Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung eröffnet.
Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:
Entgegennahme einer Erklärung der Bundesregierung.
Das Wort hat der Herr Bundesminister des Auswärtigen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die letzte außenpolitische Debatte im Bundestag am 5. November vorigen Jahres folgte einer Regierungserklärung, in der ich einen Überblick über Vorbereitung und Verlauf der Genfer Außenministerkonferenz gab. Ich habe damals besonders auf den westlichen Friedensplan hingewiesen, den der amerikanische Außenminister Herter am 14. Mai vorigen Jahres in Genf vorgelegt hatte. Dieser Plan war das Ergebnis einer sorgfältigen und erfolgreichen Zusammenarbeit der Bundesregierung mit den drei westlichen Alliierten; er hatte auch die Billigung aller Mitglieder der Atlantischen Gemeinschaft gefunden.
Auch heute möchte ich an diesen Vorschlag erinnern. Sein Inhalt ist eine überzeugende Widerlegung der so oft vertretenen These, es sei die Sowjetunion gewesen, die in den vergangenen Jahren immer wieder die Initiative an sich gerissen habe. Der damals vorgelegte Stufenplan sah die Lösung des Berlin-Problems und des Deutschland-Problems in Etappen vor und verband diese politische Lösung mit konkreten Vorschlägen über das Sicherheitsproblem. Darüber hinaus enthielt er wesentliche Elemente, die einem Abkommen über die allgemeine und kontrollierte Abrüstung als Grundlage dienen sollten.
Sie wissen, daß die Regierung der Sowjetunion diesen Vorschlag am ersten Tage vom Tisch geschoben hat. Der sowjetrussische Außenminister beschränkte sich auf die Erklärung, es heiße unnötige Zeit verschwenden, wenn man auf der Konferenz überhaupt über die Wiedervereinigung sprechen wolle. Wieder einmal wurde klar, um was es sich bei der häufig berufenen Initiative der Sowjetunion in Wahrheit handelte: um nichts anderes als die
monotone Wiederholung des bekannten Standpunkts der Sowjetunion, die bis zur Stunde niemals bereit war, über eine Veränderung der durch Krieg und Gewalt geschaffenen Machtposition auch nur zu diskutieren.
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Im Namen der Bundesregierung habe ich damals die tiefe Enttäuschung des deutschen Volkes über diesen Verlauf der Genfer Konferenz zum Ausdruck gebracht. Ich habe festgestellt, daß ernsthafte Bemühungen der Vereinigten Staaten, Großbritanniens und Frankreichs an der fehlenden Verhandlungsbereitschaft des sowjetrussischen Gesprächspartners gescheitert waren. Damals war sich der Bundestag auch wohl mit der Bundesregierung darüber einig, daß die bevorstehende Gipfelkonferenz durch die Genfer Verhandlungen nicht erleichtert werden würde. Und gerade darum hat die Bundesregierung nachdrücklich betont, daß eine gute und sorgfältige Vorbereitung dieser Gipfelkonferenz unerläßlich sei.
Wir haben die folgenden Monate für diese Vorbereitung benutzt. Über die Einzelheiten habe ich wiederholt im Auswärtigen Ausschuß berichtet, so daß ich mich heute wohl darauf beschränken kann, die wesentlichen Gesichtspunkte hervorzuheben.
Mit ihren Verbündeten war die Bundesregierung der Auffassung, daß die Frage der allgemeinen und kontrollierten Abrüstung das entscheidende Thema auf der Gipfelkonferenz bilden müsse; Äußerungen von sowjetrussischer Seite ließen vermuten, daß man dort diesen Standpunkt teile. Die fünf westlichen Regierungen, die der neugebildeten Abrüstungskommission der Vereinten Nationen angehören, haben dieses Problem mit ihren Verbündeten, also auch mit der Bundesregierung, sorgfältig geprüft. Ergebnis dieser Vorarbeiten war der westliche Abrüstungsvorschlag, der später in Genf vorgelegt wurde.
Eine besondere Arbeitsgruppe, der auch die Bundesregierung angehörte, beschäftigte sich mit der Deutschlandfrage und mit der Frage Berlins; ich möchte hier nicht unerwähnt lassen, daß die Bundesregierung über den Verlauf dieser Verhandlungen den Senat der Stadt Berlin laufend unterrichtete und ihn zu Rate zog.
Weitere Einzelfragen über die Ost-West-Beziehungen wurden in einer anderen Arbeitsgruppe behandelt.
Diese Vorarbeiten vollzogen sich in einem Geiste aufgeschlossener Freundschaft, gegenseitigen Verständnisses und gemeinsamer Verantwortung. Mit
dieser Feststellung beantworte ich auch Meldungen und Gerüchte, die damals, ebenso wie vorher und nachher, mit größter Hartnäckigkeit verbreitet wurden und die von tiefgehenden Meinungsverschiedenheiten zwischen den Westmächten untereinander oder zwischen einzelnen von ihnen und der Bundesregierung zu berichten wußten. Bei einigen dieser Gerüchtemacher liegen die Motive klar auf der Hand: Sie fürchten die Solidarität der freien Welt, weil sie wohl wissen, daß die einzige echte Chance für die Verwirklichung der machtpolitischen Ziele der Sowjetunion in der Uneinigkeit der freien Welt liegen würde. Bei anderen ist es schwieriger, die Gründe für ihr Verhalten zu finden. Zuweilen hat man den Eindruck, daß eine geradezu selbstmörderische Lust am Untergang ihre Phantasie beflügelt.
Zusammenfassend kann ich nur sagen, daß diese Meldungen nichts anderes waren als zweckbedingte oder törichte, darum aber nicht minder gefährliche Spekulationen.
Natürlich wissen wir alle, daß von dem Wunsch nach Abrüstung bis zu ihrer Verwirklichung ein weiter Weg führt. Gerade auf diesem Gebiet sind die politischen Reaktionen weitgehend von den Gefühlen der Angst und des Mißtrauens bestimmt. Die waffentechnische Entwicklung hat die Schwierigkeiten nicht verringert, sondern ins Ungemessene gesteigert. Die Vernichtungskraft der modernen Waffen, ihre Reichweite und ihre Treffsicherheit haben sich in einer Weise entwickelt, daß das Wort vom „Druckknopfkrieg" nicht mehr ein leeres Schlagwort ist. Es kann von heute auf morgen zur bitteren Realität werden. Auch eine vollendete technische Perfektion vermag die Möglichkeit menschlichen Versagens nicht zu beseitigen. Die Gefahr der Auslösung eines Weltkrieges durch Zufall oder durch unvorhersehbare Kurzschlußreaktion ist ebenso groß wie die andere Gefahr, daß eine solche Katastrophe durch eine Fehleinschätzung der wahren Lage entsteht. Das Wissen um diese Gefahren gehört zu den schweren Belastungen, unter denen wir so lange zu leben gezwungen sind, wie die kontrollierte Abrüstung nicht verwirklicht wird.
Aber es kommt noch ein anderes hinzu: Die freien Demokratien der westlichen Welt sind sich der schweren Verantwortung, die sie tragen, durchaus bewußt. Ihr Ziel ist es, den Frieden zu erhalten. Sie denken in moralischen Kategorien und werden durch die öffentliche Meinung ihrer Völker immer wieder an diese Verpflichtungen erinnert.
Die andere Seite macht aus ihren machtpolitischen Zielen kein Hehl. Sie lebt in der dogmatisch bestimmten Vorstellung, daß es ihre Aufgabe sei, die freiheitlich demokratische Ordnung in der Welt zu zerstören und die Ideen der kommunistischen Weltrevolution zu verwirklichen. So ist für die einen die Aufrüstung Teil einer bewußten Aktion, um machtpolitische Ziele und ideologische Vorstellungen zu verwirklichen; für die anderen die Reaktion, um dieser Drohung zu begegnen.
Aber noch ein anderer tiefer Gegensatz besteht: die Bundesregierung ist mit ihren Verbündeten der
Überzeugung, daß die Abrüstung die psychologischen Voraussetzungen für eine politische Entspannung schaffen wird, um dann auch die offenen politischen Fragen zu lösen. Zu diesen Fragen gehören das Deutschlandproblem und die Berlinfrage, die nach unserer Überzeugung Ausdruck und Folge, aber nicht Ursache der Spannung sind. Wir haben wenig Anlaß anzunehmen, daß die Sowjetunion in dieser Zielsetzung mit uns übereinstimmt. Die Sowjetunion hat bisher nicht zu erkennen gegeben, daß sie etwas anderes anstrebt als die Zementierung des Status quo, sei es mit, sei es ohne Abrüstung. Das bedeutet, daß der bestehende Spannungszustand nicht beseitigt, sondern gefestigt würde.
Auch über die mittelbaren Folgen einer Abrüstung bestehen keine übereinstimmenden Vorstellungen. Wir wünschen die Abrüstung einmal, um die Welt von dem Angstgefühl zu befreien und damit einem elementaren Bedürfnis der Menschheit Rechnung zu tragen. Wir glauben aber auch, daß die ungeheuren Aufwendungen, die bis zur Stunde der Vervollkommnung der Rüstung dienen, den Lebensstandard der betroffenen Völker beeinträchtigen und daß diese Aufwendungen besser und sinnvoller zur Hebung des allgemeinen Wohlstandes verwendet werden könnten. Dabei denken wir auch an die Verhältnisse in jenen Teilen der Welt, in denen der wirtschaftliche Rückstand Not und Sorge über Millionen von Menschen verbreitet. Für uns ist es nicht nur ein politisches, sondern vielmehr ein soziales und moralisches Anliegen, den großen und kleinen Nationen der Welt in ihrer Entwicklung zu helfen und damit Hunderten von Millionen ein menschenwürdiges Dasein zu sichern. Die Verminderung der Rüstungslasten würde die Verwirklichung dieses Zieles wesentlich erleichtern. Aber wir stellen mit Bedauern und mit Sorge fest, daß der Begriff der Entwicklungshilfe in der Sowjetunion anders verstanden wird. Auch diese Aktivität ist für sie offenbar nichts anderes als eine Funktion der Außenpolitik; diese Entwicklungshilfe soll den Völkern, denen sie gewährt wird, nicht helfen, sondern sie ist darauf berechnet, sie in den sowjetrussischen Einflußbereich herüberzuziehen. Sie soll nicht dazu dienen, die neugewonnene Freiheit zu festigen, sondern dazu, diese Freiheit systematisch auszuhöhlen und zu zerstören.
Die jüngsten Nachrichten über den Verlauf der Genfer Abrüstungsverhandlungen haben die skeptische Beurteilung der sowjetrussischen. Absichten leider bestätigt. Sie wissen, daß der sowjetrussische Delegierte vor wenigen Tagen in Genf nach Abgabe einer in Form und Inhalt unqualifizierbaren Erklärung den Verhandlungssaal verlassen hat; wie nicht anders zu erwarten, haben die vier anderen Staaten des Ostblocks weisungsgemäß das gleiche getan.
In Genf hat sich also das gleiche makabre Schauspiel vollzogen, dessen Zeugen wir alle wenige Wochen vorher in Paris waren. Ich sprach schon von den Vorarbeiten für die Pariser Konferenz. Die Vorschläge der drei westlichen Regierungen, die in Paris mit dem sowjetrussischen Ministerpräsidenten
zusammenkommen sollten, haben wir in der Ministerratssitzung der Atlantischen Gemeinschaft Anfang Mai dieses Jahres in Istanbul zur Aussprache gestellt. Aus der Entschließung dieses Ministerrats möchte ich folgende Teile hier zitieren:
Der Rat begrüßt die Aussicht auf Verhandlungen mit der Sowjetunion und hofft, daß diese Verhandlungen zu einer Verbesserung der internationalen Beziehungen führen werden. Die Einigkeit des Bündnisses ist unerläßlich, um Fortschritte auf diesem Wege zu erzielen. Das gemeinsame Ziel aller Mitglieder des Bündnisses ist eine stufenweise, unter wirksamer internationaler Kontrolle zu erreichende allgemeine und umfassende Abrüstung. Sie unterstützen die in diesem Sinne gemachten Vorschläge der westlichen Vertreter in Genf. Nach ihrer Auffassung stellen diese Vorschläge das beste Mittel zur Durchführung der Entschließung der Vereinten Nationen vom 20. November 1959 dar. Sie stellen mit Bedauern fest, daß die sowjetische Seite bisher nicht bereit war, konkrete und praktische Abrüstungsmaßnahmen zu erörtern.
Da das nordatlantische Bündnis eine echte internationale Entspannung wünscht, kann es sich nicht mit der Formel einer „friedlichen Koexistenz" zufrieden geben, unter deren Deckmantel weiterhin Angriffe gegen einzelne Mitglieder des Bündnisses gerichtet werden. Die Entspannung ist wie der Friede unteilbar. Daher müssen die Bemühungen der sowjetischen Propaganda, die Bundesrepublik Deutschland und die Regierungen gewisser anderer NATO-Staaten zu diskreditieren, als gegen das Bündnis als Ganzes gerichtet angesehen werden. Sie sind unvereinbar mit jeder wahren Verbesserung der internationalen Beziehungen.
Der Rat bekräftigt erneut, - so heißt es zum Schluß daß die Lösung des Deutschlandproblems nur durch die Wiedervereinigung auf der Grundlage der Selbstbestimmung gefunden werden kann. Er bezieht sich auf seine Erklärung vom 16. Dezember 1958 und bringt erneut seine Entschlossenheit zum Ausdruck, die Freiheit der Bevölkerung Westberlins zu schützen.
Meine Damen und Herren, diese programmatische Erklärung der Mitgliedstaaten der NATO hat vielleicht nicht überall die nötige Beachtung gefunden. Sie bestätigt die völlige Übereinstimmung der verbündeten Regierungen in allen wesentlichen Fragen. Die Bundesregierung hält dabei die Feststellung des Ministerrats für besonders bedeutungsvoll, daß die Entspannung ebenso wie der Friede unteilbar sein müsse. Diese Feststellung ist Ausdruck einer echten Solidarität der atlantischen Welt und freimütiges Bekenntnis zur gemeinsamen Verantwortung. Überall in der Welt sollte man diese klare und unmißverständliche Äußerung verstehen, die auch geeignet sein sollte, allen Spekulationen ein Ende zu bereiten, die sich mit der möglichen Aufsplitterung der Gemeinschaft der Völker in der Atlantischen Gemeinschaft beschäftigen.
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Die westlichen Verhandlungspartner waren bereit, auf der Grundlage der vorangegangenen Beratungen die Verhandlungen mit dem sowjetrussischen Ministerpräsidenten aufzunehmen. Am 16. Mai sollte die Konferenz beginnen. Wir wissen es alle: sie scheiterte an der Haltung des sowjetrussischen Ministerpräsidenten, der bekanntlich den Überflug einer amerikanischen Aufklärungsmaschine zum Vorwand nahm, die Verhandlungen zu sabotieren. Ich sage bewußt, daß es ein Vorwand war, denn nach den eigenen Erklärungen des sowjetrussischen Regierungsschefs waren ihm diese Erkundungsflüge schon bekannt, als er sich im vergangenen Jahr mit dem Präsidenten der Vereinigten Staaten in Camp David traf.
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Die Landung der amerikanischen Maschine lag obendrein schon vierzehn Tage zurück, bevor Ministerpräsident Chruschtschow nach Paris reiste.
Ich habe nun nicht die Absicht, Spekulationen darüber anzustellen, welche Gründe ihn veranlaßt haben können, die Konferenz am ersten Tage zum Scheitern zu bringen. Sein Verhalten rechtfertigt den Schluß, daß er mit der festen Absicht nach Paris kam, so zu verfahren, wie er es tat. Es ist auch nicht an uns, die Frage zu stellen, ob sich die Regierung der Sowjetunion der schweren Verantwortung bewußt ist, die sie mit diesem Verhalten vor der ganzen Welt und damit auch gegenüber dem eigenen Volk auf sich nahm. Aber die Bundesregierung hat das j Recht und die Pflicht, ihre tiefe Enttäuschung über diesen Ablauf zum Ausdruck zu bringen und festzustellen, daß die Verantwortung für das Scheitern der Konferenz allein bei der Sowjetunion liegt.
Ich möchte es aber auch nicht unterlassen, den drei westlichen Staats- und Regierungschefs im Namen der Bundesregierung ausdrücklich und aufrichtig für die vertrauensvolle Zusammenarbeit bei der Vorbereitung dieser Konferenz zu danken.
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Danken möchte ich diesen Staatsmännern aber auch für die ernsten Bemühungen, die sie unternommen haben, trotz der maßlosen und beleidigenden Angriffe des sowjetischen Ministerpräsidenten, die sachlichen Verhandlungen in Paris doch noch aufzunehmen. Ganz besonderen Dank sind wir dem Präsidenten der Vereinigten Staaten schuldig.
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Die behutsame und maßvolle Erklärung, mit der er am Vormittag des 16. Mai die hemmungslosen Angriffe des sowjetischen Regierungschefs beantwortete, war ein überzeugender Beweis für das tiefe Verantwortungsbewußtsein, das ihn bei diesem Versuch leitete, die Voraussetzungen für eine sachliche Aussprache doch noch zu schaffen.
Der tiefe Gegensatz in Ziel und Methode zwischen der Sowjetunion auf der einen und den westlichen Regierungen auf der anderen Seite ist durch diese
Entwicklung in Paris und Genf leider erneut sichtbar
geworden. Er kann auch durch die Zauberformel von
der friedlichen Koexistenz nicht überbrückt werden,
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- zumindest solange nicht, als diejenigen, die dieses Wort gebrauchen, ihm einen völlig verschiedenen Sinngehalt unterlegen. Die sowjetische Interpretation des Koexistenzbegriffs ist uns allen leider wohl bekannt. Sie läßt keinen Zweifel daran, daß die Sowjetunion fest entschlossen ist, auch unter dem Deckmantel der sogenannten Koexistenz ihre weltrevolutionären Ziele mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln zu verfolgen. Über diese Mittel wissen wir Bescheid. Ihrer Anwendung sind weite Teile des europäischen Kontinents und große Bereiche in anderen Teilen der Welt zum Opfer gefallen. Noch vor wenigen Tagen hat Herr Chruschtschow in Bukarest erklärt: „Wie Marx gesagt hat, wird der Totengräber des Kapitalismus die Arbeiterklasse sein, und ich als Mitglied der Kommunistischen Partei und der mächtigen Arbeiterklasse zähle mich stolz zu den Totengräbern des Kapitalismus."
Wir alle wissen, daß das Wort „Kapitalismus" im kommunistischen Herrschaftsbereich zum Sammelbegriff für alle staatlichen Ordnungsformen geworden ist, die nicht den dogmatischen Begriffen des leninistischen Marxismus entsprechen. Bis zur Stunde sind wir auch Zeuge, wie die Funktionen des Totengräbers ausgeübt werden. Ich erinnere an den 17. Juni in Berlin und an den Freiheitskampf des ungarischen Volkes, um Beispiele zu nennen, die uns besonders angehen.
Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung will aber im Bundestag nicht nur berichten über das, was geschehen ist, sie will auch darüber sprechen, was in Zukunft geschehen soll. Sie legt entscheidenden Wert darauf, dem deutschen Volke und der Welt zu sagen, wie sie die entstandene Lage beurteilt und wie sie ihre Außenpolitik fortzusetzen gedenkt. Das scheint mir besonders notwendig zu sein, weil wir gerade in den vergangenen Wochen manche Stimme gehört haben, die von einer gemeinsamen Bestandsaufnahme der Außenpolitik sprach, und manche Erklärung gelesen haben, die zu einer gemeinsamen Außenpolitik zwischen Regierungsmehrheit und Opposition aufrief.
Die Bundesregierung glaubt nicht, daß sie es nötig hat, sich an einer solchen Bestandsaufnahme zu beteiligen. Sie ist heute mehr denn je davon überzeugt, daß ihre außenpolitischen Vorstellungen und Entscheidungen richtig waren.
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Einer Bestandsaufnahme bedarf es um so weniger, als die außenpolitische Linie der Bundesregierung seit der Errichtung der Bundesrepublik gradlinig und konsequent war und alles, was geschehen ist, sich hier im Bundestag vor aller Augen abgespielt hat. In zahllosen Debatten hat die Bundesregierung ihre außenpolitischen Vorstellungen klargelegt, und sie hat immer wieder die Zustimmung des deutschen Volkes gefunden, sei es durch die eindeutigen Mehrheitsentscheidungen im Bundestag, sei es durch die Wahlen.
Es ist richtig, daß auch die Sprecher der Bundesregierung und der Regierungsmehrheit häufig darauf hingewiesen haben, welche Gefahren die innerdeutschen Auseinandersetzungen über Ziele und Wege der Außenpolitik in sich bergen. Ich möchte diese Gefahren auch heute nicht verschweigen. Die Stellung der Bundesregierung als Sprecherin für das ganze deutsche Volk wäre ungleich stärker, wenn über die Einmütigkeit der Haltung des deutschen Volkes in diesen Lebensfragen kein Zweifel aufkommen könnte,
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kein Zweifel bei unseren westlichen Verbündeten daran, daß die Verschiebung parteipolitischer Mehrheiten keinen Einfluß ausüben würde auf die gradlinige und unbeirrbare Fortsetzung der bisherigen Politik - denn jeder solche Zweifel beeinträchtigt die Glaubwürdigkeit deutscher Erklärungen und Entscheidungen -; kein Zweifel aber auch im östlichen Machtbereich daran, daß das deutsche Volk ohne Rücksicht auf parteipolitische Gegensätzlichkeiten entschlossen ist, die Auseinandersetzung mit den Machtansprüchen des totalitären bolschewistischen Systems durchzustehen, für die Freiheit des deutschen Volkes und seiner Verbündeten jedes Opfer zu bringen und kompromißlos auf der Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechts für das ganze deutsche Volk zu bestehen;
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denn jeder Zweifel dieser Art müßte die Bereitschaft der Sowjetunion, die Entspannung durch echte Konzessionen zu verwirklichen, beeinträchtigen und könnte sie zu der gefährlichen Spekulation veranlassen, den Nervenkrieg gewinnen und das deutsche Volk aus seiner Verbindung mit der freien Welt herausbrechen zu können.
Ich glaube, daß die Ehrlichkeit eine Feststellung von uns verlangt, die ich hier unmißverständlich treffen möchte: es geht nicht um die gemeinsame, es geht um die richtige Außenpolitik.
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Der Herr Kollege Mende hat sich in der gestrigen Ausgabe der „Frankfurter Rundschau" auch mit dieser Frage beschäftigt. Aber ich möchte jetzt schon sagen: ich muß ihm widersprechen. Er sagte sinngemäß, man könne in der Politik nicht etwa wie in den exakten Wissenschaften genau feststellen, was recht sei oder nicht. Soweit stimme ich ihm natürlich zu. Die Entscheidung darüber wird immer auf einer subjektiven Wertung objektiver Gegebenheiten beruhen. Wenn er aber fortfährt, man müsse immer auf das Urteil der Geschichte warten und dieser Richterspruch könne lange Zeit auf sich warten lassen, muß ich ihm sagen, daß ich dieser sonderbaren Logik nicht zu folgen vermag.
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Ich bin ganz im Gegensatz zu Ihnen, Herr Kollege Mende, der Überzeugung, daß ein Volk und eine
Regierung nicht vor dem Richterspruch der Geschichte bestehen werden, wenn sie untätig oder unentschlossen die Dinge an sich herankommen lassen
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oder wenn sie aus der Scheu vor der Verantwortung einer voraussehbaren Katastrophe nicht rechtzeitig und entschlossen begegnen wollen.
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Allerdings zeigt dieses Interview auch, daß die Auffassungen darüber, was richtig war und richtig ist, noch weit auseinandergehen. Ich spreche bewußt auch von der Vergangenheit, meine Damen und Herren, denn ich glaube, wir würden uns und die Welt täuschen, wenn wir versuchen wollten, das, was in den letzten Jahren geschehen ist, aus der Diskussion auszuklammern. Es handelt sich nämlich dabei um einen Bestandteil, ja um die Grundlage der Außenpolitik, an der die Bundesregierung festzuhalten entschlossen ist.
Alle diejenigen, die die politische Entwicklung der Bundesrepublik in den vergangenen Jahren verfolgt haben, wissen, daß nahezu Alle wichtigen Entscheidungen auf dem Gebiet der Außenpolitik gegen die Stimmen der Opposition gefallen sind.
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Ich will nicht mehr als nötig auf diese Vergangenheit eingehen, aber ich muß daran erinnern, daß der Abschluß des Petersberger Abkommens, der Beitritt der Bundesrepublik zum Europarat, die Gründung der Montanunion, der Vertrag über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft, die Errichtung der Westeuropäischen Union, der Eintritt der Bundesrepublik in die Atlantische Gemeinschaft, daß alle diese Entscheidungen gegen die Stimmen der Opposition oder doch gegen die Stimmen der großen Mehrheit der gegenwärtigen Opposition beschlossen wurden. Ich muß daran erinnern, daß auch alle gesetzlichen Maßnahmen oder ein erheb- licher Teil der Maßnahmen, die zur Durchführung der übernommenen Verpflichtungen im Bundestag beschlossen wurden, von der Opposition abgelehnt wurden. Ich denke an die Schaffung der Bundeswehr, an die Diskussionen über die notwendige Bewaffnung der Bundeswehr als eines Teils der atlantischen Verteidigungsorganisation. Ich erinnere auch daran, meine Damen und Herren, daß die Bundesrepublik wohl als einziges Land noch immer keine Notstandsgesetzgebung kennt; dabei ergibt sich die Notwendigkeit einer solchen Gesetzgebung eindeutig aus der bedrohlichen Lage, in der sich die Bundesrepublik als Teil und leider auch als Randgebiet der freien Welt angesichts der weltpolitischen Spannung befindet.
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Ich sprach davon, daß die Bundesregierung wiederholt die Notwendigkeit einer gemeinsamen Außenpolitik betont hat. Aber ich muß daran erinnern, daß der letzte Appell, den der Herr Bundeskanzler um die Jahreswende an die Opposition richtete, von der sozialdemokratischen Opposition
damit beantwortet wurde, diese Aufforderung sei
wohl aus dem Wunsche geboren, für eine scheiternde Außenpolitik Mitverantwortliche zu finden!
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Mir liegt in dieser ernsthaften Aussprache jegliche Ironie fern, wenn ich die Frage stelle, ob die Forderung nach einer Bestandsaufnahme vielleicht auf der Erkenntnis der Opposition beruht, daß ihre eigenen außenpolitischen Vorstellungen sich als falsch erwiesen haben. Ich glaube in der Tat, daß die Opposition gut daran täte, ihr Verhalten in der Vergangenheit zu überprüfen, denn es genügt nicht, festzustellen, meine Damen und Herren, daß wir in diesem oder jenem Bereich in den Zielen übereinstimmen, wenn wir nicht auch zu einer Übereinstimmung über die Methoden kommen, wie wir das Ziel erreichen können.
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Was ich meine, möchte ich an einem Beispiel klarmachen: Es wäre wohl ein sehr mageres Ergebnis eines Ärztekonsiliums am Krankenbett eines Patienten, wenn man am nächsten Tage lesen müßte, man sei übereingekommen, das Leben des Kranken zu retten. Voraussetzung eines ernsthaften Gesprächs ist vielmehr die sorgfälige und übereinstimmende Diagnose; im politischen Bereich also eine Analyse der Gründe der Spannung. Aber auch die übereinstimmende Diagnose ist wertlos, wenn sie nicht dazu führt, daß man sich auch über die Therapie verständigt, - nicht über die gemeinsame, sondern über die richtige Therapie.
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Im politischen Bereich bedeutet das nicht mehr und nicht weniger als die Bereitschaft, gemeinsam die notwendigen Konsequenzen zu ziehen und gemeinsam die erforderlichen Entscheidungen zu treffen und zu verantworten.
Damit komme ich, wie ich vorher schon angedeutet habe, auf den Teil meines Berichts, der sich mit den außenpolitischen Vorstellungen und Zielen der Bundesregierung für die nächste Zukunft beschäftigt. Erst wenn wir wissen, daß wir darin übereinstimmen, können wir überhaupt von einer gemeinsamen Außenpolitik sprechen. Bis dahin ist der Ruf nach gemeinsamer Außenpolitik entweder ein leeres Lippenbekenntnis oder eine unverbindliche Absichtserklärung, die nicht zur Klärung der Gegensätze, sondern zur Verwirrung der öffentlichen Meinung beitragen müßte.
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Die politische Entwicklung, wie sie sich nach dem Scheitern der Pariser Gipfelkonferenz und jetzt der Genfer Abrüstungsverhandlungen darstellt, gibt der Bundesregierung - ich wiederhole es - keine Veranlassung, Wege und Ziele der bisherigen Außenpolitik zu überprüfen oder gar zu ändern. Ich sage das nicht, meine Damen und Herren, weil die Bundesregierung etwa recht behalten wollte, sondern weil sie der Überzeugung ist, daß die Entwicklung ihr recht gegeben hat.
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Ich möchte in diesem Zusammenhang doch eine Äußerung des Herrn Kollegen Erler richtigstellen, der vor einigen Tagen im Pressedienst der Sozialdemokratischen Partei wörtlich erklärte: „Was für eine seltsame Politik, die das Scheitern einer Konferenz, an deren Vorbereitung sie beteiligt war und nicht die Opposition, als Erfolg und Bestätigung empfindet." Ich kann dem Herrn Kollegen Erler nur antworten: Was für eine seltsame Unlogik, die aus dieser Formulierung spricht, und was für eine bedenkliche Entstellung dessen, was wirklich gesagt worden ist.
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Sie haben die Erklärung gehört, die der Herr Bundeskanzler am 24. Mai 1960 hier vor dem Deutschen Bundestag abgegeben hat. Ich zitiere daraus nur zwei Sätze:
Die Hoffnungen, daß die Pariser Konferenz auf dem Gebiete der allgemeinen kontrollierten Abrüstung erste Anfänge, die zu entscheidenden Fortschritten führen würden, machen und damit eine Minderung der internationalen Spannungen herbeiführen würde, haben sich nicht erfüllt. Im Gegenteil, wir müssen feststellen, daß die Spannungen in der Welt sich in einer beunruhigenden Weise verschärft haben.
Kann denn wirklich irgend jemand aus dieser Erklärung, die die tiefe Enttäuschung und die ernste Unruhe der Bundesregierung über das Scheitern der Konferenz zum Ausdruck bringt, herauslesen, daß die Bundesregierung diesen Ablauf der Dinge als einen Erfolg für sich verbuchen wolle? Mir scheint, daß dazu ein großes Maß von bösem Willen oder doch zum mindesten von unüberwindlicher Voreingenommenheit gehört. Es spricht daraus aber auch wirklich keine Bereitschaft, auf dem Wege der Bestandsaufnahme über eigene Fehler und Irrtümer zu einer Gemeinsamkeit in der Außenpolitik zu kommen.
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Die Bundesregierung empfindet das Scheitern der beiden Konferenzen als einen bewußten Schlag gegen den Verständigungswillen, den sie selbst und den mit ihr die verbündeten Regierungen gezeigt haben. Aus dieser Erkenntnis heißt es nun die Konsequenzen zu ziehen.
Auch das Scheitern der beiden Konferenzen ändert nichts an der Überzeugung der Bundesregierung, daß wir uns bemühen müssen, die Verhandlungen über eine allgemeine kontrollierte Abrüstung wiederaufzunehmen. Es gibt heute noch keine Antwort auf die Frage, wann und wie das geschehen soll. Der neue westliche Abrüstungsvorschlag ist inzwischen bekannt. Die Bundesregierung wird sich gemeinsam mit ihren Verbündeten nachdrücklich um die Verwirklichung der darin enthaltenen Grundsätze bemühen. Die Bundesregierung ist aber nicht bereit, aus dem Scheitern der bisherigen Verhandlungen falsche und gefährliche Konsequenzen zu ziehen. Sie ist nach wie vor davon überzeugt, daß Abrüstungsvereinbarungen nicht dazu führen dürfen, das militärische Gleichgewicht zwischen Ost und West zum Nachteil der Bundesrepublik und ihrer westlichen Verbündeten zu verändern.
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Der Fortbestand dieses Gleichgewichtes ist darum nach der Überzeugung der Bundesregierung eine unverzichtbare Bedingung. Die Konsequenz aus dieser Erkenntnis liegt auf der Hand: Die Bundesregierung hält alle Vorstellungen und Pläne über ein sogenanntes Disengagement in einem geographisch beschränkten europäischen Raum für abwegig und für gefährlich. Ausgerechnet an der Stelle,
wo sich die totalitäre Welt des Kommunismus und die freiheitliche Welt der Demokratie berühren, würde ein Vakuum entstehen. Sicherheit und Freiheit der 54 Millionen Menschen in der Bundesrepublik und in Berlin wären damit unmittelbar bedroht. Eine solche Lösung ist auch nicht vereinbar mit den berechtigten Interessen unserer Verbündeten; nur wenn wir auch an ihre Sicherheit und an die Erhaltung ihrer Freiheit denken, können wir erwarten, daß sie das gleiche Verständnis und die gleiche Bereitschaft für uns aufbringen.
Die Entwicklung der letzten Monate sollte aber auch andere illusionäre Vorstellungen zerstört haben, die dem Wunschdenken entsprangen: Die Sowjetunion hat durch ihr Verhalten eindeutig gezeigt, daß sie zum mindesten im Augenblick gar nicht daran denkt, den unterdrückten Deutschen in der sowjetischen Besatzungszone die Freiheit wiederzugeben. Niemals war ein Wort von ihr darüber zu hören oder eine Geste von ihr dahin zu deuten, daß sie bereit sein könnte, den deutschen Menschen in der Zone das uneingeschränkte Recht auf freie Selbstbestimmung einzuräumen, auch nicht gegen die Zusage, das wiedervereinigte Deutschland aus seinen Bindungen mit der freien Welt des Westens zu lösen.
Diese Forderung nach Selbstbestimmung aufzugeben oder auch nur einzuschränken, ist die Bundesregierung nicht bereit. Das Recht auf Selbstbestimmung verträgt keine Beschränkung.
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Die Ausübung dieses Rechts kann und darf nur in der Weise interpretiert werden, daß das deutsche Volk seine innere, seine soziale und wirtschaftliche Ordnung frei und ohne äußeren Zwang bestimmen wird, ebenso aber auch, daß das deutsche Volk über seinen politischen Standort in der Welt frei entscheiden wird. Die Bundesregierung verlangt für das deutsche Volk nicht mehr, aber auch nicht weniger an Rechten, als allen anderen Völkern in der Welt heute eingeräumt wird.
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Sie verlangt darum auch für das wiedervereinigte Deutschland das gleiche Maß an Sicherheit, das andere für sich beanspruchen. Darin und nur darin liegt eine Einschränkung, wenn ich sage, daß Deutschland bereit sein wird, sich auch nach der Wiedervereinigung jeder Abrüstungsvereinbarung anzuschließen, die den berechtigten Sicherheitsvorstellungen des deutschen Volkes ebenso entspricht wie denen der anderen Vertragspartner. Aber in
dieser Beschränkung liegt auch die Bereitschaft, sich in jede neue vereinbarte friedliche Ordnung in der Welt einzufügen und damit an der eigenen Freiheit und Sicherheit ebenso mitzuwirken wie an der Sicherheit der anderen.
Die politischen Ziele des deutschen Volkes müssen in diesen Grenzen liegen, aber sie dürfen nicht dahinter zurückbleiben. Niemand sollte von dem deutschen Volk erwarten oder gar verlangen, daß es eine politische Hypothek auf sich nimmt, deren Einlösung nur um den Preis der Freiheit möglich wäre.
Was ich von Deutschland sage, gilt nach der Überzeugung der Bundesregierung auch für Berlin. Ein Teil der Stadt Berlin ist ein Teil des freien Deutschland. Diese Freiheit darf nicht untergehen, sie darf aber auch nicht eingeschränkt werden. Man kann sich nur ganz oder gar nicht zum Freiheitsbegriff bekennen.
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Die Bundesregierung ist fest davon überzeugt, daß sie diese Ziele nur zu erreichen vermag in einer engen, unauflöslichen Zusammenarbeit und Verbundenheit mit der freien Welt. Über die Entschlossen- heit diese Zusammenarbeit noch gestalten,
darf weder bei unseren Verbündeten noch bei unseren Gegnern ein Zweifel entstehen. Diese Zusammenarbeit muß sich wie seither in verschiedenen Bereichen vollziehen.
Ich nenne hier zunächst die europäische Zusammenarbeit. Das, was sich in den vergangenen Jahren auf dem europäischen Kontinent vollzogen hat, ist vielleicht die eindrucksvollste Entwicklung, die wir überhaupt in irgendeinem Teil der freien Welt nach der letzten Katastrophe feststellen können. Es ist nicht nötig, die einzelnen Phasen dieser Entwicklung in Erinnerung zu rufen. Trotzdem schiene es mir nützlich, wenn der eine oder andere, der unsere Außenpolitik in den vergangenen Jahren mit kritischer Ablehnung zu verfolgen pflegte, einmal nachlesen wollte, was im Bundestag z. B. alles gesagt wurde, als die Bundesregierung im Jahre 1950 den Beitritt zum Europarat beschlossen hatte. Man hat uns engegengehalten, daß wir noch unter dem Besatzungsstatut stünden. Das Besatzungsrecht existiert nicht mehr. Man hat uns vorgeworfen, daß wir auf das Recht der Gleichberechtigung verzichteten; kurze Zeit darauf war die Gleichberechtigung verwirklicht. Man hat uns entgegengehalten, daß das Saargebiet dem Europarat angehöre; das Saargebiet ist inzwischen in die Bundesrepublik aufgenommen worden.
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- Ja, es ist so! - Eine ähnliche Diskussion haben wir bei der Gründung der Montanunion erlebt. Es war der erste und entscheidende Schritt auf dem Wege zur europäischen Integration; es war aber auch der erste und entscheidende Schritt auf dem Wege zu einer Verständigung und Freundschaft zwischen Deutschland und Frankreich. Man hat uns gewarnt, weil die deutsche eisen- und stahlschaffende Industrie in ihrer Entwicklung gehemmt würde; wir alle waren Zeugen der Entwicklung der
deutschen Wirtschaft, und ich glaube, es genügt der Hinweis, daß die deutsche Stahlproduktion sich in den letzten Jahren mehr als verdoppelt hat.
Die Bundesregierung hat später den Vertrag über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft geschlossen. Das Scheitern dieses Vertrages war ein ernster Rückschlag. Aber manchem unserer Kritiker ist vielleicht erst zu spät klargeworden, was die Verwirklichung dieses wahrhaft europäischen Planes bedeutet hätte.
Die Errichtung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Europäischen Atomgemeinschaft war die konsequente Fortsetzung dieser Europapolitik. Die sozialdemokratische Opposition hat dieser Entscheidung zugestimmt, und sie hat damit wohl zum ersten Male die Richtigkeit der Europapolitik der Bundesregierung bestätigt,
Vor wenigen Tagen hat die Kommission den dritten Gesamtbericht dem Europäischen Parlament zugeleitet. Ich kann nur bitten, daß jeder diesen Bericht lesen möge. Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft hat sich in ihrer Realität bewährt. Der Binnenhandel und der Außenhandel sind ständig an- gestiegen. Dieses Klein-Europa, wie es unsere Kritiker manchmal wegwerfend und verächtlich nannten, umfaßt 170 Millionen Menschen und besitzt ein Gewicht, das weit über dem der beteiligten Länder liegt. Die Gemeinschaft kann und muß sich der Lösung der weltumspannenden Probleme des wirtschaftlichen Gleichgewichts, der Ausweitung des Handels und der Entwicklung der neuen Länder in engem Zusammenwirken mit den Vereinigten Staaten, mit Großbritannien und den anderen Industrieländern der freien Welt annehmen.
Inzwischen haben wir die beschleunigte Verwirklichung des Gemeinsamen Marktes beschlossen. Natürlich wurde auch diese Entscheidung heftig kritisiert. Aber wir können feststellen, daß sie die Verhandlungen mit der sogenannten EFTA-Gruppe nicht erschwert, sondern überhaupt erst in Gang gebracht hat.
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Ich zweifle nicht daran, daß es den gemeinsamen Bemühungen der Länder der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft einerseits und der Länder der EFTA, der Vereinigten Staaten und Kanadas andererseits gelingen wird, auch die Zusammenarbeit zu verwirklichen, die wir wünschen.
Diese Erinnerung an die zurückliegende Entwicklung ist aber nicht ausreichend. Denn wir werden uns mit der Frage zu beschäftigen haben, wie wir die Organisationen der bestehenden europäischen Gemeinschaften noch enger zusammenführen und welche Wege etwa offenstehen, um die drei unabhängigen Exekutivorgane zu einem einzigen Organ zu verschmelzen. Alles, was wir auf diesem Wege tun, ist ein Schritt zum politischen Ziel der Einigung Europas. Die Bundesregierung ist überzeugt, daß sie damit auf dem richtigen Wege ist. Wenn wir Europa stärken, stärken wir die freie Welt. Die Entwicklung der Vergangenheit zeigt uns, daß wir
diese Stärke bitter nötig haben, - nicht um sie zu mißbrauchen, sondern um sie richtig zu gebrauchen als wirksamen Schutz gegen die Bedrohung der Freiheit.
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Aber die Bundesregierung weiß auch sehr wohl, daß diese europäische Politik - so wichtig sie auch ist - in der heutigen weltpolitischen Lage nicht ausreicht. Sie weiß wohl, und ich meine, wir alle wissen es ebenso, daß die Erhaltung unserer Freiheit von der Stärkung der Atlantischen Gemeinschaft abhängt. In den vergangenen Jahren hat diese große und machtvolle Organisation ihre Aufgabe erfüllt, die in der Sicherung der Freiheit und Unabhängigkeit ihrer Mitglieder besteht. Aber wenn wir mit Sorge feststellen, daß die weltpolitische Spannung zugenommen hat, wenn wir uns Rechenschaft geben, daß die Bedrohung unserer Freiheit unvermindert anhält, dann müssen wir bereit sein, daraus auch gewisse Konsequenzen zu ziehen. Die Bundesregierung hält es für eine ihrer wichtigsten Aufgaben, mit dazu beizutragen, daß die Atlantische Gemeinschaft noch enger zusammenwächst. Sie ist vor zehn Jahren entstanden als eine Verteidigungsgemeinschaft gegen die unmittelbare militärische Bedrohung. Die Auseinandersetzung mit dem Weltkommunismus beschränkt sich aber heute nicht mehr auf den militärischen Bereich. In der gegenwärtigen politischen und in der geistigen Auseinandersetzung müssen wir auch die Atlantische Gemeinschaft ausbauen. In allen Bereichen der Welt verspüren wir doch die unablässige Offensive des Kommunismus. Sie wird geführt mit allen Mitteln der ideologischen Beeinflussung ebenso wie mit wirtschaftlichen Maßnahmen. Dem müssen wir begegnen, und zwar gemeinsam begegnen. Wir können mit Befriedigung feststellen, daß die ständigen politischen Konsultationen im Rahmen der NATO sich bewährt und entwickelt haben. Unser Ziel muß es aber sein, auch in diesem Bereich zu einer gemeinsamen politischen Meinungsbildung und damit zu gemeinsamen politischen Entscheidungen und Maßnahmen zu kommen.
Dieses klare und uneingeschränkte Bekenntnis zur Atlantischen Gemeinschaft schließt auch eine klare Verpflichtung in sich: Die Bedrohung, in der wir stehen, verlangt von uns eine Verstärkung der Verteidigungsanstrengungen; jedes Nachlassen würde bedeuten, das Gleichgewicht zugunsten des potentiellen Angreifers zu verschieben. Diese Notwendigkeit kann nicht überzeugender unterstrichen werden als durch die Erklärung des sowjetischen Ministerpräsidenten, die er am vergangenen Dienstag vor Absolventen der sowjetischen Militärakademie abgegeben hat; er führte aus, die Sowjetunion habe die heilige Pflicht, ihre Streitkräfte zu stärken und ihnen die modernsten Waffen aller Zeiten zu geben, von Kurzstreckenraketen bis zu den interkontinentalen ballistischen Geschossen. Darum, meine Damen und Herren, wird die Bundesregierung auch die Verpflichtungen, die sie freiwillig und im Gefühl der Verantwortung vor dem deutschen Volk und der
Mitverantwortung für die anderen verbündeten Völker übernommen hat, erfüllen.
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Dazu gehört, daß wir nicht nachlassen, auch die Verteidigungskraft der Bundeswehr zu erhöhen. Denn die Bundeswehr ist ein Teilstück der gemeinsamen Verteidigung, und es darf in diesem System der gemeinsamen Abwehr keine schwache Stelle geben.
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Meine Damen und Herren, ich sagte schon, daß die Ereignisse der vergangenen Monate nach Überzeugung der Bundesregierung die Richtigkeit dieser Politik - ich möchte beinahe sagen: leider - bestätigt haben. In ihrer Note vom 27. November 1958 hat die Sowjetunion die Absicht erkennen lassen, ihre Hand auf die Stadt Berlin zu legen und 21/4 Millionen Menschen dieser Stadt ihrer Freiheit zu berauben. Nur der entschlossenen Abwehr der westlichen Alliierten, die den Schutz dieser Stadt übernommen haben, und der einmütigen Haltung der Mitgliedstaaten der Atlantischen Gemeinschaft, die sich zu ihrem Garantieversprechen bekannten, ist es gelungen, der Verwirklichung dieser lebensgefährlichen Bedrohung zu begegnen.
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Über den Protest der Bundesregierung allein wäre die Sowjetunion wohl mit einem mitleidigen Lächeln hinweggegangen. Gerade in dieser für das ganze deutsche Volk so wichtigen Frage hat sich die Bündnispolitik bewährt, und wir haben allen Anlaß, unseren Verbündeten auch hier dafür zu danken, daß sie klar und kompromißlos für die Freiheit der Stadt Berlin eingetreten sind. Wir sind fest davon überzeugt, daß wir auch in Zukunft keine Enttäuschung erleben werden.
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Eine Äußerung eines maßgeblichen Sprechers des Berliner Senats und führenden Mitglieds der Sozialdemokratischen Partei zeigt aber, wie weit wir auch in dieser Frage noch von einer gemeinsamen Außenpolitik erntfernt sind. Er hat vor kurzem erklärt, die Tatsache, daß die Bundesregierung mit dem Senat von Berlin übereinstimme, bedeute noch lange nicht, daß der Senat in allen Dingen mit der Bundesregierung übereinstimme.
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Hinter diesem Satz verbirgt sich auch wieder einmal eine sonderbare, ja eigentlich erschreckende Unlogik. Der sichtbare und für die Freiheit der Stadt Berlin entscheidende Erfolg der deutschen Außenpolitik wird damit anerkannt, weil man ihn ja nicht leugnen kann, ohne sich selbst aufzugeben.
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Aber der Weg, auf dem der Erfolg erzielt wurde, wird unüberhörbar kritisiert. Man ist versucht, in diesem Zusammenhang geradezu von einer Bewußtseinsspaltung zu sprechen.
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Was für Berlin gilt, meine Damen und Herren, gilt aber auch für Deutschland. Wir haben immer wieder von unseren Kritikern hören müssen, daß die Politik der Bundesregierung die Wiedervereinigung erschwere oder gar verhindere. Es muß klar gesagt werden, daß es keine gemeinsame Außenpolitik gibt, so lange dieser Vorwurf erhoben wird.
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Denn die Bundesregierung ist fest davon überzeugt, daß nur die konsequente Fortsetzung ihrer bisherigen Außenpolitik die Voraussetzungen für die Lösung dieses berechtigten nationalen Anliegens des deutschen Volkes überhaupt schaffen kann.
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Nur mit der Unterstützung der freien Welt kann und wird es uns gelingen, das Recht auf Selbstbestimmung in der sowjetisch besetzten Zone zu verwirklichen.
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Über diese Frage haben wir schon manche Diskussion geführt. Aber ich habe leider nicht den Eindruck, daß wir uns dadurch nähergekommen sind. Meine Damen und Herren, die Teilung Deutschlands beruht nicht auf einer freien Willensentscheidung des deutschen Volkes oder auch nur eines Teiles des deutschen Volkes. Sie ist Folge einer unversöhnlichen Machtpolitik der Sowjetunion, die den von ihr besetzten Teil Deutschlands zu einer abhängigen Kolonie degradiert hat.
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Die Begriffe von Recht, Freiheit und Menschenwürde sind in diesem Bereiche unbekannt. Es ist nicht so sehr die künstliche Trennungslinie, die uns belastet und empört, sondern das Bewußtsein, daß die Menschen jenseits dieser Trennungslinie in reglementierter Unfreiheit leben müssen.
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Würde ihnen die Freiheit zurückgegeben, dann würde am nächsten Tage niemand mehr von dieser Trennungslinie sprechen.
Darum gibt es aber auch keinen Kompromiß in dieser Frage. Hier begegnen sich zwei Vorstellungswelten, die sich gegenseitig ausschließen, und das ist auch der Grund, warum die Bundesregierung auch den sogenannten Deutschlandplan der Sozialdemokratischen Partei abgelehnt hat, - nicht weil er unbrauchbar ist, sondern weil er in seinen Folgen lebensgefährlich ist.
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Es liegt mir fern, die Diskussion über diesen Plan neu zu eröffnen. Aber wenn die sozialdemokratische Opposition von einer Bestandsaufnahme mit dem Ziele einer gemeinsamen Außenpolitik spricht, dann sollte sie doch auch klar und unmißverständlich sagen, ob dieser Deutschlandplan noch immer zu ihrem politischen Rüstzeug gehört.
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Die Bundesregierung ist der Überzeugung, daß wir alles tun müssen, um die Verbindung mit der freien Welt so eng zu gestalten, daß sie in Wahrheit unauflöslich ist. Zu dieser Außenpolitik gibt es keine Alternative, es sei denn, wir wären bereit, die eigene Freiheit als Preis für die Wiedervereinigung einzusetzen. Ich glaube nicht, daß irgend jemand im Deutschen Bundestag daran denkt. Aber wenn ich recht habe, dann sollten wir uns auch nicht scheuen, es auszusprechen und unsere Handlungen und Entscheidungen nach diesem Bekenntnis zu bestimmen. Es liegt mir daran, das in diesem Zusammenhang einmal auszusprechen.
Wir sollten uns aber auch hüten, wenn wir von der Bundesrepublik sprechen, immer wieder das bedenkliche Wort vom Provisorium zu gebrauchen.
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Wir alle sind uns der Verantwortung bewußt, die wir für das ganze deutsche Volk tragen. Die Präambel des Grundgesetzes verpflichtet uns, in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden. Die Bundesrepublik ist deshalb mehr als ein Provisorium. Sie soll nicht über kurz oder lang aufgelöst oder zu Grabe getragen werden. Die Grundzüge unseres Verfassungsrechts sind gültig in sich selbst und müssen Gültigkeit auch für ein wiedervereinigtes Deutschland besitzen.
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Der Verfassungsgesetzgeber hat sie nicht erfunden; er hat sich zu ihnen bekannt und sie darum kodifiziert. Das Ziel der deutschen Politik kann und darf also nur darin bestehen, daß diese Grundsätze in freier Selbstbestimmung anerkannt und bestätigt werden. Darum haben wir ja auch in der Präambel ausgesprochen, daß wir auch für jene Deutschen gehandelt haben, denen mitzuwirken versagt war.
In der Bundesrepublik erhalten und verteidigen wir nicht eine zufällige staatliche Ordnungsform, sondern den endgültigen Ausdruck des staatlichen Ordnungsdenkens des deutschen Volkes. Erhaltung und Sicherung der Bundesrepublik ist also auch eine echte nationale Verpflichtung im besten Sinne des Wortes, der wir uns durch den Hinweis auf das angebliche Provisorium nicht entziehen können und nicht entziehen dürfen, wenn wir nicht mit unserer sittlichen Verpflichtung gegenüber dem unwandelbaren Inhalt eines freiheitlichen und demokratischen Ordnungssystems in Widerspruch geraten wollen.
Dieses klare Bekenntnis verbietet uns aber auch sogenannte Verhandlungen mit den bolschewistischen Funktionären, die vorgeben, das deutsche Volk in der sowjetisch besetzten Zone zu vertreten.
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Die Bereitschaft zu Verhandlungen schließt in sich die Bereitschaft zum Kompromiß. Sicherlich gibt es Bereiche, in denen Kompromisse möglich sind. Sicherlich hat das deutsche Volk nach seiner Wiedervereinigung das Recht, ja sogar die Aufgabe, seine verfassungsmäßige Ordnung frei zu bestimmen, und es gibt Bereiche und Grundsätze, über die Verhandlungen durchaus möglich sind. Wir sollten das ruhig aussprechen. Eine solche Klärung
würde vielleicht bei den kommunistischen Funktionären Illusionen zerstören, wenn wir gleichzeitig
sagen, daß es eben Bereiche und Grundsätze gibt,
über die es Verhandlungen nicht geben wird und
geben kann.
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Ich bin fest überzeugt, daß wir, wenn wir daran keinen Zweifel offenlassen, gleichzeitig das Vertrauen und die Zuversicht derer stärken, die sich auch in der Unterdrückung zur Freiheit bekennen und sie herbeisehnen.
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Meine Damen und Herren, ich habe versucht, die Grundsätze .der Außenpolitik der Bundesregierung noch einmal klarzulegen. Die Bundesregierung kann nur hoffen und wünschen, daß das deutsche Volk und der Bundestag bereit sind, ihr auf diesem Wege zu folgen und ihre Anstrengungen zu unterstützen, Anstrengungen, die dem Wohle des ganzen deutschen Volkes dienen müssen.
Die Verwirklichung unserer Ziele - wir wissen das - kann nur auf dem Wege ernsthafter und mühevoller Verhandlungen erfolgen. Dazu wird die Bundesregierung auch in Zukunft ihren Beitrag leisten. Diese Verhandlungen, von deren Ergebnis der Friede in der Welt abhängen wird, dürfen aber nicht durch einseitige Gewaltmaßnahmen gestört werden. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat vor wenigen Wochen in New York eine Resolution verabschiedet, in der es heißt:
Der Sicherheitsrat empfiehlt den beteiligten Regierungen, Lösungen für die bestehenden internationalen Spannungen durch Verhandlungen oder andere friedliche Mittel, wie sie in der Charta der Vereinten Nationen vorgesehen sind, zu suchen; er appelliert an alle Regierungen, von der Anwendung oder Drohung mit Gewalt in ihren internationalen Beziehungen Abstand zu nehmen, die Souveränität, die territoriale Integrität und die politische Unabhängigkeit jedes anderen zu achten und von jeder Handlung Abstand zu nehmen, die die Spannungen erhöhen könnte.
Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung unterstützt diesen Appell, der sich an alle Regierungen in der Welt richtet, und sie erklärt, daß sie ihr Verhalten auch in Zukunft nach diesen Grundsätzen bestimmen wird.
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Meine Damen und Herren, Sie haben die Erklärung der Bundesregierung gehört.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Majonica.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der CDU/CSU-Fraktion begrüße ich es, daß uns die Abgabe der Regierungserklärung durch den Herrn Bundesaußenminister die Gelegenheit zu einer ausführlichen Debatte über die gegenwärtige außenpolitische Situation gibt. Wir begrüßen es, daß als Grundlage dieser Debatte die Regierungserklärung dienen kann, die mit großer Klarheit und Eindringlichkeit .den deutschen Standpunkt dargelegt hat.
Schon in der Erklärung vom 24. Mai dieses Jahres hat die CDU/CSU-Fraktion in Übereinstimmung mit der SPD-Fraktion erklärt, daß sie eine außenpolitische Debatte für notwendig hält. Es erscheint notwendig, vor der breiten Öffentlichkeit eine Analyse der Lage zu geben, zu sagen, was ist und was in kontinuierlicher Fortsetzung der bisherigen Politik geschehen muß. Wir Deutschen haben ein lebenswichtiges Interesse daran, daß weder drinnen noch draußen irgendeine Unklarheit über unsere Haltung entsteht. Eine solche Haltung der Unklarheit würde nur Verwirrung bei unseren Freunden schaffen und eine gefährliche Ermutigung der Sowjetunion zur Folge haben.
Der Ablauf dieser Debatte wird zeigen, daß wir eine saubere, faire und klärende Aussprache wollen. Nur sie entspricht der Verantwortung, die wir in dieser Situation vor unserem deutschen Volk tragen,
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einer Verantwortung, die sich auch auf Berlin und die Menschen in Mitteldeutschland erstreckt. Gerade ihnen wissen wir uns in unserem politischen Handeln besonders verbunden.
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Wegen dieser Verantwortung, die wir alle, Regierungsparteien und Opposition, tragen, bedauere ich es sehr, daß dieser Debatte, noch ehe sie begann, der Charakter eines innenpolitischen Gezänks gegeben werden sollte. Der Herr Kollege Wehner sprach von vorbereiteten Provokationen, davon, daß die Vorbereitungen der CDU so angelegt seien, daß ein Skandal erreicht werde. Die CDU habe die Vorbereitungen unter das Motto eines innenpolitischen Scheibenschießens gestellt.
Auch der Herr Regierende Bürgermeister von Berlin schloß sich in seiner jüngsten Mülheimer Rede der Kampagne zur negativen Präjudizierung dieser Debatte an. Ich bedaure das. Ich bin der Meinung, daß wir, wenn wir von der CDU/CSU-Fraktion wirklich so verfahren wollten, vor dem wachen und nüchternen Sinn unseres Volkes nicht bestehen würden. Wir würden auch der Verantwortung vor der Geschichte nicht gerecht, die wir alle gemeinsam miteinander tragen.
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Aber eine klärende Diskussion darf nicht mit Gezänk und Scheibenschießen verwechselt werden.
In seiner Erklärung vom 24. Mai dieses Jahres hat der Herr Kollege Ollenhauer davon gesprochen, daß die Bundesregierung der Notwendigkeit einer Überprüfung ihrer Außenpolitik nicht entgehen werde. Damit ist durch ihn der Anspruch auf eine Neuorientierung unserer Außenpolitik gegeben, zumal der Herr Kollege Ollenhauer in der gleichen Erklärung
davon gesprochen hat, daß es die Resultate unserer Politik nicht rechtfertigten, sich der bisherigen Außenpolitik anzuschließen. So kann der Ruf nach einer gemeinsamen Außenpolitik von seiten der SPD nur als der Ruf nach einer neuen, veränderten Außenpolitik verstanden werden, die dann gemeinsam getragen wird.
Ich möchte schon hier erklären, daß auch wir für eine gemeinsame Außenpolitik sind und daß wir viel früher als die sozialdemokratische Fraktion den Ruf nach dieser gemeinsamen Außenpolitik erhoben haben.
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Aber ich meine, daß wir in dieser Aussprache redlich zu klären haben, welchen Inhalt wir dieser gemeinsamen Außenpolitik geben wollen. Deshalb bin ich der Meinung, daß die Aufforderung des Kollegen Ollenhauer, so wie ich sie eben zitiert habe, eine Antwort erfordert, da diese Aufforderung sowohl im Westen wie auch im Osten registriert wurde. Würde diese Antwort nicht in aller Öffentlichkeit und in aller Offenheit gegeben, würden gerade wir als Deutscher Bundestag ein zusätzliches Element der Unsicherheit in die gegenwärtige Situation hineintragen. Das aber kann einfach nicht im deutschen Interesse liegen.
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Das Scheitern der Pariser Gipfelkonferenz hat meines Erachtens gar keine gänzlich neue politische und außenpolitische Situation erbracht. Ich stehe auf dem Standpunkt, daß sie nichts weiter war als eine neue Verdeutlichung der bisher schon klar zutage liegenden sowjetischen Politik.
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Ich bin der Meinung, daß auch die sogenannte Entspannungsoffensive Moskaus vor der Gipfelkonferenz in Wirklichkeit nichts weiter gewesen ist als nur eine Variante der aktiven Führung des Kalten Krieges durch Moskau.
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Hand in Hand nämlich mit dieser sogenannten Entspannungsoffensive ging doch seit etwa zwei Jahren eine ununterbrochene, maßlose, wahnsinnig übertriebene Hetzkampagne gegen die Bundesrepublik durch die Sowjetunion und ihre Satelliten.
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Ganz deutlich hat doch Herr Chruschtschow in der psychologischen Vorbereitung auf die Gipfelkonferenz versucht, die alte Anti-Hitler-Koalition auch gegen das neue, demokratische Deutschland wieder aufzurichten.
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Ganz deutlich wurde das doch dadurch, daß die Drohungen gegen Berlin auch in dieser Phase der sogenannten Entspannung nicht zurückgenommen wurden, sondern immer und immer wieder erneuert wurden, daß in dieser Phase immer wieder die Drohung mit dem sogenannten Separatfrieden mit der Zone ausgesprochen wurde. So konnte dieses zwiespältige Verhalten der Sowjetunion, Entspannungslächeln hier, maßlose Hetze gegen die Bundesrepublik dort, nur als der Versuch gesehen werden, die Bundesrepublik auf diplomatischem und propagandistischem Wege zu isolieren, um dann dieser isolierten Bundesrepublik die sowjetischen Forderungen auf Kosten Deutschlands und der Freiheit Berlins aufdrücken zu können.
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Dieser Versuch ist völlig mißlungen. Das Bündnis mit dem Westen hat sich in dieser Situation bewährt.
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Der Spaltungsversuch, den Herr Chruschtschow unternommen hat, ist eben an diesem Bündnis gescheitert, und jeder Versuch, diese Spaltungsabsicht auch in Zukunft zu wiederholen, wird scheitern, wenn wir bereit sind, unsere bisherige Politik konsequent fortzusetzen.
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Gerade wenn man befürchtet, daß wir in naher Zukunft wieder mit einer neuen Berlin-Krise zu rechnen haben, dann muß man klar und deutlich erkennen, daß auch in Zukunft die Freiheit Berlins, die Tatsache, daß Berlin als freies Gemeinwesen existieren kann, nur dann fortbestehen wird, wenn wir unverrückbar und fest an unserer bisherigen Bündnispolitik festhalten.
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Es liegt auf der Hand, daß bei der Natur der sowjetischen Politik die Frage Berlins, die Frage der Zugehörigkeit der Bundesrepublik zum Westen nur Teilprobleme sind. Wäre der Sowjetunion die Isolierung der Bundesrepublik gelungen, so hätte das an sich an der Grundlinie sowjetischer Politik nichts geändert. Die Bedrohung Berlins ist nur ein Teilaspekt der Bedrohung der ganzen Welt durch die sowjetische Expansion. Zu deutlich wird uns auch immer und immer wieder vom Osten versichert, ,daß es eine ideologische Koexistenz nicht gebe, daß die Epoche der Koexistenz nur einen Übergang darstelle einen Übergang zum Kommunismus überall auf der Welt. Für die Sowjetunion sind Entspannung und kommunistische Weltherrschaft identisch.
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So wurden im Falle der Bundesrepublik nur jene Methoden innenpolitischer Machtergreifung kommunistischer Minderheiten erprobt, nie alle innenpolitischen Gruppen auf einmal anzugreifen, sondern eine Gruppe zu isolieren, die anderen Gruppen aber zu wohlwollender Neutralität zu bringen. Im Grunde aber bedeutet der Angriff gegen eine Gruppe den Angriff auf alle.
Schon vor der Gipfelkonferenz mußte Herr Chruschtschow erkennen, daß diese Politik gescheitert war. Die Reden des amerikanischen Außenministers Herter, die Reden des amerikanischen Unterstaatssekretärs Dillon und vor allen Dingen das Kommuniqué des NATO-Rates, das der Herr Bundesaußenminister soeben zitiert hat, machten ihm deutlich, daß diese Politik keinen Erfolg haben
konnte. Schon aus dieser Verärgerung sind die Reden in Baku und vor dem Obersten Sowjet zu erklären. In Paris hatte er wohl nur noch eine geringe Hoffnung, die USA zu isolieren oder doch die Bande zu ihren Bündnispartnern England und Frankreich zu lockern. Als er feststellte, daß auch dies vergeblich war, ließ er, und er allein, die Gipfelkonferenz scheitern - scheitern angesichts eines Gesprächspartners wie des Präsidenten Eisenhower, der unermüdlich tätig war, um zu einem gerechten Ausgleich mit der Sowjetunion zu kommen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Man hat uns vorgeworfen, wir empfänden über das Scheitern der Gipfelkonferenz Befriedigung. Wir fühlen uns bestätigt in unserer illusionslosen Diagnose über die Natur sowjetischer Politik.
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Aber ebensowenig, wie der Arzt, der eine richtige Diagnose gestellt hat, Befriedigung über die Krankheit selbst empfindet, empfinden wir Befriedigung über die Enttäuschung von Millionen friedliebender Menschen in der ganzen Welt. Nur eine richtige Diagnose ermöglicht aber die Heilung der Krankheit selbst.
Wir haben von vornherein die Ergebnisse der Gipfelkonferenz nur mit einem sehr gedämpften Optimismus erwartet. Dieser Optimismus bezog sich vor allem auf das Gebiet der allgemeinen kontrollierten Abrüstung. Dieser Optimismus ist natürlich jetzt nach den letzten unglaublichen Ereignissen in Genf noch mehr gesunken. Wir bedauern diese Ereignisse auch deshalb, weil hier eine erneute Kontaktverengung zwischen Ost und West eingetreten ist. Wir wissen nicht, ob die Sowjetunion ihren Schritt von Genf revidieren wird. Vielleicht ist sie doch an einer wenigstens zeitweiligen Verringerung der Rüstungslasten interessiert, angesichts der großen Aufgaben, die sie sich in ihrem Siebenjahresplan gestellt hat, angesichts der Verpflichtungen hinsichtlich Rotchinas und der Entwicklungsländer.
Noch in der letzten Note an die Sowjetunion hat die Bundesregierung ihren Standpunkt wiederholt, daß sie sich jedem Abkommen, das auf dem Gebiete der allgemeinen kontrollierten Abrüstung erreicht wird, anschließen wird. Wir begrüßen dies. Abrüstungsvorschläge aber können nur gemeinsame Vorschläge des Westens sein. Das Problem der Sicherheit ist unteilbar. Nach wie vor stehen wir auf dem Standpunkt, daß nur der Weg über allgemeine kontrollierte Abrüstung auch an die Lösung der politischen Fragen heranführen wird.
Neben der Erkenntnis der Natur sowjetischer Politik ließ uns auch die Erfahrung mit den Gipfelkonferenzen der vergangenen vierzig Jahre skeptisch sein. Man wird keine als einen reinen Erfolg bezeichnen können. Die Lehre, die wir daraus wohl zu ziehen hätten, wäre die, daß eine Gipfelkonferenz erst dann sinnvoll erscheint, wenn sie auf normalem diplomatischem Wege so vorbereitet ist, daß ein Erfolg wahrscheinlich erscheint, - ein Grundsatz, den der verstorbene amerikanische Außenminister Dulles immer und immer wieder vertreten hat.
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Man hat die Rede, die Herr Chruschtschow nach der Rückkehr von Paris in Ostberlin gehalten hat, so interpretieren wollen, als habe hier ein anderer, ein gemäßigterer Chruschtschow gesprochen. Nun, dieser Eindruck wurde sofort durch die harte Rede vor den Bestarbeitern in Moskau korrigiert. Wenn seine Frist von sechs bis acht Monaten, die er sich selbst gestellt hat und die er deshalb auch jederzeit widerrufen kann, eine Spekulation auf den amerikanischen Wahlkampf sein sollte, so sind wir dessen sicher, daß das eine Fehlspekulation gewesen ist. Wir zweifeln nicht, daß die Amerikaner auch in der Zeit des amerikanischen Präsidentschaftswahlkampfes ihre Verpflichtungen voll erfüllen werden.
Wie die Ereignisse jetzt zeigen, waren diese sechs bis acht Monate nicht als eine generelle Pause gemeint. Schon die Rede Malinowskis mit ihrer Raketendrohung war der Versuch, die Bündnispartner der Vereinigten Staaten einzuschüchtern, das Bündnis selbst zu erschüttern. Aber Herr Malinowski irrt. Wir sind davon überzeugt, daß jede Aktion gegen einen Bündnispartner die Reaktion aller Bündnispartner auslösen wird.
Es kamen dann die empörenden Vorgänge in Genf. Wieder hat die Sowjetunion die Friedensliebe der ganzen Welt brüskiert. Sie zeigte sich nicht einmal daran interessiert, die Abrüstungsvorschläge des Westens zur Kenntnis zu nehmen, sondern brach mit rauher Hand die Verhandlungen ab. Das Verhalten der Sowjets und ihrer willigen Satelliten darf als ein neuer Tiefpunkt internationalen Verhaltens gewertet werden.
Dazu kam die Verlagerung der direkten Aktion in den Fernen Osten. Mit tiefer Bekümmernis haben alle Freunde des großen japanischen Volkes die letzten Vorgänge in Tokio verfolgt. Moskau und Peking haben viel Mühe und Geld investiert, um Japan aus dem Kreis der freien Nationen auszuschalten. Sollte es ihnen gelingen, so würde eine völlig neue Situation im Fernen Osten entstehen, eine Situation, die auch unmittelbar Auswirkungen auf uns haben würde. Hier zeigt es sich, wohin ein Land kommen kann, dessen Presse nicht willens ist, die Demokratie entschlossen zu verteidigen, wo ein Staat hintreiben kann, der nicht über Machtmittel verfügt, seine Autorität zu wahren, wohin es führt, wenn eine oft gutgläubige „Ohne-mich"-Propaganda hemmungslos von kommunistischen Drahtziehern ausgenutzt wird.
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Trotzdem bin ich nicht pessimistisch. Die guten Kräfte des japanischen Volkes werden sich durchs e tz en.
An der indisch-chinesischen Grenze sind starke rotchinesische Truppen konzentriert. Wir wissen nicht, ob sie zur Niederschlagung des Freiheitswillens der Tibeter aufmarschiert sind oder ob sie einen Druck auf Indien ausüben sollen. Wir wollen
. hoffen, daß die imposanten Aufbauerfolge des groMajonica
ßen indischen Volkes, dem wir uns verbunden fühlen, nicht durch Aktionen rotchinesischer Truppen gefährdet werden. Indien braucht für seinen Aufbau den Frieden. Aber auch hier, meine Damen und Herren, wird deutlich, wer die Politik der Stärke praktiziert, wer Unruhe und Unsicherheit will; und ich meine, es dürfte auch kein Zufall sein, daß gerade jetzt die Sowjetunion angekündigt hat, neue Raketenversuche im Pazifik vornehmen zu wollen.
Unsere Antwort auf alle diese Vorgänge, die immer und immer wieder zu neuer Verdeutlichung der sowjetischen Politik geführt haben, kann nur sein, noch mehr für die Sicherheit, noch mehr für die Festigkeit in Europa zu tun und damit einen noch größeren Beitrag für den Frieden in Europa und den Frieden in der ganzen Welt zu leisten.
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Ein Nachlassen angesichts der Tatbestände, die ich geschildert habe, wäre meines Erachtens verantwortungslos. Das gilt vor allen Dingen für unsere Verteidigungsanstrengungen. In Gemeinschaft mit den Bündnispartnern erfüllt schon heute die Bundeswehr die Aufgabe, Frieden und Freiheit zu sichern. Wir danken allen Soldaten der Bundeswehr, daß sie durch ihren Dienst helfen, den Frieden zu erhalten.
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Die Sicherung 'der Freiheit in der Bundesrepublik ist die notwendige Voraussetzung für die Wiedervereinigung. Ohne eine in Freiheit gesicherte Bundesrepublik ist das Selbstbestimmungsrecht des ganzen deutschen Volkes nicht denkbar,
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ist die Freiheitshoffnung der 17 Millionen Menschen in Mitteldeutschland eine bare Illusion.
Zur Sicherung der Stellung der Bundesrepublik gehört es auch, daß wir unser Wollen im Ausland noch deutlicher, noch klarer darstellen als bisher. Wir werden die Freiheit Berlins nur dann erfolgreich aufrechterhalten können, wenn wir die Öffentlichkeit der ganzen Welt davon überzeugen und es ihr deutlich machen können, was die Freiheit Berlins für alle, für jeden in allen Ländern der Welt, bedeutet.
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Zur Festigung des Friedens gehört auch die Verstärkung unserer Europapolitik. Ich möchte dem Herrn Bundesaußenminister besonders dafür danken, daß er in seiner Regierungserklärung auf diese Europapolitik einen so starken Akzent gesetzt, ein so großes Schwergewicht gelegt hat. Die Stunde für einen Neubeginn in der Europapolitik erscheint günstig. Die Ereignisse von Paris haben die Europäer näher zusammenrücken lassen. Wir begrüßen es, daß England seine Beziehungen zur Gemeinschaft der Sechs überprüft. Vor allem aber haben wir in der letzten Rede de Gaulles, in der letzten Rede von Couve de Murville eine neue Initiative, indem beide übereinstimmend erklärt haben, daß auch sie für die europäische Einigung mit dem Endziel einer
Konföderation seien. Ich möchte mit großem Nachdruck und mit großem Ernst an die Bundesregierung den Appell richten, diese Initiative der französischen Staatsmänner aufzugreifen. Es sollte noch vor Ablauf dieses Jahres eine Konferenz der sechs Regierungschefs zusammentreten, um über die drei folgenden Punkte zu beraten: 1. Fusion der drei bestehenden Gemeinschaften, 2. Europäische Wahlen, 3. Vorbereitung einer europäischen politischen Gemeinschaft. Ich meine, das wäre ein Positivum, das wäre ein Vorstoß in unserer Europapolitik. Ich würde es sehr begrüßen, wenn sich gerade die deutsche Bundesregierung zum Träger dieser neuen Initiative in der Europapolitik machte.
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Wir sind uns alle darüber klar, daß dieses Europa der Sechs keine Kampforganisation gegen die anderen europäischen Staaten darstellt. Vielmehr wollen wir vor allen Dingen zu Großbritannien ein gutes, enges Vertrauensverhältnis herstellen.
Meine Damen und Herren! Sicherlich würde in der Situation, die ich geschildert habe, eine gemeinsame Außenpolitik aller Parteien dieses Hauses ein weiteres Element der Sicherheit sein. Die Position jedes deutschen Vertreters wäre stärker, wenn er bei seinen Verhandlungen alle Kräfte unseres Volkes hinter sich wüßte. Spekulationen des Ostens, innenpolitische Wandlungen würden außenpolititische Konsequenzen haben, neue Regierungen könnten weicher sein als die alten, wäre der Boden entzogen.
Wie aber soll eine gemeinsame Außenpolitik aussehen? Von dem Herrn Kollegen Ollenhauer wissen wir, daß diese Außenpolitik anders sein soll als die bisherige.
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Der Herr Kollege Erler hat noch auf dem Parteitag der baden-württembergischen Sozialdemokraten am vergangenen Sonntag erklärt, daß er ohne Vorbehalte zu seiner früheren Versicherung stehe, daß das atlantische Bündnis die Wiedervereinigung erschwere.
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Meine Damen und Herren, hinter diesem Satz steckt doch die ganze Illusion der vergangenen zehn Jahre!
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Hinter diesem Satz steht doch eine gescheiterte außenpolitische Konzeption. Die SPD hat in der Vergangenheit immer gehofft, daß man zu politischen Lösungen kommen könne, daß man die Wiedervereinigung erreiche, wenn man dem Sicherheitsbedürfnis der Sowjetunion entgegenkomme. Ihre Politik war doch nur verständlich, wenn man davon ausging, .daß das Problem für die Sowjets darin bestehe, ihre eigene Sicherheit zu erreichen. Daher lehnten Sie die Wiederbewaffnung ab, daher stimmten Sie gegen das Bündnis mit dem Westen, daher wandten Sie sich erbittert gegen die atomare Ausrüstung der Bundeswehr. Sie haben in der Vergangenheit einfach nicht erkannt, daß die Bundes7050
Majonika
wehr und das westliche Verteidigungsbündnis nicht die Sicherheit der Sowjetunion - auch nicht aus der Sicht der Sowjets heraus - bedrohten, sondern dem sowjetischen Expansionsbedürfnis entgegengesetzt waren.
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Daher doch der Kampf der Sowjets gegen das Zustandekommen dieser Bündnisse, aber nicht die Bereitschaft, einen Preis zu zahlen, wenn diese Bündnisse zustandegekommen waren. Das Ergebnis des Verzichts auf diese Bündnisse und damit auf unseren Schutz wäre daher nicht die Wiedervereinigung gewesen, sondern nichts als das weitere Vordringen der Sowjets in Europa.
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Ich weiß, meine Damen und Herren, die SPD hat sich bemüht, andere Sicherheitssysteme zu finden. Ich möchte heute nicht über diese Systeme streiten. Ich möchte heute überhaupt nicht streiten.
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Aber bei der Natur sowjetischer Politik waren doch entweder diese Systeme genauso wirksam wie die NATO - dann waren sie für die Sowjets unannehmbar, denn die Sowjets lehnten ja nur deshalb die NATO ab, weil sie sich dadurch eben in ihrem Expansionsdrang beengt fühlten; sie hätten deshalb dann aber auch logischerweise nicht irgendwelche Verteidigungssysteme akzeptieren können, die einen vollwertigen Ersatz für die NATO gebracht hätten; dann waren diese Systeme für die Sowjets von ihrem Standpunkt aus nicht annehmbar -, oder aber diese ,Systeme hätten eben eine Minderung unserer Sicherheit oder einen Verlust unserer Sicherheit gebracht; dann waren diese Systeme wiederum für uns unannehmbar.
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Ich 'glaube, 'daß sich das aus der Logik der Dinge ergibt. In dem zweiten Fall hätte dieses System einen Verlust des echten Schutzes für uns bedeutet, eines Schutzes, der eben nur möglich ist, wenn wir unseren Beitrag leisten.
Ich muß deshalb ganz deutlich und klar sagen: Wenn der Ausspruch des Kollegen Erler die offizielle außenpolitische Erklärung der SPD ist, dann müssen wir zu unserem großen Bedauern erklären, daß wir mit diesem Ausspruch und der Politik, die dahintersteht, nicht übereinstimmen können.
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Ich meine, daß hier nicht irgendein Randproblem angesprochen worden ist, daß hier nicht irgendeine Frage angesprochen worden ist, die man bei einer außenpolitischen Überlegung ausklammern kann, sondern daß hier das Kardinalproblem, der Grundsatz der gesamten außenpolitischen Überlegungen angesprochen worden ist.
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Denn von diesem Grundsatz aus, von dieser Grundüberlegung aus, ob die sowjetische Politik von
einem Sicherheitsbedürfnis oder von einem Bedürfnis zur Expansion getragen wird, vollziehen sich alle anderen außenpolitischen Konsequenzen auf außenpolitischem Gebiete. Ich meine aber doch, und deshalb verstehe ich diesen Ausspruch heute nicht mehr, daß eine Politik, die sich wirklich auf den Glauben stützt, man könne durch ein echtes Sicherheitssystem die Sowjetunion zu politischem Entgegenkommen bringen, nach Paris und Genf doch als endgültig gescheitert angesehen werden muß.
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Ich verstehe auch nicht, warum man auf der einen Seite dem Pariser Ereignis eine so ungeheure Bedeutung beimißt, eine Wendemarke in der inter- nationalen Palitik darin sieht, und auf der anderen Seite eine Politik empfiehlt, die doch durch die Sowjets selbst dementiert worden ist. Wer in Deutschland eine gemeinsame Außenpolitik fordert, muß sich im klaren darüber sein, daß es nur eine gemeinsame deutsche Außenpolitik mit dem Westen geben kann.
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Hätten wir diese Gemeinsamkeit mit dem Westen gegen starken inneren Widerstand in der Vergangenheit nicht hergestellt, die Freiheit Berlins, ja die Freiheit der ganzen Bundesrepublik wäre heute schon verspielt.
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Die kommunistische Politik stellt eine Herausforderung auf geistigem, politischem, wirtschaftlichem und sozialem Gebiet dar. Dieser Herausforderung können wir nur in der engen Gemeinschaft mit dem Westen begegnen. Die Herausforderung - das wird leider oft übersehen - besteht aber auch auf militärischem Gebiet. Es würde für Moskau eine zu große Versuchung darstellen, wenn es militärisch überlegen, der Westen aber militärisch unterlegen wäre. Dann bestände doch die große Versuchung, die Rote Armee als Instrument der Weltrevolution einzusetzen, zumal die Geschichte lehrt, daß die Ausbreitung des Kommunismus in Europa durch diese Rote Armee erfolgt ist.
Alle europäischen Nationen sind zu klein, um die Frage ihrer Sicherheit aus eigener Kraft lösen zu können. So hat die Bundesrepublik ein vitales Interesse an der Geschlossenheit, Einheit und Stärke der westlichen Welt. Sie muß alle, aber auch alle Anstrengungen unternehmen, um das westliche Bündnis so effektiv, so leistungsfähig wie nur irgend möglich zu gestalten.
Das, meine Damen und Herren, ergibt zwingende Konsequenzen für die deutsche Politik, Konsequenzen, die nicht wir erfunden haben, sondern die sich einfach zwangsläufig aus der Situation heraus für uns ergeben. Eine der wesentlichsten Konsequenzen ist die, daß die NATO im Augenblick die einzige Sicherung unserer Existenz und der Freiheit Berlins darstellt. Und so genügt es nicht, die NATO nur als einen einmal abgeschlossenen Vertrag zu akzeptieren, sie hinzunehmen, weil man sich an völkerrechtlich abgeschlossene Verträge hält, geschweige denn, sie als eine Erschwerung der WiedervereiniMajonika
gung aufzufassen. Man muß sie im Gegensatz dazu als eine unverzichtbare Notwendigkeit wollen!
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Aus diesem Willen zur NATO ergibt sich, daß wir aufgefordert sind - so, wie es in der Regierungserklärung zum Ausdruck kam -, sie weiter auszugestalten. Die NATO wurde 1949 gegründet. Seit dieser Zeit haben sich die Verhältnisse gewandelt. Wir haben neue Gegebenheiten sowjetischer Aggression auf vielerlei Gebieten erlebt, an die man 1949 noch nicht gedacht hat. So muß die NATO als ein Friedensbündnis diesen neuen Gegebenheiten angepaßt werden. Ein Bündnis kann auch dadurch austrocknen, unwirksam werden, daß seine Mitglieder es nicht voll wollen. Der Westen trägt ein hohes Risiko für die Freiheit Berlins und die Sicherheit der Bundesrepublik. Nur dadurch, daß wir dieses Risiko mittragen, können Wir es moralisch vom Westen verlangen.
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Das bedeutet für unsere Stellung zum Verteidigungsbündnis, für unsere Stellung zur NATO, daß wir für die Ausrüstung der Bundeswehr mit jenen Waffen sein müssen, die notwendig sind, um die Aufgaben der Bundeswehr im Rahmen der NATO erfüllen zu können, d. h. mit den modernen Waffen, wie es der Bundesverteidigungsminister vor einigen Tagen umrissen hat. Das bedeutet die allgemeine Wehrpflicht. Nur sie erlaubt es der Bundeswehr, ihre Aufgaben mit konventionellen Waffen zu erfüllen, einen wirkungsvollen Verteidigungsbeitrag konventioneller Art zu leisten. Nur sie schafft jene zahlenmäßigen Bestände, die notwendig sind, um unsere internationalen Verpflichtungen erfüllen zu können.
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Das bedeutet die Übernahme finanzieller Opfer, wie sie sich im Verteidigungshaushalt niederschlagen. Man kann nicht Verteidigung wollen, gleichzeitig aber die Demontage der finanziellen Grundlagen dieser Verteidigung betreiben.
({37})
Vor allem aber bedeutet es die endgültige Absage an alle Pläne, die im Endergebnis die NATO einseitig zugunsten des Ostens schwächen. Darunter verstehe ich alle Pläne des Disengagement, die nicht gekoppelt sind mit einer deutlichen, sichtbaren Veränderung der sowjetischen Politik dem Raum gegenüber, der unter das Disengagement fallen soll, d. h. einer grundlegenden Wandlung der sowjetischen Politik Mitteleuropa gegenüber, d. h. im Endergebnis einer grundlegenden Wandlung der sowjetischen Politik überhaupt.
Der Deutschlandplan der Sozialdemokraten ging noch weiter als andere Pläne des Disengagement. Bisher wissen wir nicht genau - wir wollen hoffen, daß wir das in der heutigen Debatte erleben -, welche Elemente dieses Plans noch gelten oder nicht. Aber wir wollen heute schon sagen, daß die
Verwirklichung der wesentlichen Elemente dieses Plans den eindeutigen Verlust unserer Sicherheit und Freiheit bedeutet,
({38})
damit auch den Verlust jeder Chance, zu einer Wiedervereinigung in Freiheit zu gelangen.
Vielleicht wäre dieser Plan nicht geboren, wenn man überall die Erkenntnis gehabt hätte, daß man sich hinsichtlich der sowjetischen Politik nicht an bloße Taktik des Augenblicks halten soll, sondern an die Logik kommunistischer Politik und Lehre, wie sie aus 43 Jahren sowjetischer Politik spricht.
({39})
Ich meine, wir sollten vor allen Dingen diese Forderung für die Zukunft im Auge behalten und nicht bei jedem Schwanken, bei jedem Niesen im Kreml irgendeine Wendung der sowjetischen Politik erwarten, sondern mehr die großen Grundlinien erkennen, die jedem offenstehen, der bereit ist, ein Handbuch über sowjetische Geschichte in die Hand zu nehmen.
({40})
So ist unsere Politik aus der Sorge heraus entstanden, unsere eigene Sicherheit nicht einem Wunschdenken zuliebe zu opfern. Wir müssen diesen Weg aus dem Zwang der Verhältnisse heraus gehen, in die wir nun einmal hineingestellt sind. Man kann diesen Weg deutscher Außenpolitik, diesen Weg, den wir auch in Zukunft gehen wollen, in seiner Grundlinie und in seiner Methode nicht besser umreißen, als es der amerikanische Außenminister Herter etwa so formuliert hat: Aggressive Kräfte dürfen nicht ermutigt werden durch Anzeichen der Schwäche auf unserer Seite; friedliche Kräfte sollen ermutigt werden durch unsere Bereitschaft, in einer nüchternen und vernünftigen Art und Weise die anstehenden internationalen Probleme voranzutreiben.
Wir begrüßen jeden, der diesen Weg mit uns gehen will. Aber Gemeinsamkeit kann kein Ersatz sein für nüchterne Erkenntnis und konsequentes Handeln. Nur in der Bereitschaft zu diesem konsequenten Handeln manifestiert sich die Gemeinsamkeit, soll sie kein vernebelndes Schlagwort sein.
Lassen Sie mich an einem Zitat aus der „Sozialistischen Arbeiterzeitung" in Osterreich - ein sicherlich sehr unverdächtiges Organ - deutlich machen, wie dieser Weg außerhalb Deutschlands beurteilt wird. Die Zeitung hat noch Anfang Juni folgendes geschrieben:
Man sieht, daß er recht gehabt hat mit der Entscheidung für die westliche Allianz, bei der Treue zu ihr in guten und schlechten Zeiten, bei seinen dauernden Warnungen an Deutschland und den Westen gegenüber übermäßigem Vertrauen zu den Absichten der Russen, auch in seinem Kampf ohne Angst vor persönlicher Unpopularität, um amerikanische, britische und französische Festigkeit und Unterstützung in der Berlinfrage. Möglicherweise wird der jetzige Augenblick einmal in der Rückschau
Majonika
den Höhepunkt des Erfolges in dem erstaunlichen Lebenslauf des alten Kanzlers darstellen.
({41})
Ich meine, daß dieses Zitat aus der „Sozialistischen Arbeiterzeitung" in Österreich für sich selbst spricht, und möchte nur eine einzige Anmerkung machen. Ich glaube nicht, daß die richtige Vorausschau sowjetischer Politik auf der Gipfelkonferenz der Höhepunkt in der politischen Laufbahn unseres Bundeskanzlers gewesen ist, sondern daß der Höhepunkt eben in dem Aufbau Europas, in dem Ausgleich des deutsch-französischen Verhältnisses, in der deutsch-französischen Gemeinschaft gelegen hat.
({42})
Aber ich möchte dem Herrn Bundeskanzler, dem ich für sein Eintreten für Europa, für die Freiheit Berlins und der Bundesrepublik danke, zum Schluß doch noch einen anderen Höhepunkt wünschen, wenn er einmal Rückschau über seine gesamte politische Leistung hält, nämlich den Höhepunkt, daß er es erreicht hat, dem deutschen Volk auch das Recht auf Selbstbestimmung zu geben.
({43})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wehner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gleichviel, was auf den verschiedenen Seiten unseres Hauses von dieser Debatte erwartet wird, ich glaube, diese Debatte kann eigentlich nichts anderes sein als eine hoffentlich im Positiven bemerkenswerte Etappe im Ringen um das höchsterreichbare Maß an Übereinstimmung bei der Bewältigung der deutschen Lebensfragen. Mir ist es verständlich, daß dabei noch sehr stark Gefühle und Gedanken mitschwingen, die geprägt worden sind durch die jahrelangen Auseinandersetzungen über Abschnitte des Weges, den wir alle haben gehen müssen. Wie sehr das der Fall ist, zeigt sogar die Regierungserklärung des Herrn Bundesministers des Auswärtigen.
Die Frage - wechselseitig gestellt -: Werden die auf der anderen Seite des Hauses nun endlich einsehen, daß wir recht gehabt haben?, diese Frage wird immer wieder aufkommen. Unserem Klima entsprechend - da braucht man keine Angst zu haben - wird sie auch künftig noch oft die Form einer Forderung, je nach Temperament einer sehr barsch ausgesprochenen Forderung, annehmen.
So will ich mich angesichts dessen auch gar nicht damit aufhalten, das, was in dieser Beziehung vor der heutigen Bundestagsdebatte gesagt oder geschrieben worden ist, nochmals aufzugreifen,-nicht deswegen, ich bitte alle um Entschuldigung, weil ich es mißachten möchte; es waren sehr viele Anregungen und bemerkenswerte Gedanken auch in dieser Tordebatte. Aber ich meine, die Ereignisse nötigen uns, den Blick nach vorn zu richten.
Allerdings muß ich auf eine Vermutung, die bei manchem auch als eine Behauptung vertreten wird, eingehen. Der Herr Bundesminister für Verteidigung, Strauß, hat den Wunsch der Sozialdemokraten nach einer gemeinsamen Außenpolitik als einen bemerkenswerten Schachzug im Ringen um die Stimmen für die Bundestagswahl im kommenden Jahr bezeichnet. Das hat er am 24. Juni getan. Aber die CDU selbst nimmt für sich in Anspruch, alles, was sie selbst tut und noch tun wird, um diese Wahl zu gewinnen, sei - und hier zitiere ich Sie - „von entscheidender Bedeutung für das nationale Schicksal.
({0})
So am 22. Juni im „Deutschland-Union-Dienst". Sie bestätigen es, es entspricht Ihren Empfindungen!
({1})
Da haben Sie in der gleichen Demokratie und vor dem gleichen Grundgesetz die unterschiedliche Bewertung des Strebens demokratischer Parteien nach der Mehrheit. In manchen Kommentaren und darunter auch in einigen Kommentaren bedeutender Auslandszeitungen ist um diese Debatte und um die ganze öffentliche Diskussion schließlich gerade das geschrieben worden, es handle sich eigentlich um bloße Taktik auf beiden Seiten. Das meine ich, und deswegen habe ich dieses Element aus dieser Vordiskussion doch aufgegriffen.
Ich meine, es kann nicht gut sein, die Volksvertreter, die Parteien und das Parlament selbst in den Geruch zu bringen, es werde von denen eigentlich gar nicht um die Sache selbst gerungen, sondern um etwas, das ganz parteiegoistischen Erwägungen entspringe.
Der Herr Bundeskanzler hat - und an diese Episode werde ich manchmal erinnert, auch in diesem Zusammenhang - im vergangenen Jahr - es muß genau vor einem Jahr gewesen sein - in einem Disput mit meinem Freund Fritz Erler gesagt, er, der Herr Bundeskanzler, sei genauso gut Demokrat wie jener, Fritz Erler nämlich, denn auch er wolle ihm ja so viel wie möglich Stimmen abjagen.
({2})
- Ich merke, Sie erinnern sich. Aber, wissen Sie, ich möchte nicht annehmen, daß damit allein zum Ausdruck gebracht werden sollte, was einen - um den Begriff des Herrn Bundeskanzlers zu verwenden - guten Demokraten ausmacht.
Wir stimmen wohl darin überein, daß unsere Verpflichtung auf das Grundgesetz als Wesentliches dazu gehört. Jede demokratische Partei hat das Recht und ist bestrebt, die Mehrheit der Wähler zu gewinnen. Wenn aber im politischen Kampf dieses Streben als Selbstzweck verdächtigt wird, statt den Kampf, soweit das überhaupt menschenmöglich ist - da gibt es wohl gewisse Grenzen -, um die sachlichen Streitfragen selbst zu führen, so kann es nicht ausbleiben, daß die Demokratie und die zur Demokratie gehörenden Parteien und Institutionen schließlich in den Verdacht geraten, der Sache selbst gar nicht zu dienen, sondern sich ihrer nur zu bedienen. Und ich denke: eigentlich kann das
keiner wollen. So möchte ich meinen, Sie mögen immerhin auf dieser Seite, auf der großen Seite unseres Hauses, argwöhnen,
({3})
- ja, sicher, meine Reverenz! - was denn die Sozialdemokratische Partei eigentlich im Sinne habe und was sie vielleicht im Schilde führe, wenn sie dazu auffordere, ernstlich zu versuchen, herauszufinden, ob die demokratischen Kräfte in der Bundesrepublik nicht zu gemeinsamen Bemühungen um die Lösung der gesamtdeutschen Fragen imstande und fähig sind.
Aber was Sie auch dahinter vermuten, meine Damen und Herren, schlagen Sie bitte unsere Mahnungen nicht einfach in den Wind.
({4})
Selbst wenn wir alle zusammen bei noch so großer Bemühung nicht imstande sein könnten, die derart gefährlich unübersichtlich gewordenen Fragen der eigentlichen Außenpolitik im Zuge einer solchen Debatte zu klären, sollten wir unter dem Eindruck der Ereignisse den Vorsatz zu fassen imstande sein, unser innenpolitisches Verhältnis zueinander in die Ordnung zu bringen, die uns befähigen könnte, der gesamtdeutschen Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland gerecht zu werden.
({5})
Dabei sind wir alle, Sie auf der Seite der Regierungskoalition, wir auf der schmaleren Seite der Opposition, dem Ganzen verpflichtet.
({6})
Das, glaube ich, sind wir unseren Mitbürgern in der sowjetisch besetzten Zone schuldig; wir sind es Berlin schuldig, und wir sind es der demokratischen Ordnung bei uns selbst schuldig, die so sein muß, daß sie allen Belastungen gewachsen sein kann.
Wenn ich Ihnen in diesem Zusammenhang mit der ausdrücklichen Bitte, mich nicht mißverstehen zu wollen, sage, daß uns die Spuren Koreas, der Türkei und mancher anderer Ereignisse schrecken sollten, so tue ich das nicht, weil ich damit einen Vergleich der Zustände in den genannten Ländern und bei uns herbeizwingen möchte. Wir haben in der Bundesrepublik bei aller Erbitterung der Auseinandersetzungen, die immer wieder , nachklingt und auch durchklingt, anderen Ländern manches voraus, auch hinsichtlich dessen, was in diesen Jahren erreicht worden ist. Aber doch gibt es Gründe, nicht an den Ereignissen in jenen Ländern vorbeizugehen.
Wenn nicht alles trügt - auch das weiß man nicht -, so bedeutet das Scheitern der Gipfelkonferenz in Paris wohl mehr als nur die zeitweilige Unterbrechung der Konferenzbrücke, die seit dem Ende der Blockade Berlins zwischen West und Ost aufrechterhalten wurde. Würde man mit der Lupe untersuchen, was meine verehrten Vorredner in dieser Beziehung gesagt haben und was jetzt ich mit diesen Bemerkungen gesagt habe, käme man
hinsichtlich der Fakten schon zu einigen Unterschieden in der Betrachtung. Aber lassen Sie mich den Gedanken noch etwas weiter entwickeln.
Je mehr es offenbar wird, daß das Ringen um die Groß- und Weltmachtsansprüche des kommunistisch regierten China, das, wie ich annehme, in ein entscheidendes Stadium getreten ist, das Verhältnis der traditionellen Weltmächte zueinander und zur übrigen Welt beeinflußt, sogar bewegt, um so weniger brauchbar werden Vorstellungen aus den vergangenen Etappen der Auseinandersetzungen, die wir gemeinsam oder im Gegensatz zueinander gehabt haben, Vorstellungen, die vorher in manchen Fällen übereinstimmend, in anderen Fällen kontrovers als ausreichend angesehen werden konnten oder vielleicht sogar mußten.
Wir - und da spreche ich nun von den Sozialdemokraten; Sie haben ja Ihr Bedauern schon ausgedrückt - haben mit Sorge mit ansehen müssen, wie der sowjetische Ministerpräsident Chruschtschow die Pariser Konferenz unmöglich gemacht hat, die er vorher selbst angestrebt hatte.
Der Herr Bundesaußenminister hat hier in seiner Erklärung eine recht scharfe Bemerkung zu einem Artikel meines Kollegen Fritz Erler gemacht. Der Herr Minister wollte unter Hinweis auf die Erklärung des Bundeskanzlers vom 24. Mai hier im Hause ausdrücken, daß beim Bundeskanzler und bei der Regierung nicht Genugtuung oder Freude über dieses Ereignis - das Sie bedauert haben, das wir bedauern - herrscht. Ich bin sehr froh, und wir haben, was der Herr Bundeskanzler hier am 24. Mai sehr abgemessen und sehr abgewogen dazu gesagt hat, begrüßt. Nur, das, was hier bei meinem Freunde Erler gerügt wird, bezieht sich nicht auf auf diese zitierten Auffassungen, sondern auf die Behauptung eines nicht unbekannten amerikanischen Journalisten von der New York Times, Mr. Sulzberger, der behauptet hat:
Bonns ehrwürdiger Kanzler gibt offen seine Befriedigung über den toten Punkt zu, der die gegenwärtige Situation in Berlin um sechs bis acht Monate verlängert. Er hat ihm geholfen, seine politische Macht in Bundesdeutschland zu festigen und hat die Idee der Gipfeldemokratie angeschlagen, die Adenauer mißbilligt.
Wir wären froh, wenn diese Behauptungen und der ganze Artikel, der ja, wie Sie alle wissen - die meisten werden ihn ebenso gelesen haben, wie wir ihn gelesen haben -, noch eine ganze Reihe ähnlicher Behauptungen enthält, die mit dem, was hier am 24. Mai gesagt worden ist und worauf die Regierungserklärung heute mit Recht Bezug nimmt, nicht in Einklang gebracht werden können, nicht veröffentlicht worden wären.
Wir Sozialdemokraten haben ebenso wie Sie vor einigen Tagen mit Sorge und mit Bitterkeit miterlebt, wie die Vertreter der Ostblockstaaten die Konferenz von Genf abgebrochen haben, obwohl sie ja hatten wissen müssen, daß man sich unmittelbar vor der Vorlage neuer amerikanischer Vorschläge befand. Offenbar legen es die Sowjetregierung und ihre Gefolgschaft darauf an, jetzt vor
allem in Asien und in Afrika - aber auch Lateinamerika rückt schon in diese Reihe hinein - durch eine groß angelegte Propaganda Stimmungen aufzuwühlen und so die Vorbereitungen für die großen Auseinandersetzungen in der Vollversammlung der Vereinten Nationen zu treffen, deren Termin ja feststeht und deren Termin wiederum mit anderen Terminen zusammenfällt, wie Sie alle wissen. Wahrscheinlich hofft die Sowjetregierung samt Gefolgschaft, in dieser so vorbereiteten Diskussion im breiten Forum der Vereinten Nationen besonders auf die vielen neuen Mitglieder Eindruck zu machen, mit denen es die Vereinten Nationen dort zu tun haben.
Wenn der sowjetische Ministerpräsident Chruschtschow nach Paris davon gesprochen hat, in sechs bis acht Monaten könne eine Gipfelkonferenz stattfinden, so muß, denke ich, diese Bemerkung wohl so verstanden werden, daß wir in dieser Zeit allerlei zu erwarten haben. Das ist etwas anderes, als wenn man diese Frist als eine Art Stillhaltefrist betrachten würde.
Angesichts dieser Auffassung und Einsichten ist es immerhin beruhigend, folgende Worte des amerikanischen Präsidenten Eisenhower, die er unlängst in Manila sagte, zu hören:
Wir werden .aber niemals die Tür zu friedlichen Verhandlungen schließen. Wir werden weiterhin deutlich darauf hinweisen, daß Vernunft und gesunder Menschenverstand über sinnlose Feindschaft und verzerrte Mißverständnisse und Propaganda die Oberhand gewinnen. Das Wettrüsten
- so fuhr er fort muß unter Kontrolle, und die nukleare Drohung muß beseitigt werden. Dies kann nach meiner Auffassung ohne appeasement oder Kapitulation erreicht werden, indem man den Kurs geduldiger, einfallsreicher und sachlicher Verhandlungen mit den Sowjetführern weitergeht.
So Präsident Eisenhower am 16. Juni.
Im Vertrauen darauf, daß die Vereinigten Staaten keine Mühe scheuen werden, müssen wir, wenn etwas daran ist, daß in diesen sechs bis acht Monaten allerlei erwartet werden kann, in diesem unserem Bereich das Unsere dazu beitragen, daß in der kritischen Zeit bei uns alles in Ordnung ist und in Ordnung bleibt.
({7})
Wenn ich den Herrn Bundesminister des Auswärtigen kürzlich richtig verstanden habe, so hat er davon berichtet, daß auch die Außenminister der Westeuropäischen Union, als sie am 17. Juni zusammen waren, keine über Vermutungen und Annahmen hinausgehenden Anhaltspunkte dafür gehabt haben, was den sowjetischen Ministerpräsidenten Chruschtschow in seinem Verhalten in Paris einen Monat vorher letzten Endes bestimmt habe, es so und nicht anders zu gestalten. Angesichts dieser Feststellung finde ich es verständlich, daß man im Kreise der Außenminister der Westeuropäischen Union sehr vorsichtig war und sehr vorsichtig bleibt
und daß man die Äußerung des sowjetischen Ministerpräsidenten bezüglich der in sechs bis acht Monaten möglichen Gipfelkonferenz nicht der eigenen Politik als eine Art von Versicherung zugrunde legen kann und will.
Wie unberechenbar die Lage angesichts des in seinen Einzelaktionen unberechenbaren Akteurs ist, das hat sich - ich folge hier, Sie mögen mir verzeihen, der Auffassung einer hervorragenden Journalistin, der man - deswegen nehme ich meine Zuflucht zu ihren Worten - schwerlich Wahlkampftaktik oder Wahlkampfabsichten unterstellen kann
- in Paris gezeigt, wo nach ihren Worten dieselben Leute, die noch kurz zuvor sich sorgten, die Entspannungspolitik könne zu weit gehen, drei Tage später vor der Möglichkeit eines neuen Krieges zitterten; so Gräfin Dönhoff in der „Zeit".
({8})
- Ich glaube, es gibt hier einige Feinschmecker.
({9})
Wenn - so möchte ich noch kurze Zeit ihren Gedanken folgen - der Begriff „redliche Bestandsaufnahme" - mein Begriff, wenn man so will - mißfällt, vielleicht weil ich ihn gebraucht habe oder weil die Bundesregierung, wie ich heute vernommen habe, meint, so etwas vertrage sich nicht mit ihrer Autorität, so sollte darüber kein Streit sein. Dann kann man ja das, worauf es ankommt, auch anders umschreiben. Da folge ich noch einmal den Worten der eben zitierten Journalistin, die geschrieben hat:
Es gilt jetzt, die eingetretene Pause zu nutzen und die politischen Generalstabspläne zu überprüfen, einzelne Versionen durchzuspielen, Ideen, Vorschläge, Möglichkeiten zu untersuchen.
({10})
- Angenommen, daß das für Sie klar ist; wenn Sie entschuldigen, zitiere ich noch bis zu Ende:
Weder Rüsten noch Reisen
- zum Gipfel nämlich sind ein Ersatz für Politik.
({11})
Und um das abzuschließen - ich stimme damit ganz überein - .
Daß äußere Festigkeit der einzig mögliche Ausgangspunkt in einer solchen Situation ist, das ist gewiß. Aber sie allein
- in Parenthese hinzugefügt: der Ausspruch, den man manchmal hört; Wenn die Sowjets irgend etwas in Berlin ändern, dann knallt's genügt nicht.
Soweit Gräfin Dönhoff.
Meine Damen und Herren, wir haben nicht die Absicht, die Bundesregierung jetzt in dieser oder
jener Einzelfrage auf diesen oder jenen Schritt festzulegen, sie auf einen Gesamtplan für einen längeren Zeitraum festzulegen oder ihr einen solchen abzufordern. Wir schlagen vor und wir mahnen, die Bundesregierung möge sich der in Wahrheit gefährlich unübersichtlichen Lage gewachsen zeigen und alles in ihren Kräften Stehende tun, um gemeinsam mit den Parteien der Opposition zu prüfen, erstens, was versucht, was in die Wege geleitet und was weitergeführt werden muß, damit wir alle zusammen sicher sein können, daß nicht durch einseitige Maßnahmen der anderen Seite die jetzige Lage im gespaltenen Deutschland noch weiter verschlechtert werden kann - das ganze Volk muß ja das, was sich daraus ergibt, tragen können -, zweitens, was ins Auge gefaßt und in gemeinsamen Bemühungen angestrebt werden muß, damit die deutschen Fragen ungeachtet aller erhöhten Schwierigkeiten in internationale Verhandlungen gebracht werden. Das sind zwei Dinge, aber zwei zusammengehörige Dinge, deren Prüfung wir vorschlagen, und das ist gemeint, wenn bisher die Rede war von außenpolitischer Bestandsaufnahme und von Bemühungen, das höchstmögliche Maß von Gemeinsamkeit in der Bewältigung der sich ergebenden Probleme zu erreichen - also vor allem gewissenhafte Prüfung der außenpolitischen Lage und all der Gegebenheiten, die für Deutschland von Bedeutung sein oder werden können.
Es ist kein Zweifel, die Bundesregierung weiß mehr, als die Opposition wissen kann. Aber wir wollen doch gar nicht auf diesem Umweg jetzt die Rollen von Regierung und Opposition vertauschen oder die Befugnisse von Regierung und Opposition verwechseln. Es geht nicht darum, der Regierung etwa die Politik der Sozialdemokraten, wie man es nennt, aufzwingen zu wollen, es geht ja wohl auch nicht um das Umgekehrte, sondern es geht darum, sich darüber zu verständigen, was zu tun ist, wenn dieses oder jenes eintritt, und was - vielleicht auf lange Sicht - angestrebt und getan werden muß, um die deutschen Fragen in internationale Verhandlungen zu bringen oder darin zu halten.
Nun wird uns heute häufig vorgehalten, was alles an Voraussetzungen für eine gemeinsame Außenpolitik - ein ziemlich verpflichtender Begriff - vorweg gefordert werden muß, mit der scharfen Betonung, daran sei nichts zu ändern, ja, daran brauche auch nichts geändert zu werden, denn die Voraussetzung für gemeinsame Politik sei die Fortsetzung der bisherigen Politik. Warum sollen wir nun darüber rechten? Diese Politik haben Sie bisher durchgeführt. Man muß sich nicht daran entzünden, zu fragen, ob zu erwarten sei, ob in ,der vor uns liegenden Periode die Resultate, sagen wir, der nächsten acht Jahre andere sein können oder sein werden als die der verflossenen acht Jahre, wenn nämlich zu ,dieser Politik lediglich unsere Stimmen hinzukommen. Das ist nicht .das - wenn wir es in dieser Beziehung heute nicht zu einer übereinstimmenden Meinung 'bringen, werden wir es eines Tages zu einer solchen bringen -, was dieser Periode entspricht.
Es ist wichtig, daß wir an unsere künftigen Aufgaben mit einer konstruktiven Geisteshaltung herangehen.
({12})
- Ich bedanke mich für das Kompliment. - Gegenseitige Anschuldigungen über vergangene Aktionen sind nutzlos.
({13})
- Sie werden gleich noch mehr lachen, meine Herren, die Sie dazu geneigt sind; einen Moment! - Es hilft auch nichts, unsere Politik gegenüber der Sowjetunion als „hart" oder als „weich", je nachdem, wer sie vertritt, zu definieren, oder wenn wir den internationalen Konflikt als „schwarz" oder als „weiß" bezeichnen. Unsere Haltung sollte ruhig, entschlossen und wachsam sein, während wir gleichzeitig jede Möglichkeit prüfen, unsere Beziehung zu einem hoffnungsvollen Plan zunehmender Verständigung und wechselseitiger Zusammenarbeit zu verbessern. - Bei den Herren, die sich bei Ihnen auf diese Debatte vorbereitet haben, hat es längst geklingelt: so sagte der amerikanische Außenminister Herter.
({14}) Ich mache mir das zu eigen.
Nun, meine Damen und Herren, der amerikanische Außenminister Herter hat zu Beginn dieses Jahres, der Übung folgend, die alle Männer in solchen Positionen einhalten müssen, in einem aber auch sachlich interessanten Jahresvorausblick etwas gesagt, an das man sich ab und zu erinnern sollte. Er sagte, 1960 werde ein außenpolitisch ereignisreiches Jahr werden, doch für die Lösung der Probleme würden wahrscheinlich Generationen nötig sein. Ich habe ,das Wort nicht leicht genommen, weil ein Mann in solcher Position und bei solcher Gelegenheit und vor solchen Ereignissen, von denen er sagt, das Jahr wird voll von ihnen sein, das sicher nicht so hinsagt. Ich deute diese Worte wohl annähernd richtig, wenn ich aus ihnen heraushöre: Keine Seite .der Weltmächte kann der jeweils anderen Seite ihre Lösungen aufzwingen, und jede Seite muß mit der anderen Seite rechnen. Das steckt wohl in diesem Wort von den „vielleicht Generationen", die man für die Lösungen brauchen werde. Vielleicht hat der Herr Bundeskanzler daran gedacht und hat es ähnlich gemeint, als er kürzlich sagte, wenn nicht wir die Wiedervereinigung verwirklichen könnten, so werde es die kommende Generation tun.
Jedenfalls muß man der deutschen Politik wünschen, dessen eingedenk sich so zu verhalten und so zu disponieren, daß wir, die Bundesrepublik, überall und in geeigneter Weise versuchen, unsere Fragen anzubringen, um Vertrauen zu werben und geachtet zu sein.
Der Regierende Bürgermeister von Berlin Willy Brandt hat vor einigen Tagen auf Berührungspunkte der Auffassungen der demokratischen Parteien hingewiesen, über die, wie er sich ausdrückte - und auch ich bin dieser Meinung -, es eigentlich keine Auseinandersetzungen bei uns in der Bundesrepu7056
blik zu geben brauchte. Ich nehme an, diese Berührungspunkte könnten, wenn man sich's genau überlegt, als Aktivposten bei der außenpolitischen Bestandsaufnahme von allen Seiten eingebracht werden; Bestandsaufnahme so verstanden, wie ich es vorhin versucht habe einschränkend zu sagen. Das sind:
Erstens: Berlin muß beim Bund bleiben. Aus einer Zweiteilung Deutschlands darf keine Dreiteilung werden.
Zweitens: Das deutsche Volk und die Bundesrepublik haben sich gegen jede Diktatur und für die westliche Gemeinschaft entschieden, d. h. für eine enge Zusammenarbeit mit den westlichen Nachbarn und der freien Welt.
Drittens: Die verantwortungsbewußten Kräfte Deutschlands haben sich gegen jede Form des Kommunismus und gegen die sowjetische Deutschlandpolitik entschieden.
Viertens: Es muß alles getan werden, um das Leben und das Los der 17 Millionen Landsleute im sowjetisch besetzten Teil Deutschlands zu erleichtern. Wir dürfen den Willen zur Selbstbestimmung in unserem Volk nicht erlahmen lassen und müssen uns ständig um neue Ansätze zur Lösung der deutschen Frage bemühen.
Fünftens: Nachdem Europa schon durch die Kommunisten gespalten ist, darf nicht dazu beigetragen werden, Europa noch einmal zu spalten. Vielmehr muß, soweit wir dazu etwas tun können, alles in die Wege geleitet werden, damit es in einer breiten Gemeinschaft zusammenarbeiten kann.
Sechstens: Bei aller Notwendigkeit, den Fragen der militärischen Sicherheit gerecht zu werden, muß die Bundesrepublik jede Anstrengung machen, um zur Sicherung des Friedens in der Welt beizutragen.
({15}) - Ich merke, es lockert sich auf.
({16})
Sicherlich, meine Damen und Herren, ist das kein Programm für die Außenpolitik der nächsten Periode;
({17})
sicherlich nicht, natürlich nicht. Dann stimmen wir ja in diesem Punkt sogar überein. Diesen Anspruch erhebt die Aufzählung auch gar nicht. Aber es sind Feststellungen, die für die praktischen Schritte der nächsten Periode positive Bedeutung haben. Jeden- falls sollten sich die Skeptiker unter Ihnen einmal überlegen, wie es denn wäre, wenn es in diesen Punkten kontroverse Auffassungen gäbe!
({18})
Der Herr Bundesverteidigungsminister Strauß hat vor einigen Tagen in Schleswig gesagt, eine angestrebte gemeinsame Außenpolitik von Regierung und Opposition sei eine Frage von großer politischer Bedeutung, denn sie würde nicht nur der jetzt amtierenden Regierung, sondern auch künftigen Regierungen auf lange Sicht die politische
Freundschaft der Verbündeten garantieren. Kurz darauf hat er in Erlangen von vier Voraussetzungen für eine gemeinsame Außenpolitik gesprochen. Ich habe sie auch im Deutschland-Union-Dienst wiedergefunden. Die vier Voraussetzungen, die er nennt - ich will ihn auf die Zahl genauso wenig festlegen, wie ich mir ganz klar darüber bin, wie viele Voraussetzungen eigentlich schon genannt worden sind -, sind:
a) Die Sozialdemokraten müßten gemeinsam mit der CDU anerkennen, daß die europäische Einheit und die atlantische Allianz Voraussetzungen für die Erhaltung der Freiheit und für die Erlangung der deutschen Wiedervereinigung sind.
({19})
b) Die Sozialdemokratische Partei müsse sich von der alten These distanzieren, daß die Wiedervereinigung nur möglich sei, wenn die Bundesrepublik Deutschland aus der NATO und aus den europäischen Bündnissystemen ausscheide.
c) Die Sozialdemokraten müßten nicht nur in Worten, sondern auch in der Tat bereit sein, mit den Unionsparteien die Lasten und Bürden der Landesverteidigung zu tragen, gleichgültig wer in der Regierungsverantwortung und wer in der ,Opposition steht.
Dazu gibt es noch ein Anhängsel, das nicht numeriert ist, sondern sozusagen zwischen der dritten und der vierten Voraussetzung steht: Die Sozialdemokraten müßten alle irgendwie gearteten Disengagement-Pläne aufgeben.
d) Die Sozialdemokraten müßten den Begriff des Selbstbestimmungsrechts für ganz Deutschland, d. h. nach freien Wahlen für die Wiedervereinigung, uneingeschränkt anerkennen.
Das sind - mit der kleinen Unterteilung - die vier Voraussetzungen, von denen Herr Strauß gesprochen hat.
Nun etwas auf Vorschuß. Für eine Bestandsaufnahme und für eine Diskussion, bei der man eingehend in die Sachverhalte hineinleuchten und hineingehen kann, möchte ich doch heute schon sagen:
Zu a). Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands geht davon aus, daß das europäische und das atlantische Vertragssystem, dem die Bundesrepublik angehört, Grundlage und Rahmen für alle Bemühungen der deutschen Außen- und Wiedervereinigungspolitik ist.
Zu b). Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands hat nicht gefordert und beabsichtigt nicht, das Ausscheiden der Bundesrepublik aus den Vertrags-und Bündnisverpflichtungen zu betreiben. Sie ist der Auffassung, daß ein europäisches Sicherheitssystem die geeignete Form wäre, den Beitrag des wiedervereinigten Deutschlands zur Sicherheit in Europa und in der Welt leisten zu können.
({20})
Zu c). Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands bekennt sich in Wort und Tat zur Verteidigung der freiheitlichen demokratischen Grundrechte
und der Grundordnung und bejaht die Landesverteidigung.
({21})
- Meine Damen und Herren, unterschiedliche Auffassungen über Zweckmäßigkeiten auf diesem Gebiet, die im demokratischen Staat legitim sind und die demokratisch-parlamentarisch ausgetragen werden, bedeuten doch nicht, daß die parlamentarische Opposition weniger verantwortungsfreudig wäre als die Regierung.
({22})
Nun zu der Unterfrage oder Untervoraussetzung, allen Disengagement-Plänen abzuschwören. Hierzu berufe ich mich auf folgende Erklärung, die ich wörtlich wiedergeben muß:
Wir Deutschen wollen nicht als Störenfriede auf dem Wege zur Abrüstung erscheinen. Wir halten auch die Abrüstung für ein essentielles Moment auf dem Wege zur Entspannung. Es wäre selbstverständlich unehrlich, zu sagen: Es mag kontrolliert und inspiziert werden auf der Welt, nur nicht bei uns; sondern wir müssen hier das gute Beispiel geben, und wir sind bereit, die Bundesrepublik ganz oder teilweise zu einem Bestandteil einer Kontroll- und Inspektionszone zu machen - das heißt nicht, daß die Kontroll- und Inspektionszone identisch ist mit den geographischen Grenzen der Bundesrepublik -, aber die Bundesrepublik, ganz oder teilweise, zu einem Bestandteil einer Kontrollzone zu machen nach den Vorschlägen, die zwischen den Großmächten vereinbart werden können. Einigen sich die Großmächte nicht, so wäre ein solcher deutscher Vorschlag von sich aus wohl nicht von weltentscheidender Bedeutung. Einigen sich die Großmächte jedoch, so stehen wir nicht durch irgendwelche deutschen Sonderwünsche dieser Einigung im Wege.
Auf diese Erklärung des Herrn Bundesministers für Verteidigung vom Oktober 1959 nach seiner Rückkehr von einer Kanada-Reise berufe ich mich bei der Behandlung der Frage, was wir zu Disengagement-Plänen meinten.
({23})
Vielleicht - die Sache ist ganz ernst -, vielleicht gibt es hier bei genauerem Besehen und bei genauerer Erörterung einen Berührungspunkt; vielleicht liegt er noch im weiten Feld. Aber bitte, das könnte man ja noch untersuchen.
Zu d) berufe ich mich auf den Wortlaut des Beschlusses, den der Bundestag am 1. Oktober 1958 einstimmig, mit den Stimmen der Sozialdemokraten, in Berlin gefaßt hat. Er lautet:
Der Deutsche Bundestag erwartet die Wiederherstellung der staatlichen Einheit Deutschlands von einem unmittelbaren freien Willensentschluß des gesamten deutschen Volkes in seinen heute noch getrennten Teilen, der nach der Beseitigung der nicht in deutscher Zuständigkeit liegenden Hindernisse herbeizuführen ist.
Der Deutsche Bundestag erklärt seine Bereitschaft, jede Verhandlung zu unterstützen, die die Wege zu einem solchen Willensentscheid des deutschen Volkes ebnet, sobald eine Vereinbarung der Vier Mächte diese Möglichkeit erschlossen hat.
Das zu den vier Voraussetzungen oder Fragen.
Lassen Sie mich aber noch etwas zu den Fragen sagen, die ebenfalls vorher und nachher als Grundvoraussetzung oder was auch immer in die Diskussion gebracht worden sind. Der Herr Bundesminister Strauß z. B. hat gefragt, ob denn die SPD die Verträge der Bundesrepublik nur dem Buchstaben nach oder dem Sinne nach halten wolle. Der verehrte Kollege Höcherl, der auch in diese Debatte hineingesprungen ist, hat das nette, volkstümliche und etwas deftige Beispiel für seine Frage gewählt, ob wir es denn mit den Verträgen so halten wollten - Sie werden entschuldigen, wenn ich das nicht genau so wiedergeben kann, aber ungefähr war es wohl so - wie jene Schwiegermutter, die die unerbetene Schwiegertochter zwar nicht aus dem Hause schicken, sich aber vornehmen kann, sie allmählich hinauszugraulen.
({24})
So war es ungefähr; ich bin nicht ganz so volkstümlich wie Sie. Das war die zweite Variante.
Dann gab es die dritte Variante, die schon in der Gegenüberstellung von Herrn Strauß mit liegt: oder ob wir als loyale Vertragspartner diese Verträge einhalten würden. Lassen Sie mich ganz offen sagen: für Sozialdemokraten kommt nur dies in Frage!
Warum aber uns Fragen in dieser Weise stellen? Damit im Ausland Zweifel an der Vertragszuverlässigkeit der Deutschen oder wenigstens eines großen Teiles der Deutschen erweckt oder gar genährt werden? Ist das richtig, ist das klug?
({25}) Ist das etwas, was der Lage entspricht?
Die reserviert kühle Haltung z. B. des Präsidenten eines befreundeten Staates zu den Europa-Verträgen, seine Sondervorstellungen und Anforderungen bezüglich der NATO, ihrer inneren Ordnung und der Streitkräfte in nationaler Zuständigkeit, oder auch seine politischen Erklärungen darüber, was z. B. hinsichtlich der deutschen Ostgrenzen längst erledigt und festgelegt sei, alles das wird hingenommen. Man vergleiche das mit der Art, mit der wir examiniert werden.
({26})
Meine Damen und Herren! Wenn Sie schon nicht geneigt sind, als Prüfstein für die Haltung der deutschen Sozialdemokraten andere Beispiele anzunehmen, weil Sie sagen: Das hat der sich ja alles nur so zusammengesucht, das ist ein ganz fauler Trick, dann sollten Sie doch gerechterweise die Haltung der Sozialdemokraten in Berlin als einen solchen Prüfstein anerkennen.
({27})
Oder soll auch die noch allmählich in die Lauge hineinkommen?
Ich habe, was Berlin betrifft, aus der Feder eines Angehörigen der Christlich-Demokratischen Union gelesen, den ich als einen sachlichen innenpolitischen Gegner schätzengelernt und den ich als einen aufrechten Deutschen kennengelernt habe:
Es gibt in Berlin keinen verantwortlichen Politiker, der jemals dazu geraten hat, die Zahl der westlichen Truppen in Berlin zu verringern oder das Recht auf freie Meinungsäußerung einzuschränken, wie es in Genf erörtert worden ist. Das geschah ohne unsere Beteiligung und gegen unsere Auffassung. Es hat auch keinen verantwortlichen Politiker in Berlin gegeben, der jemals dafür eingetreten wäre, die Rechtsgrundlagen der Anwesenheit westlicher Truppen in Berlin zu verändern oder sich auf eine Befristung dieser Rechte durch Interimsabkommen einzulassen. Wir hatten nicht die Absicht, uns stückweise der sowjetischen Herrschaft auszuliefern.
Niemand
- so fährt er fort ist berechtigt, sich für die in Genf gemachten Vorschläge oder für spätere Schubladenpläne ähnlicher Art auf Berlin, auf den Senat von Berlin oder einzelne seiner Mitglieder zu berufen. Die Berliner sind nicht stärker als ihre Schutzmacht. Aber die erklärte Berliner Haltung hat niemals Anlaß zur Nachgiebigkeit gegeben, sondern in der Bedrängnis und im Wagnis stets die integrale Wahrung der westlichen Position gefordert. Wir wären froh,
- so schließt er wenn auch schon früher überall die gleichen Auffassungen geherrscht hätten. Niemand weiß besser als die Berliner selbst um das notwendige Maß an Härte zu ihrer eigenen Verteidigung.
Kommt es nicht doch darauf an, die Berührungspunkte als Aktivposten zu hüten und zu pflegen, oder wäre es richtiger, nun wieder zu differenzieren
- jetzt auf Berlin, auf den Prüfstein bezogen -, nicht nur zwischen Berliner Sozialdemokraten und den übrigen Sozialdemokraten, sondern auch zwischen Berlinern schlechthin - oder guthin - und sozialdemokratischen Berlinern?
Der Bundesverteidigungsminister - ich muß ihn noch einmal in Anspruch nehmen - hat gesagt, der erste Schritt zu einer gemeinsamen Außenpolitik sollte seines Erachtens eine geheime Debatte im Außenpolitischen Ausschuß des Bundestages sein; später könnten dann führende Körperschaften der Parteien in gemeinsamer Sitzung über die Außenpolitik beraten. Das wäre doch des Versuches wert. Oder was spricht dagegen, diesen Versuch zu machen?
Zu dem, was der Herr Bundesminister Strauß als denkbare Methode erkannt hat, möchte ich für den Anfang, nicht etwa weil wir eine Koalition mit Ihnen einzugehen beabsichtigen - keine Angst, nicht darum geht es am Schluß der Legislaturperiode,
({28})
ich meine: vor den Wahlen -, sondern weil wir beabsichtigen, hier der gemeinsamen Verpflichtung von Regierung und Opposition gerecht zu werden, mit auf den Weg geben:
Die politische Partei, die gerade an der Macht ist, kann nicht gut von der Oppositionspartei eine Mitverantwortlichkeit an der Außenpolitik verlangen, wenn nicht die Führer der Opposition vollen Einblick in unsere politischen Maßnahmen erhalten. ... Das ausführende Organ der Regierung kann nicht eine wichtige politische Maßnahme, die die Zustimmung des Kongresses erfordert, ankündigen und erst danach den Führern der Opposition Einblick gewähren. ... Eine Politik, die den Kongreß umgeht, macht eine Zwei-Parteien-Politik unmöglich.
Und ich hoffe erneut, daß unsere Politiker nie wieder Fehler begehen mögen wie unter Präsident Wilson und daß unsere verantwortlichen Führer beider Parteien über unsere Politik vom anfänglichen Entwurf bis zur endgültigen Regelung auf dem laufenden gehalten werden.
Bei allem Unterschied der Befugnisse, setze ich hinzu. Diese paar Erkenntnisse aus der Praxis eines Mannes, der regieren gelernt hatte - von Byrnes -, darf man wohl mit auf den Weg geben.
Wir bestehen nicht darauf, daß unsere jeweils zu den Konferenzen vorgelegten Vorschläge der vergangenen Jahre, mit denen wir helfen wollten, den toten Punkt zu überwinden, nachträglich von Ihnen sanktioniert werden. Auch der heute wieder apostrophierte Deutschlandplan des Jahres 1959 war, was Sie von ihm auch immer halten mögen, aus der Sorge um Berlin und als ein Versuch zur Entlastung Berlins entstanden. Dieser Deutschlandplan - das habe ich ein Jahr nach der Übergabe der Vorschläge von 1959 an die Öffentlichkeit geschrieben - hat sich während der Genfer Konferenz ungeachtet mancher Berührungspunkte, die sich hinsichtlich der Methode und hinsichtlich des Geistes boten, in dem man an die schwierig gewordene Problematik der Wiedervereinigung herangehen muß - es gibt so ein „Paket", das der Westen dort vorgetragen hat-hat sich nicht durchsetzen lassen. Damit ist er genau wie die Vorschläge, die wir zu anderen Außenministerkonferenzen gemacht haben, ein Vorschlag, der der Vergangenheit angehört. Wir kommen ja auch nicht mit den Vorschlägen von 1954 und 1955, an die sich - ich will ihn hier nicht apostrophieren oder kompromittieren - auch der Herr Bundesminister des Auswärtigen noch erinnern wird. Wir haben darüber einige Male gesprochen. Die stellen wir jetzt nicht als unsere Forderungen auf oder verlangen nachträglich, daß Sie sich ihnen anschließen. Aber, meine Damen und Herren, Deutschlandplan hin und Deutschlandplan her, - er ist ja kein Plan, der irgendwo zur Entscheidung stünde, und kann es nicht mehr sein.
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Sie kennen doch das, meine Damen und Herren, was über das Paket der Westmächte - nun mal nicht über den Deutschlandplan - von Herrn WilWehner
fried Martini geschrieben worden ist. Sprechen Sie
- und wenn Sie es wollen: lassen Sie uns gemeinsam darüber reden - im Kämmerlein über diese Tendenz in der deutschen Politik! Ich habe das lange verfolgt. Ich bin nicht boshaft in dieser Frage. Ich sehe nur, was es da an Strömungen gibt. Lesen Sie nach: 16. Juni, „Christ und Welt", diese große Sache, wo das Paket der Westmächte genauso abgeledert wird, wie Sie unseren Deutschlandplan abledern, immerhin ganz in der Nähe, jedenfalls in der vom Verfasser gewollten Nähe und in Übereinstimmung mit Kräften aus Ihren Reihen! Da tun Sie mir leid, - während sonst wir uns selber leid tun, wie Sie wissen.
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Aber wem würde denn der gespenstische Versuch nützen, nachträglich der anderen Seite die Vorschläge oder die Maßnahmen von vorgestern aufnötigen zu wollen? So sind militärische Fragen häufig - allzu oft - in technischen Details in dieser Vordiskussion angeführt worden. Da habe ich kürzlich bemerkt, wie sich der Herr Bundesverteidigungsminister einiger Zerstörer entledigte, - nicht im wahrsten Sinne des Wortes, er hatte sie ja noch gar nicht. Es war vielmehr etwas, worüber früher
- vor Jahren daran werden sich noch manche erinnern - so erbittert gestritten wurde wie über Glaubensbekenntnisse. Da mußte man so oder so handeln. Mit Eleganz - meine Reverenz! - hat der Herr Bundesverteidigungsminister jetzt gesagt: Wir müssen statt der damals geplanten Zerstörer heute andere. Einheiten haben. Sie wissen ja auch noch, wie das gewesen ist.
Aber noch einmal: auch das, was Sie vom Deutschlandplan für so besonders angreifenswert halten, können Sie - ich will Ihnen nicht zureden - nicht nachträglich sanktionieren, nachdem ich selbst gesagt habe: er ist eine Sache der Vergangenheit.
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- Sicher! Wenn es aber darum geht, einmal die
Frage der Wiederherstellung der Einheit Deutschlands wirklich in Angriff zu nehmen, dann möchte ich wissen, wie wir den Beschluß des Bundestages vom 1. Oktober in die Tat umsetzen wollen und wo wir dann überall Elemente hernehmen müssen. Aber es hat wohl noch Zeit; darüber werden wir dann reden.
Im übrigen ist die Sozialdemokratische Partei eine demokratische Partei. Auch das, was wir da vorgeschlagen haben, Herr Krone, wäre unserer inneren Verfassung nach nur durchzuführen gewesen als eine Gemeinschaftsaufgabe der demokratischen Kräfte in der Bundesrepublik.
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Ich rege mich nicht auf, wenn Sie das bezweifeln. Sie sollen nur wissen, was unsere Auffassung in dieser Frage ist. Und so sind wir wie bei einem Konvoi - entschuldigen Sie den militärischen Vergleich, er hat ja auch etwas mit dem Handel zu tun - gezwungen, uns nach der Geschwindigkeit
und nach dem Vermögen jener zu richten, mit denen wir in dieser Frage gemeinsam stehen oder fallen. Das wäre doch nicht möglich gewesen für einen Alleingang der Sozialdemokraten, und ich werde Ihnen wohl kein Geheimnis verraten - das wissen Sie doch längst -, daß auch manches dazu geführt hat, ein Jahr nach der Veröffentlichung dieses Plans das so darzustellen, wie ich es getan habe. Das können Sie nachlesen. Es wäre dumm, wenn ich es hier noch einmal beibrächte.
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Sie lesen das ja meistens nur in Auszügen. Ich weiß, vielbeschäftigte führende Leute haben es schwer, der Sache auf den Grund zu kommen, weil sie nur die Auszüge lesen.
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Aber, meine Damen und Herren, dabei hat ja auch das eine Rolle gespielt, was jene Kraft auf der anderen Seite der Zonengrenze tat, die ursprünglich diesen Plan absolut verworfen und gesagt hat: Das ist ja nichts anderes als ein teuflischer Versuch, den Geltungsbereich der westdeutschen kapitalistischen Monopole auf die DDR zu erstrecken. So war das Ding bei ihnen abqualifiziert. Nach 14 Tagen haben sie dann gesagt: Vielleicht sollten wir den Sozialdemokraten einige Punkte solange in die Schuhe drücken, bis sie der Schuh drückt.
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Wir wollten das Ganze und jedes Mißverständnis nach jeder Seite hin ausschalten.
Und nun: warum sollten wir nicht versuchen, auf der Basis der Anerkennung der moralischen und der nationalen Integrität des innenpolitischen Gegners zu Resultaten zu kommen, die uns allen morgen oder übermorgen helfen könnten? Es bleiben dann noch genug Einzelfragen zu klären. Darunter sehe ich so gewichtige wie die, was von der deutschen Politik aus getan werden kann und was getan werden muß, damit nicht das nukleare Wettrüsten alle Aussichten auf friedliche Lösungen ebenso wie auf die für den sozialen Fortschritt notwendige militärische Entspannung verschlingt. Es kommt darauf an, ob ,der Versuch ,gemacht werden soll oder nicht. Ich meine, es ist eigentlich klar, daß der Versuch gemacht werden muß, weil es eben darauf ankommt, die Bundesrepublik nicht scheitern zu lassen in ihrer eigentlichen Aufgabe: der Erfüllung ihrer gesamtdeutschen Verpflichtung.
Da müssen wir doch nicht über „Provisorien" streiten. Hier geht es um die Erfüllung einer gesamtdeutschen Verpflichtung, über die wir wahrscheinlich nicht zu streiten haben. Müssen wir nicht - das ist meine Frage selbst dann, wenn außenpolitisch geraume Zeit eine Schlechtwetterperiode für Deutschland und die deutschen Fragen herrschen mag - um unseres inneren Verhältnisses im geteilten Deutschland willen versuchen, diese Anstrengung zu machen, die Streitfragen zu versachlichen? Wem z. B. sollte jetzt eine Diskussion über ,,Provisorium Bundesrepublik" nützen? Sollten wir unsererseits nun anfangen, darüber zu reden, ob 'die7060
jenigen, die 1949 dem Grundgesetz ihre Stimmen nicht gaben, indem sie sich der Stimme enthielten oder dagegen stimmten - es sind doch verhältnismäßig viele gewesen -, vertrauenswürdig sind, ob sie das 'Grundgesetz bis heute nur dem Buchstaben gemäß oder dem Sinn nach eingehalten haben? Ich meine, sie werden es wohl dem Sinn nach einhalten. Aber wo kommen wir hin, wenn wir wechselseitig in dieser Weise vorgehen? Ist denn - das ist eine Frage, die nicht weniger wichtig ist, glaube ich - .die Scheidelinie, die uns in vielen Fragen trennt, eine Scheidelinie zwischen Leuten auf der einen Seite, die für den Westen sind, und Leuten auf der anderen Seite, die gegen den Westen sind?
Eine der beiden letzten Schriften, die Kurt Schumacher vor seinem Tode 1952 schrieb, beginnt mit dem Satz: „Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands ist nach 1945 von der Idee ausgegangen, ein Deutschland zu schaffen, das die Wiederholung der Schrecken der Vergangenheit ausschließt." Dann heißt es weiter: „Dazu war nach ihrer Meinung notwendig, die Zusammenarbeit mit den anderen freiheitlichen Faktoren in der Welt anzustreben, unter keinen Umständen aber die Deutschen in die Position der Unterworfenen sinken zu lassen."
Das war also die Grundvorstellung, von der aus dieser Mann, der geraume Zeit unserer Partei das Gepräge gegeben hat, aber - das werden Sie wohl nicht bestreiten-, klar und mit beiden Beinen im und zum Westen stehend, seine Ansichten entwickelt hat. Ich meine, statt immer wieder von vorn, mit dem Petersberger Abkommen und dem Folgenden
anzufangen, während dann eben von sozialdemokratischer Seite immer wieder auf das hingewiesen wird, was schon vorher getan worden ist, auch von Sozialdemokraten mit sozialdemokratischer Beteiligung getan worden ist, sei es in Berlin, sei es an anderen Stellen, würde es nicht schaden, wenn Sie sich, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, meinetwegen in aller Stille, fragten, ob es nicht gut war, daß Sie es in dieser Periode mit einer demokratischen Opposition zu tun gehabt haben.
(Sehr richtig! bei der SPD.- Abg. Dr.
Krone: Das ist ({36})
- Ich verlange nicht, daß Sie sich dazu äußern. Gut, alles ist selbstverständlich; es wäre manches selbstverständlich. Da wir aber schon von Selbstverständlichkeiten reden, möchte ich umgekehrt die Frage stellen, ob die sozialdemokratische Opposition bei aller Enttäuschung über so manches, was sie versucht und nicht erreicht hat, was sie sich gedacht und nicht verwirklicht gesehen hat, nicht auch froh darüber sein kann, vieles erreicht zu haben, sei es auch nur dadurch, daß Sie Zugeständnisse gemacht haben, um uns den Wind aus den Segeln zu nehmen. Ich will das im einzelnen nicht aufzählen; denn auf einigen Gebieten der Innen- und Sozialpolitik könnte dann zwischen Ihnen ein Streit entstehen. Ich will Sie nicht gegeneinander aufhetzen, sondern ich will den Versuch machen, ob wir uns nicht in anderen Fragen ein Stück näherkommen können. Ich möchte meinen, wir sollten bei dem Abstand, den wir von den Dingen haben, zeitbedingte Überspitzungen vernünftig betrachten. In Wirklichkeit sind die Auseinandersetzungen darum geführt worden, in welcher Weise wir den Westen, auf den wir beide, die Mehrheit und die Minderheit, angewiesen sind, für die deutschen Fragen bewegen können. Wenn ich sage „angewiesen sind", meine ich, daß wir beide bei allen unseren Gegensätzen auch geistig zum Westen gehören.
({37})
Es gibt viele Gründe dafür, darüber in der Welt keine Zweifel aufkommen zu lassen oder gar zu nähren.
Mir hat heute ein Kollege einen Bericht aus einem Blatt gegeben, das in Bayern erscheint. Es ist der Bericht über einen Vortrag, den der Herr Kollege von Guttenberg bei einer Bonnfahrt der Jungen Union gehalten hat. Da heißt es:
Die Bundesregierung legt viel mehr Wert auf ein absolutes Vertrauensverhältnis zu unseren NATO-Partnern als auf eine Zusammenarbeit mit den Sozialdemokraten.
({38})
Mein sehr verehrter Herr Kollege, ich rege mich nicht darüber auf. Ich hätte das nicht geschrieben, weil das der NATO nicht gut tun kann
({39})
und weil es ihr nicht genehm sein kann und weil es eine falsche Fragestellung ist.
({40})
Wenn ich Ihnen dazu helfen kann, von diesem Holzpferd herunterzukommen, indem ich Sie hier zitiert habe, - liebend gern! Was immer uns hier zum Streit anregen oder sogar zwingen mag, es gibt Dinge, die ausgestritten werden müssen. Alle sollten helfen, es verständlich zu machen: In der Bundesrepublik Deutschland gibt es eine demokratische Alternative zur gegenwärtigen Regierung.
({41})
Und das heißt: Die Bundesrepublik ist ein zuverlässiger Vertragspartner, gleichgültig ob die jetzige Regierung oder die gegenwärtige Opposition als Regierung die Geschäfte führt.
({42})
Ich freue mich, daß im Unterschied zu manchen früher geübten Gepflogenheiten jetzt bei Auslandsreisen schon mehr in dieser Richtung argumentiert wird. So darf ich - ich möchte den Herrn Bundesminister des Innern nicht in diese außenpolitische Debatte hineinziehen; ich weiß, er mag das nicht ({43})
sagen, das hat er richtig gemacht, als er in Argentinien in der Pressekonferenz nach dem Bericht des
dpa-Korrespondenten auf die Frage antwortete - ({44})
- Sie können, sehr verehrter Herr, das Exemplar dann sehen, und im übrigen bitte ich Sie, mir doch die gleiche Langeweile zu gönnen, die wir bisher alle haben genießen dürfen.
({45}) Auch wenn
- so hat der Herr Bundesminister des Innern gesagt die SPD die nächste Regierung bilden sollte, würde sich die Bonner Außenpolitik in den Grundfragen trotz aller derzeitigen Unterschiede in der Beurteilung der Methoden und der Einschätzung der Weltlage wahrscheinlich nicht ändern.
Der Herr Bundesminister hat hinzugefügt - Sie brauchen ihm also deswegen keinen Vorwurf zu machen -:
({46})
Vorläufig werden meine Freunde ihr Bestes tun, um einen Wahlsieg der Opposition zu verhindern.
({47})
Das ist ja klar. Warum sollte er das auch nicht sagen, warum sollte er das auch nicht tun? Dazu gehört er ja Ihrer Partei an.
({48})
Die Frage, meine Damen und Herren: Finden die demokratischen Kräfte in der Bundesrepublik ungeachtet ihrer Gegensätze, die weder bagatellisiert werden sollen noch bagatellisiert werden dürfen, d a s Verhältnis zueinander, das von der Verantwortung jeder einzelnen Partei gegenüber dem Volksganzen in unserem geteilten Vaterland bestimmt wird?, - diese Frage wird, was wir heute auch noch darüber streiten werden oder streiten müssen, in Wirklichkeit das bestimmende Thema der deutschen Politik werden. Angesichts seiner Bedeutung werden heute noch mancherorts mit Eifer betriebene Versuche schließlich scheitern, und - da wir hier schon manchmal von den Generationen gesprochen haben, die nach uns kommen, darf ich es in diesem Zusammenhang auch einmal tun - den Nachkommen werden diese Versuche in einer gewissen Kläglichkeit vor Augen stehen, die darauf hinauslaufen, die SPD an die Seite der Kommunisten zu drücken oder an ihrer Seite zu zeigen oder - Sie erinnern sich - den linken Flügel herauszukitzeln oder zu provozieren, damit die Sozialdemokratische Partei daran flügellahm werde. Kurz, nachdem in der Bundesrepublik die Kommunistische Partei mit Verbot belegt und damit auch der Kontrolle durch Wahlen und der Kontrolle durch die breite Öffentlichkeit leider entzogen worden ist, hält man sich nun stellvertretend an den Sozialdemokraten schadlos und übt kalten Krieg. Das sollten wir nicht zum Ernstfall werden lassen.
Nach unserer Ansicht jedenfalls sind die Zeichen der Zeit so zu deuten: nicht Selbstzerfleischung, sondern Miteinanderwirken im Rahmen des demokratischen Ganzen, wenn auch in sachlicher innenpolitischer Gegnerschaft. Innenpolitische Gegnerschaft belebt die Demokratie. Aber ein Feindverhältnis, wie es von manchen gesucht und angestrebt wird, tötet schließlich die Demokratie,
({49})
so harmlos das auch anfangen mag. Das geteilte Deutschland - meine Damen und Herren, ich will Sie damit nicht belehren; Sie wissen das wahrscheinlich zum größten Teil selbst - kann nicht unheilbar miteinander verfeindete christliche Demokraten und Sozialdemokraten ertragen. - Ich danke Ihnen für Ihre Geduld.
({50})
Ich unterbreche die Sitzung bis 15 Uhr. Nach der Mittagspause hat das Wort als erster Redner der Herr Abgeordnete Dr. Mende.
({0})
Wir nehmen die unterbrochene Sitzung wieder auf. Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe vorhin meinen Ohren nicht ganz getraut, als ich in eine Liste der Kronzeugen für das politische Konzept von Herrn Abgeordneten Wehner gebracht wurde. Er hat mich aus Buenos Aires zitiert, nach einer Meldung, die offensichtlich unvollständig und daher sinnentstellend ist. Erlauben Sie mir, daß ich das richtigstelle an Hand der beiden deutschsprachigen Zeitungen, die in Buenos Aires erscheinen, und zwar des „Argentinischen Tageblatts" vom 25. Mai dieses Jahres und der „Freien Presse" ebenfalls vom 25. Mai dieses Jahres. Mit Genehmigung des Herrn Präsidenten darf ich es im Wortlaut vorlesen.
Das „Argentinische Tageblatt" berichtet über die Pressekonferenz unter der Überschrift „Bundesrepublik die einzige Hoffnung für die Freiheit aller Deutschen" in einem Unterabschnitt folgendes:
Die kommunistische Gefahr von innen und außen.
Nicht unbedingt einverstanden braucht man mit den Ausführungen zu sein, die der Bundesinnenminister anschließend und ebenfalls in Beantwortung verschiedener Fragen über die Richtigkeit der außenpolitischen Konzepte der beiden großen deutschen Parteien machte. Ist es verständlich, daß der zur CDU gehörende Dr. Schröder sich rückhaltlos zu der „Politik der Stärke" des Bundeskanzlers Dr. Adenauer bekennt, so ist es ausgesprochen anerkennenswert, daß er seine und seiner Regierung Stellung in sehr fairer Weise gegenüber der SPDOpposition verteidigt. So betonte Dr. Schröder, bei der Gegenüberstellung der Gesichtspunkte dürfe man nicht von der Voraussetzung aus7062
gehen, daß die Patrioten nur im Lager der CDU zu finden seien, denn es gebe keinen Zweifel an dem Patriotismus der sozialdemokratischen Opposition. Die Meinungsverschiedenheiten auf außenpolitischem Gebiet - und besonders in bezug auf die gegenüber der Sowjetunion einzunehmende Haltung - beruhten seiner Ansicht nach darauf, daß die SPD den wahren Umfang der kommunistischen Gefahr falsch einschätze. Während die Opposition der Ansicht sei, daß man bei einer elastischeren Politik gegenüber der Sowjetunion ein günstigeres Klima für die Wiedervereinigung der deutschen Einheit schaffen könne, übersehe sie das wahre Ziel der Moskauer Deutschlandpolitik, das darin besteht, ganz Deutschland unter kommunistische Herrschaft zu bringen. Dieser Gefahr könne man nur mit Festigkeit begegnen.
Die „Freie Presse" schreibt unter der Überschrift „Verhängnisvoller Irrtum!" :
Zwischen Regierung und Opposition gebe es in der Bundesrepublik über das nationale Ziel keine Meinungsverschiedenheiten, wohl aber über die Mittel, es zu erreichen. Die deutsche Sozialdemokratie schätze die Unerbittlichkeit des Bolschewismus nicht richtig ein. Die von ihr vertretene Flexibilität, wie sie etwa von Ollenhauer in seinem Brief an Adenauer vor der Gipfelkonferenz und von Erler in seinen in den USA gehaltenen „Disengagement"-Vorträgen befürwortet worden sei, stelle einen verhängnisvollen Irrtum dar.
So leid es mir tut, meine Herren, ich muß doch wohl aus der Kronzeugenliste gestrichen werden.
({0})
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Wehner?
Bitte sehr!
Ich bin dem Herrn Minister für die Aufklärung dankbar. Wir können ja hier keine argentinische Diskussion führen. Ich wollte den Herrn Bundesminister nur fragen, ob die Bemerkung, die er an mein Zitat angeknüpft hat, die von mir benutzte Meldung betrifft oder meine Auslegung. Damit wir das gleich klarstellen können, bitte ich um die Erlaubnis, diese aus dem Original verlesen zu dürfen, auf das ich mich bezogen habe, damit wenigstens, was auch sonst noch an Unterschieden und Differenzen über diese Ausführungen des Ministers in Argentinien übrigbleiben mag, klar ist, daß ich die Meldung nicht entstellt habe. Wenn Sie 'erlauben, lese ich diesen Teil vor.
Im Hinblick auf die Wichtigkeit des Ringens um eine gemeinsame Außenpolitik wollen wir das zulassen.
({0})
Aber Sie brauchen es nicht zu tun; ich kann es auch dem Herrn Minister vorlegen.
Nein, ich erlaube es gern.
Ich wollte nur folgendes sagen. Hier steht wörtlich:
Auch wenn die SPD die nächste Regierung der Bundesrepublik bilden sollte, antwortete Schröder rauf eine Frage, würde sich die Bonner Außenpolitik in den Grundfragen trotz aller derzeitigen Unterschiede in der Beurteilung der Methoden und der Einschätzung der Weltlage wahrscheinlich nicht ändern. Schröder fügte jedoch hinzu:
- und das wird dann quotiert Vorläufig werden meine Freunde ihr Bestes tun, um einen Wahlsieg der Opposition zu verhindern.
Um es ganz klarzustellen, Herr Kollege Wehner: ich habe nicht die Richtigkeit Ihres Zitierens bestritten,
({0})
sondern ich bestreite, daß eine verkürzte Meldung genügenden Aufschluß über ein lange Sache geben kann. Um ein objektiveres Urteil zu ermöglichen, habe ich zwei ausführliche Berichte aus deutschsprachigen argentinischen Zeitungen zitiert.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Mende.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Gegensatz zur Innenpolitik, in der sich Personen und Personengruppen im Kampf um die politische Macht oder um den Interessenausgleich gegenüberstehen, liegt das Wesen der Außenpolitik darin, daß Völker und Völkergemeinschaften, Staaten und Staatengemeinschaften sich in einem Miteinander, Nebeneinander oder leider manchmal auch in einem Gegeneinander als Subjekte und Objekte des Völkerrechts gegenüberstehen. Daher bemüht man sich in der Außenpolitik um eine weitestgehende Gemeinsamkeit, um die Interessen seines Volkes und Staates möglichst nachdrücklich zur Geltung bringen zu können, und stellt kleinliche, nebensächliche Fragen zurück.
Das angelsächsische Vorbild hat uns seit Jahren ermuntert, auch für die Bundesrepublik wenigstens eine Gemeinsamkeit in den prinzipiellen Fragen der Deutschlandpolitik und der Außenpolitik zu fordern. Wir glauben, daß der bisherige Verlauf der heutigen Debatte bewiesen hat, daß es doch ein gewisses Maß an Gemeinsamkeit in prinzipiellen Fragen gibt.
Außenpolitik eignet sich andererseits nicht zu einer subtilen Behandlung vor einem Auditorium maximum von tausend Zuhörern und Zuhörerinnen,
sie ist ihrem Wesen nach mehr der Vertraulichkeit, mehr der Geheimdiplomatie, zugeeignet. Das Scheitern der bisherigen Propagandakonferenzen deutet darauf hin, daß auch die Staatsmänner prüfen, ob man nicht wieder reumütig zu dem alten und bewährten Institut der Geheimdiplomatie zurückkehren sollte, zumindest zu einer gründlicheren Vorbereitung der dann stattfindenden großen Konferenzen, als sie in den letzten Jahren zu verzeichnen gewesen ist. Die Organismen, in denen ein Parlament die subtilen Analysen der Außenpolitik unternehmmen kann, sind der Außenpolitische Ausschuß und, für die Sicherheitsfragen, der Verteidigungsausschuß. Es wird niemandem heute in diesem Auditorium maximum gelingen, zu überzeugen und neue Wege bis ins einzelne aufzuzeigen oder gar einen Austausch des zur Verfügung stehenden Geheimmaterials zu versuchen.
Wenn wir bisher die Gemeinsamkeit in den prinzipiellen Fragen der Außenpolitik gefordert haben und sie auch heute fordern, dann glauben wir, daß die Bundesregierung selbst ein Interesse daran haben sollte, gewisse außenpolitische Fragen mit dem größeren Gewicht eines gemeinschaftlichen Auftretens aller Fraktionen dieses Hauses anzugehen. Es soll sogar anderswo ein geschicktes Kooperieren zwischen Opposition und Regierung dann geben, wenn die Regierung von der Opposition die Erörterung mancher Fragen wünscht, die sie selbst als Regierung glaubt nicht öffentlich erörtern zu können. Deswegen kann man den Wunsch nach Gemeinsamkeit nicht etwa mit „Gleichschaltung" gleichsetzen. Wir glauben, daß uns die nächsten Monate und Jahre genügend Anlaß geben werden, zu prüfen, ob wir eine politische Notgemeinschaft gegen die Bedrohung von außen schließen und näher zusammenrücken sollten, als das bisher sichtbar war.
Auch in der heutigen Debatte hat es doch bei allen Sprechern in folgenden wenigen Fragen keine Differenzen gegeben. Beispielsweise in der Ablehnung jeglicher isolierter Lösungen in der Berlin-Frage! Die Berlin-Frage löst sich nur im Zusammenhang mit der Deutschland-Frage; sie ist daher auch ein Hebel zur Deutschland-Frage! Alle Fraktionen dieses Hauses lehnen Zwischenlösungen, sogenannte Interimslösungen, für Berlin ab.
Allen Fraktionen dieses Hauses ist zweitens der Wille gemeinsam, die Einheit Deutschlands nicht um jeden Preis herzustellen, nicht um den Preis der Freiheit. Vielmehr ist Einheit für uns identisch mit den Grund- und Freiheitsrechten einer rechtsstaatlich-demokratischen Ordnung.
Die dritte Erkenntnis aus dem bisherigen Ablauf der Debatte ist, daß alle Fraktionen dieses Hauses die Freiheit für wert erachten, geschützt und verteidigt zu werden, und daß sich alle Parteien zum Notwehrrecht eines Volkes als einem kollektiven Grundrecht bekennen.
Der Herr Bundesaußenminister hat es für richtig gehalten, in seine Regierungserklärung ein Gespräch zwischen dem Chefredakteur der „Frankfurter Rundschau" und mir einzubeziehen. Die „Frankfurter Rundschau" wird ihm für diese Werbung dankbar sein. An dieses in der „Frankfurter Rundschau" veröffentlichte Gespräch knüpft der Herr Bundesaußenminister aber falsche Folgerungen. Er erklärt, er unterstreiche, daß es in der Politik nicht wie in den exakten Wissenschaften die Möglichkeit gebe, zu prüfen, was richtig und was falsch sei, aber er verwahre sich dagegen, daß man auf das Urteil der Geschichte warten und daß man bis dahin die Hände in den Schoß legen wolle, daß man nicht handle. Das ist in diesem Gespräch mit keinem Wort gefordert worden. Gerade wir Freien Demokraten haben in den vergangenen Jahren bewiesen, daß wir die erbittertsten Gegner des Nichtstuns in der Deutschlandfrage sind. Wir haben mehr konstruktive Vorschläge zur Deutschlandfrage gemacht, als manchmal der Bundesregierung lieb war. Also die Hände in den Schoß legen und das Urteil der Geschichte abwarten - so war das nicht gemeint.
Es war nur - nach meiner und meiner Freunde Überzeugung mit Recht - Verwahrung eingelegt worden gegen einen Monopolanspruch auf die allein richtige Auffassung in politischen, in außenpolitischen Fragen. Subjektiv, das unterstellen wir jedem von uns, glaubt jeder, daß sein Weg richtig sei. Ob er objektiv richtig war, das allerdings bestimmt in der Tat erst das Urteil der Geschichte, manchmal nach einem kurzen Zeitraum, manchmal nach einem längeren.
Herr Bundesaußenminister, Sie haben, als Sie vor fünf Jahren der Bevölkerung an der Saar die Annahme des Saarstatuts empfahlen, sicher in der Überzeugung gehandelt, daß das der richtige Weg zur Lösung der Saarfrage sei. Unser Kollege, der Vizepräsident Max Becker, hat hier auf diesem Platz einen andern Weg mit Leidenschaft als richtig vertreten, nämlich den, über die Ablehnung des Saarstatuts zur Rückkehr der Saar zu Deutschland zu kommen, weil die Annahme des Saarstatuts die Ausklammerung der Saar aus dem deutschen Staatsverband bedeutet hätte. Es hat sich in dieser Diskussion eine heftige, eine leidenschaftliche Kontroverse entwickelt, die letzten Endes mit ursächlich dafür war, daß das bis dahin einigermaßen gute Verhältnis zwischen CDU und FDP in der Regierungskoalition von 1949 bis zum Februar 1956 sich doch so auseinanderentwickelte, daß die Koalition zerbrach.
Wer hat nun vor der Geschichte objektiv recht behalten? Die Auffassungen sind in diesem kurzen Zeitraum bereits objektiv überprüfbar geworden. Es war objektiv richtig, daß Saarstatut abzulehnen! So ist die richtige Lösung in der Saarfrage erreicht worden und nicht, wie der Herr Bundesaußenminister und der Herr Bundeskanzler es subjektiv für richtig hielten, durch die Annahme des Saarstatuts.
({0})
Es ist auch nicht gut, eine Alternative zu setzen: gemeinsame Außenpolitik sei nicht so entscheidend; die richtige Außenpolitik sei entscheidend. Die Alternative zu „Gemeinsamkeit" ist „Einzelaktion", die Alternative zu „richtig" ist „falsch" oder „unrichtig". Auch das Beispiel mit dem Patienten, an dessen Krankenbett sich ein Konsilium von Ärzten
einfindet, nicht in dem Bemühen - wie der Herr Bundesaußenminister sagte -, eine gemeinsame Therapie zu finden, sondern in dem, die richtige Therapie zu finden, ist schief.
Was ist das Wesen und was ist die geistige Grundlage des Pluralismus und des Parlamentarismus? Die geistige Grundlage des heutigen Parlamentarismus ist jener dynamisch-dialektische Vorgang von Rede und Gegenrede, von Argument und Gegenargument mit dem Ziel, aus der pluralistischen Diskussion die relativ beste und vielleicht die objektiv richtige Lösung zu finden. Auch wenn sich die Ärzte am Krankenbett im Konsilium zusammenfinden, hoffen sie, daß sie aus der Vielzahl der Erwägungen die objektiv richtige Therapie in Gang bringen. Ob es die richtige Therapie war, zeigt sich noch nicht beim Konsilium, sondern erst am Ende der Krise, nach der Genesung des Patienten.
So ist es auch mit dem „deutschen Patienten". Deutschland befindet sich doch in der tiefen Krise seiner Dreiteilung. Ein Drittel des deutschen Raumes, die deutschen Ostgebiete, ist zur Zeit von uns getrennt. Der Rest ist zweigeteilt, und Berlin befindet sich in permanenter Bedrohung. Ich glaube, es ist daher auch in diesem Fall zu früh, bereits jetzt einen apodiktischen Anspruch und ein Monopol auf die objektiv richtige Deutschlandpolitik erheben zu können,
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sondern wir alle treffen uns in dem Bemühen, das subjektiv Richtige zu finden. Die Frage, ob es objektiv richtig war, wird in der Tat - wie in vergangenen Epochen - erst das Urteil der Geschichte entscheiden müssen. Wir alle wollen hoffen, daß es in unserem Sinne entscheidet, in dem es dann unseren Bemühungen gelungen ist, Deutschlands Einheit in freier Selbstbestimmung zu vollenden.
Lassen Sie mich nun eine ganze Anzahl von Punkten erwähnen, in denen wir Freien Demokraten die Auffassung der Bundesregierung, wie sie in der Regierungserklärung zu hören war, unterstreichen. Die Regierungserklärung hat unsere Auffassung bestätigt, daß es in diesem Hause mehr Gemeinsames gibt, als gemeinhin in der politischen Auseinandersetzung bisher zu erkennen war. Wir Freien Demokraten teilen in folgenden Punkten die Auffassung der Bundesregierung und stimmen folgenden Feststellungen zu:
1. Wir stimmen überein mit der Beurteilung der gegenwärtigen weltpolitischen Spannungen und der dadurch heraufbeschworenen unmittelbaren Kriegsgefahr. Noch vor zwei Jahren hat man in diesem Hause unsere gleichen ernsten Vorstellungen nicht ernst genommen.
2. Wir stimmen dem zu, daß wir unter einer kommunistischen Bedrohung stehen - nicht nur in Berlin, sondern in der gesamten freien Welt - und daß eine geistige und wirtschaftliche Offensive des Kommunismus begonnen hat.
3. Auch wir bekennen uns zum unabdingbaren Willen der Verteidigung gegen die kommunistische Bedrohung auf geistigem, auf wirtschaftlichem und auf militärischem Gebiet.
4. Wir unterstreichen das Urteil der Bundesregierung über die Bedeutung der Entwicklungshilfe, weil sich die Auseinandersetzung mit dem Kommunismus längst vom engen militärischen Bereich auf den geistigen, wirtschaftlichen und kulturellen Bereich ausgedehnt hat und Afrika und Asien hier die in Zukunft entscheidenden Räume sein werden.
5. Wir unterstreichen - wie auch der Sprecher der sozialdemokratischen Opposition - die Enttäuschung aller in diesem Hause über das Scheitern der Gipfelkonferenz und der Genfer Abrüstungskonferenz.
6. Wir unterstützen den Willen der Bundesregierung, zu einer allgemeinen, kontrollierten Abrüstung beizutragen.
7. Wir sind uns mit der Bundesregierung einig in der Ablehnung jeglicher militärischer Lösungen im Rahmen der Abrüstung, die die Stellung des Westens einseitig verschlechtern würden und die zu einer Störung des für den Frieden der Welt unerläßlichen Gleichgewichts führen könnten.
8. Wir bekennen uns zur atlantischen Verteidigungsgemeinschaft, zumal wir Freien Demokraten den Beitritt der Bundesrepublik zu dieser Gemeinschaft seinerzeit mit unseren Stimmen in diesem Hause überhaupt erst ermöglicht haben. Wir unterstützen den Ausbau der atlantischen Verteidigungsgemeinschaft und lehnen einseitige militärische Vorleistungen ab. Es muß ein unabdingbares Junktim zwischen möglichen neuen internationalen Sicherheitssystemen und der Wiedervereinigung Deutschlands geben.
9. Für die Freie Demokratische Partei steht es außer Zweifel, daß das wiedervereinigte Deutschland sich politisch, wirtschaftlich und kulturell als zur Völkerfamilie der freien Welt gehörig fühlen wird, mit allen sich daraus ergebenden Rechten und Pflichten.
10. Wir sind wie die Bundesregierung der Überzeugung, daß die Bewahrung des Friedens oberstes Gebot unserer Außenpolitik und der Bemühungen der Staatsmänner dieser Welt sein muß.
Wir Freien Demokraten bejahen eine Außenpolitik, die sich zu den Grundsätzen der nationalen Selbstbestimmung, der freiheitlichen Menschenrechte und des Rechts auf Heimat bekennt. Sie muß unserer Lage in Mitteleuropa Rechnung tragen, den entspannenden Ausgleich nach allen Seiten suchen und damit der Erhaltung des Friedens dienen. Diese Politik der Entspannung ist nur möglich unter Achtung der bestehenden Verträge und in vertrauensvoller Zusammenarbeit mit den uns befreundeten Völkern. Wir sehen unsere Aufgabe darin, zur Milderung der Gegensätze und der weltpolitischen Spannungen auf unserem Boden beizutragen.
Durch die Pariser Verträge konnte ein dauerhaftes Freundschaftsverhältnis zu den Westmächten angestrebt und erreicht werden. Ebenso stellt sich uns aber die Aufgabe, durch eine aktive und konstruktive Politik das Verhältnis Deutschlands zu den osteuropäischen Völkern friedlich zu regeln. Unser verstorbener Kollege Pfleiderer, der spätere Botschafter
in Belgrad, hat schon vor acht Jahren in einer außenpolitischen Debatte die Empfehlung an dieses Haus gegeben, diplomatische Beziehungen nicht nur nach dem Westen, sondern auch nach dem Osten aufzunehmen. Ihnen allen ist vielleicht noch der damalige klassische Ausspruch des Kollegen Pfleiderer bekannt: „Man hat gute diplomatische Beziehungen, man hat schlechte diplomatische Beziehungen - gar keine hat man nur im Krieg."
Diplomatische Beziehungen sind die normalste Form des Verkehrs der Staaten und Völker untereinander. Wir unterstützen daher den Gedanken der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen zu den Staaten des Ostblocks. Wir sehen keine Gefahr, daß dadurch etwa politische oder territoriale Verhältnisse eine Anerkennung finden könnten. Genauso wie bei der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen zur Sowjetunion - die mit der einstimmigen Billigung dieses Hauses erfolgt ist - die Vorbehalte zu Protokoll gegeben wurden, daß diese diplomatischen Beziehungen keine Anerkennung der politischen Verhältnisse in Mitteldeutschland und keine Anerkennung der Oder-Neiße-Linie darstellten, müßte selbstverständlich auch bei Aufnahme der diplomatischen Beziehungen zu Prag, Warschau, Budapest, Bukarest, Sofia und zu Peking durch solche Vorbehalte die Gefahr ausgeschieden werden, daß etwa ein Schaden für die Position Deutschlands gestiftet wird.
Wir bitten daher die Bundesregierung - die heutige Regierungserklärung sagt darüber nichts -,
sich auch einmal zu überlegen, wie das Verhältnis zu den europäischen Nachbarstaaten im Osten einer allmählichen Normalisierung entgegengeführt werden kann.
Man kann sich auf den Standpunkt stellen: Es geschieht nichts, es bleibt alles so. Wenn alles so bleibt, dann fürchten wir, daß wir das diplomatische Feld in Prag, Warschau, Budapest, Bukarest, Sofia und anderswo den sogenannten Botschaftern der sogenannten DDR überlassen, die dann weiterhin mit einem erheblichen Propagandaaufwand ein völlig falsches, ein verzerrtes Bild von dem Wollen und den Verhältnissen der Bundesrepublik Deutschland geben.
Wer daher nicht will, daß das Feld für die anderen frei gehalten bleibt, der sorge dafür und mache sich Gedanken, wie wir in diesem geistigen, wirtschaftlichen und kulturellen Wettbewerb uns bessere Ausgangspositionen schaffen, wie sie nun einmal durch diplomatische Beziehungen gegeben sind. Ich wiederhole: diese diplomatischen Beziehungen dürfen in keiner Weise die Position der Bundesrepublik schwächen. Sie dürfen nicht zu einer Anerkennung der Zweiteilung oder zu einer Anerkennung der territorialen Verhältnisse an der Oder-Neiße-Linie führen.
In der Wiedervereinigungsfrage glauben wir Freien Demokraten feststellen zu müssen, daß die Ausgangsposition Deutschlands heute schlechter denn je in der Vergangenheit ist. Die Zeit scheint hier gegen uns gearbeitet zu haben. Ich will mich hier nicht in einen Streit einlassen; auch die bisherigen
Sprecher vermieden es im allgemeinen, allzusehr rückschauend zu ,diskutieren. Es gibt die Auffassung, daß es 1952 günstigere Möglichkeiten einer Verhandlung um die deutsche Einheit gegeben hätte, damals als Stalin noch lebte und aus welchen Gründen auch immer der seinerzeitige Vorschlag zur Deutschlandfrage an die Westmächte erging.
Es gibt andere, die erklären, 1955 sei im Rahmen der Genfer Konferenz durch die damalige Vorlage des Eden-Plans - des Plans des britischen Premierministers Eden - eine günstigere Ausgangsposition gewesen. Eden erwähnte das selber in seinen Memoiren, und der ehemalige französische Ministerpräsident, der damals ebenfalls Kronzeuge in Genf war, Edgar Faure, bestätigte das vor einigen Wochen in der französischen Zeitung „Combat". Der Herr Bundeskanzler selber hat in einer Note an die Sowjetunion - ich glaube, im Jahre 1956 - ausdrücklich auf den Eden-Plan Bezug genommen. Mit Vorschlägen zur kontrollierten Teilabrüstung im europäischen Bereich, Herr Kollege Wehner, hat sich also nicht nur ,der Verteidigungsminister, sondern haben sich auch der Bundeskanzler und damit die Bundesregierung einmal beschäftigt. So tabu waren diese Dinge einer Teilabrüstung in Europa also nicht. Das mißverständliche Wort „Disengagement" sollte man vermeiden; es sagt nichts Richtiges über das wahre Wollen aus. Aber ich gebe zu: nach den sehr harten Reaktionen der Amerikaner bei dem deutsch-amerikanischen Gespräch in Godesberg und nach dem, was wir aus dem Osten hören, scheint gegenwärtig für solche Vorschläge keine Realisierungsmöglichkeit vorhanden zu sein.
Andere sagen, 1958 hätte beim Besuch Mikojans die Chance der Behandlung des deutschen Problems bestanden; Mikojan sei nicht nur hierhergekommen, um den Handelsvertrag zu schließen, das hätte auch sein Außenhandelsminister tun können, und er habe offensichtlich politische Verhandlungen gesucht. Andere wiederum sagen, es habe niemals die Chance gegeben, weder 1952 noch 1955, noch 1958. Keine von beiden Seiten ist in der Lage, diese Argumente mit mathematischer Exaktheit zu beweisen. Es bleiben Ermessensfragen, dem Urteil allenfalls der Historiker mach Kenntnis allen Materials überlassen.
Aber eines ist sicher, wenn nicht mathematisch beweisbar, so doch sichtbar: die Haltung der Sowjetunion zur Deutschlandfrage hat sich von Jahr zu Jahr verhärtet. Das Auftreten der Regierung der UdSSR ist von Jahr zu Jahr schärfer gegen uns geworden. Ich erinnere nur an den Widerspruch zwischen dem Aide-mémoire von März 1958, in dem man noch ausdrücklich ablehnte, zwei Friedensverträge mit zwei deutschen Teilstaaten zu schließen und sich zu einem Friedensvertrag mit ganz Deutschland bekannte, und andererseits der Drohung Chruschtschows im Jahre 1960 mit dem sogenannten Separat-Friedensvertrag. Die Äußerungen, die der sowjetische Ministerpräsident in Paris und auch jetzt wieder zusammen mit seinem Verteidigungsminister Malinowski von sich gegeben hat, bestätigen unsere tiefe Enttäuschung wegen der harten, kompromißlosen Haltung der Sowjets in der Deutschlandfrage.
Es gibt sehr viele Erörterungen darüber, wo der Grund des scharfen Auftretens Chruschtschows in Paris gelegen haben könne. Aber Kremlastrologie ist seit 43 Jahren eine sehr undankbare Angelegenheit. Fest steht nur: offensichtlich scheint die Sowjetunion durch die technische Entwicklung in eine Position gekommen zu sein, in der sie glaubt, sich diese Art der Sprache und diese Erpressungsmethoden leisten zu können. Ich verweise hier auf Dinge, die uns schon in der Vergangenheit oft beschäftigt haben. Wir haben schon in der Vergangenheit öfter darauf hingewiesen, daß sich die Technik in einem rasenden Wettlauf mit der Zeit befinde, daß durch die Astronautik und durch die Raketenentwicklung völlig neue Perspektiven für die Strategie entstanden sind und daß sich aus der neuartigen Strategie auch veränderte Perspektiven in der Politik ergeben, daß sich technischer Fortschritt, strategisches Denken und Politik in einer ständigen Wechselwirkung gegenseitig beeinflussen.
Es ist leider - Gott sei es geklagt - nicht zu leugnen, daß es der Sowjetunion gelungen ist, auf gewissen Gebieten der strategischen Forschung - Lunik I bis III und die interkontinentalen Raketen beweisen es - gewisse temporäre Überlegenheiten zu erreichen, aus denen heraus sie glaubt, ihre politischen Drohungen gegen Berlin und gegen den Westen ausüben zu können.
Die Frage ist, wie sich noch weiter im Wettlauf zwischen Technik, Strategie und Politik möglicherweise das Verhältnis verschiebt und inwieweit sich auch der Einfluß Pekings auf Moskaus Entscheidungen, sei es im Positiven, sei es im Negativen, auf die kommenden politischen Entwicklungen auswirken wird.
Wir alle sind tief bestürzt über den Haßausbruch, den sich der sowjetische Ministerpräsident Chruschtschow auf der Pariser Pressekonferenz gegen uns alle zuschulden kommen ließ. Millionen deutscher Männer und Frauen sind an den Fernsehschirmen Zeugen und Zeuginnen dieses Haßausbruchs geworden. Man kann es verstehen, wenn wenige Jahre nach dem Krieg aus den Ressentiments und den Leiden, die der Krieg über alle gebracht hat, noch solche haßerfüllten Äußerungen zu hören waren. Aber ein Staatsmann, der dank seiner Macht, die er erreicht hat, mit das Schicksal der Welt bestimmt, darf 15 Jahre danach nicht in solcher Form von Deutschland sprechen und beklagen, es wären nicht genügend deutsche Menschen bei Stalingrad, in der Ukraine und in Weißrußland gefallen. Das ist eines Staatsmannes, der dauernd von Entspannung redet, unwürdig und zeugt von einem un-staatsmännischen Völkerhaß gegen Deutschland.
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Wir sind, wie vor einigen Wochen alle Fraktionen zum Ausdruck gebracht haben, alle der Meinung, daß der sowjetische Ministerpräsident Verantwortung und Schuld für das Scheitern der Gipfelkonferenz zu tragen hat. Er hat bereits 1959 - und da gebe ich dem Bundesaußenminister und auch Herrn Majonica recht - doch schon bei seinem Besuch in
Camp David gewußt, daß es Agenten auf beiden Seiten gibt. Wie anders wäre sonst seine Berner-kung zu dem Sicherheitschef der Amerikaner Allan Dulles zu verstehen: Herr Dulles, ich habe das Gefühl, daß manche unserer Agenten für uns beide arbeiten; wir sollten einmal unsere Berichte austauschen. - Spionage, Gegenspionage und Agententätigkeit gehören nun einmal leider zur modernen Politik des zwanzigsten Jahrhunderts. Das allein kann nicht der Grund für das Scheitern der Gipfelkonferenz gewesen sein, daß sich die Sowjetunion über das abgeschossene amerikanische Aufklärungsflugzeug vom Typ U 2 mit Recht beklagen konnte.
Ich will hier nicht prüfen, inwieweit auch das taktisch unkluge Verhalten der Amerikaner zu dem Scheitern mit beigetragen und Herrn Chruschtschow die Vorwände geliefert hat, dann leider so aufzutreten. In der amerikanischen Öffentlichkeit ist diese Diskussion um das taktische Verhalten gegenwärtig im Gange, und es ist nicht primär unsere Sache, hier Richter in amerikanischer Sache zu spielen. Das mögen die dafür verantwortlichen amerikanischen Politiker entscheiden.
Wir Freien Demokraten haben in der Vergangenheit - ausgehend von der Berliner Entschließung vom 1. Oktober 1958 häufiger Vorschläge gemacht, wie wir uns die Wiedervereinigung denken. Wir haben diese Vorschläge in Leitsätzen zusammengefaßt und sie der Öffentlichkeit übergeben, nachdem sie vorher im Auswärtigen Ausschuß diskutiert worden waren. Herr Kollege Majonica war einer der Berichterstatter. Alle Fraktionen sind sich weitgehend darüber einig, daß, wenn die deutsche Wiedervereinigung überhaupt erreichbar ist, sie nur in einer untrennbaren Verbindung von neuen Sicherheitskonstruktionen mit politischen Lösungen zu finden ist. Im Gegensatz zu den Sozialdemokraten und ihrem Plan halten wir ein unabdingbares Junktim aufrecht und lehnen jegliche militärischen Vorleistungen ab.
Wir möchten aber auch 'darauf hinweisen, daß es nicht der Sache der Wiedervereinigung dient, wenn man heute so tut, als stelle jegliche Zitierung der Bundesrepublik als Provisorium beinahe eine Art Landesverrat dar. Das Grundgesetz selbst hat in seiner Präambel eindeutig festgestellt, daß für eine Übergangszeit hier eine neue staatliche Ordnung geschaffen werden sollte. Der Art. 146 des Grundgesetzes ist die Bestätigung dieser für eine Übergangszeit beabsichtigten Ordnung; denn dort heißt es:
Dieses Grundgesetz verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist.
Für uns bleiben die Präambel des Grundgesetzes
und .das Wiedervereinigungsgebot von großer Wichtigkeit. Dort heißt es:
Das gesamte deutsche Volk bleibt aufgefordert, in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden.
Insofern ist - getreu nach Sinn und Text des
Grundgesetzes - die Bundesrepublik ein OrganisDr. Mende
mus, „um" - ich zitiere wörtlich - „dem staatlichen Leben für eine Übergangszeit eine neue Ordnung zu geben".
Aber - vielleicht hat das der Herr Bundesaußenminister gemeint - gewisse im Grundgesetz niedergelegte Postulate sind allerdings keine Provisorien, sondern sie haben für eine rechtsstaatlich-demokratische Ordnung Ewigkeitswert. Das sind die Grund- und Freiheitsrechte, die im Grundgesetzkatalog niedergelegt sind, und das ist die rechtsstaatlich-demokratische Grundordnung, die wir für das wiedervereinigte Deutschland als allein möglich anerkennen können. Insofern, glaube ich, ist der Streit um Provisorium oder Definitivum durch eine solche Klarstellung leicht zu beseitigen. Wir würden auch der Revisionsklausel des Deutschlandvertrages nicht Rechnung tragen, wenn wir so täten, als wäre die Bundesrepublik für uns bereits etwas Definitives. Im Jahre 1952 war in der ursprünglichen Konstruktion des Deutschlandvertrages allerdings eine automatische Bindungsklausel, die dann, dank der Einsicht des amerikanischen Außenministers Acheson, seines Mitarbeiters Jessup und ,der Initiative der Freien Demokratischen Fraktion schließlich zu einer Revisionsklausel, zur jetzigen Fassung des Art. 10 Abs. 3 umgestaltet wurde.
In unseren Leitsätzen für eine mögliche Wiedervereinigung sind Sicherheit und Wiedervereinigung in einem Junktim zusammengefaßt. Ich kann darauf verzichten, die Einzelheiten dieser Leitgedanken zu entwickeln. Sie sind in der Öffentlichkeit als „Deutschlandplan" bekannt. Wir haben keinen Anlaß, diese Leitsätze, die auf der Berliner Entschließung vom 1. Oktober 1958 basieren, zurückzuziehen oder zu revidieren. Wenn es überhaupt jemals eine Chance für die deutsche nationale Einheit in Freiheit gibt, kann sie nur auf der Basis der Berliner Entschließung des Deutschen Bundestages vom 1. Oktober 1958 und in der unabdingbaren Verbindung von Sicherheit, kontrollierter Abrüstung und politischen Entscheidungen im Rahmen freier Wahlen gefunden werden. Allerdings geben auch wir zu, daß nach den gescheiterten Konferenzen, der Genfer Außenministerkonferenz des vorigen Jahres, der Gipfelkonferenz und der jetzt leider auch gescheiterten Genfer Abrüstungskonferenz, die Aussichten für eine Realisierung dieses Plans in absehbarer Zukunft sich verringert haben. Wir sind objektiv genug, das - leider - einzugestehen.
Die Bundesregierung hat in der Regierungserklärung noch einmal auf die Vergangenheit und die hier in diesem Hause gefällten Entscheidungen Bezug genommen und hat von der Opposition schlechthin gesprochen. Es ist nun einmal so, Herr Bundesaußenminister, daß wir gemäß dem Selbstbestimmungsrecht der 35 Millionen Wählerinnen und Wähler in der Bundesrepublik kein Zweiparteiensystem haben, sondern daß neben der Opposition der Sozialdemokratischen Partei seit dem Frühjahr 1956 auch 44 Abgeordnete der Freien Demokratischen Partei in einer Oppositionsstellung stehen. Aber die Art unserer Opposition ist auf Grund der vergangenen 11 Jahre und ihrer Entscheidungen anders, und ich wäre dankbar, wenn
künftige Regierungserklärungen differenzierten, weil es der Objektivität entspricht und weil die Sozialdemokraten ein Interesse daran haben, mit uns nicht in einen Topf geworfen zu werden, und wir das gleiche wechselseitige Interesse daran haben, unsere andersgeartete Haltung zu dokumentieren.
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Hier möchte ich daran erinnern, daß wir 1949 dem Petersberger Abkommen, 1950 dem Beitritt zum Straßburger Europarat, ferner dem Beitritt zur Montan-Union, den Verhandlungen und dem Beitritt zur Europäischen Verteidigungsgemeinschaft sowie dem Beitritt zur Westeuropäischen Union und zur atlantischen Gemeinschaft, zur NATO, zugestimmt und sie daher mit unseren Stimmen mitverantwortet haben. Wir stehen zu dieser Verantwortung, und wir denken gar nicht daran, uns aus dieser Verantwortung zu lösen. Die sozialdemokratische Opposition hat alle genannten Verträge abgelehnt. Sie hat eine andere Ausgangsbasis für ihre kritische, für ihre oppositionelle Haltung. Wenn wir heute vor den gleichen Fragen stünden wie damals, würden wir gleichermaßen handeln müssen.
Es ist zu leicht, die Funktion der NATO und die Wiederbewaffnung Deutschlands aus dem Jahre 1960 heraus zu beurteilen. Man muß, um die Funktion der NATO, die Eindämmung des Kommunismus, verstehen zu können, die damalige Bedrohung Berlins und Deutschlands durch den kommunistischen Expansionismus zur Grundlage seiner Beurteilung machen. Damals waren Polen, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, die Tschechoslowakei und das halbe Deutschland bereits im Griff der Sowjets. Es bestand die Gefahr, daß durch die Berliner Blockade 1948/49 auch Berlin verlorenging, getreu dem Lenin-schen Grundsatz: Wer Berlin hat, hat Deutschland, und wer Deutschland hat, hat Europa.
Nicht zugestimmt haben wir der Entscheidung des Deutschen Bundestages bezüglich des Beitritts zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. Die Bedenken haben wir damals vorgetragen. Wir hatten die Sorge, es könne sich eine neue Spaltung Europas dadurch entwickeln, daß die EWG nicht mit der Freihandelszone gekoppelt sei. Inzwischen haben sich unsere Befürchtungen leider bestätigt. Neben der EWG steht die EFTA, und die Botschaft hör' ich wohl, daß man jetzt versuchen will, alle drei europäischen Institutionen zusammenzufügen, allein mir fehlt der Glaube, daß das so leicht möglich sein wird, wie es die Bundesregierung in ihrer Regierungserklärung zum Ausdruck gebracht hat. Wir wären glücklich, wenn es möglich wäre, den neu entstandenen Graben zwischen dem Europa der Sechs und dem Europa der Sieben wieder zu schließen, und wir wollen hoffen, daß einer solchen Entwicklung nicht noch mehr „Hallsteine" in den Weg gelegt werden, als es leider ohnehin schon geschehen ist.
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Wir sehen keinen Widerspruch darin, daß wir das Anliegen der deutschen Einheit als das oberste Ziel im Rahmen unserer europäischen Bekenntnisse ansehen; denn mit Deutschland ist auch Europa ge7068
teilt, und wer wirklich ein größeres Europa in seinen geographischen, in seinen kulturhistorischen Zusammenhängen wünscht, muß als Voraussetzung hierfür die staatliche Einheit Deutschlands herstellen, weil erst das wiedervereinigte Deutschland die ihm von der geographischen Lage und der Kultur zugewiesene Brückenfunktion zwischen West- und Osteuropa übernehmen kann.
Der französische Staatspräsident de Gaulle und der französische Ministerpräsident Debré sind hier bereits von Herrn Kollegen Majonica zitiert worden. Herr Kollege Majonica sprach nicht mehr von der Integration, sondern von der Konföderation der europäischen Staaten und Völker. In der Tat, nach dem Bekenntnis Debrés und auch des Staatspräsidenten de Gaulle scheint es so, daß man sich das Europa der Vaterländer und nicht mehr das integrierte Europa vorstellt, in dem nur ein Teil des deutschen Vaterlandes integriert sein würde mit der Konsequenz, daß sich der andere Teil unseres Vaterlandes dann leider immer stärker nach Osten integrieren würde. Wer wirklich die Konföderation, das Europa der Vaterländer will, muß bereit sein, auch den Deutschen das Recht auf ein einiges Vaterland zuzugestehen. Das ist der Sinn unseres Wunsches nach nationaler Einheit in Freiheit in einem größeren Europa.
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Wir hoffen, daß die vier Siegermächte nicht aufhören werden, die deutsche Frage auch in Zukunft zum Gegenstand internationaler Verhandlungen zu machen. Die vier Siegermächte haben sich im Potsdamer Abkommen oder später in Zusatzabkommen verpflichtet, die staatliche Einheit Deutschlands zu gewährleisten. Daraus leiten wir einen Rechtsanspruch auf die staatliche Einheit unseres Volkes her, basierend auf dem Völkerrecht, auf der Atlantik-Charta, auf der Charta der Vereinten Nationen, und wir leiten daraus eine Rechtsverpflichtung der vier Siegermächte her, dem deutschen Volk seine nationale Einheit nicht vorzuenthalten.
Man hat sich nach 1945 bereits dem Irrtum hingegeben, es gebe so etwas wie eine geschichtslose Zeit für das deutsche Volk, man könne das besiegte Deutschland in ein historisches, in ein weltpolitisches Ghetto sperren. Man täuscht sich vielleicht auch heute in Moskau oder anderswo, wenn man glaubt, daß der Zustand des dreigeteilten Deutschland, der Zustand seiner Hauptstadt Sicherheit und Stabilität versprechen. Dieser Zustand ist in höchstem Maße labil! Wer wirklich Sicherheit und Stabilität in Deutschland, in Europa, in der Welt will, muß die Zeitbombe der deutschen Zweiteilung zu entschärfen trachten.
Wir glauben, daß die Bundesregierung gut beraten ist, wenn sie die aus der heutigen Debatte resultierenden Anfänge einer Gemeinsamkeit in den Prinzipien, wie sie auf jeden Fall aus den Ausführungen der bisherigen Sprecher herzuleiten wäre, nutzt, um im Verteidigungsausschuß und im Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten wenigstens ein Minimum an Zusammenarbeit zur Abwehr der Bedrohung in Berlin und zur Zusammenarbeit in
der Deutschlandfrage zu erreichen.
Es hat auch nach der gescheiterten Gipfelkonferenz keine geschichtslose Pause eingesetzt, und niemand kann sagen, ob nicht die nächsten Monate oder die nächsten Jahre uns allen Veranlassung geben werden, in Berlin und insgesamt viel mehr zusammenzurücken und eine politische Notgemeinschaft aller deutschen demokratischen Parteien zu entwickeln, wenn wir nicht das Zurückrollen der Freiheit in Berlin und schließlich in Europa erleben wollen.
In diesem Sinne ist die Freie Demokratische Partei bereit, zu ihrem Teil dazu beizutragen, daß in den wesentlichen Fragen der Deutschlandpolitik und Außenpolitik ein Höchstmaß der Geschlossenheit ohne irgendwelche Unterwerfung, ohne Rechthaberei, ohne Zwang erreichbar ist, in der Erkenntnis, daß neue Situationen auch zu neuen Konstruktionen und neuen Formen der Kooperation führen müssen, wenn Deutschland höher stehen soll als die Partei.
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Das Wort hat der Abgeordnete Schneider ({0}).
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein maßgebliches Mitglied dieses Hauses hat vor etwa einem Jahre in einem Interview mit einer Moskauer Zeitung einmal geäußert: Wir kennen Herrn Chruschtschow als einen Menschen, den sein Gefühl für Realitäten nicht verläßt. Nun, ich glaube, daß man nach dem Ausgang der Pariser Konferenz über diese Bemerkung durchaus streiten kann. Ich wage sogar, zu behaupten, daß wir hier unter Umständen heute gar nicht zusammensäßen, wenn nicht gerade diese Ereignisse Anlaß gegeben hätten, sich über Realitäten, u. a. auch über die Realitäten, wie Herr Chruschtschow sie versteht, zu unterhalten. Ich glaube, wohl mit Ihnen allen übereinszustimmen, wenn ich feststelle, daß durch den Ausgang der Pariser Konferenz und das vom sowjetischen Regierungschef gezeigte Verhalten die gesamte Weltöffentlichkeit jäh in die Wirklichkeit zurückgerissen wurde. Alle schönen Redensarten sind im Wind zerstoben vor dem, was sich dort im Kreise ernsthafter Männer abgespielt hat.
Es war aber zugleich ein Fanal für uns, zu erkennen, daß wir endgültig Abschied vom Urlaub in der Geschichte nehmen müssen. Ich habe bei verflossenen außenpolitischen Debatten schon einige Male darauf hingewiesen, daß es auf der einen Seite natürlich unbequem war, unter der Herrschaft der Besatzungsmächte zu leben, andererseits eine sehr bequeme Angelegenheit, weil andere die Verantwortung für uns trugen.
Wir alle sind wahrscheinlich glücklich, daß die Entwicklung so gelaufen ist, wie sie vor uns steht. Selbst die sozialdemokratische und auch die freie demokratische . Opposition stimmen, glaube ich, mindestens heute mit uns darin überein, daß der Weg, den wir beschritten haben, um wenigstens zu
Schneider ({0})
dieser Souveränität und zu dieser Handlungsfreiheit zu kommen, der richtige gewesen ist.
Im Zusammenhang mit der bevorstehenden und nun laufenden Debatte war viel von einer Bestandsaufnahme die Rede, woraus ohne weiteres zu erkennen war - und ich möchte das ausdrücklich dankbar anerkennen -, daß sich verantwortliche Politiker aller Parteien angesichts des Eklats von Paris nunmehr wirklich ernsthafte Gedanken darüber machten, wie wir zu einer größeren gemeinsamen Front und Zielstellung und auch zu einer größeren Durchschlagskraft für die Durchsetzung unserer nationalen Wünsche gelangen könnten. Gleichviel, wie man zu der Frage letztlich steht, und gleichviel auch, ob man das Wort von der sogenannten Bestandsaufnahme für glücklich hält, - ich halte es jedenfalls mit meinen politischen Freunden für außerordentlich glücklich, daß es überhaupt zu dieser Fragestellung kommen konnte und daß wir uns heute hier so sachlich und freimütig über dieses Problem unterhalten.
Eine der Voraussetzungen im Rahmen der Verpflichtungen, im Rahmen unserer geographischen Lage und im Rahmen der Aufgabe, die dem deutschen Volk in dieser Welt gestellt ist, wäre, daß wir nach dem furchtbaren Desaster von 1945, innenpolitisch gesehen, endlich auch zu einer sachlichen, aber auch kritischen Wertung unserer Geschichte zurückkehren. Eine solche sachliche Wertung und ein Bekentnis zu unserer eigenen Geschichte sind nach der Auffassung meiner Freunde überhaupt die Grundvoraussetzungen für das Funktionieren der
Gemeinschaft, in die wir uns selbst gestellt haben. Daß wir diese Gemeinschaft haben, ist zweifellos ein Erfolg der Politik, die die Regierungsparteien, die nun einmal in der Verantwortung gestanden haben, getrieben haben, und ist - ich will das ganz offen zugeben - selbstverständlich auch, wenn Sie so wollen, ein Teil glückliche Fügung, wie sie sich in den Zeitläuften der letzten Jahre ergeben hat, woran wir teils teilhaben, teils auch nicht. Eins steht fest: Die Tatsache, daß es uns gelungen ist, im europäischen Raum nicht nur eine formale Integration und auch nicht nur ein formales Bündnis, sondern eine wirkliche Freundschaft mit allen Völkern, mit denen wir uns jahrzehntelang oftmals blutig zerstritten haben, herzustellen, die Tatsache, daß wir nach dem total verlorenen Kriege heute vor dem Faktum stehen, daß wir wieder nicht nur bei diesen, sondern auch bei anderen Völkern der Welt Vertrauen haben, ist - ich möchte wirklich das Wort wagen - als wunderbar zu bezeichnen. Die Politik, die oft Unmögliches - auch Unmögliches im negativen Sinne - fertigbringt, hat hier fast ein Wunder vollbracht. Man sollte bei allen außenpolitischen Betrachtungen niemals daran vorbeigehen, daß zum mindesten in unserem europäischen Raum ein Musterbeispiel dafür geschaffen wurde, wie auch die gesamte übrige Welt friedlich miteinander auskommen könnte.
Wenn ich sagte, daß die europäische Gemeinschaft, in der wir uns befinden, mehr ist als nur ein militärisches oder wirtschaftliches Bündnis, dann, glaube ich, sollte ich hinzufügen, daß sie ein geballtes Bekenntnis zum Frieden und zur Freiheit ist.
Diese beiden aber, Frieden und Freiheit, sind - das ist hier im Hause sehr oft festgestellt worden, muß aber den Lauen und Ungläubigen draußen immer wieder gesagt werden - die unabdingbare Voraussetzung für unser Selbstbestimmungsrecht und für das Recht auf Heimat, wie es von allen demokratischen Parteien in unserem Lande vertreten wird. Wir müssen uns darüber im klaren sein, daß die weltweite Auseinandersetzung, in der wir heute stehen, nicht zuletzt auch um diese Begriffe geht, wobei selbstverständlich militärische und andere Gegebenheiten eine wesentliche Rolle spielen.
Für diesen Frieden und für diese Freiheit haben auch nach dem Kriege einmal deutsche Männer in Berlin geblutet. Ich glaube, es geziemt sich durchaus, an dieser Stelle dieser Tatsache zu gedenken. Ich muß Ihnen ehrlich sagen, meine Damen und Herren, daß ich mich manchmal für meine Landsleute schäme, die es für richtig halten, den Tag des Gedenkens an jene Vorkommnisse zu einem zweiten Vatertag herabzuwürdigen.
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Ich glaube, wir würden den Idealen, die wir vertreten, einen wirklichen Dienst erweisen und brauchten uns und unserer Landsleute und auch der Experten, die bereits jahrelang hin und her überlegen, wie man das ändern könnte, nicht zu schämen, wenn wir selbst kurz und bündig zur Tat schritten und das täten, was an sich längst jeder weiß, wozu sich aber noch nicht genügend Männer und Frauen aufgerafft haben, nämlich dieses historische Gedenken so zu gestalten, wie es sich gehört. Und was wäre einfacher als das? Ich glaube erlauben Sie mir bitte, meine Damen und Herren, diese Abschweifung im Rahmen der Debatte -, dieser Tag als ein normaler Arbeitstag und, auf die Gefahr hin, von diesem oder jenem an verflossene Zeiten erinnert zu werden, ein Stillstand der Menschen, der Maschinen, der Bahnen und dazu die Sirenen der Schiffe und Fabriken, das würde jeden Bürger unseres Staatestes zumindest zwei Minuten im Jahre an das gemahnen, was damals in Berlin geschehen ist. Die Verantwortlichen sollten endlich den Mut haben, das zu tun.
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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben in den verflossenen Jahren mancherlei Unbequemlichkeiten in Kauf nehmen und sie auch vor unserem Volke vertreten müssen, und wir müssen uns, glaube ich, darüber im klaren sein, von links bis rechts, daß wir das in Zukunft erst recht werden tun müssen. Wir werden sie nicht nur zur Kenntnis nehmen müssen; nein, wir werden als verantwortliche Männer und Frauen dieses Staates dem Volke klarmachen müssen, daß diese Unbequemlichkeiten auch ertragen werden können. Und worauf ist das nicht zuletzt zurückzuführen? Es ist u. a. darauf zurückzuführen, daß der sowjetische Ministerpräsident in großartiger Manier der gesamten Welt abwechselnd Zuckerbrot und Peitsche bietet und daß auch bei der Frage des Zusammenlebens des Kommunismus mit dem Kapitalismus einmal diese und einmal
Schneider ({3})
jene Lesart eine Rolle spielt, daß aber, glaube ich, eine der berufensten, wenn nicht überhaupt die entscheidende Lesart kürzlich über Radio Moskau wieder verbreitet wurde, jene Lesart, die wir uns alle bei unserem Zusammenleben und bei unseren politischen und außenpolitischen Entscheidungen stets vor Augen halten sollten, wenn wir wichtige Beschlüsse und Entschlüsse zu fassen haben. Radio Moskau hat nämlich zur Frage der Koexistenz gesagt:
Der Weg der Normalisierung der internationalen Beziehungen kann nicht über eine Aussöhnung der Ideologien und über eine Absage an unsere Grundsätze verlaufen. Kommunisten können auf den Kampf für den Sieg der Diktatur des Proletariats nicht verzichten. Sie können nicht verzichten auf den Kampf für die Umwandlung des privaten kapitalistischen Besitzes in einen staatlichen. Denn auf den ideologischen Kampf zu verzichten, würde bedeuten, freiwillig den Platz an die bürgerliche Ideologie abzutreten. Unsere sozialistische Ideologie ist ein Abbild der unbestreitbaren Tatsache, daß die Errichtung der kommunistischen Gesellschaft in der ganzen Welt unvermeidlich ist.
Meine Damen und Herren, wenn man das heute draußen den Menschen vorstellt, gibt es immer wieder Leute, die einem entgegenhalten, daß solche Argumente zu billig seien und daß man ein Kommunistenfresser sei. Nun, wenn Sie so wollen - ich bekenne mich ehrlich dazu, daß ich einer bin,
weil ich für mich jedenfalls 'die völlige, totale Bedrohung erkenne und mich ihr leidenschaftlich entgegenstelle, die etwa 'daraus entstehen könnte, wenn ein Prozeß der Aufweichung im Laufe jenes Zeitablaufs, den die Kommunisten sich gesetzt haben, eines Tages Platz griffe.
Ich glaube, es ist eine unserer vornehmsten Aufgaben, auch auf diese Unbequemlichkeit und ihre Folgerungen hinzuweisen und die Resignation im Volke aufzuhalten und zu neuen Anstrengungen aufzurufen. Ich glaube, ein gutes Stück 'dieser Arbeit hat uns der sowjetische Ministerpräsident in Paris abgenommen, als er jene bekannte Konferenz zum Platzen brachte. Wenn es nicht in einer Weise so gefährlich und so bedauerlich wäre, so möchte man auf der anderen Seite fast Befriedigung darüber empfinden, daß durch ,dieses Ereignis der gesamte Westen und auch eine übrige Welt aus ihrer Lethargie aufgescheucht wurden.
Hier wurde vorhin gesagt, daß die Kreml-Astrologie seit 43 Jahren eine schwierige Angelegenheit sei. Dem will ich gern beipflichten. Allerdings muß ich bekennen: ich persönlich bin, wie mir kürzlich eine große Tageszeitung bescheinigte, von schlichter Denkungsart und möchte mir deswegen meine eigenen Gedanken darüber machen; und die sind einfach so: Ich glaube nicht - und auch meine politischen Freunde nicht -, daß es etwa chinesische Einflüsse oder gar der Flug der U 2 gewesen seien, die Herrn Chruschtschow veranlaßt haben,, jene Szene in Paris zu vollführen, sondern daß es ganz schlicht und einfach jene Entschlossenheit unserer
Bündnispartner war, wie sie auf der Pariser Konferenz zum Ausdruck kommen sollte, nachdem die Außenministerkonferenz in Washington sich eindeutig auf diese klare Linie festgelegt hatte.
Es darf in diesem Zusammenhang nicht verschwiegen werden, daß eben jener Außenministerkonferenz von vielen Seiten Vorwürfe wegen ihrer starren und unbeugsamen Haltung, wegen Mangels an Phantasie gemacht wurden, weil ihr nichts anderes eingefallen sei, als die alten Vorschläge gegebenenfalls auf den Tisch zu legen. Ich möchte für meine Freunde erklären: wir sind dankbar dafür, daß man sich nicht irgendwelchen Phantasiegebilden hingegeben, sondern jenen klaren Standpunkt eingenommen hat, den wir von unseren Bündnispartnern in diesen Fragen stets erwartet haben. Es geziemt uns durchaus, ihnen von dieser Stelle aus dafür noch einmal ausdrücklich Dank zu sagen.
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Ich glaube, diese Haltung ist nicht zuletzt auch aus der einfachen klaren Erkenntnis entsprungen -nicht nur wegen der latenten andauernden Bedrohung Berlins und auch der Zone, ja, wir können sagen, des gesamten Weltfriedens, sondern auch auf Grund der ideologischen Verflechtungen und Ziele
daß sich an den Zielen der Kommunisten eben nichts geändert hat. Allein schon aus diesem Grunde bestand also gar keine Veranlassung, etwas an- deres in Aussicht zu nehmen.
Wer 'das immer noch nicht glaubt, sollte sich mancherlei Aussprüche dies sowjetischen Regierungschefs in Erinnerung rufen. Mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten darf ich einige seiner Äußerungen verlesen. Er hat u. a. einmal gesagt:
Wenn jemand glaubt, unser Lächeln bedeute auch, daß wir die Lehren von Marx, Engels und Lenin aufgegeben hätten, dann täuscht er sich schwer. Die auf eine solche Preisgabe warten, könnten ebensogut darauf warten, daß die Krabben das Pfeifen lernen.
Bei anderer Gelegenheit sagte Chruschtschow:
In Fragen der Ideologie standen wir und werden wir fest stehen wie ein Fels.
Jeder Bolschewist aber, der in Fragen der Ideologie fest steht wie ein Fels, das ist Ihnen bekannt, bekennt sich damit zu all den Zielen, die Lenin dem Weltbolschewismus gesetzt hat, u. a. zu den Aussprüchen: „Die Weltrevolution hat dann gesiegt, wenn die rote Fahne über Peking und Berlin weht" und „Wer Deutschland hat, hat Europa".
Meine Damen und Herren, in den letzten Jahren ist im Rahmen der Auseinandersetzungen um unsere Außenpolitik viel vom Kalten Krieg die Rede gewesen. Ich habe in der letzten außenpolitischen Debatte zwar freimütig bekannt, daß der Begriff und die Tatsache des Kalten Krieges äußerst unbequeme Angelegenheiten für die deutsche Öffentlichkeit, ja, ich möchte sogar sagen, auch für unsere Verbündeten, sind; ich habe aber auf der anderen Seite darauf hingewiesen, daß sich einer Täuschung hingibt, wer glaubt, daß der Kalte Krieg zu Ende sei. Ich glaube, ich darf es, ohne es groß untermauSchneider ({5})
ern zu müssen, auch heute wieder aussprechen: Der Kalte Krieg dauert an. Es nützt kein Jammern darob, daß er andauert. Wir sollten ihn einfach zur Kenntnis nehmen, sollten die Konsequenzen daraus ziehen, sollten ihn insonderheit auch ertragen können und sollten uns, meine sehr geehrten Damen und Herren, besonders nicht immer gegenseitig den Spiegel vors Gesicht halten und die Forderung aufstellen, den Kalten Krieg zu beenden. Denn es sind ja gar nicht wir, die ihn machen. Die ihn machen, sollen ihn beenden. Auch das muß einmal deutlich gesagt werden.
Wenn wir aber schon in einem solchen Zustand zu leben gezwungen sind - und daran sind wir zumindest nur zum Teil schuldig -, dann sollte auch Klarheit darüber bestehen, daß wir in unserer Sache fest sein müssen, daß wir in der Taktik geschmeidig und unnachgiebig in Sachen der Landesverteidigung sein müssen. Ich glaube jedenfalls, daß nicht zuletzt diese gemeinsamen Anstrengungen auf diesen drei Gebieten in den letzten Jahren dazu beigetragen haben, daß wir uns überhaupt noch in Freiheit hier versammeln und miteinander sprechen können und nicht ein furchtbares Unglück über Europa und die Welt gekommen ist.
Um noch etwas zur Landesverteidigung zu sagen, möchte ich hier ausdrücklich feststellen - vielleicht gehört auch das zu einer Bestandsaufnahme -, daß nur das eindeutige Bekenntnis zur Landesverteidigung mit allen materiellen und ideellen Konsequenzen und nur das eindeutige Bekenntnis zum Bündnis den Bestand und die Freiheit dieses Lebensraumes auch weiterhin zu sichern vermögen. Bekenntnisse allgemeiner Art, die nur auf die soziale Betreuung unserer Soldaten oder auf eine Einschränkung einer entsprechenden waffenmäßigen Ausrüstung oder gar auf eine Einschränkung unseres Bündnisses abzielen, das allein bekanntermaßen uns Frieden und Freiheit garantiert, sind wertlos und können nur dazu führen, daß diejenigen zum Diktat herausgefordert werden, die schon lange darauf warten, uns ihrem Diktat zu unterwerfen.
Ich darf abschließend dazu sagen: Wenn man den Mut zur Freiheit hat, muß man auch den Mut zu der Politik haben, die diese Freiheit sichert, und zwar ohne jede Einschränkung. Wir wissen alle, daß es in erster Linie das Gleichgewicht der militärischen Kräfte gewesen ist, das es uns ermöglicht hat, unseren Staat in einiger Gesichertheit wieder-aufzubauen. Wir wissen alle - so bedauerlich und so unbequem das auch für den einzelnen und für eine breite Öffentlichkeit sein mag -, daß das Gleichgewicht ,der militärischen Kräfte zur Zeit jedenfalls noch die Voraussetzung ist für die Sicherung der Freiheit und für jede Art erfolgreicher Verhandlungen, damit uns die Sowjetunion nicht irgendwelche Lösungen aufzwingt, die wir nicht wollen.
Ich glaube, es war der Kollege Majonica, der heute morgen schon das Beispiel des japanischen Ministerpräsidenten angeführt hat. Dieser Mann hat ,den Mut gehabt, die Politik auch zu vertreten, die ihm das sicherte, was er mit seiner Politik bezweckt, nämlich die Freiheit für sein Land. Es
geziemt sich vielleicht, auch von dieser Stelle aus einem so mutigen Manne ausdrücklich Anerkennung zu zollen.
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Wer aber auch das wieder nicht glaubt, sollte sich jener Äußerungen erinnern, die immer wieder in sowjetischen Presseorganen, Rundfunkmeldungen usw. auftauchen. Eine der jüngsten Meldungen liegt mir vor. Die „Sowjetskaja Armija" schreibt:
Die Sowjetsoldaten müssen im Geiste eines glühenden Hasses gegen die Imperialisten erzogen werden. Es ist unbedingt erforderlich, die modernen Waffen stets einsatzbereit zu halten.
Meine Damen und Herren, ich frage: woher nehmen diejenigen, die solche Worte schreiben oder prägen, die Berechtigung, anderen Vorhaltungen zu machen, die da alles Mögliche tun wollen, um sich vor einem eventuellen Losgehen dieser Waffen zu schützen?
Es ist geradezu lächerlich, wenn die Pankower Marionettenregierung das Märchen in die Welt setzt, ,daß wir mit der allgemeinen Wehrpflicht und der Wiederbewaffnung einen Agressionskrieg oder Blitzkrieg gegen sie selbst bzw. gegen den Osten überhaupt planten. Man kann über solche Behauptungen zur Tagesordnung übergehen; denn auch den Herren in Pankow kann es nicht entgangen sein, daß der Westen in den letzten zehn Jahren durchaus Zeiten militärischer Überlegenheit gehabt und seine Friedfertigkeit eindeutig dadurch bewiesen hat, daß er von diesen militärischen Möglichkeiten trotz aller Bedrohungen aus dem Osten nicht ein einziges Mal Gebrauch gemacht hat.
Ich stehe auf der anderen Seite nicht an, auch freimütig zusagen, daß wir unter diesen Umständer selbstverständlich ständig, täglich, ja stündlich auf einem Pulverfaß leben. Welcher verantwortliche Politiker, wo immer er stehen mag, könnte über diese Tatsache zur Tagesordnung übergehen? Und wie furchtbar ist es, zu wissen, daß die Auslösung einer Katastrophe zu irgendeiner Stunde unter Umständen einem menschlichen oder technischen Versagen zugeschrieben werden kann, wobei dieser Tatbestand unerheblich wäre angesichts dessen, was sich dann auf unserem Stern ereignen würde. Auf der einen Seite ist das militärische Gleichgewicht notwendig, um die Waffen schweigen zu lassen, auf der anderen Seite sind aber Möglichkeiten des Versagens vorhanden, die diese Waffen doch zum Sprechen bringen können. Hier ist jene Grenze erreicht, an der es wichtig ist, daß sich alle Verantwortlichen in der Welt Gedanken darüber machen, wie durch eine allgemeine kontrollierte Abrüstung diese Spannung und damit diese Gefahr abgewandt werden kann. Die Entspannung muß auch schon deswegen Platz greifen, damit wir unser eigenes nationales Problem Nummer 1, nämlich das Selbstbestimmungsrecht für alle Deutschen und das Selbstbestimmungsrecht für unsere Berliner, zu lösen vermögen.
Der Kollege Wehner hat recht. Er hat heute morgen hier gesagt, Herr Chruschtschow habe eine Frist von sechs bis acht Monaten gesetzt; wir könn7072
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ten gewärtig sein, daß er diese Frist dazu nutzen werde, uns mit neuen Überraschungen zu kommen. Auch meine politischen Freunde sind dieser Meinung, und ich befürchte, je näher die amerikanischen Präsidentschaftswahlen kommen, um so gefährlicher wird es werden, weil sich die Sowjets nicht scheuen werden, diesen und jenen Test zu machen, um einmal festzustellen, wie weit sie in der Provokation der westlichen Welt gehen können, ohne riskieren zu müssen, daß es deswegen vielleicht doch zu einem totalen Krieg kommt.
Trotz des Scheiterns der letzten Konferenz und trotz des mäßigen Ausgangs aller voraufgegangenen Konferenzen sind meine Freunde der Meinung, daß weitere Gespräche und Konferenzen selbstverständlich stattfinden werden und auch müssen, und daß die Frage, ob die Probleme der Welt besser auf solchen Konferenzen oder auf dem Wege der Geheimdiplomatie gelöst würden, in einem solchen Augenblick mehr akademischer Natur ist; denn die Menschheit wartet schlicht darauf, daß die Probleme gelöst werden, ehe es zu spät ist.
Ich bin kaum besorgt, meine sehr geehrten Damen und Herren, daß etwa das Thema Deutschland bzw. Berlin bei solchen Gesprächen oder Konferenzen nicht einen sehr wesentlichen Platz auf der Tagesordnung haben würde. Es soll aber niemals in Frage gestellt sein, daß die Unversehrtheit unseres Raumes, die Unversehrtheit Berlins und letzten Endes - weil im Augenblick nicht mehr zu erreichen ist - die Unversehrtheit des Status quo zumindest gesichert sein muß, wenn es schon nicht gelingt, Schritte nach vorwärts zu tun.
Meine Damen und Herren! Nicht nur, um nicht in den Verruf zu kommen, daß ich lediglich den militärischen Dingen das Wort redete, sondern auch aus der ganz nüchternen Erkenntnis heraus, daß sich mancherlei politische Auseinandersetzungen heute bereits auf andere Gebiete verlagert haben, darf ich es mir nicht versagen, auch hier darauf hinzuweisen, daß wir in dem Wettlauf, der in wirtschaftlicher Hinsicht gestartet worden ist, selbstverständlich werden mithalten müssen, so unbequem und so teuer dies auch sein mag. Es würde auch eine geistige Verkrustung bedeuten, wenn sich etwa die Vorstellungen darüber, wie wir unsere Sicherheit und Freiheit erhalten können, lediglich auf das militärische Gebiet beschränkten. Die wirtschaftliche Integration Europas, die in den letzten Jahren - von der Öffentlichkeit teilweise mehr oder weniger unbeachtet - sehr große Fortschritte gemacht hat, und auch die Frage der Entwicklungshilfe für bestimmte Länder sind zwar auf der einen Seite ein wesentlicher Faktor des Kalten Krieges, auf der anderen Seite sind sie aber auch ein wesentlicher Faktor, um zu den Möglichkeiten einer Entspannung zwischen den Völkern und Blöcken beitragen zu können. Wir als Deutsche sind selbstverständlich aufgerufen - wenn dies auch wieder unbequem ist -, hieran mitzuwirken, und zwar sowohl aus Gründen der Vernunft als auch aus Gründen der Moral, denn wir haben in weiten Teilen der Entwicklungsländer nicht nur einen guten Ruf zu verlieren, sondern wir haben auch neue Freunde zu gewinnen.
Daß das besonders wichtig ist in einem Augenblick, in dem wir um unser Selbstbestimmungsrecht, um jenes primitivste Recht, das jedem Volk auf dieser Welt zusteht, kämpfen, sollte von diesem Hause, sollte von der Regierung und sollte auch von der deutschen Öffentlichkeit, die sich heute noch zu einem Teil dagegen wehrt, daß wir in diese Dinge überhaupt einsteigen, nicht übersehen werden. Eine unserer vornehmsten Aufgaben wird es sein müssen, der deutschen Öffentlichkeit klarzumachen, daß es trotz mancher Opfer, die von ihr auf diesem Gebiete ver- langt werden, einfach unabdingbar ist, wenn wir nur den Grad unserer Freiheit erhalten wollen, den wir im Augenblick haben. Das ist aus moralischen Gründen unabdingbar, das ist aber auch unabdingbar, wenn wir in jener großen Auseinandersetzung, in die wir nicht durch unsere Schuld hineingestellt worden sind, bestehen wollen. Sicherlich werden die Früchte eines solchen Opfers nicht von heute auf morgen geerntet werden können. Auch das muß der deutschen Bevölkerung klargemacht werden; denn wir dürfen nicht, was heute leider oftmals schon viel zu sehr der Fall ist, einfach in den Tag hinein leben, sondern wir müssen auch an die zukünftige Gestaltung unseres deutschen Schicksals denken.
Meine politischen Freunde sind in den vergangenen Jahren realistisch genug gewesen, selbstverständlich auch die berechtigten Sicherheitswünsche und Interessen der Sowjets anzuerkennen, in der klaren Erkenntnis, daß wir unsere nationale Frage Nr. 1 nicht gegen die Sowjets, sondern letztlich nur mit ihnen werden lösen können.
Selbstverständlich sind die Auseinandersetzungen zwischen den Chinesen einerseits und den Russen andererseits - es mag vielleicht verfrüht sein, darüber schon etwas zu sagen; aber ein kurzes Wort sei in dem Zusammenhang gestattet bei uns auf große Beachtung gestoßen. Ich nehme an, daß es Ihnen nicht anders gegangen sein wird. Hier zeichnet sich ein neuer Aspekt der Weltpolitik ab, mit dein wir eines Tages so oder so zu tun haben werden. Wir geben uns dabei keinen Illusionen hin. Schließlich Bandelt es sich in beiden Fällen um kommunistische Staaten. Ich glaube aber, daß die Sowjetunion eines Tages einmal den Zeitfaktor, den sie auch jetzt noch gegen uns ins Feld führt, um ihre Ziele durchzusetzen, in anderer Hinsicht selbst beachten muß. Sie wird die Entwicklungen im Fernen Osten nicht außer acht lassen können. Auch das ist eine realistische Betrachtungsweise.
Gewiß, als Angehöriger einer Regierungspartei gebe ich zu, daß sich manche unserer Hoffnungen in den letzten zehn Jahren nicht erfüllt haben und unter Umständen auch in absehbarer Zeit nicht erfüllen werden, genauso wie sich manche Hoffnungen, deren Verwirklichung wir schon sehr nahe standen, wieder zerschlagen haben. Ich glaube aber, es ist kein Hochmut und keine Rechthaberei, wenn ich insgesamt feststelle, daß wir als die Verantwortlichen das beste aus der Situation gemacht oder, für unsere Kritiker, zu machen versucht haben. Ich will gar nicht einmal sagen, daß unsere Politik völlig richtig oder allein richtig gewesen ist. Es sind von der anderen Seite da und dort vielerlei Bausteine
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mit hinzugefügt worden. Aber in der grundsätzlichen Linie - das dürfen wir als Regierungsparteien für uns in Anspruch nehmen - haben wir den Kurs angegeben und ihn klar durchgehalten, und das hat sich, zumindest bis zur Stunde, ausgezahlt.
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Es gibt keine Außenpolitik mit dem Rechenschieber. Deshalb ist es richtig, wenn einer meiner Herren Vorredner hier gesagt hat, es habe keinen Zweck, dieses oder jenes Detail wieder auszugraben oder über dieses oder jenes Detail in der Zukunft zu sprechen; die Entwicklungen würden erst endgültig beweisen, was richtig und was falsch gewesen sei. Soweit wir in einer so wichtigen Materie sehen und planen können, haben wir, glaube ich, das getan, was wir auf Grund der Verantwortung vor unserem ganzen Volk tun mußten. Angesichts der Stellung, die die Bundesrepublik innerhalb der freien Völkergemeinschaft wieder einnimmt, kann ich wohl sagen: Wir haben es gut getan.
Der Kollege Mende hat in seiner Rede das Thema der Ostblockstaaten angeschnitten. Sie erinnern sich vielleicht, daß mein Freund von Merkatz dieses Thema schon vor Jahren einmal behandelte, als es noch absolut tabu war, und konkrete Vorschläge machte, die dann auf Grund der politischen Entwicklungen nicht realisiert werden konnten. Der Herr Kollege Mende hat bei einer anderen Frage vorsichtshalber gesagt: Ich will mich von den Sozialdemokraten absetzen, damit ich nicht in den Geruch komme, mit ihnen gemeinsame Sache zu machen; 1 das werden Sie verstehen; genauso werden auch die Sozialdemokraten bemüht sein, ihrerseits ihr eigenes und nur ihr eigenes Gesicht zu zeigen.
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- Aber, Herr Kollege Mende, ich kritisiere das ja gar nicht, sondern ich wollte jetzt fortfahren: Sie werden mir deswegen nicht verübeln, daß ich in Fortsetzung einer damals von uns aufgenommenen Idee, eines Planes, eines Vorschlages - nicht etwa in Verfolgung des Vorschlags, den Sie genannt haben; ich hätte das jetzt nicht bemerkt, wenn Sie nicht dazwischengerufen hätten - die Bundesregierung bei der weiteren Erörterung der außenpolitischen Planungen auch bitten möchte, zu erwägen, inwieweit es vielleicht momentan opportun sein könnte, eine gewisse Auflockerung unter dem Gesichtspunkt Platz greifen zu lassen, daß Isolierungen, die diesen Staaten von kommunistischer Seite gezwungenermaßen bereitet worden sind, von uns nicht noch weiter verstärkt werden sollten, insbesondere was unseren unmittelbaren Nachbarn Polen betrifft.
Was können wir noch tun, meine Damen und Herren? Meine Freunde und ich sind realistisch genug, zu wissen, daß es eine eigene außenpolitische Initiative, eine eigene nationalstaatliche Art, wie das früher üblich war, in dieser Welt und bei dieser Sachlage nicht geben kann. Trotzdem können wir noch einiges tun. Wir können beispielsweise verstärkt kulturelle Kontakte pflegen. Wer sagt denn, daß die europäische Kultur heute etwa schon
an der Elbe endet? Wer sagt auf der anderen Seite, daß nicht eines Tages auch ein eiserner Kulturvorhang heruntergehen wird? Dann wäre es zu spät. Sorgen wir doch dafür, daß wir in dieser Hinsicht ebenfalls, getragen von dem und vor allen Dingen überzeugt von dem, was wir als freie Menschen zu vertreten haben, mehr tun als bisher!
Sorgen wir auch dafür im Auslande, daß das überholte Bild der Deutschen, wie es oftmals von unseren eigenen Verbündeten noch in Fernsehsendungen oder sonstwo gezeichnet wird, revidiert werden kann. Sorgen wir auch dafür, daß insonderheit die kommunistische Darstellung über dieses Deutschland und über seine Menschen im Ausland widerlegt werden kann! Warum überlassen wir es den kommunistischen Kulturzentren mehr oder minder, de Meisterwerke deutscher Dichter und Komponisten dem Ausland zu präsentieren und zu interpretieren? Auch hier ist, glaube ich - die Kollegen, die sehr viel im Ausland gereist sind, Werden es mir bestätigen -, ein weites und wichtiges Feld für eine eigene deutsche Initiative.
Was die Entwicklungshilfe betrifft - ich hatte vorhin bereits nähere Ausführungen darüber gemacht -, so gehört sie mit hinein in das Thema der Frage, was wir tun können. Ich will mich darauf beschränken, noch einmal festzustellen, daß die Entscheidung über Freundschaft oder Gegnerschaft mit denjenigen, denen da geholfen werden soll, in dieser zweiten Hälfte unseres Jahrhunderts fällt. Ich wage sogar zu sagen: da auch die Deutschen immer irgendetwas brauchen, woran sie sich orientieren können, und da ich genau wie wahrscheinlich Sie allenthalben höre, es gebe nichts, an dem man sich hier orientieren könne, - hier wäre beispielsweise ein wirkliches Ideal, wenn man sich schon nicht mehr an dem Ideal - offenbar ist das in unserem Vaterland nur sehr schwer möglich, weil es zu abstrakt ist - der Freiheit zu begeistern vermag.
Ein Weiteres können wir gegen die Auslandspropaganda tun. Sie erinnern sich vielleicht, daß ich bereits in der Debatte über den Haushalt des Auswärtigen Amtes auf diesen Punkt hingewiesen habe, und zwar auf Grund von Informationen, die mir von bestimmter Seite über ein bestimmtes Land zugegangen waren. Der Herr Bundesaußenminister hat damals diese Frage mit einer Handbewegung abgetan, indem er sagte: Ich lehne es ah, die diplomatischen Vertretungen zu. Propagandazentralen zu machen. Abgesehen davon, daß dies von mir weder gesagt noch gemeint war, kann gerade dieses Feld in Zukunft nicht so unbeackert bleiben, wie es bisher der Fall gewesen ist. Ich weiß, es ist sehr schwer für den Haushaltsausschuß, und ich weiß, es ist sehr schwer, einmal vorgefaßte Meinungen zu beseitigen. Ich weiß, daß die Skepsis im Anfange jedenfalls viel stärker ist als die Überzeugungskraft. Aber ich sage Ihnen: Wenn wir unseren Platz, den wir da und dort errungen haben, behaupten wollen und wenn wir dem Ausland klarmachen wollen, was mit diesem Land wirklich ist und wie diese Menschen denken, fühlen und leben, und wenn wir dem Ausland noch mehr klarmachen wollen, wie es um
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die Zweiteilung unseres Vaterlandes und wie es um die Frage Berlin aussieht, dann werden wir nicht darum herumkommen, mehr in Fragen der Auslandspropaganda zu tun. Das ist schon nötig angesichts der Tatsache, daß sich die sogenannte Deutsche Demokratische Republik längst angeschickt hat, mit einem Massenaufwand von Personal und Geld dafür zu sorgen, daß d a s Bild von Deutschland draußen gezeichnet wird, das ihr in den Kram paßt. Und da können wir als verantwortliche Politiker einfach nicht zurückstehen, und wir können uns insonderheit bei dieser Frage auch nicht etwa daran orientieren, daß es einmal ein Propagandaministerium unter Goebbels gegeben hat; sondern wir können uns allein daran orientieren, ob es einen Nutzeffekt hat und ob es unserem Lande nutzt und frommt, daß wir das Ausland über uns sachlich und
vernünftig aufklären. Das allein, glaube ich, darf und kann Richtschnur sein.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, noch ein Weiteres zur Propaganda. Mir sagte kürzlich ein Auslandsreisender, ein sehr prominenter Beamter: „Ich habe in Süditalien und in Südfrankreich auf meiner Reise die Zonensender hören müssen, weil die deutschen Sender nicht zu hören waren. Aber da ich etwas von Politik verstehe, war ich natürlich in der Lage, die Meldungen von Ost auf West umzudenken."
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- Ja, wenn es nicht zum Weinen wäre, möchte man
darüber lachen. Es ist aber schließlich wirklich nicht
zum Lachen, sondern es sollte auch hier Veranlassung
für alle sein, darüber nachzudenken, wie wir solchen ausgesprochenen Übelständen steuern können.
Noch ein Weiteres können wir tun. Wir können die Kontakte unter den Deutschen selbst sehr viel mehr verstärken. In der Hast dieses Hauses, bei der Vielzahl der Dinge, die wir zu beraten haben, bei der Vielzahl der Probleme, die auf uns zukommen, verbleibt immer wieder ein menschliches Problem auch bei solchen Erörterungen wie heute, weil natürlich auch über die Frage des Wie und Ob hier gestritten und diskutiert werden muß, nämlich das Problem, wie man jene Kontakte mit den Menschen drüben erhalten und mehr forcieren kann, als es zur Zeit noch der Fall ist. Die Zeitung „Christ und Welt" hat in einem ausgezeichneten Artikel „Die kleine Straße", den ich Ihrer Aufmerksamkeit empfehle, vor einiger Zeit sehr richtig gesagt, daß man statt der vielen Pläne, die in den letzten Jahren vorgelegt worden seien und immer wieder noch vorgelegt würden, die menschlichen Begegnungen mehr forcieren müsse, da die Deutschen ein lebendiger Körper von ungeheurer Widerstandskraft seien, dessen Blutbahnen sich immer wieder verbinden, auch wenn sie da und dort unterbrochen werden. Der Verfasser fuhr fort, daß den Bundesbürgern sehr viel mehr als ein Stufenplan und Punkt 1, 2, 3 irgendeines Plans interessiere, ob er seine Eltern oder Verwandten in Swinemünde oder in Schwerin besuchen könne.
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Meine Damen und Herren, werten Sie diesen Hinweis, wie Sie wollen. Ich glaube, daß tatsächlich über alle Schikanen und über alle Zwangsjacken hinweg, die uns Deutschen auferlegt sind, diese menschlichen Kontakte in erster Linie das sind und sein müssen, was uns unverrückbar zusammenhält.
Und noch eins: Warum sollten wir nicht noch einmal prüfen, ob wir - auf welchem Wege auch immer, da brauchen nicht Bonner Minister mit angeblichen Pankower Ministern zu verhandeln - es uns bei der Sache, die wir zu vertreten haben, nicht leisten können, einen stärkeren Austausch von Büchern, Zeitungen und Zeitschriften durchzuführen. Ich wage zu behaupten, wenn es die Möglichkeit gäbe, ostzonale Presseerzeugnisse an den Kiosken der Bahnhöfe und Städte zu kaufen, würde man wahrscheinlich in den ersten vier Wochen - wenn es hochkommt - in Westdeutschland einen Run auf diese Machwerke erleben. Das würde höchstens vier Wochen dauern, und danach würde man sich für diese Dinge überhaupt nicht mehr interessieren.
Ich weiß, es ist schwierig, diese Dinge in Gang zu bringen. Aber wo finden sich ein paar mutige Männer, wenn es sein muß aus der privaten Wirtschaft oder aus der privaten Initiative, die dafür sorgen, daß diese menschlichen Kontakte - denn es sind letzten Endes auch menschliche Kontakte - eine stärkere Pflege erfahren. Darum fragt „Christ und Welt" mit Recht: Warum kann ein Studentenaustausch nur darin bestehen, daß nur eine sehr begrenzte Zahl Ostberliner Studenten überhaupt im Bundesgebiet studieren kann, statt dessen aber eine sehr große Zahl ausländischer Studenten, gegen die ich nichts habe, an unseren Hochschulen studieren? Angesichts dieses Problems muß ich sagen, es wäre sehr viel richtiger, erst einmal zu versuchen, eine möglichst große Zahl unserer Studenten nach drüben zu schicken und eine möglichst große Zahl ostzonaler Studenten herüberholen zu können.
Die Tatsache, daß das im Augenblick vielleicht in diesem Raum nicht realisierbar erscheint oder daß es Skepsis hervorruft, sollte uns - das ist hier dankenswerterweise von meinen Vorrednern auch schon gesagt worden nicht von vornherein davon abhalten, solche Dinge immer wieder zu versuchen, um dadurch das System des Zwanges und des Terrors zu unterlaufen. Zwei Auffassungen stehen sich gegenüber: wir mit unserer fortschrittlich-konservativen Auffassung vom Menschen, der sich im Grunde nicht ändert, und der Kommunismus, der die gegenteilige Auffassung vertritt, der glaubt, er könne durch Zwangsjacke und Terror den Menschen schließlich doch ändern. Ich wage zu behaupten, daß wir die rechte Auffassung vertreten, und deswegen haben wir Aussicht, solche Dinge zu verwirklichen. Hier ist auch ein Ansatzpunkt für eine Gemeinsamkeit in der Politik.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluß noch etwas über die Frage der gemeinsamen Außenpolitik sagen, die in den letzten Wochen durch den Blätterwald gegeistert ist und von der heute die Rede war. Ich glaube, ich habe ein gutes Alibi als Vertreter meiner Partei, wenn ich noch einmal daran erinnere, daß ich nach jener unerfreulichen außenpolitischen Debatte des Deutschen Bundestages im Jahre 1958 als Sprecher
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meiner Partei öffentlich erklärt hatte, daß es beklagenswert sei, daß nicht nur in diesem Hause, sondern speziell unter den großen Parteien, die die meiste Verantwortung tragen, Auseinandersetzungen dieser Art stattfänden, weil die Lebensfragen der Nation nicht in den parteipolitischen Hader gehören. Ich habe von diesem Wort hier und heute nichts zurückzunehmen, zumal ich festgestellt habe, daß sich die Vertreter aller Fraktionen über diese Frage nunmehr mehr oder minder einig sind. Wir bejahen eine gemeinsame Außenpolitik, aber nicht mit der Einschränkung, die der Herr Bundesaußenminister gemacht hat. Entscheidend ist nur eine richtige Außenpolitik. Zwar ist die richtige Außenpolitik zuletzt entscheidend, aber die Frage, welches die richtige Außenpolitik ist, muß schließlich erst einmal geklärt werden.
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- Herr Präsident, könnten Sie mir etwas Ruhe verschaffen?
Meine Damen und Herren, der Herr Redner hat Anspruch darauf, daß Sie ihm zuhören. Wenn Sie es nicht wollen, können Sie ja den Saal verlassen.
Danke schön, Herr Präsident!
Meine Damen und Herren, eine solche gemeinsame Außenpolitik ist auch nach Auffassung meiner Freunde erstrebenswert, vor allen Dingen deswegen, weil wir dann nicht der Versuchung erliegen, eine solche Politik irgendeiner Wahltaktik zu opfern. Die Ansichten über den Weg, den wir zu gehen haben -- auch ich mache in diesem Augenblick einen Strich unter das, was gewesen ist -, mögen auseinandergehen. Die Art und Weise der Darstellung allein beim Beginn einer Gemeinsamkeit ist entscheidend, und da will ich der Opposition an dieser Stelle gern das Zugeständnis machen, daß sie selbstverständlich in den verflossenen Jahren genauso wie wir alle bemüht gewesen ist, in Sorge um ,das ,deutsche Schicksal diese oder jene Maßnahme vorzuschlagen, die nach ihrer Ansicht - ich 'betone: nach ihrer Ansicht - praktikabel war. Wir waren .der Meinung, daß diese Maßnahmen nicht praktikabel seien. Wir haben mit unserer Ansicht recht behalten. Das sollte uns jedoch nicht zur Rechthaberei verleiten, sondern wir sollten zur Kenntnis nehmen, daß es jetzt offenbar eine Möglichkeit gibt, sachlicher als in der Vergangenheit miteinander zu sprechen.
Sicher ist es nicht die Schuld der Sozialdemokraten, jedenfalls nicht eine erwiesene Schuld und auch nicht eine Schuld, die sie etwa bewußt auf sich geladen haben, daß zeitweilig auch die Herren in Pankow oder sogar in Moskau gehofft haben, sie könnten aus den Divergenzen, die hier über außenpolitische Fragen entstanden sind, vielleicht eines Tages ihren Nutzen ziehen.
Ich glaube, meine sehr geehrten Damen und Herren - auch das muß sehr deutlich gesagt werden -, daß die gegenseitigen Verdächtigungen und Vorwürfe jedenfalls in den Lebensfragen unseres Volkes definitiv aufhören müssen. Zu einer Bestandsaufnahme, die ehrlich gemeint ist, gehört auch die Feststellung, daß die häufige Herabwürdigung demokratischer Organe und Persönlichkeiten, vielfach auch prominenter Angehörigen der Regierung, das ständige Schüren des Eindrucks, es herrschten un- I demokratische Zustände im eigenen Land, nicht zuletzt auch das ständige Infragestellen unserer Glaubwürdigkeit als Nation und der Glaubwürdigkeit der Regierung sowie der moralischen Integrität der innenpolitischen Gegner, daß alle diese Dinge aufhören müssen, weil, wenn sie nicht aufhören, der lachende Dritte die Kommunisten aller Schattierungen sind. Ich sage es anders herum: Wer sich in diesen Fragen in Zukunft nicht auf rein sachliche Darstellungen beschränkt, muß sich den Vorwurf gefallen lassen, daß er nichts anderes tut, als dem Kommunismus Vorspanndienste zu leisten.
Wir wollen genauso wenig wie die Opposition eine gemeinsame Außenpolitik auf sentimentaler Basis. Wir wollen auch keine Politik des, nun, sagen wir einmal, Wischiwaschi. Wir wollen eine klare außenpolitische Linie verfolgen.
Zu den Ausführungen des Kollegen Wehner möchte ich sagen: wenn die Vorstellungen, die er hier für die Sozialdemokratische Partei entwickelt hat, ehrlich gemeint sind und wenn es gelingt, diese Vorstellungen auch in den Reihen der Sozialdemokratischen Partei durchzusetzen, würde ich das als eine große Stärkung der Politik des freien Teiles Deutschlands betrachten.
Es ist vielleicht müßig, heute noch zu untersuchen, warum auf Grund der schweren Zerwürfnisse in diesen wichtigen Fragen ein großer Teil der deutschen Öffentlichkeit resigniert hat. Es ist müßig, zu untersuchen, ob vielleicht auch auf Grund dieses Zerwürfnisses jene vielfältigen Entschließungen linksgerichteter Organisationen auch noch in jüngster Zeit erschienen sind. In dieser Stunde ist es vielmehr unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, daß auch in dieser Beziehung das Steuer herumgeworfen und die Debatte auch in diesen Organisationen und Verbänden wieder versachlicht wird. Dies ist deswegen wirklich eine nationale Aufgabe, weil unser Vaterland nach wie vor gespalten ist. Der Erfolg unserer Politik hängt zu einem erheblichen Teil von der Art und Weise ab, in der wir unsere Gegensätze austragen.
Der Vorsitzende meiner Partei Hellwege hat auf einer Veranstaltung in Berlin kürzlich gesagt:
Die Entscheidung zwischen Ost und West, zwischen Terror und Freiheit fällt nicht auf dem Feld der Lebenshaltung, sondern der Geisteshaltung, fällt nicht auf dem Feld des Wohlstandes, sondern der Moral, fällt nicht auf dem Feld des Verbrauchs, sondern des Verzichts.
Meine Damen und Herren, Erschwernisse hat es für das deutsche Volk in seiner langen Geschichte, selbst wenn wir nur die letzten zehn Jahre davon nehmen, weiß Gott zur Genüge gegeben. Aber wir müssen uns darüber im klaren sein, daß wir uns als ein Volk in der Mitte Europas nicht einfach aus
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der Geschichte und schon gar nicht aus den Verantwortungen, in die wir gestellt sind, herausstehlen können. Deswegen, so meinen meine Freunde, sollten wir den Mut zu den Verantwortungen haben, zu denen wir auf Grund dieser Stellung aufgerufen wurden.
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Das Wort hat der Abgeordnete Freiherr zu Guttenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mir ist die Aufgabe zugefallen, namens meiner Freunde auf die Rede zu antworten, die heute morgen unser Kollege Herbert Wehner hier gehalten hat. Ich stehe nicht en, zu sagen, daß ich diese Rede meisterlich gefunden habe, und ich gestehe vor allem, daß ich die Perfektion des Scharms bewundert habe, die Herr Wehner hier entwickelt hat und die ich selber gewiß nicht erreichen werde.
Aber das, was ich soeben sagte, bezog sich auf die Form. Im Inhalt, meine sehr verehrten Damen und Herren, in der Sache habe ich nicht viel Neues gehört. Ich habe einen flammenden Appell gehört, daß wir in Krisenzeiten zusammenstehen sollten. Ich darf sagen, daß wir Ihnen selbstverständlich glauben, daß Sie diesen Appell in allem Ernst und aus Sorge an uns gerichtet haben. Zu einem Appell, in Krisenzeiten einig zu sein, sagen wir selbstverständlich ja und dreimal ja. Wir wollen nur sehr gerne wissen, über was wir einig sind.
Die Feststellung, daß wir in unseren Zielen einig sind, scheint mir nichts Neues zu sein. In den Zielen, die Freiheit der Bundesrepublik zu erhalten, die Freiheit Berlins zu bewahren und alle Anstrengungen zu machen, urn ein ganzes freies Deutschland zu schaffen, waren wir uns schon immer einig. Das scheint mir doch wohl eine Selbstverständlichkeit zu sein. Es besteht Einigkeit in den Zielen, Einigkeit, wenn Sie so wollen, im Prinzip.
Ich erinnere mich hier an ein Wort des verstorbenen amerikanischen Außenministers Marshall, der einmal gesagt hat: Sage nicht, daß du mit mir im Grundsätzlichen einig bist, denn das bedeutet, daß du mit mir uneinig bist. Ich darf ein anderes Wort, ein Wort des deutschen Philosophen Lichtenberg zitieren. Er hat einmal - ich erhebe keinen Anspruch darauf, daß das Zitat im Wortlaut stimmt gesagt: Wenn du mit einem Freunde prinzipielle Einigkeit gewonnen hast, wirst du wahrscheinlich die schwersten Opfer des Aber auf dich nehmen müssen.
Meine verehrten Damen und Herren, es geht heute bei dieser Diskussion, wie ich glaube, nicht um das Was, sondern um das Wie. Bei diesem Wie geht es darum, festzustellen, wie die Opfer des Aber aussehen und wer sie tragen soll. Denn es handelt sich bei dieser Einigkeit doch nicht um abstrakte Einigkeit, sondern um Einigkeit im Konkreten. Weil wir für diese Einigkeit sind, weil wir die Gefahren der Stunde lieber gemeinsam bestehen würden, weil wir uns um das Schicksal der Nation
sorgen, deshalb, meine Damen und Herren von der Opposition, haben wir nach der Rede des Herrn Wehner einige Fragen zu stellen.
Über dieser Debatte steht gewiß der Name „gemeinsame Außenpolitik". Aber hinter dieser gemeinsamen Außenpolitik steht immer noch ein Fragezeichen. Ich könnte dem auch einen anderen Namen geben. Man könnte vom Ende des Parteienstreits um die Außenpolitik, man könnte, wie ich sagte, von der nationalen Einigkeit oder, um Ihre Worte aufzugreifen, von der gemeinsamen Bestandsaufnahme reden. Aber, meine Damen und Herren, erlauben Sie mir, zu sagen, daß alle diese Ausdrücke den Kern der Sache nicht treffen. Mir scheint außerdem, daß in all diesen Überschriften zuviel an Emotion und Taktik mitschwingt, als daß man sie ganz und ohne Vorbehalt akzeptieren könnte. Ich möchte daher versuchen, den Bereich der Taktik und der Emotionen soweit wie irgend möglich hinter mir zu lassen und eine Anstrengung zu unternehmen, auf den Grund der Dinge vorzudringen, eine Anstrengung also, die Wahrheit aufzuhellen, die hinter dieser so begreiflichen und so verlockenden Formel einer gemeinsamen Außenpolitik steht. Denn, meine verehrten Damen und Herren von der Opposition auf dieser Seite - Sie sind nicht gemeint, verehrter Herr Kollege Mende -, daß es eine solche zwingende Wahrheit gibt, die Ihnen mindestens auch das Wort von der Gemeinsamkeit in den Mund gelegt hat, nachdem Sie doch seit Jahr und Tag nach Alternativen und eben nicht nach Gemeinsamkeit gesucht haben, das scheint mir doch unzweifelhaft zu sein.
Was also ist der Kern der Sache, die man mit dem Etikett der gemeinsamen Außenpolitik versehen hat? Der Kern der Sache ist ein neuer Abschnitt in der Suche des deutschen demokratischen Sozialismus nach seinem eigenen Standort. Mißverstehen Sie mich bitte nicht! Ich sage das weder im Gefühl der Überlegenheit etwa desjenigen, der glaubt, seinen eigenen Standort zu kennen, noch sage ich es gar in der Absicht, diesen freiheitlichen Sozialismus als eine unbestimmte Größe abzuqualifizieren, und ich sage es ganz gewiß nicht mit irgendeinem Unterton der Verdächtigung. Im Gegenteil, wir von der CDU könnten uns gewiß nichts dringender wünschen und wir würden nichts ehrlicher begrüßen und nichts dankbarer zur Kenntnis nehmen als eben dies, daß die deutsche SPD auf diese Weise einen Weg betritt, der sie vielleicht in unsere Nähe führt. Ich gebe zu, daß in den Ausführungen des Herrn Wehner von heute vormittag einige Passagen enthalten waren, die uns das Gefühl vermitteln, daß Ihr Weg vielleicht in unsere Nähe geht. Ich möchte hier keineswegs den Namen eines spanischen Klosters nennen, der sich einem aufdrängen könnte.
Dieses Thema, das Thema der Suche des freiheitlichen Sozialismus nach seinem eigenen Standort, ist nicht nur ein deutsches Thema. Denn der internationale freiheitliche Sozialismus ist, wie ich glaube, seit dem zweiten Weltkrieg auf der Suche nach seiner eigenen Seele. Erst in den letzten Tagen hat die freie Welt den Atem angehalten, als die Sozialisten Japans auf die Straße gingen, um mit
Hilfe dieser Straße außerhalb des Parlamentes ihren Willen durchzusetzen. Wenn wir in Deutschland zu diesen Vorgängen im Fernen Osten Stellung nehmen, dann zunächst mit dem dankbaren Kommentar, daß uns in Deutschland solche Krisen, solche Erschütterungen und Bedrohungen deshalb erspart geblieben sind, weil unsere Auseinandersetzung trotz mancher Ansätze zum Gegenteil doch immer demokratisch blieb und niemand den Weg auf die Straße nahm, dann aber doch mit der besorgten Feststellung, daß der Streit in Japan um die gleiche Sache ging, die auch in unserem Lande Regierung und Opposition am heftigsten entzweit hat, um das militärische Bündnis mit der freien Welt; eine Parallele, die erst in den letzten Tagen trotz der Ausführungen des Herrn Wehner nicht zuletzt auch darin ihren Ausdruck fand, daß nach meiner Kenntnis die deutsche SPD sich mit keinem Wort von den Zielen und Methoden der Sozialisten Japans distanziert hat.
Meine Damen und Herren! Nicht nur in Deutschland also gibt es seit dem letzten Kriege ein Dilemma des freiheitlichen Sozialismus. Die braune Diktatur war damals ausgelöscht, und die rote entstand aus den Trümmern, die die braune Diktatur hinterlassen hatte. Es ,galt damals für die Sozialisten, ihre Stellung zu beziehen, ihre Position neu zu beschreiben und dabei dem Antrieb treu zu bleiben, der dem Handeln der Sozialisten immer zugrunde lag, jenem Antrieb, den auch der schärfste Gegner ein ethisches Gewissen nennen muß. Diese Sozialisten fanden sich zwischen ,den Fronten des ) demokratischen Kapitalismus und der sozialistischen Diktatur. Ihre Schwierigkeit bestand darin, die westliche Welt vorbehaltlos anzuerkennen, obwohl sie sie mindestens zum großen Teile kapitalistisch nannten, und die östlichen Anschauungen ebenso vorbehaltlos anzuerkennen, obwohl sich diese selbst den Namen „sozialistisch" gaben. Die Versuchung lag nahe, nach einem dritten Weg Ausschau zu halten, einem Weg, der sich sowohl gegen den Sozialismus wie aber auch gegen den Kapitalismus wenden sollte, einem Weg also, der statt des demokratischen Kapitalismus und statt der sozialistischen Diktatur den demokratischen Sozialismus etablieren sollte.
Ich sage: Versuchung, weil hinter diesen Erwägungen ein Irrtum steckt, ,der seine Erklärung in der ideologischen Wurzel auch des freiheitlichen Sozialismus findet, jener Irrtum nämlich, daß es Freiheit nur in der sozialistischen Gesellschaft geben könne und daß daher in der westlichen Welt nur zum geringen Teil wahre Freiheit herrsche. An diesen Irrtum wurde ich erinnert, als ich vor vier Tagen in der Zeitung las, daß unser Herr Kollege Wehner in Heilbronn auf einem Parteitag der SPD erneut erklärt hat, die CDU und die SPD trennten verschiedene Vorstellungen von der Demokratie.
Meine Damen und Herren! Einige westliche Arbeiterparteien, so ,die holländische, die schweizerische, die französische, die skandinavischen, sind diesen Versuchungen nicht erlegen. Sie haben erkannt, daß der Streit zwischen Freiheit und Sklaverei mehr ist und etwas anderes ist als nur die Auseinandersetzung zwischen Sozialismus und
Kapitalismus. Einige andere, so die englischen und die italienischen Sozialisten, haben sich in verschiedene Parteien oder - wie die letzten Wochen gezeigt haben - in sich bekämpfende Flügel gespalten. Die deutschen Sozialisten haben bisher geschlossen geglaubt, den dritten Weg beschreiten zu sollen. Sie haben sich gegen den Kommunismus gestellt; aber sie haben auch kein Hehl aus ihrer Ablehnung der anderen Seite gemacht, weil und insoweit sie sie kapitalistisch, restaurativ und reaktionär nannten. Auf diese Weise, meine Damen und Herren von der deutschen Sozialdemokratie, sind Sie zu einer Achillesferse der freien Welt geworden.
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Die Frage ist, ob dies nach den Ausführungen des Herrn Wehner auch heute noch so ist.
Weil Sie sich weder der einen noch der anderen Seite ganz verschreiben konnten, sind Sie in die Neutralität geflohen, weil Sie im Konflikt zwischen Ost und West für keine Seite ganz Partei ergreifen wollten, haben Sie die Isolierung vorgezogen, und weil Sie den Charakter des weltweiten Streites um die Freiheit als ein gesellschaftspolitisches Ereignis mißverstanden haben, sind Sie ausgewichen in die Idee der Bündnislosigkeit. Die Frage ist, ob wir Herrn Wehner so verstehen sollen, daß nunmehr mit allen diesen Vorstellungen ein Ende ist, ein Ende, über das wir uns selbstverständlich freuen würden.
Sie sagen uns, die SPD sei ein verläßlicher Garant gegen den Bolschewismus. Wir haben keinen Augenblick daran gezweifelt, daß Sie Sozialisten und eben deshalb keine Kommunisten sind. Aber das ist ja gar nicht die Frage. Die Frage ist, ob Sie sich entschließen können und ob Sie sich entschlossen haben, die Suche nach jenem dritten Weg der Mitte zwischen Ost und West aufzugeben;
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die Frage ist, ob Sie sich entschließen können und vielleicht entschlossen haben, sich ein für allemal für das Bündnis mit der freien Welt zu äußern, und die Frage ist, ob Sie sich jetzt entschließen können und vielleicht entschlossen haben, allen Versuchen endgültig Lebewohl zu sagen, die Spannung zwischen West und Ost mit einem Kompromiß zu überwinden, der Elemente beider Seiten in sich schließt.
Die Frage ist in einem Wort, ob die SPD bereit Ist, aufzuhören, Opposition in einem internationalen Sinne zu bleiben. Denn Sie haben doch nicht nur die Politik der CDU bekämpft; mit diesem Kampf haben Sie doch auch Front bezogen gegen den erklärten Willen aller Länder, die die freie Welt einschließlich Deutschlands in einem Bündnis fest zusammenschließen wollten. Herr Wehner hat in diesem Punkte heute nichts gesagt, was seine Erklärung vom 6. Januar dieses Jahres revidieren würde, die ich hier im Wortlaut habe. Dort hat er gesagt, man dürfe es nicht darauf ankommen lassen, daß die Bundesrepublik Teil eines militärischen Bündnissystems sei und diese Tatsache allein unsere Politik bestimme.
Sie sprechen heute von Gemeinsamkeit der Politik. Wenn Sie damit das Ende dessen meinen, was uns bis heute trennte, nämlich das Ende Ihrer Gegnerschaft zu diesem Bündnis und zu seinen Konsequenzen, dann, meine Damen und Herren, könnte uns nichts willkommener sein. Aber leider ist das noch nicht klar. Denn Ihre Antwort auf das Scheitern der Pariser Konferenz war doch zunächst Verwirrung, war Unklarheit und Widerspruch. Ich sage das nicht deshalb, weil mich vielleicht aus taktischer Erwägung ein verwirrter Gegner freute. Im Gegenteil, wir hoffen alle, daß es sich hierbei um schöpferische Widersprüche handelt, daß Sie also aufgebrochen sind zu einer Diskussion, die Klarheit bringt und jene Wunde heilt, die Ihre Haltung für die freie Welt bisher bedeutet hat. Ich wiederhole, daß Herrn Wehners allgemeine Worte mich heute jedenfalls noch nicht davon überzeugt haben, daß diese Diskussion in der SPD beendet ist. Hierzu bedarf es weiterer und genauerer Präzisierung der einzelnen konkreten Dinge.
Wir haben uns gefragt, wo unser Beitrag zu solcher Klärung liegen könnte, und wir kamen zu dem Schluß, daß wir schlecht beraten wären, wollten wir dem Vorschlag des Herrn Wehner folgen, nämlich statt einer öffentlichen Diskussion über diese Einzelheiten in die Klausur zu gehen. Denn es geht doch hier nicht darum, in vertraulichem Gespräch hier und dort nach möglichen Gemeinsamkeiten zu suchen; es geht doch im Grunde um die Linie Ihrer Politik, um die Richtung Ihres Wollens, um den Weg, den Sie in Zukunft gehen wollen. Wenn Sie wirkliche Gemeinsamkeit im Auge haben - und ich habe jedenfalls Herrn Wehner heute so verstanden -, dann gibt es hierfür nur die öffentliche Rede, die den Sprecher an seine Worte bindet und dadurch Klarheit schafft und Vertrauen stiftet.
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Meine Damen und Herren, auch etwas anderes muß offen gesagt werden: für die freie Welt ist die deutsche SPD doch viel zu wichtig, als daß sich diese freie Welt damit begnügen könnte, die Allianz mit ihr auf Unklarheit zu gründen. Klärung also scheint mir die eigentliche Überschrift dieser Debatte zu sein, Klärung dessen, was unklar ist, was auch nach der Rede des Herrn Wehner heute noch unklar ist, Klärung nämlich der Haltung der SPD. Denn über die unsere herrscht unzweifelhafte Klarheit.
Ihre Antwort auf die Ereignisse der letzten Wochen steht noch aus. Oder besser gesagt: Meine Damen und Herren von der linken Seite, Sie haben zwar hier und im Lande draußen bis in die letzten Tage hinein Antworten gegeben, aber verschiedene und einander entgegengesetzte Antworten. Einige dieser Antworten schienen eine Revision, andere eine Bestätigung Ihrer bisherigen Politik zu sein. Ich will dafür einige Beispiele anführen.
Der Regierende Bürgermeister von Berlin hat erklärt, jede Bundesregierung werde sich an die geschlossenen Verträge halten. Herr Wehner hat dieses Wort heute hier aufgegriffen. Aber, meine Damen und Herren, der stellvertretende Vorsitzende
Ihrer Partei, Herr von Knoeringen-also gewiß doch wohl nicht irgend jemand -, hat vier Tage nach der Erklärung des Herrn Bürgermeisters Brandt gesagt, Vermutungen, daß sich die Standpunkte Brandts und Adenauers in der deutschen Frage einander angenähert hätten, seien ein Fehlschluß,
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und Herr Erler, meine Damen und Herren, hat am 26. Juni, also vor vier Tagen, in Heilbronn ausweislich der „Stuttgarter Zeitung" gesagt, das atlantische Bündnis erschwere die Wiedervereinigung. Ich muß sagen, dieser Satz steht in absolutem Widerspruch zu dem, den Herr Wehner heute hier gebraucht hat,
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als er von der NATO als der Grundlage auch der Wiedervereinigungspolitik sprach.
Meine Damen und Herren, in ernster Sorge haben wir ganz einfach die Frage an Sie zu richten: welches ist nun die Haltung Ihrer Partei, wenn Sie uns zur Gemeinsamkeit aufrufen? Sie müssen uns doch sagen, auf welcher Basis Sie diese Gemeinsamkeit wünschen.
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Der Herr Kollege Herbert Wehner hat am 26. Mai im Süddeutschen Rundfunk gesagt, er habe niemals die NATO als solche abgelehnt, und der Herr von Puttkammer hat acht Tage später im „Vorwärts" geschrieben, die SPD könne ihre grundsätzlichen außenpolitischen Prinzipien nicht verleugnen. Fraglos aber ist doch - wir alle haben das hier in diesem Hause und draußen in allen Städten und Dörfern, in denen wir zusammengetroffen sind, erlebt - eines Ihrer Prinzipien bisher die Ablehnung der Einbeziehung der Bundesrepublik in die NATO gewesen.
Herr Barsig - auch nicht irgend wer in Ihrer Partei - hat am 1. Juni gesagt, für die SPD sei nach Paris tatsächlich eine neue Lage entstanden. Diese neue Lage hat er ein anderes Mal, und zwar eine Woche früher, mit den Worten beschrieben, im Gegensatz zu früheren Konferenzen gebe es heute keine sowjetische Alternative mehr. Gleichzeitig fordert Herr Kollege Erler noch immer Entspannungszonen durch Truppenrückzüge, die ja nun wirklich, um ein sinnvoller Vorschlag zu sein, Alternativen zu jener sowjetischen Politik voraussetzen, die wir doch zusammen in Paris erlebt haben.
Und ein letztes Beispiel solchen Widerspruchs: Der Berliner Regierende Bürgermeister hat die atomare Bewaffnung der Bundeswehr gleichfalls nach Ausweis von Zeitungsmeldungen eine rein technische Frage genannt, aber Herr von Knoeringen hat von dem gleichen Bürgermeister Brandt erklärt, er stehe voll auf dem Boden des Godesberger SPD-Programms - das diese Bewaffnung doch aus politischen und nicht aus technischen Gründen ablehnt!
Kurzum, wenn es nicht noch andere Gründe für diese Debatte gäbe, wäre sie allein schon deshalb nötig, um Klarheit über die Linie der deutschen
SPD zu gewinnen. Denn ohne eine solche Klarheit kann es kein Vertrauen geben, weder bei uns, die Sie zur Gemeinsamkeit aufgerufen haben, noch gestatten Sie mir, das zu sagen, sozusagen in Ihrem Interesse - bei Ihren eigenen Wählern. Im übrigen muß die Regierungspartei auch aus anderen Erwägungen auf dieser Debatte bestehen. Herr Ollenhauer hat hier doch vor einem Monat die Überprüfung der Regierungspolitik gefordert. Wir haben zu fragen, Herr Ollenhauer, ob Sie dies auch heute noch tun. Herr von Knoeringen hat die Anpassung der Außenpolitik der CDU an die neue Phase der Weltpolitik gefordert. Und Herr Wehner hat doch mit seiner Formel von der Bestandsaufnahme im Grunde gleichfalls eine Revision mindestens auch unserer Politik erwartet.
Nun, vielleicht stünde am Ende einer solchen gegenseitigen Anpassung die viel gerühmte deutsche Eintracht. Aber ich fürchte, wir hätten dann die innerdeutsche Einigkeit um den Preis der westlichen Gemeinsamkeit erkauft, jener Gemeinsamkeit, die bisher die Bundesrepublik und West-Berlin vor Moskaus Griff bewahrten.
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Herr Kollege Wehner, nicht mehr als dies, was ich soeben gesagt habe, habe ich auch bei jener Diskussion gesagt, über die Sie heute vormittag eine Pressemeldung vorgelesen haben.
Aus diesen Gründen hat nach meiner Meinung die CDU die Pflicht, jeden Anschein zu vermeiden, als revidiere sie sich selbst.
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Sie muß vielmehr hier und heute ihre Politik dem deutschen Volke deutlich und erneut empfehlen, weil diese Politik zu jener Solidarität entscheidend beigetragen hat, an der Chruschtschows Anschlag auf Berlin bis heute gescheitert ist.
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Meine Damen und Herren, die Überprüfung unserer Politik, von der Herr Ollenhauer hier geredet hat, ist für uns gleichbedeutend mit der Revision des Richtigen, gleichbedeutend mit der Abkehr vom Wege des Erfolgs, gleichbedeutend mit dem Ende einer konsequenten Kontinuität und mit dem Anfang einer möglichen neuen deutschen Isolierung.
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Es ist gewiß eine Binsenwahrheit, daß der Streit um die wesentlichen Fragen unserer Existenz in diesem Hause in den vergangenen Jahren der deutschen Sache schweren Schaden tat. Aber wir haben doch zu fragen, warum das so gewesen ist; doch nicht etwa deshalb, weil das Streiten immer schädlich, das Einigsein dagegen immer nützlich ist. Nein, meine Damen und Herren, der Streit um unsere nationalen Fragen hat die deutsche Position nur deshalb geschwächt, weil er unsere Freunde an unserer Verläßlichkeit zweifeln ließ und weil er unseren Gegnern zu der Hoffnung Anlaß gab, daß sich der deutsche Kurs einmal ändern könnte.
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Wer heute also diesem Streit ein Ende setzen will, weil er die deutsche Position zu stärken wünscht, muß doch versuchen, unseren Freunden ihre Sorge und unseren Gegnern ihre Hoffnung dadurch wegzunehmen,
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daß er unser Bündnis von der Hypothek befreit, die Deutschen könnten eines Tages anderen Sinnes werden.
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Dazu bedarf es jedoch nicht, wie Herr Ollenhauer vor einem Monat gefordert hat, einer neuen Politik der CDU, sondern dazu bedarf es ganz im Gegenteil der Revision der Politik der SPD, die von Anfang an dem Bündnis widersprochen und an seiner Stelle das Prinzip der Bündnislosigkeit vertreten hat. Ich darf mich nun auf die gleiche Zeitung beziehen, die Herr Wehner heute früh auch einmal genannt hat, die „New Yorker Times", die erst in diesen Tagen davon sprach, daß die grauen Wolken über diesem westlichen Bündnis doch nur dann verschwinden könnten, wenn sich die SPD, die deutsche Oppositionspartei, dieser Bündnispolitik anschließe.
Herr Wehner hat heute in seinen Erklärungen einen Satz gesagt, von dem ich zugeben möchte, daß er wirklich etwas Neues darstellt. Er hat er- klärt, daß die NATO-Politik nach seiner Meinung auch Grundlage für die deutsche Wiedervereinigungspolitik ist. Mir geht es aber darum, festzustellen, welche Konsequenzen Herr Wehner aus diesem Satz zieht und
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wer in diesem Hause nach seinem Willen welche „Opfer des Aber" aus dieser vielleicht sich abzeichnenden allgemeinen Einigkeit zu tragen hätte.
Meine Damen und Herren! Wer eine solche Einigkeit fördern will, der darf nicht das tun, was Herr Wehner sagte: sich nämlich vor allem darauf stürzen, die Punkte, in denen man einig ist, zu beachten und zu bewahren und behutsam zu umsorgen. Wer Einigkeit fördern will, der muß vielmehr über das Trennende reden, denn durch die Überwindung dieses Trennenden kann sich die Einigkeit vermehren.
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Der Vorschlag, den der Herr Kollege Wehner gemacht hat, nämlich die Außenpolitik doch weithin aus der öffentlichen Diskussion herauszunehmen, führt nicht zur Gemeinsamkeit, sondern setzt voraus, daß die Gemeinsamkeit bereits besteht.
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Dieses Haus wäre, wie ich glaube, auf einem verhängnisvollen Weg, würde es durch den Versuch, Kontroversen durch Verschweigen vor der Öffentlichkeit aus der Welt zu schaffen, Einigkeit vortäuschen, wo in Wahrheit keine besteht.
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Die SPD hat vor 15 Monaten ihre Vorstellungen zur deutschen Politik in einem Dokument zusammengefaßt, das den Namen „Deutschlandplan der SPD" erhielt. Sie haben damals diesem Plan höchste Publizität und das Gewicht eines einstimmigen BeSchlusses Ihres Vorstandes verliehen, des gleichen Vorstandes, der heute noch amtiert. Sie haben diesen Plan darüber hinaus den ich zitiere - „heute einzig ernst zu nehmenden Versuch zur Wiedervereinigung" genannt. Sie sahen also damals in ihm nicht nur einen von vielen möglichen, sondern eben den einzig realistischen Weg für die deutsche Politik. Dieser Plan war deshalb nicht nur - wie Sie später sagten - Grundlage für eine Diskussion, sondern er war damals Ausdruck Ihres Willens und Ihrer politischen Tendenz.
Heute sagte Herr Wehner nun von diesem Plan, er sei ein Vorschlag, der der Vergangenheit angehöre. Nun gut, ich nehme gern zur Kenntnis, daß dieser Vorschlag nicht mehr auf dem Tisch liegt. Aber es geht auch gar nicht darum, ob die Aktualität dieses Planes noch besteht. Es geht auch gar nicht um seine einzelnen Details; es geht um seine Tendenz. Denn in diesem Plan kulminierten alle Ihre Alternativvorstellungen zu unserer Politik. Dieser Plan war der bisher klarste Ausdruck Ihres Willens, einen solchen dritten Weg zwischen Ost und West zu finden. Und wenn es Ihnen ernst ist-ich zweifele keinen Augenblick daran -, zu einer Aufnahme des Bestandes, also zu einer Sichtung der Fakten zu kommen, um auf diesem Wege über das Unterschiedliche zum Gemeinsamen fortzuschreiten, dann gehört zu diesen Fakten ganz gewiß auch der Deutschlandplan.
Ich weiß, es ist sehr viel einfacher und sehr viei populärer, nach Gemeinsamkeit zu rufen, als auf Fakten hinzuweisen, die der Gemeinsamkeit im Wege stehen. Es ist aber ganz einfach ein Erfordernis der intellektuellen Sauberkeit, auch auf solche Fakten hinzuweisen.
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Ich hoffe also, klargestellt zu haben, daß ich nicht deshalb auf die Kontroversen der Vergangenheit verweise, weil mir etwa daran liegt, sie fortzusetzen. Mir liegt nur daran, Klarheit zu erhalten, Klarheit über Ihre Politik.. Was Herr Wehner heute sagte, war noch keine Klarheit.
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Ich kann es keine Klarheit nennen, daß Sie sich zwar einerseits von Ihrem Plan distanzieren, aber gleichzeitig immer wieder davon reden, daß einige seiner Elemente noch immer zu Ihrem Rüstzeug zählen. Auch die Andeutung, die Herr Wehner heute auf ,die Frage des Herrn Kollagen Dr. Krone gemacht hat, läßt darauf schließen, daß einmal wieder eine Zeit kommen könnte, in der solche Elemente nach seiner Meinung nutzbringend sein könnten. Genau darum geht es. Wir wollen erfahren, wann und wo und unter welchen Umständen solche Elemente Ihres Denkens plötzlich wieder auf dem Tisch liegen könnten,
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obwohl sie heute offenbar nicht mehr darauf liegen.
Ich sage Ihnen wohl nichts Neues, wenn ich hier erkläre, daß sich die Tendenzen dieses Planes zu allerletzt dazu eignen, Einigkeit mit uns zu schaffen. Es ist deshalb unerläßlich, aufzuzeigen, was nach unserer Sicht zu den Elementen Ihres Planes gehört, die uns bisher gehindert haben, Ihre Politik zu akzeptieren. Ich muß dann bitten, daß Sie uns die Elemente nennen, die in diesem Dokument nach Ihrem Willen entweder noch Geltung haben oder wieder Geltung haben könnten, und sagen, unter welchen Voraussetzungen dies geschehen könnte; denn nur auf diese Weise wird sich zeigen, ob und gegebenenfalls wieweit Gemeinsamkeit entstehen kann.
Der Herr Kollege Wehner hat heute früh gesagt, es sei doch sinnlos, Anschuldigungen vorzubringen. Herr Kollege Wehner, mir liegt nichts ferner, als Anschuldigungen vorzubringen. Sie haben recht, wenn Sie sich gegen Anschuldigungen wehren. Aber wehren Sie sich bitte nicht dagegen, daß durch die Besprechung dieser Frage der Versuch gemacht wird, mit der Vergangenheit insoweit aufzuräumen, als es nötig ist, um Ihren Wunsch, jenen der Gemeinsamkeit, zu erfüllen.
Es ist doch so, daß Sie unsere Bündnispolitik bisher verneinten. Ihre Sprecher sagen heute auch Herr Wehner hat das gesagt -, eine sozialdemokratische Regierung würde zu den geschlossenen Verträgen stehen. Ich halte das für eine Selbstverständlichkeit. In einem Rechtsstaat ist jegliche Regierung an jeglichen Vertrag gebunden, den das Parlament einmal bestätigt hat. Ich gebe zu: vielleicht hat Herr Wehner heute mehr gesagt als dies. Wir wollen das aber klarer, deutlicher, präziser und vor allem konkreter wissen. Deshalb fragen wir Sie heute, ob Sie sich nunmehr in der Lage sehen, diesem Bündnis ohne jene Vorbehalte zuzustimmen, die Sie bisher gehindert haben, ihm ohne Wenn und Aber zuzustimmen.
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Es ist doch einfach richtig, daß Sie von unserer Politik durch all die Jahre sagten und zum Teil noch immer sagen, sie schade der deutschen Sache, weil se einseitige Westpolitik gewesen sei. Es ist doch gleichfalls richtig, daß Sie unserer Politik den Vorwurf machten, sie erhöhe die Gefahr des militärischen Konflikts. Es ist weiter nicht zu bestreiten, daß Sie unsere Politik eine Politik der Stärke nannten, die in aller Kläglichkeit gescheitert sei.
Insoweit ist der Deutschlandplan also nicht, wie Sie gesagt haben, aus der Situation des Frühjahrs 1959 zu verstehen. Er ist, wie ich glaube, der Ausdruck eines Wunsches, den Sie jahrelang gehegt hatten, nämlich jenen dritten Weg zu finden und zu gehen, von dem ich vorhin sprach. Denn das Endziel dieses Plans ist doch, die Bundesrepublik aus ihrer westlichen Allianz zu lösen und ihre Sicherheit einem kollektiven Sicherheitssystem zu unterstellen, zu dem der Ostblock auch geladen ist.
Sie kennen unsere Überzeugung, daß unsere Bündnispolitik den nationalen deutschen Zielen in keiner Weise schadet. Für uns ist diese Politik geradezu das Fundament, um jene Wünsche wirkFreiherr zu Guttenberg
sam zu vertreten. Ich brauche unsere Argumente hier auf diesem Felde nicht zu wiederholen; sie sind aller Welt bekannt. Es geht mir hier nur darum, in aller Offenheit zu sagen, daß es in diesem Punkte zwischen uns und dem, was Sie bisher gesagt haben, keine mittlere Linie gibt. Meine Frage ist die: dürfen wir aus dem, was Herr Wehner heute, sagen wir, umschrieb, entnehmen, daß Sie nun in diesem Punkte auf unserer Linie sind?
Wir halten die entschlossene und endgültige Hinwendung der deutschen Politik zur freien Welt des Westens für unverzichtbar, für unersetzlich und für unwiderruflich.
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Meine Damen und Herren von der SPD, Sie haben diese Hinwendung Deutschlands zum Westen als einseitig, als schädlich, ja selbst als verhängnisvoll bezeichnet. Ich gestehe, daß ich zwischen diesen Adjektiven keine Möglichkeit des Brückenschlages sehe. Denn der Streit ging nicht um periphere, sondern um die Kernfragen der deutschen Politik.
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Wenn Sie bisher das Bündnis für verhängnisvoll und schädlich hielten, dann war es Ihre Pflicht, nach einem Weg zu suchen, um es zu verlassen. Unsere Frage ist, ob Sie in diesem Punkte Ihre Meinung heute um 180 Grad geändert haben. Denn es gibt, wie ich sagte, keinen Kompromiß.
Wenn wir in diesem Bündnis das Rückgrat unserer freiheitlichen Existenz, den Eckstein unserer Sicherheit und damit unseren Beitrag für den Frieden sehen, dann ist es unsere Pflicht, zum weiteren Ausbau dieses Bündnisses beizutragen. Meine Frage ist erneut: haben Sie, Herr Wehner, heute sagen wollen, daß Sie nun auch genau das gleiche wollen? Die Wehrpflichtdebatte vor einigen Tagen hat nicht ganz diesen Eindruck erweckt.
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Meine Damen und Herren, wir sollten uns nicht selbst betrügen. Am Anfang dieser Sichtung des Bestandes steht also die Erkenntnis, daß wir bisher um mehr gestritten haben als etwa darum, ob diese oder jene Konferenz zu wünschen oder nicht zu wünschen war, ob diese oder jene Sowjetnote gemäßigt oder weniger gemäßigt war. Was uns bisher entzweit hat, war der Streit um den Leitgedanken unserer Politik. Deshalb wäre es allzu oberflächlich, wollte man erwarten, daß die so sehr gewünschte Einigkeit sich nur mit ein wenig Kompromißbereitschaft schaffen ließe. Wie sollte sich denn ein solcher Kompromiß nennen, wo ist denn die Mittellinie, auf der sich beide Seiten treffen können? Erwarten Sie doch nicht von uns, daß wir heute, nach Paris, uns weniger deutlich, weniger positiv und weniger konkret zu eben jenem Bündnis äußern, das doch der Gegenstand dieses Streites war. Erwarten Sie doch bitte nicht, daß wir uns dann damit zufrieden geben, wenn wir heute hören, auch die SPD stehe auf dem Boden dieser NATO, jener NATO, die nach Ihrer Meinung, Herr Kollege Erler - Sie haben diese Meinung vor vier Tagen ausgedrückt -,
die deutsche Wiedervereinigung, also das Ziel, das wir doch alle haben, erschwert.
Jemand hat einmal in der Vordebatte zu dieser Debatte gesagt: jene Seite dieses Hauses, die der anderen Bedingungen stelle, sich vermesse, das zu tun, zerstöre jede Aussicht auf Gemeinsamkeit. Nun, niemand denkt daran, solche Bedingungen zu nennen. Aber niemand sollte auch den Anlaß zu unserer heutigen Debatte übersehen. In Paris ist mit der Gipfelkonferenz auch der Sowjetanschlag auf Berlin gescheitert, - an eben jenem Bündnis gescheitert, um dessen Aufbau in unserem Lande wir uns mühten, während Sie sich doch dagegen stellten.
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Daher unsere Frage an die SPD: ist das nun vorbei, daß Sie sich gegen dieses Bündnis stellen, ist das ein für allemal vorbei?
Am 24. Mai hat Herr Ollenhauer gesagt, die Bundesregierung werde der Notwendigkeit einer Überprüfung ihrer Außenpolitik nicht entgehen. Meine verehrten Damen und Herren, was uns anlangt, so glauben wir, daß Chruschtschow selbst uns diese Prüfung abgenommen hat. Unsere Politik hat sich in Paris in ihrer bisher härtesten Erprobung voll bewährt. Aber es besteht doch aller Anlaß, Herrn Ollenhauer nach den Ergebnissen der Überprüfung seiner eigenen Politik zu fragen.
Wir fragen nun sehr präzise: Ist Herrn Wehners Rede so zu verstehen, daß die SPD die Einbeziehung unserer Bundesrepublik in die NATO nun nicht mehr als einseitige Westpolitik und daher nicht mehr als falsche Politik bezeichnet? Wollte Herr Wehner mit seinen Worten sagen, daß für ihn und seine Freunde der deutsche NATO-Beitrag also nicht mehr ein Hindernis für die Einheit aller Deutschen
obwohl Herr Erler vor vier Tagen noch eben dieses sagte? Wollte Herr Wehner sagen, daß sich die SPD nun auch zum militärischen deutschen Beitrag in jener Weise äußern wird, die ein Bündnis eben einfach mit sich bringt, das von jedem Partner alle Leistungen fordert, die aufzubringen er imstande ist? In einer kurzen Formel lautet daher unsere Frage an die SPD, ob Sie sich heute in der Lage sehen, sich ohne Vorbehalt zum atlantischen Bündnis zu bekennen. Sagen Sie bitte ja oder sagen Sie nein, aber weichen Sie dieser Frage nicht aus!
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Herr Wehner hat heute morgen erklärt, solche Fragen, wie ich sie eben stellte, könnten Zweifel im befreundeten Ausland wecken. Erlauben Sie mir, Herr Kollege Wehner, zu antworten, daß diese Zweifel nicht geweckt werden können, deshalb nämlich nicht, weil sie schon bestehen.
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Ihr Bemühen sollte daher sein, meine Fragen mit klaren Antworten zu versehen. Das scheint mir die beste Möglichkeit zu- sein, eben das zu vermeiden, was Herr Wehner befürchtet, nämlich Zweifel im westlichen Ausland.
Meine Damen und Herren, wer sich zu diesem Bündnis bekennt, der muß sich auch zu seinen Konsequenzen bekennen. Ich muß erneut auf den
Deutschlandplan verweisen, der vor 15 Monaten Ihre offizielle Linie war, dann zum Teil als nicht mehr aktuell bezeichnet und heute in Bausch und Bogen als vergangen erklärt wurde, ohne daß jedoch Gründe für diesen Meinungswechsel angegeben wurden. Auch dieser Plan fordert die Bildung einer Entspannungszone, also die Schaffung eines militärisch verdünnten Gebiets in Mitteleuropa. Ich sage, auch im Deutschlandplan finden sich diese Gedanken, weil doch Ihr ganzes Denken seit Jahren um ein Disengagement kreist und weil Ihre Sprecher noch vor einigen Tagen Ähnliches vorgetragen haben. So hat Herr Kollege Erler am 30. Mai gesagt, er hoffe, die Bundesregierung werde nicht weiter versuchen, Entspannungszonen in Europa zu verhindern.
Ich will hier nicht im einzelnen zu diesen Plänen Stellung nehmen. Wir haben das oft genug getan. Im heutigen Zusammenhang interessiert nicht das Detail, wohl aber interessiert die Haltung, die zu einem solchen Disengagementdenken führt. Denn wie sich solche Pläne auch im einzelnen unterscheiden mögen, ihre Quintessenzen variieren nicht. Es dreht sich immer um die alliierten Truppen in der Bundesrepublik und um die Stärke und Bewaffnung unserer Bundeswehr. Was immer jene Pläne für den Abzug dieser alliierten Truppen und für die Reduzierung unserer eigenen Sicherheit von der Sowjetunion erwarten - die Bilanz ist stets die gleiche: In Westeuropa träfe die Verschiebung das Mark der NATO selbst, im Osten bliebe jene Macht unangetastet, die sich brüstet, die stärkste Macht der Welt zu sein. Wenn daher dieses Auseinanderrücken eines jener Elemente Ihres Plans noch immer ist, den Sie vielleicht auch heute noch zu den aktuellen zählen, dann bleibt mir nur zu sagen, daß wir uns nicht dazu verstehen können, irgendeinen Schritt zu tun, der unser Bündnis schwächt und damit unsere Sicherheit vermindert, solange Moskau unverändert seinen expansiven Zielen nachstrebt und sich nicht herbeiläßt, mit seiner eigenen Streitmacht einer kontrollierten Reduzierung beider Seiten beizutreten.
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Sie haben selbst erklärt - ich zitiere einen Ihrer prominenten Sprecher -, daß die „Sowjetunion in Europa weiter vorzudringen wünscht". Wir haben nie verstanden und wir verstehen es heute nach dem Scheitern der Pariser Konferenz noch weniger, wie man diese Erkenntnis mit einer Politik verbinden kann, die unterstellt, die Sowjetunion habe das dringende Bedürfnis, sich zurückzuziehen. Wenn die Sowjetunion vorzudringen wünscht, wird sie einem solchen Auseinanderrücken, also einem Truppenrückzug, entweder gar nicht oder nur unter solchen Bedingungen zustimmen, die ihr spätere Chancen einer neuerlichen Expansion eröffnen.
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Ich frage also: wozu diese Pläne, die unsere Ziele nicht fördern, die aber wohl sehr geeignet sind, die Vermutung wachzuhalten, die Deutschen suchten nach jenem dritten Weg, um ihre eigenen Lasten zu verringern, um dem lästigen Bündnis nächstens
zu entrinnen und um dem Westen eines Tages Lebewohl zu sagen.
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Ich weiß, meine Damen und Herren, daß in den letzten Wochen manche Ihrer Sprecher großen Wert darauf gelegt haben, uns klarzumachen, daß Sie nie den Austritt unserer Bundesrepublik aus der atlantischen Allianz gefordert hätten, und Herr Wehner hat ein gleiches heute hier gesagt. Er hat aber hinzugesetzt - auch das haben wir in den letzten Wochen in der Vordebatte oft gehört -, daß die SPD noch immer der Meinung sei, daß man ein wiedervereinigtes Deutschland als Ganzes in der NATO niemals erwarten könne. Ich gestehe, daß diese Argumente meine Bedenken nicht zerstreuen; denn wir haben nie geglaubt, daß die Oppositionspartei etwa wünschte, die Verträge morgen aufzuheben. Der Gegensatz zu unseren Auffassungen besteht vielmehr darin - und wir fragen, ob er auch heute noch besteht -, daß Sie uns im Parlament und auch im Lande tausendfach den Beweis dafür geliefert haben und ihn bis in die letzten Tage hinein noch weiter liefern, daß Sie sich bisher zu keiner Zeit in diesem Bündnis wohl und zu Hause fühlten.
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Weiterhin muß ich sagen, daß ich auch noch nie die Logik des Gedankengangs verstanden habe, daß die Bundesrepublik zwar des NATO-Schutzes voll bedürfe, nicht aber ein gesamtes Deutschland, wenn es vor den Füßen der gleichen Sowjetunion läge, die wir heute kennen. Einer anderen Sowjetunion als dieser können wir jedoch aus dem simplen Grund keine Vorschläge machen, weil es sie nicht gibt. Es ist deshalb einfach richtig, für das ganze Deutschland so lange auf der Freiheit zu bestehen, sich der NATO anzuschließen, als Moskaus aggressive Politik eine solche NATO nötig macht. Selbstverständlich muß man mit dieser Forderung die Einsicht verbinden - und sie in klare Formen gießen -, daß durch ein geeintes Deutschland in der NATO das Gleichgewicht der Kräfte in Europa nicht verschoben werden darf. Aber dieser Einsicht hat der Westen immer wieder und zuletzt im Genfer Friedensplan allen Raum gewährt.
Meine Damen und Herren, ich wiederhole meinen Satz: Wer das Bündnis will, muß auch die Konsequenzen wollen. Dieses Bündnis hat nur eine Absicht, nämlich Moskaus weitere Expansion zu hindern. Wir glauben nicht, daß uns Polen oder Ungarn oder die Tschechei oder gar die Zone aus eigenem Willen bedrohen könnte. Wir halten deshalb Ihre Ansicht für verfehlt, daß man den deutschen Beitrag zur westlichen Verteidigung mit diesen Ländern in Vergleich zu setzen habe,
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eine These, die Herr Kollege Helmut Schmidt noch
vor kurzem in einer langen Rede hier vertreten hat.
Die Deutschen haben, wie wir glauben, ihren Teil zu leisten, um Westeuropa in den Stand zu setzen, sich der einzig wirklichen Bedrohung zu erwehren, die es geben könnte: einer sowjetischen, nicht einer lokalen, peripheren Aggression. Wir haben Dutzend
Male hier gesagt, daß für uns auf diesem Gebiet nur eine Überlegung gilt, nämlich die, wie man eine solche Aggression und damit doch den Krieg verhindern und nicht, wie man ihn gewinnen kann.
Wir haben dann gesagt, daß es nach unserer Meinung nur eine Chance gibt, die Sowjetunion, die doch nach Ihren eigenen Worten ,,vorzudringen wünscht", von dieser Absicht abzuhalten, indem man ihr ein Risiko entgegenhält, das groß und glaubwürdig genug ist, um sie von jedem Abenteuer abzuschrecken.
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Die Opposition bestreitet also nicht, daß es die Sowjetunion ist, die uns bedroht, und wir haben heute wieder von Herrn Wehner das Ja zur Landesverteidigung gehört. Sie treten also dafür ein, daß aus jungen Männern unseres Volkes Soldaten werden, die im Ernstfall unser Land gegen einen Angriff verteidigen sollen, den niemand anders wirklich führen könnte als die Sowjettruppen selbst. Trotzdem lehnen Sie es -- bis heute jedenfalls -ab, daß unsere eigenen Soldaten, die doch unter Ihrer und unserer Obhut stehen, mit den gleichen Waffen ausgestattet werden, die der potentielle Gegner auf dem Gefechtsfeld hätte.
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Jeder Fachmann weiß, daß es heute außer atomaren Abwehrwaffen keine Möglichkeit mehr gibt, Städte gegen Luftangriffe zu verteidigen. Zur Landesverteidigung gehört doch sicher auch nach Ihrer Meinung der Schutz der Städte. Die Frage, die wir zu stellen haben, ist die: Warum stellen Sie sich dagegen, daß die Verteidiger unserer Städte die einzigen Waffen haben sollen, die sie befähigten, im Ernstfall ein Flugzeug auch zu treffen?
Sie sagen uns, für die Sicherheit der freien Welt genüge es, daß das atomare Potential ausschließlich bei den Truppen der USA verbleibe. Sie übersehen dabei, wie ich fürchte, zweierlei: erstens, daß nach dieser These Europas Sicherheit in Wirklichkeit allein auf der Drohung mit jenem großen atomaren Gegenschlag beruht, von dem Sie selbst im ganzen Lande sagten, daß er nicht Sicherheit, sondern Zerstörung bringe; zweitens, daß nach Ihrer Theorie der Schild der NATO in Europa nur noch eine Farce sei. Wenn dieser Schild seine Funktion erfüllen, d. h. also die Abschreckung komplettieren, ein Unterlaufen durch die Rote Armee und damit die Schaffung eines Fait accompli unter dem Schirm des großen atomaren Patt verhindern soll, muß er insgesamt und nicht nur sein amerikanischer Teil mit den gleichen Waffen ausgestattet sein, die die Rote Armee für das Gefechtsfeld besitzt.
Meine Damen und Herren, wer dieses Bündnis will, der darf nicht fordern, daß unsere Soldaten schlechter als ihre möglichen Gegner und schlechter als ihre Partner im Bündnis bewaffnet sind.
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Wir fragen deshalb, ob Sie ({35}) noch immer glauben, zur Landesverteidigung zwar ja, zu diesen Konsequenzen aber nein sagen zu können. Herr Kollege Wehner hat auf diese Frage heute früh
keine Antwort gegeben. Blieben Sie nämlich hei jener Haltung, die wir aus der Kampagne kennen, die Sie führten, müßten Sie sich sagen lassen, daß Sie damit in einem zentralen Punkte des gemeinsamen westlichen Verteidigungskonzepts nicht Gemeinsamkeit, sondern weiter Alternativen suchen.
Eine weitere Sache! Unbestreitbar ist eines der wesentlichen Elemente Ihres Deutschlandplans der Vorschlag, die „nationale Prozedur der Wiedervereinigung" in Gang zu setzen, - deshalb die nationale Prozedur, weil die „internationale Prozedur" versagt habe. Ich betone, daß diese Worte aus der Terminologie eines Ihrer prominenten Sprecher stammen. Denn Sie erklären doch, daß kein wesentlicher Unterschied zwischen Ihrem Deutschlandplan und den im Genfer Friedensplan des Westens enthaltenen Gedanken bestehe. Jedenfalls hat Herr Wehner heute vormittag etwas Ähnliches gesagt.
Meine Damen und Herren, in diesem Punkte liegt die essentielle Differenz zwischen jenen beiden Plänen: im Genfer Friedensplan bleibt die internationale Prozedur der Wiedervereinigung und mit ihr die Verantwortung der Siegermächte für die Einheit Deutschlands voll erhalten; hingegen haben Sie in Ihrem Plan - und ich zitiere Carlo Schmid - „mit der nationalen Prozedur" die Lösung dieser Frage an Bonn und Pankow überwiesen. Nach dem Genfer Friedensplan sollten ostzonale Delegierte nur mit der Funktion betraut sein, durch die Mitarbeit an einem Wahlgesetz die vorher von den Sowjets zugestandene Wiederaufrichtung der Freiheit in der Zone sozusagen in Moskaus Auftrag durchzuführen. Die Vier-Mächte-Verantwortung für Deutschland blieb in diesem Plan voll erhalten.
Der Inhalt Ihres Plans war aber das genaue Gegenteil. Wenn Sie heute sagen, daß dieser Plan nicht mehr auf dem Tisch liegt, dann genügt uns das nicht, dann haben wir die Frage zu stellen, ob die nationale Prozedur, von der vor einem Jahr die Rede war, von Ihnen eines Tages wieder auf den Verhandlungstisch gelegt werden könnte. Denn, meine Damen und Herren, Ihr Plan spricht zwar von einer Rahmenregelung der deutschen Frage, aber er füllt diesen Rahmen gleichzeitig mit detaillierten Einzelregelungen aus, deren Substanz eben diese nationale Prozedur ist, von der Sie an anderer Stelle sagten, sie sei das „innerdeutsche Handgemenge", das, um die Wiedervereinigung zu erreichen, eben nötig ist. Eine andere Interpretation als diese „nationale Prozedur" ist auch gar nicht möglich, weil in diesem Plan - ich zitiere nur, was dort zu lesen ist - die „Annäherung beider Teile Deutschlands", die „schrittweise Zusammenführung", die „volkswirtschaftliche" und „sozialpolitische Anpassung" in die Hand „paritätischer Institutionen" gelegt werden.
Meine Damen und Herren, Sie haben damals mit diesem Vorschlag den Graben zwischen uns vertieft; denn Sie wußten doch genau, daß die SED, daß Herr Ulbricht für uns niemals als „staatlicher Kontrahent", wie Sie es formulierten, akzeptabel wäre. Wir haben doch seit eh und jeh mit aller Deutlichkeit gesagt, daß wir niemals einen Weg beschreiten würden, der den ostzonalen Quisling-Staat und unser freies Deutschland als Partner glei7084
chen Rechts erscheinen ließe. Nach unserer Meinung steht in der Hierarchie der Werte die Freiheit vor der Einheit. Deshalb müssen wir, um zur Einheit unseres Landes zu gelangen, zunächst die Freiheit für die Zone fordern.
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Freiheit für die Zone fordern aber heißt das Ende von Ulbrichts Satrapie verlangen. Diese Überlegung war und ist für uns der Ausgangspunkt der Deutschlandpolitik der CDU.
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Weil wir auf diese Fragen noch immer ohne Antwort sind, fragen wir erneut: Hält es die SPD immer noch für möglich, die Einheit Deutschlands auf dem Wege der paritätischen Verhandlung zwischen Bonn und Pankow zu erreichen? Unter welchen Voraussetzungen würde die SPD heute auf den Deutschlandplan und dieses Element in ihm zurückkommen? Unter welchen Voraussetzungen würde uns die SPD wiederum den Versuch zu einer „nationalen Prozedur" vorschlagen? Und unter welchen Voraussetzungen müßten wir damit rechnen, daß wir wieder einmal eine sozialdemokratische Politik vor uns sehen würden, in deren Terminologie - ich zitiere - Pankow als „Regierung", die SED als „staatlicher Kontrahent" und die Zone als „Deutsche Demokratische Republik" erscheinen? Mit anderen Worten, es geht uns darum, sicher zu sein, daß in diesem Hause keiner mehr vorschlägt, die deutsche Einheit mit jenen auszuhandeln, die die deutsche Freiheit täglich mit Füßen treten.
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Auf diese Frage hat Herr Wehner heute noch keine Antwort gegeben. Aber wir müssen sie stellen; denn sie betrifft eine mögliche Tendenz, die wir vor einem Jahr gesehen haben, eine Tendenz, der ich vor vier Wochen erneut begegnet bin, als ein prominenter Sprecher der SPD, Herr Thomas von Ihrem Ostbüro, meiner These vom Vorrang der Freiheit vor der Einheit seine These gegenüberstellte: die Einheit und also nicht die Freiheit sei das „zentrale Anliegen unserer Nation."
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- Herr Mommer, ich bedaure, daß das stimmt. - Wieder einmal stand ich hier vor dem Phänomen jenes dritten Weges, den die SPD für Deutschland zwischen Ost und West zu ,gehen sucht. Sagen Sie uns deshalb bitte, was Sie heute von diesen Dingen, von gemeinsamen Organen zur Zusammenführung beider Teile Deutschlands, von der sozialpolitischen Anpassung, von einem paritätischen gesamtdeutschen Parlament und von einem gesamtdeutschen Gericht, auf ebensolche paritätische Weise zusammengesetzt, halten.
Aber, meine Damen und Herren von der Opposition, vergessen Sie bei dieser Antwort bitte nicht, uns gegebenenfalls die Gründe anzugeben, die Sie heute zu einer anderen Haltung bringen. Denn - und, meine Damen und Herren, bitte nehmen Sie uns das ab - es ist unsere Sorge, unsere ehrliche und tiefe Sorge, die allein mich veranlaßt, Sie
heute mit Ihrem eigenen Plan erneut zu konfrontieren. Ohne die offene Darlegung dieser Gründe bliebe bei uns und bliebe bei vielen anderen die berechtigte Vermutung bestehen, daß während einer nächsten weltpolitischen Krise Ihr Beitrag erneut aus einem solchen Deutschlandplan bestehen könnte. Denn auch vom letzten haben Sie gesagt, daß er der Ausweg aus der Krise sei.
Ich habe schon gesagt, wir haben trotz allem Streit nie die Hoffnung aufgegeben, _daß sich eines Tages doch die Einigkeit in wesentlichen Fragen herausbilden könne. Ob dieser Tag heute angebrochen ist, das wird sich, wie ich glaube, vor allem auch an Ihrer Antwort - wenn Sie bereit sind, sie zu ,geben - auf die Frage nach dem letzten Fundament der deutschen Politik zeigen, eine Frage, die der Herr Bundesaußenminister heute vormittag bereits gestellt hat.
Meine Damen und Herren, nach unserer Überzeugung ist die Bundesrepublik nicht etwa nur e i n freies Deutschland. Sie ist d a s freie Deutschland, das einzige, das existiert.
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Die Frage, die ich stellen möchte, heißt, ob Sie, meine Damen und Herren, unseren Staat im gleichen Maß und mit dergleichen Zuneigung bejahen, wie wir selbst das tun. Wir sind der Meinung, daß zwar die Grenzen, neben diesen aber nichts an unserem Staate provisorisch sind. Denn wir sind zuinnerst überzeugt, daß die Ordnung dieses Staates alle Freiheit möglich macht, die wir für unser Vaterland verlangen. Zu dieser Ordnung hat jedoch Herr Wehner in Heilbronn gesagt, daß die Auffassung der SPD von ihr eine ,andere sei als die der CDU.
Wir glauben also, daß wir in unserer Bundesrepublik das Deutschland sehen dürfen, das den Deutschen jenes Recht zurückgibt, das wir in der Zeit der braunen Schande damals selbst am 'schmerzlichsten vermißten, nämlich stolz zu sein auf unser Land,
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Auch für uns steht selbstverständlich die Sorge um die Überwindung .der Spaltung unserer Nation im Zentrum unserer Politik. Aber - und das ist der Kern der Frage, die ich stelle - wenn wir nach dem ganzen Deutschland rufen und uns um sein Zustandekommen bemühen, dann soll dieses ganze Deutschland aus dem gleichen Stoff geformt, auf dem gleichen Fundament errichtet, und dem gleichen Geist gebildet sein und auf der gleichen Ordnung ruhen, die unserer Bundesrepublik das Recht verleihen, sich als Deutschland zu bezeichnen.
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Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie haben das in all den Jahren hinter uns mit etwas anderen Augen angesehen. Wenn Sie von der Wiedervereinigung sprachen, dann schwebte Ihnen doch ein Deutschland vor, das sich von der sogenannten DDR und von der Bundesrepublik unterscheiden sollte. Sie haben unseren Staat auch deshalb in die Kategorie des Provisorischen gestellt, weil er IhFreiherr zu Guttenberg
rem Bild eines freien Deutschlands nicht entsprach, und Sie haben sich deshalb noch nicht - jedenfalls bisher noch nicht - dazu verstanden, Ihren Frieden mit der Ordnung dieser Bundesrepublik und damit doch mit diesem Staat zu machen. Sie haben ihn statt dessen als „Adenauer-Staat" und als „Bonner Staat" bezeichnet. Mir scheint, in diesem Punkte lag der tiefste und der selten ausgesprochene Grund des Streites zwischen uns und Ihnen. Uns geht es um die Selbstbestimmung für die Provinzen unseres Landes, die eine fremde Macht uns vorenthält. Sie, meine Damen und Herren - und das haben Sie doch selbst gesagt -, sahen in der deutschen Einheit auch ein Mittel, den sogenannten Bonner Staat zu überwinden und auf diese Weise jenen dritten Weg zu gehen, auf den 'die Linie Ihrer ganzen Politik verweist.
Aus diesem Grunde kann ich den Worten des Herrn Wehner nicht folgen, der heute morgen sagte, diese Fragen seien sinnlos. Denn es wäre eine Illusion, zu glauben, daß Gemeinsamkeit entstehen und verbleiben könnte, wenn in dieser Frage keine Klarheit herrschte, wenn wir uns einfach entschließen wollten, zehn kontroverse Jahre zu verschweigen, wenn wir glauben sollten, daß es in Zukunft möglich werde, gemeinsam deutsche Politik zu formulieren und zu führen, ohne über den Gegenstand dieser Politik 'einig zu sein, nämlich über Deutschland selbst.
An diese Frage schließt sich eine letzte Überlegung an. In allen alten funktionierenden Demokratien der Erde gibt es eine Diskussion des Parlaments um die Außenpolitik. Sie mag hier schärfer und dort weniger scharf geführt werden; aber sie gehört ganz einfach zur funktionierenden Demokratie. Eine solche Diskussion ist nützlich, wenn und soweit sie in den Grenzen bleibt, die das nationale Interesse setzt. Denn dieses Interesse fordert, einen Unterschied zu machen zwischen dem Bereich, in dem geredet, und dem Bereich, in dem gehandelt wird. In anderen Worten: Nationale Einigkeit bedeutet niemals Verzicht auf die Verhandlung eines Parlaments um das, was morgen sich vollziehen soll. Vielmehr, glaube ich, ist es eins der ungeschriebenen Gesetze einer 'demokratischen Gesellschaft, daß die berufene Regierung bei der Vertretung ihrer Politik nach außen auf die Unterstützung aller Kräfte zählen kann.
In unserem Lande war es bisher um diese nationale Einigkeit nur allzu schlecht bestellt. Es entbehrt vielleicht auch nicht - gestatten Sie mir, das zu sagen - einer gewissen Ironie, daß eben jene heute um Gemeinsamkeit sich sorgen, die in der Vergangenheit nicht zögerten, der berufenen Regierung bei der Vertretung ihrer Politik gegenüber anderen Mächten in den Arm zu fallen,
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indem sie sie verdächtigten, daß sie in Wahrheit das Gegenteil dessen wolle, was sie vertrat. Denn es ist doch ganz einfach wahr, daß Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, von der Regierung Adenauer sagten, sie sei statt an der Einheit unseres Landes an seiner fortgesetzten Spaltung interessiert.
Und es ist doch gleichfalls wahr, daß sie unsere Regierung des deutsch-nationalen Größenwahns bezichtigten - die gleiche Regierung, die sich im gleichen Moment mühen mußte, im Ausland um Vertrauen und Hilfe zu werben.
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Ihr Denken war doch bisher davon beherrscht, daß Ulbricht und der Bundeskanzler Adenauer, gewiß aus anderen Motiven, aber in der Sache doch der deutschen Wiedervereinigung im Wege stünden. Sie haben zwar als Opposition - niemand bestreitet das - das originäre Recht, die Regierung abzulehnen und nach ihrem Sturz zu trachten. Mit einem Satze aber - das muß ich sagen -, der den deutschen, frei gewählten Bundeskanzler in einem Atemzuge mit dem Quisling Ulbricht nennt, haben Sie ein Feld betreten, das keine Opposition jemals betreten sollte.
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Dieser deutsche Bundeskanzler ist nach unserem Grundgesetz und nach dem Willen einer Mehrheit unseres Volkes der erste Bevollmächtigte der deutschen Politik. Meine Damen und Herren, er wäre deshalb auch der Vollstrecker jener Politik, die Sie nach Ihrem Wunsch mit uns gemeinsam führen wollen. Ich zweifle keinen Augenblick daran, daß dieser Wunsch nach nationaler Einigkeit aus der ernsten Sorge stammt, die Sie um unsere deutsche Zukunft hegen. Aus dieser Sorge haben Sie an uns appelliert, zu einer gemeinsamen Bestandsaufnahme zusammenzutreten. Gestatten Sie mir aber, zu sagen, daß mir wichtiger, wirksamer und einfacher als diese Bemühungen um eine gemeinsame Bestandsaufnahme eine Erklärung der Opposition erschiene des Inhalts, daß sie die Arbeit des deutschen Bundeskanzlers für Freiheit, Frieden und Einigkeit würdigt, achtet und schätzt.
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Sie sollten nämlich nicht länger übersehen, daß um diesen Mann und um seinen Namen - das ist doch einfach unbestreitbar wahr, meine Damen und Herren,
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ganz einfach unbestreitbar wahr - das Urteil sich gebildet hat, das die Welt heute über Deutschland hat. Für den Westen ist er das Symbol des neuen freien Deutschland und für den Osten der meistgehaßte Gegner. Überlegen Sie sich bitte, welcher Seite Sie bisher in dieser Sache Ihre Hilfe gegeben haben.
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Das Wort hat der Bundesverteidigungsminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Wehner war heute so freundlich, mich sozusagen als Kronreferenz für wesentliche Elemente der sozialdemokratischen Politik zu zitieren, ich weiß nicht, ob der alten oder der neuen oder der gleichgebliebenen. Ich darf deshalb um Nachsicht und Ver7086
Bundesverteidigungsminister Strauß
ständnis dafür bitten, daß ich zu den Fragen und den Problemen, zu denen ich zitiert worden bin, aus der Stellung eines Ersatzreservisten II, würde ich sagen, bei dieser Debatte heraustreten und einige Bemerkungen machen muß.
Es ist richtig, Herr Kollege Wehner, daß ich von dem Wert und der Notwendigkeit einer gemeinsamen Außenpolitik gesprochen habe. Es ist selbstverständlich, daß ich bei dieser Feststellung bleibe. Denn eine gemeinsame Außenpolitik ist ohne jeden Zweifel ein hohes politisches Ziel, ein wertvolles politisches Gut und ist ohne jeden Zweifel eine erstrebenswerte Angelegenheit.
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Ich möchte die Gründe, die Sie mir heute morgen - ich darf sagen: richtig, wenn auch nicht erschöpfend - in den Mund gelegt haben, in kurzen Zügen kommentieren.
Sicherlich ist es gut und wertvoll, wenn eine Regierung in der Vertretung der legitimen nationalen Interessen des eigenen Volkes sich darauf berufen kann, und zwar glaubhaft darauf berufen kann, daß sie bei der Verfolgung dieser Ziele und bei der Vertretung dieser Interessen das Gewicht aller demokratischen politischen Kräfte des Landes hinter sich habe. Das erhöht ohne jeden Zweifel das Gewicht einer Regierung, erhöht das Gewicht ihrer Repräsentanz.
Aber ich möchte noch einen Schritt weiter gehen. Ich sage das gerade deshalb, weil mir bei meiner Reise durch die Vereinigten Staaten vor drei Wochen immer wieder eine Frage gestellt worden ist, frei von allen theoretischen Floskeln, frei auch von einer reservatio mentalis. Diese Frage wurde immer wieder gestellt, in offiziellen Kreisen, in geschlossenen Besprechungen, in offener Aussprache. Es war die Frage: Werden die Sozialdemokraten, wenn sie nach den Bundestagswahlen in die Lage versetzt werden sollten, den Gang der deutschen Politik zu bestimmen, eure Politik fortsetzen, oder werden sie diese Politik ändern? Hier handelt es sich nicht nur um das Gewicht der bestehenden Regierung. Gerade in der ernsten Situation, in der wir uns befinden, handelt es sich darum, daß die Politik eines Landes, gleichgültig wie sich die Mehrheiten innerhalb des demokratischen Lagers der Parteien gestalten, als kontinuierlich, als stabil, als zuverlässig und als vertrauenerweckend gilt!
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Ich darf das einmal von unserem Standpunkt aus hinsichtlich der amerikanischen Außenpolitik beleuchten: Wie würden z. B. wir unsere Politik gegenüber den Amerikanern, gegenüber den Vereinigten Staaten von Amerika, festlegen, wenn wir wüßten, daß die Sicherheitsgarantie für Berlin zwar ein Bestandteil der Politik Eisenhowers ist, daß aber bei einem kommenden Präsidenten, mag er heißen, wie er will, diese Gewähr nicht besteht und diese Frage von neuem gestellt wird?
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Genauso müssen Sie auch unsere Sorge sehen, nicht als einen Versuch, Sie mit Polemik zu überschütten
oder Ihnen provozierende Fragen zu stellen. Genauso müssen Sie unsere Sorge verstehen. Nicht um recht zu haben, stellen wir Fragen; nicht um recht zu haben, dringen wir auf eine Klärung, auf eine Bestandsaufnahme, die ja heute schon weitgehend erfolgt ist. Ich nehme an und hoffe, daß sie noch weitergehen wird; denn nur dann können wir auf die Kontinuität der Hilfe unserer Verbündeten in guten und in schlechten Tagen rechnen, wenn sich unsere Verbündeten ihrerseits auf die Kontinuität der deutschen Politik in Fragen von gemeinsamem Lebensinteresse verlassen können.
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Das ist unsere Sorge. Sie werden mir doch hoffentlich nicht unterstellen, daß das polemische, provozierende oder bösartige Fragen seien. Das sind wirklich lebenswichtige Probleme der deutschen Politik.
Es geht aber noch weiter. Gerade bei meiner letzten Reise durch die Vereinigten Staaten ist mir noch etwas noch deutlicher, ich darf sagen, schmerzlich deutlicher geworden als in der Vergangenheit: Es geht nicht nur um das Gewicht der bestehenden Regierung, es geht nicht nur um die Kontinuität auch über die nächsten Wahlen hinweg, es geht - ich bitte um Nachsicht, wenn ich jetzt einen lateinischen Ausdruck gebrauche - um die historia perennis eines Landes, um die geschichtliche Kontinuität! Insoweit darf ich ohne Übertreibung behaupten - das hat nicht allein, nicht vorzugsweise mit der Politik der SPD zu tun -, daß die Vorstellungen, die öffentliche Meinung unserer Bundesgenossen angesichts der deutschen Vergangenheit - ich meine nicht nur: der zwölf Jahre, sondern angesichts der ganzen geschichtlichen Entwicklung Deutschlands - mit dem Gefühl belastet ist, daß der soziale und politische Weg des deutschen Volkes nicht vorausbestimmt werden kann. Wenn wir in den Zustand kommen - und dazu können Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, einen wesentlichen, ich darf sogar sagen, einen entscheidenden Beitrag leisten -, daß nicht nur die bestehende Regierung ein erhöhtes Gewicht hat in der Vertretung nationaler Lebensinteressen, wenn nicht nur der deutschen Politik Stabilität und Kontinuität gegeben wird, sondern wenn dank der Zusammenarbeit der demokratischen Kräfte auch der deutschen geschichtlichen Entwicklung eine echte Kontinuität gegeben wird, dann haben wir viel erreicht. Denn dann fällt weg, was man in der ausländischen politischen Literatur die soziale und geschichtliche Unbestimmbarkeit des deutschen Volkes nennt!
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Das einzusehen, fällt Ihnen sicherlich nicht leicht, weil diese Frage auch so sehr mit der Person und der Politik des heutigen Bundeskanzlers verbunden ist. Aber es geht hier nicht um einen Mann mit einem in der Weltpolitik im Laufe von zehn Jahren groß und bedeutsam gewordenen Namen, es geht darum, ob diese Politik, die das Vertrauen unserer Freunde und den Respekt auch derer, die nicht so gute Freunde sind, gewonnen hat, über alle künftigen Wahlentscheidungen hinweg gesichert und geBundesverteidigungsminister Strauß
wahrt bleibt. Das ist doch die entscheidende Frage, und darauf können nur Sie bei der Bestandsaufnahme die Antwort geben und nicht wir.
Sie haben, Herr Kollege Wehner, von den Methoden gesprochen, die ich vorgeschlagen habe, und da haben Sie subjektiv die volle Wahrheit gesagt. Ich darf aber sagen, daß es Ihnen hier gegangen ist, wie es uns oft geht: daß man einer halben Berichterstattung zum Opfer fällt, die die Prämisse wegläßt und nur den zweiten Teil bringt. Ich darf hier sagen, wie ich es gesagt habe, auch wie ich es meine, Herr Kollege Wehner, auch heute noch meine; das ist auch jetzt noch gültig. Ich bin in der Weise gefragt worden: Ist denn nach der Vorgeschichte zwischen den beiden Parteien nicht eine öffentliche Auseinandersetzung ungeeignet, eine gemeinsame Außenpolitik herbeizuführen? Ich habe geantwortet: Natürlich ist eine offene Auseinandersetzung, die mit bestimmten Epitheta ornantia belastet ist, nicht der richtige Weg; aber es hat jetzt auch keinen Sinn, eine geheime Bestandsaufnahme mit der sozialdemokratischen Opposition in Camera caritatis oder in der Klausur zu machen; der erste Akt müßte vielmehr sein, daß die deutsche Sozialdemokratie diese Bestandsaufnahme bei sich selbst durchführt. Der Meinung bin ich auch heute noch.
Sie haben soeben von Herrn von Guttenberg - nach dieser Rede kann man sich eine Menge Arbeit sparen ({5})
ja eine Reihe von umfangreichen Äußerungen gehört, bei denen es sich nicht um einen Lapsus linguae handelte, der jedem Politiker unterlaufen kann und in der Zitierung dann dreimal so deutlich in Erscheinung tritt. Sie haben danach eine Reihe von politischen Äußerungen getan - und zwar waren es prominente, maßgebende, gewichtige Vertreter der Sozialdemokratie -, die einfach nicht auf einen Nenner gebracht werden können, die einfach nicht durchschaubar sind, die intellektuell gesehen nicht sauber sind. Ich bitte, das Wort nicht im moralischem Sinne zu verstehen. Sie sind einfach nicht sauber, so daß man nicht weiß, was Sie eigentlich damit sagen wollen. Wir meinen es wirklich so, und das war auch der Sinn meiner Worte, daß Sie eine Bestandsaufnahme bei sich selbst durchführen sollten, damit all das, was Wehner und Erler und Brandt und Ollenhauer und Carlo Schmid - ich möchte auch noch weniger Prominente hier im Hintergrund nennen, denn bei Ihnen trifft es ja leider manchmal zu, daß Ihre Propagandisten Formulierungen prägen, die entweder von den Politikern gedeckt werden müssen, was ihnen oft sehr schwerfällt, oder ignoriert werden müssen, weil sie nicht gedeckt werden können; Sie wissen ja, was ich damit meine - ausgeführt haben, auf einen Nenner gebracht werden kann. Sie sollten diese Bestandsaufnahme bei sich selbst durchführen und auch einmal ganz klar sagen, ob die Vorgänge der jüngsten Zeit für Sie eine Veranlassung sind, Ihre Politik in wesentlichen, in der Vorrede geschilderten Punkten zu modifizieren.
Der Sinn meiner Ausführungen ist nicht, zu sagen: Sie müssen den Gang nach Canossa antreten, oder: die bedingungslose Kapitulation ist der einzige
Weg. Man weiß ja, was für eine Partei in einem Wahljahr die Wahrung ihres Gesichts bedeutet. Aber es geht uns beiderseits nicht um die Wahrung des Gesichts, es geht um die Wahrheit und Klarheit in unserer Politik und darum, daß mit dem Wort auch die Realität verbunden wird.
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Ich fuhr fort, Herr Kollege Wehner, wenn das erfolgt ist, wenn Sie die Bestandsaufnahme bei sich durchgeführt haben und wenn Sie festgelegt haben, wo die Vorgänge ,der jüngsten Zeit nach Ihrem Urteil eine Änderung Ihrer Politik erforderlich machen, hat es einen Sinn, im Außenpolitischen Ausschuß oder in einem ähnlichen Gremium über diese Frage zu sprechen. Denn - ich kann das auf eine sehr lapidare einfache Formel bringen - für uns ist ja die Pariser Konferenz und ihr Ergebnis eine traurige Bestätigung und nicht eine völlig unerwartete Überraschung gewesen. Wir müssen hier auch gewisse Zungenschläge verhindern. Ich meine z. B. die Frage, die Sie an ,den Bundeskanzler gestellt haben - das war ebenfalls während meiner Reise durch die Vereinigten Staaten von Amerika
ob er sich über den Ausgang der Gipfelkonferenz gefreut habe. Sie wissen, ich meine das Interview von Sulzberger; daraufhin sind dann von Ihrer Seite bestimmte Fragen gestellt worden, ,die ich dann in der amerikanischen Presse gelesen habe. Man sollte auch hier intellektuell sauber definieren. Wir sind durch den Ausgang der Pariser Konferenz nicht überrascht worden. Wir hätten gern einen anderen Ausgang erlebt, einen echten Anfang der Entspannung, ein echtes Stück vorwärts auf dem Wege zur Abrüstung, ein echtes Stück vorwärts auf dem Wege zur Lösung der ,deutschen Frage, eine Revision unseres Urteils über den Kommunismus, -nicht zur Selbsttäuschung, sondern um eine Änderung der kommunistischen Haltung der letzten 15 Jahre zu erkennen. Wir sind aber leider in unseren unangenehmen Befürchtungen und Erwartungen bestätigt worden. Wir haben uns nicht darüber gefreut. Für Sie scheint doch die Pariser Konferenz irgendwie ein Anlaß zu sein, Ihre bisherige Politik zu durchdenken. Sonst wären uns alle Vorgänge in ,den letzten Wochen unverständlich. Dazu darf ich aber sagen, daß es besser ist, Sie fangen damit bei sich selber an, innerhalb Ihrer eigenen Reihen. Denn für Sie muß .die Pariser Konferenz ein Anlaß sein, irgend etwas anderes zu denken, etwas anderes vorzuschlagen als bisher.
Wir müssen leider sagen, daß wir durch die Pariser Konferenz in Grundsätzen und Zielen unserer Politik nur bestätigt worden sind, daß wir also zu einer Änderung unserer Grundsätze, Ziele oder Wege auch nicht den leisesten Grund sehen.
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Ich möchte das nicht lange ausdehnen, sondern aus der politischen Diskussion der letzten Zeit nur noch ein Beispiel nennen. Leider muß ich jetzt den amtierenden Präsidenten in seiner Eigenschaft als Abgeordneten zitieren. Es handelt sich um einen Artikel ,des Kollegen Dr. Carlo Schmid aus der „Neuen Rhein-Zeitung vom 7. Mai 1960 mit der
Bundesverteidigungsminister Strauß
verständlichen und berechtigten Überschrift ,,Liquidiert doch endlich den zweiten Weltkrieg!", eine sehr richtige Aufforderung, die wir aus vollem Herzen unterstützen. Der Kollege Dr, Schmid bringt an einer Stelle seines Artikels die Vorstellung zum Ausdruck, daß nach Beendigung des zweiten Weltkrieges die Verbündeten über die Teilung der Beute in Streit geraten seien. Dieser Artikel ist vor dem Ende der Gipfelkonferenz geschrieben worden; ich weiß nicht, ob er heute noch so geschrieben werden würde. Wenn diesem Artikel die Wertung und die Sicht zugrunde gelegen haben, daß die Verbündeten über .die Teilung der Beute in Streit geraten seien und daß wir deshalb weder dem einen noch dem anderen Bund angehören dürften, um die deutsche Frage zu lösen, dann nenne ich das eine Fehleinschätzung der politischen Situation und eine Fehleinschäzung der historischen Voraussetzungen, die zu dieser politischen Situation geführt haben. Denn nicht die Verbündeten sind über die Beute in Streit geraten. Sicherlich herrschten Sicherheitsinteressen, materielle Interessen, aber es besteht nicht der geringste Zweifel, daß die Alliierten des Westens und die Sieger des Ostens eine grundverschiedene Vorstellung von den Friedenszielen hatten. Sie waren sich einig hinsichtlich der kurz limitierten Kriegsziele - das war der militärische Sieg über Deutschland; es war ihr gutes Recht nach der Vorgeschichte, den zu verlangen -, aber hinsichtlich der Friedensziele haben doch die Vereinigten Staaten von Amerika als die mächtigste Siegermacht des Westens niemals irgendwelche Gebietsansprüche an uns gestellt oder von uns verlangt, daß wir ein bestimmtes soziales System wider unseren Willen übernehmen sollten.
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Ich behaupte in aller Deutlichkeit - diese Sache muß klargestellt werden, nicht, um in der Vegangenheit herumzuforschen und herumzustochern und dann zu rechten, wer recht oder unrecht gehabt hat -: die Frage ist nicht die Teilung der Beute zwischen den Alliierten, sondern die entscheidende Frage ist die, daß der Kommunismus von Anfang an die Chance, die ihm Hitler geboten hat, für den Zweck gebrauchen wollte, gebraucht hat und heute noch gebraucht, Deutschland in seine Hand zu bekommen, um mit Deutschland seine Herrschaft über Europa auszudehnen!
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Wenn wir in diesem Punkt einig wären und auch hinsichtlich der Konsequenzen, die daraus zu ziehen wären, wäre schon viel gewonnen. Denn wie kann man zu einem gemeinsamen Weg kommen, wenn man nicht ein Minimum von gemeinsamen Ausgangspunkten für die Wertung der gegenwärtigen Situation hat? Das wollte ich dem Herrn Kollegen Wehner zu diesem Punkt erwidern.
Lassen Sie mich zu Ende kommen. Ich habe ja nicht eine zusammenhängende Darstellung oder einen in sich geschlossenen Beitrag zu dieser Debatte geben wollen. Sie haben die vier Punkte genannt, die ich in Erlangen behandelt habe. Sie haben dazu die sechs Punkte des Regierenden Bürgermeisters von Berlin genannt. Dem waren ja die zehn Fragen vorausgegangen, die ich seinerzeit an Sie gerichtet habe. Es war gar nicht meine Absicht, von Ihnen darauf eine Antwort zu bekommen. Ich bin lange Zeit weniger Ihr Kronzeuge als Ihr Hauptangriffsziel, sagen wir einmal: gewesen. Wieweit es auch zur gemeinsamen Außenpolitik gehört, das zu ändern, ist eine Frage weiterer Überlegungen.
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Aber wenn eines Ihrer prominenten Fraktionsmitglieder, der Kollege Helmut Schmidt, mich nach Amerika begleitet - ich meine nicht in physischer Anwesenheit, sondern mit geistiger Verfolgung -, indem er sieben Fragen an mich richtet, und wenn er diese Fragen mit den Worten einleitet: „Bundesverteidigungsminister Strauß hat uns mit einer Flut von Fragen überschüttet - keine Fragen, sondern Polemik; sie sind zur Diskriminierung der SPD bestimmt und nur zu diesem Zweck in die grammatikalische Verkleidung der Frageform hineingekünstelt", so muß ich sagen: diese Art der Auseinandersetzung sollte man nicht weiterführen.
Ich möchte, um dem Hause Zeit zu ersparen, jetzt nicht die zehn Fragen wiederholen. Aber jede Frage berührt doch ein wesentliches Moment unserer Politik. Ich greife nur ein Beispiel heraus, ohne daß der Katalog vollständig ist, wenn ich Sie frage, ob Sie mit uns gemeinsam der Überzeugung sind, daß der Kommunismus nicht bereit ist, seine Machtposition in der Sowjetzone abzubauen, wenn wir im Westen aus der NATO austreten, sondern daß er die Herrschaft über die Sowjetzone und seine Möglichkeiten dazu gebrauchen will, die Herrschaft über ganz Deutschland und ganz Europa auszudehnen. Billigen Sie diese Auffassung oder nicht? Oder die andere Frage: Sind Sie auch heute noch der Auffassung, daß z. B. unser Austritt aus der NATO gegen den Austritt der sogenannten DDR aus dem sogenannten Warschauer Pakt, die Abschaffung der Wehrpflicht und die Ablegung der modernen Bewaffnung die Voraussetzung für die Zustimmung der Sowjets zu einem stufenweisen Abbau des kommunistischen Systems in der Sowjetzone wäre, beginnend mit dem Abzug der russischen Truppen? Ich muß Ihnen ganz offen sagen: ich glaube es nicht, weil ich eine andere Vorstellung von der Leninschen Ideologie, ihrer Missionsvorstellung und von ihren weltstrategischen und politischen Zielen in Europa und anderswo habe. Solange wir hier nicht auf einen gemeinsamen Nenner kommen, ist es müßig, Phrasen über irgendwelche Begriffe gemeinsam anzuwenden. Wir wollen nur die Wahrheit und die Klarheit darüber.
Ich darf auch dem Herrn Kollegen Wehner der intellektuellen Sauberkeit halber sagen: Sie haben mich heute morgen richtig zitiert. Allerdings gehören Sie auch zu der Kategorie von Politikern, die keine Zeit mehr haben, die Texte ganz zu lesen. Sie haben den Auszug meiner Worte aus der Rede ,des Kollegen Schmidt genommen und sich in eine Reihe mit denjenigen gestellt, ,die zwar zitieren, aber selbst bereits nur Auszüge gelesen haben. Das Zitat ist völlig korrekt. Man muß das aber in einem größeren Zusammenhang sehen. Die Bundesregierung, unsere politische Gruppierung, war immer
Bundesverteidigungsminister Strauß
bereit, die Bundesrepublik ganz oder teilweise zum Bestandteil einer Kontroll- und Inspektionszone zu machen, aber immer auch mit der Maßgabe - das werden Sie feststellen, wenn Sie den Text ganz lesen -, daß sich die Folgen und die Wirkungen dieser Abrüstung über die ganze Erde erstrecken, ohne daß ein einzelner Ausschnitt für sich allein und in sich ,geschlossen betrachtet wird. Diese unsere Vorstellung hat mit dem Disengagement-Gedanken nicht das geringste zu tun.
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Ich bin hier als Kronzeuge einfach nicht strapazierbar. Ich habe nicht gedacht, daß ich vom Feind Nr. 1 einmal zum sozialistischen Kirchenvater .befördert werden würde.
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Aber in dem Zusammenhang bin ich auch noch gesehen falsch zitiert worden.
Nun lassen Sie mich ein abschließendes Wort sagen! Sie haben vier Punkte von mir genannt, und Sie haben dem die Punkte des Regierenden Bürgermeisters von Berlin gegenübergestellt. Ich darf nur ganz kurz eine Wertung versuchen. Ich lese in den sechs Punkten des Regierenden Bürgermeisters von Berlin, das deutsche Volk halbe sich gegen die Diktatur und für die Gemeinschaft des Westens - ich nehme an: für die Gemeinschaft mit dem Westen - entschieden. Die Texte sind in der Presse nicht genau, sprachlich oder philologisch nicht genau. Wenn dieser Wortlaut stimmt, ,so ist das eine ohne Zweifel richtige Feststellung. Aber was steckt en Gehalt dahinter? Was heißt denn „Gemeinschaft mit dem-Westen"? „Gemeinschaft mit dem Westen" heißt doch, daß man die Entstehungsgeschichte der Verträge, die uns mit dem Westen zusammengeführt haben, heute jedenfalls von Ihrer Seite anders wertet, als Sie es damals getan haben, - heute; Sie brauchen es ,gar nicht zuzugeben! Und ,es heißt doch, daß man diese Gemeinschaft mit dem Westen mit all ihren Rechten und Pflichten als eine selbstverständliche Konsequenz trägt und weiterführt. Das ist mit einer einfachen Formulierung „Wir haben uns für den Westen entschieden und bleiben dabei" nicht zu machen. Es gibt eine normative Kraft des Faktischen - das haben wir erlebt -; aber es gibt keine Fakten ersetzende Kraft des Phraseologischen!
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Wenn man in einem weiteren Punkt sagt, die verantwortungsbewußten Kräfte des Volkes - Sie haben sie heute vormittag zitiert - seien gegen den Kommunismus und gegen die sowjetische Deutschlandpolitik, so ist das absolut richtig. Aber was steckt dahinter? In welchen Maßnahmen, in welchen ,Aktionen unserer Politik haben wir dem Ausdruck gegeben? Wir haben doch in den Aktionen und Maßnahmen dieser Einstellung Ausdruck gegeben, die Sie leider, sage ich, nicht mitgemacht haben. Aber wir wollen nicht über die Vergangenheit reden.
Darum muß ich fragen: sind Sie bereit, das in Zukunft gemeinsam zu tragen? Ich habe heute morgen wieder das im Lande zum Modewort gewordene „Ja zur Landesverteidigung" gehört. Ich darf Ihnen vom Standpunkt meiner Erfahrungen aus, deren Richtigkeit ich sehr wohl beweisen kann, folgendes sagen: Wer in Deutschland gegen die Verteidigungspflicht der Bürger auftritt und diese ablehnt, der kann nicht für die Fortführung des Aufbaues der Bundeswehr sein. Das ist definitiv unmöglich. Das ist ein Widerspruch in sich selbst.
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Sie bekommen selbstverständlich 100 000 Mann für eine Berufspolizei, für eine Polizei, die etwa mit den Waffen der Reichswehr - plus einigen technischen Fortschritten darin - ausgerüstet ist, bei hoher Bezahlung; die 100 000 Prätorianer bekommen Sie dafür. Kein Wort gegen sie. Unter anderen politischen Umständen würde eine solche militärische Ausrüstung völlig genügen. Aber bei uns? Wollen Sie wirklich die 12 Divisionen, die wir aufbauen müssen, wollen Sie wirklich die 20 und soundsoviel Luftgeschwader, wollen Sie wirklich die 20 und soundsoviel Verbände der Flotte mit ihren 360 000 Mann Kampftruppen für die NATO? Und dahinter kommt die Depot- und Basisorganisation. Wenn Sie das wollen, können Sie im Lande nicht herumlaufen und sagen: „Wir wollen die Wehrpflicht abschaffen" oder „Wir sind gegen die Wehrpflicht". Sie schaffen es ohne die Wehrpflicht nicht!
({15})
Man kann in der Politik hier nicht ein mit Nebel gefülltes Vakuum lassen und etwa argumentieren: Stockfinster war's, der Mond schien helle.
({16})
Entschuldigen Sie, ich habe das vielleicht etwas sehr einfach gesagt. Aber so kommt es einem vor, wenn Sie ein Ja zur Landesverteidigung sagen, jedoch im gleichen Atemzug erklären: Die Wehrpflicht lehnen wir ab. Wollen Sie sie abschaffen, wenn Sie das nächste Jahr an die Regierung kommen? Wenn Sie sie abschaffen wollen, wenn Sie das einhalten wollen, womit Sie sich in ihrer eigenen Partei die bekannten Schwierigkeiten gemacht haben, womit Sie im deutschen Volk zum Teil unberechtigte Vorstellungen geweckt haben, dann können Sie den weiteren Aufbau der Bundeswehr ruhig einstellen und die Erfüllung und Einlösung unserer NATO-Verpflichtungen langsam liquidieren.
Hier müssen Sie Farbe bekennen. Ich verlange nicht, daß Sie das hier in einem Zuruf oder in einer Rede tun; aber Sie müssen sich darüber klarwerden.
Dasselbe gilt für die Einschmelzung unserer Verbände in das westliche Verteidigungssystem. Dasselbe gilt für die Atomwaffen. Ich habe keine Zeit mehr, auf die Einzelheiten einzugehen. Aber diese Gedanken kommen mir, wenn ich die Fülle von Äußerungen von Ihrer Seite lese. Herr Kollege Erler hat noch im März, glaube ich, in der sozialistischen Jugendzeitschrift „Konsequent" den Austritt der Bundesrepublik aus der NATO, der sogenannten SBZ aus dem Warschauer Pakt und den Abzug der fremden Truppen aus einem bestimmten Gebiet verlangt, um damit die Voraussetzungen für eine
Bundesverteidigungsminister Strauß
innere Wandlung der politischen Verhältnisse zu schaffen. - Ich habe es in einer sozialdemokratischen Tageszeitung gelesen, nicht im Original, Herr Kollege Erler. Ich frage jetzt wirklich, nicht um hier von Ihnen eine Antwort zu bekommen -Sie haben im März geschrieben -: Würden Sie das am 1. Juli auch schreiben, wenn Ihre Freunde Sie einlüden, über dieses Thema einen Artikel zu schreiben? Würden Sie genau dasselbe wieder schreiben? Wenn Sie dasselbe schrieben, dann brauchen wir nicht über gemeinsame Außenpolitik zu reden, denn dann ist es nur eine wahltaktische Phrase auf beiden Seiten.
Ich will jetzt gar keine Vorwürfe erheben. Aber wir bleiben kaum bei Wahrheit und Klarheit, wenn wir in der Formulierung dieselben Worte in den Mund nehmen, in den Tatsachen jedoch schon im Ausgangspunkt meilenweit voneinander verschieden sind!
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Das ist die Bitte, die ich äußern darf und die Sie mir nicht übelnehmen dürfen.
In den sechs Punkten des Regierenden Bürgermeisters heißt es - in zwei verschiedenen Formulierungen -.
Bei aller Notwendigkeit, - lese ich in der „Welt"-
den Fragen der Sicherheit ins Auge zu sehen, muß das deutsche Volk und die Bundesrepublik jede Anstrengung machen, um zur Sicherung des Friedens in der Welt beizutragen.
Wir sind uns alle einig in großen Zielen. Ich habe noch niemanden getroffen, seit ich die knappen 15 Jahre im politischen Leben stehe, mit dem ich in den großen Zielen nicht einig war: Gegen Krieg, für Frieden, gegen Hunger, für Wohlstand, für Freiheit, Recht, Aufstieg der Menschheit, gesunde soziale Verhältnisse. Ich glaube, wir können die Grenzen der freien Welt ruhig überschreiten. Wir werden auch mit den Machthabern drüben noch in der Phraseologie, wenn man auch verschiedenes darunter versteht und die Realitäten dahinter ganz anders sind, einig gehen.
Darum bitte ich Sie wirklich, uns zu verstehen, daß wir heute vom Wort nichts mehr halten, wenn hinter dem Wort nicht dieselbe Begriffsauslegung und dieselbe Wirklichkeit der politischen Entscheidung steckt.
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Ich kann die Äußerungen des Herrn Regierenden Bürgermeisters Brandt nur so auslegen, daß er sagt: Bei aller Notwendigkeit, den Fragen der Sicherheit ins Auge zu sehen - also bei aller Notwendigkeit, die Landesverteidigung zu betreiben -, muß doch jede Möglichkeit ausgenutzt werden, zur Sicherung des Friedens in der Welt beizutragen. Hierin steckt doch eine paradoxe Auffassung. Ich habe allerdings aus der „Welt" zitiert und hoffe, daß mein Zitat wörtlich und sinngemäß jedenfalls richtig ist. Denn in der Situation, in der wir uns befinden, ist die
erste Anstrengung für den Frieden der Aufbau unserer Bundeswehr und die Erfüllung unserer Bündnispflichten. Es gibt keinen Widerspruch zwischen Beitrag zur Sicherung des Friedens auf der einen Seite und Aufbau der Landesverteidigung im Rahmen der NATO auf der anderen Seite. Das ist identisch, so wie die Weltlage zur Zeit ist. In einer anderen Lage mögen andere Maßnahmen gelten. Aber in unserer Lage ist der beste Beitrag zum Frieden in der so beschaffenen, konkret vor uns gestellten Situation, den Aufbau der Bundeswehr zu tragen und zum Ende zu führen, so wie wir es uns vorgenommen haben.
Darum nehmen Sie mir auch eine Bemerkung nicht übler, als Sie es ohnehin wahrscheinlich tun werden. Ich begegne doch, da ich mich ja nicht in einem Elfenbeinturm einsperren kann, landauf, landab den Folgen der politischen Reden, die Sie gehalten haben, und der von Ihnen ausgestreuten politischen Parolen.
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Wir erleben es in jeder Versammlung. Das sind doch nicht Kommunisten; dann müßten ja die Kommunisten einen stattlichen Prozentsatz haben; nein, S i e haben einen stattlichen Prozentsatz. Wir begegnen in jeder Versammlung hauptsächlich bei der Jugend - die Alten, die viel Erfahrung gesammelt haben, sind vielleicht noch leichter anzusprechen -den Wirkungen einer ganz verhängnisvollen - ich darf sagen - Verteidigungslosigkeitspropaganda. Und die müssen Sie abstellen, wenn der Begriff gemeinsame Außenpolitik eine Realität werden soll, i damit wir zusammenfinden und damit das Ausland hüben und drüben die Einstellung zu uns hat, die wir uns auf beiden Seiten, von dieser und von jener Seite, wünschen. Ich begegne aber doch landauf, landab der gekennzeichneten Haltung, daß sich z. B. in den Landtagen ein Minister Ihrer Partei, im Plenum oder im Ausschuß, hinstellt und sagt: 250 Millionen können wir ruhig aus dem Etat für Panzer oder für Verteidigung allgemein herausnehmen; damit bauen wir Schulen, Schwimmbäder, Sportplätze. - Ich möchte nicht in den Verruf kommen, gegen Schulen, Schwimmbäder, Sportplätze oder Kindergärten zu sein. Aber so, wie die Dinge liegen, müssen wir nach Prioritäten handeln, und die erste Priorität ist, unser Überleben in Freiheit zu sichern.
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Und wer das immer im kleinen oder im großen tut, sündigt dagegen. Ich habe das in der Landtagswahl in Baden-Württemberg gemerkt, und entschuldigen Sie, wenn ich von den ätherischen Hoffnungen einer gemeinsamen Formulierung in die rauhen Niederungen einer politischen Praxis heruntersteige; die werden wir ja nächstes Jahr wieder erleben. Können wir wirklich die Zuversicht haben, daß die Leistungen für die Landesverteidigung, die schmerzlichen Opfer finanzieller und wirtschaftlicher Art oder Geländeabtretungen usw. - wir wissen zwar, daß all diese Dinge örtlich weiterhin Schwierigkeiten machen - hinsichtlich ihrer Durchführung von den großen Parteien dieses Hauses, von allen
Bundesverteidigungsminister Strauß
Parteien dieses Hauses getragen werden? Haben wir die Gewähr dafür, daß Ihre Leute nicht mehr sagen: Mit der Munition, die da emgekauit worden ist, hätte man für diese Stadt 100 000 Wohnungen bauen können!? Ich könnte Ihnen sagen, wer das wo und wann gesagt hat. Sie werden mich doch wirklich verstehen und hoffentlich ernst genug nehmen und annehmen, daß es mir ernst damit ist und daß es mir nicht darum geht, gegen Sie ein Argument zu haben, d. h. um endlich einmal eine große, gemeinsame starke Basis aller politischen Krätte für den Aufbau dieser Armee zu schatten, die keine Regierungsarmee und keine Parteiarmee, sondern die eine Armee des deutschen Volkes ist, sein soll und werden wird.
({21})
ich weiß nicht mehr genau, wer es gesagt hat, aber mir ist in schriftlichen und mündlichen Äußerungen mehrmals - auch innerhalb der Bundeswehr - die Formulierung begegnet, die da heißt: Parteiarmee, Regierungsarmee. Die Bundeswehr darf nicht eine Regierungsarmee oder eine Parteiarmee werden; darin stimme ich bei gleicher Begriffsbildung und bei einer sauber gehandhabten Wirklichkeit völlig mit ihnen überein. Aber warum ist dieses Schlagwort überhaupt geprägt worden? Denken Sie, meine Damen und Herren, die Sie im Jahre 1950 schon in diesem Hause waren, doch einmal zurück! Damals entstand die Problematik der Sicherheit und einer deutschen Beteiligung an der europäischen Verteidigung. Die Einzelheiten sind so bekannt, daß ich mir jede einzelne Schilderung ersparen kann.
Was ist heute die Bundeswehr geworden? Wie ist sie entstanden? Sie ist doch so entstanden, daß die Regierung, daß der Bundeskanzler damals einige militärische Fachleute als seine Beauftragten geholt hat und sie mit den Alliierten zusammen in Gesprächen auf dem Petersberg darüber hat beraten lassen, was getan werden muß, um die Lücke in der europäischen Verteidigung zu schließen. Diese Regierung hat den Rat der Fachleute und die damit verbundenen Opfer und Unpopularitäten auf sich genommen, um das aufzustellen, was nach Meinung aller Vernünftigen in diesem Lande notwendig ist, um das Ziel zu erreichen.
({22})
Ich konnte nur einige Fragmente bieten aus den vier Punkten, die Herr Kollege Wehner genannt hat, nämlich europäische Einheit und atlantische Allianz als permanenter Bestandteil der deutschen Politik. Beim anderen Punkt, der Landesverteidigung, die von allen Seiten mit allen Konsequenzen getragen wird, wird sich in der politischen Diskussion draußen in den nächsten Wochen zeigen, ob Sie wirklich noch die Autorität bei Ihren eigenen Wählern und Anhängern haben, das zu vertreten, was Sie bisher bekämpft haben. Das ist eine sehr wesentliche Angelegenheit. Dann - was sicher für die Lage gilt, so wie sie ist -: „Schluß mit den Disengagement-Plänen!"
Ich habe heute mit großer Zustimmung gehört, wie Sie meinen vierten Punkt betonen: Selbstbestimmungsrecht. Aber mir hallt es immer noch schauerlich in den Ohren, was ich, was wir jahrelang anhören mußten, daß nämlich die Forderung nach freien Wahlen als abgestandener Ladenhüter, als verstaubtes Requisit derer bezeichnet wurde, die von der Weltlage nichts mehr verstünden, die nicht realistisch genug seien, die nicht fortschrittlich genug seien, daß sogar die Forderung nach freien Wahlen als Sabotage an der Wiedervereinigung ausgelegt worden ist, weil sie so unrealistisch sei angesichts der berechtigten sowjetischen Forderung auf Sicherheit, daß man den Sowjets das nicht zumuten könne. Sehen Sie, das sind einige Beiträge, Herr Kollege Wehner - damit darf ich den Ring meiner sehr kurzen und unvollkommenen Überlegungen schließen -, das sind einige Fakten zu dem, was ich hinsichtlich der Methode, wie man eine gemeinsame Außenpolitik herbeiführen kann, gemeint habe. Diese Fragen können nicht hier geklärt werden. Diese Fragen können von Ihnen nicht allein durch das Aussprechen von Worten oder Begriffen geklärt werden. Diese Bestandsaufnahme muß in Ihrem eigenen Schoße erfolgen. Sie müssen selbst in Ihren eigenen Reihen klären, welche Konsequenzen Sie ziehen wollen. Und dann, glaube ich, wird jeder Demokrat in diesem Land dankbar sein für ein Gespräch, das das Gewicht unseres Landes und die Lebens- und Zukunftshoffnungen unserer Nation verstärkt.
({23})
Das Wort hat der Abgeordnete Erler.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es tut mir aufrichtig leid, daß der Herr Kollege Guttenberg offenbar keine Zeit mehr hatte, seine Rede nach dem Anhören der Rede unseres Kollegen Herbert Wehner noch ein bißchen umzuformen. Es wäre sicher manches anders gewesen, wenn er etwas mehr Zeit dafür zur Verfügung gehabt hätte. Ich möchte vorschlagen, daß Sie einmal in einer Mußestunde diese beiden Reden nebeneinanderlegen. Der Vergleich wird außerordentlich interessant sein. Vielleicht gehört gerade dieser Vergleich der beiden Reden zu der Bestandsaufnahme, um die oder um deren Einleitung, es ja doch wohl in Wahrheit heute gehen sollte.
Die Rede des Kollegen von Guttenberg war eine Rede der Selbstgerechtigkeit:
({0})
Auf der einen Seite des Hauses hat es nie Probleme, nie Schwierigkeiten gegeben; der Weg in die Zukunft ist so glasklar, als ob wir uns in der Welt nicht einer Fülle von Problemen gegenübersähen, die gemeinsames Nachdenken geradezu zur Pflicht machen, wie auch die Gegensätze früher zwischen uns gewesen sein mögen.
({1})
Da kommt eine neue Großmacht auf, China, und klopft an die Tür und wird das Abrüstungsgespräch, dessen Wichtigkeit der Bundeskanzler und auch die
Regierung in ihren Erklärungen immer wieder so hervorgehoben haben, entscheidend beeinflussen. Da bekommen die Vereinten Nationen eine ganz andere Zusammensetzung. Und mancher von uns hat doch einmal die Vorstellung gehabt, daß unter Umständen vielleicht auch die Frage des Selbstbestimmungsrechtes unseres Volkes einmal vor diesem Forum als letzter Zuflucht erörtert werden müßte und daß wir dann auf jeden angewiesen sein würden, der dort Sitz und Stimme hat, daß es also darauf ankäme, sich auch um die Neuen, die in die Vereinten Nationen hineinkommen, entsprechend zu bemühen. Da ist nach dem Nichtzustandekommen der Gipfelkonferenz nun auch der eine weitere Gesprächsfaden in Genf zerrissen. Da besteht die Gefahr, daß angesichts der Sorgen, die andere Völker heute haben, die deutsche Frage, das Schicksal unserer Landsleute in der Sowjetzone aus der Erörterung in der Welt verschwindet.
Für uns in diesem Hause alles kein Anlaß, nachzudenken! Wir haben ja immer in allem recht gehabt! So tönt es von den Regierungsbänken.
Niemand kann die Bundesregierung und niemand kann die Mehrheitspartei daran hindern, auf die geistigen und politischen Fähigkeiten, die nun einmal auch in der Opposition zu Hause sind, zu verzichten, meine Damen und Herren. Ob das aber für unser Volk ein Gewinn ist, das wird sich weisen.
Sie sprechen wie wir von der dringend erforderlichen westlichen Solidarität. Meinen Sie denn, daß diese Solidarität die Belastungsproben der Zukunft ungefährdet überstehen kann, wenn Sie durch Ihr Verhalten versuchen, einen großen Teil unseres eigenen Volkes von ihr fernzuhalten?
({2})
Das geht eben nicht, und deshalb kann es heute bei der Debatte doch nicht darum gehen, daß man in mehr oder minder gemessenen Worten die Kapitulation der Sozialdemokratischen Partei verlangt. Ich hätte bei manchem Sprecher vorhin beinahe den Eindruck gehabt: eigentlich müßten wir ja nun alle als reuige Sünder in die Christlich-Demokratische Union eintreten.
({3})
Aber das haben Sie doch wahrscheinlich selber nicht erwartet.
Das, was Sie hier dargetan haben, spricht zwar alles von viel Selbstbewußtsein. Einer Nachprüfung der Notwendigkeiten der Stunde wird es nicht gerecht.
Ich habe vorhin gesagt, die heutige Debatte soll der Bestandsaufnahme dienen. Sie ist ja noch nicht die Bestandsaufnahme selbst. Sie ist der Auftakt. Mein Freund Herbert Wehner und auch ich haben dargelegt, wie notwendig es wäre, daß, Herr Minister Strauß, nicht nur die Sozialdemokratische Partei, sondern alle Gutwilligen den Weg der Vergangenheit sich noch einmal zu Gemüte führen und vor allem - das ist viel entscheidender - prüfen, was in der Zukunft, und zwar in erster Linie in der nächsten Runde internationaler Diplomatie zu geschehen hat.
Eine gemeinsame Politik mindestens auf Teilgebieten kann doch erst das Ergebnis der Bestandsaufnahme sein, und die können Sie doch nicht als Voraussetzung fordern, bevor man zusammen daran gearbeitet hat. Da will ich Ihnen einmal schildern - mein Freund Wehner hat sich hier mit einem Zitat des ehemaligen amerikanischen Außenministers Byrnes begnügt -, wie die Amerikaner das machen. Da gibt es den Senatsausschuß für auswärtige Angelegenheiten. Dieser hat mit viel Geld - so viel haben wir leider nicht - und vielen anderen Hilfsmitteln eine ganze Serie von Studien in Auftrag gegeben. Wenn Sie nun sagen, das alles sei in den letzten zehn Jahren so eindeutig und klar gewesen, dann möchte ich doch eigentlich annehmen, daß das bei den Vereinigten Staaten mindestens genauso eindeutig und klar gewesen ist. Warum wohl vergibt man dort 15 Studienaufträge an die verschiedensten Forschungseinrichtungen, privaten Forschungsgruppen und Universitäten über die verschiedensten Aspekte der amerikanischen Außen-und Verteidigungspolitik, über die ideologischen Konflikte in der Welt, ihre Ursachen, ihre Auswirkungen in verschiedenen Ländern, über die ökonomischen Probleme, über die Auswirkungen der Auslandshilfe, über die technische Entwicklung sowohl auf dem militärischen als auch auf dem nicht militärischen Gebiet, die Auswirkungen dieser beiden Dinge auf die Außenpolitik, auf die Verteidigungspolitik, auf die Strategie? Offenbar hat das nur eine Weltmacht nötig, wir brauchen das alles nicht.
Meine Damen und Herren, ich bin enttäuscht davon, daß Sie nicht mit ein wenig mehr gutem Willen versucht haben, heute schon die Bereitschaft - nicht zu einem ähnlichen Werk; da fehlt uns die Zeit, und es fehlen uns in der ganzen Bundesrepublik sogar einfach die Kräfte dazu, das durchzuführen - wenigstens mit dem Mindestmaß, das wir selber mit unseren Behörden, mit der Bundesregierung, dem Auswärtigen Amt und mit diesem Hause hier aufbringen können, zu zeigen, daß wir uns an das Studium der Probleme heranmachen, denen heute keine deutsche Außenpolitik mehr aus dem Wege gehen kann, weil sich deutsche Außenpolitik, so wichtig die Fragen der Verteidigungspolitik sind, so wichtig die Fragen der Wehrverfassung sind, so wichtig die Fragen der Aufrüstung und Bewaffnung der Bundeswehr sind, nicht allein auf die beiden Formeln „Wehrpflicht" und „Atomwaffen" reduzieren läßt, wo Sie alle außenpolitischen Entscheidungen unterbringen wollen.
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Meine Damen und Herren, bei einer solchen Bestandsaufnahme geht es doch auch gar nicht um „alles oder nichts". Wir wären merkwürdig gebaut - das gibt es doch in keinem Lande der Welt, selbst dort nicht, wo Opposition und Regierung in außenpolitischen Fragen einander stützen und tragen -, wenn wir in allen Fragen einer Meinung wären; das gibt es gar nicht. Da bleiben unter Umständen immer noch sehr wesentliche Aspekte draußen, in denen die Diskussion weitergeht, in denen man sich nicht zu gemeinsamen Beschlüssen und Handlungen hat durchringen können. Aber man
prüft wenigstens sorgsam: wie weit kann das Feld gesteckt werden, auf dem das Interesse des eigenen Volkes besser gewahrt werden kann, wenn es von allen demokratischen Kräften getragen wird und nicht nur von der Regierung und ihrer Mehrheitspartei.
Sie versuchen, es auf den Punkt hinzubringen: „alles oder nichts." Das ist nie ein guter Rat in der Politik. Vielmehr müssen wir uns um ein Höchstmaß bemühen. Dann wird immer noch - seien wir ehrlich - manches draußen bleiben und auch heute nicht ohne weiteres in dem Höchstmaß unterzubringen sein.
Da ist von der loyalen Erfüllung der für die Bundesrepublik geltenden Verträge gesprochen worden. Darüber herrscht kein Streit: Verträge kann man nicht dadurch austrocknen, ausdorren lassen, daß man dem Buchstaben nach so tut, als erfülle man sie. Deutsche Politik wird verhandlungsunfähig, wenn sich nicht jeder Partner, der einen Vertrag mit einer deutschen Regierung abgeschlossen hat, darauf verlassen kann, daß auch die nachfolgende deutsche Regierung den Vertrag nach Wortlaut und Sinn einzuhalten sich bemüht.
({5})
Darüber waren wir uns längst einig. Da braucht man gar keine großen Schwüre abzuhalten; man sollte endlich einmal zur Kenntnis nehmen, daß das so ist.
Ein solcher Vertrag kann und darf nun nicht nur militärisch - wir wollen es gar nicht so einseitig sehen -, sondern er muß auch politisch genutzt werden. Herbert Wehner hat nicht nur von der NATO, sondern von dem ganzen System der Verträge, das die Bundesrepublik Deutschland abgeschlossen hat, gesagt, daß sie die Grundlage und der Rahmen auch für die Wiedervereinigungspolitik seien. Wie kann es heute anders sein? Es gibt doch heute keinen anderen Rahmen, in dem wir uns bewegen können, um unsere Bundesgenossen hier zu einer gemeinsamen Politik zu ermuntern. Das steht nun einmal so da, und es ist selbstverständlich, daß das auch so gehalten wird.
Aber unabhängig davon, was nun die Bundesregierung in einem solchen Vertragsrahmen mit ihren Vertragspartnern an Gedanken zu entwickeln hat, um den Rahmen auch auszufüllen, um auch ein Höchstmaß an praktischen Fortschritten in den uns bedrängenden Fragen in Zusammenarbeit mit den Partnern zu erreichen - darüber kann man diskutieren und muß man vor allem mit den Partnern diskutieren -, gibt es sogar auf militärischem Gebiet über das, was nötig und was zweckmäßig ist, auch unter denen, die die Verträge seinerzeit geschaffen haben, in zahlreichen Ländern Meinungsverschiedenheiten, Nuancen. Warum soll es bei uns auf diesem Gebiet plötzlich keine mehr geben? Wir müssen nur die Bereitschaft haben, diese Probleme einmal mit der Fülle von Informationen sorgsam zu durchdenken, über die die Bundesregierung verfügt und die Opposition leider nur bruchstückweise. Früher wurde uns gelegentlich vom Außenminister gesagt, sogar der Auswärtige Ausschuß sei dazu zu
groß. Jetzt heißt es plötzlich, das Plenum des Bundestages sei dafür zu klein, damit müsse man vor die ganze Nation treten. Über all diese Einzelheiten muß man in den dafür in diesem Hause geschaffenen Gremien sorgsam reden.
Dabei möchte ich mich gegen die auch in dieser Debatte leider allzu stark zum Vorschein gekommene Überbetonung der militärtechnischen Erwägungen wenden. Der Historiker Percy Schramm, der
sich jetzt durch die Herausgabe der Kriegstagebücher aus dem zweiten Weltkrieg ein Verdienst erworben hat, hat in einem Aufsatz in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung am 18. Juni 1960 über den Generalobersten Beck geschrieben:
Beck hat, wie seine „Studien" beweisen, als erster erkannt, daß wir in ein Zeitalter eingetreten sind, in dem die staatsmännischen und politischen Kräfte in erster Linie über die Völkerschicksale entscheiden. Rüstung und Rüstungsgleichgewicht sind allerdings auch dann notwendig, aber nicht als militärischer Selbstzweck, sondern als Subsidien einer klugen, verantwortlichen und
- auch das hat er noch gesagt -wendigen Politik.
Einer Politik, die zehn Jahre lang auf dem gleichen Kurs läuft, kann man, glaube ich, nicht ohne weiteres das Prädikat „wendig" zusprechen.
({6})
Nebenbei: ganz so unbeweglich waren Sie ja gar nicht. Aber die Rede des Freiherrn zu Guttenberg hat aus der Unbeweglichkeit ja beinahe noch einen Stolz gemacht.
Hier taucht das Wort vom Gleichgewicht auf. Das sollen wir uns alle sorgsam zu Gemüte führen; daran darf nicht gerüttelt werden, und jeder weiß, daß das heute nicht für die Bundesrepublik allein gelten kann, sondern daß es sich hier um globale Zusammenhänge handelt und um eine Arbeitsteilung, wo also nicht jeder alles haben kann und bei vernünftiger Arbeitsteilung sogar nicht haben soll, wobei also über Organisation, Bewaffnung, Führung nach geographischen, militärtechnischen und strategischen Bedingungen jedes Landes gesprochen und entschieden werden muß, wie das ja die skandinavischen Staaten auch für sich in Anspruch nehmen. Das ist keine Frage der Gleichberechtigung. Denn wenn Sie es auf den Punkt zuspitzen, dann landen Sie dort, wo der Verteidigungsminister nach eigenem Ausspruch ausdrücklich nicht hin will: dann landen Sie bei der Wasserstoffbombe für die Bundesrepublik Deutschland, die er doch - aus guten Gründen, glaube ich - nicht haben will. Es gibt also Grenzen. Gut, wenn er einsieht, daß sie nicht aus dem Prinzip der Gleichberechtigung alle fallen müssen, daß es logische Grenzen gibt, dann kann man sich auch darüber unterhalten, wo diese Grenze für unser Volk und für die Bedürfnisse der westlichen Verteidigung am zweckmäßigsten und richtigsten zu ziehen ist.
({7})
Damit reduziert sich das auf eine Frage der militärischen und auch politischen Zweckmäßigkeit.
Meine Damen und Herren! Ich sprach vorhin davon, daß die Gefahr besteht, daß die deutsche Frage unter anderen Sorgen untergeht. Dabei stellt sich die Frage: was wird aus unseren Landsleuten drüben, wenn sich die Hoffnungslosigkeit ihrer bemächtigt? Wie soll Berlin auf die Dauer gesichert werden? Wie soll verhindert werden - ein Punkt, den Herbert Wehner heute erwähnte und der, glaube ich, des Nachdenkens wert wäre -, daß durch einseitige Aktionen der anderen sowohl der Status Deutschlands als auch der unserer bedrohten Hauptstadt Berlin so verändert wird, daß eben militärische Mittel allein nicht die Antwort sind?
({8})
Lohnt es sich nicht, darüber einmal nachzudenken? Sehen Sie nicht, daß es auch andere Gefahren gibt, mit denen man sich hier auseinandersetzen muß? Diese Diskussion ist selbstverständlich, wenn wir unter uns gesprochen haben, nur in Gemeinschaft mit dem Westen möglich, und dazu müssen wir unseren Einfluß in der NATO ausüben.
Dann ist hier die Vergangenheit heraufbeschworen worden und ein Satz, den ich - ,allerdings nicht so im Wortlaut, deswegen werde ich ihn Ihnen jetzt sinngemäß bekanntgeben vor einigen Tagen in Heilbronn gesprochen habe. Dort wurden wir gefragt, ob wir denn alle unsere Kritik, die wir in der Vergangenheit an dem Zustandekommen der Einschmelzung der Bundesrepublik in das westliche Militärbündnis und vorher schon der anderen Seite in den Sowjetblock geübt haben, nun aufzugeben hätten. Da will ich Ihnen hier etwas vorlesen, einfach als ein Beweis dafür, daß wir nicht weiterkommen, wenn wir an diese Dinge nur mit Selbstgerechtigkeit herangehen. Der Herr Bundeskanzler hat am 15. Dezember 1954 hier im Bundestag gesagt:
Das Vertragswerk macht ,die Bundesrepublik erst fähig, die Spaltung Deutschlands zu beseitigen und ,die sich mit der Wiedervereinigung stellenden Aufgaben zu bewältigen.
Und vorher, am 16. März 1952 - in einer interessanten Zeit, es war eine Woche nach der Note vom 10. März 1952 - hat der Herr Bundeskanzler in Siegen gesagt:
Ich bin fest davon überzeugt - und auch die letzte Note Sowjetrußlands ist wieder ein Beweis dafür -, daß, wenn wir auf diesem Wege fortfahren, der Zeitpunkt nicht mehr allzu fern ist, zu dem Sowjetrußland sich zu ,einem vernünftigen Gespräch bereit erklärt.
Das ist acht Jahre her. Für „nicht allzufern" sind acht Jahre, glaube ich, recht kühn angesetzt.
Das sind zwei Zitate von vielen. Ich will hier gar nicht in Schadenfreude verfallen; nein, wir können hier nur dem tiefen Bedauern Ausdruck geben, daß die Hoffnungen, die Sie damals an den Abschluß der Verträge geknüpft haben, offensichtlich nicht in Erfüllung gegangen sind, daß also auch Sie, meine Damen und Herren, Anlaß haben, manches zu überdenken. Wessen Illusionen sind nun eigentlich damit zerstoben, daß die deutsche Frage jetzt offensichtlich nicht unter den Aspekten behandelt werden kann, unter denen Sie damals glaubten sie behandeln zu können?
Sicher, für die Opposition gilt schließlich auch, daß sich die Machtverhältnisse seit den Jahren 1952 und 1955 ganz entscheidend gewandelt haben, daß manches, was sich damals als denkbarer Weg zur Lösung der deutschen Frage abzeichnete, heute nicht mehr gangbar ist. Es wäre vermessen, das nicht zugestehen zu wollen. Aber es wäre genauso vermessen, auf der Behauptung zu bestehen, daß nun nach diesen Verträgen sich herausgestellt habe, sie seien der sicherste Weg, um schnell und bald zu Verhandlungen über die Wiedervereinigung Deutschlands kommen zu können.
({9})
Damit bin ich bei einem Punkt, der für das Verhältnis von Regierung und Opposition nicht ganz uninteressant ist. Hier wurde heute eine Fragestunde veranstaltet. Wir haben im Parlament aus gutem Grund die Fragestunde. Da wird die verantwortliche Regierung befragt über das, was sie tut oder auch nicht tut, über ihre Meinung. Die Fragestunde richtet sich eben nicht an den einzelnen Parlamentarier und fragt nicht nach seinen Meinungen, sondern das Parlament ist die Kontrollinstanz für die Tätigkeit der Regierung, die ja dafür auch die Verantwortung trägt, der die Verantwortung dafür übertragen worden ist. Sie hat zu erklären, was sie getan hat, warum sie eventuell etwas unterlassen hat, und was sie zu tun gedenkt.
Natürlich hat der Wähler einen Anspruch darauf, bei Wahlen zu wissen, wie die Parteien sich eigentlich die politische Entwicklung vorstellen. Aber, meine Damen und Herren, die Wahlen sind im nächsten Jahr, und wir werden die Neugierde und den Anspruch der Wähler sehr gern befriedigen. Aber in diesem Jahr haben das Parlament und unser Volk ein Recht, zu erfahren, was die Regierung jetzt zu tun gedenkt, um die deutsche Frage und das festgefahrene Abrüstungsgespräch wieder in Gang bringen zu helfen.
({10})
Darüber haben wir nichts gehört. Zum Abrüstungsgespräch hat der Bundesverteidigungsminister sich in Amerika auf die kurze Formel beschränkt, er sei dafür nicht zuständig.
Meine Damen und Herren, ich hätte - wenn wir nun schon Fragen an Abgeordnete hier durchführen - vom Herrn Kollegen von Guttenberg gern einmal gewußt - nachdem er sich so intensiv mit dem Deutschlandplan der Sozialdemokraten, zu dem Herbert Wehner hier das Entscheidende gesagt hat, beschäftigt hat -, wie er sich sehr konkret und sehr im einzelnen praktisch den Weg zur Wiedervereinigung Deutschlands vorstellt.
({11})
ohne als Voraussetzung den militärischen und politischen Zusammenbruch der Sowjetunion vorher anzunehmen; denn auf ,den können wir uns leider nicht einstellen.
({12})
Da wir nun gerade bei der Wiedervereinigungspolitik sind, möchte ich hier nur einen Irrtum richtigstellen; eine Richtigstellung, an der mir sehr viel liegt und an der auch Ihnen liegen sollte. Die Sozialdemokraten haben zu keiner Stunde auf freie Wahlen in ganz Deutschland verzichtet. Sie haben sich immer - und das ist unsere wie Ihre Pflicht - Gedanken darüber gemacht - man kann sie kritisieren, man kann sie schelten, man kann sagen, die Gedanken waren falsch; aber es waren Gedanken aus einer bohrenden Sorge -: Wie kann man freie Wahlen auch in Mitteldeutschland herbeiführen? Das ist die Sorge, die uns bewegt hat.
({13})
Aus diesem sehr verständlichen Verhältnis zur Demokratie, zur Selbstregierung durch frei gewählte Organe schreibt sich auch her unser Verhältnis zu diesem Staat. Verehrter Kollege von Guttenberg, ich weiß nicht, ob Sie die Absicht hatten, zu verletzen. Aber mich hat es verletzt, daß Sie die Treue der Sozialdemokratischen Partei zu jener freiheitlich-demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland in Zweifel gezogen haben, das wir mit beschlossen haben und dem die CSU damals ihre Zustimmung großenteils nicht gegeben hat.
({14})
Wir bekennen uns zu diesem Staat. Wir bekämpfen nicht diesen Staat, sondern wir kämpfen darum, daß dieser Staat eine andere Regierung bekommt. Es ist unser Recht und unser oppositioneller Auftrag, für eine andere Regierung zu kämpfen. Das werden Sie uns nicht bestreiten können.
({15})
Wir wehren uns aber dagegen, daß sich aus der Art, wie mancher das Verhältnis der Sozialdemokratischen Partei zum Staat glaubt definieren zu können, praktisch doch die Vorstellung ergibt, er und seine Partei hielten sich für den Staat. Das ist ein entscheidender Irrtum, meine Damen und Herren, vor dem nicht genug gewarnt werden kann!
({16})
- Nehmen wir das Wort vom Provisorium.
({17})
Hier handelt es sich darum, daß uns das von uns gemeinsam erarbeitete Grundgesetz den Auftrag gegeben hat, diesen Staat einmal in ein Gesamtdeutschland zu überführen, dessen endgültig vom gesamten deutschen Volk in freien Wahlen gebildete Nationalversammlung eine Verfassung zu beschließen hat, die die unsere dann in einem wiedervereinigten Deutschland in gesicherter Freiheit ablösen wird. So steht es in der Verfassung. Halten Sie es damit, oder halten Sie es nicht damit? Auch das ist eine Frage!
({18})
Nur in diesem Sinne, nicht abwertend, sondern als den einzigen Teil Deutschlands, in dem Freiheit herrscht, als den Teil auch, in dem wir, solange die anderen nicht selbst für sich sprechen können, für alle Deutschen sprechen, haben wir die Bundesrepublik zu betrachten. Sie ist nur insofern - jawohl - ein Provisorium, als wir nach dem Auftrag unserer Verfassung diesen Staat in der Zukunft in das ganze Deutschland einzubringen haben. Sonst, wenn Sie die Bundesrepublik als endgültig für alle Zeiten bezeichnen, sperren Sie praktisch einen Teil unseres eigenen Volkes aus diesem Staat aus!
({19})
Dabei will ich Ihnen in einem Punkt gleich recht geben: Der künftige Verfassungsgesetzgeber - das ist der Sinn, das ist ,der Auftrag, .den wir durch die Erkämpfung freier Wahlen hoffen erlangen zu können - soll, von den lebendigen freiheitlich-demokratischen Kräften getragen, so aussehen, daß das wiedervereinigte Deutschland über eine freiheitlichdemokratische Grundordnung verfügt und - jawohl, so wie es ebenfalls in unserem Grundgesetz steht - ein sozialer Rechtsstaat ist. Dafür werden wir kämpfen. Dabei wird uns jeder willkommen sein, hoffentlich auch Ihnen, der sich in diesem Sinne für die Übertragung der wesentlichen Grundrechte und -freiheiten unserer Bundesrepublik Deutschland in das künftige gesamtdeutsche Gebäude einsetzt.
({20})
Aber, meine Damen und Herren, wie das künftige gesamtdeutsche Haus im übrigen innen aussieht, wie ein freies Volk in einer freiheitlich-demokratischen Ordnung sein Haus einrichtet, ist dann sache des ganzen deutschen Volkes, nicht nur der jetzigen Einwohner der Bundesrepublik. Denn sonst betrügen wir unsere Landsleute in Mitteldeutschland gerade um das, was wir für sie erkämpfen wollen, nämlich urn den Sinn der freien Wahlen, die ihnen doch ein Mitbestimmungsrecht mit uns zusammen über das ganze deutsche Haus einräumen sollen.
({21})
Nun eine kleine Korrektur zu der Bemerkung, mein Freund Thomas habe die Einheit für wertvoller erklärt als die Freiheit. Er hat mir eine kleine Aufzeichnung geschickt. Bei der Tagung ist argumentiert worden, die nationale Einheit sei kein Gut an sich, und es blieb nach den Gedankengängen von Martini, die ja heute hier schon eine Rolle gespielt haben, nur die Freiheit übrig. Es wäre sicher ein unerhörter Fortschritt, wenn es gelänge, zunächst einmal die Freiheit der Mitteldeutschen herzustellen, Niemand könnte so vermessen sein, das von sich zu weisen mit der Begründung: Da haben wir nicht gleich auch die Einheit dabei. Aber das Ziel, das wir uns vorgenommen haben - und politisch gehört es doch wohl auch zusammen - ist die gesicherte Einheit in Freiheit. Wenn man die Einheit nicht mehr als ein Gut bezeichnet, das auch erstrebenswert wäre, hat man eine politische Entscheidung getroffen, die den Kampf um die Einheit des Vaterlandes schwächen müßte.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ja, gern!
Herr Kollege Erler, ist Ihnen klar, daß Sie soeben einen Satz zurückgewiesen haben, den ich gar nicht gebraucht habe? Ich habe nämlich nicht gesagt, Herr Thomas habe erklärt, daß ihm die Einheit wichtiger sei als die Freiheit.
({0})
- Haben Sie nicht gehört, daß ich Herrn Thomas so zitiert habe, daß er erklärt habe, das zentrale Anliegen der deutschen Politik sei die Einheit?
Ich bin gern bereit, das im Protokoll nachzulesen. Ich bin Ihnen für die Korrektur dankbar. Ich sage Ihnen nur ganz ehrlich: ich habe es anders im Ohr. Man kann sich ja täuschen. Ich habe das anders im Ohr gehabt, und wenn Herr Thomas es nicht auch anders im Ohr gehabt hätte, hätte er nicht von sich aus diese Notiz geschickt.
Doch nun zurück zu einem anderen Punkt Ihrer Rede. Sie haben versucht, das Suchen des freiheitlichen Sozialismus nach seinem Standort zu umschreiben. Verehrter Herr zu Guttenberg, lassen Sie sich einmal gesagt sein: Die westliche Gemeinschaft sogar in der Form, in der sie sich ganz konkret in der Militärallianz der NATO niedergeschlagen hat - ist zu einem großen Teil von freiheitlichen Sozialisten geschaffen worden.
({0})
Da können Sie sich heute doch nicht hinstellen und sagen: es gibt also sozusagen einen inneren Gegensatz; wer ein Sozialist ist, der suche also den dritten Weg.
({1})
- Entschuldigen Sie, eis gibt einen andern, der immer versucht, der Sozialdemokratischen Partei den ,, dritten” Weg anzuhängen, um dann seine Kritik daran aufbaumeln zu können. Das ist ausgerechnet der Herr Ulbricht. Nein, für uns Sozialdemokraten gibt es keinen dritten Weg zwischen Freiheit und Kommunismus, für uns gibt es die Aufgabe - und da halten wir es mit dem viel berufenen Arbeitnehmerflügel der CDU/CSU -, innerhalb der freiheitlich-demokratischen Gesellschaft jene Gesinnung und jene Formen zu überwinden, die einst in den pästlichen Enzykliken als Kapitalismus gebrandmarkt worden sind.
({2})
Sie können doch jetzt nicht plötzlich sagen, ,daß das Bekenntnis zur Bundesrepublik, zur Freiheit und zur NATO automatisch das Bekenntnis zu dem sein müsse, was uns, nach Inhalt und Bedeutung völlig ungeklärt, von Ihnen als Kapitalismus angepriesen wird. Das ist zuviel verlangt.
Wenn die westliche Welt den Wandel der Zeit im 20. Jahrhundert und sogar in den hochentwickelten Industriegesellschaften der Vereinigten Staaten nicht begriffe und nicht einsähe, wie wenig vom Kapitalismus des 19. Jahrhunderts übrig ist, wenn sie mit der Formel vom Kapitalismus als dem erstrebenswerten und zu verteidigenden Gut die Freiheit schützen wollte, dann wäre der Kampf in den Entwicklungsländern für die Sache der Freiheit verloren. Lassen Sie sich das bitte sagen.
({3})
Im Zusammenhang mit der Standortbestimmung der Sozialisten sind hier über dieselben japanischen Sozialdemokraten harte Worte gefallen, über deren besonders freundlichen Empfang im Unterschied zur Bundesrepublik der Bundeskanzler hier einen rührenden Bericht nach seiner Japanreise gegeben hatte.
({4})
Gleichzeitig wurde es beklagt, daß wir uns nicht von jenen Aktionen distanziert hätten, die in Japan vorgekommen seien. Nun, ich habe vor mir die Frankfurter Rundschau vom 18. Juni. Dort ist Herbert Wehner frisch nach den japanischen Ereignissen befragt worden, auch mit dem Blick auf die deutsche Parallele. Darauf hat der Kollege Wehner ganz hart und unmißverständlich gesagt, zur Verteidigung der Demokratie gegen Faschisten unid Kommunisten würden wir sofort auf die Straße gehen, aber wir könnten es uns nicht leisten, den demokratischen Staat aus anderen Gründen einer solchen Belastungsprobe auszusetzen. Deshalb sei die SPD immer eine loyale, d. h. eine ,demokratische Opposition gewesen.
({5})
- Bitte, wenn Sie das hier in der Zeitung lesen, dann ist das doch wohl genau das, worum Sie sich bemüht hatten, nämlich eine Würdigung dessen, daß wir es anders halten mit unseren Verhältnissen hier, also ein Absetzen, eine Distanzierung von dem Gehen auf die Straße in einem anderen Land, und zwar in Formen, wie sie nun einmal unter unabhängigen Parteien möglich sind, und mit erheblich weniger Rücksicht, als sie die Bundesregierung an den Tag legt, wenn sie sich z. B. mit der Rassenpolitik der Südafrikanischen Union beschäftigt.
Meine Damen und Herren! Ich komme zum Schluß. Ich meine, wenn auch dem Herrn Verteidigungsminister wenig an Prinzipien liegt, so ist es doch für unser Volk und für die Welt draußen wichtig, zu wissen, welch Feld denn eigentlich heute schon gedeckt ist und worüber man noch im einzelnen und genauer reden muß. Deshalb möchte ich das gedeckte Feld im Lichte der heutigen Debatte und mancher Erklärungen der letzten Wochen noch einmal in meiner Sprache abzustecken versuchen:
1. Das deutsche Volk ist Teil der demokratischen Völkerfamilie. Es setzt sich gegen jeden Versuch zur Wehr, das kommunistische Regime auf den freien Teil Deutschlands auszudehnen.
({6})
2. Deshalb keine einseitige Schwächung des Westens. Vielleicht haben Sie damit Ihr „Womit?" beantwortet bekommen.
3. Loyale Erfüllung der von der Bundesrepublik abgeschlossenen Verträge einschließlich des Vertrages über die NATO und die Westeuropäische Union
({7})
nach Text und Sinn und Stärkung der westlichen Solidarität.
4. Beachten der Gefahren, die der westlichen Solidarität durch eine Aufspaltung des freien Europa drohen, infolgedessen Einsatz der deutschen Politik zur Abwehr dieser Gefahren.
5. Sicherung der Freiheit Berlins und der Verbundenheit der Bundesrepublik mit dem Land Berlin.
6. Endgültige Lösung der Berliner Frage erst dadurch, daß Berlin die Hauptstadt des in gesicherter Freiheit wiedervereinigten Deutschland wird; ein Deutschland, das genauso das Selbstbestimmungsrecht für das ganze deutsche Volk beansprucht, wie wir es allen anderen Völkern in der Welt als selbstverständliches Grundrecht zugestehen.
7. Deshalb heute - denn das Recht kommt nicht von selbst - dafür sorgen, daß die deutsche Frage nicht von der internationalen Tagesordnung abgesetzt wird, wodurch stillschweigend der Status quo mit der Fortdauer der Spaltung Deutschlands hingenommen würde.
8. Zu diesem Zweck ein besseres Klima für die Behandlung der deutschen Frage schaffen; dazu gehören vor allem Fortschritte auf dem Gebiet der Abrüstung.
9. Die allgemeine kontrollierte Abrüstung ist das einzige dauerhafte Mittel, der Menschheit die Sorge vor dem Grauen eines Atomwaffenkrieges zu nehmen.
10. Die Bundesrepublik unterstützt aus allgemeiner Überzeugung und im besonderen Interesse des deutschen Volkes die Bemühungen um eine von den Großmächten zustande zu bringende Vereinbarung über Maßnahmen zur kontrollierten Begrenzung der Rüstungen.
Das sind die zehn Punkte, von denen ich nach der heutigen Debatte mit gutem Gewissen sagen kann, daß sie von beiden Seiten getragen werden. Deswegen gab es hier an keiner Stelle Erregung; denn niemand fand darin einen Punkt, dem er nicht zustimmen konnte. Über viele Einzelheiten, die sich aus der Anwendung dieser Prinzipien ergeben, sind sicher heute noch Meinungsverschiedenheiten vorhanden und morgen noch denkbar. Aber die Grundlage sollte unbestritten sein.
Uns ist der Text einer Entschließung vorgelegt worden, wonach die heute vorgetragene Regierungserklärung zur Außenpolitik vom Bundestag gebilligt wird. Die Regierungserklärung enthielt nicht nur Gegenstände, über die wir lange und oft diskutiert haben; sie enthielt auch Fragen, die neu in diese Debatte hineingekommen sind, z. B. die sehr wesentliche Frage, wie es eigentlich mit dem Grundgesetz, dem Provisorium und der Wiedervereinigung Deutschlands bestellt ist, Positionen, die man sich sehr genau ansehen muß, um unserer künftigen Politik nicht ohne Not Schwierigkeiten in den Weg zu legen.
Wir meinen daher, daß die Erklärung der Regierung einer eingehenden Beratung im Auswärtigen Ausschuß bedarf, und beantragen Überweisung der Entschließung an den Auswärtigen Ausschuß.
({8})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Jaeger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich weiß nicht, ob Herr Kollege Erler, wenn er nachher seine gedruckte Rede lesen wird, noch der Überzeugung sein wird, daß sie ein besonders überzeugender Auftakt für eine gemeinsame Außenpolitik gewesen ist; denn nach der so gut vorbereiteten und abgewogenen Rede, die Herr Wehner heute früh hier gehalten hat, erlebten wir nun einen Rückfall in die außenpolitische Polemik, die allerdings bisher in diesem Hause üblich war. Sie unterschied sich sehr kraß von den ruhigen Ausführungen, die mein Freund zu Guttenberg heute nachmittag hier gemacht hat.
({0})
Die Erregung, die Herrn Kollegen Erler so sichtlich an verschiedenen Stellen bewegt hat, ist demjenigen, der die Situation der deutschen Sozialdemokratie mit wachsamen Augen betrachtet - ich gebe zu: das ist von außen manchmal leichter als von innen -, nicht unverständlich; denn er befindet sich in einem Konflikt zwischen den Wählern, die er haben möchte, und den Funktionären, die er hat.
({1})
Die Wähler kann man - das haben die letzten beiden Bundestagswahlen bewiesen - nur durch eine Revision der sozialdemokratischen Außenpolitik gewinnen, wenn man es überhaupt kann; die Funktionäre aber kann man nur bei der Stange halten, indem man die alten Redensarten radikaler Prägung wiederholt, in denen man sie nun elf Jahre hat aufwachsen lassen.
Über das Ergebnis von Paris ist vieles gesagt worden. Unter anderem scheint mir besonders bemerkenswert, daß die Schocktherapie des Herrn Chruschtschow jedenfalls neben der Wirkung einer noch stärkeren Einheit der westlichen Welt die stärksten Wirkungen im Westen überhaupt eben bei den deutschen Sozialdemokraten erzielt hat. Dafür können wir eigentlich alle dankbar sein: wir, weil die Sozialdemokraten wenigstens einmal anfangen, über ihre bisherige Außenpolitik zu diskutieren, und die Sozialdemokraten, weil sie ja nun von einem Irrweg abgeführt worden sind und immer noch die Chance besteht, daß sie vielleicht noch - auf die Dauer - auf den richtigen Weg der
Außenpolitik kommen, auch wenn uns der heutige Tag das leider noch nicht als in naher Zeit sichtbar vor Augen geführt hat.
Aber etwas Weiteres ist doch deutlich gezeigt worden! Die Pariser Konferenz ist ja nicht an der deutschen Frage gescheitert, sondern an einer ganz anderen Frage, die unmittelbar zwischen den zwei größten Mächten dieser Erde schwebte. Daraus folgt doch die Erkenntnis, daß die deutsche Frage im allgemeinen und die Berliner Frage im besonderen nur ein Teil der allgemeinen Weltprobleme sind, mehr noch eine Folge des Gegensatzes, der in der Welt besteht, also eine Folge des russischen Aggressionswillens, als eine Ursache dieses Gegensatzes. Wenn man sich das vor Augen führt, muß man mit allem Bedauern auch feststellen, daß es leider nicht möglich ist, in kurzer, absehbarer Zeit durch eigene Initiative die deutsche Frage zu lösen, sondern daß dies eben nur auf lange Sicht und im festen Bündnis mit denen, die zu uns halten und die allein und insgesamt stärker sind als wir, erreicht werden kann.
Es scheint mir unter diesen Umständen auch reichlich naiv, wenn Herr Kollege Erler hier die Frage stellt, wie die Bundesregierung die Abrüstungsgespräche, die in Genf gescheitert sind, wieder in Gang setzen zu können glaubt. Die Bundesregierung war bei dem Scheitern dieser Gespräche gar nicht beteiligt. Sie ist damit auch gar nicht in der Lage, diese Gespräche wieder in Gang zu setzen. Es bedeutet doch eine Überschätzung der deutschen Rolle, daß wir, die wir nicht einmal in der Lage sind, die eigene Frage aus eigener Kraft zu lösen, nun auch noch die Weltfragen aus unserer Kraft lösen sollen. Diese Überschätzung der deutschen Position steht genau im Gegensatz zu der Unterschätzung, die der Wert dieser Bundesrepublik auf der Seite der Sozialdemokratie immer wieder moralisch erleidet, wenn man das leidige Wort vom Provisorium spricht. Der Grundgesetzgeber von Bonn hat sich die Dinge leichter vorgestellt und hat sich die Lösung der deutschen Frage rascher vorgestellt, als sie uns heute erscheint.
Auch Herr Wehner hat dieser Entwicklung Rechnung getragen und sich über den Zeitablauf zur Lösung der deutschen Frage heute früh nicht weniger skeptisch geäußert wie manche andere in diesem hause. Der Herr Bundespräsident Dr. Heuß - selbst ein Mann, der nie unserer Partei angehört hat; im übrigen ein Mann, der über die Parteien hinausgewachsen ist - hat das Wort „Provisorium" zu den Akten gelegt. Ein Staat, der seine jungen Bürger aufrufen muß, ihn zu verteidigen, kann sich nicht selber als provisorisch verstehen, sondern kann nur davon sprechen, daß seine östlichen Grenzen provisorisch sind, und daß selbstverständlich das gesamte deutsche Volk nach der Wiedervereinigung das Recht hat, wie es im Grundgesetz steht, sich auf Grund einer frei gewählten Nationalversammlung eine neue Verfassung zu geben, die aber in geistiger und politischer Hinsicht auf der Grundlage des Grundgesetzes beruhen wird.
Wir wollen uns doch ganz klar darüber sein, daß das, was die Idee des deutschen Vaterlandes ist,
einzig und allein in Freiheit verwirklicht werden 1 kann. Gewiß ist das deutsche Vaterland in Gänze erst wiederhergestellt, wenn wir einmal die Frage der Wiedervereinigung gelöst haben und wenn auch die Frage unserer östlichen Grenzen gelöst ist. Aber heute ist doch diese Bundesrepublik die einzig mögliche Realisierung der deutschen Vaterlandsidee in der Gegenwart, weil es nur in Freiheit möglich ist, den deutschen Gedanken zu verwirklichen. Daraus entspringt unser Recht, für das ganze Deutschland zu sprechen, und unsere Pflicht, unsere jungen Männer zu den Waffen zu rufen. Ich bitte doch, diesem Gedanken Rechnung zu tragen und den Staat, den wir alle aufgebaut haben - auch die Opposition rühmt sich, dazu einen Beitrag geleistet zu haben; zumindest in Ländern und Gemeinden -, nicht ständig abzuwerten und selber in Frage zu stellen.
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Denn wenn wir die Bundesrepublik in Frage stellen, spielen wir nur das Spiel des Ostens.
Nun ist das Wort von der Bestandsaufnahme immer wieder, schon in den vorigen Tagen in der Presse und heute in diesem Hause, ausgesprochen worden; „eine redliche Bestandsaufnahme", hat Herr Wehner gesagt und geschrieben. Ich kann mir denken, daß für die Opposition diese redliche Bestandsaufnahme in besonderer Weise nützlich ist, weil sie bisher dieser Bilanz der deutschen Außenpolitik noch nicht in gebührender Weise Rechnung getragen hat. Denn wenn ich es in kurzen Schlagworten sagen will, dann schaut doch eine redliche Bilanz der Politik, die wir in diesem Hause und durch unsere Regierung betrieben haben, in den vergangenen elf Jahren so aus: damals Demontage, heute blühende Wirtschaft; damals besetztes Land, heute souveränes Land; damals Besatzungsmächte im Lande, heute Verbündete, die uns schützen; damals in der Welt verachtet, heute in freundschaftlichen Beziehungen zu allen freien Ländern der Erde; damals das Saargebiet getrennt und heute ein Bestandteil der Bundesrepublik. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist eine redliche Bestandsaufnahme, und das ist ein Erfolg unserer Politik. Ich glaube, eine Politik, die solche Erfolge hat, die hat auch den notwendigen Grad von Wendigkeit, den Herr Erler vorhin vermißt hat.
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Dabei glaube ich allerdings, daß Herr Erler einem Irrtum unterlegen ist. Gewiß braucht es taktische Wendigkeit in der Politik, aber gerade in der Außenpolitik braucht es eine grundsätzliche Stetigkeit und Festigkeit. Und ein Volk, das das Vertrauen der übrigen Welt soweit aufs Spiel gesetzt und verloren hat wie Deutschland in jenen zwölf dunklen Jahren der Vergangenheit, kann nur durch Stetigkeit der Außenpolitik das Vertrauen erwerben, das es braucht, um leben zu können.
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Im übrigen ist die Stetigkeit der Außenpolitik Konrad Adenauers, der Bundesregierung und der Union ja nur die Antwort auf die Stetigkeit der Politik des Sowjetblocks, die in der Taktik wendig,
aber im übrigen ganz stetig den eisernen Griff um den mittleren Teil Deutschlands nicht gelockert hat.
Wir sind der Überzeugung, daß das Ergebnis von Paris uns in Deutschland zwingt, unsere bisherige Außenpolitik, eine Außenpolitik, die skeptisch ist gegenüber dem Osten und die das Vertrauen des Westens gewonnen hat, mit aller Konsequenz fortzusetzen. Ich will nicht Gegensätze aufreißen; ich habe gar nicht die Absicht, die Dinge hier zu verschärfen. Ich möchte wieder zu etwas gemäßigterer Tonart zurückkehren. Aber ich meine, wenn wir nun von der Bestandsaufnahme der deutschen Außenpolitik und ihrer Erfolge zu einer Bestandsaufnahme der Weltlage oder der Gefahren, die uns bedrohen, übergehen, so kann ich doch diese Bestandsaufnahme nicht machen, ohne als Ausgangspunkt die Tatsache zu nehmen, daß uns aus dem Osten eine Gefahr droht, die daraus entstanden ist, daß sich die Idee des Panslawismus mit der Idee der bolschewistischen Weltrevolution vereinigt hat.
Ich habe immer das Gefühl, daß der wirkliche Gegensatz in der Außenpolitik zwischen der Union und der Sozialdemokratie nicht einmal darin besteht, wie wir diese Bundesrepublik bewerten, nicht einmal darin besteht, ob NATO oder nicht, sondern daß der wirkliche Grund der Verschiedenheit darin besteht, daß die deutsche Sozialdemokratie die Gefahr aus dem Osten zwar theoretisch bekämpft, aber in der praktischen Politik aus dieser Gefahr nicht die notwendigen Konsequenzen zieht, wahrscheinlich weil ihr die Größe dieser Gefahr gar nicht aufgegangen ist.
Ich habe zwei höchst bedenkliche Äußerungen jüngster Zeit - nach der Verkündung der gemeinsamen Außenpolitik vernommen. Herr Kollege Merten hat im Deutschen Bundestag am 23. Juni auf eine Rede geantwortet, in der ich gesagt habe, daß ich den Eindruck hätte, die deutschen Sozialdemokraten fürchteten die Bundesregierung mehr als die Rote Armee. Dazu kann man vieles sagen. Sein Zwischenruf, den ich erst nachträglich im Protokoll gelesen habe, hieß: Wir - d. h. also wohl die Sozialdemokraten -, wir haben vor der Roten Armee überhaupt keine Angst. Meine Damen und Herren, da Herr Merten im Verteidigungsausschuß ist, sogar stellvertretender Vorsitzender, und über die Perfektion der Roten Armee im Bilde ist, sie also sicherlich in militärischer Hinsicht nicht verkleinern will, heißt das doch, daß er gar keine Angst hat, im Osten sei ein verbrecherischer Wille, der uns Freiheit und Frieden rauben könnte. Das scheint mir hökst gefährlich, und ich meine, jede gemeinsame Außenpolitik und jede Bestandsaufnahme muß bei der Gefahr anfangen, die aus ,dem Osten droht.
Aber auch Herr Kollege Erler hat einen Satz gesprochen - am 2. Juni war es -, ich habe ihn auch selber im Parlament der Westeuropäischen Union gehört; er hat dort gesagt:
Der rote Stern auf dem Kreml - den er selber gesehen habe -,
erklärt immer noch einiges von der Politik der Sowjets.
Was klingt in diesem „noch" auf? Da klingt doch der Gedanke auf: eigentlich ist das enttäuschend; eigentlich haben wir gemeint, das hat mit dem Bolschewismus gar nicht mehr viel zu tun. Aus den sozialdemokratischen Reden vor der Pariser Konferenz hätte ich allerdings den Eindruck gewinnen können, daß der Herr Chruschtschow sich zu einem pausbäckigen Friedensengel entwickeln würde.
Nein, meine Damen und Herren, 43 Jahre der sowjetischen Politik sollten jeden von uns erkennen lassen, daß dieses System, mag es sich äußerlich wandeln, mag es in der Taktik wechseln, in seinem Wesen genauso dämonisch und diabolisch ist, wie es in seiner ersten Stunde gewesen war. Es hängt vielleicht, wenn diese Gefahren in der Mitte dieses Hauses und hoffentlich auch auf der Rechten klarer gesehen werden als auf der Linken, etwas mit der weltanschaulichen Struktur unseres Parteiwesens zusammen. Sie brauchen keine Angst zu haben, daß ich Ihre Ahnenleiter und die der Bolschewisten in Karl Marx vereinige, obwohl das ja historisch nicht ganz zu bestreiten ist. Ich will auch auf den Streit, wer von den beiden Nachfahren recht hat, nicht eingehen. Ich meine etwas ganz anderes und viel weiteres, was auch auf diejenigen von Ihnen zutrifft, die nicht mehr auf Karl Marx eingeschworen sind: In der deutschen Sozialdemokratie sitzen heute noch die geistigen Nachfahren von Rousseau, der den Gedanken der kontinentalen Demokratie auf der naiven Meinung aufgebaut hat, der Mensch sei schlechthin und einfach gut.
Wir sind in einer Partei, die den christlichen Namen nicht als Anspruch, sondern als Verpflichtung führt, auf Grund der christlichen Welterkenntnis von der Macht des Bösen mehr überzeugt, als es manche anderen sind, und wir meinen, daß sich diese Macht des Bösen in der Weltgeschichte vielleicht noch nie so drastisch enthüllt hat, wie in den 43 Jahren sowjetrussischer Politik.
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Nur weil man auf der Seite der deutschen Sozialdemokraten diese dämonische Seite des Bolschewismus nicht erkennt, weil man glaubt, das seien ja auch im Grunde gute Menschen, die sich immer noch zum Besseren entwickeln könnten, ist man so weit gekommen, daß man Ungarn vergessen hat und plötzlich aufgewacht ist, als in Paris der Hammerschlag erfolgte.
Außenpolitik muß aus einer bleibenden Erkenntnis kommen und als kontinuierliches Handeln vor sich gehen. Eine gemeinsame Außenpolitik muß kontinuierlich vom Gestern zum Morgen gehen, muß also stetig und kann nicht sprunghaft sein. Deshalb darf sich der Rhythmus der deutschen Außenpolitik und der Rhythmus unserer Verteidigungsanstrengungen nicht am Auf und Ab der Politik Chruschtschows messen, sondern muß fest und gerade sein, ganz gleich, ob er die Kriegsfanfare oder scheinbar die Friedensschalmei bläst. Wir haben die gemeinsame Außenpolitik immer gefordert. Sie ist keineswegs eine neue Forderung in diesem Hause und keineswegs ein Patent der Sozialdemokraten. Ich darf den Herrn Bundeskanz7100
ler zitieren, der noch am 10. Februar 1960 vor diesem Hause gesagt hat, in Lebensfragen des deutschen Volkes, zumal in der Außenpolitik, solle man, wenn irgend möglich und soweit irgend möglich, zusammengehen. Ich darf den Herrn Kollegen Kiesinger, den jetzigen Ministerpräsidenten in Stuttgart, zitieren, der einen sehr bemerkenswerten Satz gesagt und darauf einen noch bemerkenswerteren Zwischenruf bekommen hat. Er hat am 31. Januar 1957 in diesem Hause wörtlich erklärt - ich bitte den Herrn Präsidenten, einige kurze Zitate bringen zu dürfen -:
Wir wären froh, wenn es eine solche gemeinsame deutsche Außenpolitik gäbe. Immer, wenn wir daran appelliert haben, ist uns entgegengehalten worden, wir würden nach einer gemeinsamen deutschen Außenpolitik nur dann rufen, wenn wir uns in einer schwachen Position fühlen.
Der sozialdemokratische Kollege Bauer ({6}) hat darauf den Zwischenruf gemacht: „Genau das ist richtig!"
Nun wollen wir nicht zurückfragen, wer jetzt in einer schwachen Position ist. Aber daß w i r uns nach Paris nicht in einer schwachen Position befinden, hat die Welt inzwischen gemerkt. Wir halten trotzdem weiter an dieser gemeinsamen Außenpolitik als einer begrüßenswerten Sache fest. Aber ich darf daran erinnern, daß Herr Kollege Erler am 23. Januar 1958 hier gesagt hat: „Es ist doch immer wieder in diesem Hause ein schönes Gespenst beschworen worden: eine gemeinsame Außenpolitik". Das schöne Gespenst vom Jahre 1958 ist inzwischen bei den Sozialdemokraten offenbar zu Fleisch und Blut gekommen, oder es sollte wenigsten dazu kommen.
Aber das ist noch gar nicht das Entscheidende. Das letzte Zitat, das ich Ihnen jetzt bringen werde, stammt aus der Bundestagssitzung vom 25. März 1958. Hier hat Herr 'Kiesinger gesagt:
Es ist in diesem Haus der Appell an eine gemeinsame Außenpolitik erklungen.
Daraufhin hat der Kollege Wehner den Zwischenruf gemacht: „Gibt es nicht!" Daraufhin fuhr Herr Kiesinger fort: „Die gibt es nicht, sagen Sie, Herr Wehner?" Daraufhin rief der Kollege Schoettle: „Nein, das sagen wir alle!" Und dann folgten weitere Zurufe links: „Sagen wir alle!" Und Herr Kiesinger stellte darauf fest - ganz resignierend -: „Das sagen Sie alle."
Meine Damen und Herren, damals hat der Hauptredner der Sozialdemokraten die gemeinsame Außenpolitik abgelehnt, 'die er heute mit Begeisterung und Überzeugung bejaht. Das ist allerdings ein beachtliches Zeichen für Wendigkeit. Nehmen Sie es uns nicht übel, daß wir zwar bereit sind, Ihnen das zu glauben, daß wir es Ihnen aber erst dann abnehmen, wenn Sie den neuen Worten die Taten haben folgen lassen,
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die Taten bei verschiedenen Gesetzen, Haushalten usw.
Meine Damen und Herren von .der SPD, ich will es Ihnen wirklich nicht besonders schwer machen, den Weg zu einer gemeinsamen Außenpolitik zu finden. Aber wir können Ihnen die Sache, die so ernst ist, auch nicht leichter machen, als sie wirklich ist. Und ,sie ist ungeheuer schwer. Sehen Sie, gemeinsame Außenpolitik ist keine Sache einer politischen Romantik. Es geht auch nicht allein um ferne Ziele, in denen wir alle einig sind. Wer in diesem Hause will nicht die Selbstbestimmung der Deutschen, wer will nicht die Wiedervereinigung, wer will nicht die Einheit der westlichen Welt? Es geht darum, daß wir, wie es schon in der Regierungserklärung gesagt wurde, auch in den Methoden miteinander einig sind, jedenfalls in den Methoden, die 'die Grundlinie unserer Politik und ihre Verwirklichung betreffen.
Also: gemeinsame Außenpolitik ist keine sentimentale Manifestation, bei ,der man alles Strittige wegläßt; und bisher war ja das Strittige das meiste in der Außenpolitik in Deutschland! Schein allein wäre schädlich. Ich glaube, scheinbare Einigkeit ohne Entschlossenheit der Gesinnung und Festigkeit des Handelns wäre viel gefährlicher als eine Festigkeit der Führung, die nur eine Mehrheit hinter sich hat.
Nein, meine Damen und Herren, wir müssen uns hier davor hüten, auch in das quantitative Mißverständnis der Wahrheit einzutreten, das der bekannte sozialdemokratische Reichstagsabgeordnete Wels einmal in die Worte ,gekleidet hat:
Lieber mit der Mehrheit irren, als gegen die Mehrheit recht behalten.
Ich habe, glaube ich, schon einmal gesagt: In der Weimarer Republik hat die Sozialdemokratie mit der Mehrheit geirrt, in der Bonner Republik irrt sie mit der Minderheit. Jedenfalls können wir das eine sagen: Damals handelte es sich um innenpolitische Irrtümer. Der Irrtum heute wäre viel schwerwiegender und endgültig.
Herr Wehner hat in seiner Rede gesagt, die Christlich-Demokratische und Christlich-Soziale Union wecke oder nähre im Ausland Zweifel an der Vertragstreue der SPD, oder zumindest, sie sollte dies nicht tun. Nun, er hat selbst den Herrn Innenminister zitiert, der in Argentinien in einer ausgesprochen loyalen Weise über die Opposition gesprochen hat. Also wir wecken und nähren diese Ressentiments nicht. Aber, meine Damen und Herren, wer hat denn im Ausland das Ressentiment, den Zweifel an der Vertragstreue der deutschen Sozialdemokratie geweckt und genährt? Das war doch die sozialdemokratische Bundestagsfraktion durch ihre Abstimmungen in diesem Hause!
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Man sagt in der Sozialdemokratie ein theoretisches Ja zur atlantischen Verteidigungsgemeinschaft. Ich will jetzt gar nicht auf weiß Gott wie schwerwiegende politische Probleme, sondern nur auf ein sehr sichtbares Problem eingehen. Alle Jahre treffen sich die Parlamentarier der NATO-Staaten zu einer gemeinsamen Konferenz. Alle
demokratischen Parteien aller 15 Mitgliedstaaten, auch alle sozialdemokratischen Parteien, sind anwesend. Die einzige sozialdemokratische Partei, die nicht anwesend ist, ist die deutsche Sozialdemokratie.
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Wie sollen die Parlamentarier der anderen 14 Vertragsstaaten an die Überzeugung unserer Sozialdemokraten von der Richtigkeit des NATO-Gedankens, an ihre Vertragstreue nicht nur dem Buchstaben, sondern auch dem Geist nach glauben, wenn ihre Partei zu diesen gemeinsamen Beratungen als einzige demokratische Partei der westlichen Welt nicht erscheint? Wenn Sie schon theoretisch ja sagen zur NATO, dann bringen Sie wenigstens einmal in dieser Sache, die Sie ja sonst zu gar nichts verpflichtet, weil Sie in der Konferenz stimmen können, wie Sie wollen - genauso wie in anderen europäischen Gremien -, und keineswegs auf die Linie der Regierung oder der CDU festgelegt sind. übrigens auch nicht auf die Linie Ihrer sozialdemokratischen Gesinnungsfreunde im Ausland. die notwendige Konsequenz aus Ihrer theoretischen Erkenntnis auf.
Meine Damen und Herren. die Sozialdemokratie hat ein Ja zur Landesverteidigung gesprochen, wiederum ein theoretisches Ja. Sie hat nicht nur seinerzeit neuen die Wehrpflicht gestimmt, sie hat auch wieder gegen die neue Novelle gestimmt trotz aller Fortschritte, die sie gebracht hat. Herr Erler hat damals gesagt. man brauche nicht in allen Einzelheiten mit der Regierung einig zu sein. Ich gebe das zu. Aber die Wehrpflicht ist nicht eine Einzelheit. sondern - ich kann mich kurz fassen: das hat der Herr Minister heute schon ausführlich genug gesagt - sie ist der tragende Pfeiler unserer Verteidigung. und sie ist damit ein tragender Pfeiler unserer Außenpolitik.
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Es gibt keine gemeinsame Außenpolitik in dieser Zeit ohne ein gemeinsames Bejahen der Wehrpflicht. Es ist das gleiche mit den Kernwaffen. es ist das gleiche mit der gefährlichen Idee des Disengagement. Ich will nicht wiederholen. was heute schon gesagt wurde. Es ist das gleiche mit der Frage des Notstandes. Man muß eben den demokratischen Staat in die Lage versetzen, in Ausnahmezeiten jene Konzentration der Macht vorzunehmen, die in totalitären Staaten immer üblich ist und die allein notwendig ist, wenn man sich gegenüber der totalitären Macht im Ernstfall behaupten will. Es ist aber tragisch, daß die deutsche Sozialdemokratie bis zur Stunde die Bundeswehr daran hindert. den demokratischen Staat zu retten, zu dessen Rettung sie geschaffen ist.
Meine Damen und Herren, wer das Ziel der Freiheit will, muß auch die notwendigen Mittel wollen, die ich hier aufgeführt habe. Freiheit ist nur durch Opfer zu verwirklichen. Ich glaube den Sozialdemokraten, daß sie sich zur Freiheit bekennen. Aber ich möchte, daß aus der Theorie der Freiheit endlich die Praxis der Opferbereitschaft wird.
({11})
Nur wenn die deutschen Sozialdemokraten diese Praxis der Opferbereitschaft bei der Bewilligung der Haushaltsmittel für die Verteidigung, bei der allgemeinen Wehrpflicht zeigen, nur dann werden sie im Ausland glaubwürdig sein.
Es wird behauptet, wir von der CDU/CSU seien gegen eine gemeinsame Außenpolitik aus innenpolitischen Gründen, wir wollten uns den Wahlschlager der Außenpolitik nicht entgehen lassen. Meine Damen und Herren, ich darf Sie bitten, sich nur einmal einige Jahre zurückzuerinnern. Wer hat denn in Deutschland die Außenpolitik zum Wahlschlager gemacht?
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Das waren doch nicht wir! Wir hatten 1953, als die Sozialdemokraten den Kampf gegen EVG und Wehrpflicht führten, wir hatten 1957, als die Sozialdemokraten den Kampf gegen NATO und Wehrpflicht und dann auch noch gegen die Kernwaffen führten, monatelang Sorge, wir würden die Wahl wegen der Außenpolitik verlieren. Wir haben doch gar nicht damit gerechnet, daß wir sie wegen der Außenpolitik gewinnen. Wir hatten gemeint, wir gewinnen sie wegen unserer guten Innenpolitik. Wir haben sie nachher wegen der Reife unseres Volkes, doch nicht zuletzt auch wegen der Außenpolitik gewonnen.
Die Sozialdemokraten, die die Außenpolitik zum Wahlschlager gemacht haben, ja, sogar ein Volksbegehren, einen Volksentscheid in dieser Sache veranstalten wollten, haben es allein in der Hand, die Außenpolitik aus dem Wahlkampf herauszunehmen. Das geht nämlich ganz einfach. Wenn die deutschen Sozialdemokraten in den nächsten zwölf Monaten das Ja zu den Konsequenzen der deutschen Außenpolitik sprechen, dann ist die Außenpolitik selbstverständlich aus dem Wahlkampf heraus, weil es dann keinen außenpolitischen Gegensatz mehr zwischen uns gibt. Aber es scheint, daß sie diesen Weg nicht gehen wollen. Und solange sie diesen Weg nicht gehen, haben wir eben nicht die gemeinsame Außenpolitik. Nicht wir haben die Sozialdemokraten von der gemeinsamen Außenpolitik ausgeschlossen, sondern sie halten sich selbst seit ,elf Jahren von dieser Politik fern.
Man kann hier nicht sagen, wir wollten ein kaudinisches Joch errichten. Gemeinsame Außenpolitik heißt in allen Staaten, wo es sie gibt, daß die Regierung die Außenpolitik macht und daß die beiden oder mehrere Parteien diese Außenpolitik eben im Grunde und auch in vielen Einzelmaßnahmen unterstützen, zweifellos auf Grund hinreichender Informationen. Aber es bleibt immer die Politik der Regierung. Wir errichten kein kaudinisches Joch - ich wiederhole es -, es gibt nur eine Zwangsläufigkeit, unter die die Geschichte alle Parteien dieses Hauses und damit auch die Sozialdemokratie gestellt hat.
Herr Wehner hat gemeint, Berlin sei ein Prüfstein gemeinsamer Außenpolitik, und dort sei sie schon verwirklicht. Ich will ihm gar nicht widersprechen. Aber sie ist verwirklicht, weil die Berliner Sozialdemokraten die Außenpoltik der Bundesregierung übernommen haben.
({13})
Wenn das ein kaudinisches Joch sein soll, so hat es die Berliner SPD längst durchschritten und damit sich selbst und der Stadt Berlin das wirkliche Joch der Sowjetherrschaft erspart.
({14})
Aber, meine Damen und Herren, es geht nicht nur um die Berlin-Frage, in der ja auch in diesem Hause Einigkeit besteht, sondern es geht auch darum, daß die Voraussetzungen unserer Berlinpolitik geschaffen werden oder, nachdem sie geschaffen sind, aufrecht erhalten bleiben, also das Bündnis der NATO, die Wehrpflicht, die Ausrüstung unserer Armee mit modernen Waffen und alles, was dazu gehört. Solange sich die Sozialdemokratie dazu nicht bekennt, wäre der Regierende Bürgermeister von Berlin, Herr Brandt, als Bundeskanzler eine tragische Gestalt
({15})
- eine tragische Gestalt, gerade weil ich ihn für einen bedeutenden Mann halte; denn zur Tragik gehört eine gewisse Größe , weil er aufgerieben würde zwischen seiner und der Berliner Erkenntnis und der Haltung der Sozialdemokraten, wie sie jüngst erst in der Wehrpflichtnovelle zum Ausdruck gekommen ist.
Nein, meine Damen und Herren, es ist schon so: Ehe wir hier die gemeinsame Außenpolitik formulieren können, müssen die Sozialdemokraten zuerst mit sich selbst ins Reine kommen. Wir sind gern bereit, mit Ihnen darüber weiterhin hier oder im Auswärtigen Ausschuß zu reden. Aber ich habe das Gefühl, es dauert lange, bis die deutsche Sozialdemokratie mit sich selbst ins Reine kommen wird. Deutschland kann so lange nicht warten. Deutschland braucht auch bis dahin wie bisher eine klare Außenpolitik.
Um diese klare Außenpolitik zu ermöglichen, hat Ihnen die Fraktion der Christlich-Demokratischen und der Christlich-Sozialen Union gemeinsam mit unserem Koalitionspartner, der Deutschen Partei, eine kurze und einfache Resolution vorgelegt. Sie will nichts anderes, als die sehr eingehenden und klaren Erklärungen des Herrn Bundesaußenministers vom Parlament aus zu unterstreichen und damit zu zeigen, daß wir entschlossen den alten Weg weitergehen. Ob dieser Weg ein Weg der gemeinsamen Außenpolitik ist, das liegt nicht an der Regierung und nicht an den Koalitionsparteien, das liegt allein an der Abstimmung der sozialdemokratischen Opposition.
({16})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Ich komme zu den Entschließungen. Es liegen zwei Entschließungen, auf Drucksache 1986 und 1987, vor. Ich entnehme aus den Darlegungen des Herrn Vorredners, daß die Begründung des Antrags auf Drucksache 1986 erfolgt ist.
Zur Begründung des Entschließungsantrags der Fraktion der FDP Drucksache 1987 gebe ich dem Herrn Abgeordneten Dr. Bucher das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur zwei Sätze zur Begründung unseres Entschließungsantrags.
Wir halten es nicht für möglich, den Versuch, zu einer gemeinsamen Außenpolitik zu kommen, mit der Entschließung zu beginnen, die uns die CDU-Fraktion vorgelegt hat. Wir haben deshalb eine Entschließung vorgelegt, die nicht etwa verlangt, festzustellen, daß wir für oder gegen die Regierungspolitik sind, sondern die materiellen Inhalt hat.
In diesem Entschließungsantrag bitte ich Sie eine Berichtigung vornehmen zu dürfen. In Zeile 2 soll hinter den Worten „Wiederherstellung der deutschen Einheit" eingefügt werden: „in gesicherter Freiheit". Ich bitte Sie, diese drei Worte einzufügen.
Wir glauben, daß an sich das ganze Haus dieser Entschließung sofort zustimmen könnte. Wir sind aber auch damit einverstanden, daß sie zunächst im Auswärtigen Ausschuß behandelt wird, der sich bemühen will, hier einen gemeinsamen Weg zu finden. Ich beantrage deshalb Überweisung an den Auswärtigen Ausschuß.
Wir kommen zur Abstimmung. Von seiten der SPD hat Herr Abgeordneter Erler Überweisung des Entschließungsantrages der Fraktionen der CDU/CSU und ,der DP an den Auswärtigen Ausschuß beantragt. Ich lasse zunächst darüber abstimmen. Wer diesem Antrag auf Überweisung des Entschließungsantrages der Fraktionen der CDU/CSU und DP Drucksache 1986 an den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; der Antrag auf Überweisung ist abgelehnt.
Zur Abstimmung hat das Wort Herr Abgeordneter Wehner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion hatte die Überweisung an den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten beantragt, damit dort im Lichte der heutigen Debatte weiter in der Sache beraten werden kann. Die Fraktion der SPD wünschte, daß sich der Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten eingehend mit den dazu erforderlichen Unterlagen befaßt.
Wir denken dabei auch an einen Vorgang aus dem Jahre 1956. Damals war nach einer Debatte, die hier am 30. Mai über eine Große Anfrage stattfand, deren Gegenstand die Verhältnisse und die Entwicklungen in der sowjetisch besetzten Zone und die Verhältnisse zwischen den beiden Teilen Deutschlands waren, der Ausschuß für gesamtdeutsche und Berliner Fragen beauftragt worden, die Probleme, die Sachverhalte und auch die Tendenzen, die bei der Beantwortung dieser Anfrage und bei der Diskussion darüber zutage getreten waren, zu beraten und zugleich die auf der Linie jener Fragen liegenden Tatsachen, die sich neu oder weiter entwickelten, zu beobachten, um schließlich dem Plenum einen Bericht zu erstatten. Auch an diesen Vorgang haben wir gedacht.
Wenn es nun die Fraktionen der CDU/CSU und der DP abgelehnt haben, daß ihr eigener Antrag an .den Ausschuß überwiesen wird, wie wir es beantragt hatten, damit diese Gelegenheit gegeben wird, so stehen wir und das ist ja wohl der Wunsch der Fraktionen, die diesen Antrag so behandelt haben - vor der Frage, eine Sachentscheidung fällen zu sollen. Ich möchte deswegen erklären, daß die sozialdemokratische Fraktion in dieser Situation nicht in der von der Fraktion der CDU/CSU gewünschten Weise die von uns heute hier begründete Forderung nach einer redlichen Bestandsaufnahme über die Lage in außenpolitischer Beziehung und nach Bemühung um ein größtmögliches Maß von Gemeinsamkeit und Übereinstimmung fallenlassen wird. Angesichts einer Regierungserklärung, die leider - ich muß das hier noch einmal sagen - durchzogen war von Polemik gegen die Parteien der Opposition, während sie wenig Anhaltspunkte für die konkrete Politik bot, die in der vor uns stehenden Periode geführt werden soll, erklären wir, daß wir uns weigern, hier und jetzt eine solche Sachentscheidung zu fällen, durch die die Diskussion über unsere Vorschläge erstickt werden soll. Sicher, Sie haben die Mehrheit, und Sie werden nun Ihre Entscheidung fällen. Aber wir unsererseits wollen damit kundtun, wie ernst es uns um unsere Vorschläge und Mahnungen ist - die ich in Erinnerung bringe -, die Bundesregierung möge sich der in Wahrheit gefährlich unübersichtlich gewordenen Lage gewachsen zeigen und alles in ihren Kräften Stehende tun, um gemeinsam mit
den Parteien der Opposition zu prüfen, erstens, was versucht, was in die Wege geleitet, was weiter getan werden muß, damit wir alle sicher sein können, daß nicht durch einseitige Maßnahmen die jetzige Lage im gespalteten Deutschland noch weiter verschlechtert werden kann - ich betone und wiederhole auch hier: denn das ganze Volk muß das ja schließlich tragen können -, und zum zweiten, zu prüfen, was ins Auge zu fassen ist und in gemeinsamen Bemühungen angestrebt werden muß, damit die deutsche Frage ungeachtet aller erhöhten
Schwierigkeiten in internationale Verhandlungen gebracht wird.
Meine Damen und Herren, die Fraktion der sozialdemokratischen Partei enthält sich aus diesen Gründen der Stimme.
({0})
Meine Damen und Herren, damit steht der Antrag Drucksache 1986 in der Sache zur Abstimmung. Wer diesem Antrage der Fraktionen der CDU/CSU, DP Drucksache 1986 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen ist dieser Entschließungsantrag angenommen.
Ich komme zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der FDP Drucksache 1987. Es ist Überweisung an den Auswärtigen Ausschuß beantragt. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Ich muß die Abstimmung wiederholen lassen. Wer für die Über-Weisung des Entschließungsantrages der Fraktion der FDP Drucksache 1987 an den Auswärtigen Ausschuß ist, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; der Überweisungsantrag ist abgelehnt.
Ich lasse in der Sache abstimmen. Wer dem Entschließungsantrag der FDP zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag der Fraktion der FDP ist bei zahlreichen Enthaltungen abgelehnt.
Damit, meine Damen und Herren, sind wir für heute am Ende unserer Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung ein für Freitag, 9 Uhr.
Die Sitzung ist geschlossen.