Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 5/5/1960

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Die Sitzung ist eröffnet. Meine Damen und Herren, wir fahren in der Tagesordnung fort, zunächst mit der zweiten Lesung des Einzelplans 26 des Haushaltsgesetzes 1960. Unmittelbar nach der Erledigung dieses Einzelplans in zweiter Lesung werde ich das Haushaltsgesetz in zweiter Lesung aufrufen, gleichzeitig aber die zweite und dritte Beratung des Entwurfs des Gesetzes über die Erhöhung von Dienst- und Versorgungsbezügen. Erst wenn die Beratung dieses Gesetzentwurfs erledigt ist, können wir mit der dritten Beratung des Haushalts beginnen. Das Haus ist einerstanden? ({0}) ich rufe auf: Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1960 ({1}) ({2}), Berichte des Haushaltsausschusses ({3}) Einzelplan 26 Geschäftsbereich des Bundesministers für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte ({4}), dazu: Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ({5}). Das Wort hat der Abgeordnete Reitzner.

Richard Reitzner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001818, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach dem nun erfolgten Rücktritt des Herrn Bundesministers Professor Oberländer zieht die sozialdemokratische Bundestagsfraktion ihren Antrag auf Streichung des Ministergehalts zurück. Nach dem Rücktritt des Herrn Ministers sind unsere anderen beiden Anträge, auch der Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses, ebenfalls erledigt. Meine Freunde und ich sind keine Skalpjäger. Trotzdem möchte ich an diesem Platz unsere Befriedigung darüber ausdrücken, daß ein unruhiger und nicht erfreulicher Abschnitt des deutschen öffentlichen Lebens abgeschlossen ist. ({0}) Ich beabsichtige nicht, zu dem politischen Problem viel zu sagen. Ich möchte nur so viel sagen, als es der Zusammenhang mit den Problemen des Einzelplans 26 - Geschäftsbereich des Bundesministers für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte - erfordert. Es geht mir also nicht darum, jetzt zurückzublenden und die verschiedenen Gründe aufzuzeigen, aus denen in den vergangenen Monaten der Chef des Ministeriums für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte, Professor Oberländer, und das Ministerium als solches pausenlos im Rampenlicht der öffentlichen Meinung und Kritik standen. Es wurde nicht nur gefragt, ob der Herr Minister politisch tragbar sei oder ob man einen Minister zuviel oder zuwenig habe, sondern es wurde auch die Frage nach der Notwendigkeit des Ministeriums selbst aufgeworfen. Diese Frage wird heute noch in der deutschen Öffentlichkeit sehr lebhaft diskutiert; sie erscheint mir wichtig und auch interessant, und man kann sie gewiß nicht nur mit einer Handbewegung abtun. Ohne Zweifel haben zu dem Werturteil über das Ministerium die Person des Ministers selbst sowie die in den letzten Monaten sichtbar gewordene Inaktivität, mangelnde Initiative und Leistung des Ministeriums beigetragen; denn in der letzten Zeit haben die Beamten und Angestellten, unter denen es sehr viele tüchtige Leute gibt, ihre Zeit und Kraft vergeudet, weil die Vergangenheit ihres Chefs unbewältigt ist. Diese Situation hätte, wenn sie noch lange angedauert hätte, zur Selbstliquidierung des Ministeriums geführt. Aber unsere Auffassung ist, daß der Apparat dieses Ministeriums die Aufgabe hat, den Interessen der Vertriebenen, Sowjetzonenflüchtlinge und Kriegsgeschädigten zu dienen, für die sozialen und wirtschaftlichen Interessen zu wirken und zu werben. Daher muß das Ministerium so bald wie möglich zu seiner ursprünglichen Zweckbestimmung zurückgeführt werden, ({1}) und ich glaube, der Weg dazu ist jetzt frei. Gleichzeitig möchte ich mit aller Offenheit und mit Freimut gestehen, daß die Anlage dieses Ministeriums natürlich von Anfang an unzureichend gewesen ist und daß der Minister zuwenig Kompetenzen gehabt hatte, daß ihm Kompetenzen fehlten. Es wäre immer Sache des Ministers gewesen, mehr Kompetenzen zu verlangen, ({2}) mehr zu fordern, Motor und Wachhund zu sein und, wenn diese Forderungen nicht erfüllt werden, zu demissionieren. Aber die wirklichen Interessen des Herrn Professors Oberländer lagen ja immer auf einem anderen Gebiet, auf seinem Fach- und Sachgebiet Ostkunde, Ostfragen und psychologische Kriegführung. Diese Neigung, meine Damen und Herren, war weder gut noch nutzbringend. Man konnte dazu nicht schweigen. Damit, daß ich das sage, will ich die Verpflichtung zur permanenten Selbstkritik und Wachsamkeit in einer demokratischen Ordnung für heute und für die Zukunft unterstreichen. Das deutsche Volk, die Heimatvertriebenen und die Sowjetzonenflüchtlinge haben noch viele Freunde und Sympathien in der Welt. Diesen Freunden müssen wir die Gewißheit verschaffen, daß die überwiegende Mehrheit des deutschen Volkes, der Vertriebenen und Sowjetzonenflüchtlinge bereit ist, mit friedlichen Mitteln an einem kommenden Europa der Freiheit, des Selbstbestimmungsrechts und der Menschenrechte mitzuarbeiten. Es ist daher nicht gleichgültig, meine Damen und Herren, wer in der deutschen Politik und auch in der Vertriebenenpolitik in den Schaufenstern des öffentlichen Lebens steht. Beachten wir das nicht, so machen wir uns unglaubwürdig. Ich glaube, daß die Tagung des Bundes deutscher Vertriebener und der vertriebenen Abgeordneten am letzten Montag der Lösung dieser Aufgabe, nämlich der friedlichen Neuordnung Europas zu dienen, wieder einen Schritt näher gekommen ist. Nun zum Einzelplan 26, Geschäftsbereich des Ministeriums für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte. In jedem Fall und bei jedem Ministerium sollte man zwischen dem personalpolitischen und dem institutionellen Problem unterscheiden. Wenn ein Ministerium notwendig und sachlich berechtigt ist, ,dann muß es erhalten bleiben, es muß in seinem Bestand gesichert werden ohne Rücksicht auf die politische Krise um einen Minister. Hat ein Ministerium die meisten seiner Aufgaben gelöst, muß man sich Gedanken machen, ob und wie übriggebliebene Aufgaben anderen Ministerien zuzuleiten sind. Die Diskussion darüber, ob das Ministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte weiter existensberechtigt ist, geht heute in der deutschen Öffentlichkeit, in der Presse und unter den Bundestagsabgeordneten sehr in die Breite. Die Diskussion bewegt sich zweigleisig. Es gibt sachliche Stimmen und es gibt Äußerungen, bei denen die Ressentiments aus allen Sätzen pfeifen. Zu den sachlichen Stimmen gehören unter anderen die Stimmen der Verwaltungsvereinfacher. Eine Sachverständigenkommission, die sich mit den Fragen der Verwaltungsvereinfachung beschäftigte, hat die Ergebnisse ihrer Untersuchung niedergeschrieben und ist zu keinem endgültigen Resultat gekommen. Diese Sachverständigenkommission für die Vereinfachung der Verwaltung beim Bundesministerium des Innern hat in ihrem Bericht folgendes erklärt: Ressortaufgaben können derart gestellt werden, daß Angelegenheiten, die der Minister in alleiniger eigener Verantwortung entscheiden könnte, überhaupt nicht vorhanden sind. Ein solches Ressortgebiet überlagert dann gewissermaßen in seiner gesamten Fläche einen Teil der übrigen Gebiete und macht in stärkstem Maße das Zusammenwirken mehrerer Minister notwendig. Als Beispiel kann - kann! das Vertriebenenministerium oder das Familienministerium genannt werden. Dabei sei nachdrücklich wiederholt, daß hier nur die organisationstechnische Seite behandelt wird. Daß politische Gesichtspunkte stärker sein können, wird keineswegs in Abrede gestellt. Meine Auffassung zur Verwaltungsvereinfachung ist die: Vereinfachung und Verbilligung sind keineswegs immer wesensgleich. Vereinfachende Maßnahmen können verteuernd wirken, verbilligende Maßnahmen die Verwaltung erschweren. Vereinfachungs- und Verbilligungsmöglichkeiten müssen nicht nur vom Fiskus, sondern auch vom Standpunkt des betroffenen Staatsbürgers aus bewertet werden. Soziale, kulturelle und wirtschaftliche Gesichtspunkte dürfen also gegenüber fiskalischen nicht zur kurz kommen. ({3}) Daß politische Gesichtspunkte eine besondere Bedeutung besitzen, steht außer Zweifel. Dieses Schwergewicht stellt aber nicht ein absolutes Übergewicht dar. Ich gebe zu, daß auch politische Gesichtspunkte unter Umständen hinter andere Gesichtspunkte zurücktreten müssen. Bei der Entscheidung allerdings müssen die berufenen Stellen, vor allem das Parlament, sorgfältig abwägen, was ausschlaggebend ist. Zu den Erwägungen dieser Kommission kommt nun die Rechnung. Es wird eine Rechnung aufgemacht, die der Bund der Steuerzahler uns vorgelegt hat. Der Bund der Steuerzahler rechnet uns vor, daß, wenn wir keinen neuen Vertriebenenminister mehr bekommen, wenn das Vertriebenenministerium aufgeteilt und eingegliedert wird, jährlich 70 000 DM erspart werden. Wenn wir uns den Haushalt Einzelplan 26 näher anschauen, finden wir, daß für Personalausgaben, Sachausgaben und einmalige Ausgaben der Betrag von 4 116 000 DM feststeht. Das Gesamtvolumen dieses Haushaltes beträgt 115 500 000 DM. 70 000 DM sind, relativ gemessen, ein Taschengeld. Natürlich kann man auch an einem Taschengeld sparen. Aber verglichen mit dem Umfang der Etats anderer Ministerien ist das gering. Ich glaube, man sollte nicht bei den Ärmsten zu sparen beginnen. Wenn man schon die Kuh auf eine Weide schickt, sollte man sie auf fettere Weiden hinausschicken. Solche fettere Weiden gibt es noch eine Menge. Das Land Baden-Württemberg hat soeben ein großes Heft zur Lage der Vertriebenen, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigten im Weltflüchtlingsjahr herDeutscher Bundestag -- 3. Wahlperiode Reitzner ausgegeben, das den Zweck verfolgt, vor allem der eingesessenen Bevölkerung einmal zusammenfassend darzulegen, was das Vertriebenen- und Flüchtlingsproblem für das Land Baden-Württemberg bedeutet, was geleistet werden mußte, um die soziale, die wirtschaftliche und auch die geistige Eingliederung in die Wege zu leiten, und welche immensen und allgemein wenig beachteten Veränderungen innerhalb der Bevölkerung eingetreten sind. Groß sind die Aufgaben, die es noch zu bewältigen gibt, bevor eines Tages von einem Abschluß der Eingliederung mit vollem Recht gesprochen werden kann. Gewiß; die Fronten der Einheimischen und der Vertriebenen, die in den Jahren nach 1945 bestanden, existieren heute nicht mehr in der früheren Stärke und Schärfe. Eingliederung ist aber auch kein einseitiger Vorgang, sondern schafft eine neue Gesellschaftsform, an der auch Einheimische wirtschaftlich und sozial teilhaben. Vielfach haben sich die herkömmliche Sozialstruktur, die räumliche Gliederung und das alte Stammesgefüge der Deutschen geändert. Am sichtbarsten ist der Wandel in den Dörfern geworden, aber auch in den Städten sind beachtliche Veränderungen eingetreten. Immer noch gibt es eine starke und lebhafte Binnenwanderung. Die Statistik registriert ein starkes Hin und Her, wobei idie Vertriebenen und Sowjetzonenflüchtlinge die Unruhigsten sind. Ihr Verhältnis zur Umwelt ist noch lose. Sie stellen den größten Teil der Pendler. Das ist eine Folge der Vertreibung und des Heimatverlustes. Das Schlagen von Wurzeln vollzieht sich langsamer, als es an der Oberfläche erscheint. Da die Vertreibung gleichzeitig den Verlust ides sozialen Standortes bedeutet, muß jede sich bietende Möglichkeit ergriffen werden, eine Arbeit anzunehmen. Natürlich findet jeder in einer Zeit der Vollbeschäftigung einen Arbeitsplatz. Trotzdem ist ider Berufswechsel noch häufig. Die Eingliederung ist eben noch nicht abgeschlossen, und der § 13 des Bundesvertriebenengesetzes, der die Überschrift „Beendigung der Inanspruchnahme von Rechten und Vergünstigungen" trägt, ist noch nicht überall anwendbar. In diesem Paragraphen wird ausdrücklich von einem Eingegliedertsein in „zumutbarem Maße" gesprochen, Ich glaube, auf diesem Gebiet wird es noch eine Reihe von Interessenkonflikten geben. Das Bundesministerium für Vertriebene ist dazu da, diese Interessenkonflikte zwischen der Verwaltung und den Betroffenen auszugleichen. Wir sind natürlich für eine sehr rasche, vollständige und endgültige wirtschaftliche Eingliederung. Aber nicht jeder, der einen Arbeitsplatz hat, ist schon eingegliedert. Daher überrascht es nicht, daß die Anwendung des § 13 von den Vertriebenen kritischbeobachtet wird. Weitere Eingliederungsmaßnahmen können aber nur im Rahmen eines umfassenden Sozialplanes getroffen werden. Jede Geschädigtengruppe soll zu ihrem Recht kommen. Das Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte steht jetzt wieder vor der Aufgabe, Motor dieser Sozialplanung zu sein. ({4}) Können wir uns aber ewig auf den sanften Wellen unseres Wirtschaftswunders weiterbewegen, ohne darüber nachzudenken, was kommen könnte? Niemand von uns kann das Ausmaß der in der Zukunft liegenden Flüchtlingsbewegung aus Mitteldeutschland voraussagen. Wie wird sich die Lage der Handwerker in der sowjetisch besetzten Zone weiter entwickeln? Heute schon sind nach einer Mitteilung des Herrn Bolz 16 000 Privatgeschäfte durch Abschluß von Kommissionsverträgen in die Abhängigkeit der staatlichen Handelsorganisation gekommen. Wie wird es weitergehen? Wir sehen, was sich im letzten Vierteljahr ereignet hat, Die Agrar-Soziale Gesellschaft in Göttingen teilt uns offizielle Zahlen mit. Der Anteil der Bauern an der Gesamtzahl der Flüchtlinge aus der Sowjetzone betrug 1959 im Durchschnitt 5 O/0. Im März 1960 stieg ider Anteil auf 10,8 O/0. In ider vergangenen Woche hat idie Zahl der Flüchtlinge wieder stark zugenommen. Nach Angaben des Bundesvertriebenenministeriums sind bis zum 29. April 5 800 Flüchtlinge in die Bundesrepublik gekommen. In der Vorwoche waren es 5023. Am letzten Samstag bis Montag meldeten sich im Westberliner Notaufnahmelager Marienfelde 1036 Bewohner der Sowjetzone und baten um Asyl. Damit haben idie seit Ostern wieder zurückgegangenen Flüchtlingszahlen einen neuen Höhepunkt erreicht. Im April haben 15 400 Sowjetzonen-Bewohner in West-Berlin Zuflucht gesucht. Es erhebt sich die Frage: Was ist zu tun? Was sollen wir tun? Was können wir tun? Einige in der letzten Zeit abgegebene Erklärungen sind sehr bemerkenswert. Unter anderem hat der „Deutsche Bauernverband" am 30. April eine Erklärung herausgegeben, in der es heißt: Es kommt auch für die Bauern der Zone der Tag, an dem es sich herausstellt, daß die bäuerlichen Familienbetriebe, die sich fest auf dem Baden des Eigentums gründen, mit ihren selbständigen Höfen wirtschaftlich, sozial und geistig-kulturell allen Kollektivformen überlegen sind und wiederhergestellt werden. Hieran mitzuarbeiten, rufen wir alle positiven Kräfte der Welt auf. Dias ist richtig. Genau dasselbe haben die Schweizer Bauern getan - nicht mehr! In diesem Aufruf finde ich kein einziges Wort darüber, wie man bereit ist, den Bauern der Zone zu helfen. ({5}) Jetzt kommt wieder in der deutschen Öffentlichkeit eine alte Idee des Herrn Bundeskanzlers an die Oberfläche. Der Herr Bundeskanzler hat anläßlich der Grünen Woche im Februar 1953 West-Berlin einen Besuch abgestattet und sich bei dieser Gelegenheit lobenswerterweise mit dem Flüchtlingsproblem beschäftigt. Er hat auch an einem Notaufnahmeverfahren teilgenommen und Besprechungen mit Berliner Behörden geführt. Während seines Aufenthalts hat der Herr Bundeskanzler den Plan der Bundesregierung angekündigt, geflüchtete Bauern aus der Sowjetzone für einen mehrjährigen Aufent6270 halt zur landwirtschaftlichen Betätigung nach Kanada zu schicken. ({6}) Die Bundesregierung werde mit der kanadischen Regierung in dieser Frage Fühlung aufnehmen. Dr. Adenauer hat zur Begründung dieses Plans gesagt, die geflüchteten Bauern aus der Sowjetzone könnten in der Bundesrepublik kein Land erhalten. Sie würden unweigerlich verstädtern oder verkümmern. In Kanada dagegen könnten sie ihre Tätigkeit wieder ausüben, bis sie eines Tages nach Deutschland zurückkehren und den Osten wieder kolonisieren könnten. Ich weiß nicht, ob das kanadische Ministerium für Bürgerrecht und Einwanderer diese Idee aufgegriffen hat. Jedenfalls hat die kanadische Botschaft in Bonn am 13. April in einer Pressemitteilung erklärt, daß die kanadische Regierung Flüchtlinge aus der Landwirtschaft der sowjetisch besetzten Zone Deutschlands in Kanada herzlich willkommen heiße. Das ist eine sehr schöne Geste. Ich bin zwar kein Bauer, aber ich war im letzten Jahr bei Dutzenden von sudetendeutschen Farmern, die 1938 angesiedelt wurden. Ich habe mir das dort wochenlang angesehen. Die Bereitschaft der kanadischen Regierung entspringt nicht irgendwelchen moralischen oder politischen Motiven. Es handelt sich einfach um den Versuch, Neuschottland - man muß Neuschottland kennen, man muß wissen, wie es dort ausschaut - neu zu besiedeln. Jeder, der die Absicht hat, freiwillig nach Kanada auszuwandern, sollte von der Bundesregierung materiell unterstützt werden, aber das sollte kein Plan, kein Lösungsversuch der Bundesregierung sein. Eis kann auch nicht so gemacht werden, daß man unseren Bauern sagt: Du wirst wieder zurückkehren! Gewiß, gewiß, er soll, wir wollen es, wir werden dafür wirken. Du wirst wieder zurückkehren und wirst wieder in der sowjetisch besetzten Zone deinen Hof, dein Eigentum erhalten. Ich muß sagen, daß ich sehr enttäuscht war, als ich am Fernsehen saß und mit Aufmerksamkeit und Interesse den Worten des Herrn Bundeskanzlers zur politischen Lage folgte. Der Herr Bundeskanzler hat dort natürlich auch zur Lage der geflüchteten Bauern Stellung genommen, und er hat ihnen gesagt, nach der Wiedervereinigung werden sie ihr Eigentum zurückbekommen. Natürlich, natürlich, das wollen wir. Dr. Adenauer - so heißt es wies auf den schweren Schlag hin, der den Bauer in der Sowjetzone in den letzten Monaten getroffen hat. Die Enteignung stelle nicht nur einen Raub am Materiellen dar, sondern sie sei letztlich der Raub des bißchen Freiheit, das die deutschen Brüder in Mitteldeutschland noch hatten; mitten im Herzen Europas, mitten in Deutschland habe der Kommunismus erneut sein wahres Gesicht gezeigt. Der Kanzler versicherte, daß nach einer Wiedervereinigung in Frieden und Freiheit alle Enteigneten ihr Eigentum wieder zurückerhalten werden. Gut, richtig, das unterschreibe ich. Aber was tun wir von heute bis zur Wiedervereinigung mit den geflüchteten Bauern? ({7}) Wollen wir sie abspeisen mit bloßen Begrüßungen am Fernsehen und sie dann ihrem Schicksal überlassen, oder wollen wir uns nicht ernstlich Gedanken machen: Wie und in welcher Weise können wir und müssen wir helfen? Es ist eine moralische, menschliche und politische Verantwortung, die wir tragen. Ist es richtig, daß es in Deutschland überhaupt kein Land mehr zur Siedlung gibt, ({8}) oder ist das nicht richtig? Daher wird die sozialdemokratische Bundestagsfraktion bei der dritten Lesung des Einzelplans 10 ihren Antrag auf Erhöhung der Mittel zur Siedlungsförderung wieder stellen, und ich bitte das Hohe Haus, diesem Antrag zuzustimmen, damit Hilfe geleistet werden kann. Sollten wir uns nicht, meine Damen und Herren, darüber hinaus - die Regierung und wir alle - doch auch Gedanken machen, ob man nicht den in die Kolchosen gepreßten Bauern mit Rat oder Tat beistehen könnte, damit sie nicht ganz verzweifelt in dem Sog dieser gesellschaftlichen Umwälzung untergehen und sich nicht mehr retten können? Im Zusammenhang mit den noch ausstehenden Eingliederungsmaßnahmen und der Geschädigtenpolitik überhaupt werden der neue Herr Minister und sein Haus eine Reihe von noch zu lösenden Aufgaben vorfinden, wenn sich nicht der neue Minister, was ich nicht hoffe, wieder mit zweckfremden Aufgaben beschäftigen sollte. Dazu gehört auch die beschleunigte Abwicklung des Lastenausgleichs. ({9}) Der Lastenausgleich muß für Lebende, nicht für Tote geschaffen werden. ({10}) Es ist eine Reihe von lebenswichtigen Problemen: die Hauptentschädigung, die Erweiterung der Unterhaltshilfe, die Alterssicherung für die ehemals Selbständigen, überhaupt die Beseitigung der Ungerechtigkeiten in den Entschädigungsmaßnahmen. Das muß gemacht werden; das ist eine Aufgabe des neuen Ministers und seines Hauses. Die Lage der Sowjetzonenflüchtlinge überhaupt, das politische Einzelschicksal ist doch jetzt zu einem Gruppen- und Massenschicksal geworden. Ist nicht die Frage berechtigt, ob das Notaufnahmeverfahren nicht sofort den neuen Verhältnissen angepaßt werden müßte? Ist .die Frage nicht berechtigt, ob das Notaufnahmeverfahren nicht liberalisiert werden, nicht abgekürzt werden muß? Sollten nicht doch alle Flüchtlinge, ,die jetzt aus der sowjetisch be- setzten Zone in die Bundesrepublik kommen, um dem dort gegen die Bauern, Handwerker und Gewerbetreibenden tobenden Terror zu entgehen, automatisch den Flüchtlingsausweis C erhalten, damit sie auf Grund dieses Ausweises zur InanspruchReitzner nahme einer ganzen Reihe von Sofortmaßnahmen hinsichtlich ,der Unterbringung, Versorgung und arbeitsmäßigen Eingliederung berechtigt werden? Meine Damen und Heren, last not least - es gibt hier eine Menge Aufgaben, über die wir in diesem Hause noch reden werden - möchte ich auf ein Problem hinweisen, das uns schon jahrelang unter den Nägeln brennt. Ich meine das ungelöste Problem der Rückführung der Evakuierten in ihre Heimatorte. Diese Rückführung muß beschleunigt werden, und wir müssen gesetzgeberische Maßnahmen ergreifen, damit die Evakuierten nicht immer wieder auf lange Zeit vertröstet werden, sondern in absehbarer Zeit zu ihren Rechten, zu einer menschenwürdigen Behandlung kommen. Herr Dr. von Brentano hat 1957 für die Bundesregierung folgende Versicherung abgegeben: Gerade das Vertrauen dieser Millionen von Menschen verpflichtet uns, sie auch in den nächsten Jahren nicht zu enttäuschen, sondern von uns aus die Initiative zu ergreifen, .die wir gar nicht unseren Freunden und Kollegen aus dem Kreis der Heimatvertriebenen überlassen dürfen und wollen, von uns aus diese Initiative zu ergreifen, um diesen Eingliederungsprozeß auf allen Gebieten mit dem größten Nachdruck zu fördern, damit - ich hoffe es - nach vier Jahren ,das Problem der Heimatvertriebenen in der politischen Diskussion keine Rolle mehr spielen wird. Dr. von Brentano hat recht behalten. In der politischen Diskussion hat zwar 'das Problem der sachlichen, wirtschaftlichen und sozialen Interessen der Vertriebenen und aller Kriegsgeschädigten kaum noch eine Rolle gespielt - wohl ein anderes Problem --, gelöst aber ist das Problem noch nicht. ({11}) Man muß es noch lösen. Dafür, meine Damen und Herren, wird die SPD all ihre Kraft und Zeit zur Verfügung stellen. Sie wird loyal und bereitwllig dem neuen Minister und seinem Ministerium die Mittel bewilligen und die Voraussetzungen dafür schaffen, daß die Eingliederung wirtschaftlich, sozial und auch kulturell gelöst werden kann. Als Zeichen unseres guten Willens werden wir uns bei der Abstimmung über den Einzelplan 26 der Stimme enthalten

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Kuntscher.

Ernst Kuntscher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001255, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Behandlung des Einzelplans 26 hat in diesem Jahr in der Öffentlichkeit besonders viel Spannung ausgelöst. Der Grund dafür war das Problem um den Vertriebenenminister Dr. Oberländer. Ich möchte hier als Sprecher der Fraktion vor aller Öffentlichkeit dem abgetretenen Minister Oberländer für seine jahrelange Arbeit im Dienste der Vertriebenen und Flüchtlinge meinen herzlichsten Dank aussprechen. ({0}) - Meine Damen und Herren, bitte keine Aufregung, denn Aufregung ist noch lange kein Programm. Ich möchte Ihnen noch eines sagen: ({1}) daß jede Leistung eines Dankes wert ist, das müßten auch Sie anerkennen. ({2}) Weiter möchte ich für die Fraktion und über die Fraktion hinaus für den Kreis derer, die in der Fraktion im besonderen die Interessen der Vertriebenen, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigten wahrzunehmen haben, in aller Öffentlichkeit feststellen: Die Fraktion legt großen Wert darauf, daß Herrn Dr. Oberländer seine Ehre wiedergegeben wird; ({3}) er hat ein Recht auf Rehabilitierung. Um das zu bestätigen, hat die Fraktion den Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gestellt. ({4}) Wie unsere Rechtsgelehrten mit diesem Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses fertigwerden, ist ihre Angelegenheit; da will ich mich als Laie nicht einmischen. Nun zu den sachlichen Ausführungen des Herrn Kollegen Reitzner! Er hat auf die am Montag dieser Woche stattgefundene Tagung aller vertriebenen Bundestags- und Landtagsabgeordneten Bezug genommen und hat in diesem Zusammenhang festgestellt, daß dieser Kreis über alle parteipolitischen Spannungen hinweg ein echtes Bekenntnis zum Selbstbestimmungsrecht und zum Recht auf Heimat abgelegt habe. Ich möchte das in diesem Hohen Hause unterstreichen. Dabei habe ich eine dringende Bitte an Sie alle zu richten: Verstehen Sie dieses Gremium, das in dieser Form erstmalig zusammen war, richtig. Für uns gibt es keine separate Vertriebenenaußenpolitik, für uns gibt es nur eine deutsche Außenpolitik. ({5}) Wir möchten aber, daß unser Anliegen - unser Rechtsanspruch auf Selbstbestimmung und das Recht auf Heimat - ein Anliegen der gesamten deutschen Nation und damit der deutschen Außenpolitik sei. Dann wurde die Frage aufgeworfen, ob das Vertriebcnenministerium heute und in Zukunft noch eine Existenzberechtigung habe. Ich bejahe diese Existenzberechtigung hundertprozentig. Der Personenkreis, um den es hier geht, umfaßt 25 % der Gesamtbevölkerung. Gemessen am Gesamthaushalt würden sich bei einem Vorgehen, wie es hie und da in der Presse angeregt worden ist, nur bescheidene Beträge einsparen lassen. Diejenigen, die in aller Öffentlichkeit - auch als Parteivorsitzende -- zum Ausdruck gebracht haben, man solle dieses Ministerium mit einem anderen Ministerium zusammenlegen, bitte ich die psychologische Wirkung einer solchen Maßnahme zu überlegen, die im Ausland entstehen würde. Wenn die Bundesregierung dieses Ministerium mit einem anderen zusammenlegte, würde sie vor der Weltöffentlichkeit bekunden, daß sie sich mit der Lösung der Probleme, wie sie heute gegeben ist, weitgehend abgefunden hat und daß das Vertriebenen- und Flüchtlingsproblem an Bedeutung verloren hat. Das kann und darf niemals der Fall sein. Diesem Ministerium obliegen noch sehr, sehr viele Aufgaben. Zwar ist es infolge der unerwarteten Wirtschaftskonjunktur, des wirtschaftlichen Aufbaus unseres deutschen Vaterlandes gelungen, den Großteil dieser heimatlos gewordenen Menschen auf Arbeitsplätzen und vielfach auch wohnungsmäßig unterzubringen. Wir sollten aber den Strukturwandel, der bei diesem nach Millionen zählenden Personenkreis vor sich gegangen ist und durch das Bauernlegen bis zum heutigen Tage vor sich geht, nicht übersehen. Betrachten wir einmal, welchen Berufsständen und Berufsklassen diese Menschen einmal angehört haben und welchen Beruf sie heute ausüben. 93 Prozent aller Vertriebenen und Flüchtlinge stehen heute in einem unselbständigen Arbeitsverhältnis; nur 7 Prozent sind Selbständige. In ihrer alten Heimat waren sie zu 35 Prozent selbständig, der Rest waren Lohn- oder Gehaltsempfänger. Ich weiß, wir können die Relation von gestern nicht wiederherstellen. Damit komme ich aber auch gleich zu der nächsten bier von meinem geschätzten Vorredner aufgeworfenen Frage, der Hilfe für unsere nun aus der Zone geflüchteten Bauern. Es wurde der Vorwurf erhoben, daß der Herr Bundeskanzler davon gesprochen hat, daß wir nicht allen diesen Menschen Grund und Boden geben können. Es ist richtig, wenn Kollege Reitzner sagt, daß es bei der Hilfe für diese Menschen nicht bei bloßen Protesten und schönen Deklamationen bleiben darf, sondern praktisch geholfen werden muß. Daß die landwirtschaftliche Eingliederung für uns das schwierigste Problem war, ist und bleiben wird, ist sonnenklar. Daß dieses Problem nicht nur jetzt durch die Zuwanderung der Tausende von enteigneten deutschen Bauern aus Mitteldeutschland noch verschärft wird, sondern daß wir mit ihm ohnehin noch nicht fertig geworden sind und daß es durch neue Probleme, die sich immer wieder anschließen, verschärft wird, mögen Ihnen einige Zahlen sagen. Von den landwirtschaftlich eingegliederten Vertriebenen und Flüchtlingen hatten bis zum 30. Juni 1959 16 456 Pachtbetriebe inne; das sind 65 Prozent aller Betriebe über 5 Hektar. Bis zum Ende 1963 werden die Pachtverträge für 12 000 von diesen 16 000 Betrieben ablaufen. Ein großer Teil dieser 12 000 Bauern, die wir vor 10 oder 12 Jahren eingegliedert hatten, steht also vor der Situation, mit ihrem lebenden Inventar von ihren bisherigen Pachtstellen gehen zu müssen. Es sind das 2400. 1440 dieser Pächter werden wegen Überalterung ganz ausscheiden, und kaum die Hälfte hat zu erwarten, daß ihre bisher bestehenden Pachtverträge weiter verlängert werden, Es sind immer wieder neue Fragen, die sich aus diesem schwierigen Problem ergeben. Wir wollen bei allen Anstrengungen auch hier sachlich bleiben und nicht mehr versprechen, als wir leisten können, aber alle Kräfte aufwenden, um gerade auf diesem Sektor das Menschenmögliche zu leisten. ({6}) Um diese Leistung jedoch vollbringen zu können, ist es eine unbedingte Notwendigkeit, daß die entsprechenden Mittel bereitgestellt werden. Aus diesem Grunde möchte ich gleich den Änderungsantrag Umdruck 588 ansprechen, nach dem der Ansatz der Regierungsvorlage wiederhergestellt wird. Es handelt sich in diesem Fall um 6 Millionen DM Siedlungsmittel, die gekürzt worden sind. Eine weitere Frage ist die des C-Ausweis-Verfahrens, des Notaufnahmeverfahrens. Im Zuge der neuen Flüchtlingswelle, die durch die Kollektivierung des bäuerlichen Eigentums drüben in der Zone entstanden ist, sind den Notaufnahmestellen Richtlinien zugegangen, wonach all denen, die durch das Bauernlegen zur Flucht gezwungen worden sind, im Notaufnahmeverfahren der Status „an Leib und Leben gefährdet" zuerkannt werden soll, d. h. daß ihnen hei der Antragstellung in ihren neuen Wohnbezirken oder Wohnkreisen die Zuerkennung des C-Ausweises durch das Flüchtlingsamt garantiert ist. Mit dieser Zuerkennung wird ihnen im ersten Stadium eine wesentliche Hilfe gewährt. Herr Kollege Reitzner hat sodann die Frage der Abwicklung des Lastenausgleichs angeschnitten. Zu dieser Frage möchte ich nur folgendes sagen. Bis zum 31. Dezember 1959 sind 34,3 Milliarden DM über den Lastenausgleichsfonds zur Auszahlung geiangt. Wenn wir die Leistungen vom 1. Januar bis 30. April einbeziehen, ergeben sich 35,7 Milliarden DM. Daß in der Verbesserung des Lastenausgleichs im Laufe der Jahre doch so manches geschehen ist, soll auch hier unterstrichen werden. Ich hebe die vier wesentlichsten Novellen, die sich mit der Leistungsverbesserung auf allen Gebieten befaßt haben, hervor. Die vierte Novelle brachte eine Mehrausgabe von 1,8 Milliarden DM, die achte Novelle eine Mehrausgabe von 10,8 Milliarden DM und die elfte Novelle eine Mehrausgabe von- 3,6 Milliarden DM. Das ist allein auf Grund dieser drei Novellen im Laufe der Jahre insgesamt eine Mehrausgabe die auf den Lastenausgleichsfonds allerdings für die ganze Ablaufzeit zukommt - von 16,2 Milliarden DM. Daß es uns allen am Herzen liegt, den Alten so bald wie möglich ihre bescheidene Hauptentschädigung auszuzahlen, ist eine Selbstverständlichkeit. Die Bemühungen des Kontrollausschusses in den letzten eineinhalb Jahren, auf diesem Gebiet zügig vorwärtszukommen, sind wohl allgemein bekannt und anerkannt. ({7}) Auf Einzelheiten einzugehen, in welcher Form und mit welcher Schnelligkeit besonders auch an eigentumsbildenden Maßnahmen für die jüngeren Berechtigten des Lastenausgleichs gearbeitet wurde, würde zu weit führen. Ich möchte kurz das Problem der Lagerräumung anschneiden. Es ist ein Problem, das uns in diesem Kreis immer und immer wieder beschäftigen muß. Wir sind auf diesem Gebiet gleichfalls ein gewaltiges Stück vorwärtsgekommen. Im Januar 1958 hatten wir in diesem Hohen Hause eine sehr beachtliche Aussprache auf Grund einer Großen Anfrage der CDU, die sich mit dem Wohnungsbau für die Zonenflüchtlinge und mit dem Wohnungsbau für die Lagerinsassen beschäftigte. Damals haben wir festgestellt, und ich als Sprecher der Fraktion habe es nach Einholung der amtlichen Zahlen bei allen hierfür zuständigen Stellen von dieser Stelle aus gesagt, daß wir zu diesem Zeitpunkt 590 000 Lagerinsassen hatten. Heute rechnen wir noch mit 300 000 Personen, davon 130 000 in Durchgangslagern. Zwischen Januar 1958 und Mai 1960 liegen mehr als zwei Jahre. Wenn man eine Gesamtbilanz zieht und berücksichtigt, daß wir in diesen Jahren den großen Umsiedlungsstrom aus den polnischbesetzten Gebieten - in einem Jahr, dem Jahre 1958, 268 000 Personen - mitzuverkraften hatten, muß man feststellen, daß gerade auch auf diesem Gebiet ein ungeheurer, anerkennenswerter Fortschritt zu verzeichnen ist. ({8}) Ich möchte, um Ihre Zeit und Ihre Geduld nicht allzu lange in Anspruch zu nehmen, im Namen der Fraktion neuerlich die Versicherung abgeben, daß die CDU/CSU-Fraktion alles tun wird, was in ihren Kräften steht und was sie für möglich erachtet, um dem betroffenen Personenkreis - sei es bei der Eingliederung, sei es bei der wohnungsmäßigen Unterbringung, sei es bei der Lagerräumung, sei es bei der Beschleunigung der Leistungen aus dem Lastenausgleich - Hilfestellung zu geben. ({9})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Rehs.

Reinhold Rehs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001798, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kern der Ausführungen meines Fraktionsfreundes Reitzner war doch der, dem Hohen Hause zu zeigen, welche Aufgaben im Ministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte noch zu lösen sind. Was der Kollege Kuntscher getan hat, war genau das Gegenteil dieser Bemühungen. ({0}) Er hat - wie so oft - bei der Diskussion über die Aufgaben des Ministeriums in diesem Hause den Sachverhalt in einer Weise zu beschönigen und zu retuschieren versucht, die dem Ministerium im Hinblick auf seine Aufgaben und die sachlichen Erfordernisse nur schaden kann. ({1}) Meine Damen und Herren, jeder Dank, wo er hingehört! Meine Freunde und ich werden immer die Person von den sachlichen Leistungen zu trennen wissen und die Leistungen anerkennen. Aber nach den beschämenden Vorgängen uni das Ausscheiden des früheren Ministers Oberländer, nach all dem, was wir in den vergangenen Wochen in dieser Hinsicht erlebt haben, eine solche Dankeshymne in diesem Augenblick und von dieser Stelle anzustimmen, halten meine Freunde und ich für keinen Dienst am Bundestag, ({2}) für keinen Dienst an der Sache der Vertriebenen, Sowjetzonenflüchtlinge und Krieggeschädigten und für keinen Dienst an der deutschen Demokratie. ({3})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Rutschke.

Dr. Wolfgang Rutschke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001909, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Kuntscher, Sie haben vorhin einen besonderen Dank an den bisherigen Vertriebenenminister Oberländer ausgesprochen. Sie haben erklärt, daß ihm der Dank für die Arbeit gebühre, die er geleistet habe. Diese Arbeit das haben Sie dann sehr farbig geschildert - sei wirklich großartig gewesen. Wir sind nicht ganz davon überzeugt. Wenn nämlich der Herr Minister Oberländer mit derselben Intensität, wie es z. B. Herr Minister Wuermeling für sein Kindergeldgesetz tut, etwas für die Vertriebenen und auch für die Kriegssachgeschädigten getan hätte, brauchten wir nicht so lange zu warten, bis die Hauptentschädigung - 15 Jahre nach Kriegsende - an die Menschen ausgezahlt wird, die im hohen Alter stehen. ({0}) Insbesondere das Bundesevakuiertengesetz ist sehr, sehr langsam vorwärtsgegangen. Hier hätte der Herr Minister Oberländer weiß Gott mehr tun können. Also sehr richtig, Herr Kollege Rehs, Dank an der richtigen Stelle, aber nicht an der Stelle, wo es nun wirklich noch andere Gründe gäbe, keinen besonderen Dank auszusprechen. Wir werden in der dritten Lesung zum Etat soziale Kriegsfolgelasten nochmals einen Antrag einbringen, die Lösung der im Zusammenhang mit der Hauptentschädigung noch offenen Fragen entschieden zu betreiben, ehe uns die Menschen darüber hinwegsterben. ({1})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Keine weiteren Wortmeldungen? - Die vorgelegten Änderungsanträge sind zurückgezogen, ein weiterer Antrag wurde nicht gestellt. Wir stimmen dann ab über Einzelplan 26 mit den vom Haushaltsausschuß in Drucksache 1718 vorgeschlagenen Änderungen. Wer für ,die Annahme des Ausschußantrages ist, den bitte ich, ,die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen. Die zweite Beratung ,des Einzelplans 26 ist erledigt. Vizepräsident Dr. Schmid Nun der weitere Fortgang. Ich wiederhole: ich werde zunächst das Haushaltsgesetz in zweiter Beratung aufrufen, zusammen damit das Gesetz über die Dienst- und Versorgungsbezüge für Beamte in zweiter und dritter Beratung. Erst wenn wir damit zu Ende sind, können wir logischerweise das Haushaltsgesetz in zweiter Beratung behandeln. Es kann ja sein, daß sich hier andere Fragen ergeben. Wenn wir mit der zweiten und dritten Beratung des Gesetzentwurfs über die Erhöhung von Dienst- und Versorgungsbezügen und mit der zweiten Beratung des Haushaltsgesetzes fertig sind, wird zur dritten Beratung des Haushaltsgesetzes aufgerufen, dabei zunächst die allgemeine Aussprache eröffnet; danach werden die Einzelpläne der Reihe nach aufgerufen. Ist man sich darüber klar? Ist das Haus mit dieser Prozedur einverstanden? ({0}) Ich rufe also auf: Haushaltsgesetz 1960 ({1}). und gleichzeitig damit: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über ,die Erhöhung von Dienst- und Versorgungsbezügen ({2}); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Inneres ({3}) ({4}). Das Wort hat der Abgeordnete Kühlthau.

Walter Kühlthau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001243, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist mir die Aufgabe gestellt, den Änderungsantrag meiner Fraktion auf Umdruck 591 zu dem Gesetzentwurf über die Besoldungserhöhung zu begründen. Beeits in der ersten Lesung des Gesetzentwurfes ist zum Ausdruck gekommen, daß eine Reihe von Bedenken sowohl in bezug auf die Höhe der ,Anhebung der Gehälter im öffentlichen Dienst - die Bundesregierung hat 4% vorgeschlagen - als auch im Hinblick auf den Zeitpunkt der Anhebung bestanden. Auch bei der Beratung im Innenausschuß am 25. April bestand über die Höhe und den Termin des Inkrafttretens keineswegs volle Klarheit. Der Innenausschuß mußte seine Beratungen im Anschluß an die Ausführungen, die hier gelegentlich der ersten Lesung gemacht worden sind, durchführen. Die Beschlüsse selbst, meine Damen und Herren, sind Ihnen bekannt. Der Innenausschuß hat beschlossen, daß die Gehälter der Beamten um 9 % angehoben werden sollen, und zwar rückwirkend ab 1. Januar. Wenn ich Ihnen heute namens meiner Fraktion einen davon abweichenden Vorschlag unterbreite, der in dem vorliegenden Antrag seinen Niederschlag gefunden hat, kann das deshalb keine Überraschung hervorrufen, weil ich selber im Laufe der Beratungen mit Nachdruck darauf 'hingewiesen habe, daß die Mitglieder der CDU-Fraktion am Tage der Beratung im Innenausschuß noch keine Möglichkeit gehabt hatten, sich mit der Gesamtfraktion vorher abzustimmen. Die Sitzung fand am Tage nach den Osterferien des Parlaments statt. Bekanntlich war das der Vortag des Beginns des Karlsruher Parteitages. Ich habe deshalb im Innenausschuß empfohlen, keine endgültigen Beschlüsse zu fassen. Ich halte es nämlich für ungut, Beschlüsse in die Öffentlichkeit zu bringen, die bei Prüfung der haushaltswirtschaftlichen Voraussetzungen nicht verwirklicht werden können. Ich habe in meiner Eigenschaft als amtierender Vorsitzender des Ausschusses auch sehr klar zum Ausdruck gebracht, daß man etwas Derartiges verhindern sollte. Leider bin ich mit meiner Meinung nicht durchgedrungen. Von Mitgliedern meiner Fraktion war darum gebeten worden, vorher in einer gemeinsamen Sitzung von Innenausschuß und Haushaltsausschuß die Fragen des Ausmaßes der Erhöhung und des Inkrafttretens zu klären. Ich war der Meinung, daß wir damit an ähnliche Vorgänge hier im Hause anschließen würden. Ich erinnere mich sehr gut der Auseinandersetzungen bei der Beratung des Besoldungsgesetzes im Jahre 1957, als kein Einvernehmen darüber herbeigeführt werden konnte, in welchem Maße die Beamtengehälter angehoben werden sollten. Damals hatte die Bundesregierung im Einvernehmen mit den Länderfinanzministern den Vorschlag unterbreitet, die Beamtengehälter im 'allgemeinen auf 160 % des Standes von 1927 anzuheben. Die Wünsche der Beamtenorganisationen lauteten auf 170 %. Bevor sich der Beamtenrechtsausschuß in dieser Frage entschied, hatte er den Weggewählt, in einer gemeinsamen Sitzung mit dem Haushaltsausschuß zu einer Klärung zu kommen. Dort ist dann praktisch gemeinsam mit dem Haushaltsausschuß entschieden worden, die Beamtengehälter auf 165 % anzuheben. Ich glaubte, daß dieses Verfahren richtig war. Ich glaube, daß wir uns mit den Änderungsvorschlägen, die wir Ihnen heute 'unterbreiten, vor der Öffentlichkeit und vor unseren Beamten durchaus sehen lassen können. Ich möchte hier eine Empfehlung an den Herrn Präsidenten aussprechen. Der Herr Bundestagspräsident Gerstenmaier hat mir in netter, kollegialer Form Anfang der Woche eine kleine Rüge erteilt, als er sagte, ich hätte im Innenausschuß über diese Frage überhaupt nicht abstimmen lassen sollen, bevor nicht eine gemeinsame Besprechung mit dem mitberatenden Haushaltsausschuß stattgefunden hätte. Nach dem Wortlaut ,der Geschäftsordnung sehe ich auch jetzt keine Möglichkeit, daß ich diese Abstimmung hätte verhindern können. Die Geschäftsordnung des Bundestages sagt in § 79 nur, daß einer oder mehrere Ausschüsse zur Beratung bestimmt werden können, und das Plenum entscheidet, welcher von .den Ausschüssen federführend ist. Aber nirgendwo ist gesagt, daß die Beratung des mitberatenden Ausschusses ,der Beratung des federführenden Ausschusses vorangehen muß. Ich glaube, die Mitberatung hat aber nur dann ihren Sinn, wenn man .den mitbeteiligten Fachausschuß sich vorher mit der Materie befassen läßt, um dessen Meinung bei der endgültigen Entscheidung im federführenden Ausschuß mit zu berücksichtigen. ({0}) Da diese Frage in ,der Geschäftsordnung nicht klipp und klar geregelt ist, sollte sie, Herr Präsident, nach meinem Dafürhalten geklärt werden. Wie gesagt, zusammen mit den Freunden meiner Fraktion halte ich die Mitberatung jedenfalls nur dann für sinnvoll, wenn sie in ,dem mitbeteiligten Ausschuß vorher erfolgt und das Ergebnis der Mitberatung dem federführenden Ausschuß bei dessen Entscheidung bekannt ist. Die Geschäftsordnung selbst sagt in § 74 dazu nur, daß in ,dem Bericht ,des federführenden Ausschusses ,die abweichende Meinung des mitbeteiligten Ausschusses anzuführen ist.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Herr Abgeordneter, ich glaube nicht, daß es notwendig ist, die Geschäftsordnung zu ändern. In dem Wort „mitberatender Ausschuß" steckt ja schon, daß ein Rat erteilt werden soll. Ein Rat aber hat nur einen Sinn, wenn er v o r ,der Abstimmung entgegengenommen werden kann. ({0})

Walter Kühlthau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001243, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich bin Ihnen für die Antwortdankbar, Herr Präsident. In der Praxis kann es nach meinem Dafürhalten nicht anders sein. Es hat sich darum gestern auch im Innenausschuß, als ich ihn noch einmal zusammengerufen hatte, eine recht lebhafte Geschäftsordnungsdebatte ergeben. Ich selbst habe dann die Sitzung geschlossen. Ich wollte nicht, auch nicht in den Kreisen der Beamten, den Eindruck entstehen lassen, als wenn wir Geschäftsordnungsfragen behandelten, um eine abweichende Meinung zu vertuschen. Meine Damen und Herren, ich glaube, ,daß wir das, was ich Ihnen nachher noch begründen darf - ich werde Ihnen dazu im einzelnen etwas sagen -, vor ,der Öffentlichkeit sehr wohl vertreten und damit auch vor unseren Beamten in der ganzen Bundesrepublik bestehen können. ({0}) Als amtierender Vorsitzender ,des Innenausschusses möchte ich die Gelegenheit benutzen, an dieser Stelle noch ein anderes Wort zu sagen. Ich fühle mich jedenfalls als Vorsitzender ,des Ausschusses verpflichtet, vor jedes einzelne Mitglied des Ausschusses zu treten im Hinblick auf gewisse Verdächtigungen, die in ,der Öffentlichkeit gegenüber den Mitgliedern des Ausschusses, die diesen Beschluß gefaßt haben, erhoben worden sind. Ich halte es nicht für vertretbar, daß in der Öffentlichkeit gesagt wird, von ,den anwesenden 23 Mitgliedern gehörten 20 ,dem öffentlichen Dienst an - ,die Zahl soll nicht stimmen, das spielt hier aber keine Rolle -, und der Beschluß sei von den Betreffenden herbeigeführt worden, um ihr eigenes Gehalt zu verbessern. Nachdem ich selber diesen Beschluß nicht teile, kann ich mich mit um so mehr Berechtigung vor ,das letzte Mitglied ,des Ausschusses stellen. Ich bin überzeugt, daß jeder nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt hat. Jeder hat gemeint, daß das, was er vertrete, ein Beschluß sei, der im Rahmen ,der Empfehlung der Bundesregierung liege, eine alle zufriedenstellende Lösung zu finden. Ich glaube, es war auch nicht gut, daß in der Kritik an dem Beschluß des Innenausschusses von inflationistischen Beschlüssen gesprochen wurde. Wenn es wirklich ein inflationistischer Beschluß gewesen ist, dann habe ich Sorge, Ihnen einen um 2 % geminderten Vorschlag zu machen; denn ich befürchte, daß die inflationistische Gefahr durch 2 % weniger nicht beseitigt ist. Vor allem glaube ich, daß wir alle uns bei diesem für unser Volk schrecklichen Wort „Inflation" weise Zurückhaltung auferlegen sollten. Man mag volkswirtschaftlich feststellen, daß eine Preiserhöhung ohne entsprechende Produktionsvermehrung inflationär sei. Aber unser deutsches Volk versteht unter dem Begriff „Inflation" und es muß es so verstehen - den Verlust der Sparguthaben wie 1923 und 1948. Wir sollten uns also davor hüten das ist meine persönliche Meinung, die ich hier einmal zum Ausdruck bringen möchte -, das Wort „Inflation" in der Öffentlichkeit allzusehr zu gebrauchen. Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir nun, daß ich zur Begründung selbst komme.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Sie haben als Vorsitzender des Ausschusses gesprochen.

Walter Kühlthau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001243, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident, das waren nur ein paar Bemerkungen, von denen ich unterstelle

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Dann muß ich zunächst dem Berichterstatter das Wort erteilen, ehe Sie Ihren Antrag begründen können. Ich habe Ihnen als Vorsitzendem des Ausschusses das Wort erteilt. Das Wort zur Berichterstattung hat der Abgeordnete Hansing.

Hermann Hansing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000808, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundestag hatte seinerzeit dem Innenausschuß als federführendem Ausschuß und dem Haushaltsausschuß zur Mitberatung die Vorlage Drucksache 1734 betreffend die Erhöhung der Beamtengehälter und Versorgungsbezüge überwiesen. Ani 25. April behandelte der federführende Ausschuß diesen Antrag. In der Diskussion erklärten die Vertreter der Regierung, daß angesichts des Kreuznacher Tarifabkommens und darüber hinaus angesichts der Forderungen der Spitzenverbände eine 4 %ige Erhöhung nicht mehr für ausreichend gehalten werden könne. Die Vertreter der Regierung waren aber nicht in der Lage, von sich aus feste Prozentsätze zu nennen. So kam der Innenausschuß in die Situation, von sich aus die Prozentsätze festsetzen zu müssen. Einigkeit bestand im Innenausschuß darüber, daß keine differenzierte Erhöhung für die einzelnen Beamtenkategorien vorgenommen werden sollte. Einigkeit bestand auch darüber, daß man zur Zeit an eine Erhöhung der Kindergelder nicht herangehen sollte. Eine gewisse Einigkeit gab es auch darin, daß man der Gruppe, die unter die Tarifklasse IV fällt, helfen sollte. Einigkeit bestand aber nicht über den Prozentsatz der Erhöhung. In dieser Frage standen sich 2 Anträge gegenüber, einmal der Antrag der Sozialdemokraten, die Bezüge um 10 % unter Fortfall der Tarifklasse IV, die die niedrigsten Beamtengehälter betrifft, zu erhöhen und als Inkraftsetzungstermin den 1. Januar 1960 zu wählen. Dem stand ein Antrag der Abgeordneten der CDU/CSU gegenüber, eine 8 %ige Erhöhung zuzüglich des Differenzbetrages in Höhe der Hälfte des Unterschiedes zwischen der Klasse III und IV als Zuschlag für die Tarifklasse IV vorzunehmen. Als Inkraftsetzungstermin wurde der 1. April 1960 vorgesehen. In dieser Situation hat der Abgeordnete Kühn einen Vermittlungsvorschlag gemacht: Erhöhung der Gehälter um 9 %, dazu die Hälfte des Differenzbetrages der Tarifklassen III und IV zugunsten der Tarifklasse IV; Inkraftsetzungstermin sollte der 1. April 1960 sein. Unter Ausklammerung der Inkraftsetzungstermine wurde dann über die einzelnen Anträge abgestimmt. Der Antrag der Sozialdemokraten wurde abgelehnt. Der Vermittlungs- und Kompromißantrag wurde angenommen, d. h. 9 % Erhöhung plus die Hälfte des Differenzbetrages der Tarifklassen III und IV zugunsten der Tarifklasse IV. Bei der gesonderten Abstimmung über das Inkrafttreten gab es eine knappe Mehrheit zugunsten des Termins 1. Januar 1960. Gleichzeitig wurde vom Innenausschuß der Antrag gestellt, die Besoldungsordnung nach der prozentualen Erhöhung neu herauszubringen. Ich verweise dazu auf die Vorlage des Innenausschusses. Der Haushaltsausschuß hat sich gestern mit dieser Drucksache befaßt. Der Berichterstatter war der Ansicht, daß der Beschluß des Innenausschusses unter dem Gesichtspunkt der Deckung nicht zu verkraften sei. Darüber hinaus waren einige Mitglieder des Haushaltsausschusses der Meinung, es wäre besser gewesen, wenn der Innenausschuß vor der Beschlußfassung erst den Haushaltsausschuß gehört hätte. ({0}) Seitens des Berichterstatters wurde dann, auch im Namen der CDU/CSU, der Antrag gestellt, eine 7%ige Erhöhung vorzunehmen, gleichzeitig den Differenzbetrag zwischen den Tarifklassen III und IV des Ortszuschlages zur Hälfte zur Tarifklasse IV zu schlagen, darüber hinaus aber eine Erhöhung für jedes Kind um 3 DM vorzunehmen, und zwar für jene Gelder, die bereits im Ortszuschlag liegen. Der letzte Vorschlag wurde damit begründet, daß allen Beamten mit Kindern eine gleiche prozentuale Erhöhung gegeben werden solle. Als Termin des Inkrafttretens wurde entsprechend dem Antrag des Berichterstatters der 1. Juni 1960 bestimmt, und zwar mit der Begründung, daß eine Erhöhung der Beamtengehälter nicht vor einer Erhöhung der Bezüge der Kriegsopferversorgung vorgenommen werden solle. Der Antrag der Sozialdemokraten, sich dem Beschluß des Innenausnchusses anzuschließen, wurde abgelehnt. In einer anschließenden Sitzung konnte man sich im Innenausschuß über das weitere Verfahren nicht einig werden und stellte dem Plenum anheim, nun über diese beiden Anträge zu entscheiden. Ich darf Sie als Berichterstatter des Innenausschusses bitten, dem Antrag unter B Ihre Zustimmung zu geben. ({1})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Kühlthau.

Walter Kühlthau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001243, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Meine Damen und Herren! Ich darf Ihnen nunmehr den auf Umdruck 591 vorliegenden Änderungsantrag der CDU/CSU-Fraktion begründen. In Ziffer 1 wird vorgeschlagen, statt der vom Innenausschuß beschlossenen 9%igen Anhebung nur eine 7%ige Anhebung der Beamtengehälter vorzunehmen. Zu diesem Hundertsatz von 7 °/o darf ich bemerken, daß ich selber in der ersten Lesung darauf hingewiesen hatte, es müsse sich in diesem Augenblick im wesentlichen darum handeln, die Kaufkraft des Beamtengehalts, das 1957 letztmalig festgesetzt worden ist, zu erhalten bzw. wiederherzustellen, und seit dem Beginn des Jahres 1957 sei eine Steigerung des Lebenshaltungsindexes um 8 % unwidersprochen - eingetreten. Dabei sind die Auswirkungen einer durchschnittlich 8%igen Steigerung der Lebenshaltungskosten selbstverständlich sehr unterschiedlich. Denn im einfachen und mittleren Dienst bei den geringen Gehältern wirkt die Verteuerung der Nahrungsmittel - und darauf kommt es entscheidend an - wesentlich schwerwiegender als im höheren und gehobenen Dienst. Aus diesem Grunde waren wir der Meinung, daß man im Rahmen einer durchschnittlichen Anhebung von etwa 8 % in stärkerem Umfange die Besoldungsgruppen des einfachen und mittleren Dienstes berücksichtigen müsse. Bei den 7 % befinden wir uns in Übereinstimmung einmal mit dem Ergebnis der Kreuznacher Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst, zum anderen mit einer Empfehlung der Herren Ministerpräsidenten der deutschen Länder, die zum Ausdruck gebracht haben, daß sich die Anhebung der Beamtengehälter etwa in der Höhe der Anhebung der Angestelltengehälter im öffentlichen Dienst, im Schnitt 6,75 %, bewegen müsse. Wir befinden uns ebenfalls in Übereinstimmung mit den Länderfinanzministern, die vor etwa 10 Tagen einhellig erklärt haben, daß eine allge- meine Anhebung der Beamtengehälter über 7% hinaus nicht vorgenommen werden sollte. Die 7 % sind aber nur in Verbindung mit den übrigen Vorschlägen, die Herr Kollege Hansing als Berichterstatter bereits unterbreitet hat, zu sehen. Wir bezeichnen diese Vorschläge heute so gern als „Rankenwerk"; ich weiß nicht, ob der Begriff „Rankenwerk" richtig ist, jedenfalls muß man die 7 % im Zusammenhang mit zwei wesentlichen Maßnahmen sehen. Der Herr Berichterstatter hat sie genannt: einmal die Aufstockung des Ortszuschlages in der Tarifklasse IV in allen Ortsklassen um die Hälfte der Differenz zwischen dem Ortszuschlag der Tarifklasse IV und der Tarifklasse III, zum anderen eine darüber hinausgehende Aufstockung des Ortszuschlages für den Kindesvater in Beamtenkreisen um je 3 DM pro kinderzuschlagsberechtigtes Kind. Beide Änderungen ergeben sich aus der Ihnen vorliegenden neuen Ortszuschlagstabelle, die von den bisherigen Werten ausgeht, verbessert um 7 %, in der Tarifklasse IV weiter verbessert um die Hälfte der Differenz zwischen den Tarifklassen IV und III und bei kinderzuschlagsberechtigten Kindern um je 3 DM für jedes Kind. Das ist insgesamt der Vorschlag, den wir Ihnen unterbreitet haben. Nach den gestrigen Beratungen im Haushaltsausschuß darf ich feststellen, daß insbesondere die Vorschläge auf Anhebung des Ortszuschlages und auf Erhöhung des Kinderzuschlages dort einmütige Zustimmung gefunden haben. Daß wir in diese Verbesserungen die Versorgungsempfänger und auch die 131er einbeziehen, ist hier im Hause nicht mehr strittig; das sah auch der Vorschlag der Bundesregierung bereits vor. Der Ihnen vorgeschlagene § 2, der auch noch einige redaktionelle Änderungen enthält, sieht vor, daß auch bei den Pensionären und den 131ern die Bezüge nicht um 9, sondern um 7 °/o angehoben werden sollen. Im übrigen kommen auch den Pensionären und den 131 ern die besonderen Vergünstigungen im Ortszuschlag der Tarifklasse IV in vollem Umfang über ihren Pensionssatz zugute. Was bedeuten diese von uns vorgeschlagenen Erhöhungen? Man muß doch einmal die Zahlen angeben, um sich das Ausmaß der Verbesserungen zu vergegenwärtigen. Ich glaube, es ist das Einfachste, daß wir von den Zahlen ausgehen, die sich für die reine Bundesverwaltung einschließlich Bundeswehr ergeben, damit wir nicht zu unterschiedlichen Zahlen kommen und einmal im Verhältnis des ursprünglichen Regierungsvorschlages zu dem, was wir Ihnen nun zur Beschlußfassung empfehlen, sehen, in welchem Ausmaß Veränderungen eingetreten sind. Die ursprünglich von der Bundesregierung vorgeschlagene 4%ige Anhebung der Grundgehälter und Ortszuschläge machte einen Betrag - nur, wie gesagt, für Bundesverwaltung und Bundeswehr - von 128 Millionen DM aus. Wir schlagen Ihnen demgegenüber jetzt 3 % mehr vor; das sind 96 Millionen DM. Die Anhebung der Tarifklasse IV macht 54 Millionen DM aus und die Anhebung über die 3 DM Kinderzuschlag im Ortszuschlag weitere 12 Millionen DM. Das sind 162 Millionen DM zu 128 Millionen DM, so daß das, was wir an Gehalt für die Beamten nur der Bundesverwaltung mehr vorsehen, 290 Millionen DM statt 128 Millionen DM ausmacht. Ich glaube, daß diese Zahlen eindrucksvoll sind, und Ihnen das Ausmaß dessen darlegen, was wir Ihnen vorschlagen. Dazu darf ich darauf hinweisen, daß die Verbesserungen, die im Ortszuschlag beschlossen werden sollen, in vollem Umfang auch den Angestellten des öffentlichen Dienstes zugute kommen. Nach den Kreuznacher Vereinbarungen sind für die Angestellten im öffentlichen Dienst die Ortszuschläge allgemein nur um 4 % angehoben worden. Sie kommen also nunmehr kraft Tarifrechtes zwingend in den Genuß der 7%igen Anhebung mit den übrigen Verbesserungen im Bereich der Tarifklasse IV und im Hinblick auf die Zulage je kinderzuschlagberechtigtes Kind. Die Auswirkungen auf den Bundeshaushalt sind wesentlich weiter gehend. Sie wissen es sicherlich aus den vorliegenden Unterlagen, daß sich die Bundesbahn außerstande erklärt hat, eine Mehrbelastung an personellen Kosten über 150 Millionen DM hinaus in ihren Wirtschaftsplan einzustellen. Das hat schon erheblicher Bemühungen des Herrn Bundesfinanzministers bedurft. Der Bundeshaushalt muß für die darüber hinausgehenden Beträge nun seinerseits geradestehen, weil sich die Bundesbahn außerstande sieht, mehr als 150 Millionen DM an Personalmehrkosten für ihre Beamten und Angestellten aufzuwenden. Die vorsorglicheingestellten Verstärkungsmittel im Bundeshaushalt lassen noch 150 Millionen DM ungedeckt, die, wie gestern im Haushaltsausschuß dargelegt wurde, durch .das Polster abgeglichen werden sollen, das jeder Personalkostenetat wegen ,des Auseinandergehens von Soll- und Istzahlen im Stellenplan in sich birgt. Meine Damen und Herren, man hat mir aus meiner Tätigkeit als Abgeordneter des nordrhein-westfälischen Landtags oft gesagt, daß ich ein besonderer Beamtenfreund sei. Ich möchte der Freund aller meiner Wähler sein und nicht nur der Beamten. ({0}) Wenn ich mich aus parlamentarischer Arbeit in besonderem Maße seit langen Jahren mit Fragen, die unsere Beamten angehen, habe befassen müssen, so war ,das nur eine Folge der damaligen Entscheidung der Landtagsfraktion, daß ich solche Dinge bearbeiten sollte. Das hat dazu geführt, daß ich das gleiche hier im Hause tue. Ich habe oft in Beamtenkundgebungen gesagt: Ich bin eigentlich gar nicht der rechte Mann, der Ihre Anliegen zu vertreten hat. Ich bin nämlich - ,das wissen Sie ja im allgemeinen - bis vor kurzer Zeit Stadtkämmerer einer großen westdeutschen Stadt gewesen und habe heute die Finanzen eines der größten kommunalen Verbundunternehmen in Deutschland überhaupt zu verwalten. Ich glaube, meine Damen und Herren, es wäre gerade von mir bestimmt ein großer Fehler, wenn ich bei allem, was wir überlegen und beschließen, nicht auch das Ausmaß der finanziellen Auswirkungen bis zum letzten überprüfte. Ich habe oft in Debatten gesagt, es werde wahrscheinlich kaum einen zweiten im Hause geben, der .das Pech habe, das, was gegebenenfalls an Mehrkosten durch unsere Beschlüsse oder durch daran hängende Tarifverträge entsteht, seiner Bevölkerung in Form von erhöhten Straßenbahnfahrpreisen abnehmen zu müssen. Deshalb stehe ich nun einmal in der Situation, daß ich mir in besonderem Maße Gedanken darüber mache, wie es finanziell zu verkraften ist und daß eben solche Beschlüsse haushaltswirtschaftlich getragen werden müssen. Die Regierungspartei hat es nun einmal schwieriger als die Opposition; sie hat ,die Verantwortung für den Ausgleich des Bundeshaushalts zu tragen. Das muß auch letztlich unsere Beamtenschaft zur Kenntnis nehmen und einsehen. Von den allgemeinen Auswirkungen abgesehen, muß ich Ihnen, meine Damen und Herren, aber auch im einzelnen sagen, was die Vorschläge bedeuten. Ich muß das um so mehr tun, als ja, wie immer in solchen Fällen, an solchen Tagen die Tribünen des Hauses besonders gut besetzt sind. Ich habe Ihnen gesagt - und das ersehen Sie aus unserem Ihnen vorliegenden Antrag -, daß wir eine allgemeine Anhebung von 7 % mit den übrigen Verbesserungen vorschlagen. Ich darf dazu sagen, daß die Besoldungserhöhung aufs ganze igerechnet 8,8 % ausmacht. Wir waren aber, wie ich Ihnen schon sagte, der Meinung, daß man im unteren Dienst, also im einfachen und im mittleren Dienst, zusätzlich etwas tun müsse, und kamen dann erfreulicherweise gestern auch übereinstimmend im Haushaltsausschuß zu dem Weg, der Ihnen für die Tarifklasse IV vorgeschlagen wird. Er bedeutet, daß dem Ledigen außerhalb der allgemeinen Verbesserungen zusätzlich ein Betrag von 12 DM und dem Verheirateten zusätzlich ein Betrag von 16 DM zufließt. Diese Beträge werden gewährt außerhalb der iallgemeinen Verbesserungen, außerhalb einer etwaigen Verbesserung in Höhe von 3 DM für jedes kinderzuschlagsberechtigte Kind. Meine Damen und Herren, von dieser Maßnahme werden etwa 50 % aller Beamten und Angestellten in der Bundesverwaltung, etwa 80 % aller Bediensteten von Bahn und Post, etwa 80 % aller Angehörigen der Bundeswehr und im Schnitt gerechnet etwa 75 % aller Angestellten erfaßt. ({1}) Ich möchte Ihnen aber für einzelne Zweige auch noch sagen, welche Bedienstetengruppen durch diese Verbesserung in besonderem Maße betroffen werden. Betroffen werden beispielsweise aus dem Verwaltungsbereich die Amtsgehilfen, die Assistenten herauf bis zum Sekretär, aus dem Bereich der Bundesbahn und der Bundespost die Schaffner, die Oberschaffner, die Betriebsmeister und die Lokführer, in der Justizverwaltung die Justizhauptwachtmeister und die Gruppen herauf bis zum Justizsekretär, im Bereiche der Bundeswehr alle Dienstgrade bis zum Feldwebel und bei der Polizei alle Dienstgrade bis zum Hauptwachtmeister. Bei all diesen Gruppen macht die Verbesserung, wie wir Ihnen vorschlagen, 9 bis gut 10 % aus. Demgegenüber wird die allgemeine Anhebung um 7 % praktisch nur wirksam für die Gruppen vom Obersekretär an aufwärts, d. h. also im gehobenen und höheren Dienst - wenn ich in diesem Falle einmal den Obersekretär einbeziehen darf. Ein letztes Wort zur Begründung unseres Vorschlages zu § 4, was den Tag des Inkrafttretens anlangt. Wir schlagen Ihnen in der vorliegenden Drucksache vor, als Tag des Inkrafttretens den 1. Juni 1960 festzulegen. In der gestrigen Sitzung des Haushaltsausschusses hat sich gezeigt, daß die Vertreter der FDP, die sich - das möchte ich ausdrücklich unterstreichen auch bereits im Innenausschuß der Stimme enthalten hatten, als es um den Beschluß über den 1. Januar ging, zu erkennen gegeben haben, daß sie ein früheres Inkrafttreten als am 1. April nicht vertreten. In der Diskussion geht es also eigentlich praktisch nur. um den Abstand von zwei Monaten. Das Inkrafttreten am 1. Juni schlagen wir Ihnen zunächst einmal aus haushaltswirtschaftlichen Gründen vor. Es muß überprüft werden, wie die Gesamtkosten im Rahmen des Bundeshaushalts verkraftet werden können. Wenn die Besoldungserhöhung am 1. Juni in Kraft tritt, belastet sie den Bundeshaushalt des laufenden Rechnungsjahres nur für sieben Monate. Ich gebe hier offen zur Kenntnis, daß wir in der Fraktion außerdem der Meinung sind, daß aus haushaltswirtschaftlichen Gründen am 1. Juni als Tag des Inkrafttretens der Verbesserung der Kriegsopferversorgung festgehalten werden muß. Wir sind - das sollen unsere Beamten ruhig von mir im Namen der Fraktion zur Kenntnis nehmen - der Meinung, daß wir den Kriegsopfern erhöhte Renten nicht vorenthalten können, wenn wir auf der anderen Seite sagen, daß für die Besoldung im öffentlichen Dienst schon ab 1. April zusätzliche Mittel bereitstehen. ({2}) Ich glaube auch, meine Damen und Herren, man sollte Gesetze - und das gilt gerade auf diesem Gebiet nicht mit rückwirkender Kraft beschließen. ({3}) Es handelt sich hier, wie gesagt, um eine Differenz von zwei Monaten. Was wird eingewandt? Es wird darauf hingewiesen, daß die Tarifverträge am 1. Januar 1960 in Kraft getreten seien. Ich glaube, man muß den tarifvertragslosen Zustand völlig von der Materie scheiden, mit der wir uns hier zu befassen haben. Wir hatten seit dem 1. Januar 1960 im öffentlichen Dienst einen tariflosen Zustand; er mußte beseitigt werden. Wir haben aber keinen gesetzlosen Zustand gehabt, denn die Besoldung der Beamten ist durch Gesetz geordnet. Zweitens muß ich auf die Länder hinweisen. Sie hatten, wie Sie wissen, in den zurückliegenden Monaten - bis auf das Saarland und Schleswig-Holstein - im Hinblick auf eine kommende Besoldungsanhebung einen Vorschuß von 15 % eines Monatsgehaltes gezahlt; in Niedersachsen betrug dieser einmalige Vorschuß, soviel ich weiß, 20 N. Namens meiner Freunde darf ich folgendes sagen: Wir legen entscheidenden Wert darauf, daß auf dem gesamten Gebiet des Dienstordnungsrechtes bei Bund und Ländern möglichst einheitliche Verhältnisse bestehen. ({4}) Ein Vorpreschen der Länder oder ein Vorpreschen des Bundes auf diesem Gebiet ist wenig erfreulich. Es ist das nun einmal geschehen. Vielleicht ist das auch ein Zeichen dafür, daß die Finanzlage der Länder besser ist und daß die Sorgen dort nicht so groß sind, wie sie bei uns hinsichtlich des Bundeshaushaltes sind. ({5}) Kühltau Die Länder werden wahrscheinlich gezwungen sein, damit die Vorschüsse auch haushaltsrechtlich abgedeckt sind, die Änderung ihrer Besoldungsgesetze ab 1. April in Kraft treten zu lassen. Wir können die Länder daran rahmenrechtlich nicht hindern; sie werden das wahrscheinlich tun. Wir in unserer Fraktion halten trotz dieses Zustandes und trotz der dargelegten Gründe daran fest, als Termin für das Inkrafttreten den 1. Juni 1960 zu nehmen. Ich spreche am laufenden Band in Beamtenkreisen. Ich habe das in der Vergangenheit getan und bin bereit, es in Zukunft noch viel mehr zu tun. Ich möchte den Inhalt dessen, was wir hier vorschlagen, allen Kreisen ,der Beamtenschaft in aller Offenheit darlegen und auseinandersetzen. Ich bin davon überzeugt, daß unsere Beamten diesen Vorschlag letztlich als eine wesentliche Verbesserung ansehen werden. Ich kenne die besondere Aufregung - beinahe hätte ich gesagt: die besonderen Krawalle -, die in Kreisen der Steuerbeamtenschaft besteht. Es muß aber einmal gesagt werden, daß die Sorgen der Steuerbeamtenschaft einen anderen Ausgangspunkt haben. Ich unterstreiche, daß der Steuerbeamte mit den unangenehmsten und schwersten Beruf hat. Bei der zunehmenden Komplizierung des Steuerrechts ist es für einen Steuerbeamten wirklich nicht angenehm und leicht, seine Pflicht zu tun. Die Beschwerden bei den Steuerbeamten - das muß doch einmal gesehen werden - bezogen sich aber einmal auf den Stellenplan; zum anderen wiesen die Steuerbeamten auf Verbesserungen und Stellenhebungen in ande ren Besoldungsgruppen hin, vor allem auf Verbesserungen bei den Volksschullehrern, mit denen sie bis 1954 besoldungsmäßig gleichgestanden haben und die ihnen nun ein erhebliches Stück fortgelaufen sind. Das ist der Ausgangspunkt der besonderen Klagen, die aus Kreisen der Steuerbeamtenschaft vorgetragen werden. Ich wiederhole, daß ich persönlich davon überzeugt bin, daß unsere Beamten bei ruhiger Betrachtung dessen, was wir zur Annahme vorschlagen, sehr wohl zu einem uns befriedigenden Urteil kommen werden. Ich war in den ersten Februartagen im Auftrage meiner Fraktion auf der Bühler Höhe, als dort die Beamtenpolitische Arbeitstagung des Deutschen Beamtenbundes stattfand. Mittwochabend, glaube ich, kam telefonisch die Nachricht, daß die Bundesregierung sich an diesem Tage mit der Besoldungsfrage befaßt und eine Anhebung nur der Grundgehälter um 4 % in Aussicht genommen habe. Die Enttäuschung auf der Bühler Höhe war groß; das war verständlich. Ich habe mich in zahllosen Einzelgesprächen mit den anwesenden Beamten über diese Frage unterhalten und um eine ruhige und bedächtige Beurteilung gebeten. Ich habe immer wieder gesagt: ich persönlich stelle mir vor - diesen Standpunkt vertrete ich seit einigen Monaten -, daß die Erhöhung bei etwa 7 bis 8 % der Grundvergütungen liegen müßte. Mir ist immer wieder bis auf den heutigen Tag von allen Beamten - mich führen meine beruflichen und politischen Pflichten immer wieder mit Beamten zusammen - gesagt worden: „Herr Kühlthau, wenn Sie erreichen, daß die Grundgehälter um 7 bis 8 % angehoben werden, dann sind wir zufrieden." Wir heben nun die Bruttogehälter um 8,8 % an. Ich glaube also, daß Sie dem Vorschlag, den unsere Fraktion Ihnen unterbreitet hat, sehr wohl zustimmen können. Wir mußten ihn im Rahmen des Haushaltswirtschaftlichen vertreten. Wenn er, wie gesagt -das habe ich einleitend betont -, von dem abweicht, was im Innenausschuß beschlossen worden ist, so möchte ich dazu sagen, daß wir damals klipp und klar erklärt haben, daß wir in jenem Zeitpunkt eine Abstimmung mit unserer Fraktion nicht haben vornehmen können, und daß wir eben der Meinung waren, daß das ganze Problem in einer gemeinsamen Beratung von Haushaltsausschuß und Innenausschuß geordnet werden sollte.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Schmitt ({0}).

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002033, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der verehrte Herr Kollege Kühlthau war heute in der nicht ganz angenehmen Lage, ohne Schaden an Leib und Seele vor seiner Fraktion hier von den Beschlüssen des Innenausschusses wieder herunterzukommen. Ich habe dafür natürlich durchaus Verständnis; ({0}) ich verstehe, daß er mit einer Fülle von Begründungen über Terminlagen, über den unglücklichen Zeitpunkt der Beratungen und anderes der Fraktion und auch der Öffentlichkeit diese Situation darzulegen versucht hat. Meine Damen und Herren, ich muß hier zur sachlichen Klarstellung folgendes I feststellen. Erstens. Bei der zweiten Beratung des Bundeshaushalts hat der Herr Kollege Kühlthau gebeten, so schnell wie möglich einen Terminvorschlag für die Beratungen zu unterbreiten. Die SPD-Fraktion ist diesem Wunsch sofort nachgekommen und hat mehrere Terminvorschläge unterbreitet. Zweitens. Diese Terminvorschläge sind von der CDU mit dem Beratungsgegenstand Entwurf eines Gesetzes über die Erhöhung von Dienst- und Versorgungsbezügen angenommen worden. Drittens. Die SPD-Fraktion hat sich dann mit aller Intensität wie auch die CDU-Fraktion, die Mitglieder des Innenausschusses, an diesen Beratungen beteiligt. Ich sehe daher keine Veranlassung, daß man sagen kann, in der Zwischenzeit, zwischen dem 6., 7. und 8. April und dem 25. April, sei nicht die Möglichkeit gewesen, diese Frage vorzuklären. Uns war diese Möglichkeit gegeben, und wir sind mit völliger Klarheit in diese Verhandlungen gegangen. Ich hatte auch nicht das Gefühl, verehrter Herr Kollege Kühlthau, daß in der sachlichen Beratung des Innenausschusses die verehrten Kollegen von der CDU irgendeine Meinungsverschiedenheit mit uns und den Kollegen von der Freien Demokratischen Partei hatten; das hat auch das Abstimmungsergebnis gezeigt. - Das möchte ich in der Sache heute hier feststellen. ({1}) Schmitt ({2}) Nun, meine Damen und Herren, zu dem, was Herr Kollege Kühlthau hier zu den Anträgen der CDU/CSU-Fraktion gesagt hat. Sie selbst haben in der zweiten Lesung des Bundeshaushalts als Ausgangspunkt für die Überlegungen des Ausschusses den Stand des Kaufkraftverlustes und der Steigerung der Lebenshaltungskosten gewählt. Sie selbst haben hier dargelegt, daß Ausgangspunkt für alle Überlegungen jene 8 Prozent sind, von denen auch heute hier wieder gesprochen werden ist. Nun, meine Damen und Herren, alles Herumrechnen um den Ortszuschlag kann Sie nicht davon befreien, daß Sie im Prinzip jenen Ausgangspunkt, den Sie selbst hier vorgeschlagen hatten, mit Ihren heutigen Anträgen verlassen und den Kaufkraftausgleich nicht geben wollen. Darüber hinaus haben Sie gestern im Haushaltsausschuß zum Ausdruck gebracht, daß Sie der Meinung sind, daß die Beamten an der Steigerung der Produktivität, an der gesamten Steigerung des Volkseinkommens nicht beteiligt werden sollten. ({3}) Ich stelle das fest. ({4}) Wir wenden uns dagegen. Wir sind der Auffassung, daß auch die Beamten an der Steigerung der Gesamtproduktivität in einem angemessenen Umfange beteiligt werden sollen. ({5}) - Entschuldigen Sie, dann würde ich bitten, daß Sie das Protokoll heranziehen und nachlesen, was der Herr Kollege Vogel dazu gesagt hat. ({6}) - Ja, nach dem bekannten Motto: „Das habe ich nicht gesagt, und wenn ich es gesagt habe, dann habe ich es anders gemeint." ({7}) Nun zu dem Ausmaß der Erhöhung, das hier vorgeschlagen worden ist. Verehrter Herr Kollege Kühlthau, Sie haben hier gesagt: Wir müssen uns auf den Termin des 1. 6. festlegen. Ich bedauere, daß wir hier Ihrem Gedankengang nicht folgen können, und zwar deswegen nicht, weil die Konsequenz jenes Termins wäre, daß Sie im Prinzip für die Masse der Beamten zu dem Vorschlag der Bundesregierung zurückkehren. ({8}) Die Bundesregierung hatte eine 4%ige Gehaltserhöhung vorgeschlagen. Aus dem Zeitpunkt des Vorschlags und aus dem Zeitpunkt der Tarifverhandlungen ergibt sich eindeutig, daß man an ein Inkrafttreten vom 1. Januar 1960 gedacht hatte. Nun ergibt eine einfache Rechnung: 12 mal 4 sind 48, 7 mal 7 sind 49. Damit haben Sie im Prinzip alles das, was Sie hier in der zweiten Lesung vorgetragen haben, aufgegeben und sind nur auf eine sehr minimale Anhebung für das gesamte Jahr von etwas über 4 % gekommen. Meine Damen und Herren, das ist von jenen großen Ausführungen übriggeblieben, die in der zweiten Lesung von den Herren Kollegen Stoltenberg und Kühlthau hier gemacht worden sind. Nun der Termin: 1. 1. bzw. 1. 6. Die Bundesregierung hat dem Tarifabkommen von Kreuznach mit Wirkung vom 1. 1. 1960 zugestimmt. Meine Damen und Herren, Sie können es doch wirklich nicht die Beamten entgelten lassen, daß bei der Bundesregierung monatelang völlige Unklarheit darüber bestanden hat, in welchem Umfang man den berechtigten Forderungen der Beamten nachkommen sollte! ({9}) Wenn Sie zu allem Überfluß jetzt noch das Inkrafttreten der Kriegsopferversorgung heranziehen, dann muß ich Ihnen zu meinem Bedauern sagen: ich halte es fast für an das Unmoralische grenzend, wenn Sie das Inkrafttreten der Kriegsopferversorgung, die Sie über ein Jahr hinausgeschleppt haben, ({10}) nun den Beamten anlasten wollen. ({11}) Meine Damen und Herren, das ist doch die Methode: Wenn wir schon unsozial handeln, dann auch gegenüber den Beamten! ({12}) Deshalb müssen wir uns mit aller Entschiedenheit dagegen wehren, daß die Kriegsopfer hier gegen die Beamten ausgespielt werden sollen. ({13}) - Darauf werde ich noch zu sprechen kommen. ({14}) - Entschuldigen Sie, Herr Niederalt, - Verantwortung haben wir alle. ({15})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Diese Feststellung wird niemand bestreiten.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002033, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Nun, meine Damen und Herren, zu dem Ausmaß der Erhöhung, das Herr Kollege Kühlthau hier ausgerechnet hat. Wenn ,die Erhöhung für die Bundesbeamten für das gesamte Jahr rechtzeitig zum 1. 1. in Kraft getreten wäre, wie das - Herr Kollege, das läßt sich doch nicht bestreiten! - ursprünglich auch vorgesehen Schmitt ({0}) war und womit man selbst gerechnet hatte, dann wäre eine Erhöhung von etwa 220 Millionen DM herausgekommen, so .daß die jetzigen Erhöhungen gegenüber diesem Vorschlag gar nicht so sehr ins Gewicht fallen. Wir sind natürlich sehr dankbar, daß wir die CDU-Fraktion davon überzeugen konnten, daß gerade für die unteren Beamtengruppen in jedem Fall mehr getan werden muß, ({1}) und wir freuen uns, nachdem Sie in den Vorbesprechungen in dieser Frage noch so uneinsichtig gewesensind, daß Sie sich im Ausschuß sehr schnell von unseren Gegenargumenten haben überzeugen lassen. ({2}) - Aber selbstverständlich stimmt es. Sie haben doch 'überhaupt keine Vorbesprechungen geführt! Sie wissen doch überhaupt nichts von dem, was da vorbesprochen worden ist! ({3}) Meine Damen und Herren! Es geht hier um die Menschen. Es geht hier um einen großen Kreis von Menschen, 'deren Lebenshaltungskosten nicht zuletzt durch Ihre Politik so stark gestiegen sind ({4}) und denen wir hier einen angemessenen Anteil geben müssen. Meine Damen und Herren, Sie wollen doch dem Ausschuß nicht unterstellen, daß er seine Beschlüsse aus sachfremden Erwägungen gefaßt habe, und wenn Herr Niederalt hier ruft: „Aus wahlpropagandistischen Erwägungen", dann fällt ler Vorwurf auf seine Kollegen mindestens genauso wie auf uns. ({5}) Meine Damen und Herren, ich habe aber noch ein Wort des Dankes dem Kollegen Kühlthau dafür zu sagen, daß er sich vor den Ausschuß und seine Mitglieder gestellt hat, ({6}) the von dem Bund der Steuerzahler in ungehöriger Weise angegriffen worden sind. Ich möchte das auch für die Kollegen der CDU sagen. Ich kann mir nicht vorstellen, daß sich hier jemand von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen, vielmehr von der klaren Erkenntnis, daß mit den Vorschlägen der 3undesregierung und der Mehrheit den Beamten eben nicht gedient war. ({7}) Deshalb bleiben wir bei der Ausschußvorlage und deshalb möchten wir es bei dem Termin des Inkrafttretens 1. Januar 1960 - zusammen mit dem Inkrafttreten für die Angestellten und Arbeiter - belassen. Ein abschließendes Wort. Leider hat sich auch die Bundesregierung - oder „Kreise der Bundesregierung", wie es die Presse so schön umschrieben hat - an jenem Kesseltreiben gegen den Ausschuß für Inneres beteiligt. Wir haben gestern im Ausschuß darüber gesprochen. Verehrter Herr Staatssekretär, ich bedauere, daß von Herren des Finanzministeriums Worte wie „inflationistische Beschlüsse" und ähnliches gebraucht worden sind. Nun, Herr Kollege Kühlthau hat die Dinge auf die richtigen Proportionen zurückgeführt. Ich glaube, wir können es bei diesen Feststellungen belassen. Die Entscheidung, die hier zu treffen ist, ist klar und eindeutig. Wir haben den Beamten, deren Gehälter seit 1. April 1957 nicht mehr angehoben wurden, deren Lebenshaltungskosten entscheidend gestiegen sind, einen Ausgleich zu geben. Wenn wir sie darüber hinaus an dem Umfang der fortgeschrittenen Produktivität heute nicht beteiligen können, so ist das nach unserer Meinung sehr zu bedauern. Das Minimum aber, was heute verlangt und hier beschlossen werden muß, sind jene 9 %, die der Innenausschuß am 25. April beschlossen hat. Ich bitte Sie daher, die Anträge der CDU abzulehnen und es in allen Punkten bei der Ausschußvorlage zu belassen. Sofern der Antrag der CDU betreffend 3 DM Ortszuschlag angenommen werden sollte, sind wir damit einverstanden, zu einer gemeinsamen Abstimmung zu kommen bzw. unseren Antrag Umdruck 596, der die gleiche Frage behandelt, für erledigt zu erklären. ({8})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Kühn.

Walther Kühn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001246, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gelegentlich der ersten Beratung des Gesetzentwurfs der Regierung, der von allen Fraktionen als unzureichend angesehen worden ist, habe ich längere Ausführungen darüber gemacht, auf die ich Bezug nehmen darf, daß wir von der Fraktion der Freien Demokraten diesen Gesetzentwurf unter keinen Umständen anerkennen könnten und daß es bei den Beratungen insbesondere des Innenausschusses unser Ziel sein würde, zu einer vernünftigen Entscheidung zu kommen. Der Innenausschuß des Bundestages hat gleich nach der Osterpause darüber beraten, und zwar in sehr langen Beratungen, wobei alles überprüft wurde, was überhaupt zu dieser Materie gehört. Damals haben wir das Ergebnis verzeichnen können, daß sich alle Fraktionen, die im Innenausschuß vertreten waren, auf Grund eines Kompromißvorschlages, den ich selbst gemacht habe, dahin einigten, eine Erhöhung von 9 % mit dem anderen Rankenwerk zu beschließen, und zwar mit erheblicher Mehrheit. Nur ganz wenige Stimmen im Ausschuß waren dagegen. Die Fraktion der Freien Demokraten hat sich angesichts der Tatsache, daß heute in zweiter und dritter Lesung über diesen Gesetzentwurf beschlos6282 Kühn ({0}) sen werden soll, noch einmal mit dem ganzen Problem beschäftigt und es nach allen Seiten beleuchtet. Die Fraktion der Freien Demokraten sieht aber keine Veranlassung, von ihrer Stellungnahme abzugehen, die damals von mir vertreten worden ist. Sie ist der Meinung, daß man dem Beschluß des federführenden Ausschusses, des Ausschusses für Inneres, folgen sollte. Es bestehen keine Gründe, von diesem Beschluß des Innenausschusses abzugehen. Ich möchte gleich erklären, daß wir die Anträge der CDU/CSU ablehnen werden, da wir sie nicht für gerechtfertigt halten. Wir sind der Meinung, daß gerade der Beschluß des federführenden Ausschusses, wie ich immer wieder betonen muß, maßgebend sein sollte. Aber lassen Sie mich hierzu noch eines sagen. ({1}) - Ich habe es nicht verstanden, Frau Kollegin. Ich möchte bei dieser Gelegenheit noch ein warnendes Wort an ,die Bundesregierung richten. Auf Grund der Erfahrungen aus den Jahren von 1949 an glaube ich nicht, daß das Tauziehen um die Beschlüsse über die Besoldung, das Hin und Her in der Öffentlichkeit um die Prozente der Besoldung der Bundesbeamten dem Ansehen der Bundesregierung Nutzen gebracht hat. Oder, um es anders zu formulieren: Es ist dem Ansehen des Staates äußerst abträglich, wenn bei jeder Besoldungsmaßnahme um Prozente oder sogar manchmal um Bruchteile von Prozenten gefeilscht wird und wenn der Bundesfinanzminister mit der Anwendung des Artikels 113 des Bonner Grundgesetzes droht, wo es um die wirtschaftliche Sicherung der eigenen Staatsbediensteten geht. Wir alle in diesem Hohen Hause sollten uns überlegen, ob man nicht aus den unerfreulichen Vorgängen der letzten Wochen die Lehre ziehen kann, daß die Beamtenbesoldung durch geeignete Maßnahmen aus dem politischen Tagesstreit herausgehalten werden sollte. ({2}) Es wäre wirklich des Schweißes der Edlen wert, die Ereignisse ,der letzten Wochen und Monate nicht . noch einmal wiederkehren zu lassen. Ich möchte deshalb wiederholen, daß die Fraktion der Freien Demokratischen Partei an dem in der Drucksache 1820 festgelegten Beschluß des Innenausschusses festhält und daß wir die Änderungsanträge der CDU/CSU-Fraktion ablehnen. ({3})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Schäfer.

Dr. Friedrich Schäfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001930, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wiederholt, auch vom Herrn Kollegen Kühlthau, ist hier vorgetragen worden, daß die Haushaltslage des Bundes es nicht zulasse, dem Antrage des Innenausschusses, den wir uns zu eigen machen, zu folgen. Es ist deshalb meines Erachtens notwendig, einmal in aller Öffentlichkeit darzustellen, um wieviel wir uns tatsächlich von dem Antrag unterscheiden, den der Haushallsausschuß gestellt hat, von dem Antrag, dem die Mehrheit dieses Hauses offensichtlich zuzustimmen beabsichtigt. Wir müssen zunächst außer Betracht lassen - das steht hier heute gar nicht zur Debatte -, daß der Bund dem Tarifabkommen von Bad Kreuznach beigetreten ist. Das steht nur insoweit zur Debatte, als wir die Deckungsmittel bei der Verabschiedung des Haushaltes gleichzeitig einsetzen müssen. Es ist unbestritten, daß eine Erhöhung der Bezüge für die Bundesbediensteten um 1 % einen Mehraufwand von 32 Millionen DM ausmacht. Bei der Bundesbahn, deren Ausgaben wir großenteils mit zu decken haben, weil sie nur 200 Millionen DM im Jahre selbst aufbringen kann, macht eine Erhöhung der Bezüge uni 1 % 27 Millionen DM aus. Zusammen beläuft sich eine Erhöhung der Bezüge um 1 % auf 59 bis 60 Millionen DM. Der Unterschied zwischen Ihrer und unserer Vorstellung beträgt also im ganzen genau 120 Millionen DM. Meine Damen und Herren, Sie haben doch hoffentlich nicht die Meinung, daß durch 120 Millionen DM der Bundeshaushalt gefährdet wäre! ({0}) Ich habe gestern im Haushaltsausschuß ausdrücklich eine derartige Frage an den Herrn Staatssekretär gerichtet. Sie konnte nicht mit Nein beantwortei werden. Ich habe ausdrücklich gefragt: „Sind die Vertreter des Finanzministeriums der Auffassung, daß der Ausgleich dieses Haushaltes gefährdet ist, wenn eine Erhöhung um 9 % beschlossen wird?" Daraufhin wurde keine Antwort gegeben, weil man ja die Regierungsvorlage zu vertreten hat. ({1}) - Wir sprechen hier über den Bundeshaushalt und über die Auswirkung auf den Bund. Herr Höcherl, ich bin mit Ihnen völlig einig darüber, selbstverständlich müssen wir die finanzpolitischen Auswirkungen auf die Länder und Gemeinden mit in Betracht ziehen. Das haben wir getan. Wir fassen aber hier Beschluß über den Haushalt des Bundes. Nun zur Deckungsfrage. Bloß damit es noch einmal ganz klar ist: um 120 Millionen DM geht es, meine Damen und Herren von der CDU/CSU. ({2}) - Nein, es geht um einen Unterschied von 120 Millionen DM, weil 1 % im Monat 60 Millionen DM ausmacht und Sie 7 %, wir dagegen 9 % vorschlagen. Es ist doch an sich sehr kurzsichtig, was Sie hier vorführen. Sie können im Haushalt nicht eine Regelung für die Beamten nur für sieben Monate treffen, sondern müssen zwölf Monate zugrunde legen. Es ist doch eine Milchmädchenrechnung, die hier aufgemacht wird, wenn man sagt: In sieben Monaten kostet das so viel, dann haben wir so viel Deckung, und dann reicht es also. In dem Haushalt dieses Jahres der Umstellung auf das Kalenderjahr sind wir bei allen Positionen von einem Ansatz für zwölf Monate ausgegangen und haben im HausDr. Schäfer haltsgesetz ausdrücklich bestimmt, daß davon nur neun Zwölftel in Anspruch genommen werden dürfen. Wir wollen die Zahlen ganz genau auf der Ebene eines vollen Jahres ausrechnen. Alles andere ist eine Scheinrechnung. Es handelt sich also um 120 Millionen DM. Nun will ich Ihnen sagen, daß Sie auch gar nicht die Frage der Deckung anschneiden können. Die Tarifordnung haben wir nicht zu beschließen; denn die ist beschlossen. Bei 7 % macht es mit der Tarifordnung und mit der Beamtenbesoldung 750 Millionen DM aus; bei 9 % sind es 865 Millionen DM. Diese Angaben beruhen ,auf ,der offiziellen Aufstellung 'des Bundesfinanzministeriums, also nicht auf unserer eigenen Berechnung. Zur Entscheidung stehen also 750 Millionen DM oder 865 Millionen DM. Im Einzelplan 60 sind global, d. h. für den gesamten Haushalt, als Deckungsmittel 350 Millionen DM für die Erhöhung der Beamtengehälter eingesetzt. Es ist unbestritten, daß die Bundesbahn 200 Millionen DM zahlen kann. Somit stehen in diesem Haushalt 550 Millionen DM zur Verfügung. Wenn Ihr Vorschlag mit 7 % durchginge, wären noch 200 Millionen DM, wenn unser Vorschlag durchginge, 350 Millionen DM aufzubringen. Hier muß ich eine sehr wichtige Feststellung in bezug auf den Einzelplan 14, also auf den Verteidigungshaushalt, anschließen. Gegen unseren heftigen Widerspruch haben Sie immer wieder den Plafond in diesem Einzelplan festgesetzt. Auch in diesem Haushalt haben Sie ihn festgesetzt, und zwar mit 10 Milliarden DM, Sie werden mit mir darin einig sein, daß, wenn die Besoldungserhöhung ordnungsgemäß zum 1. Januar beschlossen worden wäre, die Mittel für 'die Erhöhung der Beamtengehälter in diesem Plafond von 10 Milliarden DM des Finzelplans 14 untergebracht worden wären; das sind rund 200 Millionen DM. Diese Frage wurde gestern im Haushaltsausschuß von Ihren Vertretern zwiespältig beantwortet. Deshalb nehme ich heute Anlaß, den Herrn Bundesfinanzminister offiziell zu fragen - und wir legen Wert auf eine Beantwortung dieser Frage -: Herr Bundesfinanzminister, werden Sie die notwendigen Anweisungen erteilen, daß der 10-Milliarden-Plafond nicht durch die Erhöhung 'der Beamtengehälter überschritten wird, werden Sie dafür sorgen, daß die rund 200 Millionen DM im Rahmen des Einzelplans 14 innerhalb des Plafonds von 10 Milliarden DM selbst aufgebracht werden? Nach Ihren Erklärungen vongestern und nach der allgemeinen Meinung, die die Mehrheitsfraktion hier im Hause stets vertreten hat, können Sie gar nicht anders, meine Damen und Herren, als diese 200 Millionen DM innerhalb des Einzelplans 14 auszubringen. Wenn 'diese 200 Millionen DM weg sind, ist nichts mehr im Streit, meine Damen und Herren; dann ist ja das Geld aufgebracht, und Sie haben tatsächlich 200 Millionen DM gespart, weil Sie den Plafond von 10 Milliarden nicht überschritten haben. Noch etwas anderes. Im Haushaltsjahr 1959 sind bei den gesamten Personalkosten Reste von 440 Millionen DM übriggeblieben. Auch im Haushaltsjahr 1960 werden 400 Millionen DM nicht in Anspruch genommen werden, wenn man jetzt nicht der Regelung für den Einzelplan 14 folgt; denn ich hatte den Einzelplan 14 mit hereingenommen. 400 Millionen DM stehen zur Verfügung. Die 550 Millionen DM, die aus den Deckungsmitteln und den Mitteln der Bundesbahn zur Verfügung stehen, liegen um 150 Millionen DM höher, als unser Antrag ausmacht. Also haben Sie dann, Herr Finanzminister, innerhalb der Personalkosten in den Einzelplänen immer noch genügend Spielraum. Sie sehen, meine Damen und Herren, Ihre Begründung, das sei haushaltsmäßig nicht zu verkraften, schlägt nicht durch. Es ist nicht wahr, daß es haushaltsmäßig nicht zu verkraften wäre. Nicht eine Mark mehr muß in den Haushalt eingestellt werden, als in der zweiten Lesung in den Einzelplänen schon eingestellt war. Auch einschließlich des Einzelplans 60 müssen Sie nicht eine Mark mehr einstellen, wenn Sie unserem Vorschlag und dem Vorschlag des Innenausschusses folgen. ({3})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Bundesfinanzminister.

Franz Etzel (Minister:in)

Politiker ID: 11000497

Meine Damen und Herren! Ich bin zwar nicht der für die Beamtenbesoldung zuständige Minister; aber hier ist von Geld und von Zahlen gesprochen worden, und da ist es doch vielleicht mein Amt, an diesem Pult zu erscheinen und in der erregten Debatte das zu sagen, was der Finanzminister zu sagen hat. Ich stehe noch unter dem Eindruck dessen, was mir Freunde - nicht aus meiner Fraktion, sondern von der Linken des Hauses und auch von der FDP bei der zweiten Lesung gesagt haben: Du, Finanzminister, bist zwar ein Mann, der viele gute Gedanken hat; aber wenn es darum geht, Ausgaben zu erhöhen, dann bist du immer zu schlapp und bist du immer zu schwach. - Meine sehr verehrten Freunde, wenn Sie mir diesen Vorwurf machen - das gilt für Herrn Kollegen Kühn ganz besonders; Herr Atzenroth ist mal wieder nicht da; immer wenn es sich bei Ihrer Fraktion darum handelt, Ausgaben zu machen, ist er nicht da, bei deklamatorischen Erklärungen, keine Ausgaben zu machen, ist er da; entschuldigen Sie, wenn ich das einmal sage -, dann machen Sie mir hier doch nicht Rechnungen auf, die ich nach den Ausführungen Ihrer eigenen Fraktion, jedenfalls nach denen von Herrn Kollegen Atzenroth, einfach nicht realisieren kann. Was Herr Kollege Schäfer hier vorgetragen hat, hat mich außerordentlich gewundert. Ich bin tief erstaunt, daß ein Mann, der eine so hohe Sachkenntnis, auch in bezug auf die Zusammenhänge des Haushalts, hat wie er - ich bescheinige Ihnen das gern, Herr Kollege Schäfer, ich bescheinige Ihnen auch gern die sonst grundsätzlich gute Zusammenarbeit zwischen uns -, plötzlich mit Zahlen kommt, die doch zeigen, daß eine ganze Menge Aspekte einfach nicht gesehen werden, und durch die Sie deswegen zu einem schiefen Betrachtungsbild geführt werden. Bundesfinanzminister Etzel Zunächst einmal zu der Behauptung, die Beamtenbesoldung kostet je Prozent 60 Millionen DM mehr. Wenn wir so war es doch grob gesagt - um 2 % auseinanderliegen, dann sind das 120 Millionen DM, und wegen 120 Millionen DM Differenz sollten wir uns doch nicht schlagen. So war, einfach ausgedrückt, Ihre Deduktion. Verehrter Herr Kollege Schäfer, dabei haben Sie aber in etwas großzügiger Einfachheit einige Dinge nicht erwähnt, vor allem nicht die Datumsverschiebung. Die Datumsverschiebung ist doch im Antrag Ihrer Fraktion enthalten. Die CDU/CSU-Fraktion schlägt einen haushaltsmäßigen Mehraufwand von 550 Millionen DM ab 1. Juni 1960 vor. Demgegenüber beantragen Sie von der SPD aber einen Mehraufwand von rund 900 Millionen DM ab 1. Januar 1960. Das sind nach Adam Riese rund 350 Millionen DM mehr. Es muß doch einmal gesagt werden, daß infolge der Datumsverschiebung eine solche Ausgabenkluft vorhanden ist.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Friedrich Schäfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001930, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Bundesminister, sind Sie nicht mit mir der Auffassung, daß man, wie ich vorhin ausgeführt habe, keine Betrachtungen nur für dieses Jahr anstellen darf, sondern daß man zwölf Monate zugrunde legen muß?

Franz Etzel (Minister:in)

Politiker ID: 11000497

Aber verehrter Herr Kollege Schäfer, darum geht es doch gar nicht! Es geht darum, daß wir jetzt für das Haushaltsjahr 1960 die Beträge -aufbringen müssen. ({0}) Wir haben für den Rumpfhaushalt 260 Millionen DM mehr eingesetzt. ({1}) - 260 Millionen DM! - Wir haben der Bundesbahn einen Eigenaufwand von 150 Millionen DM zugedacht. Das muß dieses Haus bedenken; denn das wird Tariferhöhungen bedeuten. Das bedeutet 410 Millionen DM. Der Post ist dabei freundlicherweise die Rolle zugedacht - Herr Stücklen weist mich darauf hin -, die Mehraufwendungen selber aufzubringen, so daß also der Bundeshaushalt davon nicht betroffen wird. Das ist noch eine Frage für sich. Für die Gesetzesvorlage der Bundesregierung bedurfte es eines Mehraufwandes von 425 Millionen DM, nämlich 260 Millionen DM plus 150 Millionen DM. Rund 410 Millionen DM hätten also das Problem gedeckt. Nun ist der neue Vorschlag gekommen, nach dem eine weiter gehende Erhöhung - nicht um 4, sondern um 7 % - vorgenommen werden soll. Hinzu kommen die Veränderungen in den Ortsklassen und die Probleme, die Herr Kollege Kühlthau vorgetragen hat. Das bedeutet insgesamt einen Mehraufwand von 620 Millionen DM gegenüber dem ursprünglichen Vorschlag. ({2}) Einschließlich der Tarifverträge beträgt der Mehraufwand bei einer Erhöhung um 7 % mit dem Rankenwerk - ich will es einmal so nennen - insgesamt 145 Millionen DM. ({3}) - Das ist der Antrag der CDU/CSU. Ich denke, wir diskutieren über diesen Antrag. Dieser Antrag der CDU/CSU bedeutet schon ein Mehr gegenüber dem ursprünglichen Vorschlag von 145 Millionen DM. Sie wollen darüber hinaus mit Ihren 9 % plus Rankenwerk per 1. Januar rund 350 Millionen DM mehr. Die Differenz liegt, was die Deckung anbelangt, zwischen 150 Millionen DM und plus 490 Millionen DM 150 +340 Millionen DM -. ({4}) - Verzeihen Sie, ich bin mein Haus. So naiv bin ich nun einmal. Ich trage Ihnen das hier vor. ({5}) - Ja, Gott sei Dank! Einer muß ja an der Spitze eines Hauses stehen. Hier können nicht tausend Menschen stehen, das werden Sie wohl zugeben. Ich bin bereit, diese Ziffern Ihnen, Herr Kollege Schäfer, noch einmal vorzulegen. Die Höhe der Differenz ist eindeutig. Sie wollen nämlich 2 % mehr geben und dazu mit einem anderen Datum. Sie wollen für fünf Monate mehr zugestehen, wir wollen vom 1. Juni an geben. In diesen beiden Punkten steckt eine absolute Differenz von rund 350 Millionen DM. Da ich schon einmal hier stehe, lassen Sie mich auch noch zu ein paar anderen Fragen etwas sagen! Ich möchte zuerst zu der Frage etwas sagen, die Sie, Herr Kollege Schäfer, am Ende aufgeworfen haben. Sie haben den Finanzminister gefragt, ob er dieses Mehr durch Einsparungen oder durch Ausgleich in den einzelnen Haushalten beschaffen will. Das muß ich doch! Sie sind doch Haushaltsexperte genug, zu wissen, daß ein anderer Weg überhaupt nicht gangbar ist. Woher soll ich die Mittel nehmen? Sie wollen sich im Augenblick keine Gedanken darüber machen, woher die Gelder kommen. Das wird freundlichst dem Bundesfinanzminister überlassen. Die Mittel müssen doch da sein. Ich muß sie natürlich aus den genehmigten oder vorgeschlagenen Ansätzen nehmen. ({6}) - Wenn Sie diesen Gedanken aufnehmen, würde ich von Ihnen sehr gern einmal wissen, woher Sie das Mehr nehmen wollen. Sie haben mich gefragt, ob ich es aus den Ansätzen im Personaltitel nehmen will. Darauf sage ich eindeutig ja. Nun erwidern Sie: Das sind aber 440 Millionen DM. So war doch Ihre Loaik. Seit wann kann aber die Inkongruenz zwischen dem Ist-und dem Sollansatz hundertprozentig für Erhöhungen verbraucht werden? Wenn Sie das wollen, Bundesfinanzminister Etzel müßten Sie alle Beamtenstellen streichen, die in der Differenz zwischen dem Ist und dem Soll liegen. Das wollen Sie auch nicht. Dann haben Sie aber nicht 440 Millionen DM, und dann stimmt Ihre Rechnung nicht. ({7}) - Ich habe Ihnen gesagt: 440 Millionen DM ist die Differenz zwischen Ist und Soll. Sie wollen allein 490 Millionen DM mehr. ({8}) - Ich weiß nicht, was hier los ist.

Dr. Friedrich Schäfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001930, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Finanzminister, was wollen Sie denn 1961 machen, wo die Ausgaben für zwölf Monate auf den Haushalt zukommen, wenn Sie jetzt eine so kurzfristige Berechnung für sieben Monate aufmachen? Ein Berechnung für sieben Monate - ich verstehe, aus Gründen der Deckung dieses Haushalts - einer generellen Regelung zugrunde zu legen, ist doch nicht richtig. Meine Frage ging ganz konkret dahin: sind Sie bereit, im Einzelplan 14 den Plafond wirklich einzuhalten und die gesamten 200 Millionen DM dort einzusparen?

Franz Etzel (Minister:in)

Politiker ID: 11000497

Herr Kollege Schäfer, auf Ihre erste Frage muß ich folgendes antworten. Sie sagen: „Du kannst das, was wir wollen, im Haushaltsjahr 1960 machen, denn ,du hast im Haushaltsjahr 1960 genug Geld." Darauf habe ich Ihnen auseinandergesetzt: Nein, ich habe ,das Geld nicht. Jetzt kommen Sie und sagen: „Du mußt aber über das Jahr hinausdenken, nämlich auf das Jahr 1961." Jetzt frage ich mich: Werde ich ,es haben oder nicht haben? Kein Mensch weiß im Augenblick, wie ich ,den Haushalt 1961 ,decken soll. Wir sollten doch in der Logik .der Dinge bleiben. Das aber bedeutet: Sie wollen 9 %, wir wollen 7%, Sie wollen den 1. Januar 1960, wir wollen den 1. Juni 1960. In diesen beiden Ziffern steckt eine Differenz von 350 Millionen DM. ({0}) Entschuldigen Sie, Herr Schmitt ({1}), daß ich auch einmal auf Sie zu sprechen komme. Sie haben es als unmoralisch bezeichnet, hier die Kriegsopfer in die Diskussion zu bringen. Mir scheint es unmoralisch zu sein, den Kriegsopfern einen anderen Termin zu setzen als ,den, ,den man den Beamten setzt. ({2}) Sie müssen die Zusammenhänge und die Fernwirkung sehen, aus moralischen Gründen meinetwegen, weshalb Sie den Kriegsopfern keinen anderen Termin zumuten können. ({3}) - Dann müssen Sie auch ,den Kriegsopfern ,den Termin 1. Januar geben. ({4}) Dann kommen wir noch einmal auf eine halbe Milliarde Mark. Zwei Monate Kriegsopferversorgung vorgezogen macht allein 200 Millionen DM, und wenn noch drei Monate dazukommen, muß ich mit und einer halben Milliarde rechnen. So ergibt sich zweimal eine halbe Milliarde, und dann Sie eine Milliarde DM mehr. Sagen Sie mir um Himmels willen: wo soll denn das herkommen? ({5}) Auch ich will kein Wort über ,die Inflation sagen. Herr Kollege Kühlthau hat dieses Wort schon vorsichtig abgewehrt. Aber ich muß ein ganz offenes Wort sagen. Ich stelle fest, daß jetzt noch einmal eine Milliarde Kaufkraft hingeknallt werden sollen -darum geht es doch wohl -, und das verstehe ich nicht mehr. Es ist doch nicht so, ,daß ich hier einen Sack voll Geld stehen hätte und sagen könnte: aus 'diesem Sack zahle ich die Milliarde, oder daß ich ein Geizhals wäre und das Geld nicht geben wollte. Wir haben .doch diesen Sack voll Geld nicht, Ich darf noch einmal folgendes sagen: Der Zuwachs des Sozialprodukts ist verfrühstückt. Wir haben in der zweiten Lesung eindeutig gesagt, daß die aus ,dem wachsenden Sozialprodukt sich ergebenden Einnahmen von rund 11/2Milliarden DM zur Deckung des außerordentlichen Haushalts herangezogen werden sollen. Das hat die Zustimmung des Hohen Hauses gefunden. Da ist doch ganz einfach nichts mehr. Worum geht es denn hier? Die Diskussion geht um mehrere Gesichtspunkte. Ich könnte mir vorstellen, daß ein wichtiger der folgende wäre. Die Beamten sind 1957 mit ihren Bezügen ,auf einen Stand gebracht worden, mit dem sie damals zufrieden waren. ({6}) - Doch, sie waren zufrieden. Es war sehr vieles gemacht worden. Es hatte die Aufstockung auf 165 % gegenüber dem Status von, ich glaube, 1927 stattgefunden, und außerdem war im Rankenwerk eine ganze Menge Zusätzliches geschehen. Die Beamtenschaft war zufrieden. Nun kann man sagen: Schön, der damalige Status darf nicht verschlechtert werden. Aber jetzt lautet die Begründung - der Innenausschuß hat nichts anderes getan -: gegenüber damals ist infolge von Kaufkraftentwertung - oder wie Sie es nennen wollen - eine Verteuerung von 7 % eingetreten, 8 Punkte gleich 7 %; Punkte und Prozent sind nicht dasselbe; darüber können wir einig sein. Meine Damen und Herren, diese 7 % werden auch nach dem Vorschlag der CDU/CSU-Fraktion gewährt! Ich möchte noch etwas Kritisches zu den 7 % sagen. Die 7 % sind in ihrer Wirkung nicht gleichmäßig zu sehen. Nach dem neuesten Bericht des Statistischen Bundesamtes gibt es eine Untersuchung über drei Einkommensgruppen. Dabei hat man festgestellt, daß die durch den sogenannten Festbedarf besonders strapazierten unteren Einkommensgruppen mit Lebensmittelkosten von 210 DM im Monat bei 7 %, daß aber die anderen, die mehr bekommen, nur bei 3,2 % liegen. Wenn nun das Hohe Haus im Sinne des Antrags der CDU/CSU beschließt, dann ist doch mindestens eine Bundesfinanzminister Etzel auf die unterste Situation projizierte Verbesserung von 7 % erreicht. Ich glaube, daß damit dem Anliegen, die Kaufkraftverschlechterung auszugleichen, 100 %ig Genüge getan wird. ({7}) - Verzeihen Sie, ich komme noch auf die unteren Gruppen. Im Durchschnitt wären 7 % schon genug. Nun lassen Sie mich noch ein paar Worte zu den unteren Gruppen sagen. Kollege Kühlthau hat dazu schon gesprochen. Wir haben durch die übrigen Erhöhungen, Ortsklassenzuschläge usw., die Situation der unteren Gruppen noch einmal wesentlich verbessert. Die unteren Gruppen bis zu den Sekretären, also der größte Anteil aller, bekommen - ich habe mir das hier einmal überschläglich dargestellt - mindestens 9 % mehr. Hinzu kommt die Besserstellung der Kinder im Ortszuschlag. Diese Vorteile erhalten alle Soldaten bis zum Feldwebel, alle Beamten der Bahn und der Post bis zum Sekretär einschließlich - das sind 80 % der Beamten überhaupt -, alle Zollbeamten bis zum Zollsekretär einschließlich der großen Masse der Männer, die Sie an den Grenzen sehen. - Das sind 70 % aller Zöllner -, alle Grenzjäger bis zum Meister einschließlich - das sind 80 % aller Angehörigen des Bundesgrenzschutzes -; mit anderen Worten: die ganz große Masse der unteren Beamtengruppen, also diejenigen, die ich eben mit dem Warenkorb der unteren Gruppen meinte, erhalten eine Aufbesserung ihrer Bezüge nicht um 7 %, sondern um mehr als 9 %. Das ist ein großes Anliegen, und wir sollten dieses große Anliegen nicht zerreden, ({8}) sondern der Beamtenschaft dokumentieren: Hier kommt die Bundesregierung ihren Bedürfnissen hinsichtlich der erhöhten Lebenshaltungskosten und auch dem Anliegen, die Beamten nicht absinken zu lassen - was ich durchaus akzeptiere -, sehr weit entgegen. ({9}) Ich möchte noch auf einen anderen Gesichtspunkt hinweisen. Wir haben die Einkommensteuer erheblich gesenkt. Auch das ist eine Verbesserung -der Nettoeinkünfte im öffentlichen Dienst gegenüber 1957. Die durchschnittliche Steuersenkung hat bei Einkünften bis zu 1000 DM 25 %, darüber hinaus 15 % betragen. Durch den Vorschlag der CDU/CSU wird also nicht nur die Erhöhung der Lebenshaltungskosten seit 1957 ausgeglichen, sondern darüber hinaus auch sichergestellt, daß die Beamten nicht nur nicht absinken, sondern, absolut gesehen, im Gleichgewicht bleiben und in den unteren Gruppen ein zusätzliches Plus bekommen. Das ist eine Leistung. Ich wiederhole: Der Finanzminister sieht sich persönlich nicht in der Lage, mehr zu bewilligen. Er muß aus seiner Verantwortung heraus die Dinge im Maß, in der Mitte, in der Zucht halten. Kein Beamter hätte etwas davon, wenn es eines Tages infolge törichter Beschlüsse zu einem Ausgleich der Verbesserungen durch Kaufkraftverschlechterung käme. Ich darf gerade Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, in aller Bescheidenheit und Freundschaft darauf hinweisen, daß sich ein Kreis anderer Männer, die wie ich die Verantwortung tragen, nämlich die Länderfinanzminister, in ihrer Entschließung einstimmig ebenfalls auf 7 % festgelegt haben. ({10}) Da waren auch Ihre Freunde dabei. Da waren auch Männer Ihrer Couleur dabei, die ebenso wie ich die Verantwortung tragen. ({11}) Diese Herren haben dasselbe gesagt, was ich hier sage. Ich glaube, Sie sollten auch darüber nachdenken. ({12})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Eilers.

Jan Eilers (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000457, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Bundesfinanzminister meinte soeben, daß in einem der Ausschüsse dieses Hauses - unter anderen - törichte Beschlüsse gefaßt worden seien, ({0}) und er meinte vorher, offensichtlich habe man sich keine Gedanken darüber gemacht, wie man diese Beschlüsse nun finanziell untermauern solle. Meine Damen und Herren, wenn ein amtierender Bundesminister hier solche Aussagen gegenüber Mitgliedern des Hauses macht, die im Innenausschuß, der aus Mitgliedern aller Fraktionen zusammengesetzt ist, miteinander darum gerungen haben, was staatspolitisch vertretbar sei, dann muß einmal etwas über den Gang der Verhandlungen in diesem Innenausschuß gesagt werden. ({1}) - Ja, lieber Herr Niederalt, Sie werden staunen über das, was ich jetzt zu sagen habe. Als am 25. April diese Beratungen begannen, habe ich zweimal die anwesenden Vertreter der Bundesregierung gebeten, Auskunft darüber zu geben, wie denn nun ihre Vorstellung über das Ausmaß der Erhöhung der Gehälter sei und was sie für finanziell tragbar hielten. Zweimal habe ich diese Frage an die anwesenden Herren Regierungsvertreter gerichtet. Keinerlei Auskunft ist uns darüber geworden! Es wäre sehr gut gewesen, Herr Bundesfinanzminister und auch Herr Bundesinnenminister, wenn Sie an dieser Sitzung des Ausschusses teilgenommen hätten ({2}) und wenn die Auskünfte, die Sie heute dem Hohen Hause glauben geben zu können, den Beratungen im Ausschuß zugrunde gelegen hätten. ({3}) Eilers ({4}) - Meine Damen und Herren, es handelt sich ja gar nicht darum, daß der Haushaltsausschuß nicht gehört worden sei! Federführend nach dem Willen des Hohen Hauses ist der Ausschuß für Inneres. Wenn sich dann in diesem Ausschuß die Mitglieder aller Fraktionen einschließlich der Regierungsfraktion darum bemühen, von der Bundesregierung Aufschluß darüber zu erhalten, was sie denn zu ihrer Regierungsvorlage als Ergänzung vorzuschlagen habe, und die Regierungsvertreter sich ausschweigen, so müssen eben die Vertreter der Fraktionen einschließlich der CDU/CSU von sich aus versuchen, einen staatspolitisch tragbaren Beschluß zu fassen. ({5}) - Lieber Herr Höcherl, das sind alles Dinge, die viel später kommen. Wir haben uns durchaus darüber unterhalten, daß auch der Haushaltsausschuß wirklich mitberatend tätig sein solle. ({6}) Ich darf nur eins feststellen: Es wäre gut gewesen, Herr Bundesfinanzminister, wenn Sie die Ausführungen, die Sie heute hier gemacht haben, im Ausschuß für Inneres gemacht hätten und wenn der für die Beamtenbesoldung verantwortliche Innenminister selbst geruht hätte, in diesem Ausschuß anwesend zu sein. Ich bin sicher, dann hätten wir diese Erörterung, die heute vor dem Hohen Hause stattfinden muß, vermieden, und wir hätten, wie es zum guten Stile dieses Hauses gehört, in den Ausschüssen zunächst miteinander überlegt. Wenn die CDU/CSU-Fraktion in wesentlichen Teilen ihrer Mitglieder des Innenausschusses den von den Freien Demokraten eingebrachten Vermittlungsvorschlag von 9 % mitgebilligt hat, wenn mit der Mehrheit der CDU-Stimmen auch der Zeitpunkt 1. Januar 1960 beschlossen wurde, können Sie doch hier nicht vor dem Hause den Vorwurf' erheben, das seien törichte Beschlüsse, man habe sich keine Gedanken gemacht. Dann sehen Sie zu, daß Sie in Ihrer Regierungsfraktion künftig diese Dinge besser vorbereiten, damit die Regierung dem Hohen Hause schlüssige Vorschläge machen kann. ({7}) Das ist mein Anliegen, meine Damen und Herren! Lassen Sie mich ganz offen sagen, wie die Situation im Innenausschuß war. Unser hochverehrter Herr Kollege Kühlthau hat sich darum bemüht, diese Beratungen so laufen zu lassen, daß wir ihr Endergebnis hier auch vertreten können, wie das Ergebnis mit 9 % von uns, von den freien Demokraten, von unserer gesamten Fraktion auch heute noch vertreten wird. Die Mitglieder des Ausschusses für Inneres, meine Damen und Herren einschließlich Ihrer Freunde von der CDU/CSU, haben dieses mangelnde Sich-Erklären der Vertreter der Bundesregierung als ein Katz-und-Maus-Spiel bezeichnet, noch viel stärker: als einen Eiertanz, deshalb, weil die Vertreter der Bundesregierung in keiner Weise zu erkennen gegeben haben, welche Auffassung sie denn im Ausschuß vertreten sollen. Dabei handelte es sich immerhin nicht um den Vorschlag einer Fraktion, sondern es handelte sich um die Beratung einer Regierungsvorlage, einer Regierungsvorlage, von der die Bundesregierung, und zwar der hochachtbare Herr Bundeskanzler selber, erklärt hat, daß der wesentliche Bestandteil dieser Regierungsvorlage, nämlich die Höhe von 4 %, nicht mehr akzeptabel und nicht mehr vertretbar sei. Ich muß in diesem Zusammenhang leider noch ein Versäumnis der Bundesregierung herausstellen. Auch als in Bad Kreuznach die Tarifverhandlungen für die Arbeiter und Angestellten im gesamten öffentlichen Dienst in Deutschland geführt wurden - dabei handelte es sich immerhin um 1,5 Millionen Arbeitnehmer -, hielt es der in der Bundesregierung verantwortliche Minister, Herr Minister Schröder, nicht für erforderlich, an den Besprechungen und Verhandlungen selbst teilzunehmen. Ich darf hier noch einmal mit Genugtuung feststellen, daß zu der Zeit, als diese Aufgabe noch zum Ressort des Bundesfinanzministeriums gehörte, der damals amtierende Bundesfinanzminister, Herr Schäffer, bei diesen Verhandlungen stets zu Beginn anwesend war. Ich glaube, daß das ein guter Stil gewesen ist. Man sollte sich bei der Bundesregierung nicht darüber beklagen, daß die Beratungen einen anderen Verlauf nehmen, als sie ihn nach ihrer Ansicht nehmen sollten, wenn die Bundesregierung sich um diese so wesentlichen Fragen der Sozialpolitik, der Wirtschaftspolitik und der Finanzpolitik so wenig zu kümmern geruht. ({8}) Aus allen diesen Gründen bitte ich Sie, meine Damen und Herren, dem Beschluß des Ausschusses für Inneres zuzustimmen und die nachträglichen Änderungsvorschläge der CDU/CSU-Fraktion abzulehnen. ({9})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Schmitt ({0}).

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002033, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion beantragt zu dem Antrag auf Umdruck 591 Ziffer 1 namentliche Abstimmung über den § 1 Abs. 1. Darüber hinaus beantragen wir, über den § 1 absatzweise abzustimmen. Nun noch einige Worte zu dem Brillantfeuerwerk des Herrn Bundesfinanzministers über die Segnungen für die Beamtenschaft in den letzten Jahren. Herr Bundesfinanzminister, Sie haben zuletzt gesagt: Nun, schließlich sind doch auch den Beamten die großen Steuersenkungen zugute gekommen! Ja, meine Damen und Herren, diese Steuersenkungen sind aber doch allen Staatsbürgern zugute gekommen! Und wenn ich mir dazu ein bescheidenes Wort erlauben darf: den großen Kapitalgesellschaften haben Sie sie ganz besonders zugute kommen lassen. ({0}) Schmitt ({1}) Sie haben darüber hinaus dargestellt, was die Beamten des einfachen und des mittleren Dienstes alles bekommen haben und bekommen werden. Gut, meine Damen und Herren! Aber Sie, Herr Minister, und auch der Kollege Kühlthau haben eines versäumt: anzugeben, wie hoch das Nettogehalt dieser Beamten des einfachen und mittleren Dienstes in Wirklichkeit ist. Darauf kommt es doch bei dem Vergleich mit den Arbeitern und Angestellten entscheidend an. Das ist natürlich hier in der Debatte aus wohlerwogenen Gründen nicht gesagt worden. Schließlich haben Sie hier - sogar ausgezeichnet - dargelegt, daß 7 gleich 8 ist. Sie wissen, daß auch das so nicht ohne weiteres stimmt. Auch insofern sind Sie nicht von richtigen Voraussetzungen ausgegangen. Ich bin auch absolut dagegen, daß hier nun wieder gesagt wird: Wenn die Gehälter so weit erhöht werden, muß die Bundesbahn ihre Tarife erhöhen. Meine Damen und Herren, Sie haben das Problem der Sanierung der Bundesbahn hier jahrelang verschleppt und es zu keiner Entscheidung kommen lassen. Nun können Sie doch nicht sagen, daß die Gehaltserhöhung an der Tariferhöhung schuld sei. Sie haben doch erklärt, Herr Minister Stücklen, Sie erhöhten die Tarife nicht. Ich habe gehört, Sie wollen sie erst nach den Bundestagswahlen erhöhen. ({2}) Meine Damen und Herren, Sie haben das bei den Kriegsopfern ähnlich gemacht. Da haben Sie die Möglichkeit einer Erhöhung der Tabaksteuer ins Feld geführt. Wenn ich, Herr Bundesfinanzminister, von „unmoralisch" gesprochen habe, so deswegen, weil Sie die Verbesserung der Kriegsopferversorgung über ein Jahr hinausgezögert haben und nun die Beamten mit dieser Terminsetzung unter Druck setzen wollen. Dagegen wenden wir uns. ({3})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Brück. ({0})

Valentin Brück (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000277, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nunmehr scheint es mir notwendig zu sein, daß wir einmal einige ganz exakte Beispiele hören, aus denen sich ergibt, wie die Sache nach unserem Änderungsvorschlag in der Praxis tatsächlich aussehen wird. Herr Kollege Schmitt, Sie haben hier von Segnungen gesprochen. Ich will Ihnen hier ein paar nüchterne Zahlen vortragen; sie betreffen Leute, die auch Sie jeden Tag draußen sehen und mit denen auch Sie zu tun haben. Heute morgen ist z. B. schon einmal der Schaffner erwähnt warden. Nehmen wir einmal einen Mann um 30 Jahre herum, der verheiratet ist, zwei Kinder hat und sich in der mittleren Dienstaltersstufe 6 befindet. Dieser Mann hat im Augenblick ein Grundgehalt von 310 DM. Nach unserem Vorschlag soll eine Erhöhung um 21,70 DM dazukommen. Sein Ortszuschlag beträgt nach der bestehenden Regelung in der Ortsklasse S 136 DM. Nach unserem Vorschlag soll er in Zukunft 167 DM bekommen; das ist ein Mehr von 31 DM. Die Verbesserungen von Grundgehalt und Ortszuschlag zusammen belaufen sich also auf 52,70 DM, das sind 11,8 %. Nehmen Sie einen Assistenten, bei dem dieselben Voraussetzungen gegeben sind. ({0}) - Herr Kollege Schmitt, ich darf Ihnen das ganz genau vortragen, damit einmal dargelegt wird, wie es wirklich aussieht. ({1}) Es hat ja keinen Zweck, dauernd mit Agitation zu arbeiten ({2}) und zu sagen: Das ist nicht so, und das ist auch nicht so! So geht es wohl nicht. ({3}) - Herr Schröter, wir kennen uns ja. Übrigens sind wir beide bis jetzt noch nicht per Du gewesen; aber das macht ja nichts. ({4}) - Entschuldigen Sie bitte, Herr Kollege Schröter, ich will Ihnen jetzt einmal das Beispiel vom Assistenten vortragen. ({5}) - Ich habe mich auch im 2. Bundestag gerade um die Leute mit bemüht, um die es jetzt geht. ({6}) Der Assistent hat ein Grundgehalt von 350 DM. Sein Grundgehalt wird jetzt um 24,50 DM angehoben. Sein Ortszuschlag erfährt eine Verbesserung um 31 DM. Das sind insgesamt 55,50 DM oder 11,5 °/o. ({7}) Beim Inspektor beträgt die gesamte Anhebung unter den gleichen Voraussetzunegen 56,71 DM; das sind 7,8 %. Beim Regierungsrat sind es insgesamt 83,70 DM oder 7,6 % und beim Ministerialrat 115,52 DM oder 7,5 %. Jetzt möchte ich Ihnen einmal eine Sache erzählen, die mir gestern abend hier an der Tür passiert ist. Als ich gestern abend hier herausgegangen bin, hat mich einer unserer dort in Uniform befindlichen Mitarbeiter dieses Hauses gefragt: „Wie wird das denn morgen ausgehen?" Da habe ich ihn gefragt: „Was haben Sie für ein Grundgehalt?" Er hat gesagt: „Ich habe ein Grundgehalt von 350 DM." Das ist also das Beispiel, das ich eben vorgetragen habe. Der Mann hat mir weiter gesagt - er steht im übrigenhier irgendwo; ich sehe ihn sogar -: „Ich habe zwei Kinder und bekomme zur Zeit 75 DM Kindergeld. Was macht das denn nun nach Ihrem Vorschlag bei mir aus?" Dann habe ich gesagt: „Das macht für Sie brutto genau 55,50 DM aus. ({8}) - Entschuldigen Sie, bei diesem Mann wird ja nichts abgezogen. Er hat daraufhin gesagt: „Wenn ich in Zukunft 55,50 DM mehr bekomme, dann ist das für mich eine ganz schöne Sache." ({9}) - Entschuldigen Sie bitte, das hat er gesagt. Meine Herren, sind denn 55 Mark kein Geld mehr, oder ist es noch Geld? Ja oder nein? Das müssen wir doch einmal in aller Ruhe feststellen. So sehen jedenfalls die Dinge in der Praxis aus; man kann nicht immer nur sagen: „Das genügt nicht, und das genügt nicht." Meine sehr verehrten Damen und Herren! Alle, die wir hier sind, wir haben letztlich die Aufgabe, das Notwendige im Bereich des Möglichen zu setzen. Anders geht es nicht. ({10})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Schäfer.

Dr. Friedrich Schäfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001930, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach den Ausführungen des Herrn Bundesfinanzministers sehe ich mich doch noch einmal veranlaßt, einige Feststellungen zu treffen. Erstens. Gestern wurde uns im Haushaltsausschuß eine offizielle Aufstellung Ihres Ministeriums übergeben. Daraus ergibt sich, daß 1 Prozent, wenn man die Bahn mitrechnet, 60 Millionen DM ausmacht. Wir haben uns jetzt bei der Frage der Beamtenbesoldung nicht in erster Linie mit dem Haushalt 1960 zu befassen, sondern mit einer Dauerregelung. Deshalb haben wir die zwölf Monate zugrunde zu legen. Ich habe Ihnen nachgewiesen, Herr Bundesfinanzminister, daß unsere Fraktion sich, unter Zugrundelegung von zwölf Monaten und einer Anhebung um 9 Prozent, sehr genaue Gedanken gemacht hat, woher das Geld kommen soll, und ich habe Ihnen nachgewiesen - Sie konnten es hier nicht widerlegen daß der Ausgleich möglich ist, ohne daß eine Mark mehr in den Haushalt aufgenommen werden muß. Sie sprachen von einem ganz anderen Tatbestand, Herr Bundesfinanzminister; ({0}) Sie sprachen vom Ausgleich dieses Haushalts und sahen - und das ist außerordentlich bedenklich -lie Beamtenbesoldungsangelegenheit nur ganz kurzfristig: „Wie gleiche ich den Haushalt 1960 aus?" Deshalb konnten Sie dazu kommen, einen Unterschied von über 300 Millionen DM zu errechnen. Natürlich, insoweit stimmen Ihre Zahlen; wenn Sie nur sieben Monate und wir zwölf Monate zugrunde legen, ergibt sich ein Unterschied von 300 Millionen DM. Aber wie ich eben schon sagte, haben Sie uns nicht überzeugen können, daß der Ausgleich nicht möglich ist. Sodann, Herr Bundesfinanzminister, haben Sie -das darf ich abschließend sagen - hier eine Äußerung getan, die wert ist, festgehalten zu werden. Sie sprachen davon, daß 1 Milliarde Kaufkraft mehr entsteht, und haben ,damit offensichtlich auch als amtierender Minister Ihrer Meinung dahin gehend Ausdruck verliehen, ,daß es nicht in erster Linie darum geht, die Beamten an der Steigerung des Sozialprodukts teilnehmen zu lassen, sondern ,daß es sich um andere Überlegungen handelt. Das scheint mir wert, hier noch einmal festgehalten zu werden. ({1})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung, zunächst über den Änderungsantrag Umdruck 591, und zwar, wie beantragt worden ist, absatzweise. ({0}) Das ist so nicht möglich; denn wenn § 1 Abs. 1 in der Fassung des Änderungsantrages Umdruck 591 angenommen wird, ist der Vorschlag des Ausschusses zu § 1 Abs. 1 gegenstandslos. Wir stimmen also über Ziffer 1 des Änderungsantrages der CDU/CSU Umdruck 591 absatzweise ab; zunächst - in namentlicher Abstimmung - über § 1 Abs. 1. Meine Damen und Herren, es wird mir soeben gesagt, es sei noch nicht volle Klarheit vorhanden, worüber abgestimmt wird. Ich wiederhole - ich weiß nicht, zum wievielten Male -: wir stimmen ab über den Antrag Umdruck 591 - also den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU -, Ziffer 1, also den Antrag zu § 1 Abs. 1. - Hat ein Mitglied des Hauses seine Stimme noch nicht abgegeben? - Offenbar haben alle abgestimmt. Ich schließe die Abstimmung. Ich gebe das Abstimmungsergebnis bekannt. An der Abstimmung haben sich 403 stimmberechtigte Abgeordnete und 20 nicht stimmberechtigte Berliner Abgeordnete beteiligt. Mit Ja haben gestimmt 226 stimmberechtigte Abgeordnete, 6 Berliner Abgeordnete; mit Nein 175 stimmberechtigte Abgeordnete, 14 Berliner Abgeordnete; der Stimme enthalten haben sich 2 Abgeordnete. Damit ist der Änderungsantrag angenommen. Ja CDU/CSU Frau Ackermann Graf Adelmann Dr. Aigner Baier ({1}) Baldauf Dr. Balke Balkenhol Dr. Bartels Dr. Barzel Bauer ({2}) Bauknecht Bausch Becker ({3}) Berberich Berger Dr. Bergmeyer Dr. Besold Dr. Birrenbach Fürst von Bismarck Frau Dr. Bleyler Blöcker Frau Blohm von Bodelschwingh Dr. Böhm Brand 6279 Deutscher Bundestau - 3. Wahlperiode Frau Brauksiepe Frau Dr. Brökelschen Burgemeister Caspers Dr. Conring Dr. Czaja Demmelmeier Deringer Diebäcker Diel Dr. Dollinger Drachsler Draeger Dr. Dresbach Dr. Eckhardt Ehren Eichelbaum Dr. Elbrächter Engelbrecht-Greve Frau Engländer Enk Eplée Dr. Even ({4}) Even ({5}) Finckh Dr. Franz Franzen Dr. Frey Dr. Fritz ({6}) Fritz ({7}) Fuchs Frau Dr. Gantenberg Gedat Gehring D. Dr. Gerstenmaier Gewandt Gibbert Giencke Dr. Gleissner ({8}) Glüsing ({9}) Dr. Götz Goldhagen Gontrum Gottesleben Günther Freiherr zu Guttenberg Hackethal Häussler Hahn Dr. Hahne Dr. von Haniel-Niethammer Harnischfeger Dr. Hauser Dr. Heck ({10}) Heix Dr. Graf Henckel Dr. Hesberg Hesemann Heye Höcherl Dr. Höck ({11}) Höfler Huth Jahn ({12}) Dr. Jordan Josten Dr. Kanka Kemmer Dr. Kempfler Kirchhoff Kisters Dr. Kliesing ({13}) Dr. Knorr Koch Dr. Kopf Krammig Kroll Krüger ({14}) Krüger ({15}) Krug Frau Dr. Kuchtner Kunst Kuntscher Lenz ({16}) Lenze ({17}) Leonhard Lermer Leukert von Lindeiner-Wildau Dr. Lindenberg Dr. Löhr Lücke ({18}) Lücker ({19}) Maier ({20}) Majonica Dr. Baron Manteuffel-Szoege Dr. Martin Maucher Meis Mengelkamp Menke Mensing Meyer ({21}) Mick Muckermann Mühlenberg Müser Nellen Nieberg Niederalt Frau Niggemeyer Oetzel Pelster Dr. h. c. Pferdmenges Dr. Pflaumbaum Dr. Philipp Pietscher Frau Pitz-Savelsberg Frau Dr. Probst Dr. Reinhard Dr. Reith Richarts Riedel ({22}) Frau Rösch Rösing Rollmann Dr. Rüdel ({23}) Ruf Ruland Schäffer Scheppmann Schlee Schlick Dr. Schmidt ({24}) Frau Schmitt ({25}) Schneider ({26}) Dr. Schröder ({27}) Schüttler Schütz ({28}) Schulze-Pellengahr Schwarz Frau Dr. Schwarzhaupt Dr. Schwörer Dr. Seffrin Dr. Serres Siebel Dr. Siemer Simpfendörfer Solke Spies ({29}) Spies ({30}) Stauch Dr. Stecker Stiller Dr. Stoltenberg Storch Dr. Storm ({31}) Storm ({32}) Strauß Struve Stücklen Teriete Varelmann Vehar Dr. Vogel Vogt Wacher Dr. Wahl Frau Dr. h. c. Weber (Essen! Dr. Weber ({33}) Wehking Weinkamm Frau Welter ({34}) Wendelborn Dr. Werber Werner Wieninger Dr. Wilhelmi Dr. Willeke Windelen Winkelheide Dr. Winter Wittmann Wittmer-Eigenbrodt Worms Dr. Wuermeling Wellenhaupt Dr. Zimmer Dr. Zimmermann Berliner Abgeordnete Benda Dr. Gradl Dr. Krone Frau Dr. Maxsein Stingl DP Logemann Dr. Preiß Dr. Schild Tobaben Nein CDU/CSU Kramel SPD Frau Albertz Altmaier Dr. Arndt Auge Dr. Baade Bach Dr. Bärsch Bäumer Bals Bauer ({35}) Baur ({36}) Bazille Dr. Bechert Behrendt Behrisch Frau Bennemann Bergmann Berkhan Berlin Bettgenhäuser . Frau Beyer, ({37}) Dr. Bleiß Börner Dr. Brecht Bruse Büttner Corterier Cramer Dr. Deist Dewald Diekmann Frau Döhring ({38}) Dröscher Frau Eilers ({39}) Eschmann Faller Felder Folger Franke Dr. Frede Frenzel Geiger ({40}) Geritzmann Haage Hamacher Hansing Dr. Harm Hauffe Hei-de Heiland Dr. Dr. Heinemann Hellenbrock Frau Herklotz Hermsdorf Herold Höcker Höhmann Höhne Höraut Frau Dr. Hubert Iven ({41}) Jacobi Jahn ({42}) Jürgensen Junghans Jungherz Frau Keilhack Frau Kettig Killat ({43}) Kinat ({44}) Könen ({45}) Koenen ({46}) Kraus Dr. Kreyssig Kriedemann Kühn ({47}) Kurlbaum Lange ({48}) Lantermann Leber Lohmar Ludwig Lücke ({49}) Lünenstraß Marx Matzner Meitmann Merten Metter Metzger Dr. Meyer ({50}) Meyer ({51}) Frau Meyer-Laule Müller ({52}) Müller ({53}) Frau Nadig Odenthal Ollenhauer Peters Pöhler Pohle Prennel Priebe Regling Reitz Frau Renger Ritzel Rhode Frau Rudoll Ruhnke Dr. Schäfer Scheuren Dr. Schmid ({54}) Dr. Schmidt ({55}) Schmidt ({56}) Schmitt ({57}) Schoettle Schröder ({58}) Seidel ({59}) Seither Frau Seppi Stenger Stierle Sträter Striebeck Frau Strobel Theil ({60}) Theis ({61}) Wagner Wegener Welke Weltner ({62}) Frau Wessel Wienand Wilhelm Wischnewski Wittrock Zühlke Berliner Abgeordnete Frau Berger-Heise Dr. Königswarter Frau Krappe Mattick Neubauer Neumann Scharnowski Schröter ({63}) Schütz ({64}) Dr. Seume Frau Wolff ({65}) FDP Dr. Achenbach Dr. Bucher Dr. Dehler Döring ({66}) Dowidat Dürr Eberhard Eilers ({67}) Frau Friese-Korn Kreitmeyer Kühn ({68}) Lenz ({69}) Mauk Dr. Mende Dr. Miessner Mischnick Freiherr von Mühlen Dr. Rutschke Dr. Schneider ({70}) Schultz Spitzmüller Dr. Stammberger Dr. Starke Walter Zoglmann Berliner Abgeordnete Frau Dr. Dr. h. c. Lüders Dr. Will DP Matthes Dr. Schranz Enthalten CDU/CSU Brese FDP Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag zu § 1 Abs. 2. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest. Antrag zu § 1 Abs. 3! Wer zustimmen will, der möge die Hand erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest. Wir stimmen nunmehr über den § 1 des Gesetzentwurfs in der durch die soeben erfolgten Abstimmungen geänderten Fassung im ganzen ab. Wer dem § i in der neuen Fassung zustimmen will, der möge die Hand erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Gegenstimmen angenommen. Da der Antrag auf Umdruck 591 angenommen ist, ist der Antrag auf Umdruck 596 erledigt; wir brauchen darüber nicht mehr abzustimmen. Ich rufe auf § 2. Hier liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 591 Ziffer 2 vor. Wer begründet? ({71}) Wer diesem Änderungsantrag zustimmen will, der möge die Hand erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Gegenstimmen angenommen. Der ganze Paragraph ist neu formuliert, so daß wir nicht mehr satzweise abzustimmen brauchen. Zu § 3 liegen keine Änderungsanträge vor. Wer dem § 3 nach der Ausschußvorlage zustimmen will, der möge die Hand erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmige Annahme. Zu § 4 liegt der Änderungsantrag Umdruck 591 Ziffer 3 vor, der lang und breit begründet wurde, statt „1. Januar 1960" „1. Juni 1960" zu setzen. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen will, der möge die Hand erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei zahlreichen ,Gegenstimmen angenommen. Wir stimmen nunmehr über § 4 in der neuen Fassung ab. Wer zustimmen will, möge die Hand erheben. - Gegenprobe! - Gegen zahlreiche Gegenstimmen angenommen. Einleitung und Überschrift! - Wer zustimmen will, möge 'die Hand erheben. - Gegenprobe! - Einstimmige Annahme. Damit ist die zweite Beratung erledigt. Ich rufe den Gesetzentwurf zur dritten Beratung auf. Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat Abgeordneter Schmitt ({72}).

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002033, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die SPD-Fraktion beantragt zur dritten Beratung: 1. in § 1 Satz 1 wird die Ausschußfassung wiederhergestellt; 2. in § 4 werden die Worte „1. Juni 1960" durch die Worte „1. April 1960" ersetzt. ({0}) Die SPD-Fraktion beantragt zu dem Antrag unter Ziffer 2 namentliche Abstimmung.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Wir stehen in der allgemeinen Aussprache zur dritten Lesung. Wird das Wort weiter gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die allgemeine Aussprache. Ich rufe § 1 auf. Hierzu ist beantragt, in Abs. 1 Satz 1 die Ausschußfassung wiederherzustellen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das zweite war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Ich komme zu § 4. Der Antrag geht dahin, die Worte „ 1. Juni 1960" durch die Worte „1. April 1960" zu ersetzen. Dazu ist namentliche Abstimmung beantragt. Der Antrag auf namentliche Abstimmung wird von mehr als 50 Mitgliedern unterstützt. Wir stimmen über den Änderungsantrag in namentlicher Abstimmung ab. 6292 Vizepräsident Dr. Jaeger Meine Damen und Herren, ich gebe das Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den in dritter Lesung eingebrachten Änderungsantrag der Fraktion der SPD zu § 4 bekannt. Von uneingeschränkt Stimmberechtigten sind 403 Stimmen abgegeben worden. Mit Ja haben 180, mit Nein 223 Abgeordnete gestimmt. Keine Enthaltungen. Der Antrag ist abgelehnt. Von den Berliner Abgeordneten haben 13 mit Ja, 6 mit Nein gestimmt, einer hat sich der Stimme enthalten; das sind zusammen 20 Stimmen. Ja CDU/CSU Jahn ({0}) Kramel Stauch Dr. Werber SPD Frau Albertz Altmaier Dr. Arndt Auge Dr. Baade Bach Dr. Bärsch Bäumer Bals Bauer ({1}) Baur ({2}) Bazille Dr. Bechert Behrendt Behrisch Frau Bennemann Bergmann Berkhan Berlin Bettgenhäuser Frau Beyer ({3}) Dr. Bleiß Börner Dr. Brecht Bruse Büttner Cramer Dr. Deist Dewald Diekmann Frau Döhring ({4}) Dröscher Frau Filers ({5}) Eschmann Faller Folger Franke Dr. Frede Frenzel Geritzmann Haage Hamacher Hansing Dr. Harm Hauffe Heide Heiland Dr. Dr. Heinemann Hellenbrock Frau Herklotz Hermsdorf Herold Höcker Höhmann Höhne Hörauf Frau Dr. Hubert Iven ({6}) Jacobi Jahn ({7}) Jürgensen Junghans Jungherz Frau Keilhack Frau Kettig Killat ({8}) Kinat ({9}) Könen ({10}) Koenen ({11}) Kraus Dr. Kreyssig Kriedemann Kühn ({12}) Kurlbaum Lange ({13}) Lantermann Leber Lohmar Ludwig Lücke ({14}) Lünenstraß Marx Matzner Meitmann Dr. Menzel Merten Metter Metzger Dr. Meyer ({15}) Meyer ({16}) Frau Meyer-Laule Dr. Mommer Müller ({17}) Müller ({18}) Frau Nadig Odenthal Ollenhauer Peters Pöhler Pohle Prennel Priebe Regling Reitzner Frau Renger Ritzel Rhode Frau Rudoll Ruhnke Dr. Schäfer Scheuren Dr. Schmid ({19}) Dr. Schmidt ({20}) Schmidt ({21}) Schmitt ({22}) Schröder ({23}) Seidel ({24}) Seither Frau Seppi Stenger Stierle Sträter Striebeck Frau Strobel Theil ({25}) Theis ({26}) Wagner Wegener Welke Weltner ({27}) Frau Wessel Wienand Wilhelm Wischnewski Wittrock Zühlke Berliner Abgeordnete Frau Berger-Heise Dr. Königswarter Frau Krappe Mattick Neubauer Neumann Scharnowski Schröter ({28}) Schütz ({29}) Dr. Seume Frau Wolff ({30}) FDP Dr. Achenbach Dr. Atzenroth Dr. Bucher Dr. Dehler Döring ({31}) Dowidat Dürr Eberhard Eilers ({32}) Frau Friese-Korn Dr. Kohut Kreitmeyer Kühn ({33}) Lenz ({34}) Mauk Dr. Mende Dr. Miessner Mischnick Freiherr von Mühlen Rademacher Dr. Rutschke Dr. Schneider ({35}) Schultz Spitzmüller Dr. Stammberger Dr. Starke Walter Zoglmann Berliner Abgeordnete Frau Dr. Dr. h. c. Lüders DP Logemann Matthes Dr. Schranz Tobaben Nein CDU/CSU Frau Ackermann Graf Adelmann Dr. Adenauer Dr. Aigner Baier ({36}) Baldauf Dr. Balke Balkenhol Dr. Bartels Dr. Barzel Bauer ({37}) Bauknecht Bausch Becker ({38}) Berberich Berger Dr. Bergmeyer Dr. Besold Dr. Birrenbach Fürst von Bismarck Frau Dr. Bleyler Blöcker Frau Blohm von Bodelschwingh Dr. Böhm Brand Frau Brauksiepe Brese Frau Dr. Brökelschen Brück Burgemeister Caspers Dr. Conring Dr. Czaja Demmelmeier Deringer Diebäcker Diel Dr. Dollinger Drachsler Draeger Dr. Dresbach Dr. Eckhardt Ehren Eichelbaum Dr. Elbrächter Engelbrecht-Greve Frau Engländer Enk Eplée Dr. Even ({39}) Even ({40}) Finckh Dr. Franz Franzen Dr. Frey Dr. Fritz ({41}) Fritz ({42}) Fuchs Frau Dr. Gantenberg Gedat Gehring D. Dr. Gerstenmaier Gewandt Gibbert Giencke Dr. Gleissner ({43}) Glüsing ({44}) Dr. Götz Goldhagen Gontrum Gottesleben Günther Freiherr zu Guttenberg Hackethal Häussler Hahn Dr. Hahne Dr. von Haniel-Niethammer Harnischfeger Dr. Hauser Dr. Heck ({45}) Heix Dr. Graf Henckel Dr. Hesberg Hesemann Heye Höcherl Dr. Höck ({46}) Höfler Huth Dr. Jaeger Dr. Jordan Josten Dr. Kanka Kemmer Dr. Kempfler Kirchhoff Kisters Dr. Kliesing ({47}) Dr. Knorr Koch Dr. Kopf Krammig Kroll Krüger ({48}) Krüger ({49}) Krug Frau Dr. Kuchtner Kühlthau Kunst Kuntscher Leicht Lenz ({50}) Lenze ({51}) Leonhard Lermer von Lindeiner-Wildau Dr. Lindenberg Dr. Löhr Lücke ({52}) Lücker ({53}) Maier ({54}) Majonica Dr. Baron Manteuffel-Szoege Dr. Martin Maucher Meis Memmel Mengelkamp Menke Mensing Meyer ({55}) Mick Muckermann Mühlenberg Müser Nellen Nieberg Niederalt Frau Niggemeyer Oetzel Pelster Dr. h. c. Pferdmenges Dr. Pflaumbaum Dr. Philipp Pietscher Frau Pitz-Savelsberg Frau Dr. Probst Dr. Reinhard Dr. Reith Richarts Riedel ({56}) Frau Rösch Rösing Rollmann Dr. Rüdel ({57}) Ruf Ruland Schäffer Scheppmann Schlee Schlick Dr. Schmidt ({58}) Frau Schmitt ({59}) Schneider ({60}) Dr. Schröder ({61}) Schüttler Schütz ({62}) Schulze-Pellengahr Schwarz Frau Dr. Schwarzhaupt Dr. Schwörer Dr. Seffrin Dr. Serres Siebel Dr. Siemer Simpfendörfer Solke Spies ({63}) Spies ({64}) Dr. Stecker Stiller Dr. Stoltenberg Storch Dr. Storm ({65}) Storm ({66}) Strauß Struve Stücklen Teriete Varelmann Vehar Vogt Wacher Dr. Wahl Frau Dr. h. c. Weber ({67}) Dr. Weber ({68}) Wehking Weinkamm Frau Welter ({69}) Wendelborn Werner Wieninger Dr. Wilhelmi Dr. Willeke Winkelheide Dr. Winter Wittmann Wittmer-Eigenbrodt Worms Dr. Wuermeling Wullenhaupt Dr. Zimmer Dr. Zimmermann Berliner Abgeordnete Benda Dr. Gradl Hübner Dr. Krone Frau Dr. Maxsein Stingl DP Dr. Preiß Dr. Schild Enthalten FDP Berliner Abgeordnete Dr. Will Wir kommen jetzt zur Schlußabstimmung. Ich erteile das Wort zu einer Erklärung zur Schlußabstimmung dem Abgeordneten Schmitt ({70}).

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002033, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da der Gesetzentwurf gegenüber der Regierungsvorlage Verbesserungen aufweist, werden wir trotz der Ablehnung unserer Anträge dem Gesetzentwurf in dritter Lesung zustimmen. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Wird weiter das Wort zu Erklärungen gewünscht? - Herr Abgeordneter Kühn!

Walther Kühn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001246, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für die Fraktion der Freien Demokraten gebe ich die gleiche Erklärung ab. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort wird weiter nicht gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem in der Schlußabstimmung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimme. - Enthaltungen? - Keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen. ({0}) Wir kehren nunmehr zurück zur bereits aufgerufenen zweiten Beratung des Haushaltsgesetzes 1960. Wünscht der Berichterstatter noch das Wort? - Das ist nicht der Fall. Ich rufe auf §§ 1, - 2, - 3, - 4, - 5 - und 6. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Es ist so beschlossen. Ich rufe auf § 7. Dazu liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 525 vor. Das Wort hat der Abgeordnete Kreitmeyer.

Reinhold Kreitmeyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001210, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Das Anliegen der Freien Demokraten - damit ich Sie von vornherein beruhige - kostet Sie keinen Pfennig Geld. Aber das Anliegen ist außerordentlich wichtig. Vor vielen Jahren haben sich schon heftige Kämpfe darum abgespielt, endlich dem Haushalt die notwendige Klarheit zu geben, die es auch dem sogenannten Nichtexperten ermöglicht, durchzuschauen. Dabei ist zu beachten, daß die Übertragbarkeit der Ausgabenreste an eine entscheidende Bedingung geknüpft ist; sie soll nämlich eine sparsame Bewirtschaftung ermöglichen. Es ist selbstverständlich nichts Ungewöhnliches, daß Ausgabenreste im Laufe der Haushalte entstehen. In den Jahren 1924 bis 1930 betrugen die Ausgabenreste im Verhältnis zum Gesamtvolumen 3,8 %, 6 %, 8,2 %, 7,1 %, 4 %, 1,7 % und 2,2 %. Diese Ausgabenreste kann man wohl noch als normal bezeichnen. Hingegen sind die Zahlen aus der jüngsten Vergangenheit unserer Haushaltsgebarung - aus den Jahren 1950 bis 1955 - denen der Weimarer Republik noch vergleichbar. Sie betrugen damals 1,8 %, 2,1 %, 3,1 %, 3 % und 5,3%. Aber in den Jahren 1955, 1956, 1957 haben die Haushaltsreste doch eine erheblich andere Größenordnung angenommen: sie betragen zunächst 21,8 % des Haushaltsvolumens, gehen dann etwas zurück auf 16,3 % und steigen wieder auf 20,9 % an. Das Gefährliche an den Resten ist, daß bei den Nichteingeweihten mitunter der Eindruck entsteht, es handele sich um Kassenreste, die irgendwie zur Seite geschafft worden seien, und nicht um Ausgabeermächtigungen, hinter denen leider in der Regel keine Deckung mehr steht. Sie haben die unangenehme Eigenschaft, sich zu summieren, wenn sie nicht abgebaut werden. Dieser Abbau ist eine in jedem Kabinett schwer umkämpfte Angelegenheit; denn jeder Minister besteht nun einmal auf seinem Schein. Am Ende des Haushaltsjahres 1958 betrugen die Reste 10 Milliarden DM. Am Ende des Jahres 1959 hat sich daran nicht sehr viel gebessert. Die Ausgabenreste haben zweifellos zu den Überhitzungserscheinungen im Hochbau mit beigetragen. Wenn man ähnliche Vorkommnisse vermeiden will, sollte man die Reste kurzerhand beseitigen. Eine solche Streichung zwingt selbstverständlich zum Neu-durchdenken der Anliegen, zur Überprüfung der Dringlichkeit der Aufgaben; sie ermöglicht aber auch wieder eine echte Kontrolle durch das Parlament, und diese sollte für uns alle das Entscheidende sein. Der Milliardenturm von Ausgabeermächtigungen hat bei jeder Haushaltsberatung nicht zuletzt auch dazu beigetragen, daß dringend notwendige Reformen, besonders im Steuerwesen, unterlassen wurden. Ich will nicht verkennen, daß § 7 des jetzigen Haushaltsgesetzes versucht, der Reste Herr zu werden. Aber in diesem Verfahren werden sie noch lange Jahre hingeschleppt werden müssen. Denn auch dieser Paragraph gibt uns keine Sicherung dagegen, daß nicht schon im nächsten Jahr ein enormer Zuwachs an Haushaltsresten entsteht. Die FDP, Herr Finanzminister, stellt diesen Antrag in Ihrem Interesse. Wir wissen, Sie haben Schweres zu bewältigen. Wir möchten Ihnen den Rücken stärken. Wir möchten beispielhaft wirken und Ihnen alle Unterstützung geben bei dem Bemühen, die Konjunktur auf keinem Gebiet, soweit es die öffentliche Hand beeinflussen kann, mehr überschäumen zu lassen. Die Annahme des Antrags bedeutet keinerlei Eingriff in das bestehende Haushaltsvolumen. Sie bedeutet aber die Wiederherstellung des Rechtes des Parlaments und eine entscheidende Unterstützung für die Zukunft. Ich bitte Sie um Annahme. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.

Franz Etzel (Minister:in)

Politiker ID: 11000497

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mein Herr Voredner hat mit seinem Antrag ein Thema aufgegriffen, das ernst und schwerwiegend ist. Ich bin ihm dankbar dafür, daß er auf die Ernsthaftigkeit dieses Themas durch seinen Antrag noch einmal hingewiesen hat. Die verbleibenden Reste sind ein Problem für die Haushaltsbewirtschaftung, das dem Bundesfinanzminister viele Kopfschmerzen macht. Wir haben in allen Beratungen, in denen ich die Ehre hatte, als Finanzminister mitzuwirken, über das Problem der Reste gesprochen, und wir haben uns bemüht, mit diesem Problem fertig zu werden. Bevor ich im einzelnen zu dem Antrag Stellung nehme, möchte ich Ihnen zunächst ein paar Ziffern über den Stand der Reste nennen. Denn diese Kenntnis über den Stand der Reste und über die Resteentwicklung ist natürlich wichtig und entscheidend für Ihr Urteil über das Problem. Ich darf zunächst darauf hinweisen, daß die Reste Ende 1958 10,1 Milliarden DM betragen haben. Der Bundestag hat immer wieder gefordert, diese Reste abzubauen; das kann aber nur in mühevoller Kleinarbeit geschehen. Ende 1959, also ein Jahr später -nur für 1959 kann ich sprechen -, haben die Reste noch 7,3 Milliarden DM betragen. Diese Zurückführung auf 7,3 Milliarden DM bedeutet also ein Weniger von 2,8 Milliarden DM. Das Weniger betrifft vorwiegend den Verteidigungshaushalt, dessen Reste von 7,1 Milliarden DM auf 4,8 Milliarden DM, also um 2,3 Milliarden DM verkleinert worden sind. Die Reste der zivilen Haushalte haben sich von 3 Milliarden DM auf 2,5 Milliarden DM, also um 0,5 Milliarden DM verringert. Die 2,3 Milliarden DM und die 0,5 Milliarden DM machen zusammen die 2,8 Milliarden DM aus, von denen ich gesprochen habe. Die Resteverminderung, beim Verteidigungshaushalt allein 2,3 Milliarden DM, ist zum Teil dadurch möglich geworden, daß wir einen planmäßigen Abbau, insbesondere durch die Neudeckung der Reste, betrieben haben. Wir beabsichtigen, diese Politik fortzusetzen. Nun zielt der Antrag, den Herr Kollege Kreitmeyer hier vorgetragen hat, darauf ab, die Reste, die am Schluß des Rechnungsjahres 1959 noch im Betrag von voraussichtlich 7,3 Milliarden DM vorhanden sind, auf einen Betrag von 2,2 Milliarden DM zurückzuführen. Das bedeutet, daß ein Betrag von 5 bis 6 Milliarden DM getötet werden müßte. Ich wiederhole noch einmal die bereits abgegebene Erklärung, daß sich die Bundesregierung mit dem Hohen Haus in dem Ziele einig weiß, die überhöhten Ausgabereste des Bundeshaushalts sobald wie möglich auf eine normale Größenordnung zurückzuführen. Ich habe einmal in einer Haushaltsrede gesagt, daß mir Reste bis zur Höhe von 5-6 v. H. der Gesamtausgaben als normal erscheinen würden. Für das Rechnungsjahr 1960 sind wie im Rechnungsjahr 1959 wiederum 2 Milliarden DM zur Neudeckung der am Schluß des Vorjahres verbliebenen Ausgabereste veranschlagt. Auf diese Weise wird Bundesfinanzminister Etzel das erfolgreich angelaufene Verfahren eines planmäßigen und schrittweisen Abbaues der Ausgabereste fortgesetzt, insbesondere auch sichergestellt, daß sich der Abbau der Reste ohne finanzpolitisch bedenkliche Folgen vollziehen kann. Eine radikale Streichung der Ausgabereste bis auf einen Betrag von 2 Milliarden DM, wie sie jetzt beantragt wird, würde aber, da vielen Ausgaberesten rechtlich begründete Verpflichtungen gegenüberstehen - es sind ja Verpflichtungen da, Herr Kollege Kreitmeyer -, eine erneute Durchberatung des Haushaltsplans 1960 erforderlich machen. Wenn ich Sie recht verstanden habe, haben Sie das auch nicht verkannt. Wir müßten also jetzt mit einer neuen Beratung des Haushalts 1960 beginnen, und ein solches Unterfangen würde natürlich dahin führen, daß wir die dritte Lesung absetzen und uns in den Haushaltsausschuß zurückziehen müßten. Ich glaube nicht, daß das im Augenblick sehr sinnvoll ist. Der Betrag von 2 Milliarden DM müßte nach dem Grundsatz der Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit auf die verschiedenen Einzelpläne aufgeteilt werden. Das würde sehr viel Zeit kosten. Im übrigen würde die Streichung der 5 bis 6 Milliarden DM Ausgabereste dazu zwingen, bei vielen Ausgabepositionen neue Mittel zu veranschlagen, da ja - ich wiederhole das - zum Teil rechtsverbindlich über diese Positionen verfügt worden ist. Die Bundesregierung bittet aus diesen Gründen und nicht, weil wir im Sachlichen gegen das Anliegen wären - ich betone ausdrücklich, es ist ein Anliegen von hohem sachlichem Rang -, das mit Erfolg begonnene, vom Hohen Hause bei Verabschiedung des Haushaltsplans 1959 grundsätzlich gebilligte Verfahren eines planmäßigen und schrittweisen Abbaues der Ausgabereste nicht ohne zwingende Gründe und nicht mit Überstürzung zu ändern. Ich wäre daher dankbar, wenn dieser Antrag nicht angenommen würde. Aber nochmals Dank und Respekt vor dem Willen, der dahintersteht.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort wird nicht gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Änderungsantrag der FDP - Umdruck 525 - zu § 7 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das zweite war die Mehrheit; abgelehnt. Ich lasse abstimmen über § 7 in ,der Ausschußfassung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; angenommen. Ich rufe auf §§ 8, - 9, - 10, 11 und 12. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; angenommen. Ich rufe auf § 13 und dazu den Antrag Umdruck 556 und erteile das Wort zur Begründung dem Abgeordneten Hübner.

Karl Hübner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000973, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf dem Umdruck 556 wird Ihnen ein Änderungsantrag vorgelegt, ,der von Mitgliedern aller Fraktionen des Hohen Hauses unterzeichnet worden ist. Dieser Änderungsantrag sieht die Einfügung eines neuen, zusätzlichen Absatzes in den § 13 des Haushaltsgesetzes vor und will damit eine Hinausschiebung der Frist - vom 31. März 1960 auf den 30. September 1960, also um ein halbes Jahr - in § 18 a des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Art. 131 des Grundgesetzes fallenden Personen erreichen. Ich darf Ihnen dazu kurz sagen, daß es sich dabei darum handelt, neue Planstellen zu schaffen für die Unterbringung von Angehörigen dieses Personenkreises nach ,dem Gesetz zu Art. 131 des Grundgesetzes und um die Umwandlung von Planstellen in den Fällen, in denen Angehörige dieses Personenkreises bisher auf einer Planstelle nur unterwertig beschäftigt waren. Zusätzliche Haushaltsmittel werden bei Annahme 'dieses Antrages nicht benötigt; vielmehr sind die Mittel bereits eingeplant worden. Die Unterzeichner bitten Sie, ,den Antrag anzunehmen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Meine Damen und Herren! Wird ,das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Änderungsantrag der Abgeordneten Kühlthau, Hübner, Matzner, Kühn ({0}), Dr. Schranz auf Umdruck 556, der soeben begründet worden ist, zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit. Es ist so beschlossen. ({1}) - Bei ,der Einzelabstimmung im allgemeinen nicht. Ich stelle fest, daß eine große Zahl von Enthaltungen zu verzeichnen war. Ich lasse abstimmen über § 13, Ausschußfassung, mit soeben beschlossener Änderung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um .die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Angenommen. Ich rufe auf §§ 13 a bis 33 mit Einleitung und Überschrift. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen sowie Einleitung und Überschrift zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Angenommen! Damit ist die zweite Beratung des Haushaltsgesetzes erledigt. Nach den Abmachungen im Ältestenrat folgt nunmehr die Dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1960 (Haushaltsgesetz 1960 ({2}). Ich eröffne die allgemeine Aussprache und erteile das Wort dem Abgeordneten Schoettle.

Erwin Schoettle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002061, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zu Beginn dieser allgemeinen Aussprache auf etwas zurückblenden, was sich heute vormittag hier im Hause abgespielt hat. Ich darf die Frage stellen, ob dieses Haus, das zwar offenbar die Vereidigung von Ministern als Statisterie mitzuerleben hat, nicht auch einen Anspruch darauf hätte - obwohl darüber im Grundgesetz und sonstwo keine rechtsverbindlichen Aussagen gemacht sind -, von der Entlassung eines Ministers wenigstens offiziell Kenntnis zu erhalten, ({0}) um es nicht erst aus den Zeitungen erfahren zu müssen. ({1}) Mir scheint, daß das nicht nur eine Frage des Stils, sondern etwas mehr eine Frage nach dem Respekt vor dem Parlament ist. ({2}) Nun zum Haushalt selbst. Dieser Bundeshaushalt 1960 ist der erste Bundeshaushalt, der die 40-Milliarden-Grenze überschreitet. Es ist mit knapper Not gelungen, ihn davor zu bewahren, daß er die 41-Milliarden-Grenze erreicht oder überschreitet. Das ist eine Feststellung, die notwendig ist, um klarzumachen, daß die Entwicklung des Bundeshaushalts beinahe ohne Unterbrechung in der schon so oft beanstandeten Richtung weitergeht, nämlich nach oben. Und wenn man den Bemerkungen des Herrn Bundesfinanzministers bei einem anderen Anlaß glauben darf - und es besteht kein Grund, es zu bezweifeln -, ist zu erwarten, daß der Haushalt für 1961 keine Ausnahme von dieser Tendenz macht. Die Beratung des Bundeshaushalts - und das ist ja nichts Neues wird in ihrem Wesen dadurch bestimmt, daß wir im Grunde genommen sehr wenig wirklichen Einfluß auf den Inhalt des Haushalts haben. Rund 80 % des Gesamtvolumens liegen fest. Sie sind entweder durch den Gesetzgeber, also durch dieses Haus, oder durch andere Ansprüche so fixiert, daß an den Größenordnungen kaum etwas Entscheidendes geändert werden kann. Für den Rest von etwa 20 Oio sind allenfalls bescheidene, aber nicht wirklich zu Buch schlagende Änderungen durch die Beratungen und Beschlüsse dieses Hauses und seiner Ausschüsse möglich. Der Spielraum ist also bescheiden. Diese skeptische Bemerkung ist notwendig, weil sie im Gegensatz zu vielen, vielen Äußerungen in der Öffentlichkeit steht, die gerade im Hinblick auf den Haushalt und die Ausgabenwirtschaft des Bundes dem Parlament gelegentlich vorwerfen, daß es allzu ausgabefreudig sei. Meine Bemerkung über den engen Spielraum für die parlamentarischen Beratungen gilt nicht nur für die Ausgaben. Sie gilt auch für die Einnahmen, obwohl das angesichts dessen, was sich bei der Beratung im Haushaltsausschuß gerade im Einnahmenbereich getan hat, als ein Widerspruch erscheinen könnte. Die Einnahmeseite ist bekanntlich durch Beschlüsse des Ausschusses, die auf Anregung der Bundesregierung gefaßt worden sind, beträchtlich erhöht worden. Aber bei Licht besehen hat auch die Einnahmeseite unseres Bundeshaushalts einen statischen Charakter; denn variabel sind lediglich die Schätzungen, nicht die Quellen der Einnahmen. Das ist ein entscheidender Punkt. Bei der Festlegung der Schätzungen, die man je nach Bedarf und Situation mal nach oben, mal nach unten entwickeln kann, handelt es sich nicht um eine finanzpolitische Entscheidung; hier werden lediglich die voraussichtlichen Möglichkeiten des Bundesfiskus, aus dem wachsenden Steueraufkommen zu profitieren, ermittelt. Die finanzpolitischen Entscheidungen werden in unserem System bei der Verabschiedung der Steuergesetze getroffen. Diese Gesetze dauern bekanntlich von Ewigkeit zu Ewigkeit, sofern es nicht dem Gesetzgeber oder dem Bundesfinanzminister - als dem Anreger - gefällt, Änderungen vorzuschlagen. Der Finanzminister hat also seine Einnahmen schon kraft der Gesetze, und er muß sich nicht jedes Jahr, wie das in anderen Ländern der Fall ist, den Kopf darüber zerbrechen, wo er die Einnahmen hernimmt. Gewiß, das Kopfzerbrechen des Finanzministers ist trotzdem da; das läßt sich nicht leugnen. Aber es hat einen anderen Charakter als z. B. das des Schatzministers in England. Wenn also zum Ausgleich des vorliegenden Bundeshaushalts die ursprünglichen Einnahmeschätzungen des Regierungsentwurfs nach Beratungen mit den wirtschaftswissenschaftlichen Instituten und mit einer Reihe von anderen Sachverständigen um 1342 Millionen DM erhöht worden sind, so ist das , lediglich der Ausdruck der Hoffnung, daß die Steuereingänge auf Grund einer fortdauernden Hochkonjunktur auch im Jahre 1960 weiter steigen und die Höhe erreichen werden, die man bei den Schätzungen ermittelt hat. Mit der Finanzpolitik des Bundes hat das praktisch nicht viel zu tun. Der Haushalt 1960 ist der erste, bei dem das Haushaltsjahr mit dem Kalenderjahr abschließt. Seine Summen sind zwar für volle 12 Monate berechnet; davon ist heute schon in einem anderen Zusammenhang gesprochen worden. Das Haushaltsgesetz bestimmt aber, daß nur 75 % der Ansätze verbraucht, daß also nur 9 Monate finanziell bedient werden dürfen. Das Haus wird das Vergnügen haben, in diesem Jahr noch eine zweite Haushaltsberatung - nämlich für 1961 - durchzuführen. Wie das bewältigt werden kann, steht auf einem anderen Blatt. Aber es ist die Folge des Beschlusses, das Haushaltsjahr 1960 an das Kalenderjahr anzugleichen. Die Angleichung des Haushaltsjahres an das Kalenderjahr ist eine erste sehr bescheidene Abschlagszahlung auf die längst fällige Reform unseres Haushaltsrechts. Ich will das hier nur im Vorbeigehen erwähnen. Die gegenwärtig noch geltende Reichshaushaltsordnung stammt aus einer Zeit, in der die öffentlichen Haushalte in der gesamten Volkswirtschaft nicht dieselbe Funktion hatten, die sie heute haben. Diese Zeit liegt sehr weit zurück. Es wäre allmählich an der Zeit, die Vorarbeiten für die Erneuerung unseres Haushaltsrechts zu einem wirklichen Abschluß zu führen. Warum das so lange verzögert worden ist, ist eigentlich nicht recht einzusehen. Die Vorarbeiten sind nämlich schon seit einer Reihe von Jahren im Gange. Nun zum Haushalt selber! Er ist ausgeglichen, wie das Gesetz es befiehlt. Eine andere Frage ist, wie der Ausgleich erzielt wurde. Während der Beratungen im Haushaltsausschuß spielten sich einige Dinge ab, die im Endeffekt das Haushaltsvolumen um eine gute Milliarde erhöht hätten, wenn nicht zu sehr drastischen Verschiebungen bei einzelnen Positionen gegriffen worden wäre. Der Herr Bundesfinanzminister, der einmal erklärt hat, daß er an der unheilvollen Treppe der ständig wachsenden Haushalte nicht weiterbauen wolle, konnte nicht umhin, doch seinen eigenen Beitrag zu diesem Treppenbau zu leisten. Er tat das, ich bin davon überzeugt, nicht aus freien Stücken, sondern der Not und in einigen Fällen einer höheren Gewalt folgend. ({3}) Wenn es schließlich doch gelungen ist, die Vergrößerung des Gesamtvolumens des Haushalts auf 45 Millionen DM zu begrenzen, so liegt das daran, daß der außerordentliche Haushalt durch Herübernahme wesentlicher Positionen in den ordentlichen Haushalt um etwas über eineinhalb Milliarden DM gesenkt werden konnte. Der ordentliche Haushalt allerdings erhöht sich um 1550 Millionen DM. Außerdem ist durch die drastische Erhöhung der Globalsperre für alle nicht rechtsgebundenen Haushaltsansätze auf 10 °/o eine sehr erhebliche Minderausgabe, nämlich von 418 Millionen DM, auf dem Papier erzielt worden. Man kann der Meinung sein, daß die Methode, Haushaltsansätze zu veranschlagen und sie dann im Haushaltsgesetz und im Einzelplan 60 um 10 % zu kürzen, auf die Dauer nicht möglich ist; daß es eine sehr brutale Methode ist, weil sie alles über einen Leisten schlägt und im Grunde genommen eine wirkliche Gestaltung und Beeinflussung der einzelnen Ansätze unmöglich macht und auch ein falsches Bild vom Haushalt gibt. Ich glaube, wir müssen sehr bald zu einer Änderung des Verfahrens kommen, indem wir nämlich realistische, den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechende Haushaltsansätze veranschlagen, ({4}) damit der Haushalt auch wirklich wahr ist und auf den ersten Blick als wahr erscheint. Die Kollegen von der CDU-Fraktion haben ja einen Antrag in dieser Richtung eingebracht. Man wird darüber noch zu sprechen haben, auch aus anderen Gründen. Schließlich hat man durch die Senkung des Anleihebedarfs im außerordentlichen Haushalt auch noch eine Viertelmilliarde gewonnen, die durch einen Minderbedarf für Begebungskosten und Verzinsung von Anleihen eingespart werden kann. Durch diese und eine Reihe von anderen kleinen Transaktionen zusammen mit den schon erwähnten Erhöhungen der Steuerschätzungen auf Grund neuer Ermittlungen und auf Grund eines optimistischeu Ausblicks auf die Entwicklung der Konjunktur und des Sozialprodukts ist es schließlich gelungen, die Mehrausgaben bis auf den Betrag von 45 Millionen DM aufzufangen. Hinzuzufügen ist, daß - im Gegensatz zu der auch jetzt wieder da und dort in der Presse aufgetauchten Behauptung vom „ausgabefreudigen Parlament" - die Mehrausgaben, die diese ganze Prozedur in Gang setzen mußten und den Haushaltsausgleich zunächst in Frage stellten, teils von der Regierung selbst vorgeschlagen, teils von ihr akzeptiert worden sind. Bei dieser Gelegenheit möchte ich übrigens noch auf zwei Dinge hinweisen, die ebenfalls mit .den Haushaltsberatungen und mit dem Haushaltsausgleich im Zusammenhang stehen. Das sind einmal die Steuerschätzungen, die ich schon vorhin gestreift habe und die ich jetzt noch einmal in einem anderen Zusammenhang betrachten möchte. Es ist kein Geheimnis, daß man in der zuständigen Abteilung des Bundesfinanzministeriums schon bei der Aufstellung des Haushalts, zum mindesten aber zur Zeit der Einbringung überzeugt war, daß das Steueraufkommen wesentlich höher sein würde, als es der Regierungsentwurf zunächst festgesetzt hat. Über die Gründe, die zu den ursprünglich niedrigeren Ansätzen geführt haben, kann man nur spekulieren. Vermutlich galten sie der Abwehr bestimmter Forderungen an den Bundeshaushalt. Ob eine solche Überlegung legitim ist oder nicht, will ich im Augenblick nicht untersuchen. Aber man sollte doch die Haushaltswahrheit auch bei den Einnahmen annähernd erreichen und nicht erst unter äußerstem Zwang zugeben. Das gilt übrigens auch für gewisse Ausgaben. Wir haben im Zusammenhang mit der Beratung des Gesetzentwurfs über die Neuregelung der Beamtenbesoldung mindestens eine Feststellung getroffen: daß gerade in den Personaltiteln des Bundeshaushalts und vielleicht auch an anderen Stellen eine beträchtliche Anzahl von Fettpolstern vorhanden sind, von Reserven, die man nicht offenlegt, die nur fei Gelegenheit einmal sichtbar werden. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß da eine gewisse Vorratswirtschaft getrieben wird, der man einmal etwas näher auf den Leib rücken müßte. ({5}) Zum anderen ist es kein Geheimnis, daß der Herr Bundesfinanzminister in mehrfacher Hinsicht einem Druck nachgeben mußte, der auf ihn dadurch ausgeübt wurde, daß Interessentengruppen bei direkten Interventionen beim Regierungschef von diesem Zusagen erhielten, die der Minister dann mit saurer Miene honorieren mußte. ({6}) Wie immer man zu diesen Interessentenwünschen auch stehen mag, das Verfahren ist weder schön noch finanzpolitisch richtig. Die Methoden des Regierungschefs haben auf keinen Fall die Stellung des Finanzministers gestärkt, ({7}) und er hat auch selber seinem Gefühl dafür Ausdruck gegeben. Man kann es schon als eine Art Flucht in die Öffentlichkeit ansehen, wenn Herr Etzel am 10. März vor der Industrie- und Handelskammer von Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf erklärt hat, daß der Finanzminister kein Veto gegen Beschlüsse des Parlaments oder der Bundesregierung oder des Bundeskanzlers habe, die zu Mehrausgaben oder verminderten Einnahmen führten, wobei ich annehme, daß die Betonung gerade in diesem Fall auf dem Wort „Bundeskanzler" lag; wenigstens konnte man das kaum überhören. ({8}) In dieser Düsseldorfer Rede hat Herr Etzel übrigens eine Bemerkung gemacht, an die ich meinerseits eine Schlußfolgerung knüpfen möchte. Herr Etzel hat dort gesagt, man könne keine Finanzpolitik machen, ohne eine politische Vorstellung vom Rang der großen öffentlichen Ausgaben untereinander und nebeneinander zu haben. In diesem Punkt bin ich mit ihm einer Meinung. Und ich kann ihm auch darin, daß Meinungsgegensätze über den Rang der öffentlichen Ausgaben zu den unentbehrlichen und beweglichen Kräften des politischen Lebens gehören - er sprach das im gleichen Zusammenhang aus -, nur zustimmen; denn gerade dieser Meinungsgegensatz hinsichtlich der Rangordnung der verschiedenen öffentlichen Ausgaben bestimmt die Haltung der Sozialdemokratie zum Bundeshaushalt und seinen Einzelheiten. ({9}) Daß wir im Haushaltsausschuß und bei der zweiten Beratung hier im Plenum zu einer Reihe von Einzelplänen Anträge gestellt haben, haben wir nicht getan, um die Ausgabenseite des Bundeshaushalts in die Höhe zu treiben. Die Milchmädchenrechnung, die in den vergangenen Jahren mit den verschiedenen sozialdemokratischen Anträgen immer wieder veranstaltet wurde, um uns finanzpolitische Verantwortungslosigkeit anzudichten, sollte doch wohl nicht wiederholt werden. Denn soviel ist klar, meine Damen und Herren: was wir mit unseren Anträgen gewollt haben und was wir, soweit wir sie in der dritten Lesung wiederholen, weiterhin wollen, ist eine andere Setzung der Akzente im Bundeshaushalt. ({10}) Die Mehrheit hat unsere Anträge fast sämtlich abgelehnt, weil sie eine andere Verteilung der Gewichte beschlossen hat und für richtig hält. ({11}) - Herr Kollege Aigner, wenn Sie die Haushaltsberatungen sorgsam verfolgt haben, werden Sie wissen, daß die Sozialdemokraten in der .Tat solche Vorschläge gemacht haben. ({12}) - Ich habe nicht die Absicht, mich jetzt mit Ihnen in eine Polemik oder ein Zwiegespräch einzulassen; wir können uns darüber ja gelegentlich unterhalten. Wir sind nach wie vor der Meinung, daß z. B. - auch das gehört zu dieser Rangordnung - eine verstärkte Förderung der wissenschaftlichen Forschung weit über das jetzige Ausmaß hinaus eine Aufgabe des Bundes von zentralem Rang ist. ({13}) Ich will hier gar nicht den ganzen Katalog unserer Anträge herbeten, sondern nur einige Stichworte von mehr oder weniger finanziellem Gewicht nennen. Wir sind der Meinung, daß z. B. die Verstärkung der Bereitschaftspolizeien der Länder mit Hilfe des Bundes eine wichtige Aufgabe ist, ({14}) gerade wenn man von der Sicherheit redet, und daß angesichts der Ereignisse um die Weihnachtszeit herum mit den bekannten Hakenkreuz-Schmierereien die Verstärkung der Bemühungen um staatsbürgerliche Aufklärung eine Erhöhung der Mittel für die Bundeszentrale für Heimatdienst durchaus rechtfertigt, ja notwendig macht. Hier handelt es sich sicher um ganz verschiedene Größenordnungen. Aber diese Anträge sind ja alle abgelehnt worden, weil Sie andere Vorstellungen vom Gewicht und von der Rangordnung der Aufgaben haben. Zum Beispiel müßten im Einzelplan 36 - Zivile Notstandsplanung - die Mittel für Krankenhäuser, Notunterkünfte, Hilfskrankenhäuser usw. verstärkt werden. Wenn man wirklich eine ernsthafte Vorbereitung des Schutzes der Zivilbevölkerung will, muß man hier Farbe bekennen und muß eben entsprechende Mittel investieren. Ich habe, wie gesagt, keinen vollständigen Katalog unserer Wünsche geben wollen, sondern nur einige besonders gravierende Punkte erwähnt. Einen Teil unserer Anträge aus der zweiten Beratung werden wir in der dritten Beratung wieder aufnehmen, zu einem erheblichen Teil mit der Gewißheit, daß die Mehrheit sie ablehnen wird. Auf zwei Anträge möchte ich allerdings schon hier aufmerksam machen. Wir werden Sie auch in der dritten Beratung noch einmal vor die Frage stellen, ob Sie tatsächlich die 23 Millionen DM, die von den Vorschlägen des Wissenschaftsrates abgestrichen worden sind, nicht doch noch bewilligen wollen. Wir sind der Meinung, daß hier in der Tat eine große Aufgabe in Ansätzen angefangen worden ist und daß sie nicht schon am Anfang durch eine kleinliche Streichung von Beträgen gehemmt werden sollte, die im Rahmen des Gesamthaushalts wirklich nicht zu Buch schlagen. ({15}) Wir werden Sie noch einmal vor die Frage stellen - darauf hat Herr Reitzner heute morgen schon aufmerksam gemacht -, ob Sie nicht angesichts der Flucht zahlloser Bauern aus der sowjetisch besetzten Zone die Möglichkeiten einer Hilfe für diesen Personenkreis durch die Erhöhung der Mittel für die Förderung ländlicher Siedlungen im Einzelplan 10 um 30 Millionen DM dokumentieren wollen. Gerade in diesem Fall könnte den Worten des Protestes und der Anklage sehr schnell eine praktische Tat folgen. ({16}) Dabei sind wir uns völlig über die Schwierigkeiten klar, die bei der Realisierung bestehen. Gerade weil wir diese Schwierigkeiten kennen genau wie Sie -, glauben wir aber, daß man hier etwas Ernsthaftes an den Anfang setzen muß. Meine Damen und Herren, wir werden auch unsere, in der zweiten Beratung wie schon von jeher abgelehnten Anträge zu den Geheimtiteln Lin Haushalt des Bundeskanzlers und des Innenministers wieder aufnehmen. Sie werden von der Mehrheit, dessen bin ich nahezu gewiß, wiederum abgelehnt werden. Wir geben Ihnen aber zu bedenken, ob es angesichts des ständigen Wachstums dieser Geheimtitel und des mit ihnen verbundenen Verdachts eines parteipolitischen Mißbrauchs auf die Dauer nicht doch zweckmäßiger wäre, hier eine Kontrolle des Parlaments zu ermöglichen, die ungefähr dem entspricht, was z. B. schon seit einigen Jahren beim Bundesnachrichtendienst Praxis geworden ist, ohne daß dadurch der Sache irgendwie geschadet worden ist. ({17}) Außerdem wäre angesichts der Methoden des Chefs der Bundesregierung, der von sich selber gesagt hat, daß er im Gebrauch der Macht nicht pingelig sei, und der soeben noch in Karlsruhe beim allseitigen Austeilen von Zensuren den Mitgliedern seiner eigenen Bundestagsfraktion erklärt hat, daß sie auch schon verbürokratisiert seien, eine parlamentarische Kontrolle der ihm zur Verfügung stehenden Mittel durchaus angemessen. ({18}) In einer seiner früheren Haushaltsreden und Anfang März wieder in Düsseldorf hat der Bundesfinanzminister sich erneut mit einem Problem beschäftigt, das in der Tat im Aufbau des Bundeshaushalts und in seinem Volumen eine beträchtliche Rolle spielt. Es ist das Problem der Subventionen. Die Verminderung der Subventionen bezeichnete Herr Etzel als einen Teil der Aufgabe, die Ausgaben des Bundes niedrig zu halten. Wir sind mit ihm der gleichen Meinung. Wir sind uns auch nicht im unklaren darüber, daß man, wo immer man das Problem anpackt, dem Widerstand der betroffenen Kreise begegnen wird. Das ist selbstverständlich; darüber haben wir nie einen Zweifel gehabt und vermutlich auch niemand sonst in diesem Hause. Wir glauben aber, daß einmal ein Anfang gemacht werden muß. Das dauernde Mundspitzen hilft hier keinen Schritt weiter; man muß endlich auch einmal ernsthaft pfeifen wollen. ({19}) Die Denkschrift des Bundesfinanzministeriums über die Subventionen von Mitte 1959 hat außer einer rein arithmetischen Darstellung des Umfangs der Subventionen nichts gebracht, nicht einmal eine eindeutige Klarstellung des Begriffs der Subvention, die schließlich auch einmal erforderlich ist, wenn man an das Problem selbst herangehen will. In mancher Hinsicht erschien diese Denkschrift eher als der Versuch des Nachweises, daß man eigentlich nichts machen könne. Ich habe bei gründlichem Studium dieser Denkschrift vergeblich versucht, einen Anhaltspunkt dafür zu finden, wo man denn nun einmal anpacken könnte. Aber es ist in der Tat nichts zu finden gewesen. Wenn 'die Zahlen, die der Herr Bundesfinanzminister in seiner Denkschrift und in seiner Düsseldorfer Rede genannt hat, einigermaßen richtig sind, dann handelt es sich bei den Beträgen, die man angehen kann, mindestens um eine Summe zwischen 6 und 7 Milliarden DM, die 'der Prüfung. zugänglich ist. Das ist schon eine ganze Menge. Wenn man davon die Hälfte oder vielleicht auch nur anderthalb Milliarden DM ausräumen könnte, dann wäre das auch schon etwas, Dann wäre das eine beträchtliche Erweiterung des Spielraumes für die Haushalts- und Finanzpolitik des Bundes. Die sozialdemokratische Fraktion legt Ihnen einen Entschließungsantrag vor, 'der darauf hinaus will, daß aus den Mitgliedern des Haushaltsausschusses und der beteiligten Fachausschüsse ein Ausschuß gebildet werden soll, der die begrenzte, auch zeitlich zu begrenzende Aufgabe hat, die Subventionen, die zu Lasten des Bundeshaushalts direkt oder indirekt gewährt werden, zu überprüfen und Vorschläge für die Streichung oder ,den Abbau von Subventionen auszuarbeiten. Wir sind überzeugt, daß Subventionen als Mittel der staatlichen Politik von Fall zu Fall durchaus notwendig sein können. Dafür mögen staatspolitische oder strukturpolitische Gründe sprechen. Wir sollten aber dahin kommen, in Fällen, wo sich Subventionen als nötig erweisen, von vornherein auch eine zeitliche Begrenzung und, wo immer möglich, eine gewisse Degression festzulegen, damit Subventionen nicht, wie 'das heute schon der Fall ist, aus einer zeitweiligen Hilfe in ein Privileg ausarten oder, wie der Herr Bundesfinanzminister es in Düsseldorf formuliert hat, zu einem wohlerworbenen und unverlierbaren Standesvorrecht werden. ({20}) Wir sind heute bereits auf weiten Gebieten des Subventionswesens .an diesem Punkt angelangt. ({21}) Auf jeden Fall ist die Überprüfung der Subventionen im Bundeshaushalt eine dringliche Aufgabe, 'der sich auch 'das Parlament, wie wir es in unserem Antrag vorschlagen, widmen sollte. Wenn das getan wird, könnte man auch bis zu einem gewissen Grade der Versuchung entgegenwirken, bei herannahenden Wahlen ohne Rücksicht auf Verluste Wahlgeschenke zu verteilen, wie es dem Parlament so häufig vorgeworfen wird und wie es anderen Institutionen und Persönlichkeiten im Bereich 'der Bundesverwaltung mit Recht nachgesagt wird. Ich habe heute morgen einen Bericht über eine Tagung in Bad Godesberg in die Hand bekommen, bei der der allgemein geschätzte Tübinger Staatsrechtler Eschenburg erklärt hat, daß der Bundeskanzler Adenauer, wie ein mittelalterlicher Fürst als oberster Herr mit den Lehnsgruppen verkehre. Die Parteien würden nicht mehr um ,den Interessenausgleich bemüht. Adenauer habe eine einzigartige Position zwischen den Interessentengruppen mit Sofortempfang der Interessenten erhalten. ({22}) Meine Damen und Herren, ich habe - das muß ich hinzufügen - gerade in puncto Wahlgeschenke bei herannahenden wahlpolitischen Auseinandersetzungen keine allzu großen Illusionen, weil ich weiß, .daß das eigentlich im Bereich ,des Menschlichen zu suchen ist und ,daß der Versuch, Macht zu behalten und zu konservieren, auch mit Hilfe von finanziellen Zuwendungen und Ehrengaben, durchaus geläufig ist. Der Herr Bundesfinanzminister hat in seiner von mir schon öfter in dieser Rede herangezogenen Düsseldorfer Rede unseren Wortschatz um einen Begriff bereichert, von .dem ich nicht weiß, ob er seine eigene Erfindung ist. Er sprach dort vom Gefälligkeitsstaat. Ob er das 'damals unter dem Eindruck seiner noch frischen Erfahrungen mit seinem Regierungschef gesagt hat, entzieht sich natürlich meiner Kenntnis. Es mag dahingestellt bleiben, wer denn anders als die im Besitz ,der Macht Befindlichen in der Lage sind, Gefälligkeiten von einem Umfang zu erweisen, der die Charakterisierung einer staatlichen Ordnung als Gefälligkeitsstaat rechtfertigt? ({23}) Nahe liegt die Auseinandersetzung mit einer anderen Bezeichnung unseres gegenwärtigen Staates als eines Wohlfahrtsstaates. Auch jetzt wieder - im Zusammenhang mit dem Umstand, daß der Bundeshaushalt zum ersten Male die 40-MilliardenGrenze überschritten hat - ist mit bewegten Worten und mit dem Aufgebot von vielen Zahlen der Versuch gemacht worden, nachzuweisen, daß wir in einem Wohlfahrtsstaat leben und daß nun ganz gewiß die Grenzen der Wohlfahrt erreicht seien. Nicht selten werden die sogenannten Wohlfahrtsoder Sozialleistungen der öffentlichen Hand mit der unverkennbaren Absicht aufgewertet, den Aufwand für die Rüstung zu bagatellisieren. Es muß immer wieder darauf hingewiesen werden, daß das, was in den offiziellen Statistiken und Reden als Sozialaufgaben aufgeführt wird, zu einem entscheidenden Teil Kriegsfolgelasten sind. ({24}) Man könnte den Wohlfahrtsstaat, wie wir ihn heute haben, weit eher als eine Kriegsfolge bezeichnen denn als eine aus dem politischen Willen zur Förderung der allgemeinen Wohlfahrt geborene Form des staatlichen Zusammenlebens. Die Aufwendungen für die Kriegsopferversorgung oder für die 131 er oder für den Lastenausgleich sind nun einmal durch den Krieg Hitlers und seine Folgen hervorgerufen worden. Man sollte nicht immer so tun, als ob das nun Leistungen seien, die aus einer ganz besonderen sozialen Verpflichtung entstanden seien. Sie mußten erbracht werden, weil man den Aufgaben nicht aus dem Wege gehen konnte, die sich durch die Kriegsfolgen ergeben haben. Die Aufwendungen für die Pensionen und die Altersversorgung der öffentlichen Bediensteten sind in dem Sinne schließlich auch keine Soziallasten; denn sie entspringen Rechtsverpflichtungen des Staates als Arbeitgeber seinen Bediensteten gegenüber. ({25}) Man kann sie nur unter Vergewaltigung des Begriffs der Sozialleistung zurechnen. Daß in der Bundesrepublik große soziale Leistungen erbracht werden, soll damit keineswegs geleugnet werden - es wäre lächerlich, das zu tun -; aber zu einem beträchtlichen Teil - darauf darf man auch aufmerksam machen - werden diese Leistungen aus Beiträgen der Versicherten finanziert, Man sollte gerade diese Leistungen nicht in den großen Topf der öffentlichen Soziallasten vereinnahmen, nur damit das Bild noch besser wird. Im übrigen ist unsere Sozialordnung noch keineswegs so entwickelt, daß nichts mehr zu ihrer Verbesserung getan und kein finanzieller Aufwand geleistet werden müßte. Als ich heute morgen bei der Debatte über die Besoldungserhöhung die Beträge hörte, die auch nach den Beschlüssen dieses Hauses zur Verbesserung der Besoldung den unteren Gruppen gezahlt werden, fühlte ich mich an eine Erhebung erinnert, die in diesen Tagen in meiner Heimatstadt Stuttgart von der Gemeindebehörde über die Einkommensverhältnisse der unteren Gruppen der städtischen Beschäftigten, die ja auch nach tariflichen Vereinbarungen besoldet werden, durchgeführt wurde. Es stellte sich heraus, daß bei einem großen Teil von ihnen das Einkommen weit, weit unter dem Fürsorgerichtsatz liegt. Das gilt auch für einen erheblichen Teil der kleinen Beamten in den öffentlichen Verwaltungen. ({26}) - Entschuldigen Sie, die Zahlen sind schließlich eindeutig. Ein ganzer Teil von den Leuten, die eine kinderreiche Familie haben, befindet sich bereits in der Fürsorge. Das ist ein Tatbestand. ({27}) - Entschuldigen Sie, man kann Tatsachen doch nicht einfach aus der Welt reden. ({28}) Meine Damen und Herren, ein wesentliches Element der Haushaltspolitik des Bundes ist ihr Verhältnis zur gesamten Volkswirtschaft. Ich möchte nur im Vorbeigehen auf die Notwendigkeit hinweisen, mehr und mehr auf die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung zuzusteuern, die erst einen wirklichen Ausgleich zwischen öffentlicher Finanzwirtschaft und den Bedürfnissen der gesamten Volkswirtschaft ermöglicht. Ich muß noch einen Satz hinzufügen, damit das nicht wieder mißverstanden wird: Wenn wir Sozialdemokraten die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung fordern, meinen wir damit nicht eine Totalplanung, sondern eine genaue Prüfung der volkswirtschaftlichen Daten mit dem Ziel, daraus Richtlinien zu gewinnen für die Politik, die man in einem überschaubaren Zeitraum treiben will. Aber das nur nebenbei. Ich möchte - nicht zum ersten Mal, aber mit Nachdruck - zu dem Thema öffentliche Hand und Kapitalmarkt Stellung nehmen. Es gehört in diesen Bereich. Der Bundesfinanzminister hat im Bemühen um den Haushaltsausgleich, wie ich schon sagte, den außerordentlichen Haushalt um 1,5 Milliarden DM gekürzt. Das mag man für zweckmäßig halten, und ich glaube auch, daß es in diesem spezielle, Fall durchaus zweckmäßig war. Er hat als Begründung für diese Maßnahme unter anderem die Aussichtslosigkeit angeführt, auf dem Kapitalmarkt die im Regierungsentwurf vorgesehenen Beträge zu bekommen. Soweit es sich dabei um die Beurteilung der augenblicklichen Chancen für eine Inanspruchnahme des Kapitalmarkts durch den Bund handelt, bin ich geneigt, dem Bundesfinanzminister recht zu geben. Die Gründe für die mäßigen Chancen der öffentlichen Hand bei Kreditaufnahmen auf dem Kapitalmarkt müßten im einzelnen noch untersucht werden. Sie sind zum Teil auch dadurch gegeben, daß die Bedingungen, mit denen man an den Kapitalmarkt herangegangen ist, den Kreditgebern eben nicht genügten. Aber, wie gesagt, das ist eine Frage, die man untersuchen muß. Ich würde es für bedenklich halten, wenn hinter dem Resignieren im speziellen Fall eine Kapitulation vor jenen Auffassungen stünde, die der öffentlichen Hand das Recht bestreiten, den Kapitalmarkt für ihre Bedürfnisse in Anspruch zu nehmen, und die diese These mit einem Prioritätsanspruch der privaten Wirtschaft begründen. Ein solcher Anspruch der Privatwirtschaft kann nach Meinung der Sozialdemokratie nicht akzeptiert werden. Der öffentliche Haushalt hat heute im System der gesamten Volkswirtschaft eine völlig andere Funktion als noch vor etwa 25 oder 30 Jahren. Er ist in einem solchen Umfang Auftraggeber und Investitionsträger, daß ein wesentlicher Teil seines Kapitalbedarfs nicht aus Steuern kommen kann, sondern aus dem Kapitalmarkt kommen muß. Natürlich muß er seine Ansprüche an den Kapitalmarkt gesamtvolkswirtschaftlichen Gesichtspunkten unterordnen. Aber er darf sich nicht auf die hinterste Bank abdrängen lassen. Jetzt wird übrigens sehr viel von Konjunkturdämpfung und antizyklischer Politik gesprochen und dabei vor allem der öffentlichen Hand der Rat gegeben, bei ihren eigenen Investitionsvorhaben Zurückhaltung zu üben. Hierbei kann man sich manchmal des Eindrucks nicht erwehren, daß nach dem Rezept verfahren wird, mit dem der Heilige Florian gelegentlich angerufen wird. Wir sind der Meinung, wenn schon die Notwendigkeit anerkannt wird, Maßnahmen gegen ein Überschlagen der Konjunktur zu treffen, sollte man diese Maßnahmen an jenen Punkten ansetzen, an denen die Gefahr tatsächlich besteht. Wir Sozialdemokraten stehen nicht im Verdacht, daß wir unbedingt für große staatliche Prachtbauten sind und durch solche Bauten etwa die Konjunktur erhitzen wollen. Es gibt aber Möglichkeiten, einmal nachzuprüfen, wo denn wirklich die Schwierigkeiten und die Gefahren für die Konjunktur liegen, abgesehen davon daß man überhaupt nicht von einer gleichmäßigen Hochkonjunktur sprechen kann. Da, glaube ich, ist ¡der Herr Bundeswirtschaftsminister der Realität in manchen seiner Außerungen sehr viel näher gewesen als manche Leute, die so tun, als ob wir unmittelbar vor dem Punkt stünden, wo die Hochkonjunktur in ihr Gegenteil umschlagen müßte. Ein Blick z. B. auf die Lage am Baumarkt zeigt, wo wirklich in einer übertriebenen - um nicht zu sagen: maßlosen - Weise investiert wird. Niemand in diesem Hause wird, wie ich annehme, etwa einer Politik das Wort reden, die den Wohnungsbau wesentlich einschränkt, um Konjunkturdämpfung zu üben. Die Bauten, die im landwirtschaftlichen Sektor geklant sind, schlagen konjunkturpolitisch wohl überhaupt kaum zu Buch. Der öffentliche und der Verkehrsbau werden bei einem vermutlichen Bauvolumen von 34 bis 35 Milliarden DM für das Jahr 1960 voraussichtlich rund 10 Milliarden DM beanspruchen, wobei auf den Tiefbau, d. h. auf Straßen, Verkehrswege und ähnliches, allein rund 6,5 Millarden DM entfallen. Dagegen wird geschätzt, daß die Bauten im gewerblich-industriellen Bereich, also im privatwirtschaftlichen Bereich, von 6,6 auf rund 8 Milliarden DM ansteigen werden. Man kann wohl mit Recht sagen, daß hier ein Element der Konjunkturüberhitzung liegt. Die restriktiven Maßnahmen der Bundesbank haben gerade in diesem Bereich bisher keine spürbare Wirkung gehabt. Im übrigen glauben wir - diesmal in Übereinstimmung mit dem Herrn Bundeswirtschaftsminister -, daß er mit seiner Aufforderung in Hannover Rechi hatte, man solle „Mut zur Konjunktur" haben. Manchmal hat man das Gefühl, daß durch das allzuviele Reden und Schreiben über Konjunkturüberhitzung die Konjunktur zerredet wird. Zu den Maßnahmen im Zuge einer antizyklischen Politik gehört auch das Bukett steuerpolitischer Vorschläge, das dieser Tage unter dem Titel: Steueränderungsgesetz 1960 dem Hause zugegangen ist. In Düsseldorf hat der Herr Bundesfinanzminister einen großen Strauß steuerpolitischer Pläne gezeigt, die sich, im ganzen gesehen, recht appetitlich ausmachten und den Eindruck erweckten, daß, wenn auch nicht mit unmittelbarer Wirkung auf unsere wirtschaftspolitische Entwicklung, so doch auf längere Sicht Maßnahmen geplant seien, die hoffen ließen. Demgegenüber erscheint das, was im Steueränderungsgesetz 1960 dann tatsächlich dem Hause vorgelegt worden ist, doch schon reichlich zerzupft, vermutlich von den Einsprüchen der verschiedensten Interessentengruppen, die diese oder jene Maßnahme nicht wollen und von ihrem Standpunkt aus für schädlich halten. Ich kann mich in diesem Zusammenhang damit begnügen, auf die Ausführungen meines Freundes Seuffert bei der Beratung des Einzelplans 08 zu verweisen, der sich, wie ich glaube, in überzeugender Weise mit den Fragen auseinandergesetzt hat, die von der Steuerpolitik der Bundesregierung aufgeworfen werden. Ich möchte nur soviel hinzufügen: Es erscheint doch recht zweifelhaft, ob mit dem gegenwärtigen Steuersystem der Bundesrepublik überhaupt Maßnahmen möglich sind, die konjunkturwirksam sein können. Schon der Gang der Beratungen und der Behandlung des Steueränderungsgesetzes 1960 muß skeptisch stimmen. Anfang März hat das Bundeskabinett Beschluß gefaßt. Am 4. April hat der Bun6302 desrat die Regierungsvorlage behandelt. Erst am 3. Mai hat die Bundesregierung das Gesetz dem Bundestag zugeleitet. Schließlich' werden auch die Beratungen dieses Hauses noch einige Zeit beanspruchen dürfen, wenngleich man manchmal den Eindruck hat, daß gerade in solchen Fragen großer Wert darauf gelegt wird, so wenig wie möglich zu beraten. Jedenfalls hat der Anlauf des Herrn Bundesfinanzministers im Kampf gegen die Überkonjunktur ein rundes Vierteljahr gebraucht, bis er endlich zu einem Abschluß gekommen ist. Ob aber die Konjunktur sich davon noch beeinflussen läßt, das steht auf einem ganz anderen Blatt, wenngleich wir eine Reihe der Vorschläge, die der Herr Bundesfinanzminister gemacht hat, für durchaus vernünftig und richtig halten. Ich habe versucht, Gesichtspunkte zum Haushalt vorzutragen, die über den augenblicklichen Haushalt hinaus die Haushaltspolitik künftiger Jahre und vor allem schon den nächsten Bundeshaushalt bestimmen können. Ich möchte noch zu einem Punkt Stellung nehmen, den ich ebenfalls schon erwähnt habe, nämlich zu dem Entschließungsantrag Umdruck 551, den die CDU/CSU-Fraktion vorgelegt hat. Ich möchte den Herren Kollegen nicht etwa die Begründung abnehmen. Aber da es immerhin um eine Frage geht, die sich auf die Gestaltung des Haushalts bezieht, muß ich jetzt schon etwas dazu sagen. Was die Kollegen von der CDU-Fraktion möchten, ist offenkundig: eine Wiederholung dessen, was wir mit dem Haushalt 1960 getan haben. Dieser Haushalt ist ein typischer Überrollungshaushalt. Es sind so wenig wie möglich Positionen geändert worden, einfach deshalb, weil man die Verabschiedung des Haushalts ohne große Schwierigkeiten noch zu einem einigermaßen vertretbaren Zeitpunkt erredchen wollte. Im Jahre 1961 soll nach diesem Vorschlag der Bundeshaushalt wieder überrollt werden. Die Vorschläge, die da gemacht werden, laufen doch praktisch darauf hinaus, daß man überhaupt nicht in eine wirkliche Beratung eintritt und daß man schon bei der Aufstellung des Haushalts schematisch verfährt, d. h. praktisch wieder überrollt. Es muß aber darauf raufmerksam gemacht werden, daß wir im Jahre 1961 nochmals vor der Notwendigkeit der Haushaltsüberrollung stehen werden. Denn in diesem Jahr finden bekanntlich die Bundestagswahlen statt. Infolgedessen wird die Regierung nicht in der Lage sein, ihren Haushalt so rechtzeitig vorzulegen, idaß er in vernünftiger Weise verabschiedet werden kann. Wir werden also einfach auf Grund der allgemeinen politischen Situation wieder zu einer Überrollung kommen. Wenn wir so verfahren, werden wir praktisch das Parlament für die nächsten zwei oder drei Haushaltsjahre in seinem Budgetrecht in einer Weise beschneiden, die nach unserer Meinung einfach nicht zu vertreten ist. ({29}) Ich möchte die Kollegen von der Fraktion der CDU/CSU sehr nachdrücklich auf diese Konsequenzen ihres Antrages aufmerksam machen. Ich glaube, auch sie können nicht wollen, daß wir in einen Zustand hineinschlittern, in dem das Parlament praktisch nur noch das Vollzugsorgan für die Vorschläge der Bundesregierung wird. ({30}) Denn das würde wirklich den Spieß umkehren, nachdem schon so oft davon geredet worden ist, daß das Parlament seine Kontrollaufgabe gegenüber der Regierung heute nicht mehr in dem genügenden Umfange ausübe, weil es im Gegensatz zu früher nur immer Ausgaben erhöhe, während früher die Parlamente die Regierung an ,die finanzielle Kette gelegt hätten. Wir sollten gerade einer solchen Entwicklung nicht durch eine eigene Praxis Vorschub leisten, die der Regierung die Möglichkeit läßt, im weiten Umfang nach ihrem Willen und ohne Kontrolle des Parlaments ihre Pläne zu machen. Wir Sozialdemokraten haben zu verschiedenen Malen im Laufe der letzten Monate, aber auch in der gesamten Legislaturperiode, in der Auseinandersetzung mit der Bundesregierung und mit der Mehrheit dieses Hauses in entscheidenden Fragen unserer Politik, in den Fragen der Außenpolitik, in den Fragen der Wirtschafts- und der Sozialpolitik, bei den Problemen der militärischen Rüstung, unsere Meinungen zum Ausdruck gebracht. Wir haben uns mit der Bundesregierung auseinandergesetzt, wir haben die Gegensätze herausgearbeitet, die uns von der offiziellen Politik trennen. Diese Gegensätze sind in keiner Hinsicht gemildert oder aus der Welt geschafft worden. Wir Sozialdemokraten sind im Gegenteil zu der Auffassung gekommen, daß, zum Teil durch die Methoden der Regierung und vor allem ihres Regierungschefs, der innerpolitische Gegensatz zwischen den einzelnen Gruppen, zwischen der regierenden Mehrheit und der sozialdemokratischen Opposition, noch vertieft worden ist. Wir sind nicht in der Lage, dem Haushalt dieser Regierung zuzustimmen, weil wir in allen entscheidenden Fragen in einem ernsten politischen Gegensatz zu ihr stehen. Diesen Gegensatz wollen wir dadurch ausdrücken, daß wir den Haushalt ablehnen. Wir haben im einzelnen selbstverständlich ein unmittelbares Interesse an der Gestaltung der Haushaltspositionen. Wir haben dieses Interesse immer wieder in der praktischen Mitarbeit zum Ausdruck gebracht, sei es im Ausschuß, sei es hier im Plenum. Daß die Meinungen dabei auseinandergingen und daß wir mit unseren Vorstößen unterlegen sind, ist eine Sache, die wir beklagen. Es bringt eben wieder den Meinungsgegensatz zum Ausdruck, der uns von der Regierung trennt. Wir werden aber nicht zulassen, daß man unsere Ablehnung des Bundeshaushalts als eine Ablehnung der einzelnen Zwecke bezeichnet; diese werden auch von uns gebilligt. ({31})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Meine Damen und Herren, nach den Vereinbarungen im Ältestenrat gibt es heute keine Mittagspause, jedoch werden bis 15 Uhr keine Abstimmungen vorgenommen. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Vogel.

Dr. Rudolf Vogel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002380, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es scheint das Schicksal aller Generalsprecher der dritten Lesung zu sein, daß sie entweder vor einem gähnend leeren Hause sprechen ({0}) oder daß ihre Reden zum Teil in die Mittagspause fallen. ({1}) - Nun, der Hunger der einzelnen Abgeordneten wird sich vielleicht auch dem Hunger der Redner anpassen können; denn sie haben schließlich die größere Leistung zu vollbringen, und nicht diejenigen, die sich der Freizeit erfreuen dürfen. Doch zur Sache. Ich freue mich sehr, daß mein verehrter Herr Vorredner eine ganze Reihe von generellen Problemen, die uns allen gemeinsam sehr am Herzen liegen, hier in einer ruhigen und sachlichen Form angesprochen hat. Diese Art, die zentralen Probleme der deutschen Finanzwirtschaft anzugehen und sie nach Möglichkeit auch in einer durchaus maßvollen und gerechten Form zu beurteilen, schafft eine Basis, auf der wir ihm gern folgen. Ich will mich in meinen Ausführungen bemühen, die Sache und das Argument durch sich selber wirken zu lassen, so wie wir das in den vergangenen Jahren gewohnt waren. Auf die einzelnen Punkte, die mein Kollege Schoettle angesprochen hat, möchte ich erst im Laufe meiner späteren Ausführungen eingehen. Lassen Sie mich zunächst einmal folgende Kernfrage stellen: Erfüllt dieser Haushalt, dessen Größe und Ausdehnung wir alle beklagen, die Hauptaufgaben, die sich eine Regierung überhaupt zu stellen hat, nämlich Menschen vor Hunger und Elend zu sichern, ihnen ein Dach zu geben, sie zu kleiden und für ein menschenwürdiges Dasein unseres Volkes Sorge zu tragen? Erfüllt er neben dieser rein materiellen Sicherung der Existenz des deutschen Menschen auch noch eine zweite Aufgabe, die uns ebenso wichtig erscheint: Schützt er das deutsche Volk nicht nur gegen innere, sondern auch gegen äußere Gefahren, die gegenwärtig nicht gerade gering sind? Lassen Sie mich an den Beginn meiner Ausführungen zwei Zitate stellen, die mir für die Beurteilung unserer eigenen Lage sehr bedeutsam zu sein scheinen. Ich zitiere hier den indischen Ministerpräsidenten Nehru, der sicherlich ein völlig unverfänglicher Zeuge ist, wenn es sich um die Beurteilung derartiger Probleme handelt. Die Situation Indiens nach der chinesischen Aggression vom Norden her ist bekannt. Nehru hat dazu am 9. Dezember 1959 im Oberhaus folgendes gesagt: Während man einen Konflikt durch Verhandeln zu lösen versucht, muß man zugleich für die eigene Stärke sorgen, um jeder Situation gewachsen zu sein, die entstehen könnte. Das ist ein Gemeinplatz. Wir stehen hier einer Situation gegenüber, der wir nur mit Stärke gewachsen sind. Nehru hat kurze Zeit darauf, am 23. Dezember 1959, also am Weihnachtsvorabend, vor dem Unterhaus diese seine Wandlung - es ist eine sehr erhebliche politische Wandlung, die wir hier zu verzeichnen haben - folgendermaßen ausgedrückt: Verhandlungen haben nur einen Sinn, wenn Stärke dahintersteht. Ein schwaches Land, ein schwacher Mensch können gar nicht verhandeln. Stärke ist daher ein wesentlicher Faktor. Die Fähigkeit zum Handeln ist immer notwendig, denn ohne sie haben Worte kein Gewicht. Letzten Endes kommt alles darauf an, daß wir unsere Stärke aufbauen. Wir müssen, von allem anderen abgesehen, unsere Stärke aufbauen. Dann können wir, wenn es nötig ist, über ihren Einsatz nachdenken. Ich möchte das gleich an den Beginn auch meiner Ausführungen setzen, nicht weil ich eine besonders lange Rede über den Einzelplan 14 zu halten gedenke, nein, um das von meinem Herrn Vorredner zitierte Gewicht der einzelnen Ausgaben richtig zu placieren. Man kann nicht - und dafür bitten wir von seiten der CDU/CSU um ganz besonderes Verständnis - Akzente einzig und allein nur nach der sozialen Seite hin setzen. Man hat auch die Gesamtlage unseres Volkes dabei ständig im Auge zu behalten und daraus die notwendigen Konsequenzen zu ziehen. ({2}) Ziehe ich aber diese Konsequenzen, dann werden sich zwangsläufig bestimmte Begrenzungen auch gegenüber noch so wohlverstandenen Wünschen der anderen Seite ergeben. Darauf möchte ich hier noch einiges an Argumenten verwenden. Herr Kollege Schoettle, Sie haben sich Mühe gegeben, den Komplex der sogenannten Kriegsfolgeleistungen von dem Komplex der Sozialleistungen sehr sorgsam zu trennen. Ich glaube, das kann man nicht so ohne weiteres tun. Ich weiß, das ist ein alter Streitpunkt zwischen uns; aber bedenken Sie doch bitte eins: Die Sozialleistungen alten Stils sind aus einer bestimmten Notlage einer damaligen Schicht des deutschen Volkes her erwachsen. Zu dieser Schicht, die vor 70, 80 Jahren das entscheidende Ziel der sozialen Aktionen der damaligen Reichsregierung und späterer Regierungen war, traten eben im Laufe der Geschichte laufend neue Schichten hinzu. Und wenn nach der Katastrophe des ersten Weltkrieges, an der wir heute noch finanziell in einem gar nicht unbeachtlichen Maße zu tragen haben, jetzt nach der Katastrophe des zweiten Weltkrieges neue Schichten, denen geholfen werden muß, hinzugetreten sind, dann vermag ich hier keine so scharfe Trennungslinie, wie Sie es tun, zwischen - wenn ich so sagen darf - den alten Sozialleistungen und den Verpflichtungen des Bundes zu neuen Sozialleistungen zu ziehen. Eine solche Trennungslinie scheint mir einfach nicht angebracht zu sein. Wir dürfen unsere Augen auch nicht vor dem gewaltigen Anwachsen dieser Leistungen verschließen. Ich freue mich, daß Sie durchaus anerkannt haben, daß es einfach unvernünftig und eine grobe Unterstellung ist, von einer „sozialen Demontage" zu sprechen. Wir von der CDU - ich muß es einmal ganz scharf aussprechen - verbitten uns einfach diesen Ausdruck, wenn wir die Zahlen sehen, die im Bundeshaushalt für soziale Leistungen ausgebracht werden. ({3}) Man kann nicht daran vorbei, daß z. B. in diesem Haushalt - auch wenn Sie diesen Kreis nicht hineingenommen sehen wollen, er ist aber da 835 Millionen allein für die Kriegsopfer stehen und 985 Millionen als neue Steigerung der Bundesleistung für die Versicherungen. Dieser Posten ist zwischen uns wohl unstreitig. Wir haben alle, selbst im Haushaltsausschuß, wo wir uns durch Zahlen nicht leicht erschrecken lassen, als wir die Summe der Zuschüsse des Bundes allein von 6 Milliarden für die Rentner und das Anwachsen der Knappschaftsleistungen um 690 Millionen sahen - wir wollen nicht darüber sprechen, aus welchen Ursachen sie entstanden sind, aber die Tatsache als solche ist da -, ich glaube, selbst wir haben noch die Augen dabei aufgetan. Je stärker der öffentliche Haushalt anwächst, nicht nur hier, sondern auch bei den Ländern und den Gemeinden, desto machtvoller melden sich die Interessenten zum Wort. ({4}) Herr Kollege Schoettle, Sie zitierten den Vortrag von Professor Eschenburg, dessen Temperament wir alle gemeinsam kennen. ({5}) - Das fiel Ihnen gerade so ein. Er liebt unseren Herrn Bundeskanzler keineswegs; ich weiß das aus sehr vielen seiner öffentlichen Ansprachen und Volkshochschulreden. Aber zu gleicher Zeit hat er nicht versäumt - das möchte ich in diesem Zusammenhang erwähnen -, dem Bundesarbeitsminister Blank einen Kranz zu winden, den man bei dieser Gelegenheit auch nicht ganz unerwähnt lassen sollte. ({6}) Lassen Sie mich noch einmal auf das, ich möchte einmal sagen, übermäßige Andrängen derer zurückkommen, die wir hier Interessenten nennen. Meine Damen und Herren, wir wollen diesen Begriff gar nicht so eng fassen. Es sind neue Kategorien zu diesen Interessenten dazugestoßen, und es sind zu ihnen Kreise und Gruppen hinzugetreten, die ich lieber nicht in dieser Gesellschaft gesehen hätte ({7}) und die es früher, als man noch andere Begriffe darüber hatte, ob man zu jeder Zeit und Stunde an den Staat mit der offenen Hand herantreten solle, wahrscheinlich strikt abgelehnt hätten, dabei zu sein, wenn es um dieses Werben um öffentliche Zuschüsse geht. Ich beklage dieses Hinweggehen über Vorstellungen, die man früher in derartigen Gruppen gepflegt hat. Es wird keineswegs dazu beitragen, das öffentliche Ansehen dieser Gruppen auf die Dauer gesehen zu stärken. Auch diese Kehrseite dieses zu bewußten Herantretens an den Staat sollte man dabei keineswegs übersehen. Eine der entscheidenden Fragen, die wir hier jedes Jahr zu beantworten haben, ist die, ob die Vorausschätzungen des Herrn Bundesfinanzministers für das jeweilige Haushaltsjahr zutreffen werden. Diese Frage müssen wir auch für das Haushaltsjahr 1960 stellen. Wir sind uns alle darüber einig, daß wir uns inmitten einer Hochkonjunktur befinden. Dürfen wir uns - das möchte ich hier einmal ganz offen aussprechen - überhaupt beklagen, wenn jetzt im Verlaufe dieser Hochkonjunktur bestimmte Nachteile auftreten, die wir keineswegs leugnen und mit denen wir in irgendeiner Form fertig werden müssen? Wir von der CDU tragen sehr gern ,die volle Verantwortung für die Wirtschaftspolitik, die bereits 1948 von Professor Erhard eingeschlagen worden ist. Wenn wir die Vorteile dieser Hochkonjunktur gern für uns 'in Anspruch nehmen, müssen wir uns auch dazu verstehen, auf der anderen Seite ihre Mängel zu sehen und mit ihnen fertig zu werden. Die moderne Wirtschaftswissenschaft empfiehlt uns zwar eine Menge von Medizinen gegen eine Rezession, gegen ein Abflauen der Konjunktur und gegen Arbeitslosigkeit. Ich glaube, man ist auf Grund der Erfahrungen und der Überlegungen nach 1930 auf diesem Gebiet wirklich einen Schritt weitergekommen. Aber die gleichen Volkswirtschaftler sind doch heute gemeinsam mit den Regierungsstellen ein wenig hilflos gegenüber diesem einmaligen Problem einer Dauerhochkonjunktur und den Folgen, die sich daraus ergeben. Auch die Bundesrepublik kann nun einmal mit dem zentralen Problem dieser Hochkonjunktur, der Beschaffung der notwendigen Arbeitskräfte, nicht von heute auf morgen fertig werden. Die Tatsache, daß sich infolge des Arbeitskräftemangels und zugleich auch als Ausfluß der Austauschbarkeit der Währungen in stärkerem Maße als bisher eine Verlagerung ,des Kapitals in das Ausland vollzieht, sollte man nicht etwa als irgendeine Flucht oder etwas Ähnliches kennzeichnen. Vielmehr handelt es sich hier meiner Überzeugung nach in gewissem Sinne um eine zwangsläufige Entwicklung. Denn wenn ich bestimmte Produkte, für die ich große Aufträge habe, .da die Arbeitskräfte fehlen, im Inland nicht erzeugen kann, versuche ich natürlich, sie im Ausland herstellen zu lassen, wenn dort genügend Arbeitskräfte zur Verfügung stehen. Ich glaube auch, es ist kein Schaden, daß die Vorkriegslage der deutschen Industrie im Ausland und ihre Verankerung mit der Weltwirtschaft zu einem bescheidenen Bruchteil wiederhergestellt werden. Ich möchte es vermeiden, hier noch einen Katalog dessen aufzuzählen, was wir im Gefolge dieser Hochkonjunktur bis jetzt positiv erreicht haben: in der Wohnungsbauwirtschaft, hinsichtlich der Exportsteigerung usw. Ich möchte jedoch auf eine weitere entscheidende Frage zu sprechen kommen. Die Entscheidung jedes einzelnen erwachsenen verdienenden Menschen in Deutschland darüber, ob im weiteren Verlaufe ,dieses Jahres in der gleichen erfreulichen Höhe wie bisher gespart wird, wird auch unseren Haushalt, und zwar nicht nur 1960, ,sondern mehr noch 1961, maßgeblich beeinflussen. ({8}) Ich habe gestern eine sehr erfreuliche neue Statistik gelesen, die in etwa das bestätigt, was auch die Bundesbank ausgewiesen hat, nämlich daß sich bei den 700 Volksbanken, die im wesentlichen den Mittelstand mit Krediten versorgen, im ersten Vierteljahr dieses Jahres erneut ein Zuwachs um 206 Millionen DM ergeben hat, womit beim Umsatz eine Steigerung auf 6,7 Milliarden DM erreicht worden ist. Die Einlagen sind um 203 Millionen DM auf 5,2 Milliarden DM gewachsen. Ich führe das Beispiel nur an, weil es sich um mittelständische Bankunternehmungen handelt. Ich weiß, daß die Fachleute den ganzen Winter über die Schwankungen der Sparquote, auch wenn sie für uns vielleicht nicht so sehr ins Auge gefallen sind, mit einiger Sorge verfolgt haben. Wann aber ein entsprechend hoher Anteil der neuen Löhne und Gehälter in den Spartopf wandert, werden alle für die deutsche Währung verantwortlichen Menschen in Deutschland ruhiger schlafen können. ({9}) Auch das immer noch ansehnliche Gold- und Devisenpolster der Bundesnotenbank ist ein weithin sichtbares Zeichen der nicht nur unangetasteten, sondern auch wachsenden Festigkeit unserer Währung. Niemand kann dabei vorbeigehen, daß der Kurs der Deutschen Mark sich auch noch innerhalb des letzten Jahres langsam, aber stetig - sogar gegenüber dem Kurs des Schweizer Franken - verbessert hat. Auch das scheint mir ein beachtliches Zeichen zu sein. Ich möchte hier noch ein weiteres offenes Wort sprechen; ich schließe mich damit in etwa auch der Argumentation des Herrn Kollegen Schoettle an. Nichts wäre törichter, als wenn heute draußen in den kleineren und großen Gemeinden und auch in den Kreisverbänden in der Wirtschaft das Gerede Raum gewänne, man müsse in die Sachwerte flüchten. Es wäre nicht das erstemal, meine verehrten Zuhörer, daß rein von der psychologischen Seite her eine völlig unbegründete Kopflosigkeit gefördert wird. ({10}) Wer im Jahre 1950 100 DM auf die Sparkasse getragen hat, dessen Spargeld hat im Grunde genommen an Kapitalkraft und realem Kaufwert nichts eingebüßt. ({11}) - Ich werde Ihnen sofort sagen, warum das so ist, Herr Schild. Der in Deutschland gezahlte Zinssatz für Spareinlagen und die Zinssätze für Hypotheken, Anleihen, Industrieobligationen usw. - also für Rentenwerte - lagen in den letzten zehn Jahren so wesentlich über den vergleichbaren Zinssätzen anderer Länder mit stabiler Währung - ich spreche nicht von den Inflationsländern -, daß das, was an realer Kaufkraft auf der einen Seite eingebüßt wurde - das bezweifle ich nicht -, auf der anderen Seite durch die höheren Zinseinnahmen wieder ausgeglichen worden ist. Infolgedessen hat der Betreffende keinen Verlust erlitten. Das sollte man in der Öffentlichkeit nicht übersehen, wenn man von dem Verlust an realer Kaufkraft spricht. Daneben darf man schließlich nicht übersehen, daß alle Schichten des deutschen Volkes einen erheblichen Anstieg ihres realen Einkommens gegenüber den Jahren vor dem zweiten Weltkrieg erreicht haben, von früheren Jahrzehnten ganz zu schweigen. Darüber freuen wir uns alle gemeinschaftlich. Wir sollten aber auch nicht müde werden - welche politische Auffassungen wir auch immer vertreten mögen -, diese währungspolitischen Überlegungen dem Volk draußen klarzumachen. Wir tragen alle gemeinschaftlich die Verantwortung für die Stabilität unserer Währung. ({12}) Wenn man sie auf die Fahne schreibt - und das haben Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, in Ihrem Godesberger Programm auch getan , dann muß man sich aber auch über bestimmte Konsequenzen bei den Ausgabeforderungen im klaren sein. ({13}) Herr Kollege Schoettle, Sie haben vorhin einige Einschränkungen gemacht. Ich kann aber nicht daran vorbeisehen, daß trotz bestimmter Einsparungsvorschläge, die gemacht worden sind - meistens natürlich beim Wehrhaushalt -, auf der anderen Seite für eine ganze Reihe von massiven Forderungen keine Deckung vorhanden war. Das muß auch einmal offen gesagt werden, und, meine Herren auch von der FDP, diesen Vorwurf kann ich Ihnen nicht ersparen. Denn wenn man gerade von Ihrer Seite aus das Prinzip der Sparsamkeit und des ausbalancierten Haushalts so in das Zentrum der Agitation gerade auch in den Landtagswahlen stellt, muß man sich auch im Bundestag der Konsequenzen voll und ganz bewußt sein und sich eine gewisse Zurückhaltung bei bestimmten Forderungen auferlegen. ({14}) Nun lassen Sie mich einige Worte zu dem Problem der Konjunkturdämpfung sagen. Hier gehe ich weitgehend mit Herrn Kollegen Schoettle einig. Die Frage ist: Was können wir tatsächlich dafür tun? Der Bundesfinanzminister hat in dem Konjunkturdämpfungsprogramm, das er vorschlug, eine ganze Reihe meiner Meinung nach höchst vernünftiger Maßnahmen vorgeschlagen. Daß der damit manchen Kategorien und Gruppen auf die Zehen getreten ist, halte ich für beinahe unvermeidlich. Lassen Sie mich das einmal offen aussprechen - das mag dem Herrn Bundesfinanzminister ein gewisser Trost sein -: ein populärer Finanzminister ist kein guter Finanzminister. ({15}) Aber was können wir tun? Im Wohnungsbau gibt es angesichts der Tatsache, daß allein im letzten Monat eine Flüchtlings6306 welle von ungeahntem Ausmaß aus der Sowjetzone auf uns zukam, ({16}) nicht sehr viel Möglichkeiten. Wir haben im Haushaltsausschuß, das möchte ich dem Hohen Haus noch einmal ausdrücklich zur Kenntnis bringen, da, wo es irgendwie vertretbar war, auch vor den vom Staat vorgeschlagenen Hochhauten nicht Halt gemacht und den Rotstift angesezt. Daß es generell nicht allzu viel war und nicht in die Hunderte von Millionen ging, liegt an Verhältnissen, die wir nicht ändern können. Wir können meiner Überzeugung nach z. B. nicht die Kasernenbauten, die das weitaus größte Volumen darstellen, streichen, ohne in der Erfüllung unserer vertraglichen Verpflichtung zur Aufstellung eines deutschen Verteidigungsbeitrages wesentlich gehandicapt zu werden. ({17}) - Ganz recht; das kommt hinzu. Wir können auch etwas anderes nicht tun: wir können nicht die Straßenbaumaßnahmen, die wir gemeinschaftlich beschlossen haben, drosseln. Was würden alle jene dazu sagen, die heute - das sind 20 oder beinahe 25 Prozent - neu als Verkehrsteilnehmer auf unseren Straßen erscheinen? Wir würden auch unverantwortlich handeln angesichts der wachsenden Zahl von Verletzten und der ) beklagenswert großen Zahl von Toten, die wir jedes Jahr von neuem zu beklagen haben. Auch bei den Straßenbauausgaben gibt es also, glaube ich, nicht mehr sehr viel an Möglichkeiten antizyklischen Verhaltens. Ich bin zwar der Überzeugung, wir werden auch in der Bauwirtschaft immer noch Betriebe finden, deren letzte Maschine noch nicht voll ausgenutzt und deren Kapazität infolgedessen noch nicht voll ausgeschöpft ist. Mit solchen Argumentationen werden wir immer rechnen müssen. Aber wir sind uns wohl völlig darüber im klaren, daß heute gerade bei der Bauwirtschaft ,der entscheidende Gefahrenpunkt für eine Überhitzung unserer Konjunktur liegt. Arbeitskräfte in genügender Anzahl werden wir trotz aller Werbungsmaßnahmen im Ausland und des uns versprochenen Einsatzes von vielleicht 70 000 Italienern, Spaniern, Griechen vielleicht doch nicht ganz beschaffen können. Nun darf ich Ihre Aufmerksamkeit noch auf eine Maßnahme lenken, deren, wie ich glaube, konjunkturdämpfende Wirkung hier nicht völlig unerwähnt bleiben darf. Herr Kollege Schoettle sprach bereits von den seiner Meinung nach fragwürdigen 400 Millionen DM, die die 10%ige Kürzung erbringen werde. ({18}) - Auf dem Papier, sagten Sie. ({19}) - Die Gefahr besteht unbestreitbar, daß es auf dem Papier stehenbleibt. Aber, meine Damen und Herren, ich bin so ziemlich sicher - hier toile ich nicht den Optimismus, den der Herr Bundesfinanzminister gezeigt hat -, daß er auch die auf 1,5 Milliarden DM heruntergedrückte Summe an öffentlichen Anleihen, die er zur Deckung seines Defizits braucht, nicht bekommen wird. Wenn er sie aber nicht erhält, wird ihm gar nichts anderes übrigbleiben, als nicht nur diese 10%ige Kürzung durchzuführen, sondern darüber hinaus auch noch nachdenken zu müssen, wie er durch eine geeignete Bewirtschaftung der ihm jetzt zur Verfügung gestellten Mittel in etwa in der Lage ist, ,die Ausgaben einzusparen. Das wird ein, ich möchte einmal sagen, sehr hartes Geschäft für ihn und seine Mitarbeiter werden. Wir können ihm ja nur Hartnäckigkeit und die notwendige Zähigkeit wünschen. Er wird sie brauchen, um sich in diesem Ringkampf, der hier kommen wird, gegenüber den Wünschen der anderen Ressorts durchzusetzen. Ich möchte die Gelegenheit nicht vorübergehen lassen, den Beamten des Bundesfinanzministeriums unsern Dank auszusprechen. Sie stehen in diesem Jahre vor einer doppelten Aufgabe. Während sie mit uns im Haushaltsausschuß beraten, haben sie schon über den neuen Haushalt nachzudenken. Wir hoffen ja, daß wir bereits vor Beginn der Sommerferien den Haushaltsentwurf für 1961 erhalten werden. ({20}) Ich schließe mich hier dem Wunsch des Kollegen Schoettle an - ich hatte es mir schon vorher notiert -, daß wir über dieser drängenden Fülle von Aufgaben, die dem Bundesfinanzminister jetzt auf die Schultern gelegt worden sind, die Reform der Haushaltsgesetzgebung nicht ganz vernachlässigen. Ich weiß, daß durch eine Reihe von personellen Schwierigkeiten da Stockungen eingetreten sind, aber ich glaube, für alle unsere Freunde zu sprechen, wenn ich den Bundesfinanzminister sehr ernstlich darum bitte, sich zu bemühen, die wenigen auf diesem Gebiete vorhandenen Fachkräfte zusammenzuholen, um das unterbrochene Werk wieder in Gang zu setzen und uns im nächsten Bundestag - in diesem Bundestag werden wir es ohnehin nicht mehr erleben - endlich diesen Reformentwurf vorzulegen. Nun noch ein Hinweis auf das Verhältnis von Bund und Ländern. Ich möchte hier auf einen Vorgang zu sprechen kommen, der mir kein guter Stil zu sein scheint. Nachdem es sich im ersten Durchgang des Haushalts vor dem Bundesrat ereignen konnte, daß der Finanzausschuß des Bundesrates, dem wir uns ja in irgendeiner Weise verwandt fühlen, vor Überschreitungen des Haushalts warnte oder ,sie nur gegen sinnvolle Kürzungen zulassen wollte, ist es, so finde ich, bedauerlich, daß diese sehr vernünftige Einstellung von den Kabinetten und der Gesamtheit des Bundesrates nicht geteilt worden ist. Wir haben den bedauerlichen Vorgang zu verzeichnen, daß der Bundesrat 360 Millionen DM neuer Ausgaben zugunsten der Länder vorgeschlagen hat. Er hat damit meiner Überzeugung nach einen sehr einseitigen Gebrauch von ,den ihm in der Verfassung eingeräumten Rechten gemacht, ({21}) und das angesichts wachsender Steuerkraft der Länder und der Gemeinden und vor allen Dingen angesichts der Tatsache, daß die Finanzlage der Länder gegenwärtig unbestreitbar wesentlich besser ist als die des Bundes. Ich glaube, gerade diese wachsende Steuerkraft sollte es den Ländern ermöglichen, den Anliegen der notleidenden Gemeinden - nicht alle Gemeinden sind notleidend - besser als bis jetzt durch einen Finanzausgleich nachzukommen. Ich kann hier auf mein Land Baden-Württemberg verweisen, wo bereits die Hälfte des gesamten Gewerbesteueraufkommens in den Ausgleichstopf fließt, was ich für eine sehr vernünftige Angelegenheit halte. Ich fürchte, daß andere Länder in dieser Beziehung nicht so verfahren. ({22}) Ich möchte den Ländern auch den Rat geben, angesichts der höheren Einnahmen, die sie im Jahre 1960 und im Jahre 1961 zu erwarten haben, in bezug auf die kulturellen Leistungen größere Anstrengungen zu unternehmen, als das bis jetzt der Fall gewesen ist. Auf unseren Antrag hin ist hinsichtlich der Bauwünsche des Wissenschaftsrates und des Bundesrates festgelegt worden, daß der Bund sich nur dann beteiligt, wenn die Länder die Hälfte der Ausgaben für Bauten tragen. Ich halte das angesichts der Finanzlage der Länder für nicht mehr als recht und billig. Herr Dr. Schäfer hat in der zweiten Lesung des Haushalts, und zwar bei der Beratung des Haushalts des Innenministeriums, so etwas wie einen Vorrang der Leistungen auf kulturellem Gebiet vor den militärischen Aufwendungen herauskristallisiert. Wir können ihm hinsichtlich einer solchen Vorrangstellung nicht ohne weiteres folgen. Wenn wir in Deutschland bei den militärischen Leistungen prozentual schon bei Leistungen angelangt wären, wie sie die vergleichbaren Verbündeten innerhalb der NATO haben, könnte man vielleicht über dieses Problem diskutieren. Aber, meine Damen und Herren, solange England 11 % seines Nationaleinkommens für die gemeinsame Verteidigung aufbringt und solange unser Prozentsatz bei 4,8 liegt, können wir über einen solchen Vorrang eben leider noch nicht sprechen. ({23}) Wir haben zuerst einmal unser Soll zu erfüllen und unseren vertraglichen Leistungen nachzukommen. ({24}) - Nein, wir wollen unseren vertraglichen Leistungen nachkommen, Herr Kollege Schäfer. Ich nehme an, daß Sie als ein Beamter von Hause aus, der Verträge au fond respektiert, sich nicht weigern werden, vertragliche Leistungen zu respektieren. Wenn Sie das aber tun, müssen Sie finanzielle Konsequenzen daraus ziehen, und das bedeutet die Zurückstellung von Wünschen, die auch wir liebend gern erfüllt sähen, die nicht nur Ihr Anliegen sind. Herr Kollege Dr. Schäfer, Sie führen als erprobter Verwaltungsfachmann einen kunstvollen Schützengrabenkrieg auf dem Gebiete des Einzelplans 14. Ich verfolge natürlich die Einzelaktionen mit besonderem Interesse; man kennt ja die Finessen eines solchen Spieles. Aber, meine Damen und Herren von der Opposition, um eine Frage kommen Sie nie herum, und ich werde sie in jedem Jahr von neuem stellen: Wo bleibt Ihr finanziell klar herausgestelltes Programm für den deutschen Verteidigungsbeitrag? ({25}) Es nutzt uns nicht viel, daß Sie sagen- ich erkenne das an und bin froh darüber, daß Sie das sagen -, daß wir uns auf eine gemeinsame Verteidigung einigen müßten. Wir werden aber auf der anderen Seite nicht müde werden, Ihnen vorzuhalten: Bitte, wenn Sie das sagen, sind Sie auch moralisch verpflichtet, diesem Hohen Hause mitzuteilen, wie Ihre Konstruktion aussieht, wie teuer das Berufsheer werden soll, das Sie haben wollen, und was die Ausrüstung kosten soll. ({26}) Ich glaube, das Programm der Regierung ist in einer Weise klargelegt, die es Ihnen erlaubt, diesen kleinen unterirdischen oder oberirdischen Feldzug gegen die einzelnen Ausgaben zu führen; denn wenn das nicht der Fall wäre, wären Sie nicht in der Lage, den Feldzug gegen die Ausgaben zu führen. Lassen Sie mich auf ein Zweites eingehen. Herr Kollege Dresbach hat vor kurzem in einem sehr interessanten Aufsatz die Länder und die Gemeinden daran erinnert, daß man bei der Aufstellung von Kulturprogrammen auch von Ihrer Seite nicht von einer rein pazifistischen Basis ausgehen kann. ich möchte dieses Wort noch einmal aufgreifen und nachdrücklich daran erinnern, daß wir zunächst danach streben müssen, im Rahmen des Gesamthaushalts unseren vertraglichen Verpflichtungen nachzukommen. ({27}) - Herr Kollege Dresbach steht, glaube ich, als Schwerkriegsbeschädigter völlig außerhalb des Verdachts, ein ausgesprochener Militarist zu sein. Wenn er davon sprach, dann habe ich ihn so versanden, daß er sagen wollte: Wenn wir vertragliche Verpflichtungen eingegangen sind, haben diese eben den Primat vor Wünschen. Ich bin im großen und ganzen doch sehr dankbar dafür, daß wir bis jetzt in den Jahren seit 1955 von so großen Fehlleitungen und Fehlinvestitionen auf dem Gebiete der Verteidigung verschont geblieben sind, wie sie andere Länder leider aufzuweisen haben. Ich erinnere an die jüngste Debatte im britischen Unterhaus. Dort hatte man 780 Millionen in ein Riesen-Raketenprogramm investiert, das man plötzlich abbrechen mußte. Bei unserem Aufenthalt in den Vereinigten Staaten haben die Mitglieder der NATO-Parlamentarier-Delegation ähnlich große Vorhaben vorgeführt bekommen, die man nicht weiterführen konnte. ({28}) - Herr Kollege, ich will Ihnen das eine sagen: Wer viel riskiert auf diesem Gebiete, der verliert natürlich auch sehr viel. Der Einsatz ist sehr hoch. Ich bin froh, daß wir ihn vermeiden konnten. Ich empfehle Ihnen übrigens dringend die Lektüre des zweiten Buches von Parkinson, das er über die Rüstungsausgaben nicht zuletzt auch in den Vereinigten Staaten und in England verfaßt hat. Die dort genannten Zahlen - ich wollte sie Ihnen ersparen - sind hoch interessant. Lesen Sie einmal, in welchem Umfange dort Fehlinvestitionen gemacht worden sind. Ich wünsche nur, wir hätten die Summen, die vertan worden sind. Auf der anderen Seite ({29}) -- wir haben davon gelernt - bin ich sehr froh darüber, daß der Bundesverteidigungsminister lieber ein bißchen mehr zugewartet hat, als daß er sich in ein zu großes Risiko hineingestürzt hat. ({30}) - Herr Kollege Dr. Schäfer, ich habe die ersten Schützenpanzer in der Garnison meines Wahlkreises stehen sehen. Ich habe die Offiziere gebeten, mir sofort zu berichten, falls bei den Panzern irgendwelche Mängel auftreten. Ich bekomme hoffentlich darüber einen Bericht. Bis jetzt jedenfalls haben mir die Fachleute dieses Panzerbataillons gesagt, daß sie keine Mängel hätten entdecken können. ({31}) - Herr Kollege Dr. Schäfer, ich gratuliere Ihnen zu dieser Einstellung. Sie sollten in Zukunft Ihre Wachsamkeit auch darauf richten, daß Sie uns sagen, welche Form von Panzern Sie vorschlagen würden. Nachher wären wir uns dann sehr schnell einig. ({32}) Lassen Sie mich noch etwas zu dem Problem der besseren Unterrichtung des Auslandes sagen. Es ist ein Problem, das mir ganz besonders am Herzen gelegen hat, wie Sie aus den Beratungen des Haushaltsausschusses, auch aus den vorangegangenen Beratungen hier wissen. Ich komme auf die Antwort des Herrn Bundesaußenministers bei der zweiten Lesung zurück, als er zu dem Problem der Entwicklungsländer sprach, aber auch auf die Rede des Herrn Kollegen Schneider ({33}) einging. Der Herr Bundesaußenminister hat - ich darf ihn noch einmal aus dem Protokoll zitieren - wörtlich gesagt: Ich möchte aber noch hinzufügen, daß ich es nicht gern sehen würde, wenn die diplomatischen Vertretungen der Bundesrepublik zu Propagandastellen würden. Hier sollten wir eine klare und reinliche Scheidung vornehmen. Ich glaube nicht, daß wir unserer Sache dienen, wenn wir im Ausland Propaganda treiben. Das haben wir in einer vergangenen Zeit einmal getan, und das wollen wir nicht wiederholen. Wir haben sehr erhebliche neue Mittel für Öffentlichkeitsarbeit im Ausland in den Haushalt 1960 eingefügt. Ich freue mich, feststellen zu können, daß wir den entsprechenden neuen Titel im Etat des Bundespresse- und Informationsamts gemeinsam bewilligt haben. Wir haben das getan. Ich möchte aber verhindern, daß die Äußerung des Herrn Bundesaußenministers mißverstanden wird, mißverstanden vor allen Dingen bei den vielen neuen Kräften, die wir gerade für die Offentlichkeitsarbeit jetzt in das Ausland entsandt haben. Ich darf doch annehmen, daß der Außenminister die, wie ich glaube, einmütige Auffassung des Hohen Hauses teilt, wonach dem weltweiten Verleumdungs- und Diffamierungsfeldzug des Ostblocks, an der Spitze der Machthaber in Pankow, entscheidend entgegengetreten werden muß. Wir können von dieser Verpflichtung kein Mitglied einer deutschen Auslandsmission ausschließen. Ob wir diese Abwehr verstärkte „Öffentlichkeitsarbeit" oder anders nennen, ist hier unerheblich. Jedes Mitglied einer deutschen Auslandsmission draußen muß wissen, daß es mit allen seinen Kräften und Fähigkeiten nicht nur die Bundesrepublik zu repräsentieren hat, sondern auch für die Verbreitung der Kenntnis der deutschen Lage, für die Aufklärung über unsere Probleme und die Aufhellung der erschreckenden Unkenntnis über die Teilung Deutschlands und die Lage Berlins zu sorgen hat. ({34}) Wir wären dem Herrn Bundesaußenminister dankbar, wenn er nicht nur bei den Konferenzen der Missionschefs draußen, sondern auch durch entsprechende Erlasse und nicht zuletzt auch durch eine dienstliche Bewertung der Öffentlichkeitsarbeit innerhalb der Kader des Auswärtigen Amtes diese dringende Verpflichtung zur allgemeinen Beachtung bringen würde. Mir scheint eine solche Bemerkung notwendig zu sein, um der jetzt neu einsetzenden Abwehraktion von vornherein auch den Impuls und die Ermutigung zu geben, deren ihre Träger draußen dringend bedürfen. Es sind recht erhebliche Mittel dafür zur Verfügung gestellt worden. Sie können nur dann sinn- und zweckvoll und mit dem höchsten Nutzeffekt eingesetzt werden, wenn der Herr Bundesaußenminister und sein Haus ihre ganze Autorität, ihre Phantasie und ihren guten Willen voll in die Waagschale werfen. In diesem Zusammenhang noch ein Wort über die Hilfe für die Entwicklungsländer. Auch dieses Thema ist in der zweiten Lesung von allen Fraktionen breit behandelt worden. Ich glaube, wir sollten uns in der Zukunft nicht nur um die amtliche Hilfe kümmern, sondern sollten auch ein wenig mehr diejenigen unterstützen, die in vielen Organisationen auf privater Basis auf diesem Gebiet tätig sind. Hier bietet sich, glaube ich, ein weites Feld, wo wir durch geringe Zuschüsse häufig mehr erreichen können, als wenn der Bund selber durch eigene Träger tätig wird. Wir müssen uns mehr als bis jetzt auf ein Problem konzentrieren, das uns schier unlösbar erscheint, nämlich für diese Aufgabe die geeigneten Menschen zu gewinnen. Das geht nicht allein das Auswärtige Amt, das Bundesinnenministerium oder das Arbeitsministerium, sondern alle Ressorts an. Es geht außerdem die Länder an. Ich glaube, daß die Koordination all dieser Anstrengungen bis jetzt nicht das notwendige Ausmaß erreicht hat. Meine Damen und Herren von der Opposition, wir werden Ihren Koordinationsstellenantrag hier nicht sofort annehmen, sondern werden Sie bitten, mit einer Ausschußüberweisung einverstanden zu sein. Wir glauben aber, daß der Antrag nicht nur im Auswärtigen Ausschuß, sondern auch im Haushaltsausschuß beraten werden sollte; denn auch wir sind der Überzeugung, daß für die Koordination all dieser Anstrengungen mehr geschehen muß. Noch ein Wort zu den Aufgaben von Forschung und Wissenschaft. Ich habe im Haushaltsausschuß und auch an dieser Stelle vor dem Hohen Hause niemals ein Hehl daraus gemacht, daß ich den jetzigen Stand der Durchführung des Honnefer Modells für unbefriedigend halte. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß das Honnefer Modell zwei Voraussetzungen stellt. Es darf nicht nur die Bedürftigkeit, sondern es muß auch die Begabung der Studenten geprüft werden. Die Professoren sind das werden sie in privaten Gesprächen ohne weiteres zugeben - mit der Prüfung, ob die zweite Voraussetzung erfüllt ist, physisch überfordert. Bei der heutigen Überfüllung der Hochschulen sind sie beim besten Willen einfach nicht in der Lage, entsprechend den Honnefer Richtlinien zu prüfen, ob die zweite Bedingung erfüllt, nämlich die notwendige Begabung vorhanden ist. Daraus werden wir im nächsten Haushaltsjahr bestimmte Konsequenzen zu ziehen haben. Wir haben das Bundesinnenministerium bereits aufgefordert, in seinem Voranschlag für das Haushaltsjahr 1961 den geänderten Bedingungen Rechnung zu tragen. Ein zweites Problem, das mit dem Haushalt des Bundesministeriums des Innern zusammenhängt, kann nicht unerwähnt bleiben. Auch wir sind nicht ganz damit zufrieden, daß beim zivilen Bevölkerungsschutz die Zahl der ehrenamtlichen und freiwilligen Kräfte auf allen Gebieten, vor allem dem organisatorischen Gebiet, nicht so ansteigt, wie wir uns das eigentlich vorgestellt hatten. Wir machen aber daraus dem Bundesinnenminister keinen Vorwurf, meine Damen und Herren; es ist nun einmal - darauf möchte ich besonders hinweisen - inmitten einer Hochkonjunktur und eines immer mehr um sich greifenden rein materiellen Denkens der breiten Massen eine sehr schwierige Aufgabe, die notwendigen ehrenamtlichen und freiwilligen Kräfte zu gewinnen. Das ist nicht nur so beim zivilen Bevölkerungsschutz, sondern das gleiche Problem haben wir in seiner vollen Schwere auch bei den öffentlichen und privaten Krankenhäusern. Je mehr wir heute für hauptamtliche Kräfte auf diesem Gebiet zu zahlen haben, desto schwieriger wird die Finanzierung der Krankenhäuser. Je weniger freiwillige Kräfte sich aus religiösem Antrieb oder aus Idealismus der freiwilligen Krankenpflege zur Verfügung stellen, in Orden oder ins Rote Kreuz hineingehen, desto mehr muß der Staat aus seiner Tasche aufbringen. Ich glaube, ohne die tätige Mithilfe und die Opferbereitschaft des einzelnen Menschen kann der Staat heute sehr viele Leistungen einfach nicht bewältigen. ({35}) Wenn wir unsere deutschen Menschen nicht von der Notwendigkeit eines eigenen Beitrags zum Schutze ihres eigenen Lebens und des Lebens ihrer Kinder überzeugen können, dann kann ihnen kein Staat das notwendige Ausmaß an Hilfe oder irgendeinen Ersatz für die mangelnde Selbsthilfe gewähren, Das ist finanziell inmitten einer Hochkonjunktur und angesichts von rund 400- bis 500 000 unbesetzten Arbeitsplätzen einfach nicht möglich. Dieses Problem müssen wir so sehen, wie es sich uns stellt. Ein Wort noch zur Wirtschaftspolitik. In der Beratung des Einzelplans des Herrn Bundeswirtschaftsministers ist hier von der Opposition klar gesagt worden - und wir stimmen dem durchaus zu -, daß der Wiederaufbau eine gemeinsame Leistung des deutschen Volkes gewesen ist. Ich wäre der allerletzte, der das leugnen wollte. Aber etwas, meine Damen und Herren, darf man dabei nicht übersehen oder überschlagen. Wenn ich heute in einer erstklassigen Fabrik einen guten Motor baue und mit seinem Absatz einen glänzenden Erfolg habe, dann verdanke ich ,den Erfolg nicht nur der Pünktlichkeit, der Zuverlässigkeit und der Gewissenhaftigkeit der Arbeiter, ,die diesen Motor gebaut haben, sondern nicht zuletzt der Erfindung dieses Motors. Meine Damen und Herren, wir haben nun einmal den berechtigten Stolz - und wir bitten, .es uns nicht zu verübeln, wenn wir stolz darauf sind , ,daß diese Erfindung von Professor Erhard stammt. ({36}) Einige Worte zum Agrarhaushalt! Vorhin ist hier die Frage der Subventionen erwähnt worden. Es ist sicher ein sehr ernstes Problem, nach der Aufstellung, die der Herr Bundesfinanzminister darüber vor knapp einem Jahr veröffentlicht hat, ein doppelt ernstes Problem. Aber wir haben uns inzwi-. schen belehren lassen, daß ,die Subventionierung nicht allein eine Frage ,der .deutschen Landwirtschaft, sondern eine Frage ,ist, die nahezu alle Berufsstände, die Wirtschaft usw. steuermäßig betrifft. Denken Sie nur an die 120 Millionen DM, die wir für den Getreideexport ausgegeben haben, die im Grunde eine indirekte Subvention auch der deutschen Industrieexporte darstellen. All dies greift ineinander. Wir werden dafür stimmen, Ihren Antrag dem Ausschuß zur Prüfung und zur näheren Beratung zu überweisen. Aber, ich glaube, meine sehr verehrten Damen und Herren, ,die Aussichten für eine generelle Beseitigung ,der Subventionen werden, so mutig sie ,der Bundesfinanzminister - wir wissen ihm Dank dafür auch angefaßt hat, in einem kommenden gemeinsamen Markt nicht gerade besser werden. ({37}) - Er hat sie auch angepackt; .das wissen Sie ganz genau. - Ich möchte nicht einmal genau nachprüfen, wer im Grundegenommen der letzte Leidtragende wäre, wenn wir an den Abbau ,der Subventionen gingen. Herr Kollege Dr. Schäfer, vergessen Sie nicht, daß 70 % aller deutschen Eisenbahnfakirscheine vom Staat subventioniert sind und daß heute die Preise der Schüler- und Arbeiterfahrkarten zum Teil auf ,dem Stand von vor dem ersten Weltkrieg zurückgeblieben sind. ({38}) Wenn das keine Subvention ist, dann weiß ich überhaupt nicht mehr, was eine Subvention sein soll! Wir werden in diesem Zusammenhang ein internationales Problem zu lösen haben. Es ist ein Problem von äußerstem Ernst, nämlich das Problem der landwirtschaftlichen Überproduktion, .das es bei uns, aber auch überall in der Welt gibt, ein Problem, mit dem ,die EWG fertig werden muß und mit dem wir im Bundestag innerhalb der nächsten zehn Jahre auch irgendwie fertig werden müssen. Der Haushaltsausschuß hat hier einen besonderen Wunsch an den Ernährungsausschuß. Wir bitten ,den Ernährungsausschuß um wohlwollende Prüfung gerade .dieses Anliegens. Man sollte ,doch nicht durch bestimmte Maßnahmen auf manchen Gebieten gerade eine Überproduktion heraufbeschwören; denn dann kostet uns der Verkauf der Überproduktion erneut Summen, die schwer aufzubringen sind. Der Wohnungsbau! Ich habe bereits ausgeführt, daß ich es für unmöglich halte, den Wohnungsbau einzuschränken. Auf der anderen Seite bitten wir um volles Verständnis dafür, daß wir uns entschieden dagegen wenden, daß die ohnehin schon aufs äußerste angespannte Lage des Baumarktes durch neue, erweiterte Ausgabenanträge Ihrerseits noch verschärft wird. Herr Kollege Brecht von der SPD hat das mit seinem Antrag in Höhe von 300 Millionen DM getan. Das kann man einfach nicht verantworten; denn eine noch größere Ausweitung der Bauwirtschaft muß meiner Überzeugung nach unweigerlich zwei Folgen haben, erstens eine sinnlose weitere Steigerung der Bodenpreise und zweitens eine Erhöhung der Bauindexe, d. h. im Grunde genommen eine bewußte Schädigung der Bausparer. Hier kommen wir zu einem für uns sehr wichtigen Punkt. An ihm hängen wir ganz besonders. Wir sind stolz darauf, daß wir nun vor zehn Jahren, wenn ich mich nicht irre, den Bau von mehr als 1 Million Eigenheimen mit Hilfe unserer Gesetzgebung ermöglicht haben. Ich glaube, das ist ein entscheidender Beitrag zur Eigentumsbildung in den breitesten Schichten in Deutschland. ({39}) Wenn wir, Bund und Länder gemeinsam - Sie wissen, welches Problem dabei in Baden-Württemberg aufgeworfen wird -, pro Jahr ungefähr 600 Millionen DM an Bausparprämien zahlen, muß uns daran gelegen sein, daß der Wert dieser Zuschüsse nicht durch eine andere Maßnahme des Bundes gemindert wird. Das wäre unlogisch. Wir sollten danach trachten, die Baukonjunktur nicht übermäßig auszudehnen. Gestatten Sie mir jetzt noch einige abschließende Bemerkungen! Ich möchte hier einmal ein ganz offenes Wort - selbst bei dieser Besetzung des Hohen Hauses - über die konstitutionelle Stellung des Haushaltsausschusses sagen. Meine Damen und Herren, es wäre falsch, die Aufgabe des Haushaltsausschusses etwa nun darin sehen zu wollen - wie sie vielleicht manche naive Betrachter der Haushaltssituation des Bundes draußen sehen -, daß wir in der Lage sind - manchmal hat auch der Bund der Steuerzahler ganz abenteuerliche Vorstellungen von unseren Möglichkeiten -, ({40}) den Rotstift zu nehmen und zu sagen: Jetzt streichen wir rundweg das und das und das. Herr Kollege Schoettle hat bereits darauf hingewiesen. Ich habe in meiner ersten Rede schon des näheren und breiteren ausgeführt, wie schmal im Grunde genommen der Spielraum ist, der uns bleibt, wenn mehr als 00'°/o aller Ausgaben des Bundes gesetzlich fixiert sind, und wie schmal er dann noch wird, wenn darüber hinaus eine ganze Reihe von gewichtigen Ausgaben einfach nicht gekürzt werden können. Das weiß der Bund der Steuerzahler, das wissen die anderen Organisationen im Grunde genommen wie wir. ({41}) - Das sollten sie wissen, ganz recht! Es wäre 'manchmal erfreulich, sie würden dieses Wissen auch publizistisch verwerten. Die Kürzungsmöglichkeiten sind also beschränkt. Was bleibt uns im Haushaltsausschuß dann zu tun übrig? Ich sehe seine Hauptfunktion bei der gegenwärtigen Konstruktion unserer Verfassung darin, daß er ein Wächteramt wahrnimmt, dessen Kompetenzen vielleicht sogar in einem gewissen Widerspruch zu den Auswirkungen dessen stehen, was erbeschließt. Wir haben gar keine so große Kompetenz. Aber der Haushaltsausschuß ist so etwas wie eine „fleet in being", wie die Engländer zusagen pflegen. Die bloße Existenz des Ausschusses wirkt manchmal Wunder, vor allem auch der Appendix des Haushaltsausschusses, dieser kleine bescheidene Rechnungsprüfungsausschuß. Wenn ich die Beteiligung der Ressorts an unseren Sitzungen sehe, stelle ich fest, daß wir zumindest eines bis jetzt erreicht haben, nämlich bei den Ressorts das Gefühl dafür zu wecken, daß hier eine parlamentarische Instanz da ist, die nach dem Rechten sieht und die sich nicht scheut, auch einmal offen Stellung zu nehmen, wenn sie glaubt, daß Dinge passiert sind, die nicht gebilligt werden können. Wir erfreuen uns dabei einer engen Zusammenarbeit mit dem Bundesrechnungshof. Lassen Sie mich auch dazu noch ein Wort sagen! Ich sah vorDr. Vogel hin noch Herrn Präsident Hertel hier. Im Grunde genommen sind wir mit der Funktion des Bundesrechnungshofes insofern nicht ganz zufrieden, als wir von der Stellung des Beauftragten für die Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung, die ich von der des Präsidenten des Bundesrechnungshofes streng trennen möchte, gerade in der Kontrolle der Hoch-und Tiefbauten des Bundes und einer ganzen Reihe anderer Maßnahmen mehr erwartet haben. Wir haben ihm seinerzeit auch die entsprechenden Mittel dafür zur Verfügung gestellt. Wir wissen, wie schwierig es ist, unabhängige Fachleute zu finden. Aber wir möchten ihn doch sehr ermutigen, nicht zu resignieren, sondern das Wächteramt, ,das er vom Bundestag erhalten hat, entsprechend wahrzunehmen. Ich glaube, Kollege Schoettle und ich waren uns immer völlig darüber einig, daß wir im Haushaltsausschuß uns laufend letzten Endes mit einer Fehlkonstruktion der Verfassung auseinandersetzen müssen. Ich bin der festen Überzeugung: dieses Hohe Haus wird, je länger es existiert, unweigerlich mit wachsenden Ausgaben und mit wachsenden Deckungsschwierigkeiten immer eindringlicher mit dem Problem konfrontiert werden, mit dem auch frühere Parlamente konfrontiert worden sind, nämlich mit der Notwendigkeit, zu bestimmen, daß nur eine Stelle - wie in England - Ausgaben beantragen darf. Nur der Bundesfinanzminister sollte mit seinem jährlichen Budget dem Plenum einen bestimmten Ausgabenvorschlag unterbreiten. In England ist die Sache so weit getrieben worden, daß selbst ein Mitglied der Opposition keinen Antrag, der Mehrkosten verursacht, ohne die vorherige Zustimmung des Finanzministers stellen darf. ({42}) - Das muß nicht unbedingt in dieser Tragweite nachgemacht werden; ich habe ja gesagt: in England ist man so weit gegangen. Aber, Herr Kollege Ritzel, Sie werden mir in Ihrem innersten Herzen nicht widersprechen, wenn ich Ihnen sage: das deutsche Parlament sollte sich stets den Gang der Dinge in Frankreich vor Augen halten, ({43}) und es sollte sich stets der Gefahr bewußt sein, vor der wir auch hier, mit jedem Jahre mehr, stehen. ({44}) Das möchte ich jetzt in einen noch erwedterten Appell einmünden lassen. Ich glaube, wir sind uns manchmal im 'deutschen Volke nicht völlig darüber im klaren, daß wir uns heute auch wirtschaftlich und volkswirtschaftlich in genau der gleichen Position wie England befinden. Zu 50 % lebt und stirbt dieses Volk mit seinem Export! Exportieren heißt: draußen verkaufen können und Leute finden, die uns etwas abnehmen. Das können Sie nur erreichen, wenn Sie draußen in den Preisen konkurrenzfähig bleiben. Wir sollten in keinem Augenblick aus dem Auge verlieren, welche Rückwirkungen das auf uns alle, auf die Tarifverhandlungen in der nächsten Zukunft, auf unser Verhalten bezüglich der Haushaltsprobleme usw. hat. Wenn es uns nicht gelingt, das deutsche Volk draußen wettbewerbsfähig zu erhalten, werden wir Lalle gemeinsam den Riemen enger schnallen müssen. Diese Überzeugung sollte sich in den Genütern mit jedem Tage mehr durchsetzen. Wenn wir zu dieser gemeinschaftlichen Überzeugung kommen und wenn es uns gelingen sollte, auch in diesem Hohen Hause, über alle politischen Gegensätze hinweg uns in diesen Fragen, die für uns Existenzfragen 'sind, ein wenig mehr als bis jetzt zu verständigen, dann werden wir uns alle in der Forderung einig sein, ,die wir bisher am Schluß eines jeden Haushaltsjahres erheben mußten: Maßhalten ist das oberste Gebot der Stunde, auch bei der Verabschiedung des Haushalts 1960! ({45})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Wird weiterhin das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Kreitmeyer!

Reinhold Kreitmeyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001210, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als der Sprecher der Freien Demokraten in der ersten Lesung sich bemühte, für diesen Haushalt einen charakteristischen Namen zu finden, griff er die inoffizielle Bezeichnung „Haushalt der Konsolidierung" auf. Es herrscht wohl in diesem Hohen Hause kein Zweifel darüber, daß diese Namensfindung nicht mehr zutrifft. Der Haushalt ist entscheidend verändert worden. Wir haben bereits gehört, daß der außerordentliche Haushalt von 3 Milliarden auf 1 Milliarde DM gesenkt und dafür der ordentliche Haushalt erhöht worden ist. Wir können feststellen, daß diese Umstellung erforderlich war, weil einschneidende Veränderungen am Kapitalmarkt zu Lasten unserer allgemeinen Situation vorgegangen sind und auf der anderen Seite eine erfreuliche Steigerung des Steueraufkommens in Höhe von etwa 1,75 Milliarden DM die Umstellung mehr oder weniger reibungslos vollziehen ließ. Dämpfung der Konjunktur ist seit Wochen das die Öffentlichkeit beherrschende Thema. In diesem Zusammenhang wird offen und unverblümt Anklage gegen die öffentliche Hand erhoben. Wer ist denn eigentlich diese „öffentliche Hand", die sich so schwach an der Konjunkturdämpfung beteiligt? Das ist der Bundeshaushalt, das sind die 11 Länderhaushalte, das sind die 136 Haushalte von größeren Stadtgemeinden und das sind die 24 000 Haushalte von Gemeinden und Gemeindeverbänden. Von ihnen allen verlangt man, daß sie jetzt Konsequenzen ziehen. Ist der Haushalt des Jahres 1960 nun ein Haushalt der Konsequenz der ganzen Maßnahmen? Wir Freien Demokraten bedauern sehr, feststellen zu müssen, daß der Bundeshaushalt kein Haushalt der notwendigen Konsequenz ist. Die Situation wird sehr gut durch den Präsidenten der Bundesbank charakterisiert, der sagt, daß er auf die Bremse der Nachfrage trete, während die öffentliche Hand am Ausgabehebel Gas gebe. Dieses Bild muß man noch etwas verdeutlichen. Die Bundesbank meint keineswegs, daß die öffentliche Hand überhaupt nicht Gas geben sollte; denn Fahrt muß sein, das Leben geht weiter; entscheidend ist nur, wieviel Gas gegeben werden soll, wann mehr, wann weniger, mit welcher Geschwindigkeit und unter welcher Tourenzahl die Staatskarosse überhaupt fahren soll. Die Bundesbank hat zweifellos ihre Pflicht getan. Sie hat seit Monaten die Situation beobachtet, die Lage beurteilt, Entschlüsse gefaßt und durchgeführt, mehrmals hintereinander. Nichts drückt dieses entschlossene Handeln deutlicher aus als die erhebliche Summe von 11 Milliarden stillgelegter D-Mark. Vorbildlich hat der verantwortungsvolle Präsident mit seinen Mitarbeitern Mut, Kraft und Stehvermögen unter Beweis gestellt. Ihm kam es darauf an, nicht nur theoretische Erkenntnisse zu haben, sondern schnell, beispielhaft und überzeugend zu handeln. Was steht denn auf dem Spiel? Die Grundlage der Marktwirtschaft, die unbestritten bei richtiger Handhabung auch die sozialste ist, gilt es zu erhalten. Die Marktwirtschaft beruht aber in erster Linie auf dem stabilen Wert des Geldes, verbunden mit einem hohen Grad von Beschäftigung und einer maßvollen, aber auch gerechten Lohnbildung. Die Vollbeschäftigung ist trotz aller Prophezeiungen der Gegner der Marktwirtschaft in so kurzer Zeit erreicht worden, daß von ihr aus die Gefahr droht, das ganze System zu ruinieren. ({0}) Wenn es nicht gelingt, Einhalt zu gebieten und alle Beteiligten zu abgestimmtem Handeln zu bewegen, dann trifft das Wort zu: Schlimm ist noch nicht, was passiert ist; schlimm ist vielmehr, was passieren wird, ({1}) wenn man diesen Gefahren nicht sofort entgegentritt. So äußerte sich wiederum treffend der Präsident der Bundesbank. Ich habe mir nur erlaubt, das kleine Wörtchen „noch" hinzuzufügen. Von dieser unmißverständlichen Aufforderung her ergibt sich die zwingende Notwendigkeit, in der Gestaltung des Bundeshaushalts 1960 Modell und Beispiel zu sein, wobei zugegeben werden muß, daß aus Mangel an Möglichkeiten, die übrigen Tausende von Haushalten verbindlich zu beeinflussen, aus der Not eine Tugend gemacht werden muß. Wie steht es nun damit, Herr Bundesfinanzminister? So starr ist unsere ehrwürdige Reichshaushaltsordnung doch nun auch wieder nicht, daß man nicht wenigstens beispielhaft handeln könnte. Voraussetzung ist allerdings, daß man es politisch für unbedingt notwendig hält. Es geht um die Erhaltung des Erreichten schlechthin. Wir befinden uns in einem harten Kampf um die Erhaltung unseres Geldwertes. Unser Volk ist in bezug auf inflationäre Tendenzen ein doppelt gebranntes Kind, und alle Aussagen von offizieller und kompetenter Seite, daß eine Geldentwertung schon längere Zeit im Gange sei, sollten tunlichst vermieden werden. ({2}) Wenn man schon dergleichen Äußerungen in der Öffentlichkeit laut werden läßt, sollte man unverzüglich die Maßnahmen aufzählen, die dieses Gespenst am Horizont verschwinden lassen. Es ist auch nicht notwendig, dazu Herrn Lenin unter der Firma „ein großer Russe" zu bemühen mit der Erkenntnis, daß man über die Zerstörung des Geldes eine freiheitliche Ordnung am sichersten und ohne Risiko für das eigene Leben zerstören kann. Denn nach den sachkundigen Ausführungen Ihres verehrten Staatssekretärs sitzen ja die gefährlichsten, wenn vielleicht auch ahnungslosen Feinde der Sparer und der Währung auf den Bänken des Parlaments und - lassen Sie mich nun persönlich hinzufügen - mitunter in der Regierung selbst, wenn nicht sogar an deren Spitze. Wir Freien Demokraten gehören nicht dazu. Wir haben rechtzeitig und immer wieder unsere Stimme mit Nachdruck erhoben ({3}) und unseren entscheidenden Anteil am Durchbruch zur Verwirklichung, an der Erhaltung der sozialverpflichteten Marktwirtschaft in den letzten 12 Jahren mehr als einmal bewiesen. Worauf aber beruht die eigentliche Ahnungslosigkeit dieser sogenannten parlamentarischen Feinde der Sparer und der Währung? Trägt die Regierung nicht auch ein gerüttelt Maß an Schuld an diesem Zustand der Ahnungslosigkeit? Orientiert sie ausreichend, d. h. auch handgerecht, zeitnahe, übersichtlich, so daß wenigstens der, der sich orientieren will, auch findet, ohne sich durch Berge von Papier zeit- und gesundheitsraubend durcharbeiten zu müssen? Die Debatte von heute morgen um die Beamtengehälter und um den Bericht, den mein Fraktionskollege Eilers hier gegeben hat, war wohl ein sprechendes und überzeugendes Beispiel dafür, wie schlecht das Parlament gegebenenfalls orientiert wird. Trotzdem: gelobt sei, daß dann und wann noch eine Indiskretion vorkommt, möchte man beinahe sagen. Denn so erfährt nicht nur der Abgeordnete schlechthin, sondern auch das Mitglied des jeweiligen Ausschusses wenigstens aus der Zeitung, daß es etwas gegeben hat. Wie lange ruhten die Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats des Bundesfinanzministeriums und desjenigen des Bundeswirtschaftsministeriums in den zuständigen Schubladen! Durfte das Volk diese Gutachten nicht kennenlernen? Durften wir Abgeordneten sie nicht rechtzeitig kennenlernen? Stehen sie vielleicht im Gegensatz zu dem, was im Christlich-Sozialen Schulungsdienst hier unter Abteilung „Haushaltsgestaltung" verbreitet wird, jenem Schulungsdienst, der aus dem berüchtigten Titel 300 gespeist wird? Sind diese Gutachten vielleicht zu liberal, um vom linken Flügel der Regierungspartei noch getragen zu werden? ({4}) Also, Herr Finanzminister, es genügt nicht, festzustellen. Wir werden uns endlich zu politischen Taten aufraffen müssen, wenn unser Wohlstand nicht ein Wohlstand auf tägliche Kündigung werden soll. Sie fahren fort. Wir sollten nicht abwarten, bis die Zuchtrute der Geschichte uns vernichtet und uns zur Bescheidenheit zwingt. Sind wir erst einmal vernichtet, nützt uns alle Bescheidenheit nichts. Es geht darum, die Zuchtrute des Finanzministers jetzt zu schwingen. Das erwarten der Sparer und der Verbraucher, der Pensionär und nicht zuletzt die schaffenden Menschen in leitender wie in abhängiger Sfellung. Ihr Ruf „Regieren heißt vorhersehen!" ist ebenso allgemein wie unverbindlich, weil man kaum davon Gebrauch macht. Und wenn Sie bedauern, daß die Sparer über so wenig Macht verfügen, dann liegt es nicht zuletzt daran, daß sie viel zuwenig über ihre Macht aufgeklärt werden. Die Sparer haben es entscheidend mit in der Hand, der Geldentwertung entgegenzuarbeiten, und ihr Entschluß zum Sparen ist besonders in der jetzigen Situation dringender als je. Denn dieser Entschluß rechtfertigt jede gerechte Erhöhung des Anteils am Sozialprodukt in Form von Lohn- und Gehaltszahlungen. „Stopp der Geldentwertung" erscheint uns als Parole überzeugender. Aber auch hier gilt dasselbe wie für die übrigen Haushalte in der Bundesrepublik: „Nur Vorbild überzeugt!" Beginnen wir im eigenen Hause! Der Haushalt muß mit der Wirklichkeit in Übereinstimmung gebracht werden, damit er auch für den sogenannten Nichtexperten klar und übersichtlich ist. Hier, Herr Bundesfinanzminister, muß ich doch noch einmal auf die Ausgabenreste zurückkommen. Denn Ihre Ausführungen überzeugen nicht, stehen sie doch im klaren Gegensatz zu der mir zuteil gewordenen Anerkennung hinsichtlich der grundsätzlichen Berechtigung des Anliegens. Ein Haushalt, der rund 20 % des Gesamtvolumens als Ausgabenrest mit sich herumschleppt, ist eben ein Unding. Er ist außerhalb parlamentarischer Kontrolle. Wie sagt doch der nicht ganz unbekannte Herr Vialon so treffend? Diese Ausgabenreste verlangen ein gründliches Studium von Haushaltsplänen, nämlich allen Plänen, in denen sie entstanden sind, und dazu noch der Rechnungen, wenn diese Ausgabenreste politisch kontrolliert werden sollen. Vernachlässigt man sie aber, so kann es ein schnelles Ende einer finanziellen Ordnung bedeuten, denn sie belasten die Kasse, ohne sich um Dek-kung zu kümmern, und leeren sie unter Umständen rascher, als es die Verantwortlichen gewahr werden, und schließlich haben sie schon dazu geführt, das Geld zweimal auszugeben. Und hier möchte ich wiederum persönlich hinzufügen: wenn es darum geht, Wahlen um jeden Preis zu gewinnen. Selbstverständlich sind Haushaltsreste unvermeidlich. Entscheidend allein ist die Höhe derselben. ({5}) Wir Freien Demokraten sind der Meinung, daß es möglich ist, mit Ausgabenresten in Höhe von 2 Milliarden DM auszukommen. Das sind etwa 5 % des Gesamtvolumens. Auch Verpflichtungen aus langfristigen Verträgen können damit bewältigt werden, insbesondere dann, wenn langfristige Vorauszahlungen bereits geleistet worden sind. Es kommt aber doch darauf an, das Ausgabevolumen jederzeit im Griff zu behalten und jederzeit die notwendige Übersicht zu gewährleisten. Letzten Endes geht es um das Haushaltsrecht als vornehmstes Recht des Parlaments, und schließlich wird die gute Ordnung durch einen Nachtragshaushalt nicht gefährdet, sondern im Gegenteil gewährleistet. Ich möchte es bei dieser Gelegenheit nicht versäumen, ,dem Haushaltsreferat des Bundesverteidigungsministeriums, seinem ,früheren und seinem jetzigen Leiter unsere Anerkennung für ,das vorbildliche Bemühen auszusprechen, mit den enormen Resten gerade des Einzelplans 14 fertig zu werden. Wenn wir trotzdem auf der globalen Streichung bestehen, so nicht zuletzt deshalb, weil sich inzwischen die Ausgabenreste auf .dem zivilen Sektor ,der 3-Milliarden-Grenze nähern. Wir sind uns darüber im klaren, ,daß mit der globalen Streichung die Neueinbringung der Vorhaben verbunden ist. Das aber ist gerade der entscheidende Umstand, auf .den es hier ankommt. Wir halten es gerade für erforderlich, weit zurückliegende Planungen zu revidieren, um eine sparsame Haushaltsführung zu ermöglichen. Eine zweite Sofortmaßnahme, zu der wir uns entschlossen haben, ist die echte Ausgabedrosselung über den narrensicheren Weg der Einnahmesenkung. Wir möchten nämlich nicht, ,daß das durch die Konjunktur und die Lohnerhöhung bedingte höhere Aufkommen an Einnahmen zu Wahlgeschenken mißbraucht werden kann. Diese Einnahmesenkung hat gleichzeitig noch einen ganz besonderen Zweck. Wir erkennen durchaus das Bemühen des 'Präsidenten der Bundesbank an, unseren Geldwert stabil zu halten. Angesichts der ihm zur Verfügung stehenden Mittel ist es jedoch unvermeidlich, daß auch solche Betriebe getroffen werden, die keineswegs an konjunkturellen Überhitzungserscheinungen leiden. Es geht uns dabei besonders um Handel, Handwerk und Gewerbe sowie kleinere und mittlere Industriebetriebe. Die 'einzig passende Rezeptur, hier schnell und gezielt zu helfen, besteht in der Erhöhung von absoluten Freibeträgen im Steuersystem. Dies trifft zu für die Umsatzsteuer, die Gewerbesteuer und die Lohnsummensteuer. Die letzte ist ja in dem Steuerpaket, das uns am Freitag beschäftigen wird, erfreulicherweise berücksichtigt. Die Umsatzsteuer ist schon seit vielen Jahren Gegenstand eingehender Untersuchungen, die sich darauf erstrecken, wieweit diese Steuer den Konzentrationsprozeß fördert und den Mittelstand zerstört. Ein stetiger permanenter Abbau dieser Steuer würde sicherlich schneller zum Ziele führen als jahrelange Beratungen über ein neues System. Wenn ,die beiden anderen Steuerermäßigungen eintreten, dann bedeutet das, daß endlich die Versprechungen eingelöst werden, die dem Mittelstand jahrelang gemacht worden sind. Selbstverständlich muß den betroffenen Gemeinden ein gerechter Ausgleich zuteil werden. Entscheidend ist aber das zweite Moment. Wenn es nicht gelingt, in der Zeit der guten Konjunktur den kleinen selbständigen Existenzen wirksam unter die Arme zu greifen, dann wird .das niemals gelingen. Das ist aber notwendig, damit ,die leidigen Subventionen einmal abgebaut werden können. Wenn es richtig ist, in Zeiten ,der Hochkonjunktur Reserven zu bilden, die bei einem Rückgang eingesetzt werden können, dann ist es für die deutsche selbständige mittelständische Wirtschaft von noch größerer Wichtigkeit, Reserven im eigenen Haus zu bilden. Wir zweifeln auch nicht an Ihrem persönlichen guten Willen, Herr Finanzminister, den hohen Anteil von 40 %, den die öffentliche Hand am gesamten Sozialprodukt hat, im Laufe der Zeit zu vermindern. Wir haben aber große Sorgen, ob das tatsächlich gelingen wird. Sie selber gaben mit Pessimismus und Resignation zu, ,daß es nicht möglich sei, zur Verteidigung des Geldwertes ,die hohen Ausfuhrüberschüsse durch Steuererhöhungen abzuschöpfen; die Erfahrungen beweisen das Gegenteil. Wir halten uns unter diesen Umständen an den von Ihnen aufgestellten Grundsatz: Sparsamkeit in der öffentlichen Finanzgebarung ist nun einmal nur durch Knappheit der Deckungsmittel und eine gewisse ständige Finanznot zu sichern. Unsere Anträge auf gezielte Einnahmesenkungen zielen auf die Verwirklichung dieser Absicht ab. Neben diesen Sofortmaßnahmen zur Verringerung des Anteils von 40 % müssen endlich auch langfristige Maßnahmen eingeleitet werden. In den Allgemeinen Vorbemerkungen zum Haushaltsplan 1960 findet man folgende Formulierung: Der Automatismus der Rentendynamik in der Sozialversicherung beengt die Bewegungsfreiheit einer konjunkturpolitisch ausgerichteten Finanzpolitik. Wir Freien Demokraten sind nie müde geworden, unsere Bedenken und unsere eindeutig ablehnende Haltung gegenüber dieser Dynamik - ich betone: gegenüber der Dynamik und nicht gegenüber den Rentnern - zum Ausdruck zu bringen. Das gilt besonders, soweit diese Dynamik nicht mit der volkswirtschaftlichen Entwicklung übereinstimmt. Die Änderungen, die hier getroffen werden müssen, sind sehr wichtig, wenn wir den Anteil der öffentlichen Hand am Sozialprodukt entscheidend verringern wollen. Die automatischen Erhöhungen gefährden mit mathematischer Sicherheit die Rentenvermögen und treiben die Staatszuschüsse in ungeahnte Höhe, so daß alle Absichten, den Prozentsatz der staatlichen Inanspruchnahme des Sozialproduktes zu verringern, eine Farce bleiben. Einem üblen Taschenspielertrick kommt es gleich, wenn man den Rentnern eine Rentenerhöhung von 5,4 °/o zukommen läßt und wenn sich im selben Zeitraum die Kaufkraft um 1,7 % verringert. Wir haben zur Kenntnis genommen, daß der Herr Bundesbankpräsident, der Herr Bundesfinanzminister und der Herr Bundeswirtschaftsminister allein schon durch ihre Übereinstimmung, der Geldentwertung Einhalt zu gebieten, die besten Garanten dafür sind, daß alles Notwendige geschieht. In dieser Aufzählung fehlt allerdings der vierte Mann: der Herr Bundeskanzler als die ausschlaggebende Persönlichkeit. Er bezeichnet sich ja selber als den erfahrenen Wahlkämpfer aller Zeiten, wenn nicht der Gegenwart. Wir wollen hoffen, daß die drei Garanten gegen die Geldentwertung nicht eine bittere Enttäuschung erleben werden. Ihre eigene Stellungnahme, Herr Minister, zu diesem Problem ist nicht überzeugend. Wir werden sehr schnell in der Lage sein, diese Voraussage zu überprüfen. Die speziellen konjunktursteuernden Bestimmungen des Haushaltsgesetzes zum Haushalt 1960 werden Sie, Herr Finanzminister, wahrscheinlich schneller als gedacht vor die Aufgabe stellen, konjunkturnahe Entscheidungen zu treffen. Sie werden nämlich das Ausgabevolumen gegenüber den durch das Haushaltsgesetz festgelegten Mitteln nicht aus Mangel an Geld in der Kasse, sondern wegen Erscheinungen der Überkonjunktur gegebenenfalls drastisch verringern müssen. Sind Sie sich dessen völlig bewußt? Können Sie sich eine Vorstellung machen, was dann geschieht? Von oben wie von unten wird es tönen: „Aber wir wollen doch die Wahl gewinnen!" Werden Sie dann hart bleiben? Haben Sie dann eine sachliche Rangordnung zur Verfügung, welche Aufgaben dringlich, vordringlich und vordringlichst sind? Ist es sicher, daß als einziger objektiver Maßstab nur der der Erhaltung der Kaufkraft der D-Mark angelegt werden wird? Werden Sie alle Aufklrungsmittel einsetzen, daß niemand den sozialen Wohnungsbau verhindern will, daß dieses oder jenes öffentliche Gebäude des Bundes auch ein Jahr später gebaut werden kann? Wir hegen hier ernste Zweifel; wir sind nicht sicher, ob Sie dann Ihre ganze Person hinter die Sache stellen. Sie betonen gelegentlich Ihre schwache Position, die möglichen Differenzen zwischen der Regierung und den die Regierung tragenden Abgeordneten. Mit anderen Worten: wir bedauern, daß damit parteipolitischen Motiven der Vorrang vor Anliegen gegeben wird, die die Gesamtheit des deutschen Volkes entscheidend betreffen. Wir haben ebenso wie Sie aus allen möglichen Lagern den Hinweis vernommen, daß nicht nur das Haushaltsrecht, die Finanzverfassung, die Steuergesetzgebung, die Staatskonstruktion und das Vielzuviel an Bürokratie rasches konjunkturbeeinflussendes Handeln ausschließen. Es liegt ferner nach vierjähriger Tätigkeit das Gutachten der Sachverständigenkommission zur Vereinfachung der Verwaltung vor. ({6}) Wir kennen die bewegte Klage eines so überzeugten Föderalisten - Sie meinten doch nicht Herrn Hellwege, Herr Brese? -({7}) wie des Staatssekretärs im Innenministerium Herrn Ritter von Lex über die Schwierigkeiten, die unser Staatsaufbau bei der Durchführung der zivilen Notstandsplanung bereitet. Ich verweise auf die allgemein anerkannten Bestrebungen, den wissenschaftlichen und kulturellen Anliegen durch zentrale Instanzen schneller als bisher vorwärtszuhelfen. Ich erinnere schließlich an die enormen Schwierigkeiten, Bundeswehrsoldaten schnell angemessene Wohnungen zu beschaffen. Wenn man das alles bedenkt und dabei berücksichtigt, daß wir uns in einer weltweiten Auseinandersetzung nichtmilitärischer Art mit dem auf allen Gebieten des Friedens, jedoch militant auftretenden Kommunismus befinden, und unsere auf Waffenstillstandsbedingungen lebende und umzingelte Hauptstadt Berlin bedenkt, so haben wir die besondere Verpflichtung, die Voraussetzung unserer freiheitlichen Ordnung intakt zu halten. ({8}) Erachten wir hier Änderungen für erforderlich, so sollten sie unverzüglich getroffen werden. Sicherlich ist die Bundesrepublik nur ein Provisorium. Sie ist aber die legitime Sprecherin aller freien Deutschen, und diesem Provisorium sind schwerwiegende Aufgaben und Verpflichtungen nationaler wie internationaler Art gestellt. Daß wir die gemachten Erfahrungen in die Tat umsetzen müssen, ist selbstverständlich; nicht zuletzt, um diese Bundesrepublik so stark wie nur möglich zu machen. Uns Freien Demokraten geht es dabei einmal um die Aufrechterhaltung des liberalen Ordnungssystems, auf idem auch die Bundesrepublik und alle anderen freiheitlichen Staaten aufgebaut sind. Wir bedauern die von maßgeblicher Seite auf dem Parteitag der Christlich-Demokratischen Union in Karlsruhe getroffenen Feststellungen nicht. Wir begrüßen es, daß man endlich mit der Vorstellung aufgeräumt hat, daß das liberale Gedankengut in dieser Union einen Platz hätte. Für um so wichtiger erachten wir es, unsere Anschauungen überall durchzusetzen, und wir sind sicher, daß so mancher Wähler, der geglaubt hat, daß das liberale Gedankengut in dieser Partei einen Platz habe, seinen Irrtum korrigieren und daraus die Konsequenzen ziehen wird. ({9}) Ich möchte von allen Haushaltsplänen jetzt nur einen einzigen besonders apostrophieren, nämlich den Verkehrshaushalt. Es gibt für die Regierung keine Entschuldigung mehr für die Unterlassungssünden, die auf diesem Gebiet begangen worden sind. Es ist einfach nicht wahr, daß in der Vergangenheit nicht genügend Mittel zur Verfügung gestanden hätten. Unstreitig ist jedoch die Tatsache, daß es an der notwendigen sachlichen Rangfolge gefehlt hat, nach der der Haushaltsplan aufzubauen war. Sei es der Straßenbau, sei es die Verkehrserziehung, sei es die Bundesbahn oder die Flaggendiskrimierung der deutschen Seefahrt, der Ausbau von Wasserstraßen oder der deutschen Seehäfen, die deutsche Passagierschiffahrt oder die deutsche Luftfahrt, - überall bemerkt man das Versagen der politischen Führung. Nach den bisherigen Erfahrungen hat die FDP in dieser Beziehung geringe Hoffnungen, schon weil es zeitlich unmöglich erscheint, die Fehler und Unterlassungen der Vergangenheit gutzumachen. Sie schlägt trotzdem vor, dieses Unmögliche in der Form zu versuchen, durch besondere organisatorische Maßnahmen die Disziplinen Eisenbahn, Straßenbahn, Seeschiffahrt, Binnenschiffahrt und Luftfahrt im Hause des Bundesverkehrsministers besonders zu betreuen. Ist es möglich, Voraussagen über den mutmaßlichen Ablauf des Haushaltsjahres 1960 zu machen? Wir glauben in der Annahme nicht fehlzugehen, daß nicht unbeträchtliche Ausgabereste entstehen werden und in Verbindung mit höheren Einnahmen schon dadurch, daß weitgehende Lohnerhöhungen erfolgen oder erfolgt sind, beträchtliche Soll-Überschüsse erzielt werden. Wäre es da nicht höchste Zeit, die längst überfällige Kindergeldreform durchzuführen mit dem doppelten Ziel, endlich einmal diesen Herd gröbster Ungerechtigkeit, der den selbständigen Mittelstand enorm belastet, zu beseitigen und zum andern jede Möglichkeit der Bereitstellung von Mitteln für Wahlgeschenke im Hinblick auf das Haushaltsjahr 1961 zu unterbinden? Es gibt nur eine sinnvolle Aufbringung von Mitteln für das Kindergeld: die Entnahme aus den allgemeinen Steuermitteln. ({10}) Die besondere Gefahr liegt darin, daß man den Haushalt 1961 im Januar verabschiedet, um dann wenige Monate vor der Wahl die angesammelten Überschüsse in der sattsam bekannten Form des Kuchenausschusses zu verteilen. Die Rechnung hierfür wird aber erst 1962 beglichen, wenn die Auswirkungen der Wahlgeschenke offenbar werden. Wir werden es uns ganz besonders angelegen sein lassen, aus den bitteren Erfahrungen heraus diese Entwicklung zu unterbinden. Wir werden nicht müde werden, davor zu warnen, daß der Wahltag zugleich Zahltag ist. ({11}) Wir Freien Demokraten bedauern, daß es nicht möglich war, dem Haushalt eine Form zu geben, die der Lage entsprechend als Beispiel überzeugend wirkt. Wir werden ihm deshalb unsere Zustimmung verweigern. Wir fürchten ganz besonders, daß dieser Haushalt nicht in der Lage ist, dem gesamten deutschen Volk den Ernst der Situation vor Augen zu halten. Überzeugen könnte nur eine drastische Verringerung des Gesamtvolumens des Haushalts. Nur so kann man vor die Öffentlichkeit treten mit der Parole: Maßhalten und sparen in der Zeit! ({12})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schild.

Dr. Heinrich Schild (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001965, Fraktion: Deutsche Partei (DP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach den Stichworten bewegte sich die heutige allgemeine Debatte - im Kern zumin6316 dest - um die Frage der Stabilität. Ist dieser Haushalt auf allen Gebieten ein Haushalt der Stabilität? Oder etwas weiter ausgedehnt: Vollzieht sich die Finanz- und Steuerpolitik, die Haushaltspolitik von Bund, Ländern und Gemeinden unter dem Gesichtspunkt der Stabilität oder unter der anderen Alternative der „dynamischen Krankheit".? Die Stabilität ist ein Problem unserer Zeit. Auch der Präsident des Weltwährungsfonds hat von ihm gesprochen. Er sagte: Im Zeitalter der Vollbeschäftigung wird derjenige die Situation meistern und wird das Volk und der Staat die Situation beherrschen, dem es gelingt, Vollbeschäftigung und Preisstabilität zu erreichen und in Einklang zu halten. Ich habe den Eindruck, daß viel in Optimismus gemacht wird und daß man an die entscheidenden Dinge nicht mit dem Ernst herangeht, der erforderlich ist. Vier Veröffentlichungen der letzten Zeit müßten uns zu denken geben: das Gutachten der Bundesbank, das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesfinanzministerium, das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim Wirtschaftsministerium und der gestern veröffentlichte Brief des Herrn Bundesfinanzministers an seine Kollegen. Ich muß sagen, ich war erschüttert, als ich gestern diesen Brief des Herrn Bundesfinanzministers an seine Ministerkollegen gelesen habe. In diesem Brief fordert er sie auf, für den Etat 1961 eine Bremse anzusetzen; er befürchtet, daß allein die Erfüllung der Wünsche aus den Ministerien eine weitere Summe von etwa 4 Milliarden DM erfordern wird. An diese Summe muß er schon jetzt, bevor wir den Etat 1960 verabschiedet haben, mit seinem Rotstift herangehen. Ich möchte insbesondere dem Kollegen Vogel sagen: ich glaube nicht, daß wir bereits so weit sind, daß wir von einer Stabilität der Verhältnisse sprechen können. Am Stabilitätstisch oder vielleicht am Inflationstisch - ich sage das ganz deutlich -, sitzen vier Spieler, die öffentliche Hand: Bund, Länder und Gemeinden mit ihren Parlamenten, die Wirtschaft, die Sozialpartner und als besondere Gruppe - davon abgesetzt - die Bankwelt, die die Gesamtsituation auf dem Geld- und Kapitalmarkt beherrscht. Diese vier Spieler haben keinen einheitlichen Maßstab und keine einheitliche Auffassung darüber, was unter Stabilität zu verstehen ist, und am wenigsten über die Grundsätze des Maßhaltens, die dabei eine große Rolle spielen müssen. Die Deutsche Bundesbank hat nur beschränkte Möglichkeiten, mit Maßnahmen der Diskontpolitik, der Mindestreserven-Politik und mit anderen Mitteln vorzugehen. Vorbildlich müßte ja eigentlich von diesen vier Spielern die öffentliche Hand vorgehen, und da in erster Linie der Bund. Damit kommen wir an die Grundfrage: Hat der Bund gegenüber den Ländern und gegenüber den Gemeinden soviel Autorität, ein bestimmtes Stabilitätsprogramm durchsetzen zu können? Wer in den letzten Wochen mit dem Herrn Bundesfinanzminister in internen Besprechungen des Haushaltsausschusses zusammengewesen ist, weiß, daß er wiederholt erklärt hat, es gebe nach der Bundesverfassung und auch auf Grund der parteipolitischen Verhältnisse für den Bund keine Möglichkeit, die Einhaltung von Stabilitätsrichtlinien, die er selber für richtig hält, bei den Ländern und Gemeinden durchzusetzen. Damit sind wir schon an dem Punkt angelangt, wo die Glaubwürdigkeit einer Politik der Stabilität des Geldwertes in Frage gestellt wird. Es hat keinen Sinn, sich über Grundsätze der Stabilität zu unterhalten und sie zu praktizieren zu versuchen, wenn die Voraussetzungen auf dem Boden der Verfassung nicht gegeben sind. Deshalb vertrete ich mit meinen politischen Freunden nach wir vor die Auffassung: eine einheitliche Finanzgebarung und eine einheitliche Finanzverfassung sind für die Stabilität unserer Geldverhältnisse, unserer Wirtschaftsverhältnisse überhaupt, entscheidend. Herr Kollege Vogel hat heute auch davon gesprochen, soweit ich weiß, erstmalig in diesem Hause vom Standpunkt der CDU-Politik aus gesehen; ich habe aus seinen Worten herausgehört, daß das Problem der einheitlichen Finanzpolitik von Bund und Ländern und damit, im Hintergrunde, auch der einheitlichen Finanzverwaltung eine sehr große Rolle spielt. Soweit die öffentliche Hand in Betracht kommt, ist bei Behandlung der Frage der Stabilität überhaupt weiter ein klarer Blick, eine Schau auf alle öffentlichen Ausgaben insgesamt erforderlich. Heute liegt uns der Bundesetat vor, uns liegt aber nicht die Summe der Länderetats und die Summe der Etats von 24 000 Gemeinden vor. Wir haben also keinen letzten gültigen Einblick in die Ausgabenwirtschaft, in die großen Posten der Personalverwaltung, der einmaligen und außerordentlichen Ausgaben. Wir haben keinen wirklichen Einblick in die Gesamtfinanzierung großer staatspolitischer Aufgaben, weil das Verhältnis der Trägerschaft zwischen Bund, Ländern und Gemeinden uns bis jetzt nicht bekannt ist, weil uns ein Funktionshaushaltsplan noch immer nicht vorgelegt worden ist, obwohl ich in den letzten Jahren wiederholt das Bundesfinanzministerium darum gebeten habe. Der Funktionshaushaltsplan des Bundes, der uns Gott sei Dank seit zwei, drei Jahren vorgelegt wird kann uns nicht die letzten Erkenntnisse geben, uns fehlt ein Funktionshaushaltsplan von Bund, Ländern und Gemeinden. Damit komme ich zu den Schattenseiten, wenn nicht sogar zu den Entartungserscheinungen, mit denen wir uns auseinanderzusetzen haben. Ich persönlich bin ein Gegner der Methode, nach welcher die öffentliche Hand in Wachstumsraten denkt. Das Problem des Ausgabenstopps ist ventiliert worden. Im Gutachten des Wissenschaftlichen Beirates des Finanzministeriums wird - ganz ostentativ, nicht einmal zwischen den Zeilen - zugegeben, daß in der parlamentarischen Demokratie der Ausgabenstopp niemals vom Parlament ausgehen kann, weil es im Wesen des Parteienkampfes liegt, daß der eine den anderen mit seinen Forderungen vor sich hertreibt. Weil diese Erscheinung im Wesen des modernen Parlamentarismus liegt, kann der Ausgabenstopp áuf parlamentarischer Ebene gar nicht erreicht werden. Wenn also ihn von dieser Seite zu erreichen nicht möglich ist, dann muß doch endlich eine andere Lösung in der Frage der Stabilität, in dem Grundproblem eines Ausgabenstopps gefunden werden. Ich sehe keine andere Lösung, als vom Wachstumsdenken, vom Indexdenken fortzukommen und zu einem klaren Einnahmenstopp zu kommen. Der Bundesfinanzminister und andere seiner Kollegen aus dem Bundeskabinett haben schon die 40 %ige . Belastung des Sozialprodukts durch Abschöpfung der öffentlichen Hand als eine äußerst gefährliche Situation bezeichnet. ({0}) Diese Belastung wird hier und da als die äußerste Grenze bezeichnet. Ich sehe aber keine Maßnahme, keine Methode, keinen Weg und keine Weichenstellung, daß wir irgendwie von dieser 40 %igen Abschöpfung fortkommen. Solange man sich bei der Aufstellung des Haushalts für die Einnahmepositionen am Bruttosozialprodukt orientiert und auf den Standpunkt stellt, daß sich die öffentliche Hand immer mit derselben Quote an der Zuwachsrate des Bruttosozialprodukts zu beteiligen habe, solange man also die Einnahmeseite auf der Zuwachsrate aufbaut, wird das Haushaltsvolumen größer. Es wird unter diesen Umständen im nächsten Jahr wohl um einige Milliarden größer sein, wenn es bei den 40 % bleibt. Ich möchte deshalb bitten, daß die Bundesregierung ernstlich den Gedanken eines Einnahmestopps erwägt. Er ist ja in dem Gutachten des Wissenschaftlichen Beirates erörtert und in der öffentlichen Meinung auf die allgemein verständliche Formel gebracht: Juliusturm für jedermann. Was heißt das? Es heißt praktisch, mit dem Mittel der Steuergutscheine zu operieren, die mit der Zuwachsrate zusammenhängenden höheren Steuereingänge durch Steuergutscheine an die Steuerzensiten zurückfließen zu lassen, mit anderen Worten, das Sparen über Steuergutscheine zu ermöglichen. Das heißt Juliusturm für jedermann und nicht Juliusturm bei der Bundesbank oder bei der Bundeskasse oder Juliustürme hei verschiedenen Behörden. Die Mehranforderungen der Ressorts mußten uns stutzig machen. Stutzig macht uns, was die Frage der Stabilität anlangt, auch das Denken der einzelnen Ressorts in Herrschaftsbereichen. Das zeigt sich in der gesamten Personalpolitik. Es gibt keine Haushaltsperiode, in der wir nicht Gutachten des Präsidenten des Bundesrechnungshofes über die Personalpolitik der einzelnen Ressorts erhalten, die letzten Endes durch dieses Denken in Herrschaftsbereichen, durch diesen Herrschaftssinn, durch die Herrschaftstendenz und Herrschaftsdynamik veranlaßt sind. Wir haben uns bei jeder Haushaltsberatung darüber unterhalten, ob es nicht möglich sei, viel mehr Beamte in den Ressorts untereinander auszutauschen. Wir sind nicht davon überzeugt, daß jeder Planstelleninhaber 100 %ig mit Arbeit ausgelastet ist, sondern wir meinen, daß man dann und wann eine Planstelle einsparen und den Beamten an anderer Stelle vernünftig beschäftigen kann. Das Dritte, was der Stabilität entgegensteht, ist die sozialpolitische Mehrforderung, die in der öffentlichen Verwaltung von Jahr zu Jahr an uns herantritt. Ich erinnere daran, daß wir uns jahrelang mit der Beihilfenfrage herumschlugen. Gewiß, es gibt jetzt auf Grund der Verständigung der Bundesregierung mit den Länderregierungen Richtlinien; aber kaum waren diese Richtlinien über die Beihilfen erlassen, trat ein neues Problem, das Problem der Sozialwerke, in den einzelnen Ministerien auf. Auch da handelt es sich im Grunde um eine Fürsorgemaßnahme der öffentlichen Hand als Arbeitgeber. Wir haben in diesem Jahr die Lösung des Problems der Sozialwerke verschoben; aber es wird im Jahr 1961 wieder auf uns zukommen. Die Bundesregierung wird eine klare Entscheidung treffen müssen, ob es in den einzelnen Ressorts Sozialwerke geben soll oder nicht. Auch dieses Problem rührt an die Stabilität. Es kommt die Diktatur des Faktischen für unsere Finanz- und Haushaltspolitik hinzu. Von meinen Kollegen aus dem Haushaltsausschuß ist heute gesagt worden, daß die Ausgaben zu 80 % auf Gesetzen und Verträgen beruhten, also zwangsläufig seien, und daß die Bewegungsmasse nur 20 % ausmache. Das ist nichts anderes als die Anerkennung der Diktatur des Faktischen. Dabei gibt es, wie wir in den letzten Jahren im Haushaltsausschuß gesehen haben, unendliche Möglichkeiten, ja den Zwang, auch einmal Gesetze und Verträge zu ändern, Möglichkeiten, die uns aus der Diktatur des Faktischen endlich herausbringen. ({1}) - Ich habe ja gesagt, ich hoffe nicht darauf, daß eine parlamentarische Entscheidung in Fragen der Ausgabensenkung ohne weiteres erreichbar ist. Aber je mehr wir uns interfraktionell über die Stabilitätsfrage einig werden, um so mehr müssen wir uns von einer Diktatur des Faktischen trennen. Dafür gibt es genügend Möglichkeiten. Ich sehe auch nicht so schwarz wie Kollege Vogel hinsichtlich der Subventionspolitik und der vielen Zuschuß- und Darlehensprobleme, die wir heute noch bei der Beratung des Haushalts ventilieren. Ich meine, daß wir uns von einer großen Menge dieser einzelnen Zuschüsse und Darlehen endlich einmal befreien können; sie werden auch von den Empfängern zu einem Teil gar nicht mehr erwartet. Die Empfänger rechnen einfach damit, daß hier im Hause eine zementierte Auffassung herrscht. Sie tragen nach wie vor ihren Wunsch und ihren Willen vor, weiterhin mit diesen Darlehen und Zuschüssen bedacht zu werden. Meine Damen und Herren, in diesem Sinne betrachten wir den Haushalt nicht als einen Haushalt der Stabilität. Stabilität ist auf allen Gebieten von Bedeutung. Ich denke da nicht nur an die Haushalts- und Finanzpolitik und damit die Geld- und Währungspolitik, sondern auch mit an die Beschäftigungspolitik und die Fragen der überhitzten Konjunktur oder der Hochkonjunktur und letzten Endes auch an die Fragen der Sozialpolitik und des Ver6318 haltens der Sozialpartner untereinander. Hier muß man zu konkreten Lösungen kommen. Das Maßhalten-Predigen hat bisher nur bewirkt, daß einer dem anderen sagt: Geh du im Maßhalten voran, dann werde ich folgen! Damit kommen wir zu gar keinem Ziel. Die öffentliche Hand und hier die Bundesregierung, der Bundesetat müßten im Maßhalten vorangehen. Das betrifft aber nicht nur die Regierung, sondern auch dieses Hohe Haus. Deshalb bin ich mit meinen politischen Freunden der Auffassung, daß im Vordergrund aller Erwägungen über den Etat 1960 die Stabilitätsfragen stehen müssen; denn mit der Stabilität steht und fällt das Vertrauen zu dem gesamten öffentlichen Geschehen, zu dem gesamten Geldwesen. Nur Stabilität führt zu einem Aufhalten der Geldentwertung oder der Teuerung; das erste Wort ist ja anrüchig, man soll es in diesem Hause nicht nennen. Wir glauben, daß bei dieser allgemeinen Aussprache der Gesichtspunkt der Stabilität in dem von uns dargelegten Sinne die wesentlichste Rolle spielt. ({2})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Abgeordnete Eilers.

Jan Eilers (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000457, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler hat in seiner Eigenschaft als Vorsitzer der Christlich-Demokratischen Union Ihnen, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, auf Ihrem letzten Parteitag in Karlsruhe warm ans Herz gelegt, sich künftig mehr als bisher den Aufgaben auch in den Gemeinden und Gemeindeverbänden zu widmen. Der Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung am 29. Oktober 1957 unter anderem erklärt: Ausdrücklich möchte ich in diesem Zusammenhang auch sagen, - er sprach von der vertieften Zusammenarbeit mit den Bundesländern daß die Bundesregierung in der kommunalen Selbstverwaltung das Fundament des demokratischen Staatsaufbaues sieht. Es wird eine ihrer vornehmsten Aufgaben sein, zur Förderung der Gemeinden beizutragen. Weil der Herr Bundeskanzler diese Auffassung, die auch von mir durchaus vertreten wird, Ihnen so sehr ans Herz gelegt hat, glaube ich, daß Sie auch meinen Ausführungen zu der Finanzgebarung bei den Gemeinden und Gemeindeverbänden im Zusammenhang mit der Gebarung der Finanzen im Bund und in den deutschen Ländern Ihre geneigte Aufmerksamkeit zuwenden werden, vor allem auch deshalb, weil der Herr Bundesfinanzminister sowohl am 1. Juli 1958 als auch in seiner letzten Etatrede auf die Finanzen der Gemeinden näher einging. Er sagte am 1. Juli 1958: Ich will heute zu den Einzelheiten der kommunalen Finanzlage nicht Stellung nehmen. Das wäre verfrüht. - Das war am 1. Juli 1958! - Das Problem der Finanzierung - sei es der Umbau der Grundsteuer im Zusammenhang mit der Gewerbesteuerreform - ist ein ernstes Problem. Wir werden es nach den Ferien sofort in Angriff nehmen. Das war am 1. Juli 1958! Ein entscheidendes Ergebnis ist heute, nach zwei Jahren, nicht festzustellen. ({0}) Ein Fortschritt ist allerdings festzustellen. Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesfinanzministerium erklärte vor kurzem, der Investitionsbedarf der Gemeinden in den nächsten zehn Jahren werde auf 69 Milliarden DM zu schätzen sein. Diese Ansicht des Wissenschaftlichen Beirats stimmt weitgehend mit der Auffassung der Vereinigung der kommunalen Spitzenverbände überein. Leider ist der Wissenschaftliche Beirat aber nur zu einer Stellungnahme zu der gegenwärtigen Problematik der Gemeindefinanzen gelangt und hat nicht etwa grundsätzliche Reformvorschläge vorgelegt. Er sagte: Die Beseitigung oder wenigstens die Linderung der aktuellen finanziellen Schwierigkeiten der Gemeinden sollen erörtert werden. Nach diesem Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats betragen die Schulden der Gemeinden nach dem Stand vom 1. Januar 1959 10,2 Milliarden DM. Sie sind inzwischen auf insgesamt 11 Milliarden DM angestiegen. Wenn die kommunalen Vertreter und auch die Spitzenorganisationen früher davon sprachen, daß die Verschuldung der Gemeinden 11 Milliarden DM betrage, wurde dies immer wieder bezweifelt. Es wurde immer wieder gesagt, diese Schätzungen seien übertrieben. Jetzt aber haben wir einen objektiven Gutachter dazu gehört, der die Schätzungen der Gemeinden bestätigt hat. Ich weiß, daß der Herr Bundeskanzler dem Herrn Bundesfinanzminister vor einiger Zeit einen Brief schrieb, daß ihn die kommunalen Finanzsorgen veranlaßten,. die Aufmerksamkeit des Herrn Bundesfinanzministers auf diese Sorgen zu lenken, und daß er ihn bitte, ihm einen Vorschlag zu machen, wie man diese Fragen jetzt einer besseren Regelung zuführen könne. Leider hat der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesfinanzministerium aus der so unterschiedlichen Verschuldung bei Bund, Ländern und Gemeinden keine Schlußfolgerung gezogen. Allerdings sagt er auf Seite 27 dieses Gutachtens - ich empfehle Ihnen, sich dieses umfangreiche Gutachten einmal anzusehen -, daß die Gemeinden in den finanzstarken Ländern an der überdurchschnittlichen Finanzkraft dieser Länder nicht nur nicht teilgenommen haben, sondern noch schlechter bedacht worden sind, als es dem Bundesdurchschnitt entspricht. Auf derselben Seite wird weiter gesagt: Die Gemeinden sind in immer geringerem Maße an der durchschnittlichen Finanzkraft dieser finanzstarken Länder beteiligt. Diese Entwicklung steht in krassem Gegensatz zu Art. 20 Abs. 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, wo es heißt: Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Rechtsstaat. Diese Verpflichtung vom sozialen Rechtsstaat zur Demokratie und zum sozialen Bundesstaat bezieht die kommunale Selbstverwaltung in die allgemeine Verfassungsordnung ein; denn Art. 28 unseres Grundgesetzes sagt in Abs. 2: Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung. In Abs. 3 ,des Art. 28 unseres Grundgesetzes wird dann weiter bestimmt: Der Bund gewährleistet, daß die verfassungsmäßige Ordnung der Länder den Grundrechten und den Bestimmungen der Absätze 1 und 2 -dieses Artikels entspricht. Das bedeutet also, daß der Bund sowohl für die Länder als auch damit für sich selbst die kommunale Selbstverwaltung und Selbstverantwortung zu gewährleisten hat. Das bedeutet andererseits aber auch, daß eine Ranggleichheit aller öffentlichen Aufgaben in der Bundesrepublik hergestellt werden muß. Gleichzeitig ist der Bund nach Art. 106 GG - zu einer Steuerausstattung verpflichtet, die zur Deckung der Ausgaben ausreicht. Wie aber sind die Tatsachen? Die Realsteuergarantie des Art. 106 GG ist leider dadurch durchlöchert, daß der Bundesgesetzgeber über Grenze und Höhe .der Steuern entscheidet. Sie ist besonders dann durchlöchert, wenn der Bund etwaige Ausfälle auf Grund seiner Gesetzgebung den Gemeinden nicht erstattet oder ausgleicht. Es kann doch nicht so gehen, daß Bund und Länder - vor allem aber der Bund - ,auf Kosten der Gemeinden Geschenke verteilen, wie es z. B. bei 'der Erhöhung der Freigrenze der Gewerbesteuer geschehen ist oder wie es höchstwahrscheinlich beim Inkrafttreten des Sozialhilfegesetzes wieder einmal festzustellen sein wird. ({1}) - Herr Conring, was beim Straßenbau-Finanzierungsgesetz bis jetzt geschehen ist, ist nur ein Nachholen dessen, was wir eigentlich längst hätten gemeinsam tun sollen. Der Hinweis auf die Allseitigkeit des gemeindlichen Wirkungskreises ist ohne Gewährleistung der erforderlichen, ausreichenden finanziellen Mittel ohne praktische Bedeutung. ({2}) In Art. 106 Abs. 4 GG heißt es, daß das Verhältnis der Beteiligung an der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer geändert werden soll, wenn sich das Verhältnis zwischen den Einnahmen und Ausgaben ,des Bundes und das Verhältnis zwischen den Einnahmen und Ausgaben der Länder unterschiedlich entwickeln und in der Haushaltswirtschaft des Bundes oder der Länder ein so erheblicher Fehlbedarf entsteht, daß eine entsprechende Berichtigung des Beteiligungsverhältnisses zugunsten des Bundes oder zugunsten der Länder geboten ist. ({3}) Dieser Artikel sollte mit der gleichen Berechtigung auf Gemeinden und Gemeindeverbände ausgedehnt werden! Erst dann, wenn auch diese Verpflichtung zum Ausgleich im Grundgesetz verankert sein wird, werden wir die Voraussetzung dafür geschaffen haben, daß den Gemeinden durch den Bund bei der Erfüllung ihrer Aufgaben der gleiche Rang zuerkannt ,wird wie den Ländern. ({4}) - Nein, das geschieht eben nicht, Herr Conring. Da sind wir darauf angewiesen, die Länder davon zu überzeugen, daß sie von ihrem größeren Kuchen mehr abzugeben haben, als sie es bisher tun. Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesfinanzministerium hat eindeutig erklärt, daß dem nicht so ist. Wenn öffentliche Aufgaben in Deutschland gleichrangig sein sollen, dann auch die der Gemeinden. In Grundgesetz heißt es ausdrücklich, daß die Bedürfnisse des Bundes und der Länder so aufeinander abzustimmen sind, daß die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet gewährleistet wird. Nur hat man leider diese Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse nicht auf das Gebiet und auf die Selbstverwaltung der Gemeinden ausgedehnt. Nach meiner Auffassung kann der Föderalismus nicht ein Naturschutzpark für reiche Länder sein, und er ,darf auch nicht Habenichtse unter den Ländern und Gemeinden schaffen. Der Art. 106 Abs. 7 sagt ausdrücklich, daß der erforderliche Ausgleich zu gewähren ist, wenn den Gemeinden nicht zugemutet werden kann, eine Sonderbelastung zu tragen, ,die daraus entstand, daß man ihnen Bundesaufgaben zur Erledigung übertrug. In Art. 107 Abs. 2 GG heißt es dann, daß .durch Bundesgesetz, ,das der Zustimmung der Länder bedarf, ein Finanzausgleich zwischen leistungsfähigen und leistungsschwachen Ländern sicherzustellen ist. Wie es im ersten Absatz heißt, ist hierbei der Finanzbedarf der Gemeinden mit zu berücksichtigen. Wie aber sieht diese Berücksichtigung in Wirklichkeit aus? Die Schulden der Gemeinden sind stetig gewachsen. ({5}) 1950 betrugen sie 1,1 Milliarden DM, 1957 9,5 Milharden DM und 1959 - auch bestätigt durch das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesfinanzministerium - 11 Milliarden DM, Wie wirkt sich .diese Verschuldung aus? Ich darf Ihnen das am Beispiel des Landes Bayern sagen. Der bayerische Prüfungsverband hat vor kurzem 59 Gemeinden geprüft. 25 Gemeinden davon, unter ihnen zwei Großstädte und zwei Mittelstädte, waren nicht mehr kreditfähig, weil sie inzwischen die Verschuldensgrenze erreicht hatten. Die Gemeinden können sich nicht selbst helfen, weil sie nicht über ausreichende eigene Finanzquellen verfügen. Wirksam helfen können auch nicht die Länder, sondern wirksam helfen kann nur ,der Bund. Es ist unverständlich, daß der Herr Bundesfinanzminister in seiner letzten Etatrede sagte, die Gemeinden sollten sich in erster Linie selber helfen. Eine grundlegende Hilfe wäre doch nur durch eine grundsätzliche Neuverteilung der Steuern zwischen Bund, Ländern und Gemeinden möglich. Wenn das nicht geschieht, wird der Tag nicht mehrfern sein, an dem die Gemeinden in ihrer großen Mehrzahl überhaupt nicht mehr investieren können. Sicherlich wird es immer noch Gemeindengeben, die durch ihre wirtschaftliche Lage besonders bevorzugt sind und. etwas tun können, wenn das Gros der Gemeinden dazu nicht mehr in der Lage sein wird. Wenn aber die Gemeinden nicht mehr investieren, wenn sie keine Darlehen mehr aufnehmen können, können auch die Gemeinschaftsaufgaben wie der Bau von Schulen - denken Sie an den Schichtunterricht! -, die Erweiterung und der Bau von Krankenhäusern, der Bau von Wohnungen und Straßen nicht mehr bewältigt werden. Ich möchte nicht falsch verstanden werden. Ich sage nicht, daß das heute schon weitgehend oder überall der Fall wäre. Aber wir werden sehr bald vor diesem Zustand stehen, wenn nicht 'demnächst eine grundsätzliche Änderung der finanziellen Basis eintritt. Die Selbstverantwortung und Selbstverwaltung der Gemeinden, die Ihnen, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, der Herr Bundeskanzler vor kurzem auf Ihrem 'Bundesparteitag noch einmal so sehr ans Herz gelegt hat, kann nur durch eine breitere Grundlage ihrer ,eigenen Finanzquellen gestärkt werden. Ohne diese breitere Grundlage ist die kommunale Selbstverwaltung in Deutschland weitgehend eine deklamatorische Angelegenheit. ({6}) - Nein! Nur finanziell gesunde Gemeinden können die Grundpfeiler des Staates bilden; das wissen Sie genauso wie ich. ({7}) - Lieber Herr Stecker, ich komme darauf gleich noch zu sprechen. Sie werden dann sehen, was in Wirklichkeit bei dem herauskommt, was der Herr Bundesfinanzminister Etzel in seiner Haushaltsrede sagte. ({8}) - Wir werden darauf noch zu sprechen kommen. Denken Sie an den großen Nachholbedarf auf den vielen Lebensgebieten, die ich hier nicht näher aufzuzählen brauche, weil Sie ja alle Gemeindebürger sind. Sie sind doch irgendwo alle Bürger einer Gemeinde! Sie müssen doch diese Aufgaben alle gut kennen! ({9}) - Wenn Sie das wissen, dann sollten Sie sich auch entsprechend verhalten und sollten entsprechend beschließen. Die Vielzahl dieser Aufgaben erfordert doch, die Neuordnung des kommunalen Finanzsystems zu beschleunigen. ({10}) - Ich verstehe Ihre Aufregung gar nicht. Sie sollten doch eigentlich froh sein, wenn die Opposition mit Ihrem Herrn Bundeskanzler als dem Vorsitzenden Ihrer Partei übereinstimmt und gemeinsam mit ihm versucht, die Finanzlage der Gemeinden zu bessern! Deswegen brauchen Sie sich doch nicht so undemokratisch zu verhalten, daß Sie nicht einmal einen Sprecher der Opposition in Ruhe anhören! Sie haben nachher die Möglichkeit Ihre Argumente sachlich vorzutragen. Ich will Ihnen auch sagen, wie ich mir eine Änderung vorstelle. Sie wissen, daß die kommunalen Spitzenverbände gemeinsam mit Ihren Freunden in den Organisationen lange darüber überlegt haben: Was sollen wir denn der Bundesregierung und den Länderregierungen vorschlagen? Einer der tragenden Gedanken dabei ist, daß man künftig die Gemeinden mit 10 % an dem Aufkommen der Umsatzsteuer beteiligen solle. ({11}) Dabei würde der Steuerverbund, meine Damen und Herren, zu einer engen Verbindung mit der wirtschaftlichen Entwicklung, mit dem wirtschaftlichen Auf und Ab in der Bundesrepublik führen, und wir alle hoffen, daß sich die wirtschaftliche Entwicklung im Interesse des Staatsganzen, nicht etwa nur der Gemeinden, nach oben bewegt. ({12}) Was meint nun der Bundesfinanzminister zu dieser Forderung? Er sprach dazu am 9. Dezember 1958 im Bundestag und meinte, eine Beteiligung der Gemeinden an der Umsatzsteuer scheide deshalb aus, weil der Bund auf diese Einnahmen nicht ersatzlos verzichten könne. Zwei Sätze zuvor aber hatte er anerkannt, daß die Gemeinden zusätzlicher Deckungsmittel bedürfen. Es ist nach meiner Auffassung recht bequem, eine Beteiligung der Gemeinden an der Umsatzsteuer nur deshalb abzulehnen, weil sie eine Änderung des Grundgesetzes voraussetzen würde. Das halte ich nicht für eine überzeugende Begründung. Interessant ist für Sie, meine Damen und Herren, in diesem Zusammenhang sicherlich, daß Herr Staatssekretär Professor Dr. Hettlage zu dieser Frage auf der Sitzung des Hauptausschusses des Deutschen Landkreistages am 21. September 1959 in Kiel wörtlich folgendes sagte - Sie können das in der Zeitschrift „Der Landkreis" auf Seite 331 nachlesen : Es wird bei uns leicht vergessen, daß der Parlamentarische Rat damals als deutscher Verfassungsgeber eine wesentliche elastischere Finanzverfassung für Bund und Länder unter Würdigung der Erfahrungen der Weimarer Reichsverfassung vorgeschlagen hatte, deren Kern ein Überweisungssystem bei der Umsatzsteuer und der Einkommensteuer mit starken Finanzkraft und Finanzlasten ausgleichenden Maßstäben war. Eine solche Finanzverfassung mit Anteilen der Länder und vor allem auch der Gemeinden an mindestens zwei großen Überweisungssteuern hat sich unter der Weimarer Verfassung bewährt und würde auch unseren heutigen Verhältnissen weit eher gerecht als unsere derzeitige oktroyierte Finanzverfassung von Besatzungs Gnaden. Das sagt Herr Prof. Hettlage, der Staatssekretär des Bundesfinanzministeriums. Ich freue mich sehr, daß ich Ihnen diese seine Auffassung wörtlich wiedergeben konnte, besonders deshalb, weil ich damit völlig übereinstimme. Es ist in der Tat so, daß im November 1948 und im Januar 1949 die Besatzungsmächte gegen die wesentlich besser gestaltete Finanzverfassung, auch gegen die einheitliche Bundesfinanzverwaltung, wie sie damals vom Parlamentarischen Rat nach sehr eingehenden und harten Beratungen beschlossen worden war, energischen Protest erhoben haben. Aber das kann doch kein Grund sein, nachdem wir die staatliche Selbständigkeit erhalten haben, nun daran festzuhalten und nicht einer besseren Einsicht zu folgen! Herr Professor Hettlage sagte weiter, daß der gemeindliche Finanzausgleich bei so großen Unterschieden in Zukunft verbessert werden sollte. Zunächst wird es sicher hei den meisten Ländern notwendig sein, die Verteilungsmasse im Finanzausgleich nicht nur anders zu verteilen, sondern wesentlich zu vergrößern. Das gilt besonders für die finanzstarken Länder, für die ja auch der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesfinanzministerium erklärt hat, daß hier bisher eine Minderberücksichtigung der Gemeinden festzustellen sei. Es wird Sie interessieren, was Herr Staatssekretär Hettlage weiter ausführte: Eine Mitwirkung des Bundes in diesen Fragen wäre nur durch eine Änderung der Finanzverfassung in der Richtung auf Beteiligung an wenigstens einer großen Überweisungssteuer, nämlich der Umsatzsteuer, mit Maßstäben zu verwirklichen, die die Unterschiede in Verwaltungslast und Steuerkraft in den Ländern und insbesondere in den Gemeinden und Gemeindeverbänden berücksichtigen, wie dies in der Weimarer Verfassung der Fall war. Meine Damen und Herren, ich glaube, wir sollten Herrn Professor Hettlage für diese Veröffentlichung seiner Auffassung dankbar sein. Allerdings macht er zum Schluß eine wesentliche Einschränkung: „Ich sagte bereits, daß dazu die politischen Voraussetzungen gegenwärtig fehlen." Jawohl, sie fehlen zur Zeit, wenn wir das Grundgesetz, wie es sich gegenwärtig darstellt, als - gestatten Sie mir dieses Wort - von Gott gegeben hinnehmen. Dazu besteht aber nach meiner Meinung keinerlei Anlaß. Vielmehr haben nach unserer Auffassung, die ich heute zu interpretieren habe, die Gemeinden eine grundsätzliche Änderung und Ergänzung des Grundgesetzes hinsichtlich der kommunalen Finanzverfassung zu fordern. Über eine wesentliche Frage muß ich noch sprechen, weil auch der Herr Bundesfinanzminister in seiner Etatrede sie gestreift hat. Das Reichsbewertungsgesetz vom 16. Oktober 1934 müßte, nachdem die Grundsteuer auf dem Stande vom 1. Januar 1935 erstarrt ist, endlich geändert werden. Der Herr Bundesfinanzminister widersprach sich allerdings selbst, als er in seiner Etatrede sagte, daß die neuen Einheitsbewertungen auch für die Grundsteuern der Gemeinden eine große Bedeutung besäßen. Kurze Zeit danach führte er nämlich in derselben Haushaltsrede aus, daß die Meßbeträge und Hebesätze für die Grundsteuer zu überprüfen seien, weil voraussichtlich die neuen Einheitswerte selbstverständlich höher seien als die alten. Die Steuern aber sollten durch diese Erhöhung der Einheitswerte nicht erhöht werden. Vorher meinte er genau das Gegenteil. Nachzulesen in seiner Rede 1959. Als der Herr Bundesfinanzminister die Beteiligung der Gemeinden an der Umsatzsteuer glaubte versagen zu müssen, im gleichen Atemzuge aber die Einführung einer gemeindlichen Einwohnersteuer oder eine allgemeine Erhöhung der Grundsteuer empfahl, vergaß er nicht, hinzuzufügen, daß durch diese allgemeine Erhöhung der Grundsteuer insoweit den Auswirkungen der neuen Einheitswerte vorgegriffen werde. Ich hoffe, daß seine letzte Aussage seine tatsächliche Auffassung und Überzeugung wiedergibt. Eine große Überraschung war es allerdings, als wir vor einiger Zeit erfahren mußten, daß der Herr Bundeskanzler die Anweisung gegeben habe, die Neufestsetzung der Einheitswerte sei um zwei Jahre zu vertagen. Das bedeutet, Herr Bundeskanzler, daß diese überholten Besteuerungsunterlagen bis zum Jahre 1962/63 Geltung haben werden. Das bedeutet weiter, daß die Gemeinden, die bisher schon infolge des Fehlens dieser Neubewertung seit 1948 mindestens 5,5 Milliarden DM an Einnahmen eingebüßt haben, in den nächsten Jahren weitere Milliarden an Einnahmen nur deshalb nicht bekommen werden, weil nach unserer Auffassung der Bundesgesetzgeber diese Neubewertung nicht rechtzeitig beschließt. ({13}) - Ja, Herr Stecker, diese Möglichkeit ist allerdings bei einzelnen Gemeinden durchaus gegeben. Lassen Sie mich noch ein grundsätzliches Wort sagen, meine Damen und Herren. Ich will die Geduld des Hauses angesichts seiner Arbeitslage nicht allzusehr in Anspruch nehmen, aber es scheint mir doch notwendig, daß einiges hier einmal sehr klar ausgesprochen wird. Sie wissen alle, daß die Grundsteuer der Gemeinden dadurch ausgehöhlt wurde, daß die Neubauten auf die Dauer von 10 Jahren von ihr befreit wurden. Diese Befreiung war die ungeheure zusätzliche Leistung der deutschen Gemeinden für den sozialen Wohnungsbau in der Bundesrepublik. Allein dadurch ist für die Gemeinden ein Ausfall von schätzungsweise 4 Milliarden DM entstanden, den sie, das sei hier gesagt, gern getragen haben. Als zusätzlicher Beitrag der Gemeinden für den sozialen Wohnungsbau muß darüber hinaus aber die Hergabe fast des gesamten bebauungsfähigen Geländes der Gemeinden angesehen werden. Hinzu kommen die Aufschließungskosten und die weiteren Folgekosten, die zuverlässig auf mindestens 3 Milliarden DM geschätzt werden können. In der gleichen Zeit also, in der die Gemeinden auf Einnahmen in einem so wesentlichen Umfang verzichten mußten - nach meiner Schätzung handelt es sich allein in der Zeit von 1948 bis 1960 um 12,5 Milliarden DM -, mußten sie sich mit 11 Milliarden DM verschulden. In dieser gleichen Zeit hat sich die Finanzlage des Bundes hervorragend günstig entwickelt. Ich darf daran erinnern, daß der Herr Bundesfinanzminister sich 1955 das erste Mal bei der Schätzung der Einnahmen um 1,3 Milliarden DM verschätzte, daß der Bund im Jahre 1959/60 1,85 Milliarden DM mehr eingenommen hat, als der Herr Bundesfinanzminister vorher geschätzt hatte. Ich komme zum Schluß. Die vierzehn Jahre nach dem fürchterlichsten staatlichen Zusammenbruch in der deutschen Geschichte standen im Zeichen des Wiederaufbaus. Wir haben in dieser Zeit das Wirtschaftswunder erlebt. Der Produktionsapparat der Industrie und der gewerblichen Wirtschaft wurde wieder aufgebaut und erfreulicherweise stark rationalisiert. Der Lebensstandard unserer Bevölkerung ist gut; wir haben den der Vorkriegszeit überschritten. Der Zustand unserer Schulen, Krankenanstalten, Wohnungen und Straßen ist aber immer noch nicht so, wie unsere Bevölkerung das billigerweise erwarten kann. Die staatliche Einheit und die Gleichheit von Bund, Ländern und Gemeinden kann nur entwicklungsfähig und von Bestand sein, wenn alle diese Mitglieder unserer Staatsfamilie in Zukunft gleichrangig sind. Bund und Länder müssen die Gemeinden bei der Verteilung der Finanzquellen als gleichberechtigt berücksichtigen, damit - wie es das Grundgesetz vorsieht - die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse im Bund gewahrt wird. Wir können froh sein - ich sage das ganz offen -, daß der Herr Bundeskanzler, wie er auf Ihrem Parteitag gesagt hat - ich habe die Reden sorgfältig verfolgt -, hin und wieder den alten Oberbürgermeister auch als Bundeskanzler noch einmal durchbrechen läßt. Ich hoffe, daß er nunmehr durch sein Eingreifen auch das Interesse des Bundesfinanzministers auf diese Nöte der Gemeinden gerichtet hat und daß der Herr Bundesfinanzminister eine entsprechende Reform der öffentlichen Finanzordnung vorschlägt. Die Gemeinden erwarten von dieser Finanzreform, daß die Rolle zu Ende sein wird, die sie bisher gespielt haben, nämlich das Stiefkind der öffentlichen Finanzen zu sein. Es braucht wohl kaum befürchtet zu werden, daß die Gemeinden plötzlich zum Lieblingskind des Bundesfinanzministers oder der Länderfinanzminister erkoren werden. Die Gemeinden dürfen aber erwarten, daß sie nicht nur hinsichtlich ihrer Aufgaben, sondern endlich auch bei der Ausstattung ihrer Finanzen als gleichberechtigtes Mitglied unserer Staatsfamilie anerkannt werden.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Damit scheint die allgemeine Aussprache beendet zu sein; ich habe jedenfalls keine weiteren Wortmeldungen mehr vorliegen. Die allgemeine Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zu den Änderungsanträgen, die zu den Einzelplänen gestellt worden sind. Ich rufe zunächst auf: Einzelplan 02 Deutscher Bundestag. Dazu liegt auf Umdruck 578 ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD vor. Wird dazu das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Ritzel!

Heinrich Georg Ritzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001860, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Nachdem die Fraktion der CDU zugesagt hat, einem Antrag zuzustimmen, wie er in der zweiten Lesung gestellt wurde, nämlich einen Leertitel für diesen Zweck einzusetzen, darf ich namens meiner Fraktion den Antrag auf Umdruck 578 dahin ändern, daß die Summe von 185 000 DM wegbleibt. Ich bitte um Annahme des Antrags. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Wird dazu weiter das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich lasse abstimmen. Wer dem Änderungsantrag der Fraktion der SPD - Umdruck 578 - zuzustimmen wünscht, den bitte ich urn ein Handzeichen. ({0}) Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Ich rufe auf: Einzelplan 04 Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes. Dazu liegt auf Umdruck 579 ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD vor. Wird zur Begründung das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Mommer!

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001529, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Meine Damen und Herren, es geht um den berüchtigten Reptilienfonds. Darüber ist viel gesagt worden, und wir wollen den Antrag nicht noch einmal begründen. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Keine weiteen Wortmeldungen. Ich lasse abstimmen. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das letzte ist die Mehrhit; der Antrag ist abgelehnt. Ich ziehe vor den Einzelplan 11 Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung. Präsident D. Dr. Gerstenmaier Soweit ich sehe, liegen hierzu eine Reihe von Entschließungsanträgen vor. Ich lasse abstimmen und zwar nach der Reihenfolge der Umdrucknummern, also zuerst über Umdruck 506 ({0}), dann über 533, 534, 535 usw. Zunächst Umdruck 506 ({1}), Entschließungsantrag der Abgeordneten Hoogen, Dr. Weber ({2}), Dr. Arndt, Dr. Bucher, Dr. Schneider ({3}) und Genossen betreffend Bundessozialgericht in Kassel. Wird dazu das Wort gewünscht? - Keine Wortmeldungen. Ich lasse abstimmen. Wer diesem Entschließungsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Da kann ich nur sagen: ein Teil der Mitglieder des Hauses hat sich beteiligt. Das ist die Mehrheit. Also ist dieser Entschließungsantrag angenommen. Umdruck 533, Entschließungsantrag der Fraktion der FDP. Wird dazu das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer diesem Entschließungsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Der Entschließungsantrag ist abgelehnt. Umdruck 534, Entschließungsantrag der Fraktion der FDP. Das Wort zur Begründung hat Herr Abgeordneter Mischnick.

Wolfgang Mischnick (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001512, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Entschließungsantrag Umdruck 534 befaßt sich mit einem Beschluß des Hohen Hauses vom Februar 1959, durch den auf Antrag der CDU/CSU-Fraktion die Bundesregierung aufgefordert wurde, bis zum Beginn dieses Jahres ein neues Kindergeldgesetz vorzulegen. Wir mußten leider erleben, daß dieses Gesetz bis zum heutigen Tage nicht vorgelegt worden ist und daß auf eine Kleine Anfrage unserer Fraktion mitgeteilt wurde, die Untersuchungen seien noch nicht abgeschlossen, und daß ein Termin, bis zu dem der Gesetzentwurf oder die Untersuchung uns vorgelegt werden wird, nicht genannt werden konnte. Wie berechtigt unsere Kritik an der Nichtdurchführung des Bundestagsbeschlusses ist, sehen Sie schon daraus, daß, glaube ich, sechzehn oder achtzehn Kollegen von der CDU/CSU-Fraktion einen ähnlichen Antrag eingebracht haben wie wir Freien Demokraten. Wir meinen, daß das Hohe Haus auch um seiner Kontrollpflicht nachzukommen -darauf achten sollte, daß Beschlüsse, die es faßt, von der Regierung auch durchgeführt werden. Als damals in der zweiten Lesung des Gesetzes zur Änderung des Kindergeldgesetzes ein sowohl von den Sozialdemokraten als auch den Freien Demokraten gestellter Antrag zur Überraschung des Hauses angenommen worden war, in der dritten Lesung aber eine ganze Reihe CDU/CSU-Kollegen plötzlich anders stimmten, konnte man sich das nur daraus erklären, daß mit dem damaligen Entschließungsantrag der CDU/CSU-Fraktion Umdruck 214 es diesen Kollegen, ich möchte sagen, schmackhafter gemacht werden sollte, in die allgemeine Parteilinie zurückzukehren, daß man sie darauf vertröstete, durch diesen Antrag werde ja die Regierung aufgefordert, innerhalb eines Dreivierteljahres ein neues Gesetz vorzulegen. Wir müssen heute feststellen, daß der Antrag damals entweder in der falschen Hoffnung gestellt worden ist, die Regierung werde es fertigbringen, innerhalb eines Dreivierteljahres die Vorlage zu bringen, oder aber gestellt wurde, weil man die eigenen Kollegen dazu bringen wollte, der Generallinie der Partei zu folgen. Eines von beiden muß zutreffen; diesen Schluß muß man ziehen, wenn man die Entwicklung des letzten Jahres betrachtet. Dies um so mehr, als Herr Kollege Stammberger damals schon sagte, es wäre besser, wenn Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren von der CDU, diesen Antrag gar nicht zur Abstimmung stellten, denn es sei kaum zu erwarten, daß er in dieser kurzen Zeit durchgeführt werden könne. Sie haben sich auf den Standpunkt gestellt: Das muß möglich sein! Bis zur Stunde ist eine verbindliche Erklärung, wann wir nun mit der Vorlage rechnen können, nicht gekommen. Auch der FDP-Initiativgesetzentwurf liegt seit einem Jahr im Ausschuß und wird nicht weiterberaten. Ich glaube, es liegt im Interesse des ganzen Hauses, wenn wir hier gemeinsam durch eine Mißbilligung der Regierung zum Ausdruck bringen, daß sich das Parlament nicht in dieser Form behandeln läßt, wie es hier geschehen ist. Wir bitten deshalb, dem Antrag Umdruck 534 zuzustimmen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Bevor ich dem Herrn Bundesarbeitsminister das Wort gebe, mache ich darauf aufmerksam, daß hier ein sinngemäßer Antrag auf Umdruck 587 vorliegt. Das Wort hat der Herr Bundesarbeitsminister.

Theodor Blank (Minister:in)

Politiker ID: 11000195

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte nur ein paar kurze Bemerkungen zu ,diesem Entschließungsantrag machen. Nach der Entschließung des Deutschen Bundestages vom 26. Februar 1959 sollten zunächst die Untersuchungen über die wirtschaftlichen Auswirkungen der lohnbezogenen Sozialabgaben auf die lohnintensiven Betriebe durchgeführt und dann entsprechend dem Ergebnis dieser Untersuchungen ein Gesetzentwurf zur Reform der Vorschriften des Kindergeldgesetzes über die Aufbringung der Mittel vorgelegt werden. Wie in meiner Stellungnahme vom 3. Februar 1960, Drucksache 1590, zur Kleinen Anfrage der FDP-Fraktion vom 19. Januar 1960 ausgeführt wurde, konnten diese Untersuchungen bisher noch nicht abgeschlossen werden, da es sich um ein Problem handelt, das nicht nur das Kindergeldgesetz, sondern alle Regelungen der sozialen Sicherheit betrifft, und dabei sehr schwierige Fragen auftreten. Die Vorlage eines Gesetzentwurfs vor Abschluß der Untersuchungen hätte jedoch keinesfalls gerade im Sinne der Entschließung vom 26. Februar 1959 gelegen. Nun darf ich aber noch ,darauf hinweisen, daß am 24. Mai dieses Jahres ,die Entscheidung ,des Bundesverfassungsgerichts über mehrere Verfassungsbeschwerden gegen das Kindergeldgesetz, in denen u. a. die Unzuständigkeit des Bundes für die Kindergeldgesetzgebung und ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz bei der Aufbringung der Mit6324 Bundesarbeitsminister Blank tel geltend gemacht werden, verkündet werden soll. Die Vorlage eines Gesetzentwurfs auf dem Gebiet des Kindergeldrechts wäre daher zur Zeit selbst dann untunlich, wenn ,die genannten Untersuchungen bereits abgeschlossen wären. Was den in der Entschließung gewünschten Zeitpunkt ,des Inkrafttretens einer Neuregelung anbelangt, so weise ich darauf hin, daß bei den Familienausgleichskassen wie bei den Berufsgenossenschaften die Umlage für das Jahr 1960 erst Anfang 1961 festgesetzt wird. Änderungen der Vorschriften über ,die Aufbringung der Mittel, die sich im Rahmen ,des Systems halten, könnten also noch im Laufe der nächsten Monate mit Wirkung für das Jahr 1960 verabschiedet werden. Ich glaube daher, daß es einer Mißbilligung nicht bedarf. Sobald die Voraussetzungen, ,die ich soeben angesprochen habe, gegeben sind, wird die Bundesregierung Ihnen einen Gesetzentwurf vorlegen. Zur Zeit ist sie aus den angegebenen Gründendazu nicht in der Lage.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Wird dazu das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Professor Schellenberg!

Dr. Ernst Schellenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001954, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe nur eine Frage an den Herrn Bundesarbeitsminister. Herr Bundesarbeitsminister, wann werden Sie den Gesetzentwurf voraussichtlich vorlegen? Nennen Sie uns bitte einen Termin. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Bundesarbeitsminister!

Theodor Blank (Minister:in)

Politiker ID: 11000195

Ich habe Ihnen soeben dargelegt, daß am 24. Mai eine Entscheidung ,des Bundesverfassungsgerichts zu erwarten ist. ({0}) - Einen Moment, Herr Professor! - Wenn diese Entscheidung dahin gehen sollte, ({1}) daß der Bund für diese Gesetzgebung überhaupt nicht zuständig sei, dann werde ich Ihnen keinen Gesetzentwurf vorlegen, sonst mit tunlicher Beschleunigung. ({2})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Ich frage, ob der Antrag Umdruck 587 begründet wird. - Keine Begründung. Ich mache darauf aufmerksam, daß der Antrag Umdruck 534 weiter geht als der Antrag Umdruck 587. Bei dem einen handelt es sich um eine Mißbilligung, bei dem anderen um ein Bedauern. Im Anschluß an die Abstimmung über ,den Antrag Umdruck 534 werde ich also den Antrag Umdruck 587 zur Abstimmung stellen. Keine weiteren Wortmeldungen. Ich lasse abstimmen über den Antrag Umdruck 534. Wer diesem Entschließungsantrag der Fraktion der FDP zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; der Antrag Umdruck 534 ist abgelehnt. Jetzt kommt ,der Entschließungsantrag der Abgeordneten Burgemeister, Gewandt und Genossen - Umdruck 587 -. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag Umdruck 587 ist angenommen. Nun kommt der Entschließungsantrag Umdruck 535. Zur Begründung Herr Abgeordneter Mischnick.

Wolfgang Mischnick (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001512, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Entschließungsantrag Umdruck 535 befaßt sich mit der versicherungstechnischen Bilanz, die für die Fragen der Rentenanpassung von außerordentlicher Bedeutung ist. Wie Sie wissen, muß der Sozialbericht jeweils zum 30. September vorgelegt werden. Wenn wir zu diesem neuen Sozialbericht nun endlich die versicherungstechnische Bilanz haben wollen, muß sie möglichst vor der Sommerpause vorliegen, damit man auch genügend Zeit hat, sich entsprechend mit ihr zu befassen. Der Entschließungsantrag faßt das etwas schärfer, was bei der Debatte am 2. Dezember im vorigen Jahr bereits über die Rentenanpassung gesagt worden ist. Denn einmal hat der Sozialbeirat - ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren - festgestellt: Die erste versicherungstechnische Bilanz im Sinne des § 1383 der Reichsversicherungsordnung liegt noch nicht vor. Im Beirat bestehen Bedenken, ob er im nächsten Jahr auf Grund solcher Voraussetzungen ohne Vorliegen der versicherungstechnischen Bilanzen die im Gesetz vorgeschriebenen Aufgaben erfüllen kann. Herr Kollege Horn hat zum anderen in einer Stellungnahme dazu gesagt, daß diese Meinung des Sozialbeirats beachtet werden müsse, daß man daran nicht vorbeigehen könne und daß Überlegungen, ob eine Novellierung überhaupt in Betracht komme, erst nach Vorliegen dieser Bilanz angestellt werden sollten. Herr Kollege Horn hat in seinen weiteren Ausführungen zum Ausdruck gebracht, daß er damit rechne, daß in etwa einem halben Jahr diese Bilanz unter Berücksichtigung all der Schwierigkeiten, vor allen Dingen technischer Art, die damit zusammenhängen, erstellt werden könne. Dieses halbe Jahr geht am 30. Juni zu Ende. Es wäre weiter nichts als eine Unterstreichung der Forderung des Sprechers der CDU/CSU, des Kollegen Horn, wenn wir diesen Entschließungsantrag jetzt annähmen, in dem gefordert wird, daß uns diese wesentliche Arbeitsunterlage für die weitere Beratung der Rentenanpassungsgesetze im Herbst bis zum 30. Juni gegeben wird. Darüber hinaus soll der neue Haushalt eventuell ja schon Ende Juni in erster Lesung behandelt werden, zumindest aber im September oder Oktober. Wir müssen aber für die Behandlung dieses Haushaltes nun endlich einmal an Hand der versicherungstechnischen Bilanz genaue Unterlagen erhalten, wie die weitere Entwicklung der Bundeszuschüsse für die Sozialversicherung in etwa aussehen wird. Deutscher Bundestag - 3. Wahlperiode -Mischnick Heute vormittag ist von dem Herrn Finanzminister bei der Debatte um die Beamtengehälter unter anderem gesagt worden, daß keiner etwas davon habe, wenn durch törichte Beschlüsse eine Gefährdung der Währung eintrete. Nach unserer Meinung trifft dieses Wort ganz besonders zu, wenn wir es nicht endlich fertigbringen, die versicherungstechnische Bilanz als eine wesentliche Voraussetzung für die weiteren Beratungen über die Rentenanpassung bis zum 30. Juni in die Hand zu bekommen und dann an Hand konkreterer Zahlen als bisher beraten zu können. Wir bitten Sie deshalb, dem Antrag Umdruck 535 zuzustimmen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Wird dazu das Wort gewünscht? - Herr Bundesarbeitsminister.

Theodor Blank (Minister:in)

Politiker ID: 11000195

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte zu diesem Entschließungsantrag folgendes sagen. Der Termin für die Fertigstellung der versicherungstechnischen Bilanzen der gesetzlichen Rentenversicherung läßt sich nicht festsetzen. Das hängt vielmehr von den Schwierigkeiten und dem Umfang der zu leistenden Arbeiten und von den Zeitpunkten ab, an denen die für die Bilanzarbeiten notwendigen statistischen Ergebnisse anfallen. Die versicherungstechnischen Bilanzen sollen für die nächsten drei Jahrzehnte erkennen lassen, wie sich die Einnahmen, die Ausgaben und das Vermögen der Versicherungsträger voraussichtlich entwickeln werden. Dabei genügt es nicht, die Entwicklung der Rentenausgaben von Jahr zu Jahr in der Gesamtsumme vorauszuschätzen, vielmehr müssen die Ausgaben für die künftig laufenden Renten noch danach unterteilt werden, in welchem Jahr der Versicherungsfall eintrat. Als Grundlagen für die Vorausberechnungen sind neben einer Reihe von Grundannahmen auf sozialversicherungsfremden Gebieten Kenntnisse über eine große Zahl von Tatbeständen auf dem Gebiete der Rentenversicherung selbst erforderlich. Für die ersten Bilanzen mit dem 1. Januar 1959 als Stichtag sind das erstens die Kenntnis der Versicherten-und Rentnerbestände für einen nahe dem Bilanzstichtag liegenden Tag, zweitens die Kenntnis der Rentenzugänge und der Rentenabgänge bis zum letzten Jahr vor dem Bilanzstichtag, also bis einschließlich 1958. Für die Angaben über die Versichertenbestände mußte die Fertigstellung der Auswertungen des Mikrozensus vom Oktober 1958 abgewartet werden. Die Rentnerbestände sind für Mitte 1959 in der Lochkartenstelle des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung erfaßt worden. Die Ergebnisse fielen laufend in den eisten Monaten des Jahres 1960 an. Die Rentenzugangs- und Rentenabgangsstatistik 1958 ist vom Verband deutscher Rentenversicherungsträger und von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte durchgeführt worden. Ihre Ergebnisse sind im Manuskript zusammengestellt worden und werden voraussichtlich erst Ende Mai 1960 vom Verband herausgegeben werden. Sie konnten nach ihrer Zusammenstellung erst Ende April 1960 vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung eingesehen werden. Die sozialversicherungsfremden Grundannahmen, die für die Aufstellung der versicherungstechnischen Bilanzen erforderlich sind, betreffen die voraussichtliche Entwicklung der durchschnittlichen Arbeitsentgelte, des durchschnittlichen Zinssatzes für Vermögensanlagen, der Bevölkerungszahlen, der Beschäftigungsquoten in den nächsten 30 Jahren. Für die Bevölkerungszahlen wird die vom Statistischen Bundesamt im August 1959 abgeschlossene Bevölkerungsvorausberechnung benutzt werden. Im übrigen sind die Grundannahmen Ende April 1960 auf Grund der letzten bekanntgewordenen Egebnisse zwischen Vertretern der Bundesministerien für Arbeit und Sozialordnung, für Wirtschaft und für Finanzen erörtert worden. Das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung arbeitet seit langem an den versicherungstechnischen Bilanzen und wird auch künftig alles daransetzen, um diese so schnell wie möglich fertigzustellen und Ihnen vorzulegen. Ich selbst habe das größte Interesse daran, Ihnen, wenn wir im Herbst die Frage hier wieder beraten, die notwendigen Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Ich halte es aber nicht für richtig, hier wie bei irgendeiner Arbeit einen Tag festzulegen, bis zu dem diese Arbeit geleistet sein soll. Das ist leider im Hinblick auf die Arbeit Ihnen nicht zuzusagen. Verpflichtungen einzugehen, die man mit Sicherheit nicht halten kann, muß ich ablehnen. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Protessor Schellenberg!

Dr. Ernst Schellenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001954, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Niemand in diesem Hause verkennt, daß die Erstellung der ersten versicherungstechnischen Bilanz erhebliche Schwierigkeiten bereitet. Auf der anderen Seite - da muß ich Herrn Kollegen Mischnick und die Antragsteller unterstützen - ist es unumgänglich, daß wir bei der Beratung des nächsten Sozialberichts und für die Beschlußfassung über die nächste Rentenanpassung genauere finanzwirtschaftliche Unterlagen haben. Ich schlage deshalb vor und stelle in dieser Hinsicht einen Änderungsantrag, daß wir den Antrag der FDP in dem Sinne ändern, daß als Termin nicht der 30. Juni, sondern der 30. September festgelegt wird; denn nach den Rentenversicherungs-Neuregelungsgesetzen muß der nächste Sozialbericht bis zum 30. September vorgelegt werden. Beide Dinge stehen im Zusammenhang. Es ist deshalb angebracht, der Bundesregierung die Verpflichtung aufzuerlegen, uns bis zum 30. September die versicherungstechnische Bilanz vorzulegen, so genau, wie dies bis dahin möglich ist.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Sie haben den Änderungsantrag gehört. Herr Abgeordneter Mischnik!

Wolfgang Mischnick (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001512, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Arbeitsminister hat mit Recht darauf hingewiesen, welche Schwierigkeiten die Erstellung dieser Bilanz mit sich bringt. Auf der anderen Seite muß ich darauf verweisen, daß seit dem Beschluß über die Rentenreform 1957 bekannt ist, was für Arbeit auf uns zukommt. Um einen gemeinsamen Beschluß zu ermöglichen, sind wir bereit, dem Antrag, den 30. September zu wählen, zuzustimmen. Wir hoffen, daß das Haus allgemein mit unserer Auffassung übereinstimmt, daß wir bis zu diesem Zeitpunkt, zu dem der Sozialbericht vorgelegt werden muß, auch die versicherungstechnische Bilanz haben müssen; denn es ist auf die Dauer unmöglich, mit den alten Unterlagen zu arbeiten. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Abgeordneter Horn!

Peter Horn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000959, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sehen uns im Hinblick auf die Darlegung des Herrn Ministers Blank nicht in der Lage, einem solchen Entschließungsantrag jetzt zuzustimmen, auch nicht in der geänderten Form. Es mag aber sehr wohl am Platze sein, daß man sich im Ausschuß mit der Regierung darüber unterhält, wie denn nun wirklich die Dinge zur Zeit sind und welche Schwierigkeiten noch entgegenstehen. Zwar fällt der 30. September mit dem Termin für die Vorlage des Sozialberichts zusammen, und es wäre auch sehr nützlich, wenn dann die Bilanz vorläge; aber die Rentenversicherungs-Neuregelungsgesetze setzen für die Vorlage der Bilanz keinen Termin. Wir können also einer solchen Entschließung nicht zustimmen und beantragen Überweisung an den Ausschuß für Sozialpolitik, damit dort das Gespräch mit der Regierung geführt werden kann.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Meine Damen und Herren, jetzt ist beantragt, den geänderten Entschließungsantrag der FDP an den Ausschuß für Sozialpolitik zu überweisen. Ist das Haus damit einverstanden oder wollen Sie abstimmen? - Der Antrag auf Ausschußüberweisung geht immer vor. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Das ist die Mehrheit; der Antrag ist dem Ausschuß für Sozialpolitik überwiesen. Umdruck 544, Entschließungsantrag der Fraktion der SPD! Zur Begründung Herr Abgeordneter Meyer!

Erich Meyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001490, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei dem Entschließungsantrag Umdruck 544, den Ihnen die sozialdemokratische Fraktion vorlegt, kann man auch sagen: „Alle Jahre wieder". Daß wir den Antrag auch in diesem Jahr stellen müssen, wäre zu vermeiden gewesen, wenn sich die Bundesregierung ernsthaft bemüht hätte, ihren gesetzlichen Verpflichtungen nachzukommen. Ich bitte, einmal zu überlegen, wie man über einen Privatmann urteilen würde, der sich jahrelang der Erfüllung von Verpflichtungen entzieht. Es handelt sich hier um die Verpflichtung aus dem in der Öffentlichkeit immer wieder genannten § 90 des Bundesversorgungsgesetzes, in dem es heißt: Den Trägern der gesetzlichen Rentenversicherungen werden die Mehraufwendungen erstattet, die ihnen dadurch entstehen, daß durch die Folgen von Schädigungen im Sinne dieses Gesetzes vorzeitig Ansprüche aus den gesetzlichen Rentenversicherungen erwachsen. Ich will es mir wegen der Kürze der Zeit ersparen, das Zahlenmaterial auszubreiten, das u. a. von der Bundesregierung selbst im Sozialbericht 1959 dargestellt wurde. In einer erstellten versicherungsmathematischen Bilanz wurden diese Zahlen sogar den Rentenversicherungsträgern als Aktivum eingesetzt. Nach den Jahren des Hin und Her ist die Angelegenheit nicht mehr mit Erinnerungsposten von 1 Million DM im Haushalt gewissermaßen symbolisch aus der Welt zu schaffen, da jetzt insbesondere auf Grund der klaren Bestimmungen der Rentenversicherungs-Neuregelungsgesetze - § 47 - abgerechnet werden muß. Jahr für Jahr mußten die Rentenversicherungsträger Briefe an das zuständige Ministerium richten, und jetzt hat man eine Schuldbucheintragung von 200 Millionen DM vorgenommen. Die Bundesregierung setzt sich über einstimmige Beschlüsse dieses Hauses hinweg, das darüber hinaus aus dem Geist der Selbstverwaltung gefordert hat, daß man sich vorher in dieser Frage mit der Selbstverwaltung verständigt. Bei sozialen Verpflichtungen sollte der Staat niemals in dieser Form manipulieren. Die sozialen Dinge müssen in Ordnung sein; denn meist entzündete sich bisher von der sozialen Seite aus noch jede Krise, in die Staaten und Völker gestürzt werden. Deshalb ist dies so außerordentlich ernst und verdient unsere Aufmerksamkeit. Hier geht es um die gute Grundlage einer Einrichtung, durch die der Lebensabend für Millionen Menschen gesichert werden soll. Eine solche Einrichtung muß in Ordnung sein. Hier müssen derartige Finanzpraktiken unter allen Umständen abgelehnt werden. Die Rentenversicherungsträger sind sowieso durch Bestimmungen der RentenversicherungsNeuregelungsgesetze und auch durch die schwere Last des neuen Fremdrenten-Neuregelungsgesetzes belastet. Unsere Entschließung hat folgenden Wortlaut: Die Bundesregierung wird ersucht, 1. der Entschließung des Bundestages vom 4. Juli 1958, wonach unverzüglich die Höhe der finanziellen Verpflichtungen des Bundes gegenüber den Trägern der Rentenversicherung für die Zeit vor dem 1. Januar 1957 festgestellt und dem Bundestag hierüber berichtet werden sollte, bis zum 30. September dieses Jahres nachzukommen, Meyer ({0}) - 2. bis zum 30. September dieses Jahres dem Bundestag zu berichten, in welcher Weise die finanziellen Verpflichtungen des Bundes gemäß Art. 2 § 47 Abs. 2 ,des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes und Art. 2 § 45 Abs. 2 de's Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes erfüllt werden. Die sozialdemokratische Fraktion bittet um die Zustimmung. ({1})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Weitere Wortmeldungen? - Herr Bundesfinanzminister!

Franz Etzel (Minister:in)

Politiker ID: 11000497

Meine Damen und Herren! Man hat den Eindruck, daß seit dem 4. Juli 1958 in der Tat eine lange Zeit verflossen ist, innerhalb der man vielleicht hätte weiterkommen können. Ich bin über dieses Datum auch nicht glücklich. Trotzdem bitte ich, uns zu glauben, daß eine Lösung dieses Problems nicht künstlich hinausgezögert werden soll. Das Problem, das hier gestellt wird, ist sachlich, technisch und sozialrechtlich außerordentlich schwierig. Es sind komplizierte Verhandlungen über zwei wichtige Punkte notwendig, und zwar Verhandlungen zwischen dem Finanzministerium, dem Arbeitsministerium und den Sozialversicherungsträgern über einen Anspruch, der fast 2 Milliarden DM ausmacht. Den Anspruch wollen wir aber nicht in dieser Höhe bewilligen. Der eine Punkt ist also die Verständigung über seine Höhe. Das zweite Problem betrifft die Weise, in der gezahlt werden soll. Hierüber haben Verhandlungen stattgefunden; es hat gestern noch eine stattgefunden. Nach den - ich war nicht selbst dabei - mir zuteil gewordenen Informationen ist man grundsätzlich einig geworden über die Zahlungsweise. Es sollen nämlich Schuldbuchforderungen gewährt werden. Wir haben für das Haushaltsjahr 1960 als Teilzahlung einen Betrag von 200 Millionen DM in Form von Schuldbuchforderungen anerkannt. Das scheint mir ein gangbarer Weg zu sein, da die Beträge nicht von heute auf morgen in bar nötig sind. Sie werden als Schuldbuchforderungen gegenüber dem Bund mit Verzinsung in die Bilanzen der Versicherungsträger aufgenommmen. Dieser Weg scheint auch anerkannt zu werden. Wenn ich Ihnen sage, daß man gestern über die Zahlungsweise einig war - ({0}) - Arbeitsminister und Finanzminister! ({1}) Nicht die Sozialversicherungsträger! Sie waren gestern nicht dabei. ({2}) - Daß Barzahlungen nicht in Frage kommen können, darüber sollte sich dieses Hohe Haus klar sein. ({3}) - Nein, gar -nicht negativ! Eine anerkannte Schuld ( des Bundes, über die eine Schuldbuchforderung ausgestellt werden soll, die verzinst werden soll und die auch auf bestimmte Termine zahlbar gestellt werden soll, scheint mir für die Bilanzierung dieser Forderungen - darauf kommt es doch an - hinreichend geeignet zu sein.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Finanzminister?

Lisa Korspeter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001183, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, darf ich Sie fragen, ob Sie nicht die Absicht haben, mit den Betroffenen, nämlich mit dem Verband der Rentenversicherungstrger vorher zu verhandeln?

Franz Etzel (Minister:in)

Politiker ID: 11000497

Ich bin einverstanden. Diese Frage bejahe ich. Selbstverständlich muß mit den Gläubigern gesprochen werden. Die Verhandlungen sollen beschleunigt geführt werden. Ich bitte mich aber nicht auf das Datum vom 30. September festzulegen; denn wenn man über einen Betrag in Höhe von 2 Milliarden DM verhandeln soll, kann man das nicht unter Termindruck tun. Ich werde mich jedoch bemühen, bis zum 30. September fertig zu werden.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Gestatten Sie eine Frage, Herr Minister? - Bitte sehr!

Fritz Büttner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000301, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, da auf die technischen Schwierigkeiten bei der Bilanz infolge der Ungeklärtheit der Ausgaben, die durch das Fremdrenten- und Auslandsrentengesetz auf uns zukommen, hingewiesen worden ist und da Sie bei der Erstattung nach § 90 BVG wieder sagen, daß die Verhältnisse und die finanziellen Auswirkungen noch nicht klar sind und insbesondere nicht klar ist, in welcher Höhe erstattet werden soll, darf ich fragen, ob es dann richtig ist, bei anderer Gelegenheit - ich denke jetzt an die Knappschaft - darauf hinzuweisen, daß Bundeszuschüsse in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes gewährt werden sollen, obgleich der Bundeszuschuß insgesamt noch nicht festliegt, vor allen Dingen die Höhe gewisser Belastungen gar nicht bekannt ist und nicht einmal erfaßt werden kann?

Franz Etzel (Minister:in)

Politiker ID: 11000497

Die Knappschaftszahlungen, die wir geleistet haben, sind doch Zahlungen in ein Vakuum. Ich weiß nicht, ob ich Sie richtig verstanden habe. Wir haben erhöhte Knappschaftsleistungen zahlen müssen, weil die Knappschaftskassen entsprechende Beträge nicht mehr hatten. Bei dieser Forderung handelt es sich aber nicht darum, daß bei den Sozialversicherungsträgern kein Geld da ist, sondern darum, daß die Forderungen in einer Schuldbuchforderung geklärt werden können, bei den Sozialversicherungsträgern bilanziert und verzinst werden können, damit am Tage X, wenn diese Mittel notwendig sind, die Beträge zur Verfügung stehen. Daß das geschehen soll, war der Wunsch des Hohen Hauses. Ich habe soeben erklärt, ich werde mich persönlich darum kümmern, Bundesfinanzminister Etzel daß-wir es bis zum 30. September hinbekommen. Ich bitte mich aber nicht auf das Datum festzulegen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat Herr Professor Schellenberg.

Dr. Ernst Schellenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001954, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es handelt sich immerhin um fast 2 Milliarden DM, die die deutsche Rentenversicherung vom Bund für die Zeit vor dem 1. Januar 1957 zu erhalten hat. Meine Damen und Herren von der CDU/CSU, ich darf Ihnen einen Antrag Ihrer eigenen Fraktion vom 1. Juli 1958 vorlesen, in dem es heißt: Die Bundesregierung wird ... ersucht, die Regelung dieser Frage so zu beschleunigen, daß die in Frage kommenden Erstattungsbeträge im Haushaltsplan 1959 ihren Niederschlag finden. Das war Ihr Antrag von vor fast zwei Jahren. Es ist deshalb angebracht, daß wir jetzt die Regierung durch einen festen Termin binden. Wir können uns mit der Mitteilung des Herrn Bundesarbeitsministers, die leider nicht konkret gehalten ist, sondern die in bezug auf den Termin und auf die Höhe des Erstattungsbetrages viele Möglichkeiten offenläßt, nicht zufrieden erklären. Wir müssen auf der Abstimmung über unseren Antrag bestehen. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Keine weiteren Wortmeldungen. Wir stimmen ab über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 544. Wer zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das letzte ist die Mehrheit; der Entschließungsantrag ist abgelehnt. Ich komme zurück zu Einzelplan 05 Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts. Hierzu liegen zwei Entschließungsanträge vor. Ich rufe zunächst den Entschließungsantrag der Fraktion der FDP Umdruck 529 auf. - Herr Abgeordneter Kreitmeyer zur Begründung!

Reinhold Kreitmeyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001210, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Anläßlich der zweiten Lesung des Einzelplans 14 habe ich schon auf einen Übelstand hingewiesen, mit dem Sie sich vielleicht in absehbarer Zeit befassen werden. Es handelt sich dabei um die Ratifizierung des sogenannten Zusatzabkommens zum Truppenvertrag. Wenn ich jetzt im Namen der FDP-Bundestagsfraktion die Bitte ausspreche, daß man sich noch einmal besinnen möge, dann betone ich dabei: der Wortlaut unseres Anliegens zielt darauf ab, im Lichte der praktischen Erfahrungen und im Interesse aller Beteiligten, d. h. auch unserer Bundesgenossen, dieses Abkommen doch noch einmal einer Überprüfung zu unterziehen. Die Damen und Herren des Hohen Hauses haben vor zwei Tagen ein Schreiben in ihre Fächer gelegt bekommen, das sich mit diesem Problem befaßt. Wer von den verehrten Kolleginnen und Kollegen noch nicht Gelegenheit hatte, sich diesem Schreiben eingehend zu widmen, den möchte ich bitten, es im Interesse des Anliegens doch noch zu tun. Ich möchte darauf verzichten, hier auf irgendwelche Einzelheiten einzugehen. Lassen Sie mich aber wenigstens folgendes ausführen. Der Streit, um den es geht, liegt schon über zwei Jahre zurück. Die zunächst betroffene und für die Bevölkerung mitverantwortliche Niedersächsische Landesregierung hat, gleichgültig ob der Ministerpräsident Hellwege oder Kopf hieß bzw. heißt, von vornherein den Standpunkt eingenommen, es sei unmöglich, den Vertrag in der Form, wie er geplant sei, abzuschließen. Er ist in keinem Falle mit deutschem Recht in Übereinstimmung zu bringen. Er kann aber auch nicht mehr auf Besatzungsrecht gegründet werden. Wenn die Bundesrepublik als souveräner Staat nicht Gefahr laufen will, ihr Ansehen in der eigenen Bevölkerung zu verlieren, muß eine grundsätzliche Änderung herbeigeführt werden. Unabhängig davon ist es dringend erforderlich - um den Zustand der Schwebe endgültig zu beheben -, daß man als Sorfortmaßnahme ein Abkommen zur Entlastung der wirklich schwer geprüften Bevölkerung trifft. Ich glaube, es fehlt uns allen, einschließlich derjenigen Stellen, die den Vertrag in der vorliegenden Form paraphiert haben, die nötige Phantasie davon, was es heißt, praktisch 15 Jahre unter sogenannten halbständischen Manöverrechten leben zu müssen. Dieser Zustand ist schlechthin nicht mehr tragbar. Alle Versuche, den' vorliegenden Vertragsentwurf als eine Verbesserung der Situation zu bezeichnen, beruhen auf einem groben Irrtum. Die jetzige Vertragsform bedeutet nichts anderes, als daß die Unzuträglichkeiten für alle Zeiten verewigt werden sollen. Wir möchten die Regierung deshalb bitten, sich doch eines Besseren zu besinnen, die notwendigen Sofortmaßnahmen einzuleiten und den Vertrag entsprechend zu ändern. Es besteht noch ein weiteres Anliegen. Der Bund bzw. die zuständigen Ministerien - ich möchte hinzufügen: nicht das Bundesverteidigungsministerium, das ja nicht die Hausherrenrechte ausüben darf - müssen nun endlich dafür sorgen, daß die Truppenübungsplätze in der Form ausgenützt werden, wie sie nun einmal für die Truppe vorgesehen ist. Dabei geht es um zwei entscheidende Punkte. Die forstliche Nutzung darf nur so weit berücksichtigt werden, als sie zur Vermeidung von Erosionsschäden am Boden erforderlich ist. Die jagdliche Nutzung muß endgültig entfallen. Zum Schluß möchte ich noch der Hoffnung Ausdruck geben, daß die lange ausstehenden Entschädigungssummen den Betroffenen endlich gewährt werden und daß der Bund, die Länder und besonders auch die bundeseigenen Gesellschaften es nicht unterlassen, Ländereien zur Verfügung zu stellen, um zu einem Austausch zu kommen und damit die grundsätzlichen Belästigungen der Bevölkerung ein für allemal abzustellen. Auch hier wird das Beispiel der schnellen Abhilfe der Bevölkerung das VerDeutscher Bundestag -- 3. Wahlperiode Kreitmeyer trauen zurückgeben, worin sie sich zutiefst getäuscht fühlt, das Vertrauen, daß die Bundesregierung sie nicht abgeschrieben hat. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Wird dazu weiter das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wir stimmen ab über den Entschließungsantrag der Fraktion der FDP Umdruck 529. Wer ihm zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. ({0}) - Es wird Überweisung an den Ausschuß beantragt? ({1}) - Das Haus ist mit der Überweisung des Entschließungsantrags Umdruck 529 an den Ausschuß für Inneres einverstanden. Wir kommen zum Entschließungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 541. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Meyer.

Dr. Ernst Wilhelm Meyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001491, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will beim Etat des Auswärtigen Amts auf einige wenige Probleme eingehen, die im wesentlichen mit der Organisation und der Verwaltung des Auswärtigen Amts zusammenhängen. Meine Fraktion beantragt mit Umdruck 541, für alle Fragen der Hilfe für Entwicklungsländer eine zentrale Koordinierungsstelle einzurichten. Nach meinen Eindrücken von der zweiten Lesung darf ich vielleicht hoffen, daß dieser Antrag einmütige Zustimmung finden wird. Es braucht in der Tat nichts weiter mehr gesagt zu werden, als bereits bei der zweiten Lesung gesagt worden ist, um die Notwendigkeit einer solchen Koordinierungsstelle darzutun. Etwa 6 bis 7 deutsche Bundesministerien sind heute an der Arbeit für die Entwicklungsländer beteiligt. Die bisherige Koordinierung erscheint ziemlich unzulänglich. Wir würden uns jedoch, so scheint mir, sehr täuschen, wenn wir glauben sollten, alsdann organisationsmäßig schon das insoweit Erforderliche getan zu haben. Denn die Organisation der Angelegenheiten der Entwicklungsländer im Auswärtigen Amt selbst, nämlich als dem maßgebenden, ,dem federführenden Ressort, erscheint mir ebenfalls unbefriedigend. Heute befinden sich diese Angelegenheiten im Auswärtigen Amt weniger im Zustand von Organisation als in einer Art Desorganisation. Nahezu 40 Referenten sind mit den die Entwicklungsländer betreffenden Aufgaben befaßt. Indes: sie sitzen in den verschiedensten Abteilungen; sie sitzen in der Europa-Abteilung, in der Ostabteilung, wieder andere in der Wirtschaftsabteilung. Meine Damen und Herren, so kann es nicht bleiben. Was wir dringend brauchen, so möchte ich denken, ist eine Sonderabteilung im Auswärtigen Amt für die Entwicklungsländer. Ihre Errichtung verträgt keinen Aufschub und läßt sich unseres Erachtens, ohne daß auf die Bewilligung neuer Planstellen gepocht zu werden braucht, erfolgreich durchführen mittels der Organisationsgewalt des Herrn Außenministers. Mir liegt jeder Vorwurf gegen das Auswärtige Amt völlig fern. Es wird dort gerade hinsichtlich der Entwicklungsländer gute Arbeit geleistet. Wir möchten dem Auswärtigen Amt helfen. Hier soll gewiß keine Debatte zum Thema Entwicklungsländer stattfinden; dies wird bei anderen Gelegenheiten wiederholt zu geschehen haben. Aber es gehört zum Etat des Auswärtigen Amts, die Feststellung zu treffen, daß - nach der heutigen Lage - mancher Botschafter eines unabhängig gewordenen Entwicklungslandes, wenn er das Auswärtige Amt besucht, bei demselben Beamten des Auswärtigen Amts vorzusprechen hat, der in der Hauptsache mit unseren Beziehungen zu den früheren Kolonialherren befaßt ist. Es liegt auf der Hand, ,daß dies höchst unerwünscht, verstimmend und abträglich ist. Es kommt hinzu, daß die gegenwärtigen Abteilungsleiter des Auswärtigen Amts natürlich sehr oft im Ausland zu tun haben, weil sie auch mit anderen Aufgaben als mit Aufgaben der Entwicklungsländer befaßt sind und daher nicht selten von Bonn abwesend sein müssen: So kann es geschehen und geschieht, ,daß prominente Besucher aus den Entwicklungsländern, selbst Kabinettsmitglieder, in Bonn mit keinem prominenten Beamten des Auswärtigen Amts in Verbindung gelangen. Und die Zahl dieser Besucher wächst - ich möchte sagen, zu unserer großen Freude - ständig; sie wird bestimmt weiter wachsen. Die gegenwärtige Lage hat bei vielen akkreditierten Diplomaten schon starken Verdruß erzeugt. Es handelt sich hierbei durchaus nicht um etwas Nebensächliches. Auch wegen allgemeinpolitischer deutscher Interessen ist eine Wandlung notwendig. Wir brauchen uns nur über die Tatsache klarzuwerden, daß jeder dieser Staaten eine Stimme in der UNO besitzt, was beispielsweise auch für unsere Wiedervereinigung sehr wesentlich zu werden vermag. Kurzum: wir wären dem Herrn Außenminister sehr dankbar, wenn er durch organisationsmäßige unverzügliche Schaffung einer Sonderabteilung Rechnung tragen wollte der politischen Wucht und dem außenpolitischen Gehalt der neuen Entwicklung und ihrer Riesendynamik. Lassen Sie mich hinzufügen: Nach außen aktiv legitimiert und federführend sollte jedenfalls das Auswärtige Amt und keine andere Behörde sein und bleiben. Zwar handelt es sich hierbei keineswegs lediglich um Außenpolitik. Aber das einschlägige Politische ist schlechthin überwältigend. Ich kenne auch keinen einzigen anderen Staat, bei dem die Angelegenheiten der Entwicklungsländer etwa bei einer anderen Zentralstelle beheimatet wären als bei den Auswärtigen Ämtern. Insbesondere ist dies auch in den Vereinigten Staaten der Fall. Noch in anderer Hinsicht wird das Auswärtige Amt aus der raschen, ja, stürmischen Entwicklung Folgerungen für seine Organisation zu ziehen Dr. Meyer ({0}) haben. Das Auswärtige Amt wird in den neuen, frei gewordenen Staaten höhere Beamte besonders hoher Qualität tätig werden lassen müssen. Es wird gerade auch den dortigen Botschaften vorzügliche Sozial- und Landwirtschaftsattachés beizugeben haben. Wir haben heute, ich glaube, drei- oder viermal soviel Militärattachés wie Landwirtschaftsoder Sozialattachés bei den einschlägigen Behörden. Angesichts der Aufgabenvermehrung und angesichts des Gebots der haushaltsmäßigen Sparsamkeit bitte ich das Auswärtige Amt ferner, zu untersuchen, ob nicht in erweitertem Umfang Beamte des gehobenen Bürodienstes Aufgaben von im Kern übertragbarem Charakter erhalten könnten, die bislang von höheren Beamten wahrgenommen worden sind. Ähnliche Überlegungen haben wir bekanntlich in den Justizverwaltungen zu verzeichnen. Unser Richterstand erfreut sich leider nicht des hohen äußeren Prestiges wie etwa der Richterstand in den angelsächsischen Ländern, besonders in Großbritannien und in den Vereinigten Staaten. Die Ursachen sind gewiß vielfältig. Der Mangel des Ansehens hängt aber nach beachtlichem, auch wissenschaftlichem Urteil nicht zuletzt damit zusammen, daß unser Richterstand zahlenmäßig deshalb zu groß ist, weil ihm zu viele im Grunde nichtrichterliche Funktionen übertragen sind. Wir sollten also, so möchte ich anregen, untersuchen, ob nicht Angehörigen unseres vortrefflichen gehobenen Bürodienstes im Auswärtigen Amt mehr Befugnisse als bisher übertragen werden könnten und sollten, die in ihrem wahren Wesen nicht ausschließlich Domäne der höheren Beamten zu sein brauchen. ({1}) Ich plädiere keineswegs für beamtliche Gleichmacherei, wohl aber für eine Entlastung der höheren Beamten von Funktionen dort, wo die Entlastung erträglich ist, und für eine Wahrnehmung solcher Funktionen durch Angehörige des gehobenen Dienstes dort, wo sie vertretbar ist. Wir sollten sehr genau studieren, wie sich auf diesem Gebiet andere Staaten verhalten, und sollten von ihnen lernen. Lassen Sie mich nun noch kurz ein Thema berühren, das ich schon vor Jahresfrist beim Etat des Auswärtigen Amts erwähnte. Damals handelte es sich um die Frage der Errichtung einer bundesdeutschen Handelsvertretung in Peking. Ich setzte mich hierfür ein, und zwar selbstverständlich im deutschen Interesse. Wie ich glaube, muß es auch uns sehr zu denken geben, daß soeben eine Persönlichkeit vom Range Nehrus trotz oder wegen der großen Spannungen zwischen China und Indien unbeirrt wie zuvor die Aufnahme Chinas in die UNO befürwortet hat. Heute aber möchten wir das Auswärtige Amt etwas anderes fragen, nämlich, ob es nicht gewillt ist, sich beim Bundespresseamt dafür einzusetzen, daß aus den dem Bundespresseamt bewilligten Etatmitteln die ständige Stationierung von wenigstens zwei nach Peking zu entsendenden bundesdeutschen Pressevertretern ermöglicht wird. Kürzlich traf ich hier in Bonn zwei Vertreter der chinesischen Presseagentur; sie sind zur hiesigen Pressetätigkeit zugelassen. Soweit ich weiß, hat die chinesische Regierung ihrerseits die Zulassung von zwei bundesdeutschen Korrespondenten in Peking zugestanden. Machen wir wenigstens hiervon Gebrauch! Was in aller Welt sollte eigentlich dagegen sprechen, den bundesdeutschen Nachrichtendienst in China, einem der wichtigsten und mächtigsten Staaten der Welt, in solcher geeigneten Weise auszubauen? Ich möchte mich zum Schluß noch einer Angelegenheit zuwenden, die äußerlich von geringerer Bedeutung erscheinen mag. Wir senden mit Recht zahlreiche Politiker ins Ausland, auch in die Entwicklungsländer, die unter anderem für unsere Lage, auch für die Unersetzbarkeit unserer Hauptstadt Berlin, Verständnis schaffen sollen. Diese auf Zeit entsandten Persönlichkeiten kommen und gehen. Ihre Bedeutung soll nicht verkannt werden. Aber was verbleibt, sind in erster Linie die eigentlichen Beamten unseres Auswärtigen Amtes in weit über hundert diplomatischen und konsularischen Auslandsvertretungen. Sie sind und müssen - sofern sie nicht für völlig ungeeignet zu erachten wären - die eigentlichen Anwälte auch der deutschen Einigung und unserer deutschen Hauptstadt sein. Aber soweit sie nicht aus Berlin stammen - und die übergroße Mehrheit stammt nicht von dort -, sehen sie während ihrer Ausbildungszeit im Auswärtigen Amt, die sich im In- und Ausland auf rund drei Jahre beläuft, heute Berlin sage und schreibe nur rund eine Woche. Selbstverständlich finden kluge Leute auch hierfür Worte sogenannter Aufklärung. Ich glaube, es ist allerdings besser, diese Aufklärungsworte nicht zu zitieren. Es gibt hierfür allenfalls Worte, keinesfalls aber eine überzeugende Begründung. ({2}) Jedermann, der etwas mit politischer Wissenschaft zu tun hat, weiß - auch andere, die nichts mit der politischen Wissenschaft zu tun haben, wissen es -, daß der Genius loci, der Ortsgeist, mit der politischen Willensbildung zu tun hat, und zwar sowohl des Genius loci von Bonn als auch der Genius loci von Berlin. ({3}) Mir erscheint es ganz unvertretbar, daß der grundlegende Attachéunterricht - grundlegend vielleicht auch für Jahrzehnte unserer außenpolitischen Arbeit - sich nicht mindestens drei bis vier Monate in Berlin vollzieht. ({4}) Das Bewußtsein, daß Deutschland über die Elbe und Werra hinausreicht, ist bei jedem jungen Beamten unseres Auswärtigen Dienstes selbstverständlich vorhanden. Aber er kann es besser empfinden, wenn er wenigstens einen Teil seiner Ausbildung in Berlin genießt. Dr. Meyer ({5}) Ich bitte also das Auswärtige Amt aufs dringlichste, seinen Etat auch dafür zu benutzen, daß die jungen Attachés während mindestens vier Monaten ihre Ausbildung in Berlin erhalten. Soweit ich weiß, ist dies erfreulicherweise auch der eigene Wunsch unserer jungen Attachés. ({6})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Herr Staatssekretär des Auswärtigen Amts.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als ich den Antrag, zu dem der Herr Abgeordnete Professor Meyer soeben gesprochen hat, zum erstenmal sah, erfüllte mich ein wenig Sorge. Ich war etwas überrascht über den Gedanken, daß hier ein neues Amt errichtet werden sollte. Durch die Darlegungen des Herrn Abgeordneten Meyer bin ich völlig beruhigt. Ich danke ihm für seine sehr wichtigen Ausführungen zu diesem Thema. Das Auswärtige Amt hat von Anfang an versucht, gerade bei der Bearbeitung der Frage der Entwicklungsländer mit einem Maximum an Ökonomie der Kräfte zu arbeiten. Wir haben gerade hier immer wieder versucht, an der Stelle, wo die Hauptzuständigkeit lag, im wesentlichen lediglich die politischen und grundsätzlichen Entscheidungen zu treffen und alle technische Arbeit dorthin zu verlagern, wo sie am besten gemacht werden konnte. Das konnte sein: an andere Ministerien; das konnte aber auch sein: an andere Referate. Aus dieser Ökonomie der Kräfte ergibt sich natürlich, daß manchmal an einer Einzelaufgabe eine verhältnismäßig große Anzahl von Referaten oder sonstigen Stellen beteiligt sind. Ich glaube aber doch kaum, daß man unbedingt davon sprechen kann, daß die Arbeit darunter sehr stark leiden würde. Denn gerade das, was dadurch erzielt werden soll, nämlich die zentrale Steuerung und die Vermeidung der Belastung von Leuten, die mit den eigentlichen Grundideen dieser Sache zu tun haben, mit einer Unmasse von Einzelheiten -- dieser Gedanke entspricht ja doch wohl weitgehend den Vorstellungen, die man sich, wenn ich richtig unterrichtet bin, auch hier im Hause gerade in den Kreisen macht, die dieser Frage ein so dankenswertes und großes Interesse entgegenbringen. Trotzdem stehe ich nicht an zu erklären, daß auf diesem Gebiet noch manches verbesserungsbedürftig ist. Vor allem sollte man nicht übersehen, daß eine Organisation, die vor nunmehr etwa vier Jahren erst begonnen hat und damals noch für einen verhältnismäßig sehr kleinen Arbeitskreis bestimmt war, nicht ohne weiteres heute noch in vollem Umfange ihren Aufgaben gerecht werden kann. Denn es wächst nicht nur der Betrag, der uns für den Entwicklungsfonds von diesem Hohen Hause jährlich zur Verfügung gestellt wird, und summiert sich im Laufe der Jahre, sondern es kommen auch von den verschiedensten Stellen her gewichtige neue Elemente in diese Sache hinein -aus dem Vermögen des Bundesschatzministeriums, durch die Mitwirkung des Herrn Bundeswirtschaftsministers, durch die Mitwirkung des Herrn Bundesministers für Ernährung. Hier ergibt sich ein immer größer werdender Aufgabenkreis, der natürlich, auch wenn man in keiner Weise in die Zuständigkeit der anderen Ressorts eingreifen will, das Arbeitsvolumen erhöht. Dazu kommt, daß heute ganz andere Anforderungen als damals an uns gestellt werden. Wo wir früher mit einigen wenigen Ländern und Schwerpunkten zu tun hatten, ist heute selbst bei sorgfältigster Schwerpunktwahl der geographische Umfang und die Zahl der Länder, mit denen wir zu tun haben, sehr viel größer als früher. Ich brauche nur an die neuen Staaten in Afrika zu erinnern, ich brauche das hier bestimmt nicht zu vertiefen. Unter diesen Gesichtspunkten haben wir auch selber und habe auch ich persönlich schon seit längerem erwogen, wie wir das jetzige Referat verstärken können. Mammutreferate sind nie sehr erwünscht; der Gedanke, dieses Referat irgendwie zu einer Unterabteilung zu entwickeln, ist zweifellos die beste Lösung. In einem Punkt möchte ich aber doch dem Herrn Abgeordneten Dr. Meyer nicht ganz zustimmen, und zwar in seiner Annahme, eine solche Entwicklung sei ohne weiteres ohne neue Stellen zu machen. So, fürchte ich, wird es selbst beim besten Willen nicht durchzuführen sein. Wir werden aber jedenfalls schon jetzt alle Vorkehrungen organisatorischer und auch personeller Art treffen, um die Schlagkraft dieser Unterabteilung bzw. jetzt des Referats zu erhöhen, um die Sicherheit zu erhalten, daß die Hauptaufgabe, nämlich die Koordinierung der an verschiedenen Stellen und aus verschiedenen Quellen zusammenkommenden Ströme auch der Entwicklungshilfe, besser erfüllt werden kann, als das jetzt der Fall ist. Damit hoffen wir vor allem auch der Kritik abhelfen zu können, die Herr Abgeordneter Dr. Meyer hier meiner Ansicht nach durchaus zu Recht geäußert hat, daß es nämlich bei der jetzigen Organisation vielfach gar nicht möglich ist, die Besuche aus den Entwicklungsländern so wahrzunehmen, wie es ihren und insbesondere auch unseren Interessen entspricht. Wir werden, wie gesagt, schon jetzt so schnell wie möglich innerorganisatorische Maßnahmen treffen. Ich muß mir allerdings vorbehalten, eventuell für den Haushalt 1961 daraus in bezug auf unsere Anträge und Wünsche gewisse Folgerungen zu ziehen, und ich bitte und hoffe sehr, daß das Hohe Haus uns dabei wohlwollend helfen wird. Herr Abgeordneter Dr. Meyer hat noch einige weitere Fragen angeschnitten, auf die ich kurz eingehen möchte. Was die Verwendung von Beamten des gehobenen Dienstes für Aufgaben, die jetzt durch Beamte des höheren Dienstes erledigt werden, betrifft, so ist diese unser ständiges Bestreben. Es ist mir gerade von unserer Personalabteilung versichert worden, daß diese in zunehmendem Maße geschieht, eben um die Beamten des höheren Dienstes von Formalfunktionen und Routinesachen zu entlasten, die ihre Zeit zum Teil wirklich ungebührlich belasten. van Scherpenberg Dabei -darf man aber zwei Momente nicht übersehen. Einmal hat jeder Beamte nach gewissen Tätigkeitsmerkmalen ,Anspruch auf eine bestimmte Stelle. Zum andern gibt es in mancher Hinsicht gesetzliche .Vorschriften, die es erfordern, daß bestimmte Routinearbeiten wenigstens abschließend von einem höheren Beamten gezeichnet werden müssen. Meine Damen und Herren, ich kann Ihnen hier nur sagen: als Staatssekretär habe ich die vollen Kosten dieser Regelung zu tragen; denn es gibt sehr vieles, was nach dem Gesetz eben von der Spitze entschieden werden muß. Ähnlich ist es natürlich auch bei den Behördenleitern in den Außenstellen. Herr Abgeordneter Dr. Meyer hat den Vorschlag gemacht, daß unsere Attachés eine längere Ausbildung in Berlin erhalten sollten. Ich gebe völlig zu, daß eine Ausbildungszeit von einer Woche nicht ausreicht. Wir werden diese Anregung selbstverständlich nicht nur zur Kenntnis nehmen, sondern werden auch alles tun, um sie zu verwirklichen. Ob man allerdings eine drei- bis viermonatige Ausbildung in Berlin vorsehen kann, wie der Herr Abgeordnete vorgeschlagen hat, wage ich etwas zu bezweifeln, und ich wage auch zu bezweifeln, ob das unbedingt nötig ist. Denn es ist ja nicht so, daß unsere Attachés in ihrer Ausbildung hier nie etwas über Berlin hören. Gerade dieses Problem, gerade das Problem der Zone, das Problem der besonderen Stellung von Berlin, bildet einen Grundstein der Ausbildung hier. Insofern glaube ich, daß wir uns sicher auf einem guten Mittelwege treffen können, indem wir dafür sorgen, daß die Attachés länger als bisher in Berlin ausgebildet werden und daß im übrigen gerade auch ihre Beschäftigung mit den Problemen Gesamtdeutschlands und Berlins im Rahmen ihrer Ausbildung mit ganz besonderer Sorgfalt verfolgt wird. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Abgeordneter Kalbitzer!

Hellmut Kalbitzer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001057, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Meine Damen und Herren! Ich möchte mir bezüglich der notwendigen Konzentration der Politik für Entwicklungsländer eine Frage an den Herrn Staatssekretär erlauben. Die Politik für die Entwicklungsländer ist heute in allen möglichen Ministerien verstreut. Ist Ihnen z. B. bekannt, daß sich inzwischen auch das Familienministerium mit dem Problem der Entwicklungsländer befaßt, und zeigt Ihnen das nicht die Notwendigkeit einer Umorganisation? ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Herr Staatssekretär des Auswärtigen Amtes.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann dazu nur sagen, daß die Eröffnung, das Familienministerium befasse sich mit Entwicklungs ländern, mir neu ist. Mit Entwicklungsfragen befaßt es sich ja. ({0}) Ich glaube aber nicht, daß sich daraus größere Ressortstreitigkeiten ergeben könnten. Wir werden da wohl eine einheitliche Linie finden können.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kreitmeyer.

Reinhold Kreitmeyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001210, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte die sehr verehrten Mitglieder des Hohen Hauses bitten, den Antrag Umdruck 529 betreffend Soltau-Lüneburg-Abkommen auch dem Außenpolitischen Ausschuß zu überweisen, weil er ja nachher die Verhandlungen führen muß. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Hier ist also der Antrag auf Überweisung an den Auswärtigen Ausschuß gestellt. ({0}) - Auswärtiger Ausschuß ist ja beantragt. ({1}) - Und Haushaltsausschuß? Der Antrag geht aber doch nicht auf Mehrausgaben; warum soll er dann an den Haushaltsausschuß? ({2}) - Nein, das glaube ich nicht; der Antrag geht einfach auf Koordination. Das Haus ist frei, darüber zu entscheiden. Es ist der Antrag auf Überweisung an den Auswärtigen Ausschuß gestellt. Sie stellen den Antrag auf Überweisung auch an den Haushaltsausschuß? ({3}) Ist das Haus damit einverstanden, daß erstens an den Auswärtigen Ausschuß - federführend - überwiesen wird und an den Haushaltsausschuß - mitberatend -? Sind die Antragsteller einverstanden? - Das Haus ist damit einverstanden; es ist so beschlossen. Ich rufe auf: Einzelplan 06 Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern. Hier liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD - Umdruck 580 - vor. Das Wort zur Begründung des Antrags Umdruck 580 hat der Abgeordnete Dr. Schäfer.

Dr. Friedrich Schäfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001930, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir wiederholen den Antrag, den wir in der zweiten Lesung gestellt haben. Unser Kollege Schoettle hat in seiner Haushaltsrede die BegrünDr. Schäfer dung dafür schon im einzelnen gegeben. Ich darf mich insbesondere auf die Begründung berufen, die Herr Vogel dafür gegeben hat. Herr Vogel sagte mil beschwörender Stimme am Schlusse seiner Ausführungen: Wenn es uns nicht gelingt, die Konkurrenzfähigkeit des deutschen Volkes im Auslande zu erhalten, dann werden wir alle eines Tages den Riemen enger schnallen müssen. ({0}) - Herr Dr. Conring, ich sage es Ihnen gleich: genau in dem Zusammenhang, in dem ich es sage, hat ei es ausgeführt. Nun, Herr Dr. Conring, kommt es darauf an, daß die CDU/CSU auch den Mut hat, die Konsequenzen aus dieser Erkenntnis zu ziehen. ({1}) Wir haben seit langem immer darauf hingewiesen, daß die wissenschaftliche Forschung so wichtig ist, daß sie wahrscheinlich in Zukunft eine Entscheidung in der weltpolitischen Auseinandersetzung herbeiführen wird. ({2}) Ich darr noch darauf hinweisen, daß sich andere Länder genauso mit dem Problem beschäftigen. Ich darf auf den Bericht der OEEC, den sogenannten Goldschmidt-Bericht hinweisen. Ich halte es doch für notwendig, den Herrn Bundesinnenminister - Herr Bundesinnenminister, können Sie mir einen Augenblick Gehör schenken ({3}) auf einen Artikel in der „Stuttgarter Zeitung" vom 22. April hinzuweisen. Er ist so interessant, daß er eigentlich im Ausschuß besprochen werden müßte. Unter der Überschrift „Eindringen Unerwünscht" ist dort dargestellt, daß Sie eine sehr sonderbare Haltung in Sachen der Kulturpolitik einnehmen. Zuständig sind Sie nach der Verfassung zweifellos auf dem Gebiete der Wissenschaftsförderung. Aber Sie haben bekanntlich entgegen dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes auch den Standpunkt vertreten, die „Kulturhoheit der Länder" sei nicht festgelegt. ({4}) Nun darf ich mit freundlicher Genehmigung des Herrn Präsidenten die „Stuttgarter Zeitung" zitieren. Sie sagt dann weiter: Ein Bundesinnenminister, der verfassungswidrige Auffassungen vertritt, ist ein einmaliger Fall, der außerhalb der Bundesrepublik kaum denkbar sein dürfte. ({5}) Von seiner Auffassung ist jedoch die Einstellung der Bundesregierung getragen. Infolgedessen fehlt der Kulturpolitik des Bundes die richtige Einstellung und die notwendige Großzügigkeit. Meine Damen und Herren, es ist Aufgabe dieses Hauses, aus solchen Feststellungen, die ich mir zu eigen mache und auf die wir schon früher hingewiesen hatten, die notwendigen Konsequenzen zu ziehen. Es ist auch gerade Ihre Aufgabe als CDU/ CSU-Fraktion, dem Bundesinnenminister die notwendigen Richtlinien mitzugeben. Sie bestehen darin, daß er alle erdenklichen Anstrengungen zu machen hat und daß wir ihm die notwendigen Mittel zur Verfügung zu stellen haben, damit wir das, was in den letzten 20 Jahren versäumt wurde, wieder aufholen und nachholen können, ({6}) damit - Herr Dr. Vogel ist jetzt da - wir die Konkurrenzfähigkeit auch im Ausland erhalten, auf die Sie heute ganz besonders hingewiesen haben. ({7}) - Herr Dr. Vogel, dann muß ich mich auf das Grundgesetz berufen; hier handelt es sich um die Wissenschaftsförderung, davon spreche ich. ({8}) - Im Augenblick doch! ({9}) Ich will weitere Ausführungen zu Titel 614 nicht machen. Wir wiederholen unseren nächsten Antrag, bei Titel 300 die Mittel, die für Zwecke des Verfassungsschutzes zur Verfügung gestellt werden, einer parlamentarischen Kontrolle zu unterwerfen. Ich brauche mich auch hier nicht zu wiederholen; unsere Argumente sind bekannt. Wir wiederholen unseren dritten Antrag, die Mittel für das vorgesehene Ost-West-Institut zu streichen. Ich darf noch einmal auf das verweisen, was mein Kollege Schütz schon vorgetragen hatte. Wir sind durchaus mit Ihnen der Auffassung und waren schon vor Ihnen praktisch darin tätig, die Auseinandersetzung mit dem Osten wissenschaftlich zu suchen und zu betreiben. ({10}) Wir meinen aber, daß der gewählte oder der vorgesehene Weg nicht der richtige ist. Wir wiederholen unseren nächsten Antrag - es steht Ihnen ja frei, sich dazu zu entscheiden -, die Mittel für die Krankenanstalten von 25 Millionen DM auf 50 Millionen DM zu erhöhen und die Bindung, die Sie nur für die gemeinnützigen Anstalten vorsehen, fallenzulassen. Ich darf Sie bitten, diesen Anträgen zuzustimmen. ({11}) - Nein, Herr Kollege Dr. Aigner; das haben Sie von mir noch nie gehört: „Deckung aus dem Verteidigungshaushalt." ({12}) - Ich sage Ihnen, das haben Sie von mir hier noch nie gehört. ({13}) Wenn Sie das hier schon einwerfen, muß ich Ihnen sagen, daß wir dazu noch bei jedem Antrag konkrete Vorstellungen entwickelt haben. Wenn Sie die Freundlichkeit hatten, den Ausführungen meines Kollegen Schoettle zu folgen, wissen Sie, daß wir andere Wertigkeiten setzen. So wie Sie Ihre Wertigkeiten setzen, setzen wir die unseren. ({14})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.

Dr. Gerhard Schröder (Minister:in)

Politiker ID: 11002077

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, ich kann noch etwas kürzer sein als Herr Kollege Dr. Schäfer, der den Antrag begründet hat. Ich sage nichts zu den Ziffern 2, 3 und 4, sondern nur etwas zu Ziffer 1, weil ich diese Ausführungen tatsächlich schwer verstehe. 1) Zu meinem täglichen Brot - aber nicht im Sinne des unentbehrlichen - gehört auch die „Stuttgarter Zeitung". Den Aufsatz, den der Herr Kollege Dr. Schäfer zitiert hat, finde ich so widersprüchlich wie seine eigenen Auslassungen. Will er mich hier gegen die „Stuttgarter Zeitung" in Schutz nehmen, ist er herzlich willkommen. Will er den Gedankengängen der „Stuttgarter Zeitung" folgen, muß ich ihm widersprechen. Man kann nicht gleichzeitig die kulturpolitische Aktivität des Bundes tadeln und ihm mehr Geld für kulturpolitische Aktivität zur Verfügung stellen wollen, und darauf läuft der Antrag des Kollegen Schäfer ja wohl hinaus.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Schäfer? - Bitte, Herr Abgeordneter.

Dr. Friedrich Schäfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001930, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Bundesminister, ist Ihnen entgangen, daß wir Mittel auf 'dem Gebiet beantragen, auf dem Sie zuständig sind, nämlich zur Förderung der Wissenschaft?

Dr. Gerhard Schröder (Minister:in)

Politiker ID: 11002077

Nein, das ist mir nicht entgangen; aber der Aufsatz liest sich ein bißchen anders, als sich das anhört, was Sie vorgetragen haben. Trotzdem bleibe ich dabei, daß hier eine sehr widersprüchliche Haltung eingenommen wird. Vielleicht kann ich das besser auseinandersetzen, Herr Kollege Dr. Schäfer, wenn Sie Ihren alten Antrag hinsichtlich der Bereitschaftspolizei begründet haben. Was ich sagen möchte, ist dies. Man liest häufig - und ich kann nicht sagen mit zunehmendem Mißvergnügen; man härtet sich ja im Laufe der Zeit ab oder muß es mindestens versuchen - ({0}) - Herr Kollege, in dieser Beziehung sind Sie zu optimistisch; aber ich nehme das gern an. Ich möchte feststellen - und ich sage das eigentlich auch ein bißchen über Ihre Reihen hinaus -: Man liest nicht sehr gerne, daß sich der Bund nicht innerhalb seiner verfassungsmäßigen Zuständigkeiten halte. Das wird uns leider sehr oft ganz ohne Grund vorgeworfen. Das Bundesverfassungsgericht kann das, was Sie als eine Feststellung des Bundesverfassungsgerichts bezeichnet haben, gar nicht festgestellt haben. Es gibt überhaupt nicht eine Kulturhoheit in Deutschland. Ich möchte hier etwas wiederholen, was ich gelegentlich habe sagen können: In einem Land wie dem unseren und bei einer Verfassung wie der unseren gibt es wirklich eine sehr, sehr weitgehende Freiheit der kulturellen Betätigung, und wenn das Wort Hoheit in einem freien Staat an einer Stelle nicht paßt, dann bei Kultur. ({1}) Aber Herr Kollege, das möchte ich Ihnen sagen und das sage ich auch anderen, die etwas ähnliches denken oder geschrieben haben: Der Bund hält sich peinlich genau an seine Zuständigkeiten. Hielten wir uns nicht daran, seien Sie ganz sicher, daß wir durch Karlsruhe, das Sie ja ziemlich frequentieren - ich meine das Bundesverfassungsgericht -, sehr schnell in unsere grundgesetzlichen Grenzen zurückgebracht würden. Bisher ist der Ausgang der Karlsruher Prozesse absolut zu unseren Gunsten gewesen. Der Himmel möge uns diese Gunst erhalten!

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort zur Begründung des Antrags Umdruck 542 hat der Abgeordnete Felder.

Josef Felder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000528, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei dem Entschließungsantrag 542, den für meine Partei zu begründen ich die Ehre habe, bin ich bezüglich der Ziffer 1 in der glücklichen Lage, auf die Große Anfrage hinweisen zu können, die die CDU/CSU-Fraktion eingebracht hat und die von der Frau Kollegin Dr. Maxsein am 12. Februar in diesem Hause begründet worden ist. Die Anfrage lautete: Wie weit sind die Verhandlungen zwischen Bund und Ländern gediehen, damit die Stiftung „Preußischer Kulturbesitz" ins Leben treten kann? Der Bundesinnenminister hat der bewegten Klage der Frau Kollegin Dr. Maxsein geantwortet. Er hat darauf hingewiesen, wie schwierig in dieser Frage die Verhandlungen zwischen dem Bund und den Ländern seien, und dann mit den Worten geschlossen: Wir werden, Frau Kollegin Maxsein, nicht müde werden, weiter in der richtigen Richtung zu kämpfen, und wir hoffen, daß sich schließlich ,die Einsicht, wenn auch nicht gerade stürmisch, so doch wenigstens zentimeterweise ,durchsetzen wird. Wir wissen nicht, Herr Minister, wie viele Zentimeter ,Sie in der Zwischenzeit vorwärtsgekommen sind. Ich glaube, daß wir Ihnen durch diesen Entschließungsantrag helfen können, indem wir das Hohe Haus ersuchen, die Bundesregierung nachdrücklichst darauf hinzuweisen, daß nunmehr die Satzung für die Stiftung erlassen werden sollte. Der Kulturpolitische Ausschuß des Bundestages hat im Februar dieses Jahres anläßlich seiner Sitzung in Berlin die Möglichkeit gehabt, ,die Sammlungen zu besichtigen und ihre Unterbringung zu sehen. So außerordentlich befriedigt und erfreut wir über das Ausmaß der geretteten Sammlungen gewesen sind, Sammlungen von ungeheurer Bedeutung, so enttäuscht, ja entsetzt waren alle Mitglieder des Ausschusses über die mehr als kümmerliche, ihre sachliche Gliederung und konservatorische Pflege betreffende Unterbringung. Was die Sicherung dieser bedeutsamen Sammlungen gegen fremden Zugriff anbelangt, so besteht bei der zur Zeit gegebenen Situation .ein permanenter Anreiz auch für technisch unbegabte Kriminelle. Wir glauben, daß das Hohe Haus durch Zustimmung zu unserem Antrag hier jetzt endlich Wandel schaffen könnte. Sie wissen, daß das Gesetz über die Stiftung „Preußischer Kulturbesitz" vor drei Jahren beschlossen ist, daß das Bundesverfassungsgericht gegen die Klage dreier Länder entschieden hat und ,daß die Länder bezüglich .der Vermögenswerte, die regionale Bedeutung haben, praktisch zufriedengestellt sind. Ich verweise das Hohe Haus ferner auf den Mündlichen Bericht des Haushaltsausschusses, Drucksache 1705, in dem der Herr Abgeordnete Kollege Stoltenberg zu Titel 311 b 'darauf hinwies, daß der Haushaltsausschuß zu den Kosten der Bauten der Stiftung „Preußischer Kulturbesitz" einen qualifizierten Sperrvermerk in Höhe von 500 000 DM festgelegt hat, der dufgehoben werden soll, wenn über die endgültige Gestaltung der Stiftung Klarheit besteht. Meine Damen und Herren, helfen Sie uns durch einen gemeinsamen Beschluß 'des Hauses, daß nunmehr in dieser leidigen Sache Klarheit geschaffen wird. Es handelt sich um die Wahrung ,der kulturellen Güter ganz Deutschlands. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Zur Begründung eines Antrages auf demselben Umdruck hat der Abgeordnete Dr. Schäfer das Wort.

Dr. Friedrich Schäfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001930, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf den Antrag Umdruck 542 Ziffer 2 ganz kurz begründen. Der Sachverhalt ist bekannt. Es handelt sich um die Verfolgung politischer Delikte. Dieser Tatbestand ist mit dem Dritten Strafrechtsänderungsgesetz 1950 entstanden. Es handelt sich um die Stellung der Sicherungsgruppe, um die Stellung des Bundeskriminalamtes und um die der Länderpolizeien. Das Problem ist dadurch entstanden, daß die erstinstanzliche Zuständigkeit des Bundes in der Abrügung der politischen Delikte erst nach dem Bundeskriminalamtsgesetz geschaffen wurde. § 4, der dem Bundesinnenminister die Möglichkeit gibt, eine einheitliche Verfolgung anzuordnen, ist unseres Erachtens verfassungsrechtlich bedenklich. Man ist sich einig, daß auf diesem Gebiet eine Regelung erfolgen muß. Wir wollen mit diesem Antrag der Regierung helfen, daß sie auf diesem empfindlichen Gebiet -empfindlich zwischen Justiz und Verwaltung, denn hier handelt es sich um justitielle Zuständigkeiten, nicht um Verwaltungszuständigkeiten - eine klare, saubere Rechtsgrundlage schafft, die die Möglichkeit gibt, in diesem sehr wichtigen Bereich schnell und zuverlässig zu arbeiten. Wir bitten Sie, dem Antrag zuzustimmen. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort zu einem weiteren Antrag auf demselben Umdruck hat der Abgeordnete Pusch.

Werner Pusch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001761, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In unserem Entschließungsantrag ersuchen wir die Bundesregierung, bis zur Vorlage des Entwurfs des Bundeshaushaltsplans 1961 die Zahl der aus den Mitteln des Bundes geförderten Studenten zu vergrößern und zugleich die Höhe der einzelnen Stipendien den gestiegenen Lebenshaltungskosten anzupassen. Zu dem zweiten Punkt, der Höhe der Stipendien, brauche ich nur wenige Worte zu sagen. Die Richtlinien, die 1957 geschaffen wurden, gingen davon aus, daß der Student im Monat 200 DM zur Verfügung haben sollte. Nach den Untersuchungen des Sozialamtes des Bundesstudentenringes, des Stifterverbandes und des Sozialausschusses des Verbandes deutscher Studentenschaften muß diese Summe erhöht werden, und zwar auf etwa 250 DM, im Monat. Der Grund dafür ist die Steigerung der Lebenshaltungskosten. Nun zur Zahl der geförderten Studenten! Nach einer Erhebung des Deutschen Studentenwerks wurden im Sommersemester 1959 von 180 000 Studenten etwa 30 % gefördert. Die Förderung wird gewährt für Geeignete und Bedürftige. Wer geeignet ist, das sagt zunächst das Schulabgangszeugnis, später die Prüfung durch Hochschullehrer. ({0}) - So geschieht es aber nach den Richtlinien. ({1}) Wer bedürftig ist, das sagen die Richtlinien des Bundesministeriums des Innern. Sie sind sehr eng gehalten. Die den Eltern zugemessenen Freibeträge vom Nettoeinkommen sind ziemlich niedrig. Auch hier müssen die gestiegenen Lebenshaltungskosten berücksichtigt werden. Die Summe, die dort eingesetzt war, richtete sich zunächst nach einer Bindung an den dreifachen Wirsorgerichtsatz. Der Fürsorgerichtsatz ist inzwischen erhöht worden. Man müßte also, schon um auch hier gleichzuziehen, die Freibeträge erhöhen. Zweifellos sind seit Einführung der Förderung nach dem Honnefer Modell viele Verbesserungen gekommen. Aber noch nicht alle Fragen sind gelöst. Laut .dem Bericht des Deutschen Studentenwerks kann man höchstens bei der Hälfte aller Studierenden von normalen wirtschaftlichen Verhältnissen sprechen. Noch immer sind 30 % aller Studierenden auf Werkarbeit angewiesen. 24 % sind Halbwaisen, 13 % der Studienanfänger sind Kriegswaisen. Gerade in den letzten Jahren steigt die Zahl dieser Studenten. ({2}) Nur 5 % der Studenten sind Arbeiterkinder. Um die vorhandenen Begabungen auszunutzen, muß also die Zahl der geförderten Studenten vergrößert werden. Auch das Anwachsen der Studentenzahl allgemein, das Steigen der Lebenshaltungskosten sowie das Auslaufen. der Hilfsmaßnahmen nach dem Lastenausgleichsgesetz und dem Bundesversorgungsgesetz stellen uns neue Aufgaben. In England werden von 90 000 Studenten zirka 90 % durch Stipendien gefördert. Dafür werden - umgerechnet - jährlich etwa 150 Millionen DM ausgegeben. Bei uns werden von 180 000 Studenten etwa 30 % gefördert, und dafür werden etwa 60 Millionen DM ausgegeben. Bei einer Gruppe von Hochschulen, nämlich bei den kirchlichen Hochschulen, werden zirka 35 % aller Studenten nach dem Honnefer Modellgefördert, sonst nur knapp 20 %. Wir sollten den erfreulichen Stand der kirchlichen Hochschulen überall erreichen. Es ist Zeit, daß wir mehr investieren, um unseren größten Reichtum, nämlich die Begabung lernwilliger junger Menschen, voll zu nutzen. Wir bitten um Annahme ides Entschließungsantrages. ({3})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Zur Begründung des letzten Antrags des Umdrucks 542 der Herr Abgeordnete Dr. Menzel!

Dr. Walter Menzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001476, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem Entschließungsantrag der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion auf Umdruck 542 Ziffer 4 wird - über reine Haushaltsfragen hinausgehend - bereits jetzt ein Teilproblem der von der Bundesregierung geforderten Notstandsgesetzgebung angeschnitten. Das ist auch der Grund, warum wir einen Antrag in der Form eines Entschließungsentwurfs zu einer Frage wiederholen, die wir bereits in der zweiten Lesung angeschnitten haben: Die Frage, ob bei der innerdeutschen Situation eine Vermehrung der Bereitschaftspolizeien der Länder erforderlich ist. Mit der Entschließung soll die Bundesregierung aufgefordert werden, durch Vereinbarung mit den Ländern das Verwaltungsabkommen vom Jahre 1950 dahin zu ändern, daß der Bund nicht - wie zur Zeit - die finanzielle Hilfe nur teilweise, nämlich für 12 500 Beamte der Bereitschaftspolizeien der Länder, zur Verfügung stellt, sondern künftig für 7500 Beamte mehr - insofern wird die Entschließung geändert -, damit die Bereitschaftspolizeien der Länder auf 20 000 Mann verstärkt werden können. Für diesen Antrag sprechen im wesentlichen zwei Gründe. Sie wissen, daß die Länder sich seit langem über die geringe Zahl der Polizeikräfte beklagen. Die Inanspruchnahme geschlossener Polizeieinheiten für Kundgebungen, vor allem Großkundgebungen, sei es politischer, sei es sportlicher Art, hat in den letzten Jahren erheblich zugenommen. Auch der Nachwuchsbedarf des nicht weniger als 110 000 Einzeldienstbeamte umfassenden Polizeidienstes ist immer größer geworden. Die derzeitig schlechte Alters- und Beförderungspyramide bedarf eines solideren Sockels, um - darauf aufbauend auch dem Einzeldienst die erforderlichen Rechte zukommen zu lassen. ({0}) Die Berechnungen haben ergeben, daß hierzu die Aufstockung der Bereitschaftspolizei von 12 500 Mann auf rund 20 000 Mann ausreichend, aber auch notwendig ist. Aber nicht nur der Bereitschaftsdienst ist überlastet, sondern auch der Einzeldienst. Ich brauche in diesem Zusammenhang nur an die außerordentlich gestiegenen Anforderungen auf dem Gebiet der Verkehrspolizei zu erinnern, um Ihnen die Bedeutung dieser Frage klarzumachen. Mancher schwere Verkehrsunfall hätte vermieden, manches Leben hätte gerettet werden können, wenn wir in der Lage gewesen wären, mehr Verkehrspolizei zur Verfügung zu stellen. Aber der eigentliche und politische Grund dieses Antrags liegt auf einem anderen Gebiet. Die Bundesregierung hat unter dem 20. April dem Hohen Hause den Gesetzentwurf über die Regelung von Ausnahmezuständen vorgelegt. Das Parlament wird sich wahrscheinlich noch vor den Sommerferien mit diesem für unsere künftige Innenpolitik so entscheidenden Gesetzenwurf befassen. Der Gesetzentwurf hat einen schlechten Start gehabt. Ein Grund hierfür ist sicherlich darin zu sehen, daß der Entwurf nicht sorgfältig genug durchdacht ist, wie es seiner Bedeutung entsprochen haben würde. Die Gründe liegen aber vor allem auch darin, daß er nicht mit allen jenen politischen Faktoren besprochen worden ist, auf denen im Ernstfall die eigentliche Verantwortung für die Durchführung etwa notwendiger Notstandsmaßnahmen liegen würde. Das hat sich - darum schneide ich diese Frage der Vorgeschichte heute und hier schon an - auch auf die zur Debatte stehende Frage der Verstärkung der Polizei in den Ländern nachteilig ausgewirkt. Ich sage „nachteilig", weil, wenn die Kontakte mit den Ländern eher und intensiver gepflogen worden wären, dieses Teilproblem bereits weitgehend hätte geklärt werden können. Der Herr Bundesinnenminister hat sich Imme wieder - soweit ich zu übersehen vermag, erst au dem Kongreß der Gewerkschaft der Polizei im Ok tober 1958 in Stuttgart und dann auch in späterer Verlautbarungen --- über die geringe Stärke de: Polizei beklagt. So hat er laut Bulletin vom 31. Ok tober 1958 erklärt, daß die derzeitigen Polizeikräfte zu gering seien, daß dies für den polizeilichen Einzeldienst wie für seine Reserven, aber auch für dir spärlichen Bestände der Bereitschaftspolizei in den Ländern gelte. Er hat diese Klage im Bulletin vom 5. Februar 1960 noch einmal wiederholt. Wenn aber diese Überlegungen des Herrn Bundesinnenministers richtig sind - und ich persönlich halte sie weitgehend für richtig , dann drängt sich doch geradezu die Notwendigkeit der Verstärkung der Bereitschaftspolizeien auf. ({1}) Deshalb ist uns die jetzige Haltung des Bundesinnenministers und seine Ablehnung in der zweiten Lesung des Haushalts unverständlich. Der Gesetzentwurf über Notstandszustände könnte, träte er so in Kraft, wie er jetzt aussieht, bei einem Mißbrauch - was im Leben der Völker nie ganz verhindert werden kann - oder einer nur falschen politischen Diagnose die Fundamente unseres Verfassungslebens gefährden. Ich will das heute nicht vertiefen, aber ich meine: ehe man zu den dort vorgeschlagenen äußersten Mitteln in Notzeiten, der Übertragung der Gesetzgebung auf die Bürokratie, der sehr weitgehenden Einengung der Meinungsund Pressefreiheit sowie der sonstigen staatsbürgerlichen Rechte oder der Entwicklung der Bundeswehr zu einem innenpolitischen Machtinstrument greift, sollte man zumindest versuchen, den Weg gelinderer, d. h. geringerer Mittel zu gehen; denn auch in der Politik gilt die Forderung der Verhältnismäßigkeit des Mittels zu dem erstrebten Erfolg. ({2}) Dieser Grundsatz gehört übrigens mit zu den klügsten Richtlinien einer Politik. ({3}) Man kann nicht verfassungsumstoßende Notstandsrechte u. a. mit der Begründung fordern, die Polizeikräfte der Länder reichten nicht aus, und sich dann, wenn versucht wird, hier Abhilfe zu schaffen, dagegen aussprechen und dagegen stimmen. Vielleicht gelänge es sogar - und das wäre ein politischer Erfolg für das ganze Parlament -, die Skepsis über unsere innenpolitische Zukunft weitgehend zu entdramatisieren, und vielleicht fielen eine Reihe der neuen Vorschläge in sich zusammen, würde man unserem Entschließungsantrag folgen und mit den Ländern entsprechend verhandeln. ({4}) Die Überlegungen für eine Verstärkung der Exekutive sind bei meinen politischen Freunden nicht neu. Wir haben bereits im Parlamentarischen Rat und dann nochmals 1950 entsprechende Anträge gestellt. Damals fiel dem Herrn Bundesinnenminister Dr. Lehr die ihm sichtlich schwierig erscheinende Aufgabe zu, den Antrag der sozialdemokratischen Fraktion und einen ähnlichen Antrag der Fraktion der Freien Demokratischen Partei abzulehnen. Bei diesen Ablehnungen ist es seit 1950 geblieben. Nun werden Sie wahrscheinlich fürchten, daß mit dem Antrage wesentliche Ausgaben verbunden seien. ({5}) Trotz aller Bemühungen ist es dem Bundesminister des Innern nicht gelungen, die seit der Gründung der Bundeswehr und dem Überwechseln so vieler Bundesgrenzschutzbeamten zur Bundeswehr entstandenen Lücken heim Bundesgrenzschutz aufzufüllen. Das ist kein Vorwurf gegen den Bundesinnenminister. Denn, Herr Dr. Schröder, wir haben keinen Zweifel, daß Sie alle Mittel angewandt und alles getan haben, um Ihre quasi militärische Hausmacht nicht eintrocknen zu lassen. ({6}) Wenn solche Versuche fehlgeschlagen sind, so liegt das einfach daran, daß diejenigen jungen Männer, die sich für einen Dienst in Uniform entscheiden, je nachdem, ob sie mehr zur militärischen Laufbahn oder mehr zu der polizeilich-zivilen neigen, entweder zur Bundeswehr oder zur alten blauen Polizei gehen, zumal beide Institutionen im Bewußtsein der Bevölkerung seit jeher verwurzelt sind, und daß aus einer alten Tradition heraus ihr Aufgabenbereich, die Karriere, die Versorgung und dergleichen klar vor aller Augen stehen, klarer zum mindesten als bei dem sehr jungen Bundesgrenzschutz. Finden wir uns aber notgedrungen mit der Feststellung ab, daß es nicht möglich sein wird, den Bundesgrenzschutz von - soviel ich weiß - zur Zeit 14 500 Beamten auf 20 000 aufzufüllen, so bedeutet das, daß jährlich rund 50 Millionen nicht verbraucht werden, d. h. der gleiche Betrag frei wird, der dazu verwandt werden kann, die Bereitschaftspolizeien der Länder zunächst um 5000 auf 17 500 aufzufüllen, ({7}) ohne daß hier ein Pfennig Mehrkosten für den Herrn Bundesfinanzminister entstehen würde. ({8}) Es wäre also nur der Mehrbetrag für 2500 weitere Beamte aufzuwenden. ({9}) Der Herr Bundesinnenminister hat in der zweiten Lesung gegen unsere Vorschläge zwei Einwendungen erhoben. Zunächst sagte er, es bestehe keine rechtliche Möglichkeit, mit den Ländern zu einer entsprechenden Vereinbarung zu kommen. Eine Begründung ist hierfür nicht gegeben worden, und ich glaube, es gibt sie auch nicht. Es mag durchaus sein, daß die jetzige Fassung des Vertrages aus dem Jahre 1950 nicht ausreicht, um alles das zu decken, was wir uns als neue Vereinbarung denken. Aber, meine Damen und Herren, wo steht denn geschrieben, daß man diesen Vertrag nicht so ausbauen und ändern kann, wie es eben für diese Zwecke notwendig wäre? ({10}) Beide, Bund und Länder, sind doch nicht Waisenknaben auf diesem Gebiet; beide haben doch Erfahrungen. Wir haben eine ganze Reihe von Problemen, die nach dem Grundgesetz sowohl den Bund als auch die Länder zuständigkeitsmäßig angehen, über die Bund und Länder miteinander Abkommen abgeschlossen haben. Ich erinnere an entsprechende Vereinbarungen auf kulturpolitischem Gebiete, z. B. an den Wissenschaftsrat. Es ist schlechterdings nicht einzusehen, warum ein gleiches Vorgehen nicht auch hier möglich sein sollte. Und nun der zweite Einwand! Ich finde den zweiten Einwand des Herrn Bundesinnenministers noch irritierende, den Einwand nämlich, der Vorschlag der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion koste Geld, die Länder sollten die - auch vom Bunde zur Sicherheit der Bundesrepublik für erforderlich gehaltene - Verstärkung der Polizei selbst bezahlen. Nun, ich darf wiederholen: Setzen Sie die Einsparung beim Bundesgrenzschutz ab, wird die Summe völlig uninteressant. Aber plötzlich - und das ist der Grund, warum ich diese Frage hier noch einmal angeschnitten habe schrumpft die Sorge um die Bewahrung der Bundesrepublik vor etwaigen Notstandssituationen zu einer finanziellen Bagatellfrage zusammen! ({11}) Man kann doch die Öffentlichkeit nicht dauernd mit düsteren Andeutungen über mögliche Entwicklungen beunruhigen und den Teufel an die Wand malen, indem man schildert, was alles passieren könnte, um dann in dem Augenblick, in dem es einige Zechinen kostet, plötzlich zu sagen: Das war alles nicht so gemeint. Sind Sie wirklich in Sorge, daß das, was die Regierung nach dem Grundgesetz bereits jetzt an Machtmitteln, an Paragraphen, an Rechtsvorschriften und Exekutivkräften, zur Verfügung hat, für Notstandssituationen, wie Sie sie sich ausdenken, nicht ausreicht, ist es uns völlig unverständlich, daß Sie unserem Vorschlag, die Exekutivkräfte durch entsprechende Vereinbarungen mit den Ländern zu verstärken, nicht zustimmen. Sie setzen sich damit dem Verdacht aus, daß Ihre Sorgen um unsere Sicherheit in der Bundesrepublik gar nicht so ernst gemeint sind, wie Sie es die Öffentlichkeit glauben machen möchten. Aus allen diesen Gründen bitten wir die Bundesregierung, alsbald die entsprechenden Verhandlungen einzuleiten und sie so voranzubringen, daß die Aussprache über den Gesetzentwurf zur Regelung von Ausnahmerechten nicht isoliert von den realen Gegebenheiten in der Bundesrepublik geführt werden muß. ({12})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.

Dr. Gerhard Schröder (Minister:in)

Politiker ID: 11002077

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Sache ist sehr viel einfacher und weniger vom düsteren Hintergrund überschattet, als Herr Kollege Dr. Menzel das gerade anzunehmen schien. Ich will einmal versuchen, die Sache ganz klar zu machen. Wir stehen auf folgendem Standpunkt. Zunächst hat der Bundeshaushalt in seiner derzeitigen Gestaltung für diesen Zweck nicht, wie Herr Kollege Menzel annimmt, sozusagen freies Geld, sondern die Ansätze sind so geplant, daß das Geld für den Zweck des Bundesgrenzschutzes dringend benötigt wird. Wir können also nicht über freies Geld verfügen. Aber gut, das ist die Geldseite, die will ich gar nicht einmal am größten schreiben. Ich möchte aber folgendes zu bedenken geben. Es ist nicht so, daß wir nichts für die Bereitschaftspolizei der Länder tun und tun wollen. Wir haben uns aus sehr wohlerwogenen Gründen bereit erklärt, vom Bund aus die Kosten für die Erstausstattung und die späteren Ausstattungen der Bereitschaftspolizeien mit Bewaffnung und Gerät zu tra-gen. Ich habe hier bereits zwei- oder dreimal erklärt und wiederhole es: wir werden das auch für eine verstärkte Bereitschaftspolizei der Länder tun. Ich nehme an, meine Damen und Herren, daß Sie in diesen Tagen - ich glaube, es war gestern oder heute - gelesen haben, welche Mehreinnahmen z. B. Nordrhein-Westfalen im abgelaufenen Haushaltsjahr gehabt hat. Angesichts dieses Tatbestands werden wir doch nicht auf die Idee kommen, Nordrhein-Westfalen auch noch die persönlichen und sachlichen Kosten für die Bereitschaftspolizei abzunehmen. Das ist doch völlig undenkbar. ({0}) Die Länder sollten das Problem der Notwendigkeit einer Verstärkung der Bereitschaftspolizei genauso einschätzen wie wir. Ich bin in der Tat der erste gewesen, der intensiv auf die Notwendigkeit der Verstärkung der Bereitschaftspolizei hingewiesen hat. Wir halten es für eine Verpflichtung der Länder, das zu tun. Wir glauben auch, daß es im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten der Länder liegt. Es wird doch niemand bezweifeln, daß Nordrhein-Westfalen eine Erhöhung der Bereitschaftspolizei in dem vorgeschlagenen Umfange bezahlen kann. Es wäre völlig falsch, wollten wir uns hier auf irgend etwas anderes einlassen. Es handelt sich nicht darum, daß wir ein unwilliger Spender sind, an dessen Unwillen irgend etwas scheitert. Nun gibt es in der Tat, und das ist der nächste Gesichtspunkt - gegenüber Weimar ganz klare Veränderungen. Herr Kollege Dr. Schäfer, glaube ich, hat das letztemal auf die Polizeikostenzuschüsse des Reiches an die Länder hingewiesen. Der staatsrechtliche Aufbau der Weimarer Republik, die Kompetenzverteilung zwischen Reich und Ländern war grundsätzlich anders als die heutige. Das Reich hatte z. B. nach Art. 9 der Reichsverfassung die Bedarfskompetenz für die Gesetzgebung über den Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit usw. Jeder Kenner dieser Fragen weiß also, daß der staatsrechtliche Aufbau sehr verschieden ist. Daraus folgt: Hätten wir eine Zuständigkeit für die Bereitschaftspolizei der Länder, dann würde überhaupt kein Streit entstehen. In dem Umfange, in dem wir im Rahmen des Zusammenarbeitsabkommens helfen können, tun wir es. Ich erkläre noch einmal: wir sind bereit, auch einer verstärkten Bereitschaftspolizei in dem vorgesehenen Rahmen - nämlich mit Bewaffnung und Gerät - zu helfen. Deswegen hört es sich für mich sehr merkwürdig an, daß Sie nun dabei sind, folgende Feststellung zu konstruieren; ich muß wirklich sagen: zu konstruieren. Was hier gesagt wird, wird nämlich bei den kommenden Debatten über die Notstandsgesetzgebung der Prüfung der Tatsachen sicherlich nicht standhalten. Aber vielleicht ist es gut, das heute schon einmal auszuräumen. Sie sagen ungefähr folgendes; das sind nun nicht Ihre Worte, aber das ist die Darstellung des Problems, die Sie gegeben haben: Der Bund sagt, es kommt möglicherweise ein Notstand auf uns zu. Es muß etwas geschehen, damit einem Notstand rechtzeitig vorgebeugt und für den Fall des Notstands vorgesorgt wird. Nach Ihrer Darstellung sagt der Bund nun gleichzeitig, die Bereitschaftspolizeien der Länder seien zu schwach. Sie sagen weiter: Wenn der Bund aber nicht gleichzeitig bereit ist, von sich aus - wozu er nicht verpflichtet ist - etwas für die Bereitschaftspolizeien der Länder zu tun, dann wird das, was er über die Notwendigkeit der Notstandsgesetzgebung sagt, unglaubwürdig. Wenn Sie darin eine Logik sehen, dann kann ich Ihnen - es tut mir leid - nicht folgen. Die Erfüllung von Aufgaben - auch unter erschwerten Bedingungen, also unter Notstandsbedingungen - ändert sich ja nicht grundsätzlich. Es ist Sache der Länder - ebenso wie es Sache ,des Bundes auf der anderen Seite ist -, sehr genau zu überlegen, welches ihr Teil der Aufgaben in einer solchen Situation ist. Wenn man darin übereinstimmt, daß die Aufgaben der Länder ganz stark auf polizeilichem Gebiet liegen und daß die polizeiliche Ausstattung ,der Länder zu schwach ist, dann ist doch ganz klar, daß der notwendige Anteil der Länder an den Vorkehrungsmaßnahmen heute in einer Erhöhung ,der Polizei besteht. Die Länder können doch nicht diese eigene Aufgabe auf uns zurückwälzen. Nun darf ich aber gleichzeitig sagen, daß unsere Vorstellungen von der Bewältigung einer Notstandssituation nicht in der Polizeifrage gipfeln. Ein wesentliches Merkmal der Notstandssituation liegt - ganz abgesehen von der polizeilichen Situation - in ,der rechtlichen Lage und in der Meisterung der dann auftretenden Rechts- und Gesetzgebungsfragen. Deswegen geht unser Bestreben dahin, die Bundesrepublik für die Meisterung dieser Fragen in den besten Stand zu setzen. Nach unserer Zuständigkeitsverteilung ist es aber Sache der Länder, für die beste Meisterung der Polizeifragen zu sorgen. Wir sind bereit, ihnen dabei mit Waffen und Gerät zu helfen. ({1})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort zur Begründung des Änderungsantrages Umdruck 595 hat der Abgeordnete Berkhan.

Karl Wilhelm Berkhan (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000158, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und meine Herren! Ich darf Sie vorerst einmal bitten, auf dem Umdruck 595 eine Berichtigung vorzunehmen. Es muß heißen: „... in Kap. 06 25 - Bundesgrenzschutz - den Durchschnittssatz der aus Tit. 316 - Ausbildungswesen - gezahlten Honorare ...". Ich bitte also, die Zahl „307" durch die Zahl „316" zu ersetzen. Ich weiß nicht, ob sich dort ein Druckfehler eingeschlichen hat oder ob meine Fraktion etwas nicht völlig Richtiges beantragt hat. Die Begründung kann ich mir fast ersparen, da in diesem Zusammenhang auch der Änderungsantrag Umdruck 582 zum Einzelplan 14 und der Änderungsantrag 590 zum Einzelplan 08 von Bedeutung sind. Sie werden sich erinnern, daß wir Einmütigkeit über die Honorarsätze für nebenamtlichen Unterricht bei der Bundeswehr erzielt hatten. Dort wollten wir die Vergütung für den stündlichen Unterricht von 7 auf 10 DM je Stunde erhöhen. Wir kamen dabei in Bedrängnis, weil wir feststellen mußten, daß auch beim Bundesgrenzschutz nur 7 DM gezahlt werden und beim Zollgrenzschutz ähnliche Verhältnisse vorliegen. Heute scheint die Mehrheit dieses Hauses bereit zu sein, diese drei Änderungsanträge der SPD anzunehmen. So ist es mir jedenfalls zugesichert worden, und ich will deshalb keine weitere Begründung geben. Der Herr Präsident hat freundlicherweise gestattet, daß ich gleich auch ,den Umdruck 597 begründe, der in einem Zusammenhang mit dem Änderungsantrag 582 steht. Hier handelt es sich um ein anderes Problem. Wir sind nach wie vor der Auffassung, daß die Mittel für die Bundeszentrale für Heimatdienst um 845 000 DM verstärkt werden sollten. Diese 845 000 DM sollen in Einzelplan 14 bei Kap. 14 01, Tit. 306, also bei dem Titel „Psychologische Verteidigung", eingespart werden. Herr Minister Strauß hat damals zu unserem Änderungsantrag hier eine Rede gehalten und zur Begründung der Ablehnung des Antrages u. a. angeführt, der Bundeszentrale für Heimatdienst sei es z. B. nicht gelungen, einem Gewerkschaftsvorsitzenden klarzumachen, daß der Innensenator Lipschitz in West-Berlin sitze und daß er Mitglied der SPD sei. Nun, das war sicher keine ausreichende Begründung für die Ablehnung unseres Antrages. Ich habe mich in der letzten Woche der Mühe unterzogen, einem Unterricht der Bundeswehr beizuwohnen. Dort zitierte ein Stabsoffizier den „deutschen Dichter Schopenhauer". Was würde Herr Minister Strauß sagen, wenn ich jetzt argumentierte, er sei, weil es ihm nicht gelungen sei, seinen Stabsoffizieren beizubringen, daß Schopenhauer ein Philosoph und kein Dichter ist, nicht geeignet, derartige psychologische Verteidigungsmaßnahmen zu betreiben? ({0}) - Sicher! Aber Schopenhauer zählt ja nicht zu den Modernen. Bei den Dadaisten, darin würde ich Ihnen allerdings zustimmen, ist es sehr schwer, zu unterscheiden, ob es sich um Philosophie oder um Psychologie oder um Dichtung handelt. Ich meine, meine sehr verehrten Damen und Herren - ich darf wieder etwas ernster werden -, daß die Rede, die Herr Dr. Lehr 1952 bei der Begründung der Bundeszentrale für Heimatdienst gehalten hat, nach wie vor von entscheidender Wichtigkeit ist, und ich würde die Damen und Herren bitten, einmal das Bulletin vom 10. Mai 1952 nachzulesen. Ich will, mit Genehmigung des Herrn Präsidenten, nur einige Sätze daraus zitieren. Da sagt Herr Dr. Lehr, der damalige Innenminister: Ich bitte, in dieser Bundeszentrale für Heimatdienst bestimmt nicht eines zu sehen, nämlich ein Propagandainstrument der Bundesregierung. Genau das soll es nicht sein. So sagte Herr Dr. Lehr. Und wir meinen, alle Auseinandersetzungen mit der bolschewistischen Ideologie, alle Festigung des demokratischen Gedankens in unserem Volke ist eben nicht Angelegenheit der Bundesregierung allein, sondern ist Angelegenheit von Regierung und Opposition, ist Angelegenheit aller Parteien dieses Hauses. ({1}) - Ich hätte jetzt beinahe etwas gesagt, was mir einen Ordnungsruf des Präsidenten eingetragen hätte. Ich will darauf verzichten und werde es Ihnen nachher beim Bier sagen, Herr Dr. Aigner.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Ich danke Ihnen dafür, Herr Abgeordneter. ({0})

Karl Wilhelm Berkhan (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000158, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Es heißt einige Sätze weiter: Das bedeutet, daß wir hier ein Instrument schaffen wollen zur staatsbürgerlichen Vertiefung, zur Kenntnis des Wesens unseres jungen Staates, den wir nicht nur dem Verstande, sondern auch dem Herzen des deutschen Staatsbürgers näherbringen wollen. Sehen Sie, Herr Dr. Aigner: auch dem Herzen des deutschen Staatsbürgers, der eben zu einem Teil auch der Opposition angehört und zu einem Teil auch der Opposition die Stimme gibt. Dann heißt es weiter: Sie gehört zum Bundesministerium des Innern; aber dieser Rahmen ist sehr locker gespannt. Sie finden eine Vereinigung, die den Zweck hat, sich selbst zu ordnen, sich selbst ihre Aufgaben zu stellen und sich selbst in dem Ausmaß ihrer Tätigkeit Wege und Ziele zu setzen. Hier ist eindeutig durch den damaligen Innenminister festgelegt, daß wir die Möglichkeit haben, uns hier Wege und Ziele zu setzen und selbst zu ordnen, was wir in der Bundeszentrale tun wollen. Ich wäre also dankbar, wenn Sie Ihre ablehnende Haltung noch einmal überprüfen wollten. Es heißt hier nämlich weiter von der Bundeszentrale: Sie ist streng überparteilich, kein Organ des Ministeriums des Innern, und infolgedessen zusammengesetzt aus Vertretern aller fachlichen Richtungen. Insbesondere hat die Opposition ihren gemessenen Anteil genau wie die Koalitionsparteien in diesem Rahmen und ihre volle Bewegungsfreiheit. Darauf kommt es uns an. Würden Sie also bitte noch einmal überprüfen, ob es nicht besser ist, daß wir der Opposition nicht allein auf dieser Seite des Hauses, sondern auch auf jener Seite des Hauses ihren vollen Bewegungsanteil zusichern und ermöglichen. Im Rahmen dieser Auseinandersetzungen, Herr Dr. Aigner - ({0}) - Ich gebe mir auch Mühe, Herr Kollege. Aber es wäre erfreulich, wenn Sie sich auch Mühe geben wollten und wenn Sie mir die Rennbahn etwas frei machen wollten. Aber ich sehe, es ist vergebens. Man kann eben mit der Mehrheitspartei in diesem Hause über diese Frage nicht reden, weil sie von vornherein in der Meinung festgefahren ist, daß einzig und allein die Bundeswehr in der Lage ist, psychologische Rüstung und Verteidigung zu betreiben.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Abgeordneter Berkhan, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Aigner?

Karl Wilhelm Berkhan (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000158, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Bitte Herr Abgeordneter Dr. Aigner!

Dr. Heinrich Aigner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000018, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Berkhan, wollen Sie damit sagen, daß Sie für Kontaktmöglichkeiten zwischen den Gewerkschaften und der Bundeswehr eintreten?

Karl Wilhelm Berkhan (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000158, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Aigner, Sie schneiden damit ein sehr ernstes Thema an. Ich möchte in dieser Stunde nun nicht anfangen, etwas zu berichtigen, was in der damaligen Rede des Bundesverteidigungsministers sachlich nicht richtig dargestellt worden ist. Ich möchte Ihnen wirklich empfehlen, sich einmal mit dem Vorstand der IG Bergbau ins Benehmen zu setzen, um zu erfahren, was auf der Jugendkonferenz nun wirklich passiert ist. Denn das meinen Sie ja: Sie haben Ihre Frage ja nur so gestellt. Ich will Ihnen sagen: Die deutsche Sozialdemokratie hat hier nicht für die Gewerkschaften zu sprechen; aber die deutsche Sozialdemokratie ist durchaus der Auffassung, daß es zwischen Bundeswehr und Gewerkschaften und umgekehrt zwischen Gewerkschaften und Bundeswehr Kontakte geben kann. ({0}) Allerdings meinen wir nicht, Herr Dr. Aigner, daß die Gewerkschaften dazu da sind, ihre Mitglieder zu Werbungsvorträgen für die Bundeswehr zusammenzurufen. Das Thema „psychologische Verteidigung", das Thema „Festigung freiheitlicher Ideen" ist ein viel zu ernstes Thema, als daß wir es auf diese Ebene abschieben sollten. Lesen Sie bitte einmal das Protokoll dieser Jugendkonferenz nach, und Sie werden mir in weitem Maße zustimmen müssen. Ich wäre also dankbar, wenn Sie dies noch einmal überprüfen wollten und wenn Sie die Mittel hier erhöhen wollten, Herr Dr. Stoltenberg. ({1}) - Leider haben Sie die Mittel bei der Bundeszentrale nicht erhöht. ({2}) - Das ist eine ganz andere Sache; die sind bereits verplant. Ich habe ja den Haushaltsplan der Bundeszentrale hier, Herr Dr. Stoltenberg. Aber ich will das nicht alles vorlesen. Sie gehören selbst dem Kuratorium an; Sie wissen ja viel besser als ich, daß wir über das Geld für den Zweck, für den wir es einsetzen wollen, gar nicht mehr verfügen können. Ich meine also, wir sollten noch einmal überlegen, ob nicht wirklich eine überparteiliche Instanz geeigneter ist, unser Volk festzumachen gegen Einflüsse, die immer wieder von der andern Seite des Eisernen Vorhangs auf uns eindringen. ({3})

Dr. Rudolf Vogel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002380, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu dem Antrag Umdruck 542 - Herr Kollege Berkhan, damit Sie nicht etwa glauben, wir seien stur wie Panzer - möchten wir Ihnen folgendes sagen. Den Abs. 1 Ihres Antrages - wir bitten um getrennte Abstimmung, Herr Präsident - werden wir annehmen. Die Absätze 2 und 3 bitten wir den Ausschüssen zu überweisen. Ich möchte noch eine Bemerkung, Herr Kollege Pusch, ausdrücklich zu Punkt 3 machen. Wenn Sie heute morgen meinen Darlegungen gefolgt wären, hätten Sie feststellen können, daß wir wegen der Undurchführbarkeit des Honnefer Modells sehr ernste Bedenken haben. Das muß geprüft werden, eben weil wir wissen, daß die Professoren bei ihrer physischen Überlastung und bei ,der totalen Überfüllung der Hochschulen heute nicht in der Lage sind, dieser Verpflichtung des Honnefer Modells nachzukommen, auch die Begabung zu prüfen. Deswegen muß die Sache im Ausschuß überprüft werden. ({0}) - Aber bitte, mein Antrag war es, Herr Kollege Menzel, die zusätzlichen Dozentenstellen für die Ostflüchtlinge zu schaffen. Mein Antrag war es; Sie können mir diesen Vorwurf nicht machen. Aus den angeführten Gründen halten wir die Überweisung des Antrags unter Abs. 3 an den Ausschuß für unabwendbar. Wir werden uns allerdings gegen den Antrag unter Abs. 4 aus den vom Herrn Minister dargelegten Gründen mit aller Entschiedenheit wenden. Herr Kollege Dr. Menzel, ich habe viel Verständnis für die Finanzlage der Länder, aber wenn man hier bei der ersten Lesung trotz dieser erhöhten Einnahmen dem Hause vorschlägt, 360 Millionen einseitig zugunsten der Länder zu überweisen, geht mir ,das etwas über die Hutschnur. Dann trotzdem noch einen solchen Antrag zu stellen, der eine zusätzliche Belastung des Bundes bringt, Lasten, die die Länder durchaus allein tragen könnten, das halte ich einfach nicht für vertretbar. Was den Antrag Umdruck 597 anlangt, die Erhöhung der Mittel für die Bundeszentrale für Heimatdienst, so haben wir im Ausschuß die Gesamtsumme um 500 000 DM erhöht. Herr Kollege Berkhan, .das ist unbestreitbar. Wir halten nichts davon, daß hier in der zweiten und dritten Lesung die Erhöhungsanträge des Haushaltsausschusses immer wieder von neuem übersteigert werden. Den Antrag Umdruck 595 bitten wir dem Ausschuß zu überweisen, weil hier bestimmte Dinge im Verhältnis zwischen Bundesgrenzschutz und Bundeswehr noch zu klären sind. Wir möchten hier eine saubere, klare und einheitliche Regelung der Sätze.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Meine Damen und Herren, wird zu den Änderungs- und zu den Entschließungsanträgen noch das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann kann ich abstimmen lassen, zunächst über den Antrag Umdruck 580. Hierüber können wir wohl im ganzen abstimmen, Herr Kollege Dr. Schäfer? ({0}) - Sie sind der Antragsteller, deshalb kommt es auf Sie an. Es wird also im ganzen abgestimmt. Wer dem Änderungsantrag der Fraktion der SPD - Umdruck 580 - zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das zweite war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Ich komme zum Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 597. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das zweite war die Mehrheit; abgelehnt. Ich lasse nunmehr über Einzelplan 06 in der Fassung der zweiten Beratung abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; angenommen. Ich komme zu den Entschließungsanträgen. Wir stimmen ab über den Antrag Umdruck 542, Antrag der Fraktion der SPD. Hier soll getrennt abgestimmt werden, und zwar in der Sache über die Absätze 1 und 4, während bei den Absätzen 2 und 3 über die Ausschußüberweisung abgestimmt wird. Wer dem Antrag unter Abs. 1 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist die Mehrheit; angenommen. Vizepräsident Dr. Jaeger Für den Antrag unter Abs. 2 ist Ausschußüberweisung vorgeschlagen. An welchen Ausschuß, Herr Dr. Vogel? ({1}) Wer der Überweisung an den Ausschuß für Inneres zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Es ist so beschlossen. Der Antrag unter Abs. 3 auch an den Ausschuß für Inneres? ({2}) - Inneres, Kultur und Haushalt? ({3}) - Ausschuß für Kulturpolitik federführend und Haushaltsausschuß mitberatend? - Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Es ist so beschlossen. Für den Antrag unter Abs. 4 ist Ausschußüberweisung nicht beantragt. Ich lasse also in der Sache abstimmen. Wer dem Antrag unter Abs. 4 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das zweite ist die Mehrheit; abgelehnt. Ich komme zum Antrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 595. Hier ist Ausschußüberweisung beantragt, wahrscheinlich an den Ausschuß für Inneres, Herr Dr. Vogel? ({4}) Welcher federführend? ({5}) - Sie wollen den- Verteidigungsausschuß federführend und den Ausschuß für Inneres mitberatend? ({6}) - Also federführend der Ausschuß für Verteidigung, mitberatend der Ausschuß für Inneres und der Haushaltsausschuß. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Angenommen! Es bleibt noch der Entschließungsantrag auf Umdruck 577 offen. Wird dazu noch das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Tobaben!

Peter Tobaben (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002332, Fraktion: Deutsche Partei (DP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf den Entschließungsantrag auf Umdruck 577 kurz begründen. Ihm liegt folgender Tatbestand zugrunde. Wir haben Ende 1958 bei der Beratung des Lebensmittelgesetzes folgende Verbote zum Schutz der Verbraucher in das Gesetz aufgenommen: Die Anwendung von Antibiotika zur Haltbarmachung von Fleisch ist verboten. Die Verwendung von Hormonen beim lebenden Tier - ob eingepflanzt oder eingespritzt -, um die Schilddrüsen mit dem Ziel eines besseren Fleisch- oder Fettansatzes zu beeinflussen, ist verboten. Die Verwendung von Salpeter bei der Käseherstellung ist nach dem Gesetz verboten. Das Gesetz ist mit einer großen Mehrheit angenommen worden; auch ich habe ihm zugestimmt. Um nun aber den Verbraucher wirklich und lückenos zu schützen und auf der anderen Seite auch eine Wettbewerbsgleichheit zu erhalten, haben wir die Regierung in § 21 Abs. 2 ermächtigt, in einer Rechtsverordnung sicherzustellen, daß die auf eine nach dem Gesetz verbotene Weise behandelten Lebensmittel nicht auf dem Wege über die Einfuhr auf den deutschen Markt kommen. Es wäre ja auch absurd, wenn wir nach den angeführten Methoden behandelte Lebensmittel in Deutschland im Interesse der Verbraucher verbieten, sie aber ungehindert über die deutschen Grenzen ließen. Dann hätten wir den Verbraucher nicht geschützt, aber die Wettbewerbsgleichheit ganz erheblich gefährdet. Die vorgesehene Rechtsverordnung ist bis heute nicht erlassen. Auf den deutschen Markt kann durchaus im Ausland mit ,,Antibiotika behandeltes Fleisch über die Grenzen hereinkommen. Bei der Herstellung von Käse wird im Ausland auch Salpeter verwandt. So erzeugter Käse kommt ungehindert auf den deutschen Markt. Das Gesetz ist nun über anderthalb Jahre in Kraft. Wir möchten deswegen die Regierung - den Innenminister geht es ja wohl an - inständig bitten, diese Verordnung sobald wie möglich zu erlassen, um den deutschen Verbraucher wirklich zu schützen, aber auch um die Wettbewerbsgleichheit zu erhalten. Ich glaube, in diesem Antrage liegt eine so natürliche Logik, daß er sich von selbst begründet und ich mir weitere Ausführungen ersparen kann. Ich kann Sie nur bitten, der Überweisung an den Gesundheitsausschuß zuzustimmen, und den Antrag zur Mitberatung auch an den Ernährungsausschuß zu überweisen, weil es auch um die Wettbewerbsgleichheit geht.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Wird hierzu noch das Wort gewünscht? - Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.

Dr. Gerhard Schröder (Minister:in)

Politiker ID: 11002077

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte einen Vorschlag machen, der so ein bißchen die Arbeitsökonomie betrifft. Vielleicht braucht der Antrag nicht an den Ausschuß überwiesen zu werden, wenn ich Sie über den Stand der Sache unterrichte. Der Entwurf dieser Verordnung ist am 22. März mit den beteiligten Bundesressorts, d. h. also Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Wirtschaft und Finanzen, in einer Ressortbesprechung erörtert worden. Die Koordinierung mehrerer Änderungswünsche ist noch nicht abgeschlossen. Vor Zuleitung des Verordnungsentwurfes an den Bundesrat werden die zuständigen obersten Landesbehörden angehört werden müssen. Wir nehmen an, daß mit dem Erlaß der Verordnung in der zweiten Hälfte dieses .Jahres gerechnet werden kann. Wenn das so ist, meine Damen und Herren, wird durch eine weitere Ausschußberatung nichts gewonnen. Ich glaube vielmehr, man könnte die Sache mit dieser Auskunft wohl auf sich beruhen lassen. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das heißt also, Sie ziehen den Antrag zurück? ({0}) - Dann ist also der Antrag erledigt, und auch die Beratung dieses Einzelplans ist abgeschlossen. Ich rufe auf: Einzelplan 36 Zivile Notstandsplanung. Dazu liegen die Anträge auf den Umdrucken 583, 524 und 548 vor. Ich erteile das Wort zur Begründung der Anträge Umdruck 548 und 583 dem Abgeordneten Schmitt ({1}).

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002033, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben einen Teil unserer Anträge zum Einzelplan 36 erneuert, obwohl wir in der Aussprache zur zweiten Lesung bei der Mehrheit des Hauses auf sehr wenig Bereitschaft gestoßen sind, an Schutz und Hilfe für die Zivilbevölkerung mehr zu tun. Die Ablehnung unserer Anträge und vor allem die Begründung, daß die Mittel schon in den vergangenen Jahren nur zum geringen Teil verbraucht worden seien, sind eigentlich ein Bekenntnis zu der Devise: „Es ist in den vergangenen Jahren nichts oder nicht viel geschehen, und wir wollen auch in diesem Jahre nichts oder nicht viel tun, so daß sich die Anträge erübrigen." ({0}) - Herr Kollege Dr. Vogel, Sie wissen doch genau, wie hoch die Haushaltsreste sind und daß wir hier ganz konkret solche Punkte herausgegriffen haben, bei denen nichts oder zu wenig geschehen ist. Sie brauchen zu den einzelnen Fragen nur die Ausführungen des Kollegen Windelen in der zweiten Lesung nachzulesen. Meine Damen und Herren, wir haben außerdem einen Entschließungsantrag eingereicht, damit der Bundesregierung und natürlich auch dem Hohen Hause einwandfreie Grundlagen für die Notstandsplanung und für die Hilfsmaßnahmen für die Überlebenden eines modernen Krieges beschafft werden. Der Minister weiß, daß der Schwerpunkt des modernen Krieges - er hat es hier noch einmal ausgeführt - auf der Hilfe für die Überlebenden liegt. Der Verpflichtung, die darin liegt, können und dürfen wir uns nicht entziehen. Aber wir bedürfen zu einer Planung sorgfältiger Grundlagen, und die kann nur eine unabhängige Sachverständigenkommission beschaffen. Ich muß hier an das erinnern, was der Brigadegeneral Schnez, der Leiter der Abteilung Logistik im Führungsstab der Bundeswehr, vor der Deutschen Verkehrswissenschaftlichen Gesellschaft in Mannheim gesagt hat: Die Städte am Rhein und die Industriezentren sind in einem Atomkrieg in wenigen Tagen oder Stunden ein einziges Leichen- oder Trümmerfeld. Niemand von uns will, daß die erarbeiteten Grundlagen einseitig interpretiert oder herausgestellt werden. Niemand will die Menschen davon abhalten, das zu tun, was noch getan werden kann. Wir wollen aber auch nicht, wie sich das vielleicht manche Herren auf der Regierungsbank vorstellen, eine Verniedlichungspolitik betreiben, die durch die in der zweiten Lesung so stark erörterte Herausgabe des Merkblattes unterstützt werden könnte unter dem Motto: „Es wird ja nicht so schlimm". Besonders bestürzt war ich, daß sich der Herr Bundesinnenminister ein Vorbild für sein Merkblatt bei der sowjetischen Regierung suchen will. Ich habe immer gedacht, es sei gerade für totalitäre Staaten charakteristisch, daß die Regierung versuche, die Tatsachen durch Propaganda zu vernebeln. Vestigia terrent, Herr Minister! Und das ausgerechnet von Ihnen! ({1}) Noch einige Worte an die Adresse des Kollegen Stoltenberg. Sie haben nach dem Motto „Adenauer und seine Mannschaft" eine Aufwertung des strapazierten Kabinetts für Ihren Teil für den Herrn Bundesinnenminister vorgenommen. Ich finde, mit dieser laudatio haben Sie doch zu viel des Guten getan; sie wird durch die Vorgänge bei den Haushaltsberatungen der letzten Jahre nicht gerechtfertigt. Ich will Ihnen nur noch etwas zur Studentenförderung sagen. 1956 haben wir erstmalig 20 Millionen DM beantragt. Unser Antrag ist abgelehnt worden. Im Jahre darauf haben Sie zusammen mit uns im Haushaltsausschuß eine Erhöhung der Mittel für die Studentenförderung nach dem Honnefer Modell von 5 Millionen auf 33 Millionen DM beschlossen. ({2}) - Nein, ich wollte das nur noch der laudatio anhängen, die Sie auch auf diesem Gebiet gehalten haben. Beim Schulhausbau und auf anderen Gebieten war es ähnlich. Das nur zur sachlichen Information! Wenn Sie wieder einmal eine solche Lobrede auf den Minister halten, dürfen Sie vor allem auch ,die Opposition mit ihren Anträgen und Vorschlägen nicht vergessen. ({3})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Damit sind die Umdrucke 583 und 548 begründet. Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.

Dr. Gerhard Schröder (Minister:in)

Politiker ID: 11002077

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich finde es eigentlich nicht sehr nett von dem Herrn Kollegen Schmitt ({0}), daß er - wenn schon der Kollege Stoltenberg eine Lobrede, wie er sagt, auf mich gehalten hat, nun anfängt, daran zu kratzen. Lassen Sie das mal ein bißchen unverändert stehen! ({1}) Ich bin gekommen, um folgendes zu sagen. Sie haben mich nicht genau zitiert, Herr Kollege Schmitt. Ich habe die Sowjets erwähnt, jawohl, aber nicht der sowjetischen Propaganda, sondern des sowjetischen Realismus wegen. Ich habe damals gesagt: Wenn wir uns schon über die Gefahren des atomaren Krieges vernehmen lassen und das richtige Verhalten in einer solchen Situation sowohl für den Bürger wie für den Soldaten beschreiben wollen - das war doch der Punkt -, dann werden wir nicht weniger realistisch und auch nicht weniger praktisch sein als die Sowjets. Um es ganz klar zu machen: Nein zur sowjetischen Propaganda, Ja zum Realismus, wo wir ihn finden! ({2})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort zur Begründung des Antrags Umdruck 524 hat der Abgeordnete Kreitmeyer.

Reinhold Kreitmeyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001210, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zum dritten Mal bemühen sich die Freien Demokraten, dem zivilen Bevölkerungsschutz, der im Einzelplan 36 zusammengefaßt ist, eine Grundlage zu geben, auf der man arbeiten kann. Jedesmal haben wir unsere Begründung damit eingeleitet, daß wir gesagt haben: wer eine solche Grundlage schaffen will, muß den Empfehlungen der NATO entsprechend eine militärische Studie voransetzen. Diese militärische Studie zu erbitten, Herr Innenminister, so habe ich den Eindruck, weigern Sie sich nach wie vor. Im Einzelplan 36 spricht man von de m zivilen Notstandsprogramm und einem zivilen Notstandsplanungsprogramm. Zu dem einen zivilen Notstandsplanungsprogramm ist doch bisher unwidersprochen festgestellt worden, daß es nicht exestiert. Es gibt nur fallweise Entschlüsse, also Entschlüsse zum Einzelfall. Es gibt keine geschlossene zivile Notstandsplanung. Man kann die Gründe in verschiedenen Richtungen suchen. Wenn Sie mir erlauben, Herr Präsident, zitiere ich eine Stelle aus der 70. Sitzung des 2. Deutschen Bundestages vom Freitag, dem 25. Februar 1955, die uns vielleicht einen Hinweis geben kann. Es ging um die Frage, ob wir der NATO beitreten sollten oder nicht. Der Bundeskanzler führte damals aus: In diesem Zusammenhang möchte ich auf die Erklärung des Generals Gruenther zurückkommen, weil sie für jeden Deutschen, sowohl für die Deutschen in der Bundesrepublik wie für die Deutschen in der Sowjetzone, von der größten Bedeutung sind und weil darin allein schon die Rechtfertigung dafür liegt, daß auch wir unsere Truppen. der NATO zur Verfügung stellen. General Gruenther hat gesagt: Solange keine deutschen Truppen zur Verfügung stehen, ist die NATO-Strategie eingestellt auf Verteidigung am Rhein. Das bedeutet also, - fuhr der Kanzler fort daß ganz Deutschland - ich wiederhole: die Bundesrepublik und Deutschland jenseits des Eisernen Vorhangs - Schlachtfeld wird genau wie Korea. Das Protokoll verzeichnet: „Sehr gut! in der Mitte." Der Bundeskanzler fährt fort: General Gruenther hat aber dann hinzugefügt: Wenn wir diesen wesentlichen zusätzlichen deutschen Beitrag haben, werden wir mit dem Potential aller Waffen unseres NATO-Arsenals dann in der Lage sein, realistisch eine Strategie der vorderen Räume zur Verteidigung Westdeutschlands zu planen. Das Protokoll verzeichnet: „Zuruf von der SPD: Gegen die Atombombe?" Der Bundeskanzler antwortet: - Jawohl, mit den Atombomben! Man kann Dinge auch einfach sagen, ohne anderthalb Stunden lang alle möglichen Fragen anzuschneiden. Das Protokoll verzeichnet: „Beifall bei der CDU/ CSU und der DP. - Zurufe von der SPD." Er fährt fort: Deswegen will ich ganz einfach dem deutschen Volke folgendes sagen: ({0}) Solange wir nicht zur NATO gehören, - fuhr der Kanzler fort sind wir im Falle eines heißen Krieges zwischen Sowjetrußland und den Vereinigten Staaten das europäische Schlachtfeld, - das Protokoll verzeichnet: „Abg. Wehner: Und wenn Sie drin sind, auch! - weiterer Zuruf von der SPD: In jedem Fall sind wir das!" und wenn wir in der Atlantikpaktorganisation sind, dann sind wir dieses Schlachtfeld nicht mehr. Das Protokoll verzeichnet: „Lebhafter Widerspruch bei der SPD. - Abg. Hansen ({1}) : Das nimmt Ihnen doch keiner ab!" Wir Freien Demokraten halten es für erforderlich, daß man von dieser Lagedarstellung nun abrückt; denn die Voraussetzungen sind nicht mehr gegeben. Ich will dem Herrn Bundeskanzler zugeben, daß man vor fünf Jahren noch damit rechnen konnte, daß das Abschreckungspotential unserer mächtigen Freunde dazu ausreicht, zu verhindern, daß wir Schlachtfeld werden. Das ist nicht mehr der Fall. Nun zu unserem Anliegen! Ich möchte mit Freude darauf hinweisen, daß mein sehr verehrter KoBerichterstatter Windelen uns in Freimütigkeit drei wunderbare Richtlinien offenbart hat. Erstens hat er gesagt: Vollschutz ist utopisch. Zweitens: Die Grenzen des zivilen Bevölkerungsschutzes sind dort, wo wir durch überdimensionierte Forderungen unsere sozialen Grundlagen schon vorher ruinieren. Dann ist er sehr konkret dazu übergegangen, zu sagen: Wie wäre es, wenn wir uns auf den Trümmerschutz und die Radioaktivität beschränkten? Ich möchte nicht mit der Feststellung zurückhalten, daß das eine plausible Grundlage für eine zivile Bevölkerungsschutzplanung ist, die sich im Deutscher Bundestag -- 3. Wahlperiode Rahmen des Möglichen hält. Ich habe nur die Bedenken, wenn wir jetzt nicht endlich darauf drängen - unser Antrag sieht es ja vor -, daß wir bis zum nächsten Haushalt, der unter Umständen schon im Juni, spätestens im September eingebracht wird, diese gemeinsame Grundlage unter Verzicht auf alle utopischen Möglichkeiten erarbeiten, laufen wir Gefahr, mit weiterer Erhöhung dieses Haushaltsplans nicht mehr sinnvolle Investitionen vorzunehmen. Ich möchte für die Freien Demokraten hinzufügen: es wird in jedem Falle richtig sein, den Katastrophenschutz und den Brandschutz mit einzubeziehen; denn auf beiden Gebieten kann ohne jegliche Kriegshandlung jederzeit die Notwendigkeit an uns herantreten, der betroffenen Bevölkerung zu helfen. Auch hier erscheint uns eine sinnvolle Anwendung der Mittel gegeben. Wir möchten also bitten, auf Grund der militärischen Studie, die uns sicherlich nur helfen wird, die politischen Entscheidungen zu treffen, endlich der zivilen Notstandsplanung den Rahmen zu geben, der erforderlich ist, um eine sinnvolle und verantwortungsbewußte Planung durchzuführen. Ich bitte Sie deshalb um Annahme unseres Antrages. ({2})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.

Dr. Gerhard Schröder (Minister:in)

Politiker ID: 11002077

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir, in aller Offenheit zu sagen, daß ich etwas überrascht bin von der Gläubigkeit, die mein verehrter Vorredner im Hinblick auf die Kraft von Sachverständigenuntersuchungen und die Kraft von viel Papier hat. Ich setze darein nicht soviel Vertrauen und ich glaube, das Problem läßt sich behandeln, ohne daß es der Inanspruchnahme eines weiteren, großen theoretischen Apparats bedürfte. Vielleicht ist ein Blick in andere Länder einmal ganz gut. Das Weißbuch über die britische Verteidigung umfaßt sowohl militärische als auch zivile Verteidigung. Ich habe hier die drei Weißbücher für die Jahre 1958, 1959 und 1960. Sie haben durchschnittlich 60 Ziffern. Auf die zivile Verteidigung entfällt im Jahre 1958 eine der 60 Ziffern, im Jahre 1959 entfallen zwei und im Jahre 1960 drei Ziffern darauf von jeweils nicht mehr als einer halben Schreibmaschinenseite. Warum ist das so? Weil die Briten, glaube ich, ganz zu Recht auf dem Standpunkt stehen, daß zivile Notstandsplanung weitgehend von militärischen Grundlagen abhängig ist, diese aber in einem ständigen Fluß sind. Deswegen ist es eben nicht möglich, Umfang und Erfordernisse ziviler Notstandsplanung im allgemeinen, aber auch des zivilen Bevölkerungsschutzes im besonderen für eine längere Zeit verbindlich festzulegen. Ich glaube, daß die Grundlagen, die wir geschaffen haben und an denen wir weiterarbeiten, der Lage gerecht werden, in der wir uns befinden. Für mich gibt es dabei ein wirklich entscheidendes Problem. Das habe ich das letzte Mal hier vorgetragen, und darüber wird sich das Hohe Haus klarwerden müssen, bevor die Bundesregierung einen zweiten gesetzgeberischen Anlauf nimmt. Das ist das Problem von Schutzräumen und Schutzraumbauten. Darin liegt der, ich möchte sagen, noch unerledigte, noch offene Kern der Dinge. Wie Sie wissen, haben wir im 2. Bundestag einen Anlauf in der Richtung Bauten genommen. Wir haben das Kapitel dann hier wieder ausgeklammert. Wir sind auf diesem Gebiet noch nicht zu neuen Entscheidungen gekommen. Es ist klar, daß es sehr schwerwiegende Entscheidungen sind, Entscheidungen, die vor allen Dingen finanziell und damit auch gesamtwirtschaftlich ein großes Gewicht haben. Ich wäre Ihnen wirklich dankbar, meine Damen und Herren, wenn Sie davon absähen, uns sozusagen neue theoretische Aufgaben aufzugeben. Ich werde mich mit dem Hohen Hause in Verbindung setzen - das wird derzeit vorbereitet -, um vorher einmal wirklich festzustellen, ob es eine gesetzgeberische Basis für ein neues Gesetz über Schutzraumbauten dieser oder jener Art und dieses oder jenes Umfangs gibt. Wenn das der Fall ist, wird die Bundesregierung nicht zögern, ein solches Gesetz vorzulegen. Solange aber eine solche Grundsatzentscheidung nicht gefallen ist, wäre es eine unnütze Mühe, Ihrem Anliegen zu folgen. Das, Herr Kollege Kreitmeyer, was Sie und Ihre Freunde uns hier zumuten wollen, ist eine umfassende theoretische Untersuchung, mit der wieder sehr viele Leute beschäftigt werden, für die sehr viel Aufwand erforderlich ist, ohne daß wir auch nur einen Millimeter in den praktischen Dingen weiterkommen. Was wir bis jetzt auf diesem Gebiet getan haben, was jetzt in diesem Haushalt steht und schon bisher betrieben wird, ist realistisch und praktisch und bedeutet nicht etwa weggeworfenes Geld. Fahren wir so fort, werden wir ein Stück weiterkommen. Daß das nur in einem langsamen und allmählichen Aufbau geschehen kann - teils aus psychologischen Gründen, teils aus sachlichen Gründen -, wissen Sie ganz genau. Das eigentliche Problem steckt in der Schutzraumfrage. Darüber werden wir uns erneut unterhalten. Dann können Entscheidungen getroffen werden. Den allgemeinen Untersuchungen einer Art, wie wir schon zahlreiche haben, nur eine neue hinzuzufügen bedeutet, etwas für die Augen zu tun und nichts für die Sache. Deswegen wäre ich dankbar, wenn Sie diesen Entschließungsantrag ablehnten. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Windelen.

Heinrich Windelen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002525, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin ein wenig betroffen darüber, daß die SPD Ihren Änderungsantrag zum Einzelplan 36 erneut eingebracht hat. Ich bin allerdings erfreut, daß sie wenigstens einen Teil der Anträge fallengelassen hat. Ich will es Ihnen und mir ersparen, unsere Ablehnung im einzelnen zu begründen. An den Dingen hat sich nichts geindert, also kann sich auch an der Begründung unserer Ablehnung nichts ändern. Ich muß nur noch einmal betonen, was ich schon in der zweiten Lesung im einzelnen ausgeführt habe: daß mit Ihren Änderungsanträgen ein Effekt nicht verbunden wäre, daß dadurch Mittel nur unnötigerweise gebunden würden, die einfach nicht abfließen kënnen, daß nur die Illusion eines höheren Schutzes gegeben wäre, keineswegs aber eine tatsächliche Verbesserung des Schutzes. Das aber sollte unser Anliegen sein. Deswegen noch einmal meine Bitte, die Anträge abzulehnen. Ihrem Antrag Umdruck 548 betreffend Einsetzung einer unabhängigen Studienkommission stehen wir positiv gegenüber. Ich kann darauf verweisen, daß wir in der zweiten Lesung hier auch die WEU-Entschließung verabschiedet haben, die sinngemäß etwas Ähnliches besagt. Ich kann ferner auf die Begründung des Kollegen Heye vor dem WEU-Parlament verweisen, wo er etwas Ähnliches auf WEU-Basis gefordert hat. Es scheint mir aber notwendig zu sein, den Rahmen sehr genau abzustecken. Wir können und dürfen uns nicht darauf beschränken, allein die technischen Schutzmöglichkeiten abzustecken, sondern sollten sehr klar die wirtschaftlichen und finanziellen Grenzen ziehen, in denen derartige Vorschläge zu realisieren sind. Wir schlagen deshalb vor, den Antrag Umdruck 548 an den Innenausschuß zur weiteren Beratung zu überweisen. Zum Entschließungsantrag Umdruck 548 hat der Herr Minister Schröder bereits gesprochen. Mit der Annahme Ihres Antrages ({0}) erübrigt sich eine Annahme des Antrags der FDP auf Umdruck 524, weil damit praktisch das gleiche Anliegen erfüllt wird. Ich darf Sie deshalb bitten, den Antrag Umdruck 524 abzulehnen. ({1})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Wird weiter das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag Umdruck 583. Hier ist Überweisung an den Innenausschuß beantragt. - Herr Abgeordneter Windelen, haben Sie zum Änderungsantrag oder zum Entschließungsantrag Überweisung an den Ausschuß beantragt? ({0}) - Danke sehr. Dann können wir also über den Änderungsantrag Umdruck 583 in der Sache abstimmen. Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das zweite war die Mehrheit; abgelehnt. Ich lasse nun über den Einzelplan 36 in der Fassung der zweiten Beratung abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; angenommen. Wir kommen nun zum Entschließungsantrag der Fraktion der FDP Umdruck 524. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. -Ich bitte urn die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das zweite war die Mehrheit; abgelehnt. Zum Entschließungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 548 ist Überweisung an den Innenausschuß beantragt. Wer dieser Ausschußüberweisung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Es ist so beschlossen. Wir kommen nun zum Einzelplan 07 Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz. Wird der Entschließungsantrag Umdruck 543 begründet? - Herr Abgeordneter Dr. Schäfer.

Dr. Friedrich Schäfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001930, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In den letzten Jahren haben wir bei der Behandlung des Deutschen Patentamts wiederholt festgestellt, daß irgendwie neue Methoden gefunden werden müssen, weil die Arbeitsbelastung zu groß ist. Ich habe schon im letzten Jahr darauf hingewiesen, daß wir die Schaffung einer Dokumentationszentrale ernsthaft in Angriff nehmen müssen. Was nun aber mit Umdruck 543 beantragt wird, geht über das Deutsche Patentamt und über den Geschäftsbereich des Justizministeriums hinaus. Bei den Beratungen des Haushaltsausschusses habe ich versucht, festzustellen, welches Ministerium denn überhaupt für die Frage der Schaffung eines wissenschaftlichen Informationswesens zuständig ist, habe aber keine befriedigende Antwort bekommen. Es könnte meines Erachtens das Wirtschaftsministerium zuständig sein, es könnte auch das Innenministerium oder das Atomministerium zuständig sein. Immerhin ist anzuerkennen, daß das Atomministerium als einziges Ressort die Initiative ergriffen und in Anlehnung an das Gmelin-Institut in Frankfurt eine Dokumentationszentrale für Kernphysik geschaffen hat. Es sind auch Mittel dafür im Haushalt ausgewiesen. Wir mußten sie im Haushaltsausschuß, z. B. bei der medizinischen Dokumentationszentrale, sperren, weil noch niemand über die zukünftige Entwicklung Bescheid weiß. Die Kultusminister haben sich in der Vergangenheit damit befaßt. Sie sind zu keinem Ergebnis gekommen. Auch Gremien der Wirtschaft haben sich damit befaßt; sie sind nicht weiter gekommen. Unser Antrag geht deshalb dahin, die Bundesregierung zu ersuchen, einmal intern zu prüfen, was auf diesem Gebiet in Zukunft geschehen soll. Ich darf ganz kurz umreißen, um was es sich handelt. Es geht um die Zurverfügungstellung des wissenschaftlichen, des technischen und des technischwissenschaftlichen Ergebnisses der Forschung und der Praxis. Wir haben Vorgänge, die besten Vorgänge in dieser Hinsicht in der Sowjetunion, die eine einheitliche große Dokumentationszentrale für alle naturwissenschaftlichen Forschungsergebnisse geschaffen hat. Wir haben Ansätze und Anfänge in den Vereinigten Staaten und in England. Der Bundesrechnungshof hat sich erfreulicherweise mit diesem Problem befaßt, hat einen eigenen Beauftragten dafür geschaffen, und der Präsident des Bundesrechnungshofes hat in seiner Eigenschaft als Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung in einem Bericht vom 24. Oktober 1959 - im letzten Jahr - folgendes ausgeführt: Für Dokumentation werden in den nächsten Jahren erhebliche Mittel aufzuwenden sein. Es muß für eine so eingehende laufende Unterrichtung über in- und ausländisches Schrifttum gesorgt werden, wie sie bei der heutigen Entwicklung zur Erhaltung eines hohen Standes der deutschen Wissenschaft und damit in weiter Sicht der wirtschaftlichen Konkurrenzfähigkeit der Bundesrepublik erforderlich ist. Das gilt in erster Linie für die Disziplinen der Naturwissenschaften und der Technik. Meine bisherigen Erhebungen haben gezeigt, daß die Dokumentation, wenn sie durch umfassende Vermittlung des Wissensstandes den Wissenschaftler auf bereits erarbeitetes, im Schriftgut abgehandeltes Gedankengut hinweist, geeignet ist, unproduktive Doppelarbeit vor allem in der Forschung einzuschränken und damit die Forschungstätigkeit zu rationalisieren. Danach ist eine weitgehende Förderung durch die öffentliche Hand gerechtfertigt. Wenn der Bundesbeauftragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung zu dieser Feststellung kommt, erstens der sachlichen Notwendigkeit und zweitens, daß öffentliche Mittel dafür in ausreichendem Maße zur Verfügung gestellt werden sollen, glaube ich, sollte sich das ganze Haus diesem Anliegen nicht versagen. Niemand ist derzeit in der Lage, schon konkrete Vorschläge zu machen, wie es bei uns gehandhabt werden ,soll. Man denkt ungefähr daran, daß 20 bis 25 wissenschaftliche Institute vergrößert werden sollen, um Dokumentationszentralen je für ihr Spezialgebiet zu schaffen; außerdem soll eine Steuerungsstelle errichtet werden. Man weiß noch nicht, ob man dazu ein neues Gesetz braucht, um ,die Auskunftspflicht festzulegen, um Auskunftsmöglichkeiten zu sichern, oder ob es. im Wege des Verwaltungsabkommens geht. Es ist die Frage zu klären, inwieweit z. B. wie beim Patentamt Gebühren von demjenigen zu entrichten sind, der Auskunft verlangt. Alle diese Fragen müssen aber einmal in Angriff genommen werden, denn es handelt sich um die Bereitstellung der geistigen Arbeit der ganzen Welt. Überall, wo neue Forschungsaufgaben in Angriff genommen werden, überall, wo man in der Wirtschaft irgend etwas beginnt, muß man zunächst Untersuchungen darüber anstellen, was schon vorhanden ist, wenn man nicht Riesensummen brachliegen lassen oder Riesensummen unnötig wieder investieren will. Diese Fragen zu prüfen, soll der EntschlieBungsantrag Umdruck 543 der Regierung Anlaß geben. Wir meinen, daß ,die Regierung mindestens einen Zwischenbericht bis Ende dieses Jahres dem Parlament vorlegen sollte. Es dürfte ein Anliegen des ganzen Hauses sein, .der Regierung zu helfen, in diesen Fragen rascher voranzukommen. Ich darf um Annahme dieses Antrags bitten.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Herr Bundesminister der Justiz.

Fritz Schäffer (Minister:in)

Politiker ID: 11001935

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf zu dem Antrag folgendes kurz bemerken. Wie der Herr Antragsteller wohl weiß und auch wohl andeuten wollte, sind vorbereitende Arbeiten zur Koordinierung des wissenschaftlichen und technischen Informationswesens in der Bundesrepublik seit längerem im Gange. Der Bundesminister für Atomenergie und Wasserwirtschaft hat, einer Entschließung des Gemeinschaftsausschusses der deutschen Technik folgend, im vergangenen Herbst die Initiative zur Bildung eines Instituts für Dokumentation in der Bundesrepublik bereits ergriffen. Aufgabe dieses Instituts, das nicht als Bundesbehörde, sondern .als Stiftung begründet werden soll, wird es nicht sein, selbst Dokumentation zu betreiben, sondern die Dokumentationsarbeiten ,der verschiedenen öffentlichen und privaten Stellen zu koordinieren und zu fördern. Über Gründung und Gestaltung eines solchen Instituts finden gegenwärtig Erörterungen zwischen den Bundesressorts unter Beteiligung der Länder und ,der interessierten Kreise statt; ,die Erörterungen sind aber noch nicht abgeschlossen. Es ist auch noch nicht geklärt, welchem Ressort innerhalb der Bundesregierung die Federführung bei der Koordinierung des wissenschaftlichen und technischen Informationswesens zukommt. Das Bundesministerium der Justiz hat vorgeschlagen, die Federführung dem Bundesministerium für Atomkernenergie und Wasserwirtschaft zu übertragen. Zu der anderen Frage, nämlich zu der Frage der Forschungsarbeiten für die Entwicklung einer mechanischen Patentdokumentation, brauche ich nicht zu sprechen. Ich darf darauf hinweisen, daß dafür in den letzten Jahren bereits Haushaltsansätze, und zwar in steigendem Maße, vorgesehen worden sind. Das Bundesministerium der Justiz wird im laufenden Jahr eine weitere Erhöhung dieser Beträge vorschlagen müssen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Aigner.

Dr. Heinrich Aigner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000018, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Anliegen ist so dringend, daß hier selbstverständlich das ganze Haus zustimmen sollte. Dieser Antrag entspricht auch unserem Antrag im Haushaltsausschuß. Die Arbeit der Bundesregierung ist mit auf Drängen des Haushaltsausschusses eingeleitet worden. Ich bitte also, diesem Antrag zuzustimmen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Wird noch weiter das Wort gewünscht? -- Das ist nicht der Fall. Ich lasse abstimmen über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 543. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Ich rufe auf den Einzelplan 08 Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen sowie den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 590. Wer will ihn begründen? Oder bedarf es keiner Begründung? ({0}) - Ist bei 06 mitbegründet worden, Sie haben recht. Wird sonst das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. ({1}) - An welche Ausschüsse? ({2}) - Der Antrag soll nur an den Haushaltsausschuß überwiesen werden. Allgemeines Einverständnis? ({3}) - Dann ist so beschlossen. Ich rufe auf Einzelplan 09 Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft und dazu die Entschließungsanträge auf den Umdrucken 520 und 593. Soll der Entschließungsantrag auf Umdruck 520 - es ist ein interfraktioneller Antrag - begründet werden? ({4}) - Ist nicht notwendig. Wird der Entschließungsantrag auf Umdruck 593 begründet? - Offenbar will das niemand tun. Wünscht jemand das Wort in der Aussprache über diese beiden Anträge? ({5}) - ist nicht notwendig. Dann kann ich also abstimmen lassen. Wer dem Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP und DP auf Umdruck 520 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Ich komme zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktionen der DP auf Umdruck 593. ({6}) - Es wird beantragt, den Antrag an den Wirtschaftsausschuß zu überweisen. - Widerspruch erfolgt nicht; dann ist so beschlossen. Wir kommen zum Einzelplan 10 Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Ich darf die Änderungsanträge der Reihe nach aufrufen. Zuerst rufe ich den Änderungsantrag der Abgeordneten Rehs und Genossen auf Umdruck 581 auf. Wer wünscht ihn zu begründen? - Herr Ab: geordneter Bading!

Harri Bading (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000073, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag auf Umdruck 581, in dem wir uns dafür einsetzen, daß im Tit. 571 - Förderung der ländlichen Siedlung - der Ansatz unter Buchstabe b um 30 Millionen DM erhöht wird, ist von uns bereits in der zweiten Lesung eingebracht und von der Mehrheit des Hauses abgelehnt worden. Vielleicht hat die kurze Begründung durch meinen Kollegen Rehs etwas schuld daran. Am Vortage waren hier im Hause von dem amtierenden Präsidenten und von Herrn Bundesminister Lemmer zwei Erklärungen abgegeben worden. Unter dem Eindruck dieser beiden Erklärungen ist die Begründung unseres Antrages außerordentlich kurz ausgefallen. Herr Kollege Rehs war vielleicht auch der Ansicht, man sollte vermeiden, irgendwie einen Zwischenruf herauszufordern, der dahin hätte gehen können, daß man die bolschewistische Liquidierung des freien Bauernstandes in der Ostzone, die doch ein nationales Unglück ist, hier parteipolitisch ausschlachten wolle. Wegen des Ernstes der Angelegenheit sind wir noch einmal auf sie zurückgekommen. Es liegt ja auch aus Ihren Reihen auf Umdruck 588, zu dem ich gleich Stellung nehmen möchte, der Antrag vor, die Regierungsvorlage wiederherzustellen. Der Ansatz der Regierungsvorlage ist aber lediglich um 6 Millionen DM gekürzt worden. Eine Aufbesserung des Ansatzes um 6 Millionen DM scheint mir in Anbetracht der Schwere dieser Angelegenheit etwas gering zu sein. Ich darf in diesem Zusammenhang auf die Ausführungen unseres Kollegen Krüger ({0}) verweisen, mit denen er bei der Beratung des Grünen Plans nachgewiesen hat, daß die Mittel für die Seßhaftmachung, für die Schaffung von ländlichen Heimstätten für Flüchtlinge und Vertriebene um etwa 40 Millionen DM niedriger liegen als im vergangenen Jahr. Es ist also unzureichend, wenn die Mittel lediglich um 6 Millionen DM erhöht werden. Darum bitten wir Sie, unserem Antrag zuzustimmen, die Mittel um 30 Millionen DM zu erhöhe damit ein möglich großer Teil der SowjetzonenBading flüchtlinge hier zumindest wieder eine ländliche Heimstätte erhalten kann. ({1})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Wer begründet den Antrag der Abgeordneten Leukert und Genossen auf Umdruck 588? - Herr Abgeordneter Leukert.

Edmund Leukert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001334, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Freunde und ich haben den Antrag auf Umdruck 588 eingebracht, nach dem bei Kap. 10 02 des Einzelplans 10 die ursprüngliche Regierungsvorlage wiederhergestellt werden soil. Es ist richtig, wie mein Herr Vorredner sagte, daß damit gegenüber den in der zweiten Lesung gefaßten Beschlüssen nur eine Erhöhung um 6 Millionen DM eintreten würde. Allerdings hat mein Vorredner vergessen, daß wir auch in den vergangenen Jahren den Herrn Bundesfinanzminister und den Herrn Bundesernährungsminister bei der dritten Lesung des Haushalts immer gebeten haben, zu erklären, daß, wenn im Laufe des Jahres noch ein Bedarf an Siedlungsmitteln entstehen sollte, diese Mittel im Vorgriff gegeben werden können, daß also eine Bindungsermächtigung vorgesehen wird. Wir bitten also, die Regierungsvorlage wiederherzustellen. Auf der anderen Seite bitten wir den Herrn Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, ebenso wie in den vergangenen Jahren eine solche Erklärung hier abzugeben. Damit würde uns eine Sorge genommen, und wir brauchten nicht zu befürchten, daß etwa die aus der Zone vertriebenen Bauern nicht eingegliedert werden können. Ich bitte, den Umdruck 581 abzulehnen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Wer begründet den Änderungsantrag auf Umdruck 598 der Abgeordneten Murr und Genossen? Herr Abgeordneter Murr!

Leonhard Murr (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001576, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Auf eine Begründung des Änderungsantrags Umdruck 598 kann ich eigentlich verzichten, weil sie bereits in der zweiten Lesung erfolgt ist. Ich darf nur erwähnen, daß es sich hier nicht um eine Ausweitung der Mittel handelt, sondern die Mittel sollen im Rahmen des allgemeinen Grünen Planes bereitgestellt werden. Ferner darf ich bitten, Herr Präsident, über die drei Ziffern des Antrages Umdruck 598 einzeln abstimmen zu lassen. Ich bitte das Hohe Haus, unseren Anträgen zuzustimmen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Die drei Anträge sind begründet. Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.

Franz Etzel (Minister:in)

Politiker ID: 11000497

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte etwas zu dem Antrage sagen, den Herr Abgeordneter Leukert für sich und einige Freunde hier soeben begründet hat. Es geht um die Mittel für die ländliche Siedlung. Der ursprüngliche Haushaltsansatz hat 282 Millionen DM betragen. Er ist im Haushaltsausschuß um 6 Millionen DM gekürzt worden, so daß noch 276 Millionen DM geblieben sind. Der so ersparte Betrag ist nun nicht etwa in meine Tasche geflossen. Auf Wunsch einiger Kollegen im Haushaltsausschuß ist der Betrag zu Mehrausgaben bei der ländlichen Wasserwirtschaft und bei der Viehseuchenbekämpfung und einigen anderen landwirtschaftlichen Zwecken verwendet worden. Wenn jetzt der Antrag Umdruck 588 angenommen würde, wäre das also eine zusätzliche Ausgabe von 6 Millionen DM. ({0}) - Wo, ist eine Frage für sich. - Aber, meine verehrten Freunde, es wird sich ja inzwischen herumgesprochen haben: der Zentralbankrat hat in seiner heutigen Berliner Sitzung die Mindestreserven um 15 O/o heraufgesetzt. Ob wir uns also mit solchen Ausgabewünschen sehr konform verhalten, darf ich doch einmal ganz ernsthaft zur Diskussion stellen. Zu den Mitteln im Haushaltsansatz von 276 Millionen DM für die ländliche Siedlung treten noch Bindungsermächtigungen von 130 Millionen DM und Kapitalmarktmittel bis zu 100 Millionen DM. Ich will von den Resten nicht sprechen. Offizielle Reste sind nicht da. Daß aber im Bankensystem doch noch Beträge hängen, ist mit Sicherheit anzunehmen. Durch diese Haushaltsbewilligung ist also der Fünfjahresplan für die ländliche Siedlung voll erfüllt, und ich bin der Meinung, daß das Programm, um das es sich hier handelt, voll durchgeführt werden kann. Und nun will ich, um einen Kompromißvorschlag zu machen, mit der Bitte, diesen Antrag zurückzuziehen oder ihn abzulehnen, folgendes erklären: Sollte sich im Laufe des Haushaltsjahres 1960 herausstellen, daß die vorgesehenen Mittel - ich behaupte, das Programm ist durchzuführen - zur zügigen Verwirklichung des Mehrjahresplanes für die ländliche Siedlung nicht ausreichen, so würde ich zusätzliche Bindungsermächtigungen bis zu 6 Millionen DM in Aussicht stellen. Ich glaube, das ist ein Kompromiß, auf den man eingehen könnte, auch im Sinne der Dinge, die hier wichtig sind. Ich darf deswegen die Antragsteller bitten, den Antrag Umdruck 588 zurückzuziehen. ({1})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Wird das Wort gewünscht? - Wird der Antrag zurückgezogen? - Der Antrag Umdruck 588 ist zurückgezogen. Das Wort wird nicht mehr gewünscht. Ich komme zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Abgeordneten Rehs und Genossen Umdruck 581. Vizepräsident Dr. Jaeger Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das zweite ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Ich komme zur Abstimmung über den Antrag Umdruck 598 der Abgeordneten Murr und Genossen. Es ist Abstimmung über die einzelnen Ziffern beantragt Wer der Ziffer 1 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das zweite ist die Mehrheit; abgelehnt. Ziffer 2! Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das zweite ist die Mehrheit; abgelehnt. Ziffer 3! Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das zweite ist die Mehrheit; abgelehnt. Damit sind alle drei Ziffern dieses Änderungsantrages abgelehnt. Ich komme zur Abstimmung über den Einzelplan 10 in der Fassung der zweiten Beratung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; angenommen. Meine Damen und Herren, ich komme nunmehr zu den Entschließungsanträgen. Es sind acht Entschließungsanträge. Ich schlage Ihnen vor, daß jeder einzeln begründet, beraten und abgestimmt wird und so jeder für sich der Reihe nach erledigt ) wird. - Einverstanden. Wird der Entschließungsantrag der Abgeordneten Struve und Genossen auf Umdruck 552 begründet? - Herr Abgeordneter Bauknecht!

Bernhard Bauknecht (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000110, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann auf eine Begründung verzichten. Inhaltlich deckt sich der Entschließungsantrag mit dem Antrag der FDP. Der Unterschied besteht nur darin, daß es bei uns heißt: im Rahmen des Einzelplans 10. Wir wollen die Kürzungen an den Titeln, die die FDP vorgeschlagen hatte, nicht mitmachen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Wird das Wort hierzu gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich lasse abstimmen. Wer dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Struve, Bauknecht, Wacher und Genossen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen. Ich rufe auf den Entschließungsantrag Umdruck 568 der Fraktion der FDP. Soll er begründet werden? - Das ist nicht der Fall. ({0}) Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. An den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten? ({1}) -- Erhebt sich dagegen Widerspruch? - Das ist nicht der Fall: dann ist die Ausschußüberweisung beschlossen. Ich rufe auf den Entschließungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 569. Soll er begründet. werden? - Das ist nicht der Fall. ({2}) - Sie wollen das Wort haben? - Herr Abgeordneter Bading, Sie haben das Wort.

Harri Bading (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000073, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte das Hohe Haus, diesen Antrag abzulehnen, da er in sich nicht logisch ist. Es heißt in dem Antrag: Die Bundesregierung wird ersucht, bei der Aufstellung des Bundeshaushaltsplans ... die Zweckbestimmung für Kap. 10 02 Tit. 963 so zu ändern, daß alle landwirtschaftlichen Gebiete, die auf Grund des Grünen Berichts keine Deckung des Vergleichslohnes ... erreicht haben, von der Lastenausgleichsabgabe freigestellt werden. So etwas gibt es überhaupt nicht. Man kann nur Betriebe prüfen und feststellen, wie ihre Ertragslage ist, aber nicht ganze Gebiete.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Abgeordneter Dr. Vogel, halten Sie Ihren Antrag auf Ausschußüberweisung aufrecht? - Er ist zurückgezogen. Das Wort wird nicht weiter gewünscht. Wer dem Antrag der Fraktion der FDP Umdruck 569 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das ist die große Mehrheit; abgelehnt. Ich komme zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der FDP Umdruck 570. Wird auf Begründung verzichtet? - Das ist der Fall. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. ({0}) - Es wird beantragt, den Antrag dem Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu überweisen. Kein Widerspruch? - Es ist so beschlossen. Ich komme zum Entschließungsantrag der Fraktion der FDP Umdruck 572. Auf Begründung wird verzichtet. Das Wort wird nicht gewünscht. Soll auch hier Ausschußüberweisung erfolgen? ({1}) - Widerspruch erhebt sich nicht; dann ist der Antrag dem Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten überwiesen. Ich komme zum Entschließungsantrag der Abgeordneten Bauknecht und Genossen auf Umdruck 573. Ich nehme an, auf Begründung wird verzichtet. Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich kann über den Entschließungsantrag abstimmen lassen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Ggenprobe. - Enthaltungen? - Der Antrag ist angenommen. Deutscher Bundestag 3. Wahlperiode Vizepräsident Dr. Jaeger Ich komme zum Entschließungsantrag der Fraktion der DP auf Umdruck 585. Das Wort hat der Abgeordnete Logemann.

Fritz Logemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001367, Fraktion: Deutsche Partei (DP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir bitte eine kurze Begründung unseres Entschließungsantrags auf Umdruck 585. Ich muß dabei zunächst einen allgemeinen Hinweis geben. Wir haben in der Landwirtschaft seit einigen Monaten einen starken Preisrückgang vor allem bei Veredlungserzeugnissen. Dieser Preisrückgang hat auch zu einem starken Einnahmerückgang für unsere Veredlungswirtschaft geführt, und er hat weiterhin besonders stark das Einkommen der vielgenannten landwirtschaftlichen Familienbetriebe gesenkt. Das ist eine Betriebsgruppe, die wir eigentlich laut EWG-Vertrag und entsprechend den Zielen unserer eigenen Agrarpolitik ganz besonders fördern sollten. Diese Entwicklung steht im krassen Gegensatz zu der allgemeinen Konjunktur, zu Lohn- und Gehaltserhöhungen und zu Arbeitszeitverkürzungen, die wir zur Zeit erleben. Für unsere Bauern bedeutet diese Entwicklung dagegen längere Arbeitszeit bei niedrigeren Löhnen. Die Ursachen für diese Entwicklung möchte ich doch einmal kurz darstellen, um damit von vornherein einer gewissen Legendenbildung wieder in der Richtung, ,die Landwirtschaft produziere zuviel, sie produziere am Markt vorbei, vorzubeugen. Ich bin der Meinung, daß gerade die Landwirtschaft an dieser Entwicklung unschuldig ist. Das zeigt sich eindeutig, wenn man die Einfuhrpolitik der letzten Jahre und Monate verfolgt. ({0}) Es zeigt sich eindeutig, daß der jetzige Preisrückgang auf einen Preissturz zurückzuführen ist, der einmal entstanden ist durch überhöhte Importe an sich und zum Teil noch durch Importe, die man als echte Dumping-Importe bezeichnen muß. ({1}) Wir haben schon seit Jahren eine Steigerung der ernährungswirtschaftlichen Einfuhren hingenommen. Das Jahr 1959 ist sogar zu einem Rekordjahr der landwirtschaftlichen Einfuhren geworden. Denken Sie bitte daran zurück, daß in diesem Jahre die ernährungswirtschaftliche Einfuhr noch einmal um etwa 14 v. H. erhöht worden ist. 1m Jahre 1959 kam die Hälfte der landwirtschaftlichen Verkaufserlöse, die fast 20 Milliarden DM betrugen, nämlich 10,4 Milliarden DM, in Form von ernährungswirtschaftlichen Einfuhren herein. Wie stark diese Entwicklung gewesen ist, zeigt ein Zahlenvergleich. Bei einem Vergleich der ersten sieben Monate des jetzt laufenden Wirtschaftsjahres mit den sieben Monaten des vorigen Wirtschaftsjahres ist folgende Steigerung der Einfuhren festzustellen: bei Butter von 1300 t im vorigen Jahr auf 28 500 t in den ersten sieben Monaten -des laufenden Jahres, bei Eiern von 60 800 t auf 172 700 t, bei Fleisch von 165 000 t auf 194 000 t und bei Geflügelfleisch von 49 000 t auf 79 000 t. Diese Entwicklung der Einfuhren mußte zu einem katastrophalen Preisverfall bei einzelnen Erzeugnissen führen. Ich möchte zunächst nur die Geflügelwirtschaft erwähnen. Vor Jahren haben wir uns sogar bemüht, noch Mittel des Grünen Plans für die Entwicklung und Förderung der Geflügelwirtschaft zu geben, um einen besonderen Anreiz zu bieten. Wir haben dann seit Jahren gehofft, daß uns das Wirtschaftsgeflügelgesetz Rettung bringen würde. Aber auch hier kann man langsam die Hoffnung aufgeben. Bisher hat man nur etwas gehört von einer Diskussion über gestempelte und nicht gestempelte Eier. Die entscheidenden Mängel sind aber, mindestens in der Geflügelwirtschaft, noch nicht abgestellt worden. Es ist vielmehr so, -daß die Eier laufend billiger geworden sind. Die Preise liegen zur Zeit fast unter den Vorkriegspreisen. Meine Damen und Herren, auch hier muß umgehend gehandelt werden. Man müßte sich endlich dazu entschließen, zu Mindestpreisen zu kommen, wenn -der Rest der Geflügelerzeugung in Westdeutschland nicht noch am Boden zerstört werden soll. Eine weitere Sorge macht uns die Butter. Durch Zollaussetzungen und durch weltweite Ausschreibungen - das möchte ich ausdrücklich betonen - gibt es jetzt sehr stark vergrößerte Bestände. Diese vergrößerten Bestände auch das muß einmal erwähnt werden - werden zwangsläufig zu höheren Kosten für die Einfuhr- und Vorratsstellen führen. Ich möchte ausdrücklich betonen, daß auch das Anwachsen der Bestände der Einfuhr- und Vorratsstellen und die dadurch erhöhten Kosten nicht auf ein Verschulden -der Landwirtschaft zurückzuführen sind. Die Landwirtschaft hat di-e Eigenerzeugung nicht über den Marktbedarf hinaus gesteigert, aber es ist eben über den Marktbedarf hinaus eingeführt worden. Wir haben zur Zeit einen Butterberg, der nach unserer Auffassung - das besagt auch unser Antrag - durch einen Re-Export wieder abgebaut werden müßte. Durch die Entwicklung auf dem Buttermarkt kommen wir jetzt in der Landwirtschaft zu einer Senkung des Milchpreises für den Erzeuger; sie ist deshalb so empfindlich, weil die Landwirtschaft doch noch sehr unter den Folgen der Dürre des letzten Jahres zu leiden hat. Wir hatten sehr stark erhöhte Erzeugungskosten und bekommen jetzt trotz dieser höheren Erzeugungskosten einen weit niedrigeren Preis als im Vorjahr. Auch hier ist es notwendig, daß sofort eingegriffen wird, damit sich kein weiterer Rückgang der Milcherzeugerpreise ergibt. Bei einem anderen Erzeugnis macht uns die Preisentwicklung ebenfalls große Sorge. Auch bei Schweinefleisch haben wir einen starken Preisrückgang zu verzeichnen. Ich bin nicht der Meinung, daß man hier sagen kann, auch dieser Preisrückgang sei eine Schuld der Eigenerzeugung. Wir produzieren zwar einen erheblichen Anteil des Bedarfes an Schweinefleisch, aber auch hier bestimmen letzten Endes die Einfuhren sehr den Preis. Der Stopp der Schweineeinfuhren kommt zu spät; wäre er früher erfolgt, wäre es zu dem Preisrückgang nicht gekommen. ({2}) - Ich mache sofort Schluß, Herr Dr. Conring. In diesem Zusammenhang muß auch die überhöhte Fetteinfuhr erwähnt werden, wodurch die Schwierigkeiten bei dem Absatz von Schweinefleisch außerordentlich vergrößert werden. Auch hier muß eine Einschränkung erfolgen. Die Landwirtschaft hat durch die Preissenkungen in den letzten Monaten einen erheblichen Beitrag, ich möchte sagen, den größten finanziellen Beitrag zur Stabilisierung von Preisen und Löhnen geleistet. Abschließend möchte ich mir doch noch erlauben, an Herrn Minister Schwarz zwei Fragen zu stellen. Herr Minister, sagen Sie bitte den Bauern, damit sie wieder Vertrauen bekommen können: Welche Eigenerzeugung billigen Sie der deutschen Landwirtschaft für die Zukunft noch zu? Sagen Sie uns weiter: Welches Preisniveau wollen Sie dabei ansteuern? Ich finde, hier ist eine Antwort notwendig; denn die Landwirtschaft versucht zu rationalisieren, zu investieren, sie verschuldet sich immer mehr. Uns treffen deshalb Preissenkungen immer empfindlicher. Ich bitte Sie, unseren Antrag an den Ausschuß zu überweisen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Meine Damen und Herren, wird das Wort noch gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Es ist beantragt, den Antrag Umdruck 585 an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu überweisen. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen. Ich komme zum Antrag Umdruck 603 der Fraktion der CDU/CSU. Soll der Antrag begründet werden? - Herr Abgeordneter Bauknecht!

Bernhard Bauknecht (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000110, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur ein paar kurze Worte zur Begründung der einzelnen Punkte, die dieser Entschließungsantrag enthält; es sind im ganzen sechs Punkte. Punkt 1: Die Bundesregierung wird ersucht, ... ihre Anstrengungen verstärkt fortzusetzen, eine der allgemeinen Wirtschaftsentwicklung harmonisch angepaßte Entwicklung der Landwirtschaft nach den Zielen des Landwirtschaftsgesetzes als erstrangige Aufgabe von allgemein politischer Bedeutung zu sichern. Dem ist leider in den letzten Monaten nicht mehr entsprochen worden. ({0}) Mein Kollege Logemann hat Ihnen einiges dazu gesagt. Ich will keine großen Ausführungen machen, aber ich möchte dem Hause doch drei Zahlen unterbreiten. Die Preise für Butter sind im Vergleich mit dem (4 Vorjahr - nicht mit dem Kulminationspunkt des vergangenen Herbstes, sondern mit der entsprechenden Vergleichswoche des Vorjahres - um 55 Pfennig gestürzt. Das macht ungefähr ein Minus von 3 Pfennig bei dem Werkmilchpreis. Die Preise für Schweine liegen in der derzeitigen Woche um 19 DM niedriger als in der Vergleichswoche des Vorjahres. ({1}) - Ja, Herr Bading, natürlich gehen sie saisonmäßig herunter. ({2}) Aber wenn sie normalerweise saisonmäßig heruntergegangen sind, dann müssen sie nicht nahezu 20 DM niedriger liegen. Da ist auf dem Gebiet der Handelspolitik noch einiges zu tun. Früher konnte man verstehen, daß einige tausend Schweine in der Woche aus der sowjetischen Besatzungszone nach Berlin eingeführt wurden. Aber angesichts dessen, was die Machthaber der Zone unseren freien Bauern antun, haben wir keinerlei Verpflichtungen mehr, von dort Schweine abzunehmen. Ich habe einige Zusammenstellungen gemacht. Die Mindereinnahmen in den drei Monaten Januar, Februar und März betragen bei Schweinen, Milch und Eiern zusammen 135 Millionen DM. Wenn Sie das vervierfachen, also auf das ganze Jahr übertragen, dann kommen Sie auf über eine halbe Milliarde. Zur gleichen Zeit haben sich die Einnahmen in der gewerblichen Wirtschaft - auch die Löhne der Arbeiter - erhöht. Wir wünschen in der Ziffer 1, daß sich die Regierung überlegt, wie sie diese Dinge korrigieren kann. Die Ziffer 2 lautet: in diesem Sinne entsprechend den wiederholten Entschließungen des Deutschen Bundestages dafür Sorge zu tragen, daß die Entscheidungen unserer Handelspolitik in eine ausgewogene Übereinstimmung mit der allgemein anerkannten Zielsetzung unserer Agrarpolitik gebracht werden. Das ist in den letzten Monaten nicht mehr geschehen. Ein dritter wichtiger Punkt ist folgender. Es stehen neue GATT-Verhandlungen an, in denen es darum geht, ob wir in der Liberalisierung der Marktordnungswaren weitergehen müssen oder ob durch Änderung der GATT-Vorschriften die Möglichkeit geschaffen werden kann, mit Rücksicht auf die nationale Produktion weiterhin Einfuhrsperren zu verhängen und Importregelungen zu treffen. Ich glaube, wir könnten das, was sich im ersten Fall entwickeln würde, nicht verantworten. Unter Ziffer 4 drücken wir das Ersuchen aus, in Handelsverpflichtungen gegenüber Drittländern auf die heimische Produktion Rücksicht zu nehmen. Ich komme zu Ziffer 5. Es ist schade, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister soeben hinausgegangen ist. Ich wollte ihm gerade ein Lob erteilen. Erhard hat uns gestern erklärt, daß das in dieser Ziffer enthaltene Anliegen von ihm voll bejaht wird. Die Ziffer 5 lautet: aus den gleichen Erwägungen davon abzusehen, die Landwirtschaft in den vorzeitigen Zoll- und Kontingentsabbau mit einzubeziehen, wie es der Vorschlag der EWG-Kommission zur Beschleunigung der Übergangsfristen vorsieht. Die Ziffer 6 betrifft eine bsondere Angelegenheit. Wir wünschen, daß für die Übergangszeit bis zur Verwirklichung des Europäischen Marktes von den rechtlichen Möglichkeiten des EWG-Vertrages, insbesondere von den Artikeln 44 bis 46 Gebrauch gemacht wird. Das betrifft die Mindestpreise für die Marktordnungswaren, Einfuhrausgleichsabgaben für liberalisierte Produkte und die Schaffung von langfristigen Verträgen. Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, dem Entschließungsantrag Ihre Zustimmung zu geben. ({3})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Wird hierzu das Wort gewünscht? Das ist nicht der Fall. Ich kann über den Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 603 im ganzen abstimmen lassen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen! Wir kommen zum Einzelplan 12 Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr. Es liegen keine Änderungsanträge, aber eine Reihe von Entschließungsanträgen vor. Wir verfahren auch hier so, daß jeder einzeln aufgerufen und behandelt wird. Ich rufe zuerst den Umdruck 545 ({0}), Entschließungsantrag der Fraktion der SPD, auf. Zur Begründung Herr Abgeordneter Bleiß!

Dr. Paul Bleiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000196, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der Beratung des Straßenbaufinanzierungsgesetzes stand ein Problem im Vordergrund, das nicht befriedigend gelöst werden konnte: die wachsende Verkehrsnot in den Großstädten. Bei der Beratung des Gesetzes im Verkehrsausschuß haben wir geprüft, ob nicht die Möglichkeit besteht, im Straßenbaufinanzierungsgesetz bestimmte Beträge für den Ausbau des zweiten Weges, also für den Ausbau von Unterpflasterbahnen, zu binden. Das Bundesverkehrsministerium hat damals grundsätzliche haushaltsrechtliche Bedenken geäußert. Mit dem vorliegenden Entschließungsantrag schlagen wir Ihnen einen anderen Weg vor, um zu einer Entballung im Stadtkernverkehr zu kommen. Wir schlagen Ihnen in dem Antrag Umdruck 545 ({0}) vor, in den Haushalt des Einzelplans 12 für das Rechnungsjahr 1961 einen Betrag von mindestens 50 Millionen DM als Kredithilfe an kommunale Nahverkehrsunternehmen zum Ausbau von Unterpflasterbahnen einzusetzen. Was wir Ihnen hier vorschlagen, ist ein Verfahren, wie es ähnlich bei den nichtbundeseigenen Eisenbahnen mit Erfolg durchgeführt worden ist. Auch da werden den Betrieben Mittel zur Verfügung gestellt. Wir sind bereit, den Antrag im Ausschuß noch detaillierter zu begründen, und wir sind bereit, uns mit Ihnen über die Möglichkeit der Durchführung dieser Kreditvergabe zu unterhalten. Deswegen bitte ich Sie darum, mit einer Überweisung an den Ausschuß für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen - federführend - und an den Haushaltsausschuß zur Mitberatung einverstanden zu sein. ({1})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Müller-Hermann.

Dr. Ernst Müller-Hermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001569, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion hat bei der Beratung des Straßenbaufinanzierungsgesetzes einen Entschließungsantrag eingebracht, der sich u. a. auch mit dem noch vor uns stehenden Problem beschäftigt, wie die Aufgaben des innerstädtischen Verkehrs auf die Dauer gelöst werden sollen und inwieweit gegebenenfalls auch eine Mithilfe des Bundes nötig sein wird. Der Antrag schlug die Einsetzung einer Prüfungskommission vor, die sich speziell mit diesen Themen beschäftigen sollte. Dabei hatten wir u. a. den Gedanken, zu erwägen, inwieweit eine Kombination von Luftschutzmaßnahmen mit Straßenverkehrsmaßnahmen möglich ist, z. B. durch den Bau von Unterpflasterbahnen. Dieses Problem muß sehr sorgfältig geprüft werden. Ich glaube, daß es zu früh ist, jetzt schon in irgendeiner Form dazu Stellung zu nehmen. Meine Fraktion wird daher den konkreten Vorschlag, für diese Aufgaben bereits Mittel für Nahverkehrsunternehmen einzusetzen, ablehnen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Weitere Wortmeldungen? -Wir kommen zur Abstimmung. Was ist beantragt? ({0}) - Verkehrsausschuß federführend, Haushaltsausschuß mitberatend. Wer für die Ausschußüberweisung ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; die Ausschußüberweisung ist abgelehnt. Wir stimmen ab über den Antrag Umdruck 545 ({1}). Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. Gegenprobe! - Der Antrag ist abgelehnt. Präsident D. Dr. Gerstenmaier Nun kommen wir zu dem Entschließungsantrag Umdruck 563 der Abgeordneten Drachsler, Höcherl und Genossen. Wird er begründet? - Keine Begründung. ({2}) - Auch Überweisung an den Verkehrs- und Haushaltsausschuß? ({3}) - Wollen Sie zustimmen oder ablehnen? ({4}) Wir stimmen zunächst über den Antrag auf Ausschußüberweisung ab. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Die Ausschußüberweisung ist abgelehnt. Wer für den Antrag Umdruck 563 ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Der Antrag ist angenommen. Entschließungsantrag Umdruck 575 der CDU/CSU! Wird er begründet? - Keine Begründung. Wird das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Abstimmung. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist einstimmig angenommen. Auf Umdruck 594 liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion der DP vor. Wird er begründet? ({5}) - Wer den Antrag an den Ausschuß überweisen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Die Ausschußüberweisung ist abgelehnt. Wer dem Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Der Antrag i ist abgelehnt. Wir kommen zu dem Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD auf Umdruck 599. - Keine Wortmeldungen. Eine Begründung wird nicht gewünscht. Wer dem Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Der Antrag ist angenommen. Ich rufe auf den Antrag der Abgeordneten Dr. Martin, Gontrum und Genossen auf Umdruck 601. ({6}) - Das Haus ist einig. Der Antrag wird an den Ausschuß für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen überwiesen. Damit sind die Anträge zu dem Einzelplan 12 erledigt. Wir kommen zu Einzelplan 14. Geschäftsbereich des Bundesministers für Verteidigung. Dazu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 582 vor. ({7}) - Herr Kollege Dr. Blei), wir stimmen nicht über Einzelpläne ab. Der Haushalt wird in der dritten Lesung genauso behandelt, wie wenn es sich um ein Gesetz in der dritten Lesung handelt. Wird der Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 582 begründet? - Das ist nicht der Fall. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer dem Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das zweite ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Ich rufe auf den Entschließungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 531. Wird er begründet? - Eine Begründung wird nicht gewünscht. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer dem Entschließungsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. -({8}) - Es wird Überweisung an den Verteidigungsausschuß beantragt. - Das Haus ist einverstanden; der Entschließungsantrag wird an den Verteidigungsausschuß überwiesen. Auf Umdruck 546 liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion der SPD vor. Herr Kollege Ritzel!

Heinrich Georg Ritzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001860, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bestimmungen des Haushaltsrechts verlangen, daß Aufwendungen für eine Leistung, die eine Bundesbehörde für eine andere übernimmt, zu erstatten sind, wenn sie 500 DM übersteigen. Der Herr Bundesminister für Verteidigung hat bei der Aufstellung des Entwurfs des Bundeshaushaltsplans 1960 ausgeführt, daß für eine Erstattung nur die Aufwendungen für solche Aufgaben in Betracht kommen, die nach der Geschäftsverteilung der Bundesregierung vom Bundesminister für Verteidigung zu erfüllen sind, deren Bearbeitung aber mit seiner Zustimmung von einer anderen Bundesbehörde übernommen wird. Unser Entschließungsantrag bezieht sich auf das Rechnungsjahr 1961. Wir möchten der Wiederholung eines Vorgangs vorbauen, den „der schnellste Minister der Welt", der die Schallmauer durchbrochen hat, in diesem Falle, ich möchte beinahe sagen: als Freistilringer in einem Kampf mit dem Herrn Bundesfinanzminister und seinen Räten siegreich bestanden hat. Die amtliche Unterlage des Bundesministers der Finanzen vom 13. Januar 1960, Ausschußdrucksache 754, zeigt, daß die Bestimmungen des Haushaltsrechts durch den Sieg des Herrn Bundesverteidigungsministers über den Herrn Bundesfinanzminister im Umfange von 22 700 000 DM verletzt worden sind. Wir sehen es als ein aussichtsloses Unterfangen an, eine Korrektur anzustreben, die noch im Haushalt 1960 Ordnung schafft. Aber wir bitten Sie, im Interesse der Etatwahrheit, der Etatklarheit, der Beachtung der haushaltsrechtlichen Bestimmungen und der guten Ordnung dem Entschließungsantrag für 1961 zuzustimmen. Damit Sie Klarheit haben über das Spiel, das hier gespielt wird, will ich Ihnen folgende wenige Tatsachen aus den amtlichen Unterlagen vortragen. Der Haushalt des Außenministers wird mit 8,7 Millionen DM herangezogen, die in den Plafond des Herrn Bundesverteidigungsministers gehören, und zwar für das Personal der Militärattachés, als ob das eine Angelegenheit des Außenministeriums wäre, während es eine Angelegenheit des Verteidigungsministeriums ist. Der Einzelplan 08 - Bundesfinanzminister - wird wegen der Verteidigungsausgaben, die bei den Oberfinanzdirektionen erledigt werden, mit 6 041 000 DM belastet, die in den Plafond des Verteidigungsministers hineingehören. Der Einzelplan 09 - Bundeswirtschaftsminister - wird wegen der Verteidigungsaufgaben, die dort gemeistert werden, mit rund 1,7 Millionen DM belastet, die in den Einzelplan 14 gehören. Der Einzelplan 12 - Verkehr - wird mit 339 000 DM und mit 1,8 Millionen DM für Aufgaben belastet, die die Bundeswasser- und -Schifffahrtsverwaltung und andere Stellen im Bereich des Bundesverkehrsministeriums erledigen. Ich bitte das Hohe Haus, sich einmal darüber klarzuwerden, was mit dieser Methode bewirkt wird. Es ist ein unerträglicher Gedanke, daß auf diese Weise die Endsumme des gesamten Bundeshaushalts ohne Notwendigkeit um 17,7 Millionen DM steigt, während dieser Betrag in den Plafond des Verteidigungsministers - mit einer Endsumme von 10 Milliarden DM - hineingehört und dort ohne weiteres verkraftet werden kann. Ob das mit Etatwahrheit und Etatklarheit noch etwas zu tun hat, bezweifle ich bis ans Ende aller Tage. Ich bitte Sie, dem Antrag Umdruck 546 Ihre Zustimmung zu geben, - zur besseren Regelung und zur Rückkehr zur Ordnung, zu Anstand und Vernunft im Rechnungsjahr 1961. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Abgeordneter Leicht!

Albert Leicht (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001309, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir bitten Sie, diesen Entschließungsantrag abzulehnen. Ganz so, wie Sie das Problem der Erstattungen dargestellt haben, Herr Kollege Ritzel, ist es ja nun nicht. Ich möchte mich nicht mit der Entwicklungsgeschichte auseinandersetzen, da diese schon im Jahre 1955, damals auf Grund eines Antrages von Ihrer Seite im Haushaltsausschuß, angelaufen ist. Ich darf einige Sätze nur zur Rechtslage sagen. Nach dem gültigen Ordnungssystem des Bundeshaushalts, nach § 5 RHO, werden die Haushaltsausgaben entsprechend der ressortmäßigen Zuständigkeit in den Einzelhaushalten veranschlagt. Von diesem Veranschlagungsgrundsatz sind lediglich diejenigen Einzelpläne ausgenommen, die nach dem Realprinzip aufgestellt werden, z. B. Einzelplan 33, Versorgung. Daraus ergibt sich, daß eine Erstattung nach § 58 der Reichswirtschaftsbestimmungen, den Sie auch angezogen haben, nur dann in Betracht kommt, wenn eine Bundesbehörde eine ihr an sich nicht obliegende Aufgabe für eine andere Bundesbehörde in deren Auftrag durchführt. Der § 58 Abs. 2 der Reichswirtschaftsbestimmungen ist eine Verwaltungsbestimmung, die die Durchführung der Reichshaushaltsordnung regelt und nur im Zusammenhang mit dem im Haushaltsrecht herrschenden Veranschlagungsprinzip gesehen werden kann. Derjenige Bundesminister - das scheint mir der wesentliche Kernsatz in dieser Angelegenheit zu sein -, der die Zuständigkeit für eine Verwaltungsaufgabe für sich in Anspruch nimmt, zieht damit automatisch auch die Kosten an sich. Wenn z. B. der Bundeswirtschaftsminister die Ressortzuständigkeit für die Preisprüfung aller Bundesaufträge beansprucht - wir haben uns darüber ja auch schon im Haushaltsausschuß unterhalten -, dann erfüllt er bei der Preisprüfung auch der Bundeswehraufträge seine eigene ihm als Ressortminister obliegende Aufgabe. Für eine Erstattung nach § 58 der Reichswirtschaftsbestimmungen ist dann kein Raum. Der Verteidigungsminister kann nach dieser Vorschrift Kosten nur in den Fällen erstatten, in denen ein anderer Ressortminister eine an sich dem Verteidigungsminister obliegende Aufgabe in dessen Auftrag durchführt. Im übrigen stimmen die Zahlen, die Sie genannt haben. In diesem Haushalt werden rund 22 Millionen DM herausgenommen und bei den anderen Ressorts verkraftet. Aber ohne Rücksicht auf die Vorgeschichte und die Gründe, die dazu geführt haben, daß man damals zu diesem Prinzip übergegangen ist, sind wir allein auf Grund der Rechtslage schon veranlaßt, den Antrag abzulehnen. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir stimmen ab über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 546. Wer ihm zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Ich rufe auf ,den Entschließungsantrag der Fraktion der FDP Umdruck 565. ({0}) - Meine Damen und Herren von der SPD, sind auch Sie einverstanden? - Das Haus ist mit der Überweisung an den Ausschuß für Verteidigung einverstanden. Damit ist der Einzelplan 14 erledigt. Ich rufe auf Einzelplan 19 Bundesverfassungsgericht. Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 592 vor. Wird ,das Wort gewünscht? - Keine Wortmeldungen. Präsident D. Dr. Gerstenmaier Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag Umdruck 592 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Der Antrag ist abgelehnt. Ich rufe auf Einzelplan 25 Geschäftsbereich des Bundesministers für Wohnungsbau. Hierzu liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 584 vor, - Zur Begründung der Abgeordnete Reitz.

Wilhelm Reitz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001817, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der zweiten Lesung hat mein Kollege Herr Dr. Brecht bei der Beratung des Einzelplans 25 ausgeführt, daß er nicht zu allen Problemen des Wohnungswesens und der Wohnungspolitik Stellung nehmen wolle, da wir in einigen Tagen vor einer grundsätzlichen wohnungspolitischen Debatte stünden. Er hataber doch in 'einigen Punkten im Zusammenhang mit dem Haushalt seiner Besorgnis über die praktische Durchführung und die Auswirkungen der Wohnungsbaupolitik Ausdruck gegeben. Aus dieser bereits geäußerten Sorge haben meine politischen Freunde den Entschließungsantrag Umdruck 584 eingebracht, in dem die Bundesregierung ersucht wird, „bis zum 1. November 1960 den Entwurf eines Änderungsgesetzes zum Zweiten Wohnungsbaugesetz vorzulegen". Es ist allgemein bekannt und wird auch erkannt, daß das Gesetz in verschiedenen Punkten reform- bedürftig ist. Es gibt in diesem Gesetz gewisse starre Bindungen, die auf Grund der eingetretenen Entwicklung nicht mehr berechtigt sind. Ich erinnere nur daran, wie man die „Bevölkerungskreise mit geringem Einkommen" abgegrenzt hat. Wer in der Praxis steht, weiß, daß diese Begrenzung heute praktisch nicht mehr eingehalten werden kann und daß längst daran vorbeigegangen wird. Dies ist aber nicht nur uns bekannt, sondern in einer Sitzung unseres Wohnungsbauausschusses wurde auch von unserem Herrn Minister und Ihnen von der Mehrheitspartei selber zum Ausdruck gebracht: Wir sehen ein, daß wir das Gesetz ändern müssen. Was für das soeben Dargelegte gilt, ist auch bei den Mitteln für die Wohnungsbauprämien gegeben. In diesem Jahre sind 146 Millionen im Etat für diesen Zweck ausgewiesen. Gebraucht werden aber mindestens 370 Millionen. Die Differenz von 224 Millionen muß laut Gesetz den Mitteln entnommen werden, die eigentlich für eine echte Wohnungsbauförderung bestimmt sind, was man bei den Wohnungsbauprämien aber nicht immer behaupten kann. Diese Entwicklung, eine von Jahr zu Jahr steigende Inanspruchnahme öffentlicher Mittel aus dem immer kleiner werdenden Fonds, die doch eigentlich für den Wohnungsbau bestimmt sind, muß sich für den letzteren sehr, sehr negativ auswirken. In der zweiten Lesung zum Haushalt hat der Herr Kollege Baier ebenfalls eine rasche Klärung im Zusammenhang mit der Situation in bezug auf die Wohnungsbauprämien in BadenWürttemberg gefordert, auf die ich hier nicht einzugehen brauche, da sie uns allen bekannt ist, ebenso Herr Kollege Dr. Will. Es handelt sich um eine Forderung, die quer durch alle Fraktionen geht und die zeigt, daß man sich in allen Fraktionen bewußt ist, daß eine Änderung dieses Gesetzes erfolgen muß. In unserem Entschließungsantrag betreffend den Entwurf des von uns gewünschten Änderungsgesetzes zum Zweiten Wohnungsbaugesetz beantragen wir, der Entwicklung entsprechend die gesetzlichen Bestimmungen zu vereinfachen und die Rangfolgeregelungen aufzulockern. Gerade im Zuge der auf uns zukommenden Liberalisierung der Wohnungswirtschaft sollten die Wohnungsbauprogramme geändert und nicht in Kästchen und Grüppchen gezwängt werden, damit allen Bevölkerungskreisen und Gruppen, insbesondere denjenigen, die bisher die Benachteiligten waren, geholfen werden kann. Um dieses Ziel effektiv erreichen zu können, ist es nach unserer Auffassung notwendig, die Mittel zur Förderung des sozialen Wohnungsbaues wieder auf 700 Millionen zu erhöhen. Gewiß ist versucht worden und wird versucht, mit anderen Finanzierungssystemen Ausgleiche zu schaffen, so mit dem Versuch, stärker auf den Kapitalmarkt zurückzugreifen, Zinszuschüsse zu gewähren usw. Aber die Gruppe der Wohnungsuchenden, derjenigen, die bisher nicht zu einer Wohnung gekommen sind - und das, meine Damen und Herren, sind in der Regel die sozial Schwächsten und die in Lager Wohnenden -, beseitigen wir nur durch verstärkten sozialen Wohnungsbau aus öffentlichen Mitteln. Wir brauchen die verstärkten öffentlichen Mittel auch, um zu Mieten zu kommen, die nicht bei 1,80 bis 2,40 DM pro Quadratmeter liegen; denn ein solcher Preis kann von diesen Bevölkerungsgruppen nicht bezahlt werden. Ich glaube, wir sind uns alle in diesem Hause bewußt, daß eine Änderung des Zweiten Wohnungsbaugesetzes - wenn vielleicht auch aus verschiedenen Motiven, Begründungen und Argumentationen heraus - notwendig ist. Um recht bald mit einem der Entwicklung angepaßten Gesetz weiterzukommen, bitte ich Sie, unserem Entschließungsantrag zuzustimmen, die Bundesregierung möge dem Hohen Hause bis zum 1. November 1960 den Entwurf eines Änderungsgesetzes zum Zweiten Wohnungsbaugesetz vorlegen. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Wird weiter das Wort gewünscht? - Der Herr Bundesminister für Wohnungsbau.

Paul Lücke (Minister:in)

Politiker ID: 11001387

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Hohe Haus wird sich in den nächsten Wochen mit wohnungspolitischen Problemen anläßlich der Verabschiedung des Bundesbaugesetzes, der Einführung eines sozialen Mietrechts und des Abbaues der Wohnungszwangswirtschaft eingehend zu befassen haben. Ich darf mich deshalb zur dritten Beratung auf einige Bemerkungen zum Entschließungsantrag der Fraktion der SPD beschränken. Die hier geforderte Änderung des Zweiten Wohnungsbaugesetzes ist in dieser Form nicht möglich. Überlegungen, das Zweite Wohnungsbaugesetz den derzeitigen Verhältnissen anzupassen, sind im Gange. Im Ausschuß für Wohnungswesen, Bau- und Bodenrecht wird zu gegebener Zeit die Frage beraten werden. Die Erfüllung der Wünsche der Opposition hinsichtlich der Beseitigung der Degression würde die Zurverfügungstellung weiterer 210 Millionen DM für den Wohnungsbau und, wenn man die Erhöhung der Wohnungsbauprämien hinzurechnet, einen Mehrbetrag von insgesamt über 500 Millionen DM erfordern. Das steht, Herr Kollege Schäfer, hier im Antrag. Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie wissen selber, daß wir Gott sei Dank in einer ausgezeichneten Konjunktur stehen und daß in gewissen Teilbereichen unserer Wirtschaft sogar Besorgnisse hinsichtlich einer möglichen Konjunkturüberhitzung laut werden. Der Wohnungsbauminister müßte sich eigentlich dafür bedanken, daß man ihm hier Haushaltsmittel in Höhe von über 500 Millionen DM bereitstellen will. ({0}) - Verzeihen Sie, Sie beantragen mit Ihrem Entschließungsantrag, das in diesem Haushalt für 1960 zu verankern. Meine Damen und Herren, ich könnte dieses Geld, wenn Sie es mir gäben, nicht verbauen; denn die Bauwirtschaft ist bis zum Rande angespannt. Wir haben im letzten Jahr die Rekordzahl von 592 000 erbauten Wohnungen erreicht und werden auch im laufenden Baujahr wiederum 550 000 Wohnungen bauen können. Ich muß deshalb bitten, den Entschließungsantrag in dieser Hinsicht abzulehnen. Ich darf es mir ersparen, auf die weiteren Einzelheiten einzugehen, kann aber hier die Versicherung abgeben, daß über die Frage der Neuregelung der Prämien auch mit dem Bundesminister der Finanzen und den Ländern Besprechungen im Gange sind, die, so hoffen wir, eine befriedigende Regelung ergeben werden. Auch für das Baujahr 1961 und, so hoffe ich, für 1962 wird das Bauvolumen gehalten werden können. Denn wir wollen die Zwangswirtschaft nicht beseitigen, wenn nicht gleichzeitig die Reste der Wohnungsnot beseitigt werden können. Ich muß deshalb darum bitten, den Antrag abzulehnen. Die wohnungspolitischen Sorgen erweisen sich in diesem Augenblick Gott sei Dank als überflüssig. ({1})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Keine weiteren Wortmeldungen. Ich lasse über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 584 abstimmen. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Der Antrag ist abgelehnt. Wir kommen zum Einzelplan 26 Geschäftsbereich des Bundesministers für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte. Hier liegt kein Änderungsantrag mehr vor, da der Antrag auf Umdruck 508 zurückgezogen worden ist Ich rufe auf Einzelplan 29 Geschäftsbereich des Bundesministers für Familien- und Jugendfragen. Dazu liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 547 vor. Zur Begründung hat das Wort Frau Abgeordnete Krappe.

Edith Krappe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001197, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das in unserem Antrag auf Umdruck 547 behandelte Anliegen haben wir bereits im vorigen Jahr ausführlich begründet und auch in der zweiten Lesung am 8. April schon erörtert. Wir wollen mit diesem Entschließungsantrag lediglich erreichen, daß wirklich von Grund auf eine Neuregelung für den Studentenwohnungsbau gefunden wird. Wir fordern deshalb einen Fünfjahresplan und und möchten, daß auch einmal grundsätzlich klargestellt wird, welches Ministerium hier zuständig ist. Vorläufig sind drei Ministerien zuständig, nämlich das Wohnungsbauministerium, das Innenministerium und das Familienministerium. Diese Frage ist an sich zweitrangig, und es ist uns gleichgültig, wie man sich hier einigt, welches Ministerium für zuständig erklärt wird. Wir meinen jedoch, daß e i n Ministerium als Träger bestimmt werden sollte, damit wirklich ernsthaft an die Dinge herangegangen wird. Zur Zeit fällt von jedem Ministerium ein bißchen dafür ab, und die Mittel reichen nicht aus. Ziffer 2 unseres Entschließungsantrags sagt, daß endgültig geklärt werden müsse, wie die Kosten aufzubringen sind. Im vorigen Jahr hatte man sich darauf geeinigt, daß der Bund, das Land und der Träger je ein Drittel der Kosten aufbringen sollten. Es hat sich herausgestellt, daß bei dieser Bedingung nicht genügend Träger zu finden sind, die die notwendigen Beträge aufbringen können, oder daß dann die Mieten so werden, daß die Studenten sie nicht bezahlen können. Beides würde nicht dem entsprechen, was gewollt ist. Wir regen deshalb in unserem Entschließungsantrag an, den Schlüssel 40 : 40 : 20 vorzusehen. Der Bund und das Land sollen also je 40 % und der Träger nur 20 % aufbringen. In Ziffer 3 unseres Entschließungsantrags bitten wir, die Mittel des Fünfjahres-Programms jeweils in den Haushaltsplan des laufenden Haushaltsjahres einzusetzen. Wir sind der Meinung, daß man nur so eine wirkliche Abhilfe schaffen kann. Die Not auf diesem Gebiet ist außerordentlich groß. Wir haben das in der zweiten Lesung dargestellt, und ich will es heute nicht wiederholen. Ich bitte dringend, den Entschließungsantrag anzunehmen. Es handelt sich hier um ein Problem, das alle Fraktionen angeht. Ich bitte, den Antrag nicht abzulehnen, nur weil er von der SPD kommt. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Keine Wortmeldungen? ({0}) - Ist das Haus mit der Überweisung an den Ausschuß für Familien- und Jugendfragen einverstanden? - Das ist der Fall. ({1}) - Zur Mitberatung an den Haushaltsausschuß! - Kein Widerspruch. Wir kommen zum Einzelplan 31 Geschäftsbereich des Bundesministers für Atomkernenergie und Wasserwirtschaft. Hier liegt auf Umdruck 574 ein Antrag der Abgeordneten Memmel, Dr. Bechert, Dr. Dehler, Dr. Schneider ({2}) und Genossen vor. Zur Begründung hat der Abgeordnete Memmel das Wort.

Linus Memmel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001466, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Damit die Unterzeichner des Antrags auf Umdruck 574 nicht in den Geruch einer besonderen Hartnäckigkeit kommen, möchte ich erklären, warum wir den Antrag wiederholen. Sie wissen, daß der zuständige Fachausschuß, der Atomausschuß, einstimmig beschlossen hat, den Haushaltsausschuß zu bitten, diesen Leertitel aufzufüllen. Der Haushaltsausschuß hat dieser Bitte nicht entsprochen. Im Haushaltsausschuß ist der Antrag bei Stimmengleichheit abgelehnt worden. Im Plenum ist in der zweiten Lesung die Abstimmung auch sehr zweifelhaft gewesen. Es wurde zunächst durch Handaufheben abgestimmt, dann durch Aufstehen und dann noch einmal durch Aufstehen abgestimmt. Unter Unterstützung von der Regierungsbank wurde der Antrag dann abgelehnt, und zwar fast mit Stimmengleichheit. Deshalb haben wir den Antrag noch einmal gestellt. Zur materiellen Begründung brauche ich nur auf das Bezug zu nehmen, was ich bereits in der zweiten Lesung gesagt habe. Es wäre ungerecht, wenn man eine Maßnahme, die für drei Jahre vorgesehen war, im letzten Jahr abstoppte. Die Gründe, die dafür vorgebracht worden sind - das Jahr 1959 sei das letzte gewesen -, ziehen deswegen nicht, weil das Abkommen mit den Ländern, das die Grundlage darstellen sollte, nicht zustande gekommen ist. Ich bitte deshalb, dem Antrag zuzustimmen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Abgeordneter Dr. Vogel!

Dr. Rudolf Vogel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002380, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will es kurz machen. Wir wollen die Tragikomödie der zweiten Lesung hier nicht wiederholen. An den Gründen, die gegen den Antrag sprechen, hat sich nichts geändert. Wenn wir im Haushaltsausschuß vor drei Jahren einmal einen solchen Sündenfall begangen haben - ich sage: es war ein Sündenfall -, indem wir diese absolute Kompetenzüberschreitung gegenüber den Ländern zugelassen haben, dann sollten wir das jetzt nicht wiederholen. Es kann niemals Sache des Bundes sein, höhere Lehranstalten in den Ländern mit Unterrichtsmaterial zu versorgen. Das ist eine einwandfreie Kompetenzwidrigkeit. Die Länder sind auf die Wahrung ihrer Zuständigkeiten sehr bedacht und auf diese Zuständigkeiten sehr stolz. Sie sollten auch in diesem Falle konsequent sein. Wir sollten aber zuerst konsequent sein. ({0}) Es handelt sich hier nicht um überwältigend große Summen. Aber es geht hier um ein Prinzip. Um dieses Prinzips willen bitte ich alle, die für klare Zuständigkeiten von Bund und Ländern eintreten, gegen den Antrag zu stimmen. ({1})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Wir kommen zur Abstimmung! Wer dem Änderungsantrag der Abgeordneten Memmel und Genossen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das letzte ist eindeutig die Mehrheit; der Änderungsantrag ist abgelehnt. Wir kommen zu: Einzelplan 33 Versorgung. Dazu liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 523 vor. ({0}) - An welchen Ausschuß? ({1}) - Es wird Überweisung an den Haushaltsausschuß beantragt. Sind Sie einverstanden? ({2}) - Und Innenausschuß. - Nun, meine Damen und Herren, ich bin eigentlich der Meinung, man kann nicht, bloß weil es jetzt elegant ist, sagen: „An den Ausschuß!" Ich kann auch nicht alle Entschließungsanträge daraufhin studieren, ob es sinnvoll ist, sie an einen Ausschuß zu überweisen. ({3}) - Wenn Sie darauf bestehen, muß ich abstimmen lassen. ({4}) Es ist Ausschußüberweisung beantragt. ({5}) - Es ist also Überweisung an den Ausschuß für Inneres beantragt. Ist das Haus damit einverstanden? ({6}) Präsident D. Dr. Gerstenmaier - Dann muß ich abstimmen lassen. Wer für Uberweisung an den Ausschuß für Inneres ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das erste war die knappe Mehrheit; der Antrag ist an den Ausschuß für Inneres überwiesen. Einzelplan 36 ist erledigt. Wir kommen zu: Einzelplan 40 Soziale Kriegsfolgeleistungen. Dazu liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion der FDP - Umdruck 536 ({7}) - vor. Wird er begründet? -- Keine Begründung. Wird das Wort gewünscht? ({8}) - An welchen Ausschuß? ({9}) - Es ist Überweisung an den Ausschuß für den Lastenausgleich beantragt. Ich höre keinen Widerspruch. Das Haus ist einverstanden; es ist so beschlossen. Wir kommen zu: Einzelplan 60 Allgemeine Finanzverwaltung. Dazu liegt auf Umdruck 549 ein Entschließungsantrag der Abgeordneten Frenzel, Dr. Menzel und Fraktion der SPD vor. - Herr Abgeordneter Ritzel!

Heinrich Georg Ritzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001860, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit diesem Entschließungsantrag kommen wir zum zweitenmal auf ein Problem zu sprechen, das das Hohe Haus sicherlich sehr angeht. Es handelt sich um unseren Wunsch, daß zu Lasten des Kapitels 60 04, Titel 311 - Entschädigungen für Opfer der, nationalsozialistischen Verfolgung - den noch lebenden polnischen Frauen und Mädchen, die in der Hitlerzeit als medizinische Versuchsobjekte dienen mußten und schwere gesundheitliche Schäden erlitten, unverzüglich eine angemessene Entschädigung zukommen soll. Der Ausschuß für Wiedergutmachung und der Haushaltsausschuß sollen vor Abschluß der Verhandlungen über das Ergebnis dieser Verhandlungen unterrichtet werden. Es handelt sich, meine Damen und Herren, um damals junge katholische weibliche Mitglieder der polnischen Widerstandsbewegung. Es sind 30 Namen bekannt. Eine dieser Frauen soll bereits abgefunden sein. 29 haben noch keine Zahlung erhalten bzw. eine Zahlung von je 1000 Dollar aus der Bundeskasse nicht ,angenommen, weil sie diese Leistung mit Rücksicht auf die damit verbundenen Umstände nicht anerkennen wollten. Es handelt sich um Mädchen, die damals in dem Experimentierblock des KZ Ravensbrück verunstaltet, vergiftet, sterilisiert wurden, mit unheilbaren Leiden, mit gestörtem Nervensystem, mit mehrfach gebrochenen Beinen und tiefen seelischen Wunden die Hitlerzeit überstanden haben. Es steht heute durch ärztliche Gutachten fest, daß ein normales menschliches Leben diesen Opfern eines wahnsinnigen Systems nicht mehr möglich ist. Viele haben zudem ein Herzleiden, Tuberkulose oder Knochenmarkentzündung davongetragen. Perniziöse Anämie, Hypertonie und eine große Anzahl hyperaktiver Neurosen sind als Folgen der KZ-Behandlung in Erscheinung getreten. Voll erwerbsfähig ist keine dieser Frauen. Es müssen nun Mittel und Wege gesucht werden, um unter Überwindung gewisser politischer Widerstände und Tatsachen eine vernünftige Regelung zugunsten dieser Frauen zu finden. Die Frauen sind vor einiger Zeit im amerikanischen Senat gewesen und sind dort als Opfer des Hitlerismus groß empfangen worden. Amerika ist noch heute über diese Angelegenheit zutiefst erregt. Wir haben nicht nur eine politische, sondern vor allem eine moralische Verpflichtung, hier zu helfen. Auf Grund gewisser Vorbesprechungen darf angenommen werden, daß die politischen Schwierigkeiten, die die Regierung bisher gesehen hat, durch die Einschaltung etwa des Deutschen und des Internationalen Roten Kreuzes überwunden werden können. Ich glaube, jedes weitere Wort der Begründung für eine Leistung, wie sie unser Antrag anstrebt, ist überflüssig. Ich bitte das Hohe Haus, diesem Entschließungsantrag zuzustimmen. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Wird dazu das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich hoffe, daß ich recht gesehen habe: der Entschließungsantrag ist einstimmig angenommen. Umdruck 562, Entschließungsantrag der Fraktion der FDP. ({0}) - Muß der jetzt aufgerufen werden? ({1}) - Herr Abgeordneter Atzenroth, dann rufe ich Ihren Antrag im Anschluß hieran auf. Ich rufe jetzt also einen Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf, der mir eben vorgelegt worden ist und der noch keine Nummer hat. Ich nehme an, daß Herr Abgeordneter Dr. Vogel ihn dem Hause im Wortlaut vortragen wird. Herr Abgeordneter Dr. Vogel!

Dr. Rudolf Vogel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002380, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Änderungsantrag, den ich Ihnen vorzulegen habe, entspricht einer technischen Notwendigkeit. Er lautet folgendermaßen: Im Kap. 60 02 Tit. 699 „Minderausgaben zufolge der 10 %igen Sperre der Bewilligungen von Sachausgaben sowie für allgemeine Ausgaben und einmalige Ausgaben" wird der Ansatz von 1 221 280 900 DM um 2 400 000 DM auf 1 223 680 900 DM erhöht. Dies ist der Wortlaut des Antrags, der notwendig ist, um das Zahlenbild des Einzelplans 60 jetzt sinngemäß umzugestalten.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Ich danke. Sie haben den Antrag gehört. Wird dazu das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einer Reihe von Enthaltungen und einzelnen Gegenstimmen angenommen. Ich komme zurück zu den Entschließungsanträgen und gebe das Wort zur Begründung des Entschließungsantrags der Fraktion der FDP auf Umdruck 562 Herrn Abgeordnten Dr. Atzenroth.

Dr. Karl Atzenroth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000057, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Meine Damen und Herren! Das Ziel dieses Antrags ist ,es, zu verhindern, daß aus dem 42-Milliarden-Haushalt ein 43-MilliardenHaushalt wird oder gar ein Haushalt von noch größerem Umfang. Dabei ist es für uns nicht entscheidend, daß dieses Ziel auf dem Wege erreicht wird, den wir in diesem Entschließungsantrag vorschlagen, also im Wege der Umsatzsteuer. Wenn wir das Ziel mit einer anderen Steuer erreichen können, sehen wir unser Anliegen auch als erfüllt an. Wir sind auch damit einverstanden, daß man die Anleiheermächtigung etwa um 1 Milliarde herabsetzt. Alle diese Maßnahmen könnten, wenn sich im Ausschuß ein besonders günstiger Vorschlag findet, genau ,dasselbe Ziel erreichen. In der zweiten Lesung ist von den Rednern der CDU bestritten worden, daß mit einem höheren Aufkommen aus Steuern gerechnet werden kann, als sich ,aus den Ansätzen ergibt, die jetzt in Kap. 60 01 enthalten sind. Der Kollege Dr, Aigner hat sogar von einem Jongleurakt gesprochen. Ich hätte an diesem 6. April, als sich das ereignete, nicht geglaubt, ,daß ich durch ein klares Zahlenmaterial so schnell gerechtfertigt würde, und zwar von demBundesfinanzministerium selbst; denn ,das, was ich Ihnen vortragen will, stützt sich im wesentlichen auf die ,,Finanzpolitischen Mitteilungen" des Bundesministers der Finanzen. Ich nehme nur die drei großen Gruppen auf der Einnahmenseite heraus, also die drei Einkommensteuern - natürlich nur den Bundesanteil -, die beiden Umsatzsteuern und die Zölle. Das Ist-Aufkommen hieraus betrug im Jahre 1959 rund 24 Milliarden DM. Nach der vom Haushaltsausschuß für diesen Haushalt gegenüber der Regierungsvorlage vorgenommenen Erhöhung, die Sie ja beschlossen haben, stehen diese drei Posten mit 26,7 Milliarden DM im Plan. Das ist eine Erhöhung um 11,4%, natürlich nur eine Schätzung, selbstverständlich. Wir können nichts anderes als Schätzungen vornehmen. Was zeigt sich nun in der Praxis? Das Ergebnis ,des Monats März - das letzte korrekte Ergebnis, das uns vorliegt, und zwar nach den amtlichen Zahlen - liegt um 18 °/oüber dem Ist-Aufkommen des Monats März 1959. Das ist eine unbestreitbare konkrete Zahl, kein Jonglieren, wie Herr Dr. Aigner es genannt hat. Wenn ich das Ergebnis auf das ganze Jahr 1960 umrechne, würden allein diese drei genannten Steuergruppen ein Mehraufkommen von 1,6 Milliarden DM erbringen. Aus allen Bundessteuern zusammen könnte man also nicht mit 1 Milliarde, die wir angenommen haben, sondern mit 2 Milliarden höherem Steueraufkommen rechnen. Nun kann man natürlich einwenden, daß der Monat März kein typischer Monat ist, nicht der Monat, auf den man alles stützen kann. Daß aber die anderen kommenden Monate mindestens die Hälfte dieses günstigen Ergebnisses erbringen werden - also 1 Milliarde im letzten Ergebnis -, das kann auch niemand bestreiten. Das wird noch einmal durch eine Mitteilung der Deutschen Bundesbank unterstützt, die ich allerdings erst aus der Presse habe. In dieser Mitteilung wird auch das Aufkommen für den Monat April als besonders hoch, als unerwartet hoch bezeichnet. Es ist also so, daß wir tatsächlich mit einem wesentlich höheren Aufkommen als diesen 11,4 %, die Sie geschätzt haben, rechnen müssen. Lesen Sie die Presse heute. „Wieder hohe Zuwachsrate des Sozialprodukts" - „Mehr Steuern als erwartet", das sind die Schlagzeilen, die ,die Presse bringt. ({0}) - Mein Parteifreund, der Finanzminister in Bremen, und ich haben ,oft sehr verschiedene Ansichten. Das gebe ich offen zu. Aber ich vertrete hier die Ansicht der FDP-Fraktion in diesem Bundestag. Nun kommt noch eines hinzu. Der Herr Bundesfinanzminister hat uns ein neues Steuergesetz vorgelegt. Das will er - das haben Sie doch durch Ihre Anträge bewiesen - sehr schnell durchbringen. Dieses neue Steuergesetz soll etwa 400 Millionen DM Mehraufkommen bringen. Wir haben erhebliche Einwendungen gegen dieses Steuergesetz. Aber wir unterstellen, Sie werden es beschließen. Wir haben noch nicht gelesen, daß dem Mehraufkommen von 400 Millionen DM durch Wegfall von Vergünstigungen - das ist ja auch ein Mehraufkommen - eine Steuersenkung gegenübergestellt würde. Der Betrag von 400 Millionen kommt ja auch mit herein. ({1}) - Welche Darlehen? (Abg. Dr. Conring: Die Darlehen, die der Bund aufnehmen will! - Das hat hiermit nichts zu tun, das gehört nicht hierher. ({2}) Meine Damen und Herren, unser Antrag geht von folgendem aus: es ist mit Sicherheit zu erwarten, daß wir nicht ein Mehraufkommen von 1 Milliarde DM, sondern wahrscheinlich von 2 Milliarden DM und noch mehr haben werden. Aber darüber brauchen wir nicht zu reden. Die Mehreinnahme von 1 Milliarde DM ist sicher. Wir suchen nun Mittel und Wege, um zu verhindern, daß dieser Betrag von 1 Milliarde DM über den Etat hinaus ausgegeben wird. ({3}) Nun erwarte ich einen Einwand. Herr Finanzminister Etzel wird mir jetzt möglicherweise wieder den Einwand bringen - er hat mich vorhin als abwesend bezeichnet, ich war allerdings anwesend -: Wenn es sich um neue Ausgaben handelt, dann ist Herr Atzenroth nicht da. Er würde also das Beispiel der Beamtengehälter bringen. Herr Finanzminister, das wäre in diesem Falle ein sehr schlechtes Beispiel; denn nicht von uns sind Anträge auf Erhöhung der Ausgaben gekommen, von Ihnen, von der Bundesregierung sind sie gekommen, Sie haben einen Gesetzentwurf über höhere Ausgaben vorgelegt. ({4}) Mein Kollege Eilers hat nachgewiesen, wie sich die Dinge im Ausschuß abgespielt haben. ({5}) Im Ausschuß war der Herr Bundesfinanzminister nicht anwesend. Er hätte seine Begründungen dort geben können. Die Kollegen der CDU und der SPD haben meinen Kollegen gebeten, doch einen Vermittlungsvorschlag zwischen diesen beiden großen Fraktionen zu machen. Was da herausgekommen ist, nämlich ein einstimmiger Beschluß, auch mit Ihren Stimmen, das kann doch nicht uns zur Last gelegt werden. ({6}) - Aber, meine Damen und Herren, wenn Sie nun alle diese -

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Meine Damen und Herren, ich würde doch empfehlen, sich über Tatbestände, die nunmehr der Geschichtsschreibung vorbehalten sind, ({0}) nicht weiter, sozusagen am späten Abend, zu ereifern.

Dr. Karl Atzenroth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000057, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ein anderes Problem: Die Mehrausgaben durch die Erhöhung der Beamtengehälter sollen durch das Mehraufkommen aus der neuen Steuer gedeckt werden. Das hat mit diesem Betrag von 1 Milliarde DM, der wahrscheinlich eine Höhe von 2 Milliarden DM erreichen wird, nichts zu tun. Die Tatsache bleibt unbestreitbar: aus dem 42-Milliarden-Haushalt wird ein 43-Milliarden-Haushalt, wenn wir nicht vorbeugen und wenn wir nicht eine Bremse anlegen. Wenn Sie das auf andere Weise erzielen wollen, ist uns das recht. ({0}) - Bitte, dann streichen wir von der Anleiheermächtigung den Betrag von 1 Milliarde DM ab. Damit sind wir auch einverstanden; das habe ich ja schon zu Anfang gesagt. Wenn wir aber in dem Ziele einig sind, dann sollten Sie unserem Entschließungsantrag zustimmen. ({1})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Vogel.

Dr. Rudolf Vogel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002380, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Atzenroth, die Argumentation ist seit der zweiten Lesung nicht wesentlich besser geworden. Ich muß Ihnen eines sagen: Halten Sie sich einmal das Verhalten Ihrer Fraktion zu den großen massiven Ausgaben, für die in der letzten Zeit entweder Anträge vorliegen oder die wir schon beschlossen haben, vor Augen! Wie haben Sie sich da verhalten? Wir fragen Sie nicht danach, was im Ausschuß passiert ist, sondern wir fragen nach Ihrem Verhalten heute beim Etat, wie Sie an diesem Tage gestimmt haben. Uns ist sehr wohl in Erinnerung, welche Anträge auch Sie zur Kriegsopferversorgung gestellt haben, ehe man sich nachher geeinigt hat. Heute haben wir erst wieder einen Vortrag Ihres verehrten Kollegen Eilers gehört, in dem er einfach vorschlug, wir sollten auf 10 % der gesamten Umsatzsteuer zugunsten der Gemeinden verzichten, was einen runden Betrag von 1,4 Milliarden DM ausmachen würde. Mit solchen Anträgen können Sie uns wirklich keinen überzeugenden Nachweis Ihrer Sparsamkeit in der Haushaltsgebarung erbringen. ({0}) Nun noch etwas Weiteres. Ich setze den Fall, Ihre geradezu phantastische Erwartung hinsichtlich des Steuermehraufkommens ginge wirklich in Erfüllung und wir wiirden wirklich 1 Milliarde DM mehr bekommen. Das nimmt Ihnen aber niemand ab, denn 1,4 Milliarden DM haben wir in der Steuererwartung ohnehin schon zugelegt. ({1}) - Darüber hinaus? Schön! Was würde denn dann passieren? Wenn Sie die Freundlichkeit gehabt hätten, den „goldenen Worten" zuzuhören, die ich heute in der Mittagspause verschwendet habe, hätten Sie gehört, was ich dargelegt habe: daß der Bundesfinanzminister kaum Aussicht darauf hat, 1,5 Milliarden DM auf dem Wege der Anleihe zu bekommen. Was bedeutet das in der Praxis? Erhält er sie nicht, wird sich das Defizit auf 2,5 Milliarden DM erhöhen. Das ist doch ganz klar. Wenn er die 1,5 Milliarden DM nicht erhielte, hätte aber wirklich ein Steuermehraufkommen zur Verfügung, dann wäre er in der glücklichen Lage, daraus wenigstens die notwendigsten Ausgaben im außerordentlichen Haushalt zu decken. Ich fürchte, dieser Fall wird nicht eintreten. Wenn er einträte, wäre es ein außergewöhnlicher Glücksfall für ihn. Ich bitte das Hohe Haus, diesem Antrag unter keinen Umständen zuzustimmen. ({2}) Herr Präsident, darf ich gleich den Entschließungsantrag Umdruck 551 ({3}) begründen?

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Nein, Herr Abgeordneter, zu diesem Punkt hat erst noch Herr Dr. Rutschke das Wort.

Dr. Wolfgang Rutschke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001909, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Meine Damen und Herren! Herr Dr. Vogel, Sie wollten dem Herrn Kollegen Dr. Atzenroth beweisen, daß sein Antrag unlogisch sei. ({0}) - Der Antrag ist nicht unlogisch. Sie haben ja heute alle Erhöhungsanträge abgelehnt, so daß jetzt dieses Mehraufkommen von 1 Milliarde DM frei wird. Daher ist dieser Antrag durchaus logisch. ({1})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Meine Damen und Herren, es wird über den Entschließungsantrag Umdruck 562 der Fraktion der FDP abgestimmt. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Der Antrag ist abgelehnt. Nun lasse ich über den Einzelplan 60 in der durch den Änderungsantrag Vogel geänderten Fassung abstimmen. Wer zustimmen will, gebe bitte ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Mit großer Mehrheit angenommen. Nun komme ich zu dem Haushaltsgesetz und rute den Entschließungsantrag Umdruck 550 der Abgeordneten Corterier, Lange ({0}), Regling und Fraktion der SPD auf. Wird er begründet? - Herr Abgeordneter Lange!

Erwin Lange (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001283, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem Antrag wollen wir erreichen, daß die in den verschiedenen Einzelplänen verstreuten Ansätze für Förderungsmittel für Handwerk, Handel, übriges Gewerbe einschließlich kleinerer und mittlerer Industrie und für die freien Berufe in einer Etatposition zusammengefaßt werden. Wir wollen damit gleichzeitig verhindern, daß die zusammengefaßten Förderungsmittel für die Wirtschaft auch noch Wirkungen nach bestimmten Richtungen haben könnten, die hier in der Konzentrationsdebatte eine Rolle gespielt haben. Ich komme zu Ziffer 2. Wir haben Kreditgarantiegemeinschaften in Handwerk und Einzelhandel und zwei Kreditgarantiegemeinschaften im Fremdenverkehrsgewerbe. Der Sektor kleinerer und mittlerer Betriebe im übrigen Gewerbe sowie der kleineren und mittleren Industrie bleibt völlig unbetreut. Wie Sie aus dem Antrag ersehen, liegt uns daran, daß eine einheitliche Bundeskredit- und Garantiekasse errichtet wird. Dazu ist nicht die Errichtung eines neuen Instituts erforderlich. Ich verweise auf das Beispiel der Lastenausgleichsbank als Kopfinstitut für Kredite aus dem ERP-Vermögen für die freien Berufe. Würde auch die Ziffer 2 des Antrags angenommen, ergäbe sich ein Ansatz für eine umfassende Kredit- und Investitionspolitik nach einheitlichen Grundsätzen und Richtlinien.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Wird dazu das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Ich lasse über den Entschließungsantrag Umdruck 550 abstimmen. ({0}) - An welchen Ausschuß? ({1}) - Jetzt streiten Sie sich mal: Es soll an den Wirtschaftsausschuß und an keinen anderen Ausschuß überwiesen werden? - Der Antrag soll also an den Wirtschaftsausschuß überwiesen werden. ({2}) - Verzichten Sie auf diesen Antrag? - Ist das Haus damit einverstanden, daß der Antrag an den Wirtschaftsausschuß überwiesen wird? - Kein Widerspruch; es ist so beschlossen. Nun hat der Herr Abgeordnete Dr. Vogel zur Begründung des Entschließungsantrags Umdruck 551 das Wort.

Dr. Rudolf Vogel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002380, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist mir sehr wohl bekannt, daß der Entschließungsantrag Umdruck 551 ({0}) hier und dort Bedenken ausgelöst hat. Ich bin extra hier heraufgegangen, um zu versuchen, die Bedenken, die sich erhoben haben, zu zerstreuen. Herr Kollege Schoettle, Sie haben ir Ihrer Rede heute morgen auch Bedenken geäußert. Ich glaube, daß die Voraussetzungen, von denen Sie ausgehen, wirklich nicht begründet sind. Wir wissen, daß wir uns für den Haushalt 1961 im Juli dieses Jahres noch außergewöhnlich hohen Personalanforderungen fast aller Ressorts gegenübersehen werden. Man hört ja schon im voraus etwas von der Welle, die zwar ein Jahr aufgestaut war, jetzt aber mit doppelter Wucht auf uns zukommen wird. Es ist ganz offensichtlich, daß sich der Bundesfinanzminister gegenüber diesem Ansturm in einer außergewöhnlich schwierigen Position befindet. Der Abs. 1 dieses Entschließungsantrages enthält im Grunde genommen nichts weiter als das, was alle Ressorts von sich aus zu tun verpflichtet sind. Sie tun es einer traurigen Erfahrung nach, die wir gemacht haben, aber leider nicht. Um nun nicht nur dem Bundesfinanzminister, sondern auch uns im Haushaltsausschuß die Möglichkeit zu geben, einen strengen Maßstab anzulegen - ich betone ausdrücklich: den strengen Maßstab anzulegen, den im Grunde genommen die Reichshaushaltsordnung vorsieht und an den wir eigentlich alle Ressorts gebunden sehen möchten -, haben wir diesen Abs. i des Entschließungsantrags formuliert. Zu Abs. 2 ist weiter nichts zu sagen. Es ist beinahe auch eine Selbstverständlichkeit, daß die Verwaltung gehalten sein soll, Rationalisierung von sich aus durchzuführen. ({1}) - Sollte! - Aber auch hier wissen wir, wie es in der Praxis da und dort bestellt ist. Nun zu Abs. 3. Hier bestanden die größten Bedenken. Ich möchte, Herr Präsident, vorschlagen, meinen Antrag insofern zu ändern, als in Zeile 3 des Abs. 3 vor die Worte „10 v. H." das Wort „insgesamt" eingefügt wird und in der vorletzten Zeile das Wort „Einzelplan" durch „Gesamthaushalt" erDr. Vogel setzt wird. Mit dieser „Einsparung im Gesamthaushalt" geben wir, ,glaube ich, die Möglichkeit einer elastischeren Gestaltung und werden damit wohl alle Bedenken ausräumen, die hier und da gegen diesen Antrag geltend gemacht worden sind. Ich bitte Sie, diesem Entschließungsantrag zuzustimmen; denn er wird eine wesentliche Hilfe für die ungemein schwierige Arbeit des Haushaltsausschusses bei der in diesem Jahr noch zu erfolgenden Beratung des Einzelplans 61 bedeuten. ({2})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Meine Damen und Herren, ein Wort wird eingefügt und eines wird geändert. Durch die Einfügung ergibt sich der Wortlaut: „um insgesamt 10 v. H.", und statt „Einzelplan" ist „Gesamthaushalt" zu lesen. ({0}) Dazu hat der Herr Abgeordnete Schoettle das Wort.

Erwin Schoettle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002061, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Trotz der Änderungen, die der Herr Kollege Vogel gerade vorgetragen hat, haben wir gegen den Antrag doch starke Bedenken. Wir glauben, daß darin eine viel zu weitgehende Bindung für die Haushaltsberatungen selber liegt. Ich bin durchaus bereit, Ihren Gesichtspunkt anzuerkennen, daß Sie für den Herrn Bundesfinanzminister eine Hilfestellung haben wollen. Über die Gründe brauchen wir uns hier nicht im einzelnen auseinanderzusetzen. Trotzdem bedeutet Ihr Antrag nach meiner Auffassung eine so weitgehende Einschränkung der Bewegungsfähigkeit in den Haushaltsberatungen, daß meine Freunde und ich die größten Bedenken dagegen haben, diesen Antrag ohne eine Beratung im Ausschuß über die Bühne gehen zu lassen. Es ist nicht gesagt, daß es bei den unveränderten Ansätzen bleiben muß. Warum soll man denn die unveränderten Ansätze als Ausgangspunkt akzeptieren? Man kann auch einmal der Meinung sein, daß man darunter bleiben könnte. Man muß sich doch nicht schon heute auf die Ansätze des Jahres 1960 festlegen. Aber das tun Sie praktisch mit Ihrem Vorschlag. Ich würde also vorschlagen, den Antrag dem Haushaltsausschuß zu überweisen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Ich lasse zunächst über den Antrag auf Überweisung an den Haushaltsausschuß abstimmen. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das letzte ist die Minderheit: der Antrag ist an den Haushaltsausschuß überwiesen. Damit kommen wir zum letzten Entschließungsantrag, einem Antrag der Abgeordneten Schoettle, Ritzel, Dr. Schäfer, Heiland und Fraktion der SPD Umdruck 571. Wird dazu das Wort gewünscht? ({0}) - Der Antrag ist begründet. Wird dazu das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. ({1}) - Es wird Überweisung an den Haushaltsausschuß beantragt. - Kein Widerspruch im Hause; es ist so beschlossen. Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über das Haushaltsgesetz 1960 einschließlich sämtlicher Einzelpläne, wie § i des Haushaltsgesetzes besagt. Wer dem Bundeshaushalt in der nun vorliegenden Form zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Gegenstimmen ist der Bundeshaushalt ({2}) angenommen. Danach gebe ich zunächst dem Herrn Bundesfinanzminister das Wort. Etzel, Bundesminister der Finanzen, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der Annahme dieses Gesetzes ist das dritte Haushaltsgesetz angenommen, das ich diesem Hohen Hause vorlegen durfte. Es ist ein Rumpfhaushaltsjahr, zum ersten Mal die Anpassung an das Kalenderjahr. Weil es spät am Abend ist, will ich nicht mehr eine wohlvorbereitete Rede mit einigen Perspektiven auf das weitere Jahr halten. Aber es war und ist doch bei jedem Mal üblich und mir ein aufrichtiges und herzliches Bedürfnis, diesem Hohen Hause, und zwar denjenigen Damen und Herren, die dem Gesetz zugestimmt haben, aber auch denjenigen Damen und Herren, die nicht zugestimmt haben, meinen herzlichsten Dank zu sagen für die Substanz, für den Gehalt, für die Sachlichkeit und für die Zügigkeit dieser Verhandlungen. Diesen Dank möchte ich mit einem Dank an den Haushaltsausschuß verbinden, der als ein besonders in Anspruch genommener Ausschuß unendlich viel tun muß. ({3}) Hier muß ich besonders seinem Vorsitzenden, Herrn Kollegen Schoettle, danken. ({4}) Auch das gehört zur Tradition - wenn ich bei dreimal schon von Tradition sprechen darf -, daß ich ihm danke für diese besonders qualifizierte Leitung des Ausschusses, für die Art, wie er die Probleme zur Diskussion stellt, für die sachliche Substanz, in der wir arbeiten. Meine Damen und Herren, ich sage ganz offen: ich bin manchmal sehr deprimiert über das, was uns diese Demokratie zeigt. Aber ich bin immer wieder gestärkt, ich bin immer wieder froh, ich bin immer wieder ermutigt, wenn ich sehe, wie Haushaltsfragen in diesem Hohen Hause und wie Haushaltsfragen im Haushaltsausschuß behandelt werden. Das ist beste Form demokratischer Auseinandersetzung. Dafür dem Hohen Hause und allen zu danken ist mir ein Bedürfnis. Bundesfinanzminister Etzel Ich danke auch ,dem Zweiten Vorsitzenden des Haushaltsausschusses, Herrn Kollegen Vogel, ({5}) der ebenfalls eine große Menge Arbeit auf sich genommen hat. Ich danke - ich wiederhole es noch einmal - allen Damen und Herren. Das, was ich sonst noch sagen wollte, kann ich der nächsten Haushaltsrede überlassen, die ohnehin in nicht allzuferner Zeit zu halten ist. Dabei kann ich dann auf manche Gedanken eingehen, die heute in der Diskussion, besonders bei der Generalaussprache, von den Damen und Herren vorgetragen worden sind, die die Aussprache geführt haben. Auch zu manchem Einzelplan wäre noch eine Menge zu sagen. Der Bundesfinanzminister bedankt sich für das Vertrauen, das das Hohe Haus ihm und seiner Arbeit mit der Annahme dieses Gesetzes bewiesen hat. ({6})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Meine Damen und Herren, es ist in diesem Hause nicht üblich, courtoise Reden und Gegenreden zu wechseln. Aber es ist wohl an der Zeit, namens des Hauses dem Bundesfinanzminister und den Ressorts zu danken, die den Bundeshaushalt so vorbereitet haben, daß wir ihn nach einer sachgerechten Diskussion in einer würdigen Form verabschieden konnten. ({0}) Ich möchte meinerseits den Dank des Hauses allen beteiligten Ausschüssen, vor allem dem Haushaltsausschuß, seinem Vorsitzenden und - da es bei uns Sitte geworden ist, viele Gesetzentwürfe zur Mitberatung an andere Ausschüsse zu überweisen - auch sämtlichen mitberatenden Ausschüssen -das sind sozusagen alle in diesem Haus - aussprechen. Damit sind wir mit diesem Kapitel fertig. Es bleiben für morgen früh noch zwei Punkte, der Entwurf eines Gesetzes über das Apothekenwesen sowie die zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Getreidegesetzes. Ich hoffe, daß ich meine prophetische Gabe nicht überschätze, wenn ich sage, daß wir bis um 11 Uhr damit fertig sein werden. Ich möchte deshalb die Herren Vorsitzenden der Ausschüsse ermutigen, daß sie, wenn es sein muß, nach Möglichkeit morgen noch tagen. Ich bitte diejenigen, die schon vorgesehen haben, legal oder illegal um 9 oder 9.30 Uhr im Ausschuß zu tagen, zu überlegen, ob sie die Sitzung nicht auf 10.30 oder 11 Uhr verschieben können. Nach meiner Überzeugung werden wir zwischen 10 und 11 Uhr fertig werden. Ich berufe die nächste Sitzung ein auf Freitag, den 6. Mai 1960, 9 Uhr. Die Sitzung ist geschlossen.