Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 9/29/1960

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Die Sitzung ist eröffnet. Die amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen: Der Herr Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen hat unter dem 23. September 1960 unter Bezug auf § 17 Abs. 5 des Postverwaltungsgesetzes den 1. und 2. Nachtrag zum Voranschlag der Deutschen Bundespost für das Rechnungsjahr 1960 zur Kenntnis übersandt. Die Nachträge liegen im Archiv zur Einsichtnahme aus. Das Auswärtige Amt hat unter dem 23. September 1960 gemäß § 46 Abs. 2 des Deutschen Auslieferungsgesetzes vom 23. Dezember 1929 die Bekanntmachung und den Wortlaut des Notenwechsels der zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung des Königreichs Schweden geschlossenen Vereinbarung über die gegenseitige Rechtshilfe in Strafsachen bei Auslieferungsersuchen zur Strafverfolgung wegen Diebstahls und Urkundenfälschung und über Erstattung von Kosten zur Kenntnisnahme übersandt, die im Archiv zur Einsichtnahme ausliegen. Der Herr Präsident des Bundesrechnungshofes als Beauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung hat ein Gutachten über die Wirtschaftlichkeit vollständiger Überdachung der Abstellflächen für die Kraftfahrzeuge der Bundeswehr ({0}) erstattet, das im Archiv zur Einsichtnahme ausliegt. Der Herr Stellvertreter des Bundeskanzlers hat unter dem 29. September 1960 den Bericht der Bundesregierung über die Entwicklung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und der Produktivität sowie die Veränderungen des Volkseinkommens je Erwerbstätigen und über die Finanzlage der gesetzlichen Rentenversicherungen ({1}) sowie das Gutachten des Sozialbeirats über die Rentenanpassung zur Kenntnisnahme übersandt. Sie werden als Drucksache 2082 verteilt. Wir treten in die Tagesordnung ein und fahren fort mit der Fragestunde ({2}). Ich rufe auf die Frage VIII/1 - des Herrn Abgeordneten Leonhard -: Ist der Herr Bundesernährungsminister schon heute in der Lage, die Zusage zu machen, daß eine entsprechende finanzielle Hilfe vom Bund gewährt wird, falls bei den Tabakeinschreibungen in diesem Jahr festgestellt wird, daß durch den Blauschimmelbefall den zumeist kleinbäuerlichen Tabakpflanzern durch Wertminderung oder Totalverlust fühlbare Ausfälle entstehen? Zur Beantwortung der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.

Werner Schwarz (Minister:in)

Politiker ID: 11002127

Auf die Frage 1 habe ich folgende Antwort zu erteilen. Die Gewährung einer Finanzhilfe ist gemäß der vom Grundgesetz festgelegten Zuständigkeitsverteilung eine Angelegenheit der Länder. Nach Vorliegen einer Schadensübersicht wird jedoch die Frage geprüft werden, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang sich der Bund an den Hilfsmaßnahmen der Länder beteiligt.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Nächste Frage, Frage VIII/2: Welche Maßnahmen hat das Bundesernährungsministerium getroffen, damit die schwächer von Blauschimmel befallenen Tabakpflanzen durch entsprechende Behandlungsmethoden möglichst verlustarm verwertet werden können?

Werner Schwarz (Minister:in)

Politiker ID: 11002127

Zur Frage 2 antworte ich folgendes: Es wird zur Zeit durch die entsprechenden Fachinstitute geprüft, ob die Blauschimmelschäden sich bei der Fermentation auswirken. Es liegt bisher keine Veranlassung vor anzunehmen, daß schwächer befallene Tabakblätter nicht verwertet werden können.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Frage VIII/3: W lche vorbeugenden Maßnahmen hat das Bundesernährungsnninisterium getroffen, um dafür zu sorgen, daß durch einwandfreies Saat- und Pflanzgut sowie Bodenbehandlung und sonstige Bekämpfungsmaßnahmen der deutsche Tabakbau in Zukunft von seuchenhaften Tabakkrankheiten wie Blauschimmel verschont bleibt und damit eine zwangsläufige wesentliche Einschränkung des deutschen Tabakanbaues verhindert wird?

Werner Schwarz (Minister:in)

Politiker ID: 11002127

Hierauf folgende Antwort: Dem Bundesrat wurde eine Verordnung zur Bekämpfung der Blauschimmelkrankheit an Tabak vorgelegt, in der alle zur Zeit möglichen vorbeugenden Maßnahmen zur Eindämmung der Krankheit festgelegt wurden. Darüber hinaus ist ein Kreis von Wissenschaftlern auf meine Veranlassung hin damit beschäftigt, wirksame Maßnahmen zur Bekämpfung der Krankheit in Anzuchtbeeten sowie im Freiland zu prüfen und zu entwickeln.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Zusatzfrage!

Gottfried Leonhard (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001328, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, sind der Wissenschaft überhaupt Mittel bekannt, die den Tabak vor dem Blauschimmelbefall vollständig schützen können?

Werner Schwarz (Minister:in)

Politiker ID: 11002127

Es sind Mittel bekannt, in ihrer Wirksamkeit lassen sie jedoch zu wünschen übrig. Auch die Anwendungstechnik ist schwierig, weil der Pilzbefall unter den Blättern sitzt und deswegen die haftenden Mittel nicht ohne weiteres angewandt werden können. Außerdem ist darauf zu achten, daß keine qualitätsschädigende Wirkung von den Mitteln ausgeht.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Letzte Zusatzfrage!

Gottfried Leonhard (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001328, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, welche Erfahrungen machte man im Ausland - in Amerika, Australien, Holland usw. - mit dem Blauschimmel, und welche Folgerungen sind aus diesen Erfahrungen gezogen worden bzw. noch zu ziehen, und steht das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit den entsprechenden ausländischen Stellen in Verbindung, um die Peronospora tabacina, deren Sporenflug keine Grenzen respektiert, weiträumig auf internationaler Grundlage erfolgreich zu bekämpfen?

Werner Schwarz (Minister:in)

Politiker ID: 11002127

Es werden verschiedene Mittel angewendet, insonderheit in USA und Australien Paradichlorbenzol. Die Mittel werden auf Anzuchtbeeten angewandt. Es ist jedoch so, daß bei dem epidemischen Auftreten des Pilzbefalls offenbar andere Pilzstämme wirksam geworden sind als die, die bisher anderweitig bekannt sind. Amerikanische Wissenschaftler erklären, daß dieselbe Bekämpfungsmöglichkeit, die anderweitig bisher üblich war, hier nicht ohne weiteres wirksam ist. Zu der weiteren Frage darf ich bemerken, daß wir mit der Europäischen Pflanzenschutzorganisation mit dem Sitz in Paris - dieser Organisation gehören 30 Staaten an - ein Instrument haben, das sich mit diesen Fragen befaßt. Diese Organisation hat wegen des Blauschimmels eine Sondersitzung angesetzt.

Gottfried Leonhard (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001328, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Danke.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Zusatzfrage, Herr Dr. Rutschke!

Dr. Wolfgang Rutschke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001909, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Bundesminister, ist Ihnen bekannt, daß die von Ihnen „angekündigte" Verordnung bereits heute in Kraft getreten ist?

Werner Schwarz (Minister:in)

Politiker ID: 11002127

Ja, wenn sie von mir angeordnet ist, wird sie mir auch bekannt sein, Herr Abgeordneter. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Frage VIII/4 - des Abgeordneten Logemann -: Welche inländischen Erzeugerpreise far Veredelungsprodukte sind nach den Vorstellungen des Bundesernährungsministeriums notwendig, wenn der deutsche Getreidepreis erhalten bleibt, und zwar a) für Schlachtschweine und Schlachtrinder, b) für Butter, c) für Eier? Zur Beantwortung Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten!

Werner Schwarz (Minister:in)

Politiker ID: 11002127

Ich habe darauf folgendes zu antworten. Wie ich bereits in Beantwortung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD - Drucksache 1414 - am 11. Dezember 1959 vor diesem Hohen Hause ausgeführt habe, halte ich es nicht für zweckmäßig, Vorstellungen über ein notwendiges Preisniveau, das die Erzeuger für die in der Anfrage aufgeführten Veredlungsprodukte erzielen sollten, zu nennen, ganz abgesehen davon, daß der deutsche Getreidepreis die Preisentwicklung für Schlachtrinder und Butter so gut wie gar nicht beeinflußt und daß die Preise für Schweine und Eier auch von zahlreichen anderen Faktoren neben dem Getreidepreis berührt werden. Wie die zurückliegende Zeit, insbesondere die Dürreperiode des Vorjahres, und dieses übernasse Erntejahr gezeigt haben, sind die Preise für Veredlungserzeugnisse weitgehend von Witterungseinflüssen abhängig, zum anderen werden sie aber auch von der tatsächlichen Produktionsleistung der Erzeuger sowie der Kaufkraft der Verbraucher beeinflußt. Ich werde auch in Zukunft bestrebt sein, im Rahmen der Grenzen, die mir die Marktordnungsgesetze und die verfügbaren Haushaltsmittel setzen, im Interesse der Erzeuger und der Verbraucher marktausgleichend zu wirken und damit abnorme Preisausschläge zu verhindern.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Frage VIII/5 - des Abgeordneten Rehs -: Ich frage die Bundesregierung, ob und warum eine Zusammenlegung der Deutsden Siedlungsbank mit der Deutschen Landesrentenbank erwogen wild. Zur Beantwortung der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten!

Werner Schwarz (Minister:in)

Politiker ID: 11002127

Auf die Frage des Herrn Abgeordneten Rehs habe ich folgende Antwort zu geben. Der Herr Präsident des Bundesrechnungshofes hat sich bereits in seiner Denkschrift zu der Haushaltsrechnung für das Rechnungsjahr 1954 für eine Zusammenlegung der beiden bundeseigenen Siedlungsfinanzierungsinstitute mit der Begründung ausgesprochen, daß dadurch das zur Zeit sehr komplizierte Siedlungsfinanzierungsverfahren für alle beteiligten Stellen wesentlich vereinfacht würde und bei Bund und Ländern erhebliche Einsparungen an Personal- und Sachausgaben erzielt werden könnten. Daraufhin hat sich der Bundesrechnungshof und auch der Rechnungsprüfungsausschuß des Haushaltsausschusses des Bundestages in mehreren Sitzungen - zuletzt am 11. Mai dieses Jahres - mit der Frage einer Zusammenlegung der Deutschen Siedlungsbank und der Deutschen Landesrentenbank befaßt und sich nach Beratung mit Vertretern der beteiligten Bundesministerien der Auffassung des Präsidenten des Bundesrechnungshofes angeschlossen. Die in erster Linie beteiligten Bundesressorts -Bundesernährungsministerium und Bundesfinanzministerium - halten die grundsätzlichen Überlegungen des Bundesrechnungshofes und des Rechnungsprüfungsausschusses für zutreffend und erwäBundesminister Schwarz gen deshalb eine Zusammenlegung der beiden Siedlungsfinanzierungsinstitute des Bundes. Sie lassen sich dabei nicht nur von dem Gedanken einer dringend erwünschten Vereinfachung und Verbilligung des Siedlungsfinanzierungsverfahrens, sondern vor allem auch von dem Gesichtspunkt leiten, daß ein einheitliches Siedlungsfinanzierungsinstitut des Bundes mit einer Bilanzsumme von über 2 Milliarden DM durch die Zusammenfassung der verschiedenen Finanzierungsarten und Finanzierungsmittel in seiner Hand beträchtlich an Schlagkraft für die Siedlung und Eingliederung der heimatvertriebenen Bauern gewinnen würde. Jetzt darf ich noch auf einen wichtigen Punkt hinweisen. Wegen der Bedeutung dieser Angelegenheit ist beabsichtigt, eine Entscheidung des Bundeskabinetts über die Frage der Zusammenlegung herbeizuführen. Im übrigen würde die Zusammenlegung den Erlaß eines entsprechenden Bundesgesetzes erfordern, das in dieser Legislaturperiode des Bundestages nicht mehr eingebracht und verabschiedet werden kann.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Zusatzfrage?

Reinhold Rehs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001798, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Bundesminister, wenn nach Ihrer Antwort das für eine Fusion notwendige Bundesgesetz in dieser Legislaturperiode nicht mehr eingebracht werden kann, weshalb ist dann in dieser Sitzungsperiode überhaupt noch eine Kabinettsentscheidung erforderlich, da die jetzige Bundesregierung die kommende doch nicht binden kann? Oder ist daraus zu folgern, daß doch schon jetzt verwaltungsmäßige Maßnahmen irgendwelcher Art vorgesehen sind, die das Parlament mehr oder minder vor vollendete Tatsachen stellen würden?

Werner Schwarz (Minister:in)

Politiker ID: 11002127

Herr Abgeordneter, ich habe nicht gesagt, daß das Bundeskabinett jetzt in eine Entscheidung eintreten wird, sondern ich habe gesagt, daß das Bundeskabinett in eine Entscheidung eintreten wird. Dies mag auch nach der Wahl der Fall sein. Ich habe lediglich die Absicht gehabt, darauf hinzuweisen, daß die Wichtigkeit der Angelegenheit es erforderlich erscheinen läßt, daß das Bundeskabinett sich genauso wie das Parlament mit den Fragen beschäftigt. Wann, ist noch nicht entschieden. Daß aber eine Frage, die so wichtig ist, von langer Hand vorbesprochen werden muß, ist klar, und auf Grund der Vorbesprechungen ergeben sich überhaupt diese Fragestellungen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Letzte Zusatzfrage!

Reinhold Rehs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001798, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, zum Grundsätzlichen! Sind Sie selber, gerade im Hinblick auf die von Ihnen erwähnten Vorbesprechungen, nicht mit mir der Meinung, daß die Schlagkraft der Maßnahmen zur Eingliederung der heimatvertriebenen Bauern, von der Sie gesprochen haben, in erster Linie vom Umfang der vom Bund zur Verfügung gestellten Mittel abhängt und daß mit einer Fusion der beiden bewährten Banken das Pferd genau vom Schwanz aufgezäumt werden würde, weil eine wirkliche Vereinfachung der Siedlungsfinanzierungsverfahren nur durch eine durchgreifende Vereinfachung und Reduzierung der Töpfchenwirtschaft, insbesondere der Vielzahl der Anweisungen und Richtlinien zu über hundert Finanzierungsfonds, zu erreichen ist?

Werner Schwarz (Minister:in)

Politiker ID: 11002127

Herr Abgeordneter, ich bin mit Ihnen der Auffassung, daß die Bereitstellung von Mitteln weitgehend die Voraussetzung bietet, um eine gute Arbeit für Vertriebene, aber auch für das ganze Siedlungswerk zu leisten. Ich bin aber nicht mit Ihnen der Auffassung, daß die Zweiteilung der Institute eine Voraussetzung dafür bieten würde, die Mittel gut anzubringen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Zusatzfrage? - Herr Abgeordneter Diekmann!

Bruno Diekmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000384, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, ich wäre versucht zu fragen, ob es bei der Zusammenlegung dieser beiden Institutionen nicht noch andere Motive gibt. Aber ich glaube, diese Frage werden Sie mir nicht beantworten wollen. Deshalb eine andere Frage!

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das ist eine zweite Zusatzfrage; das rechne ich als zweite Zusatzfrage. ({0})

Bruno Diekmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000384, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Deshalb möchte ich Sie fragen: Meines Wissens ist doch die ganze Siedlungsangelegenheit eine Sache der Länder. Nun möchte ich doch wissen, ob das Ministerium bereits mit den Ländern in Verbindung getreten ist, um zu erfragen, wie deren Meinung zu der Zusammenlegung der beiden Institute ist.

Werner Schwarz (Minister:in)

Politiker ID: 11002127

Soweit dies den Notwendigkeiten entspricht, Herr Abgeordneter, wird es selbstverständlich geschehen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Zusatzfrage? - Herr Abgeordneter Schmidt.

Dr. R. Martin Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002014, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, sind zum Bericht des Bundesrechnungshofs über die Vorteile einer Fusion ein oder mehrere Fachgutachten anderer Stellen über die tatsächlichen wirtschaftlichen Vorteile einer Zusammenlegung der beiden Bankinstitute erstellt worden, und werden diese Gutachten dem Bundestag vorgelegt werden?

Werner Schwarz (Minister:in)

Politiker ID: 11002127

Sollte sich die Bundesregierung grundsätzlich mit der Zusammenlegung einverstanden erklären, dann ist beabsichtigt, durch eine noch zu bestimmende völlig neutrale Stelle eine Organisationsprüfung anzuberaumen. Über das Er7238 gebnis dieser Organisationsprüfung wird dann selbstverständlich auch dem Parlament bei der Behandlung des Gesetzentwurfs berichtet werden.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Zweite Zusatzfrage?

Dr. R. Martin Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002014, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, welche Beweise hat die Bundesregierung dafür, daß das Vorhandensein von zwei Instituten mit schuld daran ist, daß die Siedlungsfinanzierung so kompliziert ist? Hat das nicht ganz andere Ursachen?

Werner Schwarz (Minister:in)

Politiker ID: 11002127

Es hat keine andere Ursache als die vom Bundesrechnungshof herausgestellte Tatsache, daß die derzeitige Methode zu aufwendig ist.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Ich rufe auf die Frage des Abgeordneten Dr. Mommer - IX/1 aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verteidigung: Ist die Bundesregierung bereit, der Stadt Kornwestheim aus dem Exerzierplatz in Kornwestheim 15 ha abzutreten? Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Herrn Staatssekretärs Hopf vom 8. August 1960 lautet: Der größte Teil des ehemaligen Exerzierplatzgeländes Ludwigsburg-Kornwestheim ist für Zwecke der amerikanischen Stationierungsstreitkräfte in Anspruch genommen. Von dem in den letzten Jahren freigegebenen Teil des Platzes hat die Bundesvermögensverwaltung mit meiner Zustimmung an die Stadt Kornwestheim das Gelände für die Kläranlage im Gänsbachtal und etwa 10 ha an der Mühlhauser Höhe veräußert. Einem weiteren Antrag der Stadt Kornwestheim auf Erwerb von 15,63 ha südwestlich im Anschluß an die Kläranlage habe ich bereits mit Schreiben vom 2. März 1960 an den Herrn Bundesminister für wirtschaftlichen Besitz des Bundes zugestimmt.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Frage IX/2 - des Herrn Abgeordneten Lohmar -: Ist dem Herrn Bundesverteidigungsminister bekannt, daß die Bevölkerung von Bielefeld Anfang August d. J. durch Flüge von Düsenjägern unterhalb der erlaubten Flughöhe außerordentlich beunruhigt wurde? Welche Möglichkeiten sieht der Herr Bundesverteidigungsminister, zu einer Vereinbarung mit den entsprechenden NATO-Einheiten zu gelangen, um solche Flüge in Zukunft zu unterbinden? Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär des Bundesverteidigungsministeriums.

Not found (Staatssekretär:in)

Dem Bundesminister für Verteidigung wurde der zu niedrige Flug über Bielefeld im August dieses Jahres durch die Anfrage einer britischen Stationierungseinheit bekannt. Sie bat um Auskunft, ob Flugzeuge der Bundeswehr an dem Vorfall beteiligt gewesen seien. Die Nachprüfung ergab, daß sich zu dieser Zeit keine deutschen Flugzeuge im Luftraum um Bielefeld befanden. Der Flugbetrieb auch der Stationierungsstreitkräfte richtet sich nach den Luftverkehrsbestimmungen der Bundesrepublik. Diese schreiben eine Mindestflughöhe von 150 m über unbebautem Gelände und von 600 m über bebautem oder eng besiedeltem Gelände vor. Diese Höhen dürfen nur in zugelassenen und amtlich bekanntgemachten Gebieten unterschritten werden. Flüge mit Durchgang durch die Schallmauer dürfen nur in Höhe von mindestens 9000 m durchgeführt werden. Im vorliegenden Fall konnte nicht geklärt werden, welcher Nation die zu tief fliegenden Flugzeuge angehörten. Es kommt allerdings hin und wieder vor, daß Flugzeugführer insbesondere in der Ausbildung bei schlechter Sicht die Annäherung an Wohngebiete zu spät bemerken und dadurch zu spät auf größere Höhe gehen. Mit den NATO-Einheiten besteht Übereinstimmung, daß Flugzeugführer, die hierbei fahrlässig handeln, zur Rechenschaft gezogen werden. Wie wir festgestellt haben, werden die Flugzeugführer bei den NATO-Einheiten ebenso wie bei der Bundeswehr zur Rechenschaft gezogen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Frage IX/3 - des Herrn Abgeordneten Lohmar -: Entsprechen die Berichte der illustrierten Zeitung „Quick" vom 21. Mai, 11. Juni und 30. Juli 1960 über Werbemethoden der Bundeswehr den Tatsachen? Wie stellt sich der Herr Bundesverteidigungsminister gegebenenfalls zu den in diesen Berichten geschilderten Formen der Wehrwerbung? Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium.

Not found (Staatssekretär:in)

Es handelt sich bei den Veröffentlichungen vom 21. 5., 11. 6. und 30. 7. dieses Jahres insofern nicht um eine sachliche Berichterstattung, als nur Einzelpunkte herausgegriffen sind. Die Bundeswehr macht die Bevölkerung durch die sogenannten „Tage der offenen Tür" und durch mobile Ausstellungen der Streitkräfte mit ihrem Wesen und ihren Aufgaben vertraut. Die Werbung spielt sich in der Öffentlichkeit ab. Da die Jugend ein besonderes Interesse für alle Seiten der modernen Technik hat, richtet sie bei solchen Veranstaltungen ihr Augenmerk auch auf Waffen und Geräte. Der Verteidigungsminister vertraut der Vernunft der Kommandeure und dem guten Instinkt der Bevölkerung, daß Übertreibungen hierbei vermieden oder jedenfalls abgestellt werden. Eine Reglementierung bis in die letzten Einzelheiten ist naturgemäß nicht möglich.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Frage IX/4 - des Abgeordneten Wittrock -: Nimmt der Herr Bundesverteidigungsminister das in der Öffentlichkeit stark beachtete Urteil des Schöffengerichts in Wiesbaden vom 18. August 1960 zum Anlaß, die Soldaten der Präsident D. Dr. Gerstenmaier Bundeswehr darüber belehren zu lassen, daß das nächtliche Verprügeln von Kameraden ({0}) ein rechtswidriges und somit unzulässiges Erziehungsmittel ist? Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär des Bundesverteidigungsministeriums.

Not found (Staatssekretär:in)

Das aus subjektiven Gründen freisprechende Urteil wurde am 18. August verkündet und dem Ministerium am 19. August bekannt. An demselben Tage wurde die Erstellung eines Erlaßentwurfs angeordnet. Der Erlaß selbst erging bereits am 25. August an alle Einheiten. In dem Erlaß heißt es u. a.: Bei der gegenseitigen Selbsterziehung dürfen die Grenzen der allgemeinen Moral und Rechtsauffassung nicht überschritten werden. Beleidigung bleibt Beleidigung, Körperverletzung bleibt Körperverletzung. Soweit die gegenseitige Selbsterziehung die von Moral und Recht gesetzten Grenzen überschreitet, ist sie verboten. Ich möchte hinzufügen: und strafbar. Damit ist diese Angelegenheit für die Zukunft auch hinsichtlich der subjektiven Seite, auf die es in dem Urteil lediglich ankommt, absolut klargestellt. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Frage IX/5 - des Herrn Abgeordneten Jahn ({0}) -: Hat der Herr Bundesverteidigungsminister besondere Gründe dafür, das Schreiben des Bürgermeisters der Stadt Marburg ({1}) vom 22. Juli 1960 betreffend Tiefflüge von Düsenjägern über dem Stadtgebiet länger als sechs Wochen weder zu beantworten noch den Eingang zu bestätigen? Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär des Bundesverteidigungsministeriums.

Not found (Staatssekretär:in)

Das Schreiben des Herrn Bürgermeisters der Stadt Marburg an der Lahn vom 22. Juli 1960 in inzwischen beantwortet worden. Die Beantwortung hat sich verzögert, da die Ermittlungen, wie es bei der besonderen Lage in der Bundesrepublik unvermeidlich ist, längere Zeit in Anspruch nahmen. Es handelte sich um Anfragen an mehrere Nationen. Dem Hohen Hause ist bekannt, wie sehr sich der Bundesminister für Verteidigung laufend bemüht, Ausbildungsmöglichkeiten für die Luftwaffe, insbesondere im Tiefflug, außerhalb der dicht besiedelten Bundesrepublik zu gewinnen. Die dabei bestehenden Schwierigkeiten dürften bekannt sein. Inzwischen ist es gelungen, in zwei Ländern Ausbildungsmöglichkeiten zu erhalten.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Zusatzfrage!

Gerhard Jahn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001012, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wann ist das Schreiben beantwortet worden?

Not found (Staatssekretär:in)

Das Schreiben ist vor etwa vierzehn Tagen von mir unterschrieben worden. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Noch eine letzte Zusatzfrage!

Gerhard Jahn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001012, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Darf ich fragen, ob es nicht üblich ist, wenn ein Schreiben so lange unbeantwortet bleiben muß, einen Zwischenbescheid zu geben?

Not found (Staatssekretär:in)

Das ist üblich, Herr Abgeordneter. ({0}) Aber es kommt vor, daß es einmal unterbleibt.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Keine Zusatzfrage aus dem Hause? - Frage IX/6 - des Herrn Abgeordneten Imle -: Hält die Bundesregierung es für vertretbar, daß Studienbewerbern, die auf Technischen Hochschulen und Fachschulen studieren wollen, nachdem sie ihre freiwillige Dienstzeit bis zu 18 Monaten in der Bundeswehr erfüllt haben, dadurch Nachteile erwachsen, daß sie sich unter den gleichen Bedingungen einer Ausleseprüfung stellen müssen wie diejenigen Studienbewerber, die unmittelbar nach bestandenem Abitur ihr Studium aufnehmen wollen, oder daß sie, wenn keine Prüfung vorgenommen wird, von einem Zulassungsausschuß wegen Überfüllung als Bewerber abgelehnt werden? Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär des Bundesministeriums für Verteidigung.

Not found (Staatssekretär:in)

Der augenblickliche Zustand ist nicht befriedigend. Die Bundesregierung steht in Verhandlungen mit der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder, um zu erreichen, daß die Studienbewerber nach Ableistung des Grundwehrdienstes von 12 Monaten oder des verlängerten Grundwehrdienstes von 18 Monaten ohne eine Ausleseprüfung zum Studium auf Technischen Hochschulen und Fachschulen zugelassen und auch nicht etwa wegen Überfüllung abgelehnt werden. Der Bundesminister für Verteidigung hat inzwischen auch mehrmals mit dem Herrn Präsidenten der Westdeutschen Rektorenkonferenz in diesem Sinne gesprochen. Ein Ergebnis der Verhandlungen liegt noch nicht vor. Gerade diese Angelegenheit ist eine besondere Sorge des Verteidigungsministers. Er wäre für die Unterstützung durch Abgeordnete bei den einzelnen Kultusministerien sehr dankbar. Denn auch an diesem Beispiel zeigt sich, daß die Fürsorge für die Soldaten während ihrer Dienstzeit und nachher zum großen Teil leider nicht in die Zuständigkeit des Verteidigungsministers gehört. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Frage X/1 - Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post-und Fernmeldewesen - des Herrn Abgeordneten Ritzel: Ich frage den Herrn Bundespostminister: Welchen Zuschlag dürfen Telefonbesitzer ({0}) berechnen, wenn sie ihren Telefonanschluß gegen Erstattung der entsprechenden Gebühr zur Verfügung stellen? Der Herr Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Minister:in)

Politiker ID: 11002281

Eine rechtliche Grundlage, Zuschläge für Ferngespräche, die an fremden Apparaten geführt werden, anzuordnen, hat die Deutsche Bundespost nicht.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Eine Zusatzfrage!

Heinrich Georg Ritzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001860, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Halten Sie es Herr Bundesminister, danach für vertretbar, daß ein Hotelgast, der ein R-Gespräch angemeldet hat, auch noch eine besondere Gebühr von 50 Pfennig für die Anmeldung zu zahlen hat?

Dr. h. c. Richard Stücklen (Minister:in)

Politiker ID: 11002281

Diese Gebühr von 50 Pfennig halte ich für gerechtfertigt, weil sie nämlich auch dem Teilnehmer selber berechnet wird.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Letzte Zusatzfrage!

Heinrich Georg Ritzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001860, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Halten Sie es für gerechtfertigt, daß pro Einheit bei einem Ferngespräch von einem Hotel 30 Pfennig erhoben werden, wodurch ein Nutzen von 89 % erzielt wird?

Dr. h. c. Richard Stücklen (Minister:in)

Politiker ID: 11002281

Bei diesen kleinen Beträgen halte ich das für gerechtfertigt, denn die Installationen und die stationären Gebühren sind gerade im Hotelbetrieb doch beachtlich.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Ich rufe die Frage X/2 - des Herrn Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen auf -: Hält der Herr Bundespostminister es für richtig, daß die Fernsprechvermittlungen bei der Vermittlung von Ferngesprächen nach Orten, die dem Selbstwählferndienst noch nicht angeschlossen sind, auch dann noch einmal die ihnen vorliegenden Verzeichnisse durchsehen müssen, wenn sie genau wissen, daß ein Ort dem Selbstwählferndienst noch nicht angeschlossen ist? Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Herrn Bundesministers Stücklen vom 23. 9. 1960 lautet: Die Bestimmung, nach der die Vermittlungskräfte vor der Herstellung handzuvermittelnder Ferngesprächsverbindungen sich „in jedem Fall" durch Einsicht in ihre Platzunterlagen zu vergewissern haben, daß das verlangte Ortsnetz noch nicht im Selbstwählferndienst zu erreichen ist, ist deshalb notwendig, weil bei der fortschreitenden Automatisierung des Fernverkehrs ständig neue Ortsnetze in den Selbstwählferndienst einbezogen werden, die in den Platzunterlagen der Vermittlungskräfte laufend von einer zentralen Dienststelle und nicht etwa von den Vermittlungskräften selbst nachgetragen werden. Die Vermittlungskräfte können daher hei den häufigen Veränderungen ohne Durchsicht ihrer Platzunterlagen nicht wissen, ob eine bestimmte Verkehrsbeziehung schon in den Selbstwählferndienst überführt worden ist odor nicht. Ich rufe weiter die Frage X/3 - des Herrn Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen - auf: Wird der Herr Bundespostminister die Tatsache, daß ein am Sonntag, dem 24. Juli 1960, nachmittags zur Post gegebener politisch wichtiger Brief erst am Montag, dem 25. Juli, um 16.00 Uhr in Mainz eintraf, zum Anlaß einer allgemeinen Uberprüfung der Postverbindungen nehmen? Der Fragesteller hat sich auch hier mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Herrn Bundesministers Stücklen vom 27. 9. 1960 lautet: Der Sachverhalt, der Anlaß Ihrer Frage ist, kann leider nicht näher untersucht werden, weil folgende für die Uberprüfung der Laufzeit des Briefes wesentlichen Angaben fehlen: Ort und Stunde der Einlieferung, Ort und Zeit des Stempelabdrucks, Anschrift des Empfängers sowie die Zeit der Aushändigung. Da ohne diese Angaben nicht beurteilt werden kann, ob bei der Beförderung des Briefes eine Verzögerung vorliegt oder nicht, wäre ich Ihnen für eine ergänzende Mitteilung dankbar. Im übrigen darf ich Ihnen mitteilen, daß die Postverbindungen laufend danach überprüft werden, ob sie angemessen sind und in günstiger Zeitlage liegen; die Innehaltung der SollLaufzeiten wird durch Laufzeitprüfungen überwacht. Außerdem ist eine von mir eigens zu diesem Zweck eingesetzte Kommission seit einiger Zeit bereits damit betraut, im ganzen Bundesgebiet, namentlich im Nahverkehr der Großstädte und im Nachbarortsverkehr, durch Prüfungen an Ort und Stelle das reihungslose Funktionieren des Beförderungsdienstes sicherzustellen. Somit sind bereits die erforderlichen Maßnahmen getroffen, um die Beförderungsverhältnisse so günstig wie nur irgend möglich zu gestalten. Ich darf aber auch um Verständnis dafür bitten, daß mir bei meinem Bemühen gewisse Grenzen gesetzt sind, weil ich bei der Einrichtung der Postverbindungen auch den Verkehrsanfall berücksichtigen muß und sich zum anderen bei dem Massenverkehr, wie ihn der Postbetrieb seiner Natur nach darstellt, hin und wieder auftretende Fehlleitungen trotz laufender Schulung des Personals und Uberprüfung des Dienstbetriebs nicht restlos vermeiden lassen. Ich rufe die Frage X/4 - des Herrn Abgeordneten Blachstein, er wird durch die Frau Abgeordnete Keilhack vertreten - auf: Ist dem Herrn Bundespostminister bekannt, daß es in Hambnrg-Niendorf und in anderen Stadtteilen Neubauten gibt, deren Mieter seit über einem Jahr auf Telefonanschluß warten? Zur Beantwortung der Herr Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Minister:in)

Politiker ID: 11002281

Frau Kollegin, es ist uns selbstverständlich bekannt, daß es eine ganze Reihe von Orten in Deutschland gibt, die einen riesigen Nachholbedarf an amtlichen Anschlüssen für Telefoneinrichtungen haben. Darunter fällt auch der Ort, den Sie hier angegeben haben: Hamburg-Niendorf.

Irma Keilhack (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001076, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Bundespostminister, was gedenken Sie zu tun, oder können Sie versichern, was getan wird, um den berechtigten Wünschen Ihrer Postkunden nach möglichst schneller Abfertigung nachzukommen? Die Interessenten warten zum Teil schon über ein Jahr auf Telefonanschlüsse.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Minister:in)

Politiker ID: 11002281

Frau Kollegin, die Deutsche Bundespost hat ihren Investitionsansatz von 1956 auf 1958 um mehr als 180 Millionen DM erhöht, um diesem Nachholbedarf gerecht zu werden.

Irma Keilhack (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001076, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

In welcher Zeit, denken Sie, kann das sein?

Dr. h. c. Richard Stücklen (Minister:in)

Politiker ID: 11002281

Ich bin noch nicht ganz fertig gewesen, Frau Kollegin, entschuldigen Sie bitte. Ich wollte nur noch hinzufügen, daß im Augenblick die Investitionsmittel als solche nicht mehr so entscheidend sind wie vor einigen Jahren, daß aber jetzt ein anderer Engpaß aufgetreten ist, der uns außerordentliche Sorgen macht, und das ist die eigene Planungskapazität und die Planungskapazität der Industrie und die Produktion in der Industrie. Wir werden aber selbstverständlich nichts unversucht lassen, um, soweit wir dazu in der Lage sind, die Einrichtungen zu schaffen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Eine Zusatzfrage.

Irma Keilhack (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001076, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Die Frage, die ich soeben schon gestellt habe: In welcher Zeit, denken Sie, können diese Nachholwünsche befriedigt werden?

Dr. h. c. Richard Stücklen (Minister:in)

Politiker ID: 11002281

Das ist örtlich ganz verschieden. Das kann sehr rasch geschehen, das kann aber auch noch eine Zeit dauern.

Irma Keilhack (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001076, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Danke!

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Fragen - X/5 und X/6 - des Herrn Abgeordneten Felder betreffend Fernsprechbuch: Ist dem Herrn Bundespostminister bekannt, wie viele Fernsprechteilnehmer im Bundesgebiet das Amtliche, mit den vielkritisierten Abkürzungen ausgestattete Fernsprechbuch 1960/61 nicht abgenommen haben? Kann der Herr Bundespostminister mitteilen, welcher Gesamtbetrag für nicht zurückgegebene Amtliche Fernsprechbücher 1959/ 1960 über die Fernsprechrechnungen bei den Teilnehmern eingezogen worden ist? Zur Beantwortung der Herr Minister für das Post-und Fernmeldewesen.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Minister:in)

Politiker ID: 11002281

In den 15 Geltungsbereichen, in denen die neuen Amtlichen Fernsprechbücher bereits ausgegeben wurden, sind für nicht zurückgegebene Amtliche Fernsprechbücher 1959/60 insgesamt 263 220 DM Ersatzgebühren erhoben worden.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Frage X/5! Der Abgeordnete Felder hat zwei Fragen gestellt.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Minister:in)

Politiker ID: 11002281

Entschuldigen Sie, Herr Kollege! -Die neuen Amtlichen Fernsprechbücher in der neuen Aufmachung, mit den Abkürzungen usw. haben - wir wissen das aus der Presse und aus eigener Erfahrung - draußen nicht so angesprochen, wie es erwartet wurde. ({0}) Aber der Prozentsatz der nicht abgeholten Fernsprechbücher liegt mit 3,83 vom Hundert nur ganz unwesentlich höher als bei den früheren Fernsprechbüchern im vergangenen Jahr.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Eine Zusatzfrage.

Josef Felder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000528, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Können Sie, Herr Minister, sagen, welche Einsparungen an Druckkosten durch die Kürzung des Fernsprechbuchs erzielt worden sind? ({0})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Minister:in)

Politiker ID: 11002281

Herr Kollege, es ging nicht darum, Einsparungen bei den Druckkosten zu erreichen; es ging darum, größere Bezirke in einem Fernsprechbuch zusammenzufassen, weil im automatischen Selbstwähldienst der Bereich der Selbstwahl von Tag zu Tag größer wird. D a s war der Sinn der neuen Fernsprechbücher. Ich habe ja bereits angeordnet, daß die Fernsprechbücher für das Jahr 1961/62 wieder in der alten Form herauskommen. Das bedeutet, daß sie eben entsprechend umfangreicher werden.

Josef Felder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000528, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Danke schön!

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002033, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, Sie haben soeben gesagt, es sei nicht um Einsparungen bei den Druckkosten gegangen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Frage! Fragen muß ich hören!

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002033, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ist es aber nicht ,so, daß meist die alten Bezirke in den Fernsprechbüchern gebracht worden sind und keine größere Zusammenfassung von Ihnen vorgenommen worden ist?

Dr. h. c. Richard Stücklen (Minister:in)

Politiker ID: 11002281

Nein, Herr Kollege, da sind Sie nicht ganz informiert. In Hamburg z. B. haben wir den ganzen OPD-Bezirk Kiel mit in ein Fernsprechbuch zusammengefaßt, und in Bayern ist das bereits geplant. Wir haben in Bayern heute noch Oberbayern und haben noch Regensburg und die drei Bezirke Franken: Unterfranken, Mittelfranken und Oberfranken.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002033, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Es ist also richtig, daß nur bei einem der fünf Bücher das der eigentliche Grund war? Und wären Sie bereit, Herr Minister, die alten Bücher, die Sie auf Lager genommen haben, wenigstens wieder unberechnet auszugeben, damit die Teilnehmer nicht in den neuen Büchern unnötig nachsuchen müssen?

Dr. h. c. Richard Stücklen (Minister:in)

Politiker ID: 11002281

Herr Kollege, das ist nicht nötig. In den neuen Fernsprechbüchern finden Sie die gewünschten Anschlüsse ohnedies. Ich gebe zu, daß bei gleichen Familien- und Vornamen Erschwernisse eintreten, denn Sie müssen nicht nur den Vornamen aufsuchen, sondern Sie brauchen noch ein anderes Merkmal; das ist der Beruf oder die Straße.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Wittrock.

Karl Wittrock (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002545, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Bundesminister, nachdem Sie soeben einige Beispiele der Zusammenfassung von Fernsprechbezirken in einem Fernsprechbuch erwähnt haben, darf ich die Frage stellen, ob Sie in diesem Zusammenhang auch den Plan verfolgen, das Gebiet „Rhein-Main" - ich erwähne als Beispiel Wiesbaden-Mainz -, in einem Fernsprech7242 buch zusammenzufassen, und zwar im Hinblick auf das bestehende Verkehrsbedürfnis über den Rhein hinweg.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Minister:in)

Politiker ID: 11002281

Das ist durchaus möglich, Herr Kollege. Ich werde diese Frage prüfen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Eine zweite Zusatzfrage!

Karl Wittrock (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002545, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, ich habe vor einiger Zeit hier im Plenum des Bundestages bereits eine Frage in dieser Richtung gestellt.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Fragen! Eine Frage muß ich hören!

Karl Wittrock (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002545, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sie kommt jetzt, Herr Präsident.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Keine langen Vorreden!

Karl Wittrock (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002545, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Darf ich aus Ihrer Antwort entnehmen, daß die damalige Antwort, die von dem Herrn Staatssekretär Ihres Hauses gegeben worden war, Ihrem Gedächtnis, Herr Minister, entschwunden war und daß Sie jetzt mit Tatkraft an die Lösung dieses Problems herangehen?

Dr. h. c. Richard Stücklen (Minister:in)

Politiker ID: 11002281

Herr Kollege Wittrock, die Deutsche Bundespost ist ein dynamisches Unternehmen, und was vor einem Jahr und einem halben Jahr galt, kann längst überholt sein. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Abgeordneter Felder, Sie verzichten auf eine Zusatzfrage. Ich gehe weiter zu dem Geschäftsbereich des Herrn Bundesministers für Wirtschaft und rufe auf die Frage XI/1 - des Abgeordneten Bading -: Gedenkt die Bundesregierung Maßnahmen zu ergreifen, und gegebenenfalls welche, die bewirken. daß besonders niedrige Preise auf den Erzeugermärkten für Obst und Gemüse - wie derzeit in Hessen - sich auch in den Verbraucherpreisen niederschlagen, um hierdurch einen Mehrverbrauch auszulösen und den Segen einer guten Ernte gleichermaßen allen, Erzeugern und Verbrauchern, zugute kommen zu lassen? Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär!

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei jeder reichen Obst- und Gemüseernte werden Klagen über zu hohe Handelsspannen laut. In diesem Jahre konnte festgestellt werden, daß das große Angebot an Obst und Gemüse nicht nur zu einem erheblichen Rückgang der Erzeugerpreise geführt hat, sondern daß sich, wenn gleich in wesentlich geringerem Ausmaße, auch die Verbraucherpreise rückläufig entwickelt haben. So ist gegenüber dem August des Vorjahres der Index der Erzeugerpreise bei Obst um 26,8 Prozent, bei Gemüse um 45,3 Prozent zurückgegangen. Der Index der Verbraucherpreise lag demgegenüber bei Obst um 9,4 Prozent und bei Gemüse um 11,3 Prozent niedriger als zu entsprechenden Vorjahrszeiten. Bei Kartoffeln steht einem um 35,3 Prozent gesunkenen Erzeugerpreisindex sogar ein Rückgang des Verbraucherpreisindexes um 28,8 Prozent gegenüber. Es ist zuzugeben, daß sich die Handelsspannen im Verhältnis zum Vorjahr verschiedentlich ausgeweitet haben. Die Berechtigung dieser Ausweitung und ihren Umfang im einzelnen festzustellen ist außerordentlich schwierig. Die jeweils notierten Erzeuger- und Verbraucherpreise können nicht ohne weiteres, ja ich möchte sogar sagen: im allgemeinen nicht miteinander verglichen werden. Insbesondere sind bei großem Angebot die Preise auch bei gleicher Handelsklasse und gleicher Sorte sehr unterschiedlich. Um Ihnen ein Beispiel zu nennen: Die durchschnittlichen Erzeugerpreise für eine bestimmte Apfelsorte der Handelsklasse A differierten am gleichen Tage auf mehreren Großmärkten zwischen 25,- DM und 88,- DM, für Stangenbohnen zwischen 43,- DM und 98,- DM je 100 Kilo. Schon geringe Unterschiede in Qualität, Größe, Sortierung und Aufmachung drücken sida bei einem solchen Angebot sehr erheblich im Preis aus. Hohe Preisforderungen sind aber auch deswegen möglich, weil ein großer Teil der Verbraucher bestrebt ist, bestes Qualitätsobst besonders begehrter Sorten in guter Aufmachung zu erwerben. Bei der gegebenen Marktfülle sollte der Verbraucher aber von der Möglichkeit, überhöhten Preisforderungen auszuweichen, mehr Gebrauch machen. Eine Festsetzung der Preise oder Handelsspannen würde zu einer Einengung des Wettbewerbs und bei dem außerordentlich differenzierten Angebot zu einem unübersehbaren Verwaltungsaufwand führen. Dabei wäre noch keine Gewähr für die Wirksamkeit einer auch Fachkenntnisse erfordernden Preisüberwachung gegeben. Infolgedessen glauben wir, daß staatliche Eingriffe auf diesem Gebiet letztlich niemandem nützen würden. Wir versprechen uns daher von derartigen Maßnahmen keine zufriedenstellende Lösung.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Eine Zusatzfrage!

Harri Bading (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000073, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, sind Sie nicht der Ansicht, daß die Unterbringung besonders großer Ernten von leichtverderblichen Erzeugnissen auch besondere organisatorische Maßnahmen der am Markt Beteiligten erforderlich macht und daß die Bemühungen, die in dieser Richtung laufen, auch von der Regierung unterstützt werden sollten? Sind Sie bereit, !die Führung bei ,der Unterstützung solcher Bemühungen zu übernehmen?

Not found (Staatssekretär:in)

Ich möchte darauf antworten, daß in der Tat in Kriegs- und Nachkriegszeiten eine Festsetzung der Handelsspannen erfolgte. Aber ich bitte zu beachten, daß damals ein wesentlich geringeres Angebot an den Markt kam, das zudem wesentlich einförmiger war, und daß zu jener Zeit die Nachfrage auch wesentlich dringender war. Wir glauben tatsächlich, daß wir nicht gut daran täten, durch ein Verwaltungssystem hier einzugreifen, und meinen, daß wir damit auch die Unterbringung der ganzen Ernte nicht fördern würden.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Eine Zusatzfrage!

Harri Bading (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000073, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich möchte noch die Zusatzfrage an Sie stellen, ob Sie tatsächlich der Meinung sind, daß man solche Schwemmen an Obst und Gemüse einfach als gottgegeben hinnehmen muß und daß von der Regierung dagegen nichts getan werden kann.

Not found (Staatssekretär:in)

Wir möchten die gute Ernte, Herr Abgeordneter, nicht als gottgegebene Bürde, sondern als einen Segen ansehen. Denn wie ich eben .auszuführen .die Gelegenheit hatte, ist ja ,auch dem Verbraucher die gute Ernte wenigstens dadurch zugute gekommen, daß er im großen Schnitt um etwa 10% niedrigere Preissee hatte. Ich wiederhole: die Handelsspannen bei dieser großen Differenziertheit im einzelnen zu überprüfen, würde einen Verwaltungsaufwand erfordern, der nach meiner Meinung in keinem gesunden Verhältnis zu der daraus resultierenden möglichen Erleichterung stünde.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Die Frage XI/ 2 ist zurückgestellt. Frage XI/3 - des Herrn Abgeordneten Bading -: Hat die Bundesregierung davon Kenntnis, daß die Konjunkturpolitik der Deutschen Bundesbank die mittleren und kleineren Gewerbe- und Landwirtschaftsbetriebe, besonders in ländlichen Gegenden, viel stärker trifft als die größeren Unternehmungen in den Industriegebieten und darüber hinaus die Maßnahmen zur regionalen Wirtschaftsförderung sowie zur Agrarstrukturverbesserung stark behindert, und gedenkt sie gegebenenfalls aus dieser Kenntnis Folgerungen zu ziehen?

Not found (Staatssekretär:in)

Ich antworte dem Abgeordneten Bading folgendes: Genaue Unterlagen über die Auswirkung der Kreditpolitik auf die mittleren und kleineren Gewerbe- und Landwirtschaftsbetriebe liegen nicht vor. Die Bundesbank hat jedoch in ihrem Monatsbericht vom Juni 1960 - ich bedauere sagen zu müssen, daß neueres Material noch nicht überarbeitet ist - Material über die Kreditentwicklung bei den einzelnen Bankengruppen veröffentlicht. Danach hatte sich die Expansion der kurzfristigen Kredite in den zurückliegenden Monaten ganz besonders bei den Kreditgenossenschaften und Sparkassen beschleunigt. Die Zuwachsraten lagen zum Teil wesentlich höher als bei den übrigen Bankengruppen. Ein ähnliches Bild zeigte sich auch bei den mittel- und langfristigen Krediten, deren Zuwachsrate am höchsten bei den Instituten des Genossenschaftssektors war, also bei gewerblichen Kreditgenossenschaften, Zentralkassen und ländlichen Kreditgenossenschaften. Da die Kreditnehmer dieser Institute vornehmlich mittelständische Betriebe des Gewerbes und der Landwirtschaft sind, ergeben sich keine Anhaltspunkte für die Behauptung, daß diese Wirtschaftsbereiche von den restriktiven Maßnahmen besonders betroffen worden seien. In letzter Zeit ist zwar die Kreditexpansion insgesamt etwas langsamer geworden, was ja im übrigen auch der Zweck der Notenbankpolitik war; an der Struktur der Kreditentwicklung dürfte sich jedoch dabei nichts Wesentliches geändert haben. Aus den Daten über die Geld- und Kreditentwicklung läßt sich auch keineswegs der Schluß ziehen, daß die Maßnahmen zur regionalen Wirtschaftsförderung und zur Verbesserung der Agrarstruktur behindert werden, zumal sich diese Förderung ganz überwiegend unabhängig von der Kreditpolitik auswirkt. Die Bundesregierung wird im übrigen auch weiterhin die Auswirkungen der Kreditpolitik in allen Bereichen der Wirtschaft sehr sorgfältig beobachten.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Eine Zusatzfrage.

Harri Bading (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000073, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, sind Sie nicht der Ansicht, daß eine Steigerung der Geldkosten von 5 auf etwa 61/2 % innerhalb eines Dreivierteljahres für diese Maßnahmen eine Behinderung bedeutet?

Not found (Staatssekretär:in)

In der Tat bin ich der Ansicht, daß es eine Behinderung bedeutet. Das ist der ganze Sinn der restriktiven Maßnahmen der Notenbank gewesen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Eine zweite Zusatzfrage.

Harri Bading (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000073, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehen Sie nicht einen Widerspruch darin, daß Bundes- und Ländermittel für regionale und agrarische Strukturverbesserungsmaßnahmen zur Verfügung gestellt werden, daß aber auf der anderen Seite durch die für andere Teile der Wirtschaft durchaus berechtigte Kreditverteuerung die Durchführung dieser Maßnahmen wieder behindert wird?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, ich sehe keinerlei Widerspruch darin, um so weniger, als diese regionalen Förderungsmaßnahmen - wie ich eben Gelegenheit hatte auszuführen - überwiegend ganz unabhängig von der Kreditpolitik gewährt werden, so daß sich diese Dinge also nicht widerläufig verhalten, sondern voneinander getrennt sind.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Wir kommen zur Frage XI/4 - des Abgeordneten Gewandt -: Wie ist der Stand der Kabinettsberatungen über eine Bundesförderung der Entwicklung und Fertigung eigener deutscher Flugzeugtypen? Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär des Bundeswirtschaftsministeriums.

Not found (Staatssekretär:in)

Das Bundesministerium für Wirtschaft geht davon aus, daß die Entwicklung von zivilen Flugzeugen in der Bundesrepublik Deutschland grundsätzlich erwünscht und förderungswürdig ist. Über die von der Luftfahrtindustrie vorgelegten und von der Deutschen Lufthansa begutachteten Projekte ist in mehreren Sitzungen des Kabinettsausschusses für Wirtschaft verhandelt worden. Über die Art und Weise der Förderung sind Beschlüsse bisher nicht gefaßt worden. Die Förderungswürdigkeit der vorgelegten Projekte wurde nach eingehender Überprüfung in technischer und betriebswirtschaftlicher Hinsicht durch die beteiligten Bundesressorts anerkannt. Die beteiligten Firmen 'der Luftfahrtindustrie sind der Meinung, daß die Entwicklung ziviler Flugzeuge in der Bundesrepublik Deutschland nach der Praxis des Auslandes durch Entwicklungsaufträge, Zuschüsse oder bedingt rückzahlbare Darlehen des Bundes gefördert werden sollte. Etwa Mitte Oktober wird das Präsidium des Bundesverbandes der Deutschen Luftfahrtindustrie zu einer Aussprache mit dem Bundesminister für Wirtschaft zusammentreffen und die Auffassung der Industrie zur Förderung der Entwicklung ziviler Flugzeuge in der Bundesrepublik Deutschland vortragen. Nach dieser Besprechung werden die Projekte abschließend erneut dem Kabinettsausschuß für Wirtschaft vorgelegt, um eine Entscheidung über die Förderungsmaßnahmen im Kabinett vorzubereiten bzw. herbeizuführen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Keine Zusatzfrage. XII. Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern. Ich rufe auf die Frage XII/1 - des Abgeordneten Dr. Mommer -: Hält die Bundesregierung Behauptungen über Zusammenhänge zwischen Zigarettenrauchen und der wachsenden Häufigkeit von Herzinfarkt und Lungenkrebs für wissenschaftlich genügend fundiert, um gesundheitspolitische Maßnahmen zu erwägen? Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort liegt noch nicht vor. Sie wird nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt. Frage XII/2 - des Abgeordneten Dr. Kohut -: Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß die Teerprodukte Kunstrum und Kunstarrak gesundheitlich schädlich sind, und trifft es zu, daß die Bundesregierung dennoch erwägt, die Herstellung dieser Produkte durch eine Verordnung zum Lebensmittelgesetz wieder zuzulassen?

Dr. Gerhard Schröder (Minister:in)

Politiker ID: 11002077

Die Antwort, Herr Kollege, meine Damen und Herren, lautet folgendermaßen: Die Bundesregierung teilt nicht die Auffassung, daß es sich bei den in Osterreich und anderen Staaten seit langem im Verkehr anzutreffenden Getränken Kunstrum und Kunstarrak um ,gesundheitsschädliche Teerprodukte handelt. Bei den Getränken, deren Herstellung auf Wunsch der sudetendeutschen Vertriebenen mit Unterstützung von Bundestagsabgeordneten und Landtagsabgeordneten aus Baden-Württemberg durch Ergänzung der Essenzenverordnung wieder zugelassen werden soll, kann es sich nur um solche Spirituosen handeln, die mit lebensmittelhygienisch einwandfreien und lebensmittelrechtlich ausdrücklich zugelassenen Essenzen hergestellt werden.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Eine Zusatzfrage? - Bitte sehr!

Dr. Oswald Adolph Kohut (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001169, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Es ist also beschlossen, das Lebensmittelgesetz auf Grund politischer Vorstellungen aus Süddeutschland zu durchlöchern?

Dr. Gerhard Schröder (Minister:in)

Politiker ID: 11002077

Herr Kollege Dr. Kohut, Sie nehmen eine Wertung vor. Ich habe gerade gesagt, daß eine Ergänzung der Essenzenverordnung 'erfolgen soll. Bei dieser Einschätzung des Problems möchte ich bleiben.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Keine weiteren Zusatzfragen. Frage XII/3 - des Abgeordneten Kreitmeyer -: Ist die Bundesregierung gewillt, aus der Nichtigkeitserklärung des Beförderungsschnittes durch das Bundesverfassungsgericht vom 14. Juni 1960 die Konsequenzen zu ziehen und von sich aus den seit dem 14. Juli 1953 im Bundesbeamtengesetz festgelegten und durch § 78 des G 131 auch für diesen Personenkreis verbindlich gemachten Beförderungsschnitt unverzüglich durch Neufestsetzung der Versorgungsbezüge zu bereinigen? Zur Beantwortung der Herr Bundesinnenminister.

Dr. Gerhard Schröder (Minister:in)

Politiker ID: 11002077

Die Antwort lautet folgendermaßen: Für die Neufestsetzung von Versorgungsbezügen nach dem Bundesbeamtengesetz auf Grund des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Juni 1960 gilt § 79 Abs. 2 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes. Nach dieser Vorschrift bleiben nicht mehranfechtbare Verwaltungsakte vorbehaltlich 'einer besonderen gesetzlichen Regelung für die Vergangenheit unberührt; die unter Berücksichtigung des Beförderungsschnitts ergangenen, unanfechtbar gewordenen Versorgungsbescheide werden demgemäß erst für die Zeit ab 1. Juni 1960 der nach dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts geltenden Rechtslage angepaßt; noch anfechtbare Bescheide werden auch mit Wirkung für die Vergangenheit geändert. Für den Bereich des Gesetzes zu Art. 131 des Grundgesetzes, in dem nach dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts die Regelung des § 110 des Beamtengesetzes rechtsgültig ist, verweise ich auf die Beantwortung der Kleinen Anfrage der Fraktion der FDP, Drucksache 2035. Hier habe ich bereits mitgeteilt, daß die Beratung des Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zu Art. 131 des Grundgesetzes, Bundestagsdrucksache 2046, dem Gesetzgeber Gelegenheit zur Entscheidung der Fragen geben wird, die sich aus dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts für diesen Bereich ergeben.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Eine Zusatzfrage?

Reinhold Kreitmeyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001210, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Minister, darf ich Ihrer Antwort entnehmen, daß Sie sich noch nicht dazu durchringen können, wenigstens grundsätzlich die Erklärung abzugeben, daß Sie gewillt sind, die Ausnahme- und Sondergesetzgebung, unter die man die 131er, insbesondere die Berufssoldaten, gestellt hat, nunmehr nach zehn Jahren zu bereinigen?

Dr. Gerhard Schröder (Minister:in)

Politiker ID: 11002077

Herr Kollege Kreitmeyer, ich würde mich etwas anders ausdrücken. ({0}) Ich würde sagen, daß ich die Entscheidung über ein so delikates Problem dem Gesetzgeber selbst überlassen möchte.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Letzte Zusatzfrage!

Reinhold Kreitmeyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001210, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Darf ich Ihnen in dieser Hinsicht die Versicherung abgeben, Herr Minister, daß Sie nicht Gefahr laufen, in diesem Hause keine Mehrheit zu finden, denn

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das ist eine ganz unechte Frage. Das ist eine Versicherung, aber keine Frage, selbst wenn Sie den Satz mit einer Frageformel eingeleitet haben.

Reinhold Kreitmeyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001210, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

- es sollte Ihnen nicht entgangen sein, daß bei der Feier zum zehnjährigen Bestehen des Verbandes deutscher Soldaten alle hier im Hause vertretenen Parteien ihre besondere Anerkennung dafür ausgesprochen haben, daß gerade dieser Kreis, demgegenüber man vor 10, 12 Jahren wohl mit einer gewissen Zurückhaltung auftreten konnte, sich in der abgelaufenen Zeit absolut positiv am Staatsaufbau, nicht zuletzt beim Aufbau der Bundeswehr und des Reserveoffizier- und Unteroffizierkorps beteiligt hat?

Dr. Gerhard Schröder (Minister:in)

Politiker ID: 11002077

Ich habe leider nicht die Freude gehabt, auf dieser Veranstaltung anwesend zu sein und die vorzüglichen Erklärungen zu hören, die dort abgegeben worden sind. Wenn ich dem nachgehe, was Sie sagen, würde ich für die Beratungen innerhalb des Hauses eine günstige Prognose stellen. Aber das bleibt abzuwarten.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Ich rufe auf die Fragen XII/4 bis 6 - des Abgeordneten Ehren -: Wie viele Angestellte des Bundes befanden sich am 1. Juli 1960 im Alter von 50 bis unter 55 Jahren, 55 bis unter 60 Jahren, 60 bis unter 65 Jahren, 65 und mehr Jahren? Ist der Bundesregierung Art und Umfang der Altersversorgung der Angestellten des Bundes über 50 Jahre, und ist ihr insbesondere bekannt, daß ein großer Teil dieser Angestellten, der zumeist in den Gruppen III bis I beschäftigt ist, nur Renten erhalten kann, die zur Bestreitung des Existenzminimums keineswegs ausreichen, da die Betreffenden als frühere Angestellte in leitender Stellung der Versicherungspflicht nicht unterlagen? Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um den über 50 Jahre alten Angestellten des Bundes, die durch den Ausgang des zweiten Weltkrieges unverschuldet - z. B. durch Kriegsgefangenschaft, Vertreibung oder Flucht - in diese untragbare Lage geraten sind, einen auch wirtschaftlich tragbaren Ruhestand zu ermöglichen? Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Bundesminister des Innern.

Dr. Gerhard Schröder (Minister:in)

Politiker ID: 11002077

Ich beantworte die drei Fragen folgendermaßen. 1. Unterlagen über die Altersschichtung der Angestellten des Bundes sind nicht vorhanden. Die gewünschten Anlagen könnten nur durch eine besondere Erhebung ermittelt werden. 2. Der Bundesregierung ist Art und Umfang der Altersversorgung des genannten Personenkreises bekannt. Es wird zur Zeit geprüft, ob die Lage der älteren Angestellten des Bundes, die keine oder nur eine geringe Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung zu erwarten haben, verbessert werden kann. Konkrete Angaben über Lösungsmöglichkeiten können noch nicht gemacht werden.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Eine Zusatzfrage?

Hermann Ehren (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000444, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Danke sehr!

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Ich rufe auf die Frage XII/7 - ,des Abgeordneten Wittrock -: Ist nach Auffassung der Bundesregierung bei einem Beamten, der wegen angeblicher Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt worden ist, eine Uberprüfung dieser angeblichen Dienstunfähigkeit zu veranlassen, wenn sich herausstellt, daß der als dienstunfähig pensionierte Beamte aus der privatwirtschaftlichen Nutzung seiner Arbeitskraft Einnahmen erzielt, die den Betrag von 84 000 DM erheblich übersteigen? Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Bundesminister des Innern.

Dr. Gerhard Schröder (Minister:in)

Politiker ID: 11002077

Die Antwort an den Herrn Kollegen lautet folgendermaßen. Einem wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzten Beamten, der wieder dienstfähig geworden ist, muß bei einer etwaigen Wiederverwendung ein Amt übertragen werden, das seinem früheren Amt entspricht. Dies ist nur möglich, wenn eine entsprechende Planstelle zur Verfügung steht. Ist ,das der Fall und besteht ein dienstliches Interesse an der Wiederverwendung, so ist die Dienstfähigkeit zu überprüfen, wenn sich Anhaltspunkte dafür ergeben, daß der Ruhestandsbeamte wieder dienstfähig geworden ist.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Zusatzfrage?

Karl Wittrock (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002545, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, darf ich im Hinblick darauf, ,daß, wie aus der Frage zu entnehmen ist, die jetzige Tätigkeit eines ehemaligen Staatssekretärs Veranlassung zu dieser Frage gegeben hat, fragen, ob die Bundesregierung im Hinblick auf die besonders rührige gewerbliche Tätigkeit dieses Herrn bereit ist, zu überprüfen, ob nicht die Versetzung in den einstweiligen Ruhestand durch eine arglistige Täuschung erschlichen worden ist?

Dr. Gerhard Schröder (Minister:in)

Politiker ID: 11002077

Herr Kollege Wittrock, ich darf vielleicht einen Teil aus meiner Antwort noch einmal etwas unterstreichen. Bundesinnenminister Dr. Schröder Die Überprüfung eines Ruhestandsfalles - um das einmal so zu nennen - kommt dann in Frage, wenn ein dienstliches Interesse an der Wiederverwendung des Betreffenden besteht und wenn außerdem eine entsprechende, geeignete Planstelle zur Verfügung steht. Das sind die Voraussetzungen. Das Vorliegen dieser Voraussetzung ist offenbar nicht zu bejahen, Es besteht kein Anlaß, die Überprüfung vorzunehmen. Sie haben gesagt: „eine arglistige - vielleicht wiederholen Sie freundlicherweise noch einmal Ihre Bemerkung.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

„Durch arglistige Täuschung erschlichen".

Karl Wittrock (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002545, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Das System der Fragestunde zwingt zu verschachtelten Fragesätzen. Ich darf deshalb die Frage noch einmal präzisieren. Ich bitte, dies aber nicht als Zusatzfrage anzusehen, Herr Präsident! ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Nein, ich bin großzügig.

Karl Wittrock (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002545, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich habe gefragt, ob die besonders einträgliche Tätigkeit des ehemaligen Staatssekretärs eine Tätigkeit, die ja den Einsatz der vollen Arbeitskraft erfordert - nicht Veranlassung zu der Prüfung gibt, ob in diesem Fall die Versetzung in den einstweiligen Ruhestand durch eine arglistige Täuschung erschlichen worden ist.

Dr. Gerhard Schröder (Minister:in)

Politiker ID: 11002077

Ich muß jetzt doch einmal zurückfragen: soll ich das dahin auffassen, daß die Versetzung in den Ruhestand mit einem bestimmten Ziel - auf Grund des gesundheitlichen Tatbestandes - herbeigeführt worden sei? Das ist offenbar der Sinn der Frage.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Minister, verzeihen Sie, Sie müssen antworten. Ich kann nicht zulassen, daß Sie auf Fragen Gegenfragen an den Fragesteller richten. ({0}) Hier wird gefragt und geantwortet, sonst kommen wir unweigerlich in die Diskussion mit schamhaften Fragezeichen. Das wollen wir nicht. Frage und Antwort!

Dr. Gerhard Schröder (Minister:in)

Politiker ID: 11002077

Ich kann es mir sehr leicht machen, Herr Präsident, indem ich eine dialektische Antwort gebe. Ich mache den Versuch, auf den Kern einzugehen, woran dem Herrn Kollegen liegt. Ich möchte sagen: eine solche Veranlassung besteht nicht. Die Feststellung der Dienstunfähigkeit ist nach den geltenden Bestimmungen unter den dazugehörenden Umständen erfolgt. Ich darf hinzufügen: Geld verdienen allein ist noch kein Anzeichen für Gesundheit und Dienstfähigkeit. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Eine letzte Zusatzfrage!

Karl Wittrock (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002545, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Bundesinnenminister, erlaubt Ihre wohlwollende Antwort und erlaubt der Hinweis, daß im Augenblick kein dienstliches Interesse an einer dienstlichen Verwendung dieses ehemaligen Staatssekretärs bestehe, die Schlußfolgerung, daß die Bundesregierung ein politisches Interesse an der heutigen Tätigkeit dieses ehemaligen politischen Beamten hat?

Dr. Gerhard Schröder (Minister:in)

Politiker ID: 11002077

Die Antwort auf diese Frage kann ich tatsächlich nur aus meiner eigenen Beurteilung der Sache abgeben; denn da Sie die Bundesregierung nicht als solche angesprochen haben, kann ich nicht etwas allgemeinverbindlich aussagen. Ich würde die Frage rückhaltlos verneinen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Gut! - Zu einer Zusatzfrage Herr Dr. Bucher!

Dr. Ewald Bucher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000288, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Minister, welcher moralische Unterschied besteht aber zwischen diesem Fall und einem, den ich neulich als Rechtsanwalt zu bearbeiten hatte: Ein Mann wurde nämlich bestraft, weil er, obwohl er vom Arzt krank geschrieben war und Krankengeld bezog, gleichzeitig Holz hackte und sich betrank?

Dr. Gerhard Schröder (Minister:in)

Politiker ID: 11002077

Es bestehen bedeutende Unterschiede! ({0}) Die Betrachtungen können sich, glaube ich, nur an folgenden zwei Kategorien ausrichten: ob eine Versetzung in den Ruhestand nach den dafür gegebenen gesetzlichen - ärztlichen usw. - Voraussetzungen in Ordnung war oder nicht. Daß aus aktiver Tätigkeit ausgeschiedene Damen und Herren - das gilt für Wirtschaft und Staat - an anderer Stelle noch unter Umständen außerordentlich erfolgreich tätig sein können, gehört allerdings zur langen Erfahrung.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Ich gehe weiter zur Frage XII/8 - des Herrn Abgeordneten Wittrock -: Halt es die Bundesregierung für zulässig, daß Angehörige der Bundesministerien bei nichtdienstlichen Arbeiten die Hilfskräfte und Hilfsmittel ihres Amtsbereichs in Anspruch nehmen, wie dies bei der Herstellung umfangreicher Referentenkommentare geschieht? Zur Beantwortung der Herr Bundesminister,

Dr. Gerhard Schröder (Minister:in)

Politiker ID: 11002077

Die Antwort an den Herrn Kollegen lautet wie folgt: Die Bundesregierung hält eine frei vereinbarte, außerdienstliche Zusammenarbeit von Angehörigen der Bundesministerien bei der Anfertigung schriftstellerischer Arbeiten für zulässig, wenn dienstliche Interessen dabei nicht beeinträchtigt werden. Auch gegen die Verwertung amtlicher Unterlagen bei privaten Veröffentlichungen können rechtliche Bundesinnenminister Dr. Schröder Bedenken nicht erhoben werden, sofern der Beamte dabei seine Verschwiegenheitspflicht nicht verletzt. Zur Veröffentlichung unveröffentlichter amtlicher Unterlagen bedarf der Beamte nach § 86 des Allgemeinen Teiles der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien der Genehmigung.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Eine Zusatzfrage?

Karl Wittrock (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002545, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Bundesminister, ist bei der Ausarbeitung dieser Antwort berücksichtigt worden, daß die Fülle von Kommentaren, die von Bediensteten, etwa des Bundeswohnungsbauministeriums, erstellt worden sind, die Schlußfolgerung nahelegt, daß es sich hierbei um einen nach § 66 Abs. 2 des Bundesbeamtengesetzes unzulässigen Mißbrauch handelt, dem der Dienstherr entgegenzutreten hat?

Dr. Gerhard Schröder (Minister:in)

Politiker ID: 11002077

Der Bundesminister für Wohnungsbau hat mir mitgeteilt, daß auch dort nach den vorstehend dargelegten Grundsätzen verfahren wird.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Eine letzte Zusatzfrage?

Karl Wittrock (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002545, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Es ist schade, daß man nicht auf alles eingehen kann. ({0}) Das liegt an dem strengen System.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Alles kann man nicht haben, Herr Kollege Wittrock.

Karl Wittrock (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002545, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Na, es gibt ja auch noch Debatten. Herr Bundesminister, ist bei Ihrer Antwort berücksichtigt worden, daß nach der heute noch geltenden Verordnung über die Nebentätigkeit von Beamten ein Beamter vermeiden soll, in einen - ich zitiere - „den Handel, das Gewerbe oder die freien Berufe nachteilig beeinflussenden Wettbewerb mit anderen geeigneten Personen" zu treten? Ist Ihnen bekannt, daß es bereits Prozesse gibt, die sich daraus ergeben haben, daß eine Werbung entfaltet worden ist mit dem Hinweis, die Mitarbeiter an einem Gesetz seien immer die besten Kommentatoren, und ist es nicht eine Dienstpflicht der Bundesregierung, hier für klare, saubere Verhältnisse zu sorgen?

Dr. Gerhard Schröder (Minister:in)

Politiker ID: 11002077

Herr Kollege Wittrock, wir sind beide Juristen und wissen aus unseren etwas verschiedenen Ausbildungszeiten, daß es immer Ministerial- und, sagen wir einmal, Universitätskommentare gegeben hat. Manchmal sehen die einen Autoren etwas scheel auf die anderen. Beide Kommentare sind aber notwendig, und ich glaube nicht, daß beide im Verhältnis eines unlauteren Wettbewerbs zueinander stehen könnten. Vielmehr kann man sich nur freuen, wenn die Damen und Herren ihre großen Gaben literarischer Art für das allgemeine Beste zum Tragen bringen. Ob die von Ihnen geschilderte Werbung eines Verlages den Beamten zur Last zu legen ist - wobei ich einmal unterstelle, daß sie beanstandet werden könnte -, ist eine noch offene Frage. Sicherlich ist diese Werbung nicht der Bundesregierung zur Last zu legen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Ich rufe die Frage XII/9 - des Abgeordneten Dr. Höck - auf: Entspricht die in der Zeitschrift „Deutsche Berufsfahrerzeitung", 11. Jahrgang, Ausgabe Juli 1960, Seile 166, 2. Spalte Mitte, gebrachte Meldung den Tatsachen, wonach ein Verkehrspolizist, der sein Soll an Strafmandaten nicht erfüllt, zur Verantwortung gezogen wird? Zur Beantwortung der Herr Bundesinnenminister.

Dr. Gerhard Schröder (Minister:in)

Politiker ID: 11002077

Die Antwort lautet wie folgt: Die in der Zeitschrift „Deutsche Berufsfahrerzeitung", Ausgabe Juli 1960, veröffentlichte Meldung, wonach ein Verkehrspolizist, der sein Soll an Strafmandaten nicht erfüllt, zur Verantwortung gezogen wird, entspricht nicht den Tatsachen. Eine Rundfrage bei den für die Polizei zuständigen Ländern hat ergeben, daß keine Anordnung besteht, wonach von Polizeibeamten ein „Soll" an Anzeigen oder gebührenpflichtigen Verwarnungen verlangt wird.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Eine Zusatzfrage? - Keine Zusatzfrage. Ich rufe die Frage XII/10 - des Herrn Abgeordneten Logemann - auf: Reichen die Bestimmungen des Lebensmittelgesetzes aus, um zu verhindern, daß der Margarine chemische Stoffe zugesetzt werden, deren völlige Unschädlichkeit nicht einwandfrei nachgewiesen ist? Zur Beantwortung der Herr Bundesinnenminister.

Dr. Gerhard Schröder (Minister:in)

Politiker ID: 11002077

Die Antwort lautet wie folgt: § 3 des Lebensmittelgesetzes verbietet es, Lebensmittel so herzustellen, daß sie geeignet sind, die menschliche Gesundheit zu schädigen. Diejenigen Margarine-Zusatzstoffe, die zur Zeit die Öffentlichkeit beschäftigen, sind „fremde Stoffe", deren Zusatz ohne ausdrückliche Zulassung seit der jüngsten Ergänzung des Lebensmittelgesetzes außerdem durch § 4 a Abs. 1 generell verboten ist; eine Zulassung wäre nur möglich, wenn die Unschädlichkeit einwandfrei nachgewiesen wäre. Zuwiderhandlungen gegen Verbote des Lebensmittelgesetzes würden sich nur verhindern lassen, wenn man die Herstellungsbetriebe einer ständig anwesenden amtlichen Aufsicht unterstellen könnte. Etwaige Zuwiderhandlungen wenigstens aufzudecken, ist Aufgabe der amtlichen Lebensmittelüberwachung. Abgesehen von den bisher schon bestehenden, in die gleiche Richtung zielenden Bestimmungen in den §§ 7 bis 10 des Margarinegesetzes vom 15. Juni 1897 hat der Gesetzgeber die Befugnisse Bundesinnenminister Dr. Schröder der amtlichen Lebensmittelüberwachung in den §§ 6 bis 9 des Lebensmittelgesetzes festgelegt mit der Maßgabe, daß ihr der Einblick in die Herstellungsbeschreibungen der Betriebe nicht zugestanden ist.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Eine Zusatzfrage? - Keine Zusatzfrage. Frage XII/11 - des Herrn Abgeordneten Dr. Miessner -: Ist die Bundesregierung auch heute noch der Meinung, daß sich an der Benachteiligung der Bundesbeamten infolge des unterschiedlichen Zeitpunktes des Inkrafttretens der diesjährigen Besoldungserhöhung „nichts ändern" läßt und daß man diese Angelegenheit „auf sich beruhen lassen" sollte, wie Herr Staatssekretär Dr. Anders am 22. Juni 1960 namens der Bundesregierung im Bundestag erklärte? Zur Beantwortung der Herr Bundesinnenminister.

Dr. Gerhard Schröder (Minister:in)

Politiker ID: 11002077

Die Antwort lautet wie folgt: Die Ihnen in der Fragestunde vom 22. Juni 1960 erteilte Antwort bezüglich des Inkrafttretens der diesjährigen Besoldungserhöhung ist auch heute noch zutreffend. Inzwischen haben die Beamtenverbände die Gewährung einer einmaligen Ausgleichszahlung beantragt; dieser Antrag ist Gegenstand der Prüfung.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Zusatzfrage? - Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Brück.

Valentin Brück (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000277, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, ich möchte Sie in diesem Zusammenhang einmal fragen, ob die Bundesregierung gegebenenfalls eine Novelle zum Bundesbesoldungsgesetz vorlegen will, um gewisse Besoldungsunterschiede auszugleichen, wie sie durch die Besoldungsänderungsgesetze der Länder, z. B. in Nordrhein-Westfalen, jetzt eingetreten sind. Verschiedene Beamtengruppen in verschiedenen Ländern, so auch im Bund, werden also verschieden besoldet, z. B. bei der Oberfinanzdirektion.

Dr. Gerhard Schröder (Minister:in)

Politiker ID: 11002077

Herr Kollege, niemand bedauert mehr als die Bundesregierung, daß das Besoldungsrecht in Bund und Ländern leider erheblich auseinanderzulaufen begonnen hat. Es wird viel darüber nachgedacht. Es ist schwer, eine Lösung zu finden, wie das nach den heutigen rein rechtlichen Bestimmungen verhindert werden kann. Ich glaube aber, daß bei allen künftigen Änderungen der Beamtenbesoldung immer versucht werden sollte, zwischen Bund und Ländern wieder Übereinstimmung in den besoldungsrechtlichen Grundsätzen zu finden.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Eine Zusatzfrage? - Keine Zusatzfrage. Frage XII/12 - des Herrn Abgeordneten Dr. Miessner -: Ist die Bundesregierung bereit, dem Bundestag - entsprechend der Forderung der Beamtenorganisationen - einen Antrag dahin vorzulegen, daß den Bundesbeamten zum Ausgleich für die in den Ländern früher als im Bund gezahlten Besoldungserhöhungen eine . einmalige Zulage in Hohe von etwa 15 v. H. der jeweiligen Bruttobezüge gezahlt wird? Herr Bundesminister, ist diese Frage mit beantwortet?

Dr. Gerhard Schröder (Minister:in)

Politiker ID: 11002077

Ich darf mich gegenüber dem Kollegen Miessner bei dieser Frage auf meine Antwort zu der vorher gestellten Frage beziehen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Eine Zusatzfrage!

Dr. Herwart Miessner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001506, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Minister, wie lange mag ungefähr noch die Prüfung der Bundesregierung dauern? Ich frage mit Rücksicht darauf, daß die Unruhe tatsächlich von Tag zu Tag größer wird.

Dr. Gerhard Schröder (Minister:in)

Politiker ID: 11002077

Es ist schwer, einerseits rein zeitlich darauf eine Antwort zu geben. Es ist noch schwerer, darauf in der Sache eine Antwort zu geben. Es liegt auf der Hand, daß es sich hier um ein schwieriges .Problem handelt.

Dr. Herwart Miessner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001506, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Danke.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Keine weitere Zusatzfrage! Frage XII/13 - der Frau Abgeordneten Dr. Hubert -: Hat die Bundesregierung geprüft, oh die deutsche Firma, die einen neuen Emulgator für Margarine verwandt hat, der wahrscheinlich für die seinerzeitige Bläschenkrankheit in Deutschland verantwortlich ist, vor dem Inverkehrbringen die notwendigen Versuche durchgeführt hat, oder ob etwa Fahrlässigkeit vorliegen kann? Zur Beantwortung der Herr Bundesminister des Innern .

Dr. Gerhard Schröder (Minister:in)

Politiker ID: 11002077

Die Frage wird bereits im Zuge der zur Zeit laufenden Ermittlungen geprüft. Vor Abschluß der Ermittlungen kann darüber noch nichts Genaueres gesagt werden.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Eine Zusatzfrage!

Dr. Elinor Hubert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000969, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

So kann der Herr Minister also noch nichts darüber sagen, ob es für notwendig gehalten werden wird, etwa strafrechtliche Ermittlungen anzustellen, um die Frage zu klären?

Dr. Gerhard Schröder (Minister:in)

Politiker ID: 11002077

Frau Kollegin, das wird von dem Ergebnis der jetzt laufenden Prüfung abhängen.

Dr. Elinor Hubert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000969, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Das kann ich verstehen. Noch eine Zusatzfrage!

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Letzte Zusatzfrage!

Dr. Elinor Hubert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000969, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Werden zur Zeit noch auf Grund einer Rechtsverordnung nach unserem Lebensmittelgesetz Emulgatoren in der deutschen Industrie für die Herstellung von Lebensmitteln verwandt?

Dr. Gerhard Schröder (Minister:in)

Politiker ID: 11002077

Ich möchte die Frage verneinen. Vielleicht erlauben Sie mir aber, daß ich mich zur Sicherheit doch noch einmal rückversichere und Ihnen dann die Antwort auf diese Frage schriftlich erteile.

Dr. Elinor Hubert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000969, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Danke sehr.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Nachtrag zu Drucksache 2077. Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Kanka: Beabsichtigt die Bundesregierung - u. a. nachdem die für die Leitung der Theater verantwortlichen Organe der Stadt Frankfurt ({0}) es für angebracht gehalten haben, ein Gastspiel des Ostberliner Theaters Am Schiffbauerdamm gerade zu einer Zeit stattfinden zu lassen, zu der die Statthalter der sowjetischen Gewalthaber in deren Zone, als deren Abgesandte die Mitglieder jenes Ostberliner Theaters mißbraucht werden, wieder einmal die Freiheit Berlins zu beschränken versuchen - in Verhandlungen mit den Landesregierungen oder auf sonstige Weise darauf hinzuwirken, daß solches und ähnliches künftighin vermieden wird - etwa mit Hilfe zu vereinbarender Rücktrittsrechte, die ausgeübt werden können, wenn jene Statthalter durch weitere Maßnahmen auf die Teilung Deutschlands hinarbeiten oder wenn sonstige Umstände öffentliche Schaustellungen aus der Zone als unangebracht erscheinen lassen?

Dr. Gerhard Schröder (Minister:in)

Politiker ID: 11002077

Die Antwort auf die Frage lautet wie folgt. Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß gemeinsam mit den Länderregierungen Wege gefunden werden müssen, um zu einer Zeit, in der die Machthaber der SBZ selbst die menschlichen Kontakte zwischen den Bürgern der Bundesrepublick und der SBZ zunehmend erschweren oder verhindern, dem Auftreten sowjetzonaler Kulturfunktionäre in der Bundesrepublik entgegenzuwirken. Dies ist um so dringlicher, als solch€ Veranstaltungen augenscheinlich, wie dies nach Zeitungsmeldungen beim Auftreten des Bert-Brecht-Ensembles in Marl und Lünen der Fall gewesen ist, vom SBZ-Regime für die lügnerischen Zwecke seiner Propagandahetze gegen die Bundesrepublik mißbraucht werden sollen. Der gesamte Fragenbereich der Kontakte zwischen der Bundesrepublik und der SBZ wird auf der nächsten Innenministerkonferenz im November dieses Jahres erörtert werden. Die Bundesregierung wird dabei den Standpunkt vertreten und im Rahmen ihrer Zuständigkeit dazu beitragen, daß nichts unterlassen wird, um die menschlichen Kontakte zwischen der Bevölkerung diesseits und jenseits der Zonengrenze aufrechtzuerhalten und zu fördern. Sie wird andererseits mit Nachdruck darauf hinwirken, daß ein Mißbrauch dieses so verständlichen Strebens nach menschlichen Kontakten durch das SBZ-Regime verhindert wird, auch wenn es sich um Veranstaltungen sowjetzonaler Gruppen und Ensembles handelt, die angeblich nur der Pflege der kulturellen Beziehungen zwischen den Bewohnern der Bundesrepublik und der SBZ dienen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Eine Zusatzfrage? - Keine Zusatzfrage. Damit sind wir am Ende der Fragestunde. Meine Damen und Herren, sämtliche Fragen sind beantwortet. Ich werde deshalb morgen vormittag um 9 Uhr Punkt 3 der Tagesordnung aufrufen; wir beginnen mit der Haushaltsrede des Bundesfinanzministers. Jetzt rufe ich Punkt 7 a und b auf: a) Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über vordringliche Maßnahmen in der gesetzlichen Krankenversicherung ({0}); b) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Lohnfortzahlung an Arbeiter im Krankheitsfalle ({1}). Ich frage, ob zur Einbringung das Wort gewünscht wird. - Herr Abgeordneter Professor Schellenberg!

Dr. Ernst Schellenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001954, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf Grund der besonderen Lage, die in bezug auf die Reform der Krankenversicherungen entstanden ist, hat die soziademokratische Fraktion einen Gesetzentwurf über vordringliche Maßnahmen in der gesetzlichen Krankenversicherung und einen Antrag auf Lohnfortzahlung an Arbeiter im Krankheitsfalle eingebracht. Ich muß deshalb zur Begründung dieser beiden Anträge auf die außergewöhnliche Situation in der Krankenversicherung und ihre Ursachen eingehen. Ziel der Bundesregierung war es, in dieser Legislaturperiode nicht nur Verbesserungen in den Leistungen der Krankenversicherung durchzuführen und die entsprechenden Finanzfragen zu regeln, sondern auch einen Stilwandel in unserer Sozialpolitik herbeizuführen. Dieser Zielsetzung entsprachen die Beschlüsse des Sozialkabinetts vom Jahre 1958 und der einstimmige Beschluß des Bundeskabinetts über die Regierungsvorlage von Ende 1959. Bei der ersten Lesung dieser Regierungsvorlage war eine erstaunliche Unsicherheit der Regierungspartei in allen Punkten erkennbar, die Gegenstand der öffentlichen Auseinandersetzung waren. Es wurde uns in Aussicht gestellt, daß diese Unklarheiten sehr bald im Ausschuß beseitigt würden. Tatsache ist jedoch, daß wir im Laufe der monatelangen Ausschußberatungen zu keinem der neuralgischen Punkte eine Stellungnahme der CDU-Fraktion, ja noch nicht einmal einzelner ihrer Mitglieder, erhalten haben. Bei dieser Sachlage haben wir Sozialdemokraten im Sozialpolitischen Ausschuß beantragt, die Beratung der Krankenversicherungsneuregelung zurückzustellen, ({0}) bis die Regierungspartei die Grundlagen der Reform geklärt hat. Nach unserem Antrag sollte in der Zwischenzeit die Neuregelung der Unfallversicherung beraten werden, deren Dringlichkeit durch Ihren Fraktionsbeschluß von vorgestern wohl auch Ihnen nunmehr klargeworden ist. ({1}) Sie haben unseren Antrag abgelehnt und im Ausschuß beantragt, weiter an der Krankenversicherungsreform zu arbeiten und mit der Abstimmung über einzelne Paragraphen zu beginnen, obwohl die Grundkonzeption immer noch unklar war. Wir standen und stehen auf dem Standpunkt, daß das eine unmögliche Methode für die Arbeit an Gesetzen ist, und sahen deshalb keine andere Möglichkeit, als am 12. Mai den Sozialpolitischen Ausschuß zu verlassen. Wir haben sodann erklärt, der einzige Weg aus den Schwierigkeiten sei nach unserer Auffassung der, nunmehr im Hinblick auf das Durcheinander davon Abstand zu nehmen, in dieser Legislaturperiode eine umfassende Reform durchzuführen, und sich auf die vordringlichen Maßnahmen zu konzentrieren. Meine Damen und Herren, die Entwicklung, die sich seitdem vollzogen hat, hat wohl die Richtigkeit dieser unserer Auffassung und die Notwendigkeit eines Vorschaltgesetzes bestätigt. Sicher werden mindestens einige von Ihnen auch inzwischen zu dieser Auffassung gekommen sein. Unter dem Druck der Initiative der Sozialdemokraten - einen Gesetzentwurf zur Regelung vordringlicher Maßnahmen einzubringen - hat sich die CDU-Fraktion beachtenswerterweise eilends zusammengefunden und am 25. Mai beschlossen, neue Grundsätze über die Kostenbeteiligung vorzusehen. „Neue Grundsätze" muß man sagen, um das nämlich von den „allerneuesten Grundsätzen", die dann später kamen, abzugrenzen. Es wurden von der CDU-Fraktion neue Grundsätze über die Kostenbeteiligung einstimmig beschlossen, und dabei sollte der „Schwarze Peter" der Selbstverwaltung zugeschoben werden. Der Öffentlichkeit wurde mitgeteilt, die Anträge zur Verwirklichung dieser neuen Grundsätze würden in den nächsten Tagen vorliegen, und dann könne die Arbeit an der Reform weitergehen. Wir warten auf diese Änderungsanträge noch heute. Ich weiß nicht, ob die Vorlage dieser Anträge zur Verwirklichung der neuen Grundsätze deshalb unterblieb, weil sich die CDU von der Richtigkeit unserer Bedenken gegen ihre „neue Konzeption" überzeugte oder weil man überlegte, ob es nicht doch ratsam sei, ebenfalls ein Vorschaltgesetz einzubringen, oder ob das Hin und Her durch die Zuspitzung in der Arztfrage bewirkt wurde. Vielleicht haben die verschiedenen Tatbestände zusammengewirkt. Ich muß in ,diesem Zusammenhang wenige Bemerkungen zur Arztfrage machen, und zwar deshalb, weil sie zum Angelpunkt der weiteren Entwicklung geworden ist. Bundesarbeitsministerium und CDU haben auf die ablehnende Haltung der Ärzte gegenüber der bisherigen Form - Regierungsentwurf und „neue Konzeption" - sehr nervös reagiert. Zuerst versuchte ,der Herr Staatssekretär im Bundesarbeitsministerium, den Ärzten mit dem Zeigefinger zu winken. Ich möchte eine Äußerung zitieren, die für die Situation typisch ist. Der Herr Staatssekretär erklärte den Ärzten: Sollte, was nicht zuletzt wegen deis Widerstandes der Ärzte möglich wäre, - ein Prophet! ({2}) die Selbstbeteiligung der Versicherten an politischen Widerständen scheitern, dann wird die Einführung des Seelenpauschales ernsthaft zur Diskussion stehen. Weiter sagte Herr Dr. Claussen: Eine solche Entwicklung würde auf weite Sicht das Ende des freien ärztlichen Berufsstandes bedeuten. Das war eine Drohung. Dann fiel das Wort „staatsabträgliche Aktion". Auch das Bundesarbeitsministerium blieb nicht untätig. „Zufällig" erfolgte eine Prüfung der Kassenärztlichen Vereinigung, „zufällig" gelangten die Prüfungsberichte in die öffentliche Diskussion. Es hat auch nicht ,an Versuchen seitens des Arbeitsministeriums gefehlt, ,die verschiedenen Gruppen der Ärzte, sagen wir einmal, gegeneinander auszuspielen. Ich darf an die verschiedenen Schriften - „Ärzte fordern Selbstbeteiligung" -, die aus öffentlichen Mitteln finanziert wurden, erinnern. Es entstand also ein sehr unerfreuliches Klima im Bereich Arbeitsministerium - Ärzte. Für dieses Klima trägt politisch der Herr Bundesarbeitsminister die Verantwortung. ({3}) Nur auf Grund dieses Klimas ist es erklärlich, daß übereifrige Beamte des Arb'eitsminist'eriums glaubten, im Sinne ihres Herrn Ministers zu handeln, als sie jene sensationelle Pressemitteilung mit der Drohung des Staatsanwalts gegen die Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung herausgaben. Damit war der Bogen überspannt worden, so daß sich der Herr Bundeskanzler persönlich um die Angelegenheit 'bemühen mußte. Der Herr Bundeskanzler hat dann all das, was ,als Stilwandel der Sozialpolitik proklamiert wurde, all das, was vom Kabinett zu den neuralgischen Punkten einstimmig beschlossen warden war, und auch das, was die CDU-Fraktion einstimmig an „neuer Konzeption" über die Selbstbeteiligung vorgelegt hatte, vom Tisch gewischt. Es besteht kein Zweifel, daß damit eine Wende in der Auseinandersetzung eingetreten ist, und es besteht wohl auch kein Zweifel darüber, daß die Ärzte einen großen Erfolg erzielt haben. Jemand, der an ,der Angelegenheit nicht ganz unbeteiligt ist, hat mir gesagt, diese Entwicklung sei nicht nur eine Rechtfertigung für unser Vorschaltgesetz, sondern sie sei auch ein politischer Erfolg der Opposition in diesem Hause. Wir wollen bescheiden sein ({4}) und uns heute - heute! - mit der Feststellung begnügen, daß die Konzeption der Bundesregierung, soweit sie einen Stilwandel in der Sozialpolitik herbeiführen sollte, seit 'der ersten Lesung des Gesetzes und seit der Vorlage unseres Gesetzentwurfs über vordringliche Maßnahmen gescheitert ist. ({5}) Das ist noch kein Sieg unserer Auffassung, aber eine empfindliche Schlappe für die Bundesregierung. ({6}) Meine Damen und Herren, gehen Sie einmal in Versammlungen und zu Ihren Wählern, da werden Sie das besser erfahren! ({7}) Insbesondere haben durch diese Entwicklung - das kann wohl auch keinem Zweifel unterliegen - der Herr Bundesarbeitsminister und alle die Stilwandler eine Niederlage erlitten, von der sie sich jedenfalls in dieser Legislaturperiode nicht mehr erholen werden. ({8}) Nun hat die CDU-Fraktion zwei Tage vor dieser Beratung den „allerneusten Vorschlag" zur Lösung der neuralgischen Punkte beschlossen. Es ist offensichtlich, daß Zeitpunkt und Inhalt in engem Zusammenhang mit unserem Entwurf und mit den beiden Anträgen ,stehen, die ich begründe. Im Zusammenhang mit diesem „allerneusten Vorschlag" wurde entsprechend einer Äußerung, die der Herr Bundeskanzler schon auf dem CDU-Parteitag in Karlsruhe gemacht hat, erklärt, daß nunmehr die schnelle Verabschiedung dieser neuen Konzeption und des Gesetzes notwendig sei und daß - das ergab sich daraus - ein Vorschaltgesetz, wie wir es vorlegen, überflüssig geworden sei. Dieser Auffassung können wir nicht zustimmen. Wer dreimal innerhalb kurzer Zeit zum gleichen Thema unterschiedliche Beschlüsse faßt, kann sich den Fragenkreis nicht gründlich genug überlegt haben. ({9}) - Das müssen Sie auch Ihren Wählern sagen! Im übrigen, was heißt denn in diesem Stadium der Arbeit der Gesetzgebung: Sie haben allerneuste Grundsätze beschlossen? Wir stehen in der Arbeit der Gesetzgebung. Jetzt müssen Gesetzesformulierungen vorgelegt werden. Dabei werden Sie, meine Damen und Herren von der CDU, noch einige Schwierigkeiten haben. Sie werden eine große Anzahl von Anträgen formulieren müssen, weil nämlich eine Änderung der Grundkonzeption der Regierungsvorlage vielfältige Konsequenzen mit sich bringt. Im übrigen darf ich Ihnen heute schon sagen: Es ändern sich, das ist jedermann klar, durch Ihren neuesten Vorschlag auch die finanziellen Grundlagen völlig. Wir dürfen wohl erwarten, daß Sie, wenn Sie uns Ihre formulierten Vorschläge zur Änderung der Regierungsvorlage bringen, die finanziellen Auswirkungen genauso detailliert darlegen, wie wir es im Entwurf unseres Vorschaltgesetzes getan haben. Wenn Sie schließlich, meine Damen und Herren, meinen, mit dem allerneuesten Vorschlag „Krankenscheingebühr" - um das Stichwort zu nennen -den Stein der Weisen gefunden zu haben, so muß ich Sie an die Erfahrungen mit der Krankenscheingebühr erinnern, die wohl doch überwiegend negativ sind. Die Krankenscheingebühr wurde 1924 durch Notverordnung eingeführt, 1930 durch Notverordnung geändert, 1933 durch Notverordnung wieder geändert und schließlich am Schluß des Krieges abgeschafft; dafür wurde die Arzneikostengebühr erhöht. Zuletzt ist 1956/57 in Baden-Württemberg die Krankenscheingebühr gefallen. Als letztes Land Europas hat Österreich in diesem Jahre die Krankenscheingebühr abgeschafft - aus gutem Grund! Vertreter des Bundesarbeitsministeriums haben wiederholt überzeugende Argumente gegen die Krankenscheingebühr vorgebracht. ({10}) Wir werden darauf zurückkommen, wenn Sie uns Ihre formulierten Anträge vorlegen. Nach den allerneuesten Grundsätzen soll es in Zukunft zwei Klassen von Versicherten geben - wenn ich Ihre Grundsätze recht verstanden habe -, nämlich Krankenschein-Patienten und Kostenerstattungs-Patienten. Ich darf in diesem Zusammenhang nur an die Begründung des Regierungsentwurfs erinnern, in der es zu § 186 heißt, daß ein solches Prinzip dem Grundsatz der gleichen Behandlung der Sozialversicherten widerspreche. Regierungsbegründung! Deshalb nehmen Sie bitte schon heute zur Kenntnis, daß noch nicht das letzte Wort über Ihre allerneueste Konzeption gesprochen ist. Und jetzt, meine Damen und Herren, zu der zentralen Frage, die heute vor uns allen steht. Nach Auffassung der Sozialdemokraten müssen nun endlich die Weichen für eine sinnvolle Weiterarbeit an der Krankenversicherung gestellt werden, und die Frage steht: Regelung der vordringlichen Fragen durch ein Vorschaltgesetz, wie wir es einbringen, oder umfassende Neuregelung der gesetzlichen Krankenversicherung? Herr Kollege Stingl hat vor wenigen Wochen in der Auseinandersetzung mit unserem Vorschaltgesetz erklärt, es müsse eine umfassende Modernisierung des gesamten Krankenversicherungsrechts geschaffen werden. Meine Damen und Herren, seit acht Jahren haben wir das hier in diesem Hause gefordert, seit unserem Antrag im Jahre 1952 auf Einsetzung einer unabhängigen sozialen Studienkommission. ({11}) Aber, meine Damen und Herren, die Frage ist doch die, ob bei dem gegenwärtigen Stand der Dinge eine Modernisierung des gesamten Rechts der Krankenversicherung in dieser Legislaturperiode erreicht werden kann. Der Regierungsentwurf enthält 400 Paragraphen. In internen Beratungen werden Sie höchstens eine Klarheit über 40 Paragraphen, über ein Zehntel des Gesamtkomplexes erreicht haben. Wer meint, meine Damen und Herren, in den „restlichen" 360 Paragraphen würden nur technische Dinge behandelt, der hat sich mit dem Fragenkreis noch nicht eingehend beschäftigt. Meine Damen und Herren, wenn man Ihrer Auffassung folgt - Modernisierung des Krankenversicherungsrechts in dieser Legislaturperiode -, dann muß man neben Versicherungspflicht und freiwilliger Versicherung auch die gesamten Leistungen neu regeln. Da gibt es, abgesehen von den Fragen der Kostenbeteiligung, über die Sie sich nun offen7252 bar geeinigt haben, eine ganze Reihe von Problemen, die noch weiter überlegt werden müssen. Beispielsweise wäre erforderlich eine sinnvolle Gestaltung der Vorsorgehilfe und der gesamten Krankenhilfe, Neuregelung der Mutterschaftshilfe oder, um andere Fragen zu nennen, der Zahnbehandlung, des notwendigen Zahnersatzes und all die vielen Themen, die die Mitglieder des Sozialpolitischen Ausschusses kennen. In einem Vorschaltgesetz, wie wir es wollen, kann man sich auf die Regelung von vordringlichen Fragen beschränken. Aber wenn man eine Reform durchführen will, dann muß man zwangsläufig sämtliche Vorschriften des Zweiten Buches der Reichsversicherungsordnung, Krankenversicherung, überdenken. Sie können sicher sein, daß wir, wenn an die Neuregelung aller Leistungsfragen herangegangen wird, auch noch einiges dazu zu sagen haben. Ich nenne nur zwei Fragen: Gesundheitssicherung und die wichtige Frage der Rehabilitation, die doch bisher sicher nicht ganz glücklich geregelt ist. Bei einer Neuregelung muß - um nur einige Fragen herauszugreifen - unbedingt auch das Krankenhausproblem angepackt werden. Der Pflegesatz, den die Krankenversicherung für 31/2 Millionen Kassenpatienten mit 80 Millionen Pflegetagen zahlt, bildet mit 1,5 Milliarden DM jährlich eine wesentliche finanzielle Grundlage unseres gesamten Krankenhauswesens. Mit der Finanzierung beschäftigen wir uns hier im Hause seit dem Krankenpflegegesetz. Wir haben früher Anträge gestellt, die Bundesregierung möge uns ihre Konzeption über die Krankenhausfinanzierung darlegen. Bisher sind diese Fragen noch nicht einmal innerhalb der Bundesregierung geklärt. Ich muß in diesem Zusammenhang an den peinlichen Vorfall auf dem letzten Krankenhaustag erinnern, auf dem der Herr Bundeswirtschaftsminister die Festrede hielt und in seinen Darlegungen etwas völlig anderes sagte als das, was der Herr Bundesarbeitsminister in der Festschrift für die gleiche Veranstaltung ausgeführt hatte. Das zeigt, daß ein solches Problem wie die Krankenhausfinanzierung nicht bei der Neuordnung der Krankenversicherung gewissermaßen nebenbei miterledigt werden kann. Eine andere Frage, die geregelt werden muß, wenn man eine Neuordnung in Angriff nimmt, ist die Krankenversicherung der Rentner. Das betrifft immerhin 7 Millionen Rentner. Hier muß doch bei einer Reform eine finanzielle Abgrenzung zwischen Krankenversicherung und Rentenversicherung geschaffen werden: Größenordnung : 11/2 Milliarden DM. Das kann man nicht aus dem Handgelenk regeln. Beim Vorschaltgesetz kann man diese Dinge erst einmal weiterlaufen lassen. Aber wenn man eine gesetzliche Neuregelung will, dann muß eine Abgrenzung im finanziellen Bereich, im Leistungsbereich und für den Kreis der versicherten Rentner usw. getroffen werden. Ein anderes Problem ist der vertrauensärztliche Dienst. Selbst wenn Sie hierbei von der Regierungsvorlage abgehen und auf die Verschärfung des vertrauensärztlichen Dienstes, die in der öffentlichen Diskussion mit Recht einen großen Widerspruch gefunden hat, verzichten, muß doch bei einer gesetzlichen Neuregelung der Krankenversicherung der vertrauensärztliche Dienst auch organisatorisch geordnet werden. Er liegt heute als Gemeinschaftsaufgabe bei den Trägern der Rentenversicherung, bei der Landesversicherungsanstalt. Wenn eine Neuregelung der Krankenversicherung vorgenommen werden soll, muß doch der Zwischenzustand, der durch die Verordnung von 1934 geschaffen wurde, so oder so beendet werden, auch im Interesse der sozialen Selbstverwaltung der Krankenversicherung und auch der der Rentenversicherung. Oder wenn Sie eine Neuregelung vornehmen, dann müssen Sie die §§ 368 ff., das Kassenarztrecht, neu fassen. ({12}) - Ja, meine Damen und Herren, Sie wollen dies, Sie wollen das. Na, ich bin gespannt, wie Sie letztlich wollen. Sie haben sich an dieser Frage schon einmal ,die Finger verbrannt. ({13}) Wir sind der Ansicht, daß man sich hinsichtlich des Kassenarztrechts auf das beschränken soll, was sich aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ergibt. Das bringt ohnehin vielfältige Probleme, die noch sehr eingehend überlegt werden müssen. Wenn aber Sie eine Neufassung der Vorschriften über das Kassenarztrecht betreiben wollen, dann brechen zwangsläufig wieder alle Probleme auf, die wir 1955 einigermaßen zufriedenstellend geregelt haben. Darüber muß sich jeder klar sein. Und was das bedeutet, das haben die letzten Wochen und Monate nur zu deutlich gezeigt. Ich möchte den Katalog abschließen. Vielfältige sonstige Fragen müssen bei einer Neuregelung geordnet werden, beispielsweise Rechte und Pflichten der Selbstverwaltung - da gibt es auch sehr bedenkliche Punkte in dem Regierungsentwurf -, Rechte der Staatsaufsicht, das gesamte Beitragswesen, Verwaltung der Mittel, Höhe der Rücklagen, Besonderheiten der Krankenversicherung der Bergleute, der Seeleute, Krankenversicherung bei Auslandsaufenthalt, das Organisationsrecht, Abgrenzung zwischen Ortskrankenkassen, Betriebskrankenkassen, Innungskrankenkassen, Ersatzkassen. Ein weites Feld von Problemen. Bei einem Vorschaltgesetz kann man diese vielschichtigen Fragen erst einmal so lassen, wie sie jetzt geregelt sind, und die Probleme gründlicher durchdenken. Aber wenn man eine Neufassung des Rechts vornimmt, muß man, wie es auch der Regierungsentwurf, jedoch in nicht sinnvoller Weise, versucht hat, diese Dinge anpacken. Allein zu den erwähnten Fragen, völlig unabhängig von der Kostenbeteiligung, liegen über hundert Änderungsanträge des Bundesrats vor. Es liegen ferner Stöße von fundierten Vorschlägen von Organisationen vor. Das alles kann man nicht leichthin abtun. Ein Neuregelungsgesetz hat schließlich zwangsläufig Auswirkungen auch auf andere Gesetze. Fünfzehn andere Gesetze will der RegierungsentDr. Schellenberg wurf ändern: Angestelltenversicherungsgesetz, Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung, Knappschaftsgesetz, Mutterschutzgesetz, Sozialgerichtsgesetz usw. Eine Fülle von Problemen sind zu lösen, wenn die umfassende Neuregelung gestaltet werden soll. Wir sind der Auffassung, daß sachliche Überlegungen dafür sprechen, in dieser Legislaturperiode auf eine umfassende Neuregelung zu verzichten und sich darauf zu beschränken, die vordringlichen Maßnahmen durchzuführen. Meine Damen und Herren, das ist deshalb notwendig, weil die Vorbereitungen für eine umfassende Neugestaltung leider viel zu mangelhaft sind. Ich komme nun zu Einzelheiten des Inhalts unseres Gesetzentwurfs; ich kann mich hier deshalb kurz fassen, weil eine schriftliche Begründung unseres Gesetzentwurfs vorliegt. Die sozialdemokratische Fraktion ist der Auffassung, daß, abgesehen von der Änderung der Versicherungspflichtgrenze - die durch die Lohn- und Gehaltsentwicklung bedingt ist - und der Anpassung des Kassenarztrechts an das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, vier Maßnahmen noch in dieser Legislaturperiode im Bereich der Krankenversicherung getroffen werden müssen: 1. Vorsorgeleistungen zur Erhaltung der Gesundheit und zur Verhütung von Krankheiten, 2. wirtschaftliche Sicherung im Krankheitsfall, 3. Beseitigung der Aussteuerung und 4. wirksame Verbesserung der Leistungen der Familienhilfe. Zu diesen Vorschlägen möchte ich einige kurze Erläuterungen geben. Zu 1, Vorsorgeleistungen zur Erhaltung der Gesundheit und zur Verhütung von Krankheiten: Da die Krankenversicherung bisher vorwiegend oder fast ausschließlich Leistungen nach Eintritt der Krankheit gewährt hat, liegen keine allgemeinen Erfahrungen über die Vorsorgehilfe in der Krankenversicherung vor. Wir sind deshalb der Meinung, daß durch das Vorschaltgesetz in dieser Hinsicht vorwiegend Rahmenvorschriften erlassen werden sollten, um der Selbstverwaltung die Möglichkeit zu vielfacher Initiative zu geben. Bis zur Gewinnung von Erfahrungen sollen diese Dinge möglichst frei gestaltet werden. Doch müssen und sollen der Gesetzgeber und die Öffentlichkeit genau über die weitere Entwicklung hinsichtlich der Vorsorgehilfe unterrichtet werden. Deshalb beantragen wir, daß die Bundesregierung alljährlich einen Bericht über die gewonnenen Erfahrungen bei der Vorsorgehilfe und über die Gestaltung der Leistungen vorlegen und gegebenenfalls Vorschläge für eine weitere gesetzliche Regelung machen soll. Im einzelnen schlagen wir als Vorsorgemaßnahmen vor: ärztliche, zahnärztliche Vorsorgeuntersuchungen, Vorsorgekuren und ferner die Möglichkeit für die Selbstverwaltung, alle sonstigen Leistungen der Vorsorgehilfe zu gestalten. Damit ist der Selbstverwaltung der größtmögliche Raum für freie Initiative gegeben. Es können Erfahrungen gewonnen werden, dann kann die Vorsorgehilfe durch den Gesetzgeber weiter ausgestaltet werden. Der zweite Bereich, der nach unserer Auffassung unbedingt noch in dieser Legislaturperiode geregelt werden muß, betrifft die wirtschaftliche Sicherung im Krankheitsfall. Bereits vor fünf Jahren, im September 1955, haben wir hier einen Gesetzentwurf über die Gleichstellung aller Arbeitnehmer im Krankheitsfall eingebracht. Nach harten Auseinandersetzungen ist im Jahre 1957 das sogenannte Krankengeldzuschußgesetz beschlossen worden. Dadurch wurden wirtschaftliche Verbesserungen im Krankheitsfall erreicht. Aber die große gesellschaftspolitische Aufgabe der Gleichstellung aller Arbeitnehmer harrt immer noch der Lösung. ({14}) Bei der Verabschiedung des Krankengeldzuschußgesetzes haben der damalige Bundesarbeitsminister und der Sprecher der Regierungspartei erklärt, daß das Krankengeldzuschußgesetz unter allen Umständen nur eine vorläufige Regelung sei. Es wurde auf die dritte Legislaturperiode - Neuordnung der Krankenversicherung - verwiesen. Im Regierungsentwurf findet sich aber nichts über die Gleichstellung aller Arbeitnehmer im Krankheitsfall. Zu Beginn dieser Legislaturperiode wurde der Aufgabenbereich des Bundesarbeitsministeriums erweitert. Das Ministerium erhielt die anspruchsvolle Bezeichnung „Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung". Bisher hat aber das Ministerium noch nichts getan, um zu einer sinnvolleren Gestaltung der Sozialordnung beizutragen. Der vorgelegte Regierungsentwurf hat eher zur sozialen Unruhe beigetragen. Wie bei kaum einer anderen Frage wäre eine Initiative der Bundesregierung, des Bundesarbeitsministeriums zur Gleichstellung aller Arbeitnehmer im Krankheitsfall geboten gewesen. Das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung hätte damit einen wirkungsvollen Beitrag zur Erfüllung seiner Aufgabe leisten können. Nachdem uns bisher ein Regierungsentwurf zur Gleichstellung aller Arbeitnehmer nicht vorliegt, ergreifen wir mit dem Antrag Drucksache 1927 die Initiative. Wir beantragen, die Bundesregierung möge unverzüglich einen Gesetzentwurf vorlegen. Wir wählen diesen Weg, damit uns nicht der Vorwurf gemacht wird, bei der Gleichstellung der Arbeitnehmer im Krankheitsfall handle es sich um eine gesellschaftspolitische Frage, die nicht in einem Vorschaltgesetz geregelt werden könne. Meine Damen und Herren von der CDU, Sie haben sich auf zwei Parteitagen im Grundsatz zur Gleichstellung aller Arbeitnehmer im Krankheitsfall bekannt. Wir sprechen deshalb die Erwartung aus, daß Sie sich heute zu unserem Antrag und damit zu Ihren eigenen Parteitagbeschlüssen bekennen und der Regierung den Auftrag geben, einen Gesetzentwurf vorzulegen, damit die Gleichstellung der Arbeitnehmer im Krankheitsfall noch in dieser Legislaturperiode verwirklicht werden kann. ({15}) Das Bundesarbeitsministerium würde durch eine solche Vorlage die zusätzliche Bezeichnung „und Sozialordnung" besser rechtfertigen als bisher. Abgesehen von der gesellschaftspolitischen Aufgabe der Gleichstellung aller Arbeitnehmer müssen - und damit komme ich wieder auf das Vorschaltgesetz zurück - unverzüglich wirksame MaßnahDr. Schellenberg men zur sonstigen Verbesserung der wirtschaftlichen Sicherung im Krankheitsfall getroffen werden. Wir beantragen, durch das Vorschaltgesetz den Zuschuß des Arbeitgebers zum Krankengeld so zu erhöhen, daß Krankengeld und Zuschuß zusammen für die ersten sechs Wochen der Arbeitsunfähigkeit die Höhe des Nettolohns erreichen. Mit großem Interesse haben wir davon Kenntnis genommen, daß gestern - offenbar unter dem Eindruck unserer Initiative, des Bevorstehens der heutigen Aussprache - bei der CDU beschlossen worden ist - einmal hieß es, von den christlichen Arbeitnehmern, einmal hieß es, von den Sozialpolitikern, anscheinend jedenfalls nicht von der gesamten Fraktion -, hinsichtlich der Erhöhung des Zuschusses ebenfalls initiativ zu werden und dafür einzutreten, daß Krankengeld und Zuschuß zusammen im Falle der Arbeitsunfähigkeit die volle Höhe des Nettolohns erreichen. Wir begrüßen diesen Beschluß eines Teiles Ihrer Fraktion oder, wie wir hoffen, vielleicht später der ganzen Fraktion. Aber wir müssen feststellen - das werden Sie uns nicht übelnehmen -, daß das wieder einmal eine Bestätigung dafür ist, daß Sie sich erst dann rühren, wenn wir vorher die Initiative ergriffen haben. ({16}) Ungeachtet dessen: wir freuen uns, daß diese Dinge nun offenbar endlich vorankommen. ({17}) In dem Vorschaltgesetz wird ferner von uns beantragt, Krankengeld für die gesamte Dauer der Krankheit ungekürzt weiter zu zahlen. Das ist eine Frage, die sowohl den Bedürfnissen der Arbeiter als auch denen der Angestellten entspricht. Denn in der Regel sind auch die Angestellten nach einer Krankheit von sechs Wochen ebenso schlecht gestellt wie die Arbeiter. Ferner beantragen wir, die Karenztage zu beseitigen. Der Regierungsentwurf sah ja in dieser Hinsicht keine Verbesserung der geltenden Regelung, sondern sogar eine Verschlechterung vor. ({18}) - Darüber wird man sich noch unterhalten müssen. Sie können ja bekennen, Herr Kolle Memmel, daß die Karenztage notwendig seien. Heute morgen habe ich in der Presse gelesen, daß die CDU für die Abschaffung der Karenztage sei. Deshalb bin ich betrübt, wenn Sie hier durch einen Zwischenruf bekennen, daß Sie die Regelung der Karenztage für eine notwendige Regelung halten. Ich darf Ihnen sagen: für uns Sozialdemokraten ist aber das nicht nur eine wirtschaftliche Frage, sondern die Beseitigung der Karenztage ist für uns ein sozialethisches Anliegen, ({19}) denn Karenztage bedeuten eine Diffamierung der Arbeiter. ({20}) - Wenn Sie der Auffassung sind, es sei keine Diffamierung, dann sind wir in unserer gesellschaftspolitischen Konzeption sehr weit auseinander. ({21}) Ich kann nichts anderes wünschen, als daß Sie das, was Sie hier hinsichtlich der Karenztage bekennen, auch draußen der Bevölkerung sagen. Wir halten es für eine sehr schlechte Sache, daß in bezug auf die wirtschaftliche Sicherung im Krankheitsfalle auch hinsichtlich der Karenztage - ich muß es wiederholen - immer noch eine Diffamierung des größten Teiles der arbeitenden Menschen besteht. Die Zeit ist überreif, diesen Zustand zu beenden. ({22}) Nun zu der dritten Leistungsfrage, der Beseitigung der Aussteuerung bei Krankengeld und Krankenhauspflege. Die geltenden Vorschriften beruhen auf der überholten Vorstellung, daß die Krankheit ein kurzfristiges Risiko sei. Gerade bei langdauernder Krankheit wird der kranke Mensch - darüber sind wir hoffentlich alle einig - besonders belastet. Wenn auch durch den Regierungsentwurf die Leistungsdauer verlängert wird, so besteht doch nach dem Regierungsentwurf nach Ablauf der verlängerten Frist immer noch eine Aussteuerung. Wir Sozialdemokraten sind grundsätzlich der Auffassung, daß die Aussteuerung beseitigt werden muß. Wir halten das für ein dringendes Anliegen. Deshalb beantragen wir in unserem Vorschaltgesetz, die Aussteuerung bei der Gewährung von Krankengeld und Krankenhauspflege, auf die ein Rechtsanspruch bestehen soll, zu beseitigen. Nun wenige Bemerkungen zu der 4. Leistungsfrage, die unseres Erachtens vordringlich geregelt werden muß: die Verbesserung von Leistungen der Familienhilfe. Ehegatten und Kinder sollen grundsätzlich die gleichen Leistungen wie Versicherte erhalten. Die Altersgrenze für Kinder, die in Schuloder Berufsausbildung stehen, soll heraufgesetzt werden. Ferner ist eine Verbesserung der Wochenhilfeleistungen vorgesehen. Wenn die Mutter eine Entbindung im Krankenhaus wünscht, soll ihr eine Krankenhauspflege gewährt werden. Hilfe und Wartung durch Krankenpfleger oder Krankenschwestern hat eine Pflichtleistung zu werden. Die Kasse soll ermächtigt werden, Zuschüsse zu den Kosten einer Hauspflegerin zu gewähren für den Fall, daß die Mutter im Krankenhaus liegt. Schließlich sollen die Vorschriften über die Höhe des Hausgeldes verbessert werden. Das alles sind vordringliche Regelungen. Nun wird behauptet, wir hätten uns aus dem Regierungsentwurf die Rosinen für unser Vorschaltgesetz herausgesucht. ({23}) -- Angesichts des ungenießbaren Teigs, den der Regierungsentwurf darstellt, wäre es immerhin schon eine Leistung, dort Rosinen zu finden. ({24}) Was sind die Tatsachen? Jeder kann sich darüber unterrichten, daß die Vorschriften über die Deutscher Bundestag - 3. Wahlperiode - 125. Sitzung. Bonn, Donnerstau den 29. September 1960 7255 Verbesserung der Leistungen, die wir jetzt beantragen, schon in unserem Gesetzentwurf von 1955 und in unserem Gesetzentwurf über Verbesserungen der Leistungen im Krankheitsfalle aus dem Jahr 1957 enthalten sind. Das ist nicht zu bestreiten. Wer es nachzulesen wünscht, dem will ich gern noch die Drucksachennummern mitteilen: 1704 und 3208 der vorigen Legislaturperiode. Das muß man klarstellen, um einer Legendenbildung zu begegnen. Nun zu dem Problem der Finanzierung. Wir haben unserem Entwurf eine ausführliche finanzielle Begründung beigefügt. Bisher habe ich in der öffentlichen Diskussion keinen Einwand gehört, daß unsere Berechnungen falsch seien. Ich darf deshalb wohl annehmen, daß wir in der Größenordnung ungefähr richtig liegen. Nach unserem Entwurf werden die Mehreinnahmen rund 630 Millionen DM im Jahr und die Mehrausgaben - ohne Vorsorgehilfe - rund 425 Millionen DM betragen, so daß für die Leistungen der Vorsorgehilfe ein Spielraum für die Selbstverwaltung von rund 200 Millionen DM verbleibt. Man sagt, wir machten uns die Finanzierung sehr leicht, indem wir den erforderlichen Aufwand größtenteils auf die Unfallversicherung und auf den Bund verlagerten. Gewiß, Leistungsverbesserungen müssen finanziert werden. Die politisch zu entscheidende Frage ist: von wem? Wir Sozialdemokraten stehen auf dem Standpunkt, daß der Krankenversicherung endlich ein angemessener Kostenersatz für Fremdaufgaben gewährt werden muß. Diese Notwendigkeit kann wohl auch von Ihnen, meine Herren Kollegen von der CDU und der FDP, nicht bestritten werden. ({25}) - Na, dann wäre die Finanzierung unseres Gesetzentwurfes gesichert. Im Jahre 1958 haben wir einen Antrag auf vollen Kostenersatz eingebracht. Nach den Beratungen im Ausschuß hat das Haus einstimmig beschlossen, die Bundesregierung zu beauftragen, unverzüglich zu prüfen, in welcher Form der Krankenversicherung eine angemessene Erstattung für die Fremdaufgaben gewährt werden kann. Seitdem sind zwei Jahre vergangen. Deshalb ist es wohl angebracht, wenn wir jetzt in unserem Gesetzentwurf über vordringliche Maßnahmen fordern, daß endlich eine Erstattung der Fremdausgaben erfolgt. ({26}) - Herr Dr. Atzenroth, das ist im beschlossenen Antrag genau aufgezählt: es sind sechs oder sieben Punkte. Ich möchte jetzt nicht in eine Spezialdebatte eintreten. Kommen Sie bitte in den Sozialpolitischen Ausschuß; da werden wir das eingehend darlegen. ({27}) Auch über die Einzelheiten der Erstattung werden wir sprechen müssen, wie selbstverständlich auch über die sonstigen Einzelheiten eines Vorschaltgesetzes. Entscheidend ist heute folgendes. Es ist sozialpolitisch, gesundheitspolitisch und auch nach den Vorstellungen von wirtschaftlicher Gerechtigkeit besser 'und sinnvoller, Kostenersatz für Fremdausgaben zu gewähren, als eine Kostenbeteiligung einzuführen, die zu Lasten der Krankenversicherten geht. ({28}) Aber bevor wir weiter über die Finanzierung des Vorschaltgesetzes durch Kostenerstattung oder über Ihre allerneuesten Vorstellungen in der Frage der Kostenbeteiligung durch Krankenscheingebühr sprechen, muß die zentrale Frage geklärt werden, wie die Arbeit an der Gestaltung der Krankenversicherung weitergehen soll. Meine Damen. und Herren, ich appelliere vor allen Dingen an Sie von der Regierungspartei: Lassen Sie den Gedanken einer Neuregelung der Krankenversicherung in dieser Legislaturperiode fallen. ({29}) Daraus kann nichts Sinnvolles mehr werden. ({30}) Um es noch einmal zu sagen: Daraus kann deshalb nichts werden, weil die Dinge zu kompliziert, weil die Sache zu verfahren und weil die Vorbereitungen zu schlecht sind. ({31}) - Sie werden sehen, Herr Kollege Memmel, wie die Sache weitergeht und sich festfährt. Vertiefen Sie sich in die Probleme, und Sie werden die Schwierigkeiten erkennen. Meine Damen und Herren, mein Appell an Sie geht dahin: Konzentrieren Sie sich mit uns darauf, die vordringlichen Aufgaben in der Krankenversicherung in dieser Legislaturperiode vernünftig zu regeln. Dann dienen wir, und darum geht es, der Gesundheit der versicherten Bevölkerung. ({32})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Der Herr Abgeordnete Schellenberg hat beide Vorlagen begründet. Die Debatte beider Vorlagen wird verbunden. Ich gebe das Wort idem Herrn Abgeordneten Horn.

Peter Horn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000959, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst für die Fraktion der CDU/CSU folgende Erklärung abgeben : Die CDU/CSU-Fraktion erklärt, daß nach ihrer Absicht die Vorlage über die Neuregelung der gesetzlichen Krankenversicherung als Ganzes und mit tunlichster Beschleunigung verabschiedet werden soll. Entsprechend den veränderten soziologischen Voraussetzungen ist die Fraktion der Meinung, daß die Frage einer Beteiligung der Versicherten an den Krankheitskosten in einem sozial vertretbaren Maße ein notwendiger Schritt zu einer Reform ist und daher nicht unter dem Gesichtspunkt der Finanzierung der Leistungen der Krankenkassen beurteilt werden sollte. Die Fraktion ist der Auffassung, daß für die Pflichtversicherten und darüber hinaus für einen Teil der freiwillig Versicherten die Selbstbeteiligung in Form einer Krankenscheingebühr durchgeführt werden soll. Weiterhin hält es die Fraktion für zumutbar, unter bestimmten Voraussetzungen bei den freiwillig Weiterversicherten einen ersten Schritt in das Kostenerstattungssystem zu tun. ({0}) Da bei der Entscheidung, in welchem Maße diese Reform durchgeführt werden kann, von maßgeblicher Bedeutung ist, wie die Sicherung der Arbeiter im Krankheitsfalle gewährleistet wird, ist die CDU/ CSU-Fraktion der Auffassung, daß gleichzeitig mit der Verabschiedung des Krankenversicherungs-Neuregelungsgesetzes auch die gesetzlichen Bestimmungen über die finanzielle Sicherung der Arbeiter im Krankheitsfalle eine Weiterentwicklung in Richtung auf das Ziel einer Angleichung zwischen Angestellten und Arbeitern erfahren soll. ({1}) Das entspricht auch den Beschlüssen von CDU/CSU-Parteigremien, u. a. von CDU-Parteitagen in dieser Frage. Hinsichtlich des Arztrechtes vertritt die CDU/ CSU-Fraktion die Auffassung, daß es grundsätzlich bei der bestehenden gesetzlichen Regelung verbleiben soll. Dazu gehört vor allem auch die Aufrechterhaltung der im Kassenarztrecht verankerten Selbstverwaltung, insbesondere mit Bezug auf die Zusammenarbeit von Ärzten und Krankenkassen in den dafür vorgesehenen Ausschüssen. Dabei muß den Folgerungen, die sich aus der Honorierung nach Einzelleistungen und aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts über die Zulassung der Ärzte zu den Krankenkassen ergeben, Rechnung getragen werden. - Soweit, meine Damen und Herren, diese Erklärung der CDU/CSU-Fraktion. Bevor ich mich mit den Ausführungen beschäftige, die Herr Kollege Dr. Schellenberg hier soeben gemacht hat, möchte ich bemerken, daß wir bei unserer Debatte unterscheiden zwischen der Reform der Krankenversicherung als solcher und der Frage der Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle im besonderen. Wir. wissen sehr wohl, wie eng diese beiden Fragen miteinander zusammenhängen, und ich sage das jetzt hier nur, weil zum Thema Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle nach mir mein Kollege Weimer sprechen wird. Der Herr Kollege Dr. Schellenberg hat in seinen Ausführungen, wie ich ihm bescheinigen möchte, zwar in durchaus sachlicher Weise zu den Dingen Stellung genommen. Es kann ihm auch nicht verübelt werden, wenn er mit Pathos und Energie für seinen Gesetzentwurf hier eintritt. Immerhin, an Selbstbewußtsein bezüglich eigener Initiative der SPD hat er es wahrhaftig nicht fehlen lassen. ({2}) Alle Fragen, die Herr Professor Schellenberg in diesem Zusammenhang angesprochen hat, sind auch Gegenstand und Inhalt der Gesetzesvorlage, die den Sozialpolitischen Ausschuß seit längerem beschäftigt. Wenn ich auch jetzt nicht die These vom „Rosinen-aus-dem-Kuchen-Picken" aufnehmen will, so darf ich doch sagen, daß der Inhalt dieses sogenannten Vorschaltgesetzes - selbstverständlich unter Beachtung gewisser Modifikationen oder Ergänzungen - weithin mit dem Leistungsrecht, wie es die Regierungsvorlage vorgesehen hat, übereinstimmt. ({3}) Wir werden uns im Ausschuß, was diese Dinge angeht, sehr sachlich über die einzelnen Punkte unterhalten können. Trotzdem, meine verehrten Damen und Herren von der Opposition, darf ich vielleicht sagen: Welche Gründe letzten Endes die Einbringung dieses Initiativgesetzentwurfs veranlaßt haben, ist nach meinem Dafürhalten in den Ausführungen des Kollegen Schellenberg nicht bis zum letzten Punkt deutlich geworden. Ich habe vor der großen Parlamentspause in Unterhaltungen mit dem verehrten Herrn Kollegen Schellenberg auch zu diesem Thema eines Vorschaltgesetzes u. a. gesagt: Herr Dr. Schellenberg, es bedarf doch gar nicht dieses Vorschaltgesetzes als eigenen besonderen Gesetzentwurfs, denn Sie hätten durchaus die Möglichkeit, bei der zweiten Lesung dieser Gesetzesvorlage all die einzelnen Fragen, wie Sie sie in Ihrem Gesetzentwurf sehen, anzusprechen, entsprechende Anträge zu stellen oder sich gegen unsere Absichten in dieser Vorlage zu wenden. Das brauchte unsere Beratungen oder den Beginn der zweiten Lesung im Ausschuß in keiner Weise aufzuhalten. Ich widerstehe der Versuchung, nun im einzelnen die Erörterungen, die in den Sozialpolitischen Ausschuß gehören, vorwegzunehmen. Deshalb möchte ich mich nicht auf die vielen Einzelfragen, die hier erörtert worden sind, einlassen. Ich kann nur noch einmal erklären: Im wesentlichen, in der Mehrzahl oder in der Hauptsache sind diese einzelnen Punkte sämtlich Gegenstand auch der Regierungsvorlage, und wir können sehr wohl darüber sprechen, wie die Dinge im einzelnen zu machen sind. Ich möchte nur einen Punkt ganz kurz berühren. Ich glaube, in der Frage der Vorsorgehilfe oder der Vorsorgekuren könnte man sich durchaus darüber unterhalten, ob man hier, weil im wesentlichen oder jedenfalls zu einem guten Teil Neuland betreten wird, den Organen der Selbstverwaltung in der Krankenversicherung entsprechende Zuständigkeiten einräumen könnte. Ich unterschreibe, was Herr Schellenberg gesagt hat: auch hier müssen erst vernünftige Erfahrungen gesammelt werden. Deshalb werden wir uns im Ausschuß in dieser Frage zweifellos über die sachlichen Dinge, die darinstecken, vernünftig und ruhig unterhalten oder auseinandersetzen können. Nun hat Herr Schellenberg mit etwas schmunzelnder Miene den geschichtlichen Ablauf der Ereignisse wiedergegeben und erläutert, wie er sich im Laufe dieses Jahres seit der ersten Lesung entwickelt hat. Lassen Sie mich dazu nur folgendes kurz sagen: Mein Kollege Stingl hat als Sprecher in der ersten Lesung dieses Gesetzentwurfs zu den einzelnen Fragen Stellung genommen, aber doch an einer Reihe von Punkten gewisse Fragezeichen angebracht oder damals erklärt: Dies oder jenes sind Fragen, über die wir uns auch in unseren eigenen Reihen noch gründlich unterhalten müssen, über die, mit anderen Worten, sehr wohl verschiedene Meinungen vorherrschen können. Der Herr Kollege Schellenberg hat vorhin vom sogenannten Stein der Weisen gesprochen. Meine Damen und Herren, ich glaube, in dieser sehr schwierigen und neuralgischen Frage mit all den Dingen, die mit ihr verbunden sind, hat überhaupt niemand den Stein der Weisen. ({4}) Niemand, ob das nun die Regierung ist - die ist gar nicht so überheblich - oder eine der Fraktionen, kann für sich das Patent oder den Musterschutz für seine Lösung beantragen, ({5}) niemand kann sagen, daß er, mit welchen Vorschlägen auch immer, eine Ideallösung oder eine Patentlösung brächte. In jedem Fall bleiben Fragen offen, und in jedem Fall wird es auch bei dieser Neuregelung heißen müssen: In diesen und in jenen Punkten müssen Erfahrungen gesammelt werden, und zur gegebenen Zeit wird man sich über diese oder jene Frage erneut unterhalten können oder sogar unterhalten müssen. Meine verehrten Damen und Herren, ich kann an dieser Stelle aber doch nicht unterlassen, ganz kurz wenigstens auf einige Punkte der geschichtlichen Entwicklung und auf die Darstellung dieser Dinge einzugehen. Herr Kollege Dr. Schellenberg hat die Dinge so dargestellt, als ob die ganze Misere, die ganzen Schwierigkeiten, die mit dieser Frage aufgetreten sind, letztlich entweder auf die Bundesregierung - weil sie eine solche Vorlage gemacht habe - oder auf die CDU/CSU-Fraktion zurückgingen, die sich eben Gott weiß wie lange Zeit über schwierige neuralgische Fragen nicht einig geworden sei. ({6}) Ich leugne gar nicht, meine Damen und Herren, daß es in diesen Fragen auch in unserem eigenen Kreise Meinungsverschiedenheiten gegeben hat. ({7}) Wenn man der Meinung ist, die ich soeben äußerte, daß sich hier keine Patentlösung finden läßt, dann kann man auch sehr ruhig und sehr sachlich einräumen, daß es keine Schande, erst recht keine Sünde ist, wenn man im Verlauf der Diskussionen und Überlegungen über diese Dinge auch einmal - und wenn es sogar einige Male sein sollte - zu besseren Erkenntnissen kommen kann und dann diesen besseren Kenntnissen auch zu folgen bereit ist. Das ist weder eine Sünde, noch eine Schande. Die sozialdemokratische Fraktion und Arm in Arm mit ihr der Deutsche Gewerkschaftsbund, die Gewerkschaften, haben diese Gesetzesvorlage von allem Anfang an als das innenpolitische Thema Nr. 1 hochgespielt. ({8}) Sie haben lange Zeit die ganze Diskussion um diese Fragen an einem Nagel - unter dem Stichwort: Selbstbeteiligung - aufgehängt. ({9}) Ich kenne eine ganze Anzahl von gewerkschaftlichen - sogenannten - Protestveranstaltungen zu dieser Frage. Wie es bei Ihren Referaten draußen vor Ihren Leuten gewesen ist, vermag ich im ganzen nicht so genau zu beurteilen. Aber auch Sie haben diese Auffassung - sozusagen nach der gleichen Melodie - vertreten. Auch Sie haben Ihren Leuten im wesentlichen Ihre Ablehnung der sogenannten Selbstbeteiligung vorgetragen. Lange Zeit sind, insbesondere auch in Gewerkschaftsversammlungen, das Positive, das Gute und die sehr erheblichen Leistungsverbesserungen, die in dieser Vorlage drinstecken, einfach unterschlagen worden; ({10}) man hat nur auf den eben erwähnten Dingen herumgeritten. Das muß heute bei dieser Gelegenheit auch einmal ausgesprochen werden. Wir sind seinerzeit im sozialpolitischen Ausschuß in die Krise gekommen, die Herr Schellenberg vorhin erwähnt hat. Sie haben den Ausschuß verlassen. Hinter diesem Verlassen des Ausschusses staken auch andere Gründe und Überlegungen. ({11}) Wir sind damals gefragt worden, wo denn unsere neue Konzeption in diesen Dingen sei. Damals habe ich den Damen und Herren auf ihre wiederholten Fragen gesagt, die Grundkonzeption, von der wir ausgingen, sei die Regierungsvorlage. ({12}) - Inwieweit wir die Regierungsvorlage durch unsere Anträge ändern werden - ohne dabei die Grundidee oder die Komponenten dieser Konzeption völlig zu leugnen -, werden Sie erfahren, wenn wir die Anträge einbringen. An dieser Stelle möchte ich Ihnen, meine Damen und Herren von der Opposition, doch noch einmal sehr nachdrücklich sagen: ein echter Grund, damals den Ausschuß auffliegen zu lassen, hat nicht bestanden. ({13}) Wir hätten die zweite Lesung dieser Vorlage auf Grund der vorliegenden Änderungsanträge sehr wohl beginnen können. Heute sagen Sie, der Beginn der Beratung sei nicht möglich gewesen, weil der gesamte Überblick über alles das, was bei uns überlegt wurde oder überlegt wird, Ihnen noch nicht bekannt und nicht geläufig gewesen sei. Ich wiederhole: wir hätten schon ein ganzes Stück der Vorlage beraten können. Zu dem Zeitpunkt, zu dem wir an schwierige und neuralgische Punkte gekommen wären, hätten Sie unsere konkreten Vorschläge dazu in der Hand gehabt, und wir hätten die Dinge weiter behandeln können. ({14}) - Ich sage Ihnen noch einmal: wir befinden uns hier nicht in der zweiten Lesung im sozialpolitischen Ausschuß. Ich will Ihnen nur kurz und bündig sagen: aus der von mir vorhin abgegebenen Erklärung mögen Sie erkennen und ablesen, in welche Richtung unsere Überlegungen und unsere Änderungsvorschläge gehen. Alles andere wird sich dann bei den Ausschußberatungen finden. Der Herr Kollege Schellenberg hat großen Wert darauf gelegt, im einzelnen darzutun, daß wir aus Zeitgründen einfach gar nicht anders könnten, als Ihrem Vorschaltgesetz zu folgen. Dazu kann ich nur folgendes sagen: auch wenn wir dieses Vorschaltgesetz für sich allein und losgelöst von der Regierungsvorlage debattierten, würden wir dabei genauso gründlich und tief in die Einzelfragen und Probleme einsteigen müssen, wie wir es auch bei der Gesetzesvorlage der Regierung tun müssen. Wir würden also wahrscheinlich gar nicht viel gewinnen. Ich gebe zu, daß verschiedene sehr wichtige Detailabschnitte der Vorlage in Ihrem Entwurf nicht angesprochen sind; sie müssen wir außerdem behandeln und verabschieden. Herr Dr. Schellenberg hat dann auch im einzelnen die Frage der Finanzierung angesprochen und dargelegt, wie diese in Ihrem Gesetzentwurf geregelt sei. Ich verzichte darauf, jetzt hier auf Ihre Begründung des finanziellen Teils einzugehen, denn das gehört auch in die Erörterung im Ausschuß. Ich will nur etwas dazu bemerken: was im einzelnen zu der Finanzierung zu sagen ist, kann man nicht so einfach und so leicht mit einer Hand hinlegen, wie es die Vorlage der sozialdemokratischen Fraktion tut. Es sollen in einem großen Umfang auch Haushaltsmittel des Bundes beansprucht werden. Das macht es doch erforderlich, darüber sehr eingehende Überlegungen mit der Bundesregierung und mit dem Herrn Bundesfinanzminister anzustellen. Wir werden ohnehin bei der Beratung des Haushalts über solche Dinge sprechen müssen. Wir sind seit Wochen mit dem Herrn Bundesfinanzminister im Gespräch über Leistungen oder Erhöhung von Leistungen des Bundeshaushalts für diese Dinge. Ich hoffe, daß wir diese Gespräche mit gutem Nutzen für die Sache abschließen können. Bevor ich diesen Platz verlasse, glaube ich, noch folgendes sagen zu müssen. Herr Dr. Schellenberg hat vorhin in seinen Darstellungen die Dinge etwas ironisiert. Er sagte: Hier Vorlage der Bundesregierung, dann Kompromißvorschlag der CDU/CSU, dann wiederum geänderte Vorschläge, die zu guter Letzt von uns erarbeitet worden seien und die wir jetzt in dieser Vorlage zu verwirklichen beabsichtigten. Ich habe vorhin schon einmal gesagt: wenn jemand im Laufe von Diskussionen und Auseinandersetzungen zu anderen Erkenntnissen kommt und er sich entschließt, nach diesen Erkenntnissen zu handeln, dann ehrt ihn das nur. Das ist jedenfalls keine Schande und keine irgendwie abträgliche Angelegenheit. Das möchte ich insbesondere auch mit Bezug auf den Herrn Bundesarbeitsminister sagen. Er ist nun einmal im Verlaufe der Debatten in der Frage der Selbstbeteiligung, in der Frage des Arztrechts usw. zu gewissen Erkenntnissen gekommen. Wir haben unsere eigene fraktionsinterne Haltung in diesen Dingen überprüft. Meine verehrten Damen und Herren, wenn es wahr ist - und es bleibt wahr -, daß Politik die Kunst des Möglichen ist, ({15}) dann gilt das auch für diese Fragen. Der Herr Bundesarbeitsminister persönlich verdient Anerkennung dafür, ({16}) daß er zwar der Meinung gewesen ist und wohl auch der Meinung bleibt, daß seine Konzeption, wie er sie uns in der Regierungsvorlage vorgelegt hat, die bessere Lösung wäre - wer kann ihm die Beibehaltung dieser Meinung verargen? niemand! -, daß er dann aber auf Grund der Meinungsniederschläge draußen in der Öffentlichkeit und unter den Beteiligten zu der Erkenntnis gekommen ist ({17}) - Herr Killat, Sie können ja gleich hierher kommen -, daß die Kunst des Möglichen hier gebietet, diese neuerlichen Meinungen auch zu akzeptieren. Wenn er dann bereit ist, danach zu handeln - ich wiederhole es -, dann verdient er unsere Anerkennung und auch unseren Dank dafür, daß er auch für andere geeignete Lösungen den Weg frei macht. ({18}) Damit möchte ich meine Ausführungen an dieser Stelle für heute beenden. Ich darf noch einmal auf die zu Beginn meiner Darlegungen verlesene Erklärung meiner Fraktion verweisen. Wir werden entsprechend dieser Erklärung handeln. Wir haben an Sie, meine verehrten Damen und Herren von der Opposition, auch unsererseits den Appell, daß Sie die Gesamtvorlage in einer vernünftigen Weise zu verabschieden nicht erschweren, sondern mit uns gemeinsam bereit sind, dafür zu sorgen, daß wir aus dieser Gesetzesvorlage, die die Bundesregierung uns vorgelegt hat, eine Lösung erarbeiten, die für alle Beteiligten, für Versicherte, für Ärzte und wer sonst noch an diesen Dingen Interesse hat, zu einem guten und nutzbringenden Ende führt. ({19})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Stammberger.

Dr. Wolfgang Stammberger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002215, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In vielem, Herr Kollege Horn, stimmen wir mit Ihrer Kritik an dem Entwurf der Sozialdemokratischen Partei und an der Rede des Herrn Kollegen Schellenberg überein. Aber ich bin der Ansicht, Herr Kollege Horn, Ihre Kritik wäre bedeutend eindrucksvoller gewesen, wenn man wirklich der Meinung hätte sein können, daß es Ihrer Fraktion nun endlich gelungen ist, zu einer gemeinsamen Überzeugung zu kommen. Ich weiß, Sie haben davon gesprochen, und wir haben auch davon in den Zeitungen gelesen. Aber das haben wir in den vergangenen Monaten so oft erlebt, und es ist doch immer wieder etwas dazwischengekommen, wenn wir in den beiden zuständigen Ausschüssen über die Dinge sprechen wollten. Ich weiß, Herr Kollege Horn, Sie haben es sehr schwer. Sie erinnern mich immer an den alten Odysseus. Der mußte zwischen Szylla und Charybdis hindurch, und Sie müssen es zwischen Katzer und Kalinke. ({0}) Aber gegen den Weg, den Sie zu gehen haben, muten mich die Irrfahrten des Odysseus manchmal an wie ein harmloser Sonntagnachmittags-Spaziergang. ({1}) Meine Damen und Herren, ich denke zurück an den 17. Februar 1960. An diesem Tage hatten wir in diesem Hause die erste Lesung des Regierungsentwurfs. Der Herr Arbeitsminister Blank hat damals eine große Rede gehalten, die von Ihnen, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, und teilweise sogar von uns begeistert aufgenommen wurde. Er hat von einem Stilwandel in der Sozialpolitik gesprochen. Frau Kollegin Kalinke hat das dann später dahingehend interpretiert, daß die Sozialversicherung heute einem gewissen Bedeutungswandel unterzogen würde. Was ist in diesen Monaten daraus geworden? Es ist durchaus nicht schade, daß der Regierungsentwurf allmählich in der Versenkung verschwindet, aus der er am besten gar nicht erst herausgekommen wäre. Schade ist es lediglich um das viele Geld, das die Bundesregierung sinnlos zum Fenster hinausgeworfen hat, um die Inanspruchnahmegebühr populär zu machen, und zwar noch zu einem Zeitpunkt, als schon längst feststand, daß selbst die eigene Fraktion, die eigene Regierungskoalition ihr hier die Gefolgschaft versagte. Was aber ist aus den Grundsätzen geworden, die hier proklamiert worden sind? Was wurde aus den Ideen, die hier entwickelt wurden? Eine generelle Krankenscheingebühr, das ist das Mäuslein, das nun plötzlich hervorzukommen scheint. Immerhin, Herr Kollege Horn, eines ist neu: auch Sie haben heute davon gesprochen, daß man sich im Schoße Ihrer Fraktion mit dem Kostenerstattungssystem zu beschäftigen beginnt. Wir Freien Demokraten sind es gewesen, die am 17. Februar hier dieses System als eine zweckmäßige Lösung zur Diskussion gestellt haben, und man hat damals gerade aus den Reihen der Regierungskoalition heftig dagegen polemisiert. Vor allen Dingen war es Frau Kollegin Kalinke, die sehr böse über diese Gedanken war. ({2}) - Nun ja, Herr Kollege Dr. Dittrich, Frau Kollegin Kalinke hat inzwischen die Fraktion und vielleicht auch ihre Ansichten über diese Dinge gewechselt ({3}) und steht heute diesen Problemen etwas aufgeschlossener gegenüber. Aber, Herr Kollege Horn, da drängt sich mir wieder der Vergleich mit Odysseus auf; der ist ja zum Schluß nach seinen Irrfahrten sicher im Hafen von Ithaka und in den Armen seiner Penelope gelandet. Vielleicht tun Sie es auch einmal bei dem Reformvorschlag der FDP. Sie brauchen dabei mit dem linken Flügel Ihrer Fraktion durchaus nicht zu rüde zu verfahren und ihn gleich umzubringen, wie das Odysseus mit den Freiern seiner Frau getan hat. ({4}) Aber, meine Damen und Herren, die Kostenerstattung ist so, wie sie uns die CDU/CSU-Fraktion in ihren augenblicklichen Beschlüssen vorschlägt, doch nur sehr sorgfältig verpackt. Obligatorisch ist sie eigentlich nur bei einem Einkommen von mehr als 1250 DM monatlich, und bei den freiwillig Weiterversicherten soll sie nur eingeführt werden können, wenn es die Vertreterversammlung der betreffenden Kasse beschließt. Wir konnten im „Spiegel" dieser Woche lesen, daß Herr Kollege Stingl gesagt habe, man werde wohl vergeblich auf einen einzigen solchen Beschluß warten können. Nun, man soll nicht alles glauben, was im „Spiegel" steht, aber selbst wenn es Herr Kollege Stingl nicht gesagt haben sollte: stimmen tut's ganz bestimmt, Herr Kollege Stingl, daß wir beide auf einen einzigen derartigen Beschluß werden warten müssen. Aber das ist ja noch nicht einmal alles. Das sind doch letzten Endes - Herr Kollege Schellenberg hat es bereits gesagt - nicht die einzigen Probleme, ,die wir lösen müssen, wenn wir wirklich etwas schaffen wollen, das den Namen Reform der Krankenversicherung mit Recht verdient. Wie ist es z. B., meine Damen und Herren von der CDU/ CSU, mit der Beibehaltung der vielfältig gegliederten Krankenversicherung, der der Regierungsentwurf in seiner jetzigen Form entgegenwirkt? Wie Ist es mit dem beratungsärztlichen Dienst, den der Regierungsentwurf einführen will? Daß Sie das Kassenarztrecht beibehalten wollen, haben wir heute zu unserer Freude gehört. Aber wie stellen Sie sich die Honorierung der ärztlichen Leistung vor? Alle diese Dinge müssen noch geklärt werden. Meine Damen und Herren, wir Freien Demokraten haben immer vor den Folgen der Tatsache gewarnt, daß die Bundesregierung diesen Entwurf viel zu spät eingebracht hat, als daß das Parlament noch die Zeit hätte, ihn in dieser Legislaturperiode so gründlich zu beraten, daß er nicht in die hektische Atmosphäre des Wahlkampfes hineingerät, und genau in dieser Situation befinden wir uns jetzt. Wir drohen jetzt in eine Situation hineinzuschlittern, in der eis zu keiner Reform mehr kommt, sondern nur noch zu einem kurzsichtigen und tagespolitisch bedingten Herumbasteln mit einem Blick auf den Wähler, wie das Kaninchen auf die Schlange. Das Entscheidende bei den Beschlüssen wird dann wahrscheinlich nicht mehr irgendeine gesellschaftspolitische Vorstellung, sondern das Ergebnis der letzten EMNID-Umfrage in Verbindung mit dem Statistischen Jahrbuch sein. ({5}) Davor wollen wir dringend warnen. Daß dies so gekommen ist - sagen wir es einmal ganz offen -, zeigt uns doch der SPD-Entwurf. Es muß einmal gesagt werden: Wir kommen nicht um die Tatsache herum - Herr Kollege Horn hat es bereits gesagt -, daß dieser Entwurf eigentlich nichts anderes ist als das Herauspicken der Rosinen aus dem Regierungskuchen, wobei ich Ihnen durchaus zubilligen will, daß Sie einige Korinthen eigener Produktion hinzugefügt haben. ({6}) Meine Damen und Herren, Sie selbst sprechen von einem Vorschaltgesetz. Das zwingt logischerweise zu dem Schluß, daß es auch noch ein Nachschaltgesetz nach den Wahlen geben muß. Und - um bei dem Beispiel des seiner Rosinen beraubten Kuchens zu bleiben in diesem Nachschaltgesetz wird der Teig liegen, an dem im Wahlkampf keiner klebenbleiben möchte. Genau in dieser Situation sind wir jetzt. Das haben wir Ihnen bereits bei der ersten Lesung des Regierungsentwurfs prophezeit. Nun die Frage der Finanzierung. Herr Kollege Schellenberg, vieles von dem, was Sie sagen - Entlastung der Krankenkassen von fremden Leistungen -, findet durchaus unseren Beifall. Aber gerade das zeigt uns doch, daß die Zeit zu einer wirklichen Reform der Krankenversicherung noch nicht reif ist, weil einige Dinge dringend der vorherigen Klärung bedürfen. Es ist heute so viel und in mancherlei Zusammenhang von einer „zentralen Frage" gesprochen worden. Für uns Freie Demokraten scheint gerade das die zentrale Frage zu sein, und wir sind fest überzeugt, Herr Kollege Horn, daß es zu dieser umfassenden Lösung, wie Sie sie haben wollen, in diesem Bundestag gar nicht kommen kann, weil einige Fragen vorweg geklärt werden müssen. Da ist z. B. die Frage der Mutterschaftshilfe. Auch wir Freien Demokraten - es ist mein Freund Mischnick gewesen - haben uns, und zwar bereits am 17. Februar, dafür ausgesprochen und auch im Gesundheitsausschuß dafür gestimmt, daß die Frage der Mutterschaftshilfe durch den Staat gelöst werden muß. Aber ich darf Sie darauf hinweisen, daß dann ein Problem auftaucht, mit dem wir uns werden auseinandersetzen müssen. Solange Sie nämlich die Mutterschaftshilfe aus den Beiträgen finanzieren, können Sie den Kreis der Berechtigten natürlich auf den Kreis der Versicherten beschränken. Nun kann man durchaus den Standpunkt vertreten, es handele sich hier eigentlich um gar kein Krankenversicherungsproblem, sondern um ein familienpolitisches Problem, weshalb wohl auch der Bundesfamilienminister noch nichts dazu gesagt hat. ({7}) Aus dieser Einstellung heraus kann man den Standpunkt vertreten, sie muß über Staatszuschüsse finanziert werden. Soweit ganz gut. Aber, meine Damen und Herren, wenn die Allgemeinheit für diese Gelder aufkommen muß, muß man natürlich auch prüfen, ob in den Genuß der Leistungen nicht auch diejenigen Mütter kommen müssen, die nicht von der Krankenversicherung erfaßt sind; denn es ist durchaus nicht so, daß der Kreis der Bevölkerung, der nicht in der sozialen Krankenversicherung ist, nun zu den Vermögenden gehört, bei denen eine solche Hilfe eine unzweckmäßige staatliche Unterstützung wäre, die nicht zu rechtfertigen wäre. Das ist eine Frage, die wir uns sehr genau werden überlegen müssen. Wenn wir aber auf diesem Standpunkt stehen, daß das Problem so zu lösen wäre, fehlt es uns an einer gesetzlichen Grundlage. Es erscheint uns ,aus mancherlei Erwägungen - Sie wissen, wir Freien Demokraten haben eine gewisse Abneigung gegen jegliche Einheitsversicherung - unzweckmäßig, dafür Kreise, 'die nicht in der sozialen Krankenversicherung versichert sind, aus diesem Grunde, wenn auch nur auf einem Teilgebiet, mit hineinzunehmen. Dann die Frage der Unfallversicherung. Wir sind gleich Ihnen, meine Damen und Herren von der SPD, der Meinung, daß man die Krankenversicherung entlasten muß auf Kosten, wollen wir es ruhig einmal so nennen, der Unfallversicherung. Aber das bedingt, daß man zunächst einmal die Reform der Unfallversicherung fertigstellt, die nun leider, leider durch das Tauziehen um die Krankenversicherungsreform im Ausschuß völlig zum Erliegen gekommen ist. Die Frage der Lohnfortzahlung steht, wie Herr Kollege Horn ganz richtig gesagt hat, obwohl beide Probleme etwas Verschiedenes sind, in einem untrennbaren Zusammenhang mit der Reform der sozialen Krankenversicherung. Auch die neuen Beschlüsse der CDU zeigen das wieder sehr deutlich. Die Frage ist, wie wir dieses Problem regeln. Wir Freien Demokraten haben ja schon zu Beginn der Legislaturperiode einen Antrag eingebracht, der noch heute im Sozialpolitischen Ausschuß liegt, ohne behandelt worden zu sein. Auch Sie, meine Damen und Herren von der SPD, sind sich darüber klar, daß es bei allem gutem Willen natürlich zu erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten für die kleinen und mittleren Betriebe kommen wird. Das zeigt der Antrag, der heute ebenfalls zur Debatte steht. Wir werden uns über die Dinge unterhalten müssen, und zwar meines Erachtens bevor wir an die Reform der Krankenversicherung herangehen. Die vierte Frage, die von Bedeutung ist: Wie wird sich nach der Aufhebung der Verhältniszahl durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts die Entwicklung bei dien Ärzten vollziehen? Es wird mit Recht befürchtet, daß es gebietsweise zu einem Notstand auf dem Gebiet der ärztlichen Versorgung kommen wird, weil kein Kassenarzt mehr bereit st, auf das Land hinauszugehen. Das zeigt sich im Augenblick, wo die alten, bewährten Landärzte draußen am Wirken sind, noch nicht. Aber wie wird es einmal ein, wenn der junge Nachwuchs hinausgehen muß? Wird er sich nicht von den Lockungen ,der Städte leiten lassen? Werden die jungen Arzte sich nicht lieber in einer großen oder mittleren Stadt niederlassen, statt nach Niederbayern, in die Eifel oder ein anderes verkehrsfernes Gebiet zu gehen? Das ist eine Frage, die wir heute überhaupt noch nicht zu überblicken vermögen. Auch darüber müssen wir uns Gedanken machen: In welchem Umfang können wir trotz des Urteils des Bundesverfassungsgerichts doch noch gewisse Lenkungsmaßnahmen ergreifen? In diesem Zusammenhang darf ich auf einen weiteren Antrag verweisen, den die Freie Demokratische Partei im Mai gestellt hat und der leider - trotz unserer Bemühungen - ebenfalls im Sozialpolitischen Ausschuß liegt, ohne behandelt worden zu sein. Er betrifft die Gleichstellung der Zahnärzte mit den Ärzten hinsichtlich der Aufhebung der zweifellos auch hier verfassungswidrigen Verhältniszahl. Alle diese Dinge müssen geklärt werden, bevor wir an eine Reform herangehen können, die diesen Namen wirklich verdient. Aus diesem Grunde gehe ich noch weiter als die SPD, die meint, wir sollten nicht mehr an eine große Reform glauben. Ich bin der Meinung, wenn wir diese Punkte klären, die ich aufgezählt habe - wozu noch einige weitere kommen - und in denen wir wohl zu mehr oder weniger übereinstimmenden Ergebnissen kommen könnten, dann sollten wir ruhig den Mut haben, die Krankenversicherungsreform für diese Legislaturperiode aus dem Rennen zu ziehen und uns darauf zu verlassen, daß sie in der nächsten Legislaturperiode durch die neue Bundesregierung, sie mag aussehen, wie sie will, wieder eingebracht wird. Dann ist dem Parlament wirklich Zeit und Ruhe gegeben, und es kann ohne den Blick auf den Wahlkampf, der sich außerhalb dieses Hauses abspielt, eine Entscheidung treffen, die der Bedeutung der sozialen Krankenversicherung gerecht wird. Aber Voraussetzung scheint uns zu sein, daß die genannten Punkte vorab geklärt werden. Ich möchte in diesem Zusammenhang Goethe zitieren, der einmal gesagt hat: Wer das erste Knopfloch verfehlt, kommt mit dem Zuknöpfen nicht mehr zu Rande. ({8})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Rohde.

Helmut Rohde (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001876, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Lorbeerkranz, der von dem Sprecher der CDU - mit einigen welken Blättern - dem Herrn Bundesarbeitsminister gleichsam als Trost für einen müden Helden geflochten worden ist, fordert geradezu Bemerkungen heraus. ({0}) Es ist eine Legende, von dem „braven Minister" zu reden, der sich auf redliche Art und Weise bemüht habe, zusammen mit diesem Parlament zu tragbaren sozialpolitischen Regelungen zu kommen. Was ist der Tatbestand? Dieser Bundesarbeitsminister hat bei allen entscheidenden Beratungen im Sozialpolitischen Ausschuß gefehlt. Er hat es weder für nötig gehalten, bei den Auseinandersetzungen über die Kriegsopferversorgung zugegen zu sein, noch ist er gekommen, als das Jugendarbeitsschutzgesetz beraten worden ist. Er hat sich auch nicht dem Ausschuß und der Opposition gestellt, als es darum ging, Wert oder Unwert der Regierungsvorlage zur Krankenversicherungsreform zu prüfen. ({1}) Wir haben heute im Hinblick auf den parlamentarischen Stil festzustellen, daß der Bundesarbeitsminister es vorgezogen hat, seine Sozialpolitik auf Großveranstaltungen an Wochenenden darzulegen, und daß er in diesem Hause zu einer Randfigur des parlamentarischen Geschehens geworden ist. Nun zur Sache. Ich muß offen gestehen, daß ich von der Art und Weise, wie unser Initiativgesetzentwurf von dem Sprecher der CDU abgefertigt worden ist, sehr betroffen bin. Niemand von meiner Fraktion konnte erwarten und hat erwartet, daß die Regierungsmehrheit diesem Gesetzentwurf mit allen seinen Einzelheiten gleichsam pauschal und von vornherein zustimmen würde. Das ist ihr auch nicht abverlangt worden. Aber daß sie für das von meinem Kollegen Professor Schellenberg dargestellte Bemühen, angesichts der verworrenen und verfahrenen Lage in der Krankenversicherungsreform einen konstruktiven parlamentarischen Ausweg zu suchen, kein gutes Wort übrig hatte, das hat sicherlich nicht nur uns, sondern alle an der Reform beteiligten und um ihre Probleme wissenden Kreise überrascht. Die Leichtigkeit, die Oberflächlichkeit, ja man muß sagen, manchmal sogar der Hochmut, mit dem Sie über unseren Initiativgesetzentwurf hinweggegangen sind, wird durch nichts gerechtfertigt. Ich finde, dieser Hochmut muß geradezu peinlich und grotesk wirken vor dem Hintergrund der Tatsache, daß die CDU in den letzten drei Jahren nicht imstande gewesen ist, das Reformwerk zu bewältigen. Auch die letzten drei Sommer- und Urlaubsmonate haben für die CDU-Fraktion nicht ausgereicht, dem Sozialpolitischen Ausschuß des Bundestages am Beginn der parlamentarischen Beratungen eine Gesamtkonzeption für die Reform der Krankenversicherung vorzulegen. Sie konnte auch heute noch nicht klarlegen, wie die Vorschläge im ganzen beschaffen sind und wie die Durchführung finanziert werden soll. Wir haben den Eindruck, daß Ihnen das langjährige Sitzen im Sessel der Macht nicht gut bekommen ist, meine Damen und Herren von der Regierungsmehrheit. ({2}) Im Hinblick auf die Bemerkungen des Kollegen Horn muß doch heute gefragt werden, was die CDU-Fraktion denn an sozialpolitischer Vorarbeit eingeleitet hat, als 1957 der Bundeskanzler erklärte, in dieser Legislaturperiode solle die Krankenversicherung neu geordnet werden. Warum haben Sie erst jetzt und nicht schon im Jahre 1958 Einspruch erhoben, als damals die Bundesregierung die Leitsätze für die Reform der Krankenversicherung auf den Tisch gelegt hat? Aus jener Konzeption war erkennbar, daß nicht die Gesunderhaltung der Bevölkerung, sondern die zusätzliche drastische Kostenbeteiligung als sozialpädagogisches Moment ({3}) in den Mittelpunkt der Reform gerückt werden sollte. ({4}) - Herr Kollege Horn, wir müssen heute die ernste Frage stellen, warum Sie dann nicht wenigstens im Jahre 1959, als der Referentenentwurf auf dem Tisch lag, versucht haben, sich als Mehrheitsfraktion dieses Hauses über den Weg klarzuwerden, den Sie gehen wollten. Warum haben Sie nicht zu einer Zeit die Weichen anders zu stellen versucht, als das noch sinnvoll und vernünftig war. Warum, Herr Kollege Horn - so muß man ferner fragen -, wurde die als Dogma verkündete „untrennbare Einheit" von Kostenbeteiligung, neuer Gebührenordnung und Leistungsverbesserung nicht so rechtzeitig aufgelöst, daß nach einer anderen Grundlage für die Reform gesucht werden konnte? Wir wissen doch sehr genau, daß auch eine Reihe von Kollegen in Ihrer Fraktion sich fragen, ob denn der Regierungsentwurf, der seinem ganzen Charakter nach auf dieses Dogma zugeschnitten ist, nun dadurch zu einer beratungsfähigen Unterlage wird, daß man ihn an einigen Stellen modifiziert. Herr Kollege Horn, Sie haben die Lage, vor der wir heute bei den parlamentarischen Beratungen stehen, bagatellisiert. Wenn wir uns fragen, ob jetzt wirklich noch eine umfassende Reform bewältigt werden kann oder oh wir uns nur auf das beschränken sollten, was in dem Vorschaltgesetz der SPD niedergelegt worden ist, - ({5}) - Herr Memmel, lassen Sie mich zu dem Auszug der SPD während der Beratungen des sozialpolitischen Ausschusses im Mai folgendes sagen: Damals haben Sie uns erklärt, der gordische Knoten in den verwickelten Ansichten der CDU zur Krankenversicherungsreform sei jetzt endgültig durchhauen worden. Sie haben gesagt, Sie wollten in der nächsten Woche einen einstimmigen Fraktionsbeschluß fassen. Dieser Fraktionsbeschluß ist auch am 25. Mai gefaßt worden. Er hatte zum Inhalt, daß die Entscheidung über die zusätzliche Kostenbeteiligung den Krankenkassen als „Schwarzer Peter" zugeschoben werden sollte. Im Deutschland-Union-Dienst hieß es damals: Jetzt sei nun wirklich jede Spekulation über die Unentschiedenheit der CDU bei der Reform der Krankenversicherung hinfällig geworden. Sie wissen aber ganz genau, Herr Memmel, daß wenige Monate später auch dieser einstimmige Beschluß der CDU-Fraktion wieder umgestoßen worden ist. Im Grunde genommen müßten Sie uns doch sogar dankbar sein, daß wir damals nicht Ihren Fraktionsbeschluß vom 25. Mai als sinnvolle Beratungsgrundlage angesehen haben. ({6}) Angesichts der Lage, vor der wir stehen, sind folgende Gesichtspunkte zu prüfen: Sie sagen uns, Grundlage der Beratungen solle die Regierungsvorlage sein. Sie wissen, daß zu dieser Regierungsvorlage fast 1200 Änderungsvorschläge, umfangreiche Gutachten von Gewerkschaften, Ärzten, Sozialwissenschaftlern und Sozialpolitikern, vorliegen. Diese Gutachten betreffen nicht nur die umstrittenen Fragen der Kostenbeteiligung, sondern eine Fülle von Einzelheiten der Leistungsgestaltung, Finanzierung und Verwaltung, Fragen, die das Funktionieren der Krankenversicherung im ganzen berühren. Über die vielen Einwände, die Eingaben, die sich in den Aktenschränken der sozialpolitisch tätigen Abgeordneten türmen, können wir nicht mit einem parlamentarischen Galopprennen hinweggehen. ({7}) Wir sind jedenfalls nicht dazu bereit. Ich erkläre ganz offen, daß wir die CDU bei jedem einzelnen Paragraphen stellen werden - wenn sie es wirklich noch auf eine umfassende Reform ankommen lassen will -, um herauszufinden, ob es ihr mit einer sachlichen Beratung ernst ist. ({8}) Zweitens müssen wir bedenken, daß nicht nur die Krankenversicherungsreform ein umfangreiches Gesetzeswerk ist, sondern daß durch sie - ich muß noch einmal mit Nachdruck unterstreichen, was mein Kollege Schellenberg gesagt hat - 62 andere sozialpolitische Gesetze und Rechtsverordnungen teilweise erheblich geändert werden. Auch das kann nicht in wenigen Sitzungen erledigt werden, wenn man verantwortlich handeln will. Der dritte Punkt ist: Die CDU hat jetzt zwar neue Vorschläge gemacht, sie hat sie aber noch nicht konkretisiert. Es war doch unzureichend, was Sie uns in Ihrer heutigen Fraktionserklärung als Grundlage für die umfassende Reform der Krankenversicherung im letzten Jahr der Legislaturperiode in Aussicht gestellt haben. Sie können nicht von uns verlangen, daß wir jetzt einfach mit der Beratung der ersten Paragraphen des Regierungsentwurfs anfangen, ohne davon in Kenntnis gesetzt zu sein, wie das Gesetz am Ende aussehen soll, ohne uns davon zu unterrichten, wie ihr Konzept im Ganzen aussieht. ({9})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Kollege Rohde, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Helmut Rohde (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001876, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Bitte sehr.

Linus Memmel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001466, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Rohde, sollen wir diese Äußerungen als eine Drohung verstehen, daß Sie durch eine allzu gründliche Beratung im Sozialpolitischen Ausschuß die Verabschiedung der Regierungsvorlage sabotieren wollen?

Helmut Rohde (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001876, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Es gibt nicht eine allzu gründliche und eine weniger gründliche Beratung, es gibt nur eine gründliche, oder es gibt eine unverantwortliche Art der Beratungen. ({0}) Bei diesen Alternativen werden wir uns für die erste entscheiden. Ein weiterer Einwand ist, daß über wichtige Komplexe, wie die Frage der Selbstverwaltung, die Einstellung zum beratungsärztlichen Dienst, die umstrittenen Paragraphen des Verbänderechts usw., überhaupt noch keine Klarheit bei der CDU besteht. Im übrigen werfen Ihre neuen Leitsätze mehr Fragen auf, als sie Antworten geben. Sie haben uns z. B. zur Krankenscheingebühr im Ausschuß erklärt, daß sie schlechter sei als überhaupt keine Kostenbeteiligung. Sie haben gesagt, diese Krankenscheingebühr habe die Wirkung, daß derjenige, der zwei oder gar mehrere Mark Krankenscheingebühr bezahlt habe, dann so hohe Anforderungen an den Umfang der Behandlung durch den Arzt stellen würde, daß die dadurch entstehenden finanziellen Ausgaben weit höher seien als die Einnahmen, die durch die Gebühr erzielt werden. Ich komme nun zu dem wesentlichsten Einwand: Wir müssen feststellen, daß die CDU bisher überhaupt keinen Finanzierungsplan zu ihren neuen Vorschlägen vorgelegt hat. Sie wissen sehr genau, daß der Finanzierungskatalog der Regierungsvorlage durch die Leitsätze, die Sie jetzt veröffentlicht haben, hinfällig geworden ist. Aber Sie halten es nicht für notwendig, in Ihren Erklärungen und Veröffentlichungen etwas anderes an seine Stelle zu setzen. Sie sagen kein Wort zu den finanziellen Konsequenzen der von Ihnen beabsichtigten Änderungen. Sie sagen nichts darüber, ob den Kassen die sachfremden Ausgaben erstattet werden sollen oder nicht. Sie sagen kein Wort darüber, ob bei der wirtschaftlichen Sicherung des Arbeiters im Krankheitsfalle auch im Finanziellen durch eine echte Lohnfortzahlung die Gleichstellung mit den Angestellten erfolgen soll. Daß Sie hier nur Ausgabensteigerungen z. B. durch Leistungsveränderungen und Veränderungen im Honorarsystem ankündigen, aber nicht Stellung nehmen zu dem zukünftigen Finanzzuschnitt der Krankenkasse, das löst ernste Fragen aus. Soll jetzt etwa, so müssen wir fragen, durch eine überhastete, mit Widersprüchen, ungenügenden finanziellen Grundlagen und mit Unklarheiten belastete Reform die Krankenversicherung in finanzielle Gefahr gebracht werden? Erwarten davon dann die Verfechter einer drastischen Kostenbeteiligung neue Chancen für ihre Pläne? Zu dieser Frage sind wir um so mehr berechtigt, als Sie hier erklärt haben, daß die Kostenbeteiligung, die Sie jetzt einführen wollen - Krankenscheingebühr und Kostenerstattung für freiwillig Versicherte -, nur „ein erster Schritt" sei. Liegt Ihren Überlegungen vielleicht die Absicht zugrunde, zwar vor der Wahl einige Leistungsverbesserungen vorzunehmen, aber nach der Wahl, wenn Sie nur die politische Macht dazu haben, wieder das Rezept der drastischen Kostenbeteiligung aus der Schublade zu ziehen? ({1}) Während der Rede meines Kollegen Schellenberg ist von Ihrer Seite der Zuruf „Wahlkampf" gemacht worden. Sie können uns glauben, daß wir die Absicht, auf dem Umweg über die Finanzmisere der Krankenversicherung doch wieder zur drastischen Kostenbeteiligung zurückzukommen, auch dem letzten Wähler im Bundestagswahlkampf 1961 klarmachen werden. ({2}) Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir zum Schluß noch einige Bemerkungen darüber, warum es sinnvoll ist, sich jetzt auf die Regelung vordringlicher Fragen zu beschränken. Müssen wir uns denn nicht fragen, welche Ansprüche wir an das große Wort von einer umfassenden -Reform der Krankenversicherung stellen? Da ist nach meiner Meinung die große und eigentliche Aufgabe einer umfassenden Reform zu berücksichtigen, nämlich Konsequenzen daraus zu ziehen, daß sich seit Bismarcks Zeit das Krankheitsbild gewandelt hat. Daß nicht nur die Bevölkerungsstruktur in den letzten Jahrzehnten eine andere geworden ist, sondern daß sich auch die Struktur des Gesundheitszustandes gewandelt hat, das ist doch der eigentliche Anlaß für eine umfassende Reform. Wir wissen - davon wird oft geredet -, daß heute nicht mehr wir zu Bismarcks Zeit die Infektionserkrankungen - wie Tuberkulose, Scharlach und Diphtherie - im Vordergrund des Krankheitsgeschehens stehen, sondern die Abnutzungserscheinungen, die Verschleißkrankheiten der Zivilisation. Von diesen Wandlungen hat die Reform der Krankenversicherung ihren Ausgang zu nehmen. Meine Damen und Herren, wir alle sind in den letzten Wochen und Monaten durch eine Denkschrift der Deutschen Olympischen Gesellschaft erregt worden, in der mit großer Eindringlichkeit auf die Gefahren hingewiesen worden ist, die dem Gesundheitszustand der Menschen in unserer Zeit drohen. Diese Denkschrift ist im Bulletin der Bundesregierung zitiert worden; es ist im Bulletin auf den Umstand aufmerksam gemacht, daß heute bei den Schuluntersuchungen schon bei fast jedem zweiten Kind chronische Schäden festgestellt worden sind. Es wurde darauf hingewiesen, welche Schäden bei den jungen Arbeitern und den jungen Angestellten durch die Wandlung der Arbeits- und Lebensformen eingetreten sind. Trotzdem geht die CDU hier von einem Reformentwurf für die Krankenversicherung aus, der das Wort Gesundheit überhaupt nicht kennt, der sich darauf beschränkt, bei Krankheit und Arbeitsunfähigkeit Hilfe zu gewähren, aber die Gesundheitsvorsorge und -fürsorge weitgehend unberücksichtigt läßt. Wir sind der Auffassung, daß Zeit und Gelegenheit gefunden werden muß, sich auf die eigentliche Aufgabe, nämlich auf die Entwicklung der Gesundheitsfürsorge und Gesundheitsvorsorge zu besinnen. Ich sage ganz offen, daß wir dabei Neuland vor uns haben. Aber es ist die Aufgabe einer umfassenden Reform, Neuland zu beschreiten. Die Sozialpolitik kennt eben den Unterschied zwischen Flickwerk und Sozialreform. Ich bitte Sie, mit größerem Ernst unseren Vorschlag zu bedenken und zu überlegen, als das heute geschehen ist. Unser Vorschlag zielt darauf ab, nur die vordringlichen Aufgaben zu lösen und Zeit für eine umfassende Reform zu gewinnen, die dazu dient, der eigentlichen Aufgabe gerecht zu werden, nämlich die Voraussetzung für ein Leben in Gesundheit in einer modernen Industriegesellschaft zu verbessern. ({3})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Weimer.

August Weimer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002451, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu der Frage der Lohnfortzahlung für Arbeiter im Krankheitsfalle möchte ich hier eindeutig erklären: In der CDU/CSU-Fraktion besteht völlige Klarheit darüber, daß diese Forderung auf Gleichstellung der Arbeiter mit den Angestellten mit Recht solange auf dem Tisch bleiben wird, bis sie in vollem Umfang realisiert ist. ({0}) - Ich werde das gleich ausführen. ({1}) Die CDU/CSU-Fraktion verweist in diesem Zusammenhang auf die Parteitagsbeschlüsse von Karlsruhe und Stuttgart, auf die sich ja auch Herr Kollege Dr. Schellenberg bezogen hat, wobei ich mit Freude feststellte, daß der Sozialdemokratischen Partei nicht unbekannt geblieben ist, daß dieses Anliegen in der CDU/CSU die volle Unterstützung findet. Die Vorstellungen über die Endlösung hinsichtlich der zu findenden Form weichen allerdings erheblich voneinander ab. Wenn wir etwa den Vorstellungen folgen wollten, die Form zu wählen, die für die Angestellten geltendes Recht ist, hätte das zur Folge, daß die Fortzahlung des Lohnes bis zum 42. Tage der Arbeitsunfähigkeit sich im Rahmen des Einzelarbeitsvertrages vollzieht, direkt zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Das wäre zweifellos die einfachste Lösung. Sie wird in Großbetrieben mit vielen hundert Arbeitern auch betriebswirtschaftlich möglich und in einigen Etappen sicher erreichbar sein. Zum Teil ist es schon Praxis, ,daß im Rahmen von Betriebsvereinbarungen in vielen Großbetrieben solcher Industriezweige, deren Erträge das gestatten, Lohnfortzahlungen im Krankheitsfalle bis zu 26 Wochen Betriebsvereinbarungsrecht sind. Aber in Mittel- und Kleinbetrieben wird man zwangsläufig nach anderen Wegen suchen müssen. Die Vorstellungen - das ist ein Grund für die unterschiedlichen Auffassungen - von der sogenannten Gleichstellung gehen aber oft irrigerweise von der Feststellung aus, daß zwischen den beiden Kategorien Angestellte und Arbeiter betriebswirtschaftlich die Gleichheit bestünde, wie sie gesellschaftspolitisch zweifellos zu bejahen ist. In Wahrheit aber - das macht das Problem kompliziert und schwierig - bedeutet der Ausfall eines Angestellten infolge Krankheit oder Urlaubs etwas völlig anderes als der Ausfall eines Arbeiters. Beim Angestellten duldet ,ein Teil der Tätigkeit Aufschub oder die vertretungsweise Mitübernahme durch einen Kollegen. Der Ausfall eines Arbeiters dagegen, der in der manuellen oder maschinellen Produktion steht, erfordert in aller Regel die sofortige Gestellung einer Ersatzkraft oder ,die völlige Einstellung der Leistungen, und das ist betriebswirtschaftlich oft eine fast doppelte Belastung im Vergleich zu der, die dem Betrieb durch den Krankheitsfall eines Angestellten entsteht. Man muß. das in seiner Realistik sehen; denken Sie insbesondere an das Handwerk und an den gewerblichen Mittelstand. Gerade die dort bestehenden Schwierigkeiten, die aus diesem Tatbestand resultieren, machen es so schwer, eine Lösung zu finden, die uns die völlige Gleichstellung der Arbeiter mit den Angestellten in einem Zuge verschaffen könnte. Man wird mir vielleicht von seiten der Opposition, vielleicht von seiten der Gewerkschaften entgegenhalten: Diese Überlegungen gehen allein die Unternehmer an; eis ist Sache der Unternehmer, wie sie mit den Belastungen aus ihrer Fürsorgepflicht gegenüber ihren Arbeitern fertig werden. - Ich glaube aber, wenn man es so machen wollte, würde man es sich zu leicht machen. So kann man aus standesspezifischen Gesichtspunkten reden. Wenn aber vom Gesetzgeber verlangt wird, diese Frage zu regeln, muß er auf die, Besonderheiten und Unterschiedlichkeiten besonders achten, wenn nicht volkswirtschaftlich und gesellschaftspolitisch unliebsame Begleiterscheinungen auftreten sollen. Es geht also nicht auf dem Wege, einfach die bürgerlich-rechtlichen Vorschriften über die Fürsorgepflicht der Arbeitgeber allein zu ändern. Solche Vorstellungen sind auch in diesem Hause schon vorgetragen worden. Man wird bei der Endlösung der Frage der Gleichstellung des Arbeiters mit den Angestellten nach Lösungen suchen müssen, die keine neuen Institutionen begründen mit einem neuen Apparat, dessen Aufwand und Ausweitung man dann meistens gar nicht mehr in der Hand behält. Dazu bietet sich u. a. auch an die Herausnahme der Barleistungen der Krankenversicherung für dieersten sechs Wochen und die Finanzierung der Lohnfortzahlung für ,diese Zeit über eine Arbeitgeberumlage als Auftragsgeschäft für die Krankenkassen, bei denen alle Voraussetzungen für die Durchführung eines solchen Auftragsgeschäfts vorliegen. Dazu ist aber - das müssen wir völlig nüchtern und realistisch feststellen, meine Damen und Herren - die Zeit noch nicht reif. Von mir in den letzten Monaten in dieser Richtung gemachte Vorschläge hatten zur Folge, daß Rechnungen aufgestellt wurden, die ,als Mehrbelastung Beträge zwischen 2,3 und 4,7 Milliarden DM aufwiesen. Der entbrannte Streit ließ erkennen, daß die große Lösung dieses Problems jetzt und in dieser Stunde noch nicht realisierbar zu sein scheint, weil der dazu erforderliche Schritt als zu groß empfunden wird. Das kommt auch in den Anträgen der sozialdemokratischen Fraktion, in den Drucksachen 1926 und 1927 zum Ausdruck. In der Drucksache 1927 wird eine Regelung gefordert, mit der sicherzustellen sei, daß keine unzumutbaren Belastungen für Kleinbetriebe bis zu 50 Beschäftigten eintreten. Danach besteht auch bei den Antragstellern völlige Klarheit darüber, daß die totalrechtliche Gleichstellung der Angestellten mit den Arbeitern nicht als realisierbar angesehen wird. Die SPD-Fraktion denkt bei diesem Antrag sicher nicht an eine Regelung, die die direkte und unmittelbare Gleichstellung vorsieht. Auch ,der Art, 3 ides Vorschaltgesetzes der Sosialdemokratischen Partei, zu dem sich im übrigen mein Kollege Horn schon geäußert hat, sieht ja lediglich vor, den Arbeitgeberzuschuß bis zum Nettolohn zu erhöhen. Dieser beiden Anträge - das möchte ich für meine Fraktion unmißverständlich erklären - bedarf es aber nicht, weil meine politischen Freunde nicht erst seit der Vorlage dieser Anträge, sondern schon bei der ersten Lesung des Gesetzentwurfs über die Neuregelung der Krankenversicherung vor diesem Flohen Hause entsprechende und sogar über diesen Antrag hinausgehende Vorschläge angekündigt haben, von denen ich Ihnen jetzt sagen kann, daß sie in den nächsten Tagen vorliegen werden. Sie werden für die gewerblichen Arbeitnehmer Regelungen vorsehen, die für diese eine spürbare Annäherung an die materielle Gleichstellung bringen werden. In der Begründung zu dem Art. 3 des Antrags auf Drucksache 1926 wird von der sozialdemokratischen Fraktion die Aufstockung des Zuschusses auf den Nettolohn bereits als die materielle Gleichstellung bezeichnet. Ich glaube, daß hier in der Argumentation ein Flüchtigkeitsfehler vorliegt. Ich möchte hier erklären, daß das - ich nehme an, daß das unsere gemeinsame Vorstellung ist - noch keine materielle Gleichstellung der Arbeiter bedeutet. Darum möchte ich das nur mit erheblichen Einschränkungen gelten lassen. Zur materiellen Gleichstellung gehört mehr. Ich erinnere nur an die Karenztage. Hierzu kann ich heute schon erklären, daß der demnächst dem Hohen Hause vorliegende Vorschlag meiner Fraktion in diesem Punkte einen Schritt weitergehen wird. Damit ist wiederum dargetan, daß es der Anträge, die Gegenstand dieser Debatte sind, gar nicht bedarf. Die SPD-Fraktion rennt mit diesen Anträgen in der Tat offene Türen ein. Herr Dr. Schellenberg versucht aus parteitaktischen Gründen - das ist verständlich - den Eindruck zu erwecken, wir seien erst unter dem Druck der SPD-Initiative tätig geworden. Ich möchte das ernsthaft zurückweisen. Ich kann darauf verweisen, daß die Sprecher meiner Fraktion schon in der 213. und 214. Sitzung des 2. Deutschen Bundestages weitere Schritte hinsichtlich der Lohnfortzahlung im Zusammenhang mit der Fortführung sozialer Reformen angekündigt haben; das war vor dreieinhalb Jahren. Den Gewerkschaftlern und Sozialpolitikern der SPD-Fraktion ist auch nicht verborgen geblieben, daß im christlich-sozialen Bereich schon sehr früh die vielfältigsten Wege diskutiert wurden. Diese Diskussionen sind aber dann besonders schwer, wenn man sich bemüht, eine gesellschaftspolitisch in vollem Umfange berechtigte Frage in einer Form zu regeln, die den standesspezifischen und berechtigten Wünschen möglichst aller Rechnung trägt. ({2})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Abgeordneter Weimer, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Schellenberg?

August Weimer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002451, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja!

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Abgeordneter Schellenberg!

Dr. Ernst Schellenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001954, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wenn das schon so viele Jahre Ihr Anliegen ist, warum haben Sie sich damit bei der Bundesregierung nicht so durchsetzen können, daß der Regierungsentwurf in entsprechender Weise gefaßt wurde?

August Weimer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002451, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Dr. Schellenberg, es ist Ihnen nicht unbekannt, daß auch in Ihrer Fraktion - genau wie in unserer Fraktion - Meinungen vertreten sind, die das als eine rein arbeitsrechtliche Frage ansehen, ({0}) während andere der Auffassung sind, man solle das im Zuge der Reform der gesetzlichen Krankenversicherung mit anpacken. ({1}) - Sie haben schon bei der ersten Lesung zu dem Regierungsentwurf aus dem Kreise meiner Fraktion hören können, daß die eine oder andere Frage auch anders gesehen werden kann. ({2}) Wir haben uns im Kreise von christlich-sozialen Freunden schon sehr lange mit diesem Problem beschäftigt. Ich denke an die vielen Verlautbarungen der Sozialausschüsse und im übrigen auch an die Grundsatzerklärungen unserer Parteigremien. Meine Damen und Herren, es ist klar: über Einzelheiten dessen, was hinsichtlich der Lohnfortzahlung diesem Hohen Hause konkret vorgeschlagen wird, kann erst dann gesprochen werden, wenn es als Vorlage in den Geschäftsgang dieses Hohen Hauses eingegangen sein wird. Im übrigen aber darf auch ich hier noch einmal unmißverständlich zum Ausdruck bringen: In der Frage der Reform der Krankenversicherung bzw. der Behandlung des vorliegenden Gesetzentwurfs vertrete auch ich die Auffassung, daß unter gar keinen Umständen eine Zurückstellung erfolgen sollte. Ich meine, es ist höchste Zeit, daß die Reform der Krankenversicherung kommt. Aber es ist auch immer noch Zeit genug, sie in dieser Legislaturperiode durchzuführen. ({3})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Geiger ({0}).

Hans Geiger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000646, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf zunächst auf die Ausführungen des Herrn Kollegen Horn eingehen. Der Kollege Horn hat dem Hohen Hause gesagt, in den Kundgebungen draußen im Lande, den Veranstaltungen des Deutschen Gewerkschaftsbundes und der verschiedensten Organisationen, seien alle im Regierungsentwurf enthaltenen Leistungsverbesserungen unterschlagen worden. ({0}) Ich muß sagen, daß das nicht zutrifft. Wir haben überall, wo ich solche Kundgebungen mit erlebt habe, auch das Positive dieses Gesetzes herausgestellt, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, nicht zuletzt deshalb, weil wir darauf aufmerksam gemacht haben, daß das Gute in diesem Gesetzentwurf einen Teil unserer Arbeit im Bundestag darstellt. ({1}) Wir haben aber überall auch darauf aufmerksam gemacht, daß die Belastungen, die dieser Gesetzentwurf bringt, die Leistungsverbesserungen einfach überschattet haben, daß den Menschen viel mehr an Belastungen zugemutet werden soll, als sie materiell an Verbesserungen erhalten würden. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, nicht nur die materiellen Verschlechterungen waren das, was draußen die Empörung hervorgerufen hat. ({2}) Was die Empörung, die echte Empörung hervorgerufen hat - Herr Kollege Ruf, Sie haben davon ein erhebliches Stück gespürt -, ({3}) war jene Diskriminierung und jene Verdächtigung der versicherten Menschen, sie wollten nichts anderes, als Leistungen in Anspruch zu nehmen, die ihnen gar nicht zukommen, Das hat die Empörung entfacht, meine Damen und Herren, ({4}) und das war es, was draußen zu diesen gewaltigen Kundgebungen geführt hat, was darüber hinaus auch in Ihren eigenen Reihen zu einer erheblichen Diskussion geführt hat und was Sie - was mich freut - auch veranlaßt hat, diese Dinge noch einmal durchzudenken. Sie haben ja heute dargelegt, daß Sie bemüht sind, vom Irrtum zur Wahrheit zu reisen, und haben diesen Versuch unternommen. Ich hätte mich nur gefreut, wenn bei dieser Reise die ganze Wahrheit herausgekommen wäre. Das war leider nicht der Fall. Herr Kollege Horn hat noch einmal mit aller Deutlichkeit herausgestellt, daß Sie mit Ihren Vorschlägen nichts anderes wollen, als die erste Etappe auf dem Wege zur Kostenbeteiligung zu beschreiten, um - meine Vorredner haben das mit aller Deutlichkeit gesagt - dann, wenn die Wahlen entschieden sind, die volle Belastung einzuführen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Hans Geiger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000646, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Bitte sehr!

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Abgeordneter Memmel!

Linus Memmel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001466, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Geiger, was würden Sie sagen, wenn wir wirklich dem Rat des Herrn Professor Schellenberg folgten und die Krankenversicherung nicht mehr behandelten?

Hans Geiger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000646, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Aber, sehr verehrter Herr Kollege Memmel, diese Frage hätten Sie nicht stellen dürfen! Dann hätten wir die begründete Hoffnung, daß Sie unser Vorschaltgesetz beschließen und etwas Vernünftiges tun würden. ({0}) Überall dort, wo im Parlament etwas Vernünftiges getan wird, finden Sie die Sozialdemokraten bei denjenigen, die das gebührend hervorheben und nicht aus Grundsatz bekämpfen. ({1}) Wir haben das schon immer bewiesen, und wir werden das auch in der künftigen Zeit tun. Meine Damen und Herren, ich möchte darauf hinweisen, daß schon der Ausdruck „Selbstbeteiligung" oder „Kostenbeteiligung", wie er heute immer wieder gewählt wurde, sachlich falsch ist. Bei dieser Belastung der Versicherten, die Sie ja in einigen Punkten noch vorsehen, handelt es sich nicht um eine Kostenbeteiligung oder um eine Selbstbeteiligung, sondern um eine zusätzliche Belastung der Krankenversicherten, derjenigen Menschen, die oft ein Leben lang für den Fall der Krankheit Beiträge gezahlt haben und die nun, wenn sie krank sind, besonders belastet werden sollen. Die Kosten der gesamten Krankenbehandlung und der gesamten Ausgaben der Krankenversicherung werden ja einzig und allein von dem Kreis der Versicherten und - so will ich gerechterweise sagen - der Arbeitgeber getragen. Man kann also nicht von einer Kostenbeteiligung sprechen. Meine Damen und Herren! Ich bin der Auffassung, die wir vorhin vorgetragen haben: daß für eine umfassende Versicherungsreform jetzt wirklich keine Zeit mehr vorhanden ist. Obwohl uns dies politisch sehr zustatten kommen könnte, wünschen wir nicht, daß man eine derartige Auseinandersetzung, die solche großen gesellschaftlichen Probleme Geiger ({2}) behandelt, in einer Wahlatmosphäre durchführt, und Sie sollten das auch nicht wünschen. ({3}) Das ist keine gute Grundlage für eine solche Erörterung. Ich darf Ihnen darüber hinaus auch sagen, meine Damen und Herren, daß Ihre neuen Vorschläge, zu denen Sie sich nach vielerlei Geburtswehen - das muß ich schon sagen - durchgerungen haben, nur einen Teil der gesamten Problematik dieses Neuregelungsgesetzes behandeln. Kein Wort haben Sie bis jetzt zu der Frage des beratungsärztlichen Dienstes gesagt, zu dieser gewaltigen Aufblähung eines Apparats, dieser gewaltigen Verschärfung der Auseinandersetzungen, zu diesem Sprengstoff, der draußen gerade die von Ihnen angeführte Empörung so sehr entfacht hat. Sie haben auch noch kein Wort davon gesagt, daß Sie Aufgaben, für die Sie im Bundestag die politische Verantwortung nicht übernehmen wollen, einfach auf die Selbstverwaltungskörperschaften abwälzen wollen. Kein Wort davon in Ihren neuen Vorschlägen! Dieses Problem besteht immer noch. Hier gilt es, sich politisch zu entscheiden, für diese Entscheidung die Verantwortung zu tragen und nicht auf die Selbstverwaltungskörperschaften Aufgaben abzuwälzen, die sie einfach nicht tragen können. ({4}) Sie haben in Ihren Vorschlägen auch kein Wort von der Lösung des Problems der Fremdaufgaben, der Abgrenzung zur Unfallversicherung und der Mutterschaftshilfe gesagt. Vielleicht macht der Herr Bundesfamilienminister heute noch einen entsprechenden Vorschlag. Er sitzt ja hier unten, wie ich erfreulicherweise feststellen kann. Bis jetzt hat er es allerdings noch nicht getan. ({5}) - Jawohl, ich wiederhole es, damit es wirklich dargestellt ist und damit Sie erkennen können, wie ernst es uns ist. ({6}) Und wir werden es uns auch nicht nehmen lassen, das zu unterstreichen und zu wiederholen. Wir haben Sie bis jetzt in einigem überzeugen können; Sie haben Gott sei Dank etwas andere Vorschläge gebracht. Vielleicht gelingt es uns mit unserer Argumentation noch, daß Sie zu einer besseren Erkenntnis kommen. Ich würde mich darüber sehr freuen. Die Vorstellung des Kollegen Weimer über die Lohnfortzahlung läßt das allerdings nicht vermuten; denn das, was er uns heute vorgetragen hat, ist nicht mehr und nicht weniger, als was Sie seit dreieinhalb Jahren vortragen, daß Sie nämlich prüfen, überlegen und sondieren wollen, wie man ein solches Problem einmal lösen kann. Sie haben aber nichts vorgeschlagen und können heute noch nicht einmal die angekündigten Vorschläge vorlegen. Sie vertrösten uns wiederum auf eine spätere Zeit und wollen uns gleichzeitig klarmachen, _daß für eine umfassende Reform noch genügend Zeit vorhanden sei. Kein Wort von dem gesellschaftspolitischen Problem, wie Sie verwirklichen wollen, daß endlich einmal die gewerblichen Arbeitnehmer und die Angestellten, die im gleichen Betrieb arbeiten und dem gleichen Betriebsziel dienen, auch gleich behandelt werden wollen. Sie sagen heute: „eine spürbare Annäherung". Meine sehr verehrten Damen Herren, kein Mensch weiß, was spürbar ist. Kein Wort von der Lohnfortzahlung in den ersten sechs Wochen im Falle der Krankheit, wie das bei den Angestellten schon von jeher eine Selbstverständlichkeit war! ({7}) - Wir haben das mit aller Deutlichkeit in zwei Vorschlägen festgelegt, Herr Kollege Pelster, einmal in einer Übergangslösung und dann in einer Aufforderung an die Bundesregierung, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der diese Fragen behandelt, damit Sie mit Ihren Vorstellungen entsprechend mitwirken können. ({8}) In all den bis jetzt gemachten Vorschlägen ist nach wie vor die Demütigung der gewerblichen Arbeiter festgehalten. Es ist keine Gleichberechtigung, und um dieses Ziel der gesellschaftlichen Gleichberechtigung geht es uns viel mehr als um die materielle Ausgleichung der Gegensätze, die vorhanden sind. Sie haben auf zwei Parteitagen - das muß ich noch einmal wiederholen, damit es Ihnen im Gedächtnis bleibt - diesen Beschluß gefaßt und haben bis jetzt, obwohl Sie die absolute Mehrheit haben, noch keinen entsprechenden Vorschlag vorgelegt. Ich gebe dem Kollegen Weimer recht: es ist eine arbeitsrechtliche Frage, und es handelt sich um ein Problem der mittelständischen Betriebe und der mittelständischen Wirtschaft. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist für uns keine neue Erkenntnis, die hier vorgetragen worden ist. ({9}) - Bereits im Jahre 1957, sehr geehrter Herr Kollege Dr. Atzenroth, haben wir den Vorschlag einer Ausgleichskasse gemacht, damit auch die mittelständische Wirtschaft ohne besondere Belastung eines einzelnen in die Lage versetzt wird, diese Leistungen wie die Industrie zu erbringen. Das vertreten wir seit einer Reihe von Jahren, und es kann auch Ihnen kein Geheimnis geblieben sein, ebenso wie es kein Geheimnis gewesen sein kann, daß in einem großen Teil der mittelständischen Wirtschaft diese Lohnfortzahlung für sechs Wochen schon eine Selbstverständlichkeit ist. Ich darf nur auf die über 1 Million Beschäftigten im Handel hinweisen. Ich darf aber noch sagen: Diese Gleichberechtigung und diese Lö7268 Deutscher Bundestag - 3. Wahlperiode - 125. Sitzung. Bonn, Donnerstag, cien 29. September 1960 Geiger ({10}) sung für die mittelständische Wirtschaft ist auch notwendig, um die Konkurrenzfähigkeit der mittelständischen Wirtschaft gegenüber den großen und größten Betrieben aufrechtzuerhalten oder, wenn Sie wollen, wiederherzustellen. ({11}) Allein von diesem Gesichtspunkt her muß diese Frage gelöst werden; sonst wird weiterhin eine Entwicklung stattfinden, die dem Großbetrieb die Lohnfortzahlung ermöglicht und der mittelständischen Wirtschaft die Arbeitskräfte weiter entzieht, weil bei Ihrem marktwirtschaftlichen Prinzip und bei Ihren Vorstellungen eben das höhere Angebot auch die Nachfrage regelt. ({12}) - Ich wollte lediglich sagen, daß hier auf der Arbeitnehmerseite wirksam wird, was Sie immer in den Mittelpunkt Ihrer Betrachtungen stellen: daß Angebot und Nachfrage letztlich den Preis regeln. Herr Kollege Weimer sagt: Die Zeit ist noch nicht reif, um diese Frage zu lösen. Ich möchte wissen, wann sie eigentlich reif ist. Wenn sie heute bei einer derartigen Konjunkturlage und bei den Erkenntnissen, die Sie jedesmal auf Ihren Parteitagen erhärten, noch nicht reif ist, fürchte ich, daß die Vorschläge, die Sie uns unterbreiten werden, von dieser Reife gar nichts merken lassen und in ihrer Reife noch weit zurückliegen. ({13}) Wir sind der Meinung, daß endlich die Zeit gekommen ist, wo man diejenigen Menschen - ich will das noch einmal betonen -, die gemeinsam in demselben Betrieb arbeiten und demselben Betriebsziel dienen, auf diesem Gebiet auch gleichbehandelt. Das ist bis jetzt noch nicht geschehen. Hier handelt es sich um kein standespolitisches Anliegen, wie Sie immer so nett betonen, sondern hier handelt es sich um ein gesellschaftspolitisches Problem. Hier handelt es sich um die Notwendigkeit, endlich das richtigzustellen, was seit Jahren und Jahrzehnten falsch gemacht worden ist. Heute, in unserer modernen Industriegesellschaft im 20. Jahrhundert, besteht keine Berechtigung mehr, die Arbeitnehmer, je nachdem, ob es gewerbliche Arbeitnehmer oder Angestellte sind, unterschiedlich zu behandeln. Wir möchten Sie deshalb bitten, sich diese Angelegenheit noch einmal zu überlegen und sich unsere Vorschläge zu Gemüte zu führen; wir hoffen, daß Sie ihnen dann auch zustimmen. ({14})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Atzenroth.

Dr. Karl Atzenroth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000057, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Meine Damen und Herren, mein Kollege Stammberger hat schon darauf hingewiesen, ,daß sich bei der Beratung dieses Gesamtproblems eine Fülle von Einzelfragen ergeben werden, die in der kurzen Zeit, die uns in diesem Jahr vor der Wahl zur Verfügung steht, einfach nicht zu lösen sind. Gerade die letzten Ausführungen, die zu dem Problem Lohnfortzahlung gemacht worden sind, haben das mit voller Deutlichkeit unterstrichen. Hier wird ein Problem, das sicherlich einer Lösung bedarf, mit deutlichem Blick auf die Wahl im nächsten Herbst hochgespielt. ({0}) Es handelt sich um ein Problem - diese Worte möchte ich besonders ,an die Kollegen von der SPD richten -, das einer sehr gründlichen Prüfung bedarf. Wenn Sie selber auch der Meinung sind, daß das Gesamtproblem von diesem Bundestag nicht gelöst werden kann, dann kann gerade das Spezialproblem: Lohnfortzahlung, gesellschaftspolitische Frage, Angestellte, Arbeiter, in dieser kurzen Frist nicht mehr gelöst werden; denn wir haben ja noch gar nicht begonnen, uns damit zu beschäftigen. Es genügt nicht, einfach zu sagen, die Arbeiter bekommen dasselbe wie die Angestellten. Damit kommen wir den Dingen nicht näher. Wodurch ist denn der Unterschied früher entstanden? In dem Augenblick, in dem der Angestellte ,anders behandelt wurde, waren seine Tätigkeitsmerkmale andere. Die Angestellten bildeten eine Gruppe von Menschen, die eine bestimmte Arbeitsaufgabe zu erfüllen hatten. In dem Augenblick, in dem einer von ihnen ausschied, sprang der andere ein, um das Arbeitspensum mit zu erledigen. Dabei kam es auf eine Stunde nicht an. Diese Stunde wurde nicht als Überstunde gewertet, sondern ,das Gesamtvolumen der Arbeit und der Bezahlung blieb das gleiche. Das war bei der großen Masse der Arbeiter einfach nicht möglich. Zu der Zeit, als diese Unterschiede entstanden, war eine solche Gleichstellung nicht möglich. In der Zwischenzeit haben sich die Dinge wesentlich gewandelt. Der Personenkreis, den man früher als Angestellte bezeichnet hat, hat sich gewaltig ausgeweitet. Viele Boten werden heute als Angestellte behandelt und ,eingestellt. Viele Facharbeiter, viele der intelligentesten Arbeiter müßten längst in das Angestelltenverhältnis übernommen werden. Das sind nur kleine Probleme am Rande, die sich hier ergeben. Aber .diese müssen erst gelöst werden, wenn wir an die Sache selbst herangehen wollen. Deswegen möchte ich die beiden großen Parteien davor warnen, diese Angelegenheit zu einem Wettlaufen um die Gunst der Wähler zu machen. Es ist natürlich wichtig, in der Öffentlichkeit zu sagen, die Arbeiter bekommen dafür genauso gut den vollen Lohn ausgezahlt wie die Angestellten. Es ist nur für .die Wahl zweckmäßig, so etwas zu sagen. Zu einer ernsten Untersuchung genügt das nicht, sondern dazu braucht man eine sorgfältige Prüfung der Probleme. ({1}) - Ich will gar nicht behaupten, daß ich Ihnen heute eine Patentlösung vorlegen kann; denn ich sage ja, wir müssen erst das gesellschaftspolitische Problem untersuchen. Vielleicht darf ich der Bundesregierung einen kleinen oder aber auch einen großen Vorwurf machen, weil sie diese Frage nicht schon längst in den Bereich ihrer Untersuchungen einbezogen hat. Ist eigentlich das Wort, hie Arbeiter, hie Angestellter, überhaupt noch angebracht? Müssen wir da nicht zu neuen Begriffen kommen? Erst wenn diese Frage geklärt ist, können wir zu einer gerechten Lösung gelangen. Wir sind schon in einen Wettlauf eingetreten. Die Vorlage der sozialdemokratischen Fraktion - Drucksache 1927 - fordert zunächst einmal rundweg alles, ohne Rücksicht auf die Folgen, die sich daraus ergeben. Die CDU hat den Weg noch nicht ganz gefunden. In der Presse hat gestanden, die CDU fordere ungefähr dasselbe wie die Sozialdemokraten. Aber die Bedenken kamen bei den Ausführungen ihres Redners doch sehr deutlich zum Ausdruck. Die Bedenken sind berechtigt, und es ist notwendig, daß man sie prüft und ihnen Rechnung trägt. Ich erinnere nur an das Bedenken hinsichtlich der Höhe des geldlichen Aufwandes, den die SPD-Vorschläge über die volle Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber erforderlich machen. Dieser Betrag würde die Wirtschaft zusätzlich mit 2,7 Milliarden DM belasten. Die Berechnungen hierüber sind vom Arbeitsministerium bestätigt worden. Aber ich will gar nicht auf dieses geldliche Problem eingehen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Abgeordneter Atzenroth, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Schellenberg?

Dr. Karl Atzenroth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000057, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Bitte sehr!

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Abgeordneter Schellenberg!

Dr. Ernst Schellenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001954, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Dr. Atzenroth, wollen Sie nicht diese Größenordnung von immerhin 2,7 Milliarden DM etwas erläutern? Ich frage deshalb, weil wir von den Arbeitgebern zwar diese Größenordnung gehört haben, aber bisher noch nichts darüber, was die bislang gezahlten Zuschüsse zum Krankengeld ausmachen. Wollen Sie vielleicht dazu Stellung nehmen?

Dr. Karl Atzenroth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000057, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Lieber Herr Schellenberg, heute werde ich Ihnen keine Antwort darauf geben. Aber ich bin bereit, Ihnen eine klare und deutliche Antwort zu geben und diese Antwort zu veröffentlichen, so daß es nicht bei einem kleinen Briefwechsel zwischen uns bleibt. Zumindest allen Kollegen soll die Antwort zugänglich sein. ({0}) Ich wollte das geldliche Problem gar nicht in den Vordergrund stellen; das ist nicht die entscheidende Frage. Von beiden Rednern ist gesagt worden, die gesellschaftspolitische, die gesellschaftsethische Frage sei zu klären, Darüber müssen erst Untersuchungen angestellt werden. Wir müssen uns zunächst darüber klar werden, was die Begriffe „Angestellter" und „Arbeiter" umfassen. In unserer modernen Wirtschaft haben sich die Verhältnisse auf diesem Gebiet gewandelt, und dem müssen wir Rechnung tragen. Zum Schluß noch ein Wort zu dem Umstand, daß die SPD jetzt vor der Wahl wieder einmal ihre Mittelstandsfreundlichkeit entdeckt. ({1}) - Darf ich einmal die Argumentation Ihres Redners überprüfen. Er hat gesagt, wenn die Lohnfortzahlung den Arbeitnehmern freiwillig gewährt werde - und das kommt nur bei den großen Unternehmungen in Betracht -, dann sei das eine Benachteiligung des Mittelstandes. Richtig! Aber, meine Damen und Herren von der SPD, was sagen Sie denn zu den freiwilligen sozialen Leistungen, die die großen Unternehmungen seit zehn Jahren erbringen? Die haben Sie bisher noch nicht beanstandet. Sie haben bisher auch noch nicht vorgeschlagen, alle Unternehmen, auch die kleinen, zu derartigen Leistungen gesetzlich zu verpflichten, etwa in Form der Einzahlung in eine gemeinsame Kasse. Eine solche Einzahlung würde im übrigen die kleinen Unternehmer wahrscheinlich genauso stark belasten wie die Einzelzahlung; bei dem einen mag es etwas weniger, bei dem anderen etwas mehr sein. Wir sind damit einverstanden, daß dieses Problem jetzt beraten wird. Wir stimmen daher der Überweisung des Antrags der SPD an die Ausschüsse - er sollte nicht nur an den Ausschuß für Arbeit, sondern auch an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik überwiesen werden - zu. Wir sollten uns dort gründlich über die Probleme unterhalten. Wir würden es aber für verhängnisvoll halten, wenn dieser Bundestag angesichts der bevorstehenden Wahlen noch Beschlüsse dazu faßte. ({2})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Wird noch das Wort zur Sache gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache. Wir stimmen zunächst über die Überweisung der Vorlage zu Punkt 7 a, Drucksache 1926, ab. Es besteht Einverständnis darüber, daß der Entwurf an den Ausschuß für Sozialpolitik - federführend - und zur Mitberatung an den Haushaltsausschuß und an den Ausschuß für Gesundheitswesen überwiesen wird. So ist es im Ältestenrat vereinbart. - Kein Widerspruch, es ist so beschlossen. Die Fraktion der FDP beantragt, daß die Vorlage zusätzlich zur Mitberatung an den Wirtschaftspolitischen Ausschuß überwiesen wird. ({0}) - Sie ziehen den Antrag zurück? ({1}) - Gut! Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über die Vorlage unter Punkt 7 b, Drucksache 1927. Das Wort zur Abstimmung hat der Abgeordnete Börner.

Holger Börner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000225, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ausführungen des Herrn Kollegen Atzenroth veranlassen ,die sozialdemokratische Fraktion, zur Abstimmung zu erklären, daß sie die Frage der Lohnfortzahlung an Arbeiter im Krankheitsfalle nicht für eine Sache hält, die man unter dem Gesichtspunkt ides Wahlkampfes 1961 sehen kann. Die Lohnfortzahlung wird von breiten Kreisen unseres Volkes seit langen Jahren gewünscht, und nach unserer Meinung hat die deutsche Arbeiterschaft ein Anrecht darauf. ({0}) Wir sind weiter der Meinung, daß durch die Beratungen des 2. Deutschen Bundestages und des 3. Deutschen Bundestages ausreichend klargeworden ist, daß diese Sache einer gesetzlichen Regelung bedarf. Wir haben heute mit großem Interesse die Ausführungen unseres Kollegen Weimer von der CDU-Fraktion gehört. Da also auch die Mehrheitsfraktion einen Weg angedeutet hat, sind wir der Meinung, daß ,der Bundestag zum Abschluß dieser Debatte sich in einer klaren Sachentscheidung zu dem anstehenden Problem äußern sollte. Ich bitte deshalb im Namen meiner Freunde, den Antrag Drucksache 1927 nicht dem Ausschuß zu überweisen, sondern hier sofort zur Abstimmung zu bringen. ({1})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Wird weiter zur Abstimmung das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Horn!

Peter Horn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000959, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Debatte über diesen Gegenstand hat deutlich gemacht, daß der Antrag keineswegs jetzt in erster Lesung im Plenum zur Abstimmung gestellt werden kann. Wir sind der Meinung, daß wir es bei diesem Antrag wie bei allen anderen Gelegenheiten machen sollten, nämlich ihn dem Ausschuß zu überweisen. Da es sich, jedenfalls nach der Absicht der Antragsteller, bei dem Antrag um eine Vorlage zu einem arbeitsrechtlichen Gegenstand handelt, beantragen wir, den Antrag dem Ausschuß für Arbeit - federführend - zu überweisen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Wird das Wort weiter gewünscht? - Zur Abstimmung? - Herr Abgeordneter Schellenberg!

Dr. Ernst Schellenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001954, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir bedauern sehr, daß die CDU-Fraktion ungeachtet der Erklärungen, ,die gestern zu der Frage der Lohnfortzahlung abgegeben wurden, sich hier nicht zu einer Entscheidung in der Sache bekennt. Wir werden deshalb der Ausschußüberweisung zustimmen, weil auf Grund ihres Überweisungsantrags - leider - keine Sachentscheidung möglich ist. Aber wir stellen fest, daß Ihr Bekenntnis, das Sie noch gestern so großartig abgegeben haben, offenbar auf schwankenden Füßen steht. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Wird noch das Wort zur Abstimmung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wir kommen zur Abstimmung. Wer den Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 1927 an den Ausschuß für Arbeit - federführend - überweisen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Mit großer Mehrheit beschlossen. Wer auch dafür ist - wie es der Ältestenrat vereinbart hat -, diesen Antrag dem Ausschuß für Sozialpolitik zur Mitberatung zu überweisen, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; es ist so beschlossen. Wer dem Antrag des Abgeordneten Dr. Atzenroth zustimmt, den Antrag auch dem Ausschuß für Wirtschaft zur Mitberatung zu überweisen, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letzte war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung abgeschlossen. Ich rufe Punkt 8 der Tagesordnung auf: Erste Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Tarifvertragsgesetzes ({0}). Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Dr. Atzenroth.

Dr. Karl Atzenroth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000057, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Meine Damen und Herren! Der hier zur Beratung stehende Gesetzentwurf ist erst mit großer Verzögerung auf die Tagesordnung des Bundestages gekommen. Sein Inhalt ist deshalb nicht weniger aktuell. Die Öffentlichkeit hat sich mit unserer Vorlage schon eingehend beschäftigt. Dabei sind irrige Auffassungen über den Inhalt und den Zweck unseres Antrags zutage getreten. Deshalb möchte ich vor der eigentlichen Begründung noch einmal die ausdrückliche Erklärung abgeben, daß meine Partei die Tarifautonomie der beiden Tarifpartner voll und ganz bejaht und sie durch diesen Antrag keineswegs in Frage stellen will. Welche Partei sollte denn mit größerer Aufgeschlossenheit einer solchen Tariffreiheit gegenüberstehen als gerade die liberale Partei? Den Einzelpersönlichkeiten weitgehende Rechte zu geben, den Staat auszuschalten, wo er nicht benötigt wird, ist ein echtes liberales Anliegen. Wir wollen aber die Autonomie der beiden Partner vor Gefahren bewahren, die ihr sonst bei einer Fehlentwicklung drohen könnten. Ich habe schon früher einmal ausgeführt: dieser Antrag soll den Zweck haben, die Tarifpartner an ihre Verpflichtungen für die Allgemeinheit zu erinnern. Ohne in ihre Tarifhoheit einzugreifen, sollen sie veranlaßt werden, alle Möglichkeiten der Aussprache und der Schlichtung auszunutzen. Der äußerste Schritt, nämlich der für die Wirtschaft und für unser ganzes Volk immer verhängnisvolle Arbeitskampf, soll tatsächlich nur der letzte Ausweg sein, wenn alle anderen Mittel der Verständigung versagt haben. Ich bin überzeugt, daß diese Gedankengänge nicht nur in diesem Hause, sondern auch in der Öffentlichkeit auf weitgehendes und wachsendes Verständnis stoßen werden. Den Rechten der beiden Tarifpartner stehen selbstverständlich auch Pflichten gegenüber der Allgemeinheit entgegen. Es ist keineswegs so, daß der Staat den beiden Partnern die volle Autonomie überlassen hat. Er hat in ihre Tarifvertragsfreiheit bereits erheblich eingegriffen. Arbeitszeitgesetz, Gesetz über Mitbestimmung, Kündigungsschutzgesetz, Mindesturlaub, Pflicht zur Einstellung von Schwerbeschädigten, Mutterschutzgesetz usw., alles das sind staatliche Eingriffe in die Vertragsautonomie der beiden Gruppen, die wir nicht etwa ablehnen; wir stellen vielmehr nur fest, daß es eben bei uns eine absolute Tariffreiheit zur Zeit nicht gibt. Wir alle wissen, daß den Organisationen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber in der Bundesrepublik Aufgaben übertragen worden sind, die von großer, ja entscheidender Bedeutung für das gesamte Wirtschaftsleben unseres Volkes sind. Dieser Autonomie in einem sehr umfassenden sozialen und wirtschaftlichen Bereich müssen allerdings nach unserer Auffassung auch Pflichten und Verantwortung gegenüber der Gesamtheit entsprechen. Nicht die Arbeitsniederlegung, nicht Streik und Aussperrung sind Zweck und Ziel des Tarifrechts, sondern eine vernünftige und konstruktive Zusammenarbeit, die Sicherung der Arbeitsplätze, die Verbesserung der Arbeitsbedingungen unter Berücksichtigung des wirtschaftlich Möglichen und Vertretbaren und die Erhaltung des Arbeitsfriedens sind die Aufgaben der Koalitionen. Der Arbeitsfriede soll nicht gestört werden, ehe nicht alle Möglichkeiten, ihn zu erhalten, ausgeschöpft sind. Der Arbeitskampf soll erst die ultima ratio sein. Eben diesem Ziel dient unser Gesetzentwurf, der ein wirksames Schlichtungswesen vorschreibt. Ein Abkommen, das im .Jahre 1954 zwischen den Spitzenorganisationen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber auf dem Margarethenhof abgeschlossen wurde, enthält gemeinschaftliche Empfehlungen für den Abschluß tariflicher Schlichtungsvereinbarungen. Sein Ziel war, das Tätigwerden von tariflichen Schlichtungsstellen nach dem Scheitern von Tarifverhandlungen zu sichern und während dieses Verfahrens eine entsprechende Friedenspflicht zu statuieren. Es ist außerordentlich bedauerlich, daß die Entwicklung dieses und des vergangenen Jahres eine Gefährdung des Margarethenhof-Abkommens und seiner begrüßenswerten Absichten gebracht hat. Die lohn- und tarifpolitische Entwicklung der letzten Zeit, insbesondere die Entwicklung seit Beginn dieses Jahres, zeigt mit eindringlicher Deutlichkeit, wie notwendig eine Entspannung durch eine Neuregelung des freiwilligen Schlichtungswesens ist. Bei voller Anerkennung des Grundsatzes der autonomen Gestaltung der Lohn- und Arbeitsbedingungen durch freie Tarifpartner hat es sich doch erwiesen, daß in Zeiten der Hochkonjunktur und der Voll- und Überbeschäftigung diese Tarifautonomie offenbar überfordert ist und sich letzten Endes durch die Übersteigerung von Forderungen und Bewilligungen zum Nachteil der Allgemeinheit des Volkes auswirkt. Das zeigt am besten eine kritische Betrachtung der Lohnentwicklung dieses Jahres. Zu Beginn des Jahres 1960 hielt sich die allgemeine Lohnentwicklung etwa noch in den Grenzen, die durch die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung gesetzt waren. Dann aber folgte eine Steigerung der Lohnerhöhungen bis zu 15%, zum Teil jetzt sogar auf 16 bis 17 %. Hinzu kamen jeweils noch beträchtliche Nebenforderungen, wie die Veränderung der Lohngruppeneinteilungen, der Ortsklassenabstufungen und andere, nicht zuletzt die weitgehenden Forderungen nach Arbeitszeitverkürzung. Es ist allen Beteiligten klar und wird auch ernstlich nicht von den Gewerkschaften bestritten, daß das Ausmaß dieser rasanten Lohnentwicklung, deren Ende noch gar nicht abzusehen ist, in allen betroffenen Industrie- und Wirtschaftszweigen zwangsläufig mit empfindlichen Preissteigerungen verbunden sein muß, die sich sehr bald in einer spürbaren Erhöhung der Lebenshaltungskosten des ganzen Volkes auswirken werden. Wenn man auch im einzelnen vielleicht verschiedener Meinung darüber sein kann, in welchem Umfang diese Lohnerhöhungen von der Kosten- und der Nachfrageseite her zwangsläufig die Preise beeinflussen, so kann doch nicht in Zweifel gezogen werden, daß nach allen volkswirtschaftlichen Gesetzmäßigkeiten diese außergewöhnliche Lohnentwicklung die allgemeine Produktivitätsentwicklung der Wirtschaft weit übersteigt und daher die Stabilität der Kaufkraft der Währung erschüttern muß. Die angespannte konjunkturelle und arbeitsmarktpolitische Situation begünstigt diese Entwicklung in weitem Umfange und läßt den Widerstand der Unternehmer gegen Lohnerhöhungen, die durch Preissteigerungen kompensiert werden können, leichter schwinden als früher. Es sollte alles getan werden, um den Gefahren, die diese Entwicklung für die Stabilität unserer Wirtschaft mit sich bringt, im Rahmen des Möglichen und ohne staatlichen Zwang zu begegnen. Wir glauben, daß ein wesentliches und geeignetes Mittel hierzu eine gesetzliche Neuregelung des Schlichtungswesens ist, die getragen ist von dem Grundsatz der freien Schlichtung der autonomen Tarifpartner und der Verantwortung gegenüber der Gesamtheit des Volkes. Unter diesem Gesichtspunkt ist der vorgelegte Gesetzentwurf zur Änderung und Ergänzung des Tarifvertragsgesetzes zu sehen. Wir lassen uns hierbei auch von dem Gedanken leiten, daß nach den in anderen Ländern der westlichen Welt gesammelten Erfahrungen ein geDr. Atzenroth regeltes Schlichtungswesen ein wesentliches Instrument ist, dem sozialen Frieden im Interesse der Allgemeinheit zu dienen. In diesem Zusammenhang darf ich nur auf die positiven Auswirkungen hinweisen, die mit dem bekannten Friedensabkommen in der Schweiz erzielt worden sind. Unser Entwurf sieht im ersten Teil vor, daß die Tarifvertragsparteien in Ausübung ihrer Tarifhoheit und in eigener Zuständigkeit verpflichtet sind, ein tarifliches Schlichtungswesen zu vereinbaren. ({0}) - Wenn sie es alle hätten, dann wäre der Gesetzentwurf überflüssig. ({1}) Er gilt nur für diejenigen, die ein solches Schlichtungswesen nicht haben. Für dieses Verfahren, dessen Regelung im einzelnen den Tarifpartnern überlassen bleibt, gibt der Entwurf nur einige wenige, inhaltlich an sich selbstverständliche Rahmenvorschriften. Die Aufgabe der von den Tarifvertragsparteien zu bildenden Schlichtungsstelle ist es, den Partnern einen Einigungsvorschlag zu unterbreiten. ({2}) - Sie werden nicht gezwungen, einen unparteiischen Vorsitzenden zu bestellen. Sie können die Zusammensetzung des Schlichtungsausschusses in eigener Machtvollkommenheit verschiedenartig gestalten. ({3}) - Aber wenn sie es alle hätten, dann brauchten wir den Gesetzentwurf nicht einzubringen. Ich bitte Sie, mir nachzuweisen, daß es alle haben. Aber ich darf doch daran erinnern, daß gerade Ihr Kollege, Herr Brenner, sich vor gar nicht allzu langer Zeit geweigert hat, ein Abkommen zu treffen, in dem ein Schlichtungsverfahren vorgesehen ist. ({4}) Die- Aufgabe der von den Tarifvertragsparteien zu bildenden Schlichtungsstelle ist es, den Partnern einen Einigungsvorschlag zu unterbreiten. Dabei hat sie - und hier liegt einer der Kernpunkte des Gesetzes - „unter Würdigung der von den Parteien vorgetragenen Darlegungen die wirtschaftlichen und sozialen Gesichtspunkte des betroffenen Wirtschaftszweiges und die Auswirkungen auf die volkswirtschaftliche Gesamtlage zu berücksichtigen". Wir glauben, daß eine solche Würdigung im Sinne der heute immer wieder betonten und gewünschten, leider aber keineswegs erreichten Versachlichung der Lohn- und Tarifpolitik liegt. Das Schlichtungsverfahren gilt nach unserem Entwurf als erschüttert, wenn ein Einigungsvorschlag nicht zustande kommt oder abgelehnt wird. Erst dann sollen Kampfmaßnahmen unter Einhaltung einer kurzen Frist zulässig sein. Ich stelle also fest, daß es der Gesetzentwurf in erster Linie den autonomen Tarifparteien überläßt, in eigener Zuständigkeit das Schlichtungsverfahren zu regeln. Erst wenn die Tarifvertragsparteien von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch machen, also keine eigene Vereinbarung über ein Schlichtungsverfahren treffen, kommen subsidiär die Vorschriften zur Anwendung, die ein solches Verfahren gesetzlich regeln. ({5}) - Nein, kein Zwang, nur die Verpflichtung, selber zu handeln. ({6}) - Der Staat greift erst dann ein, wenn diese Pflicht, zu handeln, verletzt wird. - Aber auch hier haben es die Tarifpartner in der Hand, jederzeit eine eigene Regelung an die Stelle der gesetzlichen Bestimmungen zu setzen. Im übrigen lehnen sich auch solche gesetzlichen Vorschriften des Entwurfs für ein Schlichtungsverfahren eng an die Bestimmungen an, welche die Spitzenorganisationen der Gewerkschaften und der Arbeitgeber in dem sogenannten Margarethenhof-Abkommen vom 17. September 1954 vereinbart haben. Die Spitzenorganisationen dieser beiden Tarifpartner haben eine solche Vereinbarung damals getroffen; sie ist bloß nicht durchgeführt worden. Diese Bestimmungen entsprechen also der seit Jahren bestehenden, zumindest früher gemeinsamen Auffassung der Sozialpartner. Wesentlich ist in diesem Zusammenhang und soll daher nochmals betont werden, daß der Entwurf weder bei dem gesetzlichen noch bei dem vereinbarten Schlichtungsverfahren eine Pflicht der Parteien zur Annahme des Einigungsvorschlages vorsieht. Ich möchte dies hier nochmals besonders hervorheben, weil in einer Reihe von Stellungnahmen zu dem Gesetzentwurf die Behauptung wiederkehrt, es solle hier eine Zwangsschlichtung eingeführt werden. Das ist unrichtig. Eine Zwangsschlichtung läge vor, wenn ein von einer oder beiden Parteien nicht angenommener Einigungsvorschlag kraft staatlicher Autorität für verbindlich erklärt werden könnte. Eben dies wünschen wir nicht. Nach unserem Gesetzentwurf bleibt es den Parteien unbenommen, ,den Vorschlag der Schlichtungsstelle anzunehmen oder abzulehnen. Danach sind sie binnen einer bestimmten Frist in ihren Entscheidungen frei und können notfalls Kampfmaßnahmen ergreifen. Es handelt sich auch hier nicht um den Versuch, ein staatliches Schlichtungsverfahren einzuführen; die Aufgabe des Gesetzgebers besteht vielmehr nur darin, den Tarifparteien eine Verfahrensordnung und auch diese im wesentlichen nur hilfsweise zur Verfügung zu stellen. Zum Schluß, meine Damen und Herren, darf ich noch ein Argument vortragen, das bisher in der Öffentlichkeit noch nicht erörtert worden ist, das mir aber besonders wichtig zu sein scheint. In unserem Bemühen, einen Beitrag zur Sicherung der Stabilität unserer Wirtschaft und ihrer AufwärtsentDr. Atzenroth Wicklung zu leisten, befinden wir uns in der Zielsetzung nicht nur in Übereinstimmung mit der Auffassung und den Verlautbarungen der Bundesregierung sowie des Präsidenten der Deutschen Bundesbank, sondern auch in Übereinstimmung mit der Auffassung der Allgemeinheit, nicht zuletzt der Sparer und Rentner, deren Eigentum von der Gefahr einer schleichenden Geldentwertung ernstlich bedroht wird. Mit der Rechtspflicht des Staates, alles ihm Mögliche im Sinne der Erhaltung der Stabilität des Geldwertes unter dem Gesichtspunkt des Schutzes des Eigentums zu tun, haben sich auch sehr maßgebende Juristen und Staatsrechtler befaßt. Ich denke hier vor allem an die sehr eindrucksvollen Ausführungen, die der Senatspräsident Professor Dr. Geiger vom Bundesgerichtshof vor einiger Zeit machte. Er sagte in diesem Zusammenhang: Damit stellt sich die Frage nicht nach der Entschädigungspflicht, sondern nach der Pflicht, der Rechtspflicht des Staates, alles ihm Mögliche im Sinne der Erhaltung der Kaufkraftstabilität des Geldes zu tun. Und soweit die anhaltende Verminderung der Kaufkraft der Mark darauf zurückzuführen sein sollte, daß sich die Tarifpartner, also konkret die großen Gewerkschaften und die Unternehmerverbände, auf Kosten des Verbrauchers einigen, indem sie Lohnzugeständnisse machen, die sich im Preis niederschlagen müssen, entsteht die weitere Frage, ob aus der genannten verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzpflicht dem Staat nicht die konkrete Pflicht erwächst, durch Ausbildung geeigneter Mittel der eigentumszerstörenden Wirkung einer gesamtvertraglichen Abrede entgegenzutreten. Das ist eine sehr beachtliche Bemerkung eines unserer höchsten Richter, die zumindest einer ernsten Nachprüfung von allen Seiten dieses Hauses, vor allem aber von seiten der Bundesregierung, würdig wäre. Dieser wichtige Gedankengang dieses anerkannten Richters und Verfassungsrechtlers hat sich weitgehend mit unseren eigenen Überlegungen gedeckt. Ich glaube, es könnte richtig und zweckmäßig werden, die Frage nach der Rechtspflicht des Staates, das vorhandene Eigentum zu schützen und eigentumszerstörende Maßnahmen, wie die Geldentwertung, .abzuwehren, einmal ganz grundsätzlich im Rahmen unserer verfassungsrechtlichen Ordnung aufzuwerfen und nachzuprüfen. Jede Fraktion dieses Hauses sollte sich mit dieser Frage beschäftigen. Meine Damen und Herren, ich habe mich bemüht, Ihnen die inneren Gedankengänge für die Einbringung dieses zunächst völlig falsch verstandenen Gesetzentwurfs darzulegen. ({7}) Dieser Gesetzentwurf soll die große Masse unseres Volkes schützen, aber er soll keinem der Tarifpartner irgendwie entgegentreten. Er ist gedacht zum Schutze der großen Masse unseres Volkes, zur Erhaltung des Eigentums, das der einzelne in seiner Kaufkraft besitzt, und ist gedacht zur Erhaltung der Kaufkraft unseres Geldes. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, ({8}) wenn Sie mit uns diesen Gesetzentwurf dein Ausschüssen für Arbeit und Wirtschaft überweisen, ihn in diesen Ausschüssen gründlich beraten und dann recht bald in zweiter und dritter Lesung verabschieden würden. ({9})

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Der Antrag ist begründet worden. Wir treten in die Aussprache ein. Wortmeldungen liegen nicht vor, erfolgen auch nicht. Ich schließe die erste Beratung. Der Antragsteller hat Überweisung an die Ausschüsse für Arbeit und Wirtschaft beantragt. Vorgesehen war nur Überweisung an den Ausschuß für Arbeit. ({0}) Bestehen Bedenken, daß an die beiden Ausschüsse überwiesen wird, an den Ausschuß für Arbeit als federführenden? - Keine Erinnerungen; dann ist so beschlossen. Herr Abgeordneter Memmel hat das Wort zu einer persönlichen Erklärung nach § 35 der Geschäftsordnung.

Linus Memmel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001466, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, ich will mich ernstlich bessern. Dieses Wort ist jetzt nicht so sehr für Sie gedacht, sondern für die Herren dort unten, weil ich heute gelesen habe, daß ich zu den sogenannten schwierigen Rednern gehöre, wegen meiner schnellen Sprechweise. Nun zur Sache: Der Herr Professor Schellenberg hat im Zuge der Debatte gesagt, daß der Regierungsentwurf eine Verschlechterung der geltenden Regelung bedeute. Daraufhin habe ich den Zwischenruf gemacht: „Aber eine dringend notwendige Verschlechterung!" Das hat Herr Professor Schellenberg zum Anlaß genommen, zu sagen, ich sei für die Abschaffung der Karenztage überhaupt. Ich habe das mit der „Verschlechterung" folgendermaßen gemeint: Die gegenwärtige Regelung mit der Bindung der zwei Tage an die 14 Tage Krankheitsdauer ist die schlechteste Regelung, die es überhaupt gibt. Das meinte ich. Ich bin auf jeden Fall für eine Regelung, die entweder die Karenztage ganz abschafft oder immer beibehält. Die geltende Regelung ist jedenfalls die schlechteste, die man sich vorstellen kann. Ich bin für die Beibehal7274 tung mindestens eines Tages - nämlich in der Form, daß am Tag nach der Erkrankung erst die Lohnfortzahlung beginnt. ({0})

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Das ging etwas über den Rahmen einer persönlichen Erklärung hinaus und hatte natürlich einen Sachgegenstand zum Inhalt. Wir sind damit am Ende. Ich berufe die nächste Sitzung auf morgen, Freitag, 30. September 1960, 9 Uhr. Ich schließe die heutige Sitzung.