Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, vor Eintritt in die Tagesordnung habe ich eine schmerzliche Pflicht zu erfüllen.
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Am 14. Dezember verstarb nach einer langen und sehr schweren Krankheit in Freiburg unser Kollege Friedrich Maier. Er ist am 29. Dezember 1894 in Karlsruhe geboren. Er hat die üblichen Schulen und das Lehrerseminar besucht und I) wurde Lehrer. Im ersten Weltkrieg hat er seine Pflicht getan und stand vier Jahre an der Front. Seit 1920 hat er sich der politischen Arbeit in den Reihen der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands gewidmet. Im zweiten Weltkrieg war er wieder Soldat. Im Jahre 1947 übernahm er seine alte Gengenbacher Volksschule als Rektor. Aber man brauchte ihn in der Aufbauarbeit nach dem Kriege an einflußreicherer Stelle. So wurde er, nachdem er 1947 stellvertretender Landesvorsitzender der Sozialdemokratischen Partei in Baden geworden war, Ministerialrat im Badischen Innenministerium. Im Jahr darauf wurde er in den Badischen Landtag gewählt, wo er als Vorsitzender seiner Fraktion tätig war. Als Vertreter Badens zog er 1948 in den Parlamentarischen Rat ein. Jeder von uns, der dort sein Kollege war, weiß, was das Grundgesetz ihm zu verdanken hat. Unserem Hause gehörte Friedrich Maier seit 1949 ununterbrochen an. In dieser Legislaturperiode wurde er zum Vorsitzenden des Ausschusses für Inneres gewählt; außerdem war er stellvertretendes Mitglied im Rechtsausschuß und im Haushaltsausschuß.
Ich glaube, daß ich die Verdienste des Verstorbenen nicht im einzelnen hervorzuheben habe. Jeder von uns kennt ihn; jeder von uns war angetan von der Bescheidenheit, von der Tüchtigkeit, von der selbstlosen Hingabefähigkeit dieses wackeren Mannes, dieses Musterbildes eines Demokraten. Ich spreche den Hinterbliebenen und der Fraktion der SPD die Teilnahme des Hauses aus. Ich danke Ihnen, daß Sie sich erhoben haben.
Die folgende amtliche Mitteilung wird ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Herr Bundesminister des Innern hat unter dem 14. Dezember 1960 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Kühlthau, Dr. Werber, Schmitt-Vockenhausen, Kühn ({1}) und Genossen betr. Übernahme von Volks-, Betriebs- und Sozialwirten in den höheren Dienst - Drucksache 2252 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 2330 verteilt.
Ich habe dem Hause noch etwas bekanntzugeben. Nach einer Vereinbarung der Fraktionen soll die Tagesordnung um eine Reihe von Punkten erweitert werden. Sie haben die Liste vor sich liegen. Ist das Haus mit dieser Erweiterung der Tagesordnung einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Zu der in der Fragestunde der 135. Sitzung des Bundestages am 9. Dezember 1960 gestellten Frage des Abgeordneten Dr. Atzenroth Nr. IX/2 ist inzwischen die schriftliche Antwort des Bundesministers Stücklen vom 14. Dezember 1960 eingegangen. i
Sie lautet:
Einer Privatisierung des Telegraphendienstes steht das Fernmeldeanlagengesetz vom 14. Januar 1928 entgegen.
Im übrigen wäre keine Privatgesellschaft in der Lage, den Telegraphendienst bei den derzeitigen Gebühren auch nur annähernd in der Weise durchzuführen, wie es die Deutsche Bundespost tut. Ich bitte ferner zu bedenken, daß eine ununterbrochene garantierte Botenbereitschaft bei sämtlichen, fast 40 000 Telegraphenstellen auch außerhalb der amtlichen Öffnungszeiten extrem personalintensiv und damit hödist kostspielig wäre. Würde eine solche Botenbereitsdhaft ohne Rücksicht auf das Verkehrsaufkommen überall eingerichtet werden, so wäre eine untragbare Gebührenerhöhung unvermeidbar.
Wir kommen zur
Fragestunde ({2}).
Zunächst zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft - Frage IV/4 - des Abgeordneten Dr. Schmidt ({3}) :
Betrachtet es die Bundesregierung für richtig, daß ein in öffentlicher Hand befindliches, namhaftes Energieversorgungsunternehmen die Kohlefradithilfe an seine Abnehmer mit einem Hinweis auf die angebliche Erhöhung sonstiger Kosten nicht weitergegeben hat?
Die Bundesregierung hält es im allgemeinen nicht für richtig, wenn ein in öffentlicher Hand befindliches namhaftes Energieversorgungsunternehmen die Kohlefrachthilfe an seine Abnehmer nicht weitergibt. Zu dem Einzelfall, der der Anfrage von Herrn Dr. Schmidt zugrunde liegt, vermag ich mich jedoch nicht zu äußern, da mir der Sachverhalt nicht bekannt ist. Ich bin selbstverständlich gern bereit, die Angelegenheit zu prüfen, wenn Herr Dr. Schmidt die Liebenswürdigkeit ha7816
ben will, mir die Unterlagen zur Verfügung zu stellen.
Einem Fall, der in den letzter Wochen Anlaß zur Kritik gegeben hat, ist die Bundesregierung nachgegangen. Die Erklärungen des betreffenden Unternehmens lauten dahin, daß die Frachthilfe, die das Unternehmen selbst erhält, in vollem Umfange an die Abnehmer weitergegeben werde, daß jedoch eine rechnerische Ermäßigung der Listenpreise für Kohle, die bisher gewährt worden sei, wegen gestiegener anderer Kosten habe aufgehoben werden müssen. Das entspreche den vertraglichen Vereinbarungen, die das Unternehmen mit seinen Abnehmern getroffen habe. Für den Abnehmer ist dadurch im Ergebnis zwar immer noch eine Preisermäßigung eingetreten, allerdings nicht in voller Höhe der Frachthilfe. Die Bundesregierung hat aber Verständnis dafür, daß der Abnehmer eine Preisermäßigung in Höhe der vollen Frachthilfe ohne Aufhebung einer bisher geltenden Vergünstigung anstrebt. Die Bundesregierung betrachtet die Angelegenheit noch nicht als abschließend geklärt und wird sich weiter um die Klärung dieses Falles bemühen.
Allgemein darf ich zur Weitergabe der Frachthilfe folgendes sagen. Für Kohletransporte der Eisenbahn und der Binnenschiffahrt wird aus dem Aufkommen der Heizölsteuer seit dem 1. Juli 1960 eine Frachthilfe in Höhe von 8,6 % der derzeit geltenden Frachttarife geleistet. Der Sinn dieser Regelung, die in der Entschließung des Deutschen Bundestages vom 9. März 1960 ihren Niederschlag gefunden hat, war es, die Wettbewerbsfähigkeit der Steinkohle zu verbessern und die Anpassung des Steinkohlebergbaues an die veränderte Lage auf dem Energiemarkt auch dadurch zu erleichtern, daß (die Kohlenverbraucher in den Genuß billigerer Kohlenpreise kommen sollten. Zu den verschiedenen Verbrauchergruppen der Kohle zählen auch die Versorgungsunternehmen.
Soweit in den Verträgen mit den Abnehmern von Strom die Frachtbelastung zum Bestandteil der sogenannten Kohlenklausel geworden ist, dürfte ohnehin ein Rechtsanspruch auf Weitergabe der Frachtersparnis bestehen. Aber auch in jenen Fällen, in denen derartige Klauseln vertraglich nicht besonders vereinbart worden sind, hält es die Bundesregierung für wünschenswert, daß die Unternehmen Kostenersparnisse verwenden, um Preissenkungen vorzunehmen.
Wenn in bestimmten Fällen die Frachthilfe unter Hinweis auf inzwischen eingetretene Kostensteigerungen nicht an den Stromverbraucher gegeben wurde, kann das in einzelnen Fällen gerechtfertigt sein. Die Bundesregierung hält es alber im allgemeinen für erstrebenswert, daß die Verbraucher in den Genuß (der Frachthilfe kommen.
Eine Zusatzfrage!
Sind Sie der Auffassung, daß grundsätzlich die Erfahrungen, die mit der Frachtenbeihilfe und ideren Weitergabe gemacht worden sind, befriedigend sind?
Ich möchte darauf antworten, daß die Frachthilfe in ihrer Wirkung nur gesehen wenden kann als 'eine der verschiedenen Maßnahmen, die zugunsten des Steinkohlebengbaues getroffen wurden. Ihre Wirksamkeit ist schon dadurch begrenzt, daß sie im Maximum, ich glaube, nur 21/2 % des Kohlepreises betragen kann. In diesem Ausmaß aber hat die Frachthilfe, wie wir glauben, gut gewirkt.
Zu einer Zusatzfrage Herr Müller-Henmann!
Herr Staatssekretär, bis wann wird die Bundesregierung dem Parlament Aufklärung (darüber geben können, ob sich die Erwartungen, die man alllgenrnein hinsichtlich (der Frachthilfe für Kohletransporte gehabt hat, erfüllt haben? Trifft es insbesondere zu, daß trotz der Subventionierung (der Kohlefrachten die Einzelhandelspreise gerade an solchen Plätzen, deren Revierferne durch (die Frachthiflfe ausgeglichen werden sollte, ganz erheblich angestiegen sind? Stimmt es 'beispielsweise, daß in Nürnberg, wo seit der Einführung der Frachthilfe eine Verbilligung von 2,40 DM hätte eintreten müssen, Preiserhöhungen zwischen 4 und 10,80 DM je Tonne Kohle eirege' treten sind, obwohl der Listenpreis bei den gängigen Sorten um mehr als 4 DM niedriger gelegen hat 'als im Vorjahr?
Auf diese drei Fragen kann ich folgendes erwidern.
Nach den Feststellungen der Bundesregierung hat sich die Frachthilfe zunächst dahin ausgewirkt, daß etwa 85 % des Steinkohleabsatzes durch die Frachthilfe tatsächlich begünstigt worden sind. Nur auf dem Sektor der verbleibenden 15 % - allerdings handelt es sich dabei zu unserem Bedauern gerade um den Hausbrand, so daß die Kleinverbraucher betroffen werden - ist die Begünstigung nicht in allen Fällen voll dem letzten Verbraucher zugute gekommen.
In welchem Umfang die Absicht der Bundesregierung, das Wettbewerbsverhältnis der Kohle zum Heizöl zugunsten der Kohle zu beeinflussen, verwirklicht worden ist, läßt sich gegenwärtig noch nicht endgültig übersehen. Die von der Frachthilfe ausgehenden preislichen Wirkungen für den einzelnen Kohleverbraucher sind - ich erwähnte das soeben schon - auf 8,6 % der Tarife begrenzt und natürlich regional sehr unterschiedlich. Im Raum München fällt eine Frachtsenkung von etwa 2,60 DM an, während im Raum näher dem Revier die Ermäßigung höchstens 50 Pf. beträgt.
Bei der Beurteilung der gegenwärtigen Wettbewerbsverhältnisse zwischen Kohle und Heizöl muß allerdings berücksichtigt werden, daß zwischenzeitlich, und zwar nach ,der Einführung der Frachthilfe, die Preise für leichtes Heizöl weiter abgesunken sind.
Auf die Frage nach den Preiserhöhungen kann ich Ihnen eine zufriedenstellende Antwort geben. Zunächst einmal möchte ich darauf hinweisen, daß auch die durch die Frachthilfe verbesserten Frachtsätze keine Subventionierung der Kohlefrachten bedeuten. Meines Erachtens sind die Kohlefrachten auch heute noch keineswegs als niedrig zu bezeichnen. Es ist gerade der Wille dieses Hohen Hauses gewesen, durch die Frachthilfe die Tariferhöhung der Eisenbahn vom 1. Februar 1958 und ,die entsprechende Regelung der Binnenschiffahrt für die Kohleverbraucher rückgängig zu machen. Wir haben keine zuverlässigen Anhaltspunkte dafür, daß gerade in revierfernen Gebieten die Kohleeinzelhandelspreise nach Einführung der Frachthilfe gestiegen sind. Das mag angesichts der von Ihnen genannten Zahlen verwunderlich klingen, ich glaube aber, Ihnen eine Erklärung dafür geben zu können. Es trifft nämlich zu, daß wie in jedem Jahr so natürlich auch im Jahr 1960 nach dem Kulminationszeitpunkt des Sommers -die Sommerrabatte in Wegfall gekommen und die Winterzuschläge :eingetreten sind. Da je nach -den Sorten die Sommerabschläge 2 bis 4 DM und die Winterzuschläge ab November 2 bis 4 DM betragen haben, kann durchaus eine Preiserhöhung bis zu 8 DM eintreten. Diese durch den Wegfall der Sommerrabatte und das Hinzukommen der Winterzuschläge eintretende Erhöhung dürfte im allgemeinen größer sein als die durch die Frachthilfe eintretende Verbilligung, die maximal 2,70 oder 2,80 DM ausmacht.
Nach unseren Informationen trifft es aber nicht zu, daß in Nürnberg nach Einführung der Frachthilfe bei den einzelnen Kohlesorten Preiserhöhungen zwischen 4 und 10,80 DM eingetreten sind. Nach den Erhebungen der Preisbildungsstelle, mit der wir uns in Verbindung gesetzt haben, sind in Nürnberg folgende Preiserhöhungen eingetreten: Brechkoks 1,80 bis 2 DM, Eß-Nußkole 1,60 bis 2 DM, Anthrazit-Nüsse 1,80 bis 2 DM.
Verzeihung, Herr Staatssekretär, vielleicht begnügt sich der Herr Abgeordnete mit einer schriftlichen Beantwortung der Frage. Es ist nicht der Sinn der Fragestunde, die Große Anfrage zu ersetzen.
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Darf ich noch eine Zusatzfrage stellen?
Nein, ich erteile Ihnen dazu nicht das Wort. Sie haben offenbar die Absicht, eine Antwort zu erlangen, die man sonst nur auf Grund einer Kleinen Anfrage erhalten kann.
Der Herr Präsident befindet sich in einem Irrtum. Ich wollte nur eine kurze ergänzende Frage stellen. Ich glaube, das ist mein Recht.
Dann stellen Sie die Frage, aber stellen Sie sie bitte kurz. Gleichzeitig darf ich die Regierung um eine kurze Beantwortung bitten.
Ich wollte den Herrn Staatssekretär fragen, db die Bundesregierung die Wirksamkeit der Frachthilfen weiter überprüfen wird.
Die Frage kann ich mit Ja beantworten.
Herr Abgeordneter Jacobi, eine Zusatzfrage. Aber auch hier möchte ich noch einmal anmahnen, keine Große Anfrage aus der Fragestunde zu machen.
Herr Staatssekretär, darf ich aus der Antwort auf die Frage entnehmen, daß die Bundesregierung nicht nur feststellen möchte, daß es sich um Vertragsrechte handelt, die im Einzelfall zu beachten sind, sondern daß auch -die tatsächlichen Verhältnisse im Einzelfall entscheidend sind? Das heißt, daß es zum Beispiel darauf ankommt, ob ein Verteilungsunternehmen, das an Letztverbraucher weitergibt, vom Erzeugerunternehmen, von dem es beliefert wird, die Kohlefrachthilfe gewährt erhält?
Ich bin der Meinung des Herrn Abgeordneten, daß die Fälle einzeln und unterschiedlich zu beurteilen sind. Ich bitte aber, nicht zu übersehen, daß die Frachthilfe aus einem bestimmten Grunde eingeführt wurde, nämlich deshalb, um die Wettbewerbslage der Kohle zu erleichtern. Das war der erste und hauptsächliche Sinn dieser Frachthilfe.
Meine Damen und Herren, es ist nicht der Sinn der Fragestunde, Fragen in einer Art zu stellen, daß sie dann fast mit einer Regierungserklärung beantwortet werden müssen.
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Das kann man so nicht machen. Ich werde in solchen Fällen das Wort nicht mehr erteilen.
Ich rufe auf die Frage IV/5 - des Abgeordneten Matthes -:
Welche Gründe waren dafür maßgebend, die von der Hamburger Flugzeugbau GmbH erbetene schnelle Entscheidung über deren Antrag auf Gewährung eines Erfolgkredits immer wieder hinauszuschieben, so daß nunmehr sich die Gesellschaft zu der Erklärung veranlaßt sieht, der Zeitpunkt für den Bau eines deutschen zweistrahligen Düsenflugzeuges sei nun verpaßt?
Der Fragesteller wird durch den Abgeordneten Dr. Schranz vertreten.
Bei der Beratung über die finanzielle Förderung der Entwicklung von zivilen Flugzeugen wurde auch die Förderungswürdigkeit des Projektes der Hamburger Flugzeugbau GmbH HFB 314 geprüft. Bei diesen Ermittlungen wurden technische, betriebswirtschaftliche und zum Teil auch politische Bedenken geäußert, die dazu führ7818
ten, daß zunächst die Förderungswürdigkeit dieses Projektes überhaupt in Abrede gestellt wurde. Erst in späteren Besprechungen zwischen den beteiligten Ressorts und der Hamburger Gesellschaft wurden diese Bedenken im wesentlichen ausgeräumt und eine Förderungswürdigkeit des Projektes im Grundsätzlichen anerkannt. Mitte Sommer dieses Jahres wurde der Gesellschaft zugesagt, die Frage im Kabinettsausschuß für Wirtschaft zu beraten und sie wegen der grundsätzlichen Bedeutung schließlich im Gesamtkabinett behandeln zu lassen.
Der Bundesminister der Finanzen hat der Meinung Ausdruck gegeben, .daß er die Förderung der Entwicklung des zivilen Flugzeugbaus weder für wirtschaftlich vertretbar noch für mit der Haushaltslage des Bundes vereinbar hält. Das Bundeswirtschaftsministerium hält die Förderung des zivilen Flugzeugbaus grundsätzlich jedenfalls für . richtig. Das Projekt HFB 314 hätte daher, wenn der Antrag nicht zurückgezogen worden wäre, noch. im Gesamtkabinett behandelt werden müssen.
Eine Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, das bedeutet praktisch, daß nunmehr die Engländer den Vorsprung ausnutzen und das Flugzeug bauen, weil unsere Regierung zu lange gezögert hat. Ist das richtig?
'Ich bin nicht der Meinung, daß das richtig ist. Ich glaube, daß es eine Verpflichtung der Bundesregierung ist, diejenigen Anträge, die darauf hinausgehen, Förderungsbeträge aus den Steuergeldern zu bekommen, auf das sorgfältigste und gewissenhafteste zu prüfen. Die Frage, welche Risiken mit diesem Projekt verbunden sind, ist durchaus nicht leicht zu entscheiden gewesen. Ich bitte, die Versicherung entgegenzunehmen, daß wir jedenfalls alles getan haben, um die Überprüfung zu beschleunigen.
Frage IV/6 - des Abgeordneten Schneider ({0}) -:
Wie erklärt es der Herr Bundeswirtschaftsminister, daß trotz der ständig steigenden Motorisierung und des damit verbundenen ständig steigenden Kraftstoffverbrauchs die Benzinpreise in der Bundesrepublik weiterhin unverändert bleiben und sogar noch eine Steigerung erfahren sollen?
Herr Abgeordneter Schneider ({1}) ist nicht anwesend. Die Frage wird schriftlich beantwortet.
Nun eine Frage aus Drucksache 2311, Frage IV - des Herrn Abgeordneten Dr. Brecht -:
Hält die Bundesregierung die in dem Rundschreiben des Herrn Bundeswirtschaftsministers vom 5. August 1960 vertretene Auslegung des § 2 a des Wirtschaftsstrafgesetzes für ausreichend, um den immer mehr zunehmenden Mietwucher bei noch und bei nicht mehr preisgebundenen Wohn- und Geschäftsräumen wirksam bekämpfen zu können?
Wie Minister Erhard bei der Beantwortung der mündlichen Anfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Brecht in der Fragestunde am 20. Januar dieses Jahres bereits zum Ausdruck gebracht hat, erschien ein Bedürfnis für zusätzliche Strafbestimmungen, die über die Strafvorschriften des § 2 a des Wirtschaftsstrafgesetzes und des § 302 e des Strafgesetzbuches hinausgehen, nicht gegeben. Auch heute liegt der Bundesregierung kein Material der für die Mietpreisbildung und -überwachung zuständigen Länderbehörden vor, aus dem sich ein Anwachsen der Fälle von Mietwucher ergeben würde. Durch mein Schreiben vom 5. August 1960 sollten die Wirtschaftsminister der Länder lediglich auf das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichtes vom 21. März 1960 aufmerksam gemacht werden. Dieses Urteil ist nämlich insofern bemerkenswert, als es sich eingehend mit der Auslegung des § 2 a des Wirtschaftsstrafgesetzes befaßt und eine wirksame Möglichkeit aufzeigt, mit dieser Vorschrift eindeutige Mietüberhöhungen, und zwar sowohl bei preisgebundenem als auch bei nicht preisgebundenem Wohnraum, in allen erforderlichen Fällen zu ahnden.
Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, halten Sie es auf Grund der Meldungen, die in der letzten Zeit durch die Presse gingen, und auf Grund der an die Abgeordneten gerichteten Briefe nicht für geboten, eine erneute Umfrage darüber zu veranstalten, in welchem Umfange Erscheinungen des Mietwuchers im Gefolge der Mieterhöhungen praktisch eingetreten sind, so daß dagegen eingeschritten werden müßte?
Wir wollen gern den Kontakt mit den Landespreisstellen erneut aufnehmen und intensivieren. Ich muß aber, wie ich schon erwähnt habe, darauf hinweisen, daß die letzten Meldungen dieser Stellen keinen Ansatzpunkt für die Annahme einer Zunahme der Fälle von Mietwucher ergeben.
Letzte Zusatzfrage!
Würden Sie es nicht für geboten halten, diese Frage dann wenigstens bei der Regelung des sogenannten sozialen Mietrechts, die noch nicht erlassen ist, mit zu erledigen und zu behandeln?
Ich möchte Gelegenheit nehmen, diese Frage mit dem Wohnungsbauminister zu beraten.
Zusatzfrage! - Herr Abgeordneter Wittrock!
Beobachten Sie in diesem Zusammenhange auch die Mietpreistreibereien, die jedenfalls zur Zeit noch zu Lasten von Angehörigen der Stationierungsmächte zu bemerken sind?
Darüber kann ich Ihnen im Augenblick keine konkrete Auskunft gelben. Ich wende dieser Sache nachgehen und Ihnen diese Frage zu gegebener Zeit beantworten.
Die Frage ist beantwortet.
Geschäftsbereich (des Bundesministens für Arbeit und Sozialordnung. Frage V/1 - des Herrn Abgeordneten Dr. Arndt -:
Sind von den insgesamt fünf Senaten des Bundesarbeitsgerichts drei Senate mit arbeits- und dienstrechtlidien Streitigkeiten der öffentlichen Hand beschäftigt, so daß mindestens vierzig Senate erforderlich waren, wenn aus dem Bereich der privaten Wirtschaft verhältnismäßig ebensoviel Streitigkeiten an das Bundesarbeitsgericht kämen wie aus dem öffentlichen Dienst?
Nach dem Geschäftsverteilungsplan des Bundesarbeitsgerichtes sind den einzelnen Senaten die Aufgaben nach Sachgebieten zugewiesen. Dies hat zur Folge, daß sichalle fünf Senate des Bundesarbeitsgerichtes auch mit Rechtsstreitigkeiten aus idem Bereich des öffentlichen Dienstes zu befassen haben. Zwei Senate haben allerdings !ausschließlich Angelegenheiten aus dem Bereich des öffentlichen Dienstes zu entscheiden.
Nach einer von mir für das Jahr 1958 durchgeführten Erhebung betrug die Gesamtzahl der Revisionen 598; davon entfielen auf den Bereich des öffentlichen Dienstes einschließlich !des Bereiches der Stationierungsstreitkräfte 216, das sind rund 36 %. In schätzungsweise 15 % der Fälle war die öffentliche Hand Revisionsklägerin und in 21 % Revisionsbeklagte.
Wie das Verhältnis der Streitfälle zur Zeit ist, läßt sich noch nicht übersehen - da neueres Zahlenmaterial nicht zur Verfügung steht. Über die Zahl der Rechtsstreitigkeiten zwischen dem Bund und seinen Bediensteten wind aber !die Antwort der Bundesregienung auf die Kleine Anfrage der Fraktion !der FDP - Drucksache 2140 - vom 19. Oktober 1960 demnächst Aufschluß geben.
Eine Zusatzfrage!
Herr Bundesminister, wie erklären Sie die doch sicherlich auch Ihnen aus der Presse bekannte öffentliche Außerung eines Bundesrichters am Bundesarbeitsgericht, die erkennbar meiner Frage zugrunde liegt und die natürlich nicht auf die geschäftsplanmäßige Verteilung auf !die Senate abzielt, sondern auf den Umfang der Arbeitsast? Wie erklären Sie diese Äußerung eines Bundesrichters aan Bundesarbeitsgericht?
Herr Kollege Arndt, diese Äußerung ist mir nicht bekannt. Würde es Ihnen etwas ausmachen, sie hier stichwortartig wiederzugeben?
Die Äußerung lautet genauso wie meine Frage, nur positiv. Der Bundesrichter Schröder hat gesagt, daß gegenwärtig der Sache nach drei Senate nur für dienstrechtliche Streitigkeiten der öffentlichen Hand erforderlich sind, und wenn aus der privaten Wirtschaft ebenso viele Klagen kämen, dann würde man 40 Senate brauchen. Ich bitte, der Sache nachzugehen.
Herr Kollege Arndt, ich möchte versuchen, eine kurze Antwort schon jetzt zu geben. Zweifellos ist so viel richtig, daß sich die öffentliche Hand hier sehr viel schwieriger tut und nicht dieselbe Entscheidungsfreiheit hat wie z. B. die private Wirtschaft. Sie kennen die Ursache. Sie wissen, daß der Rechnungshof sehr genau prüft, ob alle Möglichkeiten ausgeschöpft sind. Aber ich halte die Schätzung, daß 40 Senate mehr erforderlich wären, für weitaus zu hoch gegriffen.
Zu einer Zusatzfrage Abgeordneter Wittrock.
Herr Bundesminister, trifft es zu, daß Revisionen, die die öffentliche Hand einlegt, in den weitaus meisten Fällen zu einem negativen Ergebnis führen, so daß man hieraus vielfach auf eine sehr stark betonte Rechthaberei der öffentlichen Hand schließen muß?
Ich habe schon gesagt, daß nur in 15 % der Fälle die öffentliche Hand die Revisionsklägerin war und in 21 '°/o der Fälle die Revisionsbeklagte. Ich kann natürlich nur solche Zahlen ermitteln. Ich kann unmöglich ermitteln, ob das Motiv eines Rechtsstreites unnötige Rechthaberei war.
Eine Zusatzfrage!
Herr Bundesarbeitsminister, ist Ihnen bekannt, daß Ihrem Hause eine Stellungnahme eines hohen Richters des Bundesarbeitsgerichts vorliegt - sie ist Ihrem Hause vor etwa einem Jahr übergeben worden -, und ist Ihnen diese Stellungnahme bekannt?
Die Stellungnahme ist mir nicht bekannt.
Würden Sie ermitteln lassen, ob diese Stellungnahme vorliegt, und wenn ja, würden Sie sie prüfen?
Ihr Hinweis, Herr Kollege, genügt mir, mich der Sache anzunehmen.
Frage V/2 - des Abgeordneten Dr. Arndt -:
Welche Planungen - personell, sachlich und seit welchem Zeitpunkt - bestehen für die Turiner Ausstellung „Mensch und Arbeit"?
Die italienische Regierung hat die Bundesregierung aufgefordert, sich !an der Internationalen
Bundesarbeitsminister Blank
Arbeitsausstellung 1961 in Turin zu beteiligen und dabei das Thema „Berufsberatung und Berufsausbildung" zu 'behandeln. Die Bundesregierung hat die Teilnahme zugesagt. Die Aufgaben eines Generalkommissars für deutsche Beteiligung hat die Bundesregierung dem Präsidenten der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung, Herrn Anton Sabel, übertragen. Die architektonischen Arbeiten für den deutschen Ausstellungsteil liegen in Händen einer Gruppe von Architekten, die über besondere Erfahrungen in der Gestaltung großer internationaler Ausstellungen verfügen. Die technische und organisatorische Durchführung obliegt einer Ausstellungsgesellschaft.
Unter Beteiligung ,des Deutschen Gewerkschaftsbundes, ,der Deutschen Angestelltengewerkschaft, des Deutschen Industrie- und Handelstages, der Arbeitsstelle für betriebliche Berufsausbildung, .des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks, der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung, der interessierten Ressorts sowie von Ausbildungsexperten einiger großer Industniebetriebe ist unter Leitung meines Ministeriums der Inhalt des deutschen Ausstellungsteils gedanklich und fachlich vorbereitet worden. Die Vorarbeiten für die Beteiligung wurden begonnen, nachdem der italienischen Regierung die deutsche Beteiligung offiziell zugesagt war und sich Art und Umfang der deutschen Beteiligung und der Beteiligung anderer Nationen übersehen ließen. Die Vorarbeiten sind so weit gediehen, daß technisch keine Schwierigkeiten !bestehen, den deutschen Ausstellungsteil am 1. Mai 1961 zu eröffnen.
Eine Zusatzfrage!
Herr Bundesminister, wann genau ist die Einladung der italienischen Regierung eingegangen, und wie erklärt es sich, ,daß man sich erst 14 Monate nach Empfang der Einladung zum erstenmal umgetan hat, um einen geeigneten Architekten für den Turiner Bau zu finden?
Ich darf die Frage wie folgt beantworten. Im Laufe des Jahres 1959 ist die italienische Regierung zum erstenmal mit der Aufforderung an die Bundesregierung herangetreten, sich an dieser Arbeitsausstellung Turin 1961 mit dem von ihr vorgeschlagenen Thema „Berufsberatung und Berufsausbildung" zu beteiligen. Aber erst im Juni 1960 hat ,die italienische Seite genaue Planunterlagen für die architektonische Gestaltung der einzelnen nationalen Abteilungen vorgelegt, und noch im gleichen Monat sind die vorbereitenden Arbeiten in Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern, Verbänden und eben genannten Ressorts unter Hinzuziehung auch der Architekten aufgenommen worden.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Scharnowski!
Herr Minister, halten Sie angesichts des großen Programms die Summe, die Sie im Haushaltsentwurf ausgebracht haben - ich glaube, es sind 400 000 DM - nicht für viel zu gering? Der Ausschuß für Arbeit war der Meinung, daß Sie den Ansatz wesentlich erhöhen müßten.
Ich möchte schätzen - allerdings müssen solche Schätzungen mit Vorsicht aufgenommen werden -, daß 'die Kosten für die Gestaltung des deutschen Ausstellungsanteils einschließlich aller Nebenkosten - Unterhaltung und Wartung auf die Dauer von sechs Monaten - sich auf etwa 3 Millionen DM belaufen werden.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Schäfer!
Herr Minister, sind Sie nicht der Auffassung, daß es notwendig gewesen wäre, die erforderlichen Mittel rechtzeitig zu beantragen? Erst im jetzigen Haushaltsplan sind sie angefordert und erst gestern im Haushaltsausschuß sind Ihnen die Mittel bewilligt worden.
Wir konnten ja nicht eher. Die Planung mußte erst einen Grad der Übersichtlichkeit erbringen, der es erlaubte, eine einigermaßen präzise Schätzung zu machen; denn nur eine solche können wir dem Hause unterbreiten. Ich wäre vor einem Jahr dazu nicht in der Lage gewesen. Aber dankenswerterweise hat zumindest der Haushaltsausschuß des Hohen Hauses diese Mittel schon bewilligt.
Zu einer zweiten Zusatzfrage Herr Abgeordneter Schäfer.
Herr Minister, meinen Sie nicht, daß bei der Planung das Geld eine wesentliche Rolle spielt? Wäre es nicht richtiger gewesen, einen vorläufigen Plan vorzulegen, damit das Haus, mindestens der Haushaltsausschuß, Ihnen den Rahmen abstecken konnte? Es ist kein Wunder, daß Sie nun wahrscheinlich kaum fertig werden.
Ich darf sinngemäß wiederholen, was ich schon gesagt habe: Ohne Geld ist natürlich nichts zu machen. Aber ich glaube, es ist richtig, daß wir nicht mit geldlichen Forderungen an .das Haus herantreten, bevor wir mit einiger Sicherheit übersehen, welche Summe tatsächlich nötig 'ist.
Frage V/3 - des Abgeordneten Welslau -:
Bei wieviel Rentenanträgen konnte die Vergleichsberechnung nach Artikel 2 § 42 des ArVNG zugunsten der Antragsteller nicht angewandt werden,
a) weil die Anwartschaft aus den bis Ende 1956 geleisteten Beiträgen nicht gegeben war und nadi dem 1. Januar 1957 noch Beiträge für 1956 nachentrichtet wurden,
b) weil ab 1. Januar 1957 bis zur Antragstellung jährlich nicht 9 Monatsbeiträge entrichtet wurden?
60 Blank, Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung: Ich bedaure, Herr Kollege, Ihnen keine genauen Zahlen nennen zu können. Die Versicherungsträger erfassen nur die Fälle, in denen eine Doppelberechnung stattfindet, nicht aber auch die Fälle, in denen die Doppelberechnung ausgeschlossen ist, weil dafür die Voraussetzungen fehlen.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Welslau.
Herr Minister, sehen Sie keine Möglichkeit, auch diese Fälle einzeln zu erfassen? Ist Ihnen bekannt, daß zu dem Kreis der Betroffenen insbesondere Landarbeiterfrauen gehören, die jahrzehntelang halbtags in der Landarbeit beschäftigt waren, sowie Heimarbeiterinnen, die - als kinderreiche Mütter - ebenfalls jahrzehntelang tätig waren und jetzt wegen der geringen Entlohnung eine Rente erhalten, die zum Teil wesentlich unter dem Fürsorgerichtsatz liegt?
Herr Kollege, dieses Hohe Haus hat im Jahre 1957 ein Gesetz zur Neuregelung der Altersversicherung für die Arbeiter und für die Angestellten beschlossen. Das Problem, von dem Sie sprechen, hat bei den Beratungen sicherlich eine bedeutsame Rolle gespielt. Ich vermag nichts Unrechtes darin zu sehen, daß jemand seine Leistungen nach einem vom Gesetzgeber beschlossenen Gesetz erhält.
Zweite Zusatzfrage?
Herr Minister, würde ein ausführliches Zahlenmaterial nicht ein Anlaß dafür sein, hier eine Novelle zu schaffen?
Ob und wann Anlaß zu einer Novellierung dieses erst seit drei Jahren geltenden Gesetzeswerkes gegeben ist, vermag ich - gegenwärtig jedenfalls - nicht zu überschauen.
Die Frage ist beantwortet.
Geschäftsbereich des Bundesministers für Verteidigung, Frage VI/1 - des Herrn Abgeordneten Josten -:
Ist die Bundesregierung bereit, zur Förderung des deutschen Liedes und im Hinblick auf die gemeinschaftsbildende Kraft des gemeinsamen Singens ein Soldatenliederbuch in Taschenformat herauszugeben, welches jeder Soldat als Geschenk erhält?
Es geht also diesmal nicht um Atombomben und Kanonen, sondern um Musisches.
Da die erste Auflage des Liederbuches der Bundeswehr fast vergriffen ist, wurde im Sommer dieses Jahres mit den Vorbereitungen für eine neue Auflage im Taschenformat begonnen. Es ist vorgesehen, das Liederbuch jedem Soldaten unentgeltlich als Eigentum zu überlassen. Die Geldmittel hierfür werden voraussichtlich im Haushaltsjahr 1961 zur Verfügung stehen; der Haushaltsplan ist allerdings noch nicht verabschiedet.
Zusatzfrage?
Herr Staatssekretär, wäre das Verteidigungsministerium bereit, diese Ihre positive Entscheidung der Truppe schon jetzt mitzuteilen?
Ich möchte davon absehen, weil das Hohe Haus zunächst die Geldmittel zur Verfügung stellen muß, ehe wir der Truppe eine exakte Erklärung abgeben können. Die Entscheidung des Hohen Hauses ist noch nicht getroffen, der Haushaltsplan ist noch nicht verabschiedet.
Zusatzfrage? - Herr Abgeordneter Schäfer.
Herr Staatssekretär, wer trägt die Verantwortung dafür, 'welche Lieder aufgenommen werden?
Die Verantwortung dafür, welche Lieder aufgenommen werden, trägt das Verteidigungsministerium. Die Angelegenheit wird seit einem halben Jahr bearbeitet. Hieraus ergibt sich, wie schwierig die Auswahl von Liedern ist; manchmal ist sie schwieriger als die Auswahl von Waffen.
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Die nächste Frage ist in der Drucksache 2311 enthalten. Es ist die Frage V - des Abgeordneten Spitzmüller -:
Welche Dienststelle trifft das Verschulden für die Verschleuderung von Steuermitteln durch die Tatsache, daß im Frühjahr 1959 eine Überführung der Landstraße II. O. Nr. 21 über die Bundesautobahn zwischen Schuttern und Kürzell gebaut und auf Wunsch der Bundeswehr für Fahrzeuge bis zu 100 t tragfähig hergestellt wurde, obwohl bekannt sein mußte, daß bei der vorgesehenen und im Sommer 1960 beschlossenen Erweiterung des
' nahe gelegenen Militärflugplatzes diese Landstraße verlegt werden muß und die 100-t-tragfähige Ubcrführung über die Bundesautobahn mit einem Kostenaufwand von rund 700 000 DM dann nur noch als landwirtschaftlicher Wirtschaftsweg Verwendung finden kann?
Die Landstraße Nr. 21 wurde zwischen Schuttern und Kürzell wegen des Baues der Autobahn Karlsruhe-Basel ausgebaut und begradigt. Dabei wurde die Überführung über die Autobahn aus Mitteln ,des Verteidigungshaushalts auf eine Tragfähigkeit bis zu 100 Tonnen verstärkt, weil die Straße und der Autobahnübergang auch für militärische Zwecke von wesentlicher Bedeutung sind.
Die Verlegung der Landstraße Nr. 21 wird nunmehr im zivilen Interesse notwendig. Die Landesregierung Baden-Württemberg fordert nämlich Maßnahmen, um die Lärmbeeinträchtigung des an dem Flugplatz liegenden Ortes Langenwinkel zu verringern. Untersuchungen haben ergeben, daß dies
voraussichtlich nur durch eine Startbahnverlängerung in nördlicher Richtung möglich ist. Diese Verlängerung würde zur Folge haben, daß die Landstraße Nr. 21 für den zivilen Verkehr gesperrt werden muß, weil die vorgeschriebenen Überflughöhen nicht mehr gewährleistet sind. Eine endgültige Entscheidung über die Verlängerung der Startbahn ist jedoch noch nicht getroffen.
Für die militärischen Belange würde die Landstraße Nr. 21 und insbesondere die Straßenüberführung über die Autobahn ihren Wert behalten.
Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, haben sich bei dieser doppelten Planung irgendwelche Beamte schadenersatzpflichtig gemacht, und wenn ja, was ist geschehen?
Die Planung, d. h. die Verbreiterung der Straße und die Überführung über die Autobahn erfolgte im Einvernehmen zwischen internationalen Stellen und Land- und Gemeindestellen. Nachdem diese Arbeiten in Angriff genommen und zum Teil durchgeführt waren, ergab sich nunmehr der Wunsch der Bevölkerung, daß etwas gegen die Lärmbeeinträchtigung getan werden solle. Ich glaube, wenn wir nun - ohne daß ein Rechtsanspruch des Ortes Langenwinkel gegeben ist den Wünschen der Gemeinde Langenwinkel Rechnung tragen und die Startbahn, allerdings mit erheblidien Aufwendungen, verlängern, dann liegt kein Anlaß vor, Regreßansprüche gegen internationale Beamte oder Beamte des Bundes, der Länder oder der Gemeinden deshalb zu erheben, weil früher entsprechend den Notwendigkeiten des Autobahnausbaus die Überführung über die Autobahn durchgeführt wurde.
Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr, Frage VII/1 des Abgeordneten Welslau -:
Bestehen für den Transport von Öl und Benzin im Straßenverkehr
a) besondere Sicherheitsbestimmungen in bezug auf Fahrzeugbeschaffenheit ({0}),
b) besondere Bestimmungen für das Fahrpersonal und für die Polizei über Sofortmaßnahmen bei Unfällen mit Tankfahrzeugen?
Sondervorschriften über Tanks zur Beförderung von Öl und Benzin im Straßenverkehr enthalten die Verordnung über brennbare Flüssigkeiten vom 24. Februar 1960, für die das Bundesministerium für Arbeit federführend ist, und die vom Deutschen Ausschuß. für brennbare Flüssigkeiten entwickelten Technischen Grundsätze. Die „Technischen Grundsätze" werden demnächst in einer Bundesverordnung zusammengefaßt und ergänzt werden. Außerdem wird die Bundesregierung Anfang nächsten Jahres vorschlagen, das Europäische Übereinkommen über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße vom 30. September 1957 zu ratifizieren; auch dieses Übereinkommen enthält
Sondervorschriften über die Beförderung von Dl und Benzin im Straßenverkehr.
Nach der Verordnung über brennbare Flüssigkeiten unterliegen die Tanks von zulassungspflichtigen Tankwagen für brennbare Flüssigkeiten mit einem Flammpunkt von mehr als 55° Celsius, also nicht für Diesel und andere Stoffe, vor der Inbetriebnahme einer besonderen Prüfung; außerdem werden sie alle drei Jahre überprüft. Die „Technischen Grundsätze" verlangen, daß bei Tanks zur Beförderung von Benzin, Benzol, Schwefel-, Kohlen- und Wasserstoff und anderen Stoffen mit einem Flammpunkt unter 21° Celsius Behälterräume von mehr als 5000 1 Inhalt durch mindestens eine Schottwand unterteilt sind. Ferner enthalten sie Vorschriften über die Dichtheit und den Werkstoff der Tanks, über die Lage des Motors, über Maßnahmen gegen statische Elektrizitätseinwirkung und ähnliches.
Das bereits erwähnte Europäische Übereinkommen verpflichtet darüber hinaus die Fahrzeugführer, schriftliche Weisungen über das Verhalten bei Unfällen mitzuführen. Eine Ausfertigung der Weisungen muß sich im Führerhaus befinden, so daß sie auch bei Ausfall des Fahrzeugführers gefunden werden kann. Der Beförderungsunternehmer hat sicherzustellen, daß das Personal die Weisungen keimt und in der Lage ist, sie wirksam durchzuführen. Nach der Ratifikation des Übereinkommens wird für Transporte im deutschen Binnenverkehr eine entsprechende Vorschrift erlassen werden.
Weisungen für die Polizei werden, wie Sie wissen, von den zuständigen obersten Landesbehörden und von den Bundesbehörden erlassen. Das Bundesverkehrsministerium hat vorgesehen, mit diesen Behörden entsprechende einheitliche Richtlinien auszuarbeiten.
Die bisherigen Vorschriften über die Tanks für 01 und Benzin betrafen grundsätzlich immer Maßnahmen, die sich gegen die Brennbarkeit des Transportguts richteten. Was daneben geschehen soll, um zu verhindern, daß bei Verkehrsunfällen der Inhalt von Tankwagen ausläuft und das Grundwasser verschmutzt, wird gegenwärtig geprüft. Voraussichtlich wird man die Technischen Grundsätze in dieser Hinsicht zu ergänzen haben. Im Gegensatz zur deutschen Verordnung über brennbare Flüssigkeiten erfaßt das Europäische Übereinkommen auch die Transporte von Dieselöl und Heizöl mit einem Flammpunkt von nicht mehr als 55° Celsius. Nach der Ratifikation des Europäischen Übereinkommens werden also auch Tankwagen für Dieselöl und Heizöl in gewissen Zeitabständen nach Sonderbestimmungen untersucht werden.
Herr Minister, ist Ihnen bekannt, ,daß im Raum Herfond bei einem Unfall auf der Autobahn ein Tankfahrzeug von der Fahrbahn aibkam, daß dort 14 000 1 Dieselkraftstoff ausgelaufen sind und man zum Teil den Dieselkraftstoff in Gegenwart der Polizei und Feuerwehr hatauslaufen lassen und (daß hierdurch natürlich (dass Grundwasser sehrgefährdet wurde? Ist Ihnen fernerhin bekannt, daß der Boden innerhalb von acht Tagen bis zu einer Tiefe von 1,40 m mit Dieselkraftstoff
durchtränkt war? Das war die Folge davon, daß man im Anschluß an den Unfall fünf Tankwagen Wasser herbedholte, um hierdurch den Dieselkraftstaff fortzuspülen. Das Gegenteil wurde erreicht; der Kraftstoff ist rim Boden versickert.
Herr Abgeordneter, Sie können jetzt keine Rede halten, nur fragen.
Diese Tatsachen sind mir durchaus bekannt; denn sie haben in den Zeitungen gestanden.
({0})
Im übrigen bin ich nicht für die Maßnahmen der Polizei in Herford verantwortlich.
Herr Abgeordneter Schmidt!
Herr Minister, halten Sie es bei den erheblichen .Schäden, die in der letzten Zeit eingetreten sind und die insbesondere Schäden für die Allgemeinheit waren, nicht für erforderlich, eventuell eine Pflichthaftpflichtversicherung für den Transport von 01 und Benzin einzuführen?
Herr Kollege Schmidt, ich halte das für erforderlich. Ich habe bereits im Kabinett darüber gesprochen. Es finden Besprechungen zwischen (den Ressorts statt, in welcher Weise außer den Gefahren durch Explosion und Feuer mich diese Gefahren gebändigt werden und insbesondere wie diejenigen geschützt wenden können, die nach dem Auslaufen eines Tankwagens die Flüssigkeit zu beseitigen und zu bezahlen haben.
Ich bitte, darauf Rücksicht zu nehmen, daß wir heute die letzte Fragestunde vor der Weihnachtspause haben. Sie dauert noch 20 Minuten. Die Kollegen, deren Fragen hinten (stehen, kommen nicht mehr zum Zuge, wenn in dem Umfang wie bisher gefragt und geantwortet wind. Ich bitte, darauf Rücksicht zu nehmen.
Ich rufe Frage VII/2 - das Kollegen Ritzel -auf :
Welche Erfahrungen wurden bei Geschwindigkeitskontrollen mit Radar-Meßgeräten gemacht?
Herr Präsident, ich bin leider genötigt, auch hier wieder eineausführliche Antwort zu erteilen.
Bei Geschwindigkeitskontrollen mit Radar-Meßgeräten wurden bisher sehr gute Erfahrungen gemacht. Das mit einem Fotoapparat ,gekoppelte Radar-Meßgerät hat (die Polizei in den Stand versetzt, die Überwachung der zulässigen Fahrgeschwindigkeit wesentlich zu verstärken. Neben ,dem großen Vorteil, der darin liegt, daß Fehlschätzungen, (die auf menschlicher Unzulänglichkeit eines Polizeibeamten beruhen können, ausgeschaltet werden, tritt der Vorteil, daß durch die automatische Herstellung eines Lichtbildes eine Beweiskräftige Unterlage geschaffen werden kann, die lange Auseinandersetzungen vor Gericht entbehrlich macht. Ein Täter, der auf frischer Tat fotografiert wird, pflegt nicht zu leùgnen.
Die obersten Exekutivbehörden der Länder haben (den Polizeidienststellen Richtlinien erteilt, durch die ein sachgemäßer Einsratz dieser Radar-Meßgeräte gewährleistet wenden soll, um insbesondere örtliche oder verkehrsmäßige Schwierigkeiten, die nach den Erfahrungen ,der Polizei einer zuverlässigen Messung entgegenstehen können, auszuschalten. Das Meßprinzip und seine technische Anwendung im Gerät wunden durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt in Braunschweig geprüft und für (geeignet erklärt, bei der Messung von Geschwindigkeiten im Straßenverkehr verwendet zu werlden. Infolgedessen werden die Geräte nicht nur zu Geschwindigkeitskontrollen verwendet. Mit ihnen wird vielmehr auch zur Vorbereitung baulicher oder verkehrsmäßiger Maßnahmen die auf einem bestimmten Straßenabschnitt übliche Geschwindigkeit gemessen.
Der Innenminister (des Landes Nordrhein-Westfalen hat kürzlich auf einer Pressekonferenz darauf hingewiesen, 'daß 1959 auf 1000 Unfälle mit Personenschäden im Bundesgebiet 43 Getötete, in Nordrhein-Westfalen aber nur 41 Getötete entfielen. Er führt diese günstigere Entwicklung in seinem Lande besonders auch darauf zurück, daß er die Geschwindigkeitsbeschränkungen sehr nachdrücklich überwachen lasse; in Nordrhein-Westfalen seien am Ende dieses Jahres 28 Verkehrsradar-Geräte im Einsatz, und sie würden im nächsten Jahr um sechs weitere Geräte vermehrt.
In Frankfurt am Main wurden in gut einem Jahr ungefähr 18 000 durch Radar-Messungen festgestellte Zuwiderhandlungen durch gebührenpflichtige Verwarnungen geahndet. In 6170 weiteren Fallen mußte Strafanzeige deswegen erstattet werden, weil es sich um sehr erhebliche Überschreitungen der Geschwindigkeit handelte. In all diesen Fällen hat das Gericht die Zuverlässigkeit der Meßmethode anerkannt und eine Strafe ausgesprochen.
Es darf aber nicht übersehen werden, daß Geschwindigkeitskontrollen durch Radar-Meßgeräte der gleichmäßigen Behandlung aller Kraftfahrer dienen. Bei den früher allgemein üblich gewesenen primitiveren Kontrollmethoden hing es weitgehend vom Zufall ab, welcher Geschwindigkeitsübertreter gefaßt werden konnte. Erst durch die hochleistungsfähigen elektrischen Geräte wurde es möglich, systematische und jeden Kraftfahrer erfassende Kontrollen durchzuführen. Das Straßenverkehrsrecht schreibt keine bestimmte Meßmethode für die Kontrolle der zulässigen Fahrgeschwindigkeit vor. Es bleibt der Beurteilung der Gerichte überlassen, ob eine irgendwie ermittelte Geschwindigkeitsüberschreitung unter Berücksichtigung der möglichen Fehlerquellen zuverlässig festgestellt ist oder nicht.
Eine Zusatzfrage!
Herr Bundesverkehrsminister, welchen Wert mißt das Bundesverkehrsministerium einem für Lastkraftwagen vielfach vorgeschriebenen Fahrtschreiberdiagramm bei, wenn die Aufzeichnungen des Fahrtschreibers den Messungen eines RadarGeräts widersprechen?
Ich habe solche Versuche noch nicht in einer genügenden Zahl von Fällen überprüfen lassen können. Die Fahrtschreiber genügen im allgemeinen, um die Geschwindigkeiten der Lastkraftwagen insbesondere auf längeren Strecken zu kontrollieren. Sie dienen weiter dazu, die Fahrweise des Fahrers zu kontrollieren. Sie sind ein wichtiges Element vor allen Dingen bei Unfällen, die nicht durch Geschwindigkedtsüberschreitungen, sondern aus anderen Ursachen entstehen.
Die letzte Zusatzfrage!
Ist dem Bundesverkehrsministenium bekannt, daß angesehene Fachleute für elektronische Meßgeräte die Möglichkeit von Meßfehlern durch Radargeräte zugeben? Welche Schlüsse zieht die Bundesregierung aus Gerichtsurteilen, die den angeschuldigten Verkehrsteilnehmer trotz einwandfrei arbeitender Fahrtschreiber auf Grund von möglicherweise fehlerhaften Radarmessungen für schuldig erklären?
Im allgemeinen, Herr Kollege, dürfte eine elektronische Messung genauer sein als eine mechanische Messung, wie sie das Aufschreibgerät in den Fahrzeugen darstellt. Soweit es sich um eingesetzte Geräte handelt, die von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt überprüft sind, habe ich gegen diese Geräte keine Bedenken. Es werden aber gelegentlich Prüfgeräte eingesetzt, die nicht von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt überprüft sind. Gegen diese Geräte halbe ich a priori gewisse Bedenken, weil ich diese Überprüfung für erforderlich halte.
Ich rufe auf die Frage VII/3 - des Abgeordneten Baier ({0}) -:
Was hat der Herr Bundesverkehrsminister unternommen, seitdem er im Juli dieses Jahres durch die Kreisverkehrswacht Mosbach darauf aufmerksam gemacht wurde, daß seit 3 Jahren nur noch die Fertigstellung eines 80 m langen Straßenstückes an der Bundesstraße 27 innerhalb von Mosbach notwendig ist, um die dort überaus hemmenden und gefährlichen Verkehrsverhältnisse zu beheben?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Herrn Bundesministers Dr.-Ing. Seebohm vom 12. Dezember 1960 lautet:
Die Fertigstellung der Ortsumgehung Mosbach im Zuge der Bundesstraße 27 hat sich immer wieder verzögert, weil mit 3 Grundstückseigentümern über den Erwerb der für den Straßenbau notwendigen Flächen noch keine Einigung herbeigeführt werden konnte. Obwohl die Verhandlungen äußerst schwierig waren, haben sich gerade in den vergangenen Wochen - seit Juli - ganz wesentliche Fortschritte ergeben. So ist damit zu rechnen, daß in zwei der genannten Fälle die benötigten Grundstucke im Tauschwege erworben werden können.
Dem Eigentümer des letzten noch zu erwerbenden Grundstückes wurden von der Bauverwaltung schon mehrere Tauschgrundstücke zur Verlegung seines Betriebes angeboten. Diese Angebote wurden bisher ausgeschlagen, obwohl die Grundstücke nach Auffassung der Bauverwaltung durchaus geeignet waren und im Wert sogar höher lagen als das jetzige Betriebsgrundstück. Auf ein neues, zweifellos sehr günstiges Tauschangebot der Verwaltung steht die Antwort des Grundstückseigentümers seit Monaten immer noch aus.
Da die Stadt an der Fertigstellung der Umgehungsstraße in erster Linie interessiert sein muß und zudem an den Grunderwerbskosten zur Hälfte beteiligt ist, durfte ich annehmen, daß sie die Bauverwaltung bei ihren Verhandlungen mit den Grundstückseigentümern tatkräftiger unterstützen würde. Leider scheint dies gerade in dem letzten der genannten Fälle, der sicherlich auch Ihnen bekannt ist, nicht zuzutreffen, obwohl ich die Stadt Mosbach in einem an Herrn Bürgermeister Tarun gerichteten Schreiben um ihre Unterstützung bei der Durchführung des Grunderwerbs gebeten habe. Daher darf ich auch an Sie die Bitte richten, Ihren Einfluß auf die Stadt Mosbach und vielleicht auch auf den Grundbesitzer geltend zu machen, damit die Umgehungsstraße im Interesse aller Verkehrsteilnehmer baldmöglich voll in Betrieb genommen werden kann.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen. Ich rufe auf die Frage VIII/1 - des Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen -:
Ist der Herr Bundespostminister bereit, seine Pläne ür die Automatisierung der Briefverteilung durch die Einführung vierstelliger Leitzahlen im frühestmöglichen Stadium zur öffentlichen Diskussion zu stellen?
Die Deutsche Bundespost hat die Absicht, die Briefverteilung durch moderne Anlagen zu rationalisieren und zu automatisieren. Anlagen, die in mehrjähriger Arbeit mit ,der 'deutschen Industrie und ,den ausländischen Verwaltungen entwickelt worden sind, befinden sich im Versuchsstadium. Sollte sich ergeben, daß diese Anlagen eine vernünftige, rationelle, kostensparende und auch für die Beschleunigung geeignete Arbeit gewährleisten, wird die Deutsche Bundespost zu gegebener Zeit die Öffentlichkeit auch über die Frage der Einführung von Postleitzahlen informieren.
Eine Zusatzfrage?
Sind Sie sich bewußt, Herr Minister, daß nach den bisher bekanntgewordenen Planungen die Gefahr besteht, daß die Kosten und der Aufwand für die Kunden der Post sehr hoch sein werden, vielleicht sogar höher als die Einsparungseffekte im Bereich der Bundespost?
Ich kann mir nicht vorstellen, worin die Kosten bei der Umstellung bestehen sollten, es sei denn, Sie meinen, daß die Adremaanlagen umgestellt werden müßten. Das ist eine einmalige Angelegenheit, und diese Kosten stehen in keinem Verhältnis zu den Ersparnissen, die wir uns aus einer modernen Briefverteilanlage errechnen.
Die letzte Zusatzfrage!
Haben Sie dabei auch an die privaten Kunden der Bundespost gedacht, die nicht über eine solche Anlage verfügen und die durch dieses System in außerordentlich große Schwierigkeiten kommen können?
Wenn wir die Postleitzahlen einführen sollten, ,dann werden wir auch den Privatkunden, d. h. dem Privatmann, die Unterlagen kostenlos zur Hand geben, die notwendig sind, um diese Postleitzahlen verwenden zu können.
Herr Abgeordneter Bauer ({0})!!
Wie erklärt sich, Herr Bundesminister, Ihre Äußerung, daß diese Automatisationspläne noch im Versuchsstadium seien, mit der Meldung in der „Welt" ,daß der Oberpostpräsident von Hannover erklärt hat, die Versuche seien abgeschlossen und bereits im Jahre 1961 sei mit entsprechenden technischen Anlagen zu rechnen?
Mir ist nicht bekannt, daß der Präsident der Oberpostdirektion Hannover eine solche Äußerung getan hat. Lesen Sie doch bitte einmal die Äußerung vor, die er getan hat! Wenn er diese Äußerung getan und auch mit Bestimmtheit darauf hingewiesen hat, daß die Deutsche Bundespost diese Briefverteilanlagen allgemein im Jahre 1961 in Betrieb nimmt und gleichzeitig die Postleitzahlen einführt, dann ist er seinem Minister um ein großes Stück voraus.
Die Frage ist beantwortet.
Ich rufe auf die Frage VIII/2 - des Herrn Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen -:
Welche Tariferhöhungen will die Deutsche Bundespost in den nächsten Monaten vornehmen, und ist es insbesondere richtig, daß im Februar die Gebühren für den normalen Brief von 0,20 DM auf 0,25 DM erhöht werden sollen?
Ich darf zunächst den ersten Teil Ihrer Frage beantworten. Die Deutsche Bundespost hat sich seit Jahren bemüht, die Tarifstetigkeit zu erhalten, und sie hat es erfolgreich getan. Die Deutsche Bundespost wird dieses Ziel, die Tariffestigkeit zu erhalten, mit allem Nachdruck weiterhin anstreben.
Zum zweiten Teil Ihrer Frage: Zu keinem Zeitpunkt, weder in diesem Jahr noch im nächsten Jahr, besteht oder bestand die Absicht oder ist sie irgendwo erklärt worden, das Briefporto von 20 auf 25 Pf heraufzusetzen.
Eine Zusatzfrage?
Können Sie uns Auskunft über Tariferhöhungen geben, die von Ihnen vorgesehen sind?
Ich habe keine Tariferhöhungen vorgesehen. Wegen des Bahn-Post-Abkommens kann die Erhöhung der Exprefiguttarife auch die Pakettarife in Mitleidenschaft ziehen. Durch das BahnPost-Abkommen ist ein Steuerungstarif geschaffen worden, der zum Ziele hat, daß Pakete bis zu 10 kg bei der Deutschen Bundespost und Frachtgut- und Expreßgutsendungen über 10 kg bei der Deutschen Bundesbahn billiger sind. Dadurch soll erreicht werden, daß ,die leichteren Pakete zur Post, die schwereren zur Bundesbahn wandern. Die Deutsche Bundespost ist besser für leichtere Pakete eingerichtet; sie hat ihre Anlagen darauf abgestellt, während die Deutsche Bundesbahn für den Transport schwererer Güter besser geeignet ist als die Deutsche Bundespost.
Eine weitere Zusatzfrage! Sehen Sie, Herr Minister, bei der Ertragslage .der Bundespost insbesondere im Fernsprechverkehr in absehbarer Zeit Möglichkeiten für Gebührensenkungen?
Ich habe in 'der Öffentlichkeit bereits bekanntgegeben, daß die Deutsche Bundespost eine umfassende Gebührenreform plant. Diese Gebührenreform ist keinesfalls so zu verstehen, daß es sich bei ihr um eine Erhöhung der Gebühren insgesamt handeln soll. Es kann sein, daß an manchen Stellen Angleichungen an die Kostentarife nötig sind. Auf der anderen Seite wird es jedoch auch Möglichkeiten geben, entsprechend den Kostentarifen Tarifsenkungen vorzunehmen. Diese Bestrebungen werden bei mir im Hause mit allem Nachdruck gefördert.
Wir kommen zur Frage VIII/3 - des Herrn Abgeordneten Faller -:
Ist der Herr Bundespostminister bereit, auch in der Bundesrepublik - wie in den meisien anderen Staaten üblich - Luftpostmarken herauszugeben?
Nach den internationalen „Bestimmungen über die Luftpost" müssen auf dem Luftweg zu befördernde Sendungen mit einem blauen Klebezettel versehen sein, ,der in französischer Sprache sowie in der Sprache des Herausgabelandes auf die gewünschte Luftbeförderung hinweist. Besondere Luftpostmarken gibt es daneben nicht. Bei den sogenannten Luftpostmarken handelt es sich vielmehr nur um gewöhnliche Postwertzeichen mit Luftfahrtmotiven. Derartige Postwertzeichen hat auch die Deutsche Bundespost herausgebracht, als die Deutsche Lufthansa im April 1955 ihren Dienst wieder aufnahm. Auch in Zukunft werden besondere Ereignisse im Luftverkehr durch Sondermarken berücksichtigt werden.
Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Wohnungsbau, Frage X - des Herrn Abgeordneten Reitz -:
Ist es der Bundesregierung bekannt, daß die Verordnung zu dem Gesetz über die Gewährung von Miet- und Lastenbeihilfen vom 23. Juni 1960 in der Praxis dazu geführt hat, daß die nach diesem Gesetz Berechtigten zur Erlangung einer Mietbeihilfe Fragebogen von insgesamt sechs DIN A 4-Seiten ausfüllen müssen?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Ja, das ist der Bundesregierung bekannt. Ich darf aber darauf aufmerksam machen, daß die Ausgestaltung des Verwaltungsverfahrens bei Bewilligung von Miet- mid Lastenbeihilfen Sache der Länder ist. Das Bundesministerium für Wohnungsbau hat daher auch auf den Umfang der Formulare keinen 'unmittelbaren Einfluß.
Da dem Herrn Bundesminister für Wohnungsbau aber die Vereinfachung des Verwaltungsverfahrens wie bei der Wohnungsbaufinanzierung allgemein so auch bei der Gewährung von Miet- und Lastenbeihilfen ein besonderes Anliegen ist, hat das Ministerium mit Rundschreiben vom 30. November 1960 die zuständigen Länderminister gebeten, auf die Vereinfachung und leichte Verständlichkeit der Formulare bei Miet- und Lastenbeihilfen besonders zu achten. Ich hoffie, daß die Verordnung über Miet-und Lastenbeihilfen, die voraussichtlich am 1. Januar 1961 in Kraft treten wird, es den Ländern erleichtert, das Verwaltungsverfahren zu vereinfachen.
Eine Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, ist die Kompliziertheit der Antragsformulare vielleicht nicht darauf zurückzuführen, daß die Rechtsverordnungen zu den Miet- und Lastenbeihilfen so kompliziert sind, daß die Länder einfach zu so komplizierten Formularen gezwungen sind?
Das glaube ich nicht, Herr Abgeordneter. Bei allem Bemühen um Vereinfachung ist es nicht zu vermeiden, daß der Staat, sobald er Geld ausgibt, genaue Unterlagen darüber haben muß, ob die Voraussetzungen für die Auszahlung der öffentlichen Gelder gegeben sind.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ich erlaube mir eine zusätzliche Frage zu der Frage des Herrn Kollegen Reitz. Sind Sie nicht auch der Meinung, daß durch diesen inquisitorischen Fragebogen - entgegen dem Willen des Ausschusses und des Plenums und entgegen den Erklärungen der Regierung hier im Bundestag - bei der Bewilligung von Miet- und Lastenbeihilfen der Charakter der Fürsorge entsteht und gerade aus diesem Grunde viele Antragsberechtigte es einfach nicht wagen, Miet-und Lastenbeihilfen zu beantragen?
Herr Abgeordneter, ich glaube das an sich nicht. Um aber auch nur den Anschein zu vermeiden, daß eine solche Wirkung eintritt, bemühen wir uns ja, wie ich sagte, auf eine Vereinfachung der Formulare hinzuwirken.
Eine Zusatzfrage.
Können die Vorarbeiten zur Rechtsverordnung über die vorläufigen Miet-und Lastenbeihilfen dazu beitragen, daß die Bundesregierung in baldiger Zukunft den Entwurf des Gesetzes über die endgültigen Miet- und Lastenbeihilfen vorgelegt?
Ja, das glaube ich. Die Arbeiten an dem endgültigen Gesetz schreiten bei uns so vorwärts, daß wir hoffen, noch im Frühjahr 1961 dem Kabinett die Vorlage für das Gesetz machen zu können.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Brecht.
Will das Wohnungsbauministerium sicherstellen, daß die Komplizierung dieser Fragebogen abgebaut wird, damit nicht draußen weiterhin der Eindruck besteht, diese Fragebogen seien deshalb so kompliziert gemacht worden, damit möglichst wenig Leute Mietbeihilfen bentragen?
Wir wollen selbstverständlich, wie auch Sie, Herr Dr. Brecht, vermeiden, daß ein solcher Eindruck entsteht, und wollen daher im Rahmen der uns zur Verfügung stehenden Möglichkeiten auf die Vereinfachung drängen.
Die Frage ist beantwortet.
Frage VI - des Abgeordnten Dr. Brecht - aus der Drucksache 2311:
Bis wann beabsichtigt die Bundesregierung die früher gegebene Zusage zu erfüllen, daß die im Jahre 1956 im Zweiten Wohnungsbaugesetz festgelegte und inzwischen durch die Entwicklung längst überholte Einkommensgrenze für die sog. Bevölkerungskreise mit geringem Einkommen in angemessenem Umfang erhöht wird?
Die Einkommensgrenze für die Wohnungsuchenden mit geringem Einkommen wirkt 'sich vor allem auf Anträge aus, die bei der Bewilligung der öffentlichen Wohnungsbauförderungsmittel mit Vorrang zu berücksichtigen sind. In der ersten Rangstufe waren Mitte dieses Jahres noch über 62 000 Förderungsanträge zum Bau von über 87 000 Wohnungen unerledigt. Ein ganz erheblicher Teil dieser Anträge ist von Wohnungsuchenden mit geringem Einkommen gestellt worden. Auch in der Rangstufe 2 lagen zum Bau von Mietwohnungen Anträge zugunsten von Wohnungsuchenden mit geringem Einkommen und Gleichgestellten für fast 66 000 Wohnungen unerledigt in der Jahresmitte vor. Solange noch in derartig großem Umfange Anträge nicht erledigt werden können, besteht kein Anlaß, den Kreis der Wohnungsuchenden mit geringem Einkommen zu erweitern und somit die Zahl der vorrangig zu berücksichtigenden Förderungsanträge weiter zu vergrößern. Eine solche Maßnahme könnte zur Zeit unsozial sein, da die finanziell Bessergestellten in die erste Rangstufe zusätzlich hineinkommen würden. Dies würde die Chancen
der Antragsteller, die sich selbst nach ihren Einkommens- und Familienverhältnissen am wenigsten helfen können, verschlechtern. Wenn die Anträge der ersten Rangstufe überwiegend erledigt sein werden, ist das Wohnungsbauministerium bereit, in Erörterungen über die Reform der Einkommensgrenzen einzutreten. Eine Zusage, das Zweite Wohnungsbaugesetz in diesem Punkte zu einem bestimmten Zeitpunkt zu ändern, hat die Bundesregierung nicht gemacht.
Eine Zusatzfrage.
Ist Ihnen bekannt, Herr Staatssekretär, daß die Länder nun dazu übergehen müssen, in Abänderung des Gesetzes einfach auf dem Verwaltungswege diese Einkommensgrenzen zu erhöhen, also eine Maßnahme durchzuführen, die gegen das Gesetz steht, nur deshalb, weil man es nicht haben will, daß das Gesetz geändert wird?
Das ist mir im einzelnen nicht bekannt, Herr Abgeordneter.
Zweite und letzte Zusatzfrage.
Ist Ihnen auch bekannt, Herr Staatssekretär, daß es nun ein Auseinanderfallen der Begrenzungen gibt, so 'daß es Personen gibt, die zwar eine Mietbeihilfe bekommen könnten, tatsächlich aber sie doch nicht bekommen können, weil sie nicht in die Einkommensgrenze des Zweiten Wohnungsbaugesetzes fallen?
Herr Abgeordneter, sobald die endgültige Regelung für die Miet- und Lastenbeihilfen herausgegeben wird, wird man sich auch über die Einkommensgrenze nach dem Zweiten Wohnungsbaugesetz wieder unterhalten müssen.
Das hat aber mit dem endgültigen Gesetz nichts zu tun.
Das ist keine Frage. Zusatzfrage?!
Herr Staatssekretär, in den Ziffern, die die Anträge der Antragsteller mit geringem Einkommen angehen, handelt es sich einmal um Personen, die selbst geringes Einkommen haben, und zum andern um solche, die den Personen mit geringem Einkommen gleichgestellt sind. Ist das Wohnungsbauministerium bereit, um eine klare Übersicht zu bekommen, diese beiden Personenkreise zu trennen und die Ziffern getrennt bekanntzugeben?
Herr Abgeordneter, ich habe, glaube 'ich, schon einmal in diesem Hause versucht, ein ungefähres Bild davon zu geben. Wir wollen uns gern bemühen, das noch einmal zu tun. Aber ich habe damals schon gesagt, daß wir exakte Zahlen darüber nicht angeben können, weil die Berichtsunterlagen bei uns dafür nicht ausreichen.
Meine Damen und Herren, die 60 Minuten der Fragestunde sind um. Ich lasse noch zwei Zusatzfragen zu. Zunächst Herr Abgeordneter Müller!
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß z. B. dais Land Bayern beim Bau von Eigenheimen für kinderreiche Familien mit 7 und 8 Kindern eine selbstschuldnerische Bürgschaft der Kassen und der Genossenschaft verlangt?
Ja, das ist uns in Einzelfällen bekanntgeworden. Wir werden uns bemühen, da helfend einzugreifen.
Zu einer letzten Zusatzfrage Herr Abgeordneter Czaja.
Herr Staatssekretär, beabsichtigt das Bundeswohnungsbauministerium, jene Länder, die auf dem Verwaltungswege die Einkommensgrenzen erhöhen, dazu zu veranlassen, zuerst die anstehenden unerledigten Anträge von Einkommensschwachen zu berücksichtigen?
({0})
Ich möchte die Frage bejahen, Herr Abgeordneter.
Die Fragestunde ist beendet.
Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir ein ernstes Wort. Wenn wir die Fragestunde weiter so handhaben, werden wir sie zweckentfremden; wir werden sie ruinieren.
({0})
Mit anderen Worten: ein großer Teil der Fragen, die gestellt worden sind, sind letztlich geeignet für Kleine Anfragen, manche sogar für Große Anfragen.
({1})
Ich möchte die Herren Minister bitten, ihre Referenten anzuweisen, ihnen 'die Unterlagen, die sie hier vorzutragen haben, in gestraffterer Form vorzulegen.
({2})
Es tut mir leid, daß ich mich zu dieser Äußerung verpflichtet fühlte; aber ich glaube, ich war verpflichtet, 'das zu sagen.
Wir kommen nunmehr zu Punkt 14 der Tagesordnung:
a) Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Dreizehnten
Vizepräsident Dr. Schmid
Gesetzes zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes ({3}).
b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dreizehnten Gesetzes zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes ({4}) ({5}).
c) Erste Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Dreizehnten Gesetzes zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes ({6}) ({7}).
d) Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des § 252 des Lastenausgleichsgesetzes ({8}).
Die einzelnen Entwürfe werden getrennt begründet, aber gemeinsam zur Aussprache gestellt.
Zunächst 14 a. Dieser Entwurf soll nach dem Wunsch der einbringenden Fraktion durch zwei Kollegen begründet werden. Zunächst hat das Wort der Abgeordnete Zühlke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Daß wir uns heute, acht Jahre nach der Verkündung .des Lastenausgleichsgesetzes, wieder mit ,der Problematik befassen müssen, liegt wohl zum Teil daran, daß den Erwartungen der Kriegssachgeschädigten, Heimatvertriebenen und Flüchtlinge auf entscheidende Verbesserungen des Lastenausgleichsgesetzes seitens der Bundesregierung nicht entsprochen worden ist. Die SPD-Fraktion hat diese Wünsche in ihren Gesetzentwurf Drucksache 2078 aufgenommen.
Es ist nicht das erntemal, daß eine Fraktion dieses Hauses die Initiative ergriffen hat, um Verbesserungen des Lastenausgleichsgesetzes zu erreichen. Ich erinnere nur an den einstimmigen Beschluß des Deutschen Bundestages vom Dezember 1958, der ebenfalls auf einen Antrag der SPD vom Mai 1958 zurückging und in der 11. Novelle vom Juli 1959 seinen Niederschlag gefunden hat.
Diesmal haben wir eine eigene Vorlage erarbeitet, die am 27. Juni 1960 dem Bundestag zugeleitet worden ist. Heute ist festzustellen, daß sich nach dieser Vorlage die Bundesregierung bemühen mußte, ,selbst einen Entwurf zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes vorzulegen. Nach einem halben Jahr müssen wir schon wieder überprüfen, ob nicht die bisher gesammelten Erfahrungen Verbesserungen über die Vorlage hinaus notwendig erscheinen lassen.
Wie dem auch sei, unser besonderer Wunsch - ich will nicht sagen: Forderung - geht dahin, eine schnellere Abwicklung des Lastenausgleichsgesetzes zu erreichen, damit die noch lebenden unmittelbar Geschädigten in den Genuß ,der Leistungen kommen.
({0})
Die Leistungen müssen den veränderten Lebenshaltungskosten und der wirtschaftlichen Entwicklung angepaßt werden.
Ich hoffe auf Ihr Verständnis, wenn ich sage, daß die Änderungsvorschläge in der ersten Lesung nicht bis ins letzte Detail begründet und erörtert werden können. Wir werden uns in den Ausschußberatungen mit diesem sehr komplizierten Fragenkomplex ausgiebig zu beschäftigen haben.
Unsere Vorlage ist nach dem Gesetz aufgebaut. Ich klammere jetzt einmal bewußt den § 6 - Beitrag der öffentlichen Haushalte zum Ausgleichsfonds - vorläufig aus. Ich werde die Frage zum Schluß noch einmal kurz aufgreifen.
Nun zu unseren grundsätzlichen Forderungen. Was ist ein Vertreibungsschaden? Diese Frage muß erneut erörtert werden. Die 11. Novelle brachte die Lastenausgleichsberechtigung von Erben von nach dem 1. April 1952 in der Heimat verstorbenen Personen, sofern es sich um Erben handelt, die nach dem Tode des Erblassers ausgesiedelt worden sind. Die grundsätzlich zu begrüßende Neuregelung kann jedoch nicht als ausreichend angesehen werden. Für diejenigen Erben, die bereits vor dem Tode des Erblassers ausgesiedelt wurden oder sonstwie in die Bundesrepublik kamen, ergeben sich unüberbrückbare Härten. Nicht selten kommt der Fall vor, daß der 1945 nach Westdeutschland geflohene oder ausgesiedelte Ehegatte keine Leistungen erhält, während später ausgesiedelten entfernteren Erben jetzt Lastenausgleichsleistungen gezahlt werden. Eine die Härten beseitigende Novellierung ist deshalb erforderlich. Nach der jetzigen Fassung des Gesetzes würden zwar Ehegatten und Kinder als antragsberechtigt anerkannt es führt jedoch zu Härten, wenn diese Antragsberechtigung davon abhängig gemacht wird, daß die Erben erst nach dem Tode des unmittelbar Geschädigten ausgesiedelt wurden.
Ein zweiter Fragenkomplex betrifft die Berechnung des Schadens, und zwar insbesondere bei Kriegssachgeschädigten. Es wird als besondere Härte empfunden, daß für vor dem 21. Juni 1948 beseitigte Kriegsschäden keine Entschädigung gewährt wird und darüber hinaus unvermindert Vermögensabgabe gezahlt werden muß. In diesen Fällen wird empfohlen, nach Totalzerstörung oder Betriebszerstörung in Teilen eine Abgabeminderung herbeizuführen.
Eine der schwierigsten Fragen ist vielleicht die des Stichtages. Sie beschäftigt den Bundestag nun schon seit vier oder sechs Jahren. Die Verlegung des Stichtages erscheint unerläßlich, da sich die bisherige Regelung insbesondere zum Nachteil derjenigen Geschädigten ausgewirkt hat, die nach der Vertreibung ihren ständigen Aufenthalt zunächst im Gebiet der sowjetischen Besatzungszone oder des sowjetisch besetzten Sektors von Berlin genommen hatten. Für die Gewährung von Leistungen aus dem Lastenausgleich sollte bei diesem Personenkreis kein anderer sozialer Ausgangspunkt zugrunde gelegt werden als bei denjenigen Geschädigten, die unmittelbar nach der Vertreibung in den Geltungsbereich des Grundgesetzes gekommen sind oder in den darauf folgenden Jahren ihren ständigen Aufenthalt in diesem Gebiet genommen haben.
({1})
Zühlke
Der bisherige Stichtag hat u. a. zu einer aus politischen und sozialen Gründen unvertretbaren Kategorisierung, nämlich zu einer unterschiedlichen Bewertung bestimmter Kreise der Geschädigten geführt. Er erscheint auch im Hinblick auf die politische Entwicklung überholt.
({2})
Durch die Neuregelung wollen wir diesen Stichtag ändern.
({3})
Ich komme nunmehr zum Begriff des Schadensbetrages. Schon in früheren Novellen haben wir eine Aufstockung des errechneten Schadensbetrages vorgesehen. Wir sehen jedoch, daß sich die bisher geltende Erhöhung des Schadensbetrages bei festgestellten Schäden an forstwirtschaftlichem Vermögen als ungenügend erwiesen hat. Die Schadensfeststellung hat gerade bei Schäden dieser Art nur zu festgestellten Schäden in einer verhältnismäßig niedrigen Größenordnung geführt. Die auf Grund der bisherigen Berechnung zustehende Hauptentschädigung steht darüber hinaus in keinem Verhältnis zu dem Wertzuwachs bei forstwirtschaftlichem Vermögen Nichtgeschädigter im Geltungsbereich des Grundgesetzes. Das ist die Frage, die wir erörtern müssen. Die gleichen Gesichtspunkte gelten auch für Schäden an Wirtschaftsgütern.
Ich darf mich jetzt dem großen Komplex der Hauptentschädigung zuwenden. Dabei will ich hier jetzt nicht die ganze Skala der Schadensgruppen aufzeigen. Wir sind der Meinung, daß die Anhebung der Grundbeträge, die auch im Regierungsentwurf vorgesehen ist, insbesondere im Bereich des mittelständischen Vermögens für eine angemessene Entschädigung nicht ausreicht.
({4})
Überdies sollte auch der Grundsatz beachtet werden, daß für den Verlust von Sachwerten einheitlich eine bestimmte Entschädigungsquote zu gewähren ist. Als Mindestquote bietet sich die bei der Währungsreform angewandte Umstellungsquote an. Das würde dazu führen, daß auch bei Schäden, ganz gleich welcher Höhe, der Grundbetrag in einer Höhe von mindestens 6,5 v. H. angesetzt werden muß, eine Frage, die wir im Ausschuß mit Interesse diskutieren werden, allein schon mit Rücksicht auf den Gleichheitsgrundsatz.
({5})
- Bitte, ja!
Die Regelung des Zuschlages und der Kürzung des Grundbetrages ist bei den Kriegssachgeschädigten und Heimatvertriebenen etwas unterschiedlich.
({6})
Wir haben den Wunsch, die gegenwärtige Regelung durch Einführung eines Freibetrages in Höhe von 5000 DM zu verbessern. Das erscheint uns sozial eher gerechtfertigt als die im Regierungsentwurf vorgesehene Verbesserung unter Anhebung des Prozentsatzes von 30 auf 35 %. Bei der Anwendung der
Kürzungsbestimmungen haben sich vielfach Härten ergeben. Aus diesen Gründen sollte ein Mindestgrundbetrag von 25 % als Hauptentschädigung übrigbleiben.
Soweit ich aus den Vorlagen ersehe, herrscht hinsichtlich der Auszahlung der Zinsen eine ziemlich einheitliche Auffassung. Ich kann mich also ganz kurz fassen. In unserem Entwurf ist das enthalten! Wir haben in unserem Entwurf § 252 bewußt nicht aufigeführt, weil es hier um die 'grundsätzliche Frage der Vorfinanzierung geht. Wir begrüßen es, daß die Bundesregierung und auch die CDU/CSU diese Frage zur Diskussion stellen. Wir werden sehen, was damit zu erreichen ist, um eine schnellere Abwicklung des Lastenausgleichs zu ermöglichen, wie es der Wunsch meiner Fraktion ist. Wir stehen auf dem Standpunkt, daß die Zinsen recht bald auch an denjenigen gezahlt werden müssen, der nach der Struktur des Gesetzes noch keine Hauptentschädigung erhalten kann.
Von dem Problem der Kriegsschadensrente behandeln wir hier die Altersversorgung der ehemals Selbständigen. Eines der noch offenen Probleme der immer wieder 'diskutierten Altersversorgung der geschädigten ehemals Selbständigen ist die Einbeziehung eines Teils der nach dem 31. August 1953 erwerbsunfähig gewordenen Personen in den Kreis der Empfänger von Kriegsschadensrente. Es handelt sich dabei um 'diejenigen Geschädigten, deren Betrieb eine nicht unerhebliche Größe hatte und die im Zeitpunkt des Schadenseintrittes das 40. Lebensjahr bereits überschritten hatten.
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Diese Personen haben nach der Vertreibung als Unselbständige keine Altersversorgung mehr aufbauen können. Wären sie ohne die Schädigung heute erwerbsunfähig geworden, so hätten sie vom Ertrag ihres Vermögens oder von der Verpachtung oder vom Altenteil leben können, ohne die Fürsorge in Anspruch nehmen zu müssen. Wir müssen also aus sozialen Erwägungen in solchen Fällen den als Stichtag für (die Erwerbsunfähigkeit angesetzten Termin des 31. August 1953 verändern.
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Auch hier ist die Frage von einer unendlichen Bedeutung. Soweit es sich um die Gewährung von Unterhaltshilfe auf Grund des höheren Alters handelt, ist es verständlich, daß 'geschädigte ehemals Selbständige durch die 8. und 11. Novelle begünstigt wurden, da sie in der Regel nicht oder nicht ausreichend rentenberechtigt sind. Soweit es sich dagegen um den Kreis der .Erwerbsunfähigen -auch der früher Selbständigen - handelt, kommt diese Erwägung hei weitem nicht immer zum Zuge, da gerade die Erwerbsunfähigen, gleichgültig, ob sieehemals selbständig gewesen sind oder nicht, zum Teil keine ausreichende Rente haben.
Nun kommen wir wieder zu der Diskussion um die Höhe der Unterhaltshilfe. Wir schlagen hier vor, den Ecksatz der Unterhaltshilfe von 140 DM
Zühlke
auf 160 DM im Monat 211 erhöhen. Wir können es begründen mit allem, was wir ihm sozialpolitischen Raum - Rentenanpassung usw. - hier bereits durchgeführt haben.
Nun zur Verrechnung zwischen Unterhaltshilfe und Hauptentschädigung. Es geht nicht an, daß die Unterhaltshilfeerhöhung ails teilweise Teuerungsfolge -so möchte ich das hinstellen - bei den Unterhaltshilfefällen auf Lebenszeit aus der Hauptentstchädigung der Getroffenen gezahlt wird. Dias heißt, sie verzehren nestlos ihre Hauptentschädigung, wenn sie Unterhaltshilfe auf Lebenszeit bekommen.
Was wir in d n früheren Novellen nach meinem Dafürhalten noch übersehen haben, ist die Frage, wer Entschädigungsrente erhält. Wir haben anläßlich des 11. Änderungsgesetzes trotz Erhöhung des Einkoamnenishöcbstbetrages für die Unterhaltshilfe eine Erhöhung ,des Einkommenshöchstbetrages der Entschädigungsrente nicht vorgenommen. Diese Erhöhung wird faber gerade auf dem Gebiet der Entschädigungsrenten im Hinblick auf die Entwicklung der Sozialverhältnisse in der Bundesrepublik erforderlich. Wir schlagen hier vor, daß der Einkommenshöchstbetrag bei Bezug von Entschädigungsrente von 300 DM tauf 600 DM 'als Sockelbetrag festgestellt wird.
Eines der Kapitel, wo die meisten Feststellungsbescheide erfolgt sind und zum Teil auch eine Auszahlung erfolgt ist, ist die Hausratentschädigung. Wir greifen dieses Problem bewußt noch einmal auf. Hier sind zwei Motive maßgebend gewesen. Es ist einmal der immer wieder an uns herangetragene Wunsch, den Umfang des verlorenen Hausrats grundsätzlich nach dem Familienstand im Zeitpunkt der Schädigung zu errechnen. Wir sind vorsichtig genug und möchten den Geschädigten die Wahl überlassen, ob der Familienstand im Zeitpunkt der Schädigung oder im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes gelten soll.
Die soziale Bedeutung der Hausratentschädigung zeigt sich vor allem darin, daß der Kreis der Antragsteller besonders groß ist. Die Höhe der gewährten Entschädigung steht unter Berücksichtigung des derzeitigen Preisniveaus in keinem angemessenen Verhältnis zur Höhe der Verluste. Eine allgemeine Anhebung des Sockelbetrages und des Aufstockungsbetrages halten wir für notwendig.
Nun kommt noch ein besonderes Problem auf den Deutschen Bundestag zu, nicht nur auf die Fraktion der SPD. Es ist die Frage: Was machen wir innerhalb des Lastenausgleichsgesetzes mit der Betreuùng der Sowjetzonenflüchtlinge? Dazu wird aber meine Kollegin Korspeter noch einiges sagen.
Ich komme zurück auf die Deckungsfrage. Die angeblich so komplizierte Frage der Mittelaufbringung ist nach meinem Dafürhalten gar nicht so kompliziert. Alle Novellen zum Lastenausgleich sind bisher an den Vermittlungsausschuß gelangt, wo sie im Hinblick auf den § 6 des Lastenausgleichsgesetzes abgeändert wurden. Die Vermögensabgabe und die Hypothekengewinnabgabe reichen nicht aus, um die Leistungen abzudecken. Wir haben Bund und Länder mit in die Verpflichtung genommen. Anläßlich des Achten Änderungsgesetzes hat der Gesetzgeber auf Grund des § 6 auf der Ausgabenseite einen durch Einnahmen zunächst nicht gedeckten Mehrbetrag von 5,5 Milliarden DM in Kauf genommen, der nicht sofort fällig ist und der als laufender Bundeszuschuß dem Fonds zufließen soll. Wir befürchten, daß sich die Bundesregierung dieser Verpflichtung entziehen will. Wir werden also darauf besonders Obacht geben müssen.
Ich darf bei all diesen Betrachtungen auf die Diskussion im Bundesrat vom 28. Oktober 1960 verweisen und meinen Kollegen besonders die Rede des Herrn Ministers Hemsath zum Studium empfehlen. Aber auch der Herr Ministerpräsident von Schleswig-Holstein hat einiges zu der Erörterung dieses Problems beigetragen.
Als wir im Mai 1952 nach jahrelanger Vorbereitung im Deutschen Bundestag das Lastenausgleichsgesetz verabschiedet hatten, war klar erkennbar, daß allein wegen der Laufdauer von 30 Jahren Anderungen notwendig sein würden. Sicherlich ist das Lastenausgleichsgesetz eines der umstrittensten Gesetze und wird es auch immer bleiben. Die Frage ist aufzuwerfen, ob von Anfang an die Weichen richtig gestellt waren.
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Wir wollen am Aufbau des Gesetzes nichts ändern; das möchte ich hier besonders betonen. Aber die Änderungen auf der Leistungsseite im Rahmen der Vierten und Achten Novelle - das waren ja die entscheidenden Novellen - ergaben zwangsläufig, daß der Bundeshaushalt und die Länderhaushalte herangezogen werden mußten. Wir kommen also bei jeder Verbesserung des Lastenausgleichs aus der Zuständigkeit des Ressortministers automatisch in die Mühle des Bundesfinanzministers und der Länderfinanzminister. Hier hätte ich die Bitte, daß, ähnlich wie der Bundesrat, auch unser neuer Minister Dr. von Merkatz als jetziger Ressortminister sich dieses Problems besonders annimmt und sich im Interesse der Heimatvertriebenen und der Kriegssachgeschädigten bemüht, sich gegenüber dem finanzstärkeren Finanzminister durchzusetzen.
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Die Frage des Spiels von Einnahme und Ausgabe möchte ich jetzt nicht behandeln. Wir wissen, daß in der Vorlage der Bundesregierung ein Überhang von 4,9 Milliarden DM 'in der Schlußbilanz errechnet ist. Die Bundesregierung verplant heute 4,6 Milliarden DM. Diese Zahlen beruhen ja nur auf Schätzungen, und ich bin davon überzeugt, daß zu den 4,6 Milliarden DM weitere 7 Milliarden DM hinzukommen werden. Herr Kollege Schütz, Sie wissen ja noch besser als ich, was der Kontrollausschuß und die Feststellungsbehörden allein bezüglich des Durchschnittsbetrages der Hauptentschädigung heute und was sie vor zwei Jahren errechnet haben. Das ist dieses Spiel mit Zahlen.
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Wir stehen auf dem Standpunkt, daß die Methode der Schätzung beibehalten werden sollte, weil die
Zühlke
Feststellungsbehörden einfach noch nicht fertig sind und infolgedessen auch ich, das Endergebnis noch nicht feststellen kann. Wir sind aber der Meinung, daß die Schätzungen wie früher zu niedrig sind.
Nun zu dem, was sich seit dem 21. Juni 1948 in Westdeutschland abgespielt hat. Die ganze wirtschaftliche Aufwärtsentwicklung geht am Lastenausgleich vorbei. Die Abgaben sind die gleichen wie 1952, bezogen auf den Stichtag 21. Juni 1948. Auch wenn die Abgabeverpflichteten inzwischen noch so wohlhabend geworden sind, können sie ihre Vermögensabgabe bis 1979 in Raten abtragen und können auch die Leistungen des Lastenausgleichs erst 1979 auslaufen. Allerdings haben wir das Problem nicht verkannt. Man war bereit, die Starrheit des Lastenausgleichs, die durch die Fixierung der Vermögensabgabe auf den Währungsstichtag gegeben war, insofern abzumildern, als die Vermögensteuer, die ja mit der wirtschaftlichen Entwicklung Schritt halten wird, dem Fonds zufließen sollte. Aber dieses Regulativ fiel durch den Widerspruch der Länder, denen ja die Vermögensteuer zusteht, fort. Wir erhalten also nach langem Kampf nur 25 % des Aufkommens aus der Vermögensteuer für den Fonds.
Wir wissen, daß das Lastenausgleichsgesetz seit 1952 wiederholt ergänzt wurde und daß, soweit ich es überprüfen konnte, allein 62 Rechtsverordnungen zum LAG vorhanden sind, die den Verwaltungsablauf erschweren und den Weg vom Antrag zur Auszahlung viel zu lang machen.
Wir haben nun diese Drucksache als unseren eigenen Änderungsvorschlag im Bundestag eingebracht, und wir haben die Hoffnung, daß eine breite Mehrheit im Hause die von uns vorgeschlagenen Änderungen annimmt. Diese Novelle trägt die Zahl 13. Ich möchte diese Zahl als Glückszahl bezeichnen
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in der Hoffnung, daß uns diese 13. Novelle einen Schritt näher an das Schlußgesetz heranbringt. Sie soll noch nicht Schlußgesetz sein, aber sie soll uns dicht an das Schlußgesetz heranführen.
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Das Wort hat Frau Abgeordnete Korspeter.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Nach einer Abmachung im Ältestenrat ist es mir gestattet, als zweite Sprecherin meiner Fraktion die Fragen zu behandeln, von denen die Sowjetzonenflüchtlinge in unserem Gesetzentwurf zur Dreizehnten Novelle zum Lastenausgleichsgesetz berührt werden, und ich bitte Sie sehr herzlich um Ihre Geduld und um Ihre Aufmerksamkeit.
Wir halten es für notwendig, etwas Grundsätzliches über diese Zielsetzung unseres Gesetzentwurfs zu sagen, weil wir den Versuch unternommen haben, für die Betreuung und Eingliederung der Flüchtlinge neue Wege zu gehen, und weil wir wissen, mit wieviel Interesse, ja mit wieviel Erwartung und Hoffnung die Flüchtlinge dieser Dreizehnten Novelle zum Lastenausgleichsgesetz entgegengesehen haben.
({0})
Ich möchte sogar sagen: sie haben die Gesetzentwürfe, die von der Regierung und von den einzelnen Fraktionen vorgelegt wurden, geradezu zu einem Prüfstein dafür gemacht, inwieweit man bereit ist, ihnen eine gerechte Behandlung zuteil werden zu lassen.
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Bis heute haben sie sich als Stiefkinder 'des Lastenausgleichsgesetzes betrachtet und; wie ich glaube, auch betrachten müssen.
Um es an den Anfang meiner Ausführungen zu stellen: Diese gerechte Behandlung sehen die Flüchtlinge in ihrer Gleichstellung mit den Vertriebenen in allen materiellen Hilfen, die aus dem Lastenausgleich gewährt werden. Meine Fraktion unterstützt diese Gedankengänge und diese Forderungen, und sie haben in unserem Gesetzentwurf ihren Niederschlag gefunden.
Als wir vor acht Jahren das Lastenausgleichsgesetz verabschiedeten, wurde in der Präambel des Gesetzes der Anspruch auf den Ausgleich von Lasten ausdrücklich anerkannt. Diese Regelung bezog sich nicht nur auf Vertriebene und Kriegssachgeschädigte, sondern ganz allgemein auf die durch den Krieg und seine Folgen besonders betroffenen Teile unseres Volkes. Wer will es heute noch bestreiten, daß nicht auch denen ein wirklicher Ausgleich gewährt werden sollte, die die Zone verlassen mußten? Wer will, wenn er 'diesen Tatbestand anerkennt, sich nichtdafür 'einsetzen, .daß auch den Flüchtlingen dieselben sozialen und wirtschaftlichen Hilfen zur Betreuung und Eingliederung zuerkannt werden müssen wie den übrigen Geschädigten?
Bei der Schaffung des Lastenausgleichsgesetzes wurde der sozialen Problemstellung bei den Vertriebenen und Flüchtlingen ein unterschiedliches Gewicht beigemessen. Das Gesetz sah in den Vertriebenen und Kriegssachgeschädigten die eigentlich Geschädigten. Man betrachtete ihre Verluste als die großen, typischen Schadenstatbestände, und für die Flüchtlinge schuf man nur den Härtefonds, und zwar aus der Einstellung heraus, daß es sich hierbei nur um kleinere und nur verwandte Schadenstatbestände handle. Bei der Gesetzgebung ging man deshalb davon aus, den Vertriebenen, die unmittelbar in die Bundesrepublik kamen oder als Spätaussiedler heute noch kommen, einen eindeutigen Status zu geben, nach dem' jeder, der die Vertreibungsgebiete verlassen mußte, als Vertriebener anerkannt werden und grundsätzlich alle Rechte und Vergünstigungen als Vertriebener in Anspruch nehmen konnte.
Bei den Deutschen dagegen, die aus der Zone in die Bundesrepublik flüchten mußten, ging man im Gégensatz zu dem allgemeinen Vertriebenenschicksal vom Einzelschicksal aus, und diese Betrachtungsweise, meine Herren und Damen, führte zu einer völlig unterschiedlichen gesetzlichen Re7832
Fran Korspeter
gelung bei der Betreuung und Eingliederung der Flüchtlinge. Sie wurden im Lastenausgleichsgesetz nicht mit einem Rechtsanspruch auf Leistungen ausgestattet, sondern sie wurden - ich möchte das einmal so ausdrücken - mehr oder weniger als Fürsorgefälle behandelt, deren Situation man im einzelnen überprüfen mußte, ehe man ihnen Leistungen gewährte. Die Leistungen, die die Flüchtlinge nach der jetzigen Regelung aus dem Lastenausgleichsgesetz erhalten, werden als Beihilfen zur Milderung von Härten aus dem sogenannten Härtefonds gewährt, Beihilfen, die vor der Achten Novelle sogar die Bedürftigkeitsprüfung in jedem einzelnen Fall voraussetzten und die weit hinter den Leistungen für die Vertriebenen zurückstanden und auch heute noch stehen.
Nach der Beseitigung der Bedürftigkeitsprüfung und nachdem inzwischen auch noch einige Vergünstigungen und bessere Regelungen eingeführt wurden, kann man - allerdings mit der gebotenen Einschränkung - sagen, daß der Weg zu einer Gleichstellung in den sozialen Hilfen angebahnt wurde. Aber dieser Weg wurde keineswegs zu Ende geführt. Die Leistungen für die Flüchtlinge sind nach wie vor ihrem Wesen nach Beihilfen, die außerdem nur dann gewährt werden können, wenn ausreichende Mittel vorhanden sind. Es klafft also nicht nur in der Voraussetzung für die Gewährung der Leistungen, sondern auch in der Höhe der Leistungen ein Unterschied zwischen Vertriebenen und Flüchtlingen, und zwar - lassen Sie es mich noch einmal mit aller Deutlichkeit sagen - zuungunsten der Flüchtlinge.
Wir haben deshalb voiles Verständnis für die Beunruhigung der Flüchtlinge, die durch diese unterschiedliche Behandlung ausgelöst ist und auf die die Bundesregierung in ihrem Gesetzentwurf leider gar keine Rücksicht genommen hat. Allein auf Grund der Tatsache, daß die Zahl der Flüchtlinge sich durch den dauernden Flüchtlingsstrom auf ungefähr 4 Millionen erhöht hat, ist der Ruf nach einer Gleichstellung der Betreuungs- und Eingliederungshilfen mit den Vertriebenen unüberhörbar geworden. Dieses Parlament kann und darf an dieser Tatsache nicht vorübergehen.
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Im Raum unserer sozialen Verantwortung steht heute die Frage, ob die Grundsätze der Gerechtigkeit und die seit 1952 erweiterten volkswirtschaftlichen Möglichkeiten auch heute noch einen gebührenden Ausdruck in 'den Gesetzen finden, von denen die Flüchtlinge berührt werden. Wir wissen alle, daß es eine formelle Feststellung der in der Zone erlittenen Schäden nicht gibt, und wir wissen, daß es auch keine Abgeltung durch eine Hauptentschädigung gibt. Aber wir sind 'der Meinung und haben das durch unseren Gesetzentwurf zum Ausdruck gebracht, daß man für die Flüchtlinge eine sinngemäße Lösung herbeiführen sollte, d. h. daß die Leistungen an sie den vergleichbaren Leistungen an Geschädigte entsprechen sollten. Das ist der Sinn unseres Gesetzentwurfs in bezug auf diese Fragen.
Unsere wesentliche Forderung 'betrifft die Gleichstellung der Flüchtlinge auf dem Gebiete der Hausrathilfe, auf dem Gebiete der Unterhaltssicherung und des Aufbaudarlehens. Darüber hinaus muß allerdings noch eine Reihe von anderen Fragen geregelt werden, auf die ich heute bei der ersten Lesung nicht eingehen kann. Im Fortschreiten auf dem Wege zur Gleichstellung muß ein Rechtsanspruch auf diese Leistungen geschaffen werden. Daneben wollen wir auch die schwierige Lage derjenigen Deutschen, die vorläufig noch nicht nach § 3 des Bundesvertriebenengesetzes als Flüchtlinge im engeren Sinne anerkannt werden, nicht unberücksichtigt lassen.
Der vorliegende Gesetzentwurf der SPD-Fraktion sucht diese Ziele durch eine Neufassung einer Reihe von Bestimmungen des Lastenausgleichsgesetzes zu erreichen. Die Bestimmung des § 301 a in unserem Gesetzentwurf sieht eine Hilfsmöglichkeit für die Deutschen aus der Zone vor, die zwar im Notaufnahmeverfahren aufgenommen, aber nicht als Flüchtlinge im engeren Sinne anerkannt wurden. Sie sollen, wenn sie erstmalig mit Wohnraum versorgt werden, nach den Grundsätzen des Härtefonds eine Beihilfe zur Beschaffung von Hausrat erhalten.
In diesem Zusammenhang lassen Sie mich schon heute eines sagen! Wir werden unis unseren Vorschlag auch den nicht anerkannten Flüchtlingen eine Hausrathilfe zu geben, nicht durch die jetzt von der Bundesregierung vorgeschlagene sogenannte Möbelhilfe 'abwerten lassen.
({3})
Unsere Forderung geht darauf hinaus, keinesfalls eine Art fürsorgerechtliche Bedürfnisprüfung durchzuführen, sondern 'allen Flüchtlingen, die nach einem bestimmten Zeitpunkt erstmals mit Wohnraum versorgt werden, ohne eine solche Prüfung diese Hausrathilfe in der Höhe der Grundstufe des Lastenausgleichsgesetzes zu geben.
Wir bedauern es in diesem Zusammenhang außerordentlich, daß die Bundesregierung nicht schon längst eine praktikable Lösung von sich aus vorgeschlagen hat.
({4})
Im übrigen behält dieser Paragraph nur so lange seine Bedeutung, bis der § 3 des Bundesvertriebenengesetzes durch unseren Antrag in unserem Sinne geregelt wird, der endlich 'die Kluft zwischen den anerkannten und den nicht (anerkannten Flüchtlingen beseitigen soll. Bitte bedenken Sie: Diese Kluft wiegt um so schwerer, da der soziale Ausgangspunkt, (die Entwurzelung, die Notlage, bei allen, die aus der Zone kommen, in der Regel der gleiche ist.
Mit dem § 301 b, einem der wichtigsten Paragraphen, von denen die Sowjetzonenflüchtlinge berührt werden, wollen wir vom Begriff der bisher gewährten Beihilfe abrücken und den Flüchtlingen einen unmittelbaren Rechtsanspruch auf die sozialen und wirtschaftlichen Leistungen im gleichen Umfange und in derselben Höhe wie den Vertriebenen gewähren.
({5})
Die Flüchtlinge sollen daher nach unserem Vorschlag nicht mehr Beihilfen zum Lebensunterhalt, sondern Unterhaltshilfe, nicht mehr Beihilfen zur Beschaffung von Hausrat, sondern Hausratentschädigung ,erhalten.
Die Steigerungsbeträge, die den beruflichen Existenzverlust berücksithtigen, sollten dem Umfang der wegen Existenzverlust gewährten Entschäldidigungsrente angepaßt werden. Sie sollten in Zukunft auch nicht mehr nach der Zweiten Leistungsdurchïührungsverordnung, sondern auf Grund einer gesetzlichen Regelung dieser 13. Novelle zum Lastenausgleichsgesetz festgesetzt werden. Wir werden bei den Beratungen im Ausschuß eine solche Regelung vorschlagen, weil wir sie .als gerecht empfinden.
Mein Kollege hat vorhin schon auf die günstige finanzielle Situation hingewiesen. Wir sind der Meinung, daß die finanziellen Aufwendungen, die aus unserem Gesetzentwurf für die Verbesserung der Leistungen an Flüchtlinge entstehen, nicht so groß sind, daß sie nicht aufgebracht werden könnten. Wir dürfen es nach unserer Meinung auch nicht zulassen, daß eine Aufstockung notwendiger Leistungen etwa durch ein Veto des Bundesfinanzministers verhindert wird.
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Schließlich ist die Tatsache, daß nach dem Vorschlag der Bundesregierung die Flüchtlinge hinsichtlich
der Leistungen nach dem Lastenausgleichsgesetz bei der Schätzung der Gesamteinnahmen und Gesamtausgaben des Ausgleichsfonds ab 1. April 1960 von 49,2 Milliarden DM nur mit 500 Millionen DM aus dem Härtefonds bedacht werden, geradezu beschämend. Meine Damen und Herren, nur mit einem Prozent sind die Flüchtlinge durch den Härtefonds an diesen Gesamteinnahmen und Gesamtausgaben beteiligt!
Dem Flüchtling geht es selbstverständlich neben verbesserten Leistungen auch um eine Stärkung der rechtlichen Stellung. Ich muß noch einmal sagen: wir und mit uns die Flüchtlinge bedauern 'es außerordentlich, daß im Gesetzentwurf der Bundesregierung von einer solchen Entwicklung nichts, aber auch gar nichts zu spüren ist. Deshalb braucht sich niemand darüber zu wundern, daß bei den Betroffenen nicht nur tiefste Enttäuschung, sondern auch größte Beunruhigung herrscht. Diese Enttäuschung ist um so größer, als der frühere Bundesminister für Vertriebene gegenüber dem Gesamtverband der Sowjetzonenflüchtlinge bereits vor längerer Zeit gewisse Zusicherungen gemacht hat. Danach sollte die Hausrathilfe für Flüchtlinge entsprechend 'der Hausratentschädigung für Vertriebene angehoben werden; diese Regelung sollte mit der Dreizehnten Novelle kommen. Nichts davon ist in dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zu lesen. Damit entsteht die Frage, ob die Zusage eines Ministers - auch wenn er inzwischen seinen Ministersessel verlassen mußte - nichts mehr gilt; er hat schließlich diese Zusicherungen nicht als Einzelperson, sondern als Repräsentant ,des Ministeriums und der Regierung gemacht.
Auch Herr Ministerpräsident von Hassel hat im Bundesrat beim ersten Durchgang des Gesetzentwurfes sehr warme Worte für die Flüchtlinge und ihre Rechtsstellung gefunden. Er ist für eine rechtliche Gleichstellung der Flüchtlinge mit den Vertriebenen - gemäß dem im Grundgesetz verankerten Gleichheitsgrundsatz - eingetreten.
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Er führte unter anderem aus, daß die Forderung nach einer Verbesserung der Ansprüche der Flüchtlinge an den Lastenausgleich völlig berechtigt sei. Die Hausratentschädigung, so sagte er, solle in allen Stufen in gleicher Höhe wie bei den Vertriebenen zuerkannt werden. Statt der verhältnismäßig kurzfristig rückzahlbaren Eingliederungsdarlehen soll ein echte Eingliederungshilfe gegeben werden. Schließlich solle statt der Unterhaltshilfe eine ausreichende Alterssicherungs- und Berufsunfähigkeitsrentegewährt werden; dabei verstehe ich die letzte Äußerung so, daß sie eine Mindestforderung darstellt.
Ich halte diese Ausführungen von Herr von Hassel zumindest für sehr interessant. Wir haben allerdings den Wunsch, vor einer Enttäuschung bewahrt zu werden, nämlich vor der Enttäuschung, daß sich die Fraktion der CDU bei der Beratung der Gesetzentwürfe unter Umständen nicht mehr an die Worte ihres stellvertretenden Parteivorsitzenden erinnert und sich nicht mehr daran hält. Dadurch würde verhindert werden, daß diese vordringlichen Fragen in der Dreizehnten Novelle gelöst werden.
Zum Schluß lassen Sie mich noch eines sagen: Für die Flüchtlinge aus der Zone bedeutet das Verlassen der Zone die Aufgabe der Heimat, den Verlust von Existenz und Wohnstätte, die Zerreißung familiärer Bande. Die Verhältnisse, in die wir uns heute gestellt sehen, haben es mit sich gebracht, daß ein Teil unseres Vaterlandes schwerer als der andere Teil belastet wurde. Daß wir hier in der Bundesrepublik weniger belastet sind, ist ein unverdientes Geschenk, das uns zuteil geworden ist. Wir haben nicht oft Gelegenheit, die Zusammengehörigkeit unseres Volkes durch mehr als durch Worte zu beweisen. Hier hätten wir diese Gelegenheit. Ich bitte Sie alle sehr herzlich, diese Gelegenheit durch eine gerechte Behandlung der Flüchtlinge in diesen Fragen zu nutzen.
({8})
Das Wort zur Begründung des Regierungsentwurfs hat Herr Bundesminister Dr. von Merkatz.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist das erste Mal, daß der Bundesminister für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte nach dem Ministerwechsel im Namen der Bundesregierung zu einer wichtigen Phase der Entwicklung des Lastenausgleichs Stellung nimmt. Ich möchte bewußt nicht zu Einzelheiten der Vorlage Stellung nehmen; auf die Darlegung des Grundsätzlichen und der Komplexität kommt es mir an.
Der Bundesminister für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte hat geringe materielle Zuständigkeiten. Es ist aber falsch, das Ministerium nach diesen geringen materiellen Zuständigkeiten zu messen. Aufgabe und Wert besteht vielmehr darin, ständiger Anwalt der Geschädigten zu sein.
({0})
Dabei ist es durchaus nicht notwendig, daß das Plädoyer öffentlich geführt wird. Wichtig ist, daß ein Fortschritt erreicht, nicht minder, daß ein Nachteil verhütet wird.
Grundsatz für mein Handeln und für die von mir vorzutragenden Wünsche und Forderungen ist, dem grundgesetzlichen Anspruch aller Staatsbürger auf Wahrung des Gleichheitsgrundsatzes zu entsprechen.
({1})
1st der Vertriebenenminister zu der Überzeugung gelangt, daß sich in der hochentwickelten Bundesrepublik noch unterentwickelte Gruppen befinden, so muß er sich dafür einsetzen, daß dem Gleichheitsgrundsatz Rechnung getragen wird.
({2})
Die primären Gesichtspunkte des Gleichheitsgrundsatzes sind: Startbedingungen, Alterssicherung und Sicherung des Anschlusses an die allgemeine Entwicklung der Volkswirtschaft und der Lebenshaltung.
({3})
Wir können die Geschädigten nicht auf die Verhältnisse des Jahres 1948 festnageln!
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Starthilfen und gewisse soziale Leistungen müssen nicht mit einem perfektionistisch umschriebenen absoluten Rechtsanspruch verbunden werden, ja sie können es gar nicht.
Die Regierung ist sich bewußt, daß dem Grundsatzpostulat der Beseitigung von Erscheinungsformen der Unterentwicklung noch nicht voll Genüge geschieht. Sie ist aber der Überzeugung, daß mit dem Angebot einer Möbelhilfe für Zonenflüchtlinge ohne C-Ausweis und der dem Hohen Haus vorliegenden 13. Novelle des Lastenausgleichsgesetzes ein eindrucksvoller Schritt getan wird. Es ist ein Schritt, der getan wird, sicherlich nicht der letzte, der zur Vollendung dieses Werkes notwendig ist.
Wir sollten uns von Zeit zu Zeit etwas zurückbesinnen. Was wollte der Lastenausgleich? So leidenschaftlich, wie wir mit vollem Recht die Kollektivschuld ablehnen, wollte er die Kollektivhaftung gegenüber den Trägern der Hauptlast zum Ausdruck bringen.
({5})
Bombe und Vertreibung sind kein Gottesurteil, mit
dem sich der Betroffene allein herumzuplagen hat.
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Die Ausgebombten, die Vertriebenen und die Bewohner des heimgesuchten Mitteldeutschlands leiden stellvertretend für uns alle! Ihnen Leid und Last zu erleichtern, Ist die Pflicht der Menschlichkeit, der Gerechtigkeit und der nationalen Solidarität.
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Die Pflicht, die sich aus diesen Erwägungen ergibt, findet ihre Grenze nicht an der persönlichen Opferscheu, sondern an der Belastbarkeit der Volkswirtschaft, der Verteidigung der Freiheit und der Erhaltung der Funktionsfähigkeit des individuellen Eigentums, das die Grundlage unserer Wirtschafts- und Sozialform ist.
({8})
Ich darf sagen: Eigentum ist gewissermaßen die dingliche Entsprechung der persönlichen Freiheit.
({9})
Diese Grundlage verpflichtet uns wiederum, das Eigentum überall dort wieder zu begründen, wo es ohne eigenes Versagen durch die Kriegsfolgen verlorengegangen ist.
Der Lastenausgleich ist Hauptfinanzierungsquelle für die soziale und wirtschaftliche Eingliederung der Vertriebenen, Ausgebomten und Zonenflüchlinge mit dem C-Ausweis. Die bisher ausgeschütteten 37 Milliarden DM wurden gewonnen aus 25 Milliarden DM Abgaben der Abgabepflichtigen, 8 Milliarden DM Pflichtbeiträgen des Bundes und der Länder auf Grund des § 6 des Lastenausgleichsgesetzes, 1,7 Milliarden DM Anleihen, Kassenhilfen und ähnlichen Maßnahmen und 2,1 Milliarden DM vorzeitiger freiwilliger Ablösung der Lasten-ausgleichsschuld. Aus 37 Milliarden DM wurden hauptsächlich geleistet 9,5 Milliarden DM Unterhaltshilfe, 10 Milliarden DM Förderung des Wohnungsbaues, 8 Milliarden DM Hausrathilfe, 3,8 Milliarden DM Existenzaufbauhilfe und 1,4 Milliarden DM Hauptentschädigung. Ca. 5 Milliarden DM Darlehen sind auf die Hauptenschädigung anrechenbar.
Die Geschädigtenorganisationen hatten in den Kämpfen um die Grundkonzeption leidenschaftlich den Vorrang des Entschädigungsgedankens vertreten. Der Kompromiß, den der Gesetzgeber nach langem Ringen mit den parlamentarischen Verfechtern der sozialen Indikation gefunden hat, verpflichtet zur betonten Berücksichtigung des Entschädigungsgedankens in der zweiten Phase.
({10})
Diese hat 1958 begonnen. Im Wirtschaftsplan des kommenden Jahres wird dank einer vom Bundeskabinett gegebenen Anleiheermächtigung von 300 Millionen DM zum erstenmal 1 Milliarde DM für die unmittelbare Erfüllung von Hauptentschädigungsansprüchen bar zur Verfügung stehen.
Folgerichtig sind wir an die 13. Novelle unter dem Gesichtspunkt der Verbesserung und der Beschleunigung der Hauptentschädigung herangegangen. Vieles wurde mit Hilfe der allgemeinen Förderungsmaßnahmen der Mittel des Lastenausgleichs bereits erreicht. Wir wollen es weder als eine perBundesminister Dr. von Merkatz
fekte Lösung ansehen, die es meines Erachtens überhaupt nicht geben kann - denn die Heimat ist ja unersetzlich -; wir wollen es aber auch nicht unterschätzen. Erreicht werden konnten erstens die Sicherung des Arbeitsplatzes für alle Arbeitsfähigen, zweitens die soziale Sicherung ehemals Unselbständiger durch das umfassende Fremdrentengesetz und drittens die Versorgung mit ordentlichem Wohnraum zu 85 bis 90 %. Dabei wollen wir allerdings nicht übersehen, daß auch hinter den Mauern eines Neubaues noch eine lagerähnliche Belegungsdichte angetroffen werden kann.
({11})
Nicht oder nur teilweise bewältigt sind erstens trotz imponierender Eingliederungszahlen die Eingliederung in einen ,dem Beruf in der Heimat entsprechenden Beruf - hier sind vor allem die Bauern besonders hart betroffen; sie verdienen unsere besondere Sorge -, zweitens die hinreichende soziale Sicherung der ehemals Selbständigen, die hier Unterhaltshilfe in Anspruch nehmen müssen, und drittens die Neubildung des verlorenen Eigentums. Der totale Verlust des Eigentums für Millionen stellt einen gefährlichen Bruch in unserer Sozialstruktur dar.
Die 13. Novelle soll zur Heilung dieses Bruches beitragen. Sie bringt erstens die Erhöhung der Hauptentschädigung in den unteren und mittleren Schadensgruppen, zweitens die Barverzinsung der Hauptentschädigung und drittens die Verkürzung der Wartezeit bis zur Auszahlung der Hauptentschädigung. Diese drei Punkte, die die Novelle enthält bitte ich Sie als eine Einheit, als einen in innerem Zusammenhang stehenden Schritt zur Besserung zu betrachten.
Die Wirkung der partiellen Anhebung der Entschädigungssätze wird ergänzt durch die allgemeine Barverzinsung. Diese macht den Zuerkennungsbescheid zu einem Wertpapier mit allen dem Wertpapier innewohnenden sozialen und wirtschaftlichen Vorteilen.
Die Bundesregierung legt größten Wert auf die Verkürzung der Auszahlungsfrist um rund 10 Jahre. Sie weiß sich dabei mit den Geschädigten einig, die immer wieder betonen und betont haben, daß es ihnen in erster Linie auf eine schnelle Auszahlung ankommt. Es muß unser aller Ziel sein, die älteren Anspruchsberechtigten die Zahlung ihrer Hauptentschädigung noch erleben zu lassen. Gerade die Anstrengungen und Vorschläge der Bundesregierung wenden sich diesem vordringlichen Ziel zu. Die Bundesregierung unterbreitet praktische Vorschläge zur Geldbeschaffung und zur Durchführung.
Die Wächter unserer Währung und Wirtschaft haben aus dem Verhalten der Währungsgeschädigten und den bereits mit Hauptentschädigungszahlungen bedachten Vertriebenen und Kriegssachgeschädigten die Überzeugung gewonnen, daß die ausgezahlten Gelder nicht zu einem Konsumstoß führen, sondern vornehmlich der Substanzbildung dienen und gedient haben.
({12})
- Ja, der Eigentumsbildung.
Die Novelle enthält keine unmittelbare Vorfinanzierungsmaßnahmen. Sie schafft aber unter anderem die Ermächtigung, aussichtsvoll geführte Verhandlungen mit Sparkassen und Banken zu einem guten Abschluß zu bringen, um über Sparbücher einen Teil der Hauptentschädigung sobald wie möglich abzuwickeln. Dabei bietet sich das Modell an, das sich bei der vorzeitigen Auszahlung der Altsparerentschädigung bewährt hat. Ich danke von dieser Stelle aus den Instituten für die in den Vorverhandlungen gezeigte Bereitschaft. Ich hoffe, daß die Zusammenarbeit zwischen dem Bundesausgleichsamt und den Instituten zu einem guten sozialen und - das möchte ich unterstreichen - volkswirtschaftlichen Ergebnis führen wird.
Die Bundesregierung bleibt in ihrem Bemühen um Vorfinanzierungsmaßnahmen nicht stehen. Ich werde noch während der Ausschußberatungen der Novelle Vorschläge nachreichen. Dabei ist besonders 'daran gedacht, die Laufzeit der Abgaben für jene Abgabenpflichtige zu kürzen, die infolge der wirtschaftlichen Entwicklung zu einem großen - ich betone: großen - Vermögenszuwachs gekommen sind.
({13})
Die Bundesregierung hat sich auch bemüht, in der Novelle der inzwischen erkannten besonderen Lage der Kriegssachgeschädigten, die Teilschäden erlitten haben, Rechnung zu tragen. Neben der bereits in der Novelle enthaltenen Verbesserung der Kürzungsbestimmungen ist die Bundesregierung gewillt, Aufbauleistungen, die vor dem Währungsstichtag vorgenommen worden sind, realistischer zu bewerten. Auch den Zonenflüchtlingen, die Vermögenswerte in der Bundesrepublik hatten oder vor dem Währungsstichtag geschaffen haben, soll eine weitere Milderung der Abgabeleistung gewährt werden.
In allen ihren Teilen ist die Novelle ein weiterer Schritt zur Herstellung der durch Krieg und Kriegsfolgen empfindlich gestörten harmonischen Schichtung der Bevölkerung. Ein französischer Enzyklopädist hat einmal gesagt, der Reichtum eines Volkes bestehe in seiner Proportion, also in seiner sozialen Ebenmäßigkeit - la richesse d'un peuple, c'est la proportionalité -. An diesem Reichtum, der trotz der Erschütterungen infolge des ersten Weltkrieges noch vorhanden war und durch den Nationalsozialismus freventlich verspielt worden ist, fehlt uns heute noch viel, sehr viel.
({14})
Die Förderung des möglichen Teils der Wiederherstellung der inneren Ebenmäßigkeit unter Bejahung der beruflichen Selbständigkeit und des Eigentums ist der Leitsatz, den ich vorgefunden habe und den ich weiterführen möchte. Ich sage mit aller Betonung: die Wiederherstellung der Ebenfäßigkeit oder Homogenität ist keine Nivellierung und keine karitative Aufgabe.
({15})
Sie führt nicht in den Wohlfahrtsstaat, sondern von
diesem weg. Diese Tendenz kommt von den Geschädigten selbst, die auch in den schwersten Tagen
ein, ich möchte sagen, geschichtsbildendes Beispiel zähen Selbstbehauptungswillens gegeben haben.
({16})
Sie wollten aus der Nivellierung und Vermassung heraus, in die ein grausamer Land- und Eigentumsnehmer sie gestoßen hatte.
Selbstbehauptung, beharrlicher Wille auf Wiederherstellung des sozialen Profils, also des europäischen Gesichts, ist der wertvollste Impuls, den die Geschädigten dem gesamten Westen gebracht haben.
({17})
Mögen alle westdeutschen Menschen, besonders die Behördenvertreter, denen der unmittelbare Umgang mit den Geschädigten obliegt, stets an dieses Geschenk der Vertriebenen und Flüchtlinge denken!
({18}) Es darf in unserer Hand nicht verkümmern.
Ich erwähne hier das Wort eines in den Kampf mit den Paragraphen verstrickten Menschen, der am 19. November folgendes geschrieben hat:
Wir Flüchtlinge sind mit so viel Begeisterung und ganzer Kraft für die Freiheit eingetreten. Man muß mit uns etwas mehr Geduld haben - besonders wenn die Ämter statt miteinander gegeneinander arbeiten.
({19})
Ich weiß, daß die ausführenden Bediensteten oft nein sagen müssen, weil ihre materielle Zuständigkeit eben endet. Aber die menschliche Zuständigkeit endet nie.
({20})
Oft ist ein guter Rat - ein empfehlendes Wort an eine andere Behörde - die Rettung aus einer Verstrickung, in die der Unkundige geraten ist. Nicht das Prestige eines Amtes, sondern die Hilfe hat den Vorrang. Ich bitte alle um diese nie erlöschende Zuständigkeit im Menschlichen.
Sosehr ich für die Herstellung der Homogenität eintrete, sosehr bemühe ich mich, die Sonderrechte und Betreuungsmaßnahmen dort beendet zu sehen, wo sie nicht mehr notwendig sind. Ich meine die Anwendung des § 13 des Bundesvertriebenen- und Flüchtlingsgesetzes, der die Einstellung der Rechte und Vergünstigungen vorsieht, wenn der Geschädigte - nun zitiere ich wörtlich in das wirtschaftliche und soziale Leben in einem nach seinen früheren wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen zumutbaren Maße eingegliedert st.
Die Länder sind auf Grund der von meinem Ministerium ausgearbeiteten empfehlenden Richtlinien an eine gerechte Durchführung des durchaus logischen und notwendigen § 13 herangegangen. Ich wünsche die zügige Durchführung nicht etwa im Interesse des Fiskus, sondern im Hinblick auf die noch der Betreuung bedürftigen Geschädigten. Ich kann für diese nur dann mit Überzeugung und Erfolg eintreten, wenn dem § 13 Rechnung getragen wird.
Dieser Paragraph nimmt mit Fug und Recht sein Maß an den heimatlichen Verhältnissen. Er ist eine im Gesetz verankerte Widerlegung der materialistischen Auffassung, die da meint, daß jeder, der einen Arbeitsplatz, Wohnung und Hausrat hat, als eingegliedert betrachtet werden kann. Ein derart Ausgestatteter ist nicht eingegliedert, er ist versorgt. Eingegliedert, d. h. an den ihm gebührenden Platz in der Volksgemeinschaft gebracht ist er damit noch nicht.
({21})
Daß er diesen Platz erhält, erstreben wir jedoch im Interesse unseres ganzen Volkes.
Der Auftrag zur Eingliederung wird uns täglich neu gestellt. 550 Flüchtlinge treffen Tag für Tag aus dem Teil unseres Vaterlandes ein, der dem kommunistischen Machtbereich gewaltsam ausgeliefert worden ist. 550 Menschen treffen in der Bundesrepublik ein, die mit der Beschaffung einer zweiten Wäschegarnitur, mit Bett, Tisch, Stuhl ganz von vorn anfangen müssen.
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie in diesem Punkte um Ihre besondere Aufmerksamkeit. Eine Hochkonjunktur verdeckt den beispiellosen Vorgang der Entwurzelung und Deklassierung.
({22})
Wir sind im Begriff, uns an einen Zustand zu gewöhnen, der so widernatürlich, grausam und rechtswidrig ist, daß er die ganze Welt, erst recht aber uns stündlich empören müßte.
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550 Menschen! Das ist ein Dorf, das wir tagtäglich neu bauen, mit Arbeit versehen und gliedern müssen. Wir bauen und geben Arbeit, aber die Gliederung scheinen wir zu vergessen, wenn wir uns mit der Nivellierung, die aus dem Tatbestand der Vertreibung und der Flucht hervorgeht, abfinden wollten. Die 550 bleiben nicht ohne einen Reflex auf die sowjetisch besetzte Zone, die wir auch - das möchte ich sehr deutlich namens der Regierung zum Ausdruck bringen-weder entvölkern noch in ihren wirtschaftlichen Funktionen stören wollen.
Wir alle wünschen sehnlichst, daß das System der Zone niemanden zwingt, wegen seines Gewissens und seines Dranges nach Freiheit und Selbständigkeit, wegen Bedrohung von Freiheit und Leben, die Zone zu verlassen. Solange aber ein freiheitsfeindliches System Menschen in die harte Wahl zwischen Heimat und Freiheit drängt, wächst uns aus den Opfern des Zwangs eine Dynamik zu, die sich auf alle Bereiche des öffentlichen und privaten Lebens auswirkt und zunächst mit ganzer Wucht auf mein Ministerium fällt.
Die Ostzonenflüchtlinge mit dem C-Ausweis nehmen an allen Verbesserungen der Novelle mit Ausnahme der Hauptentschädigung teil. Die Möglichkeiten des Härtefonds wurden zunächst bis zum Jahre 1965 verlängert. Ich bitte um Ihr Verständnis, wenn ich auch die Zonenflüchtlinge ohne C-Ausweis hier erwähne. Ich muß meinen Auftrag komplex sehen und für diesen Personenkreis an pragmatische Lösungen außerhalb der zementierten
Einnahmen des Fonds denken. Mit dem Vorschlag einer Möbelhilfe hat die Bundesregierung nicht nur den Willen, sondern auch den Weg gezeigt. Sie will großzügig überall dort helfen, wo die Hilfe benötigt wird. Aber sie will vermeiden, ja, sie muß vermeiden, daß öffentliche Gelder 'dorthin fließen, wo sie nicht benötigt werden. Wir müssen im Interesse der Gerechtigkeit und der Hilfsbedürftigen, der wirklich Hilfsbedürftigen, die zu versorgen sind, Ärgernisse vermeiden.
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Endlich ist es gelungen, - ({25})
- Frau Korspeter, ich bitte, mich zu Ende sprechen zu lassen.
Frau Kollegin, bei der Begründung eines Antrages oder eines Entwurfs ist es nicht möglich, Zwischenfragen zu stellen. - Entschuldigen Sie, Herr von Merkatz!
Vielen Dank, Herr Präsident!
Endlich ist es gelungen, daß die Leistungen der Bundesrepublik für die soziale Betreuung und Eingliederung 'der Vertriebenen und Flüchtlinge in dem Bericht des Generalsekretärs der Vereinten Nationen zum Weltflüchtlingsjahr vom 27. Oktober 1960 aufgenommen und anerkannt wurden. Ich möchte heute bei der Einbringung dieses wichtigen Gesetzes die Gelegenheit benutzen, diese Tatsache auch einmal vor die internationale Öffentlichkeit zu stellen. Neben den Sonderspenden zum Weltflüchtlingsjahr, in idem die Bundesrepublik mit rund 20 Millionen DM an vierter Stelle einer Liste von 63 Staaten steht, zählt das Dokument A/4546 auch die laufenden jährlichen Leistungen auf. Hier steht die Bundesrepublik Deutschland mit jährlich 818 Millionen Dollar - das sind 3430 Millionen DM - weit vor allen genannten Nationen, die zusammen nur 167 Millionen Dollar - gleich 700 Millionen DM -, also nur ein Fünftel aufzubringen pflegen.
({0})
Hier wird eine Sonderbelastung und Sonderleistung der Bundesrepublik sichtbar, Idle uns zwar eines kräftigen Beitrages zur Verteidigung und Entwicklungshilfe nicht enthebt, aber eine beachtliche und noch anhaltende, keineswegs zu übersehende Vorleistung ist. Ich darf dieses doch einmal denen sagen, die hier immer von dem „fetttriefenden Deutschland" und auch von dem „Wirtschaftswunder" reden. Das sind die tatsächlichen Leistungen, die diese Nation in ihrer Selbstachtung hinter sich gebracht hat.
({1})
Lassen Sie mich mit diesen speziellen und allgemeinen Bemerkungen nunmehr die Regierungsvorlage einbringen. Seit ihrer Ausarbeitung sind mehrere Monate vergangen. Inzwischen sind an die 'Bundesregierung ebenso wie an den Bundestag eine Reihe von weitergehenden Anregungen für die Ausgestaltung der Novelle herangetragen worden. Den meisten Anträgen des Bundesrats hat das Bundeskabinett zugestimmt und damit gezeigt, daß es nicht starr
({2})
am Konzept klebt. Die Bundesregierung wird auch andere Anregungen, woher sie immer kommen mögen, auf ihre Realisierbarkeit prüfen.
({3})
Die Ausschußberatungen ides Bundestages werden der Regierung Gelegenheit geben, zu den Vorschlägen Stellung zu nehmen.
Ich darf abschließend sagen: (Die Bewältigung der Aufgabe, ein harmonisches Gesellschaftsgef ge wiederherzustellen und damit geschichtlich die Zukunft Deutschlands aufzubauen, geht weit über das rein Parteipolitische, auch über idle Propagandamöglichkeiten eines Wahlkampfes 'hinaus. Sie ist ein Stück der Existenzsicherung, die wir uns alle schuldig sind.
({4})
Der von der Fraktion der FDP eingebrachte Gesetzentwurf wird von dem Abgeordneten Dr. Rutschke begründet. Ich erteile ihm das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Besonders in der letzten Zeit zieht eine Interessentengruppe im Gewand einer politischen Partei landauf, landab und behauptet, daß die Parteien des Deutschen Bundestages für die Heimatvertriebenen und für die Flüchtlinge nichts getan hätten und nichts tun werden. Nach meiner Meinung beweist aber der heutige Tag und beweist die Tagesordnung, daß dem keineswegs so ist.
Wir haben in dieser Legislaturperiode die 11. Novelle zum Lastenausgleichsgesetz verabschiedet, die erhebliche Verbesserungen auf der Leistungsseite brachte. Zur heutigen 13. Novelle liegen vier Entwürfe vor, von allen drei Fraktionen und von der Regierung, so daß damit wohl der Beweis erbracht sein dürfte, daß es im Bundestag durchaus ein Verantwortungsbewußtsein gibt, diesem Personenkreis entsprechend seinen Verhältnissen zu helfen. Das sollten sich auch die Herren merken, die in dieser Form abwertend über unsere Tätigkeit in diesem Bundestag sprechen zu können glauben.
({0})
- Nun, das wird daran liegen, wir wir uns, Herr Kollege, verhalten werden, ob wir hier nun wirklich eine Regelung finden, auf die die Vertriebenen, auf die die Flüchtlinge, auf die die Kriegssachgeschädigten einen Anspruch haben.
Wir hatten bereits im Jahre 1958 die Elfte Novelle verabschiedet. Die FDP-Fraktion hatte seinerzeit einen sehr umfangreichen Antrag eingebracht,
dessen Verwirklichung nicht billig gewesen wäre. Leider wurde uns seinerzeit von der Bundesregierung erklärt, daß dieser Antrag utopisch sei; die für seine Durchführung notwendigen Mittel seien nicht aufzubringen. Mit Freude, aber auch mit gewissem Erstaunen können wir heute feststellen, daß diese Utopie vom Jahre 1958 im Jahre 1960/61 Realität geworden ist. Die Bundesregierung stellt heute fest, es seien 4,9 Milliarden DM an Überschüssen im Lastenausgleichsfonds vorhanden. Bei dieser ernormen Summe Geldes ist es doch immerhin merkwürdig, daß dieser Sachverhalt nicht bereits im Jahre 1958 von der Bundesregierung übersehen werden konnte. So hängt nun leider dem Regierungsentwurf ein Hautgoût an. Im Jahre 1961 wird eine politische Entscheidung getroffen werden, die sehr maßgeblich für die Entwicklung der parteipolitischen Situation in der Bundesrepublik sein kann.
({1})
Das ist kein gutes Zeichen. Man darf die mit der Not dieser Menschen zusammenhängenden Fragen nicht zur Plattform für parteipolitische Entscheidungen in einem ganz bestimmten Sinne machen, und den Vorwurf, daß ,das geschieht, kann ich Ihnen leider nicht ersparen.
Die FDP-Fraktion hat zur Dreizehnten Novelle einen Entwurf eingebracht, der in seinem Umfang sehr bescheiden ist, bescheiden nicht deshalb, weil wir etwa meinten, es sei für diesen Personenkreis schon so viel getan worden, daß es nicht mehr nötig wäre, ihm wesentlich zu helfen, sondern weil wir es nicht für sinnvoll halten, noch weitere umfangreiche Anträge einzubringen, nachdem bereits der Regierungsentwurf und der Entwurf der SPD eingebracht sind. Diese Entwürfe entsprechen weitgehend auch unseren Vorstellungen. Sie bieten uns eine geeignete Grundlage, die Ungerechtigkeiten, die jetzt im Lastenausgleichsgesetz noch als besonders hart erscheinen, abzubauen. Deshalb und nur deshalb haben wir uns darauf beschränkt, einen ergänzenden Entwurf einzubringen, und ich bitte, ihn in diesem Sinne zu verstehen.
Wir haben insbesondere im Hinblick auf die Fliegergeschädigten und andere verschiedene Verbesserungen vorgesehen, die uns unerläßlich erschienen; sie zu erreichen, war für uns der Grund, zusätzlich zu den bereits vorgelegten Gesetzentwürfen einen eigenen Entwurf einzubringen.
Frau Kollegin Keilhack und Herr Bundesminister von Merkatz haben in bezug auf die Flüchtlinge schon einiges ausgeführt. Ich meine, daß die rechtliche Gleichstellung der Flüchtlinge mit den Vertriebenen gewisse Schwierigkeiten mit sich bringen wird. Die Mehrheitsfraktion wird eingedenk der Ausführungen des Herrn Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen, von Hassel, - ({2})
- Herr Pelster, Sie müssen, wenn Sie Zwischenrufe machen, so laut sprechen, daß man Sie versteht. Ich bin gern bereit, .darauf einzugehen.
({3})
- Von Schleswig-Holstein!
({4})
- Seien Sie doch nicht so kleinlich! Sie wissen genau, daß es nur ein Lapsus linguae war. Wenn Sie weiter keinen Grund haben, mir in Zwischenrufen zu widersprechen, freut es mich.
Der Herr Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, von Hassel, hat im Bundesrat erklärt, daß die rechtliche Gleichstellung !der Flüchtlinge mit den Vertriebenen notwendig sei. Wir Freien Demokraten begrüßen diese Erklärung durchaus. Hier ist einmal die Möglichkeit, nun nicht nur ,gesamtdeutsch zu reden, sondern auch gesamtdeutsch zu handeln.
({5})
Da sollten wir, meine ich, diese Gelegenheit doch wirklich beim Schopfergreifen.
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- Wenn Sie dieses Thema anschneiden, darf ich Ihnen folgendes sagen. Unser Entwurf zum Eliten Anderungsgesetz im Jahre 1958 war wesentlich kostspieliger als der heutige. Daraus werden Sie erkennen, Herr Kollege, daß es unis gar nicht darauf ankommt, im Zusammenhang mit dieser Frage der Flüchtlinge und Vertriebenen Wahlgeschenke und irgendwie Wahlpropaganda zu machen. Das lehnen wir ab.
({7})
- Mit Recht, weil nämlich die Regierung damals einen sehr sparsamen Entwurf gemacht hat und jetzt vor der Wahl mit einem sehr massiven und teuren Entwurf kommt. Rühren Sie also dieses Theme nicht an! Von mir aus hätte ich das nicht gesagt, also seien Sie vorsichtig mit Ihren Zwischenrufen.
Meine Damen und Herren, wir befinden uns in völliger Übereinstimmung mit dem Regierungsentwurf und auch mit dem SPD-Entwurf im Hinblick auf ¡die Unterhaltshilfe. Die Unterhaltshilfe erlangt gerade für die mittelständischen Kreise eine besondere Bedeutung, weil nämlich durch das Fremdrentengesetz diejenigen, ;die einem abhängigen Arbeitsverhältnis standen, jetzt wieder eine Altersversorgung haben. Die mittelständischen Kreise, die also selbständig waren und sich in der Rentenversicherung keime Altersversorgung erdient hatten, sind jedoch heute noch auf die Unterhaltshilfe angewiesen. Wenn Sie weiterhin überlegen, daß man einer Person zumutet, mit 140,- DM im Monat unter den heutigen Verhältnissen auszukommen, und Wenn Sie dann Vergleiche ziehen zu den Beratungen im Kommunal- und Fürsorgeausschuß und zu dem, was jetzt an „weitem Herz" im Hinblick auf die Fürsorgeleistungen im großen Umfang festzustellen ist, werden Sie zugeben, daß man hier doch weitherziger handeln muß. Es muß eine gewisse Relation zwischen den Menschen, ;die unverschuldet in Not geraten sind - letztendlich durch Verschulden des Staates -, und Personen, die unter Umständen durch ;eigene Schuld sich selbst in diese NotDr. Rutschke
lage gebracht haben, hergestellt werden. Ich möchte
das nur andeuten, rum eine gewisse Gleichmäßigkeit
oder eine gewisse Ausgewogenheit herbeizuführen.
Wir begrüßen es sehr, daß die Degression gerade bei den mittleren Schadensgruppen sowohl nach der Regierungsvorlage als in sehr erfreulichem Maße auch nach der SPD-Vorlage abgebaut werden soll. Wir glauben, daß damit das Prinzip des Eigentums hier stärker zum Durchbruch kommt. Der Herr Bundesminister für Vertriebene, Kriegssachgeschädigte und Flüchtlinge hat bereits darauf hingewiesen, und ich danke ihm besonders herzlich dafür.
Aber auch die Verlegung des Stichtages muß ein besonderes Anliegen des ganzen Hauses sein. Sie alle wissen - ich will darauf nicht näher eingehen-, welche Ungerechtigkeiten die Bestimmung über den Stichtag, die gegenwärtig schematisch ohne Rücksicht auf das Schicksal des einzelnen angewandt wird, mit sich bringt.
Es scheint uns auch dringend notwendig zu sein, eine Uberprüfung der bisherigen Stellungnahme vorzunehmen, um eine Entlastung der Geschädigten, die vor 1948 wiederaufgebaut haben und nunmehr abgabepflichtig sind, herbeizuführen. Ich möchte Ihnen nur das Beispiel eines Karlsruher Betriebes bringen, dessen Gebäude gegen Ende des Krieges zu 85 % beschädigt und dessen Betriebseinrichtung ebenfalls in weitem Maße zerstört wurden. Man hatte dort z. B. aus zehn beschädigten Drehbänken nach vielen Mühen drei wieder zusammensetzen können. Man hat also Einzelteile der beschädigten Drehbänke genommen, um darauf wieder drei Drehbänke fertigzustellen. Man hat alles versucht, um die Produktion wieder notdürftig in Gang zu bringen und mußte nachher feststellen, daß der Betrieb durch das Abschreiben seiner Einrichtung vor dem Krieg im Gegensatz zur DM-Eröffnungsbilanz - obwohl er ganz erheblich, über 60 %, beschädigt war - im Jahre 1948 einen höheren Einheitswert hatte als der völlig ungeschädigte Betrieb im Jahre 1939. Nun muß dieser Betrieb Lastenausgleichsabgabe zahlen, obwohl augenfällig ist, daß hier ganz erhebliche Schäden eingetreten und noch festzustellen sind.
Auf den Vergleich mit Hilfe des Einheitswertes wird kaum verzichtet werden können; denn man muß sich an irgendwelche festen Größen halten. Aber hier sollten wir doch nicht glauben, daß nur der, der mit Butter unid Speck vor 1948 aufgebaut hat, allein aufgebaut hat. Mancher hat mit viel Fleiß Backsteine und Holz aus Trümmern geborgen und damit gebaut. Es gibt eben wesentlich andere Fälle, die jetzt zur Lastenausgleichsabgabe herangezogen werden, obwohl ganz erhebliche Schäden nachgewiesen werden können. Man bestraft nämlich damit die eigene Initiative, und davor sollten wir uns hüten.
Von der Hausratentschädigung ist bereits gesprochen worden. Ich glaube, daß auch da eine Verbesserung im Hinblick auf den kostbareren Hausrat ermöglicht werden muß. Es ist nicht zu verstehen - der Kollege von der SPD hat vorhin darauf hingewiesen -, daß es erhebliche Ungleichheiten bei der Hausratentschädigung gibt. Ich freue mich, daß die Kollegen nder SPD - Herr Kollege Zühlke, Sie haben es gesagt - jetzt auf dem Standpunkt stehen, daß die Schadenszeit mit entscheidend für die Hausratentschädigung sein muß. Ich darf Sie daran erinnern, daß die SPD diesen Standpunkt im Jahre 1952 sehr hart bekämpft hat; aber wir freuen uns, wenn sich auch auf diesem Gebiet die Einsicht eingestellt hat. Vielleicht hat auch das wohltuende Klima von Hannover irgendwie einen Einfluß darauf gehabt; immerhin erfreulich.
Vorhin wurde uns der Vorwurf gemacht, der FDP-Entwurf sei vielleicht auch im Hinblick auf die Wahl eingebracht worden. Man sagt so allgemein, die FDP habe ja doch wenig Verständnis für den Lastenausgleich gehabt. Das widerspricht den Tatsachen.
({8})
- Das haben Sie nicht im Augenblick gesagt, aber das ist so die Vorstellung, die man draußen gerne nährt. Meine Damen und Herren, dem ist keineswegs so. Wenn wir als Freie Demokraten uns insbesondere für die Freiheit einsetzen, dann meinen wir auch die Freiheit des Eigentums. Wenn aber das Eigentum durch staatlichen Eingriff oder staatliche Schuld beschädigt worden ist, dann gehört es auch zum Begriff der Verteidigung der Freiheit und des Eigentums, den Menschen eine gerechte Entschädigung für verlorenes Eigentum zu zahlen. Die liberale Partei war von jeher konsequent gegen eine entschädigungslose Enteignung. Sie hat sich in der Geschichte von jeher dagegen gewehrt. Es ist doch eine entschädigungslose Enteignung - wir können ihr nie zustimmen -, wenn dieser Personenkreis benachteiligt wird. Wenn man aus irgendwelchen Gründen - aus steuerlichen oder anderen Gründen - annehmen wollte, ,daß wir jemals gegen eine Entschädigung dieser Menschen seien, so ist diese Annahme grundfalsch. Im Gegenteil, es ist eine entschiedene Forderung von uns, und ich glaube, wir können darauf hinweisen, daß wir diese Zielsetzung im Hinblick auf 'den Lastenausgleich in der Vergangenheit stets verfolgt haben.
Zum Schluß möchte ich noch auf ein Thema eingehen, das man in Briefen und in Versammlungen immer wieder anklingen hört. Ich möchte es wegen seiner besonderen Wichtigkeit noch kurz behandeln. In Versammlungen und in vielen, sehr vielen Briefen wird darauf hingewiesen, die Bundesregierung, die Bundesrepublik habe Milliardenbeträge für die Entwicklungshilfe zur Verfügung gestellt; die gebe man, aber für die einheimischen Geschädigten, für die Vertriebenen und Flüchtlinge habe man kein Geld gehabt.
({9})
- Ihnen, den Geschädigten, habe man keine ausreichende Entschädigung gegeben! - Ich habe nur zitiert, das sind nicht meine Worte. - Wir Freien Demokraten bejahen die Entwicklungshilfe; sie ist notwendig, vielleicht für uns einmal lebensentscheidend im Kampf gegen die Ausweitung des Kommunismus. Sie ist eine sittliche Verpflichtung für uns, unid außerdem ist sie auch unter volkswirtschaft7840
lichen Gesichtspunkten wegen der Stabilisierung unserer Währung notwendig.
Aber wenn wir die Entwicklungshilfe auch im breiten Volk populär machen wollen - und das müssen wir tun -, dann sollten wir auch daran denken, daß der einfache Geschädigte nicht in der Lage ist, alle diese Fragen :so zu übersehen, wie wir sie übersehen können. Wir müssen auch in dieser Hinsicht etwas für die Geschädigten tun, weil sonst der Einwand nicht auszuräumen ist, wir wollten zwar andere Völker entwickeln, behaupteten aber, für 'die einheimischen Geschädigten nicht genügend Geld zu haben. Ich glaube, daß das ein sehr wichtiger Grund ist, auch in der jetzigen Situation, in der uns vier Gesetzentwürfe vorliegen, uns damit zu beschäftigen und ernsthaft zu versuchen, Ungerechtigkeiten ,aus dem Gesetz herauszubringen.
({10})
Ich erteile dem Herrn Abgeordneten Kraft zur Begründung des Entwurfs der CDU/CSU- Fraktion das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In dem Gesetzentwurf der CDU/CSU-Fraktion zur Änderung und Ergänzung des § 252 des Lastenausgleichsgesetzes ist ein Punkt, nämlich die Ziffer 5 der Regierungsvorlage, vorweggenommen. Sie ist wörtlich übernommen mit einer Änderung, nämlich mit ,der Änderung des Datums, zu dem die Ermächtigung in Kraft treten soll.
In der Regierungsvorlage handelt es sich um die Möglichkeit, Hauptentschädigungszahlungen auch durch Begründung von Sparguthaben zu leisten. Wir sind der Meinung, daß man sehr viel schneller, als in der Regierungsvorlage vorgesehen - dort steht der 1. Januar 1963 -, zu dieser Aktion kommen kann, weil inzwischen die Verhandlungen, die die Regierung und das Bundesausgleichsamt geführt haben, so weit gediehen sind, .daß keine Bedenken gegen die Vorverlegung dieses Termins bestehen.
Diese Vorverlegung des Datums ist der alleinige Grund für die Gesetzesinitiative meiner Fraktion. Der Gesetzesvorschlag will diese Frage nicht abschließend regeln. Das Nähere muß durch eine Rechtsverordnung bestimmt werden. Aber der Umstand, daß erst noch eine Rechtsverordnung abgewartet werden muß - sie wird, davon sind wir überzeugt, dannsehr schnell kommen können -, ist ein Grund mehr für die Beschleunigung, die wir vorschlagen.
Die Hauptentschädigung - das haben wir von allen meinen Vorrednern gehört - konnte erst in sehr geringem Umfang gezahlt werden. Der Herr Bundesminister für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte hat ,die Summe von 1,4 Milliarden DM - gegenüber den bisher geschätzten Ansprüchen, die weit über 20 bis 30 Milliarden DM liegen - genannt. Dieser geringe Fortschritt in der Auszahlung der Hauptentschädigung - darüber sind wir uns sicherlich alle einig - ist außerordentlich unbefriedigend, nachdem 16 Jahre oder, bei den Fliegergeschädigten, gar noch mehr seit Eintritt des Schadens vergangen sind. Deshalb dürfen wir von der CDU/CSU-Fraktion wohl überzeugt sein - das kann man auch aus dem, was wir soeben gehört haben, entnehmen -, daß alle Fraktionen dieses Hohen Hauses sich dem Versuch zur Beschleunigung der Auszahlung der Hauptentschädigung nicht entziehen werden. Die Einzelheiten werden im Ausschuß zu beraten sein. Aber ich erwähnte schon, daß die Verhandlungen mit den Sparkassen und Banken inzwischen weit gediehen sind. Der Herr Bundesminister für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte hat diesen Instituten den Dank 'für ihre Bereitschaft zur Vorfinanzierung bereits ,ausgesprochen. Ich darf auch namens meiner Fraktion mich diesem Druck anschließen und der Überzeugung Ausdruck geben, daß diese Aktion sowohl in der technischen Abwicklung als auch in der Sache selbst, d. h. der alsbaldigen wenigstens teilweisen Befriedigung einer großen Zahl von Anspruchsberechtigten, gute Ergebnisse haben wird. Auf ,das Bundesausgleichsamt und die vielgeplagten Landes- und Kreisausgleichsämter kommt eine neue große Arbeit zu. Wir sind aber überzeugt, daß diese Ämter alle Anstrengungen machen werden, die zur Durchführung dieser Aktion nötig sind.
Die Verantwortung für diese Aktion wird bei der Verwaltung liegen müssen. Erst auf Grund der von ihr ausgestellten Auszahlungsanweisungen für den Schadensbetrag oder Schadensteilbetrag kann das Institut - Sparkasse oder Bank - von dem Berechtigten auf die Hauptentschädigung in Anspruch genommen werden, nicht vorher. Die Partner der Geschädigten sind also weiterhin zunächst die Ausgleichsämter.
Ich darf bitten, meine Damen und Herren, der Überweisung dieser Vorlage an den Ausschuß zuzustimmen.
Darf ich, Herr Präsident, gleich die Aussprache eröffnen?
' Die Aussprache zu sämtlichen vier Anträgen ist verbunden. Bitte sehr, Herr Kollege Kraft!
Danke sehr, Herr Präsident!
Meine Vorredner haben bereits gesagt, daß die Vorlagen, die von der Regierung und den anderen beiden Parteien gemacht worden sind, darauf ausgehen, Unebenheiten und Verbesserungen, die sich aus der praktischen Anwendung des umfangreichen und daher auch sehr komplizierten Gesetzes ergeben, zu glätten, Unebenheiten, die ja häufig als Ungerechtigkeiten empfunden werden.
Aber in der diesmaligen Regierungsvorlage - wenn ich darüber zunächst sprechen darf - liegt mehr. Mit dem Fortschreiten der Schadensfeststellungen, die im übrigen noch lange nicht abgeschlossen sind, ist eine bessere Übersicht über die den Fonds belastenden Gesamtforderungen möglich, als es vorher war. Erhebliche Reserven zeichnen sich ab. Über diese soll, wie auch die Regierung uns
hier erklärt hat, verfügt werden. Dazu bieten die Vorlagen die Grundlage für die Beratung.
Für meine Fraktion darf ich aber erklären, daß wir das Hauptgewicht auf eine Anhebung der Hauptentschädigung gelegt zu sehen wünschen. Wir übersehen nicht andere Wünsche für die 13. Novelle. Sie sollen soweit wie nötig und möglich berücksichtigt werden. Aber wir betonen, daß wir diesmal den Schwerpunkt auf die Hauptentschädigung, also die Entschädigung derjenigen legen, die wirkliche Vermögensverluste erlitten haben, also auf die Anhebung der Grundbeträge, die in § 246 des Gesetzes aufgeführt sind.
Ein Beispiel nicht nur für die Berechtigung dieser Forderung, sondern geradezu für ihre Notwendigkeit ergibt die Tabelle des § 246, die ich hier keineswegs vortragen will. Darin sind 58 Schadensgruppen vorgesehen. Ich nehme einmal die mittlere Schadensgruppe, die Schadensgruppe 29. Bei einem Einheitswert von 120 000 DM war bisher eine Entschädigung von 19 600 DM vorgesehen. Die Schadensfeststellung bezieht sich jedoch auf den Einheitswert. Der wirkliche Wert war - und wäre heute - erheblich höher; häufig war er um ein Vielfaches höher.
Die Präambel zum Lastenausgleichsgesetz vom 14. August 1952 besagt, daß dieses Gesetz von Bundestag und Bundesrat beschlossen wurde „in Anerkennung des Anspruchs der durch den Krieg und seine Folgen besonders betroffenen Bevölkerungsteile auf einen die Grundsätze der sozialen Gerechtigkeit und die volkswirtschaftlichen Möglichkeiten berücksichtigenden Ausgleich von Lasten und auf die zur Eingliederung der Geschädigten notwendige Hilfe". Wir haben soeben aus dem Munde des Regierungsvertreters gehört, daß die Pflicht, die sich aus solchen Erwägungen ergibt, ihre Grenzen nicht in persönlicher Opferscheu, sondern in der Belastbarkeit der Volkswirtschaft, der Verteidigung der Freiheit und der Erhaltung der Funktionsfähigkeit des individuellen Eigentums finden muß. Diese Erklärungen wie auch die ausdrückliche Versicherung des Sprechers der Bundesregierung, daß die Bundesregierung nicht starr an ihrer Vorlage kleben, sondern auch andere Vorschläge auf ihre Realisierbarkeit prüfen wolle, gibt uns die Gewißheit, daß die Bundesregierung in Zusammenarbeit mit dem Parlament eine optimale Lösung zugunsten der Geschädigten anstrebt.
Es ist nicht meine Aufgabe, hier die Regierungserklärung in weiten Teilen zu zitieren. Ich darf aber doch einige Dinge herausheben. Wir sind der Meinung, daß man neben der Sorge um die Kriegssachgeschädigten und Vertriebenen das große Problem der Sowjetzonenflüchtlinge nicht übersehen darf. Die Sowjetzonenflüchtlinge mit C-Ausweis sollen nach unserer Auffassung in den sozialen Ansprüchen den Vertriebenen und Kriegssachgeschädigten gleichgestellt werden. Unter sozialem Anspruch verstehen wir in diesem Zusammenhang auch den Anspruch auf Hausratshilfe. Wir begrüßen es auch, daß die Bundesregierung Vorschläge für eine Möbelhilfe für Zonenflüchtlinge ohne C-Ausweis bringt. Auch ich finde, wie Frau Kollegin Korspeter, das
Wort „Möbelhilfe" nicht sehr schön; aber es geht um die Sache, nicht um die Bezeichnung.
Die Altersversorgung Selbständiger ist eine weitere große Aufgabe. Der Bundestag hat seinerzeit dankenswerterweise der Regierungsvorlage eines Fremdrentengesetzes zugestimmt. Dadurch wurde eine faire Lösung für die Arbeiter und Angestellten aus den außerdeutschen Vertreibungsgebieten gefunden. Nun warten die ehemals Selbständigen ungeduldig auf eine angemessene Regelung auch für sie. Wir sind uns der Aufgabe, die sich uns da stellt, bewußt.
Bezüglich der verschiedentlich erwähnten Beschleunigung der Auszahlung der Hauptentschädigung gilt das Wort: Doppelt gibt, wer bald gibt. Deshalb darf die Bundesregierung unserer Unterstützung ihrer Bemühung um eine erhebliche Verkürzung der Auszahlungsfristen gewiß sein.
Lassen Sie mich nun zu den beiden anderen Vorlagen, die hier begründet worden sind, noch ein paar Sätze sagen.
Ich möchte meinen Vorrednern dafür danken, daß sie hervorgehoben haben, die Einzelheiten müßten im Ausschuß ausführlich besprochen werden, hier sei nicht der Platz dafür. Ich danke ihnen auch dafür, daß sie, wie ich aus der Art ihres Vortrages entnommen habe - ich glaube mich da nicht zu täuschen -, bereit und entschlossen sind, sich in den Ausschußberatungen dieses ernsten Problems in aller gebotenen Sachlichkeit anzunehmen.
Ich sage nochmals auch, Herr Kollege Zühlke, ein Ja zu Ihren Wünschen auf Beschleunigung der Abwicklung.
Ich sage für die Fraktion auch ein grundsätzliches Ja zum Beginn einer Zinszahlung. Wir vertreten die Auffassung, die Zinszahlung für die Ansprüche soll so schnell als möglichaufgenommen werden. Aber diese Formulienung besagt auch, daß wir uns von Maßnahmen freihalten sollten, die die Abwicklung der Hauptentschädigung zunächst einmal blockieren und eine wesentliche Verwaltungsvereinfachung, die in einer Vorwegabwicklung der Kleinstschäden liegen würde, verhindern würden.
Meine Damen unid Herren, auch ich darf sagen, daß die Verbesserungen, von denen in den früheren Novellen und auch bei den jetzigen Vorlagen die Rede ist, nicht auf einer wesentlichen Erhöhung der Einnahmen des Fonds beruht zu haben. Wir waren auf die einmal auf den Stichtag vom 20. Juni 1948 fixierte Vermögensabgabe nach dem Einheitswert festgenagelt. Es wind zu prüfen sein, ob das unbedingt so bleiben muß. Aber hier ist nicht der Ort dafür. .
Herr Kollege Zühlke von der sozialdemokratischen Fraktion hat diesen Punkt durch Erwähnung des § 6 erwähnt. Ich darf für meine politischen Freunde sagen, daß wir für die Auffassung, die von der Sozialdemokratischen Partei jetzt vertreten wird, dankbar sind. Denn bisher hatten wir nicht den Eindruck, daß das ihre Auffassung sei. Ich will mich jeder Polemik enthalten, nur daraufhinweisen, daß bis zum vorigen Jahre bei ihr Bemühungen im
Gange waren, die Beteiligung der Länder an den Leistungen für den Ausgleichsfonds abzuschaffen oder wesentlicheinzuschränken.
Ein Wort gestatten Sie mir noch zu der Vorlage der sozialdemokratischen Fraktion, die dafür eintritt, die Mindestentschädigung - nicht nach dem wirklichen, sondern nach idem Einheitswert - auf 6,511/4 zu sichern. Sie war bisher geringer. Meine Damen und Herren, über diese Erklärung der Sozialdemokratischen Partei freue ich mich aufrichtig;
({0})
ich bedaure nur, daß Sie nicht schon vor drei Jahren dieser Auffassung waren,
({1})
als ich ausweislich des Protokolls der Sitzung vom 4. April 1957 genau wie mein Kollege Baron Manteuffel hier an dieser Stelle gestanden habe, um für diese Regelung zu plädieren, der Sie sich in der Abstimmung leider versagt haben. Also vielen Dank! Wir kommen hier in der Zusammenarbeit ein Stück weiter. Ich glaube, daß damit die Voraussetzungen für eine gedeihliche Zusammenarbeit im Ausschuß vorliegen.
Darf ich in dieseln Zusammenhang gleich den Antrag stellen, die Regierungsvorlage an den Ausschuß zu überweisen. Ich nehme an, daß die Kollegen und Kolleginnen damit einverstanden sind, daß ich auch für ihre Vorlagen die Uberweisung an den .Ausschuß empfehle.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Rehs.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist nicht das erste Mal, daß die Probleme der 13 Millionen Heimatvertriebenen und Flüchtlinge in letzter Minute, bevor der Bundestag in Ferien geht, gewissermaßen als Schlußlicht und praktisch schon auf dem Bahnsteig, erörtert werden. So müssen sie, auch weil die Legislaturperiode bereits so weit vorgeschritten ist, heute erörtert werden.
Meine Frage ist, wie lange die Vertriebenenkollegen der CDU/CSU sich diese Handhabung gefallen lassen wollen. Die CDU/CSU hat es dank ihrer Mehrheit in der Hand, die Dinge anders zu arrangieren, und sie macht ja überall dort, wo es ihr notwendig erscheint, von dieser Möglichkeit durchaus nicht zimperlich Gebrauch.
Darüber hinaus bin ich der Auffassung, daß der Ältestenrat seinen Standpunkt hinsichtlich der politischen Gewichte sowie hinsichtlich der zeitlichen Dispositionen einmal überprüfen sollte. Es handelt sich schließlich bei dem Gesetz, das jetzt beraten werden soll, nicht nur um eine finanzielle, sondern auch um eine soziale und politische Größenordnung ersten Ranges. In der ersten Lesung werden ja die Positionen abgesteckt und wird der Kompaß für die Beratungen gestellt. Hunderttausende der Betroffenen werden in den nächsten Tagen in den Zeitungen nachlesen und sehr genau prüfen, wieweit sie nach der heutigen Diskussion Hoffnungen haben können und wieweit sie abermals mit Enttäuschungen rechnen müssen.
({0})
Deshalb ist es notwendig, daß ich gegenüber der Begründung der Regierungsvorlage und auch gegenüber den Ausführungen des Herrn Kollegen Kraft von der CDU/CSU-Fraktion, die durchaus noch manche Hoffnung offenlassen - wir werden in den Beratungen daran erinnern -, einiges mit allem Nachdruck feststelle.
Herr Bundesminister Dr. von Merkatz wir haben Ihre Ausführungen nicht nur mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. Sie haben viele gute Worte gefunden. Ihre Rede war wohlgesetzt, und sie enthielt auch einige interessante Ankündigungen darüber, daß Vorschläge zur Vorfinanzierung noch während der Beratungen gemacht werden sollen. Nebenbei eine Frage: warum konnte das nicht früher erarbeitet und uns auf den Tisch gelegt werden, warum muß das in die allerletzte Spanne der Legislaturperiode hineingedrängt werden? Wir haben uns Ihre Ausführungen darüber, daß dieses Gesetz ein Stück Existenzsicherung, auch in der Auseinandersetzung nach dem Osten hin, darstellt, sehr genau angehört. Sehr gute Worte! Aber das Kernproblem des Bundesvertriebenenministeriums sind nicht die guten und schönen Worte und Gedanken, sondern sind der Wille und die Energie, sie auch durchzusetzen,
({1})
sind Härte und Standhaftigkeit nicht nur innerhalb des Kabinetts und gegenüber den anderen Ministerien, sondern eben auch gegen eine ganze Anzahl von Interessentenwünschen.
({2})
In dieser Hinsicht, sehr geehrter Herr Minister, ist eine ganze Menge nachzuholen. All die Versäumnisse der vergangenen Jahre sind aufzuholen. Nebenbei: Wo wären wir überhaupt in diesen Fragen, wenn die Opposition nicht immer wieder die CDU unter Druck gesetzt hätte, die Konsequenzen zu überdenken, und wenn wir uns nicht immer wieder bemüht hätten, wenigstens dem Vertriebenenministerium das Mindestmaß an Rückensteifung zu geben, das nötig ist, um das bisher Erreichte durchzusetzen?
Ihre Ausführungen zur Frage der Möbelhilfe, Herr Minister, haben - um das vorwegzunehmen - mit Ihren guten Worten und auch mit der Bewegung, mit der Sie gesprochen haben, nicht in Einklang gestanden. Nach unserem Dafürhalten verdient die bisher vorgelegte Regelung alles andere als die Bezeichnung großzügig". Sie ist genau das, was Sie selber in Ihren Ausführungen abgelehnt haben, sie ist wiederum nur eine halbfürsorgerische, karitative Angelegenheit. Das rechtliche Fundament, das wir mit unserem Antrag erstreben, fehlt letzten Endes.
Ihre ganze Vorlage ist - ich muß das sagen - ein erneuter Beweis dafür, daß die Bundesregierung
immer dann, wenn es um die Ausgleichung des menschlichen und sozialen Defizits des Krieges und seiner Folgen geht, einen krummen Rücken bekommt. In der doch eindeutigen, beinahe penetrant wirkenden Situation, in der wir aus mancherlei Gründen gezwungen sind, Milliardenbeträge in andere Länder und Kontinente zu geben - kein Wort gegen die Wichtigkeit und Richtigkeit dieser Maßnahmen angesichts der einmal eingetretenen Lage, aber man kann auch nicht die Optik für die Betroffenen übersehen, die zum Teil seit 10 oder 15 Jahren auf die Leistungen warten, die ihnen versprochen worden sind -, in einer solchen Situation wird von der Bundesregierung zur finanziellen Seite des Gesetzentwurfs eine buchhalterische Rechnung, eine Krämerrechnung aufgemacht, die den regelmäßigen, zum Teil bewußten finanziellen Fehlschätzungen in der Ära des Finanzministers Schäffer alle Ehre macht. Ich habe es sehr bedauert, Herr Bundesminister, daß Sie in dieser Richtung nicht klarer gesprochen haben und Ihre Ausführungen kaum zu Hoffnungen Anlaß geben, wenn ich auch die Darlegungen des Herrn Kollegen Kraft sehr positiv aufgenommen habe.
Die Rechnung, die die Bundesregierung hierzu bei der Begründung des Gesetzentwurfs aufgemacht hat, nimmt ihr draußen niemand ab.
({3})
Dazu haben die Betroffenen in diesen Fragen mit den Sachverständigen der Regierung und ihren Schätzungen vielzu eingehende und bittere Erfahrungen ,gemacht.
({4})
Der Herr Kollege Zühlke hat bereits darauf hingewiesen, was der Minister Hemsath im Bundesrat hierzu gesagt hat: Anläßlich der achten Novelle ist geschätzt worden, daß der Lastenausgleich eine Finanzierungslücke von 5,5 Milliarden DM haben würde. Vier Jahre danach ist errechnet worden, daß diese Finanzierungslücke überhaupt nicht besteht.
({5})
Im Gegenteil, aus der Regierungsvorlage ergibt sich, daß nach der jetzigen Rechnung die Fondseinnahmen die Ausgaben im rund 5 Milliarden DM übersteigen.
({6})
In dem „Fachberater" vom Oktober 1960 wird hierzu von dean zuständigen Abteilungsleiter im Ministerium ausgeführt:
Der Bilanzüberschuß von 4,9 Milliarden DM ist zunächst überraschend angesichts der Tatsache, daß das Bundesausgleichsamt noch vor kurzem in seiner Broschüre „Zehn Jahre Lastenausgleich" einen Bilanzfehlbetrag von 2,4 Milliarden berechnet hat, ...
({7}) Ein Unterschied also von 7,3 Milliarden!
Wir haben es also erlebt, daß die Schätzungen, die uns anläßlich der achten Novelle vorgelegt worden sind, um rund 10 Milliarden DM überhöht waren. Ich glaube, bei allem Wohlwollen und bei aller Anerkennung, daß Schätzungen eben nur Schätzungen sind, doch sagen zu können: Das, was man sich damit geleistet hat, verdient den Namen „Schätzung" nicht mehr. Wer einmal so schätzt, dem glaubt man nicht mehr.
({8})
Natürlich verlangt niemand, weder von den Betroffenen noch von meinen Partei- und Fraktionsfreunden, daß Sie so optimistisch kalkulieren wie Minister Erhard mit den Preisen. Aber hier wäre wirklich der und zwar einzig richtige Platz für das Wort ihres Parteichefs: Seien Sie nicht so pingelig! Und ich möchte hinzufügen: Kalkulieren Sie bei diesen Dingen auch einmal etwas mit dem Herzen!
Ich will es mir ersparen, noch einmal auf die Einzelheiten einzugehen. Ich möchte nur besonders herausheben und akzentuieren - damit hier keinerlei Mißverständnisse bestehen -: Es wird von den Geschädigten als einer der Hauptmängel des Gesetzes angesehen, daß als Stichtag für die Vermögensabgabe ein Termin vor der Währungsreform festgelegt wurde. Dadurch wurden die seit 1948 eingetretenen wesentlichen Wertsteigerungen bei allen Vermögenswerten durch die Vermögensabgabe nicht erfaßt. Hierdurch entgehen dem Einkommen des Lastenausgleichs zweifellos Milliarden. Die Kluft zwischen der seinerzeitigen Ausgangsbasis und dem heutigen wirtschaftlichen Status auf der Abgabenseite ist so groß geworden, daß die finanziellen Maßstäbe der Regierungsvorlage gerade auch unter diesem Gesichtspunkt von den Betroffenen nur als kränkend empfunden werden können, und ich teile diese Auffassung.
Zur Methode dieser Gesetzgebung! Wir stehen jetzt bei der Dreizehnten Novelle. Von notwendigen Korrekturen auf Grund der Erfahrungen abgesehen haben wir eine so umfangreiche und wiederholte Novellierung zu einem großen Teil deshalb vornehmen müssen, weil Sie ({9}) sich eben immer nicht zu den wirklich notwendigen Entscheidungen bereit fanden. Ich habe schon bei der Elften Novelle von der unheilvollen Praxis der Gesetzgebung in Raten gesprochen, also von der umgekehrten „Salami-Taktik", die man hier anwendet, indem man nämlich Stück für Stück anfügt.
({10})
- Natürlich, Herr Kollege Schutz! - Diese Praxis stellt nicht nur die Verwaltung vor große, unlösbare Aufgaben - die Lösung der Aufgaben wird immer komplizierter, teurer und unwirtschaftlicher -, sie führt auch in der Bevölkerung zu einer zunehmenden Verbitterung und Unruhe. Deshalb ist es erforderlich, daß bei der Lösung der Kernprobleme, die bei dieser Novelle anstehen - bei der Frage des Stichtages der Höhe der Hauptentschädigung und der Altersversorgung der ehemals Selbständigen -, also bei der Lösung derjenigen Probleme, die zu dieser großen Unruhe bei den Betroffenen geführt haben, ganze Arbeit geleistet wird.
Hier muß eine Arbeit geleistet werden, die nicht wiederum nur für eine Legislaturperiode Bestand hat, sondern die auch für die Zukunft reicht. Das möchte ich hier noch einmal mit allem Nachdruck sagen.
Es ist mir unbegreiflich, warum ein späterer Zeitpunkt der Aufenthaltsnahme in der Bundesrepublik irgendeinen Einfluß auf die Entschädigungsfähigkeit eines Vertreibungsschadens ausüben soll. Die Vertriebenen aus der Zone haben ihre Heimat und ihren Besitz wie alle anderen Vertriebenen verloren. Der Schicksalsschlag, der sie noch einmal getroffen und sie auch um ihre neuerworbenen Güter gebracht hat, kann und darf sie deshalb nicht die Entschädigung ihres Vertreibungsschadens kosten.
Dais Argument, die Vertriebenen aus der Zone könnten deshalb nicht 'in den Lastenausgleich einbezogen werden, weil man sie gegenüber den anderen Flüchtlingen nicht bevorrechtigen dürfe, geht völlig an der Sache vorbei. Hinsichtlich der Schäden, die durch die Flucht aus der Zone entstanden sind, sind gewiß alle Flüchtlinge gleich. Um diese Schäden geht es aber nicht. Es geht einzig und allein und die bei der Vertreibung entstandenen Verluste. Es ist selbstverständlich, daß Vertreibungsverluste nur dem entschädigt werden können, bei dem sie entstanden sind. Es liegt also kein gleicher Tatbestand vor. Infolgedessen kann es auch insoweit keine Bevorzugung geben.
Vor allem: finanzielle Überlegungen dürfen bei der Lösung dieses Problems keine Rolle spielen. Es ist gerade die Aufgabe des Gesetzgebers, die vorhandenen Mittel nach dem Gesichtspunkt sozialer Rechtsstaatlichkeit so zu verteilen, daß jedem, bei dem der gleiche Tatbestand erfüllt ist, die gleichen Leistungen zuteil werden. Es handelt sich nur darum, Herr Minister von Merkatz, daß das, was Sie Ihrerseits auch als Prinzip herausgestellt haben, nun auch wirklich konsequent und gewissenhaft 'in die Praxis umgesetzt wird.
Lassen Sie mich noch etwas zur Hauptentschädigung sagen. Der Maßstab bei der Schadensfeststellung ist der Einheitswert, also ein Steuerwert, der weit unter dem wirklichen Verkehrswert liegt. Hinsichtlich der Entschädigungsätze auch für größere Vermögen sollte sich endlich die Erkenntnis durchsetzen, daß Grund-, Landwirtschafts- und Betriebsvermögen nicht schlechter entschädigt werden dürfen als Geldvermögen bei der Währungsreform. Es geht infolgedessen bei der Neugestaltung der Hauptentschädigung nicht nur darum, Korrekturen anzubringen. Es ist notwendig, daß der in der Zwischenzeit eingetretene Geldwertverfall ausgeglichen wird. Seit der Schaffung des Lastenausgleichsgesetzes hat die Deutsche Mark etwa 20 % ihres Wertes verloren. In diesem Ausmaß sollte also die Entschädigung, ob klein oder groß, heraufgesetzt werden.
Ein letztes Wort zu dem dritten entscheidenden Problem, dem Problem der Altersversorgung. Hier ist bisher bedauerlicherweise noch kein anderer Weg gefunden worden. Alle unsere Mahnungen an die Bundesregierung und auch an die große Regierungspartei und all unser Drängen haben noch zu keiner konstruktiven Überlegung geführt. Es bleibt infolgedessen nichts anderes übrig, als bei dieser Novelle den Versuch zumindest einer Teillösung über den Lastenausgleich zu machen. Es ist einer Kulturnation unwürdig, Alte und Erwerbsunfähige, die ein Arbeitsleben hinter sich haben, die aber eine grausame Entwicklung um ihr Vermögen und ihre Existenzbasis gebracht hat, der Fürsorge zuzuweisen. Deshalb muß durch den Lastenausgleich dafür gesorgt werden, daß jeder ehemals Selbständige etwas erhält, und daß der Betrag, den er erhält, ausreichend ist. Die Alten verfolgen auch diese heutige Diskussion und die Position, die hier abgesteckt wird, mit ganz besonderer Sorge; denn sie stehen vor der Angst um die Sicherung ihres Lebens, um die Sicherung der letzten Jahre und Tage ihres Lebens. Der Gesetzgeber isollte ihnen diese Sorge endlich nehmen; er sollte die mit den Jahrgängen zusammenhängende Problematik, soweit sie zu diesem Gesetz gehört, lösen und eine Regelung treffen, die den Alten die Gewißheit gibt, daß sie nicht der Fürsorge anheimfallen.
Herr Kollege Kraft, ich will zu den Ausführungen über § 252 nichts sagen; ich will nur fragen, warum nicht früher derartige Schritte unternommen worden sind. In dem Gesetz war der Bundesregierung durchaus die Möglichkeit gegeben, das Problem auf dem Wege der Rechstverordnung anzupacken. Ich meine, daß es nicht so sehr darauf ankommt, eine neue rechtliche oder gesetzgeberische Lösung zu finden, als vielmehr darauf, daß die Bundesregierung den Mut hat, das zu tun, was sie auf dem Wege über eine Verwaltungsbestimmung schon längst hätte praktizieren können.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, hier ist darauf hingewiesen worden, welche Bedeutung die Regelung dieses gesamten Komplexes auch in unserem Verhältnis zur Zone hat. Die Bundesrepublik hat die Kriegsfolgelasten übernommen, nicht um Vertrauen zu werben, sondern weil wir uns für die Folgen des Krieges verantwortlich fühlen. Dieser Grundsatz unterscheidet uns ganz wesentlich von der Zone, die eine Wiedergutmachung und einen Lastenausgleich nicht kennt. Wir sollten die Entscheidungen, die bei den Beratungen in den kommenden Wochen und Monaten getroffen werden müssen, 'daher auch unter diesen - politischen - Gesichtspunkten sehen.
Ein letztes, meine Damen und Herren! Wir sollten nicht warten, bis uns die Reaktion auf die Enttäuschungen über eine erneute unzulängliche Novelle zum Lastenausgleichsgesetz die Entscheidungen aufzwingt. Wir sollten daher im Rahmen dieser Novelle das tun, was die Zeit, die soziale Verantwortung und die Gerechtigkeit auch diesen Menschen gegenüber von uns allen fordern.
({11})
Das Wort hat der Abgeordnete Mischnick.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Daß wir heute zur Mittagstunde über dieses Thema sprechen müssen,
ist nicht, wie Sie sagen, Herr Rehs, die einhellige Schuld des Ältestenrats. Es sind einige Bemühungen im Gange gewesen, den Mittwoch voll für die Plenarsitzung zur Verfügung zu halten und am Mittwoch darüber zu diskutieren. Aber leider kam es nicht dazu. Ich sage das nur deshalb, um den falschen Eindruck zu vermeiden, als sei kein Verständnis für die Fragen der Vertriebenen und Flüchtlinge bei den Besprechungen im Ältestenrat vorhanden gewesen. Die Debatte über die Gemeindefinanzen war eben doch noch länger, als vermutet wurde. und wir mußten auf den heutigen Tag ausweichen. Nichtsdestoweniger bedauere ich, daß diese Fragen wieder einmal vor einem verhältnismäßig kleinen Kreis - dafür aber um so interessierterer Kollegen - hier behandelt werden.
Die Vorlagen zur 13. Novelle werden von uns Freien Demokraten nicht zuletzt unter dem Gesichtspunkt gesehen: Inwieweit ist es möglich, mit diesen Vorlagen wenigstens in einigen Punkten des Lastenausgleichs doch zu einem gewissen Abschluß zu kommen? Ich sage ausdrücklich „gewissen Abschluß", weil wir uns natürlich bewußt sind, daß es eine Reihe von Fragen geben wird, insbesondere diejenigen, die die Sowjetzonenflüchtlinge betreffen, die infolge der Entwicklung immer wieder überprüft werden müssen. Wir sollten uns aber bemühen, bei den Beratungen Lösungen zu finden, die für das eine oder andere Gebiet endgültig sind.
Das ist für uns ein Grund, die Frage der Hausratentschädigung sehr ernsthaft zu überprüfen. Denn auf die Dauer kann es doch wohl - und ich hoffe auf Einverständnis aller Kollegen aus diesem Hause - nicht richtig sein, daß sämtliche Akten immer wieder um einer Aufstockung von 100 oder 200 DM willen neu bearteitet werden müssen und damit die anderen Arbeiten - Feststellung, Hauptentschädigungsauszahlung - verzögert werden. Deshalb unser Wunsch, bei dieser Beratung möglichst zu endgültigen Entscheidungen auf gewissen Teilgebieten zu kommen.
In diesem Zusammenhang eine weitere Überlegung. Obwohl es gesetzlich im einzelnen vielleicht nicht zu regeln ist, sollten wir uns bemühen, gemeinsam noch mehr darauf hinzuwirken, daß unsere Gemeinden und die Länder in den Feststellungsverfahren zügiger vorankommen, damit wir auch hier den endgültigen Überblick haben und die Berechnungen, die auch heute noch bis zu einem gewissen Grade auf Vermutungen beruhen, etwas fester fassen und somit die Gesamtzahlen besser überblicken können.
Ein weiterer Gesichtspunkt. Die hier gemachten Vorschläge, die Zinszahlungen möglichst bald abzuwickeln, begrüßen wir. Wir wären allerdings dankbar, wenn man sie nicht erst 1963, sondern möglichst schon im nächsten Haushaltsjahr beginnen ließe.
({0})
Denn das würde doch eine wesentliche Verbesserung und Erleichterung bedeuten, um im Verkehr mit diesem, ich möchte einmal sagen, besonderen Wertpapier - der Feststellungsbescheid ist für den
Heimatvertriebenen ja eine Art Wertpapier - arbeiten zu können.
Es wären noch eine Reihe von Gesichtspunkten, die hier in der Diskussion zu den einzelnen Paragraphen genannt worden sind, zu behandeln. Ich will das nicht im einzelnen tun. Wir werden im Ausschuß genügend Gelegenheit haben, darüber zu sprechen.
Aber zur Frage der rechtlichen Gleichstellung der Sowjetzonenflüchtlinge mit den Vertriebenen muß noch etwas gesagt werden. Die FDP-Fraktion hat vor einiger Zeit in der Kleinen Anfrage Drucksache 2123 die Bundesregierung um Auskunft ersucht, wie sie sich zu dem Rechtsgutachten stelle, das Herr Professor Weber angefertigt hat, und ob sie bereit sei, die grundsätzliche Gleichstellung anzuerkennen. In der Antwort wurde darauf hingewiesen, daß bei den Sowjetzonenflüchtlingen nur unerhebliche Abweichungen vorhanden seien und daß sie Unterhaltshilfe usw. in der gleichen Art und Höhe erhielten wie die Heimatvertriebenen. Das erscheint auf den ersten Blick durchaus bestechend. In der Praxis ist es aber anders. Schon die Tatsache, daß ein Sowjetzonenflüchtling bei der Beantragung eines Kredits nicht in der Lage ist, als Sicherheit einen Entschädigungsanspruch vorzuweisen, bedeutet für ihn eine Erschwerung bei der Kreditbewilligung. Wir müssen überlegen, inwieweit wir die Darlehnsgewährung erleichtern können, zumal diese Fälle bei den Sowjetzonenflüchtlingen immer wieder auftreten, während sie bei den Heimatvertriebenen seltener werden.
Ferner das Problem der Stichtagel Bin Bekannter von mir hat das nette Wort gebraucht, wir als Gesetzgeber hätten ihn 'dazu verurteilt, lebenslänglich 63 Jahre alt zu bleiben; er sei ein lebenslänglicher 63er ,geworden. Die Stichtage, 'die wir in dem Gesetz vorgesehen haben, führen ja nun einmal dazu, daß bestimmte Personengruppen, auch wenn sie 66, 67, 68 Jahre alt geworden sind, nicht 'in den Genuß der Unterhaltshilfe kommen. Denn wir haben die Stichtage nicht von Jahr zu Jahr festgelegt, sondern in gewissen Abständen. Wir müssen hier zu einer endgültigen Lösung kommen, damit die früher Selbständgen, Isofern sie durch C-Ausweis usw. überhaupt berechtigt sind, nicht 2, 3, 4 Jahre von den Unterhaltshilfeleistungen ausgeschlossen sind.
Ein weiterer Gesichtspunkt,' der meiner Auffassung nach von uns sehr ernst geprüft werden muß: Können wir für die Heimatvertriebenen, die gleichzeitig Sowjetzonenflüchtlinge sind, überhaupt einen Stichtagbeibehalten? Sollten wir uns nicht entschließen, hier die Tür, wie man so schön sagt, völlig aufzumachen.? Ich bin mir bewußt, welche Problematik in dieser Überlegung steckt. Aber auf der anderen Seite - darauf hat Herr Kollege Rehs schon hingewiesen - sollte man den Mut dazu haben, hier eine endgültige Lösung zu finden, damit wir nicht von Jahr zu Jahr oder alle drei Jahre mit den Stichtagen nachziehen müssen, um zu erreichen, daß die Heimatvertriebenen, die die alte und dann die neue Heimat verlassen mußten, praktisch nicht schlechter gestellt werden als diejenigen, die als Spätaussiedler erst jetzt kommen.
Das Problem. der Anerkennung eines Entschädigungsanspruchs für Sowjetzonenflüchtlinge ist eine Frage für sich. Es wird einmal über diese Dinge gesprochen werden müssen. Wir Freien Demokraten sind allerdings der Überzeugung, daß es zur Zeit falsch wäre, Lastenausgleichsansprüche generell für Sowjetzonenflüchtlinge vorzusehen, weil das zu politischen Konsequenzen führen könnte, die wir alle nicht haben wollen.
Nun zur Möbelhilfe! Ich glaube nicht, daß es gut ist, wenn wir diese Fragen hier im einzelnen behandeln, weil die entsprechenden Anträge, die bereits in einem Unterausschuß des Gesamtdeutschen Ausschusses behandelt wenden, auch im Heimatvertriebenenausschuß beraten werden. Wir haben ja dort Gelegenheit, von den Fraktionen aus die Vorstellungen der Regierung so umzuändern, daß sie unseren, wie ich hoffe, gemeinsamen, Auffassungen entsprechen. Richtig ist, daß wir uns bemühen anässen,
({1})
- auch mit den Ländern einig zu werden, das ist sehr richtig, Herr Kollege Kuntscher. Richtig ist, daß wir uns bemühen müssen, den Sowjetzonenflüchtlingen, denen wir hier mit Staatsmitteln zu eimer Wohnung verhelfen, auch die Möglichkeit zu geben, in diese Wohnung etwas hineinzustellen. Darüber sind wir uns alle einig. Ich hoffe, daß wir eine Lösung finden, nach der dort nicht das Fürsorgeprinzip eingeführt wird, das wir alle für den Vertriebenen, für den Flüchtling nicht für das Richtige, nicht für das Gegebene halten.
Zum Abschluß noch eine 'Bemerkung zu dem Zwischenruf, der vorhin während der Rede des Herrn Kollegen Rutschke kam, ob nämlich nicht auch Wahlüberlegungen im Spiele seien. Wenn ich daran denke, wie wedtgehend unsere Vorschlage zur 11. Novelle ischon waren und wie damals - ich darf es wiederhalen - gesagt wurde, es seien utopische Vorstellungen, muß ich heute sagen, daß diese ganze „Utopie" jetzt Regierungsvorlage geworden ist. Man sollte also nicht uns den Vorwurf machen, es seien Wahlüberlegungen dabei, zumal Sie, meine selhr verehrten Kollegen von der CDU, mit diesem Vorwurf Ihren Wiahlkampfleiter, Herrn Ministerpräsident von Hassel, wenn ich richtig orientiert bin,
treffen, der ja im Bundesrat sehr eindeutige Forderungen aufgestellt hat, die im Regierungsentwurf noch lange nicht berücksichtigt sind. Wenn wir uns alle auf den Standpunkt deis Herrn Ministerpräsidenten von Hassel stellten, dann würden wir, muß ich sagen, wirklich einen mutigen Schritt vorwärts tun. Ich würde mich freuen, wenn sich der Herr Wahlkampfleiter der CDU, Herr Ministerpräsident von Hassel, auch in diesem Hause bei der CDU-Fraktion durchsetzte.
({2})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache und damit die erste Beratung. Es ist Überweisung an den Ausschuß für Lastenausgleich - federführend - und an den Haushaltsausschuß - mitberatend - beantragt.
({0})
- Bitte, Herr Abgeordneter Kraft.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich stimme zwar namens meiner Fraktion dem Antrag auf Überweisung der drei Vorlagen unter Punkt 14. a), b), c) der Tagesordnung an den Haushaltsausschuß - mitberatend - zu, bitte aber, von der Überweisung der vierten Vorlage an den Haushaltsausschuß Abstand zu nehmen, weil dadurch finanzielle Probleme, die den Haushaltsausschuß berühren, nicht aufgeworfen werden.
Ohne Erinnerungen. Unser Beschluß ist also insoweit geändert, als die Vorlage unter Punkt 14d) der Tagesordnung nur an den Ausschuß für den Lastenausgleich überwiesen ist.
Ich rufe auf Punkt 1 unserer zusätzlichen Tagesordnung:
Zweite und Dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD, CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Güterkraftverkehrsgesetzes ({0}) ;
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen 123. Ausschuß) ({1})
({2}).
Das Wort hat der Berichterstatter, Herr Kollege Cramer!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann Ihnen eine kurze Begründung zu dem vorliegenden Gesetzentwurf nicht ersparen.
Durch den vorliegenden Gesetzentwurf Drucksache 2313 soll der § 84 Satz 3 des Güterkraftverkehrsgesetzes, der die obersten Landesverkehrsbehörden auf dem Gebiete der Entgelte für die Beförderung und für Nebenleistungen im Güternahverkehr für den Bereich ihres Landes zum Erlaß von Rechtsverordnungen ermächtigt, den Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland angepaßt werden. Es sollen daher in der genannten Vorschrift die Worte „oberste Landesverkehrsbehörde" durch das Wort „Landesregierung" ersetzt und die Landesregierung ermächtigt werden, ihre Befugnis auf eine oberste Landesbehörde weiter zu übertragen. Diese Änderung des § 84 Satz 3 des Güterkraftverkehrsgesetzes ist besonders dringend. Das Bundesverfassungsgericht hat in einem Beschluß vom 10. Mai 1960 - Bundesgesetzbl. I Seite 429 - festgestellt, daß es im Widerspruch zu Art. 80 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes steht, wenn ein Landesminister durch Bundesgesetz zum Erlaß von Rechtsverordnungen ermächtigt wird; ermächtigt werden kann nur die Landesregierung, diese allerdings mit der
Befugnis, die Ermächtigung weiter zu übertragen. Nach dieser Entscheidung sind sowohl die Ermächtigung der obersten Landesverkehrsbehörde in § 84 Satz 3 des Güterkraftverkehrsgesetzes als auch die auf Grund dieser Vorschrift erlassenen Rechtsverordnungen der Landesminister nichtig.
Von der Nichtigkeit sind insgesamt 32 Tarifverordnungen der jeweiligen Landesminister betroffen. Hiervon entfallen 17 Verordnungen auf die Regelung von Transportleistungen bei Großbauvorhaben der öffentlichen Hand, vorwiegend auf dem Gebiete des Straßenbaues, während die restlichen 15 Verordnungen die Beförderung bestimmter Gutarten regeln. 7 der letztgenannten Verordnungen sind in ihrer Geltungsdauer bis zum 31. Dezember 1960 befristet.
Wegen der Nichtigkeit der Ermächtigungsnorm in § 84 Satz 3 des Güterkraftverkehrsgesetzes kann jedoch weder die Weitergeltung der am 31. Dezember 1960 auslaufenden Verordnungen angeordnet noch können neue Rechtsverordnungen erlassen werden.
Die Ermächtigung in § 84 Satz 3 des Güterkraftverkehrsgesetzes muß daher unverzüglich den Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes 'angepaßt werden, um den Ländern den Erlaß rechtsgültiger Tarifverordnungen zu ermöglichen. Andernfalls wären schwerwiegende Störungen der Ordnung auf dem Tarifgebiet des Güternahverkehrs unvermeidbar.
Der Verkehrsauschuß hat sich mit dieser Gesetzesvorlage eingehend beschäftigt und empfiehlt Ihnen die unveränderte Annahme.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wortmeldungen zur Aussprache liegen nicht vor. Ich rufe auf Art. 1 bis 3, Einleitung und Überschrift. - Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich, das Handzeichen zu geben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? Einstimmige Annahme.
Ich schließe die zweite Beratung und eröffne die
dritte Beratung.
Wortmeldungen liegen nicht vor. Wer dein Gesetzentwurf in dritter Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprabel -Enthaltungen? - Einstimmige Annahme.
Ich rufe Punkt 2 der erweiterten Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes zur Neuordnung der Pensionskasse Deutscher Eisenbahnen und Straßenbahnen ({0}) .
Begründung und Aussprache wird nicht gewünscht. Ich schließe die erste Beratung. Es ist Überweisung an den Ausschuß für Sozialpolitik und gemäß § 96 der Geschäftsordnung an den Haushaltsausschuß vorgesehen. - Es ist so beschlossen.
Ich rufe dann Punkt 3 der erweiterten Tagesordnung auf:
a) Beratung des Berichts des Haushaltsausschusses ({1}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung über den Antrag der Abgeordneten Bauknecht, Glüsing ({2}), Dr. Pflaumbaum, Wehking und Fraktion der CDU/CSU betreffend Ernteschäden 1960 und über den Antrag der Fraktion der FDP betreffend Ausgleich der Getreideernteschäden ({3}) ;
b) Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses 'für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({4}) über den Antrag der Abgeordneten Bauknecht, Glüsing, ({5}), Dr. Pflaumbaum, Wehking und Fraktion der CDU/CSU betreffend Ernteschäden 1960 und über den Antrag der Fraktion der FDP betreffend Ausgleich der Getreideernteschäden
({6}).
Die Schriftlichen Berichte der Abgeordneten Müller ({7}) und Logemann liegen vor. Eine Ergänzung wird nicht gewünscht.
Ich stelle den Antrag des Ausschusses auf Drucksache 2322 zur Abstimmung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte sich, das Handzeichen zu geben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmige Annahme.
Es folgt Punkt 4 der erweiterten Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Rechtsausschusses ({8}) über den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP betreffend Antrag auf Normenkontrolle bei dem Bundesverfassungsgericht wegen des Sammlungsgesetzes ({9}).
Der Antrag des Rechtsausschusses liegt auf Drucksache 2327 vor. Danach wird empfohlen, der Nr. 1 des Antrags Drucksache 1697 zuzustimmen und die Abgeordneten Frau Dr. Schwarzhaupt und Dr. Arndt zu beauftragen, den Antrag vor dem Bundesverfassungsgericht zu vertreten.
Das Wort hat der Berichterstatter, Herr Abgeordneter Hoogen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Plenum des Hohen Hauses hat im Mai dieses Jahres dem Rechtsausschuß einen von allen Fraktionen eingebrachten Antrag überwiesen, der den Zweck hat, das Sammlungsgesetz und seine Novellen beim Bundesverfassungsgericht mit dem Ziele überprüfen zu lassen, es für verfassungswidrig und damit für nichtig zu erklären.
Der Rechtsausschuß hat sich mit diesem Antrag befaßt. Er war einmütig der Auffassung der Antragsteller, daß das Sammlungsgesetz mit dem Grundgesetz nicht vereinbar ist und infolgedessen nach Art. 123 GG über den Tag des Zusammentritts des 1. Bundestages hinaus nicht fortgilt.
7848 Deutscher Bundestag 3. Wahlperiode Hoogen
Es würde zu weit führen, hier im einzelnen auseinanderzusetzen, gegen welche Bestimmungen des Grundgesetzes das Sammlungsgesetz und seine Novellen verstoßen. Wir waren im Rechtsausschuß der Meinung, daß das Sammlungsgesetz nicht nur in einzelnen oder einer Reihe von Bestimmungen, sondern seiner ganzen Konzeption nach mit verfassungskräftigen Grundsätzen unserer Verfassung nicht in Übereinstimmung zu bringen ist. Das Sammlungsgesetz war von dem Willen der nationalsozialistischen Machthaber, die es seinerzeit erlassen haben, getragen, auch auf dem Gebiet des Sammlungswesens das totalitäre System einzuführen. Ein solches Gesetz kann nach unserer Überzeugung heute nicht mehr die Grundlage für irgendwelche Maßnahmen sein.
Es ist unserer Meinung nach aber auch deswegen mit dem Grundgesetz und mit seinen Grundsätzen nicht vereinbar, weil es dem verfassungskräftigen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Mittel bei der Durchsetzung von Zielen und bei der Durchführung von Aufgaben nicht entspricht. Ein so generelles Verbot, wie es das Sammlungsgesetz mit dem Erlaubnisvorbehalt für den einzelnen Fall darstellt, ist eben zur Erreichung dieser Ziele nicht erforderlich.
Wir hatten uns nicht mit der Frage zu befassen, wie die für die Regelung dieses Rechtsgebietes „Sammlungswesen" zuständigen Landesgesetzgeber sich im einzelnen Fall in den einzelnen Ländern zu verhalten haben. Unser Ziel war es lediglich, zu überprüfen, ob dieser Antrag mit Aussicht auf Erfolg beim Bundesverfassungsgericht angebracht werden kann. Wir sind einmütig zu der Meinung gekommen, daß das der Fall ist, und schlagen Ihnen deswegen in der Ziffer 1 unseres Antrages vor, das Gericht anzurufen. Wir sind der Meinung, daß das nicht nur durch die Übersendung eines Protokolls und dieses Beschlusses geschehen sollte, sondern daß der Herr Präsident des Deutschen Bundestages in einem formellen Schreiben diesen Antrag namens des Deutschen Bundestages selbst in Karlsruhe anbringen sollte.
In Ziffer 2 unseres Antrages schlagen wir Ihnen vor, daß der Antrag von den Mitgliedern des Hohen Hauses Frau Dr. Schwarzhaupt und Herrn Dr. Arndt begründet und in der mündlichen Verhandlung vertreten werden sollte.
Ich darf Sie namens des Rechtsausschusses bitten, diesem Antrag Ihre Zustimmung zu geben.
Ich danke dem Kollegen Hoogen für den Bericht.
Ich stelle dann den Antrag Drucksache 2327 zur Abstimmung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich, ein Handzeichen zu geben. - Gegenprobe! -Einstimmig so beschlossen.
Ich rufe weiterhin auf 'den noch auf die Tagesordnung gesetzten Punkt:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Zollgesetzes ({0}) Drucksachen 2184, 2328) .
Es liegt ein zu Protokoll gegebener Schriftlicher Bericht der Frau Kollegin Beyer vor *). Wird eine Ergänzung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Ich eröffne die zweite Beratung. - Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich rufe auf die Art. 1 bis 3, Einteitung und Überschrift. Wer zuzustimmen wünscht, dergebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmige Annahme.
Ich schließe die zweite Beratung und eröffne die
dritte Beratung.
Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
Es liegt noch vor ein Antrag des Vorsitzenden des Außenhandelsausschusses auf nachträgliche Überweisung des Entwurfs eines Außenwirtschaftsgesetzes - Drucksache 1285 - gemäß § 96 der Geschäftsordnung an den Haushaltsausschuß. Durch die Festlegung einer Gebührenfreiheit, die zu einem Einnahmeausfall führt, hat sich eine Änderung des. Entwurfs ergeben. - Ich nehme Ihr Einverständnis an.
Damit sind wir am Ende der letzten arbeitsreichen Sitzungen dieses Jahres. Ich wünsche Ihnen, meine Damen und Herren, gesegnete Weihnachtstage. Wir alle hoffen, daß wir vor dem Beginn eines Jahres stehen, das der Welt den Frieden bewahrt und das deutsche Volk dem Ziele seiner Einheit in Freiheit näherbringt.
Ich berufe die nächste Sitzung ein auf Mittwoch, den 18. Januar 1961, 9 Uhr. Die Sitzung ist geschlossen.