Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, ich erinnere daran, daß die heutige Tagesordnung, die Ihnen gedruckt vorliegt, durch einen Beschluß des Hauses vom 20. Mai um die zweite Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Berechnung strafrechtlicher Verjährungsfrist -Drucksachen 1738 und 1844 - erweitert worden ist. Ferner ist vereinbart worden, die Vorlage als Punkt 1 der heutigen Tagesordnung zu behandeln.
Ich habe weiter bekanntzugeben, daß der Herr Bundeskanzler heute um 12 Uhr das Wort ergreifen wird.
Folgende amtliche Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 20. Mai 1960 den nachstehenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht gestellt:
Gesetz zur Änderung des Süßstoffgesetzes
Viertes Gesetz zur Änderung des Getreidegesetzes
Gesetz, Tiber die Erhöhung von Dienst- und Versorgungsbezügen
Gesetz über die Finanzstatistik
Gesetz über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1960 ({0}).
Zum Gesetz Tiber die Finanzstatistik und zum Haushaltsgesetz 1960 hat der Bundesrat Entschließungen angenommen, die dem Sitzungsbericht als Anlagen 2 und 3 beigefügt sind.
In der gleichen Sitzung hat der Bundesrat zum Gesetz über das Apothekenwesen
verlangt, daß der Vermittlungsausschuß angerufen wird. Sein Schreiben wird als Drucksache 1869 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat unter dem 23. Mai 1960 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Richarts, Bauknecht, Berberich, Leicht und Genossen betreffend Beseitigung unterschiedlicher Wettbewerbsverhältnisse auf dem Gebiet der Rohtabakerzeugung innerhalb der EWG ({1}) beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 1880 'verteilt.
Ich rufe auf:
Zweite Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Berechnung strafrechtlicher Verjährungsfrist ({2}).
Berichterstatter ist Frau Abgeordnete Dr. Schwarzhaupt. Ich erteile ihr das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich. kann mich in erster Linie auf den vorliegenden Bericht beziehen, habe ihn allerdings in einigen Punkten zu ergänzen.
Zunächst habe ich ein Versehen zu berichtigen. Auf der ersten Seite ist in der rechten Spalte, vorletzte Zeile, von Art. 103 Abs. 2 des Strafgesetzbuches die Rede. Es handelt sich in Wirklichkeit um das Grundgesetz.
Zweitens will ich auf Bitten eines Vertreters der Antragsteller den letzten Absatz ergänzen, in dem die Meinung der Minderheit des Ausschusses, also der sozialdemokratischen Vertreter, dargestellt ist. Hier ist die Rede von einer Hinausschiebung des Termins der Verjährung. Um zu verdeutlichen, was von der Minderheit hiermit gemeint ist, möchte ich betonen, daß nicht eine Verlängerung der Verjährungsfrist gemeint ist, sondern eine Hinausschiebung des Anfangstermins der Verjährung, weil man durch das vorgeschlagene Gesetz festgestellt haben möchte, daß in dem Zeitraum, den es nennt, vom 8. Mai 1945 bis zum September 1949, die normale Strafverfolgung durch deutsche Gerichte nicht möglich war und daß deshalb in dieser Zeit die Verjährung geruht hat.
Drittens habe ich zu den Verhandlungen, die über dieses Thema zwischen den Fraktionen stattgefunden haben, noch einiges nachzutragen. Sowohl im Rechtsausschuß wie in späteren Verhandlungen wurde immer wieder deutlich, daß jede Seite für die Argumente der anderen Verständnis hatte. Die Minderheit sah durchaus die verfassungsrechtlichen und rechtsstaatlichen Bedenken, die einem Eingriff in den Lauf der normalen Verjährung oder in die geltenden Bestimmungen über die Hemmung der Verjährung entgegenstanden. Die Mehrheit war mit der Minderheit einig in der Sorge darüber, ob nicht eine nennenswerte Zahl der grauenhaften Verbrechen der Vergangenheit durch den Ablauf der Verjährungsfrist für Totschlag - nicht für Mord -ungeahndet bleiben würde.
In den Verhandlungen des Rechtsausschusses, in denen man sich um eine gemeinsame Lösung bemühte, stellte der Abgeordnete Wittrock einen Hilfsantrag für den Fall, daß sich ,die Mehrheit dem Gesetzesvorschlag der SPD nicht anschließen könne. Er beantragte, daß an Stelle des im Gesetzesvorschlag der SPD genannten Zeitraumes nur die Zeit vom 8. Mai 1945 bis zum 31. Dezember 1945 auf die Verjährung nicht angerechnet werden solle.
Nach Abschluß ,des Berichts wurde unter den Mitgliedern des Rechtsausschusses noch einmal darüber verhandelt, ob man nicht den Gesetzesvorschlag auf
6680 Deutscher Bundestag - 3. Wahlperiode - 117. Sitzung. Bonn, Dienstag, den It Mai 1960
politische Verbrechen beschränken könne. Es wurde weiter darüber verhandelt, ob man nicht einen Unterschied in der Frist in bezug auf Verbrechen, die im Inland begangen, und solchen, die im Ausland begangen worden sind, machen könne. Von dem Vertreter des Justizministeriums wurde ein aus. führlicher Bericht über die Zahl der Verfahren gegeben, die seit der Tätigkeit der Zentral-Stelle für die Aufklärung nationalsozialistischer Gewaltverbrechen in Ludwigsburg bereits verfolgt worden sind, da es allen Mitgliedern des Rechtsausschusses darauf ankam, ein möglichst deutliches Bild von der Zahl der Verbrechen zu erhalten, die unter Umständen verjähren könnten. Darüber wind der Herr Justizminister noch ausführlicher berichten.
Die Mehrheit war nach diesen ausführlichen Verhandlungen, Überlegungen und Nachprüfungen trotz allem ,der Meinung, daß sie ihre verfassungsrechtlichen und rechtsstaatlichen Bedenken nicht zurückstellen könne. Ein Gesetz, das auf Grund einer wie auch immer formulierten Rechtsfiktion den Anfangs-und damit auch den Endtermin der Verjährung hinausschiebt, würde für einen Teil Deutschlands eine bereits abgelaufene Frist wieder in Gang setzen; es würde auch eine von der Sache her kaum zu begründende Ungleichheit zwischen politischen und unpolischen Straftaten schaffen. Die Annahme der Unmöglichkeit ,der Strafverfolgung in einem bestimmten Zeitraum nach der Kapitulation würde eine mit den Tatsachen nicht übereinstimmende rückwirkende Änderung der Verjährungsfristen, also eine Fiktion bedeuten. Wie man die vorgeschlagenen Bestimmungen auch fassen und begründen mag, sie würden in jedem Falle schwere Bedenken im Hinblick auf das Grundgesetz, im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz und auf das Verbot rückwirkender Verschlechterung der Rechtsposition des Täters hervorrufen.
Für die Mehrheit kam bei diesen Verhandlungen noch ein anderer Gesichtspunkt hinzu. Der Sinn der Verjährung, wie er unserem Strafrecht - übrigens auch dem Zivilrecht - zugrunde liegt, gestattet es nicht, wegen Hindernisse bei der Strafverfolgung den Endtermin der Verjährungsfristen unbeschränkt hinauszuschieben. Sinn der Verjährung ist nicht in erster Linie, den Strafverfolgungsbehörden eine bestimmte Zeit für die Aufdeckung eines Verbrechens zu lassen. Der Sinn der Verjährung liegt vielmehr in erster Linie darin, daß der Zeitablauf eine verwandelnde Wirkung auf den Täter und auf die Umwelt hat, in der die Tat geschah und in der sie gerichtet wird. Je mehr Zeit zwischen dem Tag der Tat und dem Tag des Richterspruches verflossen ist, desto mehr ist der Täter seiner Tat und desto mehr sind Täter und Richter der Umwelt zur Zeit der Tat entfremdet. Das ist eine Wirkung der Zeit; diese Wirkung ist unabhängig von der Möglichkeit der Strafverfolgung.
Mehrheit und Minderheit des Ausschusses waren in dem Bewußtsein einig, daß die Furchtbarkeit der Massenverbrechen, die im Dritten Reich vorgekommen sind, in ihrem Ausmaß weit über das hinausgeht, was eine an einen gesetzlichen Maßstab gebundene menschliche Gerechtigkeit ahnden kann. Wie das Hohe Haus auch über den Antrag der sozialdemokratische Fraktion entscheiden mag: in jedem Falle muß menschliche Gerechtigkeit, wieweit sie ihre zeitlichen Möglichkeiten auch ausdehnen mag, hinter dem zurückbleiben, was einer über dieser irdischen Welt wachenden Gerechtigkeit überlassen bleiben muß.
({0})
Ich danke der Frau Berichterstatterin und eröffne die Einzelberatung. Das Wort zur Begründung der Änderungsanträge, die Sie auf Umdruck 624 finden, hat der Abgeordnete Dr. Menzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion fühlt sich verpflichtet, das Hohe Haus auf eine ernste Gefahr hinzuweisen, auf die Gefahr, daß binnen kurzem die Strafverfolgung eines Teils der scheußlichsten Verbrechen aus der Nazizeit verjährt, Verbrechen, die dem deutschen Namen soviel Schande gebracht haben. Die Beihilfe zum Massenmord, die Massentotschläge, vor allem aber die fürchterlichen Mißhandlungen in den Zuchthäusern und Konzentrationslagern, die manchmal erst Stunden oder Tage später zu dem dann erlösenden Tod führten, würden den Gerichten und die Täter würden der irdischen Gerechtigkeit entzogen werden, wenn nicht rechtzeitig etwas veranlaßt wird.
Hier im letzten Augenblick einen Riegel vorzuschieben, ist der eigentliche Sinn und Zweck des sozialdemokratischen Gesetzentwurfs. Mit diesem Gesetzentwurf sollen keine Verjährungsfristen geändert, sondern es soll lediglich - in Anpassung an die chaotischen Zustände nach 1945, also nach der Kapitulation - endlich und endgültig festgelegt werden, wann die deutsche Justiz nach der Kapitulation wieder in der Lage gewesen ist, diese Massenverbrechen zu verfolgen, zu untersuchen und abzuurteilen.
Sie können gewiß sein: wir Sozialdemokraten wären weiß Gott froh, wenn uns diese Aufgabe heute nicht gestellt wäre. Wenn wir angesichts der in der letzten Zeit bekanntgewordenen Massenverbrechen diesen Schritt gehen und diesen Gesetzentwurf vorlegen, so entspringt das unserer politischen Verantwortung gegenüber dem, was geschieht, wenn wir tatenlos bleiben. Die Pressemeldungen am letzten Wochenende, daß die Bundesrepublik und die deutsche Justiz vor den größten Strafverfahren stehen werden, die jemals in Deutschland stattgefunden haben, den Verfahren gegen nicht weniger als 945 Beschuldigte aus dem ehemaligen Lageraufsichtspersonal, beweisen, vor welchen Aufgaben wir stehen.
Niemand in diesem Hause steht im Verdacht, daß er das, was damals geschah, auch nur im entferntesten billige. Aber, meine Damen und Herren, mit dem gleichen Recht fordern wir, daß niemand, der sich für unseren Gesetzentwurf einsetzt, beschuldigt wird, das Grundgesetz nicht zu achten oder seine entscheidenden Fundamente auch nur antasten zu wollen. Ich sage das deshalb, weil ich nach den bisher gepflogenen Verhandlungen innerDr. Menzel
halb und außerhalb des Rechtsausschusses des Bundestages fürchte, daß alle jene Fragen, die mit dem Gesetzentwurf der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion angeschnitten werden, Gefahr laufen, in dem Gestrüpp von Paragraphen zu ersticken.
Ausgangspunkt für die Frage der Verjährung und der Hemmung von Strafverfolgungen waren bisher die §§ 66 und folgende des Strafgesetzbuches - insbesondere § 69 - aus dem Jahre 1871.; und so erhebt sich die Frage, ob dieser Ausgangspunkt überhaupt noch richtig ist. Kann eine Bestimmung, die aus jenen Zeiten stammt, solchen Massenstraftaten gerecht werden? Als jene Vorschriften des deutschen Strafgesetzbuches geschaffen wurden, lebten wir in einer geradezu idyllischen Welt voller Geruhsamkeit und allgemeiner Sicherheit. Alle Einzelheiten des gesellschaftlichen, des sozialen und des politischen Lebens waren übersehbar. Das war eine völlig andere Welt als die Welt der Nazizeit und des staatlichen Zusammenbruchs nach 1945. Können ein oder zwei Paragraphen des Strafgesetzbuches zur Bewältigung solcher Gewalt- und Massenverbrechen überhaupt ausreichen? Muß nicht jede auch noch so gute und solide Rechtspflege, wenn sie vor solche Aufgaben gestellt ist, an der Bewältigung derartiger Massendelikte scheitern?
Das Strafrecht, vor 90 Jahren geschaffen, war abgestellt auf Einzeltäter oder höchstens auf die asoziale Betätigung kleinerer Gruppen. Worüber wir aber heute und hier zu entscheiden haben, das sind Massenvorgänge, an die der Gesetzgeber damals gar nicht denken konnte.
Es gibt einen weiteren entscheidenden Unterschied zwischen damals und heute oder zwischen damals und 1941 und später. Jene Massenverbrechen sind von dem Hitlerregime nicht nur geduldet, sondern gelenkt und geradezu angestiftet worden. Diese Umkehr aller moralischen und sittlichen Grundlagen eines Staates war doch für den Gesetzgeber von vor 90 Jahren überhaupt nicht vorstellbar und voraussehbar.
Wenn ich das so hervorhebe und hier Zweifel anmelde, ob unser Strafgesetzbuch überhaupt eine Sühne für jene Millionen Ermordeter bringen kann, so nicht etwa, um vom Recht abzulenken, sondern um Rechtsnormen davor zu bewahren, daß sie auf Tatbestände angewendet werden, für die sie gar nicht gedacht waren und gar nicht gedacht sein konnten, und damit verschlissen werden.
Man sage uns nicht, es sei genügend Vorsorge getroffen, alle jene zu erfassen, die erfaßt werden müßten. Selbst der Herr Bundesjustizminister ist dieser Meinung nicht. In einem dem Rechtsausschuß zugeleiteten Bericht vom 6. Mai sagt er an nicht weniger als zwei Stellen, daß die bevorstehende Verjährung „nicht auf einen besonders umfänglichen Komplex" Anwendung finden würde. Auch der Bundesjustizminister muß also zugeben, daß doch ein umfänglicher Kreis „amnestiert" werden würde. Nach seinen Angaben schweben zur Zeit rund 1000 Strafverfahren wegen der Untaten in den ehemaligen Konzentrationslagern, insbesondere wegen der Vorgänge in Auschwitz und in den Vernichtungslagern in Treblinke und Chelmno.
Meine Damen und Herren, welche Gefahren liegen darin? Einmal die Gefahr, daß diese fast 1000 Beschuldigten, die demnächst vor den Schranken des Gerichts stehen werden, sich aus der Verantwortung mit dem Hinweis zu ziehen versuchen werden, sie seien nicht die eigentlich Schuldigen; die eigentlichen Drahtzieher, die eigentlichen Schuldigen säßen ja im Zuhörerraum oder auf der Zeugenbank. In der Tat könnten diese die Schuld auf sich nehmen, weil sie wegen des inzwischen erfolgten Ablaufs der Verjährungsfrist nicht mehr gefaßt werden könnten.
Es besteht eine zweite Gefahr. Haben wir es nicht immer wieder erlebt, daß während der Durchführung eines Prozesses neue Delikte, neue Vorgänge entdeckt wurden, daß man erst jetzt, Jahre später, auf neue Untaten stieß? All das, was in diesen Prozessen entdeckt werden würde, könnte nicht mehr verfolgt werden!
Ich sage das auch deshalb, weil die heutigen Morgenzeitungen die Nachricht brachten, daß der frühere SS-Obersturmbannführer Eichmann in Israel verhaftet worden ist. Eichmann war Leiter der Dienststelle „Endlösung der Judenfrage". Er war neben Hitler und Himmler der größte Mörder der Nazizeit, und er ist verantwortlich für das Leiden und den Tod von 5 oder sogar 6 Millionen Menschen. Obwohl das bekannt war, hat - nach den gleichen Meldungen von heute früh - dieser Eichmann immer noch Hintermänner in der Bundesrepublik gehabt. Er soll Vertreter deutscher Konzerne in dem Ölland Kuweit gewesen sein. Sicherlich, das, was Eichmann getan hat, verjährt jetzt nicht, weil es nackter, brutaler Mord war. Aber, alle jene, die ihm als Gehilfen oder als Werkzeug, als Massentotschläger geholfen haben, würden ab morgen frei sein. Der Prozeß, wo immer durchgeführt, ob in Israel oder vielleicht auf Grund eines Auslieferungsbegehrens der Bundesrepublik hier, wird zweifellos in viele der düstersten Vorgänge der Nazizeit Licht bringen, und das wäre gut, weil dies auch zur Bereinigung unserer deutschen Vergangenheit beitragen würde.
Aber in welche Situation bringen wir die Bundesrepublik vor aller Welt, wenn wir zwar Eichmann aburteilen können, aber diejenigen, die sich als sein Handwerkszeug verdingten, ungeschoren lassen müssen?!
Gegen den Gesetzentwurf wird zunächst eingewandt - ich bitte um Verständnis dafür, daß ich im Plenum auch auf einige verfassungsrechtliche Fragen eingehe, aber sie haben in den Verhandlungen des Ausschusses eine entscheidende Rolle gespielt -, eine Verlängerung von Verjährungsfristen sei verfassungwidrig; denn Verjährungsfristen seien Bestandteil des materiellen Strafrechts. Ich weiß, daß das früher strittig war und vielleicht auch heute noch in der Literatur strittig ist. Aber schließlich stehen heute das Bundesverfassungsgericht und der Bundesgerichtshof in Karlsruhe einmütig und seit langem auf ,dem Standpunkt - und das ist doch für uns in der Politik das Entscheidende -, daß die Verlängerung von Verjährungsfristen zulässig .sei
Mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten möchte ich aus den Entscheidungsgründen des Bundesverfassungsgerichts, Band 1, zwei Sätze zitieren. Dort sagt das Bundesverfassungsgericht gegenüber dem Beschwerdeführer:
Ebenso nimmt der Beschwerdeführer zu Unrecht an, das Ahndungsgesetz verstoße gegen Art. 103 Abs. 2 GG, der verbietet, daß Strafgesetze sich rückwirkende Kraft beilegen. Landfriedensbruch, um dessentwillen der Beschwerdeführer verurteilt worden ist, war vor der Begehung der Tat ebenso strafbar wie heute. Nur darauf aber kommt es in diesem Zusammenhang an. Art. 103 Abs. 2 GG steht daher einem Gesetz, das die Bestimmungen über die Hemmung der Strafverfolgungsverjährung mit Wirkung auch für bereits begangene Taten ergänzt, nicht entgegen.
Der Bundesjustizminister hat in seinem wiederholt zu zitierenden Bericht vom 6. Mai ebenfalls erklärt, das Bundesverfassungsgericht und der Bundesgerichtshof hätten zwar ,die Möglichkeit der nachträglichen Aufhebung einer bereits eingetretenen Verjährung durch landesrechtliche Vorschriften anerkannt, aber die Vorgänge von 1946 lägen anders als heute.
Das alles wird aber nur hilfsweise für unseren Entwurf vorgebracht. In Wirklichkeit - das ist auch verfassungsrechtlich das Entscheidende - enthält der Vorschlag der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion keine Verlängerung einer im Strafgesetzbuch festgelegten Verjährungsfrist, sondern lediglich den Versuch der Festsetzung anderer Termine für eine Hemmungsfrist, nach deren Ablauf die Verjährung dann zu laufen beginnen soll. Dies und nur dies ist zu entscheiden, nicht aber ein Problem des Art. 103 des Grundgesetzes.
Grundlage ist § 69 des Strafgesetzbuchs, wonach die Verjährung während der Zeit ruht, in welcher die Strafverfolgung nicht durchgeführt werden kann. Das zentrale Justizamt der britischen Zone läßt durch Verordnung vom Mai 1947 die Verjährung jener Delikte aus der Hitlerzeit erst am 8. Mai 1945 beginnen. Für die ehemals amerikanische Zone war es der 30. Juni 1945.
Meine Damen und Herren, wer von uns könnte mit ehrlichem Gewissen behaupten, die deutsche Justiz habe bereits im Frühjahr, Sommer oder Herbst 1945 die Möglichkeit gehabt, wieder zu arbeiten? Die zur Entscheidung stehenden Delikte gehörten vor ein Schwurgericht; meint jemand im Ernst, daß bei den chaotischen Verhältnissen damals auch nur im entferntesten die Möglichkeit bestanden hätte, Geschworene zu bestellen?! Selbst Laienbeisitzer für die Kleinen Strafkammern konnten damals nicht ausgewählt und bestimmt werden.
Wer von uns alsbald nach der Kapitalution die Möglichkeit hatte, sich am Aufbau unseres Vaterlandes zu beteiligen, weiß, vor welchen unsagbaren Schwierigkeiten wir damals gestanden haben. Hunger und Obdachlosigkeit regierten die Zeit. Der Flüchtlingsstrom mußte betreut und neue Lager mußten geschaffen werden. Den zurückkehrenden
Soldaten, die nicht in Gefangenschaft gerieten, mußte geholfen werden. So mußten zunächst die primitivsten Voraussetzungen geschaffen werden, damit unser staatliches Leben wieder beginnen konnte. Wer hätte denn damals Zeit und Sinn für Prozesse oder Strafanzeigen gehabt?! Und selbst wenn er Sinn und Zeit dafür gehabt hätte, - wo gab es denn im Sommer 1945 die zuständigen Stellen, wo waren Vorgänge zu beschaffen, wo gab es die erforderliche Kriminalpolizei, wo waren Unterlagen, und wer wußte, wo Zeugen waren?
Niemand anders als eben jene, um deren weitere Strafverfolgung es heute geht, waren doch schuld an den Zuständen, die damals herrschten. Sie selber haben doch die Tatsachen geschaffen, die es unmöglich machten, sie zu verfolgen. Sollen sie sich darauf berufen können?
Was wäre die weitere Folge, wenn die Verjährungszeit schon am 9. Mai 1945 begänne? Unstreitig beträgt die Verjährungszeit 15 Jahre. Ebenso unstreitig ist aber auch, daß die Gerichte vor dem Herbst 1945 nicht wieder funktionieren konnten, vielleicht sogar erst ab 1946. Die seit Jahrzehnten gültige, vom Strafgesetzbuch festgelegte 15jährige Verjährungsfrist würde also ausgerechnet für jenen Täterkreis um ein oder anderthalb Jahre verkürzt werden. Hierin sehe ich einen eklatanten Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz. Insofern habe ich auch verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Gültigkeit der Verordnung des zentralen Justizamtes der britischen Zone, die die Verjährungsfrist erst am 9. Mai 1945 beginnen läßt.
In diesem Zusammenhang muß ich auf einen nicht erfreulichen Vorfall im Rechtsausschuß zurückkommen. Nur mit Schrecken und nicht ohne innere Erregung haben wir von dem Vertreter des Bundesjustizministeriums in der letzten Sitzung des Rechtsausschusses auf die Frage nach dem Stand der Strafverfolgungen zur Kenntnis nehmen müssen, daß sich nach seiner Auffassung die Länder, beginnend etwa mit dem Jahre 1950 und zunehmend ab 1952 in der Nachforschung nach den in jener Vergangenheit begangenen Untaten zögerlich verhalten hatten.
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- Ich habe es mitgeschrieben, und Sie werden das Stenogramm des Ausschusses nachlesen können. Herr Kollege Kanka, Sie werden nicht bestreiten können, daß der Vertreter ,des Justizministeriums, auf die seinerzeitigen Versuche zu einer Generalamnestie zu kommen, hingewiesen und auf den dadurch entstandenen „Trend" - beide Worte hat er gebraucht - eingegangen ist. Auf Grund der damaligen Erörterungen über eine Generalamnestie für alle in der Hitlerzeit begangenen Verbrechen hätten die Länder - und jetzt zitiere ich wieder wörtlich -„an eine Art Trend in der Öffentlichkeit geglaubt, auf die Verfolgung jener Delikte nicht mehr so Wert legen zu müssen". Sie hätten - und wiederum wörtlich, Herr Kanka, - „auf eine systematische Durchforschung ,der Vorgänge" verzichtet. Der Fall
Heyde in Schleswig-Holstein könnte dadurch mit seine Erklärung finden.
Aber ich muß jene Landesjustizminister in der Bundesrepublik ausdrücklich in Schutz nehmen, die sich schon vor Jahren, wenn auch häufig vergeblich, so sehr um die Verfolgung jener Naziverbrechen gekümmert und dafür eingesetzt haben.
Stimmt das aber, was der Vertreter des Herrn Justizministers gesagt hat, dann wäre das nicht nur ein schwerer Vorwurf gegen die Länder, Ich bin weit davon entfernt, Ihnen einen Eingriff in die Justizpolitik der Länder zumuten zu wollen -, aber wenn das stimmt, was uns im Rechtsausschuß gesagt worden ist, wäre es zugleich ein massiver Vorwurf gegen Ihre Politik. Denn dann wären Sie verpflichtet gewesen, Herr Bundesjustizminister, die Länder auf die Unmöglichkeit einer solchen Politik hinzuweisen und sie davor zu warnen. Diese Rechnung ist nun offensichtlich nicht aufgegangen, denn die Rechnung wird uns jetzt vorgelegt.
Die Verhandlungen im Rechtsausschuß ergaben aber noch einen weiteren wesentlichen neuen Hinweis. Der Herr Bundesjustizminister hat darauf hingewiesen, daß die ehemaligen drei Besatzungszonen, die später zu der jetzigen Bundesrepublik zusammengeschlossen wurden, erst im Laufe des Jahres 1947, d. h. zwei Jahre nach der Kapitulation, in den allgemeinen internationalen Rechtsverkehr eingeschleust werden konnten. Daraus folgt aber, daß bis dahin alle jene Delikte, die außerhalb des späteren Machtbereichs des Grundgesetzes und des Landes Berlin begangen worden sind, noch nicht strafrechtlich verfolgt werden konnten. Insoweit lag ein teilweiser Stillstand der Rechtspflege vor, von dem der Herr Bundesjustizminister in seinem Bericht ebenfalls gesprochen hat. Bei allen jenen Delikten, die in den riesigen Konzentrationslagern mit ihren Verbrennungsöfen Rußlands, Polens oder der Tschechoslowakei begangen worden sind, kann Verjährung daher erst 1947 beginnen.
Erst in dem Maße, in dem sich die innerdeutschen Verhältnisse stabilisierten und konsolidierten, erst in dem Maße, in dem die Länder in diesen internationalen Rechtsverkehr wieder einbezogen werden konnten, war unsere Justiz in der Lage, Einzelheiten über jene Greueltaten zu erfahren. Woher sollten wir das alles wissen?
Schließlich wird als Einwand gegen unseren Gesetzentwurf auf das vom Bundestag am 30. Mai 1956 beschlossene Gesetz zur Aufhebung von Besatzungsrecht verwiesen. Es ist ein einfaches Bundesgesetz, also ebenso abänderbar wie jedes andere. Es hat keinem der in Frage kommenden Täter irgendwelche verfassungsrechtliche Garantien gegeben. Was besagt das Gesetz? Es hebt einen großen Teil des von den Alliierten gesetzten Besatzungsrechts auf oder erklärt es für den Bereich der Bundesrepublik für nicht mehr anwendbar. In § 5 wird schließlich die durch das alliierte Recht verfügte Hemmung von Fristen mit rückwirkender Kraft aufgehoben. Dadurch trat also das zuvor gültige deutsche Recht wieder in Kraft, und die deutsche Gesetzgebung war in der Lage, selber über Hemmungs- oder Verjährungsfristen zu bestimmen.
Für die Britische Zone trat die Verordnung von 1947 wieder in Geltung. Aber damit zugleich wurde auch die vom Bundesgerichtshof Ende 1951 gefällte Entscheidung wieder gültig, die sich mit dem Problem der Hemmung von Verjährungsfristen befaßt. Sie kommt zu dem entscheidenden Ergebnis, daß während der Zeit, in der die deutsche Justiz nicht arbeiten konnte, die Verjährung ruhte. Um von einem Ruhen der Justiz auszugehen, reicht es nicht aus, daß da oder dort ein Vormundschaftsrichter im Herbst 1945 bereits in der Lage war, einen Aktenvermerk zu machen oder eine Aktenverfügung zu treffen, daß ein Richter in der Lage war, einen auf frischer Tat ertappten Sünder verhaften zu lassen und abzuurteilen, auch nicht, daß kleine Zivilprozesse wieder stattfinden konnten. Entscheidend bei dieser Frage, bei der es sich um Millionen von Einzelvorgängen handelt, war und ist, ob die Justiz als Institution in Deutschland bereits wieder funktionsfähig war, und zwar nicht irgendeine Institution, sondern im Rahmen unserer staatlichen Grundprinzipien der Gewaltenteilung als die Institution der Dritten Gewalt, nämlich der Rechtspflege.
Kein Richter hätte damals, so allein auf sich gegestellt, wie er in der Tat auf sich allein gestellt war, das bewältigen können, was mit Recht im Ausschuß als Massenstrafverfahren bezeichnet worden ist. Ihm standen keine Strafverfolgungsbehörden, keine Zeugen, keine Akten, keine Rechtshilfe, überhaupt kein voll funktionierender Staat zur Verfügung.
Der Herr Bundesjustizminister sagt mit Recht in seinem Bericht - ich bitte, darauf zu achten, weil dies die Grundlage unserer Änderungsanträge geworden ist
Einen Stillstand der Rechtspflege, der ein Ruhen der Verjährungsfrist rechtfertigen könnte, hat es in Deutschland spätestens seit Ende 1946 nicht mehr gegeben.
Das heißt, bis Mitte 1946 lag ein Stillstand der Rechtspflege auch nach Annahme des Herrn Bundesjustizministers vor.
Schlagen also alle rechtlichen Einwendungen gegen unseren Gesetzentwurf nicht durch, so müßte die politische Verantwortung, die wir in dieser Frage zu tragen haben, uns geradezu zwingen, nach einer erträglichen Lösung zu suchen. Wir waren dazu bereit, die Fristen unseres Gesetzentwurfs zu ändern. Wir haben es selber beantragt. Wir waren auch zu einem noch weiteren Entgegenkommen bereit. Aber wir sind bei dieser Frage, die uns doch allen auf den Nägeln brennt, leider auf einen Wall von Hindernissen und Paragraphen gestoßen. Meine Sorge, daß das Ergebnis einer Ablehnung unseres Gesetzentwurfs die deutsche Bundesrepublik in eine schreckliche Lage bringen wird, wird jetzt durch die Festnahme Eichmanns und den bevorstehenden Prozeß gegen ihn unendlich erhöht. Es steht, um das klarzustellen, für uns gar nicht diese oder jene Reaktion gegen diese oder jene Propaganda östlicher Justizverwaltungen zur Entscheidung. Wenn es den Justizverwaltungen des Ostens wirklich um ein Prinzip der Gerechtigkeit, um eine Sühne gegangen wäre, hätten sie die Un6684
terlagen schon seit Jahren übersenden können. Daß sie es nicht taten, machte sie selbst zu Mitschuldigen an den Taten. So geht es heute also um unsere eigene Verpflichtung und nicht um die Propaganda der anderen.
Wieviel Mitläufer, wieviel kleine Pgs mußten sich 1945 entnazifizieren lassen und Beruf und Amt aufgeben. Sie mußten die Last jener tragen, die sie zu diesen politischen Entscheidungen, zu ihrem Irrgang angestiftet hatten. Immer wieder haben wir uns auch im Bundestag auf den Standpunkt gestellt, den Kleinen zu verzeihen, aber bei den Großen, 'die wirkliche Verbrechen begangen haben, zuzupacken. Soll das nun auch vergessen sein?
Wir wären - ich wiederhole, was ich zu Anfang gesagt habe, - froh, dieser Gesetzentwurf wäre uns erspart geblieben. Aber was an Untaten geschah, kann erst bewältigt werden, auch von uns als Nation geschichtlich bewältigt wenden, wenn man wenigstens versucht, das, was an Unrecht geschehen ist, in Ordnung 'zu bringen. Wir werden es nie ganz schaffen; aber es kann niemals dadurch geschehen, daß man die Augen vor dem verschließt, was geschah, und glaubt, es wäre damit überwunden.
Das Internationale Komitee von Auschwitz hat an den Herrn Bundestagspräsidenten, an die Bundestagsfraktionen, an die Bundesregierung eine fast flehentliche Bitte gerichtet. Ich bitte um die Erlaubnis, hieraus einige Sätze vorlesen zu dürfen. Es heißt dort:
Am 8. Mai dieses Jahres soll ein Totschlag, der in einem der zahlreichen KZs Hitlers begangen wurde, gerichtlich nicht mehr verfolgt werden können. Dieses Verbrechen soll verjährt sein. Mit 'diesem Gedanken kann sich das Internationale Auschwitz-Komitee nicht abfinden.
An einer anderen Stelle heißt es:
Immer wieder kommen aus allen Erdteilen Aussagen zu uns, die wir dann der zuständigen Staatsanwaltschaft weiterleiten, und immer wieder werden neue Namen von SS-Angehörigen genannt, die Furchtbares in diesem schlimmsten aller Konzentrationsläger verbrochen haben. Soll nun in einer Woche ein solcher Zustand eintreten, daß ein SS-Mann, der Häftlinge in Auschwitz derartig mißhandelt hat, daß sie gestorben sind, wegen Verjährung nicht mehr verfolgt werden kann, nur weil erst jetzt Beweise für seine Verbrechen bekanntgeworden sind? Soll sich ein solcher Täter seiner Verbrechen rühmen können, ohne daß er zur Verantwortung gezogen werden kann? Gewiß, fünfzehn Jahre sind eine lange Zeit; aber der Umfang der Verbrechen, die in Auschwitz und anderen KZs begangen wurden, ist größer, als man sich vorstellen kann, und die Zahl der Täter ist sehr, sehr hoch, die Zahl der überlebenden Zeugen aber gar sehr gering. Die Lösung der so großen, schweren und unerläßlich notwendigen Aufgabe der deutschen Justiz, sich mit den Verbrechen der Zeit 'des 'deutschen Nationalsozialismus auseinanderzusetzen, ist erst kürzlich begonnen worden.
Soll sie unterbrochen werden, bevor sie beendet ist? Wem kann das nutzen? Darum wendet sich das Internationale Auschwitzkomitee an den Deutschen Bundestag, an den Herrn Justizminister der Bundesrepublik Deutschland. Wir halten uns dafür verpflichtet. Noch kann die Verjährung ungesühnter nationalsozialistischer Verbrechen auf einen Zeitpunkt verlegt werden, der es der Justiz ermöglicht, alle Spuren zu verfolgen. Unser Komitee hat bisher jede ihm mögliche Hilfe gegeben. Wir werden sie auch weiter geben. Es liegt nun nur an dem Gesetzgeber, zu ermöglichen, daß auch künftig solche Hilfe wirksam werden kann.
Meine Damen und Herren, ich gebe zu, daß sich dieser Appell nicht mit verfassungsrechtlichen Fragen befaßt; aber er zeigt noch einmal, vor welcher politischen Entscheidung dieses Hohe Haus steht. Wer könnte nach dem, was Schlimmes passiert ist, an einem solchen Appell vorübergehen? Das Hohe Haus wird darüber zu entscheiden haben.
Wir bitten, unseren Gesetzentwurf mit den inzwischen vorgelegten Änderungsanträgen anzunehmen.
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Das Wort hat der Bundesminister der Justiz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bevor ich grundsätzlich zu der Frage, die heute zur Debatte steht, Stellung nehme, möchte ich auf einige Bemerkungen des Herrn Vorredners eingehen. Er hat zunächst den Fall Eichmann erwähnt. Ich glaube, das deutsche Parlament und die deutsche Öffentlichkeit können unbesorgt sein; sie können damit rechnen, daß die Bundesregierung, wenn sie die Möglichkeit hat und wenn sie das Echo und das Gehör bei der Regierung des Staates Israel findet, sich sehr gerne bemühen wird, den Fall Eichmann unter die deutsche Gerichtsbarkeit zu bringen und Eichmann der deutschen Justiz zu unterstellen. Nicht deswegen - ich betone es ausdrücklich -, weil wir inzwischen versäumt hätten, die Organe, die ihm unterstellt gewesen sind, nachzuprüfen. Ich glaube mit gutem Gewissen behaupten zu können, daß das, was unter seinem System geschehen ist, inzwischen eine Nachprüfung gefunden hat, die die Unterlagen dafür gibt, um auch die strafrechtlichen Folgerungen ziehen zu können. Es wäre sehr wünschenswert, wenn der deutschen Justiz und Gerichtsbarkeit die Möglichkeit gegeben wäre, solche Verbrechen unter deutscher Zuständigkeit abzuurteilen. Wir sind aber zunächst natürlich auf Klärung .der Situation angewiesen; und wir sind darauf angewiesen, abzuwarten, ob ein Begehren nach Auslieferung Erfolg hat.
Ich möchte in diesem Zusammenhang eines sagen. Der Herr Vorredner hat eine Bemerkung gemacht, daß zwar Eichmann und solche Leute heute noch der vollen Strafbarkeit ohne Rücksicht auf jeden Ablauf der Verjährungsfrist unterliegen würden, aber nicht etwa die vielen Hunderte seiner Gehilfen. Wenn ich ihn richtig verstanden habe, muß ich saBundesminister Schäffer
gen, daß das ein sehr großer Irrtum ist. Was heute der Strafbarkeit unterstellt wird, sind ganz überwiegend - und müssen es naturnotwendig wegen des Zeitablaufs sein - gerade die Fälle, in denen systematisch Verbrechen begangen worden sind. Das sind ganz ausschließlich Fälle, in denen es sich um Mord oder um Beihilfe zum Mord handelt. Mord und Beihilfe zum Mord sind noch nicht verjährt. Es wird heute übersehen, daß sich der Ablauf der Verjährungsfrist nicht auf Mord und nicht auf Beihilfe zum Mord bezieht.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Minister?
Darf ich eine Frage stellen, Herr Bundesjustizminister: Haben Sie nicht dabei übersehen, daß Totschlag und Beihilfe zum Mord verjährt, wenn die Beihilfe bis zum Jahre 1943 begangen war?
Herr Kollege, daß Totschlag verjährt, habe ich ja selbst gesagt, indem ich nur von Mord und Beihilfe zum Mord gesprochen habe. Beihilfe zum Mord verjährt vom Jahr 1942
({0})
- 1943 an. Das ist die Großzahl der Fälle, und wenn ich an solche Fälle wie Eichmann denke, so bin ich der Überzeugung, daß Eichmann in den Jahren 1944 und 1945 die größte Zahl seiner Verbrechen begangen hat.
Darf ich noch eine Frage stellen: Herr Bundesminister, ist Ihnen entgangen, daß die Massenmorde in Auschwitz bereits im Jahre 1942 begonnen haben?
Begonnen haben! Was in Auschwitz 1942 gewesen ist, war dort auch 1943! Im übrigen werden die Beihilfen hier weniger in Frage kommen; hier wird unmittelbar der Mord in Frage kommen. Aber vom Jahre 1943 ab ist die Beihilfe zum Mord und infolgedessen die ganz große Masse der Fälle der Verjährung augenblicklich entzogen.
Ich darf nun auf die zweite Frage eingehen, die angeschnitten worden ist, die Frage wegen des zögerlichen Verhaltens der Justizverwaltung. Ich darf eines feststellen: Es war ganz natürlich, daß die große Zahl der Anzeigen und Erwägungen zunächst in den ersten Jahren, als die deutsche Gerichtsbarkeit wieder arbeiten konnte, eingelaufen bzw. angestellt worden sind. Es ist aber nicht so, daß irgend jemand behaupten könnte, daß die deutsche Justiz nach dem Jahre 1950 nach dieser Richtung etwa geschlafen hätte. Es ist lediglich festzustellen - eine Tatsache, die sich nicht vermeiden läßt und die ganz selbstverständlich ist -, daß nach den ersten Jahren die Zahl der Anzeigen aus dem privaten Bereich zurückgegangen ist. Ich möchte aber ausdrücklich feststellen: gerade das war der Anlaß, daß sich die Justizverwaltungen von sich aus mit dem Gedanken beschäftigt haben, ob es, nachdem die Zahl der Anzeigen aus privaten Kreisen nachgelassen hatte, nun nicht notwendig sei, hier einzugreifen und von Staats wegen die Frage aufzuwerfen, ob nicht Material beschafft werden müsse, um die Verbrechen der Nazizeit nicht ungesühnt zu lassen, sondern von Amts wegen die Untersuchungen vorzunehmen. Das war gerade der Grundgedanke, von dem aus die Justizverwaltungen dazu gekommen sind, ein besseres Zusammenarbeiten unter sich zu erstreben, und aus diesem Gedanken des besseren Zusammenarbeitens ist dann später der Gedanke geboren worden, eine Zentralstelle in Ludwigsburg zu schaffen. Es sollte nicht nur eine Koordinierung erreicht, sondern all die Verbrechen der Nazizeit sollten systematisch verfolgt werden. Ich glaube infolgedessen, eigentlich annehmen zu müssen, Herr Kollege Menzel, daß das, was die deutschen Landesjustizminister hier - ohne Unterschied der Einstellung des einzelnen auf politischem Gebiet - beschlossen haben, doch Ihren eigenen Überzeugungen entspricht.
Darf ich nun zu der Anfrage selbst übergehen! Dem Entwurf eines Gesetzes über die Berechnung strafrechtlicher Verjährungsfristen, der hier vorliegt, kann die Bundesregierung von sich aus ebensowenig beitreten, wie es die Mehrheit im Rechtsausschuß des Deutschen Bundestags getan hat. Das gilt insbesondere für den Änderungsantrag der Fraktion der SPD. Er hätte zur Folge, daß in einem Umfang, der sich heute noch nicht feststellen ließe, die unter der Herrschaft demokratischen Verfassungsrechts eingetretenen Verjährungen rückwirkend wieder aufgehoben würden. In den Ausschußberatungen ist von den Befürwortern des Entwurfs gesagt worden, die verfassungsrechtlichen und rechtspolitischen Einwendungen träfen für den Entwurf nicht zu, weil er lediglich für die Zeit nach dem Zusammenbruch einen Stillstand der Rechtspflege feststelle und auf ihm die Hemmung der Verjährung beruhe.
Wenn ich Herrn Kollegen Menzel richtig verstanden habe, ist dieser Gedankengang heute auch bei ihm zum Ausdruck gekommen. Ich kann diesem Gedanken nicht zustimmen. Es macht gar keinen rechtlichen Unterschied, ob das Ziel einer rückwirkenden Beseitigung der Verjährungsfristen durch Fristverlängerung oder durch Aussparung einer bestimmten Zeit am Anfang der Frist erreicht wird. Entscheidend ist lediglich, ob der Zeitraum, der für die Strafverfolgung zur Verfügung steht, verlängert wird oder nicht und ob das durch eine sachliche Änderung der geltenden Verjährungsvorschriften erfolgt.
Bei dem Entwurf der SPD ist beides gegeben. - Er will die Verjährungsfristen, die der Deutsche Bundestag durch das Erste Gesetz zur Aufhebung des Besatzungsrechts im Jahre 1956 festgelegt hat, wieder aufheben und rückgängig machen. Und zwar möchte er sie mit einer Begründung rückgängig machen, die unserem ganzen Rechtssystem fremd
ist, mit der Begründung nämlich, daß damals tatsächlichee Schwierigkeiten in der Strafverfolgung bestanden hätten. Ich möchte nur feststellen:
das widerspricht dem im deutschen Recht üblichen
Grundsatz des § 69 des Strafgesetzbuchs, nach dem die Verjährung nur ruht, wenn und solange die Strafverfolgung auf Grund einer gesetzlichen Vorschrift nicht begonnen oder fortgesetzt werden kann.
Die Bundesregierung ist der Meinung, daß es wirklich schlechthin zwingende Gründe sein müßten, die es rechtfertigen könnten, das verfassungsrechtliche Risiko, das mit dem vorgeschlagenen Gesetzentwurf verbunden ist, zu übernehmen und die aus ihm erwachsenden rechtspolitischen Folgen und Gefahren zu tragen. Solche Gründe liegen aber nicht vor. Schon um der geschichtlichen Wahrheit willen muß ich feststellen, daß der zahlenmäßige Umfang der in diesem Jahre verjährten oder von der Verjährung bedrohten nationalsozialistischen Verbrechen von der östlichen Propaganda in einem außer jedem Verhältnis zur Wirklichkeit stehenden Ausmaß aufgebauscht worden ist.
Es ist doch jedem bekannt, daß in den ersten Jahren nach dem Zusammenbruch des Regimes eine sehr intensive Verfolgung dieser Verbrechen sowohl durch die Besatzungsgerichte wie auch durch die deutschen Gerichte stattgefunden hat. Zahlreiche nationalsozialistische Verbrecher sind schon in der damaligen Zeit der gerechten Strafe zugeführt worden. Ich habe im Ausschuß einige Zahlen genannt, Zahlen für Berlin, Zahlen für Bayern, Zahlen für Niedersachsen; ich glaube, es war Niedersachsen, wo in den ersten Jahren viele Hunderte, und in Berlin, wo allein über tausend Fälle in einem Jahr gewesen sind. Im Laufe des letzten Jahrzehnts gingen dann allerdings die Hinweise auf noch ungesühnte Naziverbrechen sowohl aus den Kreisen der unmittelbar Betroffenen wie auch aus der Bevölkerung zurück. Die Ursache, die, wie ich schon erwähnt habe, hier namentlich eine Rolle gespielt haben mag, ist wohl auch die, daß die überlebenden Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in alle Welt verstreut waren, daß der Wiederaufbau der deutschen Wirtschaft damals die Kräfte stark in Anspruch genommen hat und daß manche von ihnen den begreiflichen Wunsch gehabt haben, von der Vergangenheit nichts mehr zu hören und an der Vergangenheit nicht mehr zu rühren.
Aber gerade weil die private Initiative nachgelassen hat, hat es die Justizverwaltung als ihre Aufgabe betrachtet, gemeinsam und systematisch vorzugehen, um eine vollständige und erfolgreiche Aufklärung der nationalsozialistischen Massenvernichtungsaktionen zu gewährleisten. Aus diesem Grunde und zugleich auch mit Rücksicht auf den Lauf der Verjährungsfristen sind sie zunächst jahrelang in ständigen Erfahrungsaustausch getreten und haben alles in der Bundesrepublik erreichbare, sogar das damals schon aus dein Osten unter ausgesprochen propagandistischen Gesichtspunkten vorgelegte Aktenmaterial planmäßig untersuchen lassen. Auch historische Archive sind damals von Ermittlungsbeamten zum Zwecke der strafrechtlichen Auswertung untersucht worden. Soweit sich hinreichende Anhaltspunkte ergaben, sind Ermittlungsverfahren damals schon eingeleitet worden. Die Landesjustizverwaltungen haben vor allem auch die in der Öffentlichkeit inzwischen bekanntgewordene
Zentralstelle zur Aufklärung nationalsozialistischer Gewaltverbrechen in Ludwigsburg in gemeinsamer Arbeit eingerichtet.
Ich kann Ihnen infolgedessen versichern, daß besonders in den letzten Jahren alles Menschenmögliche geschehen ist, um die Ermittlungen so weit vorwärtszutreiben, daß die Strafverfahren unbehelligt von der Verjährung zu Ende geführt werden können. Auf einer Konferenz der Landesjustizminister am 8. April 1960 in Wiesbaden hat der Leiter der Zentralstelle genaue Angaben über Art und Umfang der bisher gemachten Ermittlungen und über die erzielten Arbeitsergebnisse gemacht. Es dürfte Sie interessieren, daß nach diesem Bericht alle bedeutsamen Massenvernichtungsaktionen der Kriegszeit systematisch erfaßt und weitgehend erforscht sind. Die Gefahr, daß ein größerer Tatsachenkomplex aus diesem Bereich unentdeckt und deswegen insgesamt von der Verjährung bedroht ist, besteht nach meiner Überzeugung heute nicht mehr. Auf dem gesamten Gebiet der Kriminalität wird immer - das ist eine alte Erfahrung - ein gewisser Rest unaufgeklärter Taten bleiben. Aber um Ihnen einen Begriff von den durch die Zentralstelle geführten Vorermittlungen zu geben, möchte ich mitteilen, daß sie inzwischen neben zahlreichen anderen einzelnen Fällen folgende Verfahren an die zuständigen Staatsanwaltschaften der Länder abgegeben hat: erstens, das Verfahren zum Auschwitz-Komplex mit 900 Beschuldigten an die Staatsanwaltschaft Frankfurt/Main; zweitens, das Verfahren zum Vernichtungslager Chelmno in Posen mit 60 bis 70 Beschuldigten an die Staatsanwaltschaft in Bonn; drittens, das Verfahren zum Vernichtungslager in Treblinka im Distrikt Warschau mit 40 Beschuldigten an die Staatsanwaltschaft in Düsseldorf; viertens, das Verfahren zum Vernichtungslager Belzec in Polen mit 10 Beschuldigten an die Staatsanwaltschaft in München; fünftens, ein Verfahren über Exekutionen von Juden in Riga mit 120 Beschuldigten an die Staatsanwaltschaft in Hamburg; sechstens, ein Verfahren über Exekutionen von Juden in Litauen mit 70 Beschuldigten an die Staatsanwaltschaft in Frankfurt am Main.
Meine Damen und Herren, das ist nur eine Auswahl aus dem großen Komplex, der von der deutschen Justiz in den nächsten Jahren noch zu bewältigen ist, zeigt aber, was unternommen worden ist, um so weit wie nur irgend möglich die Verjährung nationalsozialistischer Massenverbrechen zu verhindern. Nach den mir zugegangenen Mitteilungen und Unterlagen habe ich das Vertrauen, daß dieses Ziel in der großen Masse der Fälle entweder durch rechtzeitige Unterbrechung der Verjährung erreicht worden ist oder daß es innerhalb der für die schwersten Verbrechen noch zur Verfügung stehenden Zeit erreicht werden kann.
Ich bitte auch zu bedenken, daß die in diesem Frühjahr und Sommer ablaufende 15jährige Verjährungsfrist für die Massenvernichtungsaktionen des Nationalsozialismus keine große praktische Bedeutung hat; denn für den Mord und die seit Juni 1943 begangene Beihilfe zum Mord - das betrifft die große Zahl der Fälle - beträgt die Frist
20 Jahre. Nach dem bisherigen Ergebnis der Rechtsprechung sind die unmittelbaren Teilnehmer an den Vernichtungsaktionen regelmäßig als Mörder, nicht als Totschläger, zu bestrafen. Totschlag kann nur in ganz seltenen Ausnahmefällen angenommen werden. Auch wer eine solche Aktion angeordnet hat, wird regelmäßig als mittelbarer Täter des Mordes anzusehen sein. Diese schweren Untaten der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft bleiben deshalb noch lange - noch fünf Jahre - verfolgbar. Mit Rücksicht darauf haben die Landesjustizminister - ohne Ausnahme - beschlossen, den Leiter der Zentralstelle zur Auswertung eines Archivs nach Amerika zu entsenden, um nachzuforschen, ob dort noch dokumentarisches Material über die Organisation der Massenvernichtung im nationalsozialistischen Staat vorhanden ist. Die Kenntnis dieser Akten wird aller Voraussicht nach das bisherige Ergebnis der Ermittlungen bestätigen.
Zusammenfassend möchte ich folgendes feststellen. Die Bundesregierung hat sich seit Jahren dafür eingesetzt, die Ahndung der nationalsozialistischen Verbrechen in dem durch die Verjährungsvorschriften gesetzten Rahmen möglichst sicherzustellen, diesen Rahmen aber nicht zu sprengen. Sie ist der Überzeugung, daß der durch die nachdrückliche Verstärkung der Strafverfolgung erzielte Erfolg für die deutsche Öffentlichkeit in den noch bevorstehenden Strafverfahren sichtbar werden wird. Auf der anderen Seite wird aber eine rückwirkende Ausnahmegesetzgebung vermieden; nach allen Erfahrungen der Vergangenheit würde sie nicht der inneren Befriedung dienen.
Der Entwurf der SPD ist auf der bereits erwähnten Zusammenkunft der Landesjustizminister in Wiesbaden ausführlich erörtert worden. Er ist bei allen anwesenden Ministern und Senatoren - im wesentlichen aus den Gründen, die ich vorgetragen habe - auf Ablehnung gestoßen. Ich freue mich, feststellen zu können, daß es bei den Justizministern der Länder - ich darf sagen: auch bei dem des Bundes - eine Rücksichtnahme auf parteipolitische Erwägungen, auch eine Rücksichtnahme auf Agitation, die von außen nach Deutschland hereingetragen wird, überhaupt nicht gibt. Für uns ist nur die innere Überzeugung, das deutsche Rechtsbewußtsein und die Verpflichtung, dem deutschen Recht zu dienen, bei der Beurteilung ausschlaggebend. Nur ein Landesjustizminister hat damals ein Votum nicht abgegeben; er hat es nicht abgeben können, weil er bei dieser Sitzung nicht anwesend sein konnte. Ich möchte ausdrücklich hervorheben, daß es in den hier zu entscheidenden Fragen immer eine völlige Übereinstimmung zwischen den Landesjustizministern und dem Bundesjustizminister - ohne Parteiunterschied - gegeben hat.
Ich darf hier einen Wunsch aussprechen. Fragen, die das Recht betreffen, müssen - ob es gefällt oder nicht - nach der inneren Wahrhaftigkeit der Dinge beurteilt werden. Das deutsche Volk hat nach meiner Überzeugung bisher den guten Willen zur Verfolgung dieser gräßlichen Verbrechen der Nazizeit ernsthaft bewiesen. Diese Verfolgung muß aber nach deutschen Rechtsgrundsätzen erfolgen. Man kann
Verjährungsfristen nicht nach Straftaten verschieden gestalten. Wir können im deutschen Recht nur einheitliche Verjährungsfristen haben.
Dabei müssen wir daran denken, daß die Verjährungsfristen sich dadurch praktisch verlängern, daß alle diese Straftaten vom 30. Januar 1933 an, dem Beginn der Nazizeit, bis zum Jahre 1945, dem Ende der Nazizeit, einer Verjährung überhaupt nicht unterworfen sind. Es ist nämlich allgemeine deutsche Auffassung, daß die Gerichtsbarkeit der Nazizeit den guten Willen zur Verfolgung solcher Verbrechen - die Voraussetzung für eine Unterbrechung der Verjährungszeit - nicht gehabt hat. Die Verjährung beginnt allgemein mit dem Ende der Nazizeit. Die Zeit entspricht voll der für die übliche Verjährung.
Wir haben den Rechtsgrundsatz, daß mit den Verjährungen zum Schaden des Angeklagten kein Spiel getrieben werden darf. Sind Verjährungsfristen abgelaufen, müssen wir damit rechnen, daß alle Gerichte die Wirkung dieser Verjährungsfristen anerkennen, selbst wenn später eine Änderung erfolgt sein würde.
Ich bin der Überzeugung, das deutsche Volk und das deutsche Rechtssystem haben das Bestmögliche zur Verfolgung der Verbrechen aus der Nazizeit bereits getan.
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Das Wort hat Frau Abgeordnete Schwarzhaupt als Berichterstatterin.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf nur eine iurze Berichtigung zu dem bringen, was Herr Abgeordneter Menzel über die Verhandlungen im Rechtsausschuß berichtet hat. Herr Menzel hat eine Erklärung des Vertreters des Justizministeriums zitiert, der gesagt haben soll, in einer bestimmten Phase hätten die Justizverwaltungen die Verfolgung nationalsozialistischer Verbrechen mit Verzögerung behandelt.
Nach meiner bestimmten Erinnerung hat der Vertreter des Justizministeriums weder dieses Wort gebraucht noch etwas dem Sinne nach - Entsprechendes gesagt. Was er gesagt hat, war vielmehr folgendes: Er hat uns Zahlen gegeben über die nach dem Mai 1945 eingeleiteten Verfahren zur Verfolgung politischer Straftaten in der Nazizeit. Dabei ergab sich, daß die Zahl ,der eingeleiteten Verfahren zunächst groß war und dann, etwa 1952, sank, da die Anzeigen aus der Bevölkerung, die zunächst sehr zahlreich eingegangen waren, nachließen.
In dieser Phase kam es zu den Erwägungen der Landesjustizverwaltungen und des Bundesjustizministeriums über eine Koordinierung aktiver Verfolgungs- und Nachforschungsmaßnahmen von seiten der Staatsanwaltschaften und von seiten der Landesjustizverwaltungen. In diese Erwägungen kamen Anträge auf Erlaß einer Amnestie herein. Die Entscheidung darüber wartete man ab, ehe man sich entschloß, an die Errichtung der Zentralstelle zur
Verfolgung nationalsozialistischer Delikte in Ludwigsburg zu gehen.
Es ist also nicht behauptet worden, die Behandlung ,dieser Fragen sei durch die Landesjustizverwaltungen verzögert worden. Ich muß mich in dieser Beziehung sowohl vor den Vertreter des Justizministeriums, ,der diese Behauptung nicht aufgestellt hat, wie vor die Landesjustizverwaltungen, von denen etwas Derartiges behauptet worden sein soll, stellen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Böhm.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bevor wir uns die Frage vorlegen, ob wir seit dem Zeitpunkt, in dem unsere Staatsanwaltschaften und unsere Gerichte wieder zu arbeiten begannen - also im wesentlichen seit Ende 1945 -, durch irgendwelche Maßnahmen ernsthaft in der Strafverfolgung, sei es aller Verbrechen schlechthin, sei es bestimmter Gruppen von Verbrechen, insbesondere also der nationalsozialistischen Terrorverbrechen, wesentlich behindert worden sind, und bevor wir prüfen, ob es sich dabei um Behinderungsgründe handelt, die den Gesetzgeber rechtspolitisch berechtigen würden, rückwirkend ein Ruhen von Verjährungsfristen anzuordnen, müssen wir 'die Hauptfrage stellen, ob durch solche Behinderungen - ich werde noch ausführen, daß sie tatsächlich eingetreten sind - unsere Strafverfolgung außerstande gesetzt worden ist, wesentliche Massen und Gruppen von Verbrechen, und zwar schweren Verbrechen, vor Eintritt der Verjährung zu verfolgen. Liegt es tatsächlich so, daß etwa ,die Totschlagsdelikte, deren Verjährung nach 15 Jahren eintritt, also zum Teil in dem Zeitpunkt, in dem wir uns befinden, schon eingetreten ist - vor wenigen Wochen - oder bald eintreten wird, zu einem wesentlichen Teil nicht mehr rechtzeitig ,der gerichtlichen Aburteilung zugeführt werden konnten, und zwar infolge von Behinderungen der Strafverfolgung, .die uns nach unserem Recht die Möglichkeit, die rechtspolitische Legitimation geben würden, durch Gesetz in den Ablauf der Verjährungsfristen einzugreifen, ohne daß wir uns dadurch einer Verletzung unseres Grundgesetzes und wichtiger Grundprinzipien unserer Rechtsordnung oder der Einrichtung der Verjährung überhaupt schuldig machten? Das ist die wichtigste Frage: Sind wir tatsächlich verhindert worden, sind wir tatsächlich außerstande gesetzt worden?
Sollte sich aber zeigen, daß die Masse dieser Straftaten noch rechtzeitig vor Eintritt der Verjährung erfaßt worden ist, daß z. B. in vielen Fällen, die noch nicht abgeurteilt worden sind, die Verjährung durch richterliche Maßnahmen noch rechtzeitig unterbrochen werden konnte, sollte es sich also so verhalten, daß nur Nachzüglerprozesse durch die Verjährung unter den Tisch fallen würden, was bei jeder Verjährung der Fall ist - auch normale Morde, normale leichtere oder schwerere Straftaten werden ja immer nur zum Teil aufgeklärt und verjähren dann -, dann wären wir nicht berechtigt, ein solches Gesetz zu verabschieden, auch dann nicht, wenn wir nachweislich lange behindert worden sind.
Es kommt darauf an: Sind wir rechtzeitig fertig geworden oder nicht? Sind wir rechtzeitig fertig geworden, erübrigen sich alle rechtlichen Erwägungen, ob wir zum Erlaß eines solchen Gesetzes berechtigt sind oder nicht. Dann dürfen wir dieses Gesetz nicht annehmen, weil kein zureichender rechtspolitischer Anlaß vorliegt. Das also ist die Frage, die für meine Freunde und für mich zunächst einmal im Mittelpunkt steht.
Die Frage nach der Behinderung möchte ich vorweg klären. Sind Behinderungen eingetreten, welche und für welche Gruppen von Verbrechen? Da ist zu sagen, daß wir durch diejenigen Behinderungen, die eingetreten sind und die hier auch von dem Vertreter des Antrags, von Herrn Kollegen Menzel, geltend gemacht worden sind, in gar keiner Weise außerstande gesetzt worden sind, die normalen kriminellen Verbrechen, die während dieser ganzen Zeit begangen worden sind, zu erledigen.
Da nun aber der Antrag der SPD keinen Unterschied zwischen den politischen Terrorverbrechen und den anderen, den normalen kriminellen Verbrechen macht, geht er zu weit. Bei seiner Annahme würde die Rechtsstellung von Straftätern verschlechtert, deren Verfolgung in dieser Zeit in keiner Weise durch etwaige Maßnahmen der Alliierten oder der Besatzungsmächte fühlbar behindert worden ist. Ich meine die Zeit, von der man sagen muß, daß in ihr unsere Strafverfolgungsbehörden trotz gelegentlicher Behinderungen immer noch - wie heute - die Möglichkeit gehabt haben, normale Kriminalstraftaten, namentlich schwere Straftaten, zu erfassen.
Anders, meine Damen und Herren, verhält es sich allerdings mit denjenigen Verbrechen, die während der nationalsozialistischen Zeit nicht verfolgt worden sind und nicht verfolgt werden durften, weil der Staat, die Staatsgewalt, hier selbst die Anstifterin, die Anregerin und unmittelbare Initiatorin oder doch die Dulderin jener schweren Kapitalverbrechen war, die man, obwohl das Gesetz nicht aufgehoben worden ist, zwölf Jahre lang nicht verfolgt hat, weil sie im Dienste der nationalsozialistischen Terrorpolitik und in Übereinstimmung mit ihren Zielen begangen worden sind. Diese schweren Verbrechen sind damals in einem Ausmaß begangen worden, das alles weit in den Schatten stellt, was in einem Rechtsstaat an schweren Straftaten von echten Kriminellen begangen zu werden pflegt und zu irgendeiner Zeit begangen worden ist.
Das aber hat zur Folge, daß auch die Strafverfolgung dieser Verbrechen zu einem Massenproblem wird. Schon allein die übermäßig große Zahl der Täter und der Taten, die mannigfaltigen Abstufungen der Teilnahme- und Verschuldensgrade bei den Beteiligten, die Schwierigkeiten der Zeugenbeschaffung usw. erfordern eine zentrale Organisation und Koordination der Tatsachenermittlungen und TatDr. Böhm
sachenauswertung, die unserem überkommenen Strafvollzugsapparat unbekannt gewesen ist und ihn vor Aufgaben stellt, die für Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichte neuartig und ungewohnt sind. Nur bei solchen Massenverbrechen kann überhaupt der Fall eintreten, daß die Strafverfolgung mit ihren Zeiten nicht auskommt.
Trotz allem muß gesagt werden: die Strafverjährungsfristen sind so lang - für Totschlag 15 Jahre, für Mord 20 Jahre -, daß die Strafverfolgung bei der normalen Strafverjährung in der Lage sein muß, solche Massenverbrechen während der gesetzlichen Verjährungsfrist restlos zu erfassen und zu bewältigen. Wenn sie das nicht kann, liegt ihrerseits ein Verschulden vor, das man nachher nicht durch eine gesetzliche Verlängerung der Fristen in seinen Folgen auf die Täter abschieben darf.
Nun erhebt sich die Frage: Sind hier Behinderungen eingetreten, an denen unsere Strafverfolgung keine Schuld trägt und die tatsächlich eine systematische Erfassung der Verbrechen wesentlich erschwert haben? Diese Frage muß natürlich bejaht werden. Ich erinnere nur daran, daß die Besatzungsmächte das gesamte amtliche Beweismaterial, das damals auf deutschem Boden vorhanden war, für die Zwecke der Nürnberger Verfahren beschlagnahmt haben.
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Sie haben dieses gesamte Beweismaterial aber nach Abschluß der Nürnberger Verfahren nicht etwa unseren Strafverfolgungsbehörden wieder zur Verfügung gestellt, sondern es in ihre Länder mitgenommen und erst ein oder zwei Jahre nach Abschluß des Deutschlandvertrages, also im Jahre 1953 oder 1954, zurückerstattet. Acht his neun Jahre ist uns das gesamte Material, das zur methodischen Auswertung und Ermittlung notwendig gewesen ist, entzogen geblieben. Das war tatsächlich eine schwierige Lage.
Trotzdem war das nur eine Teilbehinderung. Gerade in der Anfangszeit nach 1945 haben auch eine Reihe deutscher Strafverfahren stattgefunden. Die Beschlagnahme der Akten hat uns nicht völlig jeder Beweismöglichkeit beraubt, sondern nur zu einem Teil, und bei den einzelnen Verfahren, die wir durchgeführt haben, sind dann immer auch Zeugen und Täter anderer Komplexe bekanntgeworden. Zu einem Teil hat auch das Nürnberger Material unserer Strafverfolgung Möglichkeiten gegeben. Es handelt sich also um eine Teilbehinderung.
Die Frage, vor der wir nun stehen, ist, wie ich schon sagte: Hat uns diese Beeinträchtigung daran gehindert, mit den großen Komplexen rechtzeitig fertig zu werden, oder nicht, und wie groß ist der noch unbewältigte Rest? Ich muß für meine Person gestehen, daß ich bis vor wenigen Tagen geneigt war, anzunehmen, daß der unbewältigte Rest noch recht erheblich sei. Zu dieser Annahme muß man ja gelangen, wenn man an jene Behinderung denkt und wenn man erfährt, wie sorglos man z. B. im Fall Eisele und in einzelnen anderen Fällen in einigen Ländern gewesen ist. Insofern war also die Sorge nicht ganz unbegründet, daß die Verjährung
der Totschlagsverbrechen in einem Zeitpunkt eintreten könnte, in dem wir - infolge solcher Behinderungen - nicht fertig geworden sind.
Nun haben wir aber vom Bundesjustizminister gehört - wie die Mitglieder des Rechtsausschusses am letzten Freitag von dem Vertreter des Bundesjustizministeriums -, daß das Bundesjustizministerium, die Landesjustizministerien und die Zentralstelle in Ludwigsburg übereinstimmend der Meinung seien, es sei gelungen, den großen Teil dieser Komplexe noch rechtzeitig vor Eintritt der Verjährung zu bewältigen, und daß es vor allen Dingen in der letzten Zeit gelungen sei, noch einige große Komplexe vor Ablauf der Verjährungsfrist für die Strafverfolgung bereitzustellen, indem rechtzeitig richterliche Unterbrechung der Verjährungsfristen veranlaßt worden sei. Welche großen Komplexe, und zwar gerade im östlichen Sektor, noch erfaßt worden sind, haben Sie soeben aus der vom Herrn Bundesjustizminister vorgetragenen Aufzählung entnommen.
Wenn aber die Dinge so liegen, daß wir im großen ganzen fertig geworden sind und daß wir nur mit Nachzüglern zu rechnen haben, dann dürfen wir weder das Gesetz der SPD noch ein anderes Gesetz, das vielleicht noch besser, zutreffender formuliert wäre, annehmen, weil ein adäquater Anlaß fehlt. Daß ist unabhängig davon, wie wir die Rechtslage im allgemeinen und die einzelnen Rechtsfragen beurteilen. Wir dürfen das nicht tun. Ich muß gestehen, daß die Auskünfte, die am letzten Freitag der Vertreter des Bundesjustizministeriums und die der Bundesjustizminister selber gegeben haben, meine eigene Einstellung zu der Frage geändert haben. Im Vertrauen darauf, daß sich das Bundesjustizministerium, die Länderjustizverwaltungen und die Zentralstelle in Ludwigsburg nicht entscheidend irren, bin ich der Meinung, daß wir nicht das Recht haben, unter solchen Voraussetzungen durch ein Gesetz in die laufenden Verjährungsfristen einzugreifen, auch wenn wir - was bei mir der Fall ist - der Meinung sind, daß wir es tun dürften, wenn einigermaßen ins Gewicht fallende Massen von Verbrechen sonst nicht gesühnt werden könnten. Ich sage das deshalb, weil nicht nur ich persönlich, sondern auch einige meiner Freunde in dieser Beziehung die rechtlichen Bedenken, die z. B. im Ausschußbericht zum Ausdruck gekommen sind, nicht durchweg teilen. Ich persönlich bin der Meinung, daß der Gesetzgeber das Recht hätte, einen solchen Eingriff vorzunehmen, wenn erstens eine starke Behinderung nachgewiesen ist und wenn zweitens diese Behinderung nicht nur in der tatsächlichen Schwierigkeit der Materie liegt, sondern auf politische Anordnungen legitimer Gewalten zurückgeht, die bewußt entweder die Strafverfolgung erschwert oder durch ihre Maßnahmen die Erschwerung der Strafverfolgung in Kauf genommen haben, so daß ein Tatbestand vorliegt, der in seinem rechtspolitischen Gehalt dem Rechtsgedanken entspricht, der in § 69 des Strafgesetzbuchs zum Ausdruck gekommen ist. Außerdem müßte diese Behinderung uns tatsächlich außerstande gesetzt haben, rechtzeitig fertig zu werden. Dieses nicht rechtzeitige Fertigwerden dürfte nicht zum überwiegenden Teil dar6690
aus zu erklären sein, daß unsere eigenen Strafverfolgungsbehörden ihrer Aufgabe nicht gerecht geworden sind, so daß sie hätten rechtzeitig fertig werden können.
Das ist notwendig als Voraussetzung für ein Gesetz dieses Inhalts. Denn gleichgültig, ob wir in der Verjährung ein verfahrensrechtliches Institut oder ein materiell-rechtliches Institut erblicken - auch wenn wir bloß ein verfahrensrechtliches Institut darin erblicken, wie ich es tue -, selbst dann darf die Erwartung, die sowohl die Gerichte wie die Täter selbst an den Ablauf der gesetzlichen Verjährungsfrist knüpfen, nicht ohne gewichtigen Grund enttäuscht werden. Das dürfen wir nicht tun. Ausschlaggebend ist für mich die Überlegung, daß wir zu meiner großen Genugtuung diese schwierige Frage im großen Umfang haben noch rechtzeitig lösen können, daß wir tatsächlich noch rechtzeitig mit der gerichtlichen Sühne dieser Verbrechen fertig geworden sind. Ich bin aber nicht der Meinung, daß wir das Gesetz nicht hätten machen dürfen, wenn das nicht der Fall gewesen wäre.
Ich sage das deshalb, weil sowohl sehr viele meiner Fraktionsfreunde als auch eine Reihe von Juristen in anderen Fraktionen in diesem Punkt anders denken und mir z. B. vorgeworfen haben, ich hätte die Frage, ob die gesetzliche Verjährungsfrist ablaufen solle oder ob ein Ruhen, eine Verlängerung angeordnet werden könne - in der Praxis bedeutet ja auch ein Ruhen eine Verlängerung der Jahre, in denen das Verbrechen noch verfolgt werden kann , zusammengebracht mit der anderen, ob die Strafverfolgungsbehörden mit diesen Fristen auskämen. Sie sagen, die Gesetzgebung selber habe darauf überhaupt keine Rücksicht genommen. Der Gesetzgeber sei sozusagen davon ausgegangen, daß jede Straftat im Prinzip zunächst überhaupt nicht verjähre, wenn das Gesetz nicht Verjährungsfristen einführe, so daß der Gesetzgeber durch die Einführung der Verjährungsfristen nicht etwa der Strafverfolgung einen Zeitraum für das Verfolgen habe zur Verfügung stellen wollen, sondern umgekehrt die Zeit der Strafverfolgung habe verkürzen wollen aus anderen Gründen, aus Rücksicht auf die schwere Verfolgbarkeit der Straftaten nach langer Zeit, mit Rücksicht auf die Schwere der Straftaten. Also: für kleine Straftaten kurze Verjährung, für schwere Straftaten lange Verjährung, - obwohl gerade bei gewissen leichten Vergehen - denken Sie an Vergehen gegen Bewirtschaftsvorschriften -, die in großen Massen begangen werden und sehr rasch verjähren, keine Rücksicht auf die Bedürfnisse der Strafverfolgung genommen wird, während schwere Verbrechen so langsam verjähren, daß man Zeit wie Heu hat, um sie zu verfolgen.
Trotzdem beweist diese Argumentation nicht, was sie beweisen soll. Sie beweist nicht, daß unsere Gesetze keinen Zusammenhang zwischen Stilllegung oder Stillstand der Strafverfolgung und Ruhen der Verjährung kennen. In § 69 StGB ist ein solcher Zusammenhang sogar als automatische Folge festgelegt worden; hier heißt es, daß während der Dauer einer gesetzlichen Stillegung der Strafverfolgung die Verjährung ruht, und zwar genauso lange, wie die Strafverfolgung stillsteht.
Allerdings gilt dies nur für den vollkommenen Stillstand. Der Gesetzgeber konnte nur den vollkommenen Stillstand regeln. Denn bei einer teilweisen Behinderung, wie wir sie jetzt haben, hätte er gar nicht anordnen können, für wie lange die Verjährung ruhen soll. Bei einem Teil der Verbrechen hat die Verfolgung sofort im Jahre 1945 stattfinden können, bei einem anderen Teil war die Verfolgung aber erst möglich, nachdem wir die Akten zurückbekommen haben. Man hätte also Mittelwerte nehmen müssen, und das Gesetz hätte den Richter ermächtigen müssen, die Zeit des Ruhens nach seinem Ermessen festzusetzen. Eine unmögliche Regelung!
Aber die Tatsache, daß unser Gesetz ein Ruhen der Verjährung überhaupt vorsieht, zeigt mit absoluter Gewißheit, daß der Gesetzgeber selber in der Verjährung keinen Strafaufhebungsgrund, sondern ein bloßes Verfolgungshindernis gesehen hat. Denn andernfalls würde die Bestimmung des § 69 StGB die rechtliche Wirkung haben, daß solche Straftäter, die das Unglück haben, daß nach dem Zeitpunkt der Begehung ihrer Tat ein totaler Stillstand der Rechtspflege eintritt, schwerer bestraft würden, als sie nach dem Gesetz und nach den Verhältnissen, die zur Zeit der Begehung der Tat vorlagen, hätten bestraft werden dürfen. Da etwas derartiges nicht gewollt sein konnte, so steht fest, daß der Gesetzgeber selber davon ausgegangen ist, daß die Verjährung nur ein verfahrensrechtliches Hindernis der Strafverfolgung ist.
Das müßte auch der heutige Gesetzgeber berücksichtigen, wenn etwa eine schwere Teilbehinderung der Strafverfolgung stattgefunden hat und plötzlich die Gefahr eintritt, daß ganze Massen von Tätern straflos bleiben, während andere von der Strafe erfaßt worden sind. Das wäre eine schwere Verletzung der Gleichheit vor dem Gesetz. Ich denke dabei an die Tatsache, daß dann wahrscheinlich nur diejenigen Leute noch verfolgt worden sind, bei denen die Beweislage zufällig günstig war und die vielleicht weniger geschickt waren, sich der Bestrafung zu entziehen, während diejenigen, die es besser verstanden, untertauchten. Wir haben es bei den Terrorverbrechen zum großen Teil mit politischen terroristischen Aktivisten zu tun, mit denselben Leuten, die während der „Kampfzeit" darin ausgebildet worden sind, der Staatsanwaltschaft, der Polizei und den Gerichten jedes Schnippchen zu schlagen, die in dem Heckenschützenkrieg gegen die demokratischen Einrichtungen einexerziert worden sind, die dann die schweren und üblen Terrorverbrechen während der Nazizeit begangen haben und nachher, nach dem Zusammenbruch, ihre alten Künste des Nasführens rechtsstaatlicher Obrigkeit wieder aufnehmen konnten.
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Dann dürften unter Umständen ganze Gruppen von Leuten nicht bestraft werden. Dieser Grund gäbe uns die Rechtfertigung dafür, nach den in unserem Strafgesetz selbst angedeuteten gesetzgeberischen Grundgedanken ein Gesetz zu machen, das den Verjährungsablauf hinausschiebt. Hätte der
Herr Justizminister gesagt: .,Wir sind leider nich fertig geworden", dann hätte ich einem solchen Gesetz zugestimmt. Da er aber erklärt hat, daß man im großen und ganzen fertig geworden ist, besteht für uns keine Möglichkeit, diesem Gesetz zuzustimmen.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Bucher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben uns in unserer Fraktion sehr eingehend mit ,dem Antrag der SPD befaßt. Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, ihn abzulehnen. Bevor ich die rechtlichen Gründe erwähne, die uns dazu geführt haben, lassen Sie mich folgendes sagen: Wir verstehen voll und ganz den Ausgangspunkt der antragstellenden Fraktion und teilen mit ihr die Beunruhigung darüber, daß möglicherweise nach Ablauf der Verjährungsfristen Totschläger frei herumlaufen, Täter, 'die massenhaft solche Taten begangen haben, „Funktionäre des Todes", wie es eine deutsche Zeitung ausgedrückt hat.
Wir wissen, daß es bedauerlicherweise in weiten Kreisen gegenüber diesem Problem eine Stimmung gibt, die darauf hinausläuft: nichts hören, nichts sehen, nichts davon wissen wollen. Diese „Endlicheinen-Strich-darunter-Propaganda" halten wir keinesfalls für richtig. Wir halten auch nicht ,das Argument für richtig, das ich vorhin einer wiederholt gemurmelten Bemerkung meines Nachbarn zur Rechten - er ist gerade nicht da -, Herrn Schneider ({0}), glaubte entnehmen zu müssen, daß die anderen auch nichts täten, um die an den Deutschen begangenen Verbrechen der Sühne zuzuführen.
Für mich als einen entschiedenen Gegner der Todesstrafe ist es z. B. symptomatisch, ,daß in populären Veröffentlichungen - also nicht in diesem Hause - immer wieder der Ruf nach der Todesstrafe ertönt, wenn irgendwo in einem Abendblatt eine !Mordtat oder auch nur eine Totschlagstat groß herausgestellt wird. Man hat diesen Ruf aber noch nie angesichts dieser Massenverbrechen gehört.
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Wir stehen also gar nicht an zu erklären, daß es sicher ein Verdienst der antragstellenden Fraktion ist, das Problem der Verjährungsfristen zum Gegenstand der Beratungen gemacht zu haben.
Trotzdem können wir diesem Antrag der SPD nicht zustimmen. Einmal bin ich nicht so sicher, daß er mit dem Art. 103 Abs. 2 des Grundgesetzes vereinbar ist. Es ist zwar richtig, daß sich die Rechtsprechung in der letzten Zeit so entwickelt hat, wie es Herr Kollege Menzel geschildert hat, daß man die Vorschriften über die Verjährung nicht zum materiellen Recht zählt, sondern zu den prozessualen Vorschriften. Aber die Meinungen sind noch sehr geteilt, und man kann nicht von einer feststehenden Rechtsprechung reden. Auch die Große Strafrechtskommission z. B. hat sich, soweit mir bekannt ist, auf den materiell-rechtlichen Standpunkt gestellt.
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- Trotzdem zeigt das, wie die Meinungen in Lehre und Wissenschaft geteilt sind.
Wir befürchten daher, daß eine solche Bestimmung einer verfassungsgerichtlichen oder auch nur höchstrichterlichen Prüfung an den Maßstäben des Grundgesetzes nicht standhielte. Art. 103 Abs. 2 ist eine sehr wesentliche grundgesetzliche Bestimmung. Verfassungsrechtlich ist er nicht einmal unbedingt notwendig, aber er ist jedenfalls ein Grundprinzip des Strafrechts. Herr Kollege Professor Böhm hat es vorhin so wiedergegeben, daß die Erwartung des Täters enttäuscht werde, wenn man gegen diesen Artikel verstieße. Nehmen Sie es mir nicht übel, Herr Kollege Böhm, ich halte diese Formulierung für etwas professoral, d. h. sie ist richtig, weil sie professoral ist.
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Ich glaube aber, es wird' in weiten Kreisen, in Laienkreisen wohl nicht verstanden, daß man sagt, eine Erwartung des Täters, mit der Strafe davonzukommen, dürfe nicht enttäuscht werden. Ich möchte es deshalb etwas populärer ausdrücken und sagen: Art. 103 Abs. 2 ist eben eine Schranke gegen jede Willkür. Natürlich will ich - das geht aus meinen vorhergehenden Bemerkungen hervor - der SPD nicht vorwerfen, sie wolle hier Willkür begehen. Aber wenn wir einmal von diesem Prinzip abweichen, dann, meine ich, öffnen wir späterer Willkür die Tür und geben einen Vorwand zu sagen: Man hat ja schon einmal so etwas gemacht.
({4})
- Ich sage ja, ich bin mir nicht ganz sicher, ob diese Rechtsprechung schon so gefestigt ist, daß man sich darauf verlassen kann, daß es dabei bleibt, und ich möchte eben nicht ein Risiko gegen das andere eintauschen, das eine Risiko, daß wir eine Menge Täter hier laufen lassen, gegen das andere Risiko, daß, wenn jemand auf Grund dieses Gesetzes bestraft wird, ein hohes Gericht aus seiner Überzeugung heraus zu einem anderen Ergebnis kommt.
Aber auch wenn die geplante Maßnahme nicht dem Grundgesetz widersprechen sollte, würde ich es für einen Widerspruch zu dem strafrechtlichen Grundsatz betrachten, daß man möglichst nicht ad hoc Gesetze machen soll, daß man Gesetze, die schon lange Zeit bestanden haben, nun nicht plötzlich in der Weise ändern soll, daß die Position des Täters verschlechtert wird. Das ist ein allgemeiner
strafrechtlicher Grundsatz, wenn er vielleicht auch in Beziehung auf die Verjährungsvorschriften keine verfassungsrechtliche Kraft hat. Man könnte meiner Ansicht nach die Verjährung nur verlängern bzw. eine Hemmung nur dann ausdehnen, wenn sich dafür besondere Gründe aus der Sache heraus ergäben. Ich darf hier einen Gedanken zitieren, den der Kollege Schlee einmal im Rechtsausschuß geäußert hat: Eine Hemmung einer Verjährung durch Stillstand der Rechtspflege könnte nur dann am
Schluß der Verjährungsfrist angenommen werden, wenn dieser Stillstand der Rechtspflege gegen Schluß der Verjährungsfrist eingetreten ist, aber nicht, wenn das ganz zu Beginn der Fall war, weil man dann nachher viele Jahre Zeit hatte, über diesen Stillstand der Rechtspflege hinwegzukommen.
Ich meine also, daß dieser Antrag der sozialdemokratischen Fraktion, so sehr seine Motive zu verstehen und zu billigen sind, uns in eine Versuchung führt, nämlich die Rechtssicherheit zu gefährden. Es ist nicht damit getan, hier von einem Paragraphengestrupp zu sprechen, in dem dieses Anliegen erstickt werden soll. Gerade die Sicherheit des formalen Rechts ist ein sehr hohes Gut, ein Gut, das in der nationalsozialistischen Zeit sehr gering eingeschätzt worden ist. Damals hat man den Nachdruck immer auf die Gerechtigkeit gelegt und unter Gerechtigkeit natürlich nur das verstanden, was man in Parteikreisen darunter verstehen zu können glaubte.
Ein Argument für eine Ausdehnung der Verjährungsfrist, d. h. für eine andere Berechnung der Hemmung, könnte man nur daraus entnehmen, daß, wie ich vorhin schon sagte, bei Kriegsende ein gewisser Stillstand der Rechtspflege eingetreten war. Man könnte daraus den Schluß ziehen, wir wollten rein deklaratorisch - also nicht im Sinne einer neuen Änderung der Verjährungsfristen - festlegen, wann dieser Stillstand beendet war. Im einzelnen ist das ja bis jetzt verschieden gewesen. Ich glaube, der Herr Bundesjustizminister hat es vorhin schon erwähnt. Es war in den einzelnen Zonen und Ländern ganz verschieden geregelt, wann die Hemmung infolge des Kriegsendes beendet war.
Es ist nun zu überlegen, ob es angebracht ist, diese verschiedenen Hemmungsfristen einheitlich zu gestalten und beispielsweise zu sagen: Einheitlicher Ablauf der Verjährung Ende dieses Jahres! Aber daran sehen wir uns eben durch das schon mehrfach zitierte Gesetz vom 30. Mai 1956, das Erste Gesetz zur Aufhebung des Besatzungsrechts, gehindert. Dieses Gesetz hat fiktiv bestimmt, daß die Hemmung durch Kriegsende nicht eingetreten ist und statt dessen keine Frist vor Ende 1956 abläuft. Das führt zu dem praktischen Ergebnis, daß ein Teil der Verjährungsfristen - soweit ich es übersehe - jedenfalls in der britischen Zone bereits am 8. Mai 1960, also seit einigen Tagen, abgelaufen ist. Hier halte ich es nun für völlig unmöglich, daß man bereits abgelaufene Verjährungsfristen nachträglich wieder in Kraft setzt. Über eine Verlängerung könnte man schließlich reden; aber es ist wohl undenkbar, bereits abgelaufene Fristen wieder in Kraft zu setzen. Es wäre ja auch kein erfreuliches Ergebnis, wenn wir ein Gesetz machten, das in einem Teil der Bundesrepublik nicht gilt, weil dort Fristen bereits abgelaufen sind. Dann würden wir doch eine sehr beklagenswerte Rechtsunsicherheit auch für die hier in Frage kommenden Täter schaffen.
Schließlich ist schon darauf hingewiesen worden, daß die Verfolgung wegen Mordes und in gewissem Umfang auch die Verfolgung wegen Beihilfe zum Mord nach wie vor möglich ist, daß die heute bekannten Fälle des Totschlags erfaßt sind und daß hier die Verjährung durch richterliche Maßnahmen unterbrochen ist. Ich glaube, Herr Kollege Menzel selber hat darauf hingewiesen, daß wir keine Rücksicht darauf zu nehmen brauchen, daß uns etwa jetzt noch oder nach Ablauf der Fristen Fälle aus dem Osten bekannt werden könnten. Wenn die Behörden in Polen, in der Tschechoslowakei und in der sowjetischen Besatzungszone wirklich das Bedürfnis haben, dem Recht zum Durchbruch zu verhelfen und solche Taten einer Sühne zuzuführen, dann wußten sie ja - sie haben ja auch Juristen -, daß bei uns die Verjährungsfristen abzulaufen drohen, und sie hatten Zeit, uns dieses Material rechtzeitig zukommen zu lassen. Wenn sie es erst hinterher tun, sieht man, daß die Motive anderer Art sind, und darauf braucht man keine Rücksicht zu nehmen.
Zusammenfassend darf ich also sagen, daß wir dem Gesetz wegen rechtlicher Bedenken nicht zustimmen. Wir halten auch den Kompromißvorschlag, der uns auf dem Änderungsantrag vorliegt, nicht für tunlich; denn das einzige Argument, das dafür angeführt werden könnte - daß sich aus Prozessen, die jetzt laufen, noch neue Prozesse ergeben, in denen Zeugen auf die Anklagebank versetzt werden -, spricht gerade gegen diesen Änderungsantrag; denn für diese Fälle ist mit einer verhältnismäßig kurzfristigen Verlängerung auch wieder nicht gedient. Wir kommen nicht darum herum, daß nach Ablauf der Fristen immer noch neue Fälle aufgedeckt werden können und daß die Gefahr besteht, daß Täter der verdienten Strafe entgehen. Das ist aber eine Gefahr, die auch sonst besteht, auch bei Delikten ohne politischen Beigeschmack, die oft genauso oder ähnlich scheußlich sein können und bei denen man es ebenfalls zutiefst bedauert, wenn der Täter seinem Richter entgeht. Ich glaube aber, wir müssen uns damit abfinden, daß sich der irdische Richter in Form der Verjährungsfristen selber eine Schranke gesetzt hat.
({5})
Das Wort hat der Abgeordnete Metzger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Sozialdemokratische Fraktion ist der Überzeugung, daß der Augenblick kommen wird, wo wir gefragt werden, was wir in dieser Sache getan oder nicht getan haben. Die Rede des Herrn Kollegen Böhm ist psychologisch außerordentlich interessant. Juristisch steht er uns gar nicht fern; im Gegenteil, er hat sowohl in juristischer als auch tatsächlicher Hinsicht sehr vieles gesagt, was unsere Auffassung untermauert. Aber der Mensch versucht ja, wenn er an eine Sache nicht heran will, sich Rechtfertigungsgründe zu schaffen. Man hat versucht, diese Rechtfertigungsgründe durch die Erklärung des Bundesjustizministeriums zu schaffen: Die meisten Fälle sind abgeurteilt; was noch kommt, sind nur Nachzügler, da wird nichts Besonderes mehr dabei sein. Herr Kollege Böhm, der zunächst anderer Meinung war, hat diese Auffassung des Bundesjustizministeriums anMetzger
genommen, eine Auffassung, die nichts anderes als eine Meinung ist, die in keiner Weise durch Tatsachen belegt werden kann.
Tatsache ist schließlich, ,daß vor ganz kurzer Zeit der Koordinierungsausschuß - so möchte ich ihn einmal nennen - in Ludwigsburg geschaffen worden ist, daß er jetzt angefangen hat, zunächst einmal festzustellen, was los ist. Tatsache ist - das hat uns der Herr Bundesjustizminister selbst vorgetragen -, daß in Zukunft Tausende von Fällen behandelt werden, und kein Mensch - auch der Justizminister nicht - kann wissen, was bei diesen Prozessen herauskommt. Die Erfahrung lehrt, daß bei all diesen Prozessen eine Menge Material herausgekommen ist, ,das man vorher nicht gekannt hat. Es ginge mit ganz sonderbaren Dingen zu, wenn in diesen Prozessen mit Tausenden Angeklagten nicht eine ganze Reihe neuer Tatbestände und neuer Täter entdeckt würden, die von Rechts wegen verfolgt werden müßten.
Es kommt folgendes hinzu. Der Justizminister sagt uns selbst, er habe die Absicht, jetzt Beamte nach Amerika zu schicken. Der Justizminister hat uns nicht gesagt - was wir aber wissen -, daß in Amerika heute noch ganze Aktenpakete liegen, aus denen sich ergibt, welche nationalsozialistischen Verbrechen begangen worden sind. Es kann gar keinen Zweifel geben, daß sich beim Studium dieser Aktenpakete noch eine große Zahl von Fällen ergeben wird. Das Wort von den Nachzüglern ist sehr schön zur Beruhigung unseres Gewissens, steht aber mit den Tatsachen nicht im Einklang. Abgesehen davon, selbst wenn es nur Nachzügler wären, bedeutet das immerhin, daß es noch einige hundert Fälle sein könnten. Das wäre für uns ein genügender Grund, uns zu überlegen, ob wir die Dinge einfach laufen lassen dürfen.
Der Justizminister weist mit Recht darauf hin, daß die Mordfälle nicht verjähren. Er hat zunächst nicht gesagt, daß die Beihilfe zum Mord zum Teil verjährt, zum Teil aber nicht. Er tut so, als wenn all die Fälle Mordfälle wären und damit erfaßt werden könnten. Tatsache ist - das wissen wir aus Erfahrung, .das weiß der Justizminister so gut wie wir auch -, daß die Gerichte in einer großen Zahl von Fällen, wo Mord ,das Allerwahrscheinlichste ist, aus Mangel an Beweisen trotzdem zu Verurteilungen wegen Totschlags gekommen sind. In Zukunft wird es sehr leicht sein, bei allen Fällen, wo man Zweifel hat, zu sagen: Totschlag; das Verfahren wird wegen Verjährung eingestellt. Die Frage ist: können und dürfen wir das verantworten?
Es wird hier mit Recht viel von der Rechtsstaatlichkeit gesprochen. Die Rechtsstaatlichkeit hat eine formelle und eine materielle Seite. Uns Juristen liegt es natürlich sehr, darauf zu achten, daß die formellen Bestimmungen strikt eingehalten werden, weil wir mit Recht fürchten, ,daß, wenn wir ,das nicht tun, Konsequenzen entstehen können. Aber die Rechtsstaatlichkeit hat auch eine materielle Seite. Wenn wir ,die Rechtsstaatlichkeit als Ganzes nehmen, müssen wir von Fall zu Fall prüfen, was mehr Gewicht hat, die formelle oder die materielle Seite. Wir stehen vor ,der Frage: kann man es ertragen,
daß Menschen, die schwerste Verbrechen begangen haben, die durch diese Verbrechen mitgeholfen haben, ,daß die Rechtsunsicherheit bei uns entstanden ist, unter Berufung auf diese Rechtsunsicherheit, die sie mit uns herbeigeführt haben, sagen: Die Verjährung ist eingetreten, und deswegen dürfen wir nicht mehr verfolgt werden.
In den Bemerkungen des Justizministeriums, die uns schriftlich vorgelegt worden sind, steht ein ganz sonderbarer Satz, der mich schockiert hat, muß ich Ihnen sagen. Da heißt es:
Eine solche Maßnahme könnte infolge ihrer Widersprüchlichkeit
- nämlich das, was wir beabsichtigen dem Vorwurf nicht entgehen, als Ausnahmegesetz einer politischen Augenblickssituation Rechnung getragen zu haben.
- „als Ausnahmegesetz einer politischen Augenblickssituation"! Damit würde aber für die Betroffenen
- das heißt also, für die nationalsozialistischen Schwerverbrecher der Ansatzpunkt geschaffen, sich als Opfer einer politischen Justiz zu fühlen.
Wenn ein Justizministerium so argumentiert, weiß ich nicht mehr, was ich dazu sagen soll. Also, man geht davon aus, daß sich diese Verbrecher, diese Leute, die nach allen Regeln der Kunst eine politische Justiz ausgeübt haben, unter Umständen als Opfer einer politischen Justiz fühlen könnten.
Nun kommt der andere Einwand. Es wird gesagt, das Argument eines Stillstands der Rechtspflege, mit den beschränkten Möglichkeiten der Strafverfolgung usw., sei gar nicht so ernst zu nehmen; denn das, was in dieser Richtung geschehen könne, sei bereits geschehen, in Wirklichkeit habe die Justiz funktioniert.
Von dem Herrn Kollegen Böhm ist schon überzeugend dargelegt worden - wer ihm genau zugehört hat, hat das bemerkt -, daß die Justiz nicht funktionieren konnte. Er hat von einer teilweisen Behinderung gesprochen. Eine teilweise Behinderung ist de facto eine totale Behinderung. Auch wenn ich nur teilweise an der Durchführung einer Sache behindert bin, kann ich sie eben nicht durchführen. Daß eine teilweise Behinderung bestanden hat, ist eine Tatsache, das kann nicht bestritten werden. Herr Kollege Böhm hat mit Recht darauf hingewiesen, daß Akten lange Zeit nicht zur Verfügung standen. Ich darf hinzufügen: auch heute stehen Akten noch nicht zur Verfügung, z. B. die Akten, die drüben in Amerika liegen. Das ist eine Behinderung; daran kann man gar nicht zweifeln.
Meine Damen und Herren, die Dinge verharmlosen kann nur jemand, der vielleicht irgendwo an der Spitze war und nicht weiß, was unten passiert ist. Ich war in jenen Jahren Oberbürgermeister einer mittelgroßen Stadt. Ich weiß, wie stark man allein in der Kriminalpolizei behindert war - und die gehört mit dazu -, weil man teils wegen der
Entnazifizierung, teils wegen anderer Maßnahmen, dar nicht die genügende Anzahl von Beamten haben konnte. Ich weiß auch, wie die Gerichte funktioniert haben, bei denen viele Richterstellen nicht besetzt werden konnten, weil wegen der Entnazifizierung nicht genügend Richter da waren. Das ist doch Tatsache. Dieser Zustand dauerte lange Jahre. Das kann niemand bestreiten. Das alles müssen wir in Betracht ziehen.
Der Herr Kollege Böhm hat vom Grundsatz der Gleichheit und von der Ungerechtigkeit gegenüber den gewöhnlichen gemeinen Verbrechern gesprochen. Der Herr Justizminister hat betont, daß die Gerichte trotz alledem viele politische Prozesse durchgeführt haben, daß viele Verbrecher verfolgt worden sind. Gerade dadurch aber ist eine teilweise Verstopfung in dem Geschäftsgang eingetreten, und deswegen konnte die Justiz sowohl in bezug auf die politischen als auch auf die gemeinen Verbrechen nicht funktionieren. Es ist klar, daß damit auch die gemeinen Verbrecher nicht so verfolgt werden konnten, wie das nötig gewesen wäre. Auf einen solchen Ansturm war die .Justiz nicht gefaßt. Das haben wir nach dem Ende der nationalsozialistischen Zeit erlebt. Als die Vorschriften über die Verjährung im Strafgesetzbuch gemacht wurden, ahnte kein Mensch, daß jemals so etwas kommen könne.
Die Justiz war also weitgehend verstopft. Das ist eine Tatsache. Wer unten mit den Dingen zu tun hatte, weiß das. Nur der, der oben saß, mag es nicht wissen. Von oben hat sich die Sache vielleicht ganz schön angesehen. Jedenfalls muß ich das bei demjenigen annehmen, der die Dinge so auslegen will. Unten war das ganz anders. Viele Taten konnten also nicht verfolgt werden.
Der Herr Justizminister meinte, der Fall Eichmann brauche kein Grund zur Beunruhigung zu sein; denn daß die Bundesregierung versuchen werde, eine Auslieferung zu erreichen, darüber könne kein Zweifel bestehen. Er hat dabei den entscheidenden Punkt nicht getroffen. Daß die Bundesregierung so handeln wird, will ich gern glauben. Entscheidend ist aber, daß man im letzten Augenblick noch Schwerstverbrecher entdeckt.
({0})
- Schön; aber es gibt doch andere, die sind nicht entdeckt, Herr Kollege. Wer will behaupten, daß nach dem Ablauf der Fristen - vorausgesetzt, daß wir sie ablaufen lassen - nicht solche schwersten Verbrecher entdeckt werden? Wollen wir dann sagen, ein Herr Eichmann, oder wer es sonst sei, seien Nachzügler, und darauf komme es nicht so sehr an?
Wir sprechen hier von rechtsstaatlichem Denken. Ich kann dazu nur sagen: es ist doch unerträglich, daß in einem Rechtsstaat so etwas möglich sein soll. Herr Kollege Böhm und andere haben vorgetragen, daß die Justiz - sowohl auf Grund der Zusammensetzung, als auch auf Grund dessen, was auf sie eingedrungen ist - überfordert war. Trotzdem sollen wir zugeben, daß die Verjährungsfristen in einer normalen Weise ablaufen. Wenn das geschieht, dann werden die Verbrecher sich die Hände reiben und sich über uns lustig machen, weil wir nichts getan haben. Diese Sache wird sich psychologisch sehr schwer auswirken.
Zu den Rechtsfragen ist schon viel gesagt worden. Herr Kollege Bucher hat eingewendet, daß in der amerikanischen Zone die Verjährungsfristen zum Teil schon abgelaufen seien und daß wir nicht neue Verjährungsfristen setzen könnten. Diese Betrachtung trifft rechtlich nicht zu. Wenn wir dieses Gesetz erlassen, dann ist die Verjährungsfrist nicht abgelaufen, denn dann beginnt die Verjährung später. Hier wird keine neue Verjährungsfrist in Lauf gesetzt, sondern hier läuft die laufende Verjährungsfrist weiter. Das ist doch rechtlich das Entscheidende.
Es wird auch davon gesprochen, die Rechtsprechung habe sich hinsichtlich der Beurteilung der Verjährung als Rechtsinstitut noch nicht genügend gefestigt. Ich möchte darauf aufmerksam machen, daß der Bundesgerichtshof bereits im Jahre 1951 entschieden hat:
Durch den Ablauf der Verjährungsfrist ist die Strafbarkeit der Tat, die ihr kraft eines Unrechtsgehalts innewohnt, nicht aufgehoben worden.
Die Strafbarkeit besteht weiter, auch wenn die Verjährungsfrist abgelaufen ist.
Die Verjährung schließt nur ihre Bestrafung trotz Bestehenbleibens der strafrechtlichen Schuld aus, weil das öffentliche Interesse an ihrer Verfolgung erloschen ist.
Wer von uns, meine Damen und Herren, will behaupten, daß das öffentliche Interesse an der Verfolgung dieser Straftaten erloschen sei? Dieses Interesse muß in einer besonders lebhaften Weise weiter bestehen.
Wo steht geschrieben, daß wir als Gesetzgeber die Aufgabe haben, Gesetze auszulegen? Es wird dauernd auf den § 69 des Strafgesetzbuches Bezug genommen. Es wird gefragt, wie der zu verstehen sei, welcher Rechtsgedanke dahinterstehe. Das zu entscheiden, ist die Aufgabe von Gerichten. Wir haben nicht die Aufgabe, Gesetze auszulegen. Wir haben die Aufgabe, Recht zu setzen. Wer hindert den Gesetzgeber daran, eine gesetzliche Bestimmung zu ändern, die in der Vergangenheit erlassen worden ist, die überholt und unzulänglich geworden ist, und dafür zu sorgen, daß Recht gesetzt wird, das den tatsächlichen Verhältnissen Rechnung trägt? Meine Damen und Herren, vergessen Sie nicht, Sie haben damit, daß Sie Gesetzgeber und nicht Richter sind, eine ganz große Verantwortung. Sie haben nicht Gesetze auszulegen, sondern Sie haben Recht zu setzen, das der Gerechtigkeit und dem rechtsstaatlichen Denken entspricht. Darum geht es.
Wir hätten die Möglichkeit, den § 69 zu ändern, wenn es darum ginge. Aber wir brauchen ihn gar nicht zu ändern. Wir können ein Gesetz erlassen, wie es von uns vorgelegt worden ist, das festlegt, daß die Verjährungsfrist aus sehr beachtlichen und
zwingenden Gründen zunächst bis zu, einem bestimmten Zeitpunkt nicht läuft und daß sie erst von diesem Zeitpunkt an zu laufen beginnt. Diese Möglichkeit besteht.
Mit Recht ist schon darauf hingewiesen worden, niemand könne behaupten, der Missetäter habe durch den § 69 StGB oder durch irgendeine andere Bestimmung eine Rechtsgarantie erlangt, die ihm nicht genommen werden könne. Davon kann gar keine Rede sein. Die Rechtsprechung sowohl des Bundesverfassungsgerichts als auch des Bundesgerichtshofs - ich habe aus einer Entscheidung des Jahres 1951 einige Sätze verlesen - ist gefestigt und vernünftig; man kann gegen sie nichts sagen. Wir als Gesetzgeber müssen uns entscheiden, ob wir uns auf die Seite der vernünftigen Rechtsprechung stellen oder ob wir die Rechtsauslegung bejahen, die Zweifel aufkommen läßt. Ich glaube, es ist unsere Aufgabe, uns auf die Seite der Rechtsprechung zu schlagen, die uns die Möglichkeit gibt, politisch und gesetzgeberisch das Vernünftige zu tun. Warum wollen wir uns auf die zweifelhafte Seite schlagen? Wie kommen wir dazu? Das können wir doch nur dann tun, wenn wir politisch etwas, was notwendig ist, nicht wollen. Das aber ist die Frage: Wollen wir das? Wir stehen hier nicht vor der Entscheidung einer juristischen Frage, wir stehen hier vor der Entscheidung einer politischen Frage.
Ich habe vorhin betont: ich bin der Meinung, daß die Gerichte, daß die Justizverwaltungen eine ganze Menge getan haben; so viel getan haben, daß zum Teil die Gerichte sogar verstopft waren. Aber andererseits ist es doch auch nicht ganz so, wie der Herr Justizminister gesagt hat: daß alles geschehen ist. Ich will Ihnen ein Beispiel sagen. Im Jahre 1952 hat die griechische Regierung eine ganze Reihe von Aktenbündeln an die deutsche Regierung abgegeben, aus denen sich ergibt, daß in Griechenland nationalsozialistische Verbrechen begangen worden sind. Diese Sache ist liegengeblieben bis zum Jahre 1957; man hat in dieser ganzen Zeit nichts getan. Das Ergebnis dieses Nichtstuns war dann der Prozeß gegen Merten in Athen. Ich bin den Verdacht nicht ganz los, daß es da und dort auch einen gibt, der gar kein allzu großes Interesse daran hat, den nationalsozialistischen Verbrechen wirklich bis zum letzten nachzugehen. Darauf deutet der Satz hin, den ich vorhin verlesen habe.
Ich zitiere einen weiteren Satz aus der Stellungnahme des Justizministers. Es heißt dort auf Seite 9:
Damit
- das heißt also: mit der Verlängerung der Verjährungsfrist würde das Vertrauen in die allgemeine Gültigkeit der strafrechtlichen Grundnormen erschüttert.
Das sind die Argumente gefühlsmäßiger Art, mit denen man arbeitet: das Vertrauen in die Grundnormen des Strafrechts würde erschüttert. Meine Damen und Herren, wir stehen nicht vor der Frage, ob das Vertrauen in die strafrechtlichen Grundnormen erschüttert wird - das kann nicht erschüttert werden, das ergibt die Rechtsprechung -, aber wir stehen vor der Frage, ob das Vertrauen in die, die politisch zu handeln haben, in die, die Recht zu setzen haben, erschüttert wird. Diese Gefahr ist viel größer. Das sollten wir bedenken, meine Kollegen auch von den anderen Parteien, nicht nur von der SPD. Wir ziehen an einem Strang, und unter Ihnen gibt es genügend Leute, die gerade in diesen Dingen genauso denken wie wir auch. Wir stehen doch vor der Frage: Wollen wir sehenden Auges zulassen, daß der Zeitpunkt eintritt, wo wir mit gebundenen Händen dastehen und die Verbrecher sich über uns eins lachen und uns damit vor der ganzen Welt als unglaubwürdig hinstellen? Oder wollen wir politisch die Konsequenzen ziehen, wollen wir uns zu einer Tat aufraffen, wollen wir politisch etwas tun, was notwendig ist: Recht zu setzen, das es unmöglich macht, daß Menschen, die dieses Recht mit Füßen getreten haben, sich dann noch darauf berufen können, daß sie aus Rechtsgründen trotz ihres schweren Unrechts nicht mehr verfolgt werden können?
({1})
Meine Damen und Herren, ich appelliere an alle in diesem Haus, in dieser Sache sich jetzt kurz zu fassen; geschähe das nicht, müßte ich für morgen eine Plenarsitzung anberaumen. Das wäre sehr mißlich, weil wir morgen eine Reihe von Ausschuß-Sitzungen haben.
Das Wort hat der Abgeordnete Schneider ({0}).
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will der Mahnung des Herrn Präsidenten folgen, obwohl ja immer, wenn wir drankommen, gesagt wird, man solle sich kurz fassen; aber ich nehme das hin.
Auch wir lehnen diesen Gesetzentwurf ab, wie ich das schon im Rechtsausschuß eindeutig kundgetan habe.
Ich will an die Bemerkung anknüpfen, die Sie, Herr Kollege Bucher, vorhin machten, mein Kollege Schneider ({0}) habe irgend etwas gemurmelt, die anderen täten auch nichts, um die Verbrechen zu sühnen, die sie in Deutschland begangen hätten. Ich weiß nicht, ob es zutrifft, ,daß etwas dieses Inhalts gemurmelt worden ist. Jedenfalls möchte ich nicht, daß es so ausgelegt wird, als ob mein Kollege Schneider ({1}) nicht wolle, wie wir alle es wollen, ,daß nationalsozialistische Verbrechen wirklich gesühnt werden.
Die Frage ist hier nur: Ist ,das, was in dem Entwurf vorgesehen ist, ein richtiger Weg dahin? Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben die Frage, um die es geht, hier schon einmal angeschnitten, nämlich bei einem Gesetz im Jahre 1956. Von dieser Entscheidung abzugehen, könnte überhaupt nur verantwortet werden, wenn wir nachträglich Tatsachen hätten feststellen können, die so gravierend sind, daß sich dieses Abgehen in etwa verantworten ließe.
Dr. Schneider ({2})
Aber das ist ja gar nicht der Fall. Was das Funktionieren unserer Justiz nach 1945 anlangt, so waren die Tatbestände im Jahre 1956 genauso bekannt, wie sie uns heute bekannt sind. Die Justiz hat sehr bald wieder funktioniert, sie hat sogar sehr gut funktioniert. Ich habe leider nicht nachgesehen, wann ich an der Strafkammer Gießen die erste Strafverteidigung im Falle eines nationalsozialistischen Verbrechens gehabt habe. Aber es waren eine ganze Reihe, beinahe Dutzende von Taten aus den Jahren 1933 und 1934 und Taten der Kristallnacht darunter. Alles das wurde dort schon abgeurteilt, und es gab sehr schwere Urteile. Also es ist nicht so, daß die Justiz überhaupt nicht funktioniert hätte.
Wenn Sie sagen, Herr Kollege Metzger, die Justiz sei verstopft gewesen, so heißt das doch: die Akten waren schon da; sie konnten nur nicht so schnell bearbeitet werden, wie das nötig gewesen wäre. Aber in all diesen Fällen war doch, auch wenn die Gerichte verstopft waren, die Verjährung durch eine richterliche Handlung unterbrochen. Darüber besteht doch kein Zweifel. Also ist doch der Hinweis darauf, daß die Gerichte verstopft waren, gar kein Argument.
Dann haben Sie gesagt, die Zentralstelle in Stuttgart sei erst so spät konstituiert worden. Ja, wessen Schuld ist denn das? Ist das vielleicht die Schuld des Bundestages? Dann hätten sich die Länder eben früher besinnen müssen. Die Tatbestände waren ja bekannt. Dann hätten sie eben früher koordinieren müssen.
({3})
Vielleicht liegt es an der überspitzt föderativen Gestalt unserer Bundesrepublik. Aber das will ich heute nicht anrühren. Ich habe ja auch bloß „vielleicht" gesagt. Dann hätte man eben in Stuttgart früher etwas tun sollen, als man es getan hat.
Nun möchte ich aber auch noch ein politisches Wort sagen. Warum ist das denn in letzter Zeit wieder so hochgespielt worden? Warum kommt denn der ganze Komplex wieder so auf uns zu? Warum denn? Weil der Osten jetzt auf einmal seine Archive öffnet, weil der Osten uns jetzt die Dinge schickt. Warum tut er das? Doch nicht, um all die Täter einer gerechten Bestrafung zuzuführen! Er tut das doch aus wohlüberlegten politischen Gründen. Er tut es nämlich, um unseren Staat zu diffamieren, um die Politik Moskaus zu unterstützen, die in der ganzen Welt versucht, uns, diese Bundesrepublik, wieder als einen neofaschistischen, als einen militaristischen, als einen revanchistischen Staat hinzustellen. Das ist doch das Motiv der Leute da drüben und nicht das Verlangen nach Gerechtigkeit.
Eine Zwischenfrage?
Herr Kollege Schneider, sind Sie der Meinung, wir hätten deswegen, weil auch der Osten sich regt, Veranlassung, die nationalsozialistischen Verbrechen nicht zu verfolgen?
Der Meinung hin ich nicht.
({0})
Ich bin bloß 'der Meinung, daß man, gerade weil sich der Osten jetzt regt und weil sich, wie uns der Herr Justizminister im Rechtsausschuß schon einige Male gesagt hat, bei der Durchsicht dieses Materials meistens ergibt, daß gar nicht viel hängenbleibt, besonders vorsichtig sein muß. Ich bin nicht der Meinung, daß man das Material, weil es aus dem Osten kommt, nicht zu prüfen braucht. Selbstverständlich muß es geprüft werden, und soweit es beweiskräftig ist, müssen ,die Taten auch verfolgt werden.
Ich will nicht auf die Rechtsfrage eingehen, ob es sich bei der Verjährung um prozessuales oder materielles Recht handelt. Das würde zu weit führen. Ich will auch nicht auf die Frage eingehen, ob der Art. 103 Abs. 2 Ides Grundgesetzes berührt wird oder nicht. Ich will mich ganz kurz fassen.
Wir sind der Meinung - diese Ansicht wurde auch durch den Herrn Justizminister vertreten, und auch Herr Professor Böhm hat das sehr eingehend dargelegt -, daß die Dinge richtig gelaufen sind, daß Stuttgart Gott sei Dank sehr gut funktioniert hat, daß die Verjährung in den meisten Fällen rechtzeitig hat unterbrochen werden können. Weil darüber hinaus die schwersten Verbrechen, nämlich Mord und Beihilfe zum Mord, weiter verfolgt werden können, besteht nach unserer Auffassung keine Veranlassung für dieses Gesetz, zumal wir die gleiche Frage schon einmal, nämlich 1956, entschieden haben. Meine Herren Antragsteller, Sie mögen es konstruieren, wie Sie wollen, ob Sie es anhängen oder vorsetzen, ganz gleich, so oder so ist die Rechtswirkung, daß Sie zu einer „rückwirkenden Ausnahmegesetzgebung" kommen, und weil das der Fall ist, lehnen wir das Gesetz ab.
({1})
Herr Abgeordneter Memmel!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte die Sache nicht verharmlosen, Herr Kollege Metzger. Ich habe in dieser Zeit auch nicht oben gesessen, sondern unten.
Denken Sie aber doch bitte auch einmal an den Personenkreis, der am meisten mit dieser Sache befaßt wird! Denken Sie einmal an den Richter, an den Mann, der oben sitzt und einen Sachverhalt aus dem Jahre 1938 aufklären soll mit Zeugen, die entweder tatsächlich nichts mehr wissen oder nichts mehr wissen wollen! Auch da können Sie nicht mehr helfen, wenn die Zeugen nichts mehr wissen wollen. Und dann sitzt oben der Laienrichter - ich will ihm nicht zu nahe treten -, der ganz andere Vorstellungen hat als der Berufsrichter. Was kommt heraus? - Dann kommt der berühmte Freispruch mangels Beweises heraus, und dann wird über die Justiz, über die Rechtsprechung und die Richter geschimpft. Es wird nachgeprüft, ob 'der Richter nicht vielleicht doch auch noch bei der Partei war. Das sind die Folgen. Bei solchen Zeugen, die sich nicht
mehr erinnern können oder wollen, ist es unmöglich, einen juristischen einwandfreien Tatbestand und absolut revisionssichere Entscheidungsgründe herauszuarbeiten.
Sie erreichen also nichts anderes, als ,daß Sie nun die Richter, die Justiz überfordern. Ich bitte Sie, auch daran zu denken und deswegen den Gesetzentwurf abzulehnen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte.
Herr Kollege, sind Sie nicht der Meinung, daß man, wenn Ihre Auffassung richtig ist und man im Grunde gar nicht mehr verfolgen kann, weil man kein Material und keine Zeugen mehr hat, auch die Mordfälle nicht mehr verfolgen dürfte? Dafür gilt doch genau das gleiche?!
Nein, diese Begründung kann ich nicht anerkennen. Ich will Ihnen nur sagen: Sie sollen die Zahl der Fälle, die so schwer zu beurteilen sind, nicht noch vermehren. Damit diesem Bedenken Rechnung getragen wird, ist ja die Verjährung geschaffen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf, und zwar in der Fassung des Änderungsantrags Umdruck 624. Ich rufe auf die §§ 1, - 2, -3, - Einleitung und Überschrift. - Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei einigen wenigen Enthaltungen abgelehnt.
Ich rufe auf Punkt 2 der heutigen Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den Abbau der Wohnungszwangswirtschaft und über ein soziales Mietrecht ({0}) ;
Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung ({1});
Erster Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wohnungswesen, Bau- und Bodenrecht ({2}) ;
Berichterstatter: Abgeordneter Mick; ({3}).
Bevor ich dem Berichterstatter das Wort erteile, mache ich darauf aufmerksam, daß die Diskussion um 12 Uhr kurz unterbrochen werden wird, um dem Herrn Bundeskanzler das Wort zu geben. Von 13 bis 14 Uhr geht die Verhandlung ohne Mittagspause weiter: Ich werde jedoch in der Zeit von 13 bis 14 Uhr nach Möglichkeit Abstimmungen aussetzen; mit den Abstimmungen wird also um 14 Uhr wieder begonnen werden.
Das Wort hat als Berichterstatter der Herr Abgeordnete Mick.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe die Ehre, zu dem Bericht des 24. Ausschusses einige Ergänzungen und Erläuterungen zu geben. Zunächst habe ich von einem Mehrheitsbeschluß des Ausschusses Kenntnis zu geben, den Titel des Gesetzes wie folgt zu ändern: „Gesetz über den Abbau der Wohnungszwangswirtschaft und über ein soziales Miet- und Wohnrecht", und das Hohe Haus um Zustimmung zu bitten.
Nun einige generelle Bemerkungen. Das Gesetz sieht nicht vor, die Wohnungswirtschaft ad hoc in die soziale Marktwirtschaft zu überführen. Vielmehr soll der Abbau der Wohnungszwangswirtschaft schrittweise in dem Maße erfolgen, wie die Wohnungsnot beseitigt ist. Dabei soll auch nicht etwa willkürlich nach feststehenden Daten, sondern nach objektiven Merkmalen vorgegangen werden. Sie sind dahingehend präzisiert, daß die Wohnraumbewirtschaftung zunächst in den Kreisen und kreisfreien Städten aufgehoben werden soll, wo die Wohnungsunterversorgung statistisch 3% und weniger beträgt. Dabei werden die Einpersonenhaushalte in Städten mit über 100 000 Einwohnern mit 60 und in Gemeinden unter 100 000 Einwohnern mit 50 % angerechnet.
Gleichzeitig mit dem Abbau der Wohnungszwangswirtschaft bringt der Gesetzentwurf Bestimmungen über ein soziales Miet- und Wohnrecht. Er sieht Miet- und Lastenbeihilfen für einkommensschwache Mieter bzw. Eigenheimer und den Ersatz des Mieterschutzgesetzes durch Mieterschutzbestimmungen im Bürgerlichen Gesetzbuch vor. Zwischen den vorläufigen Miet- und Lastenbeihilfen und den endgültigen Miet- und Lastenbeihilfen ist ein Junktim dergestalt geschaffen worden, daß keine Überführung des Wohnungsbaues in die Marktwirtschaft erfolgt, ehe nicht das endgültige Gesetz über Miet- und Lastenbeihilfen verabschiedet ist.
Was enthält nun dieses Gesetz im einzelnen? Zunächst einmal Beseitigung der starren Mietpreisbindungen, ferner schrittweise Aufgabe der Wohnraumbewirtschaftung und des jetzigen starren Mieterschutzes. Die Gesamtkonzeption der Regierung wurde von der Mehrheit des Ausschusses anerkannt. Im System sowohl wie auch in Einzelheiten wurden allerdings wesentliche Änderungen vorgenommen, die nach der Meinung der Mehrheit des Ausschusses erhebliche Verbesserungen darstellen. Die hohe Wohnungsbauleistung der letzten Jahre läßt das Ende der Wohnungsnot absehen. Deshalb war die Mehrheit des Ausschusses mit der Regierung der Meinung, daß schon heute Schritt für Schritt die Wohnungszwangswirtschaft beseitigt werden müsse und daß man mit diesen Maßnahmen nicht warten könne, bis der Wohnungsbestand effektiv der Nachfrage entspreche. Die Ausschußmehrheit will mit diesem Gesetz erreichen, daß kein Abstürzen in die soziale Marktwirtschaft, sondern ein Abtröpfeln in die soziale Marktwirtschaft erfolgt.
Nun zu einigen wesentlichen Einzelheiten des Gesetzentwurfs! Es ist vorgesehen, daß mit Inkraft6698
treten des Gesetzes für alle Altbauwohnungen eine generelle Mieterhöhung um 15 % stattfinden soll. Altbauwohnungen sind in diesem Zusammenhang alle vor dem 20. Juni 1948 bezugsfertig gewordenen Wohnungen. Darüber hinaus ist die Möglichkeit vorgesehen, die Mieten mit Inkrafttreten des Gesetzes um weitere 20 % zu erhöhen für Wohnungen, deren Grundmiete eine gewisse Höhe übersteigt. Sie können die Zahlen aus der Tabelle auf Seite 3 des Schriftlichen Berichts entnehmen. Ferner ist die Möglichkeit einer 20 % igen Mieterhöhung für alle Miethäuser mit zwei Wohnungen vorgesehen, in denen der Eigentümer selbst wohnt. Für alle anderen Wohnungen ergibt sich eine weitere Möglichkeit der Erhöhung um 20 % ab 1. Januar 1963. Das sind etwa 60 % des gesamten Altwohnungsbestandes, während ersteres etwa 40 % des gesamten Altwohnungsbestandes sind.
Ich sprach von Mieterhöhungsmöglichkeit deshalb, weil wir eine Auffanggrenze gesetzt haben, die sich nach Qualitätsmerkmalen der einzelnen Wohnung richtet, eine Grenze, bis zu der die Mieten erhöht werden können, bis zu einer absoluten Höchstsumme je Quadratmeter. Sie können das in der Tabelle auf Seite 4 des Schriftlichen Berichts nachlesen.
Dem Vorschlag des Bundesrats, auf eine 15% ige generelle Mieterhöhung eine 10% ige generelle Mieterhöhung folgen zu lassen, konnte sich der Ausschuß nicht anschließen, weil in diese Bestimmungen keinerlei Qualitätsmerkmale eingebaut werden können.
In § 9, dem sogenannten Bruchbuden-Paragraphen, den der Ausschuß gegenüber der Regierungsvorlage wesentlich erweitert hat, werden solche Wohnungen und Unterkünfte ausgeschlossen, die nicht dem Begriff „Wohnung", und zwar „familiengerechte Wohnung" entsprechen. Die endgültige Mietpreisfreigabe soll zum 1. Januar 1966 erfolgen. In Fällen noch dringender Wohnungsnot kann die Bundesregierung im Einvernehmen mit dem Bundesrat diesen Termin um ein Jahr verlängern.
Das zweite Kapitel dieses Gesetzes betrifft die Wohnraumbewirtschaftung. Der Ausschuß hat beschlossen, daß die Wohnraumbewirtschaftung in den Kreisen aufhören soll, in denen die statistische Wohnungsunterversorgung 3 % und weniger beträgt, wobei - um das zu wiederholen - in Städten mit über 100 000 Einwohnern die Einpersonenhaushalte zu 60 % und in Gemeinden unter 100 000 Einwohnern die Einpersonenhaushalte mit 50 % angerechnet werden. Der Vorschlag des Bundesrats, hier auf 0 % herabzugehen, wurde von der Ausschußmehrheit nicht akzeptiert; sie war der Meinung, daß damit die Wohnraumbewirtschaftung verewigt würde. Der Ausschuß ist aber dem Bundesrat insoweit entgegengekommen, als er gewisse Dezentralisierungsmöglichkeiten in den Gesetzentwurf eingebaut hat, wonach innerhalb eines Kreises Gemeinden mit über 10 000 Einwohnern bei einem statistischen Wohnungsdefizit von 5 A% die Wohnraumbewirtschaftung weiter aufrechterhalten können. Das gilt auch für Gemeinden ab 2000 Einwohnern, die in den letzten drei Jahren mehr als 10 %
Bevölkerungszunahme zu verzeichnen hatten. Die Landesregierungen können durch Rechtsverordnung vor der Erreichung der im Gesetz vorgesehenen Prozentsätze die Wohnraumbewirtschaftung aufheben, ebenfalls auf Antrag einer kreisfreien Stadt oder eines Kreises. Die Freigabe der Mieten bleibt in diesen Fällen von der vorzeitigen Aufhebung der Wohnraumbewirtschaftung unberührt. Maßgeblich für die Prozentsätze ist die statistische Wohnungserhebung des Jahres 1956.
Die erste Freigabe von Wohnraum von der Bewirtschaftung soll drei Monate nach Inkrafttreten dieses Gesetzes erfolgen, später durch Rechtsverordnung der Landesregierungen jeweils am 1. Juli 1961 bzw. am 1. Juli jedes weiteren Jahres, wenn am 31. Dezember des vorhergegangenen Jahres das Wohnungsdefizit 3 % und weniger betrug.
Nach dem Gesetzentwurf sollen sofort aus der Wohnraumbewirtschaftung alle Wohnungen mit 5 und mehr Wohnräumen in Gemeinden unter 100 000 Einwohnern herausgenommen werden, während in den Gemeinden über 100 000 Einwohner diejenigen Fünfraumwohnungen in der Wohnraumbewirtschaftung bleiben, deren Grundmiete 70 DM und weniger beträgt. Ferner sollen aus der Wohnraumbewirtschaftung sofort alle Wohnungen mit 6 und mehr Wohnräumen herausgenommen werden sowie Häuser mit nicht mehr als zwei Wohnungen, wenn der Eigentümer selber in einem derselben wohnt, also praktisch Einfamilienhäuser mit der sogenannten Einliegerwohnung. Des weiteren sollen zweckbestimmter Wohnraum und Genossenschaftswohnungen, die an Mitglieder vergeben werden, herausgenommen werden. Wenn die Grundmiete einen bestimmten Betrag übersteigt - siehe Seite 13 des Entwurfs -, kann auf Antrag bei der Wohnungsbehörde. die Befreiung von der Wohnraumbewirtschaftung erfolgen.
Zur Frage des Mieterschutzes war der Ausschuß der Auffassung, daß man bei der Übergangszeit von wenigen Jahren keine großen Änderungen des bestehenden Mieterschutzgesetzes vornehmen solle. Es herrschte die Meinung, daß praktisch die Freigabe der Wohnungswirtschaft erfolgt ist, ehe sich die neuen Rechtsbestimmungen eingespielt haben.
Lediglich zwei Ausnahmen von Belang hat man von diesem Grundsatz gemacht. In § 4 ist dem Eigenbedarf des Hausbesitzers ein weiterer Spielraum gegeben, als das in dem bisherigen Mieterschutzgesetz der Fall ist. Eine weitere Änderung betrifft den § 28 a, der günstigere Möglichkeiten vorsieht, bauliche Verbesserungen im Althausbesitz, insbesondere durch Schaffung sanitärer Einrichtungen, vorzunehmen. Diese Verbesserungen im Althausbesitz sollen auch gegen den Willen des Mieters vorgenommen werden können, wenn es dem Mieter zumutbar ist. Ob es dem Mieter zumutbar ist, bestimmt in diesem Falle das Mieteinigungsamt.
In bezug auf das Erste Wohnungsbaugesetz wurden im wesentlichen zwei Änderungen materiellen Inhalts getroffen. Es ist vorgesehen, daß für die nach dem Ersten Wohnungsbaugesetz gebauten Wohnungen die Miete generell um 10 Pf pro Quadratmeter angehoben werden kann, und des weiteMick
ren daß abermals bis zu 10 Pf pro Quadratmeter aufgeschlagen werden kann, wenn im Bewilligungsvertrag eine Verzinsung des Eigenkapitals überhaupt nicht oder nur zum Teil gewährt worden ist.
Für das endgültige Mietrecht sollen an die Stelle des jetzigen Mieterschutzgesetzes entsprechende Bestimmungen im Bürgerlichen Gesetzbuch treten. Zwei dieser Bestimmungen liegen bereits mit diesem Gesetzentwurf vor. Bei aller Intensität der Beratung ist der Rechtsausschuß mit den restlichen Paragraphen, die in das Bürgerliche Gesetzbuch aufgenommen werden sollen, nicht durchgekommen. Diese Vorschriften, die das Bürgerliche Gesetzbuch und die Zivilprozeßordnung betreffen, bleiben aber in den zuständigen Ausschüssen, im Rechtsausschuß und im Wohnungsbauausschuß, anhängig, werden von ihnen weiter beraten und werden nach Verabschiedung dieses Gesetzes nachgezogen. Die wesentlichsten Bestimmungen wurden aber bereits jetzt vom Ausschuß verabschiedet. Es handelt sich um die §§ 556 a und 565. § 556 a sieht im wesentlichen einen verstärkten Schutz der Familie gegen willkürliche Kündigungen vor. Der Mieter kann Kündigungen aus Gründen, die vor allem in der Situation seiner Familie zu suchen sind, widersprechen. Er muß den schriftlichen Widerspruch zwei bzw. drei Monate vor Ablauf der Kündigungsfrist einlegen. Der Einspruch des Mieters gegen eine Kündigung kann zur Folge haben, daß das Mietverhältnis bis zu einem Zeitpunkt fortgesetzt werden muß, an dem die von dem Mieter angegebenen Gründe entfallen. Kommt es zu keiner Einigung zwischen dem Hausbesitzer und dem Mieter, so ist durch Urteil über die Dauer des Mietverhältnisses und seine Bedingungen zu entscheiden.
In § 565 ist wesentlich, daß die Kündigungsfristen für beide Teile bedeutend verlängert worden sind. Der Ausschuß war der Meinung, daß, insbesondere bei langdauernden Mietverhältnissen, eine Kündigungsfrist von drei Monaten zu kurz sei und daß gerade eine kurze Kündigungsfrist nicht zuletzt eine Flut von Einsprüchen ermöglichen könne. Der Ausschuß war aber auch - das war die Hauptsache - der Meinung, daß sich gerade bei einem langdauernden Wohnverhältnis Beziehungen ergeben haben, die sehr stark im ethischen Bereich liegen. Je länger ein Mieter in einer Wohnung wohnt, desto größer sind die Bindungen der Familie im Stadtviertel, in der Pfarrgemeinde, wenn Sie wollen, an Vereine usw. Deshalb also hier eine Verlängerung der Kündigungsfristen. Sie sollen bei einem fünfjährigen Mietverhältnis sechs Monate betragen, bei einem achtjährigen Mietverhältnis neun Monate, bei einem Mietverhältnis von zehn und mehr Jahren zwölf Monate.
Weitere Änderungen des BGB - ich betonte das schon - bleiben in den beiden Ausschüssen zur Beratung anhängig. Das betrifft insbesondere die mißbilligten Klauseln.
Einen wesentlichen Bestandteil des sozialen Mietrechtes macht das Gesetz über Miet- und Lastenbeihilfen aus; es soll die wirtschaftliche Sicherung der Wohnung gewährleisten. Nach dem Willen des Ausschusses soll das Gesetz ausschließen, daß
künftig eine Wohnung oder ein Eigenheim auf Grund einer materiellen Notlage, die nicht im Verschulden des Mieters oder Eigenheimers liegt, aufgegeben werden muß. Die Grundsätze für die endgültigen Miet- und Lastenbeihilfen sind in § 1 niedergelegt. Ich sagte schon, daß zwischen der Verabschiedung des Gesetzes über die endgültigen Miet-und Lastenbeihilfen und der Überführung der Wohnungswirtschaft in die soziale Marktwirtschaft ein Junktim hergestellt worden ist.
Für den Übergang sind gegenüber der Regierungsvorlage eine Reihe von Bestimmungen zum Teil wesentlich verbessert worden. In der Regel soll als Mindestwohnraum im Sinne der Miet- und Lastenbeihilfen gewährleistet werden: im Altwohnbau 50 qm für die ersten beiden Mitglieder der Familie und für jedes weitere Mitglied weitere 15 qm, in Neubauwohnungen 40 qm plus 10 qm für jedes weitere Familienmitglied. Darüber hinaus - also eine Verbesserung - hat der Ausschuß vorgesehen, daß Schwerbeschädigten und Dauererkrankten, besonders an Tuberkulose Dauererkrankten, ein Raum mehr zur Verfügung gestellt werden kann.
Bei den Miet- und Lastenbeihilfen - Tabelle Seite 54 des Schriftlichen Berichts - hat der Ausschuß eine bedeutende Verbesserung dadurch erreicht, daß in bezug auf das Familieneinkommen - das Familiennettoeinkommen - und die Kopfzahl der Familien eine weitere Differenzierung vorgenommen wurde und auch weitere Personenkreise - besonders bei Erstbezug einer Wohnung - in das System der Übergangsmiet- und Lastenbeihilfen einbezogen wurden.
Für den Übergang sind nicht alle möglichen Fälle berücksichtigt. Dazu sah sich die Mehrheit des Ausschusses außerstande. Er war der Meinung, daß mit diesem System der Miet- und Lastenbeihilfen erst Erfahrungen gesammelt werden müßten, die dann einem endgültigen Gesetz über Miet- und Lastenbeihilfen zugute kommen könnten.
Ich sagte soeben, daß im Grundsatz das Nettoeinkommen für die Bemessung der Miet- und Lastenbeihilfen zugrunde gelegt werden soll. Trotz intensiver Bemühungen ist es allerdings dem Ausschuß nicht gelungen, Tatbestände vielfältigster Art exakt in dieses Gesetz aufzunehmen. Der Ausschuß sah das als unmöglich an. Deshalb ist man den Weg gegangen, daß die Bundesregierung im Einvernehmen mit dem Bundesrat eine Rechtsverordnung erlassen soll, in der bestimmt wird, was als Familieneinkommen gerechnet werden soll und was nicht. In einer solchen Verordnung können differenzierte Vorgänge gerechter erfaßt werden, als es in einem Gesetz möglich ist.
Bei der Beratung des Artikels über die Miet- und Lastenbeihilfen ist vor allen Dingen der Ansatz des Einkommens eingehend gewürdigt worden. Darüber bestand Übereinstimmung, daß die Mietbelastung nicht am Roheinkommen gemessen werden kann, sondern nur an dem um gewisse Ausgaben geminderten Einkommen, wie sie im Steuerrecht als Werbungsunkosten bzw. Sonderausgaben bezeichnet zu werden pflegen.
In diesem Zusammenhang haben uns auch die Verhältnisse bestimmter Rentner, namentlich der Empfänger von Lastenausgleichsrenten, beschäftigt. Eine Regelung im einzelnen würde, wie schon gesagt, zu einem perfektionistischen Gesetz geführt haben, bei dem für uns von vornherein feststehen würde, daß es auf Grund der Praxis sehr bald zu Novellierungen Anlaß geben müßte. Darum ist die Durchführung im einzelnen - ich wiederhole es - den zuständigen Bundesressorts überlassen worden, denen insbesondere die Berücksichtigung der Einkommensverhältnisse bestimmter Rentnerschichten, namentlich der vertriebenen und einheimischen Geschädigten, nahegelegt wurde. Wesentlich ist bei der Gestaltung dieses Teils, daß die Miet- und Lastenbeihilfen von jeder Diskriminierung freigehalten werden sollen und nicht etwa mit einer Unterstützung - mit dem üblen Beigeschmack, der diesem Wort anhaftet - kombiniert werden können.
In dem Abschnitt des Gesetzes über die Bindung öffentlich geförderter Wohnungen wird sichergestellt, daß öffentlich geförderte Wohnungen auch in Zukunft - nach Überführung der Wohnungswirtschaft in die Marktwirtschaft - dem Personenkreis zugute kommen, für den sie gedacht sind, und daß sich in diesem Block des sozialen Wohnungsbaus auch keine Mietbewegungen vollziehen können, die wirtschaftlich nicht gerechtfertigt sind.
Es bleibt noch zu sagen, daß der Senat von Berlin im Grundsatz mit diesem Gesetz übereinstimmt und Modifizierungen dieses Gesetzes für Berlin einstimmig verabschiedet hat, so daß wir diese einstimmig verabschiedete Vorlage im Ausschuß übernehmen konnten. Dasselbe gilt für das Saarland.
Sodann ist noch nachzutragen, daß der Haushaltsausschuß nach § 96 der Geschäftsordnung die Frage der Miet- und Lastenbeihilfen behandelt und gegen die Einführung der Miet- und Lastenbeihilfen in diesem Gesetz keine Bedenken hat. Die Vorschläge des Rechtsausschusses wurden im wesentlichen angenommen. Das betrifft ganz besonders die §§ 556 und 565 a, die so übernommen wurden, wie sie vom Rechtsausschuß an den Wohnungsbauausschuß kamen. Auch den Anregungen des Kommunalpolitischen Ausschusses wurde im wesentlichen Rechnung getragen; seine Stellungnahmen wurden in dem vorliegenden Gesetzentwurf weitgehend berücksichtigt.
({0})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wir unterbrechen nun die Beratung dieses Gesetzentwurfs.
Ich rufe auf:
Entgegennahme einer Erklärung der Bundesregierung.
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.
Dr. Adenauer, Bundeskanzler ({0}) : Herr Präsident, meine Damen und meine Herren! Die Pariser Konferenz der vier Staats- und Regierungschefs der Vereinigten Staaten, Großbritanniens, Frankreichs und der Sowjetunion, die am 16. Mai 1960 beginnen sollte, ist gescheitert. Der sowjetrussische Ministerpräsident, Herr Chruschtschow, ist zwar nach Paris gekommen, aber er hat es abgelehnt, in eine sachliche Behandlung der Fragen einzutreten, die auf der Tagesordnung standen.
In den vergangenen Monaten hat die Bundesregierung der Vorbereitung dieser Konferenz ihre besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Arbeitsgruppen, die in Washington, Paris, London und in Bonn gebildet wurden, haben in einer engen Zusammenarbeit zwischen den verbündeten Regierungen und der Bundesregierung alles erörtert, was nach der übereinstimmenden Auffassung der Beteiligten Gegenstand der Verhandlungen hätte werden können. Ich stelle mit besonderer Befriedigung fest, daß diese Vorarbeiten, die sich über Monate hin erstreckten, in allen Punkten zu einer völligen Übereinstimmung der Auffassungen führten. Über das Ergebnis dieser Vorbereitungsarbeit haben .die beteiligten Außenminister am 1. Mai in Istanbul die abschließenden Gespräche geführt. Sie haben am 2. Mai dem Ministerrat der Atlantischen Gemeinschaft berichtet, der diese Richtlinien einmütig billigte. Zu einem abschließenden Gespräch sind die drei Außenminister der verbündeten Regierungen mit dem 'deutschen Außenminister in Paris am 14. Mai letztmals zusammengetreten.
Ich selbst hatte am 15. Mai Gelegenheit, mit Präsident Eisenhower, Präsident de Gaulle und Premierminister Macmillan die Aufgaben und Möglichkeiten der bevorstehenden Gipfelkonferenz zu erörtern. Auch dieses letzte Gespräch führte zur Übereinstimmung. Im Namen der Bundesregierung möchte ich hier von dieser Stelle aus den verbündeten Regierungen aufrichtig für diese von gegenseitigem Vertrauen und gegenseitigem Verständnis getragene Vorarbeit danken.
({1})
Wir waren uns alle darüber im klaren, daß es auf dieser Gipfelkonferenz unter anderem darum gehen müsse, die Bedrohung der Freiheit der Stadt Berlin abzuwenden, wie sie in der Note der Sowjetunion vom 28. November 1958 zum Ausdruck gekommen war. Die Vorarbeiten bestätigten aber auch die gemeinsame Überzeugung, daß die Berlin-Frage nur als Teilproblem der deutschen Frage angesehen und daß die deutsche Frage als solche wie auch die Frage „Berlin" auf der Grundlage des freien Selbstbestimmungsrechts des deutschen Volkes gelöst werden müsse.
Über ,die Vorstellungen und 'die Ziele der Sowjetunion konnte bei Beginn der Gipfelkonferenz kein Zweifel bestehen. In seinen letzten Reden, die der sowjetrussische Regierungschef in Baku und später vor dem Präsidium des Obersten Sowjets gehalten hatte, trat erneut eine Auffassung zutage, die ernste Zweifel an der Bereitschaft der Sowjetunion aufkommen lassen mußte, die politischen Fragen überhaupt zu erörtern und bei ihrer Lösung mitzuwirBundeskanzler Dr. Adenauer
ken. In voller Übereinstimmung mit ihren Verbündeten hat die Bundesregierung darum auch den Standpunkt vertreten, daß die Gipfelkonferenz sich in erster Linie mit der Frage der allgemeinen kontrollierten Abrüstung beschäftigen müsse.
Dazu bestand um so mehr Anlaß, da die Abrüstungsverhandlungen der Zehner-Kommission der Vereinten Nationen offenbar ins Stocken geraten waren. Es bestand aber auch eine begründete Hoffnung, daß dieses vordringlichste und wichtigste Problem auch von der Sowjetunion ernster diskutiert werden würde, nachdem der sowjetrussische Ministerpräsident wiederholt auf die besondere Bedeutung der Abrüstungsfrage hingewiesen und seiner Behandlung auf der Gipfelkonferenz ausdrücklich zugestimmt hatte.
Das Verhalten des sowjetrussischen Ministerpräsidenten in Paris hat diese Hoffnungen zunichte gemacht. Die hemmungslosen Angriffe, die er gegen seine westlichen Verhandlungspartner und auch gegen die Bundesregierung gerichtet hat, und die maßlosen Forderungen, die er vor Beginn der sachlichen Verhandlungen erhoben hat, haben dazu geführt, daß es zu Verhandlungen über das eigentliche Konferenzthema überhaupt nicht kam.
Es ist ganz offensichtlich, daß der sowjetrussische Regierungschef mit der vorgefaßten Absicht nach Paris kam, die Konferenz zu sabotieren. Es scheint mir verfrüht, Überlegungen darüber anzustellen, welche Gründe den sowjetrussischen Regierungschef veranlaßt haben, in dieser Weise aufzutreten. Die Hoffnungen, daß die Pariser Konferenz auf dem Gebiet der allgemeinen kontrollierten Abrüstung erste Anfänge, die zu entscheidenden Fortschritten führen würden, machen und damit eine Minderung der internationalen Spannung herbeiführen werde, haben sich nicht erfüllt. Im Gegenteil, wir müssen feststellen, daß die Spannung in der Welt sich in einer beunruhigenden Weise verschärft hat. Das erklärt auch die tiefe Enttäuschung ein allen Teilen der Welt über das Scheitern der Pariser Konferenz. Das berechtigt aber auch zu der klaren Feststellung. daß die Verantwortung für diese bedrohliche Entwicklung ausschließlich bei der Regierung der Sowjetunion liegt.
Die Regierungschefs der verbündeten Regierungen haben durch ihr Verhalten bewiesen, daß sie mit der ernsten Absicht nach Paris gekommen waren, die offenen politischen Fragen zu erörtern. Ungeachtet aller Angriffe und aller Beleidigungen haben sie eine Haltung gezeigt, ,die unsere Anerkennung und unsere Bewunderung verdient.
({2})
Die Ruhe und die Würde, mit der Präsident Eisenhower am 16. Mai dem sowjetrussischen Ministerpräsidenten auf seine hemmungslosen Angriffe geantwortet hat, muß von allen denen dankbar anerkannt werden, die wie die Bundesregierung die Hoffnung und den Wunsch hatten, daß die Verhandlungen wenigstens zu Teilergebnissen führen und damit zu der erhofften Entspannung beitragen würden. Das provozierende Verhalten des sowjetrussischen Regierungschefs machte auch die Bemühungen des Vorsitzenden der Konferenz, des französischen Staatschefs Präsident de Gaulle, der mit der ihm eigenen Würde sich Mühe gab, die Konferenzteilnehmer an den Verhandlungstisch zu bringen, zunichte. Auch die intensiven Bemühungen des englischen Premierministers Macmillanhatten keinen Erfolg. Alle diese ernsthaften Bemühungen scheiterten an dem Verhalten der sowjetrussischen Delegation. Es muß ausgesprochen werden, daß die Sowjetunion in diesen Tagen ein erschreckendes Maß an Verantwortungslosigkeit gezeigt hat. Der Verlauf der Pariser Besprechungen läßt keinen Zweifel offen, 'daß nur die Sowjetunion die Schuld am Scheitern trägt.
Nun hat der sowjetrussische Ministerpräsident in seinen letzten Erklärungen nach dem Scheitern der Konferenz seine Bereitschaft ausgedrückt, zu einem späteren Zeitpunkt die Verhandlungen wiederaufzunehmen. Die Bundesregierung nimmt diese Erklärung zur Kenntnis; aber sie kann nicht verschweigen, daß der Ablauf der Pariser Konferenz einen ernsten Zweifel an ,der Glaubwürdigkeit dieser Äußerung rechtfertigt.
({3})
Die Zukunft wird erweisen müssen, ob die Sowjetunion wirklich bereit sein wird, ihr Wort einzulösen.
Dieser Zweifel wird die Bundesregierung nicht daran hindern, gemeinsam mit ihren Verbündeten auf dem versuchten Wege fortzufahren und an allen Bemühungen teilzunehmen, die auf das Zustandekommen eines internationalen Gesprächs gerichtet sind. Die Bundesregierung weiß sich darin mit ihren Verbündeten einig.
Sie begrüßt es, daß der Ständige NATO-Rat nach dem Scheitern der Pariser Konferenz zusammengetreten ist und in seiner Sitzung erneut die uneingeschränkte Solidarität der Mitgliedstaaten der Allianz bekräftigt hat. In voller Übereinstimmung mit dem Kommuniqué des NATO-Rats erklärt auch die Bundesregierung, daß alle offenen Fragen nicht durch die Anwendung oder Androhung von Gewalt, sondern durch friedliche Mittel auf dem Verhandlungswege geregelt werden sollen, und sie erklärt auch ihrerseits, daß sie bereit ist, in Zukunft derartige Verhandlungen zu fördern.
Das Scheitern der Pariser Konferenz hat der ganzen Welt, vor allem aber auch dem ganzen deutschen Volk erneut die Gefahren vor Augen geführt, die die weltpolitische Spannung mit sich bringt. Auf der anderen Seite aber ist doch sichtbar geworden, daß der immer wieder vertretene Standpunkt der Bundesregierung richtig war: daß nämlich die widernatürliche Teilung Deutschlands und die Bedrohung der Freiheit Berlins nicht Ursache, sondern Ausdruck und Folge dieser Spannung sind. Diese Spannung zu überwinden, wird nach der festen Überzeugung der Bundesregierung nur möglich sein, wenn die Abrüstungsverhandlungen einen erfolgreichen Fortgang nehmen und damit die Voraussetzungen geschaffen werden, dem ganzen deutschen Volk das Recht zurückzugeben, über sich selbst frei zu bestimmen.
({4})
Niemand in der Welt sollte daran zweifeln, daß das deutsche Volk dann bereit sein wird, sich an einer beständigen Friedensordnung zu beteiligen, die jedem Volk das gleiche Maß an Sicherheit und Unabhängigkeit verbürgt, das andere Völker für sich beanspruchen.
Die Bundesregierung möchte aber nicht verschweigen, daß der Weg zu einer solchen auf gegenseitiger Achtung beruhenden Ordnung durch einseitige Handlungen endgültig blockiert werden müßte. Das gilt insbesondere für den Status der Stadt Berlin. Jeder Angriff auf die Freiheit dieser Stadt wäre ein Angriff auf die Freiheit aller derer, die den Schutz Berlins übernommen haben;
({5})
er würde eine Verneinung des Rechts der Berliner auf Selbstbestimmung sein. Darum hält sich die Bundesregierung auch für verpflichtet, mahnend und warnend darauf hinzuweisen, daß jeder, der von zukünftigen Verhandlungen spricht, die der Entspannung und dem Weltfrieden dienen sollen, sich klar sein muß, daß die Bedrohung der Freiheit Berlins mit solchen Verhandlungen unvereinbar ist.
({6})
Nach § 36 der Geschäftsordnung gebe ich dem Herrn Abgeordneten Ollenhauer das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Namen der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion möchte ich folgende Erklärung abgeben:
Die sozialdemokratische Fraktion im Bundestag bedauert, daß die Pariser Gipfelkonferenz durch die Schuld des sowjetischen Ministerpräsidenten gescheitert ist. Damit sind die Hoffnungen erschüttert worden, die an die Beratungen der vier Großmächte über erste Schritte zur Abrüstung und zur politischen Entspannung geknüpft worden waren. Diese Entwicklung bedeutet zweifellos eine Verschlechterung der internationalen Lage. Trotz des Scheiterns der Pariser Konferenz läßt sich aber aus den ersten Stellungnahmen von Ost und West erkennen, daß man auf beiden Seiten bemüht ist, die Lage nicht unheilbar weiter zu verschärfen. Das ist hoffentlich das Ergebnis der Erkenntnis, daß es keine gewaltsame Lösung der strittigen politischen Fragen geben kann und geben darf.
({0})
Die Alternative zur gescheiterten Gipfelkonferenz ist nicht der Krieg. Sie kann nur das neue Bemühen um friedliche Lösungen auf dem Verhandlungswege sein. Die Großmächte, auf deren Schultern die Hauptverantwortung liegt, werden dabei auch beachten müssen, daß nicht sie allein das Schicksal der Welt bestimmen. Das Verlangen der Völker in Asien und Afrika nach einer friedlichen Entwicklung in der Welt wiegt immer schwerer.
Angesichts der besonderen Lage des deutschen Volkes im 15. Jahre der Spaltung unseres Landes muß es die vornehmste Aufgabe der Bundesregierung sein, mit allen ihren Kräften zur Entspannung beizutragen.
({1})
Es ist uns daher unverständlich, wenn der Herr Bundeskanzler das Scheitern der Pariser Konferenz vor allem als eine Bestätigung für die Richtigkeit seiner Politik ausgibt und es zum Gegenstand innenpolitischer Auseinandersetzungen zu machen sucht.
({2})
Meine Damen und Herren, wir werden ihm auf diesem Wege nicht folgen.
({3})
Jetzt geht es um mehr; jetzt gilt es, mit der neuen Situation fertig zu werden. Das Ziel sollte sein, eine Politik zu entwickeln, die die Zustimmung aller tragenden politischen Kräfte in der Bundesrepublik finden kann.
({4})
Das ist um so notwendiger, meine Damen und Herren, als die vom sowjetischen Ministerpräsidenten in Berlin erneut vorgebrachten Forderungen in bezug auf Deutschland und Berlin, die mit dem Selbstbestimmungsrecht des deutschen Volkes unvereinbar und daher unannehmbar sind, offensichtlich die deutsche Frage wieder in den Brennpunkt der internationalen Auseinandersetzungen zu rücken suchen.
Zweifellos hat der Fehlschlag von Paris eine Lösung der offenen politischen und militärischen Fragen schwieriger werden lassen. Aber gerade deshalb ist es nach unserer Auffassung die Pflicht aller Verantwortlichen, in Ruhe und Sachlichkeit eine Bestandsaufnahme vorzunehmen und nach neuen Ansatzpunkten für eine friedliche Lösung der politischen Probleme zu suchen. Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands ist zu solchen Gesprächen bereit. Aber die Beantwortung dieser Bereitschaft mit der Aufforderung, sich der bisherigen Außenpolitik der Bundesregierung anzuschließen, ist durch die Resultate dieser Politik in keiner Weise gerechtfertigt.
({5})
Sie läßt leider den Willen zu einer ernsten Selbstprüfung und zu einer gemeinsamen Erarbeitung der Schlußfolgerungen aus der jetzt gegebenen Situation vermissen.
Die Sozialdemokratische Partei wird nicht müde werden, zu fordern, durch neue und verstärkte Bemühungen in der Frage der kontrollierten Abrüstung und einer friedlichen Lösung der politischen Probleme die entstandenen neuen Spannungen zu überwinden.
Die Bundesregierung wird der Notwendigkeit einer Überprüfung ihrer Außenpolitik nicht entgehen. Die gesamte westliche Welt steht jetzt vor der Aufgabe, einen einheitlichen Standpunkt für ihre weitere Politik zu erarbeiten.
({6})
Dazu haben auch wir in der Bundesrepublik unseren Beitrag zu leisten. Wir haben diese Verpflichtung nicht nur den 50 Millionen Menschen im Westen Deutschlands gegenüber. Wir haben vor allem auch den Menschen in der sowjetisch besetzten Zone und in Berlin die Gewißheit zu geben, daß wir alles in unseren Kräften Stehende zu tun bereit sind, um zur Überwindung der Krise der internationalen Beziehungen beizutragen.
({7})
Die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei beschränkt sich in diesem Augenblick auf die Abgabe dieser Erklärung. Wir erwarten jedoch, daß das Parlament noch vor der Sommerpause in einer ausführlichen Debatte die außenpolitische Situation erörtert.
({8})
Nach Art. 43 Abs. 2 des Grundgesetzes in Übereinstimmung mit §
47 der Geschäftsordnung gebe ich das Wort dem Herrn Bundeskanzler.
Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Mir scheint die gegenwärtige Stunde nicht dazu angetan zu sein, hier parteipolitische Auseinandersetzungen vorzunehmen.
({0})
Ich beschränke mich deshalb darauf, aus der Regierungserklärung, die ich vorhin vorgelesen habe, einen Satz zu wiederholen. Ich habe gesagt:
Auf der anderen Seite aber ist doch sichtbar geworden, daß der immer wieder vertretene Standpunkt der Bundesregierung richtig war, daß nämlich die widernatürliche Teilung Deutschlands und die Bedrohung ,der Freiheit Berlins nicht Ursache, sondern Ausdruck und Folge dieser Spannung sind.
({1})
Das Wort zu einer Erklärung nach § 36 der Geschäftsordnung hat der Herr Abgeordnete Majonica.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der CDU/CSU-Fraktion habe ich folgende Erklärung abzugeben:
Die CDU/CSU-Fraktion bedauert es, daß es nicht möglich war, die Erklärung des Herrn Bundeskanzlers zum Scheitern der Gipfelkonferenz ohne Stellungnahme der Fraktionen entgegenzunehmen. Auf dieser Grundlage war zunächst zwischen den Fraktionen verhandelt worden. Die CDU/CSU-Fraktion hätte es begrüßt, wenn zu einem späteren Zeitpunkt in einer außenpolitischen Debatte die von der Sowjetunion geschaffene Lage umfassend behandelt worden wäre. Sie hält diese Debatte für notwendig.
Die CDU/CSU-Fraktion teilt die politische Enttäuschung aller friedliebenden Menschen in der ganzen Welt über die Vereitelung eines Gesprächs zwischen den vier Großmächten. Wenn auch die unveränderte Haltung der Sowjetunion die Lösung politischer Probleme nicht erwarten ließ, so hatte die Welt doch die Hoffnung, daß mit ersten Schritten auf die allgemeine kontrollierte Abrüstung zu ein Beitrag zur wirklichen Entspannung geleistet würde.
Auch der Herr sowjetische Ministerpräsident nat in zahlreichen Reden die Abrüstung als vordringlichstes Problem bezeichnet. Sein Auftreten in Paris verhinderte, daß die von ihm als dringlich bezeichnete Frage besprochen werden konnte. Er und er allein sabotierte seine eigene, mit viel Propagandaaufwand proklamierte Politik. Er dementierte damit gleichzeitig seine These, daß allein die Bundesrepublik einer wirklichen Entspannung im Wege stehe. Nicht die Deutschlandfrage, sondern Moskau verhinderte die Einigung auch nur in Teilfragen.
({0})
Die illusionslose Einstellung zur sowjetischen Politik, vor allem in der Deutschlandfrage, wie sie die CDU/CSU-Fraktion eingenommen hat, hat in der Vergangenheit in der Bundesrepublik nicht bei allen Parteien Zustimmung gefunden. Wenn es noch eines Beweises bedurfte, daß die Einstellung der CDU/CSU richtig war, so hat diesen Beweis das Auftreten Chruschtschows in Paris geliefert.
({1})
Aus der richtigen Einschätzung der Politik Moskaus hat die Bundesregierung mit Zustimmung der Fraktion ihre Bündnispolitik betrieben. Heute liegt es klar zutage, daß die Freiheit Berlins, der Bundesrepublik, der Frieden in der Welt und die realen Voraussetzungen zur Wiedervereinigung auf dieser Bündnispolitik beruhen.
({2})
Nur in enger Gemeinschaft mit dem Westen, in folgerichtiger Erfüllung der eingegangenen Verträge kann diese Freiheit auch in Zukunft gesichert werden.
({3})
Die CDU/CSU-Fraktion dankt den drei westlichen Mächten und den im Nordatlantikpakt mit ihr verbündeten Staaten für die klare und feste Haltung, die sie bei der Vorbereitung der Gipfelkonferenz zur Berlin- und Deutschlandfrage eingenommen haben,
({4})
eine Haltung, die auf dem Recht der Selbstbestimmung auch des deutschen Volkes beruht.
Die CDU/CSU-Fraktion würde es begrüßen, wenn auf Grund der in Paris noch deutlicher gewordenen sowjetischen Politik eine Verständigung der in diesem Hause vertretenen Parteien zu Grundfragen unserer nationalen Existenz zu erreichen wäre. Sie läßt aber keinen Zweifel daran, daß das nur auf
dem Boden ihrer nun wieder bestätigten Politik möglich ist.
({5})
Eine andere Haltung würde zu Unklarheiten unseren westlichen Verbündeten gegenüber führen, Unklarheiten, die sich gerade im jetzigen Zeitpunkt als verhängnisvoll erweisen könnten.
({6})
Die CDU/CSU-Fraktion dankt dem Herrn Bundeskanzler für seine erfolgreiche Arbeit für die Freiheit Berlins und der Bundesrepublik.
({7})
Sie ist mit der Bundesregierung einer Meinung, daß die bisherige Politik ohne Schwanken geradlinig fortgesetzt werden muß. Sie ist der festen Überzeugung, damit einen Beitrag für den Frieden in der ganzen Welt zu leisten.
In dieser Stunde fühlen wir uns mit der tapferen Bevölkerung Berlins aufs engste verbunden.
({8})
Ihr gebührt unsere Anerkennung und unser Dank, daß sie sich allen Drohungen standhaft und entschlossen widersetzt hat.
({9})
Unsere Gedanken gehen aber auch zu den 17 Millionen Deutschen hinter dem Eisernen Vorhang, die
immer noch unter der Knechtschaft Ulbrichts leben müssen. Sie dürfen sicher sein, daß wir auch weiterhin unser gesamtes politisches Handeln auf die Erreichung des einen großen Zieles richten: die Wiedervereinigung in Frieden und Freiheit.
({10})
Wir sind gewiß, daß unsere Politik dieses große Ziel erreichen wird.
({11})
Das Wort zur Abgabe einer Erklärung nach § 36 der Geschäftsordnung hat der Herr Abgeordnete Dr. Mende.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe die Ehre, im Namen der Bundestagsfraktion der Freien Demokratischen Partei die folgende Erklärung abzugeben.
Der Deutsche Bundestag hat am 1. Oktober 1958 in seiner Berliner Entschließung einstimmig bekundet, daß er die Wiederherstellung der staatlichen Einheit Deutschlands von einem unmittelbaren freien Willensentscheid des gesamten deutschen Volkes in seinen heute noch getrennten Teilen erwartet, der nach der Beseitigung der nicht in deutscher Zuständigkeit liegenden Hindernisse herbeizuführen ist. An die Genfer Außenministerkonferenz 1959 knüpfte das deutsche Volk die Hoffnung, daß es gelingen werde, eine Vereinbarung der vier Mächte über die nicht in deutscher Zuständigkeit liegenden Fragen, insbesondere auf dem Gebiet einer kontrollierten Teilabrüstung beiderseits des Eisernen Vorhangs und-über Sicherheitsfragen, zu erreichen, die die Voraussetzung zur Schaffung gesamtdeutscher Institutionen im Rahmen freier Wahlen bilden könnte. Diese Erwartung hat sich in Genf nicht erfüllt.
Von der Begegnung der Staatsmänner in Paris erhoffte man die Wiederaufnahme der in Genf gescheiterten Verhandlungen um die Berlin- und Deutschlandfrage. Wenn auch nicht mit einem raschen Übereinkommen gerechnet werden konnte, so erwarteten die Freien Demokraten doch folgende Mindestergebnisse:
1. Eine erneute Bestätigung der Verpflichtung der Siegermächte aus dem Potsdamer Abkommen, die staatliche Einheit Deutschlands wiederherzustellen;
2. Vereinbarungen über eine kontrollierte Abrüstung oder zumindest eine kontrollierte Teilabrüstung beiderseits des Eisernen Vorhangs in Mitteleuropa als Voraussetzung für politische Lösungen zur Befriedung im mitteleuropäischen Bereich;
3. die Wiederaufnahme der Verhandlungen der Genfer Außenministerkonferenz über die Deutschlandfrage und
4. die Einrichtung einer ständigen Deutschlandkonferenz im Rahmen von stellvertretenden Außenministern oder Botschaftern mit dem Ziel, Vereinbarungen über das Wiederzusammenwachsen der beiden Teile Deutschlands und die Modalitäten einer Wiedervereinigung zu treffen.
Auch diese Hoffnungen haben sich zerschlagen. Damit ist auch die 25. Konferenz seit dem Ende des zweiten Weltkrieges, auf der die Deutschlandfrage zur Diskussion stand, ohne Ergebnis geblieben. Die Verantwortung für das Scheitern der Gipfelkonferenz trifft den sowjetischen Ministerpräsidenten Chruschtschow, dessen Haltung die ganze freie Welt bestürzt hat.
Angesichts dieser Lage fordern die Freien Demokraten die Parteien des Deutschen Bundestages erneut auf, parteipolitische Gegensätze im Bereich der Außenpolitik zurückzustellen, um in der Berlin-und Deutschlandfrage und damit in den Wesenselementen der gegenwärtigen deutschen Politik ein Mindestmaß an Gemeinsamkeit zu erreichen in dem Ziele, den Frieden zu bewahren und die deutsche Einheit in freier Selbstbestimmung zu vollenden. Es kommt heute nicht darauf an, sich in Rechthaberei zu ergehen, sondern darauf, aus den andersgearteten Ausgangspositionen nach der gescheiterten Gipfelkonferenz Konsequenzen für das weitere Verhalten aller Parteien zu ziehen.
({0})
Die Freie Demokratische Partei ist bereit, zu dieser Gemeinsamkeit beizutragen. Grundlage des neuen Beginns muß die seinerzeit von der Freien Demokratischen Partei angeregte Berliner Entschließung des Deutschen Bundestages vom 1. Oktober 1958 bleiben.
({1})
Das Wort zu einer Erklärung nach § 36 der Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Schneider ({0}).
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Namens der Fraktion der Deutschen Partei habe ich tolgende Erklärung abzugeben.
Mit allen verantwortungsbewußten Menschen in der Bundesrepublik und in der Welt bedauern wir den jähen Abbruch der von allen friedfertigen Völkern mit Spannung erwarteten Gipfelkonferenz. Der sowjetische Ministerpräsident Chruschtschow hat es in Ost-Berlin völlig klargemacht, was er mit seiner Pariser Entgleisung bezweckte. Außenpolitisch will er die Einschüchterung und Aufspaltung des Westens. Es geht ihm weiterhin darum, die NATO zu zerstören und die amerikanischen Stützpunkte zu beseitigen. Sein Ziel ist es, Deutschland in seiner westlichen Hälfte zu entmilitarisieren und zu neutralisieren. Er möchte auch innenpolitisch in Deutschland das Feuer anfachen, um in das deutsche Volk Unruhe hineintragen zu können. Der von ihm propagierte Friedensvertrag ist die Aufforderung an das deutsche Volk, sich in die schlimmste Sklaverei zu begeben, die es jemals in der Geschichte der Völker gegeben hat.
Wir dürfen uns nicht von Chruschtschow und von Moskau das Gesetz des Handelns vorschreiben lassen. Alle Pläne, die darauf hinausgehen, die Bundesrepublik zu neutralisieren, müssen mit Entschiedenheit abgelehnt werden.
({0})
Eine vom Westen und vom Osten ausgesprochene Garantie der deutschen Neutralität würde fremde Einmischung in unsere deutschen Angelegenheiten geradezu herausfordern. Die Freiheit Deutschlands, meine sehr geehrten Damen und Herren - und ich meine hier das gesamte Deutschland - , kann nur im Bündnis mit den Westmächten verteidigt werden. Voraussetzung dafür ist aber nach wie vor die Mitgliedschaft der Bundesrepublik in der NATO. Bei allen Auseinandersetzungen über Deutschland müssen wir von der Tatsache ausgehen, daß das deutsche Volk nach wie vor eine nationale Einheit darstellt und daß lediglich seine staatliche Organisation durch fremde Gewalt zerrissen ist. Daher ist die Zwei-Staaten-Theorie Moskaus für uns nicht tragbar. Die Wiederherstellung der Einheit des deutschen Staates ist allein dadurch möglich, daß dem ganzen deutschen Volk das Recht zurückgegeben wird, über seine staatliche, gesellschaftliche und wirtschaftliche Ordnung in voller Freiheit selbst zu bestimmen.
({1})
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe vor wenigen Tagen bereits erklärt und muß es heute vor diesem Hohen Hause mit Entschiedenheit wiederholen, daß diejenigen, die in der vergangenen Zeit dem Lächeln der Sowjets getraut haben, von Chruschtschow selbst in ihren Illusionen brutal geweckt worden sein sollten. Das Ergebnis von Paris
ist nur eine erneute Bestätigung der von der Deutsehen Partei stets vertretenen Auffassung,
({2})
daß der Kalte Krieg in Wirklichkeit bis heute unvermindert angedauert hat und daß nur seine Formen einem gelegentlichen Wandel unterworfen waren.
Diese Bestätigung ist aber kein Grund, zu triumphieren, auch nicht gegenüber dem innenpolitischen Gegner. Wir wiederholen daher unseren Appell, nachdem so viele Illusionen zerstört worden sind, nunmehr die Basis für ein engeres Zusammenrücken der Parteien der Bundesrepublik in bezug auf die Außenpolitik mit größerer Aussicht auf Erfolg als bisher zu schaffen. Denn es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß die gegenwärtige Lage von uns allen höchstes nationales Verantwortungsbewußtsein verlangt, schon allein in Verantwortung gegenüber den 17 Millionen Deutschen jenseits der Elbe.
Voraussetzung aber für eine gemeinsame Außenpolitik aller Parteien muß das eindeutige Bekenntnis zum Westen und zur NATO sein. Es muß den Sowjets klargemadit werden, daß das ganze deutsche Volk für seine nationale Einheit unabdingbar einstehen wird.
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Zu keiner Zeit wie gerade im gegenwärtigen Augenblick ist wohl der Ausspruch so berechtigt: es geht um Deutschland!
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Weitere Erklärungen werden nicht abgegeben.
Wir kehren zurück zur
Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Abbau der Wohnungszwangswirtschaft und über ein soziales Mietrecht.
Ich rufe auf Art. I § 1, dazu den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 653. Wird dazu das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Hauffe zur Begründung des Antrags unter Ziffer 2!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zur Begründung unseres Antrags Umdruck 653 Ziffer 2 habe ich folgendes zu sagen. Bereits das Erste Bundesmietengesetz gab die Möglichkeit zur Mieterhöhung. Diese konnte bis zur Höhe von 33 1/3 % als preisrechtlich zulässig erklärt werden. Wir sind uns darüber im klaren, daß es trotzdem noch stärkere Mieterhöhungen gegeben hat, ohne daß dagegen Einspruch eingelegt wurde. Es gibt eben oft die Situation: wo kein Kläger ist, ist kein Richter.
Unser Bestreben ist, für diejenigen, die das Gefühl für Recht und Unrecht noch nicht verloren haben, eine gerechte Obergrenze zu finden. Deshalb sind wir der Meinung, daß der § 1 Abs. 3 des Zweiten Bundesmietengesetzes eine neue Formulierung
braucht. Diese haben wir auf Umdruck 653 beantragt.
Der Sinn dieser Änderung ist, die Obergrenze für die Mieterhöhungen dort festzusetzen, wo sie erforderlich ist, nämlich bei der Deckung der Kosten. Die sogenannte Kostenmiete - dieser Ausdruck hat sich im Sprachgebrauch eingebürgert -, d. h. die Kostendeckung bei der Bewirtschaftung des Wohnraums ist für uns die Grenze, bis zu der wir bereit sind, Mieterhöhungen zuzugestehen.
Herr Abgeordneter Hesberg!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Hauffe hat empfohlen, Obergrenzen nach der Kostenmiete zu setzen. Diese Frage ist im Ausschuß wiederholt erörtert worden. Dabei ist klar zum Ausdruck gekommen, daß es nicht Aufgabe dieses Gesetzes ist, eine Kostenmiete einzuführen. Vielmehr werden Marktmieten angestrebt, und für die Marktmiete bildet etwa der Wohnwert eine Bestimmungsgrundlage. Diese Wohnwertmiete finden Sie in den Tabellensätzen, die die Vorlage enthält. Damit sollen, abgestuft nach den Mieten des sozialen Wohnungsbaues, praktisch auch die Mieten im Altwohnraumbestand angepaßt werden. Daher der Wohnwertgedanke, die Abstufung nach Größenklassen und nach der Ausstattung der Wohnungen.
Die Kostenmiete ist hier als etwas sehr Einfaches herausgestellt worden. Beim Neuhausbesitz handelt es sich zweifellos um eine leicht lösbare Aufgabe. Hingegen haben wir bezüglich des Althausbesitzes bereits beim Ersten Bundesmietengesetz festgestellt, daß es eine Lösung nicht gibt. Denn hier ergeben sich die schwierigen Fragen des Ansatzes der Kapitalkosten und der Abschreibung. Mangels entsprechender Unterlagen ist es bei den Altbauten schwierig, festzustellen, wie hoch die derzeitigen Kosten anzusetzen sind und wie hoch auch die Abschreibung, die Restlebensdauer, in die Kostenberechnung einzusetzen ist.
Wer seit Jahrzehnten in der Wohnungswirtschaft tätig ist, wird mir nur zugeben können, daß gerade eine Kostenmiete in der Regel beim Althausbesitz dazu führen dürfte, daß auf diesem Wege noch höhere Mieten gefordert werden könnten, als sie durch die Tabellensätze von uns empfohlen werden. Wir sind aber der Meinung, daß gerade eine Festsetzung von Grenzen nach der Kostenmiete dazu führt, daß es in außerordentlichem Umfange Streit über ,die Kostenansätze, namentlich den Ansatz der Kapitalkosten, geben wird. Das neue Gesetz sollte nicht etwa zu neuen Differenzen führen, sondern zu einfachen Methoden. Das könnte bei einer Kostenmiete auch wieder nur zu pauschalen Ansätzen führen. Da wir eine individuelle Kostenmiete nicht durchführen könnten, sollten wir es bei der Methode belassen, die hier angewendet worden ist. Daher bitte ich, den Antrag abzulehnen.
Wird dazu weiter das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Ich lasse jetzt abstimmen über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 653. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
§ 1 in der Vorlage des Ausschusses. Wird dazu das Wort gewünscht? - Wer zustimmen will, gebe bitte ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einer Anzahl von Enthaltungen angenommen.
§ 2. Hier liegt der Änderungsantrag der Fraktion der Deutschen Partei auf Umdruck 662 vor. Wird zu Ziffer 1 das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Preusker!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der Deutschen Partei beantragt unter Ziffer 1 die Wiederherstellung der Regierungsvorlage, hilfsweise, für den Fall der Ablehnung, im zweiten Satz die Wiederherstellung der Fassung nach der Ausschußberatung in zweiter Lesung. Seit der Gesetzentwurf durch die Bundesregierung eingebracht wurde, ist mehr als ein Jahr vergangen. Die Bundesregierung hat mit Stolz darauf hinweisen können, daß in diesem wie im vergangenen Jahr Rekordleistungen im Wohnungsneubau erreicht worden sind. Deshalb glaubt die Fraktion der Deutschen Partei, daß es nicht erforderlich ist, im Tempo und im Ausmaß des Abbaues der Wohnungszwangswirtschaft hinter das zurückzugehen, was die Bundesregierung schon damals glaubte verantworten zu können. Wir bitten deshalb um die Wiederherstellung der Regierungsvorlage oder mindestens der Fassung nach der Ausschußberatung in zweiter Lesung.
Wird zu dem Änderungsantrag auf Umdruck 653 Ziffer 3 der SPD das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Dr. Brecht!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Anträge zu den §§ 2, 4 und 5 stehen in einem engen Zusammenhang. Wenn Sie damit einverstanden sind, werde ich - mit gütiger Erlaubnis des Herrn Präsidenten - die Änderungsanträge meiner Fraktion auf Umdruck 653 in den Ziffern 3 a und b, Ziffern 4 und 5 a und b zusammen begründen.
Es geht dabei darum, daß die erste Mieterhöhung um 15 % - die ja global und schematisch vorgenommen wird - durch eine zweite, vielfach aber zeitlich gleichzeitig stattfindende Mieterhöhung um weitere 20 % aufgestockt werden soll, wodurch man auf eine Gesamtsteigerung bis zu 38 % der letzten Grundmiete kommt. Die Argumentation, die vorhin Herr Dr. Hesberg zu unserem Antrag unter Ziffer 2 - nämlich zu § 1 - gegeben hat, ging völlig fehl, weil in § 1 überhaupt nicht von der zweiten Erhöhung mit Annäherung an die Obergrenze gesprochen wird, sondern nur von der globalen Erhöhung um 15 %.
({0})
Man konnte also vorhin überhaupt nicht argumentieren, daß unser Vorschlag zu § 1 irgendwie mit dem Problem von Wohnwertmieten etwas zu tun hätte; der § 1 sagt gar nichts über Wohnwertmieten, sondern sieht schematische Mieterhöhungen vor.
Wir gehen bei allen unseren Anträgen zu dem gesamten Mietenkomplex - wir werden das im Laufe dieser Debatte wiederholen und, wenn notwendig, immer wieder sagen - von folgendem elementaren Grundsatz aus: Wir haben Verständnis dafür, daß Notwendigkeiten bestehen, Mieten anzupassen und das verzerrte Mietgefüge zu entzerren. Das bedeutet andererseits, daß wir alle Mieterhöhungen entschieden ablehnen, die über die notwendige und nachweisbare Kostendeckung hinausgehen.
({1})
Wir sind und waren also durchaus bereit - und haben im Ausschuß zahlreiche diesbezügliche Anträge gestellt, die immer wieder darauf hinausliefen -, Mietanpassungen bis zur nachweisbaren Kostendeckung zu akzeptieren. Angesichts der Situation, daß wir noch eine Wohnungsunterversorgung haben, daß die Lebenshaltungskosten unserer Bevölkerung nicht so sind, daß steigende Mieten getragen werden können, und weil über Kostenmieten hinausgehende Mieten zu steigenden Bodenpreisen und Grundrenten führen, haben wir alle Mieterhöhungen abgelehnt, die über eine nachweisbare Kostendeckung hinausgehen. Wir sind der Meinung, die Ermittlung der Kostenmiete ist, wenn man ernsthaft will und nicht nur Ausreden sucht, tatsächlich leicht zu praktizieren. Es gibt Probleme darin; aber sie sind lösbar. Es gibt viele Probleme anderer Art, die auch lösbar sind.
Von diesem Grundsatz ausgehend beantragen wir zu den §§ 2, 4 und 5, also zu den zusätzlichen Mietsteigerungen, nicht zu der von 15 %, verschiedene Änderungen. Wir hoffen, daß Sie diesen unseren Anträgen zu den §§ 2, 4 und 5 im wesentlichen zustimmen, weil Sie uns dann der Verpflichtung entheben, in der dritten Lesung die völlige Streichung der §§ 2, 4 und 5 zu beantragen. Wir geben hier noch einmal die Chance. Wir möchten die zweite Mieterhöhung übereinstimmend mit den Vorschlägen des Bundesrates, übereinstimmend mit zahlreichen Vorschlägen aus Fachkreisen auf höchstens 10 %, nicht 20 %, begrenzen. Ferner: Wir möchten dabei von der monatlichen Durchschnittsmiete ausgehen. Wir möchten ferner wieder eine Wirtschaftlichkeitsrechnung haben, mit der die Berechtigung der zweiten Erhöhung durch den Nachweis der Kosten erwiesen werden muß, so daß also alle weiteren Mieterhöhungen über die 15% ige hinaus, die durch Kosten nicht begründet und deswegen nicht berechtigt sind, entfallen würden.
Außerdem möchten wir, daß die möglicherweise in Frage kommende weitere, zweite Mieterhöhung - nämlich bis 27 % d. h. 15 % plus 10 % usw. - nicht für eine so große Zahl von Wohnungen vorgenommen wird, wie die Regierungsvorlage dies vorsah, und wie es auch die Ausschußfassung vorsieht oder wie es jetzt dem Antrag der DP entspricht, sondern nur für einen kleineren Bereich.
Wenn man das will, muß man bekanntlich die Mieten in der Tabelle anheben, damit die Zahl der Wohnungen, die unter diese mögliche zweite Mieterhöhung fallen, vermindert wird.
Ich weiß nicht, ob allen Anwesenden bekannt ist, wie sich diese zweite Mieterhöhung auswirkt. Es sind globale Berechnungen angestellt worden, bei denen sich ergab, daß nach den früheren Vorschlägen 45 % aller bis zum 20. Juni 1948 gebauten Mietwohnungen in einem Zug unter die Erhöhung bis 38 % fallen würden. Das ist durch die letzten Ausschußberatungen etwas gemildert worden. Wir wissen aber, daß es Städte gibt - beispielsweise Stuttgart, beispielsweise Hamburg -, bei denen das Mietenniveau höher ist und bei denen sich ergibt, daß ein höherer als dieser durchschnittliche Prozentsatz aller Wohnungen, der ja für Stadt und Land gemeinsam errechnet ist, unter diese einmalige plötzliche zusätzliche Mieterhöhung von bis zu 38 % fallen würde. Weil das unseres Erachtens auch wegen der Auswirkung auf die Lohn- und Preisgestaltung und im Hinblick auf Lohnkämpfe unerwünscht ist und weil es auch kostenmäßig nicht begründet ist, sind wir der Meinung, daß der Kreis der Wohnungen, .deren Mieten zunächst sofort doppelt gesteigert werden sollen, unbedingt eingeengt werden muß. Darum haben wir in Ziffer 3 unseres Umdrucks 653 beantragt, in der Tabelle höhere Sätze vorzusehen, so daß also weniger Wohnungen sofort unter die zusätzliche Steigerung bis 38 % fallen werden.
Unser weiterer Antrag geht dahin, daß bei den Obergrenzen - neben der Begrenzung bis höchstens 10 % - nun Merkmale echter Wohnungskultur berücksichtigt werden.
Herr Dr. Hesberg hat vorhin so schön mit den Worten „Wohnwertmieten, Kostenmieten, Marktmieten" gespielt. Er hat gesagt,
({2})
- es war sehr interessant, es widersprach früheren Erklärungen des Bundeswohnungsbauministers -: Wir wollen keine Kostenmiete, sondern wir wollen bereits Marktmieten, aber diese Marktmieten begrenzen wir als Wohnwertmieten. Dazu ist die Begrenzung der Tabelle vorgesehen. Damit ist das bestätigt worden - dafür können wir Ihnen danken -, was die SPD-Fraktion im zweiten Bundestag beim Ersten Bundesmietengesetz vorgebracht hat, daß nämlich Wohnwertmieten die richtige Lösung sind. Sie sind jedoch in der Anwendung dieser Wohnwertmiete nicht konsequent. Wir haben hier die Tabelle, bis zu der solche Anhebungen - als sogenannte Obergrenze oder Plafond - in Frage kommen können. Wenn Sie diese Tabelle auf sich wirken lassen, werden Sie feststellen, daß sie wahrscheinlich ministeriell exakt ausgerechnet ist und wahrscheinlich auch entsprechende Relation hat. Aber sie hat eben keine Relationen, die wirklich wohnungspolitisch oder wohnungskulturell gedacht und gesehen sind. Wir sind mit dieser Tabelle bis zu den Sätzen „mit Bad" und „ohne Bad", aber „mit Sammelheizung" usw. durchaus einverstanden. Aber an die6708
ser Stelle kommt dann der Qualitätsbruch der Wohnungen. Sie haben aber auch hier Obersätze für Wohnungen vorgesehen, die nach heutigen Auffassungen und auch Ihren künftigen Erwartungen einfach nicht mehr die Qualität haben, daß solche hohen Quadratmetersätze berechtigt sind. Wir meinen, daß für Wohnungen, die die Toilette nicht einmal im Hause haben, sondern wo man über den Hof gehen muß - etwa in Großstädten -, nicht ein Quadratmetersatz von 0,80 DM, sondern höchstens von 0,60 DM berechtigt ist. Wir denken hier an Wohnungen, wie sie etwa am Wedding in Berlin, aber auch an der Peripherie von Köln vorhanden sind. Für solche Wohnungen minderer Qualität mit Toiletten außerhalb des Hauses, auf dem Hof, sind solche Quadratmetersätze wie die Regierung das beabsichtigt, wohnkulturell einfach nicht mehr vertretbar.
Außerdem soll bei solchen Wohnungen nicht immer von „Wohnwertmieten" gesprochen werden, denn derartige hohe Mietsätze haben eben für Wohnungen von diesem „Wohnwert" keinerlei Berechtigung. Dasselbe gilt in anderen Fällen, wenn die Toilette zwar im Hause ist, aber unten auf dem Podest, also außerhalb der Wohnung. Auch dafür sind die von Ihnen vorgesehenen Sätze von 85 Pf, 90 Pf, ja sogar 1 DM je Quadrameter Wohnfläche einfach nicht mehr vertretbar. Sie wollen mit uns - Herr Dr. Preusker hat das in den Ausschußberatungen immer wieder vorgebracht - auf eine Modernisierung, auf eine Verbesserung dieser unwürdigen Wohnverhältnisse hinarbeiten. Was Sie an diesen Stellen an Mieten vorsehen, sind aber keine vertretbaren Wohnwertmieten. Wenn Sie die wirklich ernsthaft wollen, müssen Sie hier bei diesen Qualitätsunterschieden die Zäsur machen und müssen die Obergrenze für die Mietanhebungen bei diesen Wohnungen, die dem heutigen wohnkulturellen Stand nicht mehr entsprechen, heruntersetzen. Sie darf nicht so weit heraufgezogen werden, daß die Miete dem tatsächlichen Wohnwert nicht mehr entspricht. Wir bitten deshalb, gerade diesem unserem Antrag zu entsprechen und die Obergrenzen bei diesen Wohnungen mit schlechter Ausstattung herabzusetzen und und nicht einfach auf die Sätze abzustellen, die in der Ausschußvorlage enthalten sind. Hier sind ganz primitive und selbstverständliche und an sich gar nicht strittige wohnkulturelle Erwägungen überhaupt nicht berücksichtigt.
({3})
Herr Abgeordneter Dr. Hesberg!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Brecht hat hier wiederholt der Meinung Ausdruck gegeben, daß durch diese Zusammenfassung der allgemeinen Mieterhöhung und der individuellen Mieterhöhung, die die Anpassung an die Tabellensätze ermöglicht, generell auf einen Schlag eine Mieterhöhung um 38 v. H. eintritt.
({0})
- Oder bis zu 38 v. H. Nach den statistischen Informationen, die uns im Ausschuß gegeben worden sind, und auch nach den in der ersten Lesung erörterten Ziffern ist zweierlei festzuhalten. Erstens sind die Prozentsätze, die hier genannt sind, Hundertsätze der Grundmiete und nicht etwa der gesamten derzeitigen Miete, d. h. Hundertsätze der um die Umlagen verminderten derzeitigen Miete. Das ist also weniger. Im übrigen war gar kein Meinungsunterschied, daß gerade bei diesen beiden ersten Gruppen, wie sie in der Regierungsvorlage vorgesehen waren, die jetzt teilweise zusammengezogen worden sind, das Ausmaß der Mieterhöhung im Durchschnitt nicht einmal 30 v. H. erreicht,
({1})
weil nämlich das Mietniveau gerade dieser beiden Gruppen im Durchschnitt höher liegt als bei der damaligen dritten Gruppe.
Wir haben jetzt im Ausschuß noch eine weitere Einschränkung vorgesehen. Damit kommt das, was in der ersten Lesung bereits festgestellt worden ist, noch krasser zum Ausdruck, daß nämlich diese Obergrenzen im Schnitt nicht erreicht werden, sondern daß die Mieterhöhung, sowohl ,die pauschale als auch die individuelle, im Schnitt wesentlich unter diesem Satz von 38 % bleibt.
Nun haben Sie noch einmal auf die Kostenmiete hingewiesen. Ich habe mich darüber eigentlich gewundert, Herr Dr. Brecht; denn Sie haben sie auch im Ausschuß immer wieder gefordert, sind uns aber einen praktischen Vorschlag für eine Kostenmiete im Althausbesitz schuldig geblieben. Sie wissen als Wohnungswirtschaftler, daß es im Althausbesitz so gut wie unmöglich ist, zu einer vernünftigen Kostenmiete zu kommen, wenn Sie nicht ein ganz kompliziertes Verfahren anwenden wollen. Ich möchte mal den Verwaltungsapparat sehen, den wir bekämen, wenn wir das tun wollten.
Wie ich vorhin ausgeführt habe, wünschen wir nicht, daß die neuen Vorschriften vermehrten Anlaß zu Differenzen zwischen den Vermietern und Mietern geben. Wir sind daher (der Meinung, ,daß die Anpassung nach gewissen Merkmalen der Ausstattung, vor allen Dingen auch die Anpassung an das Mietniveau der einzelnen Größenklassen, eine Methode ist, die durchaus mit ,dem Gesamtziel vereinbar ist, das wir verfolgen, nämlich einer sukzessiven Anhebung der Mieten an das Niveau der Mieten des sozialen Wohnungsbaus. Insgesamt dürften von diesen beiden Tabellen etwa 40 % des Wohnungsbestandes erfaßt werden; vielleicht sind es auch nicht ganz so viel.
Sie glauben, daß eine ,derartige Mietsteigerung in diesem Bereich nicht notwendig sei. Demgegenüber darf ich auf folgendes hinweisen. Unter Zugrundelegung der Mieterhöhungen von 1952 und 1955 und der jetzt erfolgenden Mietanhebung um 15 % kommt der Mietenindex auf etwa 146 % der Vorkriegsmieten, d. h. der Mieten von 1936. Dagegen liegen die Bau- und Reparaturkosten, wenn man die von 1938 mit 100 zugrunde legt, bei 270 %.
Wir halten unter Berücksichtigung dieser Kostenentwicklung die hier vorgeschlagenen Sätze für
durchaus vertretbar. Wir sind nicht der Meinung, daß die betroffenen Kreise zu hoch belastet werden. Alle, die sich mit den wohnungspolitischen Fragen in den letzten Jahren befaßt haben, wissen, .daß auch England bei seiner Mietenreform zunächst einmal den gleichen Kreis von Wohnungen aus der Mietpreisbindung herausgenommen hat, den wir in die Tabellensätze einbeziehen. England hat dabei den Schritt gemacht, die Mieten vollkommen freizugeben, während bei uns eine Grenze gesetzt ist, die die Mieterhöhung bis zur Mietenfreigabe in einem Rahmen hält, der im Vergleich mit England und Belgien außerordentlich bescheiden ist.
Wir sind nicht dafür, den Kreis der Wohnungen, die unter die in der Vorlage erarbeiteten Tabellensätze fallen sollen, einzuschränken. Wir plädieren dafür, die Vorlage anzunehmen. Wir können auch der Auffassung nicht beitreten, daß ein so weitgehender Abstrich gemacht werden sollte, z. B. hinsichtlich der Wohnungen mit 'der Toilette außerhalb des Hauses. Damit würde der Anreiz zur Instandsetzung und Modernisierung dieser Häuser wegfallen. Meist sind das Häuser mit einer durchaus erhaltenswerten Bausubstanz. Da muß ein entsprechender Anreiz zur Modernisierung gegeben werden.
Noch ein Wort zur Kostenvergleichsmiete, die Sie bei den Mieterhöhungen angerechnet wissen wollen. Auch da bleiben wir bei unserer Auffassung: die Anrechnung dieser Mieterhöhungen auf die jetzt erfolgenden Mieterhöhungen kann nicht akzeptiert werden. Man irrt sich, wenn man unterstellt, die Kostenvergleichsmiete, die nach dem ersten Bundesmietengesetz möglich ist, sei eine Kostenmiete. Die Kapitalkosten und die Beträge für die Gebäudeabschreibung sind nämlich bei der Berechnung der Kostenvergleichsmiete völlig ausgeklammert worden; lediglich die Instandhaltungs-, Verwaltungs- und Betriebskosten sind berücksichtigt worden, wobei die Instandsetzungskosten auf der Basis des Jahres 1955 angenommen worden sind. Es ist bekannt, daß 'diese Kostenvergleichsmiete immer nur dann verlangt werden konnte, wenn sie eine Mieterhöhung von mehr als 5 v. H. zur Folge hatte. Daher hat sie nur eine sehr geringe Bedeutung gehabt.
Herr Dr. Brecht, Sie haben im Ausschuß von zum Teil erheblichen Mieterhöhungen gesprochen. Davon werden nur die Wohnungen betroffen, die in der Zeit nach dem ersten Weltkrieg erbaut worden sind. Dieser Kreis von Wohnungen kam bei der Kostenvergleichsmiete deshalb besser weg, weil er bei der ersten Mietanhebung im Jahre 1952 ausgeklammert worden war. Die Kostenentwicklung war bei ihm damals nicht berücksichtigt worden. Bei den Altbauten hat die Kostenvergleichsmiete nur in ganz wenigen Fällen eine Rolle gespielt. Es handelt sich hier um die Fälle, bei denen seinerzeit die Grundsteuerreform zu einer viel höheren Grundsteuerbelastung geführt hat. Bei der Grundsteuerreform im Jahre 1938 ist die Umlegung dieser Beträge nicht möglich gewesen.
Aus allen diesen Gründen bitte ich, die Anträge abzulehnen.
Her, Abgeordneter Dr. Preusker.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Brecht hat bereits die Anträge seiner Fraktion begründet, die bis zu § 5 vorliegen. Ich halte es zur Abkürzung des Verfahrens für zweckmäßig, die Anträge meiner Fraktion, die Sie unter den Ziffern 2 und 3 des Umdrucks 662 finden, zusammenfassend zu begründen.
Generell möchte ich sagen, daß ich mir wohl längere Ausführungen ersparen kann; denn bis auf wenige Ausnahmen sehe ich hier wieder den Kreis versammelt, in dem wir bei den Ausschußberatungen beisammen waren.
In Ziffer 2 unseres Antrags geht es um die Wiederherstellung der Regierungsvorlage für die sogenannten Normalwohnungen. Meine Fraktion glaubt, daß bei diesen Wohnungen die Wiederherstellung einer besseren Wirtschaftlichkeit viel dringender nötig ist als bei einem großen Teil von schon in günstigere Mietkategorien eingruppierten sogenannten Luxus- oder Komfortwohnungen, also teureren Wohnungen, bei denen das Verhältnis von Kosten und Aufwand ohne Zweifel nicht ganz so kritisch aussieht wie bei den anderen. Da macht das halbe Jahr - der 1. Juli 1962 - schon sehr viel aus.
Zu Ziffer 3 unseres Antrags! Der Herr Kollege Brecht hat unterstrichen, daß irgendwo eine deutlich sichtbare Grenze zwischen den Wohnungen gezogen werden müßte, die man für wohnwürdig hält, und denen, die man als „unterentwickelt" - um ein modernes Wort aufzugreifen - bezeichnen sollte. Die Regierungsvorlage hat das in der Tat auch getan, und zwar deutlich einschließlich der Wohnungen, die mit einer Toilette. in der Wohnung ausgestattet sind; und erst Wohnungen, die das nicht haben, haben in der Regierungsvorlage den erheblicheren Abfall bekommen. Diese Zäsur ist nach unserer Auffassung durch die Ausschußbeschlüsse leider untergegangen. Unser Antrag bezweckt die Wiederherstellung dieser Zäsur an der Stelle, wo sie, wie wir glauben, in der Regierungsvorlage richtig gezogen war.
Herr Abgeordneter Dr. Brecht.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es sind immerhin auf unserer Seite eine ganze Reihe Abgeordnete da, die an den Ausschußberatungen nicht teilgenommen haben, so daß es für uns doch wichtig ist, zu den Dingen noch etwas zu sagen, um so mehr, als man ja nachher - abgesehen von den vielen Briefen, die man zu diesen Fragen schon heute bekommt - draußen gefragt wird und Rede und Antwort zu stehen hat. Ich will es aber kurz machen.
Herr Dr. Hesberg, eigentlich darf ich zu der Kostenvergleichsmiete nichts mehr sagen, denn darüber haben wir bereits abgestimmt. Es ist dazu vorhin gesprochen worden, und der Herr Präsident hat über § 1 abstimmen lassen. Damit ist dieses Problem der Kostenvergleichsmiete eigentlich entschie5710
den. Sie haben sehr viel dazu gesagt. Ich möchte nur das eine sagen, was mir noch nicht überall ganz bekannt zu sein scheint. Auf Grund der Kostenvergleichsmiete konnten nämlich Wohnungen vielleicht nicht hundertprozentig an die Kostendeckung gebracht werden, aber sehr, sehr nahe daran und zum Teil sogar darüber hinweg, je nachdem, wie das berechnet wurde. Wenn solche Wohnungen bereits jetzt Kostenvergleichsmieten bekommen haben und mit diesen Kostenvergleichsmieten die Kostendeckung erreicht ist, dann sollte man nicht noch einmal darüber hinaus bis zu 38 % weitere Mieterhöhungen zulassen, sondern dann sollte man sich mit der Kostendeckung begnügen.
({0})
- Entschuldigen Sie, Herr Dr. Hesberg, - es gibt Berechnungen - zwar unter Zugrundelegung der alten Kapitalkostensätze und der alten Abschreibungen, aber unter Berücksichtigung der anderen Beträge -, wonach die Kostenvergleichsmieten eben doch nahe an die Kostendeckung herankommen. Ich kenne solche Beispiele. Wir wollen verhüten, daß zu diesen kostendeckenden Mieten nun nochmals bis zu 38 % weitere Zuschläge hinzugerechnet werden.
Das war das Problem der Kostenvergleichsmiete. Hier haben Sie unseren Vorschlag bereits abgelehnt. Ich wollte das nur der Vollständigkeit halber ergänzen.
Nun sagen Sie immer, bis zu 38 % wäre es nicht tragisch, das könnten die meisten Familien bezahlen. Ich muß einmal darauf aufmerksam machen, daß neben dieser Steigerung noch erhebliche Umlagen bezahlt werden müssen.
({1})
Die sind nämlich in den Mieten und in diesen Obersätzen und diesen Steigerungen nicht enthalten. Das sind die Umlagen für Wasserverbrauch, für Kosten einer Zentralheizung, für die gesamten Grundsteuermehrbelastungen seit dem 1. April 1945; das sind Untermietzuschläge, Zuschläge wegen Nutzung der Wohnung zu anderen als Wohnzwecken usw. Die kommen also alle noch dazu. Das muß bei diesem Problem mitberücksichtigt werden.
Dann haben Sie mich ziemlich ruppig angegriffen und haben gesagt
({2})
- ich bin nicht empfindlich; aber man darf so etwas nicht sagen, wenn es nicht stimmt -,
({3})
ich hätte im Ausschuß keinen Vorschlag gemacht, wie man Kostenmieten von Altwohnungen berechnen kann. Ich muß Ihnen dazu sagen: ich habe das Problem einmal vorgebracht, aber in der Eile, mit der Sie über die Dinge hinweggingen, haben Sie überhaupt nicht danach gefragt, wie man sie berechnen kann. Ich wäre in der Lage gewesen, Ihnen sofort einen praktikablen einfachen Vorschlag zu machen. Es ist nämlich gar nicht schwierig; man muß nur mit gewissen Globalsätzen rechnen. Wir
wären zu vernünftigen Lösungen gekommen, wenn Sie den Vorschlag aufgenommen hätten.
({4})
-- Ganz zweifellos! Es hätte kommen können, was wollte; es wäre abgelehnt worden. Das stimmt vollkommen.
Was ich jetzt sage, möchte ich für die Damen und Herren sagen, die nicht an den Ausschußberatungen teilgenommen haben. Wir sprechen immer von Kostenmieten oder von kostendeckenden Mieten. Das besagt, was viele nicht wissen, daß auch das investierte Eigenkapital verzinst wird und eine Rendite hat. Man kann über die Höhe des Satzes - ob 4 oder 6 % - sprechen, aber die Verzinsung, die Rendite des Eigenkapitals ist darin bereits eingeschlossen.
({5})
Die Debatte, die wir hier führen, wird sicher noch ein paar Stunden dauern. Deshalb möchte ich sehr darum bitten, daß nicht immer wieder mit den berühmten englischen Beispielen gearbeitet wird, die nicht stimmen. Dazu darf ich Ihnen sagen, daß ein wesentlicher Teil der englischen Wohnungen, die Sie uns hier immer als Beispiele entgegenhalten, Slumwohnungen sind, die jedoch bei uns noch als normale Wohnungen gerechnet werden. Die Engländer sind nämlich in der Lage, eine ganze Reihe ihrer Wohnungen als Slumwohnungen abzureißen, von denen wir sagen: Das sind Normalwohnungen, die durchaus noch benutzt werden sollen. Das hat aber letzten Endes mit dem Mietpreisproblem nichts zu tun. Ich möchte nur davor warnen, hier immer mit dem nicht passenden, nicht anwendbaren Beispiel dieser englischen Wohnungen zu arbeiten.
Herr Abgeordneter Dr. Czaja!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß hier etwas richtigstellen, was sich zum zweitenmal als Irrtum eingeschlichen hat. Es würde sich zum Schaden der Mieter auswirken, wenn diese nicht darüber aufgeklärt würden, wann und wo eine Mieterhöhung durch das Gesetz nicht gedeckt ist. Zum zweitenmal wurde hier von Herrn Dr. Brecht gesagt, die Mieterhöhungen erreichten im Durchschnitt 38 %.
({0})
- Nein, Sie haben jetzt sogar gesagt, Herr Dr. Hesberg habe das eigentlich gebilligt.
Ich möchte hier, weil damit in den Großstädten, in denen die Mieten hoch sind, dauernd zum Schaden des Mieters Panik gemacht wird, ausdrücklich erklären, daß das nicht stimmt. Was ist richtig und was wird hier konstant verschwiegen? Hier wird konstant die Tatsache verschwiegen, daß, je höher die jetzige Grundmiete ist, desto schneller eine Mietanhebung, die über 15 % hinausgeht, an die Auffanggrenze nach § 5 Abs. 2 stößt. Das bedeutet,
daß in Städten, in denen die Mieten heute hoch sind, wie z. B. in Stuttgart und München, wahrscheinlich über die 15 % hinaus wegen der Auffanggrenze des § 5 Abs. 2 überhaupt keine zusätzliche Mietanhebung eintreten wird, und zwar selbst dann, wenn nach § 2 Nr. 4 die Voraussetzung hierfür gegeben wäre. Diese Tatsache darf man nicht verschweigen, sonst treibt man den Mieter auch psychologisch in eine schlechte Position. Dann weiß der Mieter nämlich gar nicht, was man von ihm verlangen darf. Um das richtigzustellen, habe ich noch einmal das Wort genommen.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Will.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß in dieser etwas erweiterten Ausschußsitzung noch einmal das Wort nehmen, um einige Dinge richtigzustellen.
Vielleicht wäre es gut, wir beschäftigten uns etwas mehr mit absoluten Zahlen. Der Herr Bundeswohnungsbauminister hat vor einiger Zeit Material herausgegeben. Ich meine die Pressenotiz Nr. 13/59 vom 14. Mai 1959. Ich nehme an, Herr Kollege Brecht, daraus stammt auch der Satz von 45 %, den Sie vorhin zitiert haben. Der bezieht sich allerdings, wie sich aus dem Material ergibt, auf die 2,5 Millionen Kleinstwohnungen und nicht auf die Großwohnungen.
Vielleicht sollten wir uns auch einmal daran erinnern, wie die Durchschnittssätze errechnet worden sind, um die es hierbei geht. Damals - das ist einige Monate her - hatten wir ja noch drei Stufen. Inzwischen sind es nur noch zwei. Damals wurden für die 5 Millionen Altwohnungen folgende durchschnittlichen Monatsmieten errechnet: für die größeren Wohnungen 88 DM, für die mitteren Wohnungen 45 DM und für die keineren Wohnungen -45 %, sprich 2,5 Milionen - 30 DM. Davon sollten wir ausgehen und nicht von irgendwelchen Größenordnungen, die Sie vielleicht irrtümlich vor Augen haben.
Nun liegt den vorgesehenen Steigerungen natürlich nicht die Absicht zugrunde - und deshalb haben wir überhaupt nur zugestimmt -, dem Hauseigentümer eine wesentlich höhere Rente zu geben, die er sich dann etwa transferieren läßt oder für Konsumzwecke verwendet. Vielmehr war von Anfang an der leitende Gedanke, daß damit die Althäuser modernisiert werden sollen. Wir wissen ja alle, daß es nicht mehr lange dauern wird, bis diese alten Häuser leerstehen.
Natürlich, Herr Kollege Dr. Brecht, kann man bei den Wohnungen, die etwa die Toilette im Hof haben usw., sagen: Das sind ohnehin beinahe Bruchbuden; da tun wir gar nichts mehr! Es erhebt sich aber doch die Frage, ob es nicht gerade bei diesen Häusern am allernötigsten ist, daß sie instandgesetzt werden, damit sie überhaupt noch halbwegs konkurrenzfähig sind. Solche Fälle gibt es doch gar nicht wenige, und wenn man davon ausgeht, daß die Erhöhungen irgendwie zweckbestimmt sein sollen, muß man natürlich zugeben, daß diejenigen Wohnungen, bei denen es am nötigsten ist, eben geiade die am weitesten zurückgebliebenen sind.
Über die in § 2 vorgesehene Tabelle ist manches gesagt worden. Ich habe mir die Änderungsanträge angesehen. Der Antrag der DP ist natürlich dem der SPD entgegengesetzt. In der Ausschußfassung wird in Gemeinden mit 20 000 bis unter 100 000 Einwohnern eine Miete von 50 DM angenommen. Die DP sagte: Nein, sie muß 47,50 DM betragen, und die SPD sagte: Sie muß 60 DM betragen. Bei den anderen Größenordnungen, etwa bei Mietverhältnissen über zwei Wohnräume verhält es sich genauso: die Ausschußvorlage geht von 32,50 DM aus, die DP beantragt 30 DM, die SPD 40 DM. Man kann also, wenn man der Freien Demokratischen Partei angehört, der Meinung sein, daß die Mitte wahrscheinlich das Richtige ist. Infolgedessen werden wir der Ausschußfassung zustimmen.
Das sind aber keine Dinge von großer Tragweite. Sicher, im Einzelfall mögen sie eine Rolle spielen, aber doch nicht in dem Umfang, wie das vorhin ausgelegt worden ist. Die Beträge, um die es hier geht, sind Grundmieten mit Umlagen von 30 DM. Praktisch wird es also bei diesen Wohnungen nur um wenige Mark gehen, angesichts des Verbrauchs an Konsumartikeln eine nicht gerade als überragend zu bezeichnende Größenordnung.
({0})
- Natürlich, es gibt Menschen, wie zum Beispiel ich selber, die grundsätzlich keinen Tabakverzehr haben und infolgedessen besser dran sind als die anderen, die weniger für die Miete aufbringen können. Insoweit trifft Ihr Argument zu.
Aus diesen Gründen meine ich, daß wir im ganzen von der Ausschußfassung nicht allzusehr abzuweichen brauchen. Natürlich ist 38 % ein erschrekkender Steigerungssatz, und ich kann mir vorstellen, daß das jetzt, wenn er durch die Presse veröffentlicht wird, erhebliche Verwirrung stiften wird. Aber wir wissen doch alle, daß dieser Prozentsatz wirklich nur in seltenen Fällen erreicht wird. Sie haben sicher auch in der Aufklärungsdarstellung des Bundeswohnungsbauministeriums, zu der ich das Ministerium beglückwünsche, weil es sich um eine klare Darstellung handelt, die das Wesentliche erfaßt, die Beispiele gesehen. Es gibt gar nicht sehr wenige Fälle, in denen eine prozentuale Erhöhung überhaupt nicht in Frage kommt. Man muß also die Dinge sehen, wie sie wirklich sind, und ich glaube, daß eine Erhöhung um 38 % zu den Ausnahmen gehören wird. Ich darf wohl für mich in Anspruch nehmen, daß ich die Dinge immer möglichst nüchtern, sine ira et studio, betrachte, weil ich der Meinung bin, wir sollten hier nicht unnötige Propaganda betreiben. Ich bin der Auffassung, daß die Ausschußfassung in diesem Punkt tragbar ist, und daher wird meine Fraktion ihr zustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Mick.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bitte, Ziffer 2 des Sammel-Antrages der DP abzulehnen. Herr Dr. Preusker, es handelt sich in diesem Fall um Kleinwohnungen, die von Menschen bewohnt werden, die nicht gerade besonders begütert sind. Diesen Leuten sollte man nicht ihren Etat durcheinanderwerfen, sondern sollte ihnen Gelegenheit geben, ihren Etat entsprechend auszubalancieren, damit sie sich, nachdem sie die 15%ige Mieterhöhung zu tragen haben, auf etwaige weitere Mieterhöhungen einstellen können.
Zu Ziffer 3 Ihres Änderungsantrages! Hier könnte man sagen: Prophete rechts Preusker, Prophete links Brecht, wir selber in der Mitte. Ich bin dem Herrn Kollegen Will dankbar, daß er bereits gesagt hat, er fühle sich in der Mitte wohl. Wir fühlen uns in der Mitte erst recht wohl und möchten nicht, daß es - frei nach Uhland - heißt: Zur Rechten sah man wie zur Linken, die halbe CDU/CSU Heruntersinken.
({0})
Wir lehnen also beide Änderungsanträge ab.
Dazu werden Sie allerdings erst um 14 Uhr Gelegenheit haben.
Wird hierzu weiter das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Die Änderungsanträge zu § 4 und § 5 sind begründet. Wird sonst noch das Wort zu diesen beiden Paragraphen gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
§ 6 entfällt.
Ich rufe auf § 6 a. Wird hierzu das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Dann kommen wir zu § 7 mit den Anträgen Umdruck 653 Ziffer 6 und Umdruck 661 Ziffer 1 a. Das Wort hat der Abgeordnete Hauffe.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir schlagen für § 7 Abs. 3 eine neue Fassung vor. Wir glauben, bei den Wohnungen, um die es sich bei diesem Paragraphen handelt, nämlich den zwischen der Währungsreform und dem Inkrafttreten des Ersten Wohnungsbaugesetzes erstellten Wohnungen, trifft das Argument des Herrn Dr. Hesberg nicht zu, daß die Kosten schwer feststellbar seien. Hier dürften die Kosten sehr leicht festzustellen sein. Ich hoffe deshalb, daß die CDU geneigt ist, unserem Antrag, wonach als Obergrenze die Kostenmiete gelten soll, zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hesberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ausführungen des Herrn Kollegen Hauffe vermögen mich ebensowenig wie die Ausführungen des Herrn Kollegen Brecht davon abzubringen, daß es keineswegs einfach ist, die Kostenmiete zu ermitteln. Die beantragte Bestimmung würde zu einer minutiösen Berechnung führen. Wenn Sie mit Pauschalen rechnen wollen, wie Sie gesagt haben, dann können Sie genauso gut mit den Pauschalen arbeiten, die wir vorgesehen haben. Die Ausschußvorlage enthält ein in sich ausgewogenes, in etwa nach dem Wohnwert abgestuftes Mietensystem. Wir bitten daher, den Antrag der SPD abzulehnen.
Ich darf mir noch erlauben, Herr Präsident, eine redaktionelle Änderung bei § 7 vorzuschlagen. In § 7 Abs. 3 muß es statt „§ 3 Abs. 3" heißen „§ 3 Abs. 4".
Das ist, soweit ich sehe, bereits in einem Änderungsantrag enthalten. Wir werden also nachher darüber abstimmen können. Wird weiter noch das Wort gewünscht? Dann rufe ich auf § 8. - Das Wort wird nicht gewünscht.
Ich rufe auf § 8 a mit dem Antrag Umdruck 661 Ziffer 1 b. Wer wünscht hierzu das Wort?
({0})
- Ich muß fragen, ob Sie dazu das Wort wünschen. Ich weiß es ja nicht, abgesehen davon, daß ich kein Fachmann auf diesem Gebiet bin.
Ich rufe auf § 9 mit dem Antrag Umdruck 659 ({1}) Ziffer 1 und Umdruck 663 Ziffer 7. - Das Wort hat der Abgeordnete Hauffe.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei der Begründung unseres Antrags zu § 9 möchten wir auf die Argumentation beim ersten Bundesmietengesetz zurückgreifen. Es wurde gesagt, die Mieterhöhungen seien notwendig, um eine Möglichkeit zu schaffen, den Nachholbedarf zu finanzieren. Da wir bemüht sind, an die Wahrheit und Lauterkeit von Argumenten zu glauben, möchten wir hier gern diejenigen ausschließen, die diese Möglichkeiten der Mieterhöhung zur Finanzierung des Nachholbedarfs zwar ausgenutzt, aber nachher nichts für die Befriedigung des Nachholbedarfs getan haben. Deswegen sind wir der Meinung, daß jene, die von der Möglichkeit zu Mieterhöhungen auf Grund des ersten Bundesmietengesetzes Gebrauch gemacht haben, aber nicht mindestens einen gewissen Prozentsatz der jährlichen Miete für diesen Nachholbedarf aufgewendet haben, bei neuen Mieterhöhungen ausgeschlossen werden sollen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hesberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Jeder Vermieter ist daran interessiert, die ihm zugestandene Mieterhöhung in Instandhaltung und Verbesserung des Mietraums anzulegen.
({0})
- Sicher ist es so. Ich werde noch darauf eingehen, wie die Situation liegt.
({1})
Bei .der Freigabe der Mieten muß gerade der Altwohnraum konkurrenzfähig bleiben. Aus diesem Grunde wird der Vermieter alles Interesse haben, ihm nur irgendwie zur Verfügung stehende Möglichkeiten auszuwerten, durch Instandsetzung und Modernisierung in der Wettbewerbswirtschaft mitzukommen. Jeder weiß, daß jegliche Hinausschiebung der Instandsetzungen praktisch eine Verteuerung bringt; denn der Verschleiß durch Hinausschieben der Reparaturen ist noch größer als der, der normalerweise einzutreten pflegt.
Wenn wir dem Antrag im Ausschuß schon nicht zuzustimmen vermochten, so muß ich auch hier der Auffassung Ausdruck geben, daß es jedem Mieter möglich ist, sich auf die Mietminderungsbestimmungen des BGB zu berufen, und ,daß die Rechtsprechung hier bereits im Verlauf der letzten Jahre einen viel strengeren Maßstab angelegt hat; sie wird auch in der Zukunft noch mehr Anforderungen hinsichtlich der Erfüllung der Instandhaltungspflichten des Vermieters stellen. Vor allen Dingen ist es doch so, daß mit jährlichen Kleinbeträgen, die dem Hausbesitz nach dem Ersten Bundesmietengesetz zugeflossen sind, nicht viel zu erreichen ist. Dieser aufgestaute Instandsetzungsbedarf, der damals vorhanden war und auch heute noch in großem Umfange zu befriedigen ist, erfordert in der Regel eine Zwei- bis Dreijahresmiete. Gerade derjenige, der mit den Reparaturhypotheken des Bundes zu tun hat, kann davon ein Lied singen. Bei Annahme einer Laufzeit dieser Darlehen von 10 Jahren - für längere Zeit können Sie am Kapitalmarkt kaum ein Darlehen bekommen - und eines Zinssatzes von 6 % macht das für die ganze Dauer der Laufzeit der Reparaturhypotheken 35 bis 40 % der Miete aus; dieser Betrag ist für .die Behebung des aufgestauten Reparaturbedarfs erforderlich.
Daher kann nachhaltig erst etwas getan werden, seit von 1954 an Bundesdarlehen gegeben werden. Diese stehen aber bei weitem nicht in dem Maß zur Verfügung, wie es von den betroffenen Kreisen gewünscht wird. Das gleiche von den Zinszuschußmitteln, mit denen Darlehen des Kapitalmarktes verbilligt werden können.
Sie müssen aber auch immer die Sozialstruktur des Hausbesitzes berücksichtigen. Im Hinblick darauf sind für die Abdeckung der Verpflichtungen aus solchen großen Instandsetzungen gewisse Grenzen gezogen. Daher versprechen wir uns von einer solchen Regelung nichts. Wir halten sie sogar für ungerecht. Vor allen Dingen fürchten wir, daß die Beibringung der Beweise und dergleichen mehr außerordentlich schwierig ist. Wenn beispielsweise Mittel in der für eine Wohnung geforderten Höhe aufgewendet worden sind, wird der andere Mieter mit der gleichen Anforderung kommen. Wenn aber etwa andere Mittel für die Reparaturen an Dach und Fach vorgenommen worden sind, kommen sie doch praktisch allen Mietern zugute.
Wir sind der Meinung, daß die Bestimmung, wie Sie sie vorschlagen, zu sehr vielen Auseinandersetzungen führen würde. Wir empfehlen deswegen, den Antrag abzulehnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schwörer.
({0}) - Sie verzichten.
Wird weiter das Wort gewünscht? Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bucher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich zur Begründung unseres Änderungsantrages zu § 9 in diesem erlauchten Kreis von Experten das Wort ergreife, so nicht, um ein wohnungspolitisches, sondern um ein rechtspolitisches Anliegen vorzutragen. Wir würden es begrüßen, wenn die Fassung der Regierungsvorlage wiederhergestellt würde. Sie lautete:
Die §§ 1 bis 8 gelten nicht,
1. wenn und solange Mängel vorliegen, welche die Benutzbarkeit des Wohnraumes ... erheblich beeinträchtigen.
Das ist die auch sonst übliche Fassung, wie sie ebenfalls im Ersten Bundesmietengesetz enthalten ist, an die sich die Rechtsprechung gewöhnt hat. Nach der Ausschußfassung soll schon wieder eine andere Formulierung eingeführt werden. Das halten wir rechtspolitisch für nicht erwünscht, zumal es sich um Bestimmungen für eine Übergangszeit handelt; da lohnt es sich wohl nicht, wieder eine neue Formulierung zu wählen.
Deshalb geht unser Antrag dahin - wir bitten Sie, dem zuzustimmen -, § 9 Nr. 1 in der Fassung der Regierungsvorlage wiederherzustellen.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Berger-Heise.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr verehrter Herr Kollege Bucher, die Erweiterung dieses Paragraphen geht auf sehr eingehende Ausschußberatungen zurück. Der Ausschuß hat sich schon beim Zweiten Wohnungbaugesetz, also in den Jahren 1956 bis 1958, eingehend mit den sogenannten Bruchbuden beschäftigt. Wir haben uns mit ihnen nicht nur theoretisch beschäftigt, sondern wir haben uns z. B. in Berlin, auch in der Praxis angesehen, wie solche Bruchbuden aussehen. Wir haben festgestellt, daß bei diesen Wohnungen - man kann sie kaum als Wohnungen bezeichnen - heute schon Quadratmeterpreise bis zu 1,80 DM gezahlt werden. Darauf eine 15 % ige Mieterhöhung zuzulassen, ist einfach unmöglich. Ich bin eigentlich recht froh, daß sich der Ausschuß, nachdem wir noch sehr viel Material erhalten hatten, einig war, daß § 9 erweitert werden müsse. Ich glaube auch, daß keine andere Fraktion Ihrem Antrag zustimmen wird, weil eben eine eingehende Beratung stattgefunden hat.
Herr Dr. Hesberg, ich möchte zu Ihrem Ersuchen, unseren Erweiterungsantrag zu § 9 abzulehnen, nur noch folgendes sagen. Hätten wir eine Instandhaltungspflicht nicht gesetzlich verankert, wäre überhaupt keine Handhabe gegeben. Sie bezogen sich eben darauf. Daß sie notwendig ist, beweist die Tatsache, daß es immer wieder Vermieter gibt, nicht gerade im Kleinhausbesitz, der überschaubar ist, sondern zumeist im großen Hausbesitz -, die sich weitab von ihrem Hausbesitz überhaupt nicht darum kümmern und nur daran interessiert sind, die Mietzahlungen auf ihr Bankkonto überwiesen zu bekommen. Sie muß man irgendwie ansprechen können. Heute werden nur Übergangsmaßnahmen beschlossen; dann aber kommt die freie Miete. Auch für die Vermieter, die überhaupt kein Recht haben, erhöhte Mieten zu nehmen, gilt nachher die freie Miete. Darauf möchte ich schon heute aufmerksam machen. Ich bitte Sie, sich zu überlegen, ob Sie unserem Antrag nicht doch zustimmen können.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schwörer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zu den Worten der Frau Kollegin Berger-Heise noch folgendes sagen: Wir haben die Ablehnung des SPD-Antrages auf Umdruck 653 Ziffer 7 vorgeschlagen. Trotzdem ist der hier betroffene Mieter nicht schutzlos. In §§ 536 ff. BGB finden sich ,darüber klare Bestimmungen, so daß der Mieter rechtliche Handhaben hat, wenn die Wohnung Mängel aufweist. Dort steht, daß der Vermieter die vermietete Sache dem Mieter in einem zu dem vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und sie während der Mietzeit in diesem Zustande zu erhalten hat. Bei Nichterfüllung dieser Vermieterpflichten hat der Mieter unter anderem einen Anspruch auf Mietzinsminderung. Damit könnte unter Umständen das gleiche erreicht werden, was Sie mit Ihrem Antrage wollen, daß nämlich die Miete nicht angehoben werden kann.
({0})
Ich möchte noch einen anderen Punkt anführen. Wir würden in vielen Fällen ungerecht handeln, wenn wir jene Gruppen aus der Mietpreiserhöhung herausnähmen, die die Mietpreiserhöhung des Ersten Bundesmietengesetzes nicht zur Verbesserung ihrer Wohnungen aufgewendet haben, weil wir gerade die wirtschaftlich schwächsten Hauseigentümer träfen. Rund 1,5 Millionen Altbauwohnungen - das sind etwa 30 % - sind Eigentum von Arbeitern, Rentnern und Pensionären. Dieser Gruppe war es - das werden Sie zugeben - in den letzten Jahren einfach unmöglich, ihren Vermieterpflichten in dem in Ihrem Antrag genannten Umfang nachzukommen. Ihnen soll durch die Neuregelung im Gesetz über den Abbau der Wohnungszwangswirtschaft geholfen werden, damit sie ihr Eigentum endlich erhalten und für den kommenden Wettbewerb mit den Neubauwohnungen konkurrenzfähig machen können. Die Bau- und Reparaturkosten sind seit 1938 um 170 % gestiegen, während die Mieten nur um 28 % gestiegen sind.
Wir sind der Ansicht, daß wir bei diesem Mißverhältnis von Aufwand und Ertrag dem Sinn des Lücke-Plans nicht gerecht würden, wenn wir diejenigen, die finanziell zu Reparaturen nicht in der Lage waren, von den Mieterhöhungen ausnähmen. Ich bitte deshalb auch aus diesem Grunde, den Antrag der sozialdemokratischen Fraktion zu diesem Paragraphen abzulehnen.
Das Wort hat Frau Abgeordneten Berger-Heise.
Herr Dr. Schwörer, ich darf Ihnen vielleicht noch sagen, was Sie selbst als Jurist am allerbesten wissen: Das BGB besteht immerhin so an 60 Jahre, und der § 536 auch. Dann dürfte es nach Ihrer Theorie überhaupt keine verwahrlosten Wohnungen geben; denn nach dem BGB ist das eigentlich nicht gestattet! Aber in der Praxis sieht es anders aus. Deshalb hat sich der Ausschuß entschlossen, diesen § 9 so zu formulieren, und deshalb haben wir noch einmal versucht, Ihnen noch etwas mehr abzuverlangen.
Ich muß Ihnen sagen, die Renommierrentner - Sie führen immer die Zahl 1,5 Millionen an -, d. h. die Rentner und Arbeiter, die Hausbesitzer sind, sind doch um Gottes willen zumeist Leute, die irgendwo ein kleines Haus haben. Es kann meinetwegen ein Kate oder eine Hütte sein; in der Statistik zählt es immer noch als Haus und der Besitzer als Hausbesitzer, und wenn die Tochter oder der Sohn obendrin wohnen, ist es ein Haus mit Einliegerwohnung. Diese Häuser aber mit denen des Großhausbesitzers zu vergleichen, der seine Wohnungen in einer Zeit aufgebaut hat, als die Industrieentwicklung begann und als Spekulationen mit dem Boden und mit den Häusern getrieben wurden, ist doch einfach absurd. Wir meinen doch hier wirklich die Häuser, die Sie in allen Großstädten sehen können; die schnell auf engstem Raum ohne gute sanitäre Einrichtungen hochgebaut wurden und die den Besitzer x-mal gewechselt haben. Der letzte sitzt heute oft irgendwo im Ausland und weiß vielleicht gar nichts mehr von seinem Haus. Hier wollten wir eine Bindung haben. Wir wollten, daß die Mietpreise nicht erhöht werden können, daß eine Bindung auferlegt wird. Im Grunde genommen kommt Ihre Theorie, die auf die Marktmiete und auf den Qualitätsbegriff hinzielt, nicht hin. Denn bitte, wenn Sie eine Marktmiete wollen, dann kann nur - und das wollen Sie ja auch sagen - die Qualität bezahlt werden. Hier würde aber eine „Qualität" bezahlt werden, die keine ist; die hier angeführten Wohnungen stellen keine Qualität dar.
({0})
Wünscht noch jemand das Wort? - Das ist offensichtlich nicht der Fall. Dann wären wir mit den Änderungsanträgen zu § 9 fertig.
§ 10 entfällt.
Vizepräsident Dr. Jaeger
Ich rufe § 11 auf. - Das Wort wird nicht gewünscht.
§ 12 entfällt, ebenso §§ 13 und 14.
Ich rufe § 15 auf. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
§ 16 entfällt.
Ich rufe auf § 16 a mit dem Antrag Umdruck 661 Ziffer 1 c. Wird der Antrag begründet? - Herr Abgeordneter Hesberg!
({0})
Dann wird weiter das Wort nicht gewünscht.
Ich rufe auf §§ 16 b und c. - Das Wort wird nicht gewünscht.
§ 17 entfällt.
Ich rufe auf § 17 a mit dem Antrag Umdruck 662 Ziffer 4 und 653 Ziffer 8. - Herr Abgeordneter Hauffe!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn es der Herr Präsident gestattet, werde ich gleich Ziffer 9 - zu
§ 18 - mit begründen.
Bitte sehr!
Der § 17 a verlangt, daß am 1. Januar 1966 alle Kontrollen für die Mietpreisbewegungen entfallen. Für die Zeit vom 1. Juli 1963 bis zum 1. Januar 1966 können Mieten nur unter bestimmten Bedingungen freigegeben werden. Wir sind der Meinung, daß die Bedingungen, die in diesem Gesetz festgelegt sind, nicht „von ohne" sind und daß, falls im Jahre 1966 die Voraussetzungen noch nicht entfallen sind, auch diese Bindungen weiter bestehen müssen. Deshalb bitten wir, § 17 a und § 18 zu streichen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Preusker zur Begründung des Antrags Umdruck 662 Ziffer 4.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir möchten mit diesem Antrag zu Ziffer 4 erreichen, daß etwas, was in der Regierungsvorlage nicht wörtlich enthalten ist, aber doch in ihrem Sinne liegt, wiederhergestellt wird, daß nämlich soviel an marktwirtschaftlicher Ordnung wie möglich, aber trotzdem noch soviel an Schutz berechtigter Interessen der Mieter wie nötig in die ganze Überleitung hineinkommen sollte.
({0})
- Gut! Wenn wir uns in diesem Punkte einig sind, ist das großartig; aber dann müßten auch die entsprechenden Taten folgen, und da haben wir miteinander nach wie vor wohl noch weiter gehende Differenzen als gegenwärtig in der Außenpolitik! Ich weiß es nicht. Aber Scherz beiseite!
Wir glauben in der Tat, daß dort, wo ein rechnerisches, statistisches Defizit nicht nur von weniger als 3 %, sondern sogar von 0 % vorhanden ist, wo also in Stadt- und Landkreisen die Zahl der Wohnungen die Zahl der vorhandenen Haushaltungen in vollem Umfang erreicht, auf alle Fälle eine Reserve vorhanden ist. Aber es handelt sich um Wohnparteien, so wie sie hier gerechnet werden, das heißt also in den Großstädten nach dem Ausschußbeschluß die Einzelpersonenhaushalte mit 60 % und in anderen Städten mit 50 %, obwohl uns überzeugend nachgewiesen wurde, daß der Durchschnitt der Einpersonenhaushalte gar nicht so hoch liegt. Dies gilt umsomehr, als uns auf der anderen Seite von den Vertretern des Bundesrates immer wieder gesagt wurde, daß man in den Landkreisen auf alle Fälle noch eine andere Reserve habe, weil man sämtliche Haushalte als wohnungsbedürftig ansieht, auch wenn sie - wie zum Beispiel im niedersächsischen Bauernhaus - als Bauernehepaar, als Eltern und teilweise auch als dort tätige Melkerehepaare in einem gemeinsamen Bauernhaus ihre gewünschte und vollkommen ausreichende Wohnung gefunden haben.
Wir wissen also, daß im statistischen Defizit Fehler, die nach der anderen Seite liegen könnten, mit genügend Reserven ausgeglichen werden. Warum soll man dann nicht dort, wo die Zahl der Wohnungen wirklich dem vorhandenen und zu deckenden Bedarf gleich ist, angesichts einer sich weiter entwickelnden, aufwärtsgerichteten Wohnkultur, die in einer erfreulich ansteigenden Zahl der Eigenheimbauten und der Bausparbetätigung zum Ausdruck kommt, die Mietpreisbindung aufgeben können? Damit könnte man gleichzeitig beweisen, daß die Erwartungen - lassen Sie mich das einmal ganz kraß aussprechen -, soweit sie auf beiden Seiten überspannt sind, eben nicht realisiert werden. Dort, wo genügend Wohnungen vorhanden sind, um den Bedarf zu decken, werden weder die Vermieter in der Lage sein, irgendwelche über die tatsächliche Einschätzung des Nutzens und des Wertes der Wohnungen hinausgehende Preisforderungen durchzusetzen, noch umgekehrt die Mieter Befürchtungen wegen einer Überspannung der Entwicklung haben müssen. Gerade hier ist doch das Feld - so möchte ich einmal sagen - der sichtbaren Bewährung in der breiten Öffentlichkeit gegeben. Auf dieser Basis können gegebenfalls sogar Korrekturen angebracht werden, wenn das, was man hier erwartet und nach allen Erfahrungen, die wir in den letzten Jahrzehnten - so kann man schon fast sagen - einer marktwirtschaftlichen Entwicklung auf allen anderen Gebieten gemacht haben, erwarten kann, nicht eintreten sollte. Das glaube ich aber nicht nur nicht, sondern -ich bin davon überzeugt, daß hier ein sichtbarer Beweis für die Richtigkeit der Maßnahmen der Bundesregierung erbracht wird.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Czaja.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die §§ 17 a und 18, die die SPD-Fraktion gestrichen wissen möchte, enthalten eine wohlerwogene Verzahnung der Reihenfolge
1 der Maßnahmen zum Abbau der Wohnungszwangswirtschaft, der Maßnahmen, die der Kontrolle durch Rechtsverordnungen der Länder unterliegen. Sinkt der Wohnraumfehlbedarf - ich darf zum Teil Bezug nehmen auf die Ausführungen des Herrn Berichterstatters - in einem Kreis vor dem 30. Juni 1963 unter 3 %, so wird dort am 1. Juli 1963 die Preisbindung aufgehoben. Das setzt sich dann fort, wenn der Fehlbedarf nach dem 1. Juli 1963 in anderen Kreisen unter 3 % absinkt.
Das gilt aber nicht für kleine Ballungskerne, in solchen „weißen" Kreisen, wenn ich sie so nennen darf. In kleinen Ballungskernen kann ja bei 5 % Wohnungsfehlbedarf die Bewirtschaftung beibehalten werden. Das gilt auch nicht für wachsende Gemeinden, die über 10 % Bevölkerungszuwachs hatten. Diese Gemeinden und Kreise behalten die Preisbindung so lange, bis auch dort der Fehlbedarf unter 3 % sinkt. Wo die Gemeinden aus eigenem Antrieb selbst die Wohnraumbewirtschaftung aufheben, bevor noch diese untere Grenze des Fehlbedarfs erreicht ist, bleibt die Mietpreisbindung erhalten.
Wir vermögen uns auch nicht dem Antrag des Herrn Kollegen Dr. Preusker anzuschließen. Wir sind der Meinung, daß es in einem Kreis, wo ein Fehlbedarf von 0 % vorhanden ist, weniger theoretischer Vorschriften bedarf. Wir glauben allerdings, daß die Miete dort dann sehr stark unter dem Einfluß des Mieters selbst gestaltet werden wird. Ihr Antrag gilt, wenn ich ihn recht verstehe, nur für die Zeit bis 1963; denn was nach 1963 geschehen soll, steht in der Ausschußfassung. Wir möchten aber nicht, daß eine alte Rentnerin oder irgendwelche alten Unterhaltshilfeempfänger, die eine Wohnung in solchen Kreisen haben, deshalb, weil sie nicht in einen anderen Kreis, in dem dieser Ausgleich noch nicht durchgeführt ist, ausweichen können, überfordert werden. Das möchten wir nicht. Wir glauben auch nicht, daß ein Wohnraumfehlbedarf von 0 % einen annehmbaren Maßstab für das Marktgeschehen in großen Städten und Großstädten darstellen könnte.
Nach den §§ 17 a und 18 soll die Preisbindung im Jahre 1966 endgültig auslaufen. Die Bundesregierung ist ermächtigt, diesen Zeitpunkt nochmals um ein Jahr hinauszuschieben, falls sich dies als notwendig erweisen würde. Es kann sein, daß es auch dann noch wenige Gemeinden gibt, die einen Fehlbedarf von über 3 % haben. Aber solche Gemeinden gab es auch früher immer. Es gab auch in normalen Zeiten hier und dort Großstädte, bei denen das zutraf, denen aber mit anderen Mitteln geholfen werden muß. Das sind insbesondere die Mittel, die das Wohnungsbauministerium immer nennt: Dekonzentration, Auflockerung der Ballungskerne. Wir wollen kein Abschnüren der Großstädte, wir wollen aber auch nicht ihr unorganisches Wachstum.
({0})
Dieser Termin 1966, Herr Dr. Brecht, ich glaube, darin werden Sie mir zustimmen, ist auch eine zweifache Mahnung, einmal eine Mahnung an die Städteplaner, an die Stadtparlamente, an die Wohnungswirtschaft und an die Bevölkerung, bis 1966 alles zu tun, um wenigstens die 3 % zu erreichen, aber auch - ich glaube, da Ihre Zustimmung zu finden - eine ernste Mahnung an den Herrn Bundesfinanzminister und an den Herrn Bundeswohnungsbauminister, das Ihre dazu zu tun, das bis dahin durch gemischte Finanzierung unter Einsatz von Rückflußmitteln usw. die Entballung und Dekonzentration erfolgt.
Schließlich enthält der Paragraph die entscheidende Vorschrift, daß niemals und nirgends die Preisbindung fallen darf, bevor es nicht bezüglich der für die Übergangszeit eingeführten Miet- und Lastenbeihilfen zu einem endgültigen Gesetz über Miet- und Lastenbeihilfen gekommen ist. Dieses entscheidende Junktim von Preisfreigabe und vorherigem Inkrafttreten des endgültigen Gesetzes über Miet- und Lastenbeihilfen möchten wir nicht missen.
Aus vielfachen Gründen wünschen wir die Beibehaltung der Paragraphen in der Ausschußfassung; sie machen das Gesetz praktikabel, enthalten aber auch erhebliche soziale Sicherungen. Wir lehnen die Anträge auf Änderung und Streichung ab.
Wird weiter das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Hauffe.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Aus den Worten von Herrn Dr. Czaja ging klar hervor, daß das entscheidende Kriterium in den §§ 17 a und 18 die vollkommene Freigabe der Mietpreise am 1. Januar 1966 ist.
({0})
- oder 1967 als Pflaster! Entscheidend ist aber, ob es gelingt, bis dahin den Wohnraumbedarf in den Ballungsgebieten zu decken. Es ist nicht ganz korrekt, daß Sie mit der Art der Formulierung den Eindruck zu erwecken versuchten, die kritischen Gemeinden seien ein paar kleine Gemeinden. In Wirklichkeit sind die kritischen Gemeinden gerade die Großstädte; sie sind die Brennpunkte der Wohnungsnot.
({1})
- Ich nehme an, daß dieser Eindruck nicht beabsichtigt war; Ihre Geste bestätigt, daß das nicht beabsichtigt war.
Ich muß aber eins sagen. Ihre Mahnung an die Minister Ihrer eigenen Partei, an den Herrn Bundesfinanzminister und an den Herrn Bundeswohnungsbauminister, trösten mich nicht. Gerade der Herr Wohnungsbauminister ist der Vater des Zweiten Wohnungsbaugesetzes, jenes Gesetzes, das die Wohnungsbaumittel von den Brennpunkten wegleitete.
({2})
Wir sind also nicht in der Lage, das zu erreichen, was hier vorausgesetzt wird. Dieses Zwiegespräch zwischen uns, Herr Dr. Czaja, zeigt, daß die Sache nicht so einfach ist, wie Sie sie darstellen möchten.
Wir wünschen nicht, daß hier bloß etwas versprochen wird oder daß eine Mahnung ausgesprochen wird, etwas zu erreichen. Wir wünschen vielmehr, daß bis dahin das erreicht ist, wozu Sie mahnen. Nur wenn Sie mit den Leistungen Ihrer zwei Minister bis zum Januar 1966 den Wohnungsbedarf so weit gedeckt haben, fallen ,die Beschränkungen auf Grund dieses Gesetzes. Mehr wollen wir gar nicht, als Ihnen Gelegenheit zu geben, Ihre Versprechungen zu erfüllen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Czaja?
Bitte schön.
Ist Ihnen denn entgangen, Herr Kollege Hauffe, daß die bisherigen Leistungen im Wohnungsbau Gewähr dafür bieten, daß diese Mahnungen Wirksamkeit haben und daß die Ergebnisse, die wir alle wünschen, erzielt werden?
Herr Dr. Czaja, mir sind die bisherigen Leistungen im Wohnungsbau durchaus bekannt; mir ist aber auch klar, daß gerade die Verlagerung der Wohnungsbauleistungen in den letzten Jahren aus den Gebieten der Wohnungsnot, aus den Brennpunkten heraus erfolgte, die kritisch sind. Wir müssen die Bevölkerungskreise im Auge behalten, die hauptsächlich betroffen werden, die Mieter, die nachher die teuren Wohnungen nehmen müssen. Die Erfüllung der Voraussetzungen erscheint uns sehr fragwürdig.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Brecht.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zu diesem Punkt noch etwas sagen, denn man kann über ihn nicht so leicht hinweggehen. Hier geht es darum, daß Sie heute, beim augenblicklichen Zustand, einen Endtermin für die Aufgabe der Preisbindung in der Wohnungswirtschaft festlegen. Sie wissen nicht, wie die Wohnungsmarktlage und die Versorgung mit Wohnungen 1963, 1964 oder 1966 aussehen werden. Angesichts der Erklärung, die der Herr Bundeskanzler vorhin abgegeben hat, muß man sich klar sein, daß wir infolge eines weiteren Zustroms von Flüchtlingen vielleicht einer andersartigen Situation entgegengehen. Es wäre auch deshalb falsch, heute schon den Endtermin für die Freigabe der Mietpreise festzulegen. Das ist noch nicht notwendig und auch noch nicht möglich. Sie haben es durchaus in der Hand, etwa im Jahre 1963, 1964 oder 1965, wenn die Situation entsprechend ist, diesen Termin festzulegen.
Sie bestimmen aber jetzt und damit viel zu früh den Endtermin. Bis zu diesem Endtermin bleiben gewisse Bindungen der Mietpreise noch bestehen. Alle Mietpreisbindungen, die in dem Gesetz stehen, bleiben noch bis 1963 bestehen. Es ist vorhin mit Recht gesagt worden: Der Sprung in die Marktwirtschaft kommt jetzt noch gar nicht. Der Herr Berichterstatter Mick hat gesagt, der Sprung komme erst später. Das ist völlig richtig. Bis dahin haben wir bei den Mietpreisen noch eine gewisse Bindung und Reglementierung.
Das Gesetz, das wir hier jetzt beraten, sagt aber noch nichts darüber, wie hoch die Mietpreise nach 1963 sein werden. Auch aus dem, was hier gesagt worden ist, ist das nicht zu entnehmen. Ich weiß, daß dem Herrn Bundeswohnungsbauminister ein bisher nicht bekanntgegebenes Gutachten eines seiner wissenschaftlichen Beiräte vorliegt, in dem errechnet ist, wie sich die Mieten nach der Freigabe auspendeln werden. Man kann dafür heute schon die Grenzwerte angeben. Die Auspendelung wird in der Spanne zwischen 1,60 DM und 3,50 DM, nämlich den Kostenmieten im freifinanzierten Wohnungsbau, liegen, wobei die Kostenbasis den heutigen Verhältnissen entsprechend genommen wird. Die Mieten werden nicht alle auf 3,50 DM gehen; sie werden entsprechend den gegebenen Verhältnissen darunter bleiben. Aber sie werden sich in der genannten Spanne bewegen.
Wir müssen uns also klar darüber sein, daß dann in einer gewissen Zeit zusätzliche Mietsteigerungen kommen, die über die jetzt gesetzlich vorgesehenen weit, sogar sehr weit hinausgehen können. Das wird namentlich dann der Fall sein, wenn in dieser Zeit eine volle Versorgung mit Wohnungen noch nicht gegeben ist. Darum sind wir der Meinung, daß der Zeitpunkt heute noch gar nicht bestimmt werden kann. Man kennt die Wohnraumlage, die dann gegeben sein wird, noch nicht. Man weiß noch nicht, wie sich die Mieten auspendeln werden. Heute haben wir Mieten mit den Obergrenzen von 1,30 bis 1,60 DM. Nehmen wir einmal an, es gibt dann Steigerungen auf 2,20, 2,50 oder 2,80 DM, je nach der Qualität der Wohnungen. Eine solche Entwicklung müßte und würde dann auch Auswirkungen auf das Lohn- und Preisgefüge haben. Darüber wird dann auch eine Unterhaltung nötig sein, das hätte wieder Einfluß auf die Konjunkturlage.
Darum glauben wir, daß dieser Endtermin heute noch nicht festzulegen ist und daß dies nicht geschehen soll. Man braucht das noch nicht, es ist auch noch nicht nötig, später haben wir dazu viel bessere Grundlagen.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Mick?
({0}) Herr Abgeordneter Mick.
Herr Dr. Brecht, befürchten Sie dann auch für die gemeinnützige Wohnungswirtschaft eine Entwicklung der Mieten zwischen 1,60 und 3,50 DM?
Ich gebe Ihnen darauf eine Antwort, Herr Abgeordneter Mick, obwohl ich vorausschicken darf: ich stehe hier nicht als Vertreter der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft, sondern als gewählter Abgeordneter
({0})
mit einem gewissen Sachverstand auf diesem Gebiet, und ich weiß nicht, ob es nicht mehr üblich ist, auch einmal ohne Interessenvertretung hier zu sprechen.
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Bei der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft wird allerdings heute schon gesetzlich festgelegt - aber nur bei ihr -, daß sie nie über die kostendeckenden Mieten hinausgehen darf. Sie könnte also nicht auf solche Steigerungen kommen wie ich sie genannt habe. Aber außer den 20 oder 25 Wohnungsbestand der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft gibt es ja einen Bestand von 75 % Mietwohnungen ohne eine solche gemeinnützige Bindung; bei denen können mit dem Prinzip der Gewinnmaximierung - das gehört nun einmal zur Marktwirtschaft - derartige Steigerungen hervorgerufen werden. Herr Dr. Hesberg hat es ja vorhin bei § 1 selber zugegeben; er hat gesagt: „Wir wollen keine Kostenmiete" - das wären nämlich die Bindungen in der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft -, „sondern wir wollen Marktmieten". Marktmieten liegen eben, je nach der Marktlage, über den Kostenmieten.
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- Das ist eine Marktfrage. Aber was wir meinen, zum mindesten bei § 17 a und 18, ist doch nichts anderes als dies: Bestimmt den Termin heute noch nicht, weil die Sachlage für die Entscheidung über den Termin heute einfach noch nicht gegeben ist. Man sollte das politische Argument, daß es irgend jemand versprochen worden ist und daß man es deshalb jetzt machen müsse, aufgeben und auf den Sachverhalt zurückgehen, also den Termin erst in späteren Jahren festlegen!
Wird zu § 17 a noch das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache zu § 17 a.
Meine Damen und Herren, die für die Abstimmungen gesperrte Zeit ist abgelaufen; wir können nunmehr über die beratenen Paragraphen und Änderungsanträge abstimmen.
Wir stimmen zuerst ab über den Änderungsantrag Umdruck 662 Ziffer 1, einen Antrag zu § 2, und zwar zunächst über den Hauptantrag, nicht den Eventualantrag. Wer diesem Hauptantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ,das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das ist die große Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Eventualantrag unter der gleichen Ziffer. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das zweite ist wieder die große Mehrheit; abgelehnt.
Wir kommen zum Änderungsantrag Umdruck 653 Ziffer 3. Ich lasse über die ganze Ziffer 3 abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um ,die Gegenprobe. - Das zweite ist die Mehrheit; abgelehnt.
Wir stimmen nunmehr ab über § 2 in der Ausschußfassung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war ,die Mehrheit; angenommen.
§ 3 entfällt.
Wir kommen zu § 4, zuerst zur Abstimmung über den Änderungsantrag Umdruck 653 Ziffer 4. Wer zuzustimmen wünscht, ,den bitte ich um ,das Handzeichen. - Ich bitte um ,die Gegenprobe. - Das zweite ist die Mehrheit; abgelehnt;
Wir kommen zum Änderungsantrag Umdruck 662 Ziffer 2. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das zweite ist die Mehrheit; abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über § 4 in der Ausschußfassung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ,das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; angenommen.
Wir kommen zu § 5, zuerst zu dem Änderungsantrag Umdruck 653 Ziffer 5. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das zweite ist die Mehrheit; abgelehnt.
Wir kommen nunmehr zum Änderungsantrag Umdruck 662 Ziffer 3. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das zweite ist die große Mehrheit; abgelehnt.
Wir stimmen ab über § 5 in der Ausschußfassung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; angenommen!
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- Bei zahlreichen Enthaltungen! Das ändert aber am Gesamtergebnis nichts.
§ 6 entfällt.
§ 6 a. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Angenommen!
Wir kommen zu § 7. Ich lasse zuerst über den Antrag auf Umdruck 653 Ziffer 6 abstimmen. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das zweite ist die Mehrheit; abgelehnt!
Nunmehr lasse ich über den Änderungsantrag auf Umdruck 661 Ziffer 1 a abstimmen. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen.
Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? Angenommen.
Wer § 7 in der Ausschußfassung mit der soeben beschlossenen Änderung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; angenommen!
§ 8. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Angenommen!
Vizepräsident Dr. Jaeger
Ich rufe auf § 8 a und lasse zunächst über den Änderungsantrag auf Umdruck 661 Ziffer 1 b abstimmen. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; der Änderungsantrag ist angenommen.
Nunmehr lasse ich über § 8 a in der Ausschußfassung mit der soeben beschlossenen Änderung abstimmen. Wer ihm in dieser Fassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; angenommen!
Wir kommen zu § 9. Ich lasse zunächst über den Antrag auf Umdruck 659 ({1}) Ziffer 1 abstimmen. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das zweite ist die Mehrheit; abgelehnt!
Änderungsantrag auf Umdruck 653 Ziffer 7! Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das zweite ist die Mehrheit; abgelehnt!
Ich lasse über § 9 in der Ausschußfassung abstimmen. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; angenommen!
§ 10 entfällt.
Wer § 11 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe.
- Angenommen!
Die §§ 12, 13 und 14 entfallen.
Wer § 15 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe.
- Angenommen!
§ 16 entfällt.
Ich rufe jetzt zunächst den Antrag auf Umdruck 661 Ziffer 1 c auf. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Angenommen!
Nunmehr rufe ich den § 16 a in der Ausschußfassung auf. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Angenommen!
Ich lasse nunmehr über § 16 b abstimmen. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Angenommen!
Ich lasse über § 16 c abstimmen. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen.
- Angenommen!
§ 17 entfällt.
Ich komme zu § 17 a und lasse zunächst über den Antrag auf Umdruck 662 Ziffer 4 abstimmen. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Antrag ist mit großer Mehrheit abgelehnt.
Bei dem Antrag auf Umdruck 653 Ziffer 8 handelt es sich um einen Streichungsantrag. Wer für die Streichung ist, muß bei der Abstimmung über den Paragraphen den Paragraphen ablehnen.
Ich komme zur Abstimmung über den § 17 a in der Ausschußfassung. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? Das erste war die Mehrheit; § 17 a ist angenommen.
Damit sind die zurückgestellten Abstimmungen nachgeholt.
Wir kommen zu § 17 b. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer § 17 b zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; angenommen!
§ 17 c! - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Angenommen!
Wir kommen zu § 18. Ich rufe auf den Antrag auf Umdruck 653 Ziffer 9. Soll dieser Antrag begründet werden?
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- Ist schon begründet. Auch hier handelt es sich um einen Streichungsantrag, über den sachlich bei der Abstimmung über den Paragraphen entschieden wird.
Wird sonst das Wort zu § 18 gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer § 18 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; § 18 ist angenommen.
Ich darf nunmehr über den Art. I im ganzen mit den beschlossenen Änderungen abstimmen lassen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. -Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; angenommen!
Ich rufe auf Art. II, und zwar die Einleitung, - Ziffer 1, - Ziffer 2. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den bisher aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Angenommen!
Ich rufe auf die Ziffer 3. Hier liegen eine große Anzahl von Änderungsanträgen vor, und zwar auf Umdruck 653, Ziffern 10, 11, 12, 13, 14 und 15. Wer wünscht das Wort? - Herr Abgeordneter Berlin!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es dürfte wohl im Interesse aller liegen, wenn aus Gründen der Zeitersparnis die Erlaubnis gegeben wird, daß ich gleich alle Anträge, die damit zusammenhängen, begründe.
Bitte sehr.
Bei dem Art. II geht es um das Problem der Aufhebung der Wohnraumbewirtschaftung. Über diese Frage hat es schon viele Auseinandersetzungen gegeben. Der Berichterstatter, Herr Kollege Mick, hat vorhin davon gesprochen, daß kein Sprung in die Marktwirtschaft vollzogen werden solle; er meinte, es sei ein „Tröpfeln". Dennoch
wird von Millionen gesprochen, und die Aufhebung der Wohnraumbewirtschaftung ist von der Mietanhebung nicht zu trennen. Ich meine deshalb, daß für manchen der Betroffenen so etwas wie ein Hagelschauer wirksam wird.
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- Gut, aber Sie wissen, wie die Wirkung von Hagelschauern aussieht.
Eine ganze Reihe von Änderungsanträgen stehen in einem Zusammenhang. Ich möchte zunächst einige allgemeine Bemerkungen zu dem Kapitel der Aufhebung der Bewirtschaftung machen. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hat sich nie gegen die Absicht gestemmt, auf dem Wohnungssektor den Weg in die Marktwirtschaft zu gehen. Wir möchten aber einen möglichst natürlichen Weg gehen, d. h. wir möchten die Voraussetzungen wissen, die eine freie Konsumwahl gewährleisten. Wir möchten nicht, daß an Stelle der Bewirtschaftung durch die Wohnungsämter in den Gemeinden der Geldbeutel zum eigentlichen Dirigenten bei der künftigen Auswahl der Wohnungen wind. Nach den Auseinandersetzungen von heute morgen und in den Ausschüssen ist es wohl unbestritten, daß mit einer Aufhebung der Wohnraumbewirtschaftung die Miethöhe nach oben tendieren wird. Erhebliche Meinungsverschiedenheiten gibt es auch über die Frage, wann denn nun wohl eine solche Bewirtschaftung aufgehoben werden könne. Der Deutsche Gewerkschaftsbund hat sich in all den hinter uns liegenden Monaten immer auf den Standpunkt gestellt, daß nicht nur ein Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage vorhanden sein müsse, sondern ,daß man auch, wenn man wirklich einen Spielraum zum Suchen und Finden einer für eine Familie passenden Wohnung gewähren wolle, eine Reserve brauche. Der Bundesrat hat seit Vorliegen des Gesetzentwurfs die Meinung vertreten, daß man wenigstens einen Ausgleich auf dem Markt haben müssen. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion dürfte sich also wohl nicht gerade in schlechter Gesellschaft befunden haben, als sie sich dieser Meinung anschloß und im Ausschuß darum kämpfte. Sie vertritt auch heute bei den Änderungsanträgen die gleiche Meinung.
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- Sie sagen, Herr Leukert, das sei kein Argument. Ich meine, .daß sich diejenigen, die im Bundesrat und in seinen Fachausschüssen als der Institution für die Länder zu Beschlüssen kommen, gewiß auch etwas dabei denken und nicht so ins Blaue hinein Vorschläge unterbreiten und Stellungnahmen zu einem Regierungsentwurf abgeben. Mehr wollte ich damit nicht sagen.
Hier ist vorhin schon von der goldenen Mitte gesprochen worden, rechts die Burschen, links die Mädchen. Wenn man einmal von der Reserve ausgeht, die die Gewerkschaften verlangen, und in Betracht zieht, daß nach Ihrer Auffassung die Grenze bei 3 % Wohnungsdefizit liegen soll - es sollten ja noch mehr sein -, so erscheint es nicht absurd, den ausgeglichenen Markt als die goldene Mitte zu
bezeichnen. Das zu Ihrer Bemerkung, Herr Leukert, das sei kein Argument.
Aber mit der Aufhebung der Wohnraumbewirtschaftung ist ja schließlich noch etwas anderes verbunden. Wir müssen nämlich damit rechnen - das wird nicht bestritten werden können -, daß sich wegen der Mietpreishöhe die Befriedigung des Bedarfs in einer Richtung entwickelt, die wir eigentlich nicht wünschen, d. h. daß ein gewisses Abdrängen der Wohnungsuchenden vom Markt in Wohnungen erfolgt, die nicht gerade besser sind.
Herr Abgeordneter Berlin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Leukert?
Bitte sehr!
Herr Abgeordneter Leukert!
Herr Kollege Berlin, haben Sie nicht im Jahre 1948/49 bei der Überführung der Zwangswirtschaft in die soziale Marktwirtschaft ähnliche Thesen aufgestellt und widerlegt bekommen? Glauben Sie nicht, daß wir auch diesmal recht haben werden?
Die Situation von 1948 war insofern eine andere, Herr Leukert, als es sich bei den Dingen, die damals auf den Markt kamen, um echte Waren handelte. Die Wohnung ist aber keine Ware. j Insofern können Sie die Situation von 1948 und die von heute oder in den kommenden Jahren nicht miteinander vergleichen.
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- Das bestreitet niemand. Aber ich darf in Verbindung mit dem, was Sie jetzt angesprochen haben, darauf hinweisen, daß weder Sie noch wir wissen, in welcher Weise sich bei steigenden Mieten die individuellen Wohnungswünsche entwickeln werden. Es ist nicht bekannt, in welchem Umfang sich etwa infolge internationaler Verwicklungen der Strom der Zuwanderer verändert. Wir wissen auch nicht, ob sich in den kommenden Jahren das Volumen des neu erstellten Wohnraums hält; wir wünschen es natürlich alle, darüber gibt es keinen Zweifel. Es ist auch nicht klar, ob die Meinung der Regierung richtig ist, daß mit einer Lockerung mehr Wohnungen auf dem Markt erscheinen. Man kann genausogut der Meinung sein - ohne daß das im Augenblick beweisbar ist; nur die Tendenzen gehen erfahrungsgemäß dahin -, daß bei einer Lockerung der Wohnraumbewirtschaftung eher der Eigenbedarf gedeckt wird, als daß zusätzlich Wohnungen auf dem Markt angeboten werden. Ich jedenfalls habe in meiner kommunalen Praxis dort, wo man bisher hinsichtlich der Bindung an die Bewirtschaftung einen Mittelweg beschritten hat, diese Erfahrung gemacht.
Schließlich ist damit auch die Frage des Umschichtungsprozesses verbunden, in dessen Zuge Bewohner von kleinen oder billigeren Wohnungen in andere gelangen. In welche Richtung diese Umschichtung einmal geht, wissen wir nicht. Die Regierung ist optimistisch; darauf baut sie auf und begründet damit ihre These, daß man die Wohnraumbewirtschaftung aufheben könne, wenn das Defizit weniger als 3 % betrage. Aber niemand weiß das. Die Entwicklung im Zuge des Umschichtungsprozesses kann genausogut ins Negative gehen, d. h. in dem Sinne, daß der Geldbeutel ausschlaggebend ist und daß Familien, die eine besser ausgestattete Wohnung mieten möchten, es nicht können und vom Markt weggedrängt werden. Die kommunalen Spitzenverbände haben sich sehr ausführlich auch mit diesem Problem beschäftigt und sind der Meinung, daß die Beurteilung des Umschichtungsprozesses von vielen Unwägbarkeiten abhänge und daß manches gegen die Auffassung der Regierung spreche. Nach Auffassung der kommunalen Spitzenverbände ist Vorsicht am Platze.
Bei der Beurteilung der Höhe des Defizits, die in den vergangenen Wochen und Monaten genannt worden ist, muß man berücksichtigen, daß es verschiedene Berechnungsarten gibt. Je nachdem, ob man nachweisen will, daß die Wohnraumbewirtschaftung viel früher aufgehoben werden könne, oder ob man dartun will, daß noch gewartet werden müsse, wird die eine oder die andere angewandt. Wir haben es fast mit einer Zahlenakrobatik zu tun, aber ich glaube, ohne daß man sich darauf einläßt, sollte dieser Goldene Schnitt des ausgeglichenen Marktes, des statistischen Nullpunktes, als Ausgangspunkt genommen werden. Darauf bauen die Änderungsanträge meiner Fraktion auf.
Darüber hinaus darf ich noch in Verbindung mit der Tendenz der Ausschußvorlage und des Willens der Regierung auf ein Kapitel hinweisen, das jene Familien betrifft, die wir kinderreich nennen; auch da stellen wir Änderungsanträge. Ich möchte Sie inständigst bitten, an diesem Punkt nun nicht in der bekannten Art, die wir ja kennengelernt haben, vorbeizugehen. Wir möchten die kinderreichen Familien schützen, soweit das möglich ist. Wir möchten ihnen die bessere Möglichkeit erhalten, für ihren Bedarf eine passende Wohnung zu bekommen, und hier sollte das Wohnungsamt so lange wie möglich helfen können.
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- Natürlich, Herr Baier! Natürlich bauen wir Eigenheime. Nun sagen Sie mir, in welchem Umfang eine fünfköpfige Familie - das ist ja wohl der kleinste Kreis hei den Kinderreichen und bei der Einkommenslage zu dem Eigenheim kommen kann, wie sie das wünscht und wie auch wir das wünschen. Darüber geht doch noch viel Zeit ins Land. Und wenn wir schon vom Übergang sprechen und für diesen Übergang auch diesen Schutz möchten, darf man das wohl nicht als unvertretbar bezeichnen. Wenn Sie an die Praxis denken - und niemand wird so weltfremd sein, nicht auch etwas von den gemeindlichen Dingen zu verstehen -, dann wissen
Sie, wo uns der Schuh drückt und daß es gerade die kinderreichen Familien sind, die auch bei einem Rote-Karten-System nicht aufgenommen werden. Diese fallen der Gemeinde zur Last, und die Gemeinde hat die Aufgabe, zu bauen, wenn es die betreffenden Familien nicht können. Wie sieht das aus? Nach der Rangordnung unseres Zweiten Wohnungsbaugesetzes kommen die Gemeinden nicht einmal für Miethäuser zum Zuge, weil sie ja vermietet werden müssen.
Ich wollte damit nur sagen, daß die hierzu gestellten Änderungsanträge das Ziel verfolgen, die kinderreichen Familien für eine bestimmte Übergangszeit zu schützen. Wir möchten, daß da nicht das Geld entscheidet, sondern das Heim das Wesentliche ist. Man könnte einwenden, wenn die kinderreiche Familie mit ihrem Familieneinkommen unter den Grenzen liege, werde über die Miet- und Lastenbeihilfe ein Ausgleich geschaffen werden können. Darum geht es nicht - das würde ich zunächst akzeptieren müssen -, sondern es geht darum, daß man überhaupt eine Wohnung findet. Denn es gibt eine Menge von Vermietern, denen es nicht gleich ist, ob sie das gleiche Geld von einer kinderreichen Familie oder von einer kleineren Familie erhalten; aus welchen Gründen, brauche ich Ihnen wahrscheinlich nicht zu sagen: Das ist zwar manchmal bedauerlich, aber die Praxis ist so. Am Ende ständen - das sage ich noch einmal - die Gemeinden, die diese Last zu tragen hätten. Deswegen sollten die Wohnungen für diese Familien so lange in der Bewirtschaftung bleiben, his wirklich eine Auswahl auf dem Wohnungsmarkt besteht.
In Verbindung damit steht auch die Tabelle über die Miethöhen. Mein Kollege Brecht hat vorhin schon einiges zu § 2 von Art. I gesagt; ich will davon nichts wiederholen. Nur eine Bemerkung! Die Änderungsvorschläge meiner Fraktion haben den Sinn, daß die Zahl der Wohnungen, die aus der Bewirtschaftung herausgenommen werden, aus den schon erwähnten Gründen vermindert wird. Wir wollen einen weicheren Übergang haben. Vielleicht deckt sich dieses Weichere mit Ihrem Tröpfeln, Herr Mick, und vielleicht fänden Sie da einen Ansatzpunkt, unserem Antrag zuzustimmen. Wir wünschen also, solange der Markt nicht ausgeglichen ist und solange keine Reserve vorhanden ist, eine günstigere Lösung für diese Familien; wir möchten ihnen Schwierigkeiten erleichtern.
Lassen Sie mich noch ein paar grundsätzliche Bemerkungen zu § 38 machen, zu dem wir einen Streichungsantrag gestellt haben. Es handelt sich um die Festsetzung eines Endtermins für die völlige Freigabe. Soweit vorhin die Miethöhe angesprochen worden ist, ist das Thema damit schon berührt worden. Der Bundesrat steht ebenfalls auf dem Standpunkt, daß man einen Endtermin nicht festsetzen sollte. Er gibt in etwa die gleiche Begründung dafür, weshalb es unklug wäre, den Termin schon heute zu benennen. Ich will das nicht wiederholen. Der Grund liegt jedenfalls darin, daß niemand heute die Fakten übersehen kann, auf denen er aufbauen könnte; man hat es mit lauter unbekannten Momenten zu tun. Daß es so oder so wird, kann man nur
glauben. Aber glauben heißt bekanntlich nicht wissen, und die Wirklichkeit - ({2})
- Aber natürlich, Herr Huth! Alles, was ich nicht erklären und nicht erfassen kann, muß ich glauben; da fängt die Welt des Glaubens an. Das dürfte Ihnen wohl nicht so fremd sein. Die Wirklichkeit wird erst erweisen, was in den kommenden Jahren auf uns zukommt. Da liegt der Kern unseres Antrags, den Endtermin zu streichen.
Nun darf ich die Änderungsanträge meiner Fraktion im einzelnen begründen.
In Art. II Nr. 3 sollen in § 3 a Abs. 1 die Buchstaben a und b ergänzt werden. Dem Text soll der Zusatz angefügt werden:
sofern diese Wohnungen nicht zur Unterbringung kinderreicher Familien benötigt werden.
Diese Ergänzung wird sowohl für den Buchstaben a als auch für den Buchstaben b vorgeschlagen.
Damit in Verbindung steht - das habe ich eben schon gesagt - die Tabelle; sie hat den gleichen Wortlaut wie in Art. I § 2. Sie soll die Zahl jener Wohnungen, die aus der Bewirtschaftung sofort herausgenommen werden können, um ein Wesentliches reduzieren.
Schließlich schlagen wir vor, in § 3 aa einen neuen Abs. 1 a mit folgender Fassung einzufügen:
Die Bestimmungen von Absatz 1 gelten nicht für Wohnungen mit vier und fünf Wohnräumen einschließlich Küche, sofern diese Wohnungen zur Unterbringung kinderreicher Familien benötigt werden.
Auch solche Wohnungen sollte man aus den von mir vorhin erwähnten Gründen in der Bewirtschaftung belassen.
Unter Ziffer 12 haben wir drei Änderungsanträge zu § 3 b gestellt. In Abs. 1 sollen im zweiten Halbsatz des ersten Satzes die Worte „um weniger als 3 vom Hundert" gestrichen werden. Nach den von meiner Fraktion dargelegten grundsätzlichen Auffassungen kann die Bewirtschaftung erst bei einem ausgeglichenen Markt aufgehoben werden.
Eine Parallele dazu ist der Änderungsantrag Ziffer 12 Buchstabe c, der die Streichung dieser Worte in Abs. 4 des § 3 b verlangt.
Zu Abs. 3 liegt ebenfalls ein Änderungsantrag vor. Es heißt in der vorgeschlagenen Bestimmung, daß in Gemeinden die Wohnraumbewirtschaftung aufrechterhalten bleiben soll, wenn - das ist das Wesentliche im Vergleich zum Text der Ausschußvorlage - die Zahl der Wohnparteien die Zahl der vorhandenen Normalwohnungen am 31. Dezember 1959 um 2 vom Hundert überschritten hat. Der Abs. 3 b der Ausschußvorlage würde damit zu einem Teil entfallen.
Der nächste Änderungsantrag bezieht sich auf § 3 h Abs. 1. Es handelt sich wieder um die Streichung der Worte „um weniger als 3 vom Hundert".
Herr Abgeordneter Berlin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Will?
Bitte schön!
Herr Berlin, ich habe die Vermutung, daß Ihr Antrag offenbar auf einem Irrtum beruht.
Ich bitte Sie, eine Frage zu stellen Herr Abgeordneter Will!
Eine Streichung der Worte „um weniger als 3 vom Hundert" würde bedeuten, daß in allen Fällen, in denen die Zahl der Wohnparteien die Zahl der vorhandenen Wohnungen überschreitet, eine Bewirtschaftung nicht mehr möglich sein würde. Sie würden jedenfalls mit dem von Ihnen beantragten Wortlaut genau das Gegenteil von dem erreichen, was Sie wollen.
Herr Abgeordneter Will, ich höre noch immer kein Fragezeichen.
Ich glaube, daß Sie das prüfen müssen.
Vielleicht melden Sie sich hinterher zu Wort.
Das dürfte richtiger sein. Ich habe jetzt auch nicht verstanden, worauf Sie hinaus wollen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Preusker?
Bitte schön!
Ich bitte aber, eine Frage zu stellen.
Ich möchte Sie fragen, ob Sie den Wortlaut der Ziffer 13 b wirklich überprüft haben. Da fehlt nämlich etwas.
Herr Dr. Preusker, es handelt sich um § 3 h Abs. 2. Dazu beantragen wir die in der Vorlage Umdruck 653 vorgesehene Fassung. Sie soll zu einem wesentlichen Teil darin bestehen, daß dem Text der Ausschußvorlage hinzugefügt wud:
wenn die Zahl der vorhandenen Normalwohnungen am 31. Dezember des vorangegangenen Jahres 2 vom Hundert überschritten hat.
Das ist, glaube ich, gar nicht falsch; das paßt sich durchaus an.
({0})
Danke schön. Ich werde es klären. Jedenfalls entspricht das Anliegen der allgemeinen Auffassung meiner Fraktion.
Dann kommt unter Ziffer 14 die Änderung von § 3 i Abs, 1. Dort soll der zweite Satz wie folgt gefaßt werden:
Auf Antrag einer kreisfreien Stadt, eines Landkreises oder einer Gemeinde eines Landkreises können die Landesregierungen durch Rechtsverordnungen die Wohnraumbewirtschaftung vor den in den §§ 3 b bis 3 h angegebenen Terminen aufheben, wenn die wohnungswirtschaftlichen Verhältnisse dies rechtfertigen.
Das bedeutet, daß im Gegensatz zum Ausschußtext, in. dem es heißt: „s ollen die Landesregierungen" - hier heißt es „können die Landesregierungen" - auch den Landesregierungen die Möglichkeit gegeben werden soll, mit zu überlegen. ob von der Sache her eine solche Aufhebung auf Antrag ,der Gemeinden gerechtfertigt ist.
Unter Ziffer 15 ist entsprechend der von mir gegebenen Begründung die Fassung eines neuen § 3 k mit der entscheidenden Änderung vorgesehen, daß die Worte am Schluß ,dieses neuen Paragraphen „vorgesehene Wohnungsbauleistung voraussichtlich nicht erreicht wird" entsprechend der Stellungnahme, die auch der Bundesrat eingenommen hat, eben jene Unbekannte vermeiden sollen, von der ich sprach.
In Ziffer 16 wird, wie ich vorhin betont habe, die Streichung des § 38 gewünscht.
Ich bitte Sie, soweit es sich vor allem um die kinderreichen Familien handelt, unseren Anträgen zuzustimmen, denn ich habe nicht viel Hoffnung, daß es seitens der CDU bei den anderen diskutierten Fragen geschehen wird.
Herr Abgeordneter Dr. Will, wünschen Sie das Wort? - Bitte sehr!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf zunächst einmal auf die Frage zurückkommen, die ich an meinen Herrn Vorredner gerichtet habe. Ich möchte etwas aufklären.
({0})
- Entschuldigung, dann war das offenbar ein Irrtum.
Dann darf ich grundsätzlich folgendes zu dem Artikel sagen: Hier geht es um die Aufhebung des Wohnraumbewirtschaftungsgesetzes. Wir sind der Auffassung, daß das Abbaugesetz ein liberales Gesetz ist und bleiben muß. Infolgedessen ist also alles, was nach Bewirtschaftung, nach Zwangswirtschaft aussieht, nicht im Sinne der Bestrebungen, die diesem Gesetz zugrunde liegen. Daß die Bewirtschaftung ein Überbleibsel aus zwei Weltkriegen ist, ist uns allen bewußt. Wir sind der Meinung, daß man möglichst schnell mit einer Einrichtung zu Ende kommen sollte, die sich vielleicht in den abgelaufenen Jahren als nötig erwiesen hat, daß es jedoch höchste Zeit ist, nun endlich damit Schluß zu machen. Die Wohnungsämter sind überholt, man sollte sie so schnell wie möglich abschaffen. Wenn es noch eines Übergangszeitraums bedarf, so ist er in diesem Gesetz ja enthalten. Wir sind aber der Meinung, daß ein Schlußpunkt festgesetzt werden .soll; er ist mit dem 1. Januar 1966 - dieses Datum ist es wohl - in Aussicht genommen. Diesen letzten Paragraphen also zu streichen, würden wir für völlig unmöglich halten.
Nun sind eine Reihe von Änderungsanträgen eingereicht worden, über die ein Wort zu sagen sein wird, insbesondere soweit es sich darum handelt, daß die Tabelle, die in § 3 aa des Gesetzes enthalten ist, geändert werden soll. So sieht es der Änderungsantrag der SPD in bezug auf andere Mietsätze vor; er sieht z. B. 50 statt 40 DM vor, 60 statt 50. Man will also bei der Aufhebung der Wohnraumbewirtschaftung noch etwas mildern, indem man nur bei höheren Mieten die Aufhebung der Bewirtschaftung zulassen will.
Es handelt sich dabei nicht etwa darum, daß die jetzt in diesen Wohnungen sitzenden Parteien durch die Aufhebung der Wohnraumbewirtschaftung irgendwie betroffen werden; darüber müssen wir uns nachher beim Mieterschutz unterhalten. Es handelt sich doch immer nur um die Neubelegung des Altwohnungsbestandes und nicht um das Mietverhältnis, das vielleicht schon seit Jahren oder Jahrzehnten besteht. Dadurch wird die Tragweite dieser Bestimmung doch ganz erheblich gemindert.
Nun haben Sie - das hat viel Bestechendes für sich - ein Wort für die Sonderbehandlung der kinderreichen Familien gefunden. Darf ich dazu folgendes sagen: Es handelt sich hier um Wohnungen mit 5 und 6 Räumen, also die Großwohnungen. Normalerweise werden diese Wohnungen ohnehin nicht von Junggesellen oder kinderlosen Ehepaaren gemietet werden. Diese werden normalerweise nicht sechs Wohnräume benötigen, sondern es werden ohnehin immer größere also kinderreiche Familien sein, die überhaupt dafür in Frage kommen. Auf der anderen Seite sehe ich aber auch nicht ein, weswegen solche Belastungen, die zweifellos in sich berechtigt sind, immer nur dem Hausbesitzer zugemutet werden sollen, einer ganz bestimmten Gruppe, die in ihrer Entscheidungsfreiheit über ihr Hauseigentum gehemmt werden soll. Wenn derartige Gesichtspunkte, die an sich berechtigt sind, zum Tragen kommen sollen, wird man einen anderen Weg suchen müssen, als daß man hier die Zwangswirtschaft aufrechterhält, und zwar möglichst noch auf unbestimmte Zeit. Man ist eben der Meinung, daß an die Hausbesitzer, die ja daran gewöhnt sind, unter einem Sonderrecht zu leben, auch weiterhin eine solche Zumutung gestellt werden könne. Ich halte das nicht für den richtigen Weg, sondern glaube, daß diese Großwohnungen auch in Zukunft ohnehin an große Familien vermietet werden. Wenn hier Schutzmaßnahmen erforderlich sind, kann ein anderer Weg gefunden werden, zum Beispiel über die schon erwähnten Eigenheime. Es gäbe aber auch andere Möglichkeiten, zu verhindern, daß die Vertragsfreiheit auf unabsehbare Zeit eingeengt wird, und zwar für die Hauseigentümer, die zufälligerweise Häuser mit Großwohnungen haben. Diese Wohnungen mit fünf und sechs Räumen haben ohnehin gewöhnlich Mietpreise, die es den kinder6724
reichen Familien sowieso nicht ganz leicht machen, solche Wohnungen zu beziehen, weil der Kinderreichtum nicht mit dem Reichtum in dem Sinne, wie man ihn sonst versteht, zu vergleichen ist. Meist ist das Gegenteil der Fall.. Es gibt ohnehin schon Beschränkungen für kinderreiche Familien; sie können nicht ohne weiteres die Großwohnungen, auch wenn sie dafür reserviert sind, in Anspruch nehmen. Allerdings werden sie es wegen der Personenzahl immer dann tun, wenn sie wirtschaftlich die Möglichkeit dazu haben.
Ich erkenne zwar die moralischen Argumente, die hier vorgebracht werden, ausdrücklich an; aber ich kann sie deshalb doch nicht billigen. Die Beseitigung der Wohnungszwangswirtschaft bei einem speziellen Bedarf, der auf andere Weise gedeckt werden muß, sollte ein Ende finden. Wir werden aus diesem Grunde die Anträge der SPD ablehnen.
Wird weiter das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Dr. Preusker!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch die DR-Fraktion hat Ihnen zu diesem Paragraphen zwei Abänderungsanträge vorgelegt. Den ersten davon möchte ich zurückziehen; das ist Ziffer 5, Herr Präsident. Nachdem Sie, meine Damen und Herren - auf Veranlassung des Herrn Kollegen Mick, der die Sorge hatte, über die Wiederherstellung der Regierungsvorlage könnte die CDU nach links und rechts auseinanderfallen -, bereits eindeutig bewiesen haben, daß das nicht der Fall ist, hat es wohl keinen Sinn, noch einmal dasselbe feststellen zu lassen. Mit dieser Feststellung verknüpfe ich allerdings die Bitte an die CDU-Fraktion, doch noch einmal zu prüfen, ob sie unserem Antrag zu Ziffer 6 nicht geschlossen - nicht etwa nach links oder rechts auseinanderfallend - zustimmen könnte.
Ich muß dazu noch ein paar Worte sagen. Das, was in der Ausschußfassung steht, war in der Regierungsvorlage nicht enthalten. Noch nicht einmal in den Ausschußberatungen in der zweiten Lesung war es die Meinung, daß man von dem, was die Regierung vorgelegt hatte, abgehen sollte. Auf eine Art spontane Blitzreaktion, auf eine Intervention eines Vertreters des Bundesrates hin, hat man das geändert. Die Regierungsvorlage sah vor, daß bei Vorliegen der gesetzlichen Tatbestände automatisch die Rechtsfolgen der Beendigung der Wohnungsbewirtschaftung eintreten sollten. Das ist nunmehr dahin geändert worden, daß der Hauseigentümer für jede einzelne Wohnung einen Antrag stellen muß. In dem Antrag müßte er darlegen, daß die gesetzlichen Bestimmungen auf diese Wohnung zutreffen.
Ich möchte diesen Paragraphen so etwa als den Arbeitsbeschaffungsparagraphen für die am Ableben befindlichen Wohnungsämter bezeichnen.
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Mindestens in der Hälfte der Bundesrepublik würden doch mit Hilfe von Stellenanzeigen, oder was
weiß ich, erst wieder neue Wohnungsämter errichtet werden müssen, die diese Anträge zu prüfen, zu bearbeiten hätten und die gewissermaßen für jede einzelne Wohnung einen Freistellungsbescheid zu erteilen hätten, daß sie nach dem Gesetz wirklich der Wohnraumbewirtschaftung nicht mehr unterliegt. Sie wissen, was der Sprecher des Bundesrats bei uns im Ausschuß über die segensreiche Institution der Wohnungsämter gesagt hat. Er sagte: Nach 15 Jahren sind - ich will es einmal ins Burschikose übertragen die Helden etwas müde geworden, und zum Teil ist also die volle Einsatzbereitschaft dieser Institutionen wirklich nicht mehr vorhanden. Wollen wir denn nicht dort, wo wir die Bürokratie bis jetzt schon abgebaut haben, diese bereits entschlafene Einrichtung ruhen lassen und denjenigen, die als Hauseigentümer nun Anträge stellen sollen, sowie den Behörden, die sie dann einzeln, millionenfach nachher entscheiden sollen, das alles ersparen? Durch die von uns beantragte Wiederherstellung der Regierungsvorlage würde sich materiell nichts zugunsten oder zuungunsten der Mieter oder Vermieter ändern, sondern lediglich eine unnötige bürokratische Erneuerungsaktion bei den Wohnungsämtern und eine Verzögerung und Verärgerung auf allen Seiten ausgeschaltet werden.
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Das Wort hat der Herr Bundesminister für Wohnungsbau.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf einen Augenblick als kinderreicher Familienvater sprechen. Ich warne dringend davor, Familien mit Kleinkindern in der Zukunft zwangsweise in Mietwohnungen einzuweisen.
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Denken Sie an die Frauen und Mütter, die das zu ertragen haben. Es hat den Anschein, Herr Kollege Berlin, als ob von der Beibehaltung der Wohnraumbewirtschaftung für Sechs- und Mehrraumwohnungen das Glück oder die Unterbringung der kinderreichen Familien abhinge. Dem ist nicht so. Den Familien mit Kindern müssen wir dadurch helfen, daß wir Freiheit in der Wohnraumbewirtschaftung schaffen,
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daß wir die Familien mit Kindern in die Lage versetzen - das tun wir über die Zahlung von Mietbeihilfen -, größere Wohnungen zu bezahlen, damit die Hausbesitzer diese Familien mit Kindern freiwillig aufnehmen.
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Auch das vorhin zitierte Familienheimgesetz hat leider noch nicht den gewünschten Erfolg.
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Es wurde geschaffen, damit Wohnungen und Eigenheime für Familien mit Kindern gebaut werden.
Ich hoffe, daß gerade diese Beratung dazu beitragen wird, die Grundziele des Familienheimgesetzes in die Erinnerung zurückzurufen. Durch die Wohnraumbewirtschaftung ist das Problem der Unterbringung der Familien mit Kindern nicht gelöst worden.
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Darum haben wir diesen schauerlichen Zustand in unseren großen Städten, daß die Familien mit Kindern heute in Baracken und Nissenhütten untergebracht sind. Wenn man mit der Wohnraumbewirtschaftung in der Lage gewesen wäre, diese Frage zu lösen, hätten wir in Hamburg, Berlin, in München und wo es sein mag, nicht so viele Familien mit Kindern in Baracken, Nissenhütten und ähnlichen behelfsmäßigen Unterkünften.
Die Freiheit, die wir in der Wohnraumbewirtschaftung schrittweise einführen wollen, ermöglicht es, daß die Familien mit Kindern von den Hausbesitzern in die Wohnungen aufgenommen werden können, weil diese Familien mit Kindern in der Zukunft wirtschaftlich in der Lage sind, die Mieten für diese Wohnungen zu bezahlen. Das wollen wir mit der Vorlage erreichen.
Ich bitte deshalb dringend darum, die Anträge der DP und der SPD im Interesse der Familien mit Kindern abzulehnen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Mick.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem „Lavater" Preusker seinen Antrag zurückgezogen hat, bleibt nur noch „Basedow", der Kollege Berlin übrig. Wir lehnen diesen Antrag, d. h. die Änderung der Tabelle genauso ab, wie wir sie soeben beim Bundesmietengesetz abgelehnt haben.
Aber zunächst ein paar Worte an Sie, Herr Kollege Dr. Preusker! Sie haben mit beredten Worten für Ihren Antrag unter Ziffer 6 gefochten. Ich bin überzeugt davon, daß Sie genausogut wissen wie ich, daß, wenn wir Ihrem Antrag stattgeben, praktisch überhaupt keine Kontrolle mehr darüber besteht, ob die Wohnraumbewirtschaftung gegeben oder nicht gegeben ist. Wir würden uns als Gesetzgeber, ich möchte fast sagen, lächerlich machen, wenn wir Gesetze verabschiedeten, deren Einhaltung durch nichts mehr kontrolliert werden könnte. Wir müssen deshalb diesen Antrag ablehnen.
Ich möchte gleich auf den weiteren Antrag der Fraktion der Deutschen Partei unter Ziffer 7 eingehen. Er ist nicht von sehr großer Bedeutung, Herr Kollege Dr. Preusker. Denn in der Regel wohnen bereits Mieter in den Wohnungen, die modernisiert werden, so daß die Wohnraumbewirtschaftung ohnehin entfällt. Es könnte nur die seltene Ausnahme in Betracht kommen, daß ein Mieter die Wohnung wechselt. Für diesen seltenen Fall sollten wir die Vorschriften nicht ändern; das lohnt sich nicht.
Zu den Anträgen der Fraktion der SPD muß ich folgendes sagen. Ich bin eigentlich etwas erstaunt darüber, daß Sie so viel Gewicht auf Wohnraumbewirtschaftung legen. Die Wohnraumbewirtschaftung erscheint mir nur in Verbindung mit den Mieten interessant. Die Erfahrung hat doch gezeigt, daß es keineswegs möglich war, mit Hilfe der Wohnraumbewirtschaftung die Wohnungen annähernd gerecht zu verteilen. Sie wollen gerade für die kinderreichen Familien etwas Besonderes tun. Das ist der Personenkreis, der trotz all der gesetzlichen Möglichkeiten, die es bis heute gab, unter den Schlitten kam. Gesetze zu verlängern, bei denen dieser Personenkreis weiter unter den Schlitten kommt, dazu besteht keine Veranlassung. Wir meinen, daß hier mit anderen Mitteln, die bereits angesprochen wurden, zu helfen ist.
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- Sie sind unter den Schlitten gekommen, Herr Berlin, so wie es der Herr Minister sagte - ob aus wirtschaftlichen Gründen, sei dahingestellt; das glaube ich nicht, sondern weil die Wohnraumbewirtschaftung und die Wohnraumbewirtschaftungsbehörden diese Familien nicht mit Wohnraum versorgen konnten. Ich bin der Meinung, daß mit dem Zweiten Wohnungsbaugesetz kinderreichen Familien in einem eminent höheren Maße geholfen worden ist als durch die gesamte Wohnraumbewirtschaftung.
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Ich sehe also keine Veranlassung, in bezug auf Wohnraumbewirtschaftung noch etwas mitzuschleppen. Wir haben - und das ist für mich entscheidend - bei den bisherigen Beratungen doch immerhin festgestellt, daß der Wohnungsfehlbestand bei der 3%-Klausel praktisch bei 2 % liegt, vielleicht sogar darunter. Die Mieten können nicht zu einem Zeitpunkt freigegeben werden, zu dem der Markt noch nicht einigermaßen im Gleichgewicht ist. Ich hätte mir eine andere Konstruktion vorstellen können als die, daß die Mietenfreigabe gerade an die Wohnraumbewirtschaftung geknüpft werden soll. Ohne diese Koppelung hätte ich keine Bedenken gehabt, diesen alten Bewirtschaftungsplunder - entschuldigen Sie den Ausdruck - sofort über Bord zu werfen.
Ich darf also bitten, die Anträge, die sich mit der Wohnraumbewirtschaftung befassen, abzulehnen. Die Wohnraumbewirtschaftung ist nach unserer Meinung - das ist in der Vergangenheit bewiesen und erhärtet. worden - kein Mittel, Wohnungen zu schaffen; das steht von vornherein fest.
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- Entschuldigen Sie, Herr Dr. Brecht, ich habe nicht gesagt, daß Sie das behauptet haben. Ich habe nur gesagt, daß das unsere Meinung ist. Auf Sie habe ich überhaupt nicht Bezug genommen. Sie müssen
sich nicht so sehr in den Mittelpunkt des Parlaments stellen.
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Wir haben auch eine eigene Meinung, ohne von der SPD inspiriert worden zu sein.
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Wir sind also der Meinung, daß durch die Wohnraumbewirtschaftung weder Wohnungen geschaffen noch gerecht verteilt werden können.
Ich darf hier gleich auf den Antrag der FDP eingehen, nach dem der § 32 gestrichen werden soll. Wir bitten, diesem Antrag nicht stattzugeben. Der § 32 ist nach unserer Meinung nämlich zu folgendem gut. Er verhindert, daß einer zum Kadi läuft, wenn er nicht vorher weiß, daß er im Rahmen der Wohnraumbewirtschaftung von seiner Wohnung auch entsprechenden Gebrauch machen kann, wenn ihm der Kadi recht gibt.
Herr Kollege Berlin, Sie haben bei Ihrer Argumentation die Gewerkschaften angeführt. Ich meine, die Wohnraumbewirtschaftung ist der schwächste Punkt, um die Gewerkschaften hier ins Feld zu führen. Das hätte man vorher tun müssen - aber das ist nicht geschehen -, dann hätte man darauf eine Antwort geben können. Die Gewerkschaften sollten ihr Pulver für andere Dinge trockenkalten und nicht ausgerechnet bei dem Kampf um die Verlängerung der Wohnraumbewirtschaftung verwenden.
Ich glaube, wir gehen wirklich kein Risiko ein, wenn wir den in der Ausschußvorlage vorgesehenen Termin für das Ende der Wohnraumbewirtschaftung festlegen. Ich darf bitten, der Ausschußvorlage zuzustimmen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Jacobi.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde mich bemühen, zur Frage der Wohnungszwangswirtschaft und speziell zur Frage der Wohnungsämter einen kurzen und dazu sachlichen Diskussionsbeitrag zu liefern. Ich glaube, wir sollten diese Dinge allesamt sehr nüchtern betrachten und sollten Leidenschaft auf andere Fragen verwenden, ,die wichtiger sind. Aber zu dieser nüchternen und sachlichen Betrachtung gehört auch ein Wort, das ich zu sprechen mich verpflichtet fühle, nachdem ,die Wohnungsämter so generell als unnötige und unnütze Einrichtungen bezeichnet worden sind. Es muß bei einer sachlichen Betrachtung anerkannt werden, daß von .den Wohnungsämtern über Jahrzehnte das Bemühen an den Tag gelegt worden ist, zu einer gerechten Wohnungsverteilung und nicht zuletzt dazu beizutragen, daß kinderreiche Familien untergebracht wurden. Wenn im Laufe der Zeit Schwierigkeiten auftraten, meine Damen und Herren, dann fassen Sie sich hier in diesem Hause einmal an die Nase und überlegen Sie, ob Sie nicht durch die eine oder andere gesetzliche Maßnahme mit dazu beigetragen haben, die Unterbringung kinderreicher Familien zu erschweren. Ich brauche nur vom Wahlrecht des Vermieters und den damit verbundenen Erschwerungen zu sprechen, um klarzustellen, ,daß es nicht die Unfähigkeit von Bürokraten gewesen ist, die dafür den Ausschlag gegeben hat, das just ,die Unterbringung von Sozialfällen immer schwieriger wurde. Wir sollten wirklich daran denken, daß es ja auch nicht nur eine Frage .der wirtschaftlichen Betrachtung, eine Frage der Mieten ist, sondern daß es eine Frage auch der Gesinnung ist, wie man sich zu kinderreichen Familien verhält.
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Dazu ist außerhalb dessen, was ein Gesetzgeber tun kann und was von hier aus veranlaßt werden kann, zu sagen: Es täte manchem gut, sich selber daraufhin zu prüfen, ob er berechtigt ist, große Worte von der Förderung der kinderreichen Familie zu sprechen, wenn er in der Praxis nicht bereit ist, diesen kinderreichen Familien zu helfen.
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- Wen ich ,damit meine? Ich meine damit beispielsweise, Herr Kollege, Hausbesitzer, die von Familienpolitik sprechen, aber nicht bereit sind, in ihrem Falle auch entsprechende Konsequenzen zu ziehen.
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Ich kann Ihnen mit zahlreichen Beispielen dienen. - Ich will ,damit nur an uns alle appellieren, in diesen Fragen ehrlich zu sein und nicht jeden Augenblick den Versuch zu machen, gegenseitig zu polemisieren. Die Problematik der kinderreichen Familien ist nach wie vor groß.
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Wir haben in diesem Hause einiges getan, um ihnen zu helfen. Nur wollen und dürfen wir die Dinge nicht so darstellen, als ob das sozusagen eine Frage der Abschaffung der Wohnungsämter und der Herstellung eines freien Marktes wäre und man damit dieses Problem lösen könnte.
Ich ,gebe ohne weiteres zu, meine Damen und Herren: die beste Wohnform für kinderreiche Familien ist ,das Eigenheim. Ohne jede Frage! Aber dieses Eigenheim hängt für viele in der Luft. Dieses Eigenheim wird auch nicht gefördert nur durch finanzielle Hilfen. Wenn wir dieses Eigenheim schaffen wollen, bedarf es anderer Maßnahmen, als Sie sie bisher getroffen haben, und bedarf es auf Ihrer Seite vor allem eines stärkeren Mutes, zur Baulandbeschaffung beizutragen.
Herr Abgeordneter Jacobi, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Baier?
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Herr Kollege Jacobi, ich freue mich sehr über Ihr Bekenntnis.
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Baier ({1})
Aber würden Sie mir bitte auch erklären, warum Sie trotz dieses Bekenntnisses mit Ihrem heutigen Antrage die Rangfolge für den Eigenheimbau, die doch speziell auch die kinderreichen Familien begünstigt, abbauen wollen?
Einen Moment, Herr Kollege. Zu diesem Antrage wird nachher noch gesprochen werden. Ich glaube - ich habe ihn nicht vor mir liegen -, es ist darin die Rede von gleichen wohnungspolitischen Verhältnissen oder Erfordernissen, genauer von der gleichen wohnungspolitischen Dringlichkeit. Das wollen Sie gütigst dabei beachten. - Es ist aber nicht meine Aufgabe, zu diesem Antrag zu sprechen.
Lassen Sie mich nur noch wenige Sätze zum Schluß sagen. Ich bitte Sie, eines zu verstehen. Wir haben leider nicht die Möglichkeit, so optimistisch in den kommenden Markt hineinzuschauen, wie Sie es sich zur Regel gemacht haben. Wir fürchten ({0})
Verzeihen Sie: mir ist schon mal entgegengehalten worden, Herr Kollege Hesberg, ich sei so eine Art Kassandra in diesem Hause. Die Kassandra hat aber recht behalten.
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Denken Sie einmal darüber nach. In vielen, vielen Dingen, muß ich Ihnen sagen, sind Ihre optimistischen Erwartungen nicht erfüllt worden.
Ich gebe zu, daß hier ein Problem besonderer Art vorliegt. Trotzdem müssen z. B. die Ballungsräume, die sich in einer besonderen Situation befinden, nach wie vor Gegenstand unserer Sorge sein. Hier hat vielleicht das eine oder das andere Wohnungsamt doch die Möglichkeit, in Notfällen etwas zu tun und zu einer gerechten Verteilung des Wohnraums beizutragen. Der SPD geht es hier nicht - um das zu sagen, habe ich mich gemeldet - um die Wohnungszwangswirtschaft. Zwangswirtschaft ist Notwirtschaft, und wo diese Not zu Ende geht, muß man die Zwangswirtschaft aufheben.
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Wir kämpfen nicht für die Wohnungszwangswirtschaft. Wir kämpfen nur dafür, daß dort, wo es Einrichtungen gibt, die in Zeiten des Mangels eine gewisse Möglichkeit haben, für eine gerechte Verteilung zu sorgen, diese Einrichtungen nicht einfach mit einer Handbewegung vom Tisch gewischt werden.
Mietbeihilfen, meine Damen und Herren - und das soll meine Schlußbemerkung sein -, können hier nicht wesentlich zu einer Änderung der Verhältnisse beitragen. Sie können die Lage in einem Einzelfall vielleicht ein wenig verbessern. Notwendig ist hier nicht so sehr eine Korrektur der Gehälter und der Löhne. In dieser Frage ist eine Korrektur der Gesinnung notwendig, und dazu haben wir alle mehr zu tun, als bisher getan worden ist.
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Das Wort hat Herr Bundesminister Lücke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin dem Herrn Kollegen Jacobi für das letzte Wort dankbar und greife es auf: Um den kinderreichen Familien wirklich zu helfen, brauchen wir eine Korrektur der Gesinnung.
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Die bisherige Rechtslage - das wollte ich noch aufklärend sagen, meine Damen und Herren - ermöglicht es den Wohnungsämtern, ohne Auswahlrecht kinderreiche Familien direkt einzuweisen. Ich habe auf dieses Recht in einem Rundschreiben an die Länder noch einmal hingewiesen. Warum aber funktioniert das nicht? Weil das für die Wohnungsämter aus vielen Gründen fast unmöglich geworden ist - was ich nicht den Wohnungsämtern zuschiebe. Deshalb möchte ich noch einmal sagen: es ist der Zeitpunkt gekommen, daß man hier schrittweise in die Freiheit überleitet. Ich möchte bei dieser Gelegenheit das wiederholen, was ich bei der ersten Lesung sagte: Die Verdienste der Wohnungsämter in dieser schweren hinter uns liegenden Zeit hat die Bundesregierung gewürdigt, und ich tue es jetzt noch einmal. Aber jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, daß wir behutsam, schrittweise die Ämter abbauen und den Markt, die soziale Marktwirtschaft an die Stelle der zwangswirtschaftlichen Bestimmungen treten lassen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Preusker.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundeswohnungsbauminister hat empfohlen, den von mir begründeten Antrag, in der Methodik des Abbaus der Wohnungszwangswirtschaft die Regierungsvorlage wiederherzustellen, abzulehnen. Zur Begründung hat er gesagt, wenn man hier die Regierungsvorlage wiederherstelle, könne die Unterbringung der Kinderreichen erschwert werden.
Ich glaube, man wird doch nicht im Ernst annehmen, die Bundesregierung habe hier eine Vorlage gemacht, die sich irgendwie zuungunsten der Kinderreichen hätte auswirken können. Ich nehme an, daß das nichts anderes als ein Versehen in der Äußerung meines Amtsnachfolgers gewesen ist. Denn er hat selber - ich möchte seine Begründung hier nicht noch einmal ausführlich zitieren - für diese Form angeführt, es sei auch im Interesse der Entlastung der Verwaltung an der Zeit, die Wohnraumbewirtschaftung dort abzubauen, wo sie nicht mehr unbedingt nötig sei.
Ein Zweites. Mit der Vergangenheit der Wohnungsämter habe ich mich überhaupt nicht beschäftigt, sondern nur mit der Zukunft, mit dem, was nach Inkrafttreten des Gesetzes noch sein soll oder nicht. Jetzt bitte ich doch einmal, wirklich zu überlegen, ob in der Frage auch nur der geringste Ansatzpunkt für irgendeine Polemik, die etwas mit Kinderreichen oder weniger Kinderreichen zu tun haben könnte - wohlgemerkt: zuungunsten der Bun6728
desregierung, deren Vorlage wir ja wiederherstellen möchten -, stecken kann. Die Wohnraumbewirtschaftung soll nach dem Regierungsvorschlag nach den Merkmalen, die die Bundesregierung gesetzt hat, zu den gegebenen Zeitpunkten für die davon betroffenen Wohnungen entfallen. Praktisch wird also eine Wohnungsbehörde, wenn sie weiterhin der Meinung ist, sie könnte noch eine bestimmte Wohnung bewirtschaften, ohnehin an den betreffenden Hauseigentümer herantreten und sagen: Bitte, ich mache von meinem Bewirtschaftungsrecht Gebrauch. Der Hauseigentümer wird dann sagen: Du hast hier gar kein Recht mehr; denn nach dem Gesetz bin ich draußen. So wäre es nach der Regierungsvorlage.
Nach dem Ergebnis der letzten Ausschußberatung soll jetzt nicht nur in den Einzelfällen, sondern generell für alle Wohnungen, die überhaupt in Betracht kommen, dieses Einzelbescheidverfahren angewandt werden.
Meine Damen und Herren, es wird doch nichts verändert, es wird nichts gewonnen. Wo die Wohnungsbehörden noch funktionieren, wo sie noch ihre Funktion ausüben wollen, wenn auch irrtümlich, werden sie handeln und unter Umständen irrtümlich handeln, und dann wird der betreffende Hauseigentümer sagen: Das Gesetz steht mir zur Seite. Oder aber das Wohnungsamt wird sagen: Du, Hauseigentümer, hast das Gesetz falsch ausgelegt; wir haben recht; du unterliegst nach wie vor der Bewirtschaftung. Sie aber wollen jetzt buchstäblich für alle Wohnungen das umgekehrte bürokratische Verfahren neu statuieren, also die Behörden auch dort, wo sie gar nicht mehr funktionsfähig sind, in diese Situation bringen.
Um mehr als diese Entscheidung geht es nicht. Ich muß noch einmal zugunsten der Regierungsvorlage feststellen: Das hat mit der Frage, ob den Kinderreichen bessere oder weniger Möglichkeiten geboten werden, wirklich nicht das mindeste zu tun. Über alles das, was man in dieser Frage tun kann und soll, ist schon gesprochen worden. Ich möchte hinzufügen: Das ist während meiner Amtszeit von mir genauso behandelt worden; da ist auch gehandelt worden. Dafür gibt es genügend Beweise. Ich habe auch gar nicht die Absicht, mich in dieser Beziehung gegen irgend jemand zu verteidigen.
Meine Damen und Herren, aufgerufen ist die Nr. 3 und damit die gesamten nach § 3 einzufügenden Paragraphen sowie die entsprechenden Ziffern des Antrags Umdruck B53 und des Antrags Umdruck 662. Wird zu diesem Gesamtkomplex noch das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung, zunächst über den Änderungsantrag Umdruck 653 Ziff. 10. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das zweite war die Mehrheit; abgelehnt.
Wer dem § 3 a in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; angenommen.
Wir kommen zu § 3 aa. Wer dem Änderungsantrag Umdruck 653 Ziff. 11 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das zweite war die Mehrheit; abgelehnt.
Ziffer 5 des Antrags Umdruck 662 ist zurückgezogen. Wer Ziffer 6 des Antrags zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Das zweite ist die große Mehrheit; abgelehnt.
Ich lasse abstimmen über § 3 aa in der Ausschußfassung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; angenommen.
Wir kommen zu § 3 b. Dazu liegt der Änderungsantrag Umdruck 651 Ziffer 12 vor. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Das zweite ist die Mehrheit; abgelehnt.
Wer § 3 b in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; angenommen.
Die §§ 3 c, 3 d, 3 e, 3 f und 3 g entfallen.
Ich komme zu § 3 h. Dazu liegt der Änderungsantrag Umdruck 653 Ziffer 13 vor, berichtigt mit den Worten „der Wohnparteien die Zahl" an der vorhin bezeichneten Stelle. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Das zweite ist die Mehrheit; abgelehnt.
Wer § 3 h in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; angenommen.
Antrag Umdruck 662 Ziffer 7 auf Einfügung eines § 3 hh! Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. ({0})
- Ich habe vorhin alles aufgerufen, und es hat niemand mehr das Wort gewünscht. Ich habe die Aussprache bereits geschlossen. - Wer also zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; abgelehnt.
Zu § 3 i liegt der Änderungsantrag Umdruck 653 Ziffer 14 vor. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Das zweite ist die Mehrheit; abgelehnt.
Wer § 3 i in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; angenommen.
Ich komme zu dem Antrag Umdruck 653 Ziffer 15 auf Einfügung eines § 3 k. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Der Antrag ist abgelehnt.
Damit ist Nr. 3 des Art. II erledigt.
Ich rufe auf Nr. 4. Wird hierzu das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer Nr. 4 zuzuVizepräsident Dr. Jaeger
stimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; angenommen.
Ich rufe auf Nr. 5. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe!
- Angenommen.
Ich rufe auf Nr. 6. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer Nr. 6 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Angenommen.
Ich rufe auf Nr. 7. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe!
- Angenommen.
Nr. 8 entfällt.
Ich rufe auf die Nrn. 9, - 10 und 11. - Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer den aufgerufenen Nummern zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Angenommen.
Die Nrn. 12 und 13 entfallen.
Ich rufe auf Nr. 14. Dazu liegt der Änderungsantrag der FDP Umdruck 659 ({1}) Ziffer 2 vor. Das Wort zur Begründung hat Frau Abgeordnete Dr. Diemer-Nicolaus.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bevor die FDP die Möglichkeit hatte, ihren Änderungsantrag zu begründen, haben Sie, Herr Berichterstatter Mick, sich schon ablehnend dazu geäußert und gesagt, in diesem Falle würde gegebenenfalls unnötig zum Kadi gelaufen. Herr Kollege, wir haben nun unsere Erfahrungen mit diesen Bescheinigungen in den letzten Jahren gesammelt. Ich gehöre noch zu den Anwälten, die auch Mietprozesse führen. Bei den Beratungen im Rechtsausschuß wurde auch über diese Frage gesprochen, und da kam doch eindeutig zum Ausdruck, daß sich diese Bescheinigungen mehr und mehr nur als eine formelle Sache erwiesen haben. Ich teile deshalb Ihre Auffassung nicht, daß mehr zum Kadi gelaufen würde, wenn eine derartige Bescheinigung nicht mehr verlangt würde. Nachdem vorhin schon auf Verwaltungsvereinfachung hingewiesen wurde, brauche ich jetzt nur zu wiederholen, was ich schon bei Beratung des Bundesbaugesetzes gesagt habe. Wir sollten auch bei der Überprüfung dieses Gesetzes überlegen, wo bisher bestehender Verwaltungsaufwand abgebaut werden kann. Dazu gehört nach Auffassung der Freien Demokraten diese Bescheinigung nach § 32.
Ich darf hier, Herr Präsident, auf den Zusammenhang mit unserem Antrag auf Umdruck 659 Ziffer 4 zu Art. III hinweisen: Nr. 2 - § 4 a des Mieterschutzgesetzes - wird gestrichen. Ich darf diese beiden Anträge zusammenfassen und möchte auf folgendes hinweisen. Wenn im Falle des Eigenbedarfs oder, wie es jetzt heißt, des Eigeninteresses eine Klage erhoben wird, können Sie sicher sein, daß unseren sehr erfahrenen Mietrichtern durchaus bekannt ist, nach welchen öffentlich-rechtlichen Gesichtspunkten der Eigenbedarf geprüft wird. Sie können sicher sein, daß ein Mietrichter einer derartigen Eigenbedarfsklage nicht stattgeben wird, wenn er der Auffassung ist, daß die öffentlich-rechtlichen Voraussetzungen für eine Zuweisung an den Vermieter nicht vorliegen. Ist z. B. die Wohnung unterbelegt und kann der Kündigende nicht mit einer Zuteilung des betreffenden Raumes rechnen, wird er dieser Klage bestimmt nicht stattgeben. Alle diese Umstände müssen von den Mietrichtern geprüft werden. Sie werden erfahrungsgemäß geprüft, und ich habe bisher immer die Feststellung gemacht, daß die Mietrichter alle das Mietverfahren betreffenden Vorschriften sehr gut berücksichtigen, gerade auch im Interesse des Mieters stark berücksichtigen und auch die öffentlich-rechtlichen Vorschriften nicht übersehen.
Ich bitte Sie deshalb dringend, hier einen kleinen Abbau unserer allzu stark angewachsenen Verwaltung vorzunehmen und einer Streichung des § 32 zuzustimmen bzw. diesen Paragraphen abzulehnen.
Wird weiter das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich lasse abstimmen über den Antrag Umdruck 659 ({0}) Ziffer 2. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe.
- Das ist die große Mehrheit; abgelehnt.
Ich lasse abstimmen über Nr. 14 in der Ausschußfassung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit. Es ist so beschlossen.
Wir kommen zu den Nummern 15, - 16 - und 17. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Nummern zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Es folgt Nr. 18 zusammen mit dem Antrag Umdruck 653 Ziffer 16. Wird das Wort gewünscht?
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- Es ist ein Streichungsantrag, über den man nicht besonders abzustimmen braucht.
Wer Nr. 18 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich lasse abstimmen über den gesamten Art. II in der bisher beschlossenen Fassung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Art. III. Dazu liegen die Änderungsanträge Umdruck 653 Ziffer 17 und Umdruck 659 ({0}) Ziffer 3 vor. Wer begründet den Antrag Umdruck 653 Ziffer 17? - Das Wort hat der Abgeordnete Hamacher.
Herr Präsident: Meine Damen und Herren! Im bunten Strauß der Vorschriften des
Gesetzes über den Abbau der Wohnungsbewirtschaftung in Verbindung mit einem sozialen Mietrecht beschäftigt sich Art. III der Vorlage mit dem Mieterschutz. Hierzu sagt der Berichterstatter, Herr Kollege Mick, in seinem Bericht zu Drucksache 1850 - und das hat er heute mündlich nachdrücklich bestätigt -, daß der Ausschuß für Wohnungswesen, Bau- und Bodenrecht in Übereinstimmung mit dem Rechtsausschuß hinsichtlich einer systematischen Umgestaltung und Neufassung des Mieterschutzgesetzes der Regierungsvorlage nicht gefolgt sei. Er sagte weiter, die von ihm im Namen des Ausschusses vorgelegte Fassung beschränke sich darauf, den Mieterschutz in nur wenigen Punkten zu ändern, da das Gesetz nach der Übergangszeit außer Kraft treten solle.
Hierzu möchte ich der Meinung meiner Fraktion dahingehend Ausdruck geben - diese Meinung ist von uns im Ausschuß nachdrücklich vertreten worden -, daß der Mieterschutz aus gesellschaftspolitischen Gründen auch über den vorgesehenen Auslauftermin hinaus bestehenbleiben sollte. Die Lehren und Erfahrungen einer jahrzehntelangen Wohnraumbewirtschaftung sollten wir im Hinblick auf unsere gesamte gesellschaftspolitische Entwicklung nicht außer acht lassen und sollten durch die Gesetzgebung das Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter in günstigem Sinne beeinflussen. Wie der Mieter auch in Zukunft nicht der Willkür einer Vermieters ausgesetzt werden darf, sollen auch dem Mieter Bindungen auferlegt werden, die den Vermieter bei der Wahrung seiner Rechte schützen und ihn vor Mißbrauch des dem Mieter anvertrauten Gutes bewahren.
Mehr möchte ich im Augenblick hierzu nicht sagen. Ich nehme an, daß bei der Beratung des Art. VI - Änderungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs - noch einiges ergänzend gesagt werden wird. Nur so viel meine ich bereits jetzt sagen zu sollen: die Übernahme eines § 556 a in das BGB und die Änderung des § 565 allein scheinen uns kein genügender Ersatz für den notwendigen Mieterschutz zu sein.
Nun zu Art. III, Nr. 1, § 4 der Vorlage. Meine Fraktion sieht sich außerstande, dem § 4 in der Ausschußfassung zuzustimmen. Wir erlauben uns, dem Hohen Hause unseren Änderungsantrag 653 Ziffer 17 vorzulegen.
Aus sachlichen Überlegungen möchte ich das dringende Interesse des Vermieters an dem Wohnraum des Mieters auf den Vermieter und die zu seinem Hausstand gehörigen Familienangehörigen beschränkt wissen. Das gilt vor allen Dingen dann, wenn im Zweifelsfalle angenommen werden kann, daß die zum Hausstand gehörigen Familienangehörigen wohnungsmäßig zu nicht zumutbaren Bedingungen untergebracht sind. In der Ausschußvorlage ist das dringende Interesse über die zum Hausstand des Vermieters gehörenden Familienangehörigen hinaus auf die zu seinem Hausstand gehörenden Personen ausgedehnt worden. Das aber scheint uns eine Ausdehnung zu sein, die nicht mehr definierbar und darum unvertretbar ist. Wer sind z. B. die zu einem Hausstand gehörenden Personen außer Ehegatten, Kindern und nahen Verwandten, die sowieso zum Kreis der Familienangehörigen gehören? Allenfalls kommen Hausangestellte in Betracht, soweit sie einen eigenen Hausstand nicht haben und unmittelbar im Haushalt tätig sind. Alles, was darüber hinausgeht, öffnet Manipulationen Tür und Tor und kann von uns nicht hingenommen werden. Die Erfahrungen aus der Praxis bei den Streitfällen vor den Mieteinigungsämtern und den Gerichten sollten uns eine Warnung sein. Im übrigen sollte man sich in diesem Falle gerechterweise fragen: Wo ist denn da der Mieterschutz?
Mit unserem Antrage dürfte dem berechtigten, wenn Sie so wollen, dem überwiegenden Interesse des Vermieters vollauf Rechnung getragen sein. Bei Annahme unseres Antrages könnte der Buchstabe a in Abs. 1 gestrichen werden, was hiermit gleichzeitig beantragt ist.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Diemer-Nicolaus.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kollegen! Erlauben Sie mir, daß ich zuerst noch ein paar Worte zu der Frage sage, ob es tatsächlich notwendig ist, heute eine Änderung des bisherigen Mieterschutzgesetzes vorzunehmen. In der Regierungsvorlage wurde die Änderung damit begründet, daß schon das Änderungsgesetz eine Auflockerung bringen würde. Wie sieht es nun damit aus, wenn man, abgesehen von Formulierungen, auf die praktischen Wirkungen sieht? Da ist es genauso wie bisher. Zwar heißt es heute in den §§ 1 bis 3 „kündigen", aber in § 4 ist ganz bewußt wieder auf die Mietaufhebungsklage zurückgegriffen worden. Letzten Endes kann der Vermieter doch nur zu seinem Recht kommen, wenn er klagt. Es war schon bisher trotz dem bisherigen Mieterschutzgesetz durchaus möglich, daß ein unter dem Mieterschutzgesetz stehendes Mietverhältnis ohne eine Klage aufgehoben wurde, wenn sich nämlich Vermieter und Mieter darüber einig waren, daß eine Beendigung des Mietverhältnisses erfolgen sollte. Zu einer Klage kam es immer erst dann, wenn der Mieter sagte: Nein, ich will nicht ausziehen. Der Vermieter lief nicht gleich zum Kadi, sondern sagte erst zum Mieter: Ich kündige dir.
Nun hat das Mieterschutzgesetz gewiß sehr große Mängel. Ich bestreite das nicht, ich kenne sie aus der Praxis. Das Gesetz ist vor etwa 35 Jahren geschaffen worden. Wie es mit so langdauernden Gesetzen geht, die zuerst nur für eine Notzeit geschaffen waren, hat es ein sehr wechselvolles Schicksal hinter sich. Denken Sie an die Notzeiten zu Anfang der dreißiger Jahre. Damals standen an den Häusern wieder die Plakate „Wohnungen zu vermieten!" In dieser Zeit hat natürlich niemand nach diesem Kündigungsschutzgesetz gefragt. Erst als die Wohnungen wieder knapp wurden, erwachte es wieder zum Leben und nahm nach 1945 vor allen Dingen auch die Rechtsprechung in einem Umfang in Anspruch, wie das früher nie der Fall war.
Es hat sich nun in diesen Jahren eine maßgebliche Literatur dazu entwickelt, und es hat sich hierzu eine maßgebliche feststehende Rechtsprechung entwickelt, die für die Richter richtungweisend sind. Nun hätte ich ja nichts gegen eine Änderung dieses Mieterschutzgesetzes, wenn man damit rechnen müßte, daß dieses Mieterschutzgesetz noch für sehr viele Jahre hinaus Gültigkeit haben sollte. Aber gerade das wird abgelehnt. Dieses Mieterschutzgesetz ist jetzt befristet. Man sagt vollkommen richtig, dieses Mieterschutzgesetz ist ein Korrelat zu dem Wohnungsmangel, zu dem Wohnungsbedarf, und wenn dieser Wohnungsmangel beseitigt ist - vom Jahre 1963 ab, hoffen wir -, hat auch das Mieterschutzgesetz seine Bedeutung verloren.
Nun lassen Sie mich an eins erinnern: Man soll nicht Änderungsgesetze schaffen, wenn sie nur für einen kurzen Zeitraum erlassen werden sollen und wenn mit der bisherigen, gewohnten Regelung noch auszukommen ist. Ich bin nun der Auffassung - und gleichermaßen meine Freunde von der FDP -, daß man für diesen kurzen Zeitraum die jetzt bestehenden gesetzlichen Bestimmungen belassen soll, daß sich dagegen die Rechtsunsicherheit, die durch diese Änderungen erwächst, nur nachteilig für die Rechtsprechung auswirken wird.
Für den Fall, daß wir uns mit dieser Auffassung nicht durchsetzen sollten, habe ich gleichzeitig eine Begründung zu Ziffer 3 des von uns eingereichten Antrags Umdruck 659 zu geben. Hier geht es um den berühmten § 4, zu dem bereits mein Vorredner gesprochen hat. Jetzt wird es sich natürlich bemerkbar machen, daß wir - aus sehr verschiedenen Gründen - mit diesem § 4 nicht einverstanden sind. Dieser § 4 grenzt die Interessen - den Eigenbedarf, wie es bisher hieß - des Vermieters gegenüber den Interessen des Mieters ab. Ich hatte vorhin schon in meiner Begründung darauf hingewiesen, daß man jetzt anstatt von dem Eigenbedarf von dem Eigeninteresse des Vermieters ausgegangen ist. Die Auflockerung, die hierin liegt, verkennen wir in keiner Weise. Aber ich muß auf folgendes hinweisen: In Satz 2 wird ein 'zusätzliches Erfordernis aufgeführt, das bisher beim Eigenbedarf nicht erfüllt zu sein brauchte: der Vermieter muß nicht nur das dringende Interesse dartun, das er an dem Besitz der vermieteten Wohnung hat, sondern es wird jetzt noch als eine weitere Voraussetzung für die gerichtliche Entscheidung verlangt, daß nach Lage und Wohnraumversorgung mit einer anderweitigen angemessenen Unterbringung des Mieters und der zu seinem Hausstand gehörenden Personen zu zumutbaren Bedingungen auch innerhalb einer zu gewährenden Räumungsfrist gerechnet werden kann.
Bisher war es so: Der Vermieter brauchte nur seinen Eigenbedarf nachzuweisen, und der Mieter mußte gegebenenfalls nachweisen, aus welchen Gründen sein Interesse an der Beibehaltung der Wohnung das Interesse des Vermieters überwiegt. Wurde der Eigenbedarf bejaht, erging ein entsprechendes Urteil, und in dem Urteil wurden entsprechend lange Räumungsfristen je nach der Lage des Wohnungsmarktes auch gewährt. Wenn aber dann trotz der Räumungsfrist nicht geräumt werden
konnte, hatte der Mieter jederzeit die Möglichkeit, einen weiteren Räumungsschutz im Vollstreckungsverfahren zu beantragen. Es gibt vor allen Dingen den sehr weitgehenden Schutz des § 30 des Wohnraumbewirtschaftungsgesetzes. Nach der ursprünglichen Regierungsvorlage sollte nun dieser § 30 des Wohnraumbewirtschaftungsgesetzes entfallen. In diesem § 30 ist bestimmt, daß von dem Vollstrekkungsrichter die Vollstreckung gegebenenfalls vollständig ausgesetzt werden kann, bis eine angemessene Unterbringung des Mieters gesichert ist. Das ist praktisch das, was hier im Buchstaben a enthalten ist. Jetzt haben Sie aber in der Ausschußvorlage einen anderen Weg beschritten. Wir werden auf diese Dinge noch zu sprechen kommen. Es konnten ja längst nicht alle die Rechtsvorschriften behandelt werden, die behandelt werden sollten. Deswegen ist der im Regierungsentwurf gestrichene § 30 in der Ausschußvorlage jetzt wieder enthalten. Sie haben es jetzt also praktisch doppelt: Sie haben es einmal als materielles Recht in § 4 und hinterher noch einmal in dem beibehaltenen § 30 des Wohnraumbewirtschaftungsgesetzes stehen. Ich nehme diese Dinge, die an und für sich sehr juristisch sind, sehr ernst, weil Sie nämlich hier einen Weg beschreiten, der in unserem Recht nicht üblich war. Ein materieller Anspruch ist gerechtfertigt, wenn er in sich begründet ist, aber nicht davon abhängig, ob er nachher durch die Vollstreckung durchgesetzt werden kann. Als ich mich im Rechtsausschuß gegen diesen Buchstaben a wendete, wurde mir entgegengehalten, es gebe viele tausend Urteile, die nicht vollstreckt werden könnten, und so etwas schade der Rechtspflege und der Achtung vor gerichtlichen Entscheidungen ganz außerordentlich. Ich gebe durchaus zu, daß es nicht gut ist, wenn gerichtliche Urteile nicht durchgesetzt werden können. Aber gibt es das nur im Mieterschutzgesetz? Ist das nicht etwas, was wir in noch größerem Umfang bei allen Urteilen finden, die nicht sofort rechtsgestaltend sind? Nehmen Sie die vielen Forderungen, .die eingeklagt werden! Wer mit Vollstreckungen zu tun hat, weiß, daß viele Forderungen nachher im Vollstreckungsverfahren wegen der Vermögenslosigkeit des Schuldners einfach nicht beigetrieben werden können. Sie werden aber nie hören, daß darunter das Ansehen der Rechtspflege leidet.
Ich möchte zum Praktischen noch etwas anderes sagen. Wenn bisher der Vermieter wegen Eigenbedarfs oder aus sonstigen Gründen ein Mietaufhebungsurteil erstritten hatte, konnte ich als Rechtsanwalt ,dem Vermieter sagen: Ein Urteil hast du schon, aber wenn du willst, daß nachher auch vollstreckt werden kann, mußt du dich nochmals rühren, dann siehe zu, eine Ersatzwohnung zu beschaffen, verlasse dich nicht auf den Mieter. Der Mieter hat heute meist nicht das Interesse, sich nach einer anderen Wohnung umzusehen; sieh du dich um, daß ,du eine angemessene andere Wohnung beibringst! Ich kann Ihnen sagen, daß das meistens funktioniert hat. Wenn zunächst einmal die Vollstreckung eingestellt war und 'der Vermieter, der obsiegt hatte, eine entsprechende Wohnung, die angemessen war, beigebracht hatte, konnte sehr schnell auf Grund eines Antrages 'die Vollstreckung
weiter durchgeführt werden. Das wäre nach der vorgesehenen Regelung nicht mehr möglich; denn wenn eine derartige Klage abgewiesen wird, weil in dem Zeitpunkt trotz des dringenden Eigeninteresses mit einer angemessenen Unterbringung nicht gerechnet werden kann, müßte der Vermieter, wenn er eine neue Wohnung hat, jetzt erst erneut klagen. Ich brauche nicht zu sagen, daß, solange Wohnungsmangel besteht, diese Wohnung längst vergeben sein wird, bis nachher wieder ein Urteil da ist.
Das sind die ganz praktischen Erwägungen, ganz abgesehen von den systematischen Bedenken, die ich sehr schwer nehme, Vorschriften, die unbedingt ins Vollstreckungsrecht gehören, in das materielle Recht zu übernehmen.
Ich muß leider mit noch etwas Juristischem kommen, und zwar mit unserem Antrag zu dem ersten Satz. Wir haben beantragt, daß dort die Worte „und nicht" ersetzt werden sollen durch die Worte „es sei denn, daß". Jeder Laie wird sagen: Was soll das denn heißen; das ist doch das gleiche, ob ich nun sage:
Der Vermieter kann auf Aufhebung des Mietverhältnisses klagen, wenn er an der Rückgabe des Mietraumes ein dringendes Interesse hat und nicht das Interesse des Mieters oder seiner Familie . . . überwiegt,
oder ob es heißt:
. . . es sei denn, daß das Interesse des Mieters und seiner Familie ... überwiegt.
Aber die Mediziner haben ihre Fachsprache, auch die Juristen haben ihre Fachsprache. Der Mietprozeß ist ein Parteienprozeß, es muß deshalb im Gesetz geregelt werden, was von seiten des Klägers und was von seiten des Beklagten vorgetragen und gegebenenfalls bewiesen werden muß. Wenn es „und" heißt, bedeutet das, daß der Kläger diese beiden Voraussetzungen vortragen muß. Aber es wird Ihnen ohne weiteres einleuchten, daß ein Vermieter, der jetzt sein Eigeninteresse an der Wohnung des Mieters geltend macht, einfach überfordert ist, wenn er jetzt auch noch vortragen soll, welches Interesse der Mieter an der Beibehaltung der Wohnung hat. Das ist die Aufgabe des Mieters. Zur Klarlegung müssen deshalb +die Worte „und nicht" durch die Worte „es sei denn, daß" ersetzt werden. Das entspricht ,dem juristischen Sprachgebrauch, wie er schon im BGB geschaffen und seit Jahrzehnten gehandhabt wird.
Nun noch ein Letztes. Meine Auffassungen unterscheiden sich darin ganz entschieden von denen meines Herrn Vorredners. Er hat sich dagegen gewendet, daß in den Kreis der Begünstigten nicht nur die Familienangehörigen aufgenommen werden, sondern auch noch sonstige zum Hausstand gehörende Personen. Wir sind gerade der umgekehrten Auffassung. Wir möchten in den Fällen, in denen, wie in § 4, auf die zum Hausstand gehörenden Familienangehörigen abgehoben wird, das Wort „Familienangehörige" ersetzt haben durch „Personen". Nach unserer Auffassung darf man nämlich diesen Personenkreis nicht eng auf die Familienangehörigen des Hausstandes begrenzen, zu einem Hausstand
können vielmehr alle möglichen Personen gehören. Mein Herr Vorredner hat ja schon auf die Hausangestellte hingewiesen. Es können auch sonstige Personen zum Hausstand gehören. Wer aber in der Wohnung ist, wer zum Hausstand gehört, muß geschützt werden. Das muß sowohl auf seiten des Vermieters wie auf seiten des Mieters gelten. Man muß hier elastisch sein können. Meistens werden es ja nur Familienangehörige sein. Man muß aber auch die Möglichkeit offenlassen, daß andere Personen nicht beeinträchtigt werden, wenn sie zum Hausstand gehören, aber nicht Familienangehörige sind.
Ich darf Ihnen vor allen Dingen noch einmal meine ersten Ausführungen ins Gedächtnis zurückrufen. Sie sollten sich ernsthaft überlegen, ob es angebracht ist, für diese kurze Zeit ein lange Jahre bestehendes Gesetz zu ändern und damit Rechtsprechung und Literatur vor neue Aufgaben zu stellen. Ehe diese gelöst sind, ist der Endzeitpunkt da. Sollten Sie sich nicht dieser Auffassung anschließen, bitte ich Sie, unseren Änderungsvorschlägen zuzustimmen.
Meine Damen und Herren, es ist nicht ganz einfach, bei diesen Anträgen eine sachgerechte Reihenfolge der Abstimmung vorzuschlagen und durchzuführen. Ich werde ganz einfach und primitiv vorgehen und in der Reihenfolge abstimmen lassen, in der die Anträge eingereicht worden sind und begründet werden.
Wir haben sicher alle sehr viel über Mietrecht gelernt und wissen nun recht gut Bescheid über die Rechte, die dem Mieter und Vermieter zustehen. Wir werden noch mehr lernen, wenn der Kollege Bartels seine Ausführungen machen wird. Ich erteile ihm das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Hoffnung des Herrn Präsidenten, daß Sie jetzt noch mehr lernen werden, kann ich leider nicht erfüllen; denn mit den fulminanten Rechtskenntnissen von Frau Dr. Diemer-Nicolaus kann in diesem Hause wohl kaum einer konkurrieren. Ich kann Ihnen aber eine Freude machen: ich werde es kürzer machen.
Frau Dr. Diemer-Nicolaus hat zunächst den Antrag gestellt, den § 4 des Mieterschutzgesetzes ganz zu streichen.
({0})
- In dem ursprünglich vorgelegten Umdruck 659 war die Streichung auch schriftlich beantragt; dieser Antrag ist dann zurückgenommen und durch den Umdruck 659 ({1}) ersetzt worden; aber die nun einmal präparierten Ausführungen zu dem alten Umdruck mußte Frau Dr. Diemer-Nicolaus natürlich loswerden. Deswegen hat sie diese Ausführungen hier gemacht. Ein Streichungsantrag liegt jetzt allerdings nicht mehr vor.
Im Wohnungsausschuß und im Rechtsausschuß haben wir uns sehr sorgfältig überlegt, ob eine
Änderung des § 4 notwendig ist. Sie wird von der Praxis der Mietgerichte gefordert und vom Justizministerium, das derartige Dinge sehr vorsichtig und gründlich behandelt, befürwortet und ist in beiden Ausschüssen nach reiflicher Überlegung mit großer Mehrheit angenommen worden. Sie dürfen also davon ausgehen, daß die Änderung richtig ist.
Zu § 4 liegen zwei Änderungsanträge verschiedener Fraktionen vor. Ich möchte mich zunächst mit dem Antrag der SPD beschäftigen. Die SPD beanstandet im Grunde nicht das System, das jetzt für § 4 gewählt worden ist, sondern hat nur Bedenken insofern, als in Abs. 1 unter a) von den zum Hausstand des Vermieters gehörenden Personen die Rede ist und vom Richter zu berücksichtigen ist, ob sie ausreichend untergebracht sind. Meine Damen und Herren, die Fassung ist konsequent und durchdacht; denn im nächsten Satz heißt es, daß es zugunsten des Mieters besonders zu berücksichtigen ist, „wenn a) nach Lage der Wohnraumversorgung mit einer anderweitigen angemessenen Unterbringung des Mieters und der zu seinem Hausstand gehörenden Personen zu zumutbaren Bedingungen ... nicht gerechnet werden kann".
Ich glaube, es ist nicht mehr als recht und billig, daß man auf beiden Seiten, auf seiten des Mieters wie auf seiten des Vermieters, berücksichtigt, wie der Hausstand nun einmal ist. Zum Hausstand gehört beim Mieter, wenn sie nötig ist, eine Hausangestellte, beim Vermieter aber auch. Ich glaube, das ist überzeugend. Ich bitte Sie, den Antrag abzulehnen.
Der Antrag der FDP enthält zwei Punkte, und zwar wird da einmal eine kleine juristische Delikatesse angeschnitten. Es dreht sich darum, ob im Streitfall der Vermieter beweisen muß, daß das Interesse des Mieters an der Beibehaltung des Raumes nicht überwiegt, oder ob der Mieter das Gegenteil beweisen muß. Meine Fraktion hat sich in Übereinstimmung mit der Fraktion der SPD in beiden Ausschüssen dafür entschieden, dem Vermieter die Last aufzuerlegen, die Verhältnisse darzutun und behaupten zu müssen, daß das Interesse des Mieters nicht überwiegt. Die Formulierung ist klar und unbedenklich. Ich bitte, sie beizubehalten.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte, Frau Dr. Diemer.
Sind Sie sich bewußt, daß Sie damit für den Vermieter eine erhebliche Verschlechterung gegenüber der bisherigen Regelung schaffen?
Das kann man nicht sagen, denn die bisherige Regelung hatte einen ganz anderen Wortlaut. Erstens war nur von der Erlangung des Mietraumes die Rede, und zweitens wurde bisher - das hat die SPD jetzt auch in ihrem Vorschlag - von der schweren Unbilligkeit für den Vermieter gesprochen. Das steht in Zukunft nicht
mehr im § 4. Der Rechtsausschuß war der Meinung,
daß dem Vermieter zugemutet werden könne, darzutun, warum das Interesse des Mieters nicht überwiege.
Im übrigen wird das eigentlich nur dann akut, wenn der Mieter nicht da ist. Andernfalls wird er schon das Nötige vortragen, und zum Schluß entscheidet der Richter, der sich ein Bild gemacht hat. Wir brauchen uns also bei dieser Sache nicht länger aufzuhalten.
Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?
Bitte!
Herr Kollege Bartels, ist Ihnen nicht klar, daß damit dem Vermieter die Beweislast dafür aufgebürdet wird, wie die Verhältnisse des Mieters sind? Wie soll der Vermieter hinsichtlich der Verhältnisse des Mieters etwas aussagen, behaupten und beweisen?
Mit den Verhältnissen ist das immer so eine Sache.
({0})
Diese Frage ist im Rechtsausschuß sehr gut überlegt worden. Der Vermieter kennt im allgemeinen die Verhältnisse seiner Mieter.
({0})
Meine Damen und Herren, warum Sie jetzt lachen, kann ich mir nicht erklären.
({1})
Das ist eine Frage des Sprachgebrauchs, Herr Kollege.
({0})
Ich möchte jedenfalls die Beweislast für das Verständnis dieses Lachens dem Hohen Hause überlassen.
({0})
Ich glaube, wir sollten uns hier wirklich nicht mehr länger aufhalten. Die Regelung ist bewußt so erfolgt, daß das Ganze dem Richter vorgetragen werden muß. Wenn Zweifel bestehen, wessen Interessen überwiegen, hat der Vermieter die Beweislast zu tragen. Ich bitte, die Bestimmung in dieser Form anzunehmen.
Nun zu dem Antrag der FDP, nach dem - genau
entgegengesetzt dem Antrag der SPD - in § 4 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe a das Wort „Familienangehörigen" durch das Wort „Personen" ersetzt werden soll. Man muß zweierlei unterscheiden. Es heißt hier:
a) der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, die zu seinem Hausstand gehörenden Personen oder seine Familienangehörigen benötigt;
Das ist der Obersatz, und nun kommt eine Vermutung. Der Richter wird angewiesen, davon auszugehen, daß das Interesse des Vermieters überwiegt, wenn er und die zu seinem Hausstand gehörenden Familienangehörigen nicht angemessen untergebracht sind.
Frau Dr. Diemer-Nicolaus hatte schon im Rechtsausschuß beantragt, das Wort „Familienangehörigen" durch das Wort „Personen" zu ersetzen. Die Mehrheit des Rechtsausschusses hat ganz bewußt diese Vermutung, die den Richter in etwa bindet, auf die Familienangehörigen beschränken wollen. Die Mehrheit des Ausschusses wollte in diese für den Mieter ungünstige Vermutung nicht die anderen Personen einbezogen haben, die nicht zum Haushalt gehören. Das Ganze ist also konsequent durchdacht.
Ich bitte daher, auch diesen Antrag abzulehnen.
Wir stimmen ab über die Änderungsanträge Umdruck 653 Ziffer 17 und Umdruck 659 ({0}) Ziffer 3.
Zuerst Umdruck 653 Ziffer 17. Wer zustimmen will, der möge das Handzeichen geben. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Umdruck 659 ({1}) Ziffer 3! Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; auch dieser Antrag ist abgelehnt. -Ich frage mich immer wieder: warum erneuern wir hier im Plenum stets die Ausschußsitzungen?
Änderungsantrag Umdruck 659 ({2}) Ziffer 4! Zur Begründung hat das Wort Frau Abgeordnete Diemer-Nicolaus.
({3})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf mich auf die Begründung zu dem Antrag auf Streichung des § 32 des Wohnraumbewirtschaftungsgesetzes beziehen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Will.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu § 30 bb haben wir auf Umdruck 635 einen Änderungsantrag eingereicht, der sich mit der Frage der Gesamtkosten eines Wohnungsbaues beschäftigt, die durch nachträgliche Erhöhung der Eigenleistung entstanden sind.
({0})
- Entschuldigen Sie! Ich komme bei Artikel V auf den Antrag zurück.
Die Gabe des Gelankenlesens ist mir nicht gegeben.
({0})
Sie haben sich gemeldet, und ich habe Ihnen das Wort erteilt. Wozu Sie sprechen wollten, wußte ich nicht. Ich nahm an, Sie würden zu den Bestimmungen sprechen, die wir gerade behandeln.
Über Ziffer 4 des Änderungsantrages Umdruck 659 ({1}) werden wir nicht besonders abstimmen. Wir stimmen nachher über den Paragraphen ab; dann werden eben die Kollegen, die den § 4 a nicht wollen, dagegen stimmen.
Ich rufe auf die Änderungsanträge Umdruck 662 Ziffer 8 und Umdruck 653 Ziffer 18. Zu Umdruck 662 Ziffer 8 Herr Abgeordneter Dr. Preusker!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben Ihnen zu § 28 a des Mieterschutzgesetzes einen Änderungsvorschlag vorgelegt, den wir allerdings für so bedeutsam halten, daß wir ihn, falls er jetzt in der zweiten Beratung nicht angenommen würde, als einzigen auch in der dritten Lesung wiederholen würden.
Wir sehen, das haben wir schon im Ausschuß immer wieder betont, das Problem der rechtzeitigen Modernisierung des Althausbesitzes für außerordentlich wichtig, ich möchte sogar sagen: für entscheidend dafür an, daß es möglich ist, vor der Wiederherstellung einer vollen marktwirtschaftlichen Situation in der Wohnungswirtschaft die große Zahl der sogenannten Normalwohnungen nicht plötzlich am Rande, unvermietbar, ausgeschieden aus der Marktwirtschaft liegen zu sehen und ihre bisherigen zwangsbewirtschafteten Eigentümer dann gewissermaßen ausgestoßen aus der bürgerlichen Gesellschaft. Damit diese Situation, die wir uns, glaube ich, in der Bundesrepublik mit niemandem, gleichgültig, welcher Gruppe er angehört, leisten können, gar nicht erst entstehen kann, möchten wir die Möglichkeit der rechtzeitigen Durchführung von Modernisierungsmaßnahmen über das hinaus, was hier steht, noch erweitern. Wir begrüßen es schon als einen Fortschritt, daß der § 28 a in dieser Fassung in das Gesetz hineingekommen ist. Durch ihn wird dort, wo ein Mieter nicht von vornherein der Modernisierungsmaßnahme zustimmt, die Möglichkeit geschaffen, die fehlende Zustimmung durch das Mieteinigungsamt zu ersetzen.
Ich darf einmal einen der praktischen Fälle aufführen, in denen das von entscheidender Bedeutung sein kann. Nehmen Sie den Fall, daß sich in einem Haus die Toiletten jeweils in halber Höhe der Treppen befinden und daß, weil räumlich durchaus die Möglichkeit besteht, innerhalb jeder Wohnung eine Toilette geschaffen werden soll. Nehmen Sie an, daß neun von zehn Mietern durchaus damit einverstanden sind und daß nur einer sagt: Nein, ich will das unter keinen Umständen; für mich ist es durchaus genug, daß ich mit einem halben Haus zusammen eine Toilette benutze. Dann soll die Baumaßnahme trotzdem im Interesse aller und auch deshalb durchgeführt werden können, damit sich dieses Haus nachher, wenn es zur Konkurrenz in der freien Marktwirtschaft kommt, in einem den Ansprüchen entsprechenden Zustand befindet.
Vergleichen Sie bitte einmal unseren Änderungsantrag mit dem, was hier der Ausschuß vorgeschlagen hat. In dem vom Ausschuß beschlossenen § 28 a heißt es:
. . . Das Mieteinigungsamt kann die Maßnahmen und ihre Durchführung im einzelnen bestimmen; . . .
Später heißt es dann noch:
Auf Antrag des Vermieters oder Mieters kann das Mieteinigungsamt seine Entscheidung ändern, wenn sich die Verhältnisse geändert haben.
Mein Damen und Herren, das ist so unbestimmt, daß sich daraus eine völlig unterschiedliche Praxis entwickeln kann. Die Auslegung kann in dem einen Fall sehr eng, in einem anderen Fall aber auch sehr weit sein. Wir möchten in dem Gesetz eine klare Richtlinie haben, aus der sich ergibt, was man zumuten kann, was geduldet werden muß und was unter Umständen in den Bereich der, sagen wir einmal, nicht zu erzwingenden und nicht unbedingt notwendigen Maßnahmen gehört.
Deswegen möchten wir an Stelle der Entscheidungsfreiheit des Mieteinigungsamtes, das unter Umständen etwas ganz anderes bestimmen kann, als Vermieter und Mieter wollen, eine präzisere Formulierung. Wir schlagen in unserem Änderungsantrag vor, zu sagen:
. . . Zumutbar sind im Regelfall Maßnahmen zur Schaffung der Mindestausstattung im Sinne des § 40 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes.
Das, was wir gesetzlich als Mindestausstattung für jede Wohnung vorgeschrieben haben, die im Rahmen des sozialen Wohnungsbaues neu gebaut wird, sollte auch hier in der Regel als zumutbar gelten. Was das im einzelnen ist, wissen alle Kollegen; das brauche ich nicht noch auszuführen.
Der zweite Absatz in der Fassung unseres Änderungsantrages bezweckt allerdings eine wesentliche materielle Änderung gegenüber der Ausschußfassung. Ich könnte mir vorstellen, daß ein Teil der Kollegen durchaus bereit wäre, dem Abs. 1 in der von uns vorgeschlagenen Fassung zuzustimmen, nicht aber dem Abs. 2. Wegen der entscheidenden Bedeutung dieser Bestimmung möchte ich den Herrn Präsidenten bitten, absatzweise abstimmen zu lassen. Wir beantragen, im Abs. 2 das Dreifache durch das Vierfache zu ersetzen. Ich habe gesehen, daß die Fraktion der SPD beantragt hat, das Dreifache durch das Zweifache zu ersetzen. Hier liegt also wieder einmal der Micksche Fall des Weltkindes in der Mitte vor.
({0})
Aber das will im Augenblick nicht in den Mittelpunkt rücken. Was mir an unserer Formulierung besser gefällt, ist etwas anderes. Sosehr wir auch begrüßen würden, wenn man sich zu der Basis des Vierfachen der jährlichen Grundmiete durchringen könnte, den entscheidenden Wert legen wir doch darauf, daß nach der Ausschußfassung für das Mieteinigungsamt die Möglichkeit gegeben wird, etwas ganz anderes zu bestimmen, als nach Absatz 1 möglich ist. Für uns ist der Kernpunkt, daß die Bestimmung über diese Möglichkeit mit einer klaren gesetzlichen Vermutung ausgestattet wird.
Wir möchten Sie herzlich bitten, unserem Antrag, der auf eine Verbesserung der Modernisierungsmöglichkeiten abzielt, zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Hamacher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind ohne weiteres bereit, über § 28 a getrennt nach Absätzen !abzustimmen, wie es Herr Kollege Preusker vorgeschlagen hat, zumal !die SPD-Fraktion zu § 28 a Abs. 1 keinerlei Anträge gestellt hat.
Wir beantragen, in Abs. 2 in der neunten Zeile das Wort „Dreifachen" durch das Wort „Zweifachen" zu ersetzen. Herr Kollege Preusker hat dazu bereits einiges ausgeführt; er hat nur nicht gesagt, welche materiellen Auswirkungen der § 28 a Abs. 2 auf die kommenden Mieten haben wird, und das scheint mir das Entscheidende zu sein.
Die Bedeutung unseres Antrages wird Ihnen klar, wenn Sie den § 28 a zu der Neuformulierung des § 12 Altbaumietenverordnung in Beziehung setzen. Herr Kollege Mick hat schon in seinem Bericht ausführlich darauf hingewiesen, !daß dieser § 12 der Altbaumietenverordnung die jährliche Mieterhöhung bei baulichen Verbesserungen, zusätzlichen Einrichtungen, Ausbau der Verkehrsflächen usw. regelt. Selbstverständlich können solche Verbesserungen nicht einseitig zu Lasten eines Vermieters gehen. Der Mieter muß gerechterweise bei solchen Belastungen anteilsmäßig durch Mieterhöhungen - wenn nicht anders vereinbart - herangezogen werden. Bei unserem gesteigerten Wohnbedürfnis liegen derartige Verbesserungen sehr oft sogar im Interesse des Mieters, sie kommen ihm zumindest zugute.
Aber Verbesserungen und Mieterhöhungen müssen in einer vernünftigen und vertretbaren Relation zueinander stehen, und das scheint uns bei dem jetzigen § 28 a in Verbindung mit der Neuformulierung des § 12 der Altbaumietenverordnung nicht der Fall zu sein, da unter Umständen eine Mieterhöhung von 42 % herauskommt. Wenn Sie davon ausgehen, daß nach § 28 a ,der Mieterhöhung im Höchstfall ein Betrag zugrunde gelegt werden kann, der dem Dreifachen einer jährlichen Grundmiete entspricht, und wenn Sie in Verbindung mit § 12 der Altbaumietenverordnung eine jährliche Mieterhöhung etwa bei baulichen Verbesserungen und Einrichtungen um 14 % der aufgewandten Kosten - im Höchstfall also ,des Dreifachen einer Jahresmiete - zulassen, so gestatten Sie in der Tat eine Mieterhöhung von sage und schreibe 42 %.
Erlauben Sie mir, daß ich Ihnen das an einem Beispiel nachweise. Gehen Sie bitte davon aus, daß die Grundmiete 50 DM betragen habe. Sie können auch jede andere Miete nehmen, 60 DM, 70 DM usw., die Rechnung bleibt immer dieselbe. Das Dreifache der jährlichen Grundmiete würde in diesem
Fall 1800 DM betragen. Das wäre also ,der Höchstbetrag, ,der bei einer baulichen Verbesserung in Anrechnung gebracht werden dürfte, d. h. von dem die 14 % Mieterhöhung genommen werden könnten. Die jährliche Mietsteigerung beträgt 252 DM, , die monatliche Mietsteigerung also 21 DM. Das sind nach Adam Riese 42 %.
Herr Kollege Preusker, Sie schlagen vor, statt des Dreifachen das Vierfache der jährlichen Grundmiete zu nehmen. Danach würde sich die jährliche Mietsteigerung noch einmal um weitere 14 % erhöhen.
In Anbetracht ,der übrigen im Gesetz vorgesehenen und leider schon jetzt beschlossenen Mieterhöhungen, die im Einzelfall 38 % betragen können, glauben wir den Mietern zusätzliche Belastungen von 42 % nicht zumuten zu können. Wir halten es für gerechtfertigt, den zugrunde zu legenden Betrag auf 'das Zweifache einer Jahresmiete zu beschränken. Auch danach würde noch eine erhebliche Belastung des Mieters bei baulichen Verbesserungen und sonstigen ergänzenden Arbeiten an der Wohnung eintreten. Meine Fraktion beantragt also, in § 28 a Abs. 2 Satz 2 das Wort „Dreifachen" durch „Zweifachen" zu ersetzen.
Erlauben Sie mir, daß ich auch gleich zu § 54 eine Anmerkung mache, zu dem meine Fraktion ebenfalls einen Änderungsantrag vorgelegt hat. Nach unserem Antrag soll § 54 folgende Fassung erhalten:
Das Mieterschutzgesetz und dieses Gesetz treten frühestens außer Kraft, wenn das in Artikel VI vorgesehene Zweite Gesetz zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuches und das in Artikel VIII vorgesehene Zweite Gesetz über Miet-und Lastenbeihilfen in Kraft getreten sind.
§ 54 in der Ausschußfassung setzt als Frist für das Auslaufen des Gesetzes den 31. Dezember 1965, allerdings mit der Bindung, daß bis zu diesem Zeitpunkt das Gesetz über Miet- und Lastenbeihilfen in Kraft getreten ist. Ich habe bereits bei der Behandlung des § 4 auf die Bedeutung des Mieterschutzes über das Inkrafttreten dieses Gesetzes hinaus aufmerksam gemacht. Ich habe gesagt, daß uns die Übernahme eines § 556 a in das BGB und die Änderung des § 565 allein keinen genügenden Ersatz für einen funktionierenden Mieterschutz bedeuten können. Wir haben auch keine Gewähr dafür, daß bis zum Auslauf dieser Legislaturperiode im Herbst 1961 dieses Hohe Haus noch dazu kommt, die vorgesehene und im Ausschuß beratene zusätzliche Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuches zu beraten und zu verabschieden. Aus diesem Grunde beantragen wir, dem § 54 die von uns vorgelegte Fassung zu geben, und bitten um Ihre Zustimmung.
Das Wort hat der Abgeordnete Bartels.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der Würdigung der Änderungsanträge, die sowohl von der Deutschen Partei als auch von der Sozialdemokratischen Partei zu
dem § 28 a des Mieterschutzgesetzes gestellt worden sind, darf man nicht außer Betracht lassen, daß sich § 28 a nur auf den Fall bezieht, in dem sich Vermieter und Mieter über die Vornahme von Modernisierungsmaßnahmen nicht einig sind. Sind sie sich über deren Durchführung einig, ergibt sich die Konsequenz hinsichtlich der Höhe der Miete aus der Altbaumietenverordnung. Für diese wird ja nachher, glaube ich, noch der Text geändert werden. Es wird in Zukunft so sein, daß letztlich der Richter dann darüber zu entscheiden hat, welche Mieterhöhung gemäß § 12 der Altbaumietenverordnung der Vermieter verlangen kann, wenn im Einverständnis bei der Vertragsparteien Modernisierungsmaßnahmen vorgenommen worden sind.
Hier im Mieterschutzgesetz handelt es sich also nur um den Fall, daß sich Vermieter und Mieter über die Ausführung von Modernisierungsmaßnahmen nicht einig sind. Da war allerdings der Ausschuß der Meinung, daß man diesen Fall sehr vorsichtig regeln müsse und daß man letztlich nur den Richter entscheiden lassen könne, allerdings nicht in einem streitigen Prozeß wie über die Höhe der Miete oder über einen Räumungsanspruch, sondern in einem besonderen Verfahren, das praktisch auch beim Amtsgericht läuft, nämlich vor dem Mieteinigungsamt. Nun ist es nach meiner Ansicht und der meiner Freunde nicht konsequent, einerseits zu sagen, der Richter solle entscheiden, und ihm gleichsam die Freiheit zur Vertragsgestaltung zu geben, ihn andererseits wiederum an bestimmte Maßstäbe und Gesetzesvorschriften zu binden. Der Ausschuß hat daher mit voller Absicht nicht gesagt, daß der Richter die Durchführung dieser Maßnahmen genehmigen soll. Mit voller Absicht ist gesagt worden: Das Mieteinigungsamt kann den Mieter verpflichten - kann! , bauliche Verbesserungen usw. zu dulden. Wie ich schon darlegte, können Sie konsequenterweise den Richter, wenn Sie ihn einmal in eine derartige Sache einschalten, nur frei bestimmen lassen und können ihm nicht Vorschriften darüber machen, wie er zu bestimmen hat. Sonst könnte man ohne weiteres in das Gesetz hineinschreiben: Handelt es sich um Maßnahmen gemäß § 40 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes, kann der Vermieter verlangen . . . Das aber hat der Ausschuß bewußt abgelehnt, und ich bitte Sie, es hierbei zu belassen.
Was die weitere Frage anlangt, welche Mieterhöhung das Gericht, also das Mieteinigungsamt, im Streitfall zulassen kann, war die Mehrheit des Wohnungsbauausschusses auch hier der Meinung, daß der Richter nicht allzu eng gebunden werden sollte. Ich darf zu dem Änderungsantrag der sozialdemokratischen Fraktion sagen, daß nur ein Höchstrahmen gegeben wird. Keineswegs wird gesagt: Der Richter muß eine Mieterhöhung auf der Basis des Dreifachen der Miete zulassen. Es ist dem Richter anheimgestellt, wie er entscheidet. Er kann sehr wohl sagen: In diesem Falle halte ich mit Rücksicht auf die sozialen Verhältnisse des Mieters eine Mieterhöhung überhaupt nicht für tragbar; sie muß zurückgestellt werden, bis sich die Verhältnisse geändert haben, bis entweder ein anderer Mieter dort wohnt - dann wird sowieso eine neue Miete verDr. Bartels
einbart - oder die Verhältnisse jenes Mieters sich geändert haben; das ist durchaus denkbar.
Ich glaube deshalb, daß die Gefahr, die Herr Kollege Hamacher und seine Fraktion sehen, nicht besteht. Andererseits sind wir der Auffassung, daß das Dreifache der Jahresmiete der richtige Maßstab ist, den man bei der Frage anlegen sollte, welche Kosten als angemessen zugrunde gelegt werden können. Ich bitte Sie deswegen, auch den darüber hinausgehenden Antrag der Deutschen Partei abzulehnen.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Berger-Heise.
({0}) Dann Herr Abgeordneter Preusker!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie eine kurze Anmerkung zu den Ausführungen des Kollegen Bartels. Selbstverständlich bezieht sich § 28 a nur auf den Fall, daß ein Mieter nicht zugestimmt hat. Das habe ich auch in der Begründung ausdrücklich gesagt. Aber es handelt sich doch um die nicht normale Situation, daß die Rechte des Vermieters zur Verfügung über sein Haus durch Herstellung moderner Einrichtungen durch Maßnahmen eingeschränkt sind, die der Staat zum Schutze der Mieter ergriffen hat. Seit Jahrzehnten hat .der Vermieter nichts machen können, zumindest nicht seit 1949; zuvor hat er aus anderen Gründen ohnehin nichts unternehmen können.
Jetzt soll dieses Recht des Vermieters, in normaler Weise über sein Haus zu verfügen, gewissermaßen hilfsweise durch eine Zustimmung des Richters hergestellt werden. Dabei habe ich eine Sorge. Der Richter mag noch gemäß Abs. 2 beurteilen können, inwieweit es billig oder unbillig ist, dem Mieter eine bestimmte Mieterhöhung zuzumuten. Aber ob der Richter beurteilen kann, ob und welche technischen Maßnahmen durchgeführt werden können, ob der Richter entscheiden kann, daß statt der vom Vermieter vorgeschlagenen Maßnahmen eventuell ganz andere Maßnahmen durchgeführt werden sollen, möchte ich sehr bezweifeln. Das scheint mir doch eine Überforderung zu sein. Aus diesem Grunde scheint es mir auch im Interesse der Richter selbst zu liegen, daß wir die Richtung des Zumutbaren andeuten und sagen: Zumutbar ist nach Meinung des Gesetzgebers die Schaffung von Mindesteinrichtungen, wie sie das Zweite Wohnungsbaugesetz vorsieht. Es heißt aber obendrein hier nur „im Regelfall". Es heißt darüber hinaus nicht, daß der Richter etwas, was einmal darüber hinaus beantragt wird, entscheiden soll.
Ich stelle mir einmal vor, es kommt jemand, der die Mindestausstattung bereits hat und sagt: Ich will jetzt aber eine ölbeheizte Zentralheizung für alle einbauen. Dann kann ich mir vorstellen, daß in dem besonderen Falle der Richter durchaus einmal sagt: Hören Sie einmal, Sie haben überwiegend im Augenblick Menschen als Mieter, denen diese zusätzliche Einrichtung doch wohl nach ihrer ganzen wirtschaftlichen Situation nicht zugemutet werden kann. Oder aber er kann sogar sagen: Ja, sicher, das kann den Betreffenden wirtschaftlich zugemutet werden, das kann ihnen auch technisch zugemutet werden..
Ich glaube, wir als Gesetzgeber haben ein elementares Interesse daran, daß die Mindestausstattungsmerkmale des Zweiten Wohnungsbaugesetzes erst einmal möglichst bald und möglichst schnell im gesamten Wohnungsbestand in der Bundesrepublik zur Norm werden. Das sollte möglichst geschehen - ich kann das nur noch einmal unterstreichen -, ehe der Augenblick gekommen ist, wo Hunderttausende oder mehr Wohnungen unter Umständen nicht mehr vermietbar sind, weil die Vermieter dann nicht mehr in der Lage sind, diese Einrichtungen zu schaffen, wenn sie erst in der Konkurrenzsituation am Markt gegenüber den anderen Wohnungen abfallen, die jetzt als Neubauten diese Mindestausstattung auf Grund gesetzlicher Vorschrift aufweisen, da sie sonst überhaupt nicht gebaut und gefördert werden dürfen. In dem einen Falle erlegen wir als Gesetzgeber das Gebot auf „Du darfst überhaupt nicht bauen, wenn nicht ..."; im anderen Falle müßten wir dann mindestens die Duldungsverpflichtung auferlegen, wenn für den Tag der Wiederherstellung der Konkurrenz am Markt die Startgleichheit erreicht werden soll.
Wir haben eine ganz, ganz große Sorge: Schaffen Sie diese Möglichkeiten nicht und haben Sie im Gesetz einen § 28 a nur in der jetzt vorgeschlagenen Weise verankert, dann lösen Sie doch - das ist eine alte Erfahrung - erst einmal die Nutzung der Möglichkeiten eines solchen neugeschaffenen Paragraphen von beiden Seiten her aus. Es wird also sowohl zum Widerspruch wie zu der Anrufung des Gerichtes kommen. Jetzt sollen nun alle Gerichte in der Bundesrepublik - wohlgemerkt - über die Zumutbarkeit der wirtschaftlichen Belastung entscheiden. Ich halte das jederzeit für möglich, auch ohne daß man hier etwas weiteres einbaut. Aber die Frage, was technisch zugelassen werden soll, was zumutbar ist, was nicht oder was statt dessen, bedarf, glaube ich, von seiten des Gesetzgebers einer näheren Präzisierung; sonst überfordern wir unsere Gerichte und erreichen trotzdem nicht das, was wir unter allen Umständen erreichen wollen.
Lassen Sie mich nur einen einzigen Satz zu der Frage des zweifachen, dreifachen oder vierfachen Satzes sagen. Der vierfache Satz betrüge bei einer Durchschnittsmiete von monatlich 50 DM 600 DM pro Jahr, dieser Betrag dann mit 4 multipliziert machte 2400 DM aus; gerade der Betrag, den man im Durchschnitt im Augenblick für die Schaffung einer Badeeinrichtung benötigt!
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Sie wissen also, woher diese Frage kommt, Herr Kollege Jacobi, ob Sie nun sagen „das Badezimmer durch die Hintertür" oder nicht. Ich möchte gerne, daß die Mindestausstattung, die wir im sozialen Wohnungsbau gesetzlich vorschreiben, in sämtlichen Wohnungen, in denen sie noch nicht vorhanden ist, innerhalb der Zeit, die bis zur Wiederherstellung eines Marktes verstreicht, selbstver6738
ständlich wird. Das scheint mir doch ein Anliegen zu sein, das wir eigentlich alle gemeinsam vertreten sollten, und ich verstehe nicht recht, warum Sie meine Bemühungen, etwas zur rechtzeitigen Modernisierung des gesamten Althausbestandes im Interesse unserer gesamten Volkswirtschaft zu tun - und ich habe Ihnen ja gesagt, die Überwälzung auf die Mieten ist mir im Augenblick viel weniger bedeutsam als die rechtzeitige Erstellung der Einrichtungen -, nur mit einem milden Lächeln begleiten, wie es der Kollege Jahn tut. Ich glaube, die Frage der rechtzeitigen Modernisierung ist viel wichtiger.
({1})
Herr Abgeordneter Dr. Bartels!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu § 54 hatte die SPD einen Änderungsantrag gestellt. Sie hatte gebeten, in den § 54, der sich mit dem Außerkrafttreten des Mieterschutzgesetzes beschäftigt, als Voraussetzung für das Außerkrafttreten nicht nur das Gesetz über Miet- und Lastenbeihilfen, sondern auch ein zweites Gesetz zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuches aufzunehmen. Ich selbst bin der Meinung, daß der Deutsche Bundestag, wenn er nachher und hoffentlich auch in dritter Lesung die §§ 556 a und 565 BGB in der Ihnen vorliegenden Form annehmen wird, damit schon sehr klar kundtut, wie die Richtung in Zukunft auch nach Aufhebung des Mieterschutzgesetzes laufen soll.
({0})
- Wenn Ihnen das nicht genügt, meine Damen und Herren, dann möchte ich folgendes hervorheben: Alle Bestimmungen, die jetzt noch nicht in Kraft treten sollen, sind noch beim Rechtsausschuß anhängig. Es ist also nicht so, daß etwa die Regierung ein zweites Gesetz vorlegen müßte. Das sogenannte soziale Mietrecht hängt, soweit es noch nicht verabschiedet wird, noch beim Rechtsausschuß.
({1})
Ich bitte Sie, zu beachten: Berichterstatter im Rechtsausschuß ist der Kollege Jahn von der SPD,
({2})
und ich habe zu ihm das Vertrauen, daß er dafür sorgen wird, daß der Rechtsausschuß sehr bald auch den Rest des sozialen Mietrechtes beraten wird.
({3})
- Wir waren ja schon sehr nett im Gange, Herr Kollege Jahn. Ich möchte das hier nicht erörtern. Ich glaube, es ist besser, wir sprechen nicht darüber.
Ich halte es also nicht für notwendig, in das Gesetz aufzunehmen, daß das Mieterschutzgesetz erst außer Kraft tritt, wenn das soziale Mietrecht in vollem Umfange kodifiziert ist; das ergibt sich automatisch. Das Armutszeugnis, daß wir es nicht fertigbringen, das soziale Mietrecht noch in dieser Legislaturperiode in befriedigender Form zu Ende zu bringen, möchte ich weder Herrn Kollegen Jahn noch mir selber als Mitberichterstatter ausstellen. Ich bitte also, diesen Antrag abzulehnen.
({4})
Weitere Wortmeldungen? - Offenbar nicht. Wir alle haben in dieser Debatte sicher viel gelernt. Ich jedenfalls würde mir zutrauen, wieder Amtsrichter zu werden.
Wir stimmen nun ab, zunächst über den Antrag auf Umdruck 662 Ziffer 8. Das ist der weiter gehende Antrag.
({0})
- Absatzweise über Ihren Änderungsantrag? ({1})
- Ich habe das nicht recht verstanden. Wollen Sie, daß über die Ausschußvorlage absatzweise abgestimmt wird?
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- Gut, dann stimmen wir über den Antrag Umdruck 662 Ziffer 8 absatzweise ab, zunächst über Abs. 1 von „Antrag des Vermieters" bis „oder zu ersetzen". Wer zustimmen will, der möge die Hand erheben. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Wer dem Abs. 2 zustimmen will, bitte ich, das Handzeichen zu geben. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; abgelehnt.
Wer dem Antrag unter Ziffer 18 des Umdrucks Nummer 653 zustimmen will, der gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt. Das Plenum scheint sehr ausschußtreu zu sein.
({3})
- Wir haben hier doch auch gut gearbeitet!
Antrag unter Ziffer 19 auf Umdruck 653! Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt. - Wir machen es uns hier sehr schwer; es könnte einfacher gehen.
Nunmehr müssen wir über die einzelnen Bestimmungen des Artikels III abstimmen, zunächst über die §§ 1 bis 4. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit zahlreichen Enthaltungen angenommen!
§ 4 a! Wer zustimmen will, möge das Handzeichen geben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? Vizepräsident Dr. Schmid
Bei wenigen Enthaltungen angenommen! Ich nehme an, Sie haben gewußt, weswegen Sie sich enthalten haben.
({4})
§§ 5 bis 27!
({5})
Nur um die Nummern rechts!
({6})
- Ja, bis § 23 c. Wer zustimmen will, möge die Hand erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? Bei einer Enthaltung angenommen!
Nun zu § 28 ! Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen!
§ 54! Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit. Bei zahlreichen Gegenstimmen und einigen Enthaltungen angenommen!
Wer dem Artikel III im ganzen zustimmen will, der gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Gegenstimmen und einigen Enthaltungen angenommen!
Zu Artikel IV liegen keine Änderungsanträge vor. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit. Artikel IV ist angenommen.
Nunmehr Art. V. Ich werde paragraphenweise aufrufen müssen. § 30 a! Keine Wortmeldungen? - Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ist angenommen.
§ 30 b entfällt. Zu § 30 bb liegen Anträge auf den Umdrucken 635 und 662 Ziffer 9 vor. Wer begründet die Änderungsanträge? - Herr Abgeordneter Will!
Ich komme nun wieder zum Antrag der FDP Umdruck 635, zu dem ich irrtümlich vorhin schon gesprochen habe. In der Ausschußfassung des jetzt zu beratenden Paragraphen ist nur eine Mieterhöhung um höchstens 10 Pf je Quadratmeter Wohnfläche im Monat zugelassen. Diese Erhöhung basiert auf Eigenleistungen in der der erstmaligen Bewilligung zugrunde gelegten Wirtschaftlichkeitsberechnung. Eigenleistungen, die nach der ersten Bewilligung der öffentlichen Mittel zusätzlich erbracht sind, insbesondere etwa durch Baukostenerhöhungen infolge der Korea-Krise, die also ausschließlich auf Umständen beruhen, die der Vermieter nicht zu vertreten hat, würden bei dieser Fassung nicht berücksichtigt werden. Diesem Umstand hatte schon der Regierungsentwurf in § 30 b Abs. 3 Satz 2 Rechnung getragen. Es kann nun wohl kein Unterschied gemacht werden zwischen Eigenleistungen, die planerisch vor Erstellung der Wohnungen vorgesehen waren, und Eigenleistungen oder Ersatz für größere Eigenleistungen, die später, während der Bauzeit, erbracht sind. Aus diesem Grunde ist die Ergänzung im Sinne des Regierungsentwurfs dringend geboten, zumal der
Höchstsatz von 10 Pf je Quadratmeter Wohnfläche im Monat auch in diesem Fall nicht überschritten werden kann. Ich bitte daher, dem Antrag auf Umdruck 635 zuzustimmen.
Wer begründet den anderen Antrag? - Herr Abgeordneter Preusker!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das ist der gleiche Antrag. Er ist identisch mit dem letzten Teil des Abs. 3 des alten § 30 b der Regierungsvorlage, der diese Ergänzung bereits aufwies. Ich ergreife nur deswegen das Wort, um noch einmal zu unterstreichen, aus welchen Gründen wir die Regierungsvorlage hier wiederhergestellt wissen wollten. Wir glauben, daß es eigentlich auch im Sinne der Ausschußüberlegungen gelegen hat, die Regelung nicht so eng zu fassen, daß bereits bei der ersten Vorlage der Wirtschaftlichkeitsberechnung die Nichtverzinsung des Eigenkapitalanteils vorgelegen haben muß.
Ich darf Sie einmal daran erinnern, daß die meisten Fälle dieser Art sich bei den Bauten ereignet haben, die nach Ausbruch der Korea-Krise in die außergewöhnlich starken Preiserhöhungen, die die Folge dieses Ereignisses waren, hineingeraten sind. Da war also eine Wirtschaftlichkeitsberechnung vorgelegt worden, in die ursprünglich meinetwegen die volle Eigenkapitalverzinsung sogar einbezogen war. Dann kamen diese ungewöhnlich starken Preissteigerungen, und alle diese Bauherren der Jahre 1950/51 konnten ihre Bauten nur dadurch durchführen, daß sie zusätzliche Eigenleistungen in ihre Gebäude hineingesteckt oder nachträglich zusätzliche Fremdmittel aufgenommen haben und, damit sie mit den Mieten wieder hinkamen, ganz oder teilweise auf die Verzinsung ihrer Eigenleistungen verzichteten. Gerade das sollte doch eigentlich mit dieser Regelung gedeckt und wieder zur Eigenwirtschaftlichkeit gebracht werden.
Ich bitte Sie, doch in diesem Punkt unserem Antrag auf Wiederherstellung der Regierungsvorlage, in deren Begründung genau dieser Tatbestand dargelegt ist, zuzustimmen.
Wird weiter das Wort gewünscht? - Bitte, Herr Abgeordneter Leukert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben in der Ausschußfassung des § 30 bb darauf Rücksicht genommen, daß die sogenannten Eigenmittel der Baugesellschaften oder der privaten Bauherren in den Jahren der Geltung des Ersten Wohnungsbaugesetzes nicht berücksichtigt werden konnten. Die Bauherren haben nun die Möglichkeit, einen Betrag für eine Verzinsung der Eigenfinanzierungsmittel bis zu 4 % nachträglich einzusetzen. Die Fraktionen der DP und der FDP gehen jetzt so weit, daß sie die gesamten Eigenleistungen eingesetzt haben wollen. Ich möchte dazu bemerken, daß nach dem von der Mehrheit des Ausschusses angenommenen Antrag eine Mieterhöhung auf keinen Fall über 10 Pf hinausgehen darf.
Weitere Wortmeldungen? - Herr Abgeordneter Preusker.
Ich möchte ausdrücklich unterstreichen, Herr Kollege Leukert, daß auch nach Annahme dieser Anträge eine Mieterhöhung nicht über die zweiten 10 Pf hinausgehen darf. Sie können dem Antrag also wirklich zustimmen.
Wir wollen sehen, wie das Haus entscheiden wird. Ich hoffe, jeder weiß genau Bescheid, worum es geht. Zuerst stimmen wir über den Antrag Umdruck 635, im Anschluß daran über den Antrag Umdruck 662 Ziffer 9 ab.
({0})
Um so besser, dann stimmen wir über beide zusammen ab. Wer den Anträgen Umdruck 635 und 662 Ziffer 9 zustimmen will, möge das Handzeichen geben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; angenommen.
Ich rufe den Änderungsantrag Umdruck 653 Ziffer 20 zu § 30 d auf. Wer begründet? - Frau Abgeordnete Berger-Heise.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In § 45 Abs. 2 des Ersten Wohnungsbaugesetzes in der Fassung vom 25. August 1953 war folgendes vorgesehen. War die vereinbarte Miete höher als der für die Deckung der laufenden Aufwendungen erforderliche Betrag - sogenannte Kostenmiete -, so konnte die Miete auf Antrag des Mieters durch die Preisbehörde auf den der Kostenmiete entsprechenden Betrag herabgesetzt werden, jedoch nicht unter den Betrag, der den Mietrichtsatz ohne Berücksichtigung von Zuschlägen für öffentlich geförderte Wohnungen vergleichbarer Art, Lage und Ausstattung um die Hälfte überstieg. Mit anderen Worten, man konnte die Kostenmiete um die Hälfte höher halten, wenn es sich um eine steuerbegünstigte Wohnung nach dem Ersten Wohnungsbaugesetz handelte.
Nach dem Ausschußantrag soll jetzt eine 80% ige Erhöhung erfolgen können. Das scheint uns etwas zu hoch gegriffen zu sein. Es hat sich übrigens herausgestellt, daß es in der Praxis für den Mieter sehr schwierig ist, in Erfahrung zu bringen, in welcher Art von Wohnung er wohnt, ob in einer grundsteuerbegünstigten Wohnung oder in einer Wohnung des öffentlich geförderten Wohnungsbaues, also in einer Sozialwohnung, wie wir sagen, für deren Erstellung öffentliche Darlehen gegeben wurden. Wenn er nun dieses ihm nach einem Bundesgesetz zustehende Recht in Anspruch nehmen und nachfragen will, ob er in einer solchen Wohnung wohnt, dann muß er zum Finanzamt gehen. Das Finanzamt gibt ihm aber keine Auskunft, denn es muß das Steuergeheimnis wahren. Darum ist der Mieter heute oftmals auf den guten Willen des Vermieters angewiesen, wenn er erfahren will, in welcher Art von Wohnung er wohnt. Das können wir heute hier nicht ausbügeln, das läßt sich jetzt nicht ändern. Ich wollte nur darauf hinweisen, wie
schwer es dem Mieter gemacht wird, wenn er Rechte in Anspruch nehmen will, die wir im Ersten Wohnungsbaugesetz festgelegt haben.
Heute geht es uns darum, daß der Satz nicht von 50 % auf 80 % erhöht wird. Ich darf ein Beispiel anführen. Nehmen wir einmal an, die Richtsatzmiete vorn 1. Oktober 1954, die zum Maßstab genommen wird, habe 1,10 DM betragen. Dann konnte der Vermieter dieser besonderen Art von Wohnungen damals 1,65 DM für den Quadratmeter nehmen. Jetzt kann er sogar 1,97 DM nehmen, ohne daß der Mieter verlangen kann, daß seine Miete wieder herabgesetzt wird. Dieser Betrag von 1,97 DM scheint uns zu hoch. Es handelt sich nämlich um Wohnungen, die nach Art und Lage mit den Sozialwohnungen vergleichbar sind; sie haben fast die gleiche Ausstattung und Lage. Nach der Anhebung werden diese Sozialwohnungen vielleicht 1,10 oder 1,20 DM kosten. Bei den anderen Wohnungen kann der Mieter erst protestieren, wenn sie mehr als 1,98 DM kosten.
Wir meinen, es wäre richtig, die alte Fassung zu nehmen und es bei einem Satz von 50 % zu belassen. Einer solchen Bestimmung würden wir zustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Leukert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Frau Kollegin Berger-Heise hat soeben den Antrag auf Umdruck 653 Ziffer 20 begründet. Die Fraktion der SPD verlangt, im steuerbegünstigten Wohnungsbau als zulässige Höchstmiete den alten Satz von 1,10 DM plus einem Zuschlag bis zu 50 % nach wie vor beizubehalten. In den Ausschußberatungen hat sich die Mehrheit darauf geeinigt, daß im steuerbegünstigten Wohnungsbau höchstens ein Aufschlag von 80 % gemacht werden dürfe; zu den 1,10 DM sollen also höchstens 80 % zugeschlagen werden dürfen. Damit würde sich eine Höchstmiete von 1,98 DM ergeben.
Frau Kollegin Berger-Heise; man kann nun nicht sagen, das wären die Wohnungen des öffentlich-geförderten sozialen Wohnungsbaus. Es handelt sich hier um den steuerbegünstigten Wohnungsbau. Die hier in Betracht kommenden Wohnungen wurden von den verschiedensten Bauherren im wesentlichen mit Eigenmitteln gebaut; Staatsbaudarlehen wurden hier praktisch nicht gegeben.
({0})
- Herr Kollege Jacobi, dem Mieter, der jetzt auf Grund des Wohnungsbaugesetzes eine Neubauwohnung beziehen und mindestens die gleiche Miete bezahlen muß, tut das doch genauso weh. Man sollte dem steuerbegünstigten Wohnungsbau eine gewisse Chance lassen.
Wir bitten daher, den Antrag der SPD abzulehnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Brecht.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte den Fall etwas klarstellen. Es dreht sich nicht um die steuerbegünstigten Wohnungen, die heute gebaut werden, sondern um die früher gebauten steuerbegünstigten Wohnungen.
({0})
Es steht auch nicht da, daß die Miete bis 1,98 DM gesteigert werden kann, sondern es heißt: der Vermieter kann bei diesem steuerbegünstigten Wohnungsbau mit dem Mieter auch eine Miete frei vereinbaren, die auch über 1,98 DM liegen kann, sagen wir einmal, bei 2,20 DM. Nun hat der Mieter das Recht - von dem er aber, darauf hat meine Kollegin hingewiesen, nur Gebrauch machen kann, wenn ihm das Finanzamt eine Auskunft gibt -, eine Rückführung der vereinbarten Miete auf die Kostenmiete zu verlangen. Nehmen wir einmal an, die Kostenmiete sei in diesem Falle 1,68 DM. Der Mieter kann das nach der geplanten Regelung nur dann fordern, wenn die Miete über 1,98 DM hinausgeht, und es kann höchstens eine Rückführung auf 1,98 DM verlangt werden, während die Kostenmiete darunter liegen kann.
Die Regelung, wie Sie sie hier vorgesehen haben, bedeutet also, daß man im steuerbegünstigten Wohnungsbau sehr wohl Mieten über die Kostendeckung hinaus fordern kann und damit am Markt tadellos zurechtkommt, weil dem Mieter verboten wird, innerhalb eines Jahres die Rückführung auf die Kostenmiete zu verlangen, wenn die Miete nicht über 1,98 DM hinausgeht. Wir meinen, so etwas ist völlig ungerecht und unhaltbar. Denn hier werden Überschreitungen der Kostenmiete und damit Gewinnmieten praktisch sanktioniert.
({1})
Ich möchte wissen, wer das alles versteht.
({0})
Ich nicht!
Wir stimmen ab über den Änderungsantrag Umdruck 653 Ziffer 20. Wer zustimmen will, der gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Nunmehr stimmen wir ab über Artikel V Nrn. 2, 3 und 4. Wer zustimmen will, der möge die Hand erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Gegenstimmen und Enthaltungen angenommen.
Nun zu Artikel V Änderungsantrag Umdruck 661 Ziffer 2. Wer begründet? - Das Wort hat der Abgeordnete Leukert.
Hier handelt es sich um eine redaktionelle Änderung. In der Ausschußvorlage steht: „Vortag des Inkrafttretens dieses Gesetzes". Das würde heißen: des Wohnungsbaugesetzes. Das ist unrichtig. Es muß richtig heißen: „Vortag des Inkrafttretens des Gesetzes über den Abbau der
Wohnungszwangswirtschaft und über ein soziales Miet- und Wohnrecht".
Ich bitte, dem Antrag zuzustimmen.
Wird das Wort dazu gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wir stimmen ab. Wer zustimmen will, der gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Nun stimmen wir ab über Artikel V im ganzen. Wer diesem Artikel zustimmen will, der gebe das Handzeichen. Gegenprobe? Enthaltungen? - Bei einer Enthaltung angenommen.
Antrag Umdruck 653 Ziffer 21 auf Einfügung eines Artikels V a!
Das Wort zur Begründung hat Frau Abgeordnete Berger-Heise.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir beantragen hier eine Änderung des Zweiten Wohnungsbaugesetzes. Wir gehen dabei auf die monatelangen Beratungen des Bundesrates zurück, der in seiner Stellungnahme - Sie können das vergleichen - ebenfalls diese von uns beantragten Änderungen vorgeschlagen hat.
Zunächst handelt es sich um den § 18 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes. Wir beantragen, dem § 18 Abs. 1 folgende Fassung zu geben:
Der Bund beteiligt sich an der Finanzierung des von den Ländern mit öffentlichen Mitteln geförderten sozialen Wohnungsbaues. In den Rechnungsjahren 1961 ,bis 1963 stellt der Bund hierfür jeweils einen Betrag von mindestens 700 Millionen Deutsche Mark im Bundeshaushalt zur Verfügung; vom Rechnungsjahr 1964 ab stellt der Bund jährlich die dann erforderlichen Mittel bereit.
Sie alle wissen, daß durch die sogenannten konjunkturdämpfenden Maßnahmen auch .der Wohnungsbau getroffen wurde. Auch ,die kürzliche Änderung des Wohnungsbauprämiengesetzes, die Änderung der Diskontsätze und einiges mehr gehören dazu, V Tir glauben, daß der Wohnungsbau an sich ein schiechtes Werkzeug für diese Maßnahme ist. Besonders schlecht ist es aber, daß in das Zweite Wohnungsbaugesetz, das wir selbst vor ungefähr zwei Jahren in diesem Hause verabschiedet haben, ,die Degression eingebaut wurde, derzufolge jährlich 70 Millionen DM von ,den Wohnungsbaumitteln des Bundes abgehen, so daß 1961 für alle zehn Länder zusammen statt 700 Millionen nur noch 420 Millionen DM für ,den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung stehen werden.
Der Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen ides Bundesrates hat in seiner 95. Sitzung unter Anwesenheit des Herrn Bundeswohnungsbauministers Lücke einstimmig den Beschluß gefaßt, den ich Ihnen vorhin verlesen habe. Die Begründung: Der Bundesrat ist der Meinung, daß es bei den gestiegenen Preisen - das für eine Wohnungseinheit im sozialen Wohnungsbau erforderliche Darlehen betrug 1959 ungefähr 12 000 DM, heute be6742
trägt es schon 15 000 DM - nicht mehr zu vertreten ist, daß diese Degressionen weiter durchgeführt werden. Für das im Zweiten Wohnungsbaugesetz vorgesehene Programm von jährlich 300 000 Wohnungseinheiten wären demnach 3,6 Milliarden DM erforderlich. Die Bundesbeteiligung hieran müßte mindestens ein Drittel betragen, also 1,2 Milliarden DM.
Selbst wenn die Länder von der Kapitalsubventionierung abgehen und andere Finanzierungssysteme anwenden, ist doch aus den Bewilligungsbescheiden für den sozialen Wohnungsbau ganz klar zu ersehen, daß hier ein Rückgang vorhanden ist. Im dritten Quartal des Jahres 1959 sind im Vergleich zum dritten Quartal des Jahres 1958 22 % weniger Bewilligungen für den sozialen Wohnungsbau ausgesprochen worden. Sehr wahrscheinlich wird sich gerade in dieser Sparte - ich spreche jetzt nicht von anderen Wohnungen, sondern nur von den Wohnungen des sozialen Wohnungsbaues - auch in diesem Jahr ein Rückgang ergeben.
Wie die Dinge 1964 aussehen werden, können auch wir nicht übersehen. Auch wir sind deshalb nicht mit einem konkreten Vorschlag gekommen. Wir erwarten, daß der Bund die dann erforderlichen Mittel bereitstellen wird.
Ich mache Sie noch einmal darauf aufmerksam, daß hinter diesem Vorschlag des Bundesrates - er hat ja hier im Hause kein Antragsrecht; er hat nur einen Vorschlag gemacht - wirklich der ganze Ausschuß einstimmig gestanden hat, d. h. die Fachleute aller zehn Länder. Ich möchte Sie doch bitten, zu überlegen, ob nicht Ihr ganzes Gesetz, das ja auf einen Ausgleich in der Wohnungsversorgung abgestellt ist, Schiffbruch erleidet, wenn Sie den Bau dieser Wohnungen, die doch nach Freigabe der Mieten preisregulierend wirken sollen, jetzt dadurch benachteiligen, daß Sie diese Degression weiterhin gelten lassen.
({0})
Wir bitten Sie also, die Fassung des Bundesrates, die wir zum Antrag erheben, anzunehmen.
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Wird hierzu das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Baier!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In einem, Frau Kollegin Berger-Heise, haben Sie sicher recht: Sie kommen mit dem Antrag immer wieder, etwa nach dem Motto „Steter Tropfen höhlt den Stein". Aber das wird nicht eintreten.
Wir haben darüber erst kürzlich diskutiert. Natürlich sind auch wir daran interessiert, daß der Sozialblock gehalten wird und daß weiter gebaut wird, aber wir haben gesagt: nicht unbedingt in den alten Formen und den alten Schemata. Durch die im letzten Jahr eingeführte Umstellung von der Kapitalsubvention auf die laufenden Ertragssubventionen konnte das Volumen des Wohnungsbaus gehalten werden. Durch die Zinszuschüsse war es
sogar möglich, beispielsweise im Lande Baden
Württemberg in diesem Jahr mehr Wohnungen im sozialen Block zu fördern als im letzten Jahr.
({0})
Trotz der Degression ist durch diese Zinssubventionen seit 1957 eine steigende Förderung möglich gewesen. Ich habe Ihnen kürzlich hier die Zahlen vorgerechnet. Effektiv haben wir dabei heute durch die Mobilisierung von Kapitalmarktmitteln fast eine halbe Milliarde D-Mark mehr zur Verfügung.
Soweit besondere Personenkreise vordringlich mit Wohnraum zu versorgen sind, wie beim SBZ-Flüchtlingsprogramm, werden die dafür notwendigen Mittel nicht den allgemeinen Bundesmitteln entnommen. Hier wirkt sich die Degression nicht aus. Die Mittel werden den Ländern gesondert zur Verfügung gestellt. Sie sind heute auch nicht mehr zweckgebunden, sondern können in den öffentlichen Wohnungsbau mit hineinfließen. Leider sind diese Mittel nicht einmal überall verbaut worden.
- Herr Dr. Brecht, Sie winken ab. Ich habe dieser Tage erst gehört, daß z. B. die Stadt Stuttgart seit Jahren Millionenbeträge an SBZ-Mitteln liegen hat und nicht verbaut, während Sie hier ständig nach weiteren finanziellen Mitteln schreien. Ich möchte Ihnen wirklich empfehlen, auch darauf einmal Ihr Augenmerk zu richten.
Eine bescheidene Frage zum Schluß. Sie fordern in Ihrem Antrag die Aufhebung der Degression und dann noch, was Sie vielleicht noch begründen werden, die vollen Prämienmittel. Das macht einen Betrag von fast 500 Millionen DM aus. Darf ich Sie fragen, woher Sie diese 500 Millionen DM nehmen wollen?
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- Wo wollen Sie denn im nächsten Etat die Mittel hernehmen?
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- Da möchte ich Ihnen empfehlen, Frau Kollegin, einmal in den Haushaltsausschuß zu gehen und mit den Haushaltsexperten darüber zu reden, wie das praktiziert werden soll. Sie können das Geld, das Sie hier zusätzlich geben wollen, nur irgendwo an anderer Stelle wegnehmen. Beantworten Sie mir also bitte die Frage, woher Sie diese 500 Millionen DM nehmen wollen.
Ich bitte, den Antrag der SPD abzulehnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Hauffe.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Herr Kollege Baier beklagt sich darüber, daß wir immer wieder dieselben Anträge bringen. Nun, wir hören auch immer wieder dieselben Ablehnungsbegründungen, ohne daß sie überzeugender wirken.
Ich will Ihnen jetzt nur eine einzige Frage beantworten, die die Degression betrifft. Sie nehmen jährlich von den Wohnungsbaumitteln 70 Millionen DM weg, ohne uns vorher zu sagen, wozu Sie
diese 70 Millionen DM beim nächsten Etat verwenden wollen. Lassen Sie doch die 70 Millionen stehen! Da haben Sie schon eine Begründung, ohne daß Sie von uns einen Nachweis brauchen.
Herr Abgeordneter Hauffe, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Czaja?
Bitte sehr.
Herr Kollege Hauffe, ist Ihnen nicht aufgefallen, daß im Bundeshaushalt Aufwendungsbeihilfen vorhanden sind, die eine viel größere Summe als die Degression an Kapitalmarktmitteln mit Hilfe von Bürgschaften mobilisieren?
Ja, die Frage der Aufwendungsbeihilfen ist auch so ein Kapitel, das wir ruhig einmal diskutieren können. Es kommt nämlich darauf an, wie lange diese Aufwendungsbeihilfen gegeben werden.
({0})
- Fünf Jahre, schön! Und was ist in fünf Jahren? Es gibt heute genügend Leute, die sich nicht trauen, die Aufwendungsbeihilfen in Anspruch zu nehmen, weil sie nicht wissen, ob sie nach fünf Jahren in der Lage sind, die dann auf sie zukommenden höheren Belastungen aufzubringen. Und wie es mit dem von Ihnen in Aussicht gestellten Gesetz über Mietbeihilfen aussieht, weiß heute noch niemand. - Bitte sehr!
Herr Kollege Hauffe, haben Sie übersehen, daß es sich hier um Neubauwohnungen nach dem Zweiten Wohnungsbaugesetz handelt, daß für diese Neubauwohnungen die Miet-und Lastenbeihilfen ab sofort und auf unbeschränkte Frist zulässig sind und daß der Bund die Hälfte dafür bezahlt?
Jawohl, der Bund zahlt die Hälfte, und die andere Hälfte hängt in der Luft. Das ist alles ein Wechsel auf die Zukunft. Außerdem kommt es auf die Bedingungen an, unter denen nachher die Miet- und Lastenbeihilfen gegeben werden. Ein großer Teil der Leute, die jetzt mit dieser Finanzierung rechnen, werden nachher nicht in der Lage sein, die Miet- und Lastenbeihilfen in Anspruch zu nehmen, weil sie sonst zu weit absinken. Das ist alles eine Sache, die sehr, sehr verschwommen ist. Ein Mensch, der verantwortlich für die Zukunft disponiert, ist nicht in der Lage, sich hierauf zu verlassen.
Jetzt möchte ich noch etwas auf die auch immer wieder vorgebrachte Argumentation erwidern, daß an gewissen Orten die Mittel, die für die Sowjetzonenflüchtlinge zur Verfügung gestellt werden, nicht in Anspruch genommen würden. Das ist eben dann der Fall, wenn die Bedingungen nicht erfüllt werden können. Ich will Ihnen genauso bewußt einfach, wie Sie sich das machen, ein Rezept geben: Veranlassen Sie, daß dort, wo die Mittel nicht verbraucht werden können, weil die Bedingungen nicht erfüllt werden können, die Mittel für den Personenkreis verwandt werden, der heute am schlechtesten bedacht wird, nämlich für die einheimischen Normalverbraucher! Dann werden Sie sehen, wie schnell die Mittel verbraucht sind.
({0})
Wird das Wort weiter gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag Umdruck 653 Ziffer 21 auf Einfügung eines Art. V a.
({0})
- Sie wünschen getrennte Abstimmung. Wer Nr. 1 des beantragten Art. V a zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Der Sitzungsvorstand ist sich nicht einig. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! ({1})
Das letztere ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme nunmehr zu Nr. 2. Hierzu hat das Wort Frau Abgeordnete Berger-Heise.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es handelt sich hier um einen Antrag, der Sie gar kein Geld kostet, sondern durch den lediglich der Vorrang von Familienheimen vor anderen Wohnungen sichergestellt werden soll. Sie haben mich vorhin bei einem anderen Paragraphen freundlicherweise gefragt, Herr Baier, was denn nun mit den kinderreichen Familien werden solle, ich versuchte ja sogar den Vorrang der Eigenheime aufzuheben. Ich muß Ihnen sagen, die kinderreiche Familie ohne Eigenkapital, die auf eine Sozialwohnung wartet, rangiert nach dem Zweiten Wohnungsbaugesetz hinter dem kinderlosen Ehepaar mit Eigenkapital, das sich ein Eigenheim bauen will. Das ist im Augenblick die Rangfolge! § 30 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes enthält eine perfektionierte Vorrangliste - gegen die wir schon bei der Beratung des Zweiten Wohnungsbaugesetzes gestimmt haben - für die Bewilligung öffentlicher Mittel, die keine Rücksicht auf die örtlichen Gegebenheiten nimmt. Der örtliche Bedarf läßt sich nur auf Grund sorgfältiger Beobachtungen ermitteln und planen und ist so unterschiedlich von Land zu Land und von Stadt zu Stadt, daß wir glauben, daß man so etwas nicht starr festlegen kann. Ohne dem Zweiten Wohnungsbaugesetz, das ja ein spezielles Gesetz zur Förderung des Eigenheims ist, Gewalt antun zu wollen, beantragen wir folgende Fassung:
Bei gleicher wohnungspolitischer Dringlichkeit hat der Neubau von Familienheimen den Vorrang vor dem Neubau anderer Wohnungen.
({0})
- Dieselbe Stelle, die jetzt nach der Vorrangliste bewilligt.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Baier.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, daß in den wenigen Worten „bei gleicher wohnungspolitischer Dringlichkeit" sehr viel liegt,
({0})
und ich möchte es Ihnen in aller Kürze darstellen. Das bedeutet, um es unumwunden auszusprechen, das Herausbrechen des absoluten Vorrangs, den wir für den minderbemittelten Familienheimerbauer, der gespart hat, im Gesetz heute haben, Das bedeutet, daß Sie dem wohnungspolitischen Dirigismus Tür und Tor öffnen
({1})
und daß Sie dem Vorrang des Familienheimbaues das letzte Rückgrat, das er noch hat, nehmen.
Sie wissen, daß die CDU/CSU-Fraktion ursprünglich den Rechtsanspruch für die Förderung des Familienheims wollte. Das war nicht durchzuführen. Wir haben den Vorrang erreicht, und den wollen Sie heute mit Ihrer Fassung streichen, indem Sie es den Behörden überlassen wollen, darüber zu entscheiden, wer nun zuerst zum Zuge kommen soll. Da muß ich Ihnen sagen, meine sehr geehrten Damen und Herren, dies würde einen erheblichen Rückschritt gegenüber der jetzigen Fassung bedeuten. Ihr Kollege, Herr Jacobi, hat beim Bundesbaugesetz und auch heute eine sehr klare und erfreuliche Erklärung über die Notwendigkeit der Förderung des Familienheimbaues abgegeben, und ich muß mich darüber wundern, daß Sie plötzlich das alles wieder über Bord werfen wollen.
({2})
- Nein, das ist keine Verkennung, das sind die Realitäten, die in der Durchführung Ihres Antrags stecken, wenn Sie die Dinge durchdenken.
({3})
- Sie nehmen immer die Worte Förderung von Familienheimen und Eigentum in den Mund, Sie haben es in Ihr neues Godesberger Programm hineingeschrieben, und ich muß Ihnen sagen: Was nützt das schönste Grundsatzprogramm, das Sie machen, wenn Sie dann bei den wichtigen Entscheidungen, wenn es zum Schwur kommt, diesen Worten keine Taten folgen lassen, sondern hier versuchen, das Gegenteil zu tun.
({4})
Ich möchte noch etwas anderes zu denken geben. Die weißen Kreise, die wir jetzt durch die Herausnahme aus der Wohnraumbewirtschaftung erhalten
werden, würden bei Annahme Ihres Vorschlags in Zukunft überhaupt nicht mehr mit öffentlichen Mitteln bedacht werden können. Ich kommen selbst aus Baden-Württemberg und habe in meinem Wahlkreis einen weißen Kreis mit sehr vielen Eigenheimanträgen von Personen, die ein Familienheim bauen wollen. Diesen Leuten wäre damit die Chance genommen, eine staatliche Förderung beim Bau ihres Familienheimes zu erhalten. Nach Ihrer Tendenz würde dann lediglich in den Städten gebaut werden, es würde dort weiter geballt, es käme nicht zu der Dekonzentration, die wir wünschen.
Gerade an diesem Pfeiler des Zweiten Wohnungsbaugesetzes versuchen Sie seit Jahren immer wieder zu rütteln. Auch in den Ländern wird versucht, in diesem Punkt die Auslegung des Gesetzes zu verwässern.
({5})
Ich möchte Ihnen für unsere Fraktion dazu die eindeutige Versicherung abgeben, daß es Ihnen, soviel an uns liegt, nicht gelingen wird, den Vorrang des Familienheimbaues zu beseitigen. Sie werden mit dieser ständigen Forderung bei uns auf Granit beißen. Wir werden weiter vorrangig den Familienheimbau fördern. Wir werden die Bundesregierung ersuchen, auf die konsequente Einhaltung des Vorranges des Familienheimbaues in den Ländern und bei den Kontingentsträgern zu achten, damit nicht dieser Vorrang des Familienheimbaues aus der Wohnungsbauförderung herausgebrochen wird.
Ich bitte Sie also, auch diesen Antrag abzulehnen.
({6})
Das Wort hat Frau Abgeordnete Berger-Heise.
Nach diesem massiven Angriff ides Herrn Baier möchte ich nur zwei Sätze sagen. Erstens hat er die Dinge auf den Kopf gestellt. Wir haben gesagt: bei gleicher wohnungspolitischer Dringlichkeit
({0})
hat der Neubau von Familienheimen den Vorrang vor anderen Wohnungen.
({1})
Zum anderen kann ich nicht verstehen, daß Sie sagen: „der letzte Rest des Familienheimbaues". Ich denke, das ist so ein Riesenerfolg in Ihrer Wohnungsbaupolitik? Wieso können Sie von den „letzten Resten"sprechen, die dem Eigenheimbau noch geblieben sind?
({2})
Was wir wollen, wissen auch Sie sehr gut. Was wir wollen, ist an dem Beispiel zu erkennen, das ich Ihnen vorhin vorgeführt habe. Wir wollen z. B. verhindern, daß eine kinderreiche Familie, die eine Wohnung braucht, bei der Bewilligung der Mittel nicht herankommen kann, weil ein kinderloses Ehepaar, das ein Eigenheim haben will, zuerst bedient
werden muß. Wir möchten nicht, daß von einem Gesetz, also von einem Reglement, das wir uns hier am grünen Tisch zusammengestellt haben, entschieden wird. Vielmehr soll nach den örtlichen Bedürfnissen im Hinblick darauf, was notwendig ist, entschieden werden.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Czaja.
({0})
- Er verzichtet. Hoffentlich wird das als Vorbild für die weitere Debatte allgemein ;anerkannt. - Das Wort wird also nicht mehr gewünscht.
Ich lasse über die Nr. 2 abstimmen, über die soeben diskutiert wurde. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das zweite ist die Mehrheit; abgelehnt.
Wir kommen zu Nr. 3. Wird das Wort gewünscht? - Frau Abgeordnete Berger-Heise!
Es handelt sich um den Kreis der Wohnungsuchenden mit geringem Einkommen, der mit Wohnraum zu tragbarer Miete versorgt werden soll. Unter „Wohnungsuchenden mit geringem Einkommen" verstand der 'Gesetzgeber im Jahre 1956 Alleinstehende, deren Jahreseinkommen 2400 DM nicht überstieg, Familien mit zwei Familienmitgliedern, die nicht mehr als 3600 DM Jahreseinkommen hatten, zuzüglich für jeden weiteren zur Familie rechnenden Angehörigen 1200 DM. Diese starren Grenzen - Ausnahmen waren nicht zugelassen - haben zur Folge gehabt, daß Wohnungen, die für Wenig- verdienende gebaut wurden, von diesen nicht bezogen werden konnten, z. B. von Alleinstehenden, die statt 200 DM Monatseinkommen 220 DM hatten. Den erhöhten Lebenshaltungskosten folgend, sind Löhne, Gehälter und Renten angehoben worden, ohne daß man die Empfänger dieser Beträge in den unteren Lohngruppen schon zu den gut Verdienenden rechnen könnte. Wir meinen, daß auch die Menschen, die heute 100 DM mehr verdienen - also ein Alleinstehender 300 DM, eine kinderlose Familie 400 DM, eine Familie mit einem Kind 500 DM -, noch zu dieser Gruppe zu rechnen sind, die es mit Wohnungen bevorzugt zu bedienen gilt. Wir beantragen darum, die Beträge um jeweils 100 DM im Monat zu erhöhen.
({0})
Wird das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Baier.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedaure sehr, daß wir im Wechselspiel herauf- und heruntergehen. Ich wäre dafür gewesen, alle Anträge auf einmal zu begründen; ich hätte dann auch pauschal antworten können. Aber wir sind sowieso gleich am Ende, es wird sich kaum mehr lohnen.
Ich darf zu den Einkommensgrenzen folgendes feststellen. Wie sieht es heute aus? Für eine Familie mit zwei Kindern liegt die Einkommensgrenze bei 500 DM monatlich, für eine Familie mit drei Kindern bei 600 DM monatlich. Außerdem fallen unter die Einkommensgrenze für Wohnungsuchende mit geringem Einkommen kinderreiche Familien, Schwerkriegsbeschädigte, Kriegerwitwen mit Kindern, soweit sie zu den im sozialen Wohnungsbau zu begünstigenden Kreisgehören. Das ist eine sehr wesentliche Gruppe. Wir haben uns heute bereits darüber unterhalten. Herr Kollege Berlin hat auf die Notwendigkeit der Unterbringung kinderreicher Familien in Eigenheimwohnungen hingewiesen; sie werden bei der jetzigen Regelung zuerst die entsprechenden Mittel bekommen. Darum geht es. Für diese Personengruppen gilt das von Ihnen vorhin angeführte Argument überhaupt nicht.
Zur allgemeinen Einkommensgrenze für die übrigen Kreise möchte ich folgendes feststellen. Im Jahre 1956 gehörte die Hälfte der im sozialen Wohnungsbau Begünstigten zu den Einkommensschwachen. Dieser Kreis war damals zweifellos zu groß gewesen. Es war nicht möglich gewesen, diese Personen gezielt zu berücksichtigen. Da die Zahl der Betroffenen durch die steigenden Einkommen kleiner geworden ist, sollten wir es begrüßen, daß jetzt um so schneller die Einkommensschwachen, die kleinen Leute, für die Sie und wir etwas übrig haben, zum Zuge kommen sollen. Es gibt genügend Anträge draußen im Lande aus diesen Personengruppen, die zu einem Heim kommen wollen.
Ein Letztes. Wenn nun wirklich in einem Gebiet keine einkommensschwachen Personen mehr vorhanden oder nicht mehr unterzubringen wären, dann käme nach den Förderungsgrundsätzen des Zweiten Wohnungsbaugesetzes automatisch die andere Gruppe zum Zuge. Sehen Sie es aus dieser Sicht, so funktionieren die Rangfolgebestimmungen des Gesetzes nach wie vor, also auch dann, wenn Anträge von Einkommensschwachen nicht mehr vorliegen. Ich bitte Sie deshalb, auch diesen Antrag abzulehnen.
Wird noch das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann lasse ich über Ziffer 3 des Antrages abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das zweite ist die Mehrheit. Abgelehnt!
Ich komme zu Ziffer 4. Das Wort hat Frau Abgeordnete Berger-Heise.
Ich möchte auch diesen Antrag begründen; aber, Herr Kollege Baier, Sie brauchen nicht hier heraufzukommen.
({0})
Die Fraktion der SPD beantragt, den § 88 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes durch den § 119 desselben Gesetzes zu ersetzen, der folgende Fassung erhält:
Das Wohnungsbauprämiengesetz in der Fassung vom 21. Dezember 1954 ... wird wie folgt geändert:
§ 7
Aufbringung der Mittel
Die für die Auszahlung der Prämien erforderlichen Beträge werden den Ländern vom Rechnungsjahr 1961 an vom Bund in vollem Betrage
- gesondert zur Verfügung gestellt."
Sie alle kennen das Dilemma. Die Bundesmittel für das Wohnungsbauprämiengesetz in Höhe von jährlich 100 Millionen DM reichen seit langem nicht mehr aus. Die Länder müssen ihre Bundesmittel, die sie eigentlich für den sozialen Wohnungsbau bekommen haben, in die Prämien stecken. Im Jahre 1959 haben sie 360 Millionen DM für Prämien aufbringen müssen. Der Bund gab einmal 100 Millionen DM und dann 44 Millionen DM aus den Rückflüssen. Den Rest haben die Länder aus ihren Mitteln für den sozialen Wohnungsbau gezahlt. Sie wissen, daß z. B. in Baden-Württemberg nicht ein einziger Pfennig für den sozialen Wohnungsbau übriggeblieben ist,
({1})
daß heute noch über 70 Millionen DM ungedeckt sind und daß Baden-Württemberg erwogen hat, gegen den Bund zu klagen. Es handelt sich doch einfach darum, daß wir hier Gesetze machen, die den Ländern auferlegen, bestimmte Gelder auszuzahlen, ohne daß wir den Ländern die Mittel zur Verfügung stellen. Das ist doch die Crux bei dieser Geschichte. Wir bitten Sie darum, zuzustimmen, daß die Länder von 1961 an die Mittel, die sie nach unseren Bundesgesetzen auszahlen müssen, auch endlich bekommen.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Baier ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin, ich möchte nicht so ungalant zu einer Dame sein, nicht zu antworten. Deshalb wenigstens einige Sätze.
({0})
Das erfreuliche Anwachsen der Zahl der Wohnungsbauprämiensparer hat tatsächlich zu einer im Gesetz unvorhergesehenen Lage geführt. Hier sind wir völlig einig. Es sind erste Auswirkungen in Baden-Württemberg vorhanden, wo es nun zu einer Spannung kam. Sie wissen, daß Verhandlungen zwischen Land und Bund darüber angestrebt wurden, wer den Rest zahlen soll, und ich möchte hier auch offen bekennen: ich bedaure, daß diese seit einem halben Jahr andauernden Verhandlungen zwischen Land und Bund zu keiner Lösung geführt haben. Es soll jetzt ein juristisches Gutachten darüber erstellt werden, wer zahlen soll.
Aber eines muß ich auch feststellen: Ich halte es für ein unmögliches Verlangen, daß der Bund die
gesamten Prämien neben den vollen Wohnungsbaumitteln tragen soll. Denn wir müssen doch feststellen,
({1})
das Land ist beim Wohnungsbau genauso beteiligt wie der Bund, und der Bund hat ohnehin bei der Wohnungsbauförderung in den vergangenen Jahren fast drei Viertel der Förderungsmittel getragen.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Brecht?
Bitte schön!
Herr Abgeordneter Baier, ist Ihnen bekannt, daß der Bund in dem allgemeinen Sparprämiengesetz auch die gesamten Mittel zahlt? Weshalb soll er dann nicht auch bei dem Wohnungsbauprämiengesetz die gesamten Mittel zahlen?
({0})
Herr Kollege Dr. Brecht, ich betrachte das Wohnungsbauprämiengesetz nicht isoliert von der Wohnungsbauförderung. Die Wohnungsbauförderung ist Sache von Land und Bund,
({0})
und alle beide haben dazu ihren Beitrag zu leisten.
({1}).
Ich möchte deshalb noch darauf hinweisen, daß gerade in den Ländern, wo sehr viele Prämiensparer sind, eine sehr günstige Beeinflussung der gesamten Bautätigkeit vorliegt und weiterhin vorliegen wird. Das sollte ein Anlaß sein, daß sich die Länder in irgendeiner Form mitbeteiligen. Ich bin davon überzeugt, daß unter diesem Gesichtspunkt für die Zukunft, im Haushaltsplan 1961, eine Klärung gegeben sein wird. Es ist aber kein Anlaß, am heutigen Tag an eine Änderung des Gesetzes heranzutreten. Ich bitte Sie deshalb, den Antrag abzulehnen.
({2})
Wird noch das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wir stimmen über die Ziffer 4 und 5 des Antrages - das ist der Rest von Artikel V a - zusammen ab. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das zweite ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Damit rufe ich den Art. VI auf und erteile dem Abgeordneten Jahn das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Bartels hat vorhin darauf hingewiesen, daß es
Jahn ({0})
notwendig ist, zu den Bestimmungen, mit denen das Bürgerliche Gesetzbuch geändert werden soll, hier noch einige Vorbehalte zu machen, und er hat so in etwa versucht, das in der Weise über die Bühne zu bringen, daß er die Verantwortuung dafür den Berichterstattern im Rechtsausschuß zuschieben wollte. Nun meine Damen und Herren, ich glaube, daß das nicht nur ein sehr schlechtes Verfahren ist - ({1})
- Es geht hier gar nicht um die Verantwortung der Berichterstatter, Herr Kollege Mick, sondern es geht, glaube ich, um etwas mehr, und davon möchte ich jetzt einiges sagen. Ich meine nämlich, daß das deshalb sehr notwendig ist, weil in diesem Antrag, von dem Kollege Bartels gesprochen hat, sehr deutlich das schlechte Gewissen zum Ausdruck kam,
({2})
das er wegen der Behandlung dieser Fragen im Rechtsausschuß hat und das er verständlicherweise auch haben muß. Denn die Art und Weise, wie Sie dieses Gesetz in seiner Gesamtheit und wie Sie insbesondere den Artikel VI hier im Hause und in den Ausschüssen behandelt haben, hatte mit einer ordnungsgemäßen parlamentarischen Beratung bei weitem nichts mehr zu tun,
({3})
Das war der hektische Versuch, die Dinge über die Bühne zu peitschen - anders kann man es nicht bezeichnen -, dabei Kompromisse zu schließen und Beratungen in einer Art und Weise durchzuführen, die von dem, was eigentlich zu unserer verantwortungsvollen Arbeit, Herr Kollege Mick, gehören sollte, nicht mehr viel übrig ließ.
({4})
- Ja, das muß ich, allerdings halb wehmütig lachen, wenn ich sehe, wie leicht Sie diese Dinge nehmen. Aber ganz so leicht, wie Sie meinten es sich machen zu können, wollen wir es Ihnen heute nicht machen, und dazu werden Sie, so denke ich, in der nächsten Viertelstunde noch einiges zu hören bekommen. Aber seien Sie geduldig; das geht eins nach dem anderen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, hier geht es um die Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuches. Das Bürgerliche Gesetzbuch hat in seinem Teil, der das Mietrecht behandelt, zwar eine ganze Menge Fragen in nahezu 50 Paragraphen geregelt. Es hat sich aber sehr bald, schon nach verhältnismäßig kurzer Zeit, herausgestellt, daß man gerade mit diesem Teil des BGB angesichts der Erfordernisse einer gewandelten Gesellschaft nicht mehr zurechtkam, und so hat sich schon in den vergangenen vierzig Jahren neben dem BGB ein selbständiges Mietrecht und insbesondere Mieterschutzrecht entwickelt und entwickeln müssen. Hier soll mit dem Artikel VI erstmals der dankenswerte Versuch gemacht werden, diese Entwicklung neben dem BGB her wieder in das BGB hineinzubringen.
({5})
- Natürlich! Dieser Weg ist durchaus richtig, dieser Weg wird auch von uns bejaht, aus voller Überzeugung bejaht. Sie haben dabei nicht nur unsere Zustimmung, sondern auch unsere Unterstützung und Mitarbeit. Aber, meine Damen und Herren, nicht in der Weise, wie Sie das hier in den letzten Wochen versucht haben!
Das Bürgerliche Gesetzbuch hat zwar seine schwachen Stellen, und dazu gehört zweifellos das Mietrecht. Aber es ist insgesamt ein besonders sorgfältig gearbeitetes Gesetz, es ist insgesamt ein Gesetz, das sich trotz sehr gewandelter Verhältnisse immerhin sechs Jahrzehnte hindurch als praktisch brauchbar erwiesen hat, weil es in einer ganz besonders sorgfältigen Weise aufgebaut, weil es in einer besonders sorgsamen Weise vorbereitet worden ist. Wenn man ein solches Gesetz ändern will, dann kann man, glaube ich, das nicht anders machen als so, wie es jene Männer gemacht haben, die seinerzeit das Bürgerliche Gesetzbuch geschaffen haben. Dann darf man nicht so aus dem Handgelenk einige Vorschriften leichthin ändern. Wir sollten dann vielmehr noch etwas von der Verpflichtung verspüren, in ähnlich ernsthafter Weise, wie das damals geschehen ist, mit ähnlicher Sorgfalt an die Änderung eines solchen Gesetzes heranzugehen.
Als wir uns vor einigen Monaten in diesem Hause darüber unterhalten mußten, ob und wie bei der Frage der Reinhaltung der Luft der § 906, eine einzige Vorschrift des BGB, geändert werden sollte, da hat die Bundesregierung und da haben sehr viele gerade aus Ihren Reihen, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, warnend den Finger gehoben und haben gesagt: „Vorsichtig! An das BGB geht man nicht so leichtsinnig heran! Das muß wohl bedacht sein! Lassen Sie uns das erst einmal in aller Sorgfalt beraten! Am besten gehen wir überhaupt nicht an dieses altehrwürdige Gesetz heran, sondern lassen das alles einmal heranreifen!"
({6})
- Sie haben es dann schließlich doch getan, Herr Kollege Even, das ist richtig. Aber wie haben Sie das getan? - In einer Art und Weise, von der ich nur sagen kann: Hier ist die notwendige Achtung vor diesem Gesetz, vor seinem Gewicht, vor seiner Bedeutung auch durchaus gewahrt worden, hier hat man sich nämlich die Mühe gemacht, sehr sorgfältig, sehr ausführlich, sehr lange auch darüber zu beraten. Hier hat man Gutachten eingeholt, hier hat man Gutachter vor den Ausschüssen gehört, und hier hat man - in einem Wort - alles das getan, was notwendig ist, um ein Gesetzeswerk von dieser Bedeutung den heutigen Verhältnissen anzupassen.
Sie werden doch nicht im Ernst behaupten wollen, daß auch hier, bei der Änderung der mietrechtlichen Bestimmungen des BGB, auch nur der Versuch gemacht worden ist, in gleicher Weise zu verfahren.
({7})
- Nein, nicht einmal der Versuch, Herr Kollege Dr.
Czaja. Das ist doch einfach nicht wahr. Wenn Sie
wollen, präsentiere ich Ihnen noch die Daten und
Jahn ({8})
Stunden, in denen uns die Ergebnisse aus dem Wohnungsausschuß tröpfchenweise auf den Tisch gelegt worden sind, und weise Ihnen nach, daß weder die Berichterstatter noch die Fraktionen Zeit und Gelegenheit gehabt haben, sich diese Beratungsergebnisse in Ruhe anzusehen, untereinander zu diskutieren und damit im Ausschuß zu arbeiten.
({9})
- Die Unruhe?
({10})
- Dagegen ist sicher nichts einzuwenden, Herr Kollege Mick. Die Frage ist nur: Was ist das für eine Art Unruhe? Ist das eine echte Unruhe oder war das die Peitsche des Parteivorsitzenden, der Ihnen doch in Karlsruhe bescheinigt hat, daß Sie recht müde geworden waren
({11})
und daß Sie nun erst einmal den Ehrgeiz entwickeln müßten, unter Beweis zu stellen, daß Sie auch anders können. Da haben Sie das Rad nur gleich wieder nach der anderen Seite überdreht.
Es geht aber nicht nur um irgendeine Änderung des BGB, es geht noch um etwas mehr. Jeder, der dieses Gesetz kennt, weiß, daß darin der Begriff eines sozialen Rechtes überhaupt nicht vorkommt, daß es den dort nicht gibt. Ich meine, gerade dieser Umstand sollte uns dazu verpflichten, wenn wir hier etwas völlig Fremdartiges, etwas völlig Neuartiges in dieses umfassende Gesetzeswerk des BGB hineinarbeiten wollen, mit ganz besonderer Sorgfalt, mit ganz besonderer Behutsamkeit zu verfahren. Diese Überlegung spricht nicht dagegen, daß man es tut, sondern spricht nur dafür, daß man das nicht so aus dem Handgelenk machen kann, wie Sie das versucht haben und noch jetzt versuchen.
Ich glaube, man kann das nicht ernst genug nehmen; denn auf dem Bürgerlichen Gesetzbuch basiert immerhin unsere heutige Privatrechtsordnung in Deutschland. An diesem Bürgerlichen Gesetzbuch kann man deshalb nicht so herummanipulieren, wie Sie das versucht haben.
Aber es ist interessant zu sehen, wie „ernst und gewichtig" Sie es dann nehmen, wenn es darum geht, gewisse propagandistische Effekte zu erzielen. Man sollte eigentlich erwarten dürfen, daß bei einem solchen Änderungsgesetz wenigstens der Herr Bundesjustizminister im Hause ist, in dessen Ressort das Bürgerliche Recht fällt.
({12})
Er glänzt durch Abwesenheit, ein weiterer Beweis
dafür, wie gleichgültig ihm und Ihnen das alles ist,
({13})
wie bedeutungslos ihm die Regelung dieser Fragen erscheint.
Wir haben uns, wenn wir an diese Änderung des BGB herangehen, sehr gründlich zu überlegen, in welcher Form es geschieht. Das Mietrecht des BGB
ist in gar keiner Weise überzeugend geregelt. Da stehen heute im Mietrecht alle möglichen Vorschriften durcheinander, in die Sie nun nach Ihren Vorstellungen auch das soziale Wohnungsmietrecht hineinarbeiten wollen. Das Bürgerliche Gesetzbuch, so wie es jetzt ist, enthält die Regelung eines Mietverhältnisses über ein Grundstück gleichermaßen wie die Regelung eines Mietverhältnisses über eine Wohnung und über irgendeine Sache,
({14}) über einen Esel oder was Sie sonst nehmen.
({15})
- Ich habe es gerade gebracht, Herr Kollege Bartels. Wenn Sie nicht mit Ihrem Nachbarn gesprochen hätten, hätten Sie es gehört.
Sie wollen nun etwas völlig Neues in dieses Mietrecht des BGB hineinarbeiten. Da müssen Sie doch prüfen, ob Sie, wenn Sie den Anspruch erheben wollen, von einem sozialen Mietrecht zu reden, nicht diesen ganzen Abschnitt neu gliedern, neu aufbauen und dartun müssen, daß es hier tatsächlich um etwas geht, was außerhalb dessen steht, was im bisherigen Mietrecht geregelt ist, und was deshalb einer besonderen Behandlung bedarf.
Trotz Ihrer vielerlei Zwischenrufe möchte ich Sie sehr ernsthaft fragen, ob Ihnen bei dem Verfahren, das Sie hier gewählt haben, dem Hause, weil Sie aus Zeitgründen nicht weiter gekommen sind, schließlich ganze zwei Vorschriften zu präsentieren und diese als ein soziales Mietrecht zu deklarieren, so ganz wohl ist. Beantworten Sie die Frage bitte einmal ohne jeden Vorbehalt, ganz aufrichtig. Wenn Sie ehrlich sind, werden Sie gar nicht mit Ja antworten können.
Meine Damen und Herren, auf jeden Fall möchte ich schon an dieser Stelle eines ganz klar sagen. Die Verantwortung für ein derartiges Herumpfuschen am Bürgerlichen Gesetzbuch müssen Sie schon alleine tragen; die werden wir Sozialdemokraten nicht mitübernehmen. Ich habe Ihnen vorhin ausdrücklich erklärt, daß wir grundsätzlich bereit sind, Ihren Überlegungen zu folgen und an der Einarbeitung eines sozialen Mietrechts in das BGB mitzuwirken, aber nicht in der Weise, wie Sie es hier versuchen.
Sehen wir uns einmal das Ergebnis Ihrer nicht fertig gewordenen Arbeit an, sehen wir uns einmal das an, was Sie hier als „soziales Mietrecht" anbieten. Ganze zwei von 45 Paragraphen sind übriggeblieben. Man muß Sie doch ernsthaft fragen: wem wollen Sie damit eigentlich weismachen, daß dieses Gesetz seine Überschrift zu Recht trägt und daß hier ein soziales Mietrecht geschaffen werde? Die zwei Bestimmungen, die Sie glücklich zustande gebracht haben, behandeln im wesentlichen das Kündigungsrecht des Vermieters und seine Ausgestaltung. Alle anderen Fragen bleiben offen.
Sie können sich aus Ihrer Verantwortung für diese völlig unmögliche und unzulängliche Regelung nicht dadurch herausmogeln, daß Sie in einem Entschließungsantrag „betonen", Sie wollten den Rest
Jahn ({16})
irgendwann einmal nachliefern. Meine sehr verehrten Damen und Herren, was ist das für eine merkwürdige Methode der Gesetzgebung! Da werden hier zwei Bestimmungen, die alle Rechte in dem umfassenden Rechtsverhältnis zwischen Vermieter und Mieter praktisch offenlassen, verabschiedet, und dem staunenden Volk wird gesagt: „Nun, seht mal zu, später werden wir euch da noch etwas Passendes nachliefern." Das nennen Sie ein soziales Mietrecht, das wollen Sie hier noch unter der Firma „soziales Mietrecht" anbieten! Meine Damen und Herren, sollen wir Sie da eigentlich wirklich ernst nehmen? Da überfordern Sie uns doch etwas.
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Sehen wir uns aber doch einmal an, was praktisch dabei herausgekommen ist. Sie haben nach langen internen Diskussionen in Ihrem Arbeitskreis den § 556 a zustande gebracht. Er erscheint zunächst ganz schön. Auf den ersten Blick sieht das auch ganz nett aus. Aber was soll denn eigentlich in der Praxis damit werden? In den ersten Absatz haben Sie drei Generalklauseln eingebaut, drei völlig verwaschene, unklare, unscharfe Formulierungen, mit denen die armen Richter nachher draußen fertig werden sollen und bei denen sich der einzelne Mieter vergeblich fragen wird: „Werde ich auf Grund dieser Generalklauseln noch den notwendigen Schutz haben" - Sie möchten ihm diesen gerne geben -, „den ich brauche, um als Mieter nicht völlig rechtlos dazustehen?" Niemand, kein Anwalt, kein Angehöriger eines Mieterschutzbundes oder sonst jemand, kann ihm darauf eine eindeutige Antwort geben. Diese gummiartige Bestimmung läßt nämlich eine Dehnung nach jeder Richtung zu. Niemand kann sagen, wie der einzelne Richter damit zurechtkommen wird.
In den letzten Jahren ist es eine etwas beliebte Methode geworden, sich in die Generalklauseln zu flüchten und es dann der Rechtsprechung zu überlassen, wie sie damit fertig wird. Ich meine, der Gesetzgeber hat auch eine gewisse Verpflichtung, für ein Mindestmaß an Klarheit und Deutlichkeit in den Bestimmungen zu sorgen, die er erläßt, damit demjenigen, dessen Rechtsstellung berührt wird, noch die Möglichkeit gegeben wird, zu erkennen, was wir - in diesem Falle muß man richtiger sagen: was Sie - mit diesen gesetzlichen Bestimmungen eigentlich wollen.
Ich darf diese Bestimmung hier einmal wörtlich zitieren:
Würde die vertragsmäßige Beendigung des Mietverhältnisses über Wohnraum wegen besonderer Umstände des Einzelfalles einen Eingriff in die Lebensverhältnisse des Mieters oder seiner Familie bewirken, dessen Härte ...
- Ja, meine sehr verehrten Damen und Herren, da fängt es schon an. Welche Beendigung des Mietverhältnisses bedeutet denn nicht einen Eingriff in die Lebensverhältnisse des Mieters? Was ist das für eine Formulierung! Wie soll man denn damit in der Praxis arbeiten, was soll man denn damit anfangen?
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Selbstverständlich ist jede Beendigung des Mietverhältnisses ein solcher Eingriff, selbstverständlich berührt jede Beendigung des Mietverhältnisses die Lebensinteressen des Mieters auf das tiefste und kann seine Lebensposition ganz entscheidend verschlechtern.
Ich will nur einmal an dieser einen Generalklausel deutlich machen, wie gefährlich es ist, sich darauf zu beschränken, solche Generalklauseln hier hineinzuschreiben und zu sagen: „Mögen doch die Richter sehen, wie sie nachher damit fertig werden! Irgendwie werden sie es schon schaffen!" Das führt letzten Endes zu einer Entwicklung, die wir in unserem deutschen Recht überhaupt nicht kennen, nämlich zu einem reinen Richterrecht, wo man nachher, wenn man wissen will, welche Rechtsposition man hat, nicht mehr in das Gesetz sehen, sondern in den Entscheidungen der Gerichte nachsehen muß: wie hat das Gericht in einem annähernd vergleichbaren Falle entschieden?, ohne damit aber die Sicherheit zu haben, daß nun im konkreten Falle entsprechend entschieden wird. Ich will mich - die Zeit ist sehr vorgeschritten und der Drang, mit dieser Debatte zu Ende zu kommen, allzu groß - mit diesem Beispiel zunächst einmal begnügen. Ich bin gern bereit, diesen Faden hier noch weiterzuspinnen, wenn Sie Wert darauf legen.
Sie haben dann in diesen § 556 a etwas hineingebracht, was unserer ganzen bürgerlich-rechtlichen Rechtssystematik einfach widerspricht. Der rechtsgestaltende Akt der Kündigung soll in Zukunft nach Ihrer Vorstellung dadurch unwirksam gemacht werden, daß der Mieter in begründeten Fällen ein Widerspruchsrecht hat. Das ist zwar der Versuch, aus der Schwierigkeit herauszukommen, die sich daraus ergibt, daß Sie die Umgestaltung der Kündigungsvorschriften in dieser Weise vornehmen. Aber Sie müssen sich doch darüber im klaren sein, daß hier ein Eingriff in unser geltendes Recht vorgenommen wird, ein Fremdkörper in unser Bürgerliches Gesetzbuch hineingebracht wird, wie wir ihn bisher nicht gekannt haben und der sich einfach nicht vereinbaren läßt mit dem, was in diesem Gesetz bisher gestanden hat. Diese Regelung, die Sie wollen, läßt sich mit dem BGB, mit seinen allgemeinen Vorschriften, die in einem besonderen Allgemeinen Teil zusammengefaßt und noch einmal in einem weiteren Allgemeinen Teil des Schuldrechts für dieses Schuldrecht besonders interpretiert sind, überhaupt nicht vereinbaren.
Sie benachteiligen schließlich auch noch den Mieter ganz einseitig dadurch, daß Sie dem Vermieter erlauben, seine Kündigung in jeder x-beliebigen Form auszusprechen, während Sie dem Mieter vorschreiben, daß er sein Widerspruchsrecht nur durch eine schriftliche Erklärung geltend machen kann.
Sie mögen aus diesen wenigen Beispielen ersehen, wie gefährlich es ist, in zweieinhalb Stunden - mehr hat nämlich dem Rechtsausschuß für die Beratung dieser Vorschriften überhaupt nicht zur Verfügung gestanden ({19})
Jahn ({20})
diese Vorschriften durchzupeitschen, ohne den Beteiligten Gelegenheit zu geben, sorgsam abwägend nach einem vernünftigen Weg, nach einer vernünftigen Lösung zu suchen.
Sie haben dann im § 565 eine Reihe von Verbesserungen hineingebracht, über die sich durchaus diskutieren läßt, die aber doch ebenfalls, für sich allein genommen, noch kein Bild davon geben, was Sie eigentlich meinen, wenn Sie hier vom „sozialen Mietrecht" reden. Allein das schmückende Beiwort „sozial" macht doch wohl noch kein soziales Recht aus.
({21})
- Ich habe Ihren Zwischenruf leider nicht verstanden.
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- Sie reden hier von sozialem Mietrecht. Ich rede nicht von den anderen Fragen, über die nachher vielleicht noch einiges zu sagen sein wird.
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- Natürlich! Zum sozialen Mietrecht gehört aber vor allem, daß man die Rechtsstellung des. Mieters so gestaltet, daß man sie als eine soziale Rechtsstellung bezeichnen kann. Und davon kann doch beim besten Willen keine Rede sein.
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- Ach, Herr Kollege, was heißt, das sei ein Irrtum von mir! Ich werde Ihnen gleich noch sagen, was alles in diesem sogenannten sozialen Mietrecht nicht geregelt ist, und dann wollen wir uns vielleicht anschließend noch einmal darüber unterhalten, wer hier einem Irrtum unterliegt.
Bei diesen beiden Vorschriften, § 556 a und § 565, lassen Sie es nämlich bewenden. Die andere Frage, womit Sie dieses Mietrecht in Zukunft eigentlich sozial ausgestalten wollen, bleibt in einer Fülle von Einzelheiten unbeantwortet.
Unbeantwortet lassen Sie beispielsweise die Frage, wie die Rechtsstellung des Mieters ist, wenn die Mietsache, die Wohnung, die er zu mieten hat, nicht in Ordnung ist, welche Rechte der Mieter dann hat. Darauf geben Sie keine Antwort. Das ist einfach ausgeklammert worden. Es ist ja wahrscheinlich auch „nicht so wichtig".
Völlig unbeantwortet lassen Sie die Frage: Was ist mit .dem Recht des Mieters, mit Ersatzforderungen aufzurechnen, die er gegen den Vermieter hat? Wird er dann keinen Mietzins zu zahlen brauchen? Nach Ihren Vorstellungen ist diese Frage nicht so wichtig, sie kann einstweilen vertagt werden, sie braucht hier nicht geregelt zu werden.
Offen lassen Sie die Frage: Wie ist die Rechtsstellung des Mieters dann, wenn der Vermieter in der Wohnung Arbeiten vornehmen lassen will? Wie ist es dann mit dem Grundsatz von der Unverletzlichkeit der Wohnung, den Sie dann, wenn es Ihnen gerade einmal paßt, hier mit so großer Lautstärke und völlig zu Recht vertreten? Das ist eine Frage, die offenbar nur von „geringer Bedeutung" ist, die also keiner Regelung bedarf.
Wie ist es mit dem außerordentlichen Kündigungsrecht des Mieters? Diese Frage ist ebenfalls offengeblieben.
Was geschieht, wenn das Mietverhältnis zu einem Zeitpunkt beendet wird, zu dem etwaige Mietvorauszahlungen, Baukostenzuschüsse oder Ähnliches, was heute ja häufiger vorkommt, noch nicht abgewohnt sind? Auch diese Frage bleibt einfach offen.
Ebenso lassen Sie die Frage offen: Welche Rechtsstellung hat der Mieter dann, wenn er die Wohnung verlassen muß und in dieser Wohnung Gegenstände von ihm und auf seine Kosten eingebaut worden sind?
Offen lassen Sie auch die Frage des Rechtes des Mieters zur Untervermietung. Und so ließen sich die Beispiele hier noch vielfältig fortsetzen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn Sie meinen, in ,der Weise, wie Sie es hier zu tun versuchen, einen vorläufigen Eingriff in das bürgerliche Recht vornehmen zu können, indem Sie ihm einfach das Etikett „sozial" umhängen, alle entscheidenden Fragen, die die soziale Rechtsstellung des Mieters berühren, aber ausklammern, können Sie doch nicht im Ernst Anspruch darauf erheben, mit solchen Thesen gehört zu werden. Das, was Sie hier machen, ist keine gute Arbeit. Das, was Sie hier an Eingriffen in unser bürgerliches Recht versuchen, ist so obenhin, so mit der leichten Hand, so wenig fundiert vorgenommen, daß man nur sagen kann: Mit Ihrer Achtung vor diesem Gesetz und seinem Gewicht kann es nicht sehr weit her sein.
Wenn diese Beratungen in einem vernünftigen Stil vorgenommen werden sollen, wird es notwendig sein, daß wir uns im Rechtsausschuß mit diesen Fragen noch einmal sehr eingehend, sehr gründlich, sehr sorgfältig und mit der Zeit, die wir dafür in Anspruch nehmen müssen, beschäftigen. Es drängt Sie ja niemand. Es besteht im Augenblick gar kein Anlaß, hier zwei Vorschriften herauszupicken, einfach als sogenanntes soziales Mietrecht zu präsentieren und es dabei bewenden zu lassen. Wir haben ja noch einige Zeit.
Ich bitte Sie, doch etwas Verständnis dafür aufzubringen, daß ein so weitgehender Eingriff in ein bestehendes Gesetz nicht so obenhin geschehen darf, und unserem Antrag zuzustimmen, den ganzen Artikel mit den bereits „etwas" beratenen Bestimmungen hier zunächst einmal zurückzustellen und an den Rechtsausschuß zurückzuverweisen, damit wir dort die Möglichkeit haben, dem Hause und vor allen Dingen den Betroffenen, nämlich den Mietern und Vermietern, ein vernünftiges, den Verhältnissen unserer Zeit angepaßtes neues Mietrecht zu präsentieren.
({25})
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Diemer-Nicolaus.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Herren und Damen! Namens der Fraktion der FDP stelle auch ich den Antrag, den Art. VI an den Rechtsausschuß zurückzuverweisen. In bezug auf die Art und Weise, wie im Rechtsausschuß verfahren worden ist, wie einer ordnungsgemäßen Beratung nicht genügend Raum gegeben und ein Zeitdruck ausgeübt worden ist, den ich bisher noch bei keiner Behandlung eines Gesetzes - und wir haben schon manche sehr vordringliche Gesetze erledigt - erlebt habe,
({0})
kann ich nur in vollem Umfang das unterstreichen, was bereits von Herrn Kollegen Jahn gesagt worden ist.
Schon in dem Bericht liest man etwas Merkwürdiges, das bisher kaum in den Berichten zu finden ist. Dort wird gesagt: Soundso viele Bestimmungen sind noch im Ausschuß anhängig geblieben.
Herr Minister, Sie sind in Ihrer Vorlage insofern richtig vorgegangen, als Sie versucht haben, die Bestimmungen des BGB und die Bestimmungen über die Zwangsvollstreckung miteinander in Einklang zu bringen, in der richtigen Erkenntnis, daß es unmöglich ist, einzelne Bestimmungen aus dem Zusammenhang zu reißen, gesondert zu behandeln und zur Abstimmung zu stellen.
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Wir haben im Rechtsausschuß in der kurzen Zeit, die uns an jenem Freitagmorgen zur Verfügung stand, auf die Gefahren hingewiesen. Wir haben beantragt, die Entscheidung über die gesamten Bestimmungen zurückzustellen. Ich habe dabei geltend gemacht, daß die ganze Gesetzesvorlage aus den verschiedensten selbständigen Einzelteilen besteht, die völlig getrennt voneinander als besondere Gesetzentwürfe hätten eingebracht und verabschiedet werden können.
Einer dieser Einzelteile enthält die Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuches und die damit zusammenhängende Änderung der Zivilprozeßordnung. Das Mieterschutzgesetz soll nach und nach sein Ende finden. Erst ab 1963 kommen die geänderten Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches gegebenenfalls zum Tragen. Wir haben ,deshalb durchaus Zeit, uns dieser verantwortungsvollen Aufgabe so sorgfältig anzunehmen, wie es des Bundestages würdig ist.
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Man kann nicht sagen, aus psychologischen Gründen sei es unmöglich, die Wohnraumbewirtschaftung aufzuheben und Mieterhöhungen zuzulassen, ohne gleichzeitig das soziale Mietrecht im BGB zu verankern. Herr Minister, Sie und damit. auch die Bundesregierung haben Ihre Auffassung von einem sozialen Mietrecht in der Regierungsvorlage zur Genüge zum Ausdruck gebracht. Glauben Sie, daß es der Bevölkerung darauf ankommt, zwei Paragraphen vorgelegt zu erhalten, die noch dazu nachher womöglich gar nicht haltbar sind?! Der Bevölkerung wird es ,genügen, wenn Sie Ihre Auffassung zu diesem Problem noch einmal in einer allgemeinen Erklärung darlegen.
Ich kann Ihnen heute noch nicht sagen, ob wir Freien Demokraten den Wegen folgen werden, die in den Änderungsvorschlägen vorgezeichnet sind. Hier sind schwerwiegende Fragen angeschnitten. Es geht nicht nur um das Recht des Mieters, von dem sehr viel die Rede ist, sondern es geht auch um die Rechte des Vermieters; das sollte man nicht vergessen. Wir haben insofern zu normalen Zeiten bisher ein abgewogenes System gehabt, in dem die Rechte von Mietern und Vermietern gleich behandelt werden. Nach der jetzt vorgesehenen Fassung des § 565 werden bezüglich der Kündigungsfristen des Mieters einerseits und des Vermieters andererseits Unterschiede gemacht. Ob man im Zeichen eines sozialen Mietrechts so weit gehen soll, muß sehr genau überlegt werden.
In dem neuen § 556 a, der im Rechtsausschuß so gut wie überhaupt nicht behandelt worden ist,
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ist vorgesehen, daß, wenn dem Mieter nicht zugemutet werden kann, aus der Wohnung auszuziehen, die Fortsetzung des Mitverhältnisses verlangt werden kann; wenn dem Vermieter die Fortsetzung des Mietverhältnisses zu den bisherigen Bedingungen nicht zuzumuten ist, muß eine angemessene Änderung der Vertragsbedingungen ausgehandelt werden, und wenn die Parteien sich nicht einigen, muß der Richter die neuen Vertragsbedingungen festlegen. Diese Bestimmung, die ein Gestaltungsurteil vorsieht, ist ein Novum in unserem Zivilprozeßrecht, und es geht nicht an, sie in fünf Minuten zu erledigen. Sie müßte in ihrer ganzen Tragweite behandelt werden. Aber das ist nicht erfolgt.
Weiterhin ist dieses Gesetz sehr genau daraufhin zu prüfen, ob es den Bestimmungen des Grundgesetzes genügt. Es ist genau darauf zu achten, daß die Grundsätze, die das Bundesverfassungsgericht zu Art. 14 in bezug auf Eigentumsbeschränkungen aufgestellt hat, bei der Formulierung eines neuen Mietrechts berücksichtigt ,werden. All das ist nicht geschehen. Wir Freien Demokraten halten es deshalb nicht für möglich, diese Paragraphen heute zu verabschieden. Wir halten eine weitere Beratung für unbedingt erforderlich, zumal auch die vielen anderen Bestimmungen noch im Rechtsausschuß beraten werden müssen. Sie können doch jetzt nicht einzelne Bestimmungen herausgreifen.
Herr Minister, Sie haben in der Begründung des Gesetzentwurfs gesagt, das Mieterschutzgesetz solle abgebaut werden, wenn der Wohnraummangel behoben sei. Sie haben sich ausdrücklich dagegen ausgesprochen, „Wohnungserbhöfe" - der Ausdruck stammt von Ihnen - zu schaffen. Wie verhält es sich denn jetzt hiermit? Besteht nicht die Gefahr, daß, da keine Kriterien gegeben sind, wie der § 556 a Abs. 1 auszulegen ist, auch nach dem Außerkrafttreten des Mieterschutzgesetzes Wohnungserbhöfe bestehenbleiben oder entstehen? So geht es doch nicht!
Sie haben weiter gesagt - auch ein Satz, den ich unterstreiche -: Nur so viel Staat wie nötig. Hier schaffen Sie dadurch, daß Sie dem Richter die nach
meiner Auffassung unzumutbare Aufgabe stellen, Verträge zu ändern und zu gestalten, doch neue staatliche, neue richterliche Aufgaben, die in diesem Umfang überhaupt nicht vorhanden gewesen sind. Derartige Dinge müssen sorgfältig überlegt, sorgfältig beraten werden; sie müssen nach allen Seiten abgewogen werden. Deswegen werden wir den Antrag auf Rückverweisung an den Rechtsausschuß in vollem Umfange unterstützen.
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Das Wort hat Herr Bundesminister Lücke.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch die Bundesregierung bedauert es, daß die von ihr vorgelegten Bestimmungen nicht voll verabschiedet werden konnten. Das Gesetz ist am 12. November 1959 von mir hier begründet worden. Wir alle im Hohen Hause wissen - das wird oft erwähnt -, daß der Rechtsausschuß mit Arbeit überlastet ist. Die jetzt gefundenen Lösungen stellen den Rahmen dessen dar, was unerläßlich notwendig ist, um klarzumachen, was wir wollen.
Ich bin für die Rede des Herrn Abgeordneten Jahn dankbar, die sich allerdings in den Grundsätzen weitgehend von dem unterscheidet, was die verehrte Frau Kollegin ausgeführt hat.
Was wollen wir? Wir wollen, daß berechtigten sozialen Belangen der Familie auch dann entsprochen wird, wenn das Mieterschutzgesetz ausläuft, wenn die Marktsituation eingetreten ist. Zwei dieser Grundsätze sind nach sehr sorgfältiger Beratung im Rechtsausschuß verabschiedet worden und werden in das BGB eingebaut. Die übrigen Bestimmungen bleiben anhängig. Zu dem Gesetz wird ein Entschließungsantrag der CDU/CSU-Fraktion angenommen werden, der ausdrücklich fordert, daß diese Bestimmungen ehestmöglich verabschiedet werden.
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Jahn?
Bitte schön!
Herr Minister, sind Sie nicht der Meinung, daß das soziale Mietrecht ein unteilbares Ganzes darstellt, daß man nicht einzelne Bestimmungen, Einzelfragen aus dem Gesamtkomplex eines Mietverhältnisses herausgreifen kann, ohne den Eindruck zu erwecken, daß alle anderen Fragen völlig unklar und offenbleiben und ein echtes soziales Mietrecht überhaupt nicht geschaffen werden kann?
Ich bin Ihrer Meinung, Herr Kollege Jahn, daß das soziale Miet- und Wohnrecht nicht auseinandergerissen werden darf.
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- Verzeihen Sie, das geschieht auch nicht. ({1})
- Verzeihen Sie, meine Damen und Herren, die Bestimmungen, die hierzu in das BGB eingebaut werden, stellen das politische Wollen in einen Rahmen. Wirksam werden diese Bestimmungen - das wissen Sie, Herr Jahn - frühestens am 1. Juli 1963.
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Hier, Herr Kollege Jahn, möchte ich festgelegt werden, auch als Bundesminister: für mich ist es indiskutabel, in den Liberalismus der Wohnungswirtschaft vor 1914 zurückzufallen.
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Darum gibt es für mich keinen Abbau der Wohnungszwangswirtschaft ohne die gleichzeitige Einführung des sozialen Miet- und Wohnrechts. Ich wiederhole das hier.
Nun sind die zwei Rahmenbestimmungen ins BGB eingebaut. Die übrigen Bestimmungen werden im Rechtsausschuß weiterberaten; sie sind ja anhängig geblieben. Ich hoffe sehr, meine Damen und Herren vom Rechtsausschuß, daß wir es schaffen, bis zum 1. Januar 1961 die Bestimmungen zu verabschieden. Damit, Herr Kollege Jahn, ist Ihr Anliegen erfüllt; die Bestimmungen sind dann insgesamt im BGB enthalten.
Politisch aber bekenne ich offen, daß eine Verabschiedung dieser Mietenreform und des Abbaues der Wohnungszwangswirtschaft ohne für die dem Bürger erkennbaren Rahmenbestimmungen im BGB nicht diskutabel war, und darum habe ich mit meinen Freunden darauf bestanden, daß diese Grundsatzbestimmungen ins BGB hineingekommen sind.
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Diemer-Nicolaus?
Bundesminister für Wohnungsbau: Bitte
schön, gnädige Frau!
Herr Minister, darf ich fragen Sie waren leider in der Sitzung des Rechtsausschusses nicht anwesend ({0})
Halten Sie eine Beratung von 2 1/2 Stunden bei einem derartigen Gesetz für sorgfältig? Darf ich weiterhin fragen: Halten Sie es für vertretbar, daß über früher zugesagte Rechte, die dem frei finanzierten Wohnungsbau genommen werden sollen, innerhalb so kurzer Zeit einfach hinweggegangen wird?
Gnädige Frau, ich bin kein Jurist. Sie hingegen haben heute von meinem Freund Bartels das Kompliment bekommen, daß Sie zu den besten Juristen dieses Hohen Hauses zählen.
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Aber ich darf Ihnen zu dieser Frage folgendes sagen. Die Bundesregierung hat diese Bestimmung in jahrelangen Beratungen mit den Landesjustizverwaltungen, mit den Richtern, mit den Praktikern der Länder überlegt. Ich darf auch darauf verweisen, daß die grundsätzlichen Bestimmungen, um die jetzt der Streit geht, die einmütige Billigung des Bundesrates gefunden haben. Es ist, gnädige Frau, nicht nur 2 1/2 Stunden, sondern Tage und Wochen von der Mehrheit - die CDU/CSU und die DP bilden die Mehrheit, die für diese Vorlage verantwortlich ist - beraten worden, um Lösungen zu finden. Dieser Weg ist jetzt gefunden worden.
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Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage - Lücke, Bundesminister für Wohnungsbau: Nein, ich gestatte jetzt keine Zwischenfrage.
Der Herr Bundesminister läßt keine Frage mehr zu!
Der Weg, der jetzt gefunden worden ist, stellt sicher, daß die berechtigten sozialen Belange der Familien durch die Bestimmungen des BGB berücksichtigt werden und daß diese Vorschriften rechtzeitig in Kraft treten können, so daß der Bürger draußen - auf den kommt es doch wohl bei unserer Arbeit an, er sollte unser Ordnungsbild sein - und die Familien draußen rechtzeitig in den Genuß dieser Bestimmungen kommen.
Ich bitte daher dringend, die Anträge der SPD-Fraktion und der FDP-Fraktion abzulehnen und es bei der Vorlage zu belassen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bartels.
({0})
- Ihr Verzicht ist vorbildlich, aber Herr Abgeordneter Jahn hat sich gemeldet. Ich erteile ihm das Wort.
Ich bedauere sehr, Herr Präsident, daß nicht auch ich mir eine gute Note bei Ihnen für einen vorbildlichen Verzicht holen kann. Aber es ist notwendig, etwas zur Sache zu sagen.
Der Herr Minister hat gesagt, hier sei tagelang beraten worden. Herr Minister, Sie waren so liebenswürdig oder nicht liebenswürdig, meine Frage nicht zuzulassen. Ich wollte Sie fragen, wo denn eigentlich beraten worden ist. In diesem Hause und in seinen Ausschüssen ist über die Fragen des sozialen Mietrechts - BGB - eben nicht tagelang beraten worden.
({0})
Wenn Sie als tagelange Beratungen das ansehen, was sich im Arbeitskreis der CDU abgespielt hat, bin ich allerdings der Meinung: das ist ein sehr schlechter Stil; denn das gehört nicht zu den Beratungen dieses Hauses, das sind interne Dinge Ihrer Fraktion.
Herr Abgeordneter Jahn, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Even?
Bitte schön!
Herr Kollege Jahn, ist Ihnen nicht bekannt, daß der Wohnungsausschuß federführend war bei dieser Materie? Ist Ihnen weiterhin nicht bekannt, daß der von Ihnen soeben gerügte Widerspruch des Mieters gerade auch von Ihren Fraktionskollegen im Wohnungsausschuß gefordert worden ist, - und daß es sich um Kollegen handelte, die ebenfalls Juristen sind?
Herr Kollege Even, mir ist bekannt, daß die Dinge im Wohnungsbauausschuß ausführlicher als im Rechtsausschuß behandelt worden sind,
({0})
und mir ist auch bekannt, daß unsere Freunde in diesem Ausschuß diesem Widerspruchsrecht zugestimmt haben.
({1})
Nur, meine Damen und Herren, ich weiß nicht: was soll das eigentlich? Ich spreche hier von dem, was Aufgabe des Rechtsausschusses ist; die Aufgaben und Fragestellungen im Wohnungsausschuß müssen zwangsläufig, ob Sie daran als Jurist beteiligt sind oder nicht, völlig anders sein als die des Rechtsausschusses.
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Sonst hätten wir den Rechtsausschuß gar nicht zu beteiligen brauchen. Ich glaube, wir sollten doch wenigstens noch in den fachlichen Fragen der Beurteilung, wo und wie wir richtig beraten, den Versuch machen, die Dinge nicht zu verschieben.
Sie haben gesagt, tagelang sei im Rechtsausschuß darüber beraten worden.
({3})
Im Rechtsausschuß ist über die Bestimmungen des § 556 a und des § 565 ganz genau am Freitag der vorvergangenen Woche von 10.10 Uhr, als eine sehr ausführliche Geschäftsordnungsdebatte beendet war, bis um 12.40 Uhr beraten worden, also genau zwei6754
Jahn ({4})
einhalb Stunden, und keine Minute länger. Das - ich widerhole es - sehen wir nicht als eine ausreichende und der Bedeutung dieser Bestimmung gerecht werdende Beratung solcher Bestimmungen im Rechtsausschuß an.
Der Herr Minister hat erklärt, er halte es aus politischen Gründen für notwendig, mit diesen beiden Vorschriften den Rahmen zu setzen, damit für den Bürger erkennbar werde, was er und seine Fraktion als soziales Mietrecht ansähen. Kann man das schon daran sehen, daß lediglich die Frage des Kündigungsrechtes geregelt wird? Ist denn das Mietverhältnis nicht ein sehr viel umfassenderes Rechtsverhältnis? Gehört denn dazu nicht auch in Wechselbeziehungen eine Fülle anderer Fragen, von denen ich vorhin nur beispielsweise einige angeführt habe? Wollen Sie denn im Ernst behaupten, daß mit einer solchen bruchstückhaften und lückenhaften Regelung für den Bürger draußen erkennbar wäre was in Zukunft als soziales Mietrecht anzusehen ist? Meine Damen und Herren, ich glaube, so sollte man doch nicht verfahren. Es kann doch niemand ernst nehmen, daß Sie mit einer solchen detaillierten Frage erklären wollen - ohne zu schwindeln, Herr Mick! -, das sei nun schon soziales Mietrecht.
Lassen Sie mich zum Schluß noch eines sagen. Eine Vielzahl der Argumente, die ich heute vorgetragen habe, habe ich auch bei den Erörterungen im Rechtsausschuß zur Begründung herangezogen. Damals hat ein Kollege, der in der Zwischenzeit - er war sehr lange hier - das Plenum verlassen hat, mir geantwortet, es sei Musik in seinen Ohren für ihn als Zivilisten, wenn man sich dafür einsetze, daß gerade eine Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuches besonders sorgfältig vorgenommen werden müsse. Offenbar ist das, was der Herr Minister soeben gesagt hat, nicht mehr Musik in seinen Ohren; sonst wäre er nicht herausgegangen.
Ich darf Sie noch einmal sehr dringlich bitten, unserem Antrag zuzustimmen, auch wenn der Herr Minister meint, hier einen politischen Rahmen setzen zu müssen. Aber dieser Rahmen kann doch noch gar nicht endgültig festgelegt werden, solange man nicht weiß, was ihn auszufüllen hat.
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Sie haben keine Not, diese Bestimmungen jetzt zu verabschieden. In dem ernsten Willen, ein soziales Mietrecht zu schaffen und in das BGB einzubauen, sind wir uns einig. Aber lassen Sie uns das in einer Art und Weise tun, mit der wir bestehen können vor den Betroffenen, bestehen können vor diesem alten und bewährten Bürgerlichen Gesetzbuch, bestehen können auch vor der juristischen Öffentlichkeit in unserem Lande.
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Das Wort hat der Herr Bundesminister Lücke.
Meine Damen und Herren, ich habe vorhin vergessen, hier
auszuführen, daß der Herr Kollege Schäffer verhindert ist. Er ist mit dem österreichischen Justizminister und einer Delegation unterwegs. Ich darf ihn also hier entschuldigen.
({0})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Bartels.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß Herrn Kollegen Jahn noch ganz kurz antworten. Zunächst möchte ich nun in aller Deutlichkeit folgendes sagen: der Entwurf für das sogenannte soziale Mietrecht, also für die Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches über die Miete, ist über anderthalb Jahre in den zuständigen Ministerien beraten und mit einer ganz außerordentlichen Sorgfalt vorbereitet und dann erst dem Parlament vorgelegt worden. Das Mietrecht des BGB ist ja nun nicht etwas ganz Neues, sondern wir haben bereits seit Jahrzehnten ganz feste Grundsätze, die sich auch im Mieterschutzgesetz niedergeschlagen haben. Es ist einfach nicht wahr und ist unberechtigt, in diesem Zusammenhang vom Herumpfuschen am BGB zu sprechen.
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Herr Abgeordneter Dr. Bartels, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Jahn?
Bitte!
Herr Abgeordneter Jahn!
Sind Sie, Herr Kollege Dr. Bartels, ernstlich der Meinung, daß anderthalbjährige Beratungen in der Bundesregierung uns unserer eigenen Verantwortung entheben?
({0})
Selbstverständlich bin ich nicht dieser Meinung, aber ich wollte mich dagegen wenden, daß der Herr Kollege Jahn hier so tut, als ob nun das Mietrecht etwas vollkommen Neues wäre, worüber man noch nie nachgedacht hat. Nehmen wir doch an, daß auch Herr Kollege Jahn sich schon seit vielen Jahren mit dem Mietrecht beschäftigt hat und daß dieser Entwurf des Justizministeriums auch ihm keineswegs neue und überraschende Gedanken gebracht hat!
Dann muß aber auch noch etwas anderes ausgesprochen werden, meine Damen und Herren. Wie der Herr Minister schon gesagt hat, ist der Gesetzentwurf im August des vorigen Jahres den beteiligten Ausschüssen überwiesen worden, und ich bin der Meinung, daß der Rechtsausschuß sich bei gutem Willen so rechtzeitig mit dem Gesetz hätte beschäftigen können, daß es dem Wohnungsausschuß mögDr. Bartels
lieh gewesen wäre, die Ergebnisse der Beratung des Rechtsausschusses in seinen Lesungen zu berücksichtigen.
({0})
- Nein, das trifft nicht den Vorsitzenden, sondern ich kann hier mit aller Klarheit aussprechen, daß meine Bemühungen, durchzusetzen, daß das Gesetz im Rechtsausschuß beraten wurde, auch bei dem Herrn Mitberichterstatter nicht auf ganz große Begeisterung gestoßen sind.
({1})
Wenn jetzt zu den letzten Paragraphen - §§ 565 und 556 a - gesprochen wird, muß ich weiter sagen: Die Sozialdemakratische Partei hätte sich durchaus auch im Rechtsausschuß an der Beratung dieser Paragraphen beteiligen können, wenn man nicht versucht hätte, durch Geschäftsordnungsdebatten die Zeit in Anspruch zu nehmen, und dann nicht erklärt hätte: Wir beteiligen uns an der Beratung überhaupt nicht mehr.
({2})
Erlauben Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Jahn?
Bitte, gerne!
Herr Kollege Dr. Bartels, erinnern Sie sich nicht mehr daran, daß die Sitzung an jenem letzten Freitag, an dem wir über dieses Gesetz beraten haben, von Ihrer Fraktion mit einem Geschäftsordnungsantrag eröffnet worden ist, indem Sie nämlich versuchten und schließlich dann auch mit Ihrer Stimmenmehrheit zustande brachten, die bereits aufgenommenen und mitten im Gang befindlichen Beratungen abzubrechen und an einer willkürlich gewählten Stelle mitten im Gesetz neu aufzunehmen?
Das ist richtig,
({0})
hat aber nichts mit der Frage zu tun, ob die Paragraphen, die jetzt dem Hohen Hause zur Beschlußfassung vorgelegt werden, im Rechtsausschuß beraten worden sind oder nicht. Dazu allein wollte ich sprechen.
Im übrigen noch folgendes: Der Herr Minister hat schon gesagt, das Gesetz bleibt insoweit anhängig. Ich habe mich gefreut, daß sich der Herr Kollege Jahn inzwischen sehr intensiv mit diesen Vorschriften beschäftigt hat, und ich denke, daß wir in gemeinsamer Arbeit alle Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches über die Miete einschließlich der Paragraphen, die anhängig geblieben sind, noch einmal im Rechtsausschuß gut beraten. Aber diesen Antrag, das Gesetz, wie es hier vorliegt, nun hinsichtlich des Art. VI an den Rechtsausschuß zurückzuüberweisen, lehnt meine Fraktion ab.
({1})
Wortmeldungen zu Art. VI liegen nicht mehr vor. - Doch, Herr Abgeordneter Dr. Arndt!
({0})
Ich werde zwar hier mit nicht sehr freundlichen Zurufen begrüßt, aber ich halte es doch für meine Pflicht und Aufgabe, die Ausführungen des Herrn Kollegen Dr. Bartels, der - soweit ich weiß - dem Rechtsausschuß nicht oder nicht als ordentliches Mitglied angehört, jedenfalls sehr selten unser Gast im Rechtsausschuß ist, zurückzuweisen. Zunächst einmal darf ich an die ganz einfache Formulierung in Art. 77 des Bonner Grundgesetzes erinnern, wo es heißt: „Die Bundesgesetze werden vom Bundestage beschlossen." Der Bundestag beschließt die Gesetze und niemand anders, und ob ein Entwurf ein Jahr oder zwei Jahre oder sechs Jahre in den Ministerien gelegen hat, ist für diese Sache vollkommen gleichgültig.
({0})
Die Ministerien sind nicht unsere Gesetzgeber, und wie oft die in der Bürokratie etwas hin- und herbewegen, kann das Haus überhaupt nicht interessieren; denn wir fangen von Anfang an an, uns eine Gesetzesvorlage anzusehen und zu beraten.
Und dann kommt das andere! Sie sagen: die Gesetzesvorlage liegt doch nun schon seit soundso viel Monaten hier im Hause. Das kommt doch nur daher, weil die Bundesregierung Gesetzesvorlagen ohne Rücksicht auf die Geschäftslage des Parlaments produziert. Wir haben Gesetzesvorlagen gehabt - wie das Kartellgesetz, wie die verschiedenen Ordnungen, die Finanzgerichtsordnung, die Rechtsanwaltsordnung, die anderen Berufsordnungen - und wir haben anhängige Dinge - wie das Richtergesetz -, die im 1. Bundestag eingebracht worden sind, im 2. Bundestag eingebracht worden sind und im 3. Bundestag eingebracht worden sind. Bei denen kann man sagen, daß sie schon soundso viele Jahre anhängig sind, aber nicht weil wir faul sind, sondern weil wir einer Gesetzesproduktion gegenüberstehen, die gar keine Rücksicht auf die Arbeitsfähigkeit dieses Hauses nimmt.
({1})
Und uns dann nachher noch zu sagen: Ihr habt das schon seit soundso viel Jahren, und es ist bloß eure Faulheit und Frechheit, daß ihr euch nicht damit beschäftigt habt!, das ist unerhört, Herr Kollege Bartels! Ich muß das auf das schärfste zurückweisen,
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weil das eine eigene Diffamierung dieses Hauses ist, was hier geschieht.
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- Das ist doch der Sinn, der dahintersteht!
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- Herr Bartels hat gesagt, „bei gutem Willen" hätte der Rechtsausschuß das so machen können. Wir sind im Rechtsausschuß in der Minderheit, der gute Wille muß also bei Ihnen, bei ,der Mehrheit gefehlt haben und bei Herrn Kollegen Hoogen als dem Vorsitzenden des Rechtsausschusses, wenn es an gutem Willen gelegen hätte, ,daß .der Ausschuß das nicht getan hätte. Dieser Rechtsausschuß ist der höchstbelastete Ausschuß des ganzen Hauses. Er hat in allen drei Legislaturperioden jeweils mehr Sitzungen abgehalten als der Haushaltsausschuß, und man kann sich hier nicht hinstellen und sagen: „Bei gutem Willen" hättet ihr dafür mehr Zeit gehabt als zwei Stunden. Ich weiß nicht, wie lange die Geschäftsordnungsdebatte gedauert hat; aber wenn sie lange gedauert hat, hat sie vielleicht noch keine Stunde gedauert. Dieses Recht wird uns ja wohl zustehen. An der Geschäftsordnungsdebatte hat sich auch nur Herr Kollege Jahn beteiligt.
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- Er hat dort bestimmt keine Redeverzögerungen
gemacht. Aber man muß im Ausschuß erörtern können, ob es sinnvoll und angemessen ist, sich innerhalb weniger Stunden mit einer Vorlage zu beschäftigen, die man eben durch Boten aus einem anderen Ausschuß bekommen hat. Ich meine, der Ausschuß würde sich selbst ins Gesicht schlagen, wenn er das nicht erörtern würde, und die Damen und Herren von der CDU/CSU-Fraktion haben sich ja auch ganz lebhaft an dieser Geschäftsordnungsdebatte beteiligt. Das hätten sie ja wohl nicht getan
- ich sehe hier einige auch durchaus zustimmende Gesichter -, wenn Sie es nicht auch für angebracht gehalten hätten, hierüber eine Geschäftsordnungsdebatte in der Sache zu führen.
Ich habe es für notwendig gehalten, diese völlig schiefe Darstellung des Herrn Kollegen Bartels hier zurückzuweisen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Weber ({0}).
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es kann nicht abgestritten werden, daß die Beratung dieses Gesetzesteils im Rechtsausschuß unter einem gewissen Zeitdruck gestanden hat. Ich glaube andererseits sagen zu können - ich hatte die Ehre, an diesen beiden Tagen, an dem das Gesetz beraten wurde, dem Rechtsausschuß in Vertretung des erkrankten Herrn Kollegen Hoogen und des verhinderten Herrn Dr. Bucher vorzusitzen -, daß die Beratung über die Bestimmungen, die wir heute verabschieden wollen, so eingehend gewesen ist, daß schlechterdings nicht mehr dazu zu sagen war, und daß diese Vorschriften so eingehend beraten worden sind, daß das Parlament die Verantwortung für die Verabschiedung dieser beiden Vorschriften übernehmen kann.
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Wir haben selbst eingesehen, daß es nicht möglich war, die gesamten Vorschriften dieses Art. VI zu verabschieden, und haben deshalb gebeten und durch einen Geschäftsordnungsantrag auch bewirkt, daß die Beratung der anderen Vorschriften zurückgestellt wurde, weil der Rechtsausschuß nicht in der Lage gewesen wäre, die Verantwortung dafür zu übernehmen, daß auch die anderen Teile verabschiedet wurden.
Diese beiden Vorschriften aber, die hier zur Verabschiedung stehen, sind eingehend beraten. Es war jedem Mitglied des Rechtsausschusses ausreichend Gelegenheit gegeben, sich an diesen Beratungen zu beteiligen. Es ist niemandem dabei das Wort abgeschnitten worden. Es lagen zum Schluß keine Wortmeldungen mehr vor, und dann ist, wie im Rechtsausschuß üblich, abgestimmt worden. Wir haben nicht zwei Stunden, sondern wir haben den ganzen Freitagvormittag bis zum Schluß der Sitzung mit der Beratung dieser zwei Vorschriften verbracht. Es waren rund vier Stunden, die wir darüber beraten haben.
Von den beiden Gesetzesparagraphen beinhaltete der eine nur eine Verlängerung der Kündigungsfristen, eine Sache, die durchaus übersichtlich war, die längerer Überlegungen nicht bedurfte. Mit dem anderen Paragraphen, dem § 556 a, das gebe ich zu, betraten wir Neuland. Er ist aber sehr eingehend beraten worden. Infolgedessen glaube ich, daß wir sehr wohl die Verantwortung für die Verabschiedung dieser Vorschrift übernehmen können.
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Das Wort hat der Abgeordnete Jahn.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! So leicht sollte man es sich nicht machen, wie es Herr Kollege Dr. Weber getan hat.
({0})
- Wenn noch mehr von Ihnen durcheinanderschreien, kann ich das bestimmt sehr gut verstehen.
- So leicht sollte man es sich nicht machen, wie es der Herr Kollege Dr. Weber hier versucht hat. Die Verantwortung dafür können Sie so nicht übernehmen.
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- Darf ich meine Meinung nicht mehr sagen?
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- Aber reden Sie doch nicht von Schulmeisterei! Der Kollege Dr. Weber wollte uns doch soeben schulmeistern; jetzt drehen wir den Spieß mal um. Überlassen Sie uns doch, zu beurteilen, wer hier wofür Verantwortung übernehmen kann, und verJahn ({3})
suchen Sie doch nicht, mit solchen Verallgemeinerungen die Dinge einfach schief darzustellen.
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- Genau, genau, natürlich!
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- Ach so, außer bei Ihnen!
Meine Damen und Herren, wenn Sie mich noch in ein langes Wechselgespräch verwickeln - ich will dem gar nicht ausweichen -, können wir gern noch in einer Stunde in dieser Form hier diskutieren.
Ich wollte mich darauf beschränken, zu der Darstellung des Kollegen Dr. Weber eines hier klarzustellen. Wenn er einfach behauptet: Man kann die Veranwortung für ein solches Gesetz übernehmen,
({6})
dann übersieht er, was ich vorhin hier und was wir auch immer wieder im Ausschuß gesagt haben und was nach wie vor seine Gültigkeit behält, daß nämlich alle Vorschriften des neu zu schaffenden Mietrechts in einem Zusammenhang stehen
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und daß man sich ein Bild über das, was soziales Mietrecht heißen soll, nur und erst dann machen kann, wenn man den Zusammenhang aller Vorschriften übersehen kann. Weil wir das nicht können, bestreiten wir, daß Sie hier einfach sagen können, man könne die Verantwortung für ein solches Gesetz übernehmen, von dem man noch gar nicht weiß, wie es endgültig aussieht. Das können Sie nicht. Sie können das auch nicht einfach mit Erklärungen wegdiskutieren.
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Meine Damen und Herren, das Wort wird nicht mehr gewünscht. Ich schließe die Aussprache. Es ist beantragt, den Art. VI als Ganzes dem Rechtsausschuß zu überweisen. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das zweite ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir stimmen über Art. VI als Ganzes ab. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. -Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; angenommen.
Ich rufe Art. VIII und die verschiedenen Änderungsanträge auf den Umdrucken 653, 659 ({0}) und 661 auf. Ich schlage vor, daß alle Änderungsanträge zu Art. VIII begründet und diskutiert werden. Wird das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Dr. Brecht!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hoffe, daß sich die Erregung über Art. VI wieder gelegt hat. Ich bitte Sie, einmal zu beachten, daß die Regierungsvorlage auch noch einen Art. VII enthält und daß der Schriftliche Bericht zu diesem Artikel VII überhaupt nichts sagt; er nimmt dazu gar nicht Stellung. Kein Mensch weiß, was aus ihm werden soll. Es wurde weder gesagt, daß er abgelehnt ist, noch daß er entfällt, noch daß er angenommen wird. Darüber müssen Sie sich nachher noch klarwerden. Denn in dem Antrag des Ausschusses ist auch nichts darüber gesagt, was eigentlich mit dem Art. VII ist.
Aber, ich habe ja etwas zu Artikel VIII zu sagen.
Meine Fraktion hat zu Art. VIII eine Reihe von Ergänzungen und Änderungen beantragt, weil wir die Bestimmungen über die Miet- und Lastenbeihilfen als Vorschriften von grundlegender Bedeutung ansehen.
Man kann natürlich verschiedener Meinung darüber sein, ob es angesichts unserer gesamten Situation richtig ist - diese Frage wurde bei uns erwogen , hier mit einem neuen Subventionierungsverfahren herauszukommen; denn nach Ihren Beschlüssen zu Art. I, meine sehr geehrten Damen und Herren, werden ja auch Gewinne, die in der Wohnungswirtschaft dadurch erzielt werden, daß Mieten über das zur Deckung der Kosten Erforderliche hinausgehen und die dem Hauseigentümer zugute kommen, mit öffentlichen Geldern subventioniert werden. Sie sollten sich über die Tragweite dieser Subventionierung auch von Gewinnen klarwerden. Unglücklicherweise haben Sie beschlossen, die Mieterhöhungen nicht auf die Kostendeckung zu beschränken; sie haben es also zugelassen, daß sie über die Kostendeckung hinausgehen. Und nun wollen Sie das noch subventionieren! Man muß sich das einmal sehr ernsthaft überlegen.
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- Ach, Ihre Auffanggrenze, Herr Dr. Czaja! Sie werden mir doch zugeben, daß die Mietgewinne auch bei der Auffanggrenze über die Kostendeckung hinausgehen können.
Der Vorschlag, Mietbeihilfen zu geben, ist von grundlegender Bedeutung. Der Herr Minister hat in zahlreichen Reden und feierlichen Proklamationen so wie jetzt bei diesem Torso, bei diesem politischen Lückenwerk des sozialen Mietrechts, erklärt, das ganze Gesetz ließe sich nur durchführen, wenn auch die Mietbeihilfen eingeführt würden. Diese wären für ihn ein wesentlicher Bestandteil. Man kann ja wohl annehmen, daß dieser Teil in dem bekannten „Wohnungspaß" oder in der Fibel, die Sie herausgeben wollen, ebenso behandelt wird wie in dem „Kommentar für Leichtgläubige", wie mein Kollege Jacobi beim Bundesbaugesetz gesagt hat.
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Ich möchte Sie nur sehr bitten, Herr Minister, sich sowohl in dem einen wie in dem anderen Falle die Darstellungen noch einmal sehr genau anzusehen. In dieser Propagandaschrift ist eine ungeheuer große Zahl falscher Darstellungen enthalten, die nicht berichtigt worden sind.
Nun hätte ich gern einmal eine Testfrage an die Kolleginnen und Kollegen gestellt, die nicht dem Ausschuß angehört haben; ich kann das leider nicht tun. Die Frage hätte gelautet: Was stellen Sie sich bei diesem Gesetz unter Mietbeihilfen vor? Es würden mir wahrscheinlich 80 oder 90 % der Kolleginnen und Kollegen antworten: Jeder, der künftig eine Miete zu zahlen hat, die über ein angemessenes Verhältnis zum Einkommen hinausgeht, bekommt, wenn die Wohnung eine angemessene Wohnfläche hat, diese Mietbeihilfe. So stellt man sich das vor, und so wird das auch in der Öffentlichkeit dargestellt.
Was uns aber hier vorgelegt wird, enthält etwas ganz anderes. Nach der Vorlage wird die Mietbeihilfe zunächst einmal überhaupt nur für eine Übergangszeit und nicht endgültig und dauernd gegeben. Es erfolgt keine vollkommene, sondern nur eine vorläufige Lösung, später soll noch ein besonderes Gesetz erlassen werden. Jetzt werden nur gewisse Normativbestimmungen für eine spätere Regelung erlassen. Von ihnen kann aber weitgehend abgegangen werden.
Vor allen Dingen werden nur gewisse Mieterhöhungen, also nicht alle, bei der Gewährung dieser Beihilfen berücksichtigt. Besonders grotesk ist der Fall, den wir im Ausschuß vorgebracht haben. Da hat man uns gesagt: „Den können wir jetzt nicht mehr regeln; wir haben jetzt keine Zeit mehr. Das machen wir später einmal in einer Novelle." Es handelt sich dabei um folgendes. Im sozialen Wohnungsbau werden jetzt Mieterhöhungen um zweimal 10 Pf vorgenommen. Sie bleiben innerhalb der Grenzen, und alles ist in Ordnung. Am 1. April nächsten Jahres tritt aber eine weitere erhebliche Mieterhöhung von 15, 17 oder 18 % ein, weil die Grundsteuervergünstigung wegfällt. Für Mieterhöhungen, die auf eine Grundsteuermehrbelastung zurückzuführen sind, sollen also keine Mietbeihilfen gegeben werden, obwohl hier doch die Relationen auch überschritten werden. Das ist doch das bitterste Unrecht. Die Art und Weise, wie diese Mietbeihilfenregelung getroffen wird, ist einfach grotesk und nicht tragbar, weil sie alle Umlagenerhöhungen oder sonstige Zuschlagserhöhungen für die Gewährung der Mietbeihilfen ausschließen.
Eine Familie mit zwei Kindern, die in eine andere Wohnung umzieht und für diese Wohnung eine Mietbeihilfe bekommen könnte, kann diese nur erhalten, wenn ihre bisherige Wohnung weniger als die Hälfte der zulässigen Wohnfläche hatte. Nehmen wir einmal an, diese Familie könnte eine Wohnfläche von 60 oder 70 qm beanspruchen; sie wohnt aber in einer Wohnung mit 45 qm. Jetzt wird sie in eine andere Wohnung umgesetzt, bei der sie eine Mietbeihilfe bekommen könnte. Sie bekommt diese nur deshalb nicht, weil sie bisher nicht in einer Wohnung gewohnt hat, die weniger als 35 qm hatte. Was sind das für Regelungen! Das sind doch Formen, die einfach unmöglich sind. Davon sollten Sie wirklich absehen.
Wir halten diese Regelung noch aus einem anderen Grunde für unzulänglich. So fallen z. B. Umsetzungen, die im öffentlichen Interesse vorgenommen werden - etwa Umsetzungen bei Sanierungsmaßnahmen im Zusammenhang mit der Schaffung von Verkehrseinrichtungen -, nicht unter die Mietbeihilfenregelung.
Wir sind ferner der Meinung, daß es nicht richtig ist, das gesamte Familieneinkommen zugrunde zu legen, ferner, daß eine abgewogenere Differenzierung vorgenommen werden muß.
Des weiteren halten wir die im Entwurf vorgesehene Relation zwischen Mieten und Einkommen für falsch. Es wird nämlich bei diesen Relationssätzen nie berücksichtigt, daß zu den zugrunde gelegten Mieten noch die gesamten Zuschläge hinzukommen - sie bleiben außerhalb dieser Relation -, ferner, daß die Mieter im Unterschied zu der Regelung von vor 1914 oder später vielfach auch die Reparaturleistungen aufzubringen haben. Aus diesen beiden Gründen sind die Belastungen des Mieters im Verhältnis zum Einkommen tatsächlich wesentlich höher, als hier in der Relation vorgesehen wird.
Für ganz unmöglich halten wir die ungleiche Behandlung, die Sie für zwei Bevölkerungskreise bei gleichem Sachverhalt vorsehen. Im einen Falle wollen Sie die Mietbeihilfen ohne Einkommensgrenze geben, wenn nur die Relationen eingehalten sind. Das sind die Mietbeihilfen für Altwohnungen und für die Sozialwohnungen des Ersten Wohnungsbaugesetzes. Nun gibt es aber die Mieten nach dem Zweiten Wohnungsbaugesetz. Das sind die Mieten, die bereits am höchsten sind. Dort können nach dem vorliegenden Gesetz keine Mietbeihilfen gegeben werden,
({2})
- ja, Herr Dr. Czaja, ich komme noch darauf; nur nicht nervös werden -, sondern nach dem Zweiten Wohnungsbaugesetz. Im Zweiten Wohnungsbaugesetz ist aber die Hergabe der Mietbeihilfen auf die Bevölkerungskreise mit geringem Einkommen beschränkt.
({3})
- Und die Gleichgestellten; schön, nehmen Sie die dazu. Aber jemand, der nicht zu den Gleichgestellten gehört und der, sagen wir einmal, zwei Kinder hat und ein Einkommen von 550 Mark, bekommt keine Mietbeihilfe auf Grund des Zweiten Wohnungsbaugesetzes, weil er nicht zu dem Bevölkerungskreis mit geringem Einkommen gehört. Wenn er aber eine Miete hätte, die außerhalb der Relation liegen würde - Altwohnungen -, bekäme er eine Mietbeihilfe.
Gibt es eine größere Ungerechtigkeit als die, daß ausgerechnet bei den Menschen mit den höchsten Mieten, nämlich mit den Kostenmieten des Zweiten Wohnungsbaugesetzes, diese Mietbeihilfe versagt wird? Man kann sich einfach nicht vorstellen, daß eine solche Regelung vorgesehen werden soll, die bitterstes Unrecht darstellt. Sie haben es vor einer halben Stunde genau bewiesen, daß diese Regelung von Ihnen selbst gewollt wird.
Wir haben nun zum siebten Male beantragt, die Einkommensgrenze der Bevölkerungskreise mit geringem Einkommen anzuheben. Dann wäre nämlich das Problem nicht mehr gegeben. Sie lehnen es aber ab, diese Einkommensgrenze anzuheben, und versagen damit denen, die die höchsten Mieten auf Grund des Zweiten Wohnungsbaugesetzes zu zahlen haben, die Gewährung von Mietbeihilfen nach diesem Gesetz. Ich muß Sie fragen: Hat denn das noch' einen inneren Sinn? Ist denn das noch sozial? Ist denn das noch etwas, was man mit auch nur halbwegs vernünftigen Argumenten noch vertreten kann? Hier ist doch einfach ein Bruch, und er kann nicht dadurch geheilt werden, daß Sie - wie es im Ausschuß geschehen ist - sagen: „Damit kommen wir jetzt nicht mehr zu Rande, das können wir nicht mehr ausdiskutieren, das machen wir einmal in einer Novelle." Nein, hier ist ein solches Unrecht an den betroffenen Bevölkerungskreisen, daß man nur sagen kann: Hier muß eine Änderung schon jetzt vorgenommen werden. Sonst könnte man ja denken, es soll das nur ein Pflästerchen sein, nur eine Proklamation nach außen sein. Das muß angenommen werden, wenn solche sozialen Tatbestände ausgeschlossen werden sollen. Oder der Bundeswohnungsbauminister ist in der Verdrückung, weil er eben keine genügenden Mittel vom Herrn Bundesfinanzminister zugesagt bekommen hat.
Meine Damen und Herren, Sie haben zwischen der zweiten und dritten Lesung des Bundesbaugesetzes einer bestimmten Eigentumsgruppe bei Ihnen, nämlich den Landwirten, eine besondere geldliche Vergünstigung verschafft. Sie haben ihr nachträglich etwas zukommen lassen, indem Sie sie nicht unter die Baulandsteuer fallenließen. Sie haben sich damit die Zustimmung auch dieser Abgeordneten zu der Baulandsteuer erworben. Wir meinen, hier liegt jetzt ein sozialer Tatbestand vor, der schlimmste Auswirkungen haben kann. Sie sollten das, was Sie zwischen der zweiten und der dritten Lesung des Bundesbaugesetzes den Bauern als Benefiz gegeben haben, der Gleichstellung wegen jetzt den Bevölkerungskreisen mit etwas über den geringsten Einkommen liegenden Einkommen zukommen lassen und damit dieses bittere Unrecht, das Sie hier vorgesehen haben, wieder ausräumen.
Deshalb haben wir unsere Änderungsanträge gestellt. Mit der von uns bei § 2 vorgeschlagenen Änderung wollen wir erreichen, daß nicht nur eine vorübergehende, eine vorläufige Regelung, sondern eine endgültige Regelung getroffen wird.
Ferner beantragen wir - das ist der Antrag zu § 15 -, daß alle Bevölkerungskreise, bei denen die gleichen sozialen Tatbestände gegeben sind, gleichmäßig behandelt werden, damit nicht die Personen mit Mieten nach dem Zweiten Wohnungsbaugesetz schlechter behandelt werden als die anderen.
Weiter sind wir der Meinung, daß die Umlagen bei den Mieterhöhungen den Mieten gleichzustellen sind und daß sie nicht auszunehmen sind. Für die Menschen draußen ist es völlig egal, ob sie die Miete als Grundsteuerzuschlag oder als Miete bezahlen. Auch das ist so nicht haltbar. Einen entsprechenden Antrag haben wir zu § 4 Abs. 1 und Abs. 3 a gestellt.
Wir glauben ferner, diese Sonderregelungen sollten nicht nur bei Familienneugründungen, sondern auch bei der Zusammenführung zweier getrennter Familienteile gelten. Es ist nicht einzusehen, weshalb dies in diesen Fällen ausgeschlossen sein soll.
Außerdem bitten wir nochmals dringend, die Gewährung von Mietbeihilfen auch dann vorzusehen, wenn der Wohnungswechsel im öffentlichen Interesse veranlaßt ist. Auch eine solche Vorschrift ist in unseren Vorschlägen enthalten.
Die Relationen zwischen Miete und Einkommen, die Sie bestimmt haben - das ist das zweite große Kapitel -, sind nach unserer Meinung für die Mieter viel zu schlecht. Die sozialen Verhältnisse, so meinen wir weiter, sind so differenziert, daß die vorgesehenen drei Gruppen nicht ausreichen und noch durch zwei Zwischengruppen, die eingeschaltet werden, ergänzt werden müssen, um zu gerechteren Lösungen zu kommen. In unserem Antrag auf Umdruck 653 ist auf der Seite 10 eine neue Tabelle wiedergegeben, aus der sich ergibt, in wieweit höchstens Mieten aus dem eigenen Einkommen bezahlt werden dürfen und können, während das, was darüber hinausgeht, durch Mietbeihilfen gedeckt werden muß. Wir bitten Sie, sich diese andersartige Tabelle sehr sorgfältig anzusehen. Sie wird nach unserer Auffassung unter Berücksichtigung der Umlagen, die neben der Miete gezahlt werden, den sozialen Verhältnissen wirklich besser gerecht als die Ausschußvorlage.
Wir meinen, daß, wenn Sie diesen von uns vorgeschlagenen Änderungen zum Gesetz über die Gewährung von Miet- und Lastenbeihilfen zustimmen, eher davon gesprochen werden kann, daß hier auf einem bestimmten Gebiet eine echte soziale Neugestaltung eingeführt wird. Berücksichtigen Sie bei unserer Tabelle, die also die Relation verbessert, auch folgendes: Bei den jetzigen Mietsteigerungen müssen große Teile der Bevölkerung immer erst wesentlich höhere Einkommensteile für die Miete aufwenden als bisher, ehe sie überhaupt eine Mietbeihilfe bekommen können. Es ist also keineswegs so, wie draußen vielfach angenommen wird, daß nun etwa alle Mietsteigerungen durch Mietbeihilfen abgefangen werden. Ich gehe einmal von Ihrer globalen Statistik aus und unterstelle, daß die Belastung der Einkommen der breiten Masse mit Miete heute nur 9 °/o betragen soll. Eine solche globale Ziffer ist zwar immer falsch, aber ich unterstelle sie einmal. Auch bei unserer Tabelle wird gefordert, daß die Mietsteigerungen, dann etwa 4, 5 oder 6 %
je nach der Zahl der Familienmitglieder -, zunächst allein aus dem bisherigen Einkommen bezahlt werden müssen und daß öffentliche Mietbeihilfen erst einsetzen, wenn die Bevölkerungskreise - es handelt sich um Personen mit keinem großen Einkommen - bereit sind, ihrerseits einen erheblichen Teil ihres Einkommens zusätzlich zur Mietzahlung zu verwenden. Das bedeutet, daß sich die Lebenshaltung der Mieterfamilien auch unter dem System der Mietbeihilfen ändert und verschlechtert, daß größere Teile des Einkommens für den Wohnkon6760
sum ausgegeben werden müssen und daß eine solche Mietbeihilfe erst einsetzt, wenn eine sehr hinaufgeschobene Obergrenze überschritten ist. Um so mehr sollte, nachdem eine Vorleistung von 5, 6 oder 7 % von den Mietern verlangt wird, die Regelung der Mietbeihilfen nach wirklich sozialen Grundsätzen erfolgen und nicht mit den Ungerechtigkeiten und Ungereimtheiten, die in der jetzigen Regelung enthalten sind.
({4})
Herr Abgeordneter Mick als Berichterstatter!
Herr Präsident! Meine sehr 'verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Brecht, Sie stellten die Frage nach dem Verbleiben des Art. VII. Ich habe in der mündlichen Berichterstattung darauf aufmerksam gemacht, daß der Art. VII anhängig bleibt. Das steht auch in meinem Schriftlichen Bericht, Seite 10.
({0})
- In dem Schriftlichen Bericht Drucksache 1850 kann der Art. VII auch nicht stehen; in dem Schriftlichen Bericht zu Drucksache 1850 ist darauf hingewiesen, daß diese Frage bei beiden Ausschüssen in der Beratung anhängig bleibt, ebenso wie das auch bei den noch nicht geregelten Fragen im Zusammenhang mit dem Bürgerlichen Gesetzbuch der Fall ist.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Even.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir, zunächst darauf hinzuweisen, daß der Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU Umdruck 661 Ziff. 3 lediglich eine redaktionelle Klarstellung, nicht aber eine sachliche Änderung zum Gegenstand hat.
Nun zu den Änderungsanträgen der sozialdemokratischen Fraktion. Herr Kollege Dr. Brecht hat durch seine Ausführungen den Anschein erweckt, als ob die Einführung von Miet- und Lastenbeihilfen einen Rückfall in eine reaktionäre Vergangenheit darstelle. So finster hat er sie jedenfalls gemalt. Namens meiner Fraktion stelle ich ausdrücklich fest, daß wir uns durch die Kritik an einigen Einzelheiten der vorgesehenen Regelung nicht von der festen Überzeugung abbringen lassen, daß durch die Einführung der Miet- und Lastenbeihilfen eine soziale Großtat vollbracht wird.
({0})
Übersehen Sie bei der Beurteilung der Einführung der Miet- und Lastenbeihilfen nicht den § 2 in Art. VIII, in dem ausdrücklich festgelegt ist, daß es sich dabei nur um eine Übergangslösung handelt. Wir haben also nicht das Endstadium der vorgesehenen vollkommenen Regelung vor uns, sondern lediglich eine Überleitung bis zur Mietpreisfreigabe. Daraus ergibt sich unsere Stellungnahme zu den verschiedenen Anträgen der sozialdemokratischen Fraktion.
Zunächst zu dem Antrag Umdruck 653 Ziff. 22. e Wir sind der Auffassung, daß in der von mir bereits umrissenen Übergangszeit keine Notwendigkeit besteht, zu versuchen, die Gerechtigkeit zu perfektionieren. Wir halten es vielmehr für notwendig, zunächst einmal Erfahrungen darüber zu sammeln, welche Härten durch das Abbaugesetz überhaupt eintreten, und zu ermitteln, in welcher Größenordnung Verpflichtungen auf den Bund zukommen. Die letzte Entscheidung in dieser Frage des § 2 wird erst getroffen werden können, wenn Erfahrungen über einen in etwa ausgeglichenen Wohnungsmarkt vorliegen.
Zu Ziffer 23 Buchstabe a des Änderungsantrags. Die Beihilfen sollen zunächst diejenigen Belastungen ausgleichen, die durch dieses Gesetz veranlaßt worden sind. Der Wegfall der Grundsteuervergünstigung beruht jedoch auf altem Wohnungsbaurecht. Er war seit 10 Jahren sowohl vom Vermieter wie vom Mieter vorauszusehen. Würden die durch die Grundsteuererhöhung verursachten Umlageerhöhungen in die Mietbeihilfeberechnungen einbezogen, so wäre kein Grund ersichtlich, warum nicht auch die Umlagemehrbelastungen durch Wassermehrverbrauch oder Steigen der Wasserpreise oder durch die Erhöhungen anderer Gebühren und Beiträge beihilfefähig gemacht werden sollten. Es ist nicht einzusehen, warum die se Kate go rien verschieden behandelt werden sollten. Deswegen sprechen wir uns gegen die hier vorgesehene Änderung aus.
Zu Ziffer 23 Buchstabe b. Wir sind der Meinung, daß durch Abs. 3 a gezielt gerade der jungen Familie geholfen werden soll. Ich möchte hierbei klarstellen, daß der Fall der Neugründung eines Haushalts selbstverständlich auch dann vorliegt, wenn etwa getrennt lebende Ehegatten nunmehr die Möglichkeit haben, zusammenzuziehen und einen gemeinsamen Haushalt zu begründen. In diesem Sinne ist der Abs. 3 a gemeint.
({1})
- Ihr Antrag geht noch darüber hinaus, weil Sie von Zusammenführung sprechen. Wir glauben, daß der Inhalt Ides Abs. 3 a nicht dahin ausgedehnt werden sollte.
Zu Ziffer 23 Buchstabe c. Wir sind der Auffassung, daß der Sinn der Einführung der Miet- und Lastenbeihilfen in der Übergangszeit zunächst einmal nur der sein kann, die dringendsten Fälle zu berücksichtigen. Wir bekennen uns zwar im Prinzip zu einer Lösung der hier umrissenen Art, glauben aber, daß in der Übergangszeit nur die dringendsten Fälle zu berücksichtigen sind.
Zu Ziffer 23 Buchstabe Id. Hier wird ein neuer Abs. 3 c vorgesehen, der den Fall behandelt, daß ein Mieter im Interesse der Öffentlichkeit eine Wohnung mit höherer Miete beziehen muß. Wir sind der Auffassung, daß dieses Spezialproblem nicht im Rahmen dieses Gesetzes zu regeln ist. Wir wissen aus Erfahrung, daß in solchen Fällen - es ist oft ,das Problem der sogenannten Projektverdrängten - die Gemeinden die Aufgabe haben, dafür zu
Dr. Even ({2})
sorgen, ,daß diese Familien angemessen untergebracht werden.
Ich komme nun zu Ziffer 24 des Änderungsantrages der SPD. § 6 Abs. 1 muß in Zusammenhang mit Abs. 2 gelesen werden, in dem ausdrücklich eine Rechtsverordnung der Bundesregierung in Aussicht genommen ist, ,die Näheres über die Berechnung des Jahreseinkommens und die abzuziehenden Beträge regeln soll. Die von der SPD angesprochenen Härtefälle sollten in diese Rechtsverordnung mit einbezogen werden.
Weiterhin beantragt ,die SPD zu § 6, eine neue, und zwar fünfreihige Tabelle - an Stelle der dreireihigen - aufzunehmen. Wir halten dies ebenfalls für einen Versuch, eine nicht erforderliche Perfektion in diese Übergangslösung zu bringen. Das Gesetz, ,das ohnehin, wie die Debatte des heutigen Tages bewiesen haben dürfte, nicht gerade als unkompliziert bezeichnet werden kann, würde dadurch noch schwieriger und für ,die Verwaltung noch schwerer durchführbar werden. Wir sind der Überzeugung, daß die dreireihige Tabelle ausreicht, um die genügende Anpassung an die verschiedenen sozialen Tatbestände zu ermöglichen.
Allerdings wäre es vielleicht nützlich, wenn uns der Herr Bundeswohnungsbauminister einige Leitsätze über die Absichten mitteilen könnte, mit denen er sich hinsichtlich der in § 6 Abs. 2 in Aussicht genommenen Rechtsverordnung trägt.
({3})
Die Frage würde dahin gehen, inwieweit in seinem Ministerium bereits Vorstellungen gediehen ,sind, die besondere Situation der Unterhaltshilfeempfänger und anderer wirtschaftlich Schwacher zu berücksichtigen.
Schließlich zum letzten Änderungsantrag der SPD auf Umdruck 653 Ziffer 25. Auch hier wird ein Sonderproblem angesprochen, das der endgültigen Regelung vorbehalten bleiben sollte. Ich bitte Sie daher, die Änderungsanträge der SPD-Fraktion abzulehnen.
({4})
Wird der Änderungsantrag der FDP Umdruck 659 begründet?
({0})
- Keine Begründung. Dann sind sämtliche Änderungsanträge, die zu Art. VIII gestellt sind, begründet. Wird weiter das Wort gewünscht? - Keine Wortmeldungen.
Ich komme zur Abstimmung. Ich muß die einzelnen Paragraphen des Art. VIII aufrufen. § 1. Wer ihm zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Angenommen.
§ 2, Änderungsantrag der SPD Umdruck 653 Ziffer 22. Wer dem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe!
- Abgelehnt.
Wer § 2 in der Ausschußfassung zustimmen will, C den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe!
- Enthaltungen? - Einstimmig bei einer Enthaltang angenommen.
§ 3 entfällt.
§ 4. Hier ist zunächst der redaktionelle Änderungsantrag der CDU/CSU auf Umdruck 661 Ziffer 3. - Kein Widerspruch. Die Änderung wird vom Haus zur Kenntnis genommen. Es wird nur „des" in „dieses" geändert.
Jetzt kommt der Änderungsantrag der SPD Umdruck 653 Ziffer 23.
({1})
- Ganz recht! Umdruck 653 Seite 8 Ziffer 23 Buchstabe a. Muß darüber gesondert abgestimmt werden?
({2})
- Gut, ich lasse abstimmen über den Änderungsantrag ,der Fraktion der SPD Umdruck 653 Ziffer 23 Buchstabe a. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Herr Kollege Brecht, es hat nichts genützt: das ist die Mehrheit,
({3}) Ihr Antrag ist abgelehnt.
Ziffer 23 b des Änderungsantrags der Fraktion der SPD Umdruck 653. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; abgelehnt.
Jetzt kommt der Änderungsantrag der SPD Umdruck 653 Ziffer 23 c. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das ist die gleiche Mehrheit; abgelehnt.
Nun kommt der Antrag der SPD Umdruck 653 Ziffer 23 Buchstabe d. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Mit gleicher Mehrheit abgelehnt.
Ich lasse über § 4 in ,der durch die Annahme der redaktionellen Änderung gemäß Antrag Umdruck 661 korrigierten Fassung abstimmen. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Bei zahlreichen Enthaltungen ist § 4 angenommen.
§ 5. Dazu liegt wieder auf Umdruck 661 der Antrag auf redaktionelle Änderung vor, der bereits
akzeptiert warden ist. Wer dem so korrigierten § 5
zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen.
- Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
§ 6, dazu der Änderungsantrag der SPD Umdruck 653 Ziffer 24. Darüber kann im ganzen abgestimmt werden. Wer diesem Änderungsantrag der SPD zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Dias ist die Mehrheit; abgelehnt.
Wer § 6 in der Fassung des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Ge6762
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
genprobe! - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Zu den §§ 7, - 8, - 9, - 10 liegen keine Änderungsanträge vor. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Angenommen.
§ 11, dazu der Änderungsantrag der Fraktion der FDP Umdruck 659 ({4}) Ziffer 5. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Abgelehnt.
§ 11 in der Ausschußfassung. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Hadzeichen. - Gegenprobe! Enthaltungen? - Angenommen.
Nun kommen die §§ 12, - 13, - 13 a. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Angenommen.
§ 14 entfällt.
Zu § 15 liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 653 Ziffer 25 vor. Wer diesem Änderungsantrag der SPD zustimmen will, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Abgelehnt.
Wer § 15 in der Ausschußfassung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Paragraph ist in der Ausschußfassung angenommen.
§ 16. Wer ihm zustimmen will, gebe bitte ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? -§ 16 ist angenommen.
Damit ist der Art. VIII erledigt.
Nun kommt Art. IX. Zu den §§ 1 und 2 liegen keine Änderungsanträge vor. Wird dazu das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht.
Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Beide Paragraphen sind angenommen.
§ 3, dazu der Änderungsantrag der Deutschen Partei Umdruck 662 Ziffer 10. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Herr Abgeordneter Dr. Preusker!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir beantragen auch in diesem Falle die Wiederherstellung der Regierungsvorlage in ihrem bisherigen Sinn und Inhalt. Ich möchte noch ein paar Worte dazu sagen.
Hier handelt es sich um die Regelung der Mieten im sozialen Wohnungsbau nach Ablauf der Übergangszeit. Für die Übergangszeit haben wir bekanntlich vorhin beschlossen, daß wir eine maximal um zweimal 10 Pf denkbare Mieterhöhung unter gewissen Voraussetzungen zulassen wollen. Für die Zeit nach der endgültigen Überführung der Wohnungswirtschaft in die Marktwirtschaft hätten wir, wenn der Paragraph in der Ausschußfassung so stehenbleibt, im sozialen Wohnungsbau wiederum eine Spaltung insofern, als die Wohnungen nach dem Zweiten Wohnungsbaugesetz die Kostenmiete tragen, die sie schon jetzt nach dem Zweiten Wohnungsbaugesetz zugebilligt erhalten haben. Es gilt dann also dort der auch vom Sprecher der Fraktion der SPD immer wieder .herausgestellte Grundsatz der Kostendeckung. Jetzt soll nun hier auf einmal für den anderen nach dem Ersten Wohnungsbaugesetz verbleibenden Bestand auch in der endgültigen Phase nicht die Kostenmiete, sondern eine um 25 % über der früheren Richtsatzmiete erstarrte Miete gelten. Meine Damen und Herren, es kann doch nicht der Sinn einer Beschlußfassung sein, wiederum auch in der endgültigen Ordnung der Wohnungswirtschaft einen Tatbestand zu haben, der mit Sicherheit nicht zu einer Kostendeckung, sondern nur wieder zu einer starren Mietenbindung führt und für den dann über kurz oder lang doch wieder eine andere Regelung getroffen werden muß. Warum dann nicht gleich die Regierungsvorlage wiederherstellen?
Herr Abgeordneter Leukert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte, den Antrag der DP auf Umdruck 662 Ziffer 10 abzulehnen. Die Ausschußbeschlüsse sehen vor, daß für die Sozialwohnungen - etwa 2,5 Millionen Wohnungen nach dem Ersten Wohnungsbaugesetz - nach der Preisfreigabe die Kostenmiete erhoben werden kann, jedoch darf die sich daraus ergebende Mieterhöhung nicht über 25 % hinausgehen. Die Limitierung ist von uns in aller Ausführlichkeit erörtert worden. Eine darüber hinausgehende Mieterhöhung wurde als nicht tragbar angesehen.
Im übrigen übersieht der Vorschlag der DP, daß nach der vom Ausschuß beschlossenen Gesetzesfassung die zuständige Behörde in besonders begründeten Fällen Ausnahmen zulassen kann, d. h. auch eine über 25 % hinausgehende Mieterhöhung zulassen kann. Damit ist Vorsorge getroffen, daß Härtefälle ausgeschaltet werden können.
Herr Kollege Dr. Preusker, ich darf erwähnen, daß wir vorhin für alle Wohnungen des sozialen Wohnungsbaus nach dem Ersten Wohnungsbaugesetz eine allgemeine Mieterhöhung um 10 Pf pro Quadratmeter beschlossen haben, daß wir darüber hinaus für die sogenannten fehlenden Zinsmittel der eigenen Finanzierungsmittel eine weitere Erhöhung bis zu 10 Pf zugelassen haben. Wir glauben, Herr Dr. Preusker, daß auch in einer sozialen Marktwirtschaft für besonders bedürftige Familien ein Block an Sozialwohnungen bestehenbleiben muß.
Herr Abgeordneter Preusker.
Ich darf dann den Herrn Abgeordneten Leukert fragen, wer denn im Falle der Wohnungen des sozialen Wohnungsbaus nach dem Ersten Wohnungsbaugesetz endgültig die enstehenden Kostendifferenzen, die nicht gedeckt werden, tragen soll. Wir haben doch hier das Prinzip beschlossen, das, glaube ich, völlig unangefochten durch alle Fraktionen bejaht wird, daß die sozialen Tatbestände durch die Miet- und Lastenbeihilfen
aufgefangen werden sollen und daß die wirtschaftlichen Tatbestände durch wirtschaftlich vernünftige Entschlüsse geregelt werden sollen, d. h. also nach dem Ersten und Zweiten Wohnungsbaugesetz durch die Kostenmiete. - Gestatten Sie mir noch einen Augenblick, Herr Abgeordneter Leukert.
Wir haben das Zweite Wohnungsbaugesetz. Da ist generell seit 1957 die Kostenmiete zugelassen. Daran bleibt jeder einzelne gebunden; mehr darf er nicht nehmen. Warum wollen Sie nun nach dem Ersten Wohnungsbaugesetz nicht das gleiche Prinzip auch für die endgültige Regelung gestatten, sondern wollen dann noch die Kostendeckung an Einzelanträge in Einzelfällen mit besonderen Bewilligungs- und behördlichen Bescheiden knüpfen? Das ist doch wohl kaum zu begreifen. Dann wäre die Entscheidung zugunsten des Zweiten Bundeswohnungsbaugesetzes mit der generellen Geltung der Kostenmiete von Ihnen aus eigentlich nur noch zu revidieren; denn hier sind die Mieten im Prinzip ja doch wesentlich höher, als sie nach dem Ersten Wohnungsbaugesetz sein würden, selbst wenn da in Zukunft die Kostenmieten zugelassen werden. Es ist unbegreifbar, warum dieser Block in die Zukunft hinein wieder in eine rein behördliche, dirigistische Regelung einlaufen soll.
Herr Kollege Dr. Preusker, ist Ihnen nicht bekannt, daß die Wohnungen, die nach dem Ersten Wohnungsbaugesetz mit Kapitalsubventionen der öffentlichen Hand gebaut worden sind, entsprechend auch die Eigenmittel zum Teil verzinst bekamen, jetzt durch diese neue Regelung eine weitere Verzinsung bekommen haben, nämlich plus 10 Pf Erhöhung und darüber hinaus bei der Preisfreigabe noch 25 °/o bekommen können? Glauben Sie nicht, daß damit im wesentlichen die Kostendeckung erreicht ist?
Herr Kollege Leukert, das kann durchaus sein, und ich möchte es hoffen. Aber es wird einen erheblichen Teil von Wohnungen geben, die in den Jahren 1949, 1950 und 1951 gebaut worden sind, die bereits in absehbarer Zeit sehr erheblicher Instandsetzungs- und Überholungsmaßnahmen bedürfen werden.
({0})
- Herr Kollege Czaja, Sie wissen selbst, daß diese bei weitem nicht ausreichen. Sie sind damals auf Grund der Kostenverhältnisse von 1950 kalkuliert worden, und wir haben gegenüber 1950, wenn ich nur einmal auf die Entwicklung des Ecklohns in der Bauwirtschaft verweisen darf, einen Anstieg von 1,50 DM auf inzwischen über 2,50 DM. Hier geht es aber gar nicht, Herr Kollege Leukert, um die Frage, ob die von Ihnen genannten Maßnahmen ausreichen oder nicht, sondern hier geht es einfach um das Prinzip, einen dauerhaften Zustand der Überleitung in die Marktwirtschaft zu schaffen. Für den ganzen Bestand der Wohnungen nach dem Zweiten Wohnungsbaugesetz haben Sie das Prinzip nach unserer Überzeugung auch völlig zu Recht bejaht: Jawohl,
für die sozialen Wohnungen gilt das Prinzip der Kostenmiete, der Deckung der Kosten; mehr darf nicht gefordert werden. Ist das denn nicht auch Sicherheit genug für die Wohnungen nach dem Ersten Bundeswohnungsbaugesetz, daß man auch hier dieses Prinzip der Kostenmiete an die Stelle starrer Richtsatzmieten setzt? Sonst machen Sie doch nur etwas, was Sie in Kürze revidieren müssen.
({1})
Keine weiteren Wortmeldungen! Abstimmungen!
Änderungsantrag der Fraktion der Deutschen Partei auf Umdruck Nummer 662 Ziffer 10! Wer die Zustimmung geben will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! Das war die Mehrheit; der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Bei dem Umdruck Nummer 661 Ziffer 4 handelt es sich um einen Änderungsantrag der CDU/CSU, der redaktionell ist. Darüber braucht nicht abgestimmt zu werden. Das Haus nimmt das zur Kenntnis.
Dann stelle ich die §§ 3, - 4 - § 5 entfällt -, 6, - 7 - § 8 entfällt - und 9 in der Fassung des Ausschusses zur Abstimmung. Änderungsanträge dazu liegen nicht vor. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! -Enthaltungen? - Die aufgerufenen Paragraphen sind angenommen.
Nun kommt der Art. XI. Änderungsanträge dazu liegen nicht vor, wenn ich von dem redaktionellen Antrag der CDU/CSU auf Umdruck 661 absehe. Das Haus nimmt diese redaktionellen Änderungen zur Kenntnis.
Damit rufe ich den Art. XI im ganzen auf. Wortmeldungen? Keine! Wer dem Art. XI in der Ausschußfassung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Es kommt nun der Art. XII. Hier liegen auf Umdruck Nummer 663 zahlreiche Änderungsanträge der CDU/CSU vor. Sind das alles redaktionelle Änderungen?
({0})
Herr Abgeordneter Schwörer, wollen Sie das begründen? Sie brauchen nichts zu begründen, wenn es nur redaktionelle Änderungen sind.
({1}) - Dann brauchen Sie nichts zu begründen.
({2})
Meine Damen und Herren, das Haus nimmt diese redaktionellen Änderungen zur Kenntnis. Änderungsanträge liegen im übrigen nicht vor. Wird das Wort zu Art. XII gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Ich lasse über Art. XII mit allen seinen Einzelbestimmungen unter Einbeziehung der redaktionellen Änderungen auf Umdruck 663 abstimmen. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einer Reihe von Enthaltungen ist Art. XII angenommen!
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
) Nun kommt die Einleitung und die Überschrift. Ich kehre zurück zu dem Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 653 Ziffer 1. Herr Abgeordneter Dr. Brecht!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf mich auf die eingehende und zum Teil heftige Debatte, die vorhin anläßlich der Frage stattgefunden hat, ob es sich hier um ein soziales Miet- und Wohnrecht handelt, beziehen. Wir haben im Ausschuß zunächst der Änderung der Überschrift zugestimmt; aber das haben wir zu einer Zeit getan - das darf ich jetzt einmal sagen; ich habe vorhin nicht in die Debatte eingreifen wollen , als der Wohnungsbauausschuß den ganzen Komplex des sozialen Mietrechts durchgegangen hatte. Inzwischen ergaben sich dann durch den berühmten Stafettenlauf von einem Ausschuß zum anderen, daß dieses soziale Mietrecht gar nicht in dieses Gesetz hineingekommen ist, daß das Gesetz also ein Torso ist. Damit entfällt die Möglichkeit, wenn man ehrlich ist und wenn man das Gesetz mit dem wahren Namen nennen will, in der Überschrift von dem sozialen Miet- und Wohnrecht zu reden. Es wird nichts von einem sozialen Wohn- und Mietrecht geregelt. Das soll ja erst in den noch zu beratenden Abschnitten Art. VI und VII kommen, die dem Rechtsausschuß verblieben sind. Wir beantragen deshalb, dem Gesetz eine wahre, echte und zuverlässige Überschrift zu geben, die Sie nachher ändern können, wenn das soziale Mietrecht eingeführt ist. Die Überschrift soll lauten: „Gesetz über ) Mieterhöhungen, Miet- und Lastenbeihilfen und über den Abbau der Wohnungszwangswirtschaft." Wir bitten Sie, diesem Antrag zuzustimmen.
Herr Kollege Dr. Brecht, haben Sie übersehen, daß in Ihrem schriftlichen Antrag noch ein Halbsatz kommt: „und über ein soziales Mietrecht"? Beantragen Sie Streichung dieses Halbsatzes Ihres schriftlich eingereichten Antrages?
Dann ist das ein Irrtum. Ich habe bereits die Formulierung zur dritten Lesung vorliegen, bei der wir erneut diesen Antrag stellen werden. Da heißt es deutlich: „Gesetz über Mieterhöhungen, Miet- und Lastenbeihilfen und über den Abbau ,der Wohnungszwangswirtschaft". Bei der Hetze, Herr Kollege Mick, die Sie uns in den letzten Tagen zugemutet haben, ohne daß wir die Unterstützung des Ministeriums hatten, kann eine solche Panne vorkommen.
({0})
- Außerdem erhalte ich, Herr Mick, von meinem Kollegen, den Hinweis, für den ich sehr dankbar bin, daß unser Antrag sauber, klar und richtig formuliert ist. Nehmen Sie bitte den Antrag Umdruck 653 Ziffer 1. Da steht deutlich: „Entwurf eines Gesetzes über Mieterhöhungen, Miet- und Lastenbeihilfen und über den Abbau der Wohnungszwangswirtschaft". Herr Mick, die SPD ist auch hier völlig in Ordnung und hat das Richtige vorgeschlagen.
({1})
Meine Damen und Herren, Einleitung und Überschrift; Änderungsantrag der Fraktion der SPD, Umdruck 653 Ziffer 1. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag Umdruck 653 Ziffer 1 ist abgelehnt.
Einleitung und Überschrift in der Fassung des Ausschusses bzw. ,der Regierungsvorlage! Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; Einleitung und Überschrift sind in der Ausschußfassung bzw. der Fassung der Regierungsvorlage angenommen.
Meine Damen und Herren, damit kommen wir zur
dritten Beratung.
Ich habe hier wieder eine Reihe von Änderungsanträgen.
({0})
Ich frage mich, ob Aussicht besteht, daß das Haus heute mit der Vorlage fertig wird.
({1})
Wir haben so viele Änderungsanträge. Wenn wir heute nicht fertig werden, wird morgen früh um 9 Uhr weitergetagt; dais wissen Sie.
Ich fange an. Zur allgemeinen Aussprache der dritten Lesung hat das Wort der Herr Bundesminister für den Wohnungsbau.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe zunächst noch die Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Even, die er vorhin gestellt hat, zu beantworten. Er hat nach der besonderen Situation der Unterhaltshilfeempfänger gefragt. Ich darf darauf folgendes antworten.
Nach dem vorliegenden Gesetzentwurf hat die Bundesregierung durch Rechtsverordnung zu bestimmen, wie das Jahreseinkommen der Empfänger von Miet- und Lastenbeihilfen zu berechnen ist. Sie ist dabei besonders ermächtigt, den Abzug bestimmter Beträge vorzusehen. Die Bundesregierung wird unmittelbar nach Verabschiedung des Gesetzes mit Zustimmung des Bundesrates diese Verordnung erlassen. Dabei wird namentlich zu prüfen sein, inwieweit die besondere Lage der Bezieher kleiner Einkommen, vor allem der Unterhaltshilfeempfänger und der Rentner, zu berücksichtigen ist. Man wird daran denken können, aus sozialen Gründen für diese Personen bestimmte Pauschbeträge vorzusehen, die nicht als Einkommen angerechnet werden.
Zur dritten Lesung darf ich folgende Ausführungen machen. Am 12. November 1959 habe ich den
von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf über den Abbau der Wohnungszwangswirtschaft und über ein soziales Mietrecht vor Ihnen begründet. Heute kann und soll der Gesetzentwurf verabschiedet werden. Er wurde im federführenden Ausschuß für Wohnungswesen, Bau- und Bodenrecht in drei Lesungen mit Sorgfalt, Ernst und Gründlichkeit beraten, ebenso wie heute hier im Hause. Auch die mitberatenden Ausschüsse haben die Vorlage geprüft.
Die Drucksache 1850 mit den zahlreichen Änderungsvorschlägen zeugt von der Intensität der Erörterungen. Mag man auch in dem einen oder anderen Punkt über die bessere Lösung geteilter Meinung sein, so stehe ich doch nicht an, zu erklären, daß die Gesetzesvorlage in verschiedenen Punkten Verbesserungen erfahren hat. Dabei freue ich mich, feststellen zu können, daß die Konzeption der Bundesregierung im wesentlichen von den Ausschüssen des Hohen Hauses bestätigt worden ist.
Bestand über die Grundvoraussetzungen und Zielsetzungen des Entwurfs anläßlich der ersten Beratung der Vorlage auch weitgehende Übereinstimmung bei allen Fraktionen, so wurde in den Ausschußberatungen, wie bei einem solchen Gesetzentwurf nicht anders zu erwarten war, doch um die Maßnahmen im einzelnen, und zwar nicht nur um Fristen, Termine und Prozentsätze, sondern oft auch um grundsätzliche Fragen gerungen und gestritten. Das Ergebnis liegt Ihnen in dritter Lesung zur Entscheidung vor.
Es ist mir ein Bedürfnis, an dieser Stelle den Mitgliedern des Ausschusses für Wohnungswesen, Bau-und Bodenrecht und an der Spitze dem hochverdienten Vorsitzenden, Herrn Dr. Carl Hesberg, meinen aufrichtigen Dank für die aufopfernde Bemühung um die Klärung der vielschichtigen und auch komplizierten Probleme, die es zu lösen galt, auszusprechen. Den gleichen Dank möchte ich den mitberatenden Ausschüssen zum Ausdruck bringen.
In der vergangenen Woche haben wir das Bundesbaugesetz in zweiter und dritter Lesung verabschiedet. Zwischen dem Bundesbaugesetz und dem jetzt zu verabschiedenden Gesetz besteht ein Zusammenhang. Ich darf Sie auf einen Artikel in der „Frankfurter Allgemeinen" von Dr. Götz in der heutigen Nummer verweisen, der in anschaulicher Weise die Zusammenhänge darlegt. Beide Gesetze sollen den Boden für eine künftige Wohnungs- und Städtebaupolitik bereiten. Beide wollen die letzten Fesseln der Zwangswirtschaft beseitigen, und beide sind von der sozialpolitischen Verpflichtung getragen, die wir mit dem Bodeneigentum ebenso wie mit der Wohnung als dem Heim der Familie verbinden.
War beim Bundesbaugesetz die Aufgabe gestellt, erstmalig eine bundeseinheitliche Rechtsgrundlage für die vielseitigen Bedürfnisse des modernen Städtebaues und Baurechts zu schaffen, so kam es bei dem Ihnen heute vorliegenden Gesetzentwurf darauf an, das Wohnungswesen aus einer Verstrikkung perfekter Zwangsvorschriften zu lösen und in die soziale Marktwirtschaft zu überführen. Der Teil
des Gesetzes, der den Abbau der Wohnungszwangswirtschaft betrifft, dient in der Tat der Kriegsspurenbeseitigung, aber nicht etwa nur der Beseitigung von Spuren des zweiten Weltkrieges - weit gefehlt , sondern auch der bis heute fortdauernden Folgen des ersten Weltkrieges, der bereits dieses perfekte System von Zwangsbewirtschaftung des Wohnraumes, Mietpreiskontrolle und Mieterschutz hinterlassen hat. Solche Gesetze, die Jahrzehnte bestanden haben und trotz wirtschaftlicher und sozialer Fragwürdigkeit Gewohnheitsrecht geworden sind, aufzuheben oder neu zu gestalten. ist schwierig. Das bedurfte politischer Steinbrucharbeit. Aber die Bundesregierung hat den Mut zu diesem Unterfangen gehabt, weil sie davon überzeugt war, daß es im wohlverstandenen Interesse unseres Volkes liegt, die Zwangswirtschaft abzubauen, diesen Abbau jetzt einzuleiten und in einem für jedermann klar übersichtlichen Plan durchzuführen.
Dabei will ich jetzt gleich aussprechen, ,daß die Bundesregierung und mit ihr auch die Regierungskoalition eines unter keinen Umständen wünschen: nämlich eine Rückkehr zu den Zuständen der Zeit vor dem ersten Weltkrieg, zu der liberalistischen Vertragsfreiheit des BGB. Wir haben vorhin darüber gesprochen, daß, wenn wir ,die Zwangswirtschaft aufheben - und zwar in dem Maße, in dem die Wohnungsnot beseitigt wird -, das nicht ohne sozialpolitische Absicherung geschieht, d. h. nicht ohne ein modernes soziales Miet- und Wohnrecht. Wir haben dabei den Mieterschutz als Bestandteil der Wohnungszwangswirtschaft neben der Wohnraumbewirtschaftung und Mietpreisbindung genannt. Wir meinten damit den Mieterschutz in der seit 40 Jahren fast unveränderten, erstarrten und nur in einer allgemeinen Volksnot vertretbaren Form.
Nicht dieser völlig zufällige, zeitbedingte und in Formeln erstarrte Mieterschutz ist, wie vielfach, auch von der Opposition, behauptet wird, Bestandteil der Sozialordnung ides modernen Rechtsstaates geworden. Ich darf zur Historie hier nur .darauf hinweisen, daß die „Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen" vom 1. Dezember 1930 - es war .die erste Notverordnung, der der damalige Reichstag zugestimmt hat - das Mieterschutzgesetz unter der Kapitelüberschrift „Abbau und Beendigung ,der Wohnungszwangswirtschaft" aufgeführt hat; diese Verordnung bestimmte, ,daß dieses Gesetz außer Kraft treten sollte, sobald die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches über die Miete unter sozialen Gesichtspunkten umgestaltet worden seien. Zu dieser Umgestaltung ist die Weimarer Republik nicht mehr gekommen.
Was damals, vor 30 Jahren, nicht gelang, will das Ihnen vorliegende Gesetz erreichen. Der zweite Teil der Überschrift - „Gesetz ... über ein soziales Miet- und Wohnrecht" - drückt aus, daß der Mieter und seine Familie nicht schutzlos vor Willkür und in unverschuldeter Not oder Bedrängnis sein sollen. Wir bejahen die Sozialpflichtigkeit der Wohnung. Demgemäß wollen wir auch im Mietrecht unterschieden haben zwischen ,der Vermietung von
Eseln oder Kraftwagen und der Vermietung von Wohnungen.
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Die rechtliche Sicherung des Mieters und seiner Familie vor Willkür oder vor dem Mißbrauch wirtschaftlicher Macht findet eine Ergänzung in den Miet- und Lastenbeihilfen, die dem Mieter und dem vergleichbaren Besitzer eines Eigenheimes die Belastung durch Miete oder Abzahlung wirtschaftlich tragbar machen sollen. Diese Miet- und Lastenbeihilfen sollen nach einer ausdrücklichen Festlegung im Gesetz zu einem dauerhaften System unserer Sozialordnung ausgestaltet werden. Von dem Inkrafttreten des angekündigten Gesetzes soll die Freigabe der Mieten und damit auch 'die Aufhebung des Mieterschutzes abhängig sein.
So hat die Vorlage alle denkbaren Sicherungen dafür geschaffen, daß wirtschaftliche und soziale Härten bei der Durchführung des Gesetzes und bei der Überleitung der Wohnungswirtschaft in die Marktwirtschaft vermieden werden. Ich habe gesagt, daß die vom Ausschuß beschlossene geänderte Vorlage 'die Grundkonzeption der Regierungsvorlage bestätigt und diese in einigen Punkten, teils durch eine Fortentwicklung oder Verfeinerung, teils auch durch Erweiterung und Abwandlung, verbessert hat.
Dies gilt vor allem für die konsequente Durchführung des sogenannten Regionalprinzips beim Abbau der Wohnraumbewirtschaftung. Das Regionalprinzip ist zum Teil schon in der Regierungsvorlage enthalten, so bei der Herausnahme der bereits heute vorhandenen sogenannten „weißen Kreise" und bei der Verlängerung der Wohnraumbewirtschaftung für die sogenannten „schwarzen Kreise". Bereits in meiner Hamburger Rede im Oktober 1958 habe ich die Anregung, dieses Regionalprinzip weiter auszubauen und zu verfeinern, aufgegriffen und befürwortet. Damit hat der Ausschuß den Wünschen sowohl der Länder als auch der kommunalen Spitzenorganisationen weitgehend Rechnung getragen.
Nachdem die Termine der Regierungsvorlage ohnehin durch den Zeitablauf überholt waren, hat der Ausschuß die Aufhebung der Mietpreisbindungen und auch das Außerkrafttreten des Mieterschutzgesetzes alter Art an die Aufhebung der Wohnraumbewirtschaftung angeknüpft und damit eine klare Konstruktion geschaffen, die auf objektive Merkmale ausgerichtet ist.
Nicht ohne Bedauern, meine Damen und Herren, das gestehe ich offen, habe ich von der Umgestaltung des Mieterschutzgesetzes alter Art schon in der Übergangszeit Abstand genommen. Ich bin auch jetzt noch davon überzeugt, daß damit kein Risiko verbunden gewesen wäre. Immerhin kann ich darauf verweisen, daß gerade diese Vorschläge beim Bundesrat einstimmige Annahme gefunden haben.
Überhaupt ist es, meine Damen und Herren, die erklärte Absicht des Gesetzes, Unrecht abzubauen - Unrecht gegenüber den Vermietern, aber auch Unrecht gegenüber den Mietern. Nicht nur die Grundstückseigentümer als Vermieter sind von den zwangswirtschaftlichen Fesseln belastet; auch für die Mieter schafft die Zwangswirtschaft eine Fülle
von Ungerechtigkeiten und Ungereimtheiten. Dieses Gesetz beseitigt das „Dreiklassenmietrecht". Viele der unangenehmen Erscheinungen, die heute die Wohnungsversorgung kennzeichnen, beruhen nicht nur auf der Wohnungsknappheit, sondern vor allem auch auf den Privilegien, die die Zwangsbewirtschaftung des Wohnungsmarktes wahllos verteilt. Preisstopp Mieterschutzgesetz und Wohnraumbewirtschaftung haben in den letzten Jahren die natürliche Umschichtung unter den Wohnungsnutzern weitgehend verhindert. Wer das Glück hat, Mieter einer billigen Altbauwohnung zu sein, wird kaum danach streben, von sich aus diesen Vorteil gegen den Besitz einer teureren Neubauwohnung einzutauschen, auch wenn diese der Größe seine Haushalts und seinem gestiegenen Einkommen besser entsprechen würde. Auf der anderen Seite müssen Ausgebombte, Vertriebene, Flüchtlinge und junge Ehepaare - und diese haben häufig das kleinere Einkommen - die teureren Neubauwohnungen mieten, und zugleich müssen sie noch die Last auf sich nehmen, einen neuen Haushalt aufzubauen.
Auch dem Hausbesitz ist die Aufrechterhaltung der Wohnungszwangswirtschaft, namentlich die künstliche Bindung der Altbaumieten in unzureichender Höhe, nicht mehr zuzumuten. Ein solches Ausnahmerecht ist weder mit dem Gleichheitsgrundsatz noch mit der Eigentumsgarantie unserer Verfassung zu vereinbaren. Auch sind nicht alle Vermieter wohlhabend und nicht alle Mieter einkommensschwach.
Obendrein hat die Wohnungszwangswirtschaft mit dem starren Preisstopp zu einem unvertretbaren Substanzverlust an dem Volksvermögen geführt, das in Altwohngebäuden investiert ist. Nicht mehr die Nachholung unterbliebener Reparaturen, meine Damen und Herren, sondern die Modernisierung des Wohnungsbestandes ist das Gebot der Stunde. Hier hat der Ausschuß, abweichend von der Regierungsvorlage, eine gute Bestimmung in das Mieterschutzgesetz eingeführt. Damit wird sichergestellt, daß der Vermieter auch gegen den Willen eines uneinsichtigen Mieters diejenigen Modernisierungsarbeiten durchführen kann, die dem Mieter zugemutet werden können. Die Einschaltung des Mieteinigungsamtes, also eines Gerichts, gewährleistet, daß hierbei die Interessen der Vertragsteile gerecht abgewogen werden und daß die Modernisierung nicht zu unangemessenen und untragbaren Mieterhöhungen während der Übergangszeit führen kann. So scheint mir die vom Ausschuß vorgeschlagene Lösung ein Muster für einen gelungenen Interessenausgleich zu sein. Schon jetzt sollten sich die Hausbesitzer darüber klarwerden, welche Modernisierugsarbeiten sie in der Übergangszeit vornehmen wollen und müssen. Ist erst einmal der Wohnungsbedarf gedeckt - und das wird bald der Fall sein - und gelten dann auch für die Wohnungsversorgung die Gesetze des Marktes, so werden nur noch die Wohnungen Mieter finden, die den heutigen Wohnbedürfnissen entsprechen.
Was die Mieterhöhungen anbelangt, die das Gesetz über die 15%ige Erhöhung hinaus zuläßt, so ist der federführende Ausschuß nach überaus sorgBundesminister Lücke
fältiger Prüfung im wesentlichen den Vorschlägen der Regierungsvorlage gefolgt.
Einzelne Teile der Regierungsvorlage können heute noch nicht Gesetz werden, wie ich vorhin bereits ausgeführt habe. Ich bedauere das außerordentlich. Es sind die offen und anhängig gebliebenen Bestimmungen des BGB und der Zivilprozeßordnung, die noch einer längeren Beratung im Rechtsausschuß bedürfen. Ich habe diesem Verfahren zugestimmt, nachdem es möglich war, die wichtigsten Bestimmungen des BGB über die Kündigungsfristen und über den Kündigungsschutz in der Sozialklausel des § 556 a BGB zu beschließen, die schon heute als Marksteine des sozialen Mietrechts in das BGB eingebaut werden. Dadurch ist gesichert, daß die fehlenden Bestimmungen sobald als möglich verabschiedet werden. Ich hoffe, daß es dem Rechtsausschuß noch im Jahre 1960 möglich sein wird.
Auch im Saarland und in Berlin wird das Gesetz eingeführt werden. In beiden Fällen gelang es in enger Zusammenarbeit mit den Landesregierungen, Lösungen zu finden, die es ermöglichen, daß das Gesetz nunmehr in beiden Ländern eingeführt wird, daß seine tragenden Bestimmungen auch dort gelten.
Die Regelung für Berlin trägt den besonderen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Gegebenheiten Berlins Rechnung. Ich begrüße es, daß über die Sonderregelung mit dem Senat Berlin ein volles Einvernehmen erzielt worden ist und daß der zuständige Fachausschuß für Wohnungswesen, Bau-und Bodenrecht diese Bestimmungen einmütig angenommen hat.
Ebenso wie dem Berliner Senat möchte ich aber auch der Regierung des Saarlandes dafür danken, daß auf Grund ihrer erfolgreichen Bemühungen auch in der Wohnungsfrage der Anschluß des Saarlandes an die Bundesrepublik hergestellt werden kann. Nunmehr wird der weitere Abbau der Wohnungszwangswirtschaft im Saarland sich nach denselben Prinzipien vollziehen wie im Bundesgebiet.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Gesetzeswerk ist reif zur Verabschiedung. Daß die Zeit drängt, wissen Sie.
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Seit Jahren sind die Pläne der Bundesregierung der Öffentlichkeit bekannt. Nicht nur Kritiker und Fachleute haben, auch die weitaus überwiegende Mehrzahl der Bevölkerung hat ihnen im Grundsatz zugestimmt. Dieses Gesetz wird auch in unserem Lande auf dem Gebiet der Wohnungswirtschaft eine den Grundsätzen der sozialen Marktwirtschaft entsprechende Ordnung einleiten. Im freiheitlichen Teile Europas sind uns schon mehrere Länder auf diesem Weg vorangegangen. Ich erwähne nur Belgien, Großbritannien und Dänemark. Gewiß, diesen Ländern hatte der Krieg nicht die Wunden geschlagen, die er unserem Land und Volk zugefügt hat. Dort brauchte nach dem Krieg im Wohnungsbau nicht das geleistet zu werden, was wir haben leisten müssen. Den Mut zum Absprung hat man dort dennoch viel eher gehabt als bei uns. In Belgien
begann der planmäßige Abbau der Wohnungszwangswirtschaft schon 1947. 1957 war er beendet.
Vergleicht man das, was in diesen drei Ländern geschehen ist oder noch geschieht, mit den Maßnahmen, die unsere Vorlage vorsieht, so fällt auf, wie vorsichtig nach unserem Plan vorgegangen werden soll. So begannen etwa alle drei genannten Länder den Abbau der Wohnungszwangswirtschaft mit zahlreichen Mietpreisfreigaben. Die britische Mietenreform von 1957 ließ mit einem Schlag für 5,6 Millionen Wohnungen - der gesamte Wohnungsbestand in England betrug damals 15,8 Millionen Wohnungen -, also für mehr als ein Drittel des Bestandes, die Mietpreisbindung und den Mieterschutz, wenn auch mit einer zeitlich befristeten Übergangsregelung zum Schutz bestehender Mietverhältnisse, völlig wegfallen. Hier fand also wirklich ein Sprung ins kalte Wasser statt. Trotzdem blieb die angekündigte Revolte aus, weil die englische Bevölkerung von der inneren Notwendigkeit der Reform überzeugt war.
Auch in Belgien lag der stufenweise Abbau der Wohnungszwangswirtschaft im wesentlichen darin, daß von Anfang an, jeweils jährlich, fortgesetzt bestimmte Teile des Wohnungsbestandes von der Mietpreisbindung und dem Mieterschutz, sozusagen über Nacht, ohne Übergangsregelungen völlig freigestellt wurden.
Ähnlich verfährt Dänemark mit dem Wegfall der Mietpreisbindung.
Demgegenüber sieht das vorliegende Gesetz die Mietpreisfreigabe und den Wegfall des Mieterschutzgesetzes alter Art erst für das Ende einer langen Übergangszeit vor. Beide Maßnahmen können erst wirksam werden, wenn das für die endgültigen Miet- und Lastenbeihilfen vorgesehene Gesetz in Kraft getreten ist. Miet- und Lastenbeihilfen gibt es aber weder in Belgien noch in Großbritannien.
Auch mit den Mieterhöhungen sind diese Länder weniger sanft umgegangen als wir. In Belgien hat es in der Übergangszeit Mieterhöhungen bis zu 300 % gegeben: In Großbritannien gab es gleich nach Beginn der Abbaumaßnahmen Mietpreissteigerungen bis über 100 %. Bei uns werden die preisgebundenen Altbaumieten für die 5 Millionen Wohnungen im Durchschnitt um etwa 20 bis 25 v. H., bei einem Teil davon nur im äußersten Fall um 38 erhöht werden. Selbst ein Land wie die Niederlande, das mit dem planmäßigen Abbau der Wohnungszwangswirtschaft noch nicht einmal begonnen hat und dessen Wohnungsbaupolitik sehr stark von sozialpolitischen Erwägungen bestimmt wird, hat bisher schon für den Altwohnungsbestand bei den preisgebundenen Mieten Erhöhungen um mehr als 100 % der Vorkriegsmieten zugelassen.
Obwohl die anderen europäischen Länder zum Teil einschneidendere Maßnahmen getroffen haben, ist es nirgendwo zu sozialen Schwierigkeiten gekommen, selbst in Großbritannien nicht, wo sie von den Gegnern des Reformplans eindringlich prophezeit und auch, so sagte mir kürzlich der britische Wohnungsbauminister, von der Regierungspartei befürchtet worden sind.
Noch etwas anderes kennzeichnet unseren Plan im Unterschied zu den ausländischen Abbaumaßnahmen: Bei uns ist der Abbau der Wohnungszwangswirtschaft - ich habe das vorhin schon dargelegt - unlöslich mit der Schaffung eines sozialen Miet- und Wohnrechts verbunden: ohne Miet- und Lastenbeihilfen keine Mietanhebungen und keine Mietpreisfreigabe, ohne soziale Umgestaltung des BGB kein Wegfall des Mieterschutzes alter Art. Ich sage noch einmal: keines der Nachbarländer kennt dieses System.
Meine Damen und Herren, das Gesetz wird nicht nur ein Markstein in der Sozialordnung und Wirtschaftsgeschichte unseres Volkes sein, es ist in dieser sozialfortschrittlichen Form ohne Beispiel. Ich darf Sie nach den sehr eingehenden Beratungen bitten, dem Gesetz zuzustimmen. Ich hoffe, daß auch der Bundesrat dem Gesetz ohne Anrufung des Vermittlungsausschusses zustimmen wird,
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nachdem durch die Berücksichtigung zahlreicher Änderungswünsche die berechtigten Forderungen der Länder an das Gesetz erfüllt worden sind.
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Herr Dr. Brecht!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte mir zu gestatten, Herr Präsident, daß ich im Anschluß an die grundsätzlichen Ausführungen, die hier in der allgemeinen Aussprache zu machen sind, auch den Änderungsantrag der SPD-Fraktion, der in dritter Lesung gestellt ist, begründe.
Nach den Darlegungen, die der Herr Minister soeben gemacht hat, müßte man diese Diskussion eigentlich noch sehr lange fortsetzen. Denn hier wurde ja nicht nur aus allen möglichen Ländern Europas zusammengetragenes Material dargeboten, sondern auch alle möglichen anderen Zusammenstellungen und Gegenüberstellungen vorgetragen. Ich möchte es aber dem Hohen Hause ersparen, noch längere Ausführungen von mir anhören zu müssen.
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- Herr Dr. Czaja, Sie sollten vorsichtig sein, denn dieses Gesetz kann nicht so einfach über die Bühne gehen, wie Sie glauben.
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Als dieses Gesetz vorgelegt wurde, standen wir in der SPD-Fraktion vor der Frage: Sollen wir die Schlechtigkeiten dieses Gesetzes in sozialer, formaler und sonstiger Hinsicht, die dieses Gesetz zweifellos enthält, ruhig hinnehmen, oder sollen wir versuchen, diese Schlechtigkeiten irgendwie auszuräumen oder abzumildern? Wir haben uns ehrlich und redlich bemüht, nach dem letzteren Grundsatz zu verfahren, und versucht, in dem Gesetz zu verbessern, was zu verbessern notwendig war. Das haben wir nicht getan - wie vielleicht der eine oder andere annehmen mag -, um die Verabschiedung des Gesetzes hinauszuschieben, sondern aus Verantwortung gegenüber den Bevölkerungskreisen, die von diesem Gesetz elementar betroffen werden. Von dem Bundesbaugesetz, das wir vor ein paar Tagen beraten haben, werden einige hunderttausend Grundstückseigentümer betroffen, und letzten Endes geht es dort um kommunale Planung und Bodenpolitik. Von diesem Gesetz aber werden praktisch 8 Millionen Familien, die in Mietwohnungen leben, in irgendeiner Weise, und zwar negativ, in ihren Lebensverhältnissen betroffen. Von den 8,9 Millionen Mietwohnungen muß man ja die nach dem Zweiten Wohnungsbaugesetz gebauten Wohnungen, soweit es Mietwohnungen sind, und die steuerbegünstigten Wohnungen abziehen, so idaß rund 8 Millionen Familien verbleiben. Aber alle anderen werden betroffen. Wenn man das auf die Gesamtzahl der Betroffenen umrechnet, kommt man zu dem Ergebnis, daß einschließlich der Familienangehörigen 25 bis 28 Millionen Menschen von diesem Gesetz betroffen werden.
In der Debatte ist übersehen worden, daß es sich hier nicht nur um wohnungswirtschaftliche und wohnungspolitische Fragen handelt, sondern daß dieses Gesetz auch in soziale und wirtschaftspolitische Tatbestände sehr elementar eingreift. Denn die Einkommensumschichtung, die durch dieses Gesetz verursacht wird, beträgt ,am Ende der Übergangszeit 900 bis 1000 Millionen .DM im Jahr. Dieser Prozeß kann auch in unserer Volkswirtschaft. die wir mit Milliarden-Ziffern zu messen gewohnt sind, nicht so nebenbei bewältigt werden, sondern ist von grundlegender Bedeutung. 1000 Millionen DM jährlich werden der Konsumkraft auf der einen Seite entzogen und auf die andere Seite verlagert. Sie verstärken die Konsumkraft 'der Grundbesitzer, abet auch ihre Investitionen. Letzten Endes sollte man auch bei diesem Gesetz an 'die konjunkturellen Zusammenhänge denken. Die Hochkonjunktur, in der wir im Augenblick stehen, ist eine Investitionsgüterkonjunktur, keine Konsumgüterkonjunktur. Mit der Einkommensverlagerung von 1000 Millionen DM verstärken wir die Investitionsgüterkonjunktur noch mehr und beeinträchtigen die Konsumgüterkonjunktur. Diese volkswirtschaftlichen Überlegungen sind in den Ausschußberatungen leider überhaupt nicht zur Geltung 'gekommen, weil die Debatte ihnen einfach auswich, und auch heute sind wir nicht zu ihnen gekommen, weil eine gewisse Zeitbedrängnis besteht und weil man glaubt, die Dinge zum Abschluß bringen zu müssen. Aber wir sollten nicht übersehen - und wir dürfen das nicht vereinfachen und verniedlichen -, was sozial und volkswirtschaftlich, also gesamtwirtschaftlich mit dieser Konsumverlagerung vor sich geht. Denn - ich habe das vorhin ausgeführt - trotz ,der Mietbeihilfen wird mit diesem Gesetz zunächst verlangt, daß große Teile unserer Haushaltungen und Familien und unserer Konsumenten einen erheblichen Anteil ihres gegenwärtigen Einkommens für Mietsteigerungen aufwenden. Daß diese Einkommensteile ihnen für anderen Konsum und für die Bestreitung sonstiger Lebensbedürfnisse fehlen, daran kommt man nicht vorbei. Von diesem
Sachverhalt in gesamtwirtschaftlicher und sozialpolitischer Hinsicht muß ausgegangen werden. Es wird Bevölkerungskreise und Familien geben, in denen dieser Eingriff in ihre Lebensverhältnisse so stark ist, daß sie vor ,der Frage stehen, ob und wie sie mit diesem Problem fertig werden.
Mit Freude konnte man von dem Herrn Minister vernehmen, ,daß er nicht in ,die marktwirtschaftliche Wohnungsversorgung aus ,der Zeit vor 1914 zurückfallen will. Denn wir hatten ja schon einmal eine marktwirtschaftliche Wohnungsversorgung, und wir haben die Elemente und die Folgen dieser marktwirtschaftlichen Wohnungsversorgung heute noch zu einem großen Teil in unseren alten Stadtvierteln und in den ungenügenden Wohnungen, in den Mietskasernen und anderem zu verkraften. Wir haben gern von dieser Erklärung des Ministers Kenntnis genommen. Denn für uns ist es ein oberster Grundsatz, daß man zwar in anderen Konsumbereichen mit Hilfe der breiten Steuerung über den Preis Verlagerungen vornehmen kann, daß aber in ,der Wohnungsversorgung der Preis für das Nutzungsgut Wohnung nicht ,das geeignete Element ist, Bevölkerungskreise vom Bezug einer anständigen, kulturell einwandfreien und ihnen zukommenden Wohnung auszuschließen.
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Die Gefahr besteht aber auch mit diesem Gesetz und mit den unzulänglichen Regelungen der Mietbeihilfen, auf die ich vorhin hingewiesen habe.
Wer das tut, wer große oder auch nur kleinere Teile der Bevölkerung und der Familien vom Bezug einer anständigen Wohnung durch die Preissteigerungen ausschließt, wer also sagt: wir müssen die Preise so steigern, daß der Bedarf an Wohnungen dadurch gedrosselt wird, der handelt nicht anders, als die marktwirtschaftliche Wohnungsversorgung von 1914 auch gehandelt hat.
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Wir begnügen uns nicht mit der Erklärung, die hier abgegeben worden ist, sondern wir sagen darüber hinaus: auf keinem Gebiet darf es zu einer solchen Restauration wirtschaftspolitischer und sozialer Zustände kommen wie gerade in der Wohnungsversorgung vor 1914. Deshalb sind wir - auch über dieses Problem ist man heute elegant hinweggegangen - nicht zufrieden mit diesem Gesetz, weil es ja nur für eine gewisse Zeit Preisbindungen aufrechterhält, zwar Steigerungen bringt, aber immerhin noch Preisbindungen beibehalt, jedoch nichts aussagt, nichts regelt, keine Gewähr für die Preisgestaltung hinsichtlich der Wohnungsversorgung nach dieser Übergangszeit gibt. Dann wird nämlich der Sprung ins kalte Wasser getan. Sie wissen - und ich habe es wiederholt gesagt -, die künftigen Mietpreise werden in dieser Wohnungsversorgung nicht mehr bei 1,60 DM liegen, sondern werden wesentlich steigen, weil sie sich immer an den Gestehungskosten der neu zu errichtenden Wohnungen orientieren. Trotz Mietbeihilfen, trotz all den Begrenzungen stecken also enorme soziale Belastungen und Sorgen in diesem Gesetz. Keiner sollte etwa beruhigt und zufrieden heute abend aus diesem Saal gehen und denken: Wir haben’s glücklich hinter uns, nun kann's über die Bühne gehen. Keiner sollte vergessen, was danach kommt, wie die Familien und Menschen belastet werden.
Sie alle, genau wie wir, haben heute noch einmal die Mahnung des Bundes der Kinderreichen bekommen, der uns zugerufen hat: Handelt nicht überstürzt, handelt nicht so eilig! Überlegt doch und hört auch uns an! Sie und wir alle haben noch einmal die Mahnung des DGB bekommen, der schon vor einigen Tagen in einem Fernschreiben darauf hingewiesen hat, daß diese Mieterhöhungen zu einer Anhebung der Lebenshaltungskosten und damit unweigerlich zu Lohnsteigerungen führen.
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- Darf ich hören, was Sie sagen?
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte!
Herr Kollege, ist Ihnen bekannt und können Sie uns etwas darüber sagen, wie oft und in welchem Maße der Deutsche Gewerkschaftsbund in den letzten Jahren in den eigenen Wohnungsbauten für die Angestellten des DGB und für die übrigen darin Wohnenden die Mieten schon erhöht hat und wieweit er sie weiter zu erhöhen beabsichtigt?
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Die Frage kann ich Ihnen sehr genau beantworten, Frau Kalinke, und Sie sollten nicht so voreilig klatschen! Die Wohnungsunternehmen, die den Gewerkschaften gehören oder die mit den Gewerkschaften in irgendeiner Verbindung stehen, sind ausschließlich als gemeinnützig anerkannte Wohnungsunternehmen. Sie sind also an das gebunden, was die Sozialdemokratische Partei heute den ganzen Tag über beantragt hat: an die Kostenmieten, an die kostengebundenen Mieten. Sie können nämlich ihre Mieten gesetzlich gar nicht über die Kostendeckung hinaus erhöhen, während die Mietsteigerungen, die Sie heute beschlossen haben, auch über die Kostendeckung hinausgehen.
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- Aber Herr Dr. Czaja, Ihnen hat dieser Tage schon einmal jemand gesagt, Sie seien vor einigen Jahren noch ein Embryo in der Wohnungswirtschaft gewesen.
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Kein Mensch wird etwas dagegen sagen können, wenn sie aus rechtlichen Verpflichtungen gezwungen sind, den Kostenausgleich herbeizuführen. Nur ist es ein Unterschied, ob sie Kostenmieten erhe6770
ben, um mit der Gewinnmaximierung nach oben zu kommen, oder ob sie kostendeckende Mieten haben.
Aber ich bin vom Problem der Auswirkungen der Mieterhöhung auf die Lohnsituation ausgegangen. Ich habe gesagt, daß der DGB auf das Problem nochmals hingewiesen hat. Wir sollten es nicht übergehen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte sehr!
Glauben Sie nicht, Herr Dr. Brecht, daß dann, wenn die freie Wohnungswirtschaft von dem Gesetz, das wir heute beschließen, einen unangemessenen Gebrauch macht, eigentlich die große Stunde der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft schlagen müßte, die von diesem Gesetz - nach Ihren Darstellungen - keinen unangemessenen Gebrauch machen kann?
Das kann ich Ihnen nur hundertprozentig bestätigen, Herr Mick.
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Die Tatsache, daß wir in diese Situation mit einem gemeinwirtschaftlich gebundenen Wohnungsbestand von etwa 20 bis 25 % der gesamten Mietwohnungen hineingehen, bildet die einzige Chance dafür, daß man überhaupt in marktwirtschaftliche Formen übergehen kann. Denn die künftige marktwirtschaftliche Situation kann infolge dieses Blocks gebundener Mieten nicht mehr so sein, wie sie vor 1950 gewesen ist.
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Aber kehren wir zurück zum Problem der Löhne! Wir haben das hier wahrscheinlich nicht zu entscheiden. Wir sollten jedoch an der Lösung des Mietenproblems nicht vorübergehen, ohne uns klarzumachen, daß sich daraus notwendigerweise Folgerungen auch in unseren Einkommens- und unseren Lohnsituationen ergeben müssen.
({2}) Sie kommen zwangsläufig auf uns zu.
Mir ist noch dieser Tage eine Äußerung in die Hände geraten, nicht eine Äußerung des DGB, sondern eine Äußerung von ganz anderer Seite, in der bestätigt wurde, daß sich aus den Mieterhöhungen im gesamtwirtschaftlichen Verlauf notwendigerweise Lohnerhöhungen ergeben müssen. Herr Professor Nell-Breuning hat vor einigen Tagen auf einer Tagung erklärt: Ich verstehe nicht, warum die Gewerkschaften in so drohendem Ton erklären, dann müßten sie mit neuen Lohnforderungen aufwarten. Es ist für mich selbstverständlich, daß die Mieterhöhung nicht ohne Lohnerhöhung und Erhöhung der Sozialbezüge über die Bühne gehen kann. Das hat ein einsichtiger und so kenntnisreicher Mann wie
Nell-Breuning gesagt. Man sollte es deshalb nicht ablehnen, daß sich aus diesem Gesetz Konsequenzen ergeben werden.
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Wir haben uns die Mitarbeit an diesem Gesetz nicht leicht gemacht. Wir sind dabei nicht einfach so vorgegangen, daß wir ad hoc zu dem oder jenem Paragraphen oder zu diesem oder jenem Absatz einen Änderungsantrag gestellt haben, sondern in sehr mühsamen Beratungen haben wir zuvor unsere grundsätzliche Einstellung zu diesem Gesetz niedergelegt und daraus dann abgeleitet, welche Änderungsanträge zustellen sind. Diese Grundsätze sind auch maßgeblich für die Änderungsanträge, die wir nun in der dritten Lesung nochmals vorbringen.
Einer der ersten Grundsätze war: Die Wohnungsversorgung und die Mietpreisbildung muß stets im gesamtwirtschaftlichen Rahmen und Zusammenhang gesehen werden, nicht nur wohnungswirtschaftlich, nicht nur wohnungspolitisch. Der zweite Grundsatz war: Mietanpassungen sind nur dort und nur insoweit möglich und vertretbar, als sie nachweisbar zur Deckung der Kosten der Wohnungsbewirtschaftung unerläßlich und sozialökonomisch vertretbar sind. Jede Mieterhöhung zur Gewinnerzielung über die Kostendeckung hinaus ist abzulehnen. Demgemäß haben wir solche über die Kostendeckung hinausgehenden Mieterhöhungen abgelehnt. Wir haben das aus der Verantwortung gegenüber den betroffenen Bevölkerungskreisen heraus getan und vor allem, weil solche Mieterhöhungen über die Kostendeckung hinaus nicht notwendig sind, auch nicht für den Hausbesitz, weil ja seine Rendite darin gedeckt ist, und ferner, weil Mieterhöhungen - das ist der Zusammenhang mit dem Bundesbaugesetz -, die über die Kostendeckung hinausgehen, immer wieder zu steigenden Grundrenten und damit zu steigenden Bodenpreisen führen. Wir wollten mit all unseren Anträgen, die Mieterhöhung auf die Kosten zu begrenzen, das vermeiden. Sie aber sind trotz aller Bemühungen andere Wege gegangen und sehen auch Mieterhöhungen weit über die Kostendeckung hinaus vor.
Wir sind ferner von folgendem Grundsatz ausgegangen. Die SPD ist gegen die Zwangswirtschaft in der Wohnungsversorgung und tritt gemäß ihrem Godesberger Programm auch auf diesem Gebiet der Versorgung für freie Konsumwahl ein. Sie muß so schnell wie möglich hergestellt werden. Deshalb haben wir die Anträge gestellt, die Sie wiederum abgelehnt haben. Es muß zunächst alles geschehen, um durch verstärkten Wohnungsbau den Markt anzureichern, damit wir einen ausgeglichenen Markt bekommen, damit sich Angebot und Nachfrage decken, damit alle Familien die ihnen gemäße Wohnung bekommen. Erst wenn diese Situation auf dem Markt erreicht ist, können wir zur Aufhebung der Wohnraumbewirtschaftung übergehen. Deshalb haben wir gesagt: keinen festen Endtermin für die Aufhebung der Wohnraumbewirtschaftung heute schon festlegen, weil das nicht vertretbar ist. Wir haben ferner gesagt, daß die behördliche Wohnraumbewirtschaftung örtlich und regional erst aufDr. Brecht
gehoben werden kann, wenn die noch immer bestehende Unterversorgung völlig beseitigt ist und mindestens ein ausgeglichener Markt vorhanden ist. Man kann einfach nicht daran vorbeigehen, daß 1,3 Millionen Wohnungen fehlen. Wir verstehen und begreifen nicht, daß sie sagen: Auch ein statistisches Mittel des Wohnungsdefizits von 3 % gibt schon das Recht, die Wohnraumbewirtschaftung aufzuheben. Vielleicht geht das in den kleinen Gemeinden und auf dem Lande, es geht aber nicht in den Städten, und Sie haben es bei den Sonderregelungen für Berlin auch praktisch anerkannt, weil Sie dort gar nicht auf der 3 % igen Defizitrechnung bestanden haben. Deshalb sind wir auch hier der Meinung, daß neben der besonderen Berücksichtigung des Wohnungsbedarfs der kinderreichen Familien keine Möglichkeit gegeben ist, heute schon einen verbindlichen Termin für die Beendigung der Wohnraumbewirtschaftung festzulegen, weil Sie gar nicht wissen, wie sich die Wohnungsmarktlage durch steigende Haushaltsgründungen, durch Zuwanderung bis dahin entwickelt.
Wir haben uns gefreut, daß es uns mit unserer konstruktiven Kritik gelungen ist, daß der Mieterschutz erhalten geblieben ist, - leider nur auf eine gewisse Zeit befristet. Wir lehnen auch heute den Endtermin für die Aufhebung des Mieterschutzes ab, weil dafür weder ein sachlicher Anlaß noch eine zwingende Notwendigkeit vorliegt.
Das soziale Mietrecht erwarten, erhoffen wir. Die zwei Paragraphen, die im Gesetz enthalten sind, sind für uns nicht der Inhalt des sozialen Mietrechtes, sondern sind für uns eine der bedauerlichsten politischen Lücken in diesem Lücke-Gesetz.
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Die SPD hat nach eingehenden Erwägungen die Mietbeihilfen als ein Mittel anerkannt, einen Ausgleich zwischen dem unzureichenden Einkommen infolge einer ungenügenden Einkommensverteilung in unserer Volkswirtschaft und den notwendigen Aufwendungen für einen kulturell und sozial berechtigten Wohnbedarf herbeizuführen. Wir sind aber der Meinung, daß dieses System von Mietbeihilfen sozial unvollkommen, unzureichend und mit deutlichen ungleichen Behandlungen gleichartiger Tatbestände belastet ist.
Von diesen Grundsätzen sind wir ausgegangen. Sie haben uns leider die Mitarbeit an diesem Gesetz außerordentlich schwer gemacht. Wir sind zunächst nicht verantwortlich, daß die Bundesregierung nahezu zwei Jahre gebraucht hat, bis sie diesen Gesetzentwurf dem Bundestag vorgelegt hat. Er ist erst während der Ferien, im August 1959 vorgelegt worden. Wir sind nicht verantwortlich, daß es erst am 12. November zur ersten Lesung in den Bundestag gekommen ist, und wir sind nicht verantwortlich, daß der zuständige Bundestagsausschuß noch mit anderen Aufgaben belastet war und erst später an die Bearbeitung gehen konnte. Wir sind auch gar nicht verantwortlich dafür, daß der Entwurf so umfangreich und in vielen Punkten so schlecht formuliert war und daß eine ganze Menge Ausschußarbeit notwendig war, um ihm wenigstens
ein bißchen mehr Schliff und Form und Sinn zu geben.
Wir haben auch Schwierigkeiten gehabt; denn wir haben in der ersten Lesung eine ganze Reihe Unterlagen erbitten müssen. Wir mußten dreimal dringend mahnen, bis wir diese Unterlagen endlich bekamen, und wir haben dann an der Bearbeitung dieses Gesetzes - das darf ich Ihnen sagen; denn nachher werden die freundlichen Gegenreden gehalten werden, die uns nicht betreffen - zum Teil bis zur physischen Erschöpfung mitgewirkt.
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Dann wurde fortgesetzt gedrängt und getrieben, bis zu dem berühmten Stafettenlauf zwischen den Ausschüssen, bis zu der Erklärung: „Das beraten wir nicht mehr, das kommt in die künftige Novellierung", und bis zu dem Tatbestand, der nicht uns betraf, sondern einen Kollegen aus einer anderen Fraktion, daß er seine Anträge nur noch stellte und erklärte: Ich betrachte meinen Antrag als gestellt und abgelehnt.
({6})
Ich weiß nicht, ob alle, die nun heute mit dabei gewesen sind, über den Inhalt des Gesetzes und das, was nun sozialpolitisch auf die Bevölkerung zukommt genau im Bilde sind. Wir möchten den Herrn Bundeswohnungsbauminister angesichts seiner riesig angereicherten Fonds von Propagandamitteln nochmals dringend bitten, jedenfalls in den Dingen, die er jetzt herauszugeben beabsichtigt - wir haben davon gehört -, sorgfältig den Text abzustimmen, objektiv zu bleiben und das Prinzip der Ehrlichkeit und der ehrlichen und sauberen Unterrichtung zum Prinzip des Wohnungsbauministeriums zu erheben.
({7})
Es gibt noch ein sehr viel klareres Wort. Ich wollte es hier nicht gebrauchen und möchte es auch jetzt nicht erwähnen. Aber dieser Hinweis auf die wahre Darstellung, auf die sachgemäße und objektive Darstellung der Bevölkerung gegenüber scheint mir angesichts dessen, was wir in Propagandaschriften und in manchen Reden gehört und gelesen haben, angezeigt zu sein.
({8})
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben entgegen einer Stellungnahme, die vor kurzem in dem bekannten Nachrichtenblatt erschienen ist, bei diesem Gesetz gar nicht daran zu denken, ob das etwas mit künftigen Wahlen zu tun hat. Sie mögen das Interesse gehabt haben, das Gesetz möglichst weit von der nächsten Bundestagswahl wegzubringen.
({9})
- Nein, wir wollten es gar nicht, wir brauchen das nämlich gar nicht.
({10})
Dieses Gesetz und seine Regelungen haben nämlich die glänzende Eigenschaft, daß monatlich in Form der erhöhten Mieten immer wieder die Mahnung und der Hinweis kommt, daß hier die großen Teile der Familien mit zusätzlichen Kosten belastet worden sind.
({11})
Im übrigen möchte ich Ihnen sagen, Herr Baier: Dieses Gesetz hat schon seine Dienste getan, bevor es verkündet worden ist. Sie kennen die Briefe, die Ihnen aus München und aus dem Wahlkampf in Baden-Württemberg geschrieben worden sind. Wir können mit diesem Gesetz durchaus, warten; das braucht nicht erst im nächsten Jahr zur Bundestagswahl zu kommen; denn im Herbst sind ja Kommunalwahlen und Landtagswahlen. Und seien Sie sicher: Die Bevölkerung ist durch dieses Gesetz aufgerufen worden, sich mehr mit diesen innenpolitischen Fragen, die sie selber angehen, zu beschäftigen.
Ich möchte Sie zum Schluß dieser allgemeinen Ausführungen nochmals bitten, zu überlegen, ob Sie nicht dem einen oder anderen Antrag von uns, den wir erneut zur dritten Lesung vorbringen, zustimmen wollen. Wir wollen unsere Schlußerklärung zu dem Gesetz erst abgeben, wenn über diese Änderungsanträge entschieden ist, weil wir immer noch nicht ganz die Hoffnung aufgegeben haben, daß versucht werden könnte, in diesem oder jenem Punkt zu einer Änderung zu kommen. Wir haben in diese Änderungsanträge zur dritten Lesung nicht alles wieder aufgenommen, was zur zweiten Lesung vorgebracht wurde, obwohl wir feststellen dürfen, daß alle 25 Änderungsanträge, die wir zur zweiten Lesung gestellt hatten, von Ihnen abgelehnt worden sind und daß es diesen Anträgen ähnlich ergangen ist wie fast allen unseren konstruktiven Änderungsanträgen in der Ausschußberatung. Es ging eben auch dabei so, daß die geistige Kraft der Kritik durch die Macht der Majorität niedergetreten wurde.
({12})
Ich bitte Sie also diese Änderungsanträge zu berücksichtigen, einmal den Änderungsantrag zur Überschrift, damit das Gesetz einen wahren Titel bekommt, damit die zusätzlichen Mietsteigerungen, die über die Kostendeckung hinausgehen, gestrichen werden, damit die Wohnraumbewirtschaftung erst aufgehoben wird, wenn ein ausgeglichener Markt und nicht noch eine Unterversorgung vorhanden ist, damit gemeinsam alles getan wird, um diesen Zustand dadurch herbeizuführen, daß der Wohnungsbau forciert und gestärkt wird, und damit schließlich die Mietbeihilfen als ein wesentliches soziales Instrument so verallgemeinert und ausgebaut werden, daß sie nicht nur für einige und für einige Tatbestände, sondern allgemein und gleichmäßig und sozial gerecht wirksam werden.
({13})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Hesberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ausführungen des Herrn Kollegen Brecht machen es notwendig, auf einige Darstellungen, die hier gegeben worden sind, einzugehen, und zwar nicht nur darauf, was die Mieterhöhungen in ihrer Gesamtsumme für die deutsche Volkswirtschaft und auch vom sozialen Standpunkt ausmachen. Wir möchten aber auch dem entgegentreten, was Sie an Unrichtigkeiten über das Gesetz ausgeführt haben.
Zunächst einmal haben Sie von einer Milliardensumme geredet, die jetzt in Auswirkung der allgemeinen und der individuellen Mieterhöhung in diesem Jahr von der Mieterschaft zu zahlen sei. Dadurch, daß wir bekanntlich die Mieterhöhungen in der ersten und zweiten Gruppe eingeschränkt haben, und weil auch im Wohnungsneubau die Mieterhöhungen beschränkt worden sind, kommen wir für 1960 auf einen Betrag, der sich auf etwa 700 Millionen DM beziffert. Erst für das Jahr 1963, wenn auch der Block der billigeren Wohnungen in die individuelle Mieterhöhung einbezogen wird, kann man von einem Betrag reden, der vielleicht bei 900 bis 1000 Millionen DM liegt.
Aber das Entscheidende ist doch wohl, daß man diese Belastung im Rahmen der gesamten Einkommensentwicklung sieht. Bei dieser Nachholung des Ausgleichs der Mehrkosten und dergleichen muß auch der Einkommenszuwachs durch die Steigerung des Sozialprodukts in den vergangenen Jahren betrachtet werden. Bei Berücksichtigung dieser Tatsache ergibt sich, daß die Zunahme des privaten Verbrauchs in den letzten vier Jahren im Jahres- I durchschnitt rund 10 Milliarden DM ausgemacht hat. Auf diesen Betrag bezogen, ist die Mieterhöhung dann wohl doch als bescheiden anzusehen. Sicherlich ist das, sozial betrachtet, vielleicht für den einen oder anderen ein Betrag, der für sein Monatsbudget ins Gewicht fällt. Aber es liegen doch auch eine ganze Reihe von Untersuchungen vor, die die richtigen Größenordnungen aufzeigen. Nach den Untersuchungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung ergibt sich eine Vermehrung des Nettohaushaltseinkommens in den letzten vier Jahren von 565 DM auf 765 DM monatlich, so daß also pro anno eine Steigerung des Monatseinkommens um 50 DM zu verzeichnen ist. Nach den amtlichen Wirtschaftsberechnungen für die vierköpfige Arbeitnehmerfamilie ist das Durchschnittseinkommen von 1955 bis 1959 von 485 DM auf 631 DM gestiegen, d. h. also pro Jahr um durchschnittlich 36,50 DM. Die 15% ige Mieterhöhung macht bei der festgestellten durchschnittlichen Miete von 55 DM etwa 8 DM aus.
Auch bei dem Rentnerhaushalt, der durch amtliche Statistik erfaßt wird, liegen die Verhältnisse nicht viel anders. Wenn wir einmal betrachten, welche Quote des Einkommens für die Wohnungsmiete in Anspruch genommen wird, so kommen wir für 1957 im sozialen Wohnungsbau auf etwa 10 %, bei den Zwischenkriegsbauten auf 81/2 % und bei den Wohnungen, die vor 1924 bezugsfertig geworden sind, auf 7 1/2 %. Inzwischen ist diese Quote durch die Einkommensentwicklung zurückgegangen. Die Mieterhöhung, die jetzt eintritt, bedeutet prakDr. Hesberg
tisch nicht viel mehr, als daß diese Quoten von 1957 wieder erreicht werden.
Nun, meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist doch wohl, wenngleich wir solche Durchschnittszahlen cum grano salis betrachten müssen, das Entscheidende dieser Regelung, daß gerade für diejenigen, die in dieser Einkommensentwicklung nicht mitgekommen sind, das Mehr, diese zusätzliche Miete, durch das System von Miet- und Lastenbeihilfen aufgefangen wird. Deswegen kann man nicht sagen, daß die soziale Seite nicht berücksichtigt worden sei.
({0})
Des weiteren muß sehr deutlich gesagt werden, daß man nicht etwa den Verbraucher schutzlos läßt, wenn die endgültigen Termine herankommen. Von Herrn Minister Lücke ist schon mit Recht als sehr bedeutsam herausgestellt worden: die Freigabe der Mieten ist an die Voraussetzung gebunden, daß bis zu diesem Termin ein endgültiges System von Miet-und Lastenbeihilfen fertiggestellt ist, damit die sozialen Härten, die mit der Freigabe verbunden sein können, aufgefangen werden. Es kann also nicht davon geredet werden, daß wir die einkommenschwachen Schichten der Verbraucher schutzlos ließen.
Im Ausschuß ist auch sehr eingehend darüber gesprochen worden, daß bei den Mieten, die wir für 1963 oder 1965 für den Preisspiegel in Betracht ziehen müssen, durch den großen Block der Mietwohnungen des sozialen Wohnungsbaues und den großen Block der Altbauwohnungen ein Faktor gegeben ist, der den Markt sehr nachhaltig beeinflußt. Vor allem ist immer wieder betont worden, daß die Wohnungen des sozialen Wohnungsbaues, vor allen Dingen des Wohnungsbaues des Ersten Wohnungsbaugesetzes, die Möglichkeit einer Wohnraumversorgung gerade der Schichten bieten, von denen hier besonders gesprochen wurde. Das, meine Damen und Herren, müssen wir doch einmal hervorheben.
Noch ein anderes zur sozialen Seite! Vorhin ist das Telegramm ,des Bundes der Kinderreichen erwähnt worden. Es war davon die Rede, daß hier zu schnell beraten werde. Nun, wie steht es mit diesem Telegramm des Bundes der Kinderreichen? Es war vorschnell abgesandt. Nach Rücksprache des Ministeriums mit dem Vorsitzenden des Bundes der Kinderreichen, dem Landtagsabgeordneten Naumann, war dieser davon überzeugt, daß den Belangen der kinderreichen Familien über die Vorschläge der Regierungsvorlage hinaus in der Ausschußfassung Rechnung getragen worden ist.
({1})
Die Absendung des Telegramms wurde damit begründet, daß in bezug auf den Inhalt der Vorlage Mißverständnisse entstanden seien; diese Mißverständnisse seien aber nunmehr aufgeklärt.
({2})
Meine Damen und Herren, so sind auch andere Telegramme zu beurteilen, die uns in den letzten Wochen
wiederholt zugegangen sind. Sie dürfen glauben, daß wir in den monatelangen Beratungen sehr eingehend geprüft haben, was zumutbar und nicht zumutbar ist, und daß wir unsere Verantwortung gegenüber der deutschen Bevölkerung, namentlich gegenüber dem Verbraucher, genauso ernst nehmen wie Sie.
({3})
Dann wurde noch hervorgehoben, bei einem Defizit von 3 %, wie es im Gesetz vorgesehen sei, sei eine Unterversorgung gegeben, Wir müssen ganz entschieden bestreiten. Man hat sich diesen Satz von 3 % nicht aus den Fingern gesogen; er ist das Ergebnis sehr eingehender Untersuchungen. Man hat Befragungen darüber angestellt, wie viele von denjenigen, die heute einen eigenen Haushalt, aber keine eigene Wohnung haben, eine eigene Wohnung wünschen. Würde man die Ergebnisse dieser Befragungen zugrunde legen, müßte man den Wohnungsbedarf bereits als gedeckt ansehen, wenn eine Quote von 5 % oder sogar von 7 % erreicht ist. Die hier gegebene Darstellung kann also nicht stimmen.
Warum setzt man sich immer gegen Endtermine zur Wehr? Durch das Festsetzen von solchen Endterminen soll doch die Entwicklung einer gewissen eigenen Initiative erreicht werden, die mit jeder marktwirtschaftlichen Maßnahme verbunden zu sein pflegt. Wenn die Leute einen solchen Endtermin aber nicht sehen und die Auswirkungen nicht zu beurteilen vermögen, liegt für eine solche Initiative kein Anlaß vor.
Im übrigen ist jedoch auf Grund der Ergebnisse des Wohnungsbaus in der Vergangenheit und im Hinblick auf die in der Zukunft zu erwartenden Ergebnisse damit zu rechnen, daß diese Termine, die wir hier setzen, eingehalten werden können. Es ist doch wahrhaftig an der Zeit, nach einer zwanzigjährigen Zwangswirtschaft - von 1945 bis 1965 - endlich einmal einen Schlußstrich unter diese Notzeit zu ziehen. In der Zwischenzeit ist doch dieser Notzustand in erheblichem Maße überwunden worden, und wir können heute übersehen, daß er an dem Endtermin endgültig überwunden sein wird.
({4})
Keine weiteren Wortmeldungen in der allgemeinen Aussprache. Die allgemeine Aussprache ist geschlossen.
Ich rufe den Änderungsantrag der SPD auf Umdruck 665 Ziffer 1 auf. Er ist begründet. Wird dazu das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das letzte war die Mehrheit; der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Ich rufe den Änderungsantrag Umdruck 665 Ziffer 2 auf.
({0})
- Gut. Wird zu den Änderungsanträgen zu Art. I
das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? Die Änderungsanträge zu Art. I sind abgelehnt.
Ich rufe die Änderungsanträge zu Art. II auf. Wer Ziffer 5 Buchstaben a, b und c zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag zu Art. II - Umdruck 665 Ziffer 5 Buchstaben a, b, c - ist abgelehnt.
Wir kommen zu dem Änderungsantrag der Fraktion der Deutschen Partei Umdruck 666 zu Art. III. Wird er begründet? - Keine Begründung. Wird das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zu dem Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 665 Ziffer 6 auf Einfügung eines Art. V a. Wird das Wort gewünscht? Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Der Antrag ist abgelehnt.
Änderungsantrag der Fraktion der FDP Umdruck 660! Wird das Wort gewünscht? - Frau Abgeordnete Diemer-Nicolaus!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben in der allgemeinen Aussprache zur dritten Lesung nicht noch einmal gesprochen; aber aus unseren Abstimmungen werden Sie ersehen haben,
3) daß wir dem Gesetz als solchem zustimmen werden, mit Ausnahme des Art. VI. Wegen ,der Begründung darf ich mich auf ,die Ausführungen beziehen, die vorhin von Herrn Kollegen Jahn und von mir gemacht worden sind. Wir halten es für unbedingt notwendig, daß ,diese Änderungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs nicht jetzt schon gesetzlich verankert werden. Wir bitten Sie daher, idem Streichungsantrag zuzustimmen.
({0})
Keine weiteren Wortmeldungen dazu. Abstimmung! Umdruck 660, Antrag der Fraktion der FDP. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zu dem Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 665 Ziffer 7 zu Art. VIII. Wird dazu das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Damit, meine Damen und Herren, sind sämtliche Änderungsanträge abgelehnt.
Ich gebe das Wort vor der Schlußabstimmung; zunächst idem Herrn Abgeordneten Dr. Preusker.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der DP bedauert, daß mit
diesem Gesetz nicht ,die endgültige und großzügige Lösung aller wohnungswirtschaftlichen und damit verknüpften sozialen Probleme erreicht werden konnte, die nach seinem Titel und der ihm auf den Weg gegebenen Begründung erstrebt werden sollte. Das endgültige Gesetz über die Miet- und Lastenbeihilfen steht ebenso noch aus wie eine rechtzeitig und voll wirksame Modernisierungsregelung.
Die DP-Fraktion ist davon überzeugt, daß die tatsächliche Entwicklung allen denjenigen, die nur Bedenken vorzutragen hatten, und allen denjenigen, die über die möglichen Auswirkungen in wirtschaftlicher, konjunktureller und sozialer Hinsicht schwarz in schwarz gemalt haben, genauso unrecht geben wird, wie sie denjenigen unrecht gegeben hat, die in den Jahren 1947 bis 1950 bei ,allen anderen Maßnahmen zum Übergang in 'die Marktwirtschaft das Ende jeder sozialen und wirtschaftlich erfolgreichen Entwicklung prophezeit haben.
({0})
Die DP-Fraktion ist im Gegenteil sogar der Auffassung, daß wenn man etwas mehr Mut auf allen Gebieten der sozialen und der wirtschaftlichen Regelungen in diesem Gesetz gezeigt hätte, der Erfolg hinsichtlich der Überzeugnug auch der Ungläubigen noch viel schneller eingetreten wäre, als es so mit der Verzögerung der Fall ist.
Wenn also nach Auffassung der DP-Fraktion auch aus dem vorliegenden Gesetzentwurf über den Abbau der Wohnungszwangswirtschaft und über die Schaffung von Miet- und Lastenbeihilfen sowie einem sozialen Mietrecht fast eher nur ein Gesetz über die Milderung der Zwangswirtschaft und die Anfänge von Miet- und Lastenbeihilfen geworden ist, stimmt die DP-Fraktion doch dem Anfang in der Überzeugung zu, daß das Ende dann viel schneller erreicht sein wird.
({1})
Das Wort zu einer Erklärung zur Schlußabstimmung hat die Frau Abgeordnete Berger-Heise.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem alle Änderungsanträge der sozialdemokratischen Fraktion in zweiter und dritter Lesung von der CDU/CSU und ihren Koalitionspartnern abgelehnt worden sind, sehen wir uns nicht in der Lage, diesem zeitlich verfrühten und sozial bedenklichen Gesetzesfragment zuzustimmen. Wir bitten um namentliche Abstimmung.
({0})
Sie haben den Antrag auf namentliche Abstimmung gehört. Zunächst gebe ich das Wort zur Abstimmung dem Herrn Abgeordneten Dr. Hesberg.
({0})
- Ich bitte, Platz zu behalten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die CDU/CSU-Fraktion ist seit jeher der Auffassung gewesen, daß die Wohnungszwangswirtschaft kein Dauerzustand bleiben darf. Sowohl auf Grund der Wohnungsbauleistungen des letzten Jahrzehnts als auch der zu erwartenden Leistungen des Wohnungsbaues der nächsten Jahre, im besonderen im Bereich des sozialen Wohnungsbaus, halten wir nunmehr den Zeitpunkt für gekommen, die Wohnungszwangswirtschaft abzubauen und die Wohnungswirtschaft in eine marktwirtschaftliche Ordnung mit der dem Wohnungswesen gemäßen sozialen Prägung überzuleiten.
Die CDU/CSU-Fraktion vertraut darauf, daß der von der Bundesregierung nach der Konzeption des Bundeswohnungsbauministers vorgeschlagene Weg zu dem von ihr erstrebten Endziel führt. Sie billigt daher den Abbau der Wohnungsbewirtschaftung nach Wohnraumgruppen und nach Maßgabe des Wohnungsdefizits in den Kreisen.
({0})
Die CDU/CSU-Fraktion bejaht auch die Entzerrung des Mietgefüges durch pauschale und individuelle Mieterhöhungen bis zur Obergrenze der Nutzungsentgelte im sozialen Wohnungsbau. Sie hält sie vor allen Dingen deswegen für vertretbar, weil die Tragbarkeit der Mehrbelastungen für Einkommenschwache und Kinderreiche durch das vorgesehene System der Miet- und Lastenbeihilfen gewährleistet ist.
({1})
Aber meine Damen und Herren, der Lärm ist ja unerträglich. Ich bitte, sich doch zu beruhigen.
Von der Rentabilitätsverbesserung des Altwohnraumbestandes wird erwartet, daß dem weiteren Verfall dieser volkswirtschaftlich bedeutsamen Vermögenssubstanz Einhalt geboten und durch Modernisierung der Wohnungsstandard fortschreitend gehoben wird.
In den eigentumserhaltenden Maßnahmen des Gesetzentwurfs erblickt die CDU/CSU-Fraktion eine notwendige Ergänzung ihrer die Eigentumsbildung fördernden Maßnahmen im Bereich der Wohnungswirtschaft.
({0})
Eigentumsbildung und Eigentumserhaltung in der Wohnungswirtschaft sind nach unserer Meinung gleichbedeutende Faktoren dieser gesellschaftspolitischen Gesamtkonzeption.
Die CDU/CSU-Fraktion erwartet daher die uneingeschränkte Fortsetzung der bisherigen Wohnungsbaupolitik unter besonderer Förderung des Familienheimbaues. Zum Schutz der wirtschaftlich Schwachen hält sie eine soweit wie möglich gehende Endlösung der Miet- und Lastenbeihilfen für geboten.
Mit einer freiheitlichen Ordnung in der Wohnungswirtschaft, die das Gesetz stufenweise wiederherstellt, muß zugleich die seit mehr als zwei Jahrzehnten gesetzlich zugesicherte soziale Ausgestaltung des Mietrechts des BGB verbunden sein. In den bisher beschlossenen Ergänzungen des BGB erblickt die CDU/CSU eine den sozialen Bindungen des Eigentums im Grundgesetz entsprechende Dauerordnung, die zur Verbesserung der durch jahrzehntelanges Notrecht stark beeinträchtigten Rechtsbeziehungen zwischen Vermieter und Mieter beitragen wird.
Die CDU/CSU-Fraktion stimmt daher der Vorlage zu. Sie dankt dem Initiator, dem Wohnungsbauminister Lücke, und seinen Mitarbeitern.
({1})
Meine Fraktion dankt aber auch all denen, die in diesem Hohen Hause mitgearbeitet haben, die Vorlage zu vollenden.
Die CDU/CSU-Fraktion erhofft von der Durchführung des Gesetzes eine möglichst reibungslose Überleitung in eine der Wohnungswirtschaft gerecht werdende soziale Marktwirtschaft und damit die endgültige Überwindung der Notstände, die sie bisher so erfolgreich betrieben hat.
({2})
Bei dieser Gelegenheit darf ich zugleich darum bitten, dem Entschließungsantrag Umdruck 664 Ihre Zustimmung zu geben.
Das Wort zu
einer weiteren Erklärung zur Abstimmung hat der Herr Abgeordnete Dr. Will.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am Ende der dritten Lesung dieses wichtigen Gesetzes habe ich für die Fraktion der Freien Demokratischen Partei zu erklären, daß sie dem Gesetz zustimmen wird, obwohl die Änderungsanträge, die wir gestellt haben, nur zu einem geringen Teil von der Mehrheit dieses Hauses angenommen worden sind.
Wir geben unsere Zustimmung im wesentlichen um der Grundtendenz des Gesetzes willen. Immerhin wird auf einem so wichtigen Gebiet wie dem der Wohnungswirtschaft ein Schritt in die Marktwirtschaft getan, und man darf wohl sagen, daß es sich dabei um die soziale Marktwirtschaft handelt, weil durch die Miet- und Lastenbeihilfen entscheidende Sicherungen gegeben sind. Wir nehmen dabei bewußt in Kauf, daß kein Sprung ins kalte Wasser erfolgt; denn hier kann nur stufenweise vorgegangen werden.
Natürlich ist das Gesetz kompliziert, aber die Wohnungspolitik muß eben auf viele völlig verschieden gelagerte Verhältnisse Rücksicht nehmen, um Härten zu vermeiden. Eine Gewaltlösung läßt sich nicht durchsetzen.
Mit diesem Gesetz wird wieder ein Stück Zwangswirtschaft aus Kriegs- und Notzeiten beseitigt, eine Wirtschaft, die längst nicht mehr in unser
Wirtschaftswunder gepaßt hat. Man muß sich darüber wundern, daß diese Relikte überhaupt so lange am Leben bleiben konnten.
Wir sollten mit tiefer Befriedigung feststellen, daß wir als Lohn für die außerordentlichen Anstrengungen .auf dem Gebiet der Wohnungsproduktion in absehbarer Zeit nicht mehr von einer Behörde abhängig sein werden, die uns eine Wohnung zuteilt, sondern daß unsere Bevölkerung ihre Bedürfnisse auf dem freien Markt wird decken können. Die Tränen, die den Wohnungsämtern nachgeweint werden, werden wahrscheinlich keinen Fingerhut füllen.
Wir begrüßen auch, daß das Mietpreisrecht auf dem Absterbeetat angekommen ist. Dieses Gesetz sollte eine Voraussetzung dafür schaffen, daß der Altwohnungsbestand renoviert und modernisiert werden kann, damit er bei ausgeglichenen Wohnungsmarktverhältnissen gegenüber den neu produzierten Wohnungen konkurrenzfähig ist. Zweifellos kostet das die Mieter, soweit sie bisher in billigen Altbauwohnungen saßen, fühlbare Opfer. Aber diese Opfer werden als notwendig und zumutbar im Verhältnis zu den Aufwendungen anerkannt werden müssen, die von den Mietern in Neubauwohnungen gemacht werden.
Nachdem nun der Mieterschutz auf viele Jahre im wesentlichen unangetastet bleibt, so daß die oft gehörten Befürchtungen auf diesem Gebiet gegenstandslos sind, dürfen wir Freien Demokraten das Gesetz für einen großen Fortschritt im liberalen Geist halten und werden ihm deshalb in der Schlußabstimmung unsere Zustimmung geben.
({0})
Wir treten nunmehr in die namentliche Abstimmung ein. Ich bitte die Damen und Herren Schriftführer, die Stimmkarten einzusammeln. Ich gebe das Wort zur Begründung des Entschließungsantrags der Fraktion der SPD dem Herrn Abgeordneten Jacobi.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Weder aus dem Antrag des Ausschusses in der Drucksache 1850 noch aus der Ziffer 2 des CDU/CSU-Entschließungsantrages Umdruck 664 ergibt sich eindeutig eine Bindung zur Ergänzung der beiden BGB-Bestimmungen im Sinne einer sozialen Mietrechtsregelung. Der Antrag, den wir mit dem Umdruck 658 vorlegen, soll nach dieser Richtung hin völlig klarstellen, daß dieses Haus die Vorlage der Regierung nicht dadurch als erledigt ansieht, daß wenige Ergänzungen des Bürgerlichen Gesetzbuches jetzt schon getroffen sind. Wir möchten deshalb die Regierung zwingen, eine neue Vorlage nach dieser Richtung hin zu machen. Wenn dies nicht von Ihnen gebilligt werden sollte, betonen wir, daß wir Sie an Ihrem Wort festhalten werden. Sie haben heute wiederholt und eindeutig erklärt, insoweit bleibe die Regierungsvorlage noch anhängig. Wir werden darauf achten, bitten dennoch,
unsere Zweifel auszuräumen und unserem Antrag zuzustimmen.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Bartels.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir bitten, den Entschließungsantrag der SPD auf Umdruck 658 abzulehnen. Es ist gar nicht möglich, eine neue Gesetzesvorlage einzubringen, weil diese Gesetzesvorlage noch beim
Rechtsausschuß und damit beim Bundestag anhängig ist.
Wir bitten auch aus einem anderen Grunde, den Antrag abzulehnen. Niemand im Hause zweifelt daran, daß sich der Rechtsausschuß nunmehr in kürzester Frist mit den noch anhängigen Bestimmungen
des sozialen Mietrechts beschäftigen wird. Doppelt
ist die Sache nicht zu machen. Das entspricht nicht der Geschäftsordnung.
Im übrigen hat der Herr Kollege Arndt vor einiger Zeit betont, daß der Bundestag die Gesetze
macht, und solange sie hier anhängig sind, werden sie hier beraten.
({0})
Meine Damen
und Herren, bevor ich über den Entschließungsantrag abstimmen lasse, gebe ich das Ergebnis der
namentlichen Abstimmung bekannt. Mit Ja haben
gestimmt 217 Mitglieder des Hauses und 5 Berliner Abgeordnete, mit Nein 124 Mitglieder und 8 Berliner Abgeordnete, keine Enthaltungen. Damit ist das Gesetz in dritter Lesung angenommen.
Ja Burgemeister
Caspers
CDU/CSU Dr. Conring
Frau Ackermann Deringer
Graf Adelmann Diebäcker
Dr. Aigner Diel
Arndgen Dr. Dollinger
Baier ({0}) Drachsler
Baldauf Draeger
Balkenhol Ehren
Dr. Bartels Eichelbaum
Dr. Barzel Engelbrecht-Greve
Bauereisen Frau Engländer
Bauknecht Enk
Bausch Dr. Even ({1})
Dr. Becker ({2}) Finckh
Becker ({3}) Dr. Franz
Berberich Franzen
Dr. Bergmeyer Dr. Frey
Dr. Besold Dr. Fritz ({4})
Blank Fuchs
Blöcker Funk
Frau Blohm Frau Dr. Gantenberg
von Bodelschwingh Gaßmann
Dr. Böhm Gedat
Brand Frau Geisendörfer
Frau Brauksiepe D. Dr. Gerstenmaier
Frau Dr. Brökelschen Gewandt
Brück Dr. Gleissner ({5})
Dr. Bucerius Glüsing ({6})
Bühler Goldhagen
Dr. Gossel
Gottesleben
Günther
Freiherr zu Guttenberg Hackethal
Häussler
Hahn
Dr. Hahne
Harnischfeger
Dr. Hauser
Dr. Heck ({7})
Heix
Hesemann
Heye Hilbert
Dr. Höck ({8})
Höfler
Horn Huth Dr. Huys
Illerhaus
Josten
Dr. Kanka
Kemmer
Dr. Kempfler
Kirchhoff
Kisters
Dr. Kliesing ({9}) Knobloch
Dr. Knorr
Koch
Dr. Kopf
Kramel
Kroll
Krüger ({10})
Krug
Frau Dr. Kuchtner
Kunst Kuntscher
Lang ({11})
Leicht
Dr. Leiske
Lenz ({12})
Lenze ({13})
Leonhard
Lermer
Lücke ({14})
Lulay
Maier ({15}) Majonica
Dr. Baron Manteuffel-Szoeg Dr. Martin
Maucher
Meis Memmel
Mengelkamp
Menke
Mensing
Meyer ({16})
Mick Muckermann
Mühlenberg Müller-Hermann
Müser
Nellen
Nieberg
Niederalt
Frau Niggemeyer
Oetzel
Dr. Philipp
Frau Pitz-Savelsberg
Frau Dr. Probst
Dr. Reinhard
Dr. Reith
Richarts
Riedel ({17})
Frau Rösch
Rösing
Ruf
Ruland
Scharnberg
Scheppmann
Schlee Schlick
Frau Schmitt ({18}) Schmücker
Schneider ({19}) Schüttler
Schütz ({20}) Schulze-Pellengahr
Dr. Schwörer
Dr. Seffrin
Dr. Serres
Siebel Simpfendörfer
Spies ({21}) Stauch
Dr. Stecker
Dr. Stoltenberg
Dr. Storm ({22})
Storm ({23}) Struve
Sühler Unertl Varelmann
Vehar
Frau Vietje
Vogt
Wacher Dr. Wahl
Dr. Weber ({24}) Weimer
Frau Welter ({25}) Wendelborn
Dr. Werber
Wieninger
Dr. Wilhelmi
Dr. Willeke
Winkelheide
Dr. Winter
Wittmann Wittmer-Eigenbrodt
Worms Wullenhaupt
Dr. Zimmer
Dr. Zimmermann
Berliner Abgeordnete
Benda
Dr. Friedensburg
Lemmer
Stingl
FDP
Dr. Achenbach
Dr. Dahlgrün
Frau Dr. Diemer-Nicolaus Dürr
Frau Friese-Korn
Dr. Hoven
Keller Kreitmeyer
Lenz ({26})
Mauk
Dr. Miessner
Mischnick
Freiherr von Mühlen
Murr
Dr. Rutschke
Dr. Schneider ({27}) Schultz
Spitzmüller
Walter
Weber ({28}) Zoglmann
Berliner Abgeordnete Dr. Will
DP
Dr. Preusker
Probst ({29}) Dr. Schild
Dr. Schranz
Tobaben
Nein
SPD
Frau Albertz
Altmaier Dr. Arndt Bach
Bäumer
Bauer ({30})
Baur ({31}) Behrisch
Frau Bennemann Berkhan
Bettgenhäuser
Birkelbach Dr. Bleiß Börner
Dr. Brecht Bruse
Büttner Corterier Dewald Diekmann
Frau Döhring ({32}) Dopatka
Frau Eilers ({33}) Erler
Faller
Felder
Folger
Franke
Dr. Frede Geiger ({34}) Geritzmann
Hamacher Hansing Dr. Harm Hauffe
Heide
Heiland
Dr. Dr. Heinemann
Frau Herklotz Hermsdorf Herold
Höcker
Höhne
Hörauf
Hufnagel Jacobi
Jacobs
Jahn ({35})
Jaksch
Jürgensen Junghans Jungherz Kalbitzer Frau Keilhack
Frau Kettig
Keuning
Killat ({36})
Kinat ({37})
Frau Kipp-Kaule Könen ({38}) Koenen ({39}) Frau Korspeter
Kraus
Lange ({40}) Lantermann Leber
Ludwig
Lücke ({41}) Lünenstraß
Marx
Matzner
Meitmann Dr. Menzel Metter
Meyer ({42}) Dr. Mommer
Müller ({43}) Müller ({44}) Müller ({45})
Frau Nadig Odenthal
Ollenhauer Paul
Pöhler
Pohle
Priebe
Pütz
Pusch
Regling
Reitzner
Frau Renger Rhode
Frau Rudoll Ruhnke
Dr. Schäfer
Frau Schanzenbach Scheuren
Dr. Schmidt ({46}) Schmidt ({47}) Schmitt-Vockenhausen Schoettle
Schröder ({48}) Seidel ({49})
Frau Seppi Seuffert
Stenger
Stierle
Sträter
Striebeck
Frau Strobel Theil ({50})
Theis ({51}) Wegener
Wehner
Welke
Welslau
Weltner ({52}) Wienand
Wilhelm
Wischnewski Wittrock
Zühlke
Berliner Abgeordnete
Frau Berger-Heise Frau Krappe
Mattick
Neumann
Scharnowski
Dr. Schellenberg Schröter ({53}) Schütz ({54})
Ich lasse über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 658 abstimmen. Wer zustimmen will, gebe bitte ein Handzeichen. - Gegen6778
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
probe! - Das-ist die Mehrheit; der Entschließungsantrag ist abgelehnt
Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 664! Wer zustimmen will, gebe bitte ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist einstimmig angenommen.
Abstimmung über den Antrag des Ausschusses auf Drucksache 1850 unter B, die zu dem Gesetzentwurf eingegangenen Petitionen für erledigt zu erklären! Wer zustimmen will, gebe bitte ein Handzeichen. - Gegenprobel - Enthaltungen? - Angenommen!
Ich gebe bekannt: die Präsenzpflicht für morgen, Mittwoch, den 25. Mai, wird aufgehoben. Ich verbinde damit im Interesse des Hauses den Wunsch, daß die Ausschüsse den Tag nützen.
Die Fraktion der CDU/CSU bittet mich, bekanntzugeben, daß sie morgen vormittag um 10 Uhr zusammentritt.
Damit, meine Damen und Herren, sind wir am Schluß der Sitzung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 22. Juni, 9 Uhr ein. Die Sitzung ist geschlossen.