einwandfreien Räumen hergestellt, aber umgekehrt unserer Industrie keine Hemmnisse in den Weg gelegt werden. Die deutsche pharmazeutische Industrie war wegweisend, und wir wollen ihr diesen Ruf erhalten. Wir wollen der Fortentwicklung von Wissenschaft und Heilkunde nicht mit einem Gesetz im Wege stehen.
Wir begrüßen vor allen Dingen, daß die absolute Deklarierung aller arzneiwirksamen Stoffe nach Art und Menge in dem Gesetz für alle zwingend vorgeschrieben ist. Ein Teil der Industrie hat diese Vorschrift wie auch manche anderen Vorschriften, die das Gesetz vorsieht, schon bisher befolgt; aber es ist nicht einheitlich und durchgängig geschehen. Ich glaube, daß die Deklarierung nicht nur für Ärzte, sondern auch für die Arzneimittelverbraucher von Nutzen sein wird. Denn die Kenntnis wirksamer Drogen ist heute sehr weit verbreitet, viel weiter, als man oft glaubt. Es ist klar, daß man dem Überhandnehmen des Verbrauchs von Arzneimitteln nicht durch gesetzliche Maßnahmen steuern kann; man kann hier nur durch Aufklärung wirken, durch den Appell an die Vernunft. Aber ich glaube, daß gerade die Deklarierung dazu beitragen wird, daß jeder weiß, in welcher Stärke und in welcher Menge er Drogen gebrauchen kann und ob er unter Umständen Drogen, die er kennt, zu viel und zu reichlich gebraucht.
Auch für die Abgrenzung der Abgabe von Arzneimitteln konnten nur gesundheitspolitische Gesichtspunkte wichtig und ausschlaggebend sein. Wir brauchen die Apotheke als eine vorrangige Stelle für die Abgabe von Arzneimitteln, der vom Staat her eine ganze Reihe von Auflagen gemacht werden müssen, nicht nur bezüglich der Vorratshaltungbestimmter, oft nicht sehr gängiger Arzneimittel, auch Seren oder Impfstoffe, sondern auch um einen steten Bereitschaftsdienst am Sonntag und in der Nacht aufrechtzuerhalten. Denn das Arzneimittel als eine Ware besonderer Art muß jederzeit für den Verbraucher zugänglich sein. Daneben steht die Drogerie, die vor allen Dingen auf dem Gebiet der Gesundheitshygiene Wertvolles leistet und geleistet hat. Sicherlich wird das Bedürfnis bestehen, daß eine Reihe von Mitteln auch noch eine weitere Verbreitung finden. Eine Reihe von ihnen ist schon im Gesetz angeführt, andere werden durch eine Rechtsverordnung freigegeben werden. Maßgebend hierfür sollte immer nur das Bedürfnis der Volksgesundheit sein.
Dieses Gesetz stellt neben dem Lebensmittelgesetz unserer Meinung nach einen wichtigen Fortschritt auf dem Gebiet des Schutzes der Gesundheit dar. Es wird aber erst durch eine Reihe von Rechtsverordnungen wirksam werden. Wir möchten dem Wunsche Ausdruck geben, daß diese Rechtsverordnungen möglichst bald und vor allen Dingen auch im Geiste dieses Gesetzes ergeben. Meine Fraktion wird dem Gesetz als Ganzem zustimmen.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Stammberger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch wir Freien Demokraten begrüßen es, daß am heutigen Tage nach 60jährigen wechselvollen Kämpfen ein deutsches Parlament ein Arzneimittelgesetz verabschiedet. Das meiste dazu ist bereits von meinen Vorrednern gesagt worden. Ich kann mich daher kurz fassen.
Auch wir Freien Demokraten waren der Meinung, ,daß die Herstellung von Arzneimitteln in Zukunft erlaubnispflichtig sein muß. Jeder, der auf dem Gebiete des Heilwesens tätig ist - und dazugehört nun einmal auch die Herstellung von Arzneimitteln -, muß hierzu die nötigen Kenntnisse und Fähigkeiten nachweisen können. Auch wir waren der Auffassung, daß Arzneimittel in Zukunft nur in den Verkehr gebracht werden dürfen, wenn sie vorher beim Bundesgesundheitsamt registriert worden sind. Die Fassung dieser Registrierungsvorschritten hat gewisse Schwierigkeiten mit sich gebracht, weil teilweise befürchtet wurde, es könnte damit eine therapeutische Vorprüfung eingeführt werden. Wir haben dies niemals beabsichtigt, wie ich ausdrücklich klarstellen möchte. Ich glaube auch, daß die jetzt gewählte Fassung, die ja erheblich von der Regierungsfassung abweicht, alle derartigen Bedenken beseitigt.
Verschiedentlich ist behauptet worden - auch das möchte ich hier klarstellen -,der Gesundheitsausschuß sei in den „Griff der Schulmedizin" gekommen und versuche nun, auf Anweisung der Schulmedizin andere Heilmethoden, insbesondere biologische Heilmethoden, mehr oder weniger abzuwürgen. - Diese Behauptungen treffen weder für den Ausschuß insgesamt noch für einzelne Mitglieder dieses Ausschusses zu. Das gilt insbesondere auch für die stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses, Frau Dr. Steinbiß. Meine Damen und Herren, Frau Dr. Steinbiß ist in der letzten Zeit aus ,diesen Gründen in einer teilweise unglaublichen Form angegriffen worden.
({0})
Es scheint mir ein Gebot der Fairneß zu sein, hier an rdieser Stelle 'darauf hinzuweisen, .daß alle diese Behauptungen haltlos sind, jeglicher Grundlage entbehren und teilweise lediglich der Befriedigung eines gewissen Sensationsbedürfnisses dienen.
({1})
Der neuralgische Punkt ,des Gesetzes - das kam ja heute auch in der Debatte teilweise auf - war die Abgrenzung der Abgabe von Arzneimitteln. Wir haben niemals ein Hehl daraus gemacht, ,daß wir als Kernstück der Arzneimittelversorgung ,die Apotheke ansehen. Das ist legal, das hat .das Bundesverfassungsgericht gesagt, und das hat auch das Hohe Haus beschlossen, als es vor wenigen Monaten das neue Apothekengesetz verabschiedete.
Hier standen natürlich auch massive wirtschaftliche Interessen zur Debatte. Ich gebe ganz offen zu, daß die Regelung, die wir getroffen haben, nicht der
auch von uns Freien Demokraten ansonsten immer vertretenen Auffassung von einer freien Wirtschaftsordnung entspricht. Aber jede freiheitliche Ordnung muß auch irgendwo einmal ihre Grenze finden, wenn sie sich mit anderen Gebieten berührt. Diese Grenze liegt hier nun eben bei der Volksgesundheit im allgemeinen und bei einer ,geordneten Arzneimittelversorgung im besonderen.
Ich war leidergenötigt, sowohl bei der ersten Lesung des SPD-Entwurfs wie auch bei der ersten Lesung ,des Regierungsentwurfs auf gewisse Methoden hinzuweisen, mit denen man versuchte, dieses Gesetz zu Fall zu bringen oder mindestens zu beeinflussen. Das Klima ist etwas besser geworden; in den letzten Tagen allerdings hat es sich .naturgemäß wieder etwas verschärft. Der Ausschuß hat sich ,dadurch nicht irremachen lassen, und ich muß sagen, es war ,eingutes Ergebnis einer sorgfältigen Ausschußarbeit, daß wir gerade bei diesen neuralgischen Punkten eine übereinstimmende Meinung gefunden haben, obwohl ,die ursprüngliche Meinung der Ausschußmitglieder, auch bedingt durch das berufliche Herkommen,durchaus verschieden gewesen ist. Ich hoffe, daß sich dieses gute Klima nun auch bewährt, wenn dieBundesregierung ,darangeht, die Rechtsverordnungen zu erlassen.
Meine Damen und Herren, Frau Kollegin Dr. Hubert hat ihrem Bedauern Ausdruck gegeben, daß die Werbung nicht ebenfalls geregelt werden konnte. Ich glaube, dieser Standpunkt wird von uns allen vertreten. Allerdings möchte ich sagen, daß nach meiner Auffassung - das betone ich immer wieder - keine Lücke in diesem Gesetz ist. Denn wenn wir schon die Polizeiverordnung von 1941 ersetzen wollen - sie muß möglichst schnell ersetzt werden, und ich bin der Meinung, daß das die erste gesundheitspolitische Aufgabe des kommenden 4. Bundestages sein sollte -, dann muß eben nicht nur die Werbung für Arzneimittel geregelt werden, sondern auch die Werbung für das gesamte Gebiet des Heilwesens, also auch für die Behandlungsmethoden, Apparate und dergleichen Dinge mehr. Aus diesem Grunde hätte eine ersatzweise Regelung für die überalterte Polizeiverordnung rechtssystematisch nicht in dieses Gesetz gehört, von zeitlichen Gründen einmal ganz abgesehen; wir hätten es sonst wahrscheinlich nicht geschafft.
Wir sind der Meinung, daß mit diesem Gesetz der bestmögliche Kompromiß geschaffen worden ist, daß unter dem Vorrang der Volksgesundheit alle wirtschaftlichen Interessen berücksichtigt worden sind, soweit sie berücksichtigt werden konnten.
Wir Freien Demokraten werden daher dem Gesetz unsere Zustimmung geben.
({2})
Wird weiterhin das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall; dann schließe ich die Aussprache.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich bitte um die
Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen?
- Auch keine Enthaltungen. Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen.
Ich komme damit zum Entschließungsantrag Umdruck 749 der Abgeordneten Dr. Rüdel, Gewandt, Illerhaus und Fraktion der CDU/CSU. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Rüdel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist schon wiederholt angeklungen, daß bei der Besprechung der Abgrenzung des Arzneimittelverkehrs innerhalb und außerhalb der Apotheken der bisherige Zustand bestimmend sein sollte und daß keineswegs beabsichtigt sei, der einen oder anderen Gruppe jetzt irgendwelche Vorteile zuzuschanzen.
Trotzdem hat es zu einer gewissen Beunruhigung bei einem Teil der Industrie und dem Einzelhandel geführt. Auch bei der Drogistenschaft wurden Bedenken geltend gemacht. Um diese Frage zu klären, hat meine Fraktion einen Entschließungsantrag vorgelegt, den ich verlese und dem ich Ihre Zustimmung zu geben bitte:
Der Bundestag wolle beschließen:
Mit der Fassung der §§ 26 bis 28 des Arzneimittelgesetzes hat der Bundestag u. a. die Rechtsgrundlage dafür schaffen wollen, daß in bezug auf die Abgabe von Arzneimitteln das zur Zeit des Inkrafttretens des Gesetzes bestehende wirtschaftliche Gleichgewicht zwischen Apotheken einerseits und dem sonstigen Einzelhandel andererseits gewahrt bleibt. Er erwartet, daß die zur Ausübung des Verordnungsrechts ermächtigten Bundesressorts nur unter. Beachtung der gesundheitspolitischen Erfordernisse von den ihnen erteilten Ermächtigungen Gebrauch machen.
Ich bitte, dieser Entschließung zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Lange.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir stimmen dem Antrag zu. Man sollte aber, da Sie die Entschließung mit der Nennung der §§ 26 bis 28 einleiten, den zweiten Satz durch ein Wort ergänzen. Da heißt es:
Er erwartet, daß die zur Ausübung des Verordnungsrechts ermächtigten Bundesressorts ..
Man sollte sagen: „daß daher die zur Ausübung ...", damit nämlich wieder die Beziehung mit den §§ 26 bis 28 hergestellt ist.
({0})
Insoweit würde also der Antrag von Ihnen verändert.
Ich darf noch ein paar Bemerkungen machen. Man sollte sich bei der ganzen Betrachtung des Komplexes Arzneimittelwesen - das sage ich jetzt als jemand, der, sagen wir einmal, weniger auf dem geLange ({1})
sundheitspolitischen Sektor als auf einem anderen, nämlich dem wirtschaftspolitischen Sektor tätig ist - immer wieder vor Augen führen: es gibt auch nach dem Grundgesetz - das ist jetzt an die Wirtschaftspolitik gerichtet - übergeordnete Güter, mit denen kein Geschäft zu machen ist oder gemacht werden sollte. Insoweit muß man also seitens der Wirtschaftspolitik anerkennen, daß das Arzneimittelgesetz in erster Linie unter gesundheitspolitischen Aspekten steht.
Auf der anderen Seite muß man allerdings - und das richtet sich jetzt an die Adresse der ausgesprochenen Gesundheitspolitiker im Rahmen der Bestimmungen des Grundgesetzes und im Rahmen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts bei allen Verordnungen, die aus diesem Gesetz erwachsen, das Rechtsgut Gesundheit in den Vordergrund stellen und alle übrigen Gesichtspunkte darauf abstimmen. Ich möchte in diesem Zusammenhang nicht zuletzt an das Bundesinnenministerium und die für die Rechtsverordnung verantwortlichen Herren die dringende Bitte richten, bei der Handhabung des Gesetzes diese Gesichtspunkte in der Gänze zu berücksichtigen. Das gilt auch für den Komplex von Arzneimitteln, die außerhalb der Apotheken vertrieben werden können; das heißt, das gesundheitspolitische Interesse darf dort nicht erlahmen, darf sich also nicht nur auf die Arzneimittel erstrekken, die von den Apotheken als den nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts natürlichen Verteilern von Arzneimitteln vertrieben werden. Umgekehrt dürfen die beim Vertrieb von Arzneimitteln außerhalb der Apotheken stärker durchschlagenden Gesichtspunkte bei den apothekenpflichtigen Arzneimitteln nicht vernachlässigt werden.
Insofern liegt uns daran - und sollte uns allen miteinander daran liegen-, daß die verschiedenen Gesichtspunkte sehr sorgfältig gegeneinander abgewogen werden und daß keine unnützen Schwierigkeiten bei der Durchführung des Gesetzes heraufbeschworen werden. Man wird sehr sorgfältig zu beobachten haben, welche Wirkungen dieses Gesetz und die aus ihm erwachsenden Rechtsverordnungen haben. Von meinem Standpunkt aus möchte ich sagen, daß man insbesondere auch das Nebeneinanderlaufen zweier Gesetze, nämlich des Gesetzes über das Apothekenwesen und des Arzneimittelgesetzes, sehr sorgfältig beobachten muß. Denn wie wir schon damals bei der Verabschiedung des Gesetzes über das Apothekenwesen angedeutet haben, wird man zu gegebener Zeit überprüfen müssen, ob man die der Sache nach zusammengehörenden Dinge nicht wieder in einem Gesetz zusammenfassen muß.
Das gleiche gilt - Herr Kollege Stammberger, Sie polemisierten eben ein bißchen - hinsichtlich der Werbung auf dem Gebiet der Arzneimittel und der Heilkunde. Das gesamte Werbewesen auf diesem Gebiet gehört der Sache nach in diesen Komplex hinein. Wenn wir ein Gesetz über die Werbung machen, werden wir uns, weil es sich dann um ein allgemeineres Gesetz handelt, sehr wohl überlegen müssen, wieweit besondere Bestimmungen auf bestimmten Sachgebieten noch möglich sind und wieweit wir da etwa mit dem Grundgesetz in Konflikt kommen. Da stecken nach meiner Überzeugung die Schwierigkeiten.
({2})
- Entschuldigen Sie, Herr Dr. Dittrich! Vielleicht haben Sie mal die Geduld! Ich habe doch gar nichts weiter gegen Ihren Antrag gesagt; warum sind Sie denn so böse?! Aber vielleicht gestatten Sie einem Kollegen des Hauses, einige Bemerkungen anzufügen, von denen er der Meinung ist, die darin vorgebrachten Gesichtspunkte könnten sonst an bestimmter Stelle zu kurz kommen.
({3})
Es liegt uns also daran - und 'darüber sollten wir alle miteinander wachen -, hier keine Bevorzugung auf der einen und keine Benachteiligung auf der anderen Seite entstehen, sondern alle Gesichtspunkte ausgewogen zur Geltung kommen zu lassen, die dieses Parlament zur Geltung gebracht haben möchte. Es handelt sich dabei um übergeordnete gesundheitspolitische Gesichtspunkte, daneben aber auch um unter allen Umständen zu berücksichtigende wirtschaftspolitische Gesichtspunkte. In der ganzen Arzneimittelherstellung sind nämlich Tausende und aber Tausende von Existenzen begründet, die nicht ohne Not gefährdet werden dürfen.
({4})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag Umdruck 749. Wer zustimmen will, der gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Ich rufe nunmehr die Nr. 2 des Ausschußantrages auf. Dazu hat die Frau Abgeordnete Dr. Hubert das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ausschuß hat die Nr. 2 seines Antrages in Unkenntnis einer im Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität stattgefundenen Diskussion gefaßt. Da, wie schon aus dem Bericht hervorgegangen ist, auch der Gesetzentwurf der sozialdemokratischen Fraktion - Drucksache 485 - Gegenstand der Beratungen gewesen unid in die Ausschußfassung des Gesetzentwurfs eingearbeitet worden ist, möchte ich den Antrag stellen, die Nr. 2 des Ausschußantrags folgendermaßen zu fassen:
2. den von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes ... als durch die Beschlußfassung zu Nr. 1 erledigt zu betrachten.
Er soll also nicht als erledigt ab g e 1 e h n t werden, da wir die Ausschußfassung des Gesetzentwurfs angenommen haben.
Wird das Wort zu diesem Änderungsantrag gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Wir müssen jetzt zunächst über den Änderungsantrag abstimmen, nach dem in dem Ausschußantrag die Worte „als erledigt abzulehnen" durch die Worte „als erledigt zu betrachten" ersetzt werden sollen. Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Einstimmige Annahme.
Nun stimmen wir über die geänderte Nr. 2 des Ausschußantrages ab. Wer zustimmen will, der gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Nr. 3 des Ausschußantrages! Wer zustimmen will, der gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmige Annahme. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Punkt 4 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 14. Dezember 1957 über Rüstungskontrollmaßnahmen der Westeuropäischen Union ({0}) ;
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verteidigung ({1}) ({2}) ({3}).
Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? -Verzichtet das Haus auf Entgegennahme eines mündlichen Berichtes? - Wird das Wort zur zweiten Beratung gewünscht?
Ich rufe auf Art. 1, - 2, - 3, - 4, - 5, - 6, - Einleitung und Überschrift. - Wer zustimmen will, der gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest. Die zweite Beratung ist geschlossen. Ich rufe auf zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Die allgemeine Aussprache ist geschlossen. Änderungsanträge liegen nicht vor. Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz im ganzen zustimmen will, erhebe sich. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Nach einer Vereinbarung der Fraktionen sollen nunmehr die Punkte 6 und 7 und anschließend die nicht streitigen Punkte aufgerufen werden; dann soll Punkt 5 folgen. Zwischen 13 und 15 Uhr soll eine Pause sein.
Ich rufe also auf Punkt 6 der Tagesordnung: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Personenbeförderungsgesetzes ({4}) ;
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen ({5}) ({6})
({7}). Berichterstatter ist der Abgeordnete Brück. Herr Abgeordneter Brück, ich erteile Ihnen das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bitte um Verständnis dafür, daß ich, obwohl Ihnen der Schriftliche Bericht in der Drucksache 2450 vorliegt, noch einige Ausführungen mache.
Der Entwurf eines Personenbeförderungsgesetzes hat bereits dem 2. Deutschen Bundestag vorgelegen. Obwohl ein Unterausschuß eingesetzt wurde, konnte das Gesetz wegen Zeitmangels nicht verabschiedet werden. Der 3. Deutsche Bundestag hat dann den von der Bundesregierung neu vorgelegten Entwurf Drucksache 255 am 12. März 1958 an den federführenden Ausschuß für Verkehr, Post und Fernmeldewesen - unter Beteiligung des Ausschusses für Kommunalpolitik und öffentliche Fürsorge - überwiesen. Die Beratungen wurden zunächst ausgesetzt, da ein Urteil, das für die Weiterberatung des Gesetzes wichtig war, vom Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe erwartet wurde.
Ich möchte auf einige Umstände hinweisen, die eine Neuordnung des Personenbeförderungsrechts erforderlich machten: 1. Die Bestimmungen des Personenbeförderungsgesetzes müssen mit unserer Verfassung in Einklang stehen. 2. Eine große Zahl früher erlassener gesetzlicher Bestimmungen muß zusammengefaßt werden. 3. An Stelle eines unübersichtlich gewordenen und überholten Rechts soll eine einheitliche Regelung treten; über 20 Gesetzesänderungen und Verordnungen treten außer Kraft. 4. Der technischen Entwicklung muß Rechnung getragen werden. 5. Für den Verkehrsnutzer sind die Verkehrssicherheit auf der Straße und der reibungslose Verkehrsablauf von größter Wichtigkeit.
Die im Entwurf geregelten Beförderungen werden von fünf großen Verkehrsträgern ausgeführt, 1, den privaten Unternehmern, 2. den kommunalen und gemischtwirtschaftlichen Betrieben, 3. der Deutschen Bundespost, 4. der Deutschen Bundesbahn und 5. den nicht bundeseigenen Eisenbahnen.
Die fünf Verkehrsträger haben im Jahre 1959 insgesamt 5,523 Milliarden Menschen befördert mit einer Personenkilometerleistung von 40,740 Milliarden. Hinzu kommen die Leistungen von etwa 10 000 Kraftdroschken und 18 000 Mietwagen, die ebenfalls den Bestimmungen des Personenbeförderungsgesetzes unterliegen.
Bei den einzelnen Verkehrsträgern waren im Jahre 1959 an Omnibussen eingesetzt: bei den privaten 11 243 Stück = 46 %, bei den kommunalen und gemischtwirtschaftlichen Betrieben 6329
26 %, bei der Deutschen Bundespost 3484 = 14 %, hei der Deutschen Bundesbahn 2294 = 10 %. Hier ist zu bemerken, daß von diesen 2294 im Einsatz befindlichen Omnibussen 1097 von Privaten angemietet waren. Bei den nichtbundeseigenen Eisenbahnen waren es 981 Omnibusse = 4 %.
Der Ausschuß für Verkehr- Post- und Fernmeldewesen hat unter dem Vorsitz unseres geschätzten IJerrn Kollegen Dr. Bleiß diese schwierige Materie in ca. 20 Sitzungen behandelt und Ihnen den überBrück
arbeiteten Entwurf in der Drucksache 2450 vorgelegt. Die große Mehrheit der Mitglieder des Ausschusses ist der Auffassung, daß unter Berücksichtigung aller Gesichtspunkte eine brauchbare Lösung gefunden worden ist, die natürlich in der Praxis ihre letzte Bewährungsprobe bestehen muß.
Der Ausschuß hatte den Wunsch, daß ich im mündlichen Bericht auf folgenden Umstand besonders hinweise. Das Umgehungsverbot - Mitfahrerzentralen - wurde bei der Beratung sehr eingehend behandelt. Der Ausschuß vertritt die Auffassung, daß im Interesse des Verkehrsnutzers, insbesondere aber aus Gründen der Verkehrssicherheit hier unbedingt ein Wandel eintreten muß. Der Ausschuß bittet deshalb Presse, Rundfunk und Fernsehen herzlich, die breite Öffentlichkeit über die neuen Bestimmungen entsprechend aufzuklären.
Auf Wunsch des Ausschusses hat auch ein Vertreter des Bundesrates ständig an den Beratungen teilgenommen. In der Person von Herrn Ministerialrat Dr. Berndt von Rheinland-Pfalz hatten wir einen erfahrenen und sachkundigen Beamten, dem wir zu großem Dank verpflichtet sind.
Ich möchte diesen kurzen Bericht mit einem Wunsch und einer Bitte abschließen. Wünschen möchte ich Ihnen, meine verehrten Damen und Herren, daß nach unseren großen Bemühungen um dieses Ordnungswerk auf dem Verkehrssektor keiner von Ihnen im Straßenpersonenverkehr zu Schaden kommt. Bitten möchte ich Sie um Ihre Zustimmung zu dem vorliegenden Gesetzentwurf.
({0})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Wir treten in die zweite Beratung ein und kommen zunächst zur Einzelberatung. Ich rufe auf §§ 1, - 2, - 3, - 4, - 5, - 6, - 7, - 8, - 9, - 10, - 11, - 12. - Zu diesen Bestimmungen liegen keine Änderungsanträge vor. Das Wort dazu wird nicht gewünscht.
Wer zustimmen will, der gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmige Annahme.
Zu § 13 liegen zwei Änderungsanträge vor, und zwar auf den Umdrucken 745 und 754. Der Antrag Umdruck 745 geht quantitativ weiter. Das Wort zu seiner Begründung hat der Abgeordnete Besold.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei dem Änderungsantrag Umdruck 745 ist im wesentlichen Ziffer 1 Buchstabe a zu beachten. Ziffer 1 Buchstabe b und Ziffer 2 sind nur redaktionell notwendige Hinzufügungen, wenn Ziffer 1 Buchstabe a von Ihnen beschlossen wird.
Was bedeutet Ziffer 1 Buchstabe a? Wir wollen durch die Einfügung der Worte „der nicht Ortsoder Nachbarortslinienverkehr ist," erreichen, daß das Vorrecht der Schiene nicht nur für den Ortslinienverkehr, sondern auch für den Nachbarortslinienverkehr ausgeschlossen wird. Der damit in diesem Bereich entstehende gleiche Rang zwischen Schiene und kommunalen Verkehrsbetrieben würde es den Genehmigungsbehördenermöglichen, entsprechend der Entwicklung im Einzelfall zu entscheiden, von welchem Verkehrsträger die öffentlichen Verkehrsinteressen besser befriedigt werden. Wenn diese Bestimmung nicht aufgenommen wird, sind die nachteiligen Folgen der Regelung darin zu sehen, daß der Bevölkerung und der Wirtschaft von Rand- und Nachbargemeinden einer Stadt ein Anschluß an kommunale Flächenverkehrsnetze mit all den Vorteilen einer einheitlichen Fahrplan- und vor allem auch einer einheitlichen Tarifgestaltung erheblich erschwert wird. Außerdem würde, wenn die einheitliche Regelung nicht auch im Nachbarortsverkehr möglich ist, der Fahrgast vielleicht öfter umsteigen müssen, länger warten müssen, vielleicht sogar mehr bezahlen müssen. Alle diese Nachteile sollen mit der vorgeschlagenen Bestimmung auch für den Nachbarortsverkehr ausgeschlossen oder doch möglichst verringert werden.
Außerdem ist die Hereinnahme des Nachbarortslinienverkehrs auch zur Auflockerung städtischer Ballungszentren notwendig. Meine Damen und Herren, es ist immer und immer wieder gesagt worden: Wir wollen ein modernes Gesetz machen, ein Gesetz, das in die Zukunft sieht. Wir alle wissen, daß die Großstädte aufgelockert werden sollen. Wir wissen, daß die städtische Bevölkerung hinausströmt. Wir wissen, daß große Städte sich ausdehnen. Wir wissen, daß Satellitenstädte entstehen sollen. Bei dieser neuen Entwicklung ist es zur Entballung der Großstadträume notwendig, daß wir auch in der Gesetzgebung in die Zukunft sehen. Insbesondere muß deshalb auch der Nachbarortslinienverkehr in die Gleichrangigkeit einbezogen werden.
Wenn gesagt werden sollte, daß das angestrebte Ziel schon durch die Generalklausel in § 8 Abs. 1 zu erreichen sei, wonach der Bundesminister für Verkehr und die Landesregierung auf eine Koordinierung zwischen den verschiedenen Verkehrsträgern hinzuwirken haben, so möchte ich sagen, daß § 8 Abs. 1 auf den Nachbarortslinienverkehr nur dann angewendet werden kann, wenn in § 13 Abs. 2 Nr. 2 die von uns beantragte Änderung vorgenommen wird.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Eilers.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Fraktion der Freien Demokratischen Partei bittet Sie, ihrem Änderungsantrag Umdruck 754 Ziff. 1, der denselben Inhalt hat wie der von Herrn Kollegen Dr. Besold begründete Antrag, zuzustimmen. Auch wir sind - aus denselben Gründen, die soeben vorgetragen worden sind - der Meinung, daß der Nachbarortslinienverkehr in § 13 Abs. 2 einbezogen werden muß. Wir alle wissen, wie stark die Verflechtung der Nachbarorte sich zu den größeren Zentralpunkten im Verkehr hin entwickelt und wie sehr
Eilers ({0})
gerade die arbeitende Bevölkerung darauf angewiesen ist, ungehindert zu ihren Arbeitsplätzen und möglichst schnell und ohne zeitraubendes Umsteigen auch wieder zu ihrer Wohnstätte zu gelangen. Wir glauben, daß nur durch die vorgeschlagene Änderung der künftigen Entwicklung von vornherein Rechnung getragen werden kann. Ich bin auch der Meinung, daß die im Gesetz vorgesehene Besitzstandsklausel für diesen Fall nicht genügt. Wir sollten jetzt, nachdem wir über so viele Jahre hin versuchen, ein grundlegendes Gesetz zu machen, klare Verhältnisse schaffen.
Ich bitte, dem Antrag zuzustimmen.
Das Wort hat (der Abgeordnete Brück.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir als Berichterstatter, zu den inhaltlich gleichen Änderungsanträgen auf Umdruck 745 und Umdruck 754 kurz Stellung zu nehmen.
Alle Fragen, auf die in diesem Zusammenhang geachtet werden muß, sind sehr oft eingehend erörtert worden, das Für und Wider ist überlegt worden. Da über den Inhalt des § 13 Abs. 2 Buchst. c weithin falsche Vorstellungen bestehen, scheint es mir richtig zu sein, daß wir uns noch einmal ganz kurz den Text dieser Vorschrift vor Augen führen. In § 13 Abs. 2 Buchst. c heißt es: Die Genehmigung ist zu versagen, wenn insbesondere - und jetzt der Text des Buchstaben c -:
die für die Bedienung dieses Verkehrs vorhandenen Unternehmer oder Eisenbahnen die notwendige Ausgestaltung des Verkehrs innerhalb einer von der Genehmigungsbehörde festzusetzenden angemessenen Frist selbst durchzuführen bereit sind.
Und jetzt kommt der strittige Punkt:
Im Schienenparallelverkehr und im Schienenersatzverkehr, der nicht Ortslinienverkehr ist, ist das Schienenunternehmen bevorrechtigt, die notwendige Ausgestaltung des Verkehrs durchzuführen. Schienenparallelverkehr ist der Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen ({0}) auf den in der Verkehrsrichtung der Schiene verlaufenden Straßen, wobei im wesentlichen die zu bedienenden Orte Bahnstationen sind ader bei dem ,das Verkehrsaufkommen der zu bedienenden Orte überwiegend im engeren Einzugsgebiet der Schienenverbindung liegt; unterdenselben Voraussetzungen ist ein solcher Linienverkehr Schienenersatzverkehr, wenn der Personenverkehr auf der Schienenverbindung stillgelegt wird.
Diese Bestimmung über Parallelverkehr oder Ersatzverkehr bezieht sich also nur auf (den Verkehr im engeren Einzugsgebiet der Schiene. Es ist keinesfalls der gesamte Flächenverkehr gemeint.
({1}) Das muß man einmal ganz deutlich sehen.
Hier wird auch keineswegs einer zukünftigen Entwicklung irgendwie ein Riegel vorgeschoben. Wer das anders darzustellen versucht, will es anders darstellen oder hat sich nicht eingehend mit der Materie vertraut gemacht.
Wenn Sie dem Änderungsantrag stattgeben, bedeutet das, (daß die Schienenbahnen - ich nenne nur ,die nicht bundeseigenen Eisenbahnen und die Deutsche Bundesbahn - im Nachbarortsverkehr kein Ausgestaltungsrecht erhalten; denn andere, bereits vorhandene Unternehmen werden sofort erklären, daß sie die notwendige Ausgestaltung des Verkehrs innerhalb einer von der Genehmigungsbehörde festzusetzenden angemessenen Frist selbst durchzuführen bereit sind. Es gibt also keine Bevorrechtigung, es gibt noch nicht einmal eine Gleichbehandlung der Schiene. Das Gegenteil wird hier deutlich sichtbar.
Man spricht hier von (dem Anliegen der Verkehrsnutzer, deren Interessen uns sicher allen sehr am Herzen liegen. Dieser Verkehrsnutzer wird kein Verständnis dafür haben, wenn ihn der Bahnbus am Bahnhof des Nachbarorts nicht mitnehmen darf, weil die Ausgestaltung des Nachbarortsverkehrs der Schiene verboten ist, obwohl es sich um einen Bahnhof an ihrer Strecke handelt.
Meine Damen und Herren, wenn Sie diese beiden gleichlautenden Änderungsanträge annehmen, kann man, möchte ich meinen, von einer Rationalisierung und Verminderung des Defizits im Personenverkehr auf (der Schiene bei allem Wohlwollen nicht mehr sprechen.
({2})
- Herr Eilers, der Personenverkehr weist ein Defizit von über 800 Millionen DM tauf. Bitte gehen Sie dien Gründen dafür einmal nach. Ich betone noch einmal, (daß durch (die Ausschußfassung dier Schieine in 1einer Weise .allgemein ein Vorrecht im Nachbarortsverkehr eingeträumt wird. Es handelt sich nur, wie ich bereits vorhin 'ausgeführt habe, um den Verkehr, der im engeren Einzugsgebiet der Schienenverbindung liegt.
Ich bitte Sie also herzlich, diese beiden Änderungsanträge Umdrucke 745 und 754 abzulehnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Bleiß.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der § 13 ist Idas Kernstück des ganzen Gesetzes. Ich 'darf mir deshalb erlauben zu diesem § 13 und zu ,den beiden Änderungsanträgen einige Worte zu sagen, insbesondere soweit es die Ausschußarbeit betrifft. Wir haben die Eingabe, die diesen Anträgen zugrunde liegt, im Ausschuß sehr ausführlich beraten. Der Herr Berichterstatter hat das bereits erwähnt. Wir sind bei unseren Beratungen im Ausschuß immer davon ausgegangen, daß es weniger darum geht, den einzelnen Verkehrsträger zu schützen, sondern ,daß es vielmehr darauf anDr. Bleiß
kommt, den Verkehrsnutzer in seiner Gesamtheit zu schützen. Nur ,das kann der Sinn eines Ordnungsgesetzes sein. Deswegen ist es dringend erforderlich, die Verkehrsinteressen auszugleichen.
Herr Kollege Besold, ich möchte Sie daran erinnern, was auf Antrag der CDU/CSU-Fraktion in § 8 ,ausdrücklich beschlossen warden ist. Dort heißt es:
Mit dem Ziel bester Förderung des Verkehrs haben
- also eine Muß-Vorschrift der Bundesminister für Verkehr und die Landesregierungen darauf hinzuwirken, daß die Interessen der verschiedenen Verkehrsträger im Personenverkehr ausgeglichen und ihre Leistungen und ihre Entgelte aufeinander abgestimmt werden. Eine freiwillige Zusammenarbeit der Verkehrsträger ist zu fördern.
Das bedeutet doch, daß sich die Verkehrsbetriebe in vernünftiger Weise untereinander zu verständigen haben. Notfalls wäre doch die Bundesbahn als bundeseigenes Unternehmen durch eine Einwirkung des Bundesverkehrsministers daran zu hindern, verkehrswirtschaftlichen Unsinn zu begehen.
Dazu ein offenes Wort. Ich möchte nur wünschen, daß die öffentlichen und privaten Linienunternehmen im Interesse der Verkehrsnutzer etwas weniger gegeneinander und etwas mehr miteinander arbeiten.
({0})
Was soll der § 8 überhaupt für einen Sinn haben, wenn nicht ein Minimum von wirtschaftlicher Vernunft erreicht werden kann. Lassen Sie mich noch einmal deutlich herausstellen: Der Verkehrsnutzer legt weniger Wert darauf, daß mehrere Linien nebeneinander bestehen, sondern er legt Wert darauf, daß die Fahrpläne vernünftig aufeinander abgestimmt werden. Ein solches Maß von wirtschaftlicher Vernunft haben wir bei der Beratung des Gesetzes vorausgesetzt, weil es sich ja um einen in seiner Gesamtheit geschützten Linienverkehr handelt.
Jetzt, Herr Kollege Besold, einige Worte an Sie. Wenn Sie als Antragsteller der Meinung sind, daß eine solche erstrebenswerte Einigung der Verkehrsträger nicht zu erreichen ist, wenn Sie weiter meinen, daß die Bundesbahn von einem Vorrecht in brutaler Weise, ohne Rücksicht auf die gesamten Verkehrsinteressen Gebrauch machen würde, wenn Sie ferner annehmen, daß der Bundesverkehrsminister und die Landesregierungen nicht in der Lage sind zu koordinieren oder daß sie überhaupt nicht koordinieren wollen, daß wir also zu keiner vernünftigen Ordnung kommen, dann kann ich darauf nur antworten: in diesem Fall sind wir allerdings der Meinung, daß eben an die Stelle einer nicht erreichbaren vernünftigen Ordnung der Wettbewerb treten muß, der Wettbewerb also, den Sie fordern.
Ich darf Sie aber darauf aufmerksam machen, daß ein solcher Wettbewerb nach der derzeitigen Lage zu erheblichen Konsequenzen für die Bundesbahn führen muß. Wir möchten Ihnen, Herr Kollege Besold, diese Verantwortung nicht abnehmen. Aber vielleicht äußert sich Herr Staatssekretär Seiermann zu der Frage, ob eine ausreichende Gewähr für eine vernünftige Koordinierung der Verkehrsinteressen gegeben ist, und vielleicht äußern Sie sich, Herr Staatssekretär, auch dazu, ob die Bundesbahn daran gehindert werden kann, in einer sehr unvorteilhaften Weise von ihrem Vorrecht Gebrauch zu machen. Wir wollen keine Blankovollmacht erteilen, sondern wir wollen, daß hier ein vernünftiges, brauchbares Gesetz verabschiedet wird.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Jacobi.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu der Frage, die hier im Augenblick zur Erörterung steht, herrscht in meiner Fraktion keine einheitliche Meinung. Diejenigen Freunde aus meiner Fraktion, die an den Beratungen des Verkehrsausschusses ständig teilgenommen haben, sind der Auffassung, daß der Gesetzentwurf, wie er jetzt aus dem Ausschuß gekommen ist und heute zur Entscheidung ansteht, im wesentlichen gut sei und keiner Abänderung bedürfe. Sie haben sich also auf den Standpunkt gestellt, daß auch die beantragte Änderung des § 13 nicht erforderlich sei.
({0})
Ein Teil meiner Fraktion, für den ich zu sprechen die Ehre habe, ist anderer Auffassung. Er ist der Meinung, daß es auch eine Art Stallblindheit geben kann, daß man, wenn man ein Gesetz lange beraten hat, sehr oft für die Praxis kein offenes Auge mehr hat. Sowohl der Kollege Brück als auch der Kollege Dr. Bleiß haben erklärt, man könne und müsse der Bundesbahn vertrauen und annehmen, daß sie von ihrem Vorrecht keinen unangemessenen Gebrauch machen werde. Eine solche Auffassung muß ich zwar als anerkennenswert bezeichnen. Ich muß jedoch darauf hinweisen, daß diejenigen, die diese Auffassung vertreten, übersehen, daß es in der Vergangenheit auch praktische Fälle gegeben hat, die berechtigte Zweifel daran aufkommen lassen, ob die Bundesbahn von diesem Vorrecht immer den rechten Gebrauch machen wird.
Im übrigen ist mir aufgefallen, daß der Herr Kollege Brück in Verbindung mit dem Punkt, der hier erörtert wird, sehr stark auf die Finanzierungssorgen der Bundesbahn hingewiesen hat. Ich bin der Auffassung - der Herr Kollege Dr. Bleiß hat andere Erwägungen angeführt und sich dieser Argumentation nicht angeschlossen -, daß die Finanzierungssorgen der Bundesbahn uns immer wieder bewegen werden, daß aber das Personenbeförderungsgesetz wohl nicht der richtige Ort ist, diese Sorgen zu beheben.
({1})
- Nein, Herr Kollege Brück, es scheint mir schon richtiger zu sein, das Augenmerk auf die Erwägungen zu lenken, die der Kollege Dr. Bleiß hier vortrug. Er sprach betont vom Ausgleich der Verkehrsinteressen und stellte vor allen Dingen darauf ab, daß dieses Gesetz dem Verkehrsnutzer dienlich sein solle.
Wenn wir das Gesetz aber unter diesem Gesichtspunkt sehen, müssen Zweifel aufkommen, ob das Vorrecht der Bundesbahn das geeignete Instrument ist, die Interessen der Verkehrsnutzer wirklich auszugleichen. Ich könnte hier eine Fülle von Beispielen vortragen, die das Gegenteil beweisen. Wenngleich das auch Fälle der Vergangenheit sind, so gibt es da doch eine gewisse Tendenz, mit der man rechnen muß.
Herr Kollege Brück sagte, die Regelung sei auf den engeren Einzugsbereich der Schiene beschränkt. Damit ist das Problem nur angesprochen, aber nicht gelöst. Denn es kann Fälle geben, in denen die Bundesbahn notwendigen modernen Erfordernissen aus betont wirtschaftlichen Erwägungen keine Rechnung trägt. Von denen, die die Vorlage in diesem Punkt für gut befinden und keine Änderung bejahen, wird übersehen, daß eine gemeinschaftliche Zusammenarbeit bei der künftigen Verkehrsentwicklung und -planung eher garantiert ist, wenn nicht einer der Beteiligten ein Vorrecht hat, sondern dann, wenn die Genehmigungsbehörde vor das Erfordernis gestellt wird, abzuwägen, welche Entscheidung die optimale ist. Man kann der Bundesbahn zumuten, sich auch im Nachbarortslinienverkehr nach den Bedürfnissen der Verkehrsnutzer zu richten. Dies wird um so eher geschehen, wenn ein anderer Verkehrsträger mit zum Zuge kommen kann und wenn hier eine Art Wettbewerb entsteht, der vertretbar ist. Wirtschaftliche Aspekte werden bei allen eine Rolle spielen.
Wir hätten aus den Reihen unserer Fraktion einen ähnlichen Antrag gestellt. Ich habe Unterschriften gesammelt. Ich hatte auch hierzu schon mit Kollegen aus der CDU-Fraktion Absprachen getroffen, einen derartigen Antrag einzubringen, nicht als Fraktionsantrag, sondern als Antrag von Abgeordneten, die vor allen Dingen mit der kommunalpolitischen Praxis vertraut sind. Ein Teil meiner Fraktion wird also dem gestellten Änderungsantrag zustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Höck.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu diesem Änderungsantrag ist schon mehrfach gesprochen worden. Hier ist einiges angeklungen, das der Verkehrsausschuß nicht ohne weiteres anerkennen kann. Ich spreche allerdings nur für meine Person, aber ich glaube, man kann dem Verkehrsausschuß keine Stallblindheit in dem Sinne nachsagen.
({0})
Viele, viele Verbände sind doch gehört worden,
und schließlich hat sich der Verkehrsausschuß nach
langem Ringen in der jetzt vorliegenden Fassung in einem Kompromiß gefunden. Nachdem jahrelang über dieses Gesetz beraten worden ist, sollten wir diese so schwer erreichte Kompromißlösung heute nicht durch Einzelanträge, lieber Herr Kollege Besold, stören. Sie sehen ja, zu welchen Weiterungen das führt! Mir scheint, es wäre besser, wir würden das Gesetz noch einmal in den Ausschuß zurückverweisen, um all das noch einmal von Anfang an neu zu beraten. Das ist natürlich nicht der Sinn der heutigen zweiten und dritten Lesung dieses Gesetzes.
Wenn das jetzt in der Fassung des Verkehrsausschusses vorgesehene Ausgestaltungsrecht der Schienenbahnen durch Ausschluß des Orts- und Nachbarortsverkehrs beschränkt würde, hätten die Eisenbahnen in diesem Bereich, vor allem in dem entscheidenden Bereich des Nachbarortsverkehrs, überhaupt kein Ausgestaltungsrecht mehr für ihren Straßenverkehr, weil dann vorhandene öffentliche Verkehrsbetriebe ihnen ihr Ausgestaltungsrecht entgegensetzen würden.
({1})
- Die Gleichrangigkeit ist durch dieses Gesetz geschaffen worden, nicht das Vorrecht. Den Eisenbahnen würde damit die Möglichkeit genommen, den Verkehr, wie in Aussicht genommen, auf allen Strekken des Nachbarortsverkehrs zu bewältigen. Herr Jacobi, Sie sind doch ebenfalls daran interessiert, daß der Betrieb der Bundesbahn nicht länger mit einem Defizit behaftet ist. Ich sehe nicht ein, daß wir das nur über dieses Gesetz tun sollten, bei Gott nicht! Aber wir müssen doch einmal den Mut haben, anzufangen. Wozu hat der Bundestag die BrandKommission berufen? Diese Kommission hat einen umfangreichen Bericht ausgearbeitet. Wir werden uns doch diesen Bericht sicherlich hier in manchem zu eigen machen, damit diese Probleme in echter Konkurrenz gelöst werden können. Aber auch bei der Bewältigung des Personenverkehrs über den Orts- und Nachbarortsverkehr hinaus würden sich unerträgliche Verzögerungen ergeben - das steht doch auch fest -, wenn etwa vorhandene öffentliche Verkehrsbetriebe einen Orts- und Nachbarortsverkehr betreiben sollten und diese ihr Ausgestaltungsrecht geltend machten. In dem großen Bereich des Ruhrgebiets z. B., hier in unserer nächsten Nähe, oder der sonstigen Großstädte - Herr Kollege Besold, das trifft doch auch für München zu - würde damit der öffentliche Straßen- und Personenverkehr praktisch allein in die Hand der öffentlichen Verkehrsbetriebe gegeben werden und die Bundesbahn verurteilt sein, z. B. auf eine Modernisierung und Rationalisierung ihres Eisenbahnverkehrs zu verzichten. Ich weiß doch, daß gerade diese Städte - ob es Hamburg, München oder eine andere Stadt ist - immer wieder die Bundesbahn drängen, den Nachbarortsverkehr auf der Schiene noch besser auszugestalten.
({2})
Dr. Höck ({3})
- Das kann ja möglich sein; es ist gut, daß wir in der Bundesrepublik in unseren Meinungen nicht uniform sind.
Diese starke Beschränkung in der Entwicklungsmöglichkeit der Eisenbahnen wäre insofern unverständlich, als ihnen an sich mit dem Ausgestaltungsrecht nur der ganz enge Bereich des Schienenparallelverkehrs zugestanden werden soll, überdessen Gestaltung die Eisenbahnen dann allerdings freie Hand behalten müssen. Ein Eingriff in den Verkehr der öffentlichen Betriebe erfolgt damit nicht und kann von Ihnen infolgedessen auch nicht ais Grund für die Ablehnung dieses Rechtes der Eisenbahnen angeführt werden.
Darüber hinaus - Herr Kollege Eilers, Sie haben es abgestritten - können die öffentlichen Verkehrsbetriebe in ihrem bisherigen Besitzstand schon deshalb nicht beeinträchtigt werden, weil ihnen doch eine weitgehende Besitzstandsgarantie zugestanden wird. Im übrigen sind diese Betriebe in allen Relationen des Orts- und Nachbarortsverkehrs, in denen keine Schienenverbindung - das war Ihr Anliegen, Herr Eilers - vorhanden ist, hinsichtlich der Ausgestaltung völlig frei; sie können den Verkehr dort zu ihrem Nutz und Frommen gestalten. Aus all diesen Gründen hat sich doch gerade der von mir eben angeführte Brand-Bericht, der von uns mit solcher Intensität angefordert worden ist, für eine Regelung eingesetzt, die den Eisenbahnen die freie Entscheidung über die Durchführung ihres Verkraftungsprogramms ermöglicht. Mit diesen Vorschlägen werden wir uns noch lang und breit auseinandersetzen müssen. Wollen wir denn hier vor-entscheiden? Wir müssen doch daran denken - wie Herr Kollege Bleiß gesagt hat -, daß dieses Gesetz ein verkehrsordnendes Gesetz sein soll. Das müssen wir schon heute berücksichtigen, damit wir nicht das, was wir heute beschließen, in zwei Jahren vielleicht wieder umwerfen.
Abschließend möchte ich noch bemerken, daß durch die beantragte Regelung - das ist schon mehrfach betont worden - das Kernstück der ganzen gesetzlichen Neuregelung herausgebrochen würde. Diese Wirkung wäre für die Eisenbahnen deshalb unannehmbar, weil durch die verschiedenen Tarifsysteme der öffentlichen Verkehrsbetriebe und der Deutschen Bundesbahn schon jetzt eine systematische Aushöhlung des Eisenbahnverkehrs eingetreten ist und zu der abträglichen Situation auf der Schiene geführt hat. Dieser Zustand würde sich in Zukunft - mit unserer Hilfe - in verstärktem Maße noch verschlimmern. Die Millionenverluste z. B. im Bezirkspersonenverkehr der Deutschen Bundesbahn könnten nicht allmählich abgebaut werden, sondern wir würden uns von vornherein heute dafür entscheiden, die defizitäre Lager der Bundesbahn für ewige Zeiten anzuerkennen, weil wir nicht den Mut haben, den Anfang zu machen.
({4})
Die ganze Regelung - Herr Kollege Jacobi, weil Sie dagegen sprechen - würde doch nur auf dem Buckel, auf dem Rücken der Steuerzahler ausgetragen werden müssen.
Ich bitte Sie deshalb, die Anträge auf den Umdrucken 745 und 754 abzulehnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Besold.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, daß ich zu dieser Frage nochmals kurz das Wort ergreife. Auch in unserer Fraktion, der CDU/CSU, sind die Meinungen in dieser Frage geteilt. Aber, Herr Kollege Höck, wir alle haben im Ausschuß mit Ernst an diesem Gesetz gearbeitet. Ich möchte nicht - wie Sie
- sagen, es sei von einzelnen ein Störungsantrag gestellt worden. Wenn wir den Antrag gestellt haben, ,so geschah das aus ganz ernsten Überlegungen hieraus. Solche Anträge kann man bis zum Schluß, bis zur Verabschiedung eines Gesetzes stellen. Sie sehen ja, daß in allen Fraktionen verschiedene Meinungen hierüber vorhanden sind.
Ich möchte auch dem Kollegen Brück, der sich wirklich um dieses Gesetz sehr bemüht hat, sagen, daß man einen Antrag, der hier zur Debatte steht, nicht dramatisieren sollte, indem man etwa argumentiert, daß dadurch die Rationalisierung der gesamten Bundesbahn gefährdet ist.
({0})
- Das ist gesagt worden! - Das ist schon deshalb falsch, weil die Bundesbahn wie kaum ein anderer Verkehrsträger durch das Bundesverfassungsgerichtsurteil wirklich ausreichend geschützt ist. Wir haben uns ja bei der Beratung des Gesetzes mit diesem Urteil auseinandersetzen müssen. Außerdem müssen auch, da gebe ich dem Herrn Kollegen Bleiß recht, gerade die Interessen des Verkehrsnutzers, des Fahrgastes - abgewogen gegen die nach dem Bundesverfassungsgerichtsurteil geschützten Interessen der Bundesbahn - vorrangig berücksichtigt werden.
Herr Kollege Bleiß, nun möchte ich kurz Ihre Frage beantworten, ob das, was in § 13 des Gesetzes für den Schienenparallelverkehr gesagt ist, für leine Berufung auf § 8 genügt. Nach § 8, der eine sehr weite Fassung hat, haben der Bundesminister für Verkehr und die Landesregierungen auf eine vernünftige Auslegung des Gesetzes hinzuwirken und freiwillige Vereinbarungen im Interesse der Verkehrsträger und Verkehrsnutzer herbeizuführen; das bezieht sich aber nur auf das, was in diesem Gesetz steht. Wenn also in § 13 - das ist meine juristische Ansicht - Idas Vorrecht der Schiene im Nachbarortslinienverkehr bestehenbleibt
({1})
- ja, ja - und der Nachbarortslinienverkehr durch den Zusatz, den wir beantragt haben, nicht gleichrangig gestellt wird, dann kann im Sinne des § 8 nicht eine darüber hinausgehende Einwirkung erfolgen. Das ist für mich klar. Wir, die wir das Gesetz gemacht haben, sind ja nicht immer alle hier, und in der Zukunft wird man sich auf das berufen, was im Gesetz steht. Deshalb bin ich dafür, daß das im Gesetz klargestellt wird. Sonst haben Sie keine
Gewähr, daß Härten über den § 8 ausgeglichen werden. Das ist meine Ansicht. Ich glaube, das Verkehrs- oder Justizministerium wird zu dieser Frage keine andere Auslegung geben können. Wenn aber die Gleichrangigkeit zwischen der Schiene und dem Nachbarortslinienverkehr gegeben ist, ,dann können eben in voller Auswirkung dessen, was in § 8 gesagt ist, diese vernünftigen Lösungen herbeigeführt werden. Das ist meine unmaßgebliche Ansicht.
Aber es ist auch nicht so - das gehört unter den § 8, Herr Kollege Brück -, daß die Bundesbahn überhaupt ausgeschaltet wäre, wenn die beantragte Fassung kommt. Das ist keine richtige Auslegung des Gesetzes. Wir, die wir den Antrag gestellt haben, stellen den Antrag deshalb, um für die moderne, uns allen sichtbare Entwicklung insbesondere der Großstädte und gerade auch für die Verkehrsnutzer eine gesunde Verkehrsgrundlage zu schaffen.
Ich bitte, dem Antrag zuzustimmen.
({2})
Das Wort hat Frau Abgeordnete Welter.
Meine Herren und Damen! Obwohl ich nicht dem Verkehrsausschuß angehöre, möchte ich als Kommunalpolitikerin einige Worte zu dem Ergänzungsantrag sagen, das Wort „Nachbarortslinienverkehr" in § 13, Abs. 2, Nr. 2 einzusetzen. Ich schließe mich diesem Antrag an. Ich unterstelle, daß uns allen an der Wirtschaftlichkeit der Bundesbahn gelegen ist; aber es ist auch nicht berechtigt, zu sagen, durch die Bestimmung, wie sie jetzt im Gesetz vorgesehen ist, werde die Wirtschaftlichkeit der kommunalen Verkehrsbetriebe gefährdet. Es ist Tatsache, daß die Schiene, daß die Bundesbahn vor den kommunalen Verkehrsbetrieben bevorrechtigt wird.
({0})
Es wird so weit kommen, daß in den Orten, in denen ein Bundesbahnhof ist, die Verkehrsbetriebe der Kommunen keine Genehmigungen bekommen, einen zusätzlichen Betrieb einzurichten. Sie wissen alle, wie stark die Verkehrszunahme ist, so daß zugunsten des Verkehrsteilnehmers neue Linien geschaffen werden müssen. Es ist nicht zu verstehen, daß durch die Ist-Bestimmung in § 13 eine starke Einschränkung für die im Interesse der Verkehrsteilnehmer dringend notwendigen Ausdehnung der Verkehrsbetriebe der Kommunen hingenommen werden soll.
Ich bitte deshalb auch meinerseits, den Zusatz hineinzunehmen: „oder Nachbarortsverkehrslinien".
Das Wort hat der Abgeordnete Eilers.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Gesetzentwurf trägt die Überschrift „Personenbeförderungsgesetz". Wir sollten deshalb daran denken, daß den Personen, den Menschen, die die verschiedenartigsten Verkehrsmittel benutzen sollen und müssen, hiermit ein Gesetz gegeben wird, das ihnen in allererster Linie dient, also ein Gesetz zu schaffen, das auch der künftigen Entwicklung, die sich höchstwahrscheinlich viel rasanter und schneller vollziehen wird, als wir heute alle zu ahnen vermögen, entspricht.
Hier ist von einigen Kollegen gesagt worden, daß der § 8 des Gesetzentwurfes doch ausdrücklich dazu bestimmt sei, den Ausgleich der Verkehrsinteressen herzustellen. Darin wird gesagt:
Mit dem Ziel bester Förderung des Verkehrs haben der Bundesminister für Verkehr und die Landesregierungen darauf hinzuwirken, daß die Interessen der verschiedenen Verkehrsträger im Personenverkehr ausgeglichen und ihre Leistungen und ihre Entgelte aufeinander abgestimmt werden.
In § 8 will man also gerade die Gleichrangigkeit der einzelnen Verkehrsunternehmen. In § 13 aber hat man diese Gleichrangigkeit dem Nachbarortslinienverkehr von vornherein verwehrt. Also wenn man schon die Gleichrangigkeit möchte und wenn man dem Verkehrsnutzer die Möglichkeit geben will, die beste und wirtschaftlichste, die günstigste und schnellste Verbindung zwischen zwei Orten, dem Ausgangs- und dem Zielort, herzustellen, dann muß man zugeben, daß man ihm von vornherein eine Auswahl zwischen gleichrangigen Verkehrsunternehmen verwehrt. Ich glaube, wenn § 8 überhaupt einen Sinn haben soll, dann müssen wir den Ortslinien- und den Nachbarortslinienverkehr gleichrangig ausstatten, gleichrangig ausstatten mit der Bundesbahn, deren Pläne darauf abzustimmen sind.
Meine Damen und Herren, es ist doch gar kein Zweifel: wir wollen alle miteinander dazu beitragen, daß auch die Bundesbahn in ihrer Finanzgestaltung so gesund wird, wie das nur irgend möglich ist. Aber das kann doch nicht das Primäre sein bei der Betrachtung des Personenbeförderungsgesetzes. Es darf selbstverständlich in keiner Weise außer acht gelassen werden, daß, wenn es sich um die notwendige Ausgestaltung des Verkehrs handelt, der Orts-, der Nachbarortslinienverkehr und die Bundesbahn gleichberechtigt nebeneinander bestehen sollten. Es muß das Ziel sein, die beste Möglichkeit zum Nutzen der Verkehrsteilnehmer zu schaffen.
Deshalb sollten wir diesen Änderungsanträgen der CDU-Abgeordneten und der FDP-Fraktion zustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Diel.
Meine Damen und Herren! Ich bitte, die beiden Änderungsanträge abzulehnen. Es ist kein Zufall, daß sich die Mitglieder des Ausschusses, die hier zu Wort gekommen sind - wenn ich es recht übersehe, mit Ausnahme des Herrn Kollegen Besold -, alle miteinander für den GeDiel
setzentwurf ausgesprochen haben, wie er Ihnen nach den Beschlüssen des Ausschusses vorliegt. Diese Tatsache ist dadurch verständlich, daß alle die Argumente, die hier von der anderen Seite vorgetragen worden sind, im Ausschuß mit letzter Gründlichkeit behandelt worden sind und daß im Ausschuß der Versuch gemacht worden ist - ich möchte meinerseits behaupten: der erfolgreiche Versuch -, die Interessen gegeneinander auszugleichen. Die Vorlage stellt kein Gesetzeswerk zugunsten eines bestimmten Interessentenkreises, sondern, wie es die Mehrheit der Ausschußmitglieder sagte, einen gerechten Ausgleich dar. Bei der Annahme der vorgelegten beiden Änderungsanträge würde das Gebäude des gerechten Ausgleichs vollständig erschüttert werden. Unter anderem und wohl in erster Linie würden dadurch die Belange der Bundesbahn derart empfindlich geschädigt werden, daß es unzweifelhaft zu bedauerlichen Folgen kommen müßte, und zwar nicht nur nach der finanziellen Seite hin. Ein Verkehrsträger kann doch nur dann dem Personenverkehr dienen, wenn er wirtschaftlich dazu in der Lage ist und bleibt.
Ich bitte Sie also, die beiden Anträge abzulehnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Faller.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nichts wiederholen, was bereits von den vorhergehenden Diskussionsrednern gesagt worden ist. Ich möchte nur auf einiges hinweisen, was in der Diskussion gesagt worden ist, und hier darf ich mich zuerst an meinen Kollegen Jacobi wenden.
Herr Kollege Jacobi, man sollte nicht dem einen oder anderen Verkehrsunternehmen schlechtes Verhalten vorwerfen. Ich bin überzeugt, daß die Bundesbahn der anderen Seite genausoviel Fälle von schlechtem Verhalten vorweisen könnte. Deshalb sollten wir das von vornherein beiseite lassen und uns nicht gegenseitig schlechtes Verhalten in der Vergangenheit vorwerfen,
Herr Kollege Besold, Sie haben völlig recht, wenn Sie sagen, man sollte nicht dramatisieren. Aber meines Erachtens bedeutet es auch eine Dramatisierung, wenn man hier immer so tut, als fiele der gesamte Nachbarortsverkehr unter diese Bestimmung. Das stimmt einfach nicht! Unter diese Bestimmung fällt nur der schienenparallele Nachbarortsverkehr, also derjenige Nachbarortsverkehr, der entlang einer Schienenbahn läuft.
Herr Kollege Eilers, wir sind im Verkehrsausschuß überhaupt nur davon ausgegangen, daß hier ein Personenbeförderungsgesetz gemacht wird, und wir haben immer wieder festgestellt, daß alles, was in diesem Gesetz verankert wird, in erster Linie nicht den Unternehmen, sondern den von den Unternehmen zu befördernden Personen dienen soll.
Durch die vom Verkehrsausschuß in § 13 beschlossene Regelung würde die Bundesbahn die Möglichkeit erhalten, im Bezirkspersonenverkehr eine bestimmte Rationalisierung durchzuführen.
Wenn wir den Antrag, der hier gestellt worden ist, annähmen, würde das bedeuten, daß ein wesentlicher Eingriff in den derzeitigen Besitzstand der Bundesbahn erfolgen könnte. Dagegen enthält das Gesetz in der vorliegenden Fassung keinerlei Angriff auf den Besitzstand der VOV-Betriebe. Der Besitzstand der VOV-Betriebe ist durch den jetzigen Text absolut gewährleistet.
Ich möchte aber gerade auch die kommunalen Betriebe auf die Gefahr aufmerksam machen, die in diesem Antrag liegt. Diejenigen, die sich mit diesem Gesetz und den vielen Anträgen und Eingaben dazu befaßt haben, wissen, daß die Arbeitsgemeinschaft Personenverkehr längst darauf drängt, im Orts- und Nachbarortslinienverkehr mit den VOV-Betrieben gleichgestellt zu werden. Durch einen solchen Antrag würden Sie diesem Verlangen der Arbeitsgemeinschaft Personenverkehr erheblich Vorschub leisten. Hier liegt also eine seht große Gefahr für die Rechte der VOV-Betriebe.
Ich darf feststellen, daß dieses Problem im Ausschuß wirklich gründlich behandelt worden ist. Kein Mitglied des Verkehrsausschusses, auch nicht diejenigen, die diesen Antrag unterzeichnet haben, hat im Ausschuß den Antrag gestellt, den Nachbarortsverkehr ebenfalls auszunehmen. Niemand - auch nicht die Antragsteller - hat im Verkehrsausschuß diesen Antrag gestellt.
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Zur Klärung des Sachverhalts möchte ich nochmals darauf hinweisen, daß der Schienenverkehr der öffentlichen Verkehrsbetriebe genau das gleiche Ausgestaltungsvorrecht wie die Bundesbahn erhält. Es ist hier kein Unterschied gemacht worden.
Weil in der Zwischenzeit der Herr Verkehrsminister angekommen ist, möchte ich noch einmal eine Frage aufgreifen, die schon mein Kollege Bleiß aufgeworfen hat. Herr Verkehrsminister, ich bitte, dazu Stellung zu nehmen, ob der § 8, in ,dem die Koordinierung der Verkehrsträger vorgesehen ist, so wie er jetzt abgefaßt ist, überhaupt seinen Sinn behält und ob ,das Verkehrsministerium bereit ist, bei allen Fragen von dieser in § 8 vorgesehenen Koordinierungsmöglichkeit Gebrauch zu machen.
Im Interesse beider Teile bitte ich, von der Annahme dieser Anträge abzusehen und das Gesetz so anzunehmen, wie es der Ausschuß vorgelegt hat.
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Keine weiteren Wortmeldungen? - Dann kommen wir zur Abstimmung. Die Änderungsanträge auf Umdruck 745 unter Ziffer 1 a und auf Umdruck 754 unter Ziffer 1 sind gleichlautend. Wir stimmen zunächst darüber ab, dann über den Antrag auf Umdruck 745 Ziffer 1 b. Ist das Haus damit einverstanden? - Wer den gleichlautenden Anträgen auf Umdruck 745 Ziffer 1 a und Umdruck 754 Ziffer 1 zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Es ist nicht festzustellen, wo die Mehrheit liegt. Enthaltungen? - Auch jetzt ist noch nicht festzustellen, wo die Mehrheit war. Wir müssen auszählen. R066
Vizepräsident Dr. Schmid
Ich gebe das Ergebnis der Auszählung bekannt. An der Abstimmung haben sich 304 stimmberechtigte Mitglieder des Hauses beteiligt. Mit Ja haben 223, mit Nein 79 gestimmt; 2 Mitglieder haben sich der Stimme enthalten. Der Antrag ist damit angenommen.
Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag Umdruck 745 Ziffer 1 Buchstabe b. Wird das Wort zur Abstimmung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Wir stimmen nunmehr ab über § 13 in der soeben festgestellten Fassung. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen?
- Das erste war die Mehrheit; § 13 ist angenommen.
Wir kommen zu den §§ 14 bis 44. Es sind keine Änderungsanträge angekündigt. Wer diesen Bestimmungen zustimmen will, gebe das Handzeichen.
- Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Zu § 45 liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 753 vor. Das Wort zu seiner Begründung hat der Abgeordnete Vehar.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Erlauben Sie mir, daß ich meiner Begründung ein paar Sätze voranstelle, die nach meiner Auffassung zum Verständnis des Problems notwendig sind. Über den Ferienziel-verkehr bzw. seine Einordnung in die in diesem Gesetz vorgesehenen beiden Formen des Gelegenheitsverkehrs oder des Linienverkehrs hat es im Verkehrsausschuß verschiedene Meinungen gegeben. Die dreimal vorgenommenen Abstimmungen und Meinungstests haben verschiedene Ergebnisse gehabt. Nachdem der Ausschuß zuerst mit großer Mehrheit der Auffassung war, daß diese Verkehrsform zum Linienverkehr zu rechnen sei, hat eine spätere Meinungsbildung fast eine einheitliche Auffassung ergeben, daß diese Verkehrsart dem Gelegenheitsverkehr zuzuordnen sei. Eine am Ende der Beratung vorgenommene Abstimmung hat dann schließlich das Ergebnis gezeigt, daß der Ausschuß einstimmig der Auffassung war, der Ferienzielverkehr solle als Sonderform des Linienverkehrs in diesem Gesetz verankert werden.
Maßgebend für diese Entscheidung war vor allem der einstimmige Wunsch der Mitglieder des Ausschusses, daß man bei dieser besonderen Form des Personenverkehrs der Genehmigungsbehörde die Möglichkeit geben solle, etwas strengere Zulassungsvorschriften anzuwenden, und vor allem die Möglichkeit, zu prüfen, ob ein neu zuzulassender Verkehr im öffentlichen Verkehrsinteresse liege und ob ein Verkehrsbedürfnis dafür vorhanden sei. In diesem Punkte war sich der Ausschuß einig. Er war allerdings nicht einheitlicher Meinung darüber, ob es der richtige Weg sei. Ich möchte hier ausdrücklich betonen, daß es nach meiner Auffassung auch bei Einordnung des Ferienzielverkehrs in den Gelegenheitsverkehr durchaus möglich gewesen wäre, in Übereinstimmung mit dem Verfassungsgerichtsurteil noch die Prüfung des öffentlichen Verkehrsinteresses und des öffentlichen Verkehrsbedürfnisses durchzuführen. Eine ähnliche Regelung haben wir bekanntlich auch beim Droschkenverkehr.
Nicht einig war sich der Ausschuß in der Frage, welche Auflagen außer den erheblichen Zulassungserschwernissen durch die Zuordnung dieser Verkehrsform zum Linienverkehr den Unternehmern des Ferienziel-Reiseverkehrs auferlegt werden sollen.
Damit, meine sehr geehrten Damen und Herren, komme ich zu dem Ihnen vorliegenden Antrag. Ich darf seinen Inhalt etwas näher erörtern.
§ 45 Abs. 2 Satz 2 lautet:
Beim Ferienziel-Reiseverkehr sind im Anhörverfahren die für den Betriebssitz des Unternehmers zuständige Bundesbahndirektion und diejenigen Unternehmer zu hören, die vom gleichen Ausgangsort einen Schienen- oder Kraftfahrlinienverkehr zum Zielort des beantragten Verkehrs betreiben; im übrigen sind die in § 14 Abs. 1 Nr. 4 genannten Stellen gutachtlich zu hören.
Mit ,dem zweiten Halbsatz wird praktisch gesagt, daß die Bundesbahndirektion, die Bundespostdirektion, die Gemeindebehörde, die Industrie- und Handelskammer, die zuständigen Fachgewerkschaften und die Gewerbevertreter zu hören sind. Es wird also doppelt, im ersten und dann noch einmal im zweiten Halbsatz, gesagt, daß die Bundesbahn gehört werden muß.
Wir beantragen, § 45 Abs. 2 Satz 2 durch folgenden Satz zu ersetzen:
Beim Ferienziel-Reiseverkehr sind die in § 14 Abs. 1 Nr. 4 genannten Stellen gutachtlich zu hören.
Es sollen also gehört werden die für den Betriebssitz des Unternehmers zuständige Bundesbahndirektion, die Bundespostdirektion, die Gemeindebehörde, die Industrie- und Handelskammer, die Gewerkschaft und die Vertretung des Gewerbes.
Meine sehr verehrten Dammen und Herren, mit der in § 45 Abs. 2 gewählten Formulierung wurde buchstäblich in letzter Minute eine Bestimmung in das Gesetz aufgenommen, deren Tragweite, wenn ich das so sagen darf, die Herren Kollegen aus dem Verkehrsausschuß anscheinend unterschätzt haben. Ich fühle mich in dieser Annahme vor allem deshalb bestärkt, weil bei den Beratungen im Verkehrsausschuß wiederholt und unwidersprochen betont wurde, daß es nicht dem politischen Willen des Ausschusses entspreche, wenn den Unternehmern des Ferienzielreiseverkehrs Auflagen gemacht werden sollen, die praktisch nichts anderes bedeuten als einen Schutz von Unternehmen, die als Privatunternehmen auf der Schiene das gleiche tun, was diese Unternehmen auf der Straße tun, nämlich Ferienzielreisen durchführen. Es handelt sich hier um die bekannten großen Touristikunternehmen,
die sich auf diesem Gebiete in den letzten Jahren quasi eine Monopolstellung im deutschen Pauschalreisegeschäft verschafft haben und die ohne die Existenz einer leistungsfähigen Konkurrenz auf der Straße tatsächlich eine absolute Monopolstellung hätten. Daß diese Unternehmen gemeint sind, geht auch eindeutig aus dem Ihnen schriftlich vorliegenden Bericht ides Kollegien Brück hervor. Im übrigen hat auch die Bundesregierung in den Beratungen des Ausschusses diese Auffassung vertreten.
Was bedeutet der Einbau dieses Satzes, den zu streichen bzw. zu ändern wir beantragen, in der Praxis? Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir, daß ich Ihnen das an einem Beispiel erkläre. Angenommen, ein Unternehmer in Düsseldorf, der Ferienzielreisen veranstaltet, beabsichtigt, Reisen nach Oberstdorf durchzuführen. Nach dem Wortlaut dieses Gesetzes muß er im Anhörverfahren dafür eine Genehmigung beantragen. Er muß also außer der gutachtlichen Äußerung der in § 14 vorgesehenen Stellen, die ich wiederholt genannt habe, die Genehmigung im Anhörverfahren erreichen. Die Bundesbahndirektion und die Touristikunternehmen auf der Schiene werden in diesem Anhörverfahren gehört. Sie haben ein Einspruchsrecht, ein Beschwerderecht, ja ein Klagerecht, können die Entscheidungen der Genehmigungsbehörde Jahre hinausziehen und so die Entscheidung bzw. die Erteilung der Genehmigung dadurch verhindern.
Ich möchte noch betonen, daß es nach ausdrücklicher Erklärung der Vertreter des Bundesverkehrsministeriums die Touristikunternehmen auf der I Schiene sind, die mit dieser Formulierung gemeint sind, wobei es nach meiner Überzeugung eine Frage sekundärer Bedeutung ist, ob sie direkt in dem Anhörverfahren oder über die Bundesbahndirektion zu Worte kommen.
Wird in diesem Anhörverfahren, um bei meinem Beispiel zu bleiben, festgestellt, daß ein solches Touristikunternehmen auf der Schiene bereits ab Düsseldorf Reisen nach Oberstdorf durchführt, dann hat die Bahn bzw. dieses Touristikunternehmen nach dem Wortlaut des Gesetzes ein Einspruchsrecht, ja sie hat ein Klagerecht, wodurch die Erteilung der Genehmigung, wie ich bereits sagte, verzögert und verhindert werden kann.
Als besonders bemerkenswert verdient hier die Erklärung des Bundesverkehrsministeriums hervorgehoben zu werden, daß dieses Anhörrecht und damit verbunden das Einspruchs- und Klagerecht sich praktisch auf alle Orte des Bundesgebietes bezieht, an denen der betreffende Sonderzug auf seiner Fahrt nach Oberstdorf - um bei diesem Beispiel zu bleiben - hält und Zusteigemöglichkeit bietet. Alle diese Stationen gelten nach dem Wortlaut des Gesetzes und nach den Erklärungen des Bundesverkehrsministeriums sowie nach dem Schriftlichen Bericht als Ausgangspunkte im Sinne dieser Bestimmung.
Was für diesen Unternehmer in Düsseldorf gilt, gilt für alle Unternehmer, die an irgendeinem Platze ansässig sind, an dem dieser Sonderzug von Hamburg bis nach Oberstdorf anhält, an dem er also Zusteigemöglichkeit bietet. Alle diese Stationen gelten als Ausgangsstation für ein solches Reiseunternehmen.
Es kommt hinzu, daß ein solcher Sonderzug der bekannten Touristikunternehmen niemals nur einen Zielort, ja nicht einmal nur ein Zielgebiet, wie z. B. das Allgäu, anfährt, sondern daß die Reisegäste auf eine ganze Anzahl von Ferienorten, vielleicht auch auf eine größere Anzahl von Feriengebieten verteilt werden. Nach dem Wortlaut dieses Gesetzes könnten es die Touristikunternehmen auf der Schiene auf diese Weise verhindern, daß von Hamburg angefangen über Bremen, Osnabrück, Münster, Dortmund, Bochum, Essen, Duisburg, Düsseldorf, Köln, Koblenz, Frankfurt usw. Reisen in die meisten Orte des jeweiligen Zielgebietes mit Omnibussen durchgeführt werden.
Meine Damen und Herren, ich frage Sie: Wie soll nach dieser Bestimmung eine Genehmigungsbehörde in Hamburg, Bremen, Köln oder Düsseldorf überhaupt verfahren? Wie soll sie bestimmen können, ob es im öffentlichen Verkehrsinteresse liegt, ob ein Verkehrsbedürfnis für die eine oder andere Reiserelation vorliegt oder nicht? Sollen die dafür zuständigen Beamten vielleicht in einer ständigen Konferenz beraten, ob und welchen der Antragsteller in den verschiedensten Orten des Bundesgebiets man noch die Erlaubnis geben kann, in ihr Reiseprogramm Oberstdorf, Garmisch, Lindau oder Berchtesgaden aufzunehmen? Und wie soll ein solcher Unternehmer des Ferienzielreiseverkehrs überhaupt noch Dispositionen treffen können angesichts der drohenden Möglichkeit, es könne ihm in diesem Anhörverfahren der eine oder andere Ort als Ferienzielort versagt werden?
Eine solche Bestimmung, die hier, wie ich bereits sagte, buchstäblich in letzter Minute in das Gesetz eingebaut worden ist, ist unrealistisch. Sie verkennt völlig das Zustandekommen eines Reiseprogramms, das der Unternehmer aufstellen muß, um Reisen ausschreiben zu können. Bevor er nämlich sein Programm der Genehmigungsbehörde einreichen kann, müssen umfangreiche Verhandlungen mit den Vermietern an den betreffenden Ferienorten geführt werden, müssen Verträge mit Vermietern bzw. mit den örtlichen Verkehrsbüros abgeschlossen werden. Es ist aber unmöglich, solche Verträge auf die Gefahr hin abzuschließen, die Genehmigungsbehörde würde die Genehmigung zum Anfahren des einen oder anderen Ortes versagen, weil die Bundesbahndirektion oder das betreffende Touristikunternehmen einen Einspruch einlegt.
Nun könnte man entgegnen, dann sei die Genehmigungsbehörde berechtigt, eine sogenannte vorläufige Genehmigung zu erteilen, wie das auch für den regulären Linienverkehr vorgesehen ist. Man wird mir aber zugeben müssen, daß damit einem Unternehmer nicht gedient ist, weil die Ungewißheit in jedem Falle bleibt.
Eine Grundsatzfrage wäre in diesem Zusammenhang zu klären: Ist es überhaupt möglich, daß der Gesetzgeber, der hier ein Beförderungsgesetz beschließt, ein Gesetz, das die Beförderung von Menschen auf der Straße regeln soll, in die Vertragsfrei8068
heit nicht nur der Unternehmer, sondern indirekt auch der Vermieter an den einzelnen Ferienorten eingreift?
Ich bejahe und begrüße im Interesse einer erwünschten Ordnung gerade auf diesem Gebiet des Personenverkehrs die Möglichkeit der Genehmigungsbehörde, unzuverlässige Unternehmer, die eine Konzession für den Ferienzielverkehr beantragen, abzuweisen. Das habe ich im Ausschuß mehrfach dargelegt. Ich meine aber, daß die Bestimmung, wonach die in § 14 genannten Stellen zu hören sind, ausreichen müßte, um der Genehmigungsbehörde die Entscheidung zu erleichtern.
Ich halte es für völlig undurchführbar, einen Unternehmer, der die Konzession auf rechtmäßige Weise erworben hat, der zwangsläufig von Jahr zu Jahr seine Ferienziele ändern muß, der das eine Ferienziel fallenlassen und das andere neu aufnehmen muß, durch das hier vorgesehene Anhörverfahren in einem Zustand ständiger Unsicherheit, ständiger Abhängigkeit von der Zustimmung seiner Konkurrenz zu halten und ihn sozusagen einem permanenten Konzessionsverfahren zu unterwerfen, indem ihm für jede einzelne Linie eine Konzession erteilt werden muß. Eine solche Verfahrensweise ist allein schon deshalb ungerecht, weil die von mir mehrfach erwähnten Touristikunternehmen auf der Schiene schon jetzt einen erheblichen Wettbewerbsvorteil gegenüber den meist kleineren mittelständischen Betrieben haben, die auf der Straße Autobusreisen durchführen. Während die einen auf der Schiene ihre Reisegäste an vielen Stationen auf der ganzen Strecke aufnehmen können, ist dies den Omnibusunternehmen strengstens untersagt. Der Omnibusunternehmer kann nur auf Grund besonderer Ausnahmegenehmigung an benachbarten Orten noch Gäste aufnehmen. Im übrigen hat er sie alle vom Ausgangsort an ein bestimmtes Ziel zu fahren.
Den gleichen großen Vorteil haben die Monopolunternehmen auf der Schiene beim Anfahren der Reiseziele. Sie können beliebig viele Reiseziele anfahren, während der Omnibusunternehmer immer nur ein Reiseziel anfahren darf. Hier wäre eine großzügigere Handhabung wirklich am Platze und im wohlverstandenen volkswirtschaftlichen Interesse erwünscht. Auch im Interesse der so viel zitierten Angleichung der Wettbewerbsbedingungen wäre eine solche bessere Regelung zu begrüßen.
Schließlich darf ich darauf hinweisen, daß der Unternehmer des Ferienzielreiseverkehrs auf der Schiene keinerlei Zulassungsbeschränkungen unterworfen ist, wie sie für den Unternehmer auf der Straße vorgeschrieben werden.
Im übrigen möchte ich gerade meinen Freunden in meiner Fraktion - die sich sicher gleich darauf berufen werden, daß der Ausschuß das alles beschlossen habe - doch sagen, daß ich kein Verständnis dafür hätte, wenn wir auf der einen Seite versuchten, die Verkehrswirtschaft zu etwas mehr Wettbewerb zu führen - nämlich auf dem Gebiete des Güterverkehrs, wo wir tatsächlich zur Zeit immer noch eine starke staatliche Lenkung haben -, auf dem Gebiet aber, wo wir Gott sei Dank bis heute immer noch einen gut funktionierenden Wettbewerb haben, das genaue Gegenteil anstrebten.
Wenn Sie dieses Gesetz mit diesen Bestimmungen über den Ferienzielreiseverkehr annehmen - mit diesem Anhörverfahren -, wird das kleine Stückchen Freiheit, das wir in der Verkehrswirtschaft haben, und wird das Quentchen echten Wettbewerbs, das wir auf diesem Gebiet noch haben, geopfert, und zwar, meine Damen und Herren, geopfert nicht etwa auf dem Altar der Deutschen Bundesbahn, an deren Gesunderhaltung alle interessiert sind - das wurde hier mehrfach erwähnt -, sondern auf dem Altar der großen privaten Monopolbetriebe, deren Schutz ganz sicher nicht im Sinne des für dieses Gesetz so bedeutsamen Urteils liegt, das das Bundesverfassungsgericht gefällt hat. Und nur auf Grund dieses Urteils könnte eine solche Schutzbestimmung überhaupt verfassungsrechtlich zu vertreten sein.
Ich sehe aber auch aus wirtschaftlichen Erwägungen und aus Gründen, die mit der erstrebten Verkehrsteilung zusammenhängen, keinen Anlaß für eine so bedeutsame Einschränkung der Bewegungsfreiheit der privaten Unternehmungen im Ferienzielreiseverkehr. Das Vorhandensein beider Möglichkeiten - der Auswahlmöglichkeit, mit der Bahn oder mit dem Omnibus, bei Nacht im Liegewagen und am. Tage über die Autobahn und die Straße zu fahren - lag doch und liegt im Interesse des Reisegastes, des Fahrgastes, für den das Ferienziel das Primäre, die Frage nach dem Verkehrsmittel die sekundäre Frage ist. Der Reisegast muß das Recht haben, sich das Verkehrsmittel, das er vorzieht, frei wählen zu können.
Der gesunde Wettbewerb hat nicht zuletzt auf die Preisbildung, auf die Bequemlichkeit der Reise und auf die Annehmlichkeiten bei der Unterbringung am Ferienort Wirkungen gehabt, die wir alle im Interesse der Ferienreisenden begrüßen.
Ich komme nun zum Schluß meiner Begründung. Die auf der Schiene fahrenden Unternehmen haben durch diese Konkurrenz der Straße keinen Schaden erlitten. Nach ihren eigenen Angaben haben sie von Jahr zu Jahr beachtliche Steigerungen der Zahl der Reisegäste zu verzeichnen gehabt. Davon hat schließlich auch die Bundesbahn profitiert, weil ihr hierdurch völlig neue Einnahmequellen erschlossen worden sind.
Schließlich muß ich aber auch darauf hinweisen, daß der Omnibusreiseverkehr erhebliche wirtschaftliche Vorteile für zahlreiche Ferienorte im Bundesgebiet, besonders in den abgelegenen süddeutschen Gebieten, gebracht hat, die wegen ihrer schienenfernen oder verkehrsungünstigen Lage bis dahin kaum oder nur sehr wenige Feriengäste gewinnen konnten, heute aber einen blühenden Fremdenverkehr haben.
Meine verehrten Damen und Herren, ich habe Ihnen vorhin bereits gesagt, daß nach meiner Auffassung der Ferienzielreiseverkehr besser nicht als Linienverkehr eingeordnet worden wäre. Ich habe aber im Interesse einer gemeinsamen VerabschieVehar
dung dieses für die Zukunft des gesamten Personenverkehrs bedeutsamen Gesetzes alle Bedenken, die ich hinsichtlich der Zuordnung des Ferienzielverkehrs zu den Sonderformen des Linienverkehrs hatte und noch habe, zurückgestellt. Ich bitte Sie jedoch in diesem einen Punkte auch um Ihr Verständnis für ein Gewerbe, das für sich in Anspruch nehmen kann, auf dem Gebiete der Erholungsreisen, vor allem der Erholungsreisen für Menschen mit einem relativ kleinen Geldbeutel, Pionierarbeit geleistet zu haben.
Zusammenfassend möchte ich sagen - und damit will ich meine Begründung abschließen -, daß diese Unternehmer des Ferienzielreiseverkehrs es auf Grund ihrer Leistungen in der Vergangenheit nicht nur verdienen, daß wir sie weiter dulden; sie verdienen es vielmehr auch, daß wir ihnen im Kreise ihrer großen und ohnehin mit vielen Wettbewerbsvorteilen ausgestatteten Konkurrenten eine reelle Chance geben, eine Chance, sich im fairen Wettbewerb um die Gunst der glücklicherweise immer größer werdenden Zahl von Menschen zu bemühen, die sich eine Urlaubsreise erlauben können. Diese Chance haben diese Unternehmen nicht mehr, meine Damen und Herren, wenn Sie den Wortlaut des § 45 so annehmen, wie er bisher vorgesehen ist.
Darum bitte ich Sie herzlich um die Annahme des Ihnen auf Umdruck 753 vorliegenden Änderungsantrages .
Das Wort hat der Herr Berichterstatter.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will es sehr kurz machen. Wir haben nun einmal im Gesetz den Ferienzielverkehr als eine Sonderform des Linienverkehrs vorgesehen. Wenn man der Systematik des Gesetzes folgt, kann man dem Änderungsantrag auf Umdruck 753 seine Zustimmung nicht geben. Ich bitte Sie, diesen Änderungsantrag abzulehnen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Dann kommen wir zur Abstimmung. Wer dem Antrag auf Umdruck 753 zustimmen will, der gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Wir stimmen nunmehr ab über § 45 in der neu festgestellten Fassung. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; § 45 ist angenommen.
§§ 46 und 47. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; angenommen!
§ 48. Hier liegt auf Umdruck 754 ein Antrag auf Streichung von Abs. 8 vor. Das Wort hat der Abgeordnete Rademacher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Generaldebatte zur dritten
Lesung werde ich noch Gelegenheit haben, darauf hinzuweisen, daß es durchaus möglich gewesen wäre, eine ganze Reihe von Bestimmungen liberaler und weniger dirigistisch zu gestalten. Eine solche Bestimmung ist § 48 Abs. 8, dessen Streichung wir beantragt haben.
Ich darf Ihnen die Bestimmung so vorlesen, wie sie der Ausschuß gefaßt hat:
Ausflugsfahrten dürfen nicht so ausgeführt werden, daß sie die öffentlichen Verkehrsinteressen beeinträchtigen;
- das ist eine Generalklausel, die man noch hinnehmen kann; nun geht es aber weiter: dies ist der Fall, wenn durch Ausflugsfahrten einem Schienen-, Obusverkehr oder Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen in erheblichem Umfang Fahrgäste entzogen werden.
Wer soll das entscheiden? Das wird zu Auseinandersetzungen unter den Beteiligten führen, ob es sich um einen „erheblichen Umfang" von Fahrgästen handelt oder nicht. Daher stelle ich namens meiner Fraktion den Antrag, § 48 Abs. 8 kurzerhand zu streichen.
Das Wort hat der Herr Verkehrsminister.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte doch bitten, diesem Antrag nicht die Zustimmung zu geben. Gerade für die Ausflugsfahrten hatten wir im Regierungsentwurf eine Reihe von Bestimmungen, die mit Rücksicht auf die in Karlsruhe gefallenen Entscheidungen gestrichen werden mußten. Statt dessen wurde der Abs. 8 in § 48 eingefügt, durch den praktisch nur eine Nachkontrolle der Ausflugsfahrten ermöglicht wird. Es scheint mir aber doch notwendig zu sein, darauf hinzuweisen, daß gerade durch solche Ausflugsfahrten vor allen Dingen bei den Schienenunternehmen - ich denke hier nicht nur an die Bundesbahn, sondern vor allem an die in ihrer Tätigkeit sehr stark belasteten nichtbundeseigenen Eisenbahnen, aber auch an die VÖV-Betriebe - eine starke Beeinträchtigung erfolgen kann und daß wenigstens diese Bestimmung, die der Ausschuß sehr eingehend erarbeitet hat, aufrechterhalten bleiben sollte, um zu verhindern, daß in einer Angelegenheit, die sehr gut, sehr ordentlich geregelt ist, etwas geschieht, was nachher zu sehr erheblichen Einbußen bei den betroffenen anderen Unternehmen führt. Wir haben uns bei dem Gesetz grundsätzlich auf den Standpunkt gestellt, daß denjenigen, die den Linienverkehr betreiben, der bekanntlich nicht immer lukrativ ist, ein gewisser Schutz im öffentlichen Interesse zugebilligt werden muß. Ich möchte sehr herzlich bitten, daß das dadurch geschieht, daß der Abs. 8 erhalten bleibt und daß der Antrag abgelehnt wird.
Keine weiteren Wortmeldungen? - Dann stimmen wir ab.
Vizepräsident Dr. Schmid
Wer dem Antrag Umdruck 754 Ziffer 2 zustimmen will, der gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! -Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
§§ 48, - 49, - 50, - 51, - 52, - 53, - 54, -55,-56,-57,-58,-59,-60,-61,-62.-Wer diesen Bestimmungen zustimmen will, der gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmige Annahme.
§§ 63 und 64! - Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Das ist die Mehrheit; angenommen.
§ 65! - Hierzu liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 745 Ziffer 2 vor. Wer begründet ihn? - Herr Dr. Besold!
Ich bitte, .diesem Antrag zuzustimmen. Es ist eine redaktionelle Folge der Annahme von § 13 Abs. 2 Buchstabe c, glaube ich.
Meine Damen und Herren, ich bin davon überzeugt, ,daß wir nun alle wissen, welches .die Bedeutung dieser Ziffer 2 ist. Wir können daher abstimmen.
({0})
- Besteht keine volle Klarheit? Auch bei Ihnen nicht? Bei mir besteht keine.
({1})
- Bitte!
) Krammig ({2}) : Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hier wird das Beförderungsteuergesetz angesprochen. Der Finanzausschuß ist an der Beratung der Vorlage überhaupt nicht beteiligt. Die Antragsteller müßten doch zumindest ausführen, welche steuerlichen Auswirkungen eintreten, bevor wir uns entschließen können, darüber abzustimmen.
Mir scheint das in der Tat die Weisheit selbst zu sein.
({0})
Herr Abgeordneter Besold!
Der Begriff „Nachbarortslinienverkehr" im Steuerrecht soll durch diese Bestimmung unberührt bleiben. Das ist der Sinn der Bestimmung.
({0})
Herr Abgeordneter Krammig, wissen Sie es nun?
({0})
- Nun, wir haben noch eine dritte Lesung, bei der wir uns darüber aussprechen können.
Wir stimmen ab. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen will, der gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
§§ 65, - 66, - 67, -- Einleitung und Überschrift. - Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Meine Damen und Herren, es war vereinbart, daß um 13 Uhr eine Pause eintreten soll. Obwohl es noch 5 Minuten bis 13 Uhr sind, schlage ich Ihnen vor, jetzt die Unterbrechung eintreten zu lassen, um nach der Essenspause mit frischen Kräften mit der dritten Lesung beginnen zu können.
Ich unterbreche die Sitzung bis 15 Uhr.
({1})
Die Sitzung ist wieder eröffnet.
Ich rufe zur
dritten Beratung
des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Personenbeförderungsgesetzes auf. Ich frage, ob in der allgemeinen Aussprache der dritten Beratung das Wort gewünscht wird. - Bitte sehr, Herr Abgeordneter Rademacher!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es wäre sehr schön, wenn man anläßlich der Verabschiedung dieses Gesetzes in der dritten Lesung das Sprichwort zitieren könnte: „Was lange währt, wird endlich gut". Aber ich glaube, das Positive in diesem Zusammenhang ist die Tatsache, daß eigentlich keine der betroffenen Gruppen ganz zufrieden ist. Das scheint mir ein positives Zeichen zu sein für die fleißige und tiefgehende Arbeit des Ausschusses, bei der der Vorsitzende, Herr Dr. Bleiß, eine unendliche Geduld bewiesen hat, um endlich mit dem Gesetz zu Rande zu kommen.
Meine Damen und Herren, der Ausschuß für Verkehrswesen hatte sich überhaupt darauf geeinigt, in den Fraktionen darauf hinzuwirken, daß Änderungsanträge nicht vorgelegt werden. Ich muß ganz offen sagen, daß wir es, obgleich ich und meine Fraktion natürlich besondere Einstellungen zu den einzelnen Paragraphen haben, die nicht immer mit dem konform gehen, was der Ausschuß beschlossen hat, bedauert haben, daß nun eben doch Änderungsanträge vorliegen; denn bei einem so komplizierten Gesetz könnte eigentlich erst die Praxis beweisen, was an ihm unter Umständen nicht richtig ist.
({0})
Dann gäbe es immer noch die Möglichkeit, eine Novelle einzubringen. Außerdem hätte, da es sich schließlich um ein Zustimmungsgesetz handelt, der Bundesrat im zweiten Durchgang auch noch einige Möglichkeiten über den Vermittlungsausschuß.
Meine Damen und Herren, nachdem aber nun doch Änderungsanträge vorgelegt worden sind, gestatten Sie mir, auf eine Reihe von Paragraphen einzugehen, bei denen wir nach wir vor einige Bedenken haben, und vielleicht auch noch den einen oder anderen Paragraphen ein wenig zu erläutern.
Ich glaube, der Hinweis des Berichterstatters auf das Ende der Mitfahrerzentralen - denn das bedeutet es praktisch - erfordert noch den ausdrücklichen Hinweis, daß es in Zukunft nicht verboten ist - so steht es im Gesetz -, wenn sich eine Gruppe für eine Fahrt mit einem Pkw zusammentut, um die reinen Betriebskosten zu teilen, solange dies nicht durch Werbung und ähnliches geschieht.
Man sollte auch noch einmal besonders auf § 8 hinweisen, der insbesondere den Ausgleich der Verkehrsinteressen betont:
Mit dem Ziel bester Förderung des Verkehrs haben der Bundesminister für Verkehr und die Landesregierungen
- diese Ergänzung finden wir besonders wertvoll darauf hinzuwirken, daß die Interessen der verschiedenen Verkehrsträger im Personenverkehr ausgeglichen und ihre Leistungen und ihre Entgelte aufeinander abgestimmt werden. Eine freiwillige Zusammenarbeit der Verkehrsträger ist zu fördern.
Es ist erfreulich, feststellen zu können, daß in Verhandlungen und Besprechungen zwischen der Deutschen Bundesbahn und dem privaten Personenverkehr von vornherein der gute Wille zur Zusammenarbeit von beiden Seiten zum Ausdruck gebracht worden ist. Wir können nur hoffen, daß diese Zusammenarbeit im Geiste des § 8 zustande kommt.
Eine große Rolle spielte in der Diskussion heute morgen der § 13. Meines Erachtens enthält er noch eine Unklarheit. Es ist nämlich nicht hinreichend geklärt, in welcher Weise Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c Satz 1 auszulegen ist, wo es heißt:
... die für die Bedienung dieses Verkehrs vorhandenen Unternehmer oder Eisenbahnen die notwendige Ausgestaltung des Verkehrs innerhalb einer von der Genehmigungsbehörde festzusetzenden angemessenen Frist selbst durchzuführen bereit sind.
Ich würde es sehr begrüßen, wenn Herr Bundesverkehrsminister Seebohm für die Bundesregierung hier in der allgemeinen Aussprache der dritten Lesung erklären würde, wie diese Vorschrift zu verstehen ist. Aus der bisherigen Diskussion könnte man entnehmen, daß über die Auslegung des Rechts der Eisenbahnen auf eine „Ausgestaltung des Verkehrs" große Zweifel bestehen. Die Bundesregierung legt diesen Satz offenbar so aus, daß die Eisenbahnen das Ausgestaltungsrecht auch im Straßenverkehr haben, während der Verband öffentlicher Verkehrsbetriebe die entgegengesetzte Auffassung vertritt. Zur Ausführung des Gesetzes ist es unbedingt notwendig, daß wir eine klare Auskunft darüber bekommen, wie die von mir zitierte Vorschrift gedacht ist.
In den Beratungen des Verkehrsausschusses hat die Besitzstandsklausel eine ziemlich entscheidende Rolle gespielt. Die Vertreter der FDP haben wiederholt die Bereitschaft meiner Fraktion zum Ausdruck gebracht, auf eine weitere Behandlung dieses oder jenes Paragraphen zu verzichten, falls der Herr Berichterstatter sich bereit erkläre, auf die in § 13 Abs. 4 vorgesehene Besitzstandsklausel noch einmal besonders hinzuweisen. Diese Besitzstandsklausel bringt nämlich einen wesentlichen Teil der Bemühungen zum Ausdruck, die Interessen der verschiedenen Gruppen soweit wie möglich untereinander auszugleichen. Ich wäre also dankbar, wenn der Herr Berichterstatter im Laufe der allgemeinen Aussprache dies noch einmal ausdrücklich betonte.
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- Ich habe es gelesen, Herr Brück. Aber ziemlich schwach, verzeihen Sie. Im Sinne des Beschlusses des Ausschusses hätten wir das gern etwas deutlicher von Ihnen als Berichterstatter gehört; wenn nicht schriftlich, dann in Ihren mündlichen Ergänzungen, die Sie hier heute morgen gegeben haben.
Der § 43 sieht eine Sonderform des Linienverkehrs vor. Uns von der FDP wäre es lieber gewesen, wenn man den Ferienziel-Reiseverkehr nicht zu einem Linienverkehr bzw. einer Sonderform des Linienverkehrs gemacht hätte, sondern wenn man ihn als als Gelegenheitsverkehr - mit den entsprechenden Konsequenzen - bezeichnet hätte. Man muß wissen, daß der Ferienziel-Reiseverkehr im wesentlichen ein grenzüberschreitender Verkehr ist. Das bedeutet, daß hier eine gewisse Gegenleistung und Kompensation des Auslandes geduldet werden muß. Weil der Ferienziel-Reiseverkehr zu einer Sonderform des Linienverkehrs erklärt worden ist, fürchtet man in den einschlägigen Kreisen, die ,sich mit diesem Verkehr befassen, daß unter dem Begriff „Freiheit der Straßen" entsprechende Forderungen der ausländischen Unternehmer für die Fahrt in die Bundesrepublik gestellt werden. Wir werden uns heute noch mit dem Außenhandelsgesetz befassen; entschuldigen Sie diesen kleinen Sprung. Dort wird als Prinzip anerkannt, daß es das Recht eines jeden Staates ist, seinen eigenen Einrichtungen - das trifft auch für den Verkehr zu - einen gewissen Schutz zu geben. Diesem Schutz wird unseres Erachtens durch die Gestaltung des Ferienziel-Reiseverkehrs zu einer Sonderform des Linienverkehrs nicht weitgehend genug Rechnung getragen.
In diesem Zusammenhang darf ich noch einmal auf den § 48 Abs. 8 zu sprechen kommen, der sich mit den Ausflugsfahrten beschäftigt. Ich bedauere wirklich sehr, daß der Herr Bundesverkehrsminister die Aufrechterhaltung dieses Paragraphen in der Fassung, die ihm der Verkehrsausschuß gegeben hat, für so wichtig hielt, daß er wegen dieser Angelegenheit auf die Rednertribüne ging. Leider hat er nicht auf die Frage geantwortet, wie dieser Gummiparagraph, dieser Gummibegriff - „in erheblichem Umfang Fahrgäste entzogen werden" - nachher durch die Genehmigungsbehörden praktisch ausgelegt werden soll und kann. Wir fürchten, daß dieser Paragraph Tür und Tor für einen Ermessensmißbrauch öffnet. Wir wollen aber zu diesem Paragraphen in der dritten Lesung nicht erneut einen Antrag stellen. Wir meinen, daß sich gerade mit diesem Absatz des § 48 der Bundesrat eingehend befassen sollte.
Das sind im großen und ganzen die einzelnen Bedenken, die wir vorzutragen haben. Ich darf noch einmal wiederholen: Wir müssen abwarten, wie sich die Praxis auswirkt. Dann müssen wir unter Umständen den Mut haben, rechtzeitig Novellen einzubringen, die dem Geiste des Gesetzes entsprechen, damit das erreicht wird, was wir wollen: ein gerechter Ausgleich der verschiedensten Interessen der verschiedenartigen Verkehrsträger in der Personenbeförderung.
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Keine weiteren Wortmeldungen in der allgemeinen Aussprache. Die allgemeine Aussprache ist geschlossen.
Auf Umdruck 756 liegt ein gemeinsamer Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP vor. Falls der Änderungsantrag noch nicht verteilt ist, möchte ich darauf hinweisen, daß er völlig identisch ist mit dem Änderungsantrag Umdruck 745 Ziffer 2. Ich frage, ob zur Begründung des Änderungsantrags das Wort gewünscht wird. - Bitte sehr, Herr Abgeordneter Besold.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zu dem Antrag noch folgende Klarstellung ,geben. Der Begriff „Nachbarortslinienverkehr" war in der Regierungsvorlage in § 8 Abs. 2 enthalten. Auch in § 65 des Regierungsentwurf war ,der Begriff „ Nachbarortslienverkehr" enthalten und vorgesehen, daß er, soweit das Beförderungsteuerrecht in Betracht kommt, unverändert weitergilt. Das Parlament hat heute beschlossen, den Begriff „Nachbarortslinienverkehr" in § 13 wiederaufzunehmen. Infolge dieses Beschlusses muß der „Nachbarortslinienverkehr" auch in § 65, wo er in der Regierungsvorlage ebenfalls stand, wiederaufgenommen werden.
Der Sinn dieses Antrags ist, wie ich heute schon gesagt habe, den Begriff „Nachbarortslinienverkehr" im Beförderungsteuerrecht nicht anzutasten. Zur materiellen steuerrechtlichen Frage gilt wegen der Wiederaufnahme des Begriffs „Nachbarortslinienverkehr" genau das gleiche wie für die in § 65 Abs. 3 der Ausschußfassung bereits enthaltenen Begriffe „Obus", „Personenkraftwagen" und „Kraftomnibus". Das heißt, daß an den derzeitig geltenden einschlägigen Beförderungsteuervorschriften durch dieses Gesetz nichts geändert werden soll.
Nachdem Sie sich entschlossen haben, den Antrag auf Umdruck 745 Ziffer 1 a und 1 b anzunehmen, ist es folgerichtig, auch diesen Antrag anzunehmen.
Wird dazu das Wort gewünscht? - Bitte sehr, Herr Abgeordneter Dr. Bleiß.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es handelt sich nur um eine redaktionelle Änderung. Wir stimmen ihr zu.
Redaktionelle Änderung! Wer dem Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? -- Der Antrag ist angenommen.
Weitere Änderungsanträge liegen für die dritte Lesung nicht vor.
Vor der Schlußabstimmung gebe ich das Wort zu einer Erklärung dem Herrn Abgeordneten Dr. Bleiß.
Herr Präsident! Mein Damen und Herren! Namens und im Auftrag der sozialdemokratischen Fraktion darf ich folgende Erklärung abgeben.
Das Personenbeförderungsgesetz, das dem Hohen Hause zur Verabschiedung vorliegt, umfaßt eine Reihe von Ordnungsmaßnahmen, die dem öffentlichen Verkehrsinteresse und damit dem Interesse ,des Verkehrsnutzers dienen sollen. Wir erwarten, daß bei allen künftigen Entscheidungen der in Betracht kommenden Genehmigungsbehörden diesem Grundsatz im vollen Umfang Rechnung getragen wird.
Das in dem Gesetz festgelegte Ordnungsprinzip sollte und muß allen davon betroffenen Verkehrsunternehmen die Pflicht auferlegen, ihren Betrieb zu modernisieren, den Fahrzeugpark der technischen Entwicklung gemäß zu erneuern und die Fahrpläne besser als bisher aufeinander abzustimmen und den Bedürfnissen der Verkehrsnutzer anzupassen. Es kann und darf nur der Sinn dieses Gesetzes sein, den gesamten Personenverkehr gesamtwirtschaftlich in bester Weise zu bedienen und ihn zum Wohl des Verkehrsnutzers auszubauen.
Wir erwarten, daß auch der Berufsverkehr endlieh mit einem neuzeitlichen Fahrzeugpark ausgestattet wird. Der Berufstätige hat ein Recht darauf, auf der Fahrt zu und von der Arbeitsstätte von den Unternehmen des Linienverkehrs in bester Weise bedient zu werden. Wir erwarten, daß die Deutsche Bundesbahn im Zusammenhang mit der Tarifreform ihre Personentarife überprüft und insbesondere untersucht, inwieweit die Regeltarife des qualifizierten Personenverkehrs, insbesondere bei der Benutzung von D-Zügen und FD-Zügen, gesenkt werden können. Wir erwarten, daß das Gesetz nicht einseitig gegen die Unternehmungen des Gelegenheitsverkehrs angewandt wird, sondern auch deren Gewerbe eine ausreichende Betätigungsmöglichkeit gesichert bleibt.
Wir haben die Hoffnung, daß die hier vorgetragenen Erwartungen von den zuständigen Gremien erfüllt werden. In diesem Sinne werden wir dem Gesetz unsere Zustimmung geben.
Das Wort zu einer Erklärung hat der Abgeordnete Müller-Hermann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die christlich-demokratische und christlich-soziale Fraktion wird dem Gesetz in der jetzt vom Plenum verabschiedeten Fassung zustimmen. Wir sind sicher, daß das Personenbeförderungsgesetz in der jetzt von uns zu verabschiedenden Form auch auf manche Kritik stoßen und nicht von allen Seiten als ideal empfunden werMüller-Hermann
den wird. Ich glaube ,aber, daß das, was wir in sehr mühevollen Beratungen erreicht haben, das Bestmögliche ist, ein Kompromiß, der versucht, allen Beteiligten, allen Verkehrsträgern und Verkehrsnutzern gerecht zu werden.
Wir wissen alle, wie schwierig die Beratungen waren, daß sich schon im vergangenen Bundestag ein Unterausschuß in mühevoller Arbeit um das Zustandekommen des Personenbeförderungsgesetzes bemüht hat. Die Schwierigkeiten waren nicht zuletzt darauf zurückzuführen, daß einmal die Interessen sehr unterschiedlicher Verkehrsträger auf einen Nenner zu bringen waren und andererseits durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts eine völlig neue Situation entstanden war. Dafür, daß wir das Gesetz jetzt in der dritten Lesung zur Abstimmung bringen können, gebührt der Dank allen, die sich um diesen Kompromiß bemüht haben. Ich möchte nicht versäumen, meinen besonderen Dank, auch im Namen meiner Fraktion und, ich glaube, auch der Mitglieder des Verkehrsausschusses, an den Vorsitzenden des Verkehrsausschusses, Herrn Dr. Bleiss, der keine Mühe gescheut hat, diesen Kompromiß zustande zu bringen, und an den Herrn Berichterstatter, Herrn Kollegen Brück, zu richten, aber auch an die im Bundesrat und im Bundesverkehrsministerium Beteiligten, die uns die Arbeit im Ausschuß wesentlich erleichtert haben.
({0})
Ich hoffe, daß das Gesetz seine Bewährungsprobe bestehen wird. Zumindest werden wir Erfahrungen mit ihm sammeln, ehe wir uns überlegen, welche eventuellen weiteren Konsequenzen für die Zukunft gezogen werden müssen.
({1})
Ich lasse abstimmen. Wer dem Gesetz in dritter Lesung zustimmen will, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
Der Ausschuß beantragt noch, die zu dem Gesetzentwurf eingegangenen Petitionen für erledigt zu erklären. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich rufe nunmehr auf Punkt 7 der Tagesordnung:
a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundesbahngesetzes ({0})
b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Güterkraftverkehrsgesetzes ({1})
c) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Allgemeinen Eisenbahngesetzes ({2})
d) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur
Änderung des Gesetzes über den gewerblichen Binnenschiffsverkehr ({3})
e) Erste Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Güterkraftverkehrsgesetzes ({4}).
Das Wort zur Begründung der Gesetzentwürfe unter den Punkten 7 a) bis d) hat der Herr Bundesverkehrsminister.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem wir soeben das Personenbeförderungsgesetz, ein sehr wichtiges Gesetz, dank den gemeinsamen Bemühungen aller Beteiligten verabschieden konnten, liegen Ihnen jetzt als Bundestagsdrucksachen 2381 bis 2384 Gesetzentwürfe zur Änderung des Allgemeinen Eisenbahngesetzes, des Bundesbahngesetzes, des Güterkraftverkehrsgesetzes und des Gesetzes über den gewerblichen Binnenschiffsverkehr vor. Das Bundeskabinett hat diese Gesetze am 24. August 1960 verabschiedet. Der Bundesrat hat am 23. September 1960 zu den Gesetzentwürfen Stellung genommen. Zum Gesetzentwurf zur Änderung des Allgemeinen Eisenbahngesetzes hat er keine Einwendungen, zu den übrigen Gesetzentwürfen dagegen einige Änderungsvorschläge gemacht.
Alle diese vier Gesetzentwürfe sollen der Verwirklichung wesentlicher Teile des verkehrspolitischen Sofortprogramms dienen, das die Bundesminister der Finanzen und für Verkehr gemeinsam entworfen haben und das das Bundeskabinett am 15. Juni 1960 grundsätzlich gebilligt hat. Bei ihrem Sofortprogramm sind die beiden Ministerien von Beschlüssen ausgegangen, welche die Bundesregierung am 2. Juli 1959 auf Grund von Vorschlägen des Bundesministers für Verkehr vom 14. November 1958 gefaßt hatte. Der Bundesminister für Verkehr hatte sich jedoch vorbehalten, seine Vorschläge nach Vorlage des Berichts der auf Grund einer Entschließung des Hohen Hauses eingesetzten Prüfungskommission für die Deutsche Bundesbahn zu ergänzen. Dieser Bericht wurde am 30. Januar 1960 abgeschlossen. Er entspricht in der Tendenz in wesentlichen Punkten den Vorschlägen des Bundesministers für Verkehr, in anderen geht er über diese Vorschläge hinaus. Der Bericht über die Deutsche Bundesbahn, den die Bundesregierung in ihrem neuen Programm berücksichtigt hat, liegt als Bundestagsdrucksache 1602 vor. Das Sofortprogramm der Bundesregierung ist zusammen mit einer Stellungnahme zu dem Bericht dieser Prüfungskommission als Bundestagsdrucksache „zu 1602" veröffentlicht worden. Es ist vor allem erstellt, um alle verkehrspolitischen Maßnahmen, die noch in der laufenden Legislaturperiode durchgeführt werden sollten, zusammenzufassen und aufeinander abzustimmen.
Mit den heute eingebrachten Entwürfen, die der teilweisen Verwirklichung dieses Sofortprogramms dienen, soweit es sich dabei um gesetzgeberische Maßnahmen handelt, setzt die Bundesregierung ihre Arbeit an der Neuordnung und dem Ausbau des
Verkehrs fort. Dieser Aufgabe hat sie stets besondere Aufmerksamkeit gewidmet in der Erkenntnis, daß ein funktionsfähiges Verkehrswesen als Voraussetzung für das politische, kulturelle und wirtschaftliche Leben des Volkes unentbehrlich ist. Die Bundesregierung kann für sich in Anspruch nehmen, daß ihre Arbeit auch im Verkehrsbereicherfolgreich gewesen ist. Nach der Beseitigung sehr beträchtlicher Kriegs- und Kriegsfolgeschäden hat sie mit den verfügbaren, anfangs allerdings zu knappen Mitteln dafür gesorgt, daß zahlreiche inländische Verkehrswege und -anlagen ausgebaut und modernisiert worden sind; die Durchführung großzügiger Projekte im Straßenbau ist in Angriff genommen und für die nächsten Jahre gewährleistet. Ferner hat sie trotz großer Schwierigkeiten erreicht, daß unser Volk sich wieder in der internationalen Seeschiffahrt und dem weltumspannenden Luftverkehr angemessen betätigen kann. So hat sie alle Verkehrszweige beträchtlich gefördert, für diese zum Teil erhebliche finanzielle Mittel aufgewandt und überall die Privatinitiative so weit möglich angefacht.
Dank dieser Politik konnten alle Verkehrsträger den ständig wachsenden Anforderungen der Wirtschaft auch während der Hochkonjunktur und der Vollbeschäftigung entsprechen. Ihre Kapazität ist von Jahr zu Jahr gestiegen. Auch ihre Wirtschaftlichkeit hat sich im Laufe der letzten Jahre verbessert. Der gewerbliche Straßenverkehr und die Binnenschiffahrt können heute als gesund bezeichnet werden. Die Deutsche Bundesbahn, der größte und wichtigste Verkehrsträger, befindet sich in aufsteigender Entwicklung; ihre finanzielle und wirtschaftliche Stabilität wird sich unter dem Einfluß der in letzter Zeit eingeleiteten oder noch in dieser Legislaturperiode zu treffenden Maßnahmen weiter festigen.
Die Bundesregierung hat sich ferner nachdrücklich um eine sinnvolle Aufgabenteilung zwischen der Eisenbahn, der Binnenschiffahrt und dem Straßenverkehr bemüht. Diese sogenannte Koordinierungsaufgabe steht seit Jahren mit im Vordergrund der verkehrspolitischen Arbeit. Sie ist außerordentlich komplex. Aufgabe der Verkehrspolitik ist es, die im Verkehrsbereich liegenden technischen und ökonomischen Möglichkeiten mit dem Ziel einer rationellen Verkehrsbedienung zum Wohle der Allgemeinheit voll auszuschöpfen und dabei der Privatinitiative ein ausreichendes Betätigungsfeld zu gewähren. Notwendige Voraussetzung für eine zweckentsprechende Koordinierung ist vor allem, daß die vom Staat gesetzten oder beeinflußten Arbeitsvoraussetzungen für die Eisenbahnen, die Binnenschiffahrt und den Straßenverkehr so weit wie möglich einander angenähert werden. Diese Arbeitsvoraussetzungen, auch Startbedingungen genannt, sind in vergangener Zeit zum Teil in Gesetzen festgelegt worden, die unter ganz anderen politischen ökonomischen und sozialen Gegebenheiten entstanden sind. Ihre Reform ist dringend und unerläßlich, um eine optimale Verkehrsbedienung in Anpassung an den Strukturwandel in der Volkswirtschaft und die sich ändernden Verhältnisse auf den Verkehrsmärkten zu gewährleisten. Insbesondere ist es notwendig, den auch im Ausland mehr und mehr anerkannten Grundsatz zu verwirklichen, daß jeder Verkehrszweig seine Wegekosten selbst tragen soll. Die Bundesregierung hat hier bereits in der zweiten Legislaturperiode die Initiative ergriffen und wird dieses sehr schwierige Problem schrittweise weiter lösen. Das Hohe Haus hat in dieser Beziehung durch die Verabschiedung des Verkehrsfinanzgesetzes 1955 und des Straßenbaufinanzierungsgesetzes 1960, die u. a. den Straßenverkehr und insbesondere den Lastkraftwagen wesentlich gerechter zur Zahlung der Wegekosten heranziehen, entscheidende Maßnahmen getroffen. Zur abschließenden Lösung dieses Problems hat der Bundesminister für Verkehr methodische Grundlagen für eine vergleichende Wegekostenrechnung aller drei binnenländischen Verkehrsträger erarbeitet. Vertreter der Praxis und der Wissenschaft werden dazu gehört. In gleicher Weise wird ferner ein Steuerbelastungsvergleich der drei binnenländischen Verkehrsträger erarbeitet mit dem Ziel, auch hier zu einem gerechten Ausgleich zu gelangen.
Die Lösung dieser von mir kurz erwähnten komplexen Aufgaben ist im Sofortprogramm der Bundesregierung vom 15. Juni 1960 ausdrücklich vorgesehen. Das Kernstück dieses Programms liegt jedoch vor allem in Vorschlägen zur Gesundung der Deutschen Bundesbahn und in der Auflockerung der bisherigen Grundsätze für die Bildung der Tarife in Richtung auf eine größere Freiheit der Verkehrsträger bei ,der Gestaltung der Beförderungsentgelte.
Diese Fragen beschäftigen die Bundesregierung seit langem. Im Zusammenhang mit den Überlegungen, in welcher Weise die wirtschaftliche Gesundung der Deutschen Bundesbahn erreichbar ist, sind auch ihre gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen überprüft worden. Zwar wird entsprechend der Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers vom 29. Oktober 1957 die Gemeinwirtschaftlichkeit der Deutschen Bundesbahn grundsätzlich beizubehalten sein; jedoch ist es unerläßlich, die gemeinwirtschaftliche Aufgabe den geänderten verkehrswirtschaftlichen Verhältnissen anzupassen. Dazu hat der Bundesminister für Verkehr erstmals am 14. November 1958 Vorschläge unterbreitet. Er hat damals dargelegt, daß die politischen Instanzen bisher häufig von der Deutschen Bundesbahn unter Berufung auf deren Pflicht zur gemeinwirtschaftlichen Verkehrsbedienung Maßnahmen verlangt haben, so z. B. Tarifermäßigungen oder die Aufrechterhaltung des Betriebes auf unrentablen Strecken, die für die Bundesbahn verlustbringend waren. Daher hat er gefordert, daß der Bundesbahn künftig die Verluste zu ersetzen sind, die ihr aus solchen Auflagen erwachsen. Diese Vorschläge des Bundesministers für Verkehr, die von den Bundesressorts eingehend erörtert worden sind, hat ,die Bundesregierung am 2. Juli 1959 gebilligt. Damit hat der Begriff der gemeinwirtschaftlichen Verkehrsbedienung einen neuen Sinn erhalten. Durch eine solche neue Abgrenzung der Gemeinwirtschaftlichkeit wird einerseits die Deutsche Bundesbahn in ihrer Wettbewerbsposition gestärkt, andererseits aber wird der politischen Forderung auf grundsätzliche Aufrechterhaltung der Gemeinwirtschaftlichkeit entBundesminister Dr.-Ing. Seebohm
sprochen. Insoweit stimmt der Bericht der Prüfungskommission für die Deutsche Bundesbahn vom 30. Januar 1960 mit der Auffassung der Bundesregierung im Grundsatz überein. Der Bericht geht allerdings hier wie auch in einigen wesentlichen anderen Punkten über die früheren Vorschläge und Absichten der Bundesregierung hinaus. Die Bundesregierung hat bereits im Sofortprogramm manche der wertvollen Anregungen dieses sehr instruktiven Berichts aufgegriffen; anderen Anregungen kann sie, wie in der Bundestagsdrucksache zu Drucksache 1602 ausgeführt worden ist, zur Zeit jedoch noch nicht folgen. Ihre Verfolgung muß, da hinreichende Zeit für ihre Beratung in den Beschlußkörperschaften bis zum Ende der Legislaturperiode mangelt, der vierten Legislaturperiode vorbehalten bleiben.
Ich möchte nun auf die einzelnen Gesetzentwürfe kurz eingehen.
Im Allgemeinen Eisenbahngesetz soll lediglich § 6 Abs. 1 so geändert werden, daß die einseitige Verpflichtung der Eisenbahnen entfällt, ihre Tarife auch den Bedürfnissen der anderen Verkehrsträger anzupassen. Diese Änderung ist berechtigt, da eine gleichartige Verpflichtung der anderen Verkehrsträger Binnenschiffahrt und Güterkraftverkehr gesetzlich nicht festgelegt ist.
In diesem Zusammenhang darf ich das Hohe Haus auf die besondere Lage der nichtbundeseigenen Eisenbahnen hinweisen, für die das Allgemeine Eisenbahngesetz gilt. Darüber dürfte noch bei den Ausschußberatungen zu sprechen sein.
Das Bundesbahngesetz vom 13. Dezember 1951 soll dem verkehrspolitischen Programm der Bundesregierung vom 2. Juli 1959 entsprechend so geändert werden, daß zwar die gemeinwirtschaftliche Aufgabe der Deutschen Bundesbahn in ihrem Wesensgehalt aufrechterhalten bleibt, aber entsprechend dem Strukturwandel im Verkehrsbereich aufgelockert wird. Außerdem sollen die Wirtschaftsführung der Deutschen Bundesbahn neu geregelt und das finanzielle Verhältnis zwischen Bund und Bundesbahn geklärt werden. Im einzelnen ist zu diesem Gesetzentwurf folgendes zu sagen.
Die bisher in § 4 Abs. 1 des Bundesbahngesetzes enthaltenen Normen für die Geschäftsführung der Deutschen Bundesbahn:
Die Deutsche Bundesbahn ist unter Wahrung der Interessen der deutschen Volkswirtschaft nach kaufmännischen Gesichtspunkten zu verwalten,
sind aus systematischen Gründen vom Ersten Abschnitt ,des Gesetzes, der die Rechtsstellung und Aufgabe der Bundesbahn behandelt, in den Sechsten Abschnitt, der die Wirtschaftsführung der Bundesbahn behandelt, und zwar in die neugefaßte Vorschrift des § 28, in etwas geänderter Form übernommen worden. Das gleiche gilt von dem bisherigen § 4 Abs. 2 über die Verpflichtung zur finanziellen Fürsorge des Bundes als Träger des Sondervermögens „Deutsche Bundesbahn".
In dein neuen § 4 wird nur noch folgendes geregelt: Einmal die Aufgabe der Deutschen Bundesbahn, wie bisher, den Anforderungen des Verkers Rechnung zu tragen, und zum anderen die Grundsätze über die technische Betriebsführung. Entsprechend der Stärkung der eigenwirtschaftlichen Gesichtspunkte soll die Deutsche Bundesbahn bei der Erneuerung und Weiterentwicklung ihrer ortsfesten und beweglichen Einrichtungen wirtschaftliche Grundsätze beachten.
Das Kernstück der Novelle zum Bundesbahngesetz ist die Neufassung des § 28. Dort. sind die Grundsätze zusammengefaßt, ,die künftig für die Geschäftsführung der Deutschen Bundesbahn gelten sollen. Hiernach soll sie als Wirtschaftsunternehmen geführt werden. Die Erträge sollen die Aufwendungen decken. Ferner soll eine angemessene Verzinsung des Eigenkapitals angestrebt werden. In diesem Rahmen soll sie ihre gemeinwirtschaftliche Aufgabe erfüllen. Damit wird unter Aufrechterhaltung des Prinzips der Gemeinwirtschaftlichkeit eine klare Abgrenzung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen des Unternehmens von seiner Pflicht zur eigenwirtschaftlichen Betriebsführung erreicht.
Der Bundesrat will demgegenüber der Geschäftsführung der Deutschen Bundesbahn lediglich vorschreiben, daß ihre Aufwendungen durch die Erträge gedeckt werden und daß das Unternehmen in diesem Rahmen seine gemeinwirtschaftliche Aufgabe zu erfüllen hat.
Das reicht jedoch nach Ansicht der Bundesregierung nicht aus, um eine auf wirtschaftliche Betätigung ausgerichtete bundeseigene Verwaltung rationell führen zu können. Die Bundesregierung glaubt, den Vorstellungen des Bundesrats nur insoweit entgegenkommen zu können, als die Worte der Regierungsvorlage „als Wirtschaftsunternehmen" ersetzt werden durch die Worte „wie ein Wirtschaftsunternehmen". Damit soll im Sinne des Bundesratsvorschlags klargestellt werden, daß der Charakter der Deutschen Bundesbahn als bundeseigene Verwaltung, wie sie in Artikel 87 ides Grundgesetzes vorgeschrieben ist, durch die neuen Grundsätze für die Geschäftsführung des Unternehmens nicht berührt wird. Der vom Bundes rat gewünschte Verzicht auf eine angemessene Verzinsung des Eigenkapitals würde die Startbedingungen zwischen Eisenbahn, Kraftwagen und Binnenschiffahrt verzerren und dem Bestreben der Bundesregierung widersprechen, die Wettbewerbsvoraussetzungen der drei Binnenverkehrsträger möglichst weit aneinander anzunähern.
Auch wenn die Deutsche Bundesbahn entsprechend den Vorschlägen der Bundesregierung mehr als bisher nach ,eigenwirtschaftlichen Grundsätzen geführt wird, bleibt ihre Gemeinwirtschaftlichkeit in ihrer Substanz erhalten. Das Unternehmen wird u. a. nach Maßgabe einer künftigen besonderen gesetzlichen Regelung auch lebens- und verteidigungswichtige Interessen des Bundes zu berücksichtigen haben. Allerdings werden Kosten dieser Art künftig zwischen Bund und Bundesbahn in einer Weise zu verteilen sein, die die Bundesbahn vor neuen betriebsfremden Lasten schützt.
Auch bei der stärkeren Betonung eigenwirtschaftlicher Gesichtspunkte hat der Bund dem Unternehmen finanzielle Hilfe zu leisten, soweit dessen eigene Erträge und der angemessene Einsatz von Fremdmitteln für eine geordnete Wirtschaftsführung nicht ausreichen. Deshalb soll nach § 28 Abs. 2 Satz 2 der Bund in diesem Falle aus Haushaltsmitteln der Bundesbahn die erforderlichen Darlehen gewähren.
Die Deutsche Bundesbahn bleibt wie alle staatlichen Eisenbahnen in anderen Ländern als unmittelbare Bundesverwaltung Instrument der Staatspolitik, ebenso wie es auch die frühere Deutsche Reichsbahn und ihre Vorgänger, die Staatseisenbahnen, waren. Sie wird trotz Lockerung der gemeinwirtschaftlichen Bindungen immer auch ein Mittel der allgemeinen Wirtschaftspolitik und der Sozialpolitik sein müssen. Der Bundesminister für Verkehr wird deshalb, wie dies in § 16 Abs. 4 des Bundesbahngesetzes heute schon vorgesehen ist, auch weiter befugt bleiben müssen, der Deutschen Bundesbahn tarifliche Maßnahmen aufzuerlegen oder aus Gründen des allgemeinen Wohls in bestimmten Fällen die Genehmigung von Tarifmaßnahmen, die beantragt wurden, zu versagen. Das gleiche muß gelten, wenn die Genehmigung zur dauernden Einstellung des Betriebes einer Bundesbahnstrecke aus übergeordneten Gründen nicht gegeben werden kann, so z. B. im Zonenrandgebiet. Durch solche Entscheidungen darf jedoch die Betriebsrechnung der Deutschen Bundesbahn nicht in einer das wirtschaftliche Ergebnis verfälschenden Weise belastet werden.
Wenn die Deutsche Bundesbahn durch Anordnungen von außen zu ,einer bestimmten Tarifgebarung veranlaßt oder hinsichtlich ihres Nebenbahnbetriebes in Einzelfällen an Rationalisierungsmaßnahmen gehindert wird, soll sie, sofern ihr dadurch ein Verlust entsteht, aus Mitteln des allgemeinen Bundeshaushalts einen Ausgleich erhalten. Diese Ersatzpflicht des Bundes soll jedoch entfallen, wenn die Deutsche Bundesbahn am Ende eines Wirtschaftsjahres einen Überschuß erzielt hat.
Da eine tarifliche Auflage oder die Versagung einer Genehmigung in der Regel mit einem Ausgleichsanspruch der Deutschen Bundesbahn verbunden sein wird, sieht die Regierungsvorlage in § 28 a Abs. 1 Satz 2 vor, daß der Bundesminister für Verkehr die Zustimmung des Bundesministers der Finanzen zu der Auflage oder zu der Versagung der Genehmigung einholt. Der Bundesrat hält hingegen ein gesetzliches Mitwirkungsrecht des Bundesministers der Finanzen in diesen Fällen nicht für notwendig. Die Bundesregierung möchte aber angesichts der Tragweite, die etwaige Ausgleichsansprüche der Deutschen Bundesbahn für den Bundeshaushalt gewinnen können, diesem Vorschlag des Bundesrates nicht folgen. Für die Ermittlungen des Ausgleichs in den vorgenannten Fällen sollen gemeinsame Richtlinien des Bundesministers für Verkehr und des Bundesministers der Finanzen aufgestellt werden.
Über Meinungsverschiedenheiten wegen der Voraussetzungen oder der Höhe des Ausgleichs soll die Bundesregierung entscheiden. Sie wird zuvor
Sachverständige hören. Die Regierungsvorlage sieht vor, daß der Antrag auf Entscheidung der Bundesregierung durch den Bundesminister für Verkehr, den Bundesminister der Finanzen oder die Deutsche Bundesbahn selbst zu stellen ist und daß der Antrag der Deutschen Bundesbahn an den Bundesminister für Verkehr gerichtet wird. Der Bundesrat hält ein im Gesetz festgelegtes formelles Antragsrecht nicht für begründet. Seinem Vorschlag könnte weitgehend entsprochen werden; doch sollte das Antragsrecht der Deutschen Bundesbahn als das der Betroffenen auf jeden Fall im Gesetz vorgesehen werden, um bei Meinungsverschiedenheiten über Voraussetzungen und über Höhe von Ausgleichsansprüchen die Entscheidung der Bundesregierung herbeizuführen.
Der Gesetzentwurf zur Änderung des Güterkraftverkehrsgesetzes bezweckt neben einer Vereinfachung und Beschleunigung des Tarifbildungsverfahrens insbesondere eine weitgehende Angleichung der Tarifbildung für den Güterkraftverkehr an das bei den Eisenbahnen und der Binnenschiffahrt bereits geltende Verfahren. Dem Güterkraftverkehrsgewerbe wird damit ein formelles Tarifantragsrecht eingeräumt. Der Gesetzentwurf sieht hierzu im wesentlichen ein Dreistufenverfahren in. folgender Form vor: 1. Festsetzung der Tarife durch Tarifkommissionen, 2. Genehmigung der Beschlüsse der der Tarifkommissionen durch den Bundesminister für Verkehr unter Mitwirkung des Bundesministers für Wirtschaft in einem beschleunigten Verfahren, 3. Erlaß der Tarife durch Rechtsverordnung des Bundesministers für Verkehr.
Dieses Verfahren wird es ermöglichen, daß der Güterkraftverkehr in einem verkehrspolitisch zulässigen Rahmen unter stärkerer Eigenverantwortlichkeit seine Tarife nach den eigenen Bedürfnissen gestaltet. Der Güterkraftverkehr wird damit praktisch der Deutschen Bundesbahn gleichgestellt sein.
Zur fehlenden völligen rechtlichen Gleichstellung darf ich kurz auf folgende Schwierigkeiten hinweisen:
Die Struktur des Güterkraftverkehrsgewerbes macht es erforderlich, die Tarife derart mit verbindlicher Wirkung auszustatten, daß alle am Beförderungsvertrag Beteiligten, also sowohl der Beförderungsunternehmer als auch die verladende Wirtschaft sowie die dem Tarif gesetzlich unterworfenen Dritten, z. B. der Auftraggeber des Spediteurs, an diesen gebunden sind. Die Tarife müssen, wenn sie diese verbindliche Wirkung gegenüber jedermann haben sollen, Rechtsnormen sein. Bei der erwünschten Änderung des Güterkraftverkehrsgesetzes kann deshalb nicht darauf verzichtet werden, daß die Beschlüsse der Tarifkommissionen über Festsetzung von Tarifen formell durch Rechtsverordnungen für verbindlich erklärt werden.
Da das Grundgesetz die Übertragung der erforderlichen Rechtssetzungsbefugnis auf die Tarifkommissionen nicht zuläßt, bedarf es der Mitwirkung des Bundesministers für Verkehr als Verordnungsgeber am Tariffestsetzungsverfahren.
Grundsätzlich bleibt hierbei weiter zu beachten, daß im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung
der Verordnungsgeber in seiner Entscheidung frei soin muß. Das heißt mit anderen Worten, dem Bundesminister für Verkehr muß es für die Durchsetzung der in parlamentarischer Verantwortung zu vertretenden Verkehrspolitik möglich bleiben, auf die tragenden Elemente des Tarifs und auf die Höhe der Beförderungsentgelte Einfluß zu nehmen. Dieser erforderliche Ermessenspielraum ist in dem vorliegenden Gesetzentwurf sichergestellt durch die Beibehaltung der Vorschrift über die Koordinierungsaufgabe in § 7 sowie durch das für den Bundesminister für Verkehr vorgesehene Initiativrecht, anstelle der Tarifkommissionen Tarife festzusetzen oder aufzuheben, wenn das öffentliche Verkehrsinteresse es erfordert.
Eine formell-rechtliche Gleichstellung des Güterkraftverkehrs mit der Deutschen Bundesbahn, die ihre Tarife als Anstaltstarife selbst in Kraft setzen kann, ist daher nicht möglich. Verwaltungsmäßig wird aber dafür Sorge getragen, daß die materielle Entscheidung des Bundesministers für Verkehr über die Tarifgestaltung im Güterkraftverkehr nach den gleichen Grundsätzen wie die Genehmigung über die Tarifmaßnahmen der Deutschen Bundesbahn getroffen werden wird.
Im einzelnen ist noch auf folgende wesentliche Änderungen des Tarifbildungsverfahrens aufmerksam zu machen:
Nach der Neufassung der §§ 21 und 84 in Verbindung mit § 21 b sollen Tarifkommissionen für die wichtigsten Bereiche des Güterkraftverkehrs gebildet werden. Sie setzen sich zusammen aus der gleichen Anzahl von Tarifsachverständigen der beteiligten Zweige des Güterkraftverkehrsgewerbes und Vertretern der verladenden Wirtschaft. Die Mitglieder werden vom Bundesminister für Verkehr auf Vorschlag der Unternehmer und der Vertreter des Güterkraftverkehrsgewerbes und der verladenden Wirtschaft jeweils für die Dauer von drei Jahren berufen. Sie sind ehrenamtlich tätig und an Aufträge oder Weisungen nicht gebunden. Entgegen den Änderungsvorschlägen des Bundesrates legt die Bundesregierung im Interesse der Verkehrsnutzer und im allgemeinwirtschaftlichen Interesse auf eine gleichberechtigte Mitwirkung der Verladerschaft in den Tarifkommissionen Wert. Vertreter der Spediteure, der Deutschen Bundesbahn und der nicht in den Kommissionen vertretenen Zweige des Güterkraftverkehrsgewerbes sind in Beiräten zusammengefaßt, welche an den Arbeiten der Kommissionen beratend beteiligt sind.
Die Mitwirkung des Bundesministers für Wirtschaft bei der Tariffestsetzung und Tarifgenehmigung, die sich bisher aus der Anwendung des Preisrechtes ergab, ist mit dem Fortfall der jetzt auf das Preisrecht Bezug nehmenden Bestimmung durch ausdrückliche Regelung sichergestellt worden. Entgegen der Auffassung des Bundesrates glaubt die Bundesregierung, auf die Mitwirkung des Bundesministers für Wirtschaft nicht verzichten zu können, da den Entscheidungen über Tarifmaßnahmen neben ihrer verkehrspolitischen auch eine wirtschaftspolitische Bedeutung zukommen kann.
In dem Entwurf finden sich neben diesen Vorschriften zur Reform der Tarifbildung noch einige Bestimmungen, die besonders dringend gewordene Änderungen auf anderen Sachgebieten bringen. Hier ist vor allem eine Änderung des § 2 zu nennen, durch welche eine bestehende Rechtsunsicherheit beseitigt werden soll.
Bekanntlich wird bei unserer verkehrswirtschaftlichen Ordnung im Straßengüterverkehr zwischen Nah- und Fernverkehr unterschieden. Nahverkehr ist der Verkehr innerhalb eines Umkreises von 50 km um den Ortsmittelpunkt des Standorts des betreffenden Fahrzeugs, Fernverkehr dagegen .der Verkehr, der über diesen Kreis hinausgeht. Es haben sich nun Meinungsverschiedenheiten darüber ergeben, ob die Festsetzung der Ortsmittelpunkte Verwaltungsakt oder Rechtsverordnung ist. Der Entwurf stellt klar, daß Ortsmittelpunkte nur durch Rechtsverordnung festgesetzt werden können, und ermächtigt die Landesregierungen, solche Verordnungen zu erlassen oder ihre Verordnungsermächtigung weiter zu übertragen.
Schließlich möchte ich noch die Einfügung einer Bestimmung erwähnen, welche die Grenzzollstellen ermächtigt, ausländische Lastkraftwagen an der Grenze zurückzuweisen, die ohne Genehmigung oder ohne die erforderlichen Papiere in das Bundesgebiet einzufahren versuchen. Die starke Zunahme des internationalen ,Straßengüterverkehrs und der in den letzten Jahren zu beobachtende Rückgang des prozentualen deutschen Anteils an diesem Verkehr hat das Hohe Haus schon mehrfach beschäftigt. Ich erinnere dazu an die Kleine Anfrage des Herrn Kollegen Glüsing und einer Reihe anderer Mitglieder des Hauses vom 8. Dezember 1960. Die Überwachung der ausländischen Fahrzeuge in gewerberechtlicher und tariflicher Hinsicht ist naturgemäß nicht einfach und macht den Polizeibehörden und der Bundesanstalt für den Güterfernverkehr erhebliche Schwierigkeiten. Die Einschaltung der Grenzzollstellen soll die Bemühungen dieser stark überlasteten Behörden unterstützen und dazu beitragen, daß die ausländischen Fahrzeuge in gleicher Weise überwacht werden wie die deutschen Fahrzeuge.
Im Gesetzentwurf zur Änderung des Gesetzes über den gewerblichen Binnenschiffsverkehr vom 1. Oktober 1953 sind einige Änderungen vorgesehen, die im wesentlichen dazu dienen sollen, dieses Gesetz mit den bereits behandelten Gesetzen in Einklang zu bringen. Dabei schließt der Entwurf zugleich einige Lücken, die die Ordnungsfunktion des Gesetzes nach den Erfahrungen der vergangenen sieben Jahre in Einzelfällen beeinträchtigt haben.
Im einzelnen ist dazu zu bemerken, daß die geringfügig erweiterte Fassung des § 21 des Gesetzes - Artikel 1 Nr. 1 des Entwurfs - der Klarstellung dient, daß eine Fracht auch dann festgesetzt werden kann, wenn die Reise über ausländische Zwischenstrecken führt. Sie soll ferner in dem neuen Abs. 2 eine Anzeigepflicht für neu auftretende gewerbliche
Verkehrsleistungen begründen, um ein Tätigwerden des zuständigen Frachtenausschusses zu ermöglichen.
Der Katalog der mit Beschlußfunktionen ausgestatteten Unterausschüsse, zu deren Bildung die Frachtenausschüsse ermächtigt sind, soll um die neu eingeführeten Sonderausschüsse erweitert werden ({0}). Die Sonderausschüsse unterscheiden sich von den übrigen Unterausschüssen dadurch, daß bei ihnen die Geschäftsordnung die Vertreter der verladenden Wirtschaft auf eine lediglich beratende Mitwirkung beschränken kann, während sie im übrigen gleichberechtigt mit den Schiffahrtsvertretern auch das Stimmrecht haben. Es ist daran gedacht, daß diejenigen Tarife, die bei den Eisenbahnen künftig in einem vereinfachten Verfahren genehmigt werden sollen, auf dem Gebiet der Binnenschiffahrt von diesen Sonderausschüssen behandelt werden, womit der Schiffahrt die Möglichkeit eröffnet wird, allein über diese Tarife zu beschließen. Ob von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht wird, liegt in der Entscheidung der Frachtenausschüsse.
Der Bundesrat möchte bei der Bildung der Binnenschiffsfrachten die Mitwirkung des Bundeswirtschaftsministers ausschließen. Diesem Vorschlag sollte aber nicht gefolgt werden, weil den Entscheidungen über Binnenschiffsfrachten neben der verkehrspolitischen auch eine wirtschaftspolitische Bedeutung zukommen kann.
Diese vier von mir nur kurz erläuterten Gesetzentwürfe sind das Ergebnis sehr eingehender Beratungen der Bundesressorts; dabei sind auch die hauptsächlich beteiligten Kreise wiederholt gehört worden. Die von verschiedenen Seiten vorgebrachten Argumente für eine ganz oder überwiegend marktwirtschaftliche Ausrichtung des Verkehrs sind dabei ebenso gewürdigt worden wie die in der Öffentlichkeit geäußerten Bedenken gegen ein Abgehen von den traditionellen Grundsätzen der deutschen Verkehrsordnung. Erst nach sehr reiflicher Überlegung hat die Bundesregierung ihre Entschlüsse gefaßt. Wenn sie auch dem marktwirtschaftlichen Denken und Handeln im Verkehrsbereich künftig wesentlich mehr Raum als bisher schaffen will, so hat sie bei ihren Vorschlägen doch besonders darauf geachtet, daß ,die berechtigten Interessen der Randgebiete, ,der Landwirtschaft und des gewerblichen Mittelstandes an einer ausreichenden und preisgünstigen Verkehrsbedienung gewahrt bleiben. Die Befürchtungen dieser Gebiete und Wirtschaftskreise, daß bei einer weitergehenden Verwirklichung marktwirtschaftlicher Grundsätze im Verkehr vor allem die Ballungsgebiete und die Großverlader begünstigt würden, während die Randzonen und das Mittel- und Kleingewerbe Nachteile erleiden könnten, hält die Bundesregierung für begründet. Ich möchte in diesem Zusammenhang auf die Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers vor der Landkreisversammlung vom 30. Juni 1960 aufmerksam machen; dort hat er eindringlich vor den sozialen, wirtschaftlichen und politischen Gefahren der Menschenanhäufung in Ballungsgebieten gewarnt. Ferner hat, worauf ich ebenfalls hinweisen möchte, der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesminister für Verkehr in seinem soeben veröffentlichten Gutachten über „Grundsätze zur Verkehrspolitik" die „gleichwertige Verkehrsbedienung der wirtschaftsstarken und wirtschaftsschwachen Gebiete auf der Grundlage der Gleichheit vor dem Tarif und mit einer dem Bedarf entsprechenden Leistung" als eine grundsätzlich wichtige Forderung anerkannt, die nach Möglichkeit aufrechterhalten werden sollte. Überdies dürfen auch die Interessen des Mittelstandes im Verkehrsgewerbe selbst keineswegs unberücksichtigt bleiben, der Mittelstand ist im Straßenverkehr und in der Binnenschifffahrt sehr stark vertreten.
Die Entscheidung über größere Freiheiten im Verkehrsbereich, als sie im Sofortprogramm vorgesehen sind, wird daher erst getroffen werden können, wenn sich die jetzt eingeleiteten oder vorgesehenen Maßnahmen bewährt haben. Dann werden auch die in diese Richtung gehenden Vorschläge der Prüfungskommission für die Deutsche Bundesbahn erneut zur Beratung kommen. Diese Arbeit bleibt jedoch aus Zeitmangel der nächsten Legislaturperiode vorbehalten.
Die einzelnen Vorschriften, die in den vier Gesetzentwürfen der Bundesregierung, insbesondere in der Novelle zum Bundesbahngesetz, vorgeschlagen worden sind, habe ich in den letzten Monaten im Zusammenhang mit Anregungen von dritter Seite erneut diskutiert, namentlich mit Herrn Präsidenten a. D. Brand, dem Vorsitzenden der Prüfungskommission für die Deutsche Bundesbahn. Dabei haben sich einige weitere Gesichtspunkte und Anregungen ergeben, die im Laufe der Ausschußberatungen im Deutschen Bundestag noch näher geprüft werden können und über die sich sicherlich ein Einvernehmen erzielen lassen wird.
Neben diesen vier Gesetzentwürfen hat die Bundesregierung in Verwirklichung ihres Sofortprogramms und entsprechend den Vorschlägen der Prüfungskommission für die Deutsche Bundesbahn die Anhebung bestimmter Tarife des Berufsverkehrs und landwirtschaftlicher Subventionstarife mit Wirkung vom 1. November bzw. 1. Dezember 1960 beschlossen, die bekannt sind und auf die ich deswegen hier nicht eingehen möchte. Etwaige weitere tarifarische Maßnahmen können erst erwogen werden, wenn Erfahrungen vorliegen, die mit der beabsichtigten Beschleunigung und Vereinfachung des Tarifverfahrens und mit der Lockerung der Tarifbildungsgrundsätze gemacht werden müssen.
Besonders bemüht hat sich die Bundesregierung um die Finanzierung des Vierjahres-Investitionsplanes der Deutschen Bundesbahn, der in der Gesamtsumme mit 10,2 Milliarden DM abschließt. Dieses Vierjahres-Investitionsprogramm der Deutschen Bundesbahn entspricht den Bedürfnissen der technischen Entwicklung und trägt der Notwendigkeit einer Rationalisierung des Betriebes unter kaufmännischen Gesichtspunkten Rechnung. Die Bundesregierung begrüßt deshalb dieses Investitionsprogramm und ist bereit, seine Durchführung zu fördern.
Sie wird den Vorstand der Deutschen Bundesbahn im Rahmen ihrer Möglichkeiten auch bei der Finanzierung dieses Programms unterstützen. Dabei ist davon auszugehen, daß es sich um ein Rahmenprogramm handelt, dessen zeitlicher Ablauf von den jeweils vorhandenen Finanzierungsmöglichkeiten abhängen wird. Die Entscheidungen hierüber werden durch den Wirtschaftsplan der Deutschen Bundesbahn und - soweit der Bundeshaushalt unmittelbar unterstützend eingreifen muß - im Rahmen der Haushaltsgesetzgebung getroffen.
Dank der in den letzten Jahren bereits durchgeführten kostensparenden innerbetrieblichen Maßnahmen und der sich aus der Hochkonjunktur ergebenden guten Beschäftigungslage des Unternehmens wird es der Deutschen Bundesbahn leichter möglich sein, einen nicht unerheblichen Teil der Finanzierungslücke auf dem Kapital- oder Kreditmarkt zu 'decken.
Abschließend wird ein kurzer Überblick über die derzeitige wirtschaftliche Lage der Deutschen Bundesbahn interessieren. Sie ist ja der Ausgangspunkt der Überlegungen in den letzten drei Jahren gewesen.
Erfreulicherweise kann ein unverkennbarer wirtschaftlicher Aufschwung festgestellt werden, der sich vielleicht am sinnfälligsten in der Tatsache zeigt, daß die Deutsche Bundesbahn im Jahre 1961 auf Grund des vorgelegten Wirtschaftsplanes, und zwar zum ersten Male seit zehn Jahren, in der Lage sein dürfte, eine in etwa ausgeglichene Rechnung vorzulegen, selbstverständlich unter Berücksichtigung der aus dem Bundeshaushalt ihr zukommenden Leistungen.
Bereits das Jahr 1960 hat die im Wirtschaftsplan niedergelegten Erwartungen der Deutschen Bundesbahn übertroffen. Infolge der seit 1959 erfolgten Steigerung der Güterverkehrsleistungen und dank der erfolgreich fortgeführten Rationalisierungsanstrengungen ist damit zu rechnen, daß der Jahresverlust 1960 unter 100 Millionen DM absinken wird. Das Ergebnis 1960 mit weniger als 100 Millionen DM ist besonders bedeutungsvoll, weil die Bundesbahn in diesem Jahr infolge der Lohn- und Gehaltserhöhungen Mehraufwendungen von rund 250 Millionen DM in Kauf nehmen mußte. Gegenüber den Vorjahren bedeutet das eine ständige, außerordentlich bemerkenswerte Verbesserung, denn die Jahresverluste sind von 678 Millionen DM im Jahre 1957 über 577 Millionen DM 1958 auf 356 Millionen DM 1959 abgesunken.
Die Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Lage wurde auch dadurch ermöglicht, daß die Bundesbahn ihr Personal durch nachhaltige Rationalisierungsinvestitionen seit dem Stand vom April 1958 um rund 43 000 Arbeitskräfte, und zwar ohne soziale Härten vermindern konnte.
Der erzielte Erfolg der planmäßigen Rationalisierung ist um so höher zu bewerten, als die Arbeitszeit inzwischen um drei Stunden wöchentlich gekürzt wurde, eine Maßnahme, die den lohnintensiven Betrieb der Deutschen Bundesbahn besonders stark belastet. Trotz dieser erheblichen Personal-und Arbeitszeitverminderung wurden im Jahre 1960
Verkehrsleistungen erbracht, die die der beiden vorangegangenen Jahre wesentlich übertroffen haben. Ich bitte hieraus besonders zu ersehen, welche überragende Bedeutung der Sicherstellung eines ausreichenden Investitionsprogramms für die Gesundung der Bundesbahn zukommt. Es unterliegt nämlich keinem Zweifel, daß sich nur auf diese Weise eine nachhaltige Verbesserung der Erfolgsrechnung auf lange Sicht erreichen läßt.
Die Deutsche Bundesbahn erwartet im Jahre 1961 trotz neuer Belastungen in Höhe von rund 300 Millionen DM durch Lohn- und Gehaltserhöhungen eine ausgeglichene Rechnung. Ihre Planung geht davon aus, daß die Leistungen des Jahres 1960 im Personenverkehr etwa gehalten und im Güterverkehr geringfügig um 1,5 v. H. gesteigert werden können gegenüber einer Zuwachsrate 1960, die 10 v. H. der Erträge des Jahres 1959 betrug. Neben der durch die Verkehrsbelebung und die Tariferhöhungen vom 1. November 1960 bzw. 1. Dezember 1960 fühlbar verbesserten Ertragslage sind die Erwartungen der Bundesbahn auch darauf zurückzuführen, daß die finanziellen Leistungen des Bundes auf Grund des von der Bundesregierung beschlossenen Sofortprogramms künftig nicht mehr unter der allgemein gehaltenen Bezeichnung „Verlustabdeckung" aufgeführt, sondern ab 1961 in die laufende Rechnung der Bundesbahn eingesetzt werden, und zwar dort, wo sie nach ihrer Veranlassung und Zweckbestimmung hingehören. Während die Betriebsrechnung einen Überschuß von 429 Millionen DM vorsieht, ergibt sich in 'der Gewinn- und Verlustrechnung unter Berücksichtigung eines Zinsaufwandes von 433 Millionen DM ein voraussichtlicher Jahresverlust 1961 in Höhe von nur 4 Millionen DM bei einem Gesamtertrag von rund 8 Milliarden DM.
Wenn sich alle Erwartungen erfüllen, wird die Bundesbahn also in der Lage sein, im Jahre 1961 ihre Erträge und Aufwendungen ins Gleichgewicht zu bringen. Es ist erfreulich, festzustellen, daß dies in Auswirkung wesentlicher Anregungen aus dem Bericht der Prüfungskommission und in konsequenter Verfolgung der Verkehrspolitik der Bundesregierung erreicht werden konnte, noch bevor die jetzt vorgelegten gesetzlichen Maßnahmen verabschiedet und in Kraft gesetzt sein werden. Auch weitere, für die Bundesbahn bedeutsame gesetzgeberische Maßnahmen wie das Eisenbahnkreuzungsgesetz harren noch der Verabschiedung. Die Bundesregierung bittet sehr darum, daß das Hohe Haus diese ihm vorliegenden Vorlagen noch in dieser Legislaturperiode verabschieden möge.
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Meine Damen und Herren! Die unter Punkt 7a bis d der Tagesordnung aufgeführten, von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwürfe sind eingebracht und begründet worden. Es wäre nunmehr noch der Gesetzentwurf der Fraktion der FDP unter Punkt 7e zu begründen.
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Präsident D. Dr. Gerstenmaier
- Wer ist nicht anwesend? In meiner Unterlage steht: „Gesetzentwurf der Fraktion der FDP". Was heißt „Absetzung"? - Dann schlage ich doch vor, daß Sie auf Begründung verzichten; das geschieht ja öfters bei Vorlagen in diesem Haus.
Ich eröffne die Aussprache. Es ist gemeinsame Aussprache über die Gesetzentwürfe unter den Punkten 7a bis e vorgesehen.
Das Wort hat der Abgeordnete Müller-Hermann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als die CDU/CSU-Fraktion im Januar 1958 die Initiative zur Einsetzung einer Prüfungskommission für die Bundesbahn ergriff, verband sie mit dieser Initiative sehr klare verkehrspolitische Vorstellungen über eine Neuordnung unseres Verkehrsmarktes. Die Prüfungskommission, die sogenannte Brand-Kommission, hat, wie Sie wissen, einen ausführlichen Bericht erstattet, den wir sehr sorgfältig analysiert haben, ohne ihn kritiklos zu übernehmen. Dieses sogenannte Brand-Gutachten hat ganz zweifellos die Richtigkeit unserer verkehrspolitischen Vorstellungen unterstrichen und eine Präzisierung ermöglicht. Zugleich sind mit dem Gutachten Wege aufgezeigt worden, wie unsere verkehrspolitische Konzeption realisiert werden kann. Als Parlament, dessen Amtsperiode in den nächsten Monaten ausläuft, haben wir nach unserer Auffassung die Aufgabe, aus dem Gutachten, das wir selber in die Wege geleitet haben, auch die notwendigen Schlußfolgerungen zu ziehen. Wir werden uns bei der Beratung der Gesetze, die die Bundesregierung jetzt eingebracht hat und die wir ergänzen werden, darum bemühen.
Die verkehrspolitische Konzeption meiner Fraktion läßt sich folgendermaßen zusammenfassen: auch im Bereich des Verkehrs so viel Freiheit wie möglich und nur so viel staatliche Aufsicht und Reglementierung wie unbedingt notwendig. Lassen Sie mich diese Überlegungen in zehn Punkten etwas näher konkretisieren!
Erstens. Im Laufe der letzten Jahrzehnte haben sich auf dem Verkehrsmarkt dadurch strukturelle Veränderungen ergeben, daß neben die traditionellen Verkehrsträger - Bundesbahn und Binnenschifffahrt - neue Verkehrsträger getreten sind, die am Verkehrsmarkt einen erheblichen und wachsenden Anteil in Anspruch nehmen. Das ist zunächst einmal der Kraftverkehr, und zwar sowohl in Gestalt des gewerblichen Kraftverkehrs als auch des Werkverkehrs. Dazu kommt die Entwicklung der Luftfahrt. Als eine völlig neue Transportart, die ebenfalls das Verkehrsgeschehen wesentlich beeinflußt, sind die Pipelines aufgetreten. Heute gibt es kein Monopol mehr für einen Verkehrsträger. Wenn auch die Bundesbahn und die Schienenunternehmen weiter eine sehr starke Stellung auf dem Verkehrsmarkt haben, so besitzen sie kein Monopol mehr; alle Verkehrsträger stehen im Wettbewerb nebeneinander.
Zweitens ergibt sich daraus, daß sich die Verkehrspolitik auf diese neue Situation, auf diese neue Entwicklung einstellen muß. Im Bereich des Verkehrswesens gibt es aber eine Reihe von Verzerrungen, und zwar einmal dadurch, daß die Wettbewerbsvoraussetzungen und die Startbedingungen nicht in allen Fällen gleich oder soweit wie möglich angenähert sind, zum anderen dadurch, daß dem einen Verkehrsträger bestimmte Auflagen gemacht werden, die der ,andere nicht zu erfüllen braucht. Das bedeutet, daß wir zunächst einmal mit Beschleunigung darangehen müssen, diese Verzerrungen zu beseitigen.
Der Herr Bundesminister für Verkehr hat in seinen Einführungsworten darauf hingewiesen, daß die Bundesregierung an einer Studie über die Wegekosten und an einer Studie über die finanzielle Belastung der Verkehrsträger arbeitet, um festzustellen, wo noch unterschiedliche Belastungen vorhanden sind. Diese Arbeiten müssen nach unserer Auffassung mit größter Beschleunigung fortgesetzt und zu einem Abschluß gebracht werden. Wir wissen, daß auch auf der europäischen Ebene ähnliche Ana- lysen vorbereitet sind und in Kürze - wie wir hoffen -- der Öffentlichkeit vorgelegt werden. Auf Grund der Tatsache, daß alle binnenländischen Verkehrsträger die Auffassung vertreten, sie seien in bezug auf die Anlastung der Wegekosten außerordentlich benachteiligt, kann man davon ausgehen, daß infolge der von uns ergriffenen Maßnahmen bereits heute die Verzerrungen bei den Wegekosten im wesentlichen ausgeglichen sind. Aber das muß noch geprüft werden.
Wir müssen, wenn wir auf einen größeren Wettbewerb im Bereich des Verkehrs zusteuern, uns um möglichst angenäherte Startbedingungen bemühen. Dazu gehört auch die rechtliche und - soweit möglich - die steuerliche Gleichbehandlung der Verkehrsträger, sofern das angesichts der Struktur der Verkehrsträger irgendwie realisierbar ist. Wir werden in diesem Zusammenhang dafür eintreten, daß alle Verkehrsträger - das heißt: in Zukunft auch der Kraftverkehr - die Möglichkeit haben, selber Tarifanträge zu stellen.
Drittens. Die Verschiebungen und die staatlichen Eingriffe, die die bisherige Verkehrspolitik mit sich gebracht hat, haben zu einer volkswirtschaftlich nicht mmer erwünschten Aufgabenteilung im Verkehr geführt. Wir müssen uns aber darum bemühen, daß der Verkehrsmarkt so rationell wie möglich bedient wird. Es ist ganz klar, daß staatlich reglementierte Beförderungsentgelte sehr häufig zu unter- oder überbezahlten Leistungen führen müssen. Das Allgemeinwohl erfordert die niedrigsten Beförderungskosten, die möglich sind.
Zweifellos haben die staatlichen Tariffestsetzungen in den letzten Jahren den möglichen Wettbewerbsdruck vermindert und damit den Zwang zu Rationalisierungsmaßnahmen und internen Kostensenkungen gemindert. Die Folgen davon sind, wie uns scheint, ein zum Teil zu hohes Tarifniveau, vor allem bei den Massenbeförderungen. Auch kann niemand an der Tatsache vorbeigehen, daß die Tarife sehr häufig durchbrochen, nicht eingehalten werden.
Unsere Forderung geht dahin, daß im Verkehr ein echter Leistungswettbewerb zwischen den Verkehrsträgern ermöglicht wird. Wir sind der Auffassung, daß sich eine volkswirtschaftlich vernünftige Aufgabenteilung am besten über kostengerechte Beförderungsentgelte ergeben wird, die nach ökonomischen Grundsätzen gebildet sind und auch einen gewissen Spielraum zum Zwecke der Anpassung an die Marktsituation lassen. Wir meinen daher, daß man auch in der Bundesrepublik einen vorsichtigen Versuch zur Einführung von Margentarifen unternehmen sollte.
Zum Vierten! Wir können bei den verkehrspolitischen Überlegungen in der Bundesrepublik nicht daran vorbeikommen, die verkehrspolitische Entwicklung im Raume der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft mit zu berücksichtigen. Wir wissen, daß die Wünsche in der Kommission der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, aber auch im Europäischen Parlament, nach einer stärker wettbewerbsorientierten Verkehrspolitik außerordentlich stark sind. Die Verträge verbieten bereits heute Diskriminierungen und Subventionen. Ich glaube, es ist nur klug, daß wir uns so früh wie möglich auf die zu erwartende europäische Entwicklung einstellen. Wir sind davon überzeugt, daß sich unsere Überlegungen weitgehend mit denen decken, die auf europäischer Ebene an entscheidender Stelle angestellt werden.
Nun zum Fünften! In den letzten Monaten ist in der Öffentlichkeit bei der verkehrspolitischen Diskussion sehr häufig das Wort von einer Liberalisierung gefallen. Ich würde empfehlen, dieses Wort in der verkehrspolitischen Diskussion möglichst überhaupt nicht zu gebrauchen oder, wenn schon, dann in Anführungsstriche gesetzt. Niemand von uns denkt bei einer wettbewerbsorientierten Verkehrspolitik etwa an eine völlig freie Preisbildung. Wir wissen, daß es bestimmte Besonderheiten im Verkehr gibt. Ich kann sie hier kurz noch einmal nennen: Nicht alle Kostenelemente, die sich im Preis niederschlagen, werden von dem Verkehrsunternehmer, dem Verkehrsträger unmittelbar erbracht. Denken Sie an die Wegekosten, die nur die Bundesbahn in ihrem eigenen Betrieb aufbringt, während die anderen Verkehrsträger über Steuern belastet werden, um die Wegekosten annähernd auszugleichen. Ferner ist es eine Tatsache, daß ein Großbetrieb einer Vielzahl von mittleren und Kleinbetrieben gegenübersteht. Außerdem ist zu berücksichtigen, daß im Verkehr die Leistungen nicht lagerfähig sind. Ich glaube aber, daß die Bedeutung dieser Besonderheiten, die im Bereiche des Verkehrswesens sicherlich vorhanden sind, sehr häufig übertrieben wird.
Wenn wir von einer wettbewerbsorientierten Verkehrspolitik sprechen, so meinen wir damit zunächst einmal, daß grundsätzlich die freie Wahl des Verkehrsmittels durch den Verkehrsnutzer garantiert wird, außerdem eine möglichst freie Preisbildung durch die Verkehrsträger in eigener Verantwortung - und zwar sollten ¡die Tarife veröffentlicht werden -, schließlich die freie Entwicklung des Unternehmens zur optimalen Betriebsgröße.
Wir sind uns auf der anderen Seite darüber im klaren, daß eine staatliche Aufsicht und eine staatliche Ordnung im Verkehrswesen unbedingt nötig sind. Wir brauchen eine Aufsicht, um Mißbräuchen begegnen zu können. Wir brauchen einen Einfluß des Staates, um Überkapazitäten auf dem Verkehrsmarkt zu verhindern, und wir brauchen die Möglichkeit einer staatlichen Einschaltung überall dort, wo aus Gründen des Allgemeinwohls eine staatliche Einflußnahme unbedingt notwendig ist. Das heißt, wir wünschen, daß Unkostentarife und Preisdumpings verboten bleiben und verhindert werden können. Wir wünschen ein Verbot von Diskriminierungen. Der Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung muß unter allen Umständen ausgeschaltet werden.
Wir wünschen daher, daß die Tarife, ausgenommen solche von untergeordneter Bedeutung, weiter genehmigungspflichtig bleiben. Allerdings sollte das bisherige Genehmigungsverfahren erheblich beschleunigt werden. Wir wünschen auch eine Beibehaltung der Kontingentierung. Dabei muß man sich Gedanken darüber machen, ob die bisherige Form und das Ausmaß der Kontingentierung in Zukunft beibehalten werden sollten oder abgeändert werden müssen. Wir wünschen weiter, daß der Staat das Recht behält, Auflagen aus Gründen des Allgemeinwohls zu machen.
Wir halten es jedoch für nötig, daß an die Stelle des ungebundenen Ermessens der Genehmigungsbehörde bestimmte, im Gesetz fest umrissene Vorschriften für die Tarifbildung treten, die sowohl für die Genehmigungsbehörde als auch für die Verkehrsträger Gültigkeit haben. Wir wünschen nicht, daß die Genehmigungsbehörde das Recht behält, staatliche Eingriffe in die Tarifbildung nur mit dem Ziel vorzunehmen, das preisgünstigere Transportmittel auszuschalten. Nach unseren Auffassungen hat der Verkehrsnutzer in allererster Linie Anspruch auf die billigste Bedienung, die möglich ist.
Unsere Vorstellungen in dieser Richtung lassen sich in einer Formulierung zusammenfassen, die wir in die Gesetze einzubauen wünschen; ich kann sie Ihnen hier in zwei Sätzen vortragen:
Mit dem Ziel bester Verkehrsbedienung hat die Bundesregierung darauf hinzuwirken, daß die Wettbewerbsbedingungen der Verkehrsträger angeglichen werden und daß durch marktgerechte Entgelte und einen lauteren Wettbewerb der Verkehrsträger eine wirtschaftlich sinnvolle Aufgabenteilung ermöglicht wird. Die Leistungen und Entgelte der verschiedenen Verkehrsträger hat der Bundesminister für Verkehr insoweit aufeinander abzustimmen, als es ¡die Verhinderung eines unbilligen Wettbewerbs erfordert.
Sechstens. Die Sanierung der Deutschen Bundesbahn ist für uns ein Teilstück der neuen verkehrspolitischen Konzeption. Wenn ich hier von einer Sanierung der Deutschen Bundesbahn spreche, so beziehe ich in meine Überlegungen die nichtbundeseigenen Eisenbahnen mit ein, die bei unseren Beratungen in den Ausschüssen zweifellos eine beson8082
dere Rolle spielen müssen. Nach unseren Auffassungen haben die Deutsche Bundesbahn und die Eisenbahnen im allgemeinen eine durchaus verheißungsvolle Zukunft. Wir können den Schienenunternehmen zu den steigenden Leistungen, die sie in den letzten Jahren gebracht haben, und auch zu den wesentlichen Verbesserungen, mit denen sie der Allgemeinheit gedient haben, nur gratulieren. Wir sind der Auffassung, daß auch die Bundesbahn einen nicht unwesentlichen Anteil an der neuen technischen Entwicklung haben kann, wenn man ihr nur die Möglichkeit gibt, sie zu nutzen.
({0})
Auf der anderen Seite sind wir der Auffassung, daß die Organe der Deutschen Bundesbahn eine echte Eigenverantwortlichkeit haben müssen und daß die Bundesbahn ebenso wie die mit ihr konkurrierenden Verkehrsträger des Kraftverkehrs und der Binnenschiffahrt grundsätzlich ihre Kosten selbst verdienen muß. Dazu gehört, daß die Bundesbahn auch die Möglichkeit haben muß, ihre Rückstellungen und Rücklagen mitzuverdienen, die sich aus langfristigen Verpflichtungen für das Unternehmen ergeben. Wir wünschen der Bundesbahn die optimale und sinnvolle Ausnutzung ihrer Kapazität. Wir wünschen, daß sie keine Leistungen unter Preis abgibt. Wir wünschen eine Verbesserung ihrer Rentabilität und erwarten daraus auch eine nicht unwesentliche Entlastung des Bundeshaushalts.
Siebtens. Die Deutsche Bundesbahn als ein Unternehmen des Bundes soll nach unseren Vorstellungen auch weiterhin ein Instrument des Bundes für bestimmte politische und soziale Aufgaben sein; das heißt, der Bund soll auch in Zukunft das Recht behalten, der Bundesbahn betriebliche und tarifarische Auflagen zu machen. Allerdings sollen diese Auflagen nicht dem Zweck dienen und auch nicht den Effekt haben, daß sie zu einer wesentlichen Beeinträchtigung des Wettbewerbs führen. Wir wünschen andererseits, daß, wo immer solche Auflagen in Widerspruch zu den eigenwirtschaftlichen Interessen der Deutschen Bundesbahn stehen, der Bahn eine angemessene Entschädigung gegeben wird. Ich glaube, das ist ein Verlangen, das nicht anders denn als recht und billig bezeichnet werden kann. Es ist mit eine Voraussetzung dafür, daß sich auch die Bundesbahn in einem geordneten Leistungswettbewerb, wie er uns vorschwebt, behaupten kann. Sollten sich zwischen Bund und Bundesbahn über die Frage der Entschädigung Streitigkeiten ergeben, so wünschen wir, daß nicht eine Seite das letzte Wort hat, sondern auch der Bund seine Entschädigungsleistung auf das Gutachten einer Sachverständigenkommission stützen muß.
Achtens, meine Damen und Herren, möchte ich etwas auf Einwendungen eingehen, die in der öffentlichen Diskussion in den letzten Wochen gegen eine mehr marktorientierte, wettbewerbsorientierte Verkehrspolitik erhoben worden sind. Die Kritik aus den Kreisen der Verladerschaft geht dahin, daß wir zuviel Wettbewerb wünschen. Von ,den Verkehrsträgern Binnenschiffahrt und Kraftverkehr wird argumentiert: „Nun, das scheint uns etwas zu weit zu gehen; der Wettbewerb sollte nicht so weit ausgedehnt werden."
({1})
- Vorher war es umgekehrt, Herr Kollege Rademacher. Die Bundesbahn ist heute der Förderer des Wettbewerbs, nachdem sie ja lange Zeit die genau gegenteilige Meinung vertreten hat.
({2})
Aber umgekehrt stellen wir auch fest, daß Binnenschiffahrt und Kraftverkehr, die jahrelang in der Öffentlichkeit als die Vorkämpfer des Wettbewerbs auf dem Verkehrsmarkt erschienen sind, heute eine gewisse Zurückhaltung üben. Ich nehme das niemandem übel, meine Damen und Herren. Ich glaube aber aus einer Vielzahl von Gesprächen, - ({3})
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
({0})
Verzeihung, Herr Kollege Müller-Hermann: wenn ich Sie richtig verstanden habe, haben Sie im ersten Satz Ihrer Begründung gesagt, die Verladerschaft behaupte, von uns, vom Parlament, werde zuviel Wettbewerb - Müller-Hermann ({0}) : Nein, nein. Da habe ich mich versprochen. „Zu wenig Wettbewerb", selbstverständlich. - Ich glaube, aus einer Fülle von Gesprächen und Verhandlungen, die ich selber geführt habe, annehmen zu können, daß heute auf allen Seiten, selbst bei den Spediteuren, eine Bereitschaft besteht, einen stärker wettbewerbsorientierten Kurs in der Verkehrspolitik mitzumachen, einfach weil nur er den Erfordernissen der Zeit entspricht.
Nun wird in der Diskussion gegen eine wettbewerbsorientierte Verkehrspolitik angeführt, daß die mittelständischen Verkehrsbetriebe bei einem „Preiskampf" besonders gefährdet seien. Ich möchte darauf hinweisen, daß bei der Stellungnahme der Verladerschaft auch die mittelständische Wirtschaft, soweit sie nicht zu den Verkehrsträgern rechnet, sich für einen wesentlich stärkeren Wettbewerb ausgesprochen hat, der Großhandel, der Einzelhandel und das Handwerk. Ich glaube aber darauf hinweisen zu müssen, daß gerade der Kraftverkehr und die Binnenschiffahrt im Laufe der letzten Jahre eine außerordentlich glückliche und günstige Entwicklung haben durchmachen können und ihre Transportleistungen und Beförderungsleistungen ganz wesentlich haben ausdehnen können, in einem sehr viel stärkeren Tempo, als es der Staatsbetrieb hat machen können.
Wir erleben im Bereich der Verkehrswirtschaft genau die umgekehrte Entwicklung - oder haben sie erlebt - wie im Bereich der übrigen Wirtschaft. Im Bereich der Verkehrswirtschaft ist nämlich das
Großunternehmen durch ständig wachsende Leistungen der mittelständischen Betriebe in seiner Substanz ausgehöhlt worden. Das mag durchaus zwangsläufig durch die technische Entwicklung bedingt sein. Nicht zuletzt ist aber der Grund auch darin zu sehen, daß die Bundesbahn in ihrer Elastizität und in ihrem Kampf auf dem Verkehrsmarkt durch die bisherige Gesetzgebung und Tarifgestaltung außerordentlich gehemmt gewesen ist.
({1})
Wir wissen alle, daß künstlich manipulierte Schutzmaßnahmen für das große Staatsunternehmen Bundesbahn auch in diesem Hause in den letzten Jahren erwogen worden sind. Das Haus hat sich für diese Maßnahmen nicht entscheiden können, wie ich glaube, mit gutem Grund. Wir stehen aber heute vor der Notwendigkeit, alle drei binnenländischen Verkehrsträger, Bahn, Binnenschiffahrt und Kraftverkehr, zum Vorteil und zum Nachteil so weit gleichzustellen, wie das irgend möglich ist, und damit einen Wettbewerb zu ermöglichen. Wir werden uns bei den Ausschußberatungen auch gerade die Anliegen der mittelständischen Wirtschaft weitgehend zu eigen machen. Ich denke insbesondere an das Schicksal der Partikuliere. Ich wundere mich nur, daß sich gerade die Binnenschiffahrt hier so stark für die mittelständischen Betriebe einsetzt. Das ist zwar ihr gutes Recht und ich nehme ihr das nicht übel, aber wir wissen alle, daß heute der größte Teil der Transportleistungen der Binnenschiffahrt gerade von Betrieben erbracht wird, die ) man sicherlich nicht zum Mittelstand wird zählen können.
({2})
- Ich will sie hier nicht angeben. Wir haben uns ja darüber geeinigt, hier nicht mit Zahlen zu arbeiten. Das ist auch besser. Ich möchte nur, daß wir die Dinge unter den verschiedensten Aspekten betrachten. Seien Sie sicher, daß wir ,auch bei den Beratungen im Verkehrsausschuß alle Interessen zu einem Ausgleich zu bringen versuchen werden.
Niemand kann aber an der Tatsache vorbeigehen, daß die Koppelung des Eisenbahntarifs mit dem Kraftwagentarif einfach ein volkswirtschaftlicher Nonsens gewesen ist. Dieser volkswirtschaftliche Widersinn hat nicht zuletzt der Bahn zu einem erheblichen Nachteil gereicht, weil der Kraftverkehr dadurch, daß er zu dem gleichen Tarif die Hauszu-Haus-Leistung anbieten konnte, gegenüber dem Schienenunternehmen im Vorteil gewesen ist.
Wir möchten unter allen Umständen einen ruinösen Wettbewerb verhindern und werden dafür auch bei einer elastischeren Tarifgestaltung geeignete Mittel und Wege finden. Wir glauben, daß ein solcher ruinöser Wettbewerb verhindert werden kann, wenn wir dem Bund die Möglichkeit der Kontrolle, der Aufsicht und eines eventuellen Eingriffs einräumen.
Lassen Sie mich noch auf einen weiteren Einwand eingehen, der sich gegen eine mehr marktwirtschaftliche Verkehrspolitik richtet! Er betrifft das Thema:
Wie wird es den pheripher gelegenen Gebieten, den Randgebieten und den Zonengrenzgebieten ergehen, wenn wir es im Bereich des Verkehrs zu einer größeren Tarifbeweglichkeit kommen lassen? Nicht die gemeinwirtschaftlichen Auflagen, die der Bundesbahn gemacht werden, sondern, wie mir scheint, die eigenen Interessen der Bundesbahn verlangen in der Entfernungsstaffel, die für die pheripher gelegenen Gebiete das A und O darstellt, eine möglichst starke Degression. Ich möchte dabei auf eine Erklärung hinweisen, die vor kurzem der Vorstand bzw. der Präsident der Deutschen Bundesbahn abgegeben hat. Er hat erklärt: „Die Bundesbahn erwägt unter keinen Umständen eine Abschwächung der Degression der Entfernungsstaffel." In einer weiteren Erklärung heißt es, daß die Bundesbahn auch in Zukunft auf Nebenstrecken, wo, aus welchen Gründen auch immer, eine Umleitung auf den kostengünstigeren Kraftverkehr nicht möglich ist, keine Frachtzuschläge erheben wird.
Nicht nur die Degression in der Entfernungsstaffel entsteht einfach aus den eigenwirtschaftlichen Interessen der Deutschen Bundesbahn, sondern meines Erachtens gerade auch der Gedanke, sich gegenüber dem gebrochenen Verkehr Schiene-Binnenschiffahrt zu behaupten. Ich glaube, daß ferner die Deutsche Bundesbahn ein eigenwirtschaftliches Interesse daran hat, alle Maßnahmen zu unterstützen, die einer Konzentration unserer Wirtschaft entgegenwirken und eine Dezentralisierung unserer Wirtschaft fördern, da die Bundesbahn ja aus eigenem Interesse möglichst große und weite Transportleistungen zu bewältigen versuchen wird.
Darüber hinaus ist - ich wiederhole es noch einmal - gerade der Massengutverkehr nach unserer Auffassung tarifmäßig zu hoch belastet. Wir haben in den letzten Wochen erlebt, daß die Bundesbahn aus einer eigenen Entscheidung heraus eine nicht unwesentliche Tarifermäßigung bei Ganzzügen im Kohletransport eingeräumt hat, weil es in ihrem eigenen Interesse lag, diese Möglichkeit wahrzunehmen.
Wir wissen auch, daß gerade für die revierfernen Gebiete weite Streckenanteile im Knotenpunktverkehr bedient werden können, in dem sich für die Bundesbahn in Zukunft, wenn sie die Möglichkeiten dazu hat, eine Reihe von Manipulationsmöglichkeiten bieten werden, die dem Verbraucher zugute kommen.
Ich möchte noch auf ein letztes Argument hinweisen, das wir in dieser Legislaturperiode aus Termingründen sicherlich nicht mehr in die parlamentarische Diskussion bringen können. Es ist ein Element, das aber auch in diesem Zusammenhang gesehen werden muß. Ich glaube nämlich, daß auch der Werkverkehr durchaus ein belebendes Element im Wettbewerb der Verkehrsträger darstellen kann, und daß eine zu prohibitive Besteuerung des Werkverkehrs, wie wir sie mit unterschiedlichen Meinungen in diesem Hohen Hause vor einigen Jahren eingeführt haben, auf die Dauer zweifellos nicht aufrechtzuerhalten ist und gerade im Interesse der revierfernen Gebiete, die auf diesen Verkehr wesentlich angewiesen sind, revidiert werden muß.
Ich komme zu einer abschließenden Bemerkung. Die Regierungsvorlagen, die der Herr Bundesminister für Verkehr vorhin begründet hat, tragen alle ' den von mir vorgetragenen Überlegungen nur sehr zögernd, so möchte ich sagen, Rechnung. Wir haben in unserer Fraktion auf 'die Einbringung eigener Vorlagen verzichtet, werden aber bei den Ausschußberatungen fertig formulierte Änderungsanträge einbringen, die auf eine stärkere Wettbewerbsorientierung unserer Verkehrspolitik ausgerichtet sein werden. Wir wünschen dabei ein außerordentlich behutsames und vorsichtiges, aber ebenso zielstrebiges Vorgehen in Richtung auf mehr Wettbewerb im Verkehr. Ich glaube, wir dienen unseren Verkehrsträgern, den Verkehrsnutzern und der Allgemeinheit, wenn wir die notwendige Anpassung an mehr Wettbewerb im Verkehr nicht weiter hinauszögern, sondern gerade 'die augenblicklich günstige Konjunktursituation dafür ausnützen.
Wenn wir in diesem Hohen Hause in den nächsten Wochen Entscheidungen dieser Art zu treffen haben, wissen wir uns auch vor der Aufgabe, Erfahrungen aus der neuen verkehrspolitischen Konzeption zu sammeln und die neue Entwicklung sorgfältig zu beobachten. Wir denken dabei sowohl an die Verkehrsträger als auch an die Verladewirtschaft, aber ganz besonders auch an die revierfernen Gebiete und die mittelständische Wirtschaft. Wir sind jedoch der festen Überzeugung, daß wir uns auf dem richtigen Wege befinden, wenn wir die Verkehrswirtschaft langsam und behutsam, aber zielstrebig an die soziale Marktwirtschaft heranführen, ,die sich auf allen anderen Gebieten unserer Wirtschaft vorzüglich bewährt hat. Unser Ziel ist auch im Bereiche des Verkehrs: Ansporn zu verbesserten Leistungen und zu kostengerechten Preisen zum Wohle der Allgemeinheit.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Bleiß.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben bisher zwei Einführungsreden gehört. Die eine war eine Begründung der ,Verkehrskonzeption der Bundesregierung, die andere - die Ausführungen des Herrn Kollegen Müller-Hermann - eine Begründung der Verkehrskonzeption der Müller-Hermann-Gruppe. Diese beiden Verkehrskonzeptionen gehen erheblich auseinander. Wenn ich gut zugehört habe, hat, glaube ich, der Herr Bundesverkehrsminister hier dargelegt, daß die Bundesregierung, auf dem Boden der gemeinwirtschaftlichen Verkehrsbedienung steht. Wenn ich es recht im Gedächtnis habe, ist in der Stellungnahme auch das verkehrspolitische Leitbild des Brand-Gutachtens abgelehnt worden. Ich glaube mich dieser Formulierung noch sehr deutlich zu erinnern.
Herr Kollege Müller -Hermann ist auf der anderen Seite der Meinung: so viel Freiheit wie möglich, nur so viel behördlicher Zwang wie unbedingt erforderlich. Herr Kollege Müller-Hermann hat den Leistungswettbewerb sehr deutlich herausgestellt. Er hat gesprochen von kostengerechten Entgelten, er hat gesprochen - ich habe das, glaube ich, auch richtig verstanden - von einer freien Preisbildung, er hat gesprochen von einer Trennung von DEGT und RKT. Herr Kollege Müller-Hermann, Sie haben außerdem, glaube ich, auch von der jeweils billigsten Beförderung gesprochen. Mir ist nur nicht ganz klar geworden, wie man bei der jeweils billigsten Beförderung angesichts der völlig unterschiedlichen Selbstkostenstruktur eine Angleichung der Beförderungsbedingungen herbeiführen kann. Nun, wir werden ja im Ausschuß Gelegenheit haben, Ihre Vorstellungen etwas genauer kennenzulernen.
Aber, Herr Kollege Müller-Hermann, Sie haben hier eine Reihe von Punkten nicht angesprochen. Aus Ihrer freien Verkehrskonzeption glaube ich schließen zu können, daß Sie auch die Konzessionierung und Kontingentierung im Güterkraftverkehr nicht für das richtige halten.
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Sie haben weiterhin zum Ausdruck gebracht, daß Sie für eine Aufhebung der prohibitiven Besteuerung eintreten.
Auf Grund der doch sehr unterschiedlichen Einführungsreden und Begründungen möchte ich mir einige Vorbemerkungen erlauben. Insbesondere stelle ich an die Damen und Herren der CDU-Fraktion die Frage, ob die vier Gesetzentwürfe, die heute nach der Tagesordnung zur Beratung anstehen, nicht schon längst überholt sind. Ich möchte weiter fragen, ob sie nicht schon in dem Zeitpunkt überholt waren, als sie dem Bundesrat zur Stellungnahme zugeleitet wurden.
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Wieso? Nun, das Schreiben an den Herrn Präsidenten des Bundesrates trägt das Datum vom 31. August 1960. Aber schon am 4. August hatte eine Gruppe von CDU-Abgeordneten einen Entwurf zur gleichen Materie ausgearbeitet, der von der Regierungsvorlage in sehr erheblichen Punkten abweicht. Diese erste Konzeption der CDU-Fraktion ist dann mehrfachen Korrekturen unterzogen wor- den. Mir sind drei dieser Korrekturen bekannt; aber ich nehme an, daß es noch mehr davon gibt. Wie man dann in den Zeitungen lesen konnte, hat die „Müller-Hermann-Gruppe" mit den Fachverbänden sehr ausgiebig verhandelt und schließlich mit diesen Fachverbänden eine Einigung erzielt. Sie hat damit - das will ich gerne anerkennen - Kontakte gepflegt, die dem Herrn Bundesverkehrsminister anscheinend seit langem völlig verlorengegangen sind. Ich bedaure es, daß der Herr Bundesverkehrsminister diese Kontakte nicht aufrechterhält. Das ist ein beklagenswerter Zustand. Es ist nicht gut, wenn man Verkehrspolitik nur am grünen Tisch macht. Ich würde es für richtiger halten, wenn diese Kontakte mit den Vertretern der Verkehrswirtschaft laufend unterhalten würden. Vielleicht ließen sich dann die Fehlentscheidungen auf ein Mindestmaß reduzieren.
In der Presse war weiter zu lesen, daß ein Tauziehen zwischen der „Müller-Hermann-Gruppe" und dem Herrn Bundesverkehrsminister stattgefunden
habe. Man habe sich dann schließlich nach Einschaltung des Herrn Dr. Krone geeinigt. Das Kabinett habe in einer Sitzung Mitte Januar diese Einigung gebilligt. Worin nun diese Einigung bestand, war offiziell bisher noch nicht zu erfahren.
Ich glaube, es hätte einem guten parlamentarischen Stil entsprochen, wenn Sie, meine Herren Kollegen von der CDU, die überholten Vorlagen zurückgezogen und sie durch modifizierte Entwürfe ersetzt hätten. Dann hätte der Bundesrat zu dieser nun korrigierten Konzeption Stellung nehmen können. Die jetzt von Ihnen angewande Methode, hier die alten, leeren Mäntel einzubringen und dann im Ausschuß die „Seebohm-Vorlagen" in den offiziell nicht bekannten Müller-Hermann-Entwurf umzuarbeiten, bedeutet doch praktisch eine Ausschaltung des Bundesrates. Ich bin der Meinung, daß dieser Stil auf ,die Dauer auch mit dem Grundgesetz nicht vereinbar ist.
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- Aber bitte, gern!
Herr Kollege Bleiß, wissen Sie nicht, daß der Bundesrat zu den von uns gefaßten Beschlüssen noch einmal Stellung nehmen, ihnen seine Zustimmung geben muß?
Selbstverständlich, das ist mir bekannt. Aber für uns wäre auch die Stellungnahme des Bundesrates zu Ihren völlig abgeänderten Entwürfen schon bei den Beratungen im Ausschuß von Interesse. Es hat keinen Sinn, dem Bundesrat überholte Entwürfe zuzuleiten. Ich halte diese Methode nicht für richtig. Sie bedeutet eine Außerkraftsetzung des Bundesrates. Dieser Stil ist auf die Dauer mit dem Grundgesetz nicht vereinbar.
Meine sehr geehrten Herren Kollegen von der CDU-Fraktion, gestatten Sie mir die Frage: Wer macht bei Ihnen eigentlich die Verkehrspolitik?
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Sobald ein wesentlicher Verkehrsgesetzentwurf vom Kabinett verabschiedet wird, bildet sich eine CDU-Gruppe. Wir haben früher einmal den HöcherlAusschuß gehabt. Wir haben von einem „BrückAusschuß" und neuerdings von der Müller-Hermann-Gruppe gehört. Nun, meine Herren Kollegen, bringen Sie mit dieser Methode Ihren eigenen Bundesverkehrsminister nicht in eine unhaltbare Situation? Er mußte heute in einer sehr langen und ausführlichen Rede Verkehrsentwürfe begründen, die Sie gar nicht aufrechtzuerhalten gedenken. Wenn ich Herrn Kollegen Müller-Hermann als den Sprecher der CDU-Fraktion richtig verstanden habe, dann stehen bei der Verkehrsreform nicht mehr die Vorstellungen von Herrn Dr. Seebohm, sondern die von Ihnen, Herr Kollege Müller-Hermann, zur Debatte.
Ich wollte diese allgemeinen Bemerkungen vorausschicken. Wir wissen also heute in der ersten Lesung noch nicht, über welche Punkte wir uns unterhalten sollen. Herr Müller-Hermann hat den
Schleier des Geheimnisses nur wenig gelüftet, er hat nur angedeutet, daß fest formulierte Anträge vorliegen. Ja, welche fest formulierten Anträge sind denn das? Warum wollen Sie uns denn mit einer heute schon fest gebildeten Meinung erst im Ausschuß überraschen? Es wäre doch wesentlich besser, eine solche Konzeption heute hier vorzutragen.
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- Was Sie mir zustecken, braucht nicht offiziell zu sein. In der Zwischenzeit kann sich ja bei Ihnen auch einiges wieder geändert haben. Ich weiß z. B. nicht, inwieweit das Bundeskabinett gerade Ihre letzte Auffassung gebilligt hat. Herr Kollege Müller-Hermann, dieses parlamentarische Durcheinander ist ein unhaltbarer Zustand. Von einer so schlechten Methode sollten wir so bald wie möglich abkommen.
Lassen Sie mich nun zur Verkehrsreform einige allgemeine Grundsätze entwickeln.
Wir Sozialdemokraten befürworten einen verstärkten Leistungswettbewerb. Wir meinen damit, daß es im Interesse der gesamten Wirtschaft liegt, das Verkehrsvolumen nach der Leistungsfähigkeit der einzelnen Verkehrsträger aufzuteilen. Leistungswettbewerb muß nicht einen tariflosen Zustand bedeuten. Wir halten es für selbstverständlich, daß sich der Wettbewerb im Rahmen einer tarifarischen Ordnung vollziehen muß. Die heute bestehenden Tarifsysteme des DEGT und des RKT sowie die Regeltarife im Personenverkehr sind - das haben auch Sie, Herr Kollege Müller-Hermann, ausgeführt - in einer Zeit entstanden, in der in der Güter- und in der Personenbeförderung zu Lande die damalige Reichsbahn eine monopolartige Stellung hatte. Der Monopolcharakter der damaligen Reichsbahn erlaubte es, gemeinwirtschaftliche Gesichtspunkte ohne Rücksicht auf die Kostenlage in die Tarifierung einzuarbeiten. Aber mit der Verstärkung des Straßenverkehrs haben sich diese Fakten völlig verschoben. In der Güter- und Personenbeförderung und bei der völlig unterschiedlichen Kostenlage mußten und müssen bei dem einen oder anderen Kostenträger entweder Kostenunterdeckungen oder Differentialgewinne entstehen. Diese Spannungen und Verzerrungen - darin sind wir mit Ihnen einer Meinung - müssen beseitigt werden. Wir halten schon aus diesem Grunde einen Umbau der bestehenden Tarifsysteme für erforderlich.
Wir sind der Meinung, daß nicht nur die Entfernungs-, sondern auch die Mengenstaffel, die Güterklasseneinstufung und die große Zahl der Ausnahmetarife überholungsbedürftig sind. Ich bin nicht dafür, die Degression in der Entfernungsstaffel abzuschwächen, vielmehr meine ich, daß es richtiger wäre, diese Degression in der Entfernungsstaffel wesentlich zu verstärken.
Wenn wir insoweit eine grundsätzliche Überholung der Tarifsysteme für erforderlich halten, dann scheint es uns aber unerläßlich zu sein, daß zunächst gewisse Voraussetzungen für eine Tarifneuordnung erfüllt werden. Ich meine damit, daß wir
gemeinsam alle Anstrengungen zu unternehmen haben, um zu angenäherten Wettbewerbs- und Startbedingungen für alle Verkehrsträger zu kommen. Ich freue mich, feststellen zu können, Herr Kollege Müller-Hermann, daß auch Sie vorhin die gleiche Absicht geäußert haben.
Die Herstellung gleicher Wettbewerbs- und Startbedingungen bedeutet - ich hoffe, wir sind uns auch darin einig -, daß die betriebsfremden und außergewöhnlichen Aufwendungen eines Verkehrsträgers vom Bund übernommen werden müssen. Das gilt für die Mindereinnahmen aus einer gemeinwirtschaftlichen Verkehrsbedienung genauso wie für die Sonderbelastungen, die sich aus der Altersversorgung für die Bundesbahn ergeben. Gleiche Wettbewerbs- und Startbedingungen bedeuten, daß jeder Verkehrsträger seine Wegekosten zu tragen hat; die Frage der Zurechenbarkeit der Wegekosten muß, soweit irgend möglich, geklärt werden.
Wir sind weiter der Meinung, ,daß für alle Verkehrsträger auch die gleiche steuerliche Belastung gelten, daß also ,die steruerliche Belastung nach ,einheitlichen Maßstäben [erfolgen muß.
Wir sind ,der Meinung, daß der Gesichtspunkt der Modernisierung und einer genügenden Kapitahausstattuing für alle Verkehrsträger, also auch für die Bundesbahn, gelten muß. Nur wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, dann, scheint mir, wird es möglich sein, die Selbstkosten der Verkehrsträger miteinander zu vergleichen. Dann kann man erst die vielfachen Verzerrungen beseitigen und ein zeitnahes und wirtschaftlich vernünftiges Tarifsystem aufbauen.
Wie weit ,die Beurteilung ,der echten Kostenstruktur bei den Verkehrsträgern heute auseinandergeht, ergibtsich, wie mir scheint, aus einem besonderseindrucksvollen Beispiel: Die Bundesbahn hält nach dem Brand-Bericht Sonderbelastungen und ,gemeinwirtschaftliche Aufwendungen von mehr als 800 Millionen DM für ausgleichsberechtigt, während beispielsweise der Präsident des Zentralausschussees der deutschen Binnenschiffahrt der Meinung ist, daß allein der Güterverkehr der Bundesbahn vom Bund mit 1,8 Milliarden DM subventioniert wird. Das isst eine Spannweite von 2,6 Milliarden DM auf einem Teilgebiet des Verkehrs, und eis scheint mir dringend notwendig zu sein, vernünftige Maßstäbe und vergleichbare Größen zu finden.
Nun, meine Damen und Herren, wir haben den Kostenvergleich schon auf unserem Verkehrskongreß in Hamburg 1956 gefordert. 1958 wurde das Gesetz über die repräsentative Kostenerhebung bei der Schiene, bei der Straße und Binnenschiffahrt im Bundestag verabschiedet. Die Ergebnisse der Untersuchungen werden, wenn ich richtig unterrichtet bin, im Herbst dieses Jahres vorliegen. Vielleicht bringen diese Untersuchungen und diese Ergebnisse eine brauchbare Grundlage für den Kostenvergleich und für den notwendigen Tarifumbau. Auf alle Fälle aber - ein dringende Bitte, die ich an Sie, meine Damen rund Herren, richten möchte - sollten wir diese Ergebnisse abwarten.
Von einem zwischenzeitlichen Herumexperimentieren, z. B. mit der Einführung von Tarifbändern - also Margentarifen -, verspreche ich mir keinen Erfolg, sondern ich befürchte eine weitere Komplizierung der heute schon äußerst unübersichtlichen Verhältnisse. Ich frage Sie, Herr Kollege Müller-Hermann: Wie sollen die Margentarife, also das Tarifband, funktionieren? Was soll man mit Höchst-und Mindestpreisen anfangen? Wir haben aus den Erfahrungen des Güternahverkehrs gelernt, daß sich diese Tarife sehr schnell auf dem unteren Niveau einpendeln. Und dann noch eines: Von den beweglichen Tarifen kann zwar der selbständige Unternehmer Gebrauch machen - er wird je nach der Wettbewerbs- und Marktlage den Preis mit dem Verlader aushandeln -, aber, Herr Kollege Müller-Hermann, mir ist nicht so recht klar, wie ein variables Preissystem bei der Bundesbahn funktionieren soll. Ist hier etwa beabsichtigt, jedem Schalterbeamten Handlungsvollmacht zu erteilen, oder sind Sie der Meinung, daß diese Kompetenz nur auf die Bezirksdirektion oder die Leiter der Hauptbahnhöfe übertragen werden soll? Verzichtet damit die Bundesbahn auf eine einheitliche Tarifierung, und soll sie die Preisbildung der Marktlage und der Geschicklichkeit des jeweiligen Beamten überlassen?
Ich frage weiter: Wird die Bundesbahn bei einer vorübergehenden Güterwagenverknappung, etwa im Herbst, mit Preisaufschlägen arbeiten? Wenn sie das beabsichtigt, dann befürchte ich, daß damit neue Unsicherheitsfaktoren in die gesamte Preisbildung eingeführt werden. Das alles - Tarifband, Höchst- und Mindestentgelte - sind Fragen, die wir im Auschuß sehr ausführlich besprechen müssen, Fragen von sehr weitgehender Bedeutung.
Aber auch ohne die große Tarifreform abzuwarten, sind heute schon Erleichterungen in der Tarifgestaltung möglich und durchsetzbar. Wir befürworten eine Entbürokratisierung und eine Beschleunigung des Tarifgestaltungsverfahrens. Wir sind der Meinung, daß bei Tarifmaßnahmen von untergeordneter Bedeutung der Bundesverkehrsminister auf das ihm zustehende Genehmigungsrecht verzichten sollte.
Aber das sind doch Maßnahmen und Erleichterungen, die schon nach geltendem Recht zulässig und möglich sind. Herr Bundesverkehrsminister, warum haben Sie eigentlich von der Möglichkeit der erleichterten Tarifgestaltung bisher so wenig Gebrauch gemacht? Warum lassen Sie sich erst durch Novellen zu solchen Maßnahmen zwingen?
Meine Damen und Herren, wir Sozialdemokraten befürworten das Tarifantragsrecht für alle Verkehrsträger. Aber dieses Tarifantragsrecht muß dem Frachtführer zustehen, und man darf die Funktionsfähigkeit solcher Tarifkommissionen nicht von vornherein durch eine paritätische Besetzung mit Vertretern der verladenden Wirtschaft in Frage stellen, wie es in der Regierungsvorlage vorgesehen ist. Ich bin der Meinung, daß dieser Beschluß des Bundeskabinetts ein offensichtlicher Fehlgriff war. Er darf einfach nicht zum Tragen kommen.
Wir Sozialdemokraten begrüßen die Gewährung von Mengenrabatten an Großverlader, wenn das Massengut in ganzen Zügen oder großen Wagengruppen transportiert wird. Der hier gewährte Rabatt ist vertretbar, weil bei einer solchen Transportführung die sonst erheblichen Zugzusammenstellungskosten wegfallen.
Wir wenden uns aber gegen die beabsichtigten Sonderabmachungen ohne Veröffentlichungspflicht, weil diese Methode zu einem Mißbrauch wirtschaftlicher Macht führen kann. Wir wehren uns gegen jeden Mißbrauch wirtschaftlicher Macht auch dann, wenn dieser Mißbrauch von bundeseigenen Unternehmen betrieben werden sollte.
Das sind einige verkehrspolitische Grundsätze, einige Gedanken zur Tarifreform, die ich Ihnen, meine Damen und Herren, hier näherbringen wollte.
Ich darf noch einmal sagen: Wir bekennen uns zum verstärkten Leistungswettbewerb. Aber wir halten es für dringend erforderlich, daß vorher die Voraussetzungen für den Leistungswettbewerb erfüllt sind, d. h. daß annähernd gleiche Wettbewerbsbedingungen geschaffen werden. Es erscheint uns vernünftig, daß diese Wettbewerbsbedingungen in enger Fühlungnahme mit den Verkehrsträgern erarbeitet werden.
Ein echter Leistungswettbewerb wird zweifellos dann den Beweis dafür erbringen, daß alle Verkehrsträger in unserer Verkehrswirtschaft wichtige Funktionen zu erfüllen haben. Wenn die Voraussetzungen für einen solchen Wettbewerb geschaffen werden, dann - aber auch erst dann, Herr Kollege Müller-Hermann - wird es möglich sein, die bestehenden Ordnungselemente, wie die Konzessionierung und die Kontingentierung oder fiskalische Maßnahmen, allmählich abzubauen. Erst müssen aber die Grundlagen für einen vernünftigen Leistungswettbewerb vorhanden sein. Bis dahin müssen die Ordnungselemente bestehenbleiben, wenn wir einen ruinösen Wettbewerb mit einer weitgehenden Vernichtung mittelständischer Existenzen ernsthaft verhüten wollen.
Meine Damen und Herren, zum Schluß noch einige Bemerkungen zu den eingebrachten und angekündigten Gesetzentwürfen. Die Gesetzentwürfe sind, wenn ich den Herrn Bundesverkehrsminister recht verstanden habe, auf der Basis des Brand-Gutachtens eingebracht worden. Sie sind eingebracht worden, um der Bundesbahn zu helfen. Nun, ich wage es, zu bezweifeln, ob der vorgeschlagene Weg zu dem gewünschten Erfolg führt. Ich habe die Befürchtung, daß hier mit einiger Hast einige Novellen verabschiedet werden sollen, um in der dritten Legislaturperiode noch ein Soll zu erfüllen.
Wenn Sie der Bundesbahn wirklich helfen wollen, dann müssen Sie erkennen, daß der Schwerpunkt nicht bei der Tarifautonomie oder bei einer angenäherten Tarifautonomie liegt, sondern daß die Akzente auf die fiskalischen Maßnahmen zu setzen sind, die Maßnahmen, auf die der Brand-Bericht mit Deutlichkeit hinweist, über die man aber gern mit einer leichten Handbewegung hinweggeht. Meine Damen und Herren, Sie werden uns in den kommenden Wochen sagen müssen, ob Sie bereit sind, die Lasten aus der Altersversorgung in Höhe von 450 Millionen DM auf den Bund zu übernehmen. Sie werden uns sagen müssen, ob Sie bereit sind, die volle Abgeltung für die Mindererlöse aus dem Berufs- und Schülerverkehr in Höhe von mindestens 300 Millionen DM zu zahlen. Sie werden uns sagen müssen, ob Sie bereit sind, das Eigenkapital der Bundesbahn in einer Weise aufzustokken, daß die Finanzierung des Investitionsplans sichergestellt ist. Das sollte auch bei der zusätzlichen Kreditgewährung für die nichtbundeseigenen Eisenbahnen gelten.
Das sind die drei Kernprobleme, die uns in den nächsten Wochen beschäftigen werden. Von diesen entscheidenden Erfordernissen sind in dem Sofortprogramm, das die Bundesregierung vorgelegt hat, nur Bruchteile erfüllt. Von den Lasten der Altersversorgung werden statt der 450 Millionen DM nur 175 Millionen DM und diese nur für ein Jahr angeboten. Von den Mindereinnahmen im Berufs- und Schülerverkehr von mindestens 300 Millionen DM werden nur 150 Millionen DM übernommen, und von der im Brand-Gutachten sehr deutlich als notwendig herausgestellten Aufstockung des Eigenkapitals durch Zuführung frischer Mittel ist überhaupt nicht die Rede.
Hier wird es sich erweisen, ob man die Möglichkeit schaffen will, sofort und wirksam zu helfen. Dazu brauchen wir keine Novellen; die Haushaltsberatungen werden entscheiden. Diese Beratungen, die wir in den Ausschüssen zu führen haben werden, können erleichtert werden, wenn die Situation der Bundesbahn ohne jeden Zweckoptimismus dargestellt wird.
Der Erste Präsident der Deutschen Bundesbahn hat sich in drei Pressekonferenzen innerhalb von 14 Tagen sehr optimistisch geäußert. Er hat für 1961 den Ausgleich der Betriebsrechnung ,der Deutschen Bundesbahn in Aussicht gestellt. Der Herr Bundesverkehrsminister hat heute hier die gleiche Feststellung getroffen. Nun, auch wenn dieser Ausgleich eintreten sollte, sollten die notwendigen Maßnahmen zur Herstellung gleicher Wettbewerbsbedingungen getroffen werden. Man sollte nicht wieder mit ,dem Hinweis, die Bundesbahn habe ja einen ausgeglichenen Etat, die Inangriffnahme der notwendigen Maßnahmen hinausschieben. Das würde eines Tages sehr teuer zu stehen kommen.
Die aufgezeigten finanziellen Maßnahmen müssen jetzt getroffen werden; denn der Tarifumbau wird eine Reihe von Tarifsenkungen für den Massengut-verkehr notwendig machen. Ohne solche Tarifsenkungen würde in absehbarer Zeit ein ganz erhebliches Transportvolumen von der Bundesbahn auf die Pipelines abfließen.
Die Hilfe für die Bundesbahn ergibt sich nicht aus der Entscheidung über die vier Novellen, die hier eingebracht worden sind. Vielmehr wird über die Hilfe für die Bundesbahn bei den Haushaltsberatungen entschieden, wenn es darum geht, für die Bundesbahn gleiche Startbedingungen für den Wettbewerb zu schaffen. Hier wird sich zeigen, meine
Damen und Herren, welchen Weg zu gehen Sie bereit sind und wieweit Sie willens sind, durch Opfer des Bundes gleiche Startbedingungen für alle Verkehrsträger herzustellen. Die jetzt vorliegenden Novellen - wir werden sie im Ausschuß gründlich beraten - bedeuten keineswegs eine auch nur annähernde Lösung des Problems.
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Das Wort hat der Abgeordnete Rademacher.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Leider ist es mir in diesem Augenblick nicht möglich, namens meiner Fraktion auf die Ausführungen des Herrn Bundesverkehrsministers im einzelnen einzugehen, denn - verzeihen Sie, Herr Bundesverkehrsminister - die Schnellfeuerrede muß man erst einmal in Ruhe durchlesen. Das werden wir bis zur Beratung im Ausschuß tun. Das soll kein Vorwurf sein, Herr Minister; Sie haben wahrscheinlich Zeit sparen wollen. Aber Sie können nicht erwarten, daß man heute im einzelnen auf Ihre Rede eingeht.
Herr Müller-Hermann hat in seinen Ausführungen sehr stark auf die Ergebnisse der Arbeiten der Brand-Kommission hingewiesen. Ich glaube, diese Arbeit von ungefähr 500 Druckseiten hat zumindest den einen Vorteil, daß sie alle, die am Verkehr beteiligt sind - Verkehrsträger, Verkehrsnutzer, Regierung -, so ein bißchen auf die Socken gebracht und gezeigt hat, daß irgend etwas auf dem Gebiet des Verkehrs zu geschehen hat. Darauf, ob das wirklich notwendig ist, darf ich im Verlauf meiner Rede noch etwas näher eingehen. Der Bundesverband der Deutschen Industrie, der Deutsche Industrie- und Handelstag, nicht zuletzt die Bundesbahn und schließlich auch die Bundesregierung haben sich dazu aufgerafft, Programme vorzulegen, von denen das Sofortprogramm der Bundesregierung nach Möglichkeit noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden soll.
Herr Dr. Bleiß, auch uns ist natürlich kein Geheimnis, was so hinter den Kulissen passiert ist. Ich weiß sehr wohl, daß es dem Kollegen MüllerHermann lieber gewesen wäre, hier heute im Auftrag seiner Fraktion eigene Initiativgesetzentwürfe vorlegen zu können. Aber da hat man sich - soweit ich unterrichtet bin - von höchster Hand eingeschaltet und hat gesagt: Versuchen Sie doch lieber mit Ihren Freunden zusammen, mit dem Herrn Bundesverkehrsminister zu einer Verständigung zu kommen. Wir glauben auch zu wissen, wie diese Verständigung aussieht. Namens der FDP darf ich dazu dasselbe erklären, was Herr Dr. Bleiß gesagt hat: wir befinden uns in einer ganz merkwürdigen Situation. Wir sprechen hier über Gesetze, die hinter den Kulissen schon längst eine Erweiterung erfahren haben. Der Bundesrat war also nicht in der Lage, beim ersten Durchgang dazu Stellung zu nehmen.
Nun weiß ich nicht, ob diese Einigung, die hinter den Kulissen erfolgt ist, in allen Fällen auch den tiefsten Einsichten und Wünschen Ihres eigenen Hauses, Herr Bundesverkehrsminister, entspricht. Sie haben zwölf Jahre lang die Verantwortung für die Verkehrspolitik getragen. Die Verkehrspolitik als solche - das kann kaum bestritten werden, und der Bundesverband der Deutschen Industrie und der Deutsche Industrie- und Handelstag bestätigen das auch - hat trotz aller Kritik, die wir auf verschiedenen Gebieten vorbringen mußten, letzten Endes den Erfolg gehabt, daß der gesamte deutsche Verkehr die komplizierten Bedürfnisse der Wirtschaft zu jeder Zeit und Stunde befriedigen konnte.
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- Ja, damit meine ich aber nicht, gnädige Frau, die Vernachlässigung der Deutschen Bundesbahn und des Straßenbaues; das ist etwas anderes. Da halten wir Freien Demokraten unsere Kritik nach wie vor aufrecht. Darauf komme ich noch zu sprechen. Ich meine nur folgendes: Die Ordnung des Verkehrs über das Bundesverkehrsministerium hat es ermöglicht, 'die Bedürfnisse der verladenden Wirtschaft zu erfüllen.
Die Freien Demokraten sind durchaus für eine behutsame Entwicklung, wie Herr Kollege MüllerHermann sie mehrfach gefordert hat. Die Frage ist nur, ob es bei einer solchen behutsamen Entwicklung bleibt. Wir wissen nämlich ganz genau, daß von denjenigen, die eine Verkehrsneuordnung fordern, mit aller Deutlichkeit gesagt wird, das sei ein erster Schritt, das Ziel müsse aber eine völlig freie (I Wettbewerbswirtschaft sein.
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- Ja doch, Herr Müller-Hermann, Sie wissen ganz genau, wo diese Kräfte stecken. Wir Freien Demokraten sind durchaus bereit, behutsam mitzugehen, haben aber natürlich große Bedenken, daß sich bei der Verfolgung dieses Ziels einer völlig freien Wettbewerbswirtschaft eines Tages Nachteile für die deutsche Verkehrswirtschaft und auch für die verladende Wirtschaft ergeben.
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- Ja, natürlich sind wir souverän; aber steter Tropfen höhlt den Stein. Das wissen Sie ja, nicht wahr?
Der Herr Minister hat in seiner Rede - soviel habe ich mitbekomme n - auch auf das statistische Gesetz und auf den Steuervergleich der einzelnen Verkehrsträger hingewiesen. Wenn ich mich recht erinnere, wurde das statistische Gesetz seinerzeit ausdrücklich mit dem Hinweis eingebracht, daß seine Ergebnisse die Voraussetzung für eine Verkehrsneuordnung seien. Leider liegen die Ergebnisse noch nicht vor, und ich halte das, was hier von einem Redner gesagt wurde - ich weiß nicht mehr, ob es Herr Bleiß oder Herr Müller-Hermann war -, daß nämlich diese Ergebnisse im Herbst dieses Jahres vorliegen werden, für etwas zu optimistisch. Schließlich müssen die Ergebnisse, wenn sie vorliegen, auch noch ausgewertet werden, wenn man verkehrspolitische Erkenntnisse aus ihnen gewinnen will.
Deswegen ist es zu bedauern - das möchte ich jetzt für meine Person einmal sagen -, daß man überhaupt an eine Verkehrsneuordnung herantritt, bevor die Grundvoraussetzungen geschaffen sind. Ich meine damit die Ermittlung .der Selbstkosten aller Verkehrsträger und die Ermittlung von Wettbewerbsverzerrungen, worauf in erster Linie die deutsche Binnenschiffahrt hingewiesen hat. Diese Grundlagen haben wir nicht. Trotzdem gehen wir an eine Neuordnung heran, wenn sie auch in einem bescheidenen Rahmen bleiben soll, wie der Herr Bundesverkehrsminister gesagt hat.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich in der ersten Lesung nur zwei von den Gesetzentwürfen herausnehmen und untersuchen, ob mit ihnen viel erreicht wird. Sie wissen, daß das Bundesbahngesetz und das Güterkraftverkehrsgesetz in ,der ersten Legislaturperiode zustande gekommen sind, als ich den Vorsitz im Verkehrsausschuß führte. Ich werde nie die zähen Kämpfe mit dem damaligen Finanzminister, Herrn Schäffer, vergessen, der diese Gummiparagraphen in das Bundesbahngesetz hineingebracht hat, mit denen die Bundesbahn überhaupt nichts anfangen konnte, wie die Entwicklung einwandfrei gezeigt hat.
Ich frage mich aber: Haben wir jetzt in der Neuformulierung des § 28 a wirklich etwas Konkretes, mit dem ,die Deutsche Bundesbahn etwas anfangen kann? Hier heißt es:
Führt eine Auflage nach § 16 Abs. 4 oder die aus Gründen des Gemeinwohls ausgesprochene Versagung der Genehmigung für eine bestimmte tarifliche Maßnahme nachweislich dazu, ,daß in diesem Einzelfall die Aufwendungen der Deutschen Bundesbahn nicht gedeckt werden, so gewährt der Bund der Deutschen Bundesbahn einen entsprechenden Ausgleich.
Aber dann, meine Damen und Herren, heißt es in Abs. 2:
Die Ausgleichspflicht entfällt, wenn und soweit die Deutsche Bundesbahn am Ende des Wirtschaftsjahres einen Überschuß erzielt hat.
Das halte ich für einen Grundfehler. Wenn man zunächst einmal feststellen will, was der Betrieb aus eigenem erarbeiten kann, muß man ihm grundsätzlich unter allen Umständen eine Entschädigung für die Versagung eines Tarifs oder für die Auflage eines nicht gewollten Tarifs gewähren. Denn letzten Endes steht ja auch im Bundesbahngesetz daß über die Überschüsse des Wirtschaftsjahres die Bundesregierung entscheidet. Da sie außerdem den Wirtschaftsplan mit zu verabschieden hat, stünde dem gar nichts im Wege, zunächst einmal und grundsätzlich einen derartigen Ausgleich zu gewähren.
Der Abs. 2 des § 28 lautet:
Die Deutsche Bundesbahn beschafft sich die erforderlichen Mittel zur Erfüllung ihrer Aufgaben selbst. Ist sie hierzu nachweislich nicht in der Lage, so soll der Bund ihr Darlehen aus den Haushaltsmitteln gewähren.
Das ist doch wieder eine unklare Bestimmung, die
völlig verschiedene Auslegungen zuläßt, wie es
schon im alten Bundesbahngesetz der Fall gewesen ist. Wir von der Freien Demokratischen Partei werden uns im Verkehrsausschuß bemühen, gerade in diesen Paragraphen absolut klare Formulierungen zugunsten der Deutschen Bundesbahn zu schaffen, weil das unseres Erachtens überhaupt die Voraussetzung ist und nicht die so sehr in den Vordergrund gestellte Tarifmanipulation oder Tarifliberalisierung, die heute als das A und O der Verkehrspolitik hingestellt wird.
Mehr möchte ich zum Bundesbahngesetz in diesem Augenblick nicht sagen. Aber das scheinen mir auch schon die wesentlichen Dinge zu sein.
Beim Güterkraftverkehrsgesetz haben wir auch großen Streit. Einerseits soll der Bundeswirtschaftsminister an den Beschlüssen der Tarifkommission beteiligt sein, zum anderen soll diese Kommission 50 zu 50 aus Unternehmern des Güterkraftverkehrs und solchen der verladenden Wirtschaft zusammengesetzt sein. Ich möchte hierzu namens meiner Fraktion heute nicht endgültig Stellung nehmen, weil wir diese Dinge noch eingehend diskutieren und wohl auch die Betroffenen, so möchte ich einmal sagen, sowohl die verladende Wirtschaft als auch den Verkehrsträger selbst, zu diesen Fragen noch einmal eingehend hören müssen.
Im Grundsatz akzeptieren und begrüßen wir eine bestimmte Antragsautonomie, eine Gleichstellung des Straßenverkehrs mit der Binnenschiffahrt und der Bundesbahn und hoffen, daß dadurch auch die Frage der gerechteren Kosten dieses Verkehrsträgers gelöst wird. Aber hier ist in der Debatte auch darüber gesprochen worden, daß man den RKT, d. h. den Tarif für den Straßenverkehr, mit dem Tarif der Deutschen Bundesbahn auseinanderentwickeln müsse. Leider hat niemand der Herren gesagt, in welcher Richtung. Darüber gehen die Meinungen nämlich sehr auseinander. Wir haben das kürzlich bei den Stückguttarifen erlebt. Ich weiß nicht, was die Verwaltung der Deutschen Bundesbahn dazu sagen wird, wenn Sie, wie immer behauptet wird, die sogenannte Differentialrente des Straßenverkehrs - d. h. die Tarife müssen nach unten gehen - anerkennen. Denn in dem Maße, in dem die Tarife des Straßenverkehrs heruntergehen, wird natürlich der Druck auf die Konkurrenz seitens der Straße stärker werden; das scheint mir ganz logisch zu sein. Daher bin ich persönlich der Meinung, daß die paritätische Regelung zwischen DEGT und RKT noch lange nicht das schlechteste ist, was wir zur Zeit haben. Denn niemand wird bei einer solchen Auseinanderentwicklung zufrieden sein.
In diesem Zusammenhang möchte ich noch ein Wort über die sogenannten Margentarife sagen. Meine Fraktion - ich spreche immer noch im Namen meiner Fraktion - wäre durchaus zu einem Versuch auf einem sehr schmalen Band - das ist nämlich das Entscheidende, Herr Müller-Hermann - bereit. Meines Erachtens kann dieses Band nicht mehr als 5 0/o nach oben oder nach unten betragen, mindestens im Anfang, damit man einmal sieht, wie diese Dinge laufen. Das Beispiel des GNT, des Güternahverkehrstarifs, sollte uns sehr warnen. Es ist
eine alte Erfahrung, daß sich Margentarife immer nach unten einspielen, selbst in der Konjunktur. Sie müssen also zumindest zum Schutz der Verkehrsträger auch die untere Grenze bei Margentarifen so einrichten, daß die Selbstkosten oder die noch zu ermittelnden Kosten dieses Verkehrsträgers in jeder Weise gedeckt werden.
Es ist auch eine Bemerkung über das Verhältnis der Großunternehmer zu den Partikulieren im Binnenschiffsverkehr gemacht worden. Mein Freund Ramms hat mich gebeten, ausdrücklich darauf hinzuweisen, Herr Müller-Hermann, daß in der Tat nach den bisherigen gesetzlichen Bestimmungen und den Vereinbarungen bei einem Besitzstandverhältnis von 60 zu 41 die Verteilung der Güter, des Ladungsaufkommens bei 60 und 40 gelegen hat. Damit hat das Gesetz bis heute funktioniert, und so wird es wahrscheinlich auch in der Zukunft sein.
Meine Damen und Herren, auch wir sind sämtlich überzeugt davon - und verlangen es geradezu -, daß eine außergewöhnliche Beschleunigung in der Genehmigung der Tarife überhaupt eintreten muß. Auch das ist in der Vergangenheit eine Krankheit in der Verkehrspolitik gewesen, daß infolge eines, ich möchte beinahe sagen, übertriebenen Anhörverfahrens es manchmal zwei Jahre gedauert hat, bis man überhaupt zu einer grundsätzlichen Erhöhung der Tarife gekommen ist. Damit spreche ich nicht grundsätzlich einer ständigen Tariferhöhung das Wort. Es kann sich - wie bei den Massentransporten und bei den Großzügen - jeweils auch um Ermäßigungen handeln.
Wir sind auch dafür, daß in einem begrenzten Rahmen gewisse Tarife autonom von den Verkehrsträgern nur anzuzeigen sind und daß sie, wenn nicht in kürzester Frist - ich glaube, vierzehn Tage sind vorgesehen - ein Widerspruch des Bundesverkehrsministeriums erfolgt, genehmigt sind.
So weit, meine Damen und Herren, meine Ausführungen namens der Fraktion.
Ich bitte Sie, mir zu gestatten, nun ganz persönlich als Mann, der 1949 in diesem Hause nicht erst Verkehr lernen mußte, sondern sich mit diesem Metier seit mehr als 40 - beinahe 45 - Jahren befaßt, ein paar Worte aus der Praxis zu sagen. Ich habe in diesem ganzen Rahmen der Verkehrsneuordnung vor einiger Zeit in meiner Eigenschaft als Vorsitzender des hamburgischen, aber auch des deutschen Speditionsgewerbes einen Artikel geschrieben, der einiges Aufsehen erregt hat. Dieser Artikel hieß: „Warum Verkehrsneuordnung?" Da habe ich die Frage an den Anfang gestellt: „Kann denn der Verkehr die Bedürfnisse der deutschen Wirtschaft erfüllen?" Diese Frage kann man, wenn man sie stellt, nur mit ja beantworten; denn er hat sie bis heute erfüllen können, und allzu große Experimente könnten in die Gefahr führen, daß der deutsche Verkehr in allen seinen Disziplinen diese Aufgabe in Zukunft nicht mehr erfüllen kann.
Sie alle, meine Damen und Herren, wissen, welchen Beruf ich ausübe: den des zwischen der verladenden Wirtschaft und den Verkehrsträgern vermittelnden Spediteurs. Wir könnten es uns furchtbar leicht machen. Wir sind Händler von Dienstleistungen, und wir könnten sagen: „Denn man hinein in die Liberalisierung! Wir als Händler von Dienstleistungen kommen schon zurecht!" Aber wir sind der Meinung, daß wir gleichzeitig eine große Verantwortung mit tragen, nämlich, daß wir auch in der Zukunft unter allen Umständen noch einen leistungsfähigen Verkehrsapparat zur Verfügung haben und daß der Verkehrsapparat nicht durch übertriebene Liberalisierungsideen vor die Hunde geht. Das Bedauerlichste in dieser ganzen Polemik zwischen der verladenden Wirtschaft und den Verkehrsträgern, einschließlich der Spedition, die sich in diesem Falle den Verkehrsträgern angeschlossen hat, ist die Tatsache, daß man nicht vorher versucht hat, untereinander, zwischen der verladenden Wirtschaft und den Verkehrsträgern, zu einer gemeinsamen Auffassung in allen diesen schwierigen Fragen zu kommen. Ich kann durchaus noch den Bundesverband der Deutschen Industrie verstehen - der Bundesverband der Deutschen Industrie ist eine reine Vertretung der Verlader -, der nun hofft, daß in einer Art Verkehrsneuordnung bessere Bedingungen auch für ihn und gleichzeitig eine größere Leistungsfähigkeit des deutschen Verkehrs herauszuholen sind, obgleich ja sein Präsident, Herr Fritz Berg, damals bei der Verabschiedung des sogenannten Kartellgesetzes mit aller Deutlichkeit gesagt hat, man müsse außerordentlich vorsichtig vorgehen. Er sagte z. B. wörtlich: „Freier Wettbewerb ruiniert das freie Unternehmertum." Das hat nun einmal Herr Fritz Berg gesagt, meine Damen und Herren, und das auf dem Gebiete der Produktion. Hier handelt es sich ja um Disziplinen, die einer ganz anderen Beurteilung unterliegen, nämlich den Verkehr, der sich in dieser Beziehung etwa mit ,der Landwirtschaft in einem Boot befindet.
Ich persönlich - ich spreche jetzt nicht mehr für meine Fraktion-bedauere außerordentlich, daß die Gemeinschaftsvertretung der deutschen Wirtschaft, die Vertretung von Produktion, Handel und Verkehr, nämlich der Deutsche Industrie- und Handelstag, in dieser Angelegenheit leider polemisch geworden ist. Seine Aufgabe wäre es gewesen, eine Einigung zwischen den beteiligten Gruppen herzustellen. Er hat das nicht versucht; im Gegenteil, er ist sehr böse gewesen, und er hat sich sehr gewundert, daß sich nun das andere Lager gegen eine derart einseitige Stellungnahme gewehrt hat. Wir wissen sehr genau - das ist schon in der Debatte zum Ausdruck gekommen -, daß die regionalen Kammern, insbesondere die peripheren Kammern - und dazu rechne ich in diesem Fall z. B. auch die Handelskammer in München -, durchaus nicht mit dem einverstanden sind, was von der Zentralorganisation, dem Deutschen Industrie- und Handelstag, gesagt worden ist. Ich habe früher schon ,einmal Gelegenheit gehabt, mich energisch dagegen zu wehren, daß man in einem demokratischen Staat eine andere Meinung in dieser Weise kritisiert und unter Umständen sogar die Frage stellt: Wie können Sie überhaupt dazu kommen, eine andere Meinung zu entwickeln? Das hat sich damals in der
Bundeshauptstadt in diesem Hause abgespielt. Diesmal geht die Sache leider weit darüber hinaus und spielt sich in der Gesamtvertretung der deutschen Wirtschaft, im Deutschen Industrie- und Handelstag, ab. Es tut mir außerordentlich leid, daß ich bei dieser Gelegenheit einmal so deutlich werden mußte.
Man kann natürlich eine ganze Reihe von Zeugen und Kronzeugen für die Tatsache anführen, daß der deutsche Verkehr oder überhaupt der Verkehr in der ganzen Welt anders betrachtet werden muß als Produktion und Handel. Ich will jetzt nicht den Wissenschaftlichen Beirat im Bundesverkehrsministerium zitieren. Das sind alles ehrenwerte Männer. Sie haben auch ihre unabhängige Meinung; davon bin ich überzeugt. Aber wenn man ein solches Gremium zitiert, so sieht das natürlich häufig danach aus, als ob es sich in etwa um kronjuristische Gutachten handelte. Unter vielen anderen, die ich zitieren könnte, möchte ich auf einen ausländischen Verkehrswissenschaftler, den Professor Dr. H. R. Meyer in Bern, verweisen, der über den Verkehr und seine grundlegenden Probleme mit aller Deutlichkeit sagt, daß die Verkehrswirtschaft, in ihrer Ganzheit betrachtet, überhaupt nicht zur freien Wirtschaft gehört. Man kann das bedauern - als Angehöriger einer liberalen Partei bedauere auch ich das -, aber man muß dieser Tatsache Rechnung tragen, weil die Konsequenzen, wenn man sie nicht beachtet, unabsehbar sind.
Im übrigen handelt es sich nicht nur um eine bundesrepublikanische Angelegenheit. Wir wissen sehr wohl, daß in allen Staaten der geordnete Wettbewerb eine entscheidende Rolle spielt. Das geht bis zu den Vereinigten Staaten von Amerika. Hier ist auf die EWG verwiesen worden. Ich bitte, Herr Müller-Hermann, das wirklich sehr vorsichtig zu betrachten. Wir wissen ganz genau, welche Kräfte in der EWG in erster Linie die Liberalisierung im Verkehr fordern und forcieren. Ich will die politische Situation nicht erschweren, möchte aber darauf hinweisen, daß es geographisch günstig gelegene Länder, insbesondere in der Rheinmündung, gibt, die durch eine Liberalisierung außerordentlich gewinnen können, nämlich gegen die mit großen Opfern aufgebauten deutschen Seehäfen. Das bitte ich auch einmal zu bedenken.
Zur Stützung meiner Ausführungen möchte ich auch auf gewisse internationale Verkehrsordnungen hinweisen. Die internationalen Seeschiffahrtskonferenzen und die IATA-Vereinigung auf dem Gebiet der Weltluftfahrt haben sich derart segensreich ausgewirkt, daß nur unter dieser Voraussetzung nationale Luftflotten und nationale Seeschiffahrten existieren können. Wäre beides nicht der Fall, würden die internationale Seeschiffahrt, die mit einem knappen Gewinn arbeitet, und die Luftfahrt, die kaum mit einem Gewinn, höchstens mit einer Rendite von 1 bis 2 %, arbeitet, längst nicht mehr existieren. Ich bitte Sie, sich das bei Ihren weiteren Entscheidungen stets vor Augen zu halten.
Ich darf abschließend den letzten Satz meiner Ausführungen „Warum Neuordnung des Verkehrs" zitieren. Er lautet:
Bleiben wir lieber mit den Beinen auf der Erde! Um so leichter können wir dann konjunkturellen Schwankungen begegnen. Ein zusammengebrochener Verkehr ist ebenso schwer zu sanieren, wie es schwer ist, unterbliebene Investitionen im Verkehr aufzuholen. Siehe Deutsche Bundesbahn und siehe auch den deutschen Straßenverkehr!
Also, meine Damen und Herren von der Mitte, keine unbedachten Experimente!
({3})
Ich schließe die erste Beratung der unter Punkt 7 der Tagesordnung aufgeführten fünf Gesetzentwürfe. Vorgesehen ist Überweisung an den Ausschuß für Verkehr, Post-und Fernmeldewesen - federführend - und an den Wirtschaftsausschuß zur Mitberatung. Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 5 der Tagesordnung:
a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Außenwirtschaftsgesetzes ({0}),
aa) Bericht des Haushaltsausschusses ({1}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung ({2}),
Berichterstatter: Abgeordneter Müller ({3}),
bb) Erster Schriftlicher Bericht des Außenhandelsausschusses ({4}) ({5}),
Berichterstatter: Abgeordneter Diebäkker,
({6}) ;
b) Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Überwachung strafrechtlicher und anderer Verbringungsverbote ({7}),
Zweiter Schriftlicher Bericht des Außenhandelsausschusses ({8}) ({9}),
Berichterstatter: Abgeordneter Bäumer, ({10}).
Ich danke den Herren Berichterstattern für die Schriftlichen Berichte. Wird eine Ergänzung gewünscht? - Bitte, Herr Kollege!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe lediglich einige Druckfehler zu berichtigen. Im Schriftlichen Bericht des Außenhandelsausschusses zum Außenwirtschaftsgesetz muß auf Seite 13 rechte Spalte bei der Zitierung des § 26 des Außenwirtschaftsgesetzes der dritte Satz im zweiten Absatz wie folgt lauten:
Die Rechtsverordnungen sind unverzüglich aufzuheben, soweit es der Bundestag binnen drei Monaten nach ihrer Verkündung verlangt.
Im gleichen Bericht muß auf Seite 17 linke Spalte bei der Zitierung des § 33 im zweiten Absatz das Wort „Vorschriften" durch das Wort „Rechtsverordnungen" ersetzt werden.
Schließlich liegt Ihnen ein Nachtrag zur Drucksache 2386 mit Datum vom 30. Januar vor, der den berichtigten Beschluß des Außenhandelsausschusses zu § 8 des Außenwirtschaftsgesetzes enthält. Ich kann mich darauf beschränken, auf diesen Nachtrag besonders zu verweisen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Wir treten in die Einzelberatung ein. Ich rufe auf § 1, - § 2, - § 3. - Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich, Handzeichen zu geben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich darf einstimmige Annahme feststellen.
Zu § 4 liegt ein Änderungsantrag der Abgeordneten Frau Dr. Kuchtner und Genossen vor, Umdruck 755 Ziffer 1.
Bitte, Frau Dr. Kuchtner.
Ichmöchte den Antrag zurückziehen und mich dem Antrag der Kollegen Dr. Burgbacher, Dr.-Ing. Philipp und Genossen anschließen.
Liegt dann zu § 4 kein Änderungsantrag vor? - Ist der ganze Antrag I Umdruck 755 erledigt?
({0})
- Dann können wir also über die §§ 4 und 5 abstimmen.
Wir stimmen zunächst über § 4 ab. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich, ein Zeichen zu geben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmige Annahme!
Nunmehr können wir über § 5 abstimmen. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich, ein Zeichen zu geben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmige Annahme!
§ 6! Hier liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 751 vor. Wird er begründet?
- Das ist nicht der Fall. Dann stelle ich diesen Änderungsantrag zur Abstimmung. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich, ein Zeichen zu geben. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; der Änderungsantrag ist abgelehnt.
({1})
- Enthaltungen? - Bei Enthaltungen mit Mehrheit abgelehnt.
Ich bitte diejenigen, die dem § 6 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünschen, ein Zeichen zu geben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen!
Ich rufe § 7 auf. Hier liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 752 Ziffer 1 vor. - Herr Kollege Bäumer zur Begründung des Änderungsantrages!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der § 7 des Entwurfs betrifft den Schutz der Sicherheit und der auswärtigen Interessen der Bundesrepublik. Dies ist auch unser Anliegen. Im Außenwirtschaftsgesetz sollten jedoch nicht mehr wirtschaftsfremde Gesichtspunkte als unbedingt notwendig berücksichtigt werden. Wir sind der Überzeugung, daß die Nummern 1 und 2 des Abs. 1 und der Abs. 2 des § 7 ausreichen, um den Schutz der Sicherheit und der auswärtigen Interessen zu gewährleisten.
In der Nr. 3 des Abs. 1, nach der Rechtsgeschäfte und Handlungen im Außenwirtschaftsverkehr sollen beschränkt werden können, um zu verhüten, daß die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik erheblich gestört werden, liegt die Gefahr einer zu weitgehenden Bindung der Außenwirtschaft an außenpolitische Interessen. Das Wort „erheblich", das im Ausschuß eingefügt wurde, schwächt den Sinn der Bestimmung nur unwesentlich ab. Der Bundesregierung wird hiermit eine bestimmte Entscheidungsfreiheit genommen. Wir glauben, daß sie sich in einer viel besseren Lage befinden würde, wenn diese Bestimmung überhaupt nicht bestünde. Sie erhält sich viel mehr Möglichkeiten und kann vor allen Dingen zu keiner Handlung gezwungen werden.
Gerade die Beziehungen der Bundesrepublik zu Frankreich einerseits und den nordafrikanischen Ländern andererseits lassen es uns doch geboten erscheinen, alle Vorsicht walten zu lassen. Ein Vertreter des Auswärtigen Amts, der zur Begründung des § 7 Abs. 1 Nr. 3 drei Beispiele vortrug, konnte uns nur vom Gegenteil überzeugen. Danach hatte die Bundesregierung vor längerer Zeit der Firma Telefunken die Genehmigung zur Ausfuhr von Tornister-Funkgeräten nach Tunesien verweigert, weil die französische Regierung in der Befürchtung, die Geräte könnten an die algerischen Aufständischen weitergeleitet werden, in Bonn intervenierte.
({0})
Die Bundesregierung kam dem Ersuchen der französischen Regierung nach und verbot die Ausfuhr, obwohl der tunesische Staatspräsident, Herr Bourgiba, ausdrücklich versichert hatte, daß diese Geräte für die tunesische Armee und nicht zum Reexport nach Algerien bestimmt seien. Wir möchten bezweifeln, ob es richtig ist, die Glaubwürdigkeit eines jungen afrikanischen Staates, der doch gewillt ist, sein Volk in demokratischem Sinne zu regieren, in Frage zu stellen.
({1})
Ferner müssen wir uns überlegen, ob wir nicht alle Veranlassung haben, den guten Ruf und die Sympathie, die wir noch bei den jungen afrikanischen Staaten besitzen, pfleglichst zu behandeln.
§ 7 Abs. 1 Nr. 3 läßt aber befürchten, daß die Wirtschaft und das für sie zuständige Ministerium viel zu stark in den Sog des Auswärtigen Amtes und des Kanzleramtes geraten.
({2})
Der Sinn unseres Antrages ist also, daß im Außenwirtschaftsgesetz wirtschaftsfremde Gesichtspunkte sowenig wie möglich berücksichtigt werden.
Auch der Wirtschaftsausschuß des Deutschen Bundestages hat mit Schreiben vom 25. März 1960 empfohlen, die Bestimmung in § 7 Abs. 1 Nr. 3 zu streichen. Wir glauben, daß wir uns in guter Gesellschaft befinden, und bitten, unserem Antrag die Zustimmung zu geben.
({3})
Wird dazu weiter das Wort gewünscht? -- Bitte, Herr Kollege Dr. Löhr!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann. der Begründung des Antrages der SPD leider nicht beipflichten. Ich möchte grundsätzlich darauf hinweisen, daß unseres Erachtens die Bestimmung des § 7 Abs. 1 Nr. 3 in der Ausschußfassung unumgänglich notwendig ist. Hier wird einwandfrei festgestellt, daß die ungestörten auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik dem privatwirtschaftlichen Interesse bei Aus- oder Einfuhrgeschäften übergeordnet sind. Dieser Gesichtspunkt muß von uns anerkannt werden und wird auch anerkannt. Infolgedessen ist es nicht möglich, dem Ansinnen zu entsprechen. Dem Verordnungsgeber muß vielmehr die Möglichkeit eingeräumt werden, im Falle des § 7 Abs. 1 Nr. 3 Beschränkungen vorzunehmen.
Die ferner von der Opposition geäußerte Befürchtung, § 7 Abs. 1 Nr. 3 könnte andere Staaten in die Lage versetzen, auf die Bundesregierung diplomatisch motivierte Pressionen auszuüben, kann, Herr Kollege Bäumer, nur eine Hypothese sein, zu der man nicht ja und nicht nein sagen kann. Ich lege Wert darauf, ausdrücklich zu betonen, daß eine etwaige Berufung auf § 7 Abs. 1 Nr. 3 bedeuten würde, daß diese Berufung für eine fremde Regierung nicht als ein zusätzliches Druckmittel zu dem, was sie an diplomatischen Vorstellungen bereits hat, anzusehen wäre. Die Bundesregierung wird im Einzelfall immer abwägen müssen, ob die wirtschaftlichen Interessen oder die auswärtigen Beziehungen vorgehen. Deshalb würde ein Fortfall der Nr. 3 der Bundesregierung im Falle etwaiger Pressionen die Hände fesseln, und es bestünde keine Möglichkeit mehr, entsprechend wirksam zu reagieren.
Aus diesem Grunde bitte ich, dem Änderungsantrag der SPD Umdruck 752 Ziffer 1 auf Streichung der Nr. 3 des Abs. 1 nicht zu entsprechen.
Wir können dann über den erwähnten Antrag Umdruck 752 Ziffer 1 abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich, das Zeichen zu geben. - Gegenprobe! - Das zweite ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich stelle dann § 7 in der Ausschußfassung, ferner die §§ 8, - 9, - 10, - 11, - 12, - 13, - 14 und 15 zur Abstimmung. - Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich, das Zeichen zu geben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmige Annahme.
Ich rufe § 15a auf.
({0})
- § 7 war ebenfalls zur Abstimmung aufgerufen.
({1})
- Der war abgelehnt. Wünschen Sie eine gesonderte Abstimmung über § 7?
({2})
Zu § 15a liegt ein Streichungsantrag auf Umdruck 752 Ziffer 2 vor. Zur Begründung Herr Abgeordneter Bading!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei dem § 15a handelt es sich um einen erst im Verlauf der Ausschußverhandlungen eingefügten Paragraphen. Die Einfügung geht auf einen Antrag unseres Kollegen Unertl - also von bayerischer Seite - zurück. Dem Antrag liegt ein Fall zugrunde, in dem eine bestimmte Brauerei die Herstellungs- und Vertriebsrechte ihrer Erzeugnisse nach dem Ausland verkauft hat.
({0})
Wir verstehen durchaus den Ärger, der mit diesem Verkauf der Vertriebsrechte innerhalb des bayerischen Brauereigewerbes entstanden ist. Aber wir müssen doch die Frage aufwerfen, ob eine Wiederholung dieses Ärgernisses durch einen solchen Paragraphen, wie er vorgeschlagen und vom Ausschuß beschlossen worden ist, tatsächlich verhindert werden kann.
Es handelt sich um Lizenzen für die Herstellung und den Vertrieb einer Ware aus einem bestimmten Herkunftsgebiet. Aus der Rechtsnatur eines geographischen Herkunftsgebietes ergibt sich aber, daß eine Lizenz, die darüber irgend etwas aussagt, gar nicht wirksam zum Gegenstand einer solchen Benutzung gemacht werden kann, sofern es sich um eine echte Herkunftsbezeichnung und nicht nur um eine gar nicht schutzfähige Gattungsbezeichnung wie z. B. „Schweizer Käse" handelt. Der vorgeschlagene Paragraph bezieht sich somit auf eine Rechtsgrundlage, die eigentlich gar keine materiellrechtliche Wirkung nach außen haben kann.
Wir sind trotzdem der Ansicht, daß eine Verstärkung des Schutzes der Herkunftsangaben zweifellos notwendig ist. Wir glauben jedoch, daß dieses Ziel viel wirksamer erreicht werden kann, wenn wir auf dem bisher schon beschrittenen Wege des Abschlusses zweiseitiger Abkommen über den Schutz von Bezeichnungen weitergehen. Die Bundesregierung hat bereits ein solches Abkommen mit Frankreich abgeschlossen. Ein anderes Abkommen mit Italien ist in Vorbereitung, und es wird erwogen, auch mit anderen Ländern solche Abkommen zu schließen. Auch die betroffene Industrie hat durchaus zugegeben, daß durch solche zweiseitigen Abkommen ein besserer Schutz erreicht werden kann. Wir ,haben also unseren Antrag auf Streichung des
§ 15 a - Herstellungs- und Vertriebsrechte - eingebracht, weil wir glauben, daß dem berechtigten Schutz der deutschen Industrie besser gedient ist, wenn auf dem Wege des Abschlusses zweiseitiger Abkommen fortgeschritten wird.
({1})
Herr Dr. Löhr hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Bading, wenn Sie sich an die entsprechenden Ausschußberatungen erinnern wollen: Wir haben doch damals - ich glaube, ziemlich übereinstimmend - festgestellt, daß derartige bilaterale Vereinbarungen sehr zeitraubend sind und daß es zwischenzeitlich doch besser wäre, wenn eine generelle Lösung von der sachlichen Seite her allgemeinverbindlich getroffen werden könnte,
({0})
- Nein, das glaube ich nicht, Herr Kollege Bading. Ich bin der Meinung, daß das nicht der Fall sein wird.
Sie haben soeben bei Ihrer Antragsbegründung sehr speziell auf einen Fall abgestellt. Zur Klarstellung möchte ich noch einmal versichern, daß es sich bei diesem § 15 a nicht um eine Beschränkung von Lizenzvergaben für ein Herstellungsverfahren handelt. Daran ist nicht gedacht. Es geht um die Möglichkeit, Lizenzvergaben mit eindeutig geographischem Charakter einzuschränken, um andere Firmen aus dem gleichen Bereich vor nachhaltigen Schädigungen zu bewahren. In diesen Fällen, wo also nicht lizenzvergebende Unternehmen, sondern Produzenten gleicher Branche durch das ausländische Erzeugnis mit deutscher Ursprungsbezeichnung geschädigt werden können, soll eine Beschränkung zulässig sein, Dieser allgemeine Charakter der Bestimmung war der Anlaß dazu, daß sich die Ausschußmehrheit für die Annahme des vorliegenden § 15 a aussprach.
Ich möchte deshalb namens meiner Fraktion das Hohe Haus bitten, dem Änderungsantrag Umdruck 752 Ziffer 2 auf Streichung des § 15 a nicht zu entsprechen und § 15 a in der Ausschußfassung anzunehmen.
Keine weiteren Wortmeldungen. Wir stimmen dann über § 15 a ab. Wer ihm in der Fassung des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich, ein Zeichen zu geben. - Gegenprobe! Enthaltungen? - § 15 a ist angenommen.
Ich rufe auf §§ 16, - 17, - 17 a, - 18, - 19, -20, - 21, - 22, - 23, - 24. - Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich, Zeichen zu geben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmige Annahme.
§ 25 entfällt.
Zu § 26 liegt der Änderungsantrag Umdruck 752 Ziffer 3 vor. Wird er begründet? - Bitte, Herr Kollege Bäumer!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als uns dieser Gesetzentwurf Ende 1959 vorgelegt wurde und wir nach der ersten oberflächlichen Durchsicht gleich feststellen konnten, daß sich die Bundesregierung mit § 26 eine Ermächtigung schaffen wollte, um die ganze Außenwirtschaft allein zu bestimmen, haben wir uns gleich gesagt: das wird auch von den anderen Parteien wahrscheinlich nicht akzeptiert.
In dem Gesetzentwurf, der entgegen dem abzulösenden Gesetz Nr. 53, dem sogenannten Devisenbewirtschaftungsgesetz, vom Grundsatz der Freiheit im Außenwirtschaftsverkehr ausgeht, sind bestimmte Beschränkungen durch die im Gesetz stehenden Einfuhrlisten enthalten. Im übrigen sind jedoch Beschränkungsmöglichkeiten auf allen Gebieten des Außenwirtschaftsverkehrs mit politischen und wirtschaftlichen Begründungen durch Erlaß von Rechtsverordnungen vorgesehen. Somit ist dieses Gesetz nur ein Rahmengesetz oder ein Mantelgesetz, welches erst durch die noch zu erlassenden Rechtsvorschriften oder Rechtsverordnungen den wahren Inhalt erhält. Die Zuständigkeit zum Erlaß dieser Rechtsverordnungen hat sich die Bundesregierung im Entwurf allein vorbehalten.
Dagegen wandten sich der Bundesrat, aber auch alle Parteien im Ausschuß. Durch die zu Beginn der Beratung im Ausschuß einsetzende langwierige Grundgesetzdebatte zwischen Bundesregierung und Bundesrat verzögerte sich die Beratung sehr, und da keine Einigung erzielt wurde, weil die Bundesregierung an ihrem Standpunkt festhielt, wurde die Beratung des § 26 zuerst zurückgestellt und schwebte so als gewisser Unsicherheitsfaktor über den weiteren Verhandlungen im Ausschuß.
In Verbindung hiermit möchte ich einmal erwähnen, daß es nicht der reinen Wahrheit entsprach, wenn der Staatssekretär Professor Carstens in einer Fragestunde auf die Frage des Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen, warum die Bundesregierung noch kein Gesetz, welches die Ausfuhr von Kriegswaffen und Kriegsgeräten regelt, vorgelegt habe, andeutete, daß dieses Gesetz schon sehr lange in der Beratung des Bundestages sei; denn er verschwieg, daß die Bundesregierung jahrelang diesen Entwurf beraten hatte und durch hartnäckiges Beharren auf ihrem Entwurf in der Ausschußberatung eine weitere Verzögerung eintrat.
({0})
Im Verlauf der weiteren Beratungen wurden dann die verschiedensten Mitwirkungsmöglichkeiten für den Bundestag, also für das Parlament, diskutiert. Unter anderem wurde die Mitwirkung des Beirates für handelspolitische Vereinbarungen, in dem Bundesrat und Bundestag vertreten sind, vorgeschlagen sowie auch die Mitwirkung des Bundestages über den § 96 a der Geschäftsordnung, wie das auch bei der Behandlung von dringenden Zollvorlagen der Fall ist.
Wir befanden uns gerade mit dieser Auffassung im Ausschuß in bester Gesellschaft; denn auch der Rechtsausschuß hatte empfohlen, nach § 96 a der Geschäftsordnung zu verfahren,
Die Bundesregierung wehrte sich gegen all diese Vorschläge mit der Begründung, daß sie (in den handelspolitischen Entschließungen und Handlungen freie Hand behalten müsse. Ein Vorbehalt der Zustimmung durch parlamentarische Körperschaften würde ihre Verhandlungsfreiheit zu sehr einengen. Die Bundesregierung war nach Absprache mit der Regierungspartei nur bereit, eine nachträgliche Stellungnahme des Bundestages, wie sie die Ausschußfassung nunmehr vorsieht, in Kauf zu nehmen. Da es sich aber doch nicht immer um unvorhergesehene und eilige Fälle handelt, sondern auch um notwendige Beschränkungen im Außenwirtschaftsverkehr, die vorher zu übersehen sind, wollen wir mit unserem Antrag eine Brücke bauen und erreichen, daß die Rechte des Parlaments weitgehend gesichert werden und nur in eilbedürftigen Fällen die Möglichkeit der nachträglichen Stelungnahme des Bundestages gegeben ist.
Als Beispiel möchte ich folgendes anführen. Da das Gesetz beim Inkrafttreten mit dem Erlaß von Rechtsverordnungen verbunden sein wird, wäre reichlich Gelegenheit geboten, den Bundestag mitwirken zu lassen. Ob die Bundesregierung es tut, liegt nach der Ausschußfassung 'in ihrem Ermessen; verpflichtet ist sie nicht.
Durch unseren Antrag werden die Rechte des Bundesrats nicht geschmälert, aber die Rechte des Bundestages weitestmöglich erhöht. Ich nehme an, daß auch Sie die Rechte des Parlaments soweit wie möglich gewahrt wissen wollen. Daher bitte ich Sie, unserem Antrag zuzustimmen.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Löhr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der § 26 betrifft den Erlaß von Rechtsverordnungen durch die Bundesregierung auf dem Gebiet des Außenhandels in seinen Bestandteilen des allgemeinen Warenverkehrs, des Dienstleistungsverkehrs und auch des Kapitalverkehrs. Danach ist dieses auf der Grundlage einer freiheitlichen Wirtschaftsordnung beruhende Gesetz in der Tat, wie der Herr Begründer des Änderungsantrages bereits gesagt hat, als Rahmengesetz aufzufassen.
Der Herr Kollege Bäumer hat in seiner Begründung ausgeführt, daß es der Bundesregierung bei der Erarbeitung der Regierungsvorlage darauf angekommen sei, sich eine Ermächtigung zu schaffen. Demgegenüber möchte ich mit Nachdruck darauf hinweisen, daß die Regierungen aller westlichen Länder Verhandlungen bilateraler oder multilateraler Art zur Einschränkung des liberalen Waren-, Kapital- oder Dienstleistungsverkehrs führen, ohne jeweils vorher vom Parlament eine Genehmigung hierfür zu erbitten.
Bei den Rechtsverordnungen, auf denen die Einschränkung der freiheitlichen Außenhandelsverkehrsordnung beruht, kann sich unter Umständen die Notwendigkeit ergeben, schnell zu handeln. Die Bundesregierung kann in solchen Fällen keinesfalls auf die Zustimmung des Deutschen Bundestages warten. Dies entspricht ganz und gar der Bedeutung und der Vielschichtigkeit der gesamten Gesetzesmaterie. In vielen Fällen wird es darauf ankommen, Verordnungen vorzubereiten und zu erlassen, ohne daß interessierte Kreise vorher davon erfahren, weil sonst der Zweck der Verordnung beeinträchtigt werden könnte.
({0})
Dies gilt vor allem für jene Verordnungen, die die Sicherung unserer Währung zum Gegenstand haben. - Ach, Herr Schmitt, Sie unterstellen der Bundesregierung immer Dinge, die, umgekehrt, Ihnen viel adäquater wären!
({1})
- Verzeihen Sie, Herr Schmitt, es erübrigt sich, auf diese banale Bemerkung einzugehen.
({2})
- Meine Feststellung war aber doch objektiv richtig gewesen!
({3})
Daneben gilt dies für alle Rechtsverordnungen, die die Abwehr oder die Bekämpfung einer rezessiven Konjunktur zum Gegenstand haben. In allen diesen Fällen muß besonders darauf geachtet werden, daß weder Interessenten noch andere unmittelbar Betroffene vorher von der beabsichtigten Maßnahme Kenntnis erhalten.
Gleichzeitig muß aber auch - und da gebe ich dem Herrn Kollegen Bäumer voll und ganz recht - dem Kontrollrecht des Parlaments in gebührender Weise Rechnung getragen werden. Daher hat sich der Ausschuß während der Beratung auch zu einem solchen Kontrollrecht des Bundestages voll und ganz bekannt. Die jetzige Fassung des Außenwirtschaftsgesetzes sieht vor, daß Rechtsverordnungen unverzüglich nach Verkündung dem Bundestag zuzuleiten sind, der dann binnen drei Monaten Änderungen bzw. die Aufhebung der Verordnung verlangen kann. Diese Regelung soll nicht gelten, wenn es sich um Verordnungen handelt, die in Erfüllung von Verpflichtungen oder Rechten aus zwischenstaatlichen Vereinbarungen, die vom Bundestag ratifiziert wurden, erlassen werden. In diesen Fällen hat die Mitwirkung des Bundestages ihren Ausdruck bereits in der Ratifizierung gefunden.
Auf die Besonderheiten im Hinblick auf den Bundesrat und seine Mitwirkung möchte ich hier nicht
80%
Löhr
eingehen. Sie haben im Außenhandelsausschuß ebenfalls eingehend zur Debatte gestanden. Wir sind der Überzeugung, daß in der jetzigen Ausschußvorlage eine den Bundesrat befriedigende Lösung gefunden worden ist.
Ich mußte als Letztes noch feststellen, daß eine noch weitergehende Beteiligung des Bundestages nach der Zielsetzung des Gesetzes nicht möglich gewesen ist. Die Mitwirkung des Bundestages vor dem Erlaß der Rechtsverordnung verbietet sich nicht nur aus den erläuterten Gründen; ein solches Verfahren würde auch eine 'erhebliche Einschränkung der Handlungsfähigkeit und der Verhandlungselastizität der Bundesregierung darstellen. Vergleiche etwa mit dem Zollrecht sind nicht zutreffend.
Die Kompromißlösung zwischen einer vollständigen Delegierung des Verordnungsrechtes an die Bundesregierung ohne Mitwirkung des Bundestages und der handelspolitischen Unbeweglichkeit der Bundesregierung bei einer Beteiligung des Bundestages vor dem Erlaß der Verordnung dürfte mit dieser Fassung gefunden sein. Darum bitte ich das Hohe Haus um Zustimmung zu der vorliegenden Ausschußfassung. Gleichzeitig bitte ich, den Änderungsantrag Umdruck 752 Ziffer 3 abzulehnen.
({4})
Das Wort hat der Abgeordnete Margulies.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei dem § 26 geht es um den Angelpunkt 'der ganzen Sache; denn das Gesetz besteht ja nur aus Ermächtigungen zum Erlaß von Rechtsverordnungen und sehr, sehr umfangreichen Strafvorschriften. Wenn wir uns die Frage der Rechtsverordnungen noch einmal genauer überlegen, dann scheint mir das, was jetzt beantragt wird, doch sehr angemessen zu sein. Ich kann deshalb den Ausführungen meines Freundes Löhr in diesem Falle in keiner Weise zustimmen.
Ich darf daran erinnern, daß die Bundesregierung in dem Gesetzentwurf überhaupt keine Mitwirkung des Bundestages vorsah. Nur der geduldigen Arbeit unseres Ausschußvorsitzenden, Herrn Dr. Serres, ist es zu danken, daß eine Formel hineingebracht wurde, aber sie ist dann in letzter Minute wieder durch allerhand Zusätze verschlechtert worden. Ich muß sagen, daß die durch den Änderungsantrag Umdruck 752 vorgeschlagene Formulierung wesentlich mehr den Vorstellungen des Ausschusses entspricht als die Formulierung in der Ausschußvorlage.
Nur in einem Punkt bin ich nicht ganz einverstanden. Was heißt schon „eilbedürftig"?! Bei den Zollvorlagen stellt das Herr Dr. Bolder fest: sie sind eilbedürftig, der Bundestag muß springen.
({0})
Ich würde vorschlagen, daß man statt dessen sagt:
In den Fällen, in denen einer Beeinträchtigung der Kaufkraft der Deutschen Mark entgegengewirkt oder das Gleichgewicht der Zahlungsbilanz sichergestellt werden muß, kann die Zustimmung des Bundestages nachträglich eingeholt werden.
Dann haben Sie die eiligen Fälle so umschrieben, wie es auch Herr Dr. Löhr verlangt hat, und die Rechtsverordnungen, die tatsächlich eilbedürftig sind, können schneller erlassen werden; dem Petitum ist damit Rechnung getragen.
Im übrigen wollen wir die Rechte des Parlaments, die von der Bürokratie immer wieder angeknabbert werden, gemeinsam wahren. Wir sollten deshalb dem Antrag Umdruck 752 mit dieser Änderung zustimmen, um zu einer Regelung zu kommen, die einerseits dem Anliegen der Regierung, andererseits aber auch den Bedürfnissen dieses Hauses Rechnung trägt.
({1})
Der Abgeordnete Margulies will also eine Änderung Ihres Änderungsantrages anregen. Nehmen Sie das auf, Herr Kollege?
Wir sind damit einverstanden.
Dann würde also der § 26 Abs. 2 nach dem Änderungsantrag Umdruck 752 lauten:
Um einer Beeinträchtigung der Kaufkraft der 'Deutschen Mark entgegenzuwirken oder das Gleichgewicht der Zahlungsbilanz sicherzustellen, kann . . .
- Es paßt nicht recht zusammen, Herr Kollege Margulies. Wollen Sie so sagen:
In Fällen, in welchen es notwendig ist, einer Beeinträchtigung der Kaufkraft der Deutschen Mark entgegenzuwirken oder das Gleichgewicht der Zahlungsbilanz sicherzustellen, kann die Zustimmung des Bundestages nachträglich eingeholt werden.
Wird die Änderung so von der SPD übernommen?
({0})
Keine weiteren Wortmeldungen? - Ich stelle dann also den Änderungsantrag Umdruck 752 Ziffer 3 in dieser Fassung des § 26 Abs. 1 und 2 zur Abstimmung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich, ein Zeichen zu geben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Es besteht keine Klarheit im Präsidium über das Ergebnis der Abstimmung. Ich bitte, die Abstimmung durch Aufstehen zu wiederholen. Wer dem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Das zweite ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich stelle den § 26 in der Ausschußfassung zur Abstimmung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich, das Zeichen zu geben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Angenommen!
Ich rufe auf die §§ 27, - 27 a, - 28, - 29, -30, - 31, - 32, - 33, - 34, - 35, - 36, - 37, -37a,-38,-39,-40,-41,-42,-43.-Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich, das Zeichen
Vizepräsident Dr. Dehler
zu geben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmige Annahme.
§ 44 entfällt. - Darf ich feststellen, daß zu § 45 keine Änderungsanträge vorliegen? - Dann rufe ich auf die §§ 45, - 46, - 47, - 48, - § 49 entfällt - 50, - § 51 entfällt - 52, - Einleitung und Überschrift. - Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich, das Zeichen zu geben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich kann einstimmige Annahme feststellen.
Damit ist die zweite Beratung geschlossen. Ich eröffne die
dritte Beratung.
Allgemeine Aussprache! Das Wort hat der Abgeordnete Diebäcker.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das heute zur Verabschiedung anstehende Gesetz, das übrigens die erste Kodifikation des Außenwirtschaftsrechts in einem Land der westlichen Welt darstellt, wird in der öffentlichen Diskussion oft ein wenig anspruchsvoll als die Magna Charta des deutschen Außenhandels bezeichnet. Das mag im Hinblick auf den Gehalt dieses Gesetzes übertrieben klingen, zeigt aber doch, was die Öffentlichkeit, insbesondere die Wirtschaft, von diesem Gesetz erwartet.
In der Tat ist ja auch der augenblickliche Zustand auf dem Gebiet des Außenwirtschaftsrechts sehr unbefriedigend. Noch gilt hier Besatzungsrecht, das vom Verbot des Außenwirtschaftsverkehrs mit der Möglichkeit der Erteilung einer Ausnahmegenehmigung ausgeht. Durch erfreulich zahlreiche Ausnahmegenehmigungen ist zwar der Verbotsgrundsatz weitgehend durchlöchert, die gesamte Rechtsmaterie aber sehr unübersichtlich geworden.
Die Neuregelung des Außenwirtschaftsrechts kommt damit einem dringenden praktischen Bedürfnis nach. Sie ist weithin geradezu eine Notwendigkeit, wenn man bedenkt, daß erhebliche verfassungsmäßige Bedenken gegenüber dem zur Zeit geltenden Recht bestehen, so daß es in zahlreichen Fällen bereits zur Anrufung des Bundesverfassungsgerichts gekommen ist. Meine politischen Freunde begrüßen es, daß endlich dieser unklare Rechtszustand beseitigt wird. Wir begrüßen es vor allem, daß in § 1 des Gesetzentwurfs der Grundsatz der Freiheit als beherrschendes Prinzip des Außenwirtschaftsverkehrs herausgestellt worden ist, selbst wenn durch die nachfolgenden Paragraphen die Möglichkeit gegeben wird, diese Freiheit, wenn auch aus sehr zwingenden Gründen, einzuschränken.
Die in § 1 getroffene Feststellung, daß der Außenwirtschaftsverkehr grundsätzlich frei sei, ist auch um deswillen so wichtig, weil damit meines Erachtens eine das ganze Gesetz beherrschende Auslegungsregel gegeben ist. Das Gesetz ist im übrigen, wenn man einmal von § 10 absieht, ein Rahmengesetz - wie das eben schon betont wurde -, das die Grenzen absteckt, innerhalb derer die Freiheit des Außenwirtschaftsverkehrs eingeschränkt werden kann. Es enthält derartige Einschränkungen nicht
unmittelbar. Die Einschränkungen sollen vielmehr' im Wege der Rechtsverordnung vorgenommen werden können. In der ursprünglichen Fassung des Regierungsentwurfs war vorgesehen, daß diese Rechtsverordnungen von der Bundesregierung erlassen werden. An eine Mitwirkung des Parlaments war dabei nicht gedacht.
Hier wird eine Frage angeschnitten, die im Hinblick auf den Umfang und die gesamtwirtschaftliche Bedeutung der Rechtsverordnung von großer Wichtigkeit ist und ein Kernproblem des neuen Gesetzes überhaupt darstellt, wie das vorhin in der zweiten Lesung schon zum Ausdruck gebracht wurde. Wir sind in der CDU/CSU-Fraktion der Auffassung, daß es nicht den politischen Prinzipien dieses Hohen Hauses entsprechen würde, wollte man die Konkretisierung aller außenwirtschaftlichen Beschränkungen lediglich in die Hände der Bundesregierung legen. Es ist hier allerdings auch das zu berücksichtigen, was mein Kollege Dr. Löhr soeben schon sagte: daß die weitaus meisten Regierungen, mit denen die Bundesregierung in zwischenstaatlichen Wirtschaftsverhandlungen zu tun hat, solche außenwirtschaftsrechtlichen Erklärungen verbindlich und auch endgültig abgeben können. Aus diesem Grunde muß auch der Bundesregierung bei zwischenstaatlichen Wirtschaftsverhandlungen ein gewisses Maß an Handlungsfreiheit zuerkannt werden, wenn man nicht ihre Position in solchen Verhandlungen entscheidend schwächen will. Auf der andern Seite sollte aber das Parlament angesichts der erheblichen Bedeutung, die ein freier Außenhandel für die deutsche Volkswirtschaft hat, seine Mirtwirkungsrechte nicht allzu sehr einschränken.
Der in den Ausschußberatungen gefundene Ausweg, wonach die Bundesregierung die Rechtsverordnungen unverzüglich nach ihrer Verkündung dem Bundestag mitzuteilen hat und dieser dann innerhalb einer Frist von drei Monaten die Aufhebung der Rechtsverordnungen verlangen kann, ist meines Erachtens ein sehr brauchbarer Kompromiß zwischen der Forderung nach weitestmöglicher Beteiligung des Parlaments einerseits und dem Verlangen der Regierung andererseits, ihr bei außenwirtschaftlichen Verhandlungen den notwendigen Spielraum zu belassen und ihr damit vor allem auch die Möglichkeit zu geben, in dringlichen Fällen schnell zu handeln. Daß die Bundesregierung in den Fällen, in denen sie in Erfüllung von Verpflichtungen aus zwischenstaatlichen ratifizierten Vereinbarungen handelt, die entsprechenden Rechtsverordnungen dem Bundestag nicht mehr zuleitet, sollte, so meine ich, gutgeheißen werden. Es handelt sich ja hier um Abmachungen, denen der Bundestag bereits sein Plazet gegeben hat.
Meine Damen und Herren! Die auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen können unter Umständen sehr weitgehend in das Wirtschaftsleben eingreifen. Die Wirtschaft hat deswegen auch ein berechtigtes Interesse daran, daß auf dem Gebiete der Erteilung von Ausnahmegenehmigungen eine Regelung getroffen wird, die durch möglichste Betriebsnähe eine sachlich gerechtfertigte und den tatsächlichen Verhältnissen des
i Antragstellers entsprechende Entscheidung sicherstellt. Es ist daher erfreulich, festzustellen, daß die ursprüngliche Absicht, bei der Genehmigungserteilung in erster Linie zentrale Bundesdienststellen einzuschalten, nicht verwirklicht worden ist. Wir begrüßen es, daß auf Grund eines Vorschlags des Bundesrates Zuständigkeiten der Länder auf dem Gebiete der Genehmigungserteilung und in gewissen Grenzen auch auf dem Gebiete der Überwachung vorgesehen sind. Es bleibt hier im wesentlichen bei der bisherigen Zuständigkeitsverteilung zwischen Bund und Ländern. Daß auf diese Weise auch der Verkehr der Wirtschaft mit den Genehmigungsstellen erheblich vereinfacht wird, liegt auf der Hand.
Der Entwurf bietet - was meines Erachtens ebenfalls sehr zu bejahen ist - keine Möglichkeit zur Einführung einer Devisenbewirtschaftung. Hiervon ist bewußt abgesehen worden. Beschränkungen sollen in den gesetzten Grenzen zum Schutz der Wirtschaft, im Interesse der Versorgung der Bevölkerung sowie im Interesse der Sicherheit zulässig sein, nicht aber eine davon unabhängige Regelung des Devisenverkehrs ermöglichen, die als ein nicht gerechtfertigter staatlicher Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit angesehen werden muß.
Wir begrüßen es ferner, daß die Vorschriften über die Einfuhr von staatsgefährdendem Schriftenmaterial gestrichen und zu einem besonderen Gesetzentwurf zusammengefaßt worden sind. In der Tat stehen diese Vorschriften ja nur in einem geringen Zusammenhang mit dem eigentlichen Außenwirtschaftsrecht. Es würde mit solchen Bestimmungen auch die ganze Problematik des Interzonenhandelsverkehrs wiederaufgerollt werden. Wir vertreten idie Auffassung, daß der Interzonenhandels-verkehr kein Außenwirtschaftsverkehr ist. Bestimmungen über die Einfuhr von staatsgefährdendem Material passen eben nicht in die Konzeption eines Außenwirtschaftsgesetzes hinein.
Unbefriedigend gelöst bleibt jedoch noch die Frage der Gebühren für die Erteilung der Genehmigungen. Leider konnte die bei den Beratungen gegebene Anregung, für die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen Gebührenfreiheit vorzusehen, nicht verwirklicht werden, da der Haushaltsausschuß keine Deckungsmöglichkeiten für den Gebührenausfall sah. Andererseits darf aber die Verabschiedung des Gesetzes wegen dieses Punktes nicht verzögert werden.
Ich habe an Sie alle den sehr dringenden Wunsch, der Entschließung des Ausschusses zuzustimmen, die dahin geht, die Bundesregierung zu ersuchen, in dem von ihr beabsichtigten Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der öffentlichen Gebühren für die Erteilung von Genehmigungen nach dem Außenwirtschaftsgesetz Gebührenfreiheit vorzusehen. Es geht meines Erachtens einfach nicht an, daß man in diesem Gesetz das Prinzip der Freiheit des Außenwirtschaftsverkehrs proklamiert, um dann auf der anderen Seite von demjenigen, dem diese Freiheit durch eine Ausnahmegenehmigung gewährt wird, noch Gebühren zu verlangen.
Trotz dieser Unebenheit sind wir aber doch im übrigen der Ansicht, daß der Entwurf nach den sehr gründlichen Beratungen im Außenhandelsausschuß sowie in den übrigen Ausschüssen nunmehr eine ausgereifte Form gefunden hat. Ich darf an dieser Stelle auch dem Vertreter des Bundeswirtschaftsministeriums danken, der mit so viel Fleiß und Sachverstand bei den langwierigen Beratungen im Außenhandelsausschuß mitgewirkt hat. Mit dem Gesetz ist unseres Erachtens die Möglichkeit gegeben, die sehr schwierige Materie des Außenwirtschaftsverkehrs in einer Weise zu regeln, wie das den berechtigten und ausgewogenen Belangen von Staat und Wirtschaft entspricht. Das Hohe Haus sollte daher, so meine ich, dem Gesetzentwurf seine Zustimmung geben.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Bading.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es besteht wohl im ganzen Hause keine Meinungsverschiedenheit darüber, daß ein Außenwirtschaftsgesetz notwendig ist, und zwar nicht nur deswegen, weil wir hier einmal zu einer deutschen Gesetzgebung kommen müssen, sondern auch, weil alles das zusammengefaßt werden muß, was eben aufaußenwirtschaftlichem Gebiet vor sich geht und zu regeln ist.
Es ist sehr erfreulich, daß wir vom Verbotsprinzip: „Alles ist verboten; nur einige Sachen sind erlaubt" übergegangen sind zum Freiheitsprinzip: „Alles ist erlaubt, Verbote nur dort, wo es unbedingt notwendig ist".
Herr Kollege Diebäcker hat gesagt, daß man dieses Gesetz bereits die „Magna Charta" des deutschen Außenhandels nennt. Ich möchte nicht so weit gehen; Sie sind ja auch nicht so ganz sicher gewesen.
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- Ja, etwas übertrieben. Auch ich muß sagen, daß es nicht zweckmäßig ist, das Gesetz als Magna Charta zu bezeichnen, wenn sich auch alle Beteiligten wahrscheinlich große Mühe gegeben haben, etwas Vernünftiges aus dem Regierungsentwurf zu machen. Der Regierungsentwurf ist in vielen entscheidenden Punkten, wenn auch nicht völlig geändert, so doch zumindest abgeändert worden. Es bleibt jedoch manches zu kritisieren. Wenn man das Verhältnis zwischen freiheitlichen Deklarationen und Verbotsdeklarationen betrachtet, stellt man fest, daß das Häufchen der freiheitlichen Deklarationen sehr klein und der Haufen der Verbotsdeklarationen sehr viel größer ist.
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Das liegt natürlich in der Natur der Sache, aber ich bedauere, daß z. B, das Wort „Transithandel" und eine Erklärung, daß der Transithandel in Deutschland grundsätzlich frei sein soll und keinerlei Beschränkungen unterliegt, in dem Gesetz fehlt, daß das Wort „Transithandel" durch die Änderung des § 14 sogar ganz aus dem Gesetz herausgekommen ist.
Herr Kollege Margulies hat schon darauf hingewiesen, daß der § 26 - Rechtsverordnungen - der kritische Punkt des gesamten Gesetzes ist. Ich glaube, daß sich gerade in diesem Punkt die Geister etwas scheiden. Ich konnte zu meiner großen Freude feststellen und mit mir auch meine Fraktionskollegen, daß zunächst, also bei der ersten Lesung des Gesetzentwurfs, eine viel größere Einmütigkeit darüber bestand, daß es notwendig ist, das Parlament entscheidend an der Durchführung des Gesetzes zu beteiligen, weil dieses Gesetz seiner Natur nach nun einmal ein Ermächtigungsgesetz ist und auch sein muß. Diese Tatsache müßte uns aber geradezu verpflichten, nun darauf zu achten, daß die Rechtsverordnungen, die von der Bundesregierung auf Grund dieses Gesetzes erlassen werden können, im Einvernehmen mit dem Parlament erlassen werden. Ich halte es für notwendig, das hier zu sagen, weil innerhalb der jetzigen Bundesregierung doch sehr starke Bestrebungen bestehen, eine immer größere Macht an die Exekutive zu geben und das Parlament in seinen Entscheidungen einzuengen. Selbstverständlich kann man der Bundesregierung bei Handelsvertragsverhandlungen nicht die Hände binden; die Regierung muß in dieser Beziehung eine gewisse Freiheit haben, um die Verhandlungen überhaupt mit vernünftiger Zielsetzung und mit einem guten Erfolg zu Ende führen zu können.
Herr Kollege Diebäcker hat gesagt, daß das Parlament nach der Ausschußvorlage ja sein Kontrollrecht behalte. Das scheint mir etwas zu wenig zu sein. Das Parlament ist kein Rechnungshof, das Parlament ist eine bestimmende Körperschaft, und infolgedessen ist es notwendig, daß es bei den wichtigen Rechtsverordnungen, die dieses Gesetz überhaupt erst konkretisieren, sein Wort mitzusprechen hat.
Es sind doch sehr entscheidende Fragen, die durch dieses Gesetz geregelt werden können. Ich möchte in der dritten Lesung nicht mehr im einzelnen darauf eingehen, um auch Ihre Zeit nicht allzu stark in Anspruch zu nehmen. Ich darf Sie aber z. B. auf den § 8 verweisen, der die Warenausfuhrbestimmungenenthält und in dem die Regierung das Recht bekommt, Verordnungen zu erlassen, die starke Beschränkungen zugunsten einzelner Wirtschaftszweige vorsehen.
Ein Schönheitsfehler scheint mir auch zu sein, daß die Mehrheit des Ausschusses den § 8 Abs. 2 angenommen hat, in dem die Regierung ermächtigt wird, durch Rechtsverordnungen Mindestanforderungen an die Qualität von landwirtschaftlichen Exportartikeln festzulegen. Ich bin der letzte, der die Notwendigkeit des Exports von landwirtschaftlichen Erzeugnissen oder Erzeugnissen der Ernährungswirtschaft auch nur irgendwie herabsetzen will. Im Gegenteil, ich bemühe mich, ihn so weit zu fördern, wie es überhaupt nur statthaft sein kann. Aber ich halte eine solche Regelung durch die öffentliche Hand nicht für im Interesse der Landwirtschaft und der verarbeitenden Industrie liegend. Sie selber müssen so stark sein, daß sie die Aufgaben, die ihnen gestellt sind, aus eigener Kraft lösen können, und sie sollen sich hier auf keinen Pall auf die Hilfe des Staates zurückziehen können.
Ich möchte nun auf die Bemerkungen eingehen, die dahin zielten, daß der Regierung eine gewisse Freiheit und auch eine gewisse Schnelligkeit des Handelns zugebilligt werden müsse. Wir haben uns im Ausschuß sehr lange darüber unterhalten. Herr Kollege Diebäcker hat hier erklärt, daß ein Vergleich mit den Zollgesetzen nicht ganz statthaft sei. Durch die Änderung unseres Antrages haben wir die „Eilbedürftigkeit" herausgenommen und uns auf das Wesentliche beschränkt. Zumindest, Herr Kollege Diebäcker, können Sie aber doch nicht behaupten, daß das Plenum und der Außenhandelsausschuß die Behandlung der eiligen Zollvorlagen in irgendeiner Weise verhindert hätten. Also, was die Fixigkeit angeht, kann uns keiner etwas vormachen; da kommen wir mit der Regierung noch lange mit.
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Ich halte es deshalb für erforderlich, noch einmal darauf hinzuweisen, daß ein gutes Zusammenspiel zwischen Parlament und Regierung unbedingt notwendig ist. Das Parlament darf sich nach unserer Ansicht nicht ausschalten lassen.
Wir haben uns daher erlaubt, dem Hohen Hause zur dritten Lesung noch einmal einen Antrag vorzulegen. Ich bitte in dem von uns vorgelegten .Änderungsantrag auf Umdruck 757 in dem § 26 Abs. 2 die drei ersten Worte „In eilbedürftigen Fällen" durch die Worte zu ersetzen: „In den Fällen, in denen es notwendig ist, einer Beeinträchtigung der Kaufkraft der Deutschen Mark entgegenzuwirken oder das Gleichgewicht der Zahlungsbilanz sicherzustellen,".
Ich darf darauf aufmerksam machen, daß dieser Antrag für die dritte Lesung nicht eine Wiederholung unseres Antrages in der zweiten Lesung ist. Vielmehr haben wir uns bemüht, auch den Äußerungen des Kollegen Dr. Löhr Rechnung zu tragen, und haben noch einen Satz aus der Ausschußfassung hinzugefügt. Daher sind die Einwände, die vielleicht gegen unseren Antrag in der zweiten Lesung vorgebracht werden konnten - in den Fällen, in denen das Parlament sein Votum schon einmal abgegeben habe, brauche es nicht noch einmal gehört zu werden -, ausgeschlossen.
Meine Damen und Herren, ich wäre Ihnen außerordentlich dankbar, wenn Sie uns Sozialdemokraten durch die Annahme dieses unseres geänderten Antrages die Zustimmung zu diesem Gesetz leichter machten.
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Das Wort hat der Abgeordnete Margulies.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist natürlich ein kühnes Unterfangen, dem Hause noch zu dieser Tageszeit das Für und Wider der Meinungen über ein so wichtiges Gesetz und sein Zustandekommen darstellen zu
wollen. Aber es ist eben doch ein Gesetz von einer solchen Bedeutung, daß man es einfach nicht verabschieden kann, ohne von seiner besonderen Wichtigkeit zu sprechen. Es kam ja schon zu einem Wortstreit darüber, ob es sich um eine Magna Charta des Außenhandels handelt. Ich glaube, nein; denn Außenhandel läßt sich nicht durch ein Gesetz regeln. Auch nach Verabschiedung dieses Gesetzes besteht Außenhandel weit mehr aus den Beziehungen zwischen den Personen, aus den handelsvertraglichen Abmachungen, aus den zwischenstaatlichen Verträgen, aus dem GATT - dem General Agreement on Tariffs and Trade, dem wir angehören -, aus anderen internationalen Verträgen usw. usw. Erst auf diesem Hintergrund kann man dieses Gesetz sehen.
Das Gesetz selbst hat jedenfalls bei den Freien Demokraten zunächst einmal das Unbehagen hervorgerufen, daß hier wieder einmal ein Stück der Freiheit - und zwar der Freiheit, die das sicherste Merkmal ist, das uns vom Kommunismus unterscheidet - preisgegeben wird. Die Meinungen in meiner Fraktion, der Fraktion der Freien Demokratischen Partei, waren sehr geteilt darüber, ob man diesem Gesetz zustimmen kann oder nicht.
Die Bedeutung des Außenhandels in unserem Wirtschaftsleben ist doch immerhin so groß, daß jede Maßnahme, die ihn beeinträchtigen kann, ganz besonderer Aufmerksamkeit bedarf. Ich glaube, da herrschen manchmal falsche Vorstellungen. Wir haben im letzten Jahr einen Export von 41 Milliarden DM erreicht. Dieser hohe Betrag ist nicht durch den Bau von Kraftwerken, Häfen oder Stahlwerken erzielt worden. Der Durchschnittswert eines Außenhandelsgeschäftes liegt vielmehr unter 5000 DM. Um die Summe von 41 Milliarden DM an exportierten Gütern zu erreichen, müssen 8 Millionen Einzelabschlüsse getätigt werden. Im Außenhandel steckt also eine Unsumme von Arbeit. Man muß schon sehr aufpassen, daß er nicht in Gefahr gerät.
Im Ausland, bei der Konkurrenz, und unter den deutschen Theoretikern gibt es ohnedies eine ganze Menge von Leuten, die der Meinung sind, unser Außenhandel sei zu groß. Dem muß man aber entgegenhalten, daß es sich doch hier um Märkte handelt, die mühsam durch gute Leistungen und durch ernste Arbeit, die durch Mühe und Streben geschaffen und errungen werden konnten. Man kann diese Märkte nicht etwa wie einen Wasserkran behandeln, den man auf- und zudreht, wann es gerade paßt. Die Bundesregierung greift jetzt, ich möchte schon sagen, in überaus großzügiger Weise den not-leidenden Amerikanern unter die Arme. Das kann sie eben nur, weil der Außenhandel in den letzten Jahren so ertragreich war. Sie kann es allerdings auch deshalb tun, weil sie seit vielen Jahren - wir haben es immer kritisiert - unbeweglich auf dem Außenhandelsüberschuß sitzengeblieben ist, ohne sich dafür irgendeine zweckentsprechende Verwendung einfallen zu lassen. Das nur als Einleitung.
Die Notwendigkeit des uns nunmehr vorliegenden Gesetzes wird damit begründet, daß hier Besatzungsrecht durch eigenes deutsches Recht ersetzt werde. Es ist ganz klar: mit der Würde und dem Ansehen der Bundesrepublik Deutschland ist es nicht vereinbar. daß wir bis in ewige Zeiten auf Grund von Besatzungsrecht arbeiten. Aber wir sollten auch nicht verkennen, daß die Sache gut funktioniert hat. Wir waren zwar dem Bundeswirtschaftsministerium völlig ausgeliefert, das einfach durch Runderlaß alle Fragen des Außenhandels regeln konnte, aber es war, wenn wir uns auch hier und da mal heftig gestritten haben, doch eine gewisse Geistesverwandtschaft vorhanden. Wir fühlten uns in guten Händen. Die beteiligten Wirtschaftskreise waren zufrieden. Man konnte also sagen: die Sache lief ordentlich. Das ist nun bei dem Gesetz nicht mehr so. Denn jetzt ist nicht mehr das Bundeswirtschaftsministerium allein ausschlaggebend, sondern nun werden die Betrachtungen zum Außenhandel von der Bundesregierung angestellt.
Man muß leider sagen, daß die bisherige Regelung - das Verbotsgesetz, dessen Ausnahmen durch die Runderlasse „Außenwirtschaft" des Bundeswirtschaftsministeriums geregelt wurden - keine Garantie auf ewige Zeiten war. Man weiß nicht, wie lange uns der Bundeswirtschaftsminister Erhard, dem wir in diesem Punkte völlig vertrauen, erhalten bleibt. Gegebenenfalls wird er Bundeskanzler, und schon ist alles aus, kommt da ein anderer hin, der vielleicht nicht so liberal wie der jetzige Bundeswirtschaftsminister ist; dann kann die Sache andersherum kommen. Das ist eine gute Begründung dafür, daß man ein Gesetz braucht. Aber so schlecht, wie es ist, bräuchte es eigentlich nicht zu sein.
Erstens einmal hat es sieben Jahre gedauert, bis es verabschiedet werden konnte. Das ist schon ein Beweis dafür, daß die Sache nicht ganz einfach ist. Ich habe auch nicht den Eindruck, daß es im Laufe der Zeit besser geworden wäre. Die ersten Entwürfe, die ich gesehen habe, haben mir eigentlich viel besser gefallen.
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- An den Referentenentwürfen?
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Ja, die kannte ich auch schon, lange bevor dieses Gesetz eingebracht wurde. Die waren viel besser. Die anderen Ressorts haben dann allmählich alle ihre Wünsche und ihre kühnsten Träume mit in das Gesetz hineingebracht, und der arme Dr. Schulz mußte da natürlich mitziehen.
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Im Laufe der Jahre ist vieles hineingekommen, was wir nicht sehr gern darin sehen. Das große Bedenken beruhte darauf, daß man - wie Herr Diebäcker richtig gesagt hat - den Grundsatz der Freiheit in § 1 stipuliert hat, während man ihn in den anderen 44 Paragraphen Stückchen für Stückchen wieder aufgibt.
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Ich sehe ein, daß es eine immense Schwierigkeit war, von dem Grundsatz der Freiheit auszugehen, sich alle irgendwie denkbaren Möglichkeiten auszumalen und im Gesetz dafür Vorsorge zu treffen;
das ist ja der Inhalt des Gesetzes. Wenn ich auch von der Phantasie der beteiligten Beamten eine hohe Meinung habe, - aber so viel Phantasie, wie sie sie in der Erfindung von Tatbeständen, die geregelt werden müssen, an den Tag gelegt haben, hatte ich ihnen eigentlich nicht zugetraut.
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Nun haben wir das darinstehen.
Ich will nicht auf alle Einzelheiten eingehen, aber ich muß noch eines rügen, was mir gar nicht gefallen hat und was ich auch nicht recht verstehe. Warum mußte das Gesetz eigentlich als zentralistisches Gesetz vorgelegt werden? Erst im Ausschuß ist dank der unendlichen Geduld, die unser Vorsitzender, Herr Dr. Serres, auf das Gesetz verwandt hat, ein Kompromiß zustande gekommen, demzufolge der Bundesrat an dem Gesetz nun mitwirkt und die Durchführung durch die Landeswirtschaftsbehörden - wenn auch sehr stark eingeschränkt - geschieht; ich weiß nicht, ob der Status quo da in vollem Umfange erhalten geblieben ist. Aber wir werden ja bei der Beratung im Bundesrat hören, ob das dem entspricht. Alle diese Dinge sind also erst im Ausschuß hineingekommen. Wir haben nun plötzlich das Interesse der Länder gewahrt, und zwar aus gutem Grund, um nämlich eine praxisnahe Verwaltung zu erzielen. Auch waren wir der Meinung, daß die Mitwirkung ,des Bundestages am Erlaß der Rechtsverordnung unerläßlich sei.
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- Aber natürlich, Herr Diebäcker, wir haben alle zusammengearbeitet, es war fast ein team-work, und Sie können es krönen, wenn sie nachher den Änderungsantrag zu § 26 annehmen. Dann sind wir tatsächlich völlig ein Herz und eine Seele in dieser Sache.
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Die Beteiligung des Bundestages, die jetzt erreicht ist, die aber verbessert werden sollte, mindert das Risiko der sehr weitgehenden Ermächtigungen. Aber es ist doch sehr bedauerlich, daß z. B. diese Frage der persönlichen Voraussetzungen nicht herauszubringen war, die ja mit dem Außenhandel an sich überhaupt nichts zu tun hat.
Dann hat Herr Bading schon erwähnt: Dieser § 8, der die merkwürdige Regelung schafft, daß die Qualität oder die Maßnahmen bei der Ausfuhr von Landwirtschaftsprodukten beobachtet oder festgelegt werden können, gehört gar nicht in dieses Gesetz hinein. Hier wird eine Materie, die geregelt werden müßte, ganz unzureichend geregelt. Wir haben das schon besprochen; aber es ist eben dadurch nicht besser geworden.
Ich muß auch noch zu § 10 etwas sagen. Dort ist die Frage der vorübergehenden Aufhebung von Liberalisierungen angeschnitten. Ich darf doch unterstellen, daß das nur im Einklang mit den GATT-Regeln, nämlich mit Art. 19 des GATT, geschehen ist, wo es heißt, daß solche Entliberalisierungen nur in dem Maße und während des Zeitraums möglich sind, wie es zur Verhütung oder zur Behebung eines Schadens notwendig ist. Anders könnte ich mir diese Klausel gar nicht vorstellen.
Leider Gottes ist in § 13 die Pflicht dringeblieben, daß, wenn der Einführer Verwendungsbeschränkungen auferlegt bekommt, er diese weitergeben muß, obwohl es rechtlich sehr umstritten ist, ob das überhaupt möglich ist.
Es hat uns auch sehr gestört, daß sich die Lufthansa in § 17 a einige Rechte unter den Nagel gerissen hat, die ein bißchen sehr weit gehen. Wenn es darauf angekommen wäre - wie wir das bei dem Versicherungswesen oder bei der Seeschiffahrt gemacht haben -, dafür zu sorgen, daß eine Grundlage dafür gegeben ist, die Rechte der anderen bei uns beeinträchtigen zu können, wenn unsere Rechte woanders beeinträchtigt werden, - so weit, so gut. Aber daß nun auch noch das Chartern der Flugzeuge durch Gebietsansässige beschränkt werden soll, das riecht doch schon sehr nach Behinderung der Konkurrenz, für die die Lufthansa ja auch schon gewisse Vorbilder geliefert hat. Wir würden doch sehr viel Wert darauf legen, daß sich hier die Geschäftspraxis mehr im Dienst am Kunden auswirkt, nämlich darin, ein ausreichendes Platzangebot zu jeder Zeit zur Verfügung zu stellen, und nicht darin, sich durch gesetzliche Regelungen eine Konkurrenz vom Hals zu schaffen. Wir bedauern sehr, daß diese Bestimmung in das Gesetz gekommen ist.
Die §§ 20 und 21 - das werden Sie wissen wären ganz sicher besser bei der Bundesbank aufgehoben gewesen; denn alle diese Bestimmungen über den Geld- und Kapitalverkehr hätten sich mit viel weniger Lärm im Bereich der Bundesbank natürlich im Einvernehmen mit dem Bundeswirtschaftsminister oder der Bundesregierung - abgespielt als jetzt durch Rechtsverordnung und natürlich auch noch mit der Möglichkeit, sie wieder aufzuheben.
Gestatten Sie mir noch ein paar Worte zu den Strafvorschriften. Ich habe vorhin schon gesagt, daß fast die Hälfte dieses Gesetzes aus Strafvorschriften besteht. Abgesehen davon daß die Strafen, die hier bei Ordnungswidrigkeiten verhängt werden können, nach unserer Meinung exorbitant hoch sind, ist der einzelne auch mehrmals strafbar. Er kann als Täter, er kann wegen Verletzung der Aufsichtspflicht und dann noch einmal wegen Handelns für einen anderen belangt werden. Ich glaube nicht, daß sich das mit unseren Rechtsvorstellungen vereinbaren läßt, die wir an anderer Stelle immer wieder zum Ausdruck bringen.
Ebenso liegt die Frage der Einziehung solcher Gegenstände, die zu einer Tat geführt haben. Es ist für mich völlig unverständlich, wenn hier von Gegenständen gesprochen wird, die zur Zeit der Entscheidung dem Täter oder Teilnehmer gehören oder zustehen. Was heißt überhaupt „zustehen"? Wo sind sie denn dann? Das sind Regelungen, die in diesem Gesetz eigentlich nicht stehen sollten.
Ich bedaure mit Herrn Diebäcker, daß es uns nicht gelungen ist, gegen die massive Drohung des Haushaltsausschusses die Gebührenfreiheit durchzusetzen. Aber, vor die Frage gestellt: Gebühren oder
kein Gesetz?, haben wir uns nolens volens für das Gesetz entschieden. Es wird aber eben dadurch nicht besser.
Leider ist es so, daß das Gesetz die Möglichkeit gibt, die Freiheit sehr einzuschränken. Wir erwarten von der Regierung, daß sie in loyaler Zusammenarbeit mit dem Bundestag davon nur den sparsamsten Gebrauch macht. Es ist natürlich nichts, was sich gesetzlich regeln läßt, aber es würde der Bundesregierung ganz gut anstehen, wenn sie anläßlich der Verkündung dieses so wichtigen Außenwirtschaftsgesetzes für alle diese kleinen Ordnungswidrigkeiten und für die vielen, vielen Bußgeldverfahren, die jetzt wegen Bagatellverstößen im Gange sind, so eine Art Amnestie erließe und unter das Vergangene einen Strich zöge und sagte: Diese Verfahren werden niedergeschlagen, aber wer es nun wieder tut, der wird nach den reichhaltigen Vorschriften dieses Gesetzes bestraft.
Im übrigen darf ich sagen, daß ich für meine Person schon in Ansehung der von unserem Vorsitzenden geleisteten Arbeit dem Gesetz zustimmen werde.
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Ich schließe die allgemeine Aussprache.
Zu § 26 liegt der Änderungsantrag Umdruck 757 vor. Abgeordneter Bading hat ihn an sich schon begründet. Ich gebe ihm noch einmal das Wort.
Ich habe meiner Begründung nichts hinzuzufügen. Ich wollte lediglich darauf aufmerksam machen, daß hier einige technische Änderungen notwendig sind. Im Abs. 1 muß es heißen „§ 27 Abs. 3 Satz 1", Der Abs. 2 fängt ebenso an wie unser Antrag in der zweiten Lesung. Es muß also heißen:
In den Fällen, in denen es notwendig ist, einer Beeinträchtigung der Kaufkraft der Deutschen Mark entgegenzuwirken oder das Gleichgewicht der Zahlungsbilanz sicherzustellen, kann die Zustimmung des Bundestages, in den Fällen des § 27 Abs. 3 Satz 1 auch des Bundesrates, nachträglich eingeholt werden.
Schließlich ist das Wort „Erlaß" in der achten Zeile durch das Wort „Verkündung" zu ersetzen. Das sind aber, wie gesagt, lediglich technische Änderungen.
Das Wort hat dier Herr Staatssekretär Dr. Westrick.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir, daß ich mit ein paar Worten zu den Sorgen Stellung nehme, die der Herr Abgeordnete Bading geäußert hat. Er hat das Bedenken vorgetragen, die Bundesregierung werde bestrebt sein, ein besonderes Maß an Macht an sich zu ziehen und in unangemessener Weise die Befugnisse des Hohen Hauses zu schmälern oder zu beeinträchtigen.
Ich bitte Sie, die Versicherung entgegennehmen zu wollen, daß das nicht in der Absicht der Bundesregierung liegt. Ich darf dafür als Beweis anführen, daß jedenfalls das Bundeswirtschaftsministerium in betonter Weise die Initiative dazu ergriffen hat, daß die Befugnisse, die auf Grund der tradierten Gesetze bei der Bundesregierung lagen, geschmälert werden. Wir hatten ja in der Vergangenheit erheblich mehr Befugnisse. Wir waren es, die damit angefangen haben, diese Befugnisse auf dem Gebiet der Devisengesetzgebung usw. abzuschaffen. Wir sind also, wie ich hoffe, nicht etwa verdächtig, daß wir aus dem Bestreben handeln, der Exekutive mehr Macht und der Legislative weniger Macht zu geben.
Die Bundesregierung ist darüber hinaus sehr gern bereit - auch das möchte ich versichern -, in all denjenigen Fällen, in denen es sich nur irgendwie ermöglichen läßt, vor Erlaß der Verordnungen mit dem Außenhandelsausschuß dieses Hohen Hauses Fühlung zu nehmen. Aber ich bitte gleichzeitig sagen zu dürfen, daß der § 26 in der vom Ausschuß beschlossenen Fassung schon einen Kompromiß darstellt zwischen dem Bestreben nach einer weitgehenden Beteiligung dieses Hohen Hauses und dem ja auch von Ihnen allen anerkannten Erfordernis eines Mindestmaßes an außenwirtschaftsrechtlicher Handlungsfreiheit der Bundesregierung.
Auf Grund der Mitgliedschaft der Bundesrepublik in den internationalen Wirtschaftsorganisationen müssen wir einen gewissen Verhandlungsspielraum und Entscheidungsspielraum haben, wie ihn übrigens fast alle anderen Regierungen, mit denen wir in diesen Organisationen zusammenarbeiten, auch besitzen. Ich darf als Beispiel nur die Verhandlungen im GATT vom Frühjahr vorigen Jahres erwähnen. Wo wären wir da geblieben, wenn wir nicht ganz schnell zu einer Entscheidung an Ort und Stelle hätten bereit sein können! Ich bin sicher, daß die deutsche Sache dann ernsten Schaden genommen hätte.
Ich möchte nicht unterlassen, auch darauf hinzuweisen, daß wir bei unserer Vorlage von dem Bestreben geleitet waren, möglichen Spekulationen in Gütern entgegenzuwirken, die nämlich breiten Raum einnehmen können, wenn Verhandlungen über beabsichtigte Maßnahmen längere Zeit in Anspruch nehmen. Diese Spekulationen brauchen sich keineswegs auf die Güter zu beschränken; auch Spekulationen im Kapitalverkehr sind möglich. Ich habe mich deshalb sehr gewundert, von dem Herrn Abgeordneten Margulies soeben zu hören, daß er der Meinung ist, man sollte hier der Bundesbank eine Zuständigkeit geben. Bei der Bundesbank hat das Parlament dazu überhaupt nichts zu sagen!
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Bading.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich fühle mich veranlaßt, auf die Ausführungen von Herrn Staatssekretär Westrick zu antworten.
Ich gebe zu, daß die theoretischen Bestrebungen des Herrn Ministers Erhard sehr auf Freiheit gerichtet sind, und ich freue mich auch darüber; ich bin keineswegs deshalb ein Gegner von ihm.
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Aber daß die Bürokratie als solche immer das Bestreben hat, die Finger in ihrem Geschäft zu behalten, und in der Beziehung ungern irgendwelche Rechte abgibt, ist doch einfach nicht zu leugnen. Das ist nun einmal so und liegt auch ganz in der Natur der Sache. Ich meine aber, daß es einer Demokratie besser ansteht, wenn die Bürokratie ihre Aktivität - sie soll Aktivität haben - möglichst nicht in dem Erlaß von Rechsverordnungen ohne Zustimmung des Parlaments äußert.
Herr Staatssekretär Westrick hat als Beispiel angeführt, daß es für die Bundesregierung notwendig sei, bei den GATT-Verhandlungen freie Hand zu behalten, weil sie dort sehr rasch Entschlüsse fassen müsse. Aber nach meiner Auffassung, Herr Staatssekretär, behalten Sie diese Freiheit durch den letzten Satz, der in unserem in der dritten Lesung gestellten Antrag zu § 26 vorgesehen ist. Da steht drin, daß dann, wenn bereits eine Zustimmung des Parlaments vorliegt, die Regierung freie Handlungsvollmacht hat. Infolgedessen können Sie nicht sagen, daß durch die Annahme dieses Antrages der Regierung in der Beziehung irgendwie die Hände gebunden würden.
Ich darf noch etwas zu dem Verhältnis zwischen Bundesbank und Bundesregierung auf der einen Seite und Bundestag auf der anderen Seite sagen. Nach dem Bundesbankgesetz unterliegt die Bundesbank nicht dem Kontrollrecht des Parlaments; sie ist autonom und hat die Aufgabe, die Währung zu schützen. Infolgedessen soll sie auch nicht einer irgendwie gearteten Beeinflussung von seiten des Parlaments unterliegen. Im Ausschuß haben wir uns jedoch immer wieder darüber unterhalten, ob ,es richtig ist, zu sagen: das „Einvernehmen" oder das „Benehmen" zwischen Bundesregierung und Bundesbank herzustellen. Der Ausschuß hat sich für „Benehmen"entschlossen. Nun soll das auch ein gutes Benehmen sein. Es darf nicht etwa darin bestehen, daß die Bundesregierung sozusagen einfach nach dem Motto handelt: „Postkarte genügt" und der Bundesbank nur mitteilt: Das oder jenes werden wir machen. Ich stimme zu, daß die Bezeichnung „Benehmen" richtiger ist als das Wort „Einvernehmen". Aber dieses Benehmen muß ein echtes Einvernehmen sein. Darauf wollte ich noch einmal hinweisen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Löhr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu dem Änderungsantrag der SPD-Fraktion auf Umdruck 757 verweise ich auf die Ausführungen, die ich in der zweiten Lesung zu diesem Thema gemacht habe. Ich bin nach wie vor der Meinung, daß die Ausschußfassung des § 26 sachlich vollinhaltlich gerechtfertigt und notwendig ist. Ich bitte das Hohe Haus, den Änderungsantrag abzulehnen und dem § 26 in der Ausschußfassung zuzustimmen.
Ich stelle den Änderungsantrag Umdruck 757 mit der zusätzlichen Änderung, die der Herr Kollege Bading vorgetragen hat, zur Abstimmung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich, ein Zeichen zu geben. - Gegenprobe! - Der Antrag ist abgelehnt.
Zu § 45 Abs. 2 liegt auf Umdruck 750 ({0}) ein Änderungsantrag vor. Wird der Antrag begründet? - Bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf Ihnen den Änderungsantrag auf Umdruck 750 ({0}) begründen. Angesichts der vorgerückten Stunde werde ich mich sehr kurz fassen.
In § 45 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzentwurfs ist vorgesehen, daß der § 10 des Energiewirtschaftsgesetzes aufgehoben wird. Diese Bestimmung des Energiewirtschaftsgesetzes besagt, daß die Einfuhr von Strom und Gas in festen Leitungen der Genehmigung bedarf. Ich bin mit meinen Freunden, die diesen Antrag unterzeichnet haben, der Auffassung, daß der § 10 des Energiewirtschaftsgesetzes bestehenbleiben muß, da er ein notwendiges Korrelat zu den übrigen Paragraphen des Energiewirtschaftsgesetzes darstellt. Die weiteren Bestimmungen des Energiewirtschaftsgesetzes legen zur sicheren Versorgung energiewirtschaftliche Maßnahmen fest. Aus diesem sachlichen und rechtssystematischen Gründen geht es nicht an, anläßlich der Regelung der Handelsbeziehungen den § 10 des Energiewirtschaftsgesetzes zu beseitigen, der ganz andere Aufgaben zu erfüllen hat. Bei der Annahme des Änderungsantrags bleiben die bisherigen Zuständigkeiten der Länder bezüglich der Genehmigung von Einfuhr von Strom und Gas gemäß des § 10 des Energiewirtschaftsgesetzes bestehen, während hinsichtlich der handelspolitischen Seite der Einfuhrgenehmigung die Bundesregierung nach § 10 des Außenwirtschaftsgesetzes zuständig ist.
Ich möchte ausdrücklich darauf hinweisen, daß durch unseren Antrag der von uns allen gewünschte Wettbewerb der Energieanbieter - eben damit Energie preisgünstig zur Verfügung steht - in keiner Weise beeinträchtigt werden soll. Wir erwarten, daß die Genehmigungsverfahren sowohl nach § 10 des Energiewirtschaftsgesetzes als auch nach § 10 des Außenwirtschaftsgesetzes, ich möchte sagen, im Geiste einer Liberalisierung geführt werden, wobei ein echter Wettbewerb stattfindet. Wir sind mit der Bundesregierung vollkommen einig, daß diesem Grundsatz selbstverständlich in beiden Genehmigungsverfahren Rechnung getragen werden soll, sind aber - um das abschließend nochmals hervorzuheben - der Auffassung, daß es beim besten Willen nicht möglich ist, aus dem Energiewirtschaftsgesetz, das aus 10 oder 12 Paragraphen besteht, diesen einen Paragraphen herauszuschneiden,
also das Gesetz zu amputieren. Das sehen auch in der Opposition verschiedene Kreise, die sich mit den Fragen der Energiepolitik zu befassen haben, voll und ganz ein. Wir sind ,der Meinung, daß man, wenn man schon am Energiegesetz etwas ändert, die Änderungen einem neuen Energiegesetz vorbehalten sollte.
Ich darf Sie deswegen bitten, dem Änderungsantrag Umdruck 750 ({1}) Ihre Zustimmung zu geben.
Das Wort hat der Abgeordnete Jacobi.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf das Hohe Haus darauf aufmerksam machen, daß der Antrag, der heute zur dritten Lesung eingebracht worden ist, von dem Herrn Kollegen Dr. Philipp im Außenhandelsausschuß schon einmal ohne Erfolg gestellt worden ist. Herr Dr. Philipp hat bereits den Versuch gemacht, Anhänger für seine Auffassung in den Reihen des federführenden Ausschusses zu gewinnen. Der Ausschuß hat seinen Antrag mit überwiegender Mehrheit abgelehnt. Und das muß zum Ausdruck gebracht werden: eine Annahme dieses Antrags wäre eine entscheidende Änderung nicht nur der Regierungsvorlage, sondern auch der Ausschußvorlage. Im Ausschuß ist über diese Dinge, wir mir berichtet worden ist, sehr eingehend gesprochen worden. Neue Argumente haben wir heute nicht gehört.
Eigentlich ist das Haus in dieser Frage, wenn wir ehrlich sein wollen, meine Damen und Herren, ein wenig überfordert. Wie soll es sich bei der Fülle von wichtigen Gesetzen, die heute vorliegen und zu denen wir die Ausschußberichte zum Teil erst vor zwei oder drei Tagen studieren konnten, ein Urteil darüber bilden können, ob Änderungsanträge akzeptiert werden können oder nicht!
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- Aber, Herr Kollege Rösing, bei dem, was vorhin hier entschieden wurde, war es, ich möchte fast sagen, auch dem Laien möglich, sich ein Urteil zu bilden. Wer aber in diesem Hause kennt den § 10 des Energiewirtschaftsgesetzes? Wer kann ermessen, ob dieser Paragraph wirklich ein so wichtiges Glied im Energiewirtschaftsgesetz ist, daß man es, wie sich der Kollege Dr. Philipp ausdrückte, nicht amputieren könnte! Wie ist es denn in Wirklichkeit? Der § 10 des Energiewirtschaftsgesetzes ist praktisch nie angewendet worden. Mir ist kein Fall von Bedeutung bekannt, in dem dieser Paragraph herhalten mußte. So kann es sich schon aus dieser Sicht nicht darum handeln, daß man hier sozusagen ein Gesetz in allen seinen Bestandteilen aufrechterhalten will. Denn, Herr Dr. Philipp, gerade wenn man ein neues Energiewirtschaftsrecht anstrebt - und ich kann nicht leugnen, daß das seit langem das Anliegen der Opposition und das Anliegen des Hauses ist, das schon zweimal verlangt hat, die Bundesregierung möge ein neues Energiewirtschaftsgesetz vorlegen -, stellt dieser § 10, wie er
jetzt zur Erörterung steht, kein geeignetes Argument dar. Entweder ist § 10 eine wichtige Bestimmung; dann stellt sich gewiß die Frage, ob man ihn aus dem noch bestehenden Gesetz herausnehmen sollte; oder er ist es nicht; dann spielt diese Frage keine Rolle.
Aber, Herr Kollege Dr. Philipp, Sie haben im Grunde genommen nicht alle Ihre Motive hier kundgetan. Es geht hier nicht nur um formalrechtliche Erwägungen. Es geht nicht nur um die Frage, was man der Bundesregierung oder den Ländern an Rechten zugestehen sollte. Es geht zunächst einmal grundsätzlich darum, daß dieses Gesetz, über das wir heute in dritter Beratung entscheiden, eine geschlossene Konzeption darstellt und daß innerhalb dieser geschlossenen Konzeption, nachdem das Gesetz eingehend und sorgfältig vom federführenden Ausschuß und vom mitbeteiligten Wirtschaftsausschuß beraten worden ist, wenn man es jetzt noch in dritter Lesung ändert, ein Punkt als schwach erkannt worden sein muß. Es müßte also gravierende Erwägungen dafür geben, hier eine Änderung vorzunehmen. Im Grunde genommen wäre es Aufgabe der Regierung, das hier darzutun. Aber der Herr Kollege Dr. Philipp - ich sagte es schon - hat wenigstens in einem Punkt angedeutet, worum es hier geht. Es geht darum, daß er nicht wünscht, daß die Entscheidung der Frage, die jetzt nach dem Energiewirtschaftsgesetz den Ländern zusteht, in die Zuständigkeit der Bundesregierung fällt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist ganz offenkundig, daß hier auch noch andere Erwägungen eine Rolle spielen müssen. Das Außenwirtschaftsgesetz hat die Energieimporte grundsätzlich in die Liberalisierungsliste aufgenommen - das ist zu begrüßen -, während § 10 des hier zur Aufhebung kommenden Energiewirtschaftsgesetzes jeden Import genehmigungspflichtig macht. Dieser § 10 des Energiewirtschaftsgesetzes - das ist für die nähere Zukunft nicht unwichtig - würde einem Land gegebenenfalls auch die Handhabe geben, beispielsweise den Import von Erdgas aus Holland zu verhindern. Wir dürfen aber nicht übersehen, daß es sich gerade beim Import von Energie um Fragen handelt, die von gesamtvolkswirtschaftlicher Bedeutung sind. Wir trauen der Bundesregierung - bei dem Mißtrauen, das wir sonst gegen sie haben - in einem solchen Fall durchaus zu, daß sie weiteren Aspekten Rechnung trägt als etwa ein bestimmtes Land, in dem eine bestimmte starke Gruppe einen bestimmten Einfluß auf eine Regierung nehmen kann. Das hat mit Föderalismus nichts zu tun. Das hat einfach mit der Notwendigkeit zu tun, Fragen unserer Außenwirtschaft auf der Bundesebene im Gesamtinteresse zu sehen und nicht nur im Interesse eines bestimmten Wirtschaftskreises oder einer Landesregierung. Im übrigen läßt das Gesetz -
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Löhr?
Selbstverständlich, bitte sehr.
Herr Dr. Lühr, bitte.
Herr Kollege Jacobi, Sie haben das Beispiel Holland genannt. Ist Ihnen nicht bekannt, daß Holland EWG-Land ist und daß deshalb Ihre Argumentation für diesen EWG-Staat Holland nicht zutreffen kann?
Herr Kollege Dr. Löhr, ist Ihnen bekannt, daß die Frage, die Sie an mich stellen, bei Ihnen selbst eine Antwort finden kann, wenn Sie etwa überlegen, was unter diesem Aspekt unserer EWG-Verpflichtungen denn der § 10 des Energiewirtschaftsgesetzes überhaupt noch soll? Der wird praktisch obsolet. Heute ist nur noch die Möglichkeit gegeben, sich langfristigen Verträgen gegenüber im Genehmigungsverfahren negativ zu verhalten. Gerade das spricht dafür, innerhalb der Regelung des Außenwirtschaftsgesetzes, wie es jetzt zur Entscheidung vorliegt, zu entscheiden und nicht in Verbindung mit dem Änderungsantrag, also unter Aufrechterhaltung des § 10 des Energiewirtschaftsgesetzes.
Im übrigen wollte ich sagen, daß das Außenwirtschaftsgesetz in seinem § 10 die Möglichkeit offenhält, in bestimmten Fällen durch Rechtsverordnung einzugreifen, die Einfuhr zu beschränken bzw. genehmigungspflichtig zu machen, dann nämlich, wenn die entsprechenden Voraussetzungen gegeben sind, d. h. wenn ein Schutzbedürfnis vorliegt. Auch die Bundesregierung hat hier also die Möglichkeit, Importe, die bedrohlich sind, die im Interesse des Schutzes der Wirtschaft oder eines wesentlichen Teiles der Wirtschaft nicht opportun erscheinen, zu verhindern. Es gibt also hier durchaus die Möglichkeit, im Interesse der Allgemeinheit zu verfahren.
Wir sind deshalb der Auffassung, daß man der Ausschußvorlage zustimmen und dem Antrag der Abgeordneten Dr. Philipp und der übrigen Kollegen, die sich ihm angeschlossen haben, nicht entsprechen sollte.
Ich habe als Beispiel Holland genant. Ich könnte andere Beispiele nennen. Denken Sie daran, daß in einigen Jahren auch aus anderen Ländern die Importe von Erdgas anlaufen können. Da ist, meine ich, die Entscheidung darüber, ob man sich hier hindernd in den Weg stellen soll, in den Händen des Bundes besser aufgehoben als in den Händen eines Landes.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Philipp.
Was Herr Kollege Jacobi bezüglich des Außenhandelsausschusses gesagt hat, trifft insofern zu, als ich mit meinem Antrag in der Minderheit war. Ich darf aber feststellen, daß die Kollegen, die die Zustimmung versagten, mir ausdrücklich erklärten, sie seien nicht in der Lage, dieses schwierige Problem zu dieser Zeit zu übersehen. Es befremdet mich sehr, daß, nachdem diese Probleme von mir bereits im Oktober/Novemher 1960 im Ausschuß vorgetragen und auch schriftlich niedergelegt worden sind, heute noch vielleicht der Standpunkt vertreten werden könnte, man sei durch diesen Antrag und dessen Begründung überrascht. Ich glaube, dieses Armutszeugnis kann man sich wohl nicht geben, nachdem man mindestens zwei bis drei Monate Zeit gehabt hat, auch die Energieexperten in der eigenen Fraktion zu fragen, wie die Dinge sich darstellen.
Ich darf aber weiter zu diesem Problem sagen: Der Außenhandelsausschuß war, weil er überfragt war, nicht in der Lage, die Dinge recht zu übersehen. Ich möchte aber doch annehmen, daß das Hohe Haus heute auch in dieser Besetzung den Sachverstand besitzt, um die Begründetheit meines Antrages hinreichend beurteilen zu können.
Was die Frage der Motive für diesen Antrag anbelangt, so kann ich Ihnen mit gutem Gewissen versichern, daß ich es nach wie vor für eine schlechte Sache halte, daß man in einem Außenwirtschaftsgesetz in ganz versteckter Form einen § 45 Abs. 2 Nr. 1 anbringt und die Dinge gewissermaßen erst aus der Verdunkelung und aus dem Versteck langsam hervorgeholt werden müssen. Es ist ja nun die einzige Bestimung, die tatsächlich fachliche Bestimmungen aufhebt.
Ich meine, das sollte Ihnen doch auch zu denken geben, daß wir gemeinsam das Interesse haben sollten, nicht ein Stückwerk zu schaffen, sondern die Bestimmungen des Energiewirtschaftsgesetzes tatsächlich in toto zu behandeln und nicht einen Teil herauszuschneiden.
Wenn Sie, Herr Jacobi, von den Ländern und von der Frage der Zuständigkeit der Bundesregierung sprechen, so kann ich Ihnen zunächst einmal sagen, daß ja die Zuständigkeit der Bundesregierung in keiner Weise angetastet wird, wie Sie andeuteten. Im Gegenteil. Es bleibt ja insoweit, Herr Jacobi, hei § 10 des Außenwirtschaftsgesetzes, wie Sie selber im Außenhandelsausschuß beschlossen haben, und ich glaube, Sie können andererseits den Ländern durchaus die erforderliche Objektivität bei ihrem Genehmigungsverfahren nach dem Energiewirtschaftsgesetz zutrauen.
Es ist ja auch nicht so, verehrter Herr Kollege Jacobi, daß nun etwa durch das Genehmigungsverfahren die Einfuhr abgeschnitten, unterbunden oder überhaupt kaputtgemacht werden soll. Sie haben selbst hervorgehoben, daß diese Bestimmung gar nicht notwendig sei; sie sei überhaupt noch nicht angewandt worden. Daraus mögen Sie ersehen, daß die Anwendung dieser Bestimmung, wenn überhaupt, nur aus dem energiepolitischen Gesichtspunkt heraus erfolgt. Ich habe vorhin betont, daß wir uns nach wie vor zu der Auffassung bekennen, daß die Liberalisierung der Energiewirtschaft im echten
Wettbewerb behandelt werden soll.
Ich darf Sie deshalb nochmals bitten, meinem Antrag Ihre Zustimmung nicht zu versagen.
Das Wort hat der Herr Staatssekretär Dr. Westrick.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte doch namens der Bundesregierung zum Ausdruck bringen,
daß die Beibehaltung der Importkontrolle für Elektrizität und Gas nach unserer Meinung ein schwerer Schönheitsfehler, ich möchte beinahe sagen: eine Grundsatzwidrigkeit sein würde gegenüber den Grundsätzen des Wettbewerbs und der Liberalisierung. Wir würden es deshalb begrüßen, wenn es bei der Regierungsvorlage bliebe.
Zu wiederholten Malen ist geäußert worden, daß das Energiewirtschaftsgesetz hätte vorgelegt werden sollen. Ich darf die Damen und Herren aber darauf hinweisen, daß in der Zwischenzeit die Atomenergie im Kommen ist, daß man seit einiger Zeit über die Koordinierung der Energiepolitik international spricht. Infolgedessen ist es ein außerordentlich schweres Beginnen, in diesem sich gerade entwickelnden Stadium mit einem neuen Energiegesetz herauszukommen.
Aber die Sorge, die Herr Abgeordneter Philipp geäußert hat, daß das Energiewirtschaftsgesetz durch die Aufhebung des § 10 gestört werden würde, scheint mir allerdings nicht ganz am Platze zu sein. Einer der Herren Abgeordneten hat erwähnt, es seien vielleicht nur wenige Abgeordnete da, die den § 10 des Energiewirtschaftsgesetzes kennten. Dieser § 10 beschränkt sich auf drei Zeilen. Ich darf sie mit Genehmigung des Herrn Präsidenten vielleicht vorlesen. Es heißt dort ganz simpel:
Die Einfuhr von Elektrizität oder Gas auf festen Leitungswegen sowie der Abschluß von Verträgen hierüber bedürfen der Genehmigung des Reichswirtschaftsministers.
Das Petitum der Regierungsvorlage ist, auf diese Genehmigung zu verzichten. Ich darf noch einmal darauf hinweisen, daß angesichts der Regelung in den Ländern der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft in der Tat nur Österreich, die Schweiz und vielleicht in einem minimalen Umfang Dänemark hiervon betroffen würden. Wir glauben, daß die Einfuhren, die aus diesen Ländern möglich wären, so wenig Bedeutung haben, daß man dafür einer Importkontrolle nicht bedürfte.
Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Philipp?
Bitte.
Verehrter Herr Staatssekretär, Sie haben den § 10 vorgelesen. Ich darf auf die §§ 4 und 5 verweisen, in denen die Anzeigepflicht und die Investitionsbeaufsichtigung verankert sind. Das ist ja eigentlich der Sinn des Energiewirtschaftsgesetzes. Man sollte das der Ordnung halber zur Vervollständigung erwähnen.
({0})
Ich meine, daß man den § 10 selbstverständlich im Zusammenhang mit den §§ 4 und 5 sehen muß.
({1})
- Ich darf den Herren Abgeordneten darauf erwidern und meine Meinung zum Ausdruck bringen.
({2})
Der Herr Abgeordnete Philipp hat, wenn ich ihn recht verstanden habe, gemeint, daß durch die Aufhebung des § 10 die Einheit des Energiewirtschaftsgesetzes zerstört würde. Dieser Meinung, Herr Abgeordneter Philipp, bin ich nicht. Ich bin der Ansicht, daß lediglich die Aufhebung der Pflicht, die Genehmigung des Reichswirtschaftsministers einzuholen, nicht das ganze Gebäude des Energiewirtschaftsgesetzes zerstört.
Das Wort hat der Abgeordnete Kalbitzer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nur auf eine Bemerkung von Herrn Dr. Philipp eingehen, nämlich auf seine Behauptung, daß etwa die Kollegen im Außenhandelsausschuß die Bedeutung dieses Paragraphen in der Debatte des Ausschusses nicht begriffen hätten. Sie haben das also ganz gut begriffen, so gut wie auch dieses Haus wahrscheinlich die Sache begreifen wird. Die Sache ist wesentlich anders, Herr Dr. Philipp: Wir sind nur in der Mehrheit nicht Ihrer Meinung gewesen!
({0})
Dadurch wird die Sache völlig anders.
({1})
- Ich war dabei.
({2})
- Doch! Außerdem waren auch Ihre eigenen Fraktionskollegen natürlich so weit, den Sinn Ihrer Anträge durchaus zu verstehen und Ihre Meinung nicht zu teilen; denn Ihre Meinung ist, um eine diffizile Sache auf eine kurze Formel zu bringen, daß Sie lieber weiterhin Importbeschränkungen im Interesse einiger Energieerzeuger in Deutschland und entgegen den Interessen der Konsumenten haben möchten. Ich zweifle nicht daran, daß die Mehrheit dieses Hauses das Interesse der Konsumenten höher als das Interesse einiger Produzenten stellen wird. Das ist die Sache.
({3})
Ich kann 'damit den Antrag Umdruck 750 ({0}) zur Abstimmung stellen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich, Zeichen zu geben. - Gegenprobe! - Der Antrag ist abgelehnt.
Weitere Änderungsanträge liegen nicht vor.
Wir kommen zur Schlußabstimmung über den Gesetzentwurf. Wer dem Gesetzentwurf in der unveränderten Fassung der zweiten Lesung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegen. probe! - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen.
Vizepräsident Dr. Dehler
Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag, der von Herrn Abgeordneten Diebäcker bereits begründet ist. Es ist der Antrag Drucksache 2386 Ziffer 2. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich, Zeichen zu geben.
- Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Wir kommen nun zur zweiten und dritten Beratung des Gesetzes zur Überwachung strafrechtlicher und anderer Verbringungsverbote.
Das Wort wird nicht gewünscht. Ich rufe auf § 1,
- § 2.
({1})
- Zunächst also § 1. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich, Zeichen zu geben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
§ 2! Das Wort hat der Abgeordnete Wittrock.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zu diesem § 2 einige ganz kurze Ausführungen machen; sie sollen der Versuch eines Beitrags zur Auslegung dieser doch im ganzen nun recht schwierig auszulegenden Vorschrift sein. Nach § 2 dieses Gesetzentwurfs sollen die Zollämter eine Nachprüfung von eingebrachten Gegenständen durchzuführen haben, wenn sich tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht ergeben, daß Gegenstände unter Verstoß gegen ein Strafgesetz eingebracht werden sollen.
Nun ist der Begriff „tatsächliche Anhaltspunkte" außerordentlich dehnbar, und es erscheint empfehlenswert, daß die Auslegung dieses Begriffes in aller Behutsamkeit und Vorsicht erfolgt. Einer der Sprecher der Bundesregierung hat hierzu im Rechtsausschuß des Bundestages einen Beitrag gegeben, den ich mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten nach dem Protokoll des Rechtsausschusses verlesen möchte. Es handelt sich um einen Sprecher des Bundesministers der Justiz. Er hät aus - ich zitiere nach dem
Protokoll -:
Die ganze Bestimmung ziele darauf ab, nur Massensendungen zu erfassen, nicht aber Briefsendungen, die nicht als Massensendungen gekennzeichnet oder erkennbar seien. Das komme in den Einleitungsworten der beiden Ziffern des
- damaligen -§ 44 Abs. 1 zum Ausdruck, die lauteten: „Ergeben sich tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht, . . .".
Solche tatsächlichen Anhaltspunkte
- ich zitiere weiter bestünden praktisch nur bei Massensendungen, die durch ihre äußere Aufmachung, ihre Beschriftung, die Absender- oder Bestimmungsangaben so gekennzeichnet seien, daß man sehe, daß sie von einer einzigen Quelle oder von gewissen wenigen Quellen ausgingen.
So weit das Zitat. Ich hielt es für notwendig, dieses Zitat hier zur Kenntnis zu geben, damit die Auslegung dieser Vorschrift erleichtert wird.
Weitere Wortmeldungen zu § 2? - Bitte sehr, Herr Staatssekretär!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich stimme Herrn Abgeordneten Wittrock darin bei, daß in der Regel der Anhaltspunkt dafür, ob eine Sendung der hier verbotenen Art vorliegt, darin zu sehen ist, daß die Sendung als Massengut aufgegeben wird. Die Formulierung des Gesetzes soll es aber nicht ausschließen, daß unter Umständen auch andere Sendungen, die nicht Massensendungen sind, bei denen aber ernsthafte Anhaltspunkte dafür bestehen, daß sie verbotenes Gut enthalten, nach dieser Vorschrift behandelt werden können. Ich bitte ausdrücklich, diese Vorschrift so auszulegen, daß nicht unbedingt eine Massensendung vorliegen muß, sondern daß nur in der Regel von der Tatsache einer Massensendung auf „verbotenes Gut" zu schließen ist.
Wir können jetzt über die §§ 2, 3 und 4 abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich, ein Zeichen zu geben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? Die Paragraphen sind angenommen.
Zu § 5 liegen Änderungsanträge auf den Umdrukken 758 und 759 ({0}) vor. Ich rufe zunächst den Änderungsantrag auf Umdruck 758 auf. Wird er begründet? - Bitte, Herr Abgeordneter Wittrock.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will kein Hehl daraus machen, daß dieser § 5, der sich auf die Einfuhr von Filmen bezieht, mir selbst in verfassungsrechtlicher Hinsicht .einigen Kummer bereiten kann. Aber das mag im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht mehr Gegenstand der Erörterungen sein. Jetzt kommt es darauf an, diese Vorschrift so praktikabel wie möglich und im Rahmen des Möglichen so rechtsstaalich wie hier
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Dieser § 5 ist eine Verbotsnorm. Nach ihm ist die Einfuhr von Filmen verboten, die geeignet sind, als Propagandamittel gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung zu wirken. Die Norm erfaßt also nicht nur die strafrechtlich relevanten Filme, sondern auch andere Filme, die nicht den Tatbestand des hier in Betracht kommenden § 93 des Strafgesetzbuchs erfüllen. Bei diesen Filmen muß festgestellt werden, ob sie die Tatbestandsmerkmale des § 5 Abs. 1 des vorliegenden Gesetzes erfüllen.
Hier stellt sich doch die Frage: Wer stellt fest, ob ein Film geeignet ist, Propagandamittel im Sinne dieser Vorschrift zu sein? Darauf gibt der Gesetzentwurf die Antwort: Die Feststellung erfolgt durch das Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft.
Die Kollegen, die Mitglieder des Rechtsausschusses sind, werden sich erinnern, daß es hierüber im Rechtsausschuß einige nachdenkliche Betrachtungen gegeben hat. Es wurden einige Fragezeichen hinter die Eignung dieser Institution gesetzt. Das damit geäußerte Bedenken wurde dem federführenden
Ausschuß mitgeteilt, ohne daß hieraus jedoch Konsequenzen gezogen wurden.
Bei der Ermessensbildung müssen also die Beamten des Bundesamtes für gewerbliche Wirtschaft insbesondere bei dem Bereich, der über die strafrechtliche Relevanz hinausgeht, gewisse Wertungen durchführen, die nach Auffassung der Antragsteller nicht den herkömmlichen Entscheidungsgepflogenheiten und der Entscheidungstradition dieser Institution, genannt Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft, in jeder Weise adäquat sind. Aus diesem Grunde meinen wir, daß es tunlich wäre, wenn bei der Ermessensbildung des Bundesamtes für gewerbliche Wirtschaft die Gutachten eines sachverständigen Gremiums - so möchte ich einmal sagen - Beachtung fänden. Aus dieser Erwägung beantragen wir, daß diese Institution vor ihrer Entscheidung ein Gutachten der Freiwilligen Filmselbstkontrolle einholen soll.
Wir meinen, daß die Freiwillige Filmselbstkontrolle eine Institution ist, die auf Grund ihrer bisherigen Tätigkeit, ihrer Erfahrungen und ihrer Spruchpraxis durchaus geeignet und in der Lage ist, ein Gutachten zu liefern, das bei der Ermessensbildung des Bundesamtes für gewerbliche Wirtschaft gewissermaßen als Material mit zu berücksichtigen ist. Ich glaube, dem Antrag liegt ein durchaus sachgemäßer Gesichtspunkt zugrunde, eben der, daß für die Ermessensbildung konkrete Anhaltspunkte geliefert werden können. Deshalb hier die gutachtliche Einschaltung der Freiwilligen Filmselbstkontrolle.
Hiergegen mag es Einwendungen geben. Ich habe z. B. gelegentlich gehört, das sei vielleicht verfassungsrechtlich bedenklich. Dieser Einwand hat offensichtlich deshalb kein Gewicht, weil natürlich eine jede Behörde zu ihrer Ermessensbildung die gutachtliche Stellungnahme von privatrechtlichen Institutionen einholen kann. Die FSK ist zweifellos eine privatrechtlich konstruierte Institution. Aber es, ist kein verfassungsrechtlicher Gesichtspunkt erkennbar, der einer Einschaltung dieser Institution als Gutachterstelle entgegenstehen würde.
Es ist darauf hingewiesen worden, eventuell könne eine erhebliche Verzögerung eintreten. Nun, ich habe auf meinem Platz eine Aufstellung über die bisherige Entscheidungspraxis der FSK in den Monaten November und Dezember 1960 und Januar 1961. Daraus ergibt sich, daß die Entscheidungen doch sehr schnell innerhalb eines ganz kurz bemessenen Zeitraumes fallen, der nur 14 Tage, 3 Wochen beträgt. Insoweit kann also keine wesentliche Verzögerung eintreten.
Schließlich ist eingewandt worden, es gebe doch heute einen interministeriellen Ausschuß, der das Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft berate. Betrachtet man die Tätigkeit dieses Ausschusses, dann muß man feststellen: es handelt sich hierbei um ein durchaus anonymes Gremium, dessen Beratungspraxis - oder gebrauchen wir den Ausdruck „Spruchpraxis" - bisher in gar keiner Weise bekannt ist. Die Spruchpraxis der SK ist durchaus bekannt. Der Herr Bundesminister des Innern hat anläßlich der Feier zum zehnjährigen Bestehen der FSK es ausdrücklich als empfehlenswert bezeichnet, daß einmal die Grundsätze der Spruchpraxis auch in einem besonderen Kommentar zusammengefaßt werden sollten. Ich zitiere hier nach dem „Wiesbadener Kurier" vom 22. August 1959. Hier gibt es doch also eine gewisse Publizität, die eine solche Stelle braucht. Dagegen gibt es das nicht bei dem interministeriellen Ausschuß, in dem sicherlich pflichtbewußte Beamte ihre Aufgabe erfüllen, aber nach unserer Auffassung keine Beamten, die ohne weiteres einem solchen Sachgegenstand so nahe stehen, wie das bei der FSK der Fall ist.
Die sachliche Eignung der Freiwilligen Filmselbstkontrolle kann nicht besser belegt werden als durch den Hinweis auf die Ausführungen des Herrn Bundesministers Dr. Schröder, der sowohl anläßlich des 5. Jahrestages als auch anläßlich des 10. Jahrestages des Bestehens der FSK nachdrücklich die verdienstvolle Wirksamkeit der FSK herausgestellt hat. Er hat anläßlich der 10-Jahres-Feier ausdrücklich gesagt, diese Einrichtung sei - jetzt zitiere ich -„ein Instrument des fruchtbaren Ausgleichs zwischen Freiheit und öffentlicher Verantwortung". In ähnlicher Weise hat er sich in seiner Rede anläßlich des 5. Jahrestages geäußert.
Die sachliche Berechtigung der Heranziehung einer solchen Gutachterstelle von Gesetzes wegen kann also kaum ernsthaft bestritten werden, zumal - das hatte ich vorhin zu sagen vergessen, aber ich möchte es doch erwähnen - nach den Grundsätzen der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft die Ausschüsse, die eine Überprüfung durchzuführen haben, ausdrücklich - das ist wichtig - zu überprüfen haben, ob ein Film geeignet ist - jetzt zitiere ich -, „antidemokratische ({0}), militaristische, imperialistische, nationalistische oder rassenhetzerische Tendenzen zu fördern" und weiterhin: „die verfassungsmäßigen und rechtsstaatlichen Grundlagen des deutschen Volkes zu gefährden oder herabzuwürdigen".
Auf der Grundlage dieser Richtlinien vollzieht sich also bereits eine Entscheidungspraxis, die man nicht ungenutzt lassen sollte und die es durchaus rechtfertigt, zur Straffung der Ermessensbildung der Bundesanstalt im Sinne dieses Antrages die FSK als Gutachterstelle einzuschalten.
Aus diesen Erwägungen bitte ich Sie, dem Antrag der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion - Umdruck 758 - zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Löhr.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu dem Petitum der Oppositionsfraktion möchte ich kurz folgendermaßen Stellung nehmen. Der Fragenkomplex Importe von Filmen war ursprünglich Bestandteil des von der Regierung eingebrachten Entwurfs eines
Löhr
Außenwirtschaftsgesetzes. Wir haben im Ausschuß, ich darf wohl sagen, einstimmig festgestellt, daß die Sonderregelung dieses Fragenkomplexes in dem Gesetzentwurf artfremd gewesen ist, und waren übereinstimmend der Auffassung, daß die betreffenden Vorschriften in einem Sondergesetz verabschiedet werden sollten. Dem ist Rechnung getragen worden; wir haben den vorliegenden Entwurf bekommen.
Nun konkret zu dem Änderungsantrag der Opposition! Herr Kollege Wittrock, zu Ihren Ausführungen möchte ich doch einiges ganz kurz sagen. Das Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft, das letztlich die Entscheidung über die Zulassung oder Ablehnung des Imports eines Filmes ausspricht, stützt sich in seiner Entscheidung auf ein Votum eines interministeriellen Ausschusses. Dieser interministerielle Ausschuß ist nicht irgendein „anonymes Gremium", wie Sie sagten. Ich bin der Auffassung, daß dieser interministerielle Ausschuß seit 1954 sehr positive Arbeit geleistet hat. Er hat nämlich über 1200 Filmimportanträge bereits entschieden und dabei 90 abgelehnt.
Zu Ihrem Antrag auf vorherige Einschaltung der Freiwilligen Filmselbstkontrolle möchte ich aber unter bezug auf unsere Ausschußberatungen noch auf etwas hinweisen. Wir haben zwei Vertreter der Freiwilligen Filmselbstkontrolle bei uns gehabt, und sie haben sich, wenn ich mich recht erinnere, für eine derartige Entscheidung als nicht kompetent erklärt.
({0})
- Verzeihung, auch mit einer Begutachtung wollten sie nichts zu tun haben.
Ich bin deshalb der Meinung, daß man sich im Entscheidungsverfahren auf das Status-quo-Verfahren stützen sollte. Das Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft stützt sich in seiner Entscheidung auf den interministeriellen Ausschuß, der sich in der Vergangenheit, wie ich eben schon sagte, vollauf bewährt hat. Man sollte nicht weitere Komplikationen durch die Freiwillige Filmselbstkontrolle herbeiführen.
Ich darf deshalb im Namen meiner Fraktion das Hohe Haus bitten, den Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 758 abzulehnen und der Regierungsvorlage zuzustimmen.
Keine weiteren Wortmeldungen. Ich stelle den Änderungsantrag Umdruck 758 zur Abstimmung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich, Zeichen zu geben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt.
Weiter liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 759 ({0}) vor. Soll der Antrag begründet werden? - Nein. Ich kann ihn zur Abstimmung stellen. Es handelt sich um eine Änderung des § 5 Abs. 4 Satz 1 und des § 5 Abs. 4 Satz 3. Es bestehen keine
Bedenken, daß ich gemeinsam abstimmen lasse. - Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich, Zeichen zu geben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei wenigen Enthaltungen angenommen.
Ich stelle dann § 5 mit diesen Änderungen zur Abstimmung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich, Zeichen zu geben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen angenommen.
§ § 6, - 7 - 8, - 9, - 10, - 11, - 12, - Einleitung und Überschrift. - Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich, Zeichen zu geben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei zwei Enthaltungen im übrigen Zustimmung. Damit ist die zweite Beratung geschlossen.
Ich eröffne die
dritte Beratung.
Keine Wortmeldungen. Dann steht der Entwurf in der Beschlußfassung der zweiten Beratung zur Schlußabstimmung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Entwurf ist gegen eine Enthaltung angenommen.
Ich rufe dann Punkt 8 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Fritz ({1}) und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes ({2})
Beratung und Aussprache sind nicht vorgesehen. Ich eröffne die erste Beratung und schließe sie. Es ist vorgesehen Überweisung an den Finanzausschuß als federführenden Ausschuß, an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und an den Haushaltsausschuß. - Ohne Bedenken; es ist so beschlossen.
Die Tagungsordnungspunkte 9, 10 und 11 werden vereinbarungsgemäß am Freitag, dem 10. Februar, aufgerufen.
Ich rufe noch den Tagesordnungspunkt 12 auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Arbeit ({3}) über die von der Bundesregierung eingebrachten Entwürfe
a) einer Verordnung über die ersten Maßnahmen zur Herstellung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft,
b) von Richtlinien auf dem Gebiet der Verfahren und der Verwaltungspraxis für die Einreise, für die Beschäftigung und für den Aufenthalt der Arbeitnehmer eines Mitgliedstaates und ihrer Familienangehörigen innnerhalb der anderen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft ({4}) .
Es liegt ein Schriftlicher Bericht des Abgeordneten Maier ({5}) vor. Wird das Wort ge8110
Vizepräsident Dr. Dehler
wünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich kann dann den Antrag des Ausschusses Drucksache 2454 zur Abstimmung stellen. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich, Zeichen zu geben. - Gegenprobe! - Enthaltungen ? - Der Antrag ist einstimmig angenommen.
Wir sind damit am Schluß der heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung ein auf Freitag, den 10. Februar 1961, 9 Uhr.
Ich schließe die heutige Sitzung.