Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Folgende amtliche Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Herr Staatssekretär des Bundesministeriums der Finanzen hat unter dem 6. April 1960 die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP betr. beschlagnahmte Grundstücke im mittleren Kinzigtal ({0}) beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 1782 verteilt.
Der Herr Staatssekretär des Bundesministeriums der Finanzen hat unter dem 6. April 1960 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Kalbitzer, Kühn ({1}), Lohmar, Berkhan und Fraktion der SPD betr. Literatur-Verzeichnis der Politischen Wissenschaften 1959 ({2}) beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 1783 verteilt.
Wir beginnen mit der
Fragestunde ({3}).
Wir kommen zuerst zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verteidigung.
Ich rufe auf die Frage des Abgeordneten Schmidt ({4}) betreffend Teilnahme von Soldaten an der Tagung „Gewerkschaftler und Soldaten" der Evangelischen Akademie Loccum:
Warum hat das Bundesverteidigungsministerium sich nicht in der Lage gesehen, für die Teilnahme von Soldaten an der von der Evangelischen Akademie Loccum für den 12. bis 16. März geplanten und voll vorbereiteten Tagung „Gewerkschaftler und Soldaten" rechtzeitig die am 2. Februar 1960 durch die Akademie erbetene Genehmigung auszusprechen, so daß die geplante Tagung abgesagt werden mußte?
Mit dem gleichen Gegenstand befaßt sich die Frage des Abgeordneten Bauer ({5}) :
Aus welchen Gründen hat das Bundesverteidigungsministerium unlängst die Teilnahme von Offizieren an einer unter das Thema „Gewerkschaftler und Soldaten" gestellten Tagung der Evangelischen Akademie Loccum kurz vor Beginn abgesagt?
Das Wort hat der Herr Bundesverteidigungsminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Evangelische Akademie Loccum teilte am 2. Februar 1960 dem zuständigen Unterabteilungsleiter des Verteidigungsministeriums in einem persönlichen Schreiben die in Aussicht genommene Tagung mit. Durch das Schreiben, eingegangen am 4. Februar 1960, erfuhr das Ministerium erstmalig von der Absicht dieser Tagung. Ob die Tagung von der Akademie vorher geplant und voll vorbereitet war, ist dem Ministerium nicht bekannt; sollte es geschehen sein, dann jedenfalls ohne Abstimmung mit dem Verteidigungsministerium.
Die Akademie wünschte in dem Schreiben die Entsendung einiger leitender Angehöriger des Verteidigungsressorts sowie die Entsendung von etwa 40 Offizieren des nord- und nordwestdeutschen Raumes.
Seit längerer Zeit hatte das Verteidigungsministerium festgestellt, daß die Offiziere ihrer eigentlichen Arbeit in der Truppe und in den Dienststellen durch andere Aufgaben in starkem Maße entzogen werden. Insbesondere besteht die Gefahr, daß hierunter die dienstliche und außerdienstliche Betreuung der Soldaten leidet. Das Ministerium hatte daher eine erhebliche Einschränkung des Schriftverkehrs angeordnet und die Lehrgänge innerhalb des Ressorts auf das unbedingt notwendige Maß zurückgeführt. Ferner war angeordnet worden, daß die von außenstehenden Stellen beabsichtigten Tagungen für Angehörige der Bundeswehr dem Staatssekretär zur vorherigen Zustimmung vorgelegt werden.
Schon bei früheren Tagungen außenstehender Stellen waren Einschränkungen erfolgt, um die Offiziere stärker als bisher in der Truppe zu haben und dadurch zugleich Unfälle zu verhüten. Insbesondere wurde darauf hingewirkt, die Teilnahme an Tagungen auf das Wochenende oder auf Abendveranstaltungen zu beschränken.
Die für den 12. bis 16. März beabsichtigte Tagung führte zum Einspruch des Staatssekretärs, da durch diese Tagung wiederum 40 Offiziere für fünf bis sechs Tage, praktisch für eine Woche, ihrer Aufgabe entzogen worden wären. Die Bedenken wurden der Akademie mitgeteilt. Es wurden mehrere Ferngespräche geführt und Telegramme gewechselt.
Am 5. März 1960 wurde der Akademie abschließend mitgeteilt, daß die dienstliche Entsendung einer so großen Anzahl von Offizieren für mehrere Tage nicht erfolgen könne, daß aber keine Bedenken dagegen bestünden, wenn die Offiziere im Wege des Urlaubs an der Tagung teilnähmen.
Wenn die Akademie die beabsichtigte Tagung für Angehörige der Bundeswehr nach außen bekanntgab und nach außen weitere Vorbereitungen traf, ohne sich vorher überhaupt mit dem Verteidigungsministerium in Verbindung zu setzen, so ist dieses Verfahren keine Angelegenheit des Verteidigungsressorts. Das Verteidigungsministerium kann, ebenso wie das andere Ministerium, erwarten, daß Veranstaltungen, die nach dem Wunsch des Veranstal6090
Bundesverteidigungsminister Strauß
ters für alle Teilnehmer aus dem Bereich der Bundeswehr als Dienst angesetzt werden sollen, vor ihrer Planung mit dem Verteidigungsministerium besprochen werden. Die Entscheidung darüber, was als Dienst in der Bundeswehr anzusehen und anzusetzen ist und welche Teilnehmer dienstlich abzuordnen sind, kann von keiner Stelle außerhalb des Ministeriums und seiner bevollmächtigten nachgeordneten Dienststellen getroffen werden. Dem Bundesministerium für Verteidigung ist auch kein Fall aus einem anderen Ressort bekannt, in dem dienstliche Veranstaltungen für die Angehörigen dieser Ressorts ohne vorher eingeholtes Einvernehmen durchgeführt werden.
Auf Grund dieses und eines anderen Vorganges hat inzwischen eine Aussprache zwischen dem Staatssekretär, dem Generalinspekteur und den Vorsitzenden des Leiterkreises der Evangelischen Akademien stattgefunden. In dieser Besprechung wurde Übereinstimmung über das künftige Verfahren erzielt.
Herr Abgeordneter Bauer ({0}), eine Zusatzfrage.
Eine Zusatzfrage. Darf ich Sie, Herr Minister, um eine Auskunft bitten, welche Zeitspanne vorher das Ansinnen der Evangelischen Akademie Loccum an das Bundesverteidigungsministerium herangetragen worden ist?
Ich habe soeben erklärt, daß die Evangelische Akademie Loccum in einem Schreiben vom 2. Februar 1960, eingelaufen am 4. Februar 1960, dem Ministerium von der Absicht, diese Tagung durchzuführen, und von den Vorbereitungen dafür Mitteilung gemacht hat.
Ich habe ferner soeben mitgeteilt, daß in der Zeit zwischen dem 4. Februar 1960 und dem 5. März 1960, wo die dienstliche Entsendung nicht in Aussicht gestellt, aber die Beurlaubung der Soldaten als möglich erklärt wurde, mehrere Telegramme und Ferngespräche gewechselt worden sind.
Eine weitere Zusatzfrage.
Darf ich, Herr Minister, fragen, ob die Vorbereitungszeit von, wenn ich recht verstanden habe, vier Wochen nicht doch eigentlich so bemessen war, daß bei gutem Willen eine Teilnahme von Offizieren - die ja in dem Falle sicher nicht unmittelbar aus der Truppe hätten sein müssen - hätte ermöglicht werden können, und darf ich dazu vielleicht noch fragen, ob das Bundesministerium geneigt ist, in Zukunft bei derartigen Veranstaltungen gerade wegen des hier angesprochenen Personenkreises durch Abstellung von Herren aus dem Bundesverteidigungsministerium eine freundliche Stellung zu beziehen?
Ich darf erklären - was ich soeben bereits gesagt habe - daß das Verfahren für die Zukunft in einer Besprechung geregelt worden ist; und zwar dahingehend, daß in Zukunft zwei Tagungen auf Bundesebene und eine Tagung je Wehrbereich seitens der Bundeswehr in Form der dienstlichen Abordnung besucht werden. Auf dem Wege der Beurlaubung der Soldaten für diesen Zweck ist dem Besuch solcher Veranstaltungen keinerlei Grenze gesetzt.
Ich wiederhole aber nochmals, was ich bereits erklärt habe: daß bei der Fülle dieser Veranstaltungen, zu denen nicht wenige Offiziere, sondern vierzig bis sechzig Offiziere praktisch immer bis zu einer Woche abgestellt werden sollen - was angesichts des Mangels an Offizieren sehr schwer ist -, dieses Verfahren jedenfalls nicht angewandt werden kann, ohne daß die Tagung, die von diesen Offizieren auf dem Wege der dienstlichen Abordnung besucht werden soll, bevor sie geplant wird und bevor die Vorbereitungen dafür getroffen werden, mit dem Ministerium abgesprochen wird. Entsprechendes würde in einem ähnlich gelagerten Falle auch für andere Ministerien gelten. Es muß auch Sache der Dienststelle bleiben, festzusetzen, was Dienst und was nicht Dienst ist, und es kann nicht ein vorbereitetes Programm vorgelegt werden und dann gesagt werden: „Wir empfinden die Absage als Brüskierung unseres Vorhabens" oder etwas Ähnliches.
Damit sind die Fragen 1 und 2 beantwortet.
Wir kommen zur Frage 3 - des Herrn Abgeordneten Jahn ({0}) - betreffend Strafverfahren gegen den Bundestagsabgeordneten Dr. Zimmermann:
Hat der Herr Bundesverteidigungsminister die in der Öffentlichkeit erorterte Behauptung dementiert, daß er im Zusammenhang mit dem Strafverfahren gegen den Bundestagsabgeordneten Dr. Zimmermann zwar nicht hei dem bayerischen Justizminister, aber bei Münchner Justizbehörden vorgesprochen habe?
Sollte die Behauptung noch nicht dementiert sein, warum ist ein Dementi bisher unterblieben?
Sind solche Gespräche mit Münchner Justizbehörden geführt? Mi' welchen Stellen?
In welchem Sinne?
Die Behauptung, daß Bundesminister Strauß bei Justizbehörden - gleichgültig in welchem Zusammenhang - vorgesprochen habe, ist nicht erhoben
worden, brauchte auch nicht dementiert zu werden, wenn ein Anlaß dazu bestanden hätte. Offensichtlich bezieht sich der Fragesteller auf die Mitteilung über ein parteiinternes Gespräch, das die geschäftsführenden Vorsitzenden der CSU in Vertretung des erkrankten Landesvorsitzenden mit Mitgliedern der CSU-Landesvorstandschaft geführt haben. Auskünfte über parteiinterne Gespräche fallen nicht in den Bereich der Antworten, die die Mitglieder der Regierung dem Parlament über ihre amtliche Tätigkeit zu geben haben.
Eine Zusatzfrage?
Dart ich Ihre Antwort, Herr Minister, so verstehen, daß Sie nicht in Ihrer Eigenschaft als Minister mit dem Staatssekretär des Bayerischen Justizministeriums verhandelt haben?
Ich habe einerseits nicht verhandelt, andererseits ist die eben von mir abgegebene Erklärung deutlich genug. Darf ich ein Beispiel bringen! Wenn z. B. der Parteivorstand Ihrer Partei sich mit den der Sozialdemokratischen Partei angehörenden Ministerpräsidenten über Fragen des Rundfunkgesetzes in einer parteiinternen Sitzung befaßt, nehme ich nicht an, daß der Verlauf der Sitzung des Parteivorstandes der SPD auf Anfrage in den Landtagen wiedergegeben zu werden braucht.
Noch eine Frage!
Herr Minister, was Sie soeben gesagt haben, ist richtig. Sind Sie aber nicht auch der Meinung, daß gerade bei einem Strafverfahren, bei dem so sehr erhebliche Vorwürfe erhoben werden, jeder Anschein vermieden werden sollte, als solle auf dieses Strafverfahren Einfluß genommen werden?
Es ist nicht Ihre Aufgabe, Herr Abgeordneter, zu entscheiden, ob ich auf ein Strafverfahren Einfluß nehme oder nicht. Ich habe erstens selber eine gewisse Sachkenntnis, zweitens ein bestimmtes Verantwortungsbewußtsein und drittens genügend Fingerspitzengefühl, um die richtige Grenze zu wissen.
({0})
Wir kommen zur Frage 4 - des Herrn Abgeordneten Cramer - betreffend Minenräumung in der Nord- und Ostsee:
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um die Schiffsströme der Nordsee und der Ostsee von den noch aus dem letzten Kriege herrührenden Minen freizumachen?
Ist die Bundesregierung bereit, mit der NATO zu verhandeln, damit deren Minenräumverbände mit der Aufgabe betraut werden, die Seegebiete vor den Küsten minenfrei zu machen?
In der Nord- und Ostsee sind alle Schiffahrtswege minenfrei gesucht und werden ständig von Schiffen aller Nationen befahren. Auf diesen der gesamten Schiffahrt bekannten Wegen besteht keine Minengefahr.
Der NATO unterstehen keine Minenräumverbände. Für die Räumung sind die Regierungen innerhalb der ihnen durch die IRRA - International Routing and Reporting Authority - zugeteilten Gebiete allein zuständig.
Die Marine ist ständig bemüht, auf Grund eines mit dem Bundesministerium für Verkehr jährlich
abgestimmten Minenräumplans im Rahmen ihrer Mittel auch die Seegebiete außerhalb der Schiffahrtswege zu räumen, die zur Zeit noch nicht minenfrei sind. Zur Zeit laufen darüber hinaus Verhandlungen mit der Königlich-Niederländischen Marine über gemeinsame Minenräumaufgaben westlich und östlich von Borkum.
({0})
Bitte sehr!
Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß sogar noch im Dezember ich glaube, um diese Zeit war es - bei Borkum ein Schiff auf Minen aufgelaufen ist, daß also auch die bekannten Schiffahrtswege nicht ganz frei sind? Vielleicht sind das Treibminen gewesen. Können Sie irgend etwas unternehmen, damit die bekannten Schifffahrtswege - sie stellen zwar große Umwege dar - in absehbarer Zeit für die Schiffe gefahrenfrei werden?
Alle Fragen, die Sie in diesem Zusammenhang stellen, fallen in den Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr. Ich bin nicht befugt - ich bin auch nicht in der Lage -, darüber im einzelnen Auskünfte zu geben.
({0})
Wir kommen damit zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr. Die Frage 1 - des Abgeordneten Freiherr von Mühlen -- betrifft die Modernisierung der Rettungsmittel bei der Seeschiffahrt:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß von den 28 Seeleuten, die allein im Januar und Februar dieses Jahres beim Untergang deutscher Handelsschiffe in den Winterstürmen ertranken, eine, größere Anzahl hätte gerettet werden können, wenn die Besatzung nicht nur auf die bisher üblichen festen ({0}) Rettungsboote angewiesen gewesen wäre, sondern über bereits erprobte und bewährte Rettungsmittel, wie Schlauchboote u. a., verfügt hätte, die sehr große Sicherheit bieten?
Ist die Bundesregierung deshalb bereit, aus der technischen Entwicklung auf dem Gebiet der Rettungsmittel die Konsequenzen zu ziehen, sich bei der Revision des Internationalen Schiffssicherheitsvertrages von 1948 ({1}), die für dieses Jahr vorgesehen ist, für eine Modernisierung der Regeln über Rettungsmittel einzusetzen und bis dahin die Mitführung von Schlauchbooten modernen Typs zusätzlich zu den bisher vorgeschriebenen festen Rettungsbooten durch Verordnung zur Pflicht zu machen?
Herr Staatssekretär Dr. Seiermann!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In den Monaten Januar und Februar dieses Jahres sind vier deutsche Schiffe verlorengegangen. 21 Seeleute fanden dabei den Tod, während sich 30 Seeleute mit eigenen starren Rettungsbooten in Sicherheit bringen konnten. Ob bei diesen Schiffsuntergängen mehr Menschen hätten gerettet werden können, wenn die Schiffe zusätzlich mit aufblasbaren Rettungsinseln ausgerüstet gewesen wären, läßt sich nicht unbedingt sagen. Der Bundesminister für Verkehr bejaht aber nachdrücklich die Zweckmäßigkeit einer zusätzlichen Aus6092
rüstung mit solchen Rettungsmitteln, nachdem es gelungen ist, gute und seetüchtige aufblasbare Rettungsinseln zu entwickeln.
Das Übereinkommen zum Schutz des menschlichen Lebens auf See vom Jahre 1948 verbietet leider ausdrücklich aufblasbare Rettungsmittel, da sie damals noch als unzuverlässig galten. Da dieses Übereinkommen aber Gesetzeskraft besitzt, kann es im Verordnungswege nicht geändert werden. Inzwischen ist die technische Entwicklung fortgeschritten. Daher hat der Bundesminister für Verkehr die Reedereien wiederholt gebeten, ihre Schiffe zusätzlich mit solchen Rettungsinseln auszurüsten. Über 30 Reedereien sind dieser Empfehlung bisher gefolgt. Außerdem hat die See-Berufsgenossenschaft seit April 1957 für Fischdampfer zugelassen, daß eines der Rettungsboote durch ein Rettungsfloß oder Schlauchboot ersetzt werden kann.
Die deutschen Vorschläge für die am 17. Mai dieses Jahres in London beginnende Schiffssicherheitskonferenz sehen eine vielseitige Ausrüstung der Schiffe mit starren und aufblasbaren Rettungsinseln vor. Ähnliche Vorschläge sind auch von anderen Schiffahrtsländern eingegangen. Auf starre Rettungsmittel, die sich in vielen Seenotfällen, z. B. auch bei Feuer, Mann über Bord, bei Hilfeleistung für andere Schiffe usw. bewährt haben, kann allerdings nicht verzichtet werden.
Außerdem wird sich unsere Delegation dafür einsetzen, daß ausdrückliche Verbote, die durch die technische Entwicklung schnell überholt werden können, im Internationalen Schiffssicherheitsvertrag künftig unterbleiben.
Eine Zusatzfrage?
Nein, danke sehr, Herr Präsident.
Wir kommen zur Frage 2 des Abgeordneten Ritzel betreffend Stillegung von Nebenbahnen:
Ist der Herr Bundesverkehrsminister in den bereits vorgetragenen und in den noch zu erwartenden Fällen bereit, durch geeignete Verhandlungen drohende Stillegungen von Nebenbahnen so lange zu verhindern, bis die für die Umlegung des Verkehrs benötigten öffentlichen Straßen in einen Zustand versetzt worden sind, der es erlaubt, die mit der Stillegung des Personen- und Güterverkehrs auf die Straße zukommende Mehrbelastung wirklich zu verantworten?
Ist der Herr Bundesverkehrsminister bereit, dafür zu sorgen, daß den Verkehrsteilnehmern durch die Verweisung von der Schiene auf die Straße keine Mehrbelastung entsteht?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zum ersten Teil der Frage des Herrn Abgeordneten Ritzel folgendes. Bevor dem Bundesminister für Verkehr ein Antrag auf Stillegung einer Nebenbahn vorgelegt wird, hört der Vorstand der Deutschen Bundesbahn nach dem Bundesbahngesetz die oberste Landesverkehrsbehörde. Dadurch ist gewährleistet, daß die örtlichen Interessen - dazu gehören auch die Straßenverhältnisse - nicht übersehen werden. Sodann muß der Verwaltungsrat der Deutschen Bundesbahn der Stillegung durch Beschluß zustimmen. Der Bundesminister für Verkehr stimmt derartigen Anträgen grundsätzlich nur dann zu, wenn den berechtigten öffentlichen Verkehrsinteressen auch nach Stillegung der Bahnstrecken entsprochen wird.
Bisher brauchte der Bundesminister für Verkehr seine Zustimmung in keinem Fall wegen der Straßenverhältnisse zu versagen, weil der von der Schiene auf die Straße verlagerte zusätzliche Verkehr stets so unbedeutend war, daß von einer ausschlaggebenden Mehrbelastung der Straßen nicht die Rede sein konnte. Das wird auch in Zukunft wahrscheinlich deshalb so sein, weil grundsätzlich nur Nebenbahnen mit unbedeutendem Verkehrsaufkommen stillgelegt werden.
Zum zweiten Teil Ihrer Frage: Für den von der Schiene auf die Straße verlagerten Verkehr gelten die allgemein im Straßenverkehr eingeführten Tarife, vor allem also der Reichskraftwagentarif, der Güternahverkehrstarif und im Straßenpersonenverkehr der Bundesbahn der Bahnbustarif. Für den Güterverkehr zieht die Verkraftung des Nebenbahnverkehrs keine nennenswerten Mehrbelastungen nach sich. Im Personenverkehr entstehen in Einzelfällen höhere Aufwendungen. Das ist bei der abweichenden Gestaltung der Straßenverkehrstarife leider nicht zu vermeiden.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ritzel?
Herr Staatssekretär, gelten die Feststellungen, die Sie soeben zum ersten Teil der Frage getroffen haben und die Sie lediglich in bezug auf etwaige Stillegungsabsichten der Deutschen Bundesbahn beantwortet haben, in genau dem gleichen Maße für nicht bundeseigene Eisenbahnen?
Für die nicht bundeseigenen Eisenbahnen sind die Landesregierungen zuständig.
Herr Abgeordneter Ritzel zu einer zweiten Zusatzfrage!
Es ist eine Ergänzungsfrage, Herr Präsident, nicht die zweite Zusatzfrage. Ich fürchte, der Herr Staatssekretär hat mich mißverstanden. Mir ist klar, Herr Staatssekretär, daß für die nicht bundeseigenen Eisenbahnen die Landesbehörden zuständig sind. Aber ich frage nach den nicht bundeseigenen Eisenbahnen auch wegen des Inhalts des ersten Teils meiner Frage. Ich darf sie wiederholen. Ich habe gesagt, daß die Stillegung von Nebenbahnen so lange verhindert wird, bis die für die Umlegung des Verkehrs benötigten öffentlichen Straßen in einen Zustand versetzt worden sind, der es erlaubt, die mit der Stillegung des Personen- und Güterverkehrs auf die Straße zukommende Mehrbelastung wirklich zu verantworten. Meine Frage
ist also: Nimmt die Regierung, das Bundesverkehrsministerium, in bezug auf die Stillegungsabsichten der nicht-bundeseigenen Eisenbahnen dieselbe Haltung ein?
Wir würden dieselbe Haltung einnehmen, wenn solche Fälle an uns herangetragen würden, Herr Abgeordneter.
Darf ich eine zweite Zusatzfrage stellen, Herr Präsident? - Ist Ihnen bekannt, daß beispielsweise im Fall der nicht bundeseigenen Nebenbahn Rheinheim-Reichelsheim ein solcher Tatbestand vorliegt? Ist das in Ihrem Hause noch nicht unter diesen Gesichtspunkten bearbeitet worden?
Herr Abgeordneter Ritzel, ich kann Ihnen diese Frage nicht aus dem Handgelenk beantworten. Ich werde sie prüfen und Ihnen schriftlich Bescheid geben.
Danke!
Ich komme zur Frage des Abgeordneten Folger, vertreten durch den Abgeordneten Felder, betreffend Übergabe der Walchenstraße für den Verkehr:
Ist es richtig, daß das Teilstück der Deutschen Alpenstraße, die sogenannte Walchenstraße, nach dreijähriger Bauzeit seit Herbst 1959 fertig ist, aber dem Verkehr noch nicht übergeben werden konnte, weil sie auf einer Strecke von ungefähr 300 m über österreichisches Gebiet führt, ohne daß vorher die erforderlichen Zollformalitäten mit der österreichischen Regierung vereinbart wurden?
Wann wurden die Verhandlungen darüber begonnen, und wann werden sie voraussichtlich beendet sein, so daß die fertige Straße auch benützt werden kann?
Wie erklärt die Bundesregierung die Tatsache, daß die Straßenbauer trotz der langen Bauzeit und trotz der technischen Schwierigkeiten schneller fertig waren als die Diplomaten?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Verhandlungen, die erforderlich sind, damit das Stück von 350 m der Walchenstraße, das über österreichisches Gebiet führt, ohne Zoll-und Grenzkontrollen befahren werden kann, laufen zwischen Bayern und Tirol seit längerer Zeit. Vom 29. März bis 1. April 1960 haben zwischen einer deutschen und einer österreichischen Regierungsdelegation unter Teilnahme von Vertretern des Freistaates Bayern und des Landes Tirol Verhandlungen über einen Vertrag über den Durchgangsverkehr auf der Walchenstraße stattgefunden. Die Verhandlungen haben zur einvernehmlichen Erstellung eines Vertragsentwurfes geführt. Die Unterzeichnung des Vertrages ist für Ende dieses Monats vorgesehen. Die Straße steht dem Verkehr bereits jetzt offen.
Der Fall, Herr Abgeordneter, ist keineswegs einmalig. Eine entsprechende Regelung wurde vor
einigen Jahren auch für die Roßfeldstraße im Bereich der Deutschen Alpenstraße bei Berchtesgaden getroffen.
Ich komme zur Frage des Abgeordneten Dr. Fritz ({0}) betreffend 34seitige Vorschriften der Bundesbahn für Reinemachefrauen:
Trifft es zu, daß die Deutsche Bundesbahn eine 34seitige, engbedruckte Vorschrift mit Einzelanweisungen für Reinemachefrauen erlassen hat?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der geschilderten Vorschrift handelt es sich um eine von einer Bundesbahndirektion in eigener Zuständigkeit herausgegebene Anleitung für die Innenreinigung der Gebäude. Die technische Entwicklung hat zur Verwendung zahlreicher neuartiger Fußböden, Fußbodenbeläge sowie Reinigungs- und Pflegemittel, Geräte und Maschinen für die Innenreinigung und Bodenpflege geführt. Die Anleitung soll offenbar dazu beitragen, zur Erzielung einer optimalen Wirtschaftlichkeit auf die Eigentümlichkeiten der zu reinigenden Gebäude und Gegenstände, die zu verwendenden Stoffe und Geräte und auf die zweckmäßigste Arbeitsweise hinzuweisen.
Ob zu diesem Zweck eine Anleitung von 34 Seiten notwendig ist, wird von uns ebenso bezweifelt wie von Ihnen, Herr Abgeordneter. Dies ist jedoch eine Angelegenheit, die die Deutsche Bundesbahn in erster Linie zu beurteilen hat. Ich kann allerdings zu meiner Freude sagen, daß es auch die Ansicht der Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn ist, daß die betreffende Bundesbahndirektion in diesem Falle wohl über das Ziel hinausgeschossen hat.
Herr Abgeordneter Dr. Fritz!
Herr Staatssekretär, gibt es noch andere Institutionen, die mit einer ähnlichen wissenschaftlichen Akribie ähnliche Anleitungen auf Nebengebieten der Verwaltung ausgearbeitet haben?
Herr Abgeordneter, es gibt für alles Similia. Die Bundesbahndirektion Hannover hat bei ihren Vorarbeiten auf sehr gründliche Similia Bezug nehmen können. Ich könnte Ihnen z. B. eine sehr umfangreiche, nicht maschinengeschriebene, sondern gedruckte, etwa 120 große Druckseiten umfassende Vorschrift über Gebäudereinigung zeigen, für die offenbar ein sehr großes Interesse besteht, weil sie seit drei Jahren bereits in dritter Auflage erschienen ist.
({0})
Ich könnte auch auf eine sehr umfangreiche Heeresdienstvorschrift einer befreundeten Macht verweisen, die sich ausschließlich mit dem Reinigen von
Gebäuden befaßt und von der mir eine Seite vorliegt, die sich unter drei Kapiteln in 19 Vorschriften nur mit der Frage „Kehren mit einem Haarbesen" mit zugehöriger Zeichnung befaßt.
({1})
- Meine Herren, ich sage das nicht, um im Prinzip von meiner Erklärung abzugehen, daß solche Vorschriften notwendig sind, sondern nur, um Ihnen zu zeigen, daß die Bundesbahndirektion Hannover kein allzu großer Sünder ist.
Als Sander nicht allein steht, wollen Sie sagen.
Eine Zusatzfrage? - Bitte!
Herr Staatssekretär, aus dieser Antwort kann ich doch entnehmen, daß Sie es zum Teil für abwegig halten, eine solche Vorschrift so weitgehend auszuarbeiten, weil darin gewisse Auswüchse der Verwaltung sichtbar werden, die grundsätzlich ernst zu nehmen sind? Ich möchte nur an das Parkinsonsche Gesetz erinnern.
Herr Abgeordneter, ich muß darauf hinweisen, daß es sich hier nicht nur um ein Problem der Bürokratie, sondern wirklich auch um ein volkswirtschaftliches 'Problem handeln kann. Ich entnehme z. B. dieser einen, von mir genannten
Vorschrift, daß in einer Stadt wie Hamburg die jährlichen Reinigungskosten ohne Krankenhäuser und Heime im Jahre 1957 allein den Betrag von 11 Millionen DM überschritten haben, wobei über 90 % auf Personalkosten entfallen. Daraus geht hervor, daß für große Verwaltungen sehr wohl ein Anlaß und Bedürfnis besteht, sich auch mit diesem Zweig der Administration durch Herausgabe von Vorschriften zu befassen.
Meine Damen und Herren, ich komme zur Frage des Abgeordneten Bauer ({0}) betreffend Elektrifizierung der Bundesbahnstrecken Würzburg-Treuchtlingen, Treuchtlingen-Ingolstadt, Gemünden-Jossa:
Bis zu welchem Zeitpunkt dürfte nach Ansicht des Bundesverkehrsministeriums die Elektrifizierung der dafür in den nächsten Jahren vorgesehenen Bundeshahnstrecken WürzburgTreuchtlingen, Treuchtlingen-Ingolstadt sowie Gemünden-Jossa vollendet sein, und besteht die Absicht, diese Elektrifizierungspläne der Deutschen Bundesbahn wirksam zu fördern?
Herr Staatssekretär, ich darf bitten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Zeitpunkt der Elektrifizierung der Strecken Würzburg-Treuchtlingen und Treuchtlingen-Ingolstadt läßt sich noch nicht übersehen.
Auf der Strecke Gemünden-Jossa, die ein Teilstück der wichtigen Nord-Süd-Strecke von Hamburg und Bremen ist, kann der elektrische Betrieb wegen der Tunnelarbeiten in dem anschließenden Abschnitt Jossa Flieden frühestens vier Jahre nach Baubeginn aufgenommen werden.
Voraussetzung für die Elektrifizierung der drei genannten Strecken ist, daß es mit Hilfe des Landes Bayern gelingt, die Finanzierung sicherzustellen. Eine finanzielle Hilfe des Bundes ist wahrscheinlich nicht möglich.
Keine Zusatzfrage?
Ich komme zur Frage des Abgeordneten Berberich betreffend Bundesbahnbetriebswerk Lauda:
Hält der Herr Bundesverkehrsminister die langsame Aushöhlung des Bestandes des Bundesbahnbetriebswerkes Lauda durch Verlagerung der Aufgaben und Versetzung von Personal mit den Bestrebungen der Bundesregierung für eine Förderung der Wirtschaftskraft von Notstands- und Fördergebieten für vereinbar?
Warum wird in Lauda die Einstellung von Lehrlingen ab 1. April 1960 nicht mehr genehmigt, obwohl hier die Auswahl von Bewerbern noch möglich ist und in anderen Lehrwerkstätten der Bundesbahn die nötigen Lehrlinge nicht mehr zu finden sind?
Ist der Herr Bundesverkehrsminister bereit, bei der
Deutschen Bundesbahn darauf hinzuwirken, daß das Betriebswerk Lauda wenigstens in dem Umfang von heute erhalten bleibt?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In Lauda besteht ein kleines Bahnbetriebswerk mit 270 Beschäftigten. Die Deutsche Bundesbahn hat über Werke dieser Art und Größe die ausschließliche Zuständigkeit. Wie sie diese Werke führt, ob sie sie stillegt, verlegt, Lehrlinge einstellt usw., regelt die Bundesbahn daher nach ihren betrieblichen Bedürfnissen. Der Bundesminister für Verkehr hat kein Recht und keine Zuständigkeit, einzugreifen oder Vorschriften zu erlassen.
Eine Zusatzfrage? - Bitte.
Herr Staatssekretär, Ihre Erklärung ist zwar ziemlich eindeutig; aber ich glaube, daß es sehr wohl eine Aufgabe -
Sie haben eine Frage zu stellen. Ich bitte, keine Ausführungen zu machen.
Herr Staatssekretär, halten Sie es für zweckmäßig, daß man damit die Arbeitszeit der so hin- und hergeschubsten Personen so langsam - ich meine einschließlich der Fahrzeiten - von 5.50 Uhr morgens bis 18 Uhr erstreckt?
Herr Abgeordneter, Sie werden verstehen, daß ich diese Frage nicht beantworten kann, ohne den Vorwurf, den Sie offenbar gegen eine örtliche Dienststelle der Bundesbahn erheben, geprüft zu haben. Ich bitte Sie, mir Ihren Beschwerdefall mitzuteilen. Ich werde veranlassen, daß sich die Bundesbahn dazu äußert.
Ich danke.
Wir kommen zu den Fragen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte, zunächst zur Frage des Abgeordneten Baur ({0}) betreffend Rückführung evakuierter Familien oder Einzelbürger:
Wie viele einheimische evakuierte Familien oder Einzelbürger sind seit Erlaß des Bundesevakuiertengesetzes in die ehemaligen Wohngemeinden zurückgeführt worden?
Ist der Bundesregierung bekannt, wie viele einheimische Evakuierte noch nicht in ihre ehemaligen Wohngemeinden zurückkehren konnten?
Wieviel Wohnungen gemäß Bundesevakuiertengesetz sind seit dieser Zeit aus Bundesmitteln errichtet worden - pro Jahr seit 1950 oder 1951?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu 1: Nach dem Stande vom 30. September 1959 sind 76 158 Haushalte mit 215 663 Personen in ihre ehemaligen Wohngemeinden bzw. in die von den Evakuierten gewählten Ersatzausgangsorte zurückgeführt worden.
Zu 2. Rückzuführen sind noch 133 348 Personen oder 21 700 haushalte.
Zu 3. Die Versorgung der Evakuierten mit Wohnungen erfolgt neben der Zuweisung von Altbauwohnungen vornehmlich durch Zuteilung von Wohnungen des öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbaus, für den in erheblichem Ausmaße Bundeshaushaltsmittel sowie Wohnraumhilfemittel und Aufbaudarlehen des Lastenausgleichs zur Verfügung gestellt werden.
Seit 1952 haben die Evakuierten an bewirtschaftetem Wohnraum 52 196 Neubau- und 15 504 Altbauwohnungen erhalten. Da seit 1957 Altbauwohnungen statistisch nicht erfaßt werden, dürften schätzungsweise weitere 7000 Altbauwohnungen hinzugezählt werden können.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Baur ({0}).
Herr Minister, ist die Bundesregierung bereit, durch entsprechende Rechtsverordnung oder Gesetz den 15 Jahre nach Kriegsende noch nicht zurückgeführten Evakuierten einen Vorrang einzuräumen, damit endlich eine beschleunigte Heimkehr dieser bisher benachteiligten Bürger restlos ermöglicht wird?
Das kann die Bundesregierung nicht tun, sondern das ist Angelegenheit der Länder. Wir glauben, daß, wenn die Länder aus dem vom Bund mitfinanzierten sozialen Wohnungsbau jährlich nur 5 % den Evakuierten zur Verfügung stellen, die Rückführung in drei Jahren beendet ist. Aber wir können dies den Ländern nicht vorschreiben.
Herr Minister, nach § 7, überschrieben -
Sie müssen eine Frage stellen!
Eine Frage kommt sofort, Herr Präsident.
Nach § 7 des Bundesevakuiertengesetzes vom Mai 1957 hat die Bundesregierung Vollmacht, in Zusammenarbeit mit den Ländern Rückführungspläne zu erstellen, damit eine beschleunigte Rückführung möglich ist.
Herr Baur, das ist keine Frage!
Inwieweit hat die Bundesregierung, speziell das zuständige Ministerium davon Gebrauch gemacht?
Einen Augenblick Herr Minister! Herr Abgeordneter Baur, ich möchte ein für allemal und wiederholt, wie ich es schon oft getan habe, feststellen: es müssen Fragen gestellt werden. Es darf auch kein indikativer Satz vorausgeschickt werden, sondern vom ersten Satz an muß die :Frage stilistisch einwandfrei zu erkennen sein.
({0})
- So ist es immer gehandhabt worden, und ich
werde auch in Zukunft darauf sehen; ob das die
Abgeordneten Fritz oder Bauer sind, ist ganz gleich.
Wir haben mit den einzelnen Ländern entsprechende Vereinbarungen getroffen. Für die Rückführung innerhalb der Länder sind diese selbst zuständig; da kann der Bund nicht eingreifen.
Ich komme zur Frage des Abgeordneten Rademacher betreffend Angaben des Herrn Bundesvertriebenenministers im amtlichen Handbuch:
Ich frage den Herrn Bundesvertriebenenminister unter Bezugnahme auf Seite 348 Amtliches Handbuch des Deutschen Bundestages:
Wann und durch welche Instanz wurden Sie 1943 zum Tode verurteilt, und wann and durch welche Instanz wurde diese Todesstrafe aufgehoben?
Nach meinen Tagebuchaufzeichnungen wurde ich am 10. November 1943 aus der Wehrmacht entlassen. Am 16. November 1943 abends teilte mir der Chef des SD Böhmen und Mähren Karl Hermann Frank mit, daß ich zum Tode verurteilt sei und sich der Erschießungsbefehl von Himmler unterschrieben in seinem Schreibtisch befinde. Er habe eine Denkschrift von mir gelesen und werde sich dafür einsetzen, daß dieses Urteil aufgehoben werde. Am 18. Januar 1944, 13 Uhr, eröffnete mir Karl Hermann Frank, Himmler sei in Prag gewesen und habe das Urteil aufgehoben.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Rademacher.
Herr Minister, da Sie im Handbuch des Bundestages ausdrücklich sagen: „1943 . . . zum Tode verurteilt", es aber in Ihrem Entnazifizierungsbescheid, den Sie uns, glaube ich, haben zugehen lassen, ausdrücklich heißt: „der erwogenen KZ- und Todesstrafe", darf ich Sie fragen: ist dieser Unterschied nicht derart eklatant, daß man in Ihren Angaben im Handbuch des Deutschen Bundestages eine erhebliche Irreführung der öffentlichen Meinung sehen muß?
Bis zur Denazifizierung am 6. Dezember 1947 in der amerikanischen Zone standen mir wichtige Zeugen für diese Tatsache im Gegensatz zu heute nicht zur Verfügung. Deswegen habe ich damals diesen Punkt bei dem Spruchkammerverfahren nicht erwähnen können.
Die Frage ist erledigt.
Ja, ich verzichte bewußt auf eine weitere Frage, da die Antwort für sich selbst spricht.
({0})
Ich komme zur Frage des Abgeordneten Reitzner betreffend Auflösung der Altvertriebenen- und Ausländerflüchtlings-Lager:
Ist die Bundesregierung bereit, im Rahmen der Hilfsmaßnahmen im Weltflüchtlingsjahr die Altvertriebenen- und Ausländerflüchtlings-Lager raschestens aufzulösen?
Bitte, Herr Bundesminister!
Schon vor Beginn des Weltflüchtlingsjahres hat die Bundesregierung beschlossen, ein Programm zur Räumung der Wohnlager aufzulegen. Nach Beratung mit den Ländern wurde am 5. April 1960 eine Kabinettsvorlage verabschiedet, nach der der Bund den Ländern aus Bundeshaushaltsmitteln, beginnend 1960, in vier folgenden Haushaltsjahren Mittel in Höhe von rund 200 Millionen DM zur endgültigen wohnungsmäßigen Unterbringung von 100 000 Vertriebenen, Binnenevakuierten und Flüchtlingen aus der Sowjetzone und Berlin zur Verfügung stellt. Außerdem sollen vom Bund pro Person bis 390 DM Vorfinanzierung von Kriegsfolgehilfemitteln über 80 Millionen DM aus Lastenausgleichsmitteln bereitgestellt werden. Der Bund gibt darlehnsweise seine Mittel unter der Voraussetzung, daß die für diese Aufgabe allein zuständigen Länder ihre Leistungen nicht verringern, und hofft, so bis Ende 1963 die am 1. Januar 1960 noch vorhandenen 2449 Wohnlager und Einzelbaracken im wesentlichen räumen zu können. Die Lager sollen abgebrochen oder weiterer wohnugsmäßiger Verwendung entzogen werden.
In Zusammenarbeit mit dem Hohen Kommissar ( der Vereinten Nationen für Flüchtlinge wird seit 1955 ein Lagerräumungsprogramm für nichtdeutsche Flüchtlinge mit großem Erfolg durchgeführt. Für jede zu erstellende Wohnung werden außer den allgemeinen Bundesmitteln für den sozialen Wohnungsbau, die über die Länder in dieses Programm fließen, vom Bund zusätzlich 4000 DM darlehnsweise neben den 6000 DM, die der UNO-Flüchtlingskommissar gibt, zur Verfügung gestellt. Es kann angenommen werden, daß mit Ablauf des Jahres 1962 alle die Lager, die überwiegend mit heimatlosen Ausländern belegt sind, geräumt sein werden. Sozial nicht gefährdete und vereinzelt in deutschen Lagern lebende heimatlose Ausländer, für die der Hohe Kommissar keine Mittel zur Verfügung stellen kann, werden in das deutsche Wohnlagerräumungsprogramm einbezogen.
Damit ist die Fragestunde beendet. Die nächste Fragestunde findet am 4. und 6. Mai statt. Sperrfrist ist Freitag, der 29. April, 15 Uhr.
Wir kehren zurück zum Punkt IV der gedruckten Tagesordnung:
Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1960 ({0}) ({1}).
Berichte des Haushaltsausschusses Einzelplan 12
Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr ({2}).
Wir stehen noch in der allgemeinen Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Eisenmann.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Wir haben gestern abend noch mit der Beratung des Einzelplans 12 begonnen und fahren heute früh fort. Ich bedauere, daß der Herr Bundesverkehrsminister nicht da ist. Zwar ist gestern von seinem Vertreter, Herrn Bundesminister von Merkatz, gesagt worden, daß Herr Bundesminister Dr. Seebohm infolge Krankheit nicht anwesend sein könne. Ich bezweifle nicht die Richtigkeit der Aussage des Bundesministers von Merkatz. Doch Sie werden mir gestatten, daran zu erinnern, wie wenig Herr Bundesminister Dr. Seebohm bei den Verkehrsberatungen in diesem Hause, wie wenig er innerhalb der letzten zweieinhalb Jahre im Verkehrsausschuß anwesend war und wie wenig Interesse er bewiesen hat, wenn speziell das Problem Straßenbau - ob in diesem Hause, im Verkehrsausschuß, bei der Straßenliga, in Verkehrsforen oder bei anderen Gelegenheiten - behandelt wurde. Ich glaube mich recht zu erinnern, daß er einmal, als gerade die Deutsche Straßenliga im norddeutschen Raum tagte, gesagt hat: Mein Herz ist woanders und hat mich woanders hingezogen. - Ich muß also sagen, daß ich fast glauben könnte, er ist aus anderen Gründen in Urlaub gefahren und hätte vielleicht doch noch die MöglichEisenmann
keit gehabt, den Urlaubsbeginn einen Tag zu verschieben, um heute hier anwesend zu sein, nicht zuletzt, da er wußte, daß sich auf Grund seiner Ausführungen sowohl in dem Interview wie vor dem Fernsehen, wie auf Grund seiner Stellungnahme im Bulletin, der Verkehrsausschuß eingehend mit diesem seinem Verhalten befaßt hatte und wir - ich glaube, einige von uns die Absicht hatten, heute mit ihm ein offenes Zwiegespräch zu führen, speziell über sein Verhalten vor dem deutschen Fernsehen, das ich persönlich, da ich es mit ansehen mußte - d. h. ich hätte abschalten können -, und auf Grund der vielen Anrufe von Freunden aus dem öffentlichen Leben als staatsabträglich bezeichnen muß. Denn es geht meines Erachtens nicht an, daß man in einer solchen, das Parlament und einen ordentlichen Ausschuß dieses Hauses desavouierenden Weise Stellung nimmt und die Dinge durch Gesten unterstreicht, die alles andere als staatsfördernd sind. Das mußte ich zu Anfang sagen.
Zum Thema selbst. Wir stellen fest: eine erfreuliche Wirtschaftsentwicklung, eine Konjunkturentwicklung, die weite Teile unserer Wirtschaft, der verschiedensten Wirtschafts- und Betriebszweige, erfaßt hat. Wir stellen, wenn wir durch die deutschen Lande fahren, einen Wohlstand auf unseren Straßen fest. Wir stellen schöne, große und schnelle Wagen, verkehrssichere Fahrzeuge, große und kleine, fest. Alle diese Fahrzeuge sind der Ausdruck eines ökonomischen und technischen Fortschritts, den wir sehr begrüßen, ich glaube, alle ohne Ausnahme in diesem Hause. Demgegenüber stellen wir fest, daß dieser technisch-ökonomische Fortschritt noch keinen Ausdruck in der Erweiterung eines dieser Motorisierungswelle entsprechenden Verkehrsraums findet. Wohlstand auf unseren Straßen-ja! Auf der anderen Seite müßte man, wenn Wohlstand auf guten Straßen kommt oder durch gute Straßen entwickelt werden kann, dieser Motorisierungswelle und der ihr innewohnenden Dynamik durch Schaffung ausreichenden Verkehrsraums noch mehr als bisher Rechnung tragen. Das ist die Frage, die sich für uns, ich glaube, ohne Ausnahme, in diesem Hohen Hause erhebt: wie schaffen wir beschleunigt mehr Verkehrsraum und mehr Sicherheit auf unseren Straßen im Interesse der motorisierten Verkehrsnutzer wie aber auch aller anderen Verkehrsnutzer?
Wir haben vor kurzem bei der Beratung des Straßenbaufinanzierungsgesetzes gesagt, daß der Straßenbau nach Auffassung der Freien Demokraten in die erste Dringlichkeitsstufe gehört. In den anderen Fraktionen ist wohl ein großer Teil Freunde vorhanden, die dieselbe Auffassung vertreten. Seit Jahr und Tag und heute vermehrt treten wir dafür ein, daß es eine der dringlichsten zu lösenden Staatsaufgaben ist, dem Straßenbau mehr als bisher das Augenmerk zu schenken. Die Verkehrspolitik, speziell der Straßenbau, ist im Rahmen der Investitionspolitik der öffentlichen Hand nach unserer Auffassung bisher vernachlässigt worden; er muß endlich in die höchste Rangstufe gebracht werden. Das Straßenbaufinanzierungsgesetz ist ein erster Anfang dazu, daß das geschehen kann.
Wir sind allerdings der Auffassung, daß in der Straßenbaufinanzierung noch Reserven vorhanden sind, die sich durch den notwendigen sukzessiven Abbau des Sockelbetrages, die Überprüfung der Betriebsbeihilfen und den Abbau der Hydrierpräferenzen ergeben werden, wenn wir wünschen, den Straßenbau in die oberste Rangstufe zu bringen und die von den Verkehrsteilnehmern aufgebrachten Verkehrsabgaben für die Zwecke des Verkehrs zu binden.
Wenn wir wissen, daß 1959 rund 1,3 Millionen neue Fahrzeuge zugelassen worden sind und wir heute 7,3 Millionen motorisierte Fahrzeuge auf unseren Straßen haben, während im gleichen Zeitraum nur knapp mehr als ein Drittel an Straßen gebaut wurde, dann haben wir Ursache, bei der Beratung gerade des Einzelplans 12 über die Möglichkeiten nachzudenken, wie wir mehr Verkehrsraum und mehr Sicherheit auf unseren Straßen schaffen können. Bei der Beratung des Straßenbaufinanzierungsgesetzes habe ich über diese Verhältnisse ausführlich gesprochen, und gerade die Mitglieder des Verkehrsausschusses sind eigentlich gar nicht so sehr auseinander in der Beurteilung der Notwendigkeiten.
In diesem Zusammenhang möchte ich ein Wort an einen Kollegen einfügen, der gestern abend gesprochen hat, nämlich an den Kollegen Schneide r. Er ist leider nicht da. Ich hoffe, er kommt noch. Man sollte doch nicht bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit so, wie es gerade gestern abend Kollege Schneider von der Deutschen Partei getan hat, immer wieder die Mitglieder dieses Hauses, die sich auf Grund ihrer Zugehörigkeit zum Verkehrsausschuß mit den Verkehrsproblemen beschäftigen müssen, als Interessentenvertreter abstempeln. Ich hätte an Herrn Schneider - ich hoffe, er bleibt nicht draußen oder oben in seinem Zimmer - die Frage zu stellen, was er eigentlich unter einem Interessentenvertreter versteht. Ich hätte auch an den Herrn Bundesverkehrsminister die Frage zu stellen, was er darunter versteht, nachdem ich das gelesen habe, was er in dem Interview mit dem Reporter Dr. Obermann gesagt hat, und nachdem ich das gehört habe, was er vor dem Fernsehen gesagt hat. So geht es nicht, meine verehrten Damen und Herren!
Wir haben in diesen Tagen in der interparlamentarischen Arbeitsgemeinschaft einen hochinteressanten Vortrag gehört; es war eine rechtsvergleichende Darstellung über das Thema „Parlament und Interessenvertretungen des Volkes und der Wirtschaft". Es ist schade, daß Herr Schneider nicht anwesend war, um das einmal zu hören.
Darüber hinaus hätte ich die Frage zu stellen, welche speziellen Interessen der Herr Schneider denn eigentlich vertritt. Ich nehme an, er kommt noch in diesen Saal. Wir werden dann miteinander noch einiges klarzustellen haben. Es ist notwendig, daß dies geschieht.
Ich habe vom Straßenbaufinanzierungsgesetz, von der Zweckbindung, vom Abbau des Sockelbetrages, von den Betriebsbeihilfen und anderen Dingen gesprochen, die sich für uns noch als Reserve für die
Straßenbaufinanzierung anbieten. Wir müssen auch heute wieder hervorheben, wie notwendig es im Interesse aller Verkehrsnutzer ist, daß man gerade beim Straßenbauhaushalt zur Wahrheit und Klarheit der Haushaltsgebarung zurückkehrt.
Ich bedauere, daß der Herr Bundesverkehrsminister nicht begreift, daß gerade der Verkehrsausschuß ihm seit Jahren helfen will, und daß er auf Grund einer, ich weiß nicht, auf Grund welcher, vorgefaßten Meinung annimmt, wenn die Damen und Herren des Verkehrsausschusses sich mit den Notwendigkeiten des Straßenbaus beschäftigten, ginge es gegen ihn. Wir wollten ihm ja immer nur helfen und dafür sorgen, daß in einem bestimmten Zeitraum mehr Mittel zur Verfügung gestellt werden. Wir wollten erreichen, daß man zu einer guten Zusammenarbeit zwischen Legislative und Exekutive kommt.
Wir brauchen mehr Verkehrsraum und mehr Sicherheit auf unseren Straßen. Dafür ist abgesehen von der Zusammenarbeit zwischen Legislative und Exekutive auch eine bessere Zusammenarbeit zwischen dem Bundesverkehrsministerium und den Landesdienststellen, den Kreisbauämtern und anderen Dienststellen erforderlich. Man muß es erlebt haben, wie die Dinge da draußen zum Teil nebeneinander laufen. Ich möchte die Schuld hierfür nicht dem Verkehrsministerium oder den regionalen Dienststellen geben. Auf Grund des föderativen Aufbaus unseres Staates ist die Situation hier zum Teil sehr kompliziert geworden.
Hier wäre die Frage zu prüfen, ob man nicht der Anregung folgen könnte, von Zeit zu Zeit die gemeinsam zu lösenden Aufgaben in einem Koordinierungsgespräch zu erörtern, zu dem die Verantwortlichen zusammengeführt werden, um zu erreichen, daß die Maßnahmen sinnvoll aufeinander abgestimmt werden können. Ich komme auf diese Frage noch einmal konkret zu sprechen.
In diesem Zusammenhang aber nun auch ein Wort zur Verkehrssicherheit auf der einen und zur Unfallbilanz auf der anderen Seite. Ich sage nichts Neues, wenn ich anführe: 13 515 Verkehrstote und 404 000 Verkehrsunfälle im Jahr, täglich in Deutschland über 400 Krankenbetten durch Verkehrsverletzte neu belegt, Folgeschäden 1959 insgesamt über 4 Milliarden DM. Alle Fraktionen sind sich darin einig, daß es eine entsetzliche Bilanz ist, die hier vor uns liegt. Wir müssen versuchen, hier durch geeignete Maßnahmen Abhilfe zu schaffen im Interesse aller Verkehrsteilnehmer, der motorisierten Verkehrsteilnehmer, der Radfahrer und der Fußgänger.
Vor kurzem wurde auf Anregung des Verkehrsausschusses ein sehr interessantes Gespräch mit Fachleuten aus den verschiedenen Sparten des öffentlichen Lebens durchgeführt. Man hat dort wichtige und gute Anregungen bekommen, wie man die Sicherheit im Verkehr erhöhen könnte durch geeigneten Straßenbau, durch Entmischung des Verkehrs, durch eine psychologisch richtig angesetzte Erziehung: Wie kommt man zu einem richtigen Verhalten im Verkehr, und wie überträgt man das sonst in den zwischenmenschlichen Beziehungen in Deutschland und darüber hinaus vorhandene höfliche Verhalten an das Lenkrad? Das ist eine sehr ernste Frage, ob die Menschen, wenn sie in dem Blechkasten sitzen, sich auch so verhalten, wie sie sich außerhalb des Automobils im zwischenmenschlichen Kontakt verhalten.
In diesem Zusammenhang möchte ich all denen Dank sagen, die bisher in der Verkehrserziehung mitgewirkt haben, um zu einer notwendigen Verkehrsgesinnung einen Beitrag zu leisten. ADAC, AvD, Verkehrswacht, Straßenliga, auch die Schulen der Verkehrspolizei, die Verkehrsträger selbst leisten einen Beitrag durch ihre Verkehrserziehungsschule in Rieneck usw. Wir alle haben durch unser Verhalten im Verkehr einen Beitrag zu leisten.
Auch Leitstreifen, Leitplanken, Trennlinien, Bepflanzung der Mittelstreifen auf den Bundesautobahnen wären ein Beitrag, die Verkehrssicherheit zu erhöhen.
Ich möchte in diesem Zusammenhang auch den ambulanten Stationen, den dort Bediensteten, dem Deutschen Roten Kreuz und der Straßenwacht des ADAC Dank sagen. Wenn man mit dem Fahrzeug viel auf der Straße ist, weiß man um die Notwendigkeit dieser Unfallhilfsdienste. Es wäre die Frage zu prüfen, inwieweit man den Unfallhilfsdienst auf den Straßen durch die Einrichtung von ambulanten Stationen, die man mit entsprechendem Werkzeug usw. ausstattet, noch verbessern kann, damit diese Stationen dem Unfallverletzten auf der Straße eine unmittelbare und bessere Hilfe als bisher leisten können.
Das Bundesverkehrsministerium sollte, vielleicht in Verbindung mit dem Bundesinnenministerium, der Kultusministerkonferenz die Anregung geben, zu prüfen, inwieweit Verkehrsunterricht zum Pflichtfach an allen Schulen gemacht werden kann. Auch die Schulen sollten einen Beitrag leisten, schon den Kindern das verkehrsgerechte Verhalten beizubringen und ihnen die Gefährdung im Verkehr und insbesondere auf dem Schulweg aufzuzeigen. Ich bin der Auffassung, daß diese Frage zur Erhaltung von Gesundheit und Leben bei einer hoffentlich bald einzuberufenden Konferenz der Kultusminister der Länder besprochen werden muß.
Wir haben den Entwurf eines Kreuzungsgesetzes vorliegen. Ich hoffe, daß der Verkehrsausschuß, Herr Dr. Bleiß, möglichst bald dazu kommt, sich mit dem Kreuzungsgesetz zu befassen. Man muß sich allerdings rechtzeitig Gedanken darüber machen, wie die Bahn auf der einen Seite und der Straßenverkehr auf der anderen Seite zusammenwirken sollen; denn daß die Kosten der Beseitigung der 38 000 Kreuzungen von Straße und Schiene nicht allein von der Bahn getragen werden können, darüber gibt es in diesem Hause keine gegensätzliche Auffassung. Man muß prüfen, woher die Mittel kommen sollen und wie man diese Frage möglichst rasch lösen kann.
Herr Staatssekretär, ich hoffe, daß man möglichst bald eine Generalnovelle zur Bereinigung unserer Straßenverkehrsordnung herausbringen kann. Wir haben im Bundesgebiet insgesamt etwa 7000 VerEisenmann
ordnungen, Bestimmungen und Gesetze und halten damit, glaube ich, unter den europäischen Staaten die Spitze. In dieser Beziehung sind wir perfekter als jedes andere Land. Es wäre zu prüfen, wie man zu einer Bereinigung dieser Vorschriften kommen könnte.
Wenn man über die Straßen insbesondere unserer Städte und Großstädte fährt, sieht man, wie notwendig es ist, zu einer Bereinigung auch unseres Schilderwaldes zu kommen. Ich weiß nicht, ob wir, Herr Kollege Conring, alle Schilder jeweils so kennen, wie es notwendig ist oder wäre. Auch da müßte man zu einer Bereinigung der Dinge kommen.
({0})
- Ich weiß, wir wollen alle nach Hause. ({1})
- Ich kann es nicht ändern, daß uns die Zeit weggelaufen ist. Herr Kollege Müller-Hermann. wir haben uns auch über diese Dinge zu unterhalten.
Bei dem Problem der Lösung des zweiten Weges ist die Frage zu prüfen, wie man durch Forschungsaufträge und Zusammenarbeit der geeigneten Stellen dort zu Lösungen kommt, die notwendigerweise gefunden werden müssen.
Ein Wort noch zu dem Problem der Baustellenblockade. Auch das Bundesverkehrsministerium könnte vielleicht hier einen Beitrag leisten. Es ist entsetzlich, wie man es draußen erlebt, daß heute die Straße aufgerissen wird, weil eine neue Decke I aufgetragen wird, und morgen die Post kommt; übermorgen sind es die Elektrizitäts- und Wasserleitungsbauer, und einen Tag oder ein paar Wochen später sind es andere Dienststellen des Bundes, des Landes, des Kreises oder der Stadt. Es ist die Frage, oh man da nicht ein besseres Zusammenarbeiten, ein besseres gegenseitiges Abstimmen erreichen kann. Diese Frage muß auch im Interesse der Steuerzahler angepackt werden.
In diesem Zusammenhang ein Wort zur Straßenverkehrspolitik in der EWG! Wir von der FDP haben erhebliche Sorgen hinsichtlich der Entwicklung zur EWG, und zwar aus den Gründen, die Sie kennen: zwei rivalisierende Wirtschaftsblöcke und darüber hinaus all die Dinge, die damit verbunden sind. Wir haben Bedenken und Sorgen anzumelden hinsichtlich der Benachteiligung der Küstengebiete sowie der Zonenrandgebiete durch die Entwicklung zur EWG, und wir haben die Frage an das Bundesverkehrsministerium zu stellen, welche Maßnahmen es erwägt ui d durchzuführen gedenkt, um diese peripheren Gebiete- die Küstenländer, die Zonengrenzgebiete - nicht noch mehr zu benachteiligen.
Die Aussage, die der Herr Bundesverkehrsminister vor dem Bundesrat gemacht hat - er meinte, seit längerer Zeit liefen Verhandlungen seines Ministeriums mit den Küstenländern, ohne konkret auszusagen, was er sich vorstellt und wohin die Reise gehen soll -, diese Aussage allein genügt uns nicht. Wir wollen eine klare Antwort haben, weil unsere Wirtschaftszweige Sorgen anzumelden haben. Wenn man weiß, daß z. B. von 1400 Gemeinden Schleswig-
Holsteins rund 75,8 % die Personen- und Güterbeförderung nur über die Straße durchführen können, wird klar, daß diese Frage angepackt werden muß, um sie einer sinnvollen Lösung zuzuführen. In Schleswig-Holstein haben 1061 Gemeinden keinen Schienenanschluß, und die Verkehrsfragen auf EWG-Ebene sind für diese Randgebiete von entscheidender wirtschaftspolitischer Bedeutung. Wir hätten gerne eine klare Aussage darüber gehört, wie man diese Frage sinnvoll zu lösen gedenkt.
Auf Grund der Bemerkungen meiner Kollegen und wegen der vielen vorliegenden Wortmeldungen möchte ich zu den Problemen Autobahnnetz, Fernstraßen, Erschließung des Raums der Küstenstädte, Anschluß der Küstenstädte an die Nord-Süd-Richtung nicht sprechen. Ich nehme an, daß wir Gelegenheit haben werden, uns in aller Kürze noch einmal darüber zu unterhalten. Die Küsten - und Hafenstädte benötigen einen guten Nord-Süd-Anschluß, und sie brauchen dringend einen guten Straßenanschluß an das Kernwirtschaftsgebiet des Ruhrgebiets.
Vorhin habe ich die Stichworte „mangelnde Zusammenarbeit" und „Koordinierung der Aufgaben" genannt. Wir von der FDP möchten in diesem Zusammenhang bitten, zu prüfen, inwieweit genügend baureife Pläne vorhanden sind, damit der Ablauf der Dinge nicht noch durch das Fehlen solcher Pläne verzögert wird. Ich habe ein Beispiel, Herr Staatssekretär, das vielleicht für viele sprechen mag, die Umgehungsstraße Itzehoe. Seit 1954 plant man und versucht man, dort zu einer Lösung zu kommen. Seit rund drei Jahren weiß man, daß die westliche Linie 'die richtige ist. 1958 und 1959, vor allem aber 1958 hat der Herr Verkehrsminister in einem Exklusivinterview vor der norddeutschen Presse gesagt: Wir beginnen noch in diesem Jahr, spätestens im Sommer 1959. Wenn man heute in Ihrem Hause nachfragt, wird einem erklärt, daß die Pläne bereits nach Kiel gesandt seien. Fragt man in Kiel nach, so sagt man dort: Die Pläne sind noch nicht eingetroffen. Aus dem Schriftverkehr entnehme ich, daß Ihr Haus einzelnen betroffenen Grundstückseigentümern Anfang dieses Jahres schriftlich mitgeteilt hat: Die Entscheidung liegt in Kiel; Sie können dort die Antwort abholen; wir haben geschrieben! Bei einer Nachfrage bei der Landesdienststelle in Kiel stellt sich heraus, daß dort noch keine Antwort Ihres Hauses eingetroffen ist. Was, glauben Sie, Herr Staatssekretär, denkt da der Bürger? Ich werde Ihnen nachher die Unterlagen überreichen mit der Bitte, zu prüfen, wo die Fehler in Ihrem Hause lagen. So kann man mit der Wahrheit nicht umgehen! Der Bürger erwartet eine klare Aussage, da hier sein Eigentum betroffen ist. Diese Maßnahmen sind dazu geeignet, die Staatsverdrossenheit des Bürgers entscheidend zu wecken, und das ist alles andere als das, was wir wünschen.
Die Zusammenarbeit möchte ich in diesem Zusammenhang an einem anderen Beispiel zeigen, das Sie, Herr Kollege Diel, aus Ihrer engeren Heimat kennen werden. Der Bund plant bei Wiesbaden/Mainz eine Brücke über den Rhein und darüber hinaus die Südumgehung. Das Land Hessen plant seit Jahren,
das Land Rheinland-Pfalz plant seit Jahren, der Bund plant auch, - alle drei Stellen nebeneinander. Sollte es in den letzten zwei Jahren nicht möglich gewesen sein, diese Gruppen einschließlich der Stadtbauämter von Mainz und Wiesbaden einmal zusammenzuführen, damit man weiß, was der andere tut? Ich weiß, wie die Dinge dort gelaufen sind. Es ist ein entsetzliches Beispiel dafür, wie es nicht sein soll. Man hat keinen Kontakt von Land zu Land aufgenommen und vielleicht auch von seiten des Bundesverkehrsministeriums nicht rechtzeitig koordiniert. - Soweit bin ich über diese Dinge informiert.
Ich möchte auf die anderen Fragen übergehen. Es ist eigenartig, Herr Staatssekretär - Ihr Herr Minister ist leider nicht anwesend -, welche Rangfolge sie bei der Behandlung der Verkehrsachsen im Land Schleswig-Holstein festgelegt haben. Auf der E 3, der Mittelachse, der entscheidenden Straße für den Nord-Süd-Verkehr aus Skandinavien in Richtung Elbe-Brücken und darüber hinaus, hatten wir bei Kupfermühle-Flensburg einen grenzüberschreitenden Pkw-Verkehr von 1,3 Millionen Fahrzeugen. Auf der Fehmarn-, der sogenannten Vogelfluglinie mit Übersetzen bei Heiligenhafen, hatten wir ein Sechstel dieses Verkehrs. Für den so notwendigen Ausbau der E 3, dort, wo die größte Verkehrsdichte ist, im Raum Quickborn-Hamburg, wo man mit dem vierspurigen Ausbau anfangen müßte, sind für die nächsten zwei Jahre keine Mittel eingesetzt. Aber man setzt rund 30 Millionen DM ein, um den Grundstein für die Fehmarn-Brücke zu legen und diese zu bauen, obwohl man ganz genau ') weiß, daß das Land Schleswig-Holstein und die weiße Wirtschaft in Ost-Holstein dringend den Ausbau der Bundesstraße 207 von Lübeck-SchwartauNeustadt-Oldenburg-Heiligenhafen befürworten. Man sollte darüber nachdenken, was im Interesse der Wirtschaft, des Verkehrsflusses und der Erhöhung der Verkehrssicherheit sowie zur Förderung der regionalen Wirtschaft, der Fremdenverkehrswirtschaft in Schleswig-Holstein hätte getan werden müssen. Das sind Dinge, die einmal angesprochen werden müssen.
Man beginnt auch nicht - ein Beispiel für viele - mit dem vierspurigen Ausbau der Bundesstraße 5 ab Pinneberg-Rellingen-Hamburg, um mit der Einfädelung nach Hamburg über den Engpaß der Elbe-Brücken weiterzukommen.
Schleswig-Holstein ist doch heute in einer insularen Lage!
({2})
- Das ist nun einmal so durch die Unrechtsgrenze nach Mecklenburg! Nehmen Sie doch die Autobahnkarte vor und stellen Sie fest, wo die großen Fernstraßen enden: an der Elbe! Ein Autobahnzug wird weitergeführt nach Lübeck. Darüber muß man sich doch endlich einmal unterhalten. Dieses Land hat 20% weniger Straßenverkehrsfläche als im Bundesdurchschnitt vorhanden ist, wobei ich nicht sage, meine verehrten Herren Zwischenrufer, daß in Deutschland Straßenverkehrsraum über Maß vorhanden sei. Das sind Dinge, die ich ganz klar an die
Adresse des Bundesverkehrsministeriums sagen wollte.
Ich bedauere, daß der Kollege Schneider immer noch nicht anwesend ist.
({3})
- Herr Kollege Conring, ich weiß nicht, ob Sie gestern abend dagewesen sind. Wenn Sie das erlebt hätten, würden Sie vermutlich mit mir der Auffassung sein, daß kein anständiger Abgeordneter dieses Hauses - und es gibt vermutlich nur anständige Abgeordnete in diesem Hause ({4})
es sich bieten läßt, hier von Herrn Schneider als Interessentenvertreter abgestempelt zu werden.
({5})
Das kommt nicht in Frage. Die Vertreter des Verkehrsausschuses werden sich dagegen zu wehren wissen.
Wenn Herr Schneider gestern abend gesagt hat, daß vermutlich auch der Lkw-Anhänger im Straßenverkehr verschwinden müsse, so möchte ich fragen, wie er sich dann die Verkehrsbedienung überhaupt vorstellt, und ich möchte ihn fragen - ({6})
- Das ist eine ausgezeichnete Aussage. Aber ich möchte nur eines sagen: vielleicht machen sich der betreffende Kollege und auch der Bundesverkehrsminister einmal Gedanken darüber, inwieweit die Sattelschlepper eine größere Unfallhäufigkeit als gute Lastzüge mit Anhänger haben, und auch darüber, wie die Spur dieser Schlepper beim Einbiegen, bei scharfen Kurven usw. läuft.
Zum Abschluß, meine sehr verehrten Damen und Herren, nur noch ein Wort. Das ist ein Wort an den nicht anwesenden Bundesverkehrsminister. Ich bin der Auffassung, wir werden uns in Kürze bei der Behandlung des Problems „Längen, Maße und Gewichte" hoffentlich in seiner Anwesenheit hier auseinandersetzen können. Ich möchte dem Herrn Bundesverkehrsminister wirklich von Herzen eine baldige und gute Genesung wünschen, damit er sich uns hier endlich einmal zur Aussprache stellt. Sollte er das nicht tun, dann möchte ich ihm persönlich empfehlen, durch Räumen des Platzes und des Sessels des Bundesverkehrsministers dem Straßenverkehr endlich „freie Fahrt" zu geben.
({7})
Das Wort hat der Herr Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr.
Herr Präsident! Meine Damen
und Herren! Gestatten Sie mir einige kurze Bemerkungen zu dem bisherigen Verlauf der Debatte, weil ich vermeiden möchte, daß Mißverständnisse auftreten, und weil ich dazu beitragen möchte, daß Wiederholungen unterbleiben und nicht Themen angeschnitten oder noch einmal vertieft werden, die wirklich bei der derzeitigen Lage außer Betracht gelassen werden können.
Zum ersten Punkt. Der Herr Abgeordnete Rademacher hat gestern, meines Erachtens mit Recht, bei der Betrachtung der Lage der Lufthansa auf die schwebenden Verhandlungen mit der SAS Bezug genommen. Ich möchte aber vermeiden, daß die Zusammenhänge unklar bleiben oder unklar erscheinen. Es handelt sich bei den derzeitigen Verhandlungen, die auf der Regierungsebene mit den drei skandinavischen Staaten geführt werden, keineswegs darum, der Deutschen Lufthansa irgendeine Vorzugstellung einzuräumen. Es handelt sich darum, dem Grundsatz der Reziprozität der Luftverkehrsrechte - einem Grundsatz, der auf weltweiten internationalen Abkommen beruht - auch im Verkehr zwischen Deutschland und den übrigen luftfahrttreibenden Ländern - im vorliegenden Falle den skandinavischen Ländern - wieder Geltung zu verschaffen. Es geht also nicht um Sonderrechte für die Lufthansa, sondern um den schrittweisen Abbau der Sonderstellung, die sich einige ausländische Luftverkehrsgesellschaften vor Wiederaufbau und Wiederzulassung einer deutschen Luftfahrt in Deutschland schaffen konnten. Daß das notwendig ist und in welchem Umfange, hat meines Erachtens der Abgeordnete Ritzel gestern auf Grund guter Sachkenntnis überzeugend dargestellt.
In der gestrigen Debatte ist auch davon die Rede gewesen, daß auf dem Gebiet der Handelsverträge und der Schiffahrtsverträge mehr geschehen müßte, um die Interessen der deutschen Seeschiffahrt zu wahren. Ich möchte auch hier nicht, daß ein Mißverständnis auftritt. Es handelt sich für uns nicht darum, der deutschen Seeschiffahrt etwa eine ähnliche Stellung vertragsmäßig einzuräumen, wie sie andere schiffahrttreibende Länder der Welt durch die sogenannte 50 : 50-Klausel oder eine andere prozentuale Klausel ihren Flaggen zusichern. Für uns geht es darum, in den Handelsverträgen, in den Schiffahrtsverträgen zu vermeiden, daß die deutsche Flagge durch protektionistische Maßnahmen der Vertragsstaaten diskriminiert wird. Wir wollen also vermeiden, daß z. B. ein Land, mit dem wir Handelsverträge abschließen, eine grundsätzliche Weisung an die Kaufleute dieses Landes gibt, Importe aus Deutschland oder Exporte nach Deutschland nur mit der Flagge des eigenen Landes durchzuführen. Wir wollen also eine möglichst weitgehende Liberalisierung und Freiheit der Seeschiffahrt, nicht einen Protektionismus der deutschen Flagge.
Dann eine Bitte! Es ist wiederholt und zum Teil sehr stark die Frage der Achslasten, Maße und Gewichte angeschnitten worden. Bei dem nicht unmittelbar Sachkundigen könnte der Eindruck entstehen, es handele sich hier um einen Eckstein der Verkehrspolitik des 20. Jahrhunderts. Die Frage der Achslasten, Maße und Gewichte ist überhaupt nur noch hinsichtlich der Abmessungen akut. Sie wissen, daß wir uns nicht nur national, sondern auch international hinsichtlich der Achslasten und des Gesamtgewichtes praktisch verständigt haben. In Rede stehen nur noch die Abmessungen, und zwar auch wiederum nicht die Abmessungen für den Güterkraftverkehr in seiner Gesamtheit, sondern nur für die Fahrzeuge, die insgesamt nach einer mir vorliegenden Statistik etwa 12 % des Lkw-Bestandes ausmachen. Nur für diese 12%, nämlich für die sogenannten schweren Fahrzeuge, ist die Frage der Abmessungen überhaupt interessant und akut.
Sie wissen, daß das Bundeskabinett meinen Minister beauftragt hat, die schwebenden europäischen Verhandlungen über die Vereinheitlichung der Achslasten, Maße und Gewichte mit dem Ziel zu führen, daß die Abmessungen sich auf 15,50 m beschränken. Der Wunsch weiter Kreise dieses Hauses ist es, auf etwa 16,50 m zu kommen. Diese Differenz ist deswegen nicht von großer Bedeutung, weil wir Ihre Zusage haben, daß Sie jede europäische Lösung akzeptieren. Sie dürfen versichert sein, daß mein Minister bzw. unser Haus bei den europäischen Verhandlungen das Zustandekommen einer Einigung nicht durch das Festhalten an den 15,50 m scheitern lassen wird.
Ich wäre froh, wenn ich hätte dazu beitragen können, die Diskussion zu verkürzen.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bleiß.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es war nicht meine Absicht, in der zweiten Lesung des Verkehrshaushalts zu sprechen, weil wir in absehbarer Zeit im Bundestag verschiedene Verkehrsdebatten werden führen müssen. Aber die Ausführungen, die Herr Kollege Schneider gestern abend hier gemacht hat, zwingen uns zu einer Erwiderung. Ich bedauere, daß Herr Kollege Schneider nicht im Hause ist. Er hat gestern abend die Aufgabe übernommen, den Herrn Bundesverkehrsminister zu verteidigen. Seine Bemühungen sind anzuerkennen.
Herr Kollege Schneider hat aber anscheinend ungeprüft die Argumentation des Herrn Bundesverkehrsministers übernommen. Mit dieser Argumentation müssen wir uns auseinandersetzen. Herr Schneider hat gestern abend eine Zahl wiederholt, die am 19. März im Bulletin stand. Damals hat der Herr Bundesverkehrsminister unter anderem ausgeführt, daß auf 1000 Personenkraftwagen im Jahre 1958 2 Tote und auf 1000 Lastzüge über 9 t 17 Tote entfallen seien.
Beides sind schreckliche Zahlen; auch wir bedauern sie. Aber wenn der Herr Bundesverkehrsminister damit den Eindruck erwecken will, daß ein Lastfahrzeug neunmal so gefährlich ist wie ein Personenwagen, dann ist eine solche Behauptung irreführend.
({0})
Ein Pkw fährt im Jahre durchschnittlich etwa 20 000 km, während ein Lastzug im Jahr etwa 100 000 km fährt. Wenn man Fahrzeug plus Strecke miteinander vergleicht, sieht das Bild völlig anders aus.
Die Statistik ist ein wohltätige Einrichtung, wenn man sie vernünftig handhabt. Der Mißbrauch einer Statistik führt aber zur Tatsachenverdrehung und zu falschen und gefährlichen Schlüssen. Das sollte sich der Herr Bundesverkehrsminister auch einmal merken. Wir Sozialdemokraten - das möchte ich betonen - bedauern die großen Kilometerleistungen der Lastzüge. Wir wünschen für den Straßenverkehr Arbeitsbedingungen zu schaffen, die die übermäßigen Kilometerleistungen vermindern, um dadurch den Straßenverkehr in seiner Gesamtheit zu entlasten. Leider ist die Bundesregierung - lassen Sie mich auch das einmal sagen - in den vergangenen Jahren den umgekehrten Weg gegangen. Sie hat durch das Anziehen der Steuerschraube den Straßenverkehr zu größeren Kilometerleistungen gezwungen und dadurch dem Schienenverkehr einen Bärendienst erwiesen.
Aber noch eines bedrückt mich. Wenn der Herr Bundesverkehrsminister neuerdings gegen alle Lastzüge über 9 t wettert - und das tut er in dem
Bulletin vom 19. März -, plädiert er praktisch für
Lastzüge unter 9 t. Da möchte ich Sie fragen: wie sollen denn diese Spielzeuglastzüge unter 9 t aussehen, und was soll eigentlich mit diesen Lastzügen in der neuerlichen „Seebohm-Miniaturausgabe" transportiert werden?
Meine Damen und Herren, wir sind in unserer Wirtschaftsstruktur auf die Versorgung durch den motorisierten Straßenverkehr angewiesen. Herr Kollege Eisenmann hat das hier hervorgehoben. Nach meiner Meinung muß das auch der Deutsche Gemeindetag und müssen das auch die deutschen kommunalen Spitzenverbände anerkennen. Denn es ist doch eine Tatsache, daß von 24 000 Gemeinden 15 000 Gemeinden keinen Gleisanschluß haben. Diese 15 000 Gemeinden müssen im Flächenverkehr versorgt werden. Je mehr Nebenstrecken die Bundesbahn stillegt, um so mehr Lastfahrzeuge müssen eingesetzt werden, um den zusätzlichen Verkehr zu übernehmen. Wir haben bisher noch keinen Protest des Herrn Bundesverkehrsministers gegen eine weitere Stillegung von Nebenstrecken gehört.
Ich bin für die Koordinierung beider Verkehrsträger, damit der Straßenverkehr so schnell und so weit wie möglich entlastet wird. Ich bin aber der Meinung, daß das Ziel der Straßenentlastung durch eine Koordinierung eher zu erreichen ist als durch einen Vernichtungsfeldzug gegen eine Vielzahl von mittelständischen Betrieben, wie ihn der Herr Bundesverkehrsminister seit fünf Jahren führt.
Lassen Sie mich noch ein Wort zum Lastzug sagen. Der mitgeführte Anhänger fährt ja nicht zum Vergnügen und auch nicht aus Tradition mit, sondern soll eine Last befördern. Läßt man diesen Anhänger weg, geht man also nur auf Maschinenwagen über, dann muß das Transportvolumen entweder durch zusätzliche Maschinenwagen oder durch längere Maschinenwagen bewältigt werden. Die Fahrzeugindustrie würde darüber nicht unglücklich sein; denn im Maschinenwagen liegt ja das Geschäft. Jeder zusätzliche Maschinenwagen erzeugt in den Städten und Gemeinden mehr Motorengeräusche und mehr Auspuffgase. Deswegen glaube ich, daß auf den Lastzug auch aus diesen Gründen nicht verzichtet werden kann. Diese Überlegungen werden auch den Kommunalpolitischen Ausschuß des Bundestages bewogen haben, sich dem Votum des Verkehrsausschusses anzuschließen.
Einige Sätze zu den überlangen und d n überschweren Fahrzeugen. Wenn sich der Herr Bundesverkehrsminister im Jahre 1956 dem damaligen Votum des Verkehrsausschusses angeschlossen hätte, wären die überlangen und überschweren Fahrzeuge längst aus dem Verkehr verschwunden.
Lassen Sie mich in Ihre Erinnerung zurückrufen, wie es damals aussah. Während sich der Verkehrsausschuß darum, bemühte, zu einer vernünftigen Lösung zu kommen, und der Herr Bundesverkehrsminister damals im Verkehrsausschuß den Eindruck erweckte, als wolle er sich im Bundesrat für die 16 m einsetzen, schickte er seinen damaligen Abteilungsleiter von einem Land ins andere, um eine Mehrheit für 14 m zu gewinnen.
({1})
Als er glaubte, daß er dieser Mehrheit sicher sei, ging er in den Bundesrat, ohne vorher ,den Verkehrsausschuß zu verständigen. Im Bundesrat trat er dann entgegen dem Votum des Ausschusses für 14 m Lastzuglänge ein, obwohl er uns vorher von dem Gegenteil zu überzeugen versucht hatte. Ich bitte Sie, uns nicht zu verübeln, wenn wir damals den Glauben an ,die Loyalität des Herrn Bundesverkehrsministers verloren haben.
({2})
Je länger sich der Herr Bundesverkehrsminister einer wirtschaftlich vernünftigen Lösung widersetzt, desto länger werden die uns allen unerwünschten überlangen Lastzüge ,auf den Straßen sein.
Der Herr Bundesverkehrsminister hat sich im Bulletin vom 19. März zu der Europäischen Verkehrsministerkonferenz geäußert. Er schrieb dort u. a., daß sein Vorschlag - die 15,5 m - von Frankreich, Belgien, Luxemburg, Spanien und der Türkei akzeptiert worden sei. Er beklagt sich im gleichen Zusammenhang darüber, daß der Beschluß des Verkehrsausschusses die europäische Regelung beeinträchtige. Liest man diese Ausführungen, gewinnt man den Eindruck, als ob es sich in der Europäischen Verkehrsministerkonferenz um einen Mehrheitsbeschluß gehandelt habe. Aber wie sieht es denn in Wirklichkeit aus? Ich habe hier eine Information aus einem anderen Ministerium, die besagt, für 15,5 m seien die Bundesrepublik, Spanien und die Türkei eingetreten. Die beiden letzten haben praktisch keinen internationalen Verkehr auf der Straße; das ist zweifellos richtig. Ich habe auf unseren Straßen noch keinen spanischen und auch noch keinen türkischen Lastzug gesehen. Aber auch der Kernpunkt der Seebohmschen Darstellung, heißt es hier, die Einigung zwischen Deutschland und Frankreich,
sieht bei näherer Betrachtung anders aus. Frankreich, das fast nur am Binnenverkehr interessiert ist, behält sich für den Binnenverkehr 18 m vor. Für Frankreich gilt also, wenn die Informationen richtig sind, im Lande selbst der 18-m-Zug weiter. Der grenzüberschreitende Verkehr spielt für Frankreich keine Rolle. Aber die für den grenzüberschreitenden Verkehr wichtigen Länder, z. B. Holland, Italien, Skandinavien und Österreich, haben sich bisher eben mit der Bundesrepublik nicht geeinigt.
Diese zweifellos sehr bemerkenswerten Tatsachen verschweigt der Herr Bundesverkehrsminister und unterrichtet damit die Öffentlichkeit wissentlich falsch.
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Ich glaube, das ist wirklich eine bedauerliche Tatsache, die ich hier feststellen muß.
Herr Abgeordneter Dr. Bleiß, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Kalinke?
Herr Kollege Bleiß, sind Sie bereit, hier zu sagen, aus welchem Ministerium Ihnen die Auskunft gegeben ist, die Anlaß zu Ihrer ungeheuerlichen Behauptung gegeben hat, daß der Herr Bundesverkehrsminister die Öffentlichkeit wissentlich falsch unterrichte? Sind Sie bereit zu sagen, was die wirkliche Meinung Frankreichs und der Beneluxstaaten ist, wenn Sie sie wissen sollten? Sind Sie bereit, das, was Sie jetzt dargelegt haben, hier in aller Öffentlichkeit zu beweisen?
Gnädige Frau, ich glaube, Sie drehen die Beweislast um. Der Herr Bundesverkehrsminister möchte uns doch darüber unterrichten, was wirklich in Paris beschlossen und verhandelt wurde.
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Er darf nicht halbe und dadurch falsche Informationen an die Presse geben. Sie werden von mir doch nicht etwa verlangen wollen, daß ich den Namen der Informanten preisgebe! Das wäre ja ein wirklich unbilliges Verlangen. Ich bitte Sie sehr, davon abzusehen.
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- Gnädige Frau, Sie haben die Möglichkeit, hier den Beweis anzutreten, daß diese Informationen nicht richtig sind. Der Herr Staatssekretär kann hier aussagen, ob die Franzosen bereit sind, in ihrem Land im Binnenverkehr die 15,5 m einzuführen. Ich habe ausdrücklich gesagt: „wenn die Informationen richtig sind". Das muß ich unterstellen. Bitte, der Herr Staatssekretär hat nachher das Wort. Wir möchten gerade Klarheit darüber haben, was in Paris verhandelt worden ist. Deswegen habe ich diese Dinge hier zur Sprache gebracht.
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Ich habe es hier und henle zur Sprache
gebrachte weil die Frage der Maße und Gewichte von Ihren Koalitionsfreunden, insbesondere gestern von Herrn Schneider, zur Diskussion gestellt worden ist. Ich wäre von mir aus auf diese Frage nicht zu sprechen gekommen. Aber auch Frau Kollegin Kalinke hat mich gestern persönlich apostrophiert, und Sie werden von mir erwarten, daß ich dazu Stellung nehme.
Ich fühle mich verpflichtet, diese Dinge klarzustellen. Ich komme auch deswegen auf Ihren Einwurf, Herr Kollege Brück, zurück, weil es sich um einen Streit im Schoße der Regierungskoalition handelt. Der Herr Bundesverkehrsminister hat sich im Bulletin ja insbesondere gegen die CDU/CSU-Fraktion gewandt und gesagt, es sei bedauerlich, daß durch die Meinungsfeststeilung in der Fraktion der CDU/CSU oder durch den Beschluß des Verkehrsausschusses, der durch einen Antrag der CDU ausgelöst wurde - das möchte ich hier noch einmal feststellen - die aussichtsreichen Verhandlungen um eine europäische Regelung dieser Frage beeinträchtigt worden seien.
Für meine Freunde darf ich erklären, daß wir im Interesse der Straßensicherheit und einer rechtzeitigen Ersatzbeschaffung den allergrößten Wert darauf legen, daß das seit Jahren andauernde und mit der Zeit wirklich unerträglich gewordene Tauziehen zwischen dem Bundesverkehrsministerium und der CDU/CSU-Fraktion um die Lastzuglänge endlich beendet wird.
Herr Kollege Schneider hat gestern noch einige unfreundliche Worte gegen die Opposition gesagt. Ich möchte ihn bitten, in Zukunft mit solchen Äußerungen etwas vorsichtiger zu sein. Herr Seebohm könnte, glaube ich, seine Straßen nicht so ungehindert bauen, wenn nicht mit den Stimmen der Opposition gegen die Mehrheit der CDU-Fraktion die Zweckbindung der Mineralölsteuer durchgekämpft worden wäre.
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Meine Damen und Herren, in der entscheidenden Debatte um die Zweckbindung hat der Herr Bundesverkehrsminister geschwiegen. Wir haben als Opposition für ihn die Kohlen aus dem Feuer holen und darum streiten müssen, daß der Straßennotstand endlich beseitigt wird. Ich erkenne bei dieser Gelegenheit sehr gern an, daß sich auch eine Anzahl von Kollegen der CDU/CSU-Fraktion für die Zweckbindung entschieden hat; immerhin hat uns die namentliche Abstimmung doch verschiedentlich sehr interessante Aufschlüsse gegeben.
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Lassen Sie mich nun zu einem anderen Punkt Stellung nehmen, meine Damen und Herren. Ich möchte verhindern, daß eine Äußerung, die hier gestern abend gefallen ist, einen falschen Eindruck hinterläßt. Wenn ich richtig gehört habe, hat der Herr Kollege Rademacher gestern abend hier ausgeführt: Wenn die 500 000 Eisenbahner ihre Verantwortung nicht spüren, dann tragen sie selbst Schuld an den Verhältnissen bei der Bundesbahn.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich dazu folgendes feststellen.
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- Ich möchte, gerade weil das mißverstanden werden kann, Herr Kollege Brück, ein paar erklärende Worte zugunsten der Eisenbahner sagen. Wenn die Bundesbahn heute noch mit Verlust arbeitet, dann ist das ein Umstand, den nicht die Bundesbahner, sondern den die Bundesregierung zu vertreten hat. Ich möchte hier deutlich herausstellen, daß die Bundesbahner seit 1945 ihre schwere Pflicht tun - darin werden Sie mir beipflichten, Herr Kollege Brück ({6})
und daß ihre Verdienste um den Wiederaufbau der deutschen Wirtschaft nicht hoch genug veranschlagt werden können.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich hier eines sagen, was ich in vielen Versammlungen der Bundesbahner immer wieder habe feststellen müssen: nämlich daß sich die Bundesbahner durch das Odium der ständigen Verlustwirtschaft seelisch belastet fühlen. Dieses Odium müssen wir den Bundesbahnern abnehmen. Wir haben diesen Menschen gegenüber die Pflicht, dafür zu sorgen, daß die Bundesbahn so schnell und so gründlich wie möglich saniert wird, daß sie mit dem notwendigen Kapital ausgestattet wird, und ich habe es nicht als eine sehr freundliche Geste der Bundesregierung angesehen, daß, während alle Positionen des Verkehrshaushalts in ihren Ansätzen erhöht wurden, ausgerechnet die Positionen der Bundesbahn um etwa 60 Millionen DM gekürzt worden sind. Wir werden im Zusammenhang mit dem Brand-Gutachten hierauf noch sehr ausführlich zu sprechen kommen.
Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir zum Schluß noch eine Klarstellung. Frau Kollegin Kalinke, Sie hatten gestern die Freundlichkeit, mich zu zitieren: Sie hielten mir vor, daß mit der Abstimmung über Maße und Gewichte im Verkehrsausschuß eine demokratische Entscheidung gefallen sei. Nun, verehrte Frau Kollegin Kalinke, Herr Kollege Müller-Hermann von der CDU/CSU-Fraktion hat im Ausschuß einen Antrag gestellt. Über diesen ist abgestimmt worden. Er wurde mit 23 Stimmen gegen 1 Stimme angenommen. Das ist im Sinne des Mehrheitsbeschlusses eine demokratische Entscheidung, und, Frau Kollegin, nur das habe ich zum Ausdruck gebracht.
Herr Minister Seebohm hat den Antrag von Herrn Müller-Hermann als eine Demonstration gegen sich angesehen; denn dem Beschluß ging ja die Rücktrittsdrohung des Herrn Ministers voraus. Aber das ist ein Familienstreit, den Sie untereinander austragen mögen. Wir wollen nur hoffen, daß in diesem Streit die wirtschaftliche Vernunft siegt. Aber wenn Sie glauben, daß Sie, meine Damen und Herren von der DP, Ihren Koalitionsstreit auf dem Rücken der Opposition austragen können, dann möchte ich Ihnen, soweit es die SPD angeht, sagen, daß Sie bei uns absolut an der falschen Adresse sind.
Herr Kollege Schneider hat gestern abend den Fleiß des Herrn Bundesverkehrsministers hervorgehoben. Nun, meine Damen und Herren, der Herr Bundesverkehrsminister ist fleißig, und er ist über viele Details gut informiert. Das wird von uns nicht bestritten. Was wir aber bedauern und was wir immer wieder kritisieren, ist der Umstand, daß der Herr Bundesverkehrsminister in seiner Verkehrspolitik von einem Extrem ins andere gefallen ist, daß er keine vernünftige Konzeption vorzuweisen hat und daß wir uns dadurch immer wieder großen verkehrspolitischen Gefahren gegenübersehen. Das bewegt uns immer wieder, Herrn Seebohm unser Mißtrauen auszusprechen, und das hat uns auch diesmal bewogen, den Haushalt des Verkehrsministeriums abzulehnen.
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Das Wort hat der Herr Staatssekretär.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte sehr um Entschuldigung, wenn ich noch einmal spreche; aber ich möchte doch die Fragen, die Herr Abgeordneter Dr. Bleiß gestellt hat, beantworten.
Es ist in Europa unstreitig, daß die Frage der Vereinheitlichung der Achslasten, Maße und Gewichte auf Betreiben meines Ministers in Angriff genommen worden ist, und zwar schon 1955. Es ist innerhalb Europas unstreitig, daß die Frage erneut und mit Nachdruck Ende vorigen Jahres aufgegriffen worden ist, und es ist unstreitig, daß seit September oder Oktober vorigen Jahres auf europäischer Ebene ununterbrochen Verhandlungen mit dem Ziel des Erreichens einer europäischen Verständigung geführt werden.
Die Verhandlungen haben die Vereinheitlichung der Achslasten, Maße und Gewichte im grenzüberschreitenden Verkehr zum Gegenstand; das ist ganz eindeutig. Wir haben bei uns in Deutschland immer erklärt, daß wir keinen Unterschied zwischen dem grenzüberschreitenden und dem innerdeutschen Verkehr machen, weil wir den Straßenverkehr nicht dirigistischer behandeln wollen, als unbedingt geboten ist. Es ist durchaus möglich, daß ein Land, z. B. Italien, Holland, Frankreich oder ein anderes Land, wenn es zu einer europäischen Verständigung über den grenzüberschreitenden Verkehr gekommen ist, für das eigene Land, sei es für bestimmte Straßenzüge, sei es für bestimmte Provinzen, vielleicht auch sogar für das ganze Land, abweichende Maße in bestimmten Kategorien zuläßt. Aber der grenzüberschreitende Verkehr soll sich für die Angehörigen aller Staaten nach einheitlichen Gesichtspunkten abwickeln.
Es konnte hier der Eindruck erweckt werden, Herr Dr. Bleiß, als hätten wir behauptet, es beginne eine europäische Verständigung, obwohl nur die Türkei, Spanien und Portugal sich unseren Vorschlägen angeschlossen hätten. Diese Sachdarstellung ist falsch. Die Verhandlungen haben zwischen dem deutschen Bundesverkehrsminister und dem französischen VerStaatssekretär Dr. Seiermann
kehrsminister begonnen. Sie haben deswegen zwischen diesen beiden Staaten begonnen, weil die größten Unterschiede in Achslasten, Maßen und Gewichten zwischen der Bundesrepublik einerseits und Frankreich andererseits bestanden. Sie haben auch deswegen zwischen diesen beiden Staaten begonnen, weil Frankreich und Deutschland in Europa das große Durchgangsgebiet von Nord nach Süd sind. Schließlich haben sie deswegen zwischen diesen beiden Partnern begonnen, weil Frankreich und Deutschland insgesamt etwa 80 bis 90 % der europäischen Kraftfahrzeugindustrie in sich vereinigen. Also war eine deutsch-französische Verständigung Voraussetzung für eine europäische Verständigung.
Als diese deutsch-französische Verständigung durch eine Vereinbarung zwischen den Ministern Seebohm und Buron erzielt war, haben sich als erstes Land Belgien und als zweites Land Luxemburg ausdrücklich angeschlossen, und sie stehen noch heute uneingeschränkt zu dieser Vereinbarung.
Daß es noch nicht möglich war, die Besprechungen mit Italien zum Abschluß zu bringen, ist darauf zurückzuführen - das wissen Sie besser als ich -, daß die Regierungskrise wochenlang die italienische Regierung gehindert hat, einen Vertreter zu europäischen Gesprächen zu entsenden.
Ich richte nochmals die herzliche Bitte an Sie, es doch bei dieser Erklärung bewenden zu lassen. Nehmen Sie bitte Rücksicht darauf, daß unsere Beamten gerade in diesen Tagen die europäischen Gespräche fortsetzen. Nehmen Sie bitte Rücksicht darauf, daß in den ersten Maitagen ein Dreiministertreffen, nämlich ein Treffen des neuen italienischen Verkehrsministers mit dem französischen und deutschen Verkehrsminister stattfindet und daß im letzten Drittel des Monats Mai im Ministerrat der europäischen Verkehrsministerkonferenz die entscheidende abschließende Abstimmung über die Frage der Achslast, Maße und Gewichte erfolgt.
Das Wort hat der Abgeordnete Müller-Hermann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Interesse einer Verkürzung der Abmessungen wenigstens bei dieser Haushaltsdebatte möchte ich mich auf sechs Bemerkungen beschränken.
Erstens. Wenn man dem bisherigen Verlauf der Haushaltsdebatte zum Einzelplan 12 folgt, muß man so etwa den Eindruck bekommen, als ob das leidige Thema der Abmessungen und Gewichte für die Lastkraftwagen das verkehrspolitische Hauptthema dieses Hauses sei.
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Das ist zweifellos nicht der Fall. Ich möchte daher auch gar nicht weiter in ,die Sachdebatte eindringen, sondern möchte mich darauf beschränken, zu diesem Thema eine kurze Bemerkung an unsere Kollegen von der Opposition und auch an unsere Freunde von der Koalition zu richten. An die Adresse unserer Freunde von der Opposition: Meine Damen und Herren, Sie können der Bundesregierung und auch dem Herrn Bundesminister für Verkehr keinen Vorwurf daraus machen, daß sie in dieser Frage der Abmessungen und Gewichte einen eigenen Standpunkt beziehen, genauso wie Sie für sich das Recht in Anspruch nehmen, zu dieser Frage einen eigenen Standpunkt zu vertreten. Sie dürfen sich auch nicht der Hoffnung hingeben, daß sich daraus, daß es zwischen dem Bundesverkehrsminister und der CDU/CSU-Fraktion in dieser Frage zu Meinungsverschiedenheiten gekommen ist, eine Koalitionskrise entwickeln könnte. Von unserer Seite aus jedenfalls ist ein Bedarf an Koalitionskrisen nicht gegeben.
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Nun ein kurzes Wort auch an die Adresse unserer Freunde von der Deutschen Partei. Die Ausführungen, die Herr Kollege Schneider gestern gemacht hat, waren nicht in allen Punkten so ganz angenehm, meine sehr verehrten Damen und Herren. Wir von der Christlich-Demokratischen und Christlich-Sozialen Union nehmen für uns in Anspruch, daß die Entscheidung, die wir zu dieser Frage getroffen haben, aus Allgemeininteresse getroffen worden ist und daß sie nichts mit irgendeinem speziellen Interessenstandpunkt zu tun hat.
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Und wir nehmen für uns genauso in Anspruch, nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt zu haben, wie es jeder für sich in Ihren Reihen in Anspruch nimmt.
Ich möchte hier im Namen meiner Fraktion sehr deutlich erklären, daß, wie es bereits zweimal in diesem Hohen Hause präjudiziert wurde, dieses Hohe Haus das unbestreitbare Recht hat, auch in dieser Frage, natürlich unter Mitwirkung des Bundesrats, die durch das Gesetz vorgesehen ist, ein entscheidendes Wort mitzusprechen. - Damit möchte ich dieses Thema abschließen.
Zweitens ist gestern von meinem Kollegen Cramer das Thema Seewasserstraßenausbau angeschnitten worden. Er hat moniert, daß erstmalig ein großer Teil der Mittel für den Ausbau der Seewasserstraßen im außerordentlichen Haushalt untergebracht worden ist. Ich darf mich in dem Zusammenhang auf die Erklärungen beziehen, die von seiten des Bundesfinanzministers vor dem Haushaltsausschuß abgegeben worden sind, daß er sich nach besten Kräften bemühen wird, die im außerordentlichen Haushalt für diese Zwecke vorgesehenen Mittel so zu bedienen, als ob sie wie bisher im ordentlichen Haushalt untergebracht wären. Ich glaube, wir können uns mit dieser Erklärung zufrieden geben.
Drittens hat Herr Kollege Rademacher zu dem Thema weiterer Ausbau der Binnenwasserstraßen auf eine Kleine Anfrage Bezug genommen, die aus den Reihen meiner eigenen Fraktion hierzu gestellt worden ist. Ich habe gestern Herrn Rademacher nicht nochmals persönlich darauf hinweisen können. Es klafft offensichtlich eine gewisse Meinungsdifferenz zwischen Herrn Rademacher und den Kollegen der FDP-Fraktion, die vorher gespro6106
chen haben, nämlich den Kollegen Atzenroth und Miessner, die ausdrücklich den Herrn Bundesminister der Finanzen dringend davor gewarnt haben, weitere Mittel zu investieren, sondern im Gegenteil den Bundesfinanzminister zu einer Beschränkung der Ausgaben aufgerufen haben.
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Es klafft also ein gewisser Widerspruch, wenn Herr Kollege Rademacher meint, über den Vierjahresplan für die Binnenwasserstraßen hinaus müßten weitere Projekte auf diesem Gebiet in Angriff genommen werden.
Die Kleine Anfrage, die aus den Reihen meiner Fraktion gestellt worden ist, war keine Vorwegnahme der Antwort auf die Frage, ob es zweckmäßig ist, weitere Kanalbauprojekte in Angriff zu nehmen. Vielmehr wollten wir lediglich eine nüchterne volkswirtschaftliche Prüfung erreichen, inwieweit neue Kanalbauprojekte berechtigt sind. Sie können Ihrem Kollegen Rademacher bestellen, daß die Tatsache, daß auch Hamburger Kollegen an dieser Kleinen Anfrage mitgewirkt haben, nicht etwa eine Stellungnahme zu Bauprojekten bedeutet, die Hamburg insbesondere interessieren.
Viertens: Thema Lufthansa. Meine Damen und Herren, wir haben vorgesehen, daß eine gemeinsame Sitzung des Haushaltsausschusses und des Verkehrsausschusses stattfinden soll, damit das Problem der Lufthansa genauestens analysiert werden kann. Ich glaube, es wäre verfrüht, bereits heute abschließend zu dem Problem Lufthansa Stellung
zu nehmen. Ich möchte nur erklären, daß unsere Fraktion Wert darauf legt, daß es baldmöglichst zu einer Verständigung der Deutschen Lufthansa mit den übrigen europäischen Luftfahrtgesellschaften kommt, damit eine rationelle Bedienung des Marktes erfolgen kann. Wir sind unsererseits bereit, im Rahmen der für die Lufthansa notwendigen Investitionen dieser Einrichtung unsere Unterstützung zuzusagen.
Fünftens: Thema Straßenbau. Dieses Thema ist in der Haushaltsdebatte auch wieder in aller Breite behandelt worden. Heute morgen sind in der Presse sehr interessante Zahlen über den Zuwachs an Personenkraftwagen veröffentlicht worden. Ich möchte sie dem Hohen Hause einmal zur Kenntnis geben. Nach den Angaben in der Presse hatten wir im Jahre 1959 einen Zuwachs an Personenkraftwagen von insgesamt 746 807 zu verzeichnen, eine beachtliche Zahl, die aber noch mehr Gewicht erhält, wenn man zugleich erfährt, daß an diesem Zuwachs zu 46,7% unselbständige Erwerbstätige und zu insgesamt 18,7 % Arbeiter beteiligt sind. Ich glaube, das ist eine erfreuliche Entwicklung, die beweist, daß die Arbeitnehmerschaft in steigendem Umfang an dem allgemeinen Wohlstand beteiligt ist.
Nachdem wir das Straßenbaufinanzierungsgesetz mit einem Volumen von 8 Milliarden DM für vier Jahre verabschiedet haben, ist gesagt worden, die Gemeinden gehörten immer noch zu den besonders Notleidenden im Straßenbau. Niemand von uns verschließt sich der Tatsache, daß bei den Gemeinden ganz besondere Probleme im Straßenbau entstehen.
Wir haben ja unsererseits einen Entschließungsantrag eingebracht, von dem ich nur hoffe, daß er möglichst bald von dem Kollegen Bleiß auf die Tagesordnung des Verkehrsausschusses gesetzt wird. In der von uns vorgeschlagenen Entschließung soll die Bundesregierung aufgefordert werden, sich rechtzeitig Gedanken über das Vierjahres-Anschlußbauprogramm zu machen, und zwar unter besonderer Berücksichtigung der Sorgen in den Kommunen und in den Städten.
Immerhin ist es doch sehr beachtlich, daß wir den Kommunen, Kreisen und Städten durch das Straßenbaufinanzierungsgesetz Zuwendungen in einer Größenordnung von 2,1 Milliarden DM in einem Zeitraum von vier Jahren haben zukommen lassen. Ich glaube, niemand kann an diesen Zahlen vorbeigehen, und jeder muß zugeben, daß das ein ganz gehöriger Schluck aus der Pulle ist und daß die Gemeinden aus dem Straßenbaufinanzierungsgesetz offenbar einen sehr großen Nutzen werden ziehen können.
Nun komme ich zum letzten, zum sechsten Punkt, nämlich zur Aufgabenstellung auf dem Gebiete der Verkehrspolitik für die nächste Zeit. Uns liegt das sogenannte Brand-Gutachten vor, von dem eigentlich nur eines als bedauerlich festgestellt werden kann, nämlich daß es einige Zeit zu spät auf dem Tisch des Hauses liegt; denn es wäre besser gewesen, eine derartige Analyse hätte uns bereits vor zwei Jahren vorgelegen und wäre nicht erst auf Initiative dieses Hohen Hauses zustande gekommen. Wir alle schulden den Herren der Kommission, die an diesem Gutachten mitgewirkt haben, Dank. Es stellt eine sehr brauchbare und sehr nützliche Grundlage für die weitere Verkehrspolitik dar. Uns geht es darum, jetzt durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, daß die Bundesbahn gesundet und daß ihr die rechtlichen und finanziellen Voraussetzungen, vor allem auf dem Gebiete der Tarifpolitik, gegeben werden, damit sie aus eigener Anstrengung gesunden kann.
Uns scheint, dieses Problem der Sanierung der Bundesbahn ist nur dadurch lösbar, daß wir im allgemeinen eine Neuordnung der Verkehrspolitik anstreben, in der die Wettbewerbselemente stärker als bisher in Erscheinung treten, naturgemäß auf der Grundlage gleicher oder zumindest angenäherter Startbedingungen. Wir müssen der Bundesbahn die Pflicht zur Eigenwirtschaftlichkeit auferlegen, ihr zugleich - dann auch in Konsequenz für den Kraftwagenverkehr und für die Binnenschiffahrt - aber auch größere Freiheiten in der Tarifgebarung einräumen. Meine Damen und Herren von der Opposition, wir werden dieses Thema in den nächsten Monaten aufgreifen. Dann können Sie unter Beweis stellen, wie Sie sich, die Sie sich bisher meist im Negativen erschöpft haben, eine Neuordnung der Verkehrspolitik vorstellen.
Herr Kollege Dr. Bleiß, Sie sprachen in einem Satz davon, es sei bedauerlich, daß die Bundesbahn in diesem Haushaltsjahr 60 Millionen DM weniger als im vorigen bekomme. Ich sehe das als ein durchaus positives Zeichen dafür an, daß die Bundesbahn schon durch ihre eigenen Anstrengungen
und die sehr vernünftigen Vorschläge ihres Vorstandes auf dem Wege zu einer Gesundung ist. Wir hoffen, daß die Bundesbahn bei einer klaren Trennung der Verantwortlichkeiten zwischen Bund und Bundesbahn eines Tages sogar dazu kommen wird, dem Bund Überschüsse zuzuführen. Das sollte jedenfalls das Endziel unserer Verkehrspolitik zugunsten der Bundesbahn sein.
Bei der Fülle der Arbeit, die dem Bundestag in dieser Legislaturperiode noch vorliegt, werden wir zweifellos nicht dazu kommen, ein umfassendes, ein völlig neues verkehrspolitisches Gesetzgebungswerk vorzulegen und zu verabschieden. Auf der anderen Seite ist es nicht sinnvoll, sich nach den Erfahrungen, die uns der Brand-Bericht zur Verfügung stellt, darauf zu beschränken, nur Flickwerk, nur Stückwerk zu machen. Das Gesetzgebungswerk zur Gesundung der Bundesbahn und zur Neuordnung des Verkehrsmarktes muß zumindest eine Weichenstellung für die Neuordnung vornehmen, die uns für die Zukunft auf dem Gebiet der Verkehrspolitik vorschwebt.
Wir müssen den Mut haben, auch marktwirtschaftliche Elemente stärker als bisher in die Verkehrspolitik hineinzutragen. Wenn wir das tun, kommen wir einer Entwicklung entgegen, die uns eines Tages, und zwar wahrscheinlich eines nahen Tages, durch die Politik der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft ohnehin aufgezwungen wird. Je schneller und je entschiedener wir daher diesen mutigen Schritt zu einer stärkeren Wettbewerbspolitik auch im Bereich des Verkehrs tun, desto besser ist es zum Nutzen des Ganzen.
Ich glaube, der Haushalt stellt in Einzelplan 12, dem wir von der CDU/CSU-Fraktion unsere Zustimmung geben, eine geeignete Grundlage für diese Neuordnung der Verkehrspolitik dar.
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Das Wort hat die Abgeordnete Frau Kalinke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe nicht die Absicht, mich in den Streit um die Maße und Gewichte einzumischen. Ich bin weder Mitglied des Verkehrsausschusses noch bin ich an einer derjenigen Gruppen beteiligt, die in dieser ernsthaften Frage glauben, daß wirtschaftlicher Schaden angerichtet oder große Not verursacht werden kann. Ich habe mich nur deshalb zu Wort gemeldet, weil ich meine, daß nicht unwidersprochen hingenommen werden darf, was heute morgen zu einzelnen Punkten gesagt worden ist.
Ich bedanke mich bei dem Kollegen Müller-Hermann für seine maßvollen Ausführungen, für seine ungewöhnlich maßvollen Ausführungen.
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Wenn jemand, der in der Sache eine andere Auffassung hat, diese andere Auffassung fest, bestimmt, aber in der Form sachlich und in maßvoller Weise vorträgt, dann ist das immer aller Achtung wert. Es
wäre ein großer Fortschritt der Demokratie, wenn wir alle das lernten, Ich bedanke mich bei Herrn Müller-Hermann für die Feststellung, daß Maße und Gewichte nicht das Hauptthema der Verkehrspolitik sind. Die Auseinandersetzung kommt mir fast so vor, wie die Debatten über die zusätzliche Kostenbeteiligung bei der Krankenversicherungsreform. Da tun auch alle Interessenten aller Arten so, als wäre das Problem allein der Nabel der Welt oder der Mittelpunkt der Krankenversicherungsreform.
Es ist allerdings eine sehr ernste Frage, wenn die Opposition meint, eine Koalition sei eine Einheitspartei. Wenn es in der Koalition verschiedene Auffassungen gibt - und ich finde, es ist eine glückliche Sache, daß es die gibt -, wenn es ein lebendiges Gespräch um politische Meinungen in der Koalition gibt, dann lassen Sie es getrost Sorge der Koalitionsparteien sein, wie wir dieses Gespräch führen. Und wenn der Stil des Gesprächs und die Nerven des einen oder des anderen Kollegen einmal dabei leiden sollten, dann lassen Sie auch das unsere Sorge sein, wie wir in der Koalition die Dinge wieder zu ordnen wissen.
Sie dürfen aber beruhigt sein, lieber Kollege Bleiß, wir brauchen das Ö1 der Opposition weder zum Schüren des Feuers einer Krise noch benötigen wir es zur Besänftigung einer Krise; denn diese Krise gibt es nicht. Und weil es diese Koalitionskrise nicht gibt, erkläre ich dem Kollegen Bleiß ausdrücklich: wenn ich gestern die Form seiner Ausführungen im Fernsehen beanstandet habe, so tue ich das auch heute noch, nämlich deshalb, weil die Stellungnahme eines Ausschusses - das demokratische Zustandekommen dieser Abstimmung ist von niemandem bezweifelt worden - in dieser Frage, in der der Bundesrat seine Zuständigkeit hat, nicht in der Form dargestellt werden durfte, aus der die breite Öffentlichkeit annehmen mußte: Nun hat das Parlament gesprochen, hier ist die Entscheidung gefallen, aber die Regierung - und das stelle ich jetzt fest; denn Herr Minister Seebohm sprach für die Regierung - hat trotz dieser Entscheidung des Parlaments noch einen anderen Standpunkt gehabt. Der Herr Minister hat - so meinten Sie - die Entscheidung als Demonstration gegen sich persönlich angesehen. Ich kann, glaube ich, hier in Abwesenheit des erkrankten Ministers durchaus und verbindlich erklären: er hat die Entscheidung nicht als Demonstration gegen sich persönlich angesehen, sondern als eine solche gegen die Verkehrspolitik und die Entscheidungen des Kabinetts, nämlich der Regierung, für die er spricht. Ich bitte, das sehr genau auseinanderzuhalten.
Jedermann in diesem Hause weiß, daß der Herr Bundesverkehrsminister ohne Hilfe, aus dem Kopf, Ihnen, Herr Kollege Eisenmann, über jedes Teilstück der Verkehrsstraßen in der Bundesrepublik Auskunft geben könnte. Es wäre sehr fair gewesen, wenn Sie die Gelegenheiten, die Sie im Ausschuß haben, einmal genutzt hätten, ihn zu fragen. Sie werden die Gelegenheit - so hoffe ich - auch in Zukunft haben. Ich bedauere, daß unser Kollege im Verkehrsausschuß, Herr Dr. Ripken, seit Wochen erkrankt ist. Sie wissen das. Aber ich möchte hier in
aller Form ablehnen, mich mit meinem früheren Fraktionskollegen Eisenmann über Gründe und Hintergründe zu unterhalten, die wir besser hier nicht ansprechen sollten.
Frau Abgeordnete Kalinke, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Eisenmann?
Ich gestatte sie, ja.
Bitte, Herr Abgeordneter Eisenmann!
Ist Ihnen, Frau Kollegin Kalinke, bekannt, wie oft Herr Bundesverkehrsminister Seebohm in den letzten zweieinhalb Jahren im Ausschuß anwesend war - oder abwesend
und mir Gelegenheit gegeben hat, ihn zu fragen?
Ich habe zu Anfang gesagt, daß ich nicht Mitglied des Ausschusses bin; aber ich weiß, daß der Herr Verkehrsminister in der Fragestunde in diesem Hause einer derjenigen ist, der die meisten Fragen am ausführlichsten - oft nicht zu unserer Freude - beantworten muß, weil sie ihm ja laufend gestellt werden.
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Ich möchte weiter sagen: Der Herr Bundesminister wird hier fortgesetzt angegriffen, und am meisten dann, wenn er nicht da ist. Ich finde, es wäre ein guter Stil der Politik, wenn wir uns über einige Fragen einigen könnten. Die wichtigste dieser Fragen ist: die Sorgen um die ansteigende Zahl der Verkehrstoten auf den Straßen und die Last der Verkehrsunfälle, die der Herr Bundesminister für Verkehr sehr einsam tragen muß, das sind die Sorgen vieler Millionen deutscher Bundesbürger.
Drei Dinge sind es, die wir in der Bundesrepublik besonders beklagen und zu denen ich jetzt als Verkehrsteilnehmerin, aber auch als Mitglied der Regierungsparteien der Opposition ganz ernst etwas sagen möchte. Die Opposition in diesem Hause möge doch mit allen in der Sorge darum einig sein, daß, auch wenn 10- oder 20 000 Leute ihr Geschäftsgebaren umstellen müssen, alles geschehen muß, um die Verkehrstoten nicht zu einem Totenheer anwachsen zu lassen, das schlimmer ist als alles, was in den letzten Jahren des Aufbaues 'an Opfern gebracht worden ist. Zweitens sollte der Interessentenkampf in Stil und Form soweit eingedämpft werden, daß wir Entscheidungen, auch wenn sie einmal gegen bestimmte Gruppen und Interessen fallen, immer noch sachlich diskutieren können. Drittens bitte ich nicht nur als Fraktionskollegin des Bundesverkehrsministers, sondern offiziell für meine Fraktion, meine Kollegen in allen Fraktionen darum, Respekt und Achtung vor der Last der Verantwortung, aber auch vor der Arbeitslast zu haben, die der Bundesverkehrsminister seit mehr als einem Jahrzehnt trägt, für Sie alle mitträgt und deretwegen er immer wieder durch die Gazetten gezogen wird. Wenn irgendwo
irgend etwas nicht funktioniert, wenn irgendwo an einer Schranke, wenn irgendwo an einer Straße etwas nicht in Ordnung ist, muß nicht der Herr Minister Schäffer, der ihm das Geld für sein Programm versagt hat, sondern der Bundesverkehrsminister immer wieder von den Illustrierten bis zum „Spiegel" herhalten und dafür einstehen. Ich darf Sie wirklich bitten: lassen Sie uns diese Diskussion um so heiße Eisen wie heute so führen -Herr Kollege Bleiß, ich habe es Ihnen neulich persönlich gesagt -, daß der eine den anderen nicht verletzt.
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Ich erkläre hier ausdrücklich, ich wollte Sie mit meiner Frage nicht verletzen, und ich sage dem Zurufer: Ich bedauere außerordentlich, daß mein Kollege Schneider, der das gestern abend selbst gesagt hat, heute verhindert ist, hier zu sein. Ich bedauere das, und wenn Sie wollen, werde ich ihm auch Ihr Bedauern mitteilen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Diel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es lag nicht in meiner Absicht, bei dieser Beratung das Wort zu ergreifen. Ich war der Meinung, daß es genügen würde, wenn irgendein Kollege meiner Fraktion in einer maßvollen, ausgleichenden Art die nicht ganz einheitlichen Meinungen der Fraktion auf einen Nenner zu bringen versuchte. Diese Meinung hat sich insoweit auch nicht geändert. Ich habe mich deshalb nicht zu Wort gemeldet, um an dem, was der Herr Kollege Müller-Hermann vorgetragen hat, irgend etwas auszusetzen. Ich habe mich gemeldet wegen der Ausführungen einiger anderer Kollegen.
Ich teile die Meinung des Herrn Kollegen Müller-Hermann, daß wir über das Problem der Maße und Gewichte und über all die Fragen, die damit im Zusammenhang stehen, demnächst bei der Beratung des von der FDP beantragten Gesetzes ausreichend sprechen können. Ich werde mir erlauben, mich alsdann zu beteiligen. Heute kann ich mir deshalb Einzelheiten in dieser Richtung ersparen.
Ich darf bemerken, daß ich dem Herrn Kollegen Rademacher größte Achtung für sein Können und Wissen entgegenbringe. Daß ich ihm auch heute in den Fragen, die sich auf die Wirtschaftlichmachung der Bundesbahn beziehen, in etwa folge. Ich teile seine Meinung, daß wir bei der Behandlung des Problems „Sozialtarife" ein wenig in die Irre gegangen sind und daß wir in Zukunft bei der Prüfung dieser Frage daran denken müssen, daß die Bundesbahn ein „gemeinnütziges" Unternehmen ist, daß sie also in ihren Ansprüchen an das Publikum eine gewisse Grenze einhalten muß, daß sie aber dessenungeachtet kein auf Verlust eingestelltes, sondern ein wirtschaftliches Unternehmen ist. Die Bundesbahn ist auch kein Wohlfahrtsamt. Deshalb muß man sie, wenn man ihr eine solche Rolle zumutet, dafür schadlos halten.
Herr Rademacher hat von etwas anderem, was sich in Verbindung mit der Frage der Wirtschaftlichmachung der Bundesbahn aufdrängt, nicht gesprochen. Er hat, wenn ich mich nicht sehr irre, nicht davon gesprochen, daß man der Bundesbahn erstens den Konkurrenten „Wasserweg" und zweitens den Konkurrenten „Straße" gegenüberstellen muß. Wir werden meiner Meinung nach in der Zukunft die Frage des Kanalbaues sehr gründlich untersuchen müssen, wenn wir nicht dahin kommen wollen, daß das eine Unternehmen das andere ruiniert. Ich darf als Beispiel einen Fall aus meiner Heimat zitieren, um nicht die Gefühle irgendwelcher Kollegen, welche sonst hier Kanalbauten wünschen, zu verletzen: das Beispiel des Moselkanals! Der Moselkanal, der, wie Sie ja wohl wissen, gebaut wird, aber vor allem aus politischen Gründen gebaut wird, macht die Bundesbahn auf dieser Strecke unwirtschaftlich und zwingt den Veranlasser des Kanalbaus zur Schadensersatzleistung.
Was das zweite Problem anbelangt, „Bundesbahn und Straße", so werden wir uns bei der Behandlung des Berichts der Brand-Kommission eingehend damit beschäftigen müssen, ob und in welcher Art wir zu einer Überprüfung der gesamten Verkehrsorganisation und Verkehrszuständigkeit kommen und inwieweit die Entwicklung richtig war, welche in der Vergangenheit den Massengüterverkehr von der durch Schranken geschützten Schienenbahn auf die durch Schranken nicht geschützte Landstraße gebracht hat, ob und wie wir in dieser Hinsicht einen
Wandel herbeiführen können. Mehr will ich darüber für heute nicht sagen.
Es wird viel gesprochen von den Wünschen und Ansprüchen anderer Länder. Ich habe noch heute vormittag in meinem Fach eine Denkschrift über die Wünsche Hollands gefunden. Ich habe sie durchgelesen. Sehr interessant! Aber, meine Damen und Herren, wichtiger als die Wünsche und die Interessen Hollands oder anderer Länder sind mir die Wünsche und Interessen unseres eigenen Volkes. Da interessiert es mich schon, daß die deutschen Verbände, der Gemeindetag, der Landkreistag, der Städtetag, der Städtebund und die Vereinigung der gesamten Verbände unverändert an ihrem alten ablehnenden Standpunkt festhalten. Ich habe in den verflossenen Wochen gelegentlich davon gesprochen. Es wurde mir bestritten, daß es so stimme! Es wurde die Meinung ausgedrückt, die Verbände seien darin nicht einig. Nun, die Antwort ist, glaube ich, am gleichen Tage von der Spitzenorganisation der kommunalen Verbände gekommen. Die Verbände waren in ihrer Antwort so scharf, anzudrohen, im Falle der Vergewaltigung der Gemeinden und Kreise würden sie zu dem letzten Ausweg greifen müssen, ihre Straßen zu sperren, oder mindestens in solchem Umfange zu sperren, daß sie unbenutzbar wären.
Herr Abgeordneter Diel, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Eisenmann?
({0})
Herr Kollege Diel, haben Sie nicht den Eindruck, daß es nicht die Selbstverwaltungsorgane im Sinne der frei gewählten Bürger dieser Organe sind, die diesen Standpunkt vertreten haben, sondern die hauptamtlichen Funktionäre und Geschäftsführer dieser Verbände, die Sie angesprochen haben?
Ich habe nicht den Eindruck, verehrter Herr Kollege Eisenmann, und zwar deshalb nicht, weil ich aus eigener praktischer Erfahrung, die ich in einer vieljährigen Tätigkeit im Kreisparlament, als Kreisdeputierter, und ebenso auf Grund der Erfahrungen, die ich im Land Rheinland-Pfalz gesammelt habe, die Dinge kenne. Die Notwendigkeit, zeitweilig ganze Kreise für den Verkehr zu sperren - z. B. den Kreis Simmern, Herr Kollege, und ebenso eine Reihe von Straßen in meinem eigenen Kreise Kreuznach - begründeten die Meinung, daß man den Gemeinden und Kreisen durch keinen Sachverständigen klarmachen lassen und mit. keinem Werturteil beweisen kann, alles das, was sie praktisch erlebten, sei gar nicht wahr. Nein, es ist schon so, Herr Kollege Eisenmann, daß dies Problem sehr ernst ist, wenn es auch nicht „so" ernst ist wie das der Verkehrssicherheit. Ich habe aber nicht die Absicht, die Frage zu vertiefen; wir sprechen darüber ja noch. Ich möchte nur betonen, daß die Behauptung, die deutschen kommunalen Verbände seien anderer Meinung geworden, nicht zutrifft.
Hinzu kommt als zweites die Meinung der Länder. Der Herr Kollege Bleiß hat hier von einem ordnungsmäßigen demokratischen Beschluß gesprochen. Stimmt, Herr Kollege Bleiß: 23 gegen 1! Der eine, der dagegen gestimmt hat es ist kein Geheimnis -, das war der alte Abgeordnete Diel.
({0})
Er hat seine Meinung sogar noch eingehend schriftlich erläutert und diese Erläuterung zu Protokoll gegeben. Diese Meinung habe ich auch heute noch. Es wird sich ja in Zukunft herausstellen, wer recht gehabt hat, die 23 oder der eine.
Eine Rolle spielt die Rechtslage! Die Rechtslage ist nämlich so, daß, unbeschadet eines Mitwirkungsrechtes des Bundestages, die letzte Entscheidung beim Bundesrat liegt. Wir müssen erst einmal abwarten, ob die Meinung richtig war, der Bundesrat werde von diesem Recht keinen Gebrauch machen. Auf jeden Fall sind die Artikel 80, 83 und 84 des Grundgesetzes, der § 6 der Straßenverkehrsordnung und die Verordnung vom März 1956 geltendes und bindendes Recht. Dieses Recht ist für den Verkehrsminister genauso verbindlich wie für jeden anderen.
Der Herr Minister für Verkehr hat in seiner Erklärung darauf hingewiesen, die letzte Entscheidung sei nicht durch den Beschluß des Ausschusses für Verkehr gefallen, sondern sie werde vom Bundesrat getroffen werden müssen. Ich sehe darin keine Verletzung der Achtung vor dem Verkehrsausschuß, Herr Kollege Bleiß. Man spricht davon, das Ansehen des Verkehrsausschusses sei gefährdet worden. Ich weiß nicht, ob man diesbezüglich nicht
eher denjenigen Personen einen Vorwurf machen kann, die bezüglich der Bedeutung dieses Beschlusses etwas behaupteten, was nicht stimmt und nicht aufrechterhalten werden kann. Demgegenüber hat Herr Minister Seebohm die Bedeutung des Beschlusses lediglich in das rechte Licht gerückt.
Lassen Sie mich zum Schluß kommen! Die Propaganda ist eine wirksame Waffe. Ich gestehe hier ganz offen, daß ich selber früher der Propaganda gegen den Herrn Minister erlegen bin. Ich bin hier nach Bonn mit einer gewissen Voreingenommenheit und einer gewissen Animosität gegenüber dem Herrn Minister Dr. Seebohm gekommen. Ich habe mich sehr bald davon überzeugt, daß die Begründung für diese Voreingenommenheit nicht zutraf. Ich habe feststellen müssen, daß der Herr Minister Dr. Seebohm erstens ein sehr kenntnisreicher und zweitens ein sehr fleißiger Vertreter seines Ministeriums ist. Ich muß deshalb meinem verehrten Kollegen Dr. Schröder, dem Herrn Innenminister, meinen besonderen Respekt dafür zum Ausdruck bringen, daß er gestern vormittag in einer der Sachlage entsprechenden Weise, aber absolut eindeutig und klar für seinen Kabinettskollegen von der DP, den Herrn Minister Seebohm, eingetreten ist.
({1})
Als letzter Redner in der allgemeinen Aussprache hat der Abgeordnete Dr. Bleiß das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir noch ganz wenige Sätze. Frau Kollegin Kalinke, ich habe in meinem Fernsehinterview nicht für das Parlament gesprochen, sondern als Abgeordneter. Ich habe den Beschluß eines Ausschusses vertreten und nichts anderes. Das scheint mir legal und vernünftig zu sein. Was die Form anlangt, Frau Kollegin Kalinke, die Sie glaubten, hier kritisieren zu müssen, meine ich, daß ich mich darin von der Form des Herrn Bundesverkehrsministers sehr deutlich unterschieden habe.
({0})
Frau Kollegin Kalinke, Sie haben auch gefragt, warum wir Fragen an den Herrn Bundesverkehrsminister nicht im Ausschuß stellen. Ich möchte das wiederholen, was Herr Kollege Eisenmann hier gesagt hat: Der Herr Bundesverkehrsminister besucht gern Ausschüsse, andere Ausschüsse. Bei uns im Verkehrsausschuß, wo er häufig Rede und Antwort stehen müßte, ist er sehr, sehr selten zu Gast. Auch das sollte hier gesagt werden.
Ein Drittes. Die Wiedergabe meiner Information über Verhandlungen in Paris ist durch die Ausführungen des Herrn Staatssekretärs im wesentlichen bestätigt worden.
Herr Kollege Müller-Hermann, noch ein Letztes: Ihre Behauptung, daß sich die Opposition im Negativen erschöpfe, - nun, Sie werden von mir nicht verlangen, daß ich Ihnen das abnehme. Denken Sie doch mal ein wenig an die Vergangenheit zurück,
lesen Sie doch die Protokolle nach! Sie werden dann sicher in Ihr Gedächtnis zurückrufen können, daß wir wiederholt positiv begründete Anträge gestellt haben und daß es gerade die Kollegen Ihrer Fraktion waren, die diese Anträge abgelehnt haben. Ich bin der Meinung: in der Ablehnung liegt das Negative.
({1})
Meine Damen und Herren, Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Ich schließe die allgemeine Aussprache.
Wir kommen zur Begründung der Anträge. Ich erteile das Wort zur Begründung des Antrags Umdruck 522 Ziffer 1 dem Abgeordneten Diekmann.
Herr Präsident! Meine Damen Herren! Auf Grund eines Beschlusses des Bundestages im Jahre 1958 hat die Bundesregierung im Sommer vorigen Jahres einen Vierjahresplan für den Ausbau der Bundeswasserstraßen im Binnen-und Küstenbereich vorgelegt. Dieser Vierjahresplan soll den Zweck haben, die Bundeswasserstraßen dem modernen Schiffsverkehr anzupassen und die Wettbewerbsfähigkeit der Bundeshäfen gegenüber den europäischen Häfen aufrechtzuerhalten. Der Vierjahresplan sieht eine Ausgabe von etwa 144 Millionen DM in den jährlichen Bundeshaushalten vor. Nach der bisherigen Praxis stand der größere Teil der Mittel für die Bundeswasserstraßen im ordentlichen Haushalt. Diesmal ist die größere Finanzmasse für die Bundeswasserstraßen - im Verlaufe der Verkehrsdebatte ist verschiedentlich über den außerordentlichen Haushalt gesprochen worden im außerordentlichen Haushalt festgelegt.
Ursprünglich habe ich nicht die Absicht gehabt, zu dem außerordentlichen Haushalt etwas zu sagen, weil eine bindende Erklärung von seiten des Finanzministeriums vorgelegen haben soll, daß keine Befürchtungen aufzukommen brauchten, daß also der außerordentliche Haushalt hinsichtlich der Honorierung der Bundeswasserstraßen garantiert werde. Die Ausführungen allerdings, die Herr Müller-Hermann heute morgen zum außerordentlichen Haushalt gemacht hat, erregen doch einige Befremdung. Sie können immerhin zu der Befürchtung Anlaß geben, daß doch gewisse Zweifel hinsichtlich der Garantierung der Bedienung der Mittel für die Bundeswasserstraßen gegeben sind. Ich bin der Meinung, wir können uns Abstreichungen an den Mitteln für die Bundeswasserstraßen nicht erlauben. Die Bundesregierung hat nämlich in ihrer Begründung zum Vierjahresplan betont, daß das Schwerpunktprogramm für die Instandsetzung der Bundeswasserstraßen nur die vordringlichsten Maßnahmen vorsehe. Daraus ist erkennbar, daß selbst die Bundesregierung der Meinung ist, daß die zur Verfügung gestellten Mittel nicht unbedingt ausreichend sind, um die Modernisierung der Bundeswasserstraßen schnellstens in Angriff nehmen zu können.
Es gibt keinen einzigen westdeutschen Hafen, der im Augenblick Schiffe mit einer Traglast von mehr als 45 000 t aufnehmen kann. Das wird wahrscheinDiekmann
lich erst Ende dieses Jahres oder Anfang nächsten Jahres der Fall sein, wenn die Elbe eine Solltiefe von etwa 11 m erhalten hat. Dann erst werden Schiffe dieser Größenordnung, wie ich sie soeben bezeichnet habe, Hamburg anlaufen und dort gelöscht werden können. Von 65 000-Tonnern kann überhaupt nicht gesprochen werden.
Es gibt andere europäische Häfen, die in dieser Hinsicht besser ausgestattet sind. Ich verweise auf Rotterdam. Hier sind in den letzten Jahren erhebliche Investitionen gemacht worden, so daß Schiffe mit einer Traglast von 65 000 t diesen Hafen anlaufen können. Ja, Rotterdam hat noch weitere Investierungsmittel vorgesehen, damit in Bälde noch größere Schiffe Rotterdam anlaufen können. Deshalb scheint es mir unbedingt erforderlich zu sein, darauf zu bestehen, daß im Haushalt für die Bundeswasserstraßen keine Abstriche gemacht werden.
Gestatten Sie mir, daß ich einiges zum NordOstsee-Kanal sage. Im diesjährigen Haushalt sind die Mittel für den Nord-Ostsee-Kanal gegenüber den früheren Jahren reduziert worden. Auch im Vierjahresplan sind Mittel für die Modernisierung des Nord-Ostsee-Kanals vorgesehen. Soweit ich unterrichtet bin, sind es etwa 8,1 bis 8,3 Millionen DM, die für die Modernisierung alljährlich ausgegeben werden sollen.
Im diesjährigen Haushalt stehen keine 8 Millionen DM, sondern, wenn Sie alle Mittel, die im ordentlichen und im außerordentlichen Haushalt vorgesehen sind, zusammenziehen, dann betragen die Gesamtausgaben in diesem Jahre nur 6,3 bzw. 6,5 Millionen DM. Der Ausschuß für Verkehr, Post-und Fernmeldewesen hat im vorigen Jahr die Genehmigung der Modernisierung des Nord-OstseeKanals eingesehen und hat von sich aus dem Haushaltsausschuß bzw. dem Bundestag die Empfehlung gegeben, die Ansätze für den Nord-Ostsee-Kanal um mehr als 3,5 Millionen DM au! 10,8 Millionen DM zu erhöhen. Das Hohe Haus hat die Empfehlung angenommen und diesen Vorschlag genehmigt und gebilligt.
In diesem Jahr - ich sage das noch einmal - sind mehr als 3,5 Millionen DM weniger für die Modernisierung des Nord-Ostsee-Kanals vorgesehen. Ich gehe hier nicht vom regionalen Standpunkt aus, der Nord-Ostsee-Kanal ist eine Wasserstraße von internationaler Bedeutung.
({0}) - Ich will zugeben, daß andere das auch sind.
Die Schiffspassage betrug im Jahre 1958 etwa 75 000 mit einer Güterlast von etwa 50 Millionen Tonnen. Daraus mögen Sie ersehen, wie groß der Güteraustausch zwischen den industriellen Kernpunkten und den Ostseeländern ist. Die fremden Flaggen sind bis zu 69 % am Verkehr im NordOstsee-Kanal beteiligt, insbesondere die Staaten Dänemark, Schweden und Finnland. Die Reedereien bevorzugen den Weg des Kanals deshalb, weil mit der Durchschleusung eine Wegverkürzung von 148 bis zu 428 km verbunden ist. Erfreulicherweise ist ein jährlich steigender Verkehrstrend festzustellen.
Auf der anderen Seite ist jedoch die sehr bedauerliche Tatsache zu verzeichnen, daß der Verkehr durch den Nord-Ostsee-Kanal nicht flüssig genug ist, weil die Anlagen des Kanals den Ansprüchen eines modernen größeren Schiffsverkehrs nicht mehr ganz entsprechen. Vor den Schleusen in Brunsbüttelkoog und in Holtenau entsteht zuweilen ein sehr erheblicher Verkehrsstau von der Kanalseite her. Der Verkehrsstau entsteht nicht allein bei den Schleusen, sondern auch in den Weichen. Es ist Ihnen ja nicht unbekannt, daß Schiffe, die einen größeren Tiefgang, also einen über 6,1 m, haben, nicht aneinander vorbeischeren können, sondern in die Weichen gehen müssen. Es ist ganz klar, daß bei dem starken Verkehr zuweilen ein Stau entsteht. Auch ist in den etwas unübersichtlichen Kurven des Kanals die Verkehrssicherheit gefährdet. Die Häufung der Kollisionen im Kanal war in den letzten Jahren erschreckend. Im Jahre 1958 ereigneten sich nicht weniger als 361 Unfälle. Dabei wurden mehr als 500 Schiffe und 130 Uferanlagen beschädigt. Außerdem ist - darauf komme ich nachher noch zu sprechen - eine sehr große Gefährdung des Verkehrsflusses durch Kettenfähren vorhanden.
Gestatten Sie mir nun, meine Damen und Herren, daß ich, bevor ich unseren Antrag zu den einzelnen Positionen begründe, noch auf folgendes hinweise. Der steigende Verkehr im Kanal verlangt einen besseren Ausbau der Weichen, eine Abflachung der Kurven, eine Verlängerung des Vorhafens vor Holtenau, bessere Uferbefestigungen, eine Modernisierung der alten Schleusenanlagen und nicht zuletzt eine Modernisierung des Schiffsleitdienstes.
Meine Fraktion beantragt mit dem Änderungsantrag zu Tit. 713, den Ansatz von 2,7 Millionen DM um 3,5 Millionen DM auf 6,2 Millionen DM zu erhöhen. Ich darf mir erlauben, jetzt ganz kurz die Unterteilung zu begründen.
Zu Kap. 12 03 im außerordentlichen Haushalt Tit. 713 Nr. 2 wird von uns folgende Fassung der Erläuterung beantragt:
2. Erneuerung abgängiger Anlagen bei den Schleusen des Nord-Ostsee-Kanals in KielHoltenau und Brunsbüttelkoog 900 000 DM.
Ich begründe diese von uns vorgeschlagene Erhöhung der Mittel auf 900 000 DM damit: Wegen steigender Verkehrsdichte im Nord-Ostsee-Kanal mußten die alten Schleusen wieder in Betrieb genommen werden. Diese Anlagen sind aus dem Jahre 1893 und arbeiten noch hydraulisch und sind nicht mehr absolut betriebssicher. Ersatzteile müssen in eigener Werkstatt hergestellt werden. Es ist erklärlich, daß die Reparaturen einen längeren Ausfall der Schleusenanlagen bewirken und somit den flüssigen Ablauf des Kanalverkehrs behindern. Die vorgesehene Modernisierung der alten Schleusen durch Elektrifizierung der Antriebe muß im Interesse einer schnelleren Verkehrsabwicklung sofort erfolgen. Bestellungen größeren Umfanges sind deshalb notwendig und begründen die Erhöhung der im Haushalt eingesetzten Mittel.
Meine Damen und Herren, ich habe es nicht unterlassen, mir diese alten Schleusenanlagen in Holtenau anzusehen. Ich habe schon in der Begründung darauf aufmerksam gemacht, daß die Maschinenanlagen aus dem Jahre 1893 stammen. Es ist bei höherem Wasserstand leider immer möglich, daß es zur Aussetzung der Maschinenanlagen kommt. Was das vor der Schleuse bedeutet, brauche ich hier nicht weiter auszuführen.
Zu Kap. A 12 03 Tit. 713 Nr. 3 möchte ich folgendes sagen. Zur Verbesserung des Fahrwassers durch Kurvenabflachungen und zum Ausbau von Ausweichstellen sind für das kommende Haushaltsjahr 500 000 DM bereitzustellen. Besonders dringlich ist die Inangriffnahme der Kurvenverbesserung des Kanals bei Rendsburg. Diese Kurve ist außerordentlich unübersichtlich und erschwert die Navigation der größeren Fahrzeuge. Die Begradigung der Kurve würde wesentlich zur Erhöhung der Verkehrssicherheit und der Reisegeschwindigkeit beitragen.
Zu Nr. 4. Zur Sicherung und Verbesserung des Uferschutzes sollen die Mittel künftig 1 Million DM betragen. Die Sicherung und Verbesserung des Uferschutzes ist vordringlich. Eine Steinschütte über und unter Wasser hat den Wellenschlag zu brechen. Die Kanalufer wiesen nach dem Kriege erhebliche Schäden auf. Jedoch konnte danach die Steinschüttung auf weite Strecken aus Ersparnisgründen nicht hoch genug gezogen werden.
({1})
- Warum nicht? Sie tun es doch auch. Durch Wellenschlag wird der nicht ausreichende Uferschutz jetzt überspült und niedergerissen; Zurückstellung dieser Sicherungsarbeiten wird später höhere Ausgaben erforderlich machen.
Zu Nr. 5. Für den Ausbau des Binnenhafens KielHoltenau sind 500 000 DM bereitzustellen. Ich bin vorhin schon darauf eingegangen, daß es vor den Schleusen in Holtenau bzw. in Brunsbüttel-Koog zuweilen einen Stau gibt, und brauche nicht weiter dazu zu sprechen.
Zu Nr. 7. Für den Neubau von Fährschiffen sind i Million DM bereitzustellen. Ich habe vorhin schon darauf aufmerksam gemacht, daß noch Kettenfähren aus dem Jahre 1895 in Betrieb sind und diese zuweilen Anlaß zu Betriebsstörungen innerhalb des Kanals gewesen sind. Ich gebe Ihnen die Garantie, daß, wenn die Gewerbeaufsichtsbehörde und nicht das Kanalamt in eigener Verwaltung hier zuständig wäre, schon manche Kettenfähre aus dem Betrieb gezogen worden wäre.
Jetzt zu Nr. 10. Auch für die Beschaffung von schwimmenden Geräten und Schleppern sind 500 000 DM bereitzustellen; denn auch diese Prähme und Fahrzeuge sind noch aus alter Zeit, zum Teil aus der Zeit vor dem Jahre 1900.
Ich bin der Auffassung, daß die Vorschläge der sozialdemokratischen Fraktion durchaus berechtigt sind und daß diesem Vorschlage zuzustimmen ist, weil dadurch die schnellere Modernisierung des Kanals gewährleistet wird.
({2})
Meine Damen und Herren, ich darf Sie darauf aufmerksam machen, daß sich eine Delegation des mexikanischen Senats und des mexikanischen Parlaments unter der Leitung des Senators Dr. Manuel Moreno Sánchez auf der Tribüne befindet und unseren Beratungen folgt. Ich darf die Delegation hiermit herzlich begrüßen.
({0})
Ich hoffe, daß der Besuch der mexikanischen Kollegen zur Vertiefung der deutsch-mexikanischen Beziehungen beitragen wird.
Das Wort zur Begründung des Antrags Umdruck 522 ({1}) Ziffer 2 hat der Abgeordnete Regling.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit unserem Antrag Umdruck 522 ({0}) Nr. 2 haben wir eine Empfehlung des Verkehrsausschusses an den Haushaltsausschuß wiederaufgenommen. Dem Verkehrsausschuß lagen zwei Anträge vor, die sich zwar im Text unterschieden, die aber das gleiche Ziel verfolgten. Der Verkehrsausschuß hat diese beiden Anträge nach eingehender Diskussion auf einen Nenner gebracht und dem Haushaltsausschuß einstimmig die Berücksichtigung dieses Antrages empfohlen. Der Antrag fand jedoch im Haushaltsausschuß keine Zustimmung.
({1})
- Das kann man leicht sagen. Ich spreche dem Haushaltsausschuß ja auch nicht ab, daß er eine besondere Funktion hat. Aber man muß wissen - und ich habe mir daraufhin einmal das Protokoll durchgesehen -, warum und wieso der Haushaltsausschuß zu der Ablehnung gekommen ist; das ist entscheidend. Das Protokoll bringt zu diesem Punkt nur zwei Sätze; ich darf sie Ihnen vorlesen. Im Protokoll des Haushaltsausschusses über die Sitzung vom 3. März, Nr. 116, heißt es auf Seite 54 zu Tit. 726:
Der Verkehrsausschuß hat vorgeschlagen, einen neuen Titel einzufügen mit der Zweckbestimmung: „Vertiefung der Trave, 1. Teilbetrag" mit einem Ansatz 1,5 Millionen DM.
Das ist also unser Antrag. Jetzt kommt der erste Satz:
Abg. Dr. Conring glaubt, der Vorschlag füge sich nicht in die im Vierjahresplan vorgesehene Reihenfolge ein.
Ich nehme dem Kollegen Conring diese Stellungnahme nicht übel, denn über die Reihenfolge könnte man sich, wenn man nur von rein technischen Dingen ausgeht, vielleicht noch streiten. Aber nun kommt der entscheidende Satz. Insbesondere wir als Lübekker hätten von dem Verkehrsminister, der in dieser Sitzung anwesend war, eigentlich erwartet, daß er, genauso wie es in vielen persönlichen Besprechungen mit Lübecker und Schleswig-Holsteiner Herren geschehen ist, die Dringlichkeit dieser Angelegenheit befürwortet hätte, daß er sich entgegen der Außerung des Abgeordneten Conring verteidigend
vor diesen Antrag gestellt hätte. Mitnichten! Es heißt da:
Der Bundesverkehrsminister berichtet im einzelnen über den Vorschlag und teilt dazu mit, der zunächst wesentlichste Teil der Maßnahme bestehe in der Anhebung einer Brücke, die im Rahmen des Straßenbauplans vorgesehen sei.
Das Protokoll ist nur kurz, besagt aber sehr viel. Erstens ist diese Äußerung falsch, und zweitens ist sie unvollständig. Falsch ist sie einfach deshalb, weil dieser Brückenbau - es handelt sich nicht nur um eine Anhebung, sondern um einen neuen Brückenbau, aber eine solche Verwechslung kann passieren
- auf ein Versprechen aus dem Jahre 1935 zurückgeht, als seinerzeit die Wasserstraßen in Reichseigentum übergingen. Dieses Versprechen ist heute noch nicht voll eingelöst; die Arbeiten werden weitergeführt. Es steht noch ein Betrag von etwas über 2 Millionen DM für die nächsten Haushaltspläne aus. Aber dieser Brückenbau hat mit der Vertiefung der Trave nur insofern etwas zu tun, als beides geschehen muß, damit nachher auch größere Schiffe die Trave passieren können. Insoweit ist es richtig. Aber der Brückenbau hat mit der Inangriffnahme der Vertiefung der Trave überhaupt nichts zu tun. Insofern ist die Äußerung des Bundesverkehrsministers objektiv falsch.
Zum anderen ist diese Darstellung unvollständig. Ich betone das, denn die Äußerung des Bundesverkehrsministers, so heißt es im Protokoll weiter, hat den Haushaltsausschuß veranlaßt, diesen Titel, der vom Verkehrsausschuß einstimmig empfohlen wurde, nicht aufzunehmen. Nun, wenn ich im Haushaltsausschuß gewesen wäre und nicht über die Kenntnisse der Örtlichkeiten verfügt hätte, würde ich wahrscheinlich nach solchen Erklärungen den Antrag mit abgelehnt haben.
({2})
- Ich sage ja gerade: Wenn ich Mitglied des Haushaltsausschusses wäre und hätte nicht diese Kenntnisse der Örtlichkeiten, dann würde ich auf Grund der Äußerung des Bundesverkehrsministers auch nein gesagt haben.
({3})
- Bitte, es heißt hier, daraufhin sei dieses Projekt vom Haushaltsausschuß nicht genehmigt worden. Deshalb halte ich es für so wichtig, das dem Hohen Hause nochmals vorzutragen, weil ich der Meinung bin, der Beschluß des Haushaltsausschusses wäre anders ausgefallen, wenn die Begründung richtig gegeben worden wäre.
({4})
- Nein, darauf komme ich jetzt. Diese beiden Aussagen sind also falsch, und warum, das will ich Ihnen sagen.
In den Vierjahresplan hat der Bundesverkehrsminister das Projekt als solches mit 25,2 Millionen
DM aufgenommen und hat dann für die Jahre 1960, 1961, 1962 je eine Million vorgesehen. Die ganzen Projekte, die in den Vierjahresplan zum Ausbau der Bundeswasserstraßen aufgenommen worden sind, werden, so heißt es im Vorwort und auch in den Erläuterungen, als vordringlich und als Sofortmaßnahmen bezeichnet. Daraufhin sind die Lübecker Behörden und auch die Kieler Landesbehörden vertröstet worden und haben geglaubt: Na ja, zum mindesten ein bescheidener Anfang! So haben wir geglaubt. Dann liegt der Haushaltsplan 1960 vor, und darin ist diese eine Million nicht enthalten. Das war schon die erste große Enttäuschung. Und deshalb die Anträge jetzt im Verkehrsausschuß - textlich unterschiedlich, aber mit dem gleichen Ziel -, sie wurden dort auf einen Nenner gebracht und vom Haushaltsausschuß, Herr Kollege Wendelborn, und nicht durch den Antrag der Kollegen Diekmann und Regling torpediert. Ihr Antrag wurde zusammen mit unserem auf einen Nenner gebracht, was ich für sehr vernünftig halte, und dann einstimmig als Empfehlung des Verkehrsausschusses an den Haushaltsausschuß gegeben.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage? - Bitte sehr.
Herr Kollege Regling, wollen Sie mit dieser Feststellung etwa bestreiten, daß die Maßnahmen zur Verlängerung der Nordermole und die Maßnahmen zur Vertiefung und Verbreiterung des Herrendurchstichs nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit den Maßnahmen zur Vertiefung der Trave stehen?
Aber, Herr Kollege Wendelborn, ich habe soeben bereits gesagt, beide Dinge müssen erfolgen. Die großen Schiffe werden nicht die Trave passieren können, wenn nicht gleichzeitig eine neue, höhergelegene Brücke dort ist und endlich bereitgestellt wird.
({0})
Ein weiterer Teilbetrag für die Fertigstellung der Brücke, das ist selbstverständlich. Ich habe aber auch gesagt- und das haben alle Dienststellen, die damit zu tun haben, mir immer wieder bestätigt -: Unabhängig davon kann die Weiterführung der Travevertiefung, die eigentlich schon 1959 mit dem Ausbau der Nordermole einen Anfang genommen hatte und jetzt leider unterbrochen wird, durchgeführt werden. Denn von der Travemündung his zur Brücke sind es etwa 10 km - ich weiß es nicht genau, aber immerhin einige Kilometer -, und wir brauchen zum Ausbau der Trave leider viele Jahre. Nach dem Vierjahresplan sind von den Gesamtkosten von 25 Millionen für die Jahre 59-62 insgesamt nur 3,6 Millionen DM vorgesehen -- ein Schneckentempo, das jetzt noch verlangsamt, ja sogar abgestoppt wird. Dagegen wehren wir uns, und dagegen sollten Sie sich eigentlich mit uns gemeinsam wehren. Das haben Sie ja auch durch Ihren Antrag getan, den Sie im Verkehrsausschuß eingebracht haben, Herr Kollege Wendelborn, und der
Verkehrsausschuß hat diese beiden Anträge verbunden und empfohlen, einen neuen Titel zu schaffen. Das ist die Lage. Die Äußerung des Bundesverkehrsministers: erst die Brücke, dann die Vertiefung, ist objektiv falsch.
({1})
Im Zusammenhang mit der Brücke stehen 950 000 DM drin.
({2})
- Für den Herrendurchstich. Es handelt sich um ein Versprechen ich muß das wiederholen, ich habe
es bereits gesagt -, das auf eine Zusage etwa aus dem Jahre 1935 zurückgeht, als die Wasserstraßen in Reichseigentum übergingen. Dieses Versprechen hat schon seinerzeit festgehalten, daß die Trave an dieser Stelle nicht nur zu vertiefen, sondern auch zu verbreitern ist. Das ist der objektive Tatbestand, der mit der Frage Vertiefung der Trave als solcher nicht unmittlelbar und schon gar nicht hintereinander durchgeführt werden muß, sondern beide Objekte können gleichzeitig laufen.
Zum anderen ist der Bericht des Herrn Bundesverkehrsministers im Haushaltsausschuß deshalb nicht vollständig gewesen, weil der andere Grund, der dieses Anliegen für den Lübecker Hafen so vordringlich macht, nicht erwähnt wurde. Wir sind nun einmal an der Ostseeküste wegen der Nähe der Zonengrenze in einer besonderen Lage. Wir haben in diesem Hause oft genug über dringende Maßnahmen gesprochen, die wir gerade den Gemeinden an der Zonengrenze angedeihen lassen müssen. Verschiedenes ist auch geschehen. Lübeck als Großstadt unmittelbar an der Zonengrenze lebt zum weitaus größten Teil von seinem Hafen. Dieser Hafen ist in Gefahr. Heute sind infolge des Massengüterverkehrs größere Schiffe als früher im Einsatz, weil sie rentabler sind.
In diesem Zusammenhang kann ich Ihnen folgendes berichten. Mir ist vor zwei Tagen mitgeteilt worden, daß ein Objekt der Lübecker Hafengesellschaft - die sich um den Umschlag von 70 000 t. Erz, die im Transitverkehr von Schweden nach Österreich befördert werden sollten, bemüht hatte
- gescheitert ist, weil die Reeder einfach sagen: Sieben Reisen mit 10 000-Tonnern sind, selbst wenn sie durch den Kanal geleitet werden und die Kanalgebühren bezahlt werden müssen, billiger als zehn Reisen mit 7000-Tonnern über Lübeck. Der Umschlag in dem nicht unbeträchtlichen Ausmaß von 70 000 t, der sonst, wenn es möglich gewesen wäre, in Lübeck erfolgt wäre, fällt also auch in diesem Jahre aus. Das ist die unmittelbare Wirkung.
Nun kann man sagen, vor diesen Schwierigkeiten stehen alle deutschen Häfen. Das ist richtig. Aber ich darf noch einmal unterstreichen, daß dieser Antrag im Hinblick auf die Zonengrenznähe besonders vordringlich ist. Das ist auch immer wieder vom Herrn Bundesverkehrsminister bei seiner Anwesenheit in Lübeck, aber auch schriftlich erklärt worden. Ich glaube, er hat es auch Ihnen einmal
schriftlich erklärt, Herr Kollege Wendelborn, daß diese Angelegenheit aus diesem Grunde besonders vordringlich ist. Im Haushaltsausschuß hat er dazu jedoch nichts gesagt.
Nebenbei darf ich darauf hinweisen, daß andere Ostseehäfen, die früher bei weitem nicht einen derartig großen Verkehr hatten, inzwischen entsprechend ausgebaut worden sind. So ist z. B. der reine Küstenseefahrtshafen Wismar heute bereits auf 9,5 m ausgebaut worden. Stettin ist auf 9,6 m ausgebaut worden. Beide Häfen können mühelos von 10 000-Tonnern angelaufen werden. Gestern ist mir mitgeteilt worden, daß der Rostocker Hafen, also die Warnow, bis zum Sommer so weit vertieft sein wird, daß dort mühelos 14 000-Tonner anlaufen können. Auch das gibt ja zu denken, wie man auf der ostzonalen Seite die Lebensfähigkeit dieser Häfen ansieht und dort handelt.
Gerade aus diesem Grunde geht uns dieses Anliegen, glaube ich, alle gleichermaßen an. Die Großstadt Lübeck hat mit Problemen fertig zu werden, die sich aus ihrer Lage unmittelbar an der Zonengrenze ergeben. Sie ist aus diesem Grunde einfach auf eine großzügige Unterstützung des Bundes an- gewiesen. Die Lösung dieses Problems, der Ausbau des Hafens und des Travelaufes, ist so vordringlich, daß es einfach keinen Aufschub mehr duldet.
Die CDU/CSU-Fraktion hat nunmehr für die dritte Lesung einen Entschließungsantrag vorbereitet, auf den ich hier gleich eingehen muß. Durch die in diesem Antrag vorgeschlagene Maßnahme wird das bereits begonnene Vorhaben abgestoppt und mindestens um ein Jahr, wenn nicht mehr, verzögert. Sie wollen mit Ihrem Entschließungsantrag die Bundesregierung ersuchen, Maßnahmen zu prüfen, die die Wettbewerbsfähigkeit des Lübecker Hafens gegenüber anderen Ostseehäfen gewährleisten können. Meine Damen und Herren, seit über fünf Jahren ist meines Wissens alles geprüft, verhandelt, geprüft und nochmals verhandelt worden, bis es dann endlich in den Vierjahresplan mit einem - ich sagte es bereits - sehr bescheidenen Anfangsbetrag aufgenommen wurde. Immerhin, es wäre ein Anfang gewesen. Jetzt wollen Sie mit diesem Entschließungsantrag erreichen, daß die Regierung aufgefordert wird, noch einmal zu prüfen. Damit geben Sie eigentlich kund, daß das, was in dem Vierjahresplan steht, nicht sehr gut fundiert ist.
({3})
- Ich möchte nur, daß das, was der Bundesverkehrsminister selbst in seinem Vierjahresplan als notwendig und als vordringlich bezeichnet und wofür er Sofortmaßnahmen vorgesehen hat, was im Haushaltsplan 1960 aber vergessen worden ist, - ({4})
- Das ist genauso, wie ich es Ihnen sage. Sie strafen alle Dienststellen, die sich seit mehr als fünf Jahren, ja schon seit 1935 damit beschäftigen, Lügen, wenn Sie immer wieder sagen, die beiden ObRegling
jekte seien ein und dasselbe. Tatsächlich haben sie nichts miteinander zu tun. Sie haben nur insofern miteinander zu tun, als beide Maßnahmen erforderlich sind, damit große Schiffe passieren können. So einfach können Sie es sich nicht machen, Herr Kollege Wendelborn. Die Travevertiefung ist eine Maßnahme, die außerhalb des Versprechens von 1935 in den Vierjahresplan aufgenommen worden ist. Die Objekte sind auch an verschiedenen Haushaltsstellen dotiert.
Ich bin der Meinung, Sie leisten mit Ihrem Entschließungsantrag der Sache keinen guten Dienst. Wir sollten uns alle dazu bekennen, daß der Bund für seine Bundesstraßen sowieso verantwortlich ist und gerade die Trave so auszubauen hat, daß die Stadt und der Hafen Lübeck keine wirtschaftlichen Schädigungen erleiden. Der Hafen Lübeck mit seinen vielen Beschäftigten, die nun mal unmittelbar oder auch mittelbar von dem Verkehr im Hafen abhängig sind, ist für die Stadt Lübeck an der Zonengrenze eine Lebensfrage. Die erforderliche Hilfe verträgt keine Verzögerung.
Ich darf Sie daher alle recht herzlich bitten, diesem Antrag Ihre Zustimmung zu geben. Es ist kein Parteianliegen. Es ist das Anliegen einer Zonengrenzstadt, das uns als Bundesdeutsche alle gleichermaßen angehen sollte.
({5})
Das Wort zur Begründung des Antrags Umdruck 557 hat der Abgeordnete Glüsing.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben soeben bei der Begründung des SPD-Antrages durch den Kollegen Diekmann eine eingehende Darstellung über die große Bedeutung des Nord-Ostsee-Kanals gehört. Wir werden vielleicht eine noch intensivere Darstellung seitens des Kollegen Eisenmann hören, der einen ähnlichen Antrag eingebracht hat.
Bei dieser Gelegenheit darf ich mit einem Satz auf Ihre Darstellung der schleswig-holsteinischen Straßenverhältnisse eingehen, Herr Kollege Eisenmann. Ich meine, Sie haben das nun wirklich übertrieben; denn wenn das alles so zutrifft, wie Sie es vorgetragen haben, muß man ja bald Angst haben, sich noch auf Schleswig-Holsteins Straßen zu bewegen. Sie wissen auf der anderen Seite, daß die weiße Industrie, der Fremdenverkehr, sich in Schleswig-Holstein unerhört stark entwickelt hat. Sie tun dem Land Schleswig-Holstein einen schlechten, Dienst, wenn Sie eine solche Darstellung geben.
Im übrigen muß man auch einmal den Mut haben, anzuerkennen, daß in den letzten Jahren seitens der Bundesregierung erhebliche Mittel nach Schleswig-Holstein für den Ausbau der Straßen geflossen sind.
({0})
Sicher, wir haben in Schleswig-Holstein, bedingt
durch die marktferne Lage, unsere Schwierigkeiten.
Aber diese Schwierigkeiten finden wir, was die
Straßen anlangt, auch in anderen Teilen der Bundesrepublik.
Nun zur Sache! Auch die Bundesregierung hat bei der Gestaltung und Handhabung des Vierjahresplans schon eingesehen, daß für den Nord-OstseeKanal etwas getan werden muß. Sie hat auch etwas getan, und wir wollen bis zu einem gewissen Grade mit diesen Maßnahmen zufrieden sein. Dennoch sind meine Freunde, die den Antrag Umdruck 557 gestellt haben, auf Grund von Informationen zu der Meinung gekommen, daß wir, um die Inangriffnahme von unaufschiebbaren Maßnahmen an diesem internationalen Weltschiffahrtsweg zu gewährleisten, einige Beträge einsetzen und darüber eine Bindungsermächtigung geben sollten. Es handelt sich bei unserem Antrag um die Mittel, die notwendig sind, damit die elektrischen Anlagen, die nur langfristig lieferbar sind, bestellt werden können. Es handelt sich um die Baumaßnahmen der Mole II und um die Motoren für die schon erwähnten Fährschiffe über den Kanal.
Wir wären auch gerne noch bereit gewesen, für die Vertiefung der Fahrrinne zum eigentlichen Ölhafen hin eine Bindungsermächtigung zu beantragen, sind aber unterrichtet worden, daß die Mittel, die in diesem Jahr dafür bereitgestellt werden, genügen, um die Fahrrinne zu vertiefen, damit die Möglichkeit geschaffen wird, daß auch die Großtanker diesen Ölhafen anlaufen.
Ich fürchte, die beiden Anträge, die seitens der SPD und des Herrn Eisenmann noch begründet werden sollen, werden keine Mehrheit hier im Hause finden. Ich muß sogar im Namen der Regierungskoalition darum bitten, diese Anträge abzulehnen. Die Gründe brauche ich nicht näher zu erörtern. Ich bitte Sie, unserem Antrag zuzustimmen.
({1})
Das Wort hat der Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Änderungsantrag Umdruck 557, der soeben begründet wurde, möchte, daß Bindungsermächtigungen für bestimmte Bauvorhaben im Nord-Ostsee-Kanal bewilligt werden. Nach dem Haushaltsrecht ist es nicht möglich, für Vorhaben des außerordentlichen Haushalts solche Bindungsermächtigungen vorzusehen. Es besteht aber Einvernehmen zwischen dem Herrn Bundesfinanzminister und dem Herrn Bundesverkehrsminister darüber, daß die in diesem Antrag vorgesehenen Möglichkeiten zum Eingehen von Verpflichtungen in anderen haushaltsrechtlichen Formen eröffnet werden. Dem Antrag kann also entsprochen werden, ohne daß er hier als Änderungsantrag zum Haushaltsplan angenommen wird.
({0})
Das Wort zur Begründung des Antrags Umdruck 567 hat der Abgeordnete Eisenmann. - Herr Abgeordneter, ich darf Sie wohl bitten, zu berücksichtigen, daß dem Hohen
Vizepräsident Dr. Jaeger
Hause die Bedeutung des Nord-Ostsee-Kanals heute bereits klargeworden. ist.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren, ich habe mich sehr gefreut über die Feststellung des Herrn Präsidenten, daß dem Hohen Hause durch die ausgezeichneten und sachlich fundierten Darlegungen unserer Kollegen Diekmann und Regling Gelegenheit gegeben wurde, einmal über die Bedeutung und die Funktion dieser bedeutendsten Binnenwasserstraße der Welt so ins Bild gesetzt zu werden, wie es endlich einmal notwendig gewesen ist. Wenn ich, Herr Präsident, daran die Bitte knüpfen darf,
({0})
- Herr Kollege Conring, die sachlichen Darlegungen auf Grund der Bedeutung und der Funktion dieser Wasserstraße für die Wirtschaft, den nordeuropäischen Seeverkehr, die standortbildende Kraft dieser Wasserstraße für Schleswig-Holstein und seine Wirtschaft so zu begreifen, wie es die Antragsteller und ich auch wünschen, dann hat diese Debatte den richtigen Sinn gehabt.
Eine kurze Bemerkung zu Ihnen, Herr Glüsing. Es freut mich, daß auch Sie und Ihre Freunde, die Sie mit zu vertreten haben, begriffen haben, daß Schleswig-Holstein in einer marktfernen Lage ist. Es war für mich allerdings neu, von Ihnen als Bewohner der Westküste zu hören, daß die Dinge in Schleswig-Holstein hinsichtlich der Bedeutung der Fernstraßen in Ordnung sein sollen. Ich empfehle Ihnen, einmal wochentags oder sonnabends von Hamburg loszufahren auf der Bundesstraße 5 oder über die Lübecker Straße nach den Ostseebädern, um persönlich festzustellen, inwieweit die sogenannten Bäderrandstraßen in Schleswig-Holstein im Interesse der Bedienung der Menschen in Ordnung sind. Mir scheint, Sie fahren nur in Ihrem engsten Gebiet oder mit der Bundesbahn, sonst könnten Sie dies nicht gesagt haben. Ich bin gerne bereit, mich mit Ihnen privat darüber zu unterhalten.
Nun zum Antrag 567! Auf Grund der ausgezeichneten Begründung der Kollegen Regling und Dickmann brauche ich nichts Grundsätzliches zu wiederholen. Ich möchte nur 5 Punkte ansprechen, die für den Nord-Ostsee-Kanal von Bedeutung sind, einmal die Zunahme der Schiffsdurchgänge. Es ist festzustellen, daß 1959 73 443 Schiffe durchgefahren sind. Das heißt 5 700 Schiffsdurchgänge mehr als 1958 mit einer Tonnage von 60,3 Millionen BRT!
Zweitens: Man stellt einen Trend zum größeren Schiff fest. Bei gleichen - zu kleinen - Ausweichstellen bedeutet das, was Herr Diekmann schon gesagt hat, eine Zunahme der Kollisionen und der Ufer Beschädigungen. Das kommt an Hand der Seeamtsberichte ganz klar zum Ausdruck.
Herr Abgeordneter Eisenmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Conring? - Bitte.
Herr Kollege, entsinnen Sie sich, daß in dem Vierjahresprogramm für den Ausbau der Bundesstraßen im Binnen- und im Küstenbereich für die bekannten vier .Jahre 1959 bis 1962 nicht weniger als 40 Positionen im einzelnen aufgeführt sind? Was würden Sie sagen, wenn jeder einzelne, der an diesen 40 Positionen beteiligt ist, sei es wahlkreismäßig, sei es regional, hier bei den Haushaltsberatungen zu diesen einzelnen Punkten Stellung nehmen wollte?
({0})
Und was würden Sie sagen, wenn bei diesem Vierjahresplan jeder einzelne der Beteiligten hier mit warmen und ausführlichen Worten begründen würde, daß sein einzelner Plan so wichtig ist, daß er allen anderen vorgezogen werden müßte?
({1})
Herr Kollege Dr. Conring, über diese Frage müßte man sich sehr eingehend unterhalten. Ich weiß auf Grund der Begründung des Antrags des Kollegen Glüsing und seiner Freunde, des Antrags Umdruck 557, daß von dieser Seite hinsichtlich der Lösung dringender Aufgaben anscheinend nur platonische Anträge gestellt werden können. Diese Frage von Ihrer Seite ist daher von mir nicht zu beantworten.
({0})
- Ich komme gleich darauf. - Drittens habe ich von der Zunahme der Schiffsdurchgänge gesprochen, dem Trend zum größeren Schiff. Und ich habe noch etwas zu sagen zu den veralteten Schiffslenk- und -leitdiensten und zu der Überalterung der Schleusenanlagen. Das ist der dritte Punkt. Der vierte Punkt sind die zu kleinen Ausweichen, und der fünfte Punkt sind die unübersichtlichen Kurven.
Nun zu Ihrer Bemerkung, Herr Kollege Conring. Dieser Antrag ist in etwa gleicher Form von den Abgeordneten Wendelborn, Diekmann und Eisenmann im Verkehrsausschuß gestellt, debattiert und ausführlich begründet worden und hat im Verkehrsausschuß seine einstimmige Annahme gefunden. Zu unser aller Überraschung, jedenfalls zur Überraschung der Verkehrsausschußmitglieder, hat der Haushaltsausschuß diesen begründeten Antrag abgelehnt.
({1})
- Einstimmig abgelehnt. Mein lieber Herr Kollege Wendelborn, das beinhaltet nicht, daß die sachliche Begründung des Verkehrsausschusses falsch war. Ich bitte jedenfalls, dem vorliegenden Antrag, wie er ist, auf Grund der Bedeutung des Nord-OstseeKanals, auf Grund des zunehmenden Schiffsverkehrs mit größeren Schiffen und auf Grund der Überalterung der Schiffsanlagen zuzustimmen. Ohne die guten Lotsen, meine Herren Kollegen, hätten Sie ganz andere Kollisionszahlen für den Kanal als heute.
Ein Wort noch zu Ihrem Antrag, Herr Kollege Glüsing. Ich habe gesagt - und dazu stehe ich -:
Für mich ist das ein platonischer Antrag. Sie hatten schon vorher prüfen und dann erfahren müssen, daß es haushaltsrechtlich so gar nicht geht. Das ist auf Grund des Haushaltsrechts nun einmal festzustellen. Wenn der Herr Staatssekretär sagt, daß das Bundesfinanzministerium in Verbindung mit dem Ministerium Dr. Seebohm Mittel und Wege sucht, um hier noch 500 000 DM und 150 000 DM zusätzlich zu beschaffen
({2})
- zu beschaffen; die sind noch nicht da. Die Mittel für den außerordentlichen Haushalt .müssen erst noch gesucht werden. Oder sie sind da; dann habe ich ebenfalls recht. Dann kann nämlich auch meinen höheren Anträgen sofort zugestimmt werden.
Weiter wollte ich Sie noch fragen: Was wollen Sie mit diesen 500 000 DM bauen? Wissen Sie denn nicht, was ein Fährschiff kostet? Wissen Sie denn nicht, was ein Bugsierdampfer kostet? Wissen Sie denn nicht, was das Schiffslenk- und -leitsystem kostet, die UKW- und Radaranlagen? Wissen Sie denn nicht, was die Dalbenverbesserung kostet? Wissen Sie denn nicht, daß von 14 Fähren noch 7 Kettenfähren sind? Und wissen Sie, was die Kettenfähren kosten, Kettenfähren, die über 60 Jahre alt sind, in einem Kanal mit 70 000 oder mehr Durchgängen -Zustände, die man als mittelalterlich bezeichnen muß? Ich möchte einmal die Antwort von Ihnen haben, wie Sie das mit diesen lächerlichen Beträgen decken möchten. Das ist für mich ein platonischer Antrag, sonst nichts.
({3})
- Herr Kollege Drachsler, wir beide sind doch der gleichen Auffassung.
Nun zu dem Thema Lübeck. Wenn es den Freunden in der CDU-Fraktion, die diesen Antrag gestellt haben - „Dr. Krone und Fraktion" steht drunter - mit der Hilfe für die größte Zonengrenzstadt ernst ist, dann tun Sie das, was der Kollege Regling gesagt hat. Die Industrie- und Handelskammer, die Landesregierung Schleswig-Holstein, der Senat, das Parlament der Stadt Lübeck und alle daran Beteiligten haben seit Jahren aufmerksam Material zusammengetragen, um die Situation und die Funktion der Stadt Lübeck zu beleuchten und um dazu beizutragen, ihre Wirtschaftslage zu verbessern. Man braucht hier nicht mehr in eine erneute Prüfung einzutreten, sondern man sollte dieser Stadt die Chance geben, Herr Kollege Rösing - was wir ja auch beschlossen hatten -, daß 14 000-tSchiffe endlich diese Hansestadt und ihren Hafen anlaufen können, damit sie wettbewerbsfähig erhalten wird gegenüber den Ostseehäfen und einigermaßen wettbewerbsfähig erhalten wird gegenüber den EWG-Häfen auf der anderen Seite. Wenn es Ihnen ernst ist, dann stimmen Sie dem vorliegenden Antrag der SPD-Fraktion wie auch meinem Antrag, der den gleichen Inhalt hat, zu.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor; wir können nunmehr über die Anträge abstimmen.
Zuerst Änderungsantrag Umdruck 567 Ziffer 1. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um :las Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe,
Enthaltungen? Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Dann Änderungsantrag Umdruck 522 ({0}) Ziffer 1. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Der Antrag ist, offenbar
mit der gleichen Mehrheit, abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag Umdruck 557.
({1})
- Bitte, Herr Abgeordneter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Durch die Erklärung des Herrn Staatssekretärs des Bundesministeriums der Finanzen sind die Wünsche der Antragsteller erfüllt. Ich ziehe daher den Antrag Umdruck 557 zurück.
Der Änderungsantrag Umdruck 557 ist zurückgezogen. Wir können nunmehr über die Anträge Umdruck 567 Ziffer 2 und 522 ({0}) Ziffer 2, die inhaltsgleich sind, zusammen abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. Enthaltungen? Offenbar mit der gleichen Mehrheit abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 12 insgesamt in zweiter Beratung. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Mit der in dieser zweiten Lesung üblichen Mehrheit in zweiter Beratung angenommen.
({1})
Meine Damen und Herren, gestatten Sie bitte eine Bemerkung, ehe ich den nächsten, den Einzelplan 14 - Bundesminister für Verteidigung - aufrufe. Wir haben von 29 Plänen bis jetzt 13 erledigt. 16 haben wir noch vor uns. Ich darf darauf hinweisen. Vielleicht verstehen Sie dann, warum ich mich bemühe, den Ablauf so kurz und knapp wie möglich zu halten.
Ich rufe auf
Einzelplan 14 - Geschäftsbereich des Bundesministers für Verteidigung ({2}).
Berichterstatter sind die Herren Abgeordneten Leicht und Lenz ({3}). Wünschen die Berichterstatter das Wort? - Die Berichterstatter verzichten.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Wird das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Kreitmeyer!
Herr Präsident! Meine sehr
verehrten Damen und meine Herren! Ich möchte in
der allgemeinen Aussprache das Haus von einer
organisatorischen Unmöglichkeit in Kenntnis setzen, für die zwar der Herr Bundesverteidigungsminister nicht verantwortlich ist; aber, wie man so schön zu sagen pflegt, ihn werden dann als den letzten, der unterschrieben hat, die Hunde beißen.
Worum geht es? Die Bundesregierung hat am 1. April 1958 einen Vertrag abgeschlossen, der den Schießplatz Bergen-Hohne zum NATO-Schießplatz macht. In dem Vertrag verpflichtet sie sich, alles zu tun, um ihn auch als solchen zu gebrauchen. Der Stand der Dinge ist der folgende. Nach beinahe zweieinhalbjährigen Verhandlungen um die Feuerstellungen, die benötigt werden, um den Platz militärisch als Schießplatz nutzen zu können - diese Feuerstellungen müssen wegen der modernen Waffenentwicklung außerhalb des Platzes liegen, damit muß also Privateigentum in Anspruch genommen werden -, ist es trotz der vorzüglichen Unterstützung, die das niedersächsische Landvolk, die niedersächsische Landesregierung und das Bundesverteidigungsministerium hierbei mit ihren Organen geleistet haben, leider bis jetzt nicht möglich gewesen, den Vertrag durchzuführen, weil noch ein anderes Ministerium - nach unserem Dafürhalten völlig überflüssigerweise - dazwischengeschaltet ist. Ich bitte um Verständnis, wenn ich hier etwas hart und deutlich werde. Was ich hier sage, richtet sich in keiner Weise gegen die von uns allen hochgeschätzte Person des verstorbenen Ministers Lindrath. Es handelt sich um eine sachliche Angelegenheit, die dem Hohen Hause zur Kenntnis gebracht werden muß. Man sollte sich überlegen, ob die
ij organisatorische Unmöglichkeit, die jetzt besteht, bei der neuen Besetzung des Schatzministeriums nicht gleich von vornherein bereinigt werden kann. Dieser „Schatz" - in Anführungsstrichen -, militärische Liegenschaften und Truppenübungsplätze, sollte gleich dorthin transportiert werden, wo er hingehört, nämlich in die Obhut des Bundesverteidigungsministers.
Bei dieser Gelegenheit darf ich Sie, Herr Minister, daran erinnern, daß auf dem Gelände dieses NATO-Schießplatzes noch etwa 34 Familien bzw. 110 Zivilisten wohnen. Sie hätten nach meinem Dafürhalten und dem aller Sachverständigen schon längst evakuiert werden müssen. Es ist höchste Zeit, das zu tun, damit der Platz endlich seiner vollen Benutzung zugeführt werden kann.
Ich darf zu dem Problem des Schießplatzes Bergen-Hohne noch folgendes sagen. Es sind dort sieben Feuerstellungen vorgesehen. Fünf Privatbesitzer haben von vorläufigen Verfügungen Gebrauch gemacht, so daß kein Mensch in die geplanten Feuerstellungen hinein kann. Das kann sich für uns unangenehm auswirken. Unsere Bundesgenossen können dadurch in die Lage versetzt werden, nicht mehr die notwendige Ausbildung durchführen zu können, nur weil es der Bürokratie nicht gelingt, eine Sache unter Dach und Fach zu bringen. Es ist eine Überforderung des Kommandanten des Übungsplatzes, wenn er dauernd bitten und betteln gehen muß, damit dieser oder jener Privatbesitzer seinen Grund und Boden den fremden Truppen doch noch einmal zur Verfügung stellt.
Herr Minister, ich komme nicht umhin, ein Wort zu dem Abkommen über den Raum Soltau-Lüneburg zu sagen. In der gestrigen Fragestunde wurde die Sache von seiten des Außenministeriums so hingestellt, als ob die Angelegenheit durchaus in Ordnung sei und als ob man gewisse deutsche Eigentumsrechte einfach auf dem Vertragswege außer Kraft setzen könne, wenn die militärischen Bedürfnisse unabweisbar seien. Ich glaube, es wäre im Interesse aller Beteiligten angebracht, das geplante Abkommen einer grundsätzlichen Revision zu unterziehen. Die Antwort, die gestern erteilt worden ist, geht noch immer von dem alten Zustand aus, der bis in das Jahr 1952 zurückreicht. Sie geht nicht von den Verhältnissen aus, die vorherrschen sollten, nachdem wir ein souveränes Land geworden sind.
Ich weiß, daß man durchaus Mittel und Wege finden kann, um Manöverschäden zu vermeiden, wenn man will. Ich stehe nicht an, den verehrten Dannen und Herren dieses Hohen Hauses jenes Beispiel vor Augen zu führen, das der Kommandeur der Lehrtruppe der Panzerschule Munster gegeben hat. Auf Anfragen der Briten, ob er sich an einer gemeinsamen Übung beteiligen wolle, antwortete er: Jawohl, wenn Sie mir die Garantie geben, daß keine Manöverschäden verursacht werden. Dieser Offizier stammte nämlich aus einer Zeit, in der es für einen deutschen Offizier Ehrensache war, Übungen nach bestem Vermögen so anzulegen, daß keine Panzerschäden verursacht wurden. Damals gab es nämlich auch schon Panzer. Solche löblichen Absichten dürfen nicht auf Einzelfälle beschränkt bleiben. Es ist wichtig und entscheidend, grundsätzliche - sagen wir narrensichere Bestimmungen zu schaffen, die solche Schäden ein für allemal ausschließen.
Darüber hinaus müssen wir überlegen, ob es überhaupt angängig ist, ein Gebiet zu einem ständigen Übungsplatz zu machen, in dem mehr als 6000 Menschen wohnen. Es fehlt uns hier allen an der nötigen Phantasie, uns vorzustellen, was das bedeutet. Acht, zehn, zwölf, ja beinahe fünfzehn Jahre lang werden nun schon in unmittelbarer Nähe der Häuser und auf den Liegenschaften der dort lebenden Menschen Übungen abgehalten. Das geht selbst über die Geduld der wirklich nicht überempfindsamen niedersächsischen Bauern und der Bevölkerung insgesamt.
Man muß also noch einmal überlegen, ob das Abkommen in dieser Form abgeschlossen werden kann. Ich habe diese Frage deshalb noch einmal angeschnitten, weil nach den bisherigen schriftlichen Antworten damit zu rechnen ist, daß bis Mitte oder Ende April die zusätzlichen Ausführungsbestimmungen erlassen werden und dann ratifiziert werden soll.
Zum Abschluß noch eine grundsätzliche Angelegenheit! Ich würde es auch noch aus einem anderen Grunde begrüßen, wenn der Herr Bundesverteidigungsminister für diese ganzen Liegenschaften verantwortlich gemacht werden würde. Es muß hier einmal offen ein Verdacht ausgesprochen werden. Truppenübungsplatz - sehr gut und schön! Auch die forstliche Seite muß gesehen werden. Sie darf aber nicht mehr gesehen werden, als unbedingt notKreitmeyer
wendig ist, um Erosionsschäden am Boden zu vermeiden; mehr nicht. Mit dem Wald ist dann aber immer noch eine besondere Liebhaberei verbunden. Das muß endgültig abgestellt werden. Die jagdliche Nutzung ist das Uninteressanteste an einem Truppenübungsplatz. Wir stellen das Gebiet ausschließlich für Truppenübungen zur Verfügung. Da sollte man auf derartige, wenn auch sehr schöne und nette Ambitionen verzichten und sicherstellen, daß die Plätze ausschließlich für diese Zwecke gebraucht werden. Ich glaube, es ist unbedingt erforderlich, daß hier durch organisatorische Vorschläge schnelle Änderungen getroffen werden und daß ebenso der Vertrag als solcher, das Truppenabkommen betreffend das Soltau-Lüneburg-Gebiet grundsätzlich geändert wird.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Schultz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will mich gern an die Aufforderung des Präsidenten halten, Sie nur sehr kurz mit meinen allgemeinen Bemerkungen, die ich im Namen der Freien Demokraten vorbringen will, zu belasten. Es ist aber immer etwas mißlich, wenn man durch die sehr breite Behandlung der vorausgegangenen Haushalte in Zeitdruck gerät. Trotzdem wollen wir uns befleißigen, kurz zu sprechen. Wir hätten ja Entschließungsanträge über die Bemerkungen stellen können, dann hätten Sie sie sich auch anhören müssen. Aber ich mache es kurz.
Ich glaube, daß wir, nachdem wir vier Jahre Aufbau der Bundeswehr hinter uns haben, zur Zeit manches von dem, was bei Beginn des Aufbaus richtig erschienen ist, einer Überprüfung unterziehen müssen. Es kann nicht so weitergehen, daß die Bundeswehr in der Zwangsjacke des Beamtenrechts so eingezwängt ist, wie es augenblicklich der Fall ist. Wir haben damals bei der grundlegenden Gesetzgebung vermeiden wollen, daß in der Bundeswehr ein Staat im Staate geschaffen wird. Die Bundeswehr sollte also in das ganze Volksleben eingebaut werden. Manche Bestimmungen, die auf Grund der gesetzlichen Voraussetzungen gegeben sind, führen meiner Auffassung nach aber dazu, daß das Gegenteil erreicht wird, daß man hier eine gewisse Gruppe fast dazu drängt, sich abzukapseln und damit in den Gegensatz zum Staat zu geraten.
Ich möchte Ihnen einzelne Beispiele dafür nennen. Ich glaube, man muß das Problem der EinödStandorte auch im Rahmen des Beamtenrechts besonders bedenken. Diese Standorte haben eine niedrigere Ortsklasse als die Standorte in großen Städten, weil das Leben auf dem Lande angeblich billiger ist. Nun entstehen aber gerade für die Angehörigen der Truppen, die an diesen Einöd-Standorten stationiert sind, besondere Kosten: im Einkauf, in dem Schulbesuch der Kinder, in der ärztlichen Betreuung. Bedenken Sie, daß ein solcher Standort 16 bis 30 km von der nächsten größeren Stadt nach beiden Seiten - wenn er zwischen zwei Städten liegt - entfernt ist; da kommen diese
Nachteile sehr stark zur Auswirkung. Unglücklicherweise ist es nicht gelungen, Schwierigkeiten, die sich z. B. für den Schulbesuch der Kinder ergeben, dadurch auszugleichen, daß man örtlich Verhandlungen dahin gehend führt, daß die Schule vielleicht etwas früher aufhört, damit die Schüler den Omnibus noch erreichen, oder daß ein besonderer Omnibus eingesetzt wird. Es scheitert daran, daß die Schulverwaltung zu derartigen Zugeständnissen nicht bereit ist. Weiter scheitert es daran, daß man eben sagt, die neue Omnibuslinie, die man einführen will, sei nicht lukrativ genug. Wir müssen diese Tatsachen berücksichtigen und wegen der erhöhten Kosten zu einer Änderung dieser Verhältnisse kommen.
Genau dasselbe gilt für Mietzuschüsse und Heizungskostenzuschüsse, mit denen sich der Ausschuß für Verteidigung schon beschäftigt hat. Glücklicherweise hat auch der Haushaltsausschuß schon im vergangenen Jahr zugestimmt, daß jene Zuschüsse gewährt werden können. Stellt man aber einmal fest, wieweit diese Zuschüsse gewährt werden, dann muß man beobachten, daß immer wieder irgendeine andere Bestimmung dem Fiskus die Möglichkeit gibt, die Zuschüsse nicht zu zahlen. Das gleiche gilt für das Umzugsrecht bzw. für die Erstattung von Umzugskosten. Auch hier ist es so, daß auch nach Abschluß des Aufbaus der Bundeswehr die Zahl der Umzüge innerhalb der Bundeswehr nicht geringer wird, und zwar einfach deshalb, weil die Leute nach ihrer Ausbildung dann entsprechend der Ausbildung an ihrem Standort verwendet werden müssen. Es wird weiter so bleiben, daß immer wieder vielleicht mehrere Umzüge im Jahr gemacht werden müssen, die dann nicht erstattungsfähig sind.
Dienstwohnungen: Die Mieten wurden seinerzeit festgesetzt. Sie sind inzwischen durch Oberfinanzdirektionen schon dreimal erhöht worden, obwohl sich an der Wohnung als solcher nichts geändert hat.
Weiter: Jungverheiratete Unteroffiziere rangieren am Ende der Liste der Wohnungsuchenden. Wenn einer heiraten will, so kann er auch kein Empfänger von Trennungsgeld sein, weil als Heiratsort immer der Standort gilt, und muß all die sich daraus ergebenden Schwierigkeiten und Verteuerungen auf sich nehmen, da die Frau ganz woanders wohnen muß. Wir müssen uns gerade bei diesem Problem darüber klar sein, daß es nicht sehr glücklich ist, daß Unteroffiziere schon heiraten können, ohne daß die notwendigen finanziellen Voraussetzungen gegeben sind. Man spricht in der letzten Zeit in der Bundeswehr und auch außerhalb davon, ob man nicht eine Heiratsordnung einführen solle. Man sagt, es spräche dagegen, daß das nach dem Grundgesetz nicht möglich sei; das sei eine Beschränkung der Freiheit. Wir wissen, daß es beim Bundesgrenzschutz zumindest üblich ist, nicht vor dem 25. Lebensjahr zu heiraten. Wie ich gehört habe, will man sich nun bei der Bundeswehr damit helfen, daß man sozusagen eine Aussteuerbeihilfe an alle die gibt, die nicht vor dem 25. Lebensjahr heiraten. Ich weiß nicht, ob alle diese Dinge mit Geld zu regeln sind.
Müßte man nicht überprüfen, ob sich die Verordnung über das Vorgesetztenverhältnis bewährt hat und in Zukunft bewähren wird? Die Vorstellungen, die entwickelt worden sind, die Vorschriften, die bestehen, gehen von einem idealen Zustand aus, nämlich daß alle, die in der Bundeswehr in führender Stellung Dienst tun, von sich aus die Möglichkeit haben, ihre Autorität durchzusetzen, allein wenn sie dem anderen mit blauem Auge in das andere Auge blicken. Auf die Dauer gesehen werden wir Schwierigkeiten bekommen, wenn wir die Situation hier nicht einmal überdenken. Ich erinnere mich daran, daß wir vor zwei Jahren schon einmal im Verteidigungsausschuß über die Wehrdisziplinarordnung gesprochen und damals recht interessante Informationen von der Truppe bekommen haben. Auch dieses Problem sollten wir einmal im Ausschuß untersuchen.
Ein Letztes! Wir haben für das passive Wahlrecht der Soldaten eine, ich möchte sagen, sehr unverbindliche Richtlinie. Ein Soldat, der Abgeordneter im Bundesparlament oder in einem Landtag werden will, muß seinen Dienst aufgeben. Nun lebt in den Standorten doch schon eine ziemlich große Anzahl von Soldaten, so daß ich meine, man sollte Vorschriften erlassen, die es den Soldaten ermöglichen, ohne Aufgabe des Dienstes in einem Gemeindeoder Kreisparlament mitzuwirken. Das ist meiner Auffassung nach eine besonders interessante Betätigung, insbesondere in den erwähnten Einödstandorten.
Vielleicht werden wir auch einmal in dem Bericht
des Wehrbeauftragten, mit dessen Tätigkeit wir alle, glaube ich, zufrieden sind, über die angeschnittenen Probleme etwas hören. Ich wäre dankbar, wenn die Anregungen, die ich hier gegeben habe, vom Ministerium überdacht würden und wenn uns im Ausschuß über das Ergebnis der Überlegungen berichtet werden könnte.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir zur allgemeinen Aussprache nicht vor. Ich schließe die allgemeine Aussprache und erteile das Wort zur Begründung der Änderungsanträge zunächst dem Herrn Abgeordneten Berkhan zur Begründung des Änderungsantrages Umdruck 513 Ziffern 1 und 4.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In Kap. 14 01 Tit. 306 möchte die Sozialdemokratische Partei den Ansatz um 845 000 DM auf 275 000 DM gekürzt wissen. Es handelt sich um den Titel psychologische Verteidigung.
Wenn wir uns den Gesamthaushalt ansehen, stellen wir fest, daß zum Zwecke der ideologischen Abwehr und Kräftigung des demokratischen Gedankens in unserem Volk in den verschiedensten Einzelplänen Mittel vorhanden sind, z. B. beim Bundeskanzleramt, beim Bundesministerium für Vertriebene, beim Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen oder auch beim Innenministerium.
Wir meinen, daß es zweckmäßig ist, diese Mittel an einer Stelle zu konzentrieren, die wir nicht erst
zu schaffen brauchen, sondern (lie vorhanden ist. Wir glauben, daß die Bundeszentrale für Heimatdienst diese eine Institution ist, die alle diese Mittel verwalten und vergeben sollte. Beim Verteidigungsministerium sollte nur das bleiben, was für die Soldaten unerläßlich ist, also rein militärischen Belangen dient. Die Festigung der Demokratie ist keine eigentliche Aufgabe des Bundesverteidigungsministeriums, sondern ist eine Aufgabe des gesamten deutschen Volkes und ist eine Aufgabe, die vor allen Dingen der Bundeszentrale für Heimatdienst zukommt.
({0})
- Sie winken ab, Herr Dr. Stoltenberg. Ich bin sehr traurig, daß Sie an diesem Tage abwinken. Ich habe gerade mit meiner Frau telefoniert, und die hat mir gesagt: „An Deinem Geburtstag wird Dir Dr. Stoltenberg vielleicht diesen Wunsch erfüllen." Aber ich sehe, daß Sie also nicht einmal an solchem Tage geneigt sind, der Opposition freundlicherweise Ihr Ohr zu leihen.
Der Herr Präsident war so freundlich, mir zu erlauben, daß ich gleich noch zu Ziffer 4 spreche. Wir beantragen unter Ziffer 4, daß der Ansatz um 720 000 DM erhöht wird. Es handelt sich um die Honorare für nebenamtliche Lehrer, die an Bundeswehrfachschulen tätig sind.
Zur beruflichen Fortbildung länger dienender Soldaten, die nach dem Gesetz Anspruch auf Berufsförderung nach dem vierten Dienstjahr haben, kommen nur geeignete Lehrkräfte in Frage. Das bedeutet nicht unbedingt, daß sie auf Universitäten ausgebildet sein müssen. Es können auch Männer der Industrie, des Handwerks, des Handels, überhaupt jeden Gewerbes sein. Allerdings meinen wir, daß es reichlich wenig ist, wenn man einem geeigneten Lehrer, gleichgültig ob er pädagogisch vorgebildet ist oder nicht, für die Stunde 7 DM anbietet. Bei 7 DM wird man keine geeignete Lehrkraft für diese Aufgaben finden.
({1})
- Genau das wollte ich gerade sagen. Ich bin dankbar für diesen Zwischenruf. Wir können nicht einsehen, warum andere Institutionen des Bundes diesen Unterricht besser bezahlen als ausgerechnet die Bundeswehr.
({2})
- Ich finde es großartig, daß Sie „Sehr richtig!" rufen, Herr Kollege. Ich darf also annehmen, daß Sie wenigstens diesem Antrag zustimmen werden.
({3})
- Ich danke Ihnen auch für diesen Zwischenruf. Wir haben uns die Angelegenheit noch einmal überlegt und eine Änderung vorgeschlagen. Wir beantragen einen Mindestsatz von 10 DM. Ich bin froh, daß Sie das vor dem Plenum bestätigen. Ich danke für Ihre freundliche Aufmerksamkeit.
({4})
Zu diesem Antrag Herr Abgeordneter Lenze.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die CDU/CSU-Fraktion sieht sich nicht in der Lage, diesem Antrag der SPD in bezug auf den Titel „Psychologische Verteidigung" zuzustimmen. Wir haben uns im Ausschuß sehr oft, sehr gründlich und sehr ausgiebig mit dieser Materie befaßt. Wir müssen feststellen, daß in dem Augenblick, in dem wir uns heute befinden, gerade dieser Titel von außerordentlicher Bedeutung ist. Es ist nach unserer Auffassung nicht angängig, daß diese Fragen vom Kuratorium für Heimatdienst erledigt werden. Das Kuratorium für Heimatdienst hat die Aufgabe, der Vertiefung des demokratischen Gedankens zu dienen. Aber die Aufgabe, die hier speziell im Mittelpunkt steht, die Behandlung der Frage der Verteidigungsbereitschaft und des Wehrwillens, der Niederringung jeglichen Ohne-mich-Standpunkts in unserem Volk und Vaterland, können wir dem Kuratorium für Heimatdienst niemals überlassen.
Nach unserer Auffassung ist es auch nicht richtig, den Titel „Psychologische Verteidigung" nur für diese Aufgaben innerhalb der Bundeswehr zu verwenden. Wir sind der Auffassung, daß es durchaus richtig und zweckmäßig ist, wenn mit diesen Mitteln auch eine Öffentlichkeitsarbeit in dem von mir angedeuteten Sinn betrieben wird.
Herr Abgeordneter Lenze, .Herr Abgeordneter Berkhan möchte eine Frage stellen.
Sie wissen doch, daß nicht das Kuratorium für Heimatdienst, sondern die Bundeszentrale für Heimatdienst mit einem hervorragenden Apparat diese Arbeit leistet. Es steht also durchaus ein Beamtenapparat zur Verfügung. Ich wollte Sie bitten, das hier zumindest zur Kenntnis zu nehmen.
Lenze ({0}) . ({1}): Herr Kollege Berkhan, darüber sind wir genau informiert. Wir wissen, daß diese Stelle im Verteidigungsministerium im Aufbau begriffen ist. Und gerade weil sie im Aufbau begriffen ist, sind wir der Auffassung, daß die von Ihnen beantragte Herabsetzung des Titels um 845 000 DM auf 275 000 DM im Grunde genommen den Sinn dieses Titels zunichte macht. So wird mit diesem Titel nichts erreicht.
Ich glaube, daß Sie die Notwendigkeit dieser Maßnahmen unterschätzen, daß Sie die Bedeutung dieser Arbeit nicht richtig würdigen. Wir haben manchmal auch den Eindruck gehabt, Herr Kollege Berkhan, daß sich dahinter ein gewisses Mißtrauen verbirgt.
({2})
Ich habe das im Ausschuß offen gesagt. Sie wissen, in welche Richtung das Mißtrauen zielt. Wir können das Mißtrauen, das Sie diesem Titel entgegenbringen, allerdings in keiner Weise teilen.
({3})
- Entschuldigen Sic, wenn Sie sagen, sie hätten kein Mißtrauen gegen den Titel, aber Sie hätten kein Vertrauen zum Minister, dann können wir Ihnen von der CDU dazu nur sagen: Unserem Bundesminister Strauß gegenüber haben wir nicht nur kein Mißtrauen, sondern ich muß sagen: wir haben zu ihm das höchste Vertrauen.
({4})
Sie sind sich doch darüber klar, daß eine der größten Schwierigkeiten der heutigen Zeit darin besteht, im ganzen deutschen Volk ein solches Maß an Verteidigungswillen zu erzeugen, daß eine innere Einheit und Geschlossenheit im Widerstand gegenüber dem Osten gegeben ist. Sie wissen, daß die Untersuchungen, die Gutachten, die Analysen, die Broschüren, die Filme, die Dokumentationen Geld in einem solchen Ausmaß erfordern, daß der Ansatz, den Sie wählen, in keiner Weise geeignet ist, mit dem Problem fertig zu werden. Das ist im Grunde genommen eine Verniedlichung, eine Verharmlosung. Sie machen es dadurch letzten Endes unmöglich, die Zwecke zu erreichen, die wir damit erreichen wollen.
Ich kann Ihnen nur sagen, daß wir nach sorgfältiger Überprüfung all dessen, was wir von der zuständigen Stelle des Verteidigungsministeriums ,unter Leitung von Oberstleutnant Trentzsch gehört haben, und unter Würdigung aller Erkenntnisse feststellen müssen, daß mit dem Geld dort außerordentlich geschickt operiert wird und große Erfolge erzielt werden. Wenn Sie sich an die Ausschußsitzung erinnern, dann denken Sie doch daran, daß man darüber sprach, vor welchen Gremien Referenten des Verteidigungsministeriums gesprochen haben, Herr Kollege Berkhan. Sie wissen, daß da gewisse Dinge in der Luft hängen. Die Referenten waren bei gewissen Standesorganisationen der Kirchen gewesen, aber an anderen Stellen waren sie nicht. Wir können nur die Empfehlung geben, daß Sie von Ihrer Seite aus und daß auch jede andere Stelle die Referenten des Ministeriums in Anspruch nimmt. Wir sind der festen Überzeugung, daß Sie beste Erfahrungen damit machen würden.
Wir halten es also für falsch, den Titel um 845 000 DM herabzusetzen. Wir könnten mit dem verbleibenden Geld niemals den Effekt erzielen, den wir erzielen wollen. Wir haben auch sowohl gegenüber den Referenten wie gegenüber den Ministern das Vertrauen, daß die Gelder für die Zwecke verwandt werden, für die sie angesetzt sind, und daß, damit kein Mißbrauch getrieben wird. Was mit diesem Geld getan wird, ist ein erheblicher Beitrag dazu, die Gefahr des Kommunismus zu bannen. Ich bitte Sie, Ihre Auffassung noch einmal zu überprüfen. Ich bitte Sie, einzusehen, daß Sie mit dem, was Sie beantragen, das, war erreicht werden soll, unmöglich machen. Ich bitte das Hohe Haus, den Antrag der SPD abzulehnen- - Bitte, Herr Kollege!
Herr Kollege Lenze, meinen Sie wirklich, daß die Bannung der Gefahr des Kommunismus eine Aufgabe des Verteidigungsministe6122
riums ist? Glauben Sie nicht, daß das eine Aufgabe des gesamten deutschen Volkes ist?
Herr Kollege Berkhan, ich bin mit Ihnen der Auffassung, daß das eine Aufgabe des ganzen deutschen Volkes ist. Ich bin aber sicher, daß das deutsche Volk auch von dieser Seite aus in sinnvoller und wirkungsvoller Weise angesprochen werden muß. Wir sind der Auffassung, daß es durchaus nicht leicht ist, im ganzen deutschen Volk den Willen zu erzeugen, geschlossen und einheitlich die Gefahr des Ostens abzuwehren. Sie werden mir zugeben, daß da und dort im deutschen Volk Infiltration, Sabotage getrieben wird, daß man versucht, zu zermürben und zu zersetzen. Es ist eine sehr ernste Gefahr, der wir da gegenüberstehen, Herr Kollege Berkhan, und man sollte alles nur Mögliche zu ihrer Überwindung tun. Man sollte dabei kein Mißtrauen haben. Hier sollte das Parlament vertrauensvoll zusammenstehen. Vertrauen sollten Sie auch zu einem der höchsten Exponenten des Bundestages, unserem Kollegen Strauß gegenüber, haben. Er wird die Mittel richtig einsetzen, Herr Kollege Berkhan, es ist doch immer wieder dasselbe: daß sich ein Mißtrauen einschleicht. Sie müssen dieses Mißtrauen überwinden. Sie müssen das Vertrauen haben, daß Herr Strauß mit seinen Leuten das tut, was auch Sie wollen. Ich bin der festen Überzeugung, daß auch Sie dazu beitragen wollen, daß die Gefahr der kommunistischen Infiltration überwunden wird. Aber, Herr Kollege Berkhan, das kann nur auf der Basis des Vertrauens geschehen. Ich bin der Auffassung, daß Ihr Antrag ein Ausdruck des Mißtrauens ist. Ich bitte deshalb das Hohe Haus noch einmal, diesen Antrag der SPD abzulehnen.
Meine Damen und Herren, ich muß die Debatte unterbrechen. Der Herr Bundesaußenminister hat nach § 47 der Geschäftsordnung um das Wort, zur Abgabe einer Erklärung gebeten. Ich darf das Hohe Haus bitten, die Erklärung entgegenzunehmen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin dankbar, daß Sie mir die Gelegenheit geben, eine kurze Erklärung vorzutragen, die ich gern hier vor dem Bundestag abgeben wollte. Es geht um unsere Beziehungen zur Republik Guinea.
Die Beziehungen zur Republik Guinea, deren Präsident, Herr Sekou Touré, im November unser Gast war, haben während der letzten Wochen die Öffentlichkeit in hohem Maße beschäftigt. Es fing mit einer Protesterklärung der guineischen Einheitspartei gegen die Explosion der Saharabombe an, in der u. a. von einer deutschen Beteiligung die Rede war. Diese Erklärung wurde auch den Vereinten Nationen zugeleitet. Auf Grund eines sofortigen Protestes unseres Botschafters in Conakry hat Präsident Sekou Touré jedoch alsbald eine Berichtigung sowohl gegenüber der Öffentlichkeit wie gegenüber den Vereinten Nationen vorgenommen und diese Angelegenheit damit aus der Welt geschafft.
Dann folgten am 5. März die Presse- und Rundfunkmeldungen, wonach diplomatische Beziehungen zwischen Guinea und der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands durch Überreichung eines Beglaubigungsschreibens in Pankow durch Botschatfer Seydou Conté aufgenommen worden sein sollten. Als sich unser Botschafter in Conakry, den ich sogleich zur mündlichen Berichterstattung nach Bonn gebeten hatte, bei Präsident Sekou Touré verabschiedete, zeigte sich dieser von den Meldungen völlig überascht. Er gab zu, daß Pankow zwar auf eine Umgestaltung der Beziehungen mit Conakry, wo es bisher nur eine Handelsvertretung unterhält, dränge. Er versicherte jedoch, daß diplomatische Beziehungen nicht aufgenommen seien. Ein gleiches tat er in einem Brief an den Herrn Bundeskanzler vom 14. März. Wir hatten über diese Angelegenheit auch mehrfach Aussprachen mit dem hier akkreditierten Botschafter Guineas, Herrn Nabi Youla. Gleichwohl konten wir angesichts der widersprechenden Pressemeldungen keine volle Klarheit gewinnen.
Das Bundeskabinett hat mich am 9. März ermächtigt, für den Fall, daß tatsächlich diplomatische Beziehungen zwischen Guinea und Pankow aufgenommen sein sollten, unseren Botschafter aus Conakry abzuberufen. Inzwischen bemühte sich auch Präsident Sekou Touré um eine Klärung. Wie sein Brief an ,den Bundeskanzler und verschiedene Presseinterviews erkennen ließen, versuchte auch er, einen Bruch zu vermeiden. Wir hörten, daß er seine Botschafter Nabi Youla und Seydou Conté zur Berichterstattung nach Conakry beordert hab.
Allein wegen der Schwierigkeiten in der Nachrichtenübermittlung drohte sich der Gedankenaustausch zwischen Bonn und Conakry in die Länge zu ziehen. Andererseits hatte die deutsche Öffentlichkeit Anspruch auf schnelle Aufklärung. Ich entschloß mich daher, da unser Botschafter in Guinea aus begreiflichen Gründen in Bonn bleiben mußte, Ministerialdirektor von Etzdorf zusammen mit einem Herrn unserer Rechtsabteilung nach Guinea zu senden, um durch eine Aussprache mit dem Präsidenten zu einem Ergebnis zu kommen.
Präsident Sekou Touré war sogleich bereit, die Herren zu empfangen. Da er sich zu diesem Zeitpunkt mit seiner Regierung auf einer Wirtschaftskonferenz in Kankan, 700 km von seiner Hauptstadt entfernt, befand, konnte das Gespräch erst am 3. April stattfinden. Es wurde, wie mir Herr von Etzdorf berichtete, in freundschaftlicher Atmosphäre und voller Offenheit geführt. Präsident Sekou Touré erläuterte im einzelnen den Sachverhalt. Er versicherte, daß, wie er sich ausdrückte, „diplomatische Beziehungen zu den Behörden Ostdeutschlands" von Guinea nicht aufgenommen worden seien; anders-lautende Behauptungen gewisser Presseorgane seien falsch. Präsident Touré erklärte sich bereit, dies in einer amtlichen Erklärung der Öffentlichkeit bekanntzugeben. Diese Erklärung, die gestern abend veröffentlicht wurde und zu deren Bekanntgabe ich ermächtigt bin, lautet:
Seine Exzellenz Sekou Touré, Präsident der Republik Guinea, hat am 3. April 1960 den MiniBundesaußenminister Dr. von Brentano
sterialdirektor im Auswärtigen Amt der Bundesrepublik Dr. Hasso von Etzdorf in Kankan zu einer Aussprache empfangen. Bei dieser Gelegenheit hat der Präsident bestätigt, daß im Gegensatz zu Behauptungen, die von gewissen Presseorganen verbreitet worden sind, diplomatische Beziehungen zwischen der Republik von Guinea und den Behörden Ostdeutschlands nicht bestehen.
Damit hat die Angelegenheit in einem uns befriedigenden Sinne ihre Erledigung gefunden. Die Bundesregierung legt größten Wert auf freundschaftliche Beziehungen zu den jungen afrikanischen Staaten. Wir haben uns darum auch in der Behandlung dieser Angelegenheit große Geduld auferlegt, obgleich es zunächst den Anschein hatte, als ob in der Tat diplomatische Beziehungen zwischen Guinea und Pankow aufgenommen seien. Dadurch, daß wir die Initiative ergriffen haben, glauben wir allerdings, nicht unwesentlich dazu beigetragen zu haben, daß sich das Mißverständnis zwischen uns und Guinea aufklärte. Damit ist zugleich, wie ich glaube, ein Beitrag zur allgemeinen Entspannung geleistet worden. Es hat sich als richtig erwiesen, daß wir nicht übereilt gehandelt haben.
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Meine Damen und Herren! Sie haben die Erklärung des Herrn Bundesministers des Auswärtigen gehört. Wir können jetzt in der Debatte über den Einzelplan 14 fortfahren. Als nächster Redner zum Umdruck 513 hat Herr Abgeordneter Schultz das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir von den Freien Demokraten haben auf Grund der Kenntnis der Verhandlungen im Verteidigungsausschuß durchaus Verständnis für den Antrag, der in Ziffer 1 gestellt worden ist. Wir glauben aber doch, daß die Mittel nicht gekürzt werden sollten, weil sie eben tatsächlich für den Zweck benötigt werden.
Auf der anderen Seite, Herr Kollege Lenze, muß ich doch jetzt einmal deutlich aussprechen, daß die Verhandlungen im Ausschuß sehr kurz und verhältnismäßig oberflächlich waren und daß alte Ressentiments wieder hervorgekommen sind, die wir hofften, schon einmal überwunden zu haben. Sie müßten jetzt endlich zur Kenntnis nehmen, daß Verteidigung nicht Sache einer Partei ist, sondern daß das Vertrauen zur Verteidigung das ganze Volk umfaßt,
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und Sie müßten sich endlich bemühen, sich mit der anderen Partei, mit der Sie meistens hickhack machen, für diese Dinge zusammenzusetzen.
Ich hatte damals im Ausschuß den Vorschlag gemacht, daß sich eine Unterkommission eingehend mit diesen Fragen beschäftigen solle. Leider wurde dieser Vorschlag von Ihnen abgelehnt. Ich wiederhole: Uns liegt daran, daß man diese Fragen endlich einmal vom Ei an studiert und darüber zu einer Einigung kommt.
Das Wort hat noch einmal Herr Abgeordneter Berkhan.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Lenze, Sie haben uns hier aufgerufen, Vertrauen zu dem Minister für Verteidigung zu haben. Die deutsche Sozialdemokratie hat immer dann Vertrauen, wenn die notwendige demokratische Kontrolle vorhanden ist. Wir meinen, daß eine ausreichende demokratische Kontrolle über diese Mittel nicht vorhanden ist. Bei der Bundeszentrale für Heimatdienst gibt es ein Kuratorium, welches durch alle Parteien besetzt worden ist. Da haben wir also die Gewißheit, daß alle diese Mittel im Sinne der Demokratie, im Sinne aller Mitglieder dieses Hauses, im Sinne der Regierungsmehrheit und im Sinne der Opposition ver- wendet werden. Schaffen Sie so ein Kuratorium für die Verwendung dieses Titels! Beteiligen Sie die Oppositionsparteien mit an der Kontrolle über die Verwendung dieser Mittel! Dann können wir in diesem Hause erneut miteinander darüber reden.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Kliesing.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ausführungen des Kollegen Schultz veranlassen mich, ihn in einem Punkte etwas zu korrigieren. Herr Kollege Schultz, Sie haben davon gesprochen, daß wir Ihren Vermittlungsantrag im Ausschuß abgelehnt hätten. Sie haben dabei aber verschwiegen, daß wir ihn nicht etwa aus grundsätzlichen Erwägungen, sondern deshalb abgelehnt haben, weil Sie mit diesem Antrag die Auflage verbunden hatten, daß so lange, bis diese Dinge in einem von Ihnen gewünschten Unterausschuß geklärt seien, die ganze Sache gesperrt bleiben und auf Eis gelegt werden sollte. Es war vorauszusehen, daß eine Verhandlung im Unterausschuß zu sehr grundsätzlichen Untersuchungen führen und deshalb eine längere Zeit beanspruchen würde. Wir hielten jedoch die Dinge, um die es hier geht, für so wichtig, daß wir es uns nicht glaubten erlauben zu können, sie entsprechend Ihrem Wunsch längere Zeit auf Eis zu legen. Nur aus diesem Grunde haben wir Ihren Antrag abgelehnt.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich noch ganz kurz dem Kollegen Berkhan ein Wort sagen. Herr Kollege Berkhan, es scheint mein persönliches Schicksal zu sein, daß ich Ihnen bei jeder passenden Gelegenheit Glückwünsche ausspreche und anschließend Ihre Worte kritisiere. So möchte ich Ihnen also hier zunächst meine herzlichen Glückwünsche zu Ihrem heutigen Geburtstag aussprechen und im Anschluß daran sagen, daß wir Ihren Antrag schärfstens bekämpfen und ablehnen.
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Gerade im Augenblick sehen wir uns doch einem psychologischen Angriff seitens des Ostens in einem ungeahnten Ausmaß gegenüber, der unter dem Einsatz erheblicher Mittel geführt wird. Gewiß,
Dr. Kliesing ({1})
es ist nicht die Aufgabe allein des Verteidigungsministeriums, psychologische Verteidigung zu betreiben. Aber das Verteidigungsministerium hat doch im Rahmen der psychologischen Verteidigung seine sehr wichtigen Spezialaufgaben.
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- Moment! Und nun sehen Sie sich einmal an, was der Osten für psychologische Verteidigung einsetzt, und vergleichen Sie damit das, was wir hier im Rahmen eines 10-Milliarden-Etats für Verteidigung für die psychologische Verteidigung eingesetzt haben, nämlich mit dem Betrag von 1 120 000 DM.
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Ich möchte sagen, diesen Betrag kann man angesichts der Gefährlichkeit der sowjetischen psychologischen Offensive einfach nur als erbärmlich gering bezeichnen.
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Und nun fordern Sie uns noch auf, diesen geringen Betrag um rund 75% zu kürzen!
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Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte!
Herr Dr. Kliesing, ist Ihnen entgangen, daß der Betrag, den wir zu kürzen beantragen, zur Erhöhung bei der Bundeszentrale für Heimatdienst eingesetzt werden soll, und zwar zu dem gleichen Zweck?
Keineswegs! Aber Sie kürzen den Betrag für die wichtigen Spezialaufgaben des Verteidigungsministeriums um 75 %. Was haben wir davon, daß er an anderer Stelle eingesetzt wird, wenn er hier, wo er dringend notwendig ist, später fehlt! Dieser Betrag ist nach unserer Auffassung hier notwendig. Wir sind auch der Auffassung - darüber ist noch nicht gesprochen worden -, daß die wichtigen Erfahrungen, die das Verteidigungsministerium auf seinem speziellen Aufgabengebiet sammelt, nicht nur den Angehörigen der Bundeswehr, sondern möglichst weiten Kreisen unseres Volkes nutzbringend zugänglich gemacht werden sollten. Deswegen lehnen wir Ihren Antrag ab.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Erler.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gerade die Ausführungen des Kollegen Kliesing veranlassen mich, den Punkt, in dem die Meinungen auseinandergehen, noch einmal ganz klar herauszustellen.
Selbstverständlich ist es Aufgabe des Verteidigungsministeriums, sich in der Auseinandersetzung mit der kommunistischen Ideologie und in der Abwehr der von der Sowjetzone her gegen die Bundeswehr eingesetzten Infiltrationsbemühungen all den Gebieten zuzuwenden, bei denen es um den Schutz
der Truppe vor derartigen geistigen Beeinflussungen geht, bei denen es darauf ankommt, die Bundeswehr selbst innerlich intakt zu halten, den einzelnen Soldaten in seinem staatsbürgerlichen, freiheitlichen Selbstbewußtsein zu stärken und auf diese Weise dafür zu sorgen, daß er für die kommunistische Propaganda nicht anfällig wird. Das ist unbestritten.
Es ist nicht Sache des Verteidigungsministeriums, die Amme der Nation zu sein, sondern die Fragen, wie wir in der übrigen Bevölkerung die Auseinandersetzung mit dem Kommunismus führen, gehören in diejenigen Bundesressorts, die ,es allgemein mit der Bevölkerung zu tun haben. Sonst müßten sie zu der Konsequenz kommen, daß eine Reihe von Aufgaben, die in der Bevölkerung draußen gelöst werden müssen, nur deshalb, weil ein Teil davon sich auf die Bundeswehr bezieht, künftig allgemein für alle Teile der Bevölkerung vom Bundesverteidigungsministerium zu steuern und anzugreifen sind. Das ist nicht die richtige Konzeption.
Hier hat die Bundeszentrale für Heimatdienst ihre Aufgabe. Dazu ist sie geschaffen worden. Dort wollen wir alle zusammenwirken, um das notwendige positive staatsbürgerliche, freiheitliche Bewußtsein in unserem Volke zu stärken und auf diese Weise der kommunistischen Agitationsarbeit entgegenzuwirken. Das ist aber in der Bevölkerung draußen nicht Sache des Apparates, der für die militärische Sicherheit unserer Grenzen und nicht für politische Zwecke geschaffen worden ist.
Herr Abgeordneter Erler, gestatten Sie noch eine Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Kliesing?
Bitte!
Herr Kollege Erler, ist Ihnen bekannt, daß die Versuche des Ostens, die Bundeswehr zu diffamieren und zu zersetzen, sich nicht auf die Angehörigen der Bundeswehr beschränken, sondern auch auf die Zivilbevölkerung ausgedehnt werden? Sind Sie daher nicht auch der Auffassung, daß es gut wäre, wenn auch die vom Osten angegangenen Kreise der Zivilbevölkerung seitens des Bundesverteidigungsministeriums auf diese Gefahren aufmerksam gemacht würden? Sind Sie nicht auch der Auffassung, daß gewisse Vorgänge in der Jugendorganisation einer Industriegewerkschaft und die daraus resultierenden großen Sorgen der verantwortlichen Herren des Deutschen Gewerkschaftsbundes geradezu Bände sprechen?
Gerade das sind Probleme, die Sie nicht dadurch meistern können, daß Sie die bewaffnete Macht auch nur in Gestalt der psychologischen Verteidigung auf den Plan rufen. Gerade das sind Probleme, die geradezu beweisen, daß es sich um eine Gemeinschaftsaufgabe der politischen Kräfte und derjenigen Ressorts in der Bundesregierung handelt, die es allgemein mit den Staatsbürgern und nicht nur mit den Soldaten zu tun haben.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Dröscher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der SPD schlägt Ihnen in Ziffer 2 des Umdrucks 513 vor, dem Kap. 14 03 Tit. 306 - Ersatzleistungen für Übungsschäden -, wo 1 185 000 DM bereitgestellt sind, einen neuen Tit. 306 a hinzuzufügen. Mit diesem neuen Titel sollen 2 Millionen DM für zinslose Darlehen an Gemeinden und Kreise, also öffentliche Baulastträger von Straßen, bereitgestellt werden, und zwar für die Wiederherstellung von Straßen, die durch militärische Übungen beschädigt wurden.
Zur Begründung dieses Antrags möchte ich auf die Verhältnisse der Gemeinden und Gemeindeverbände am Rande der Truppenübungsplätze und in den Übungsgebieten hinweisen, Verhältnisse, die den betroffenen Kommunalverwaltungen schon viele Schwierigkeiten wegen der Panzerschäden gebracht haben. Gerade diese Gebiete sind leider wirtschaftlich besonders schwach und finanziell notleidend. Die am Rande der Übungsplätze liegenden Gemeinden haben kaum eigene Gewerbesteuereinnahmen und müssen mit ganz geringen eigenen Steuereinnahmen zurechtkommen.
Ich will Ihnen nur ein Beispiel für viele bringen. Da rasselt an einem frühen Herbstmorgen im Jahre 1955 eine Panzerkolonne durch das kleine Dorf Otzweiler am Rande des Übungsplatzes Baumholder. Am Nachmittag hatten diese 20 bis 30 Panzer für 62 000 DM Straßenschäden angerichtet. Das Dorf hat 300 Einwohner und eine Steuerkraft von etwa 10 000 DM im Jahr. Die Entschädigung für diese 62 000 DM Schäden betrug aber nur etwa 40 000 DM. Warum?
Der Grund dafür ist sehr einfach: Die Feststellungsbehörden, das Amt für Verteidigungslasten und die Bundesbaudirektionen können nach den gesetzlichen Bestimmungen tatsächlich nur den Zustandswert der Straße entschädigen und nicht den Neubauwert. In solchen Fällen entsteht also eine Differenz zwischen der Entschädigung und den Baukosten für die Wiederherstellung der Straßen. Diese zusätzliche Belastung ist für Gemeinden, die über die notwendigen finanziellen Mittel verfügen, durchaus erträglich. Aber für Kleingemeinden - und um solche handelt es sich ja im Randgebiet der Truppenübungsplätze ausschließlich - bedeutet eine Belastung durch den Differenzbetrag eine über Nacht auf die Einwohner zugekommene zusätzliche Verschuldung von 80 bis 100 DM pro Kopf der Bevölkerung für etwas, was sozusagen zwischen Aufstehen und Frühstück passiert ist. Hier gibt es keine Möglichkeit zur Wiedergutmachung.
Dabei ist zu berücksichtigen, daß die alten Straßen dem Gemeindeverkehrsbedarf noch jahrelang gerecht geworden wären. Ein Bedarf für einen Neubau der Straßen wäre gar nicht aufgetreten. Die Hauptfeldwege - und um diese Dinge geht es dabei ja auch - werden gerade für Panzerübungen in Anspruch genommen.
Meistens ist es auch so, daß die Gemeinden die Verschuldungsgrenze längst erreicht haben. Sie haben in den letzten Jahren Wasserleitungen, teilweise Kanalisationsanlagen und Schulbauten errichten müssen. Die Steuerkraft pro Einwohner und Jahr beträgt knapp 20 bis 30 DM. Woher sollen sie die Möglichkeit nehmen, diese zusätzlichen Schulden aufzunehmen? Wie soll es überhaupt möglich gemacht werden, daß sie die Unterschiedsbeträge bekommen? Man kann in solchen Fällen die Straße nicht nur 60 %ig wiederherstellen, also in Höhe des Entschädigungsbetrags, sondern es muß eine neue Straße gebaut werden, für die 100% Kosten anfallen.
Unser Antrag hat nun zum Ziel, diesen besonders leidenden und immer wieder leidenden Gemeinden zu helfen, für sie eine Möglichkeit zu schaffen, in einen Stock hineinzugreifen, aus dem sie zinslose Darlehen in Höhe der Unterschiedsbeträge erhalten. Wir wollen also nicht einmal, daß zusätzlich Zuschüsse geleistet werden, sondern die Gemeinden sollen nur die Möglichkeit haben, zinslose Darlehen für diese Unterschiedsbeträge zu bekommen.
Im einzelnen handelt es sich um erhebliche Be- träge für die kleinen Gemeinden. Das Dorf, das ich vorhin nannte, hat in den Jahren 1956 bis 1959 für 107 000 DM Straßenschäden gehabt und hat dafür nur 82 000 DM an Entschädigungen bekommen.
Es wird jedes Jahr erneut beansprucht werden. Warum? Unsere Übungsplätze sind zwangsläufig in dieser kleinen Bundesrepublik zu klein. Sie müssen auch für Panzerformationen in Anspruch genommen werden, die von außen her in den Raum einmarschieren. Wir haben hier deshalb ein Problem, das nicht nur für den Raum Baumholder gilt, sondern für alle Übungsplätze im ganzen Bundesgebiet.
Das Beispiel, das ich Ihnen gebracht habe, steht für viele. Wir fordern nichts Unbilliges. Den kleinen und finanzschwachen Gemeinden soll einfach nicht zugemutet werden, zu ihrer Belastung durch die Verteidigungsaufgaben der Gesamtheit noch zusätzliche Zinslasten zu übernehmen. Wir bitten Sie daher, unserem Antrag zuzustimmen.
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Das Wort zur Begründung des Antrags Umdruck 513 Ziffer 3 hat der Abgeordnete Dr. Schäfer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Personalanforderungen des Bundesverteidigungsministeriums, die in Einzelplan 14 dieses Jahr auf uns zukommen, erfüllen uns mit echter Sorge. Nicht nur in der Verwaltung werden mehr als 50 000 Stellen - global - mehr gefordert, sondern schon im Ministerium fängt es an. Das Ministerium will 452 Bedienstete mehr haben und soll dann im ganzen 4201 Bedienstete umfassen.
Herr Minister, ich habe den Eindruck, daß Sie es darauf angelegt haben, den Nachweis zu erbringen, daß das Parkinsonsche Gesetz in Ihrem Haus angewendet wird. Die Zellteilung, die in Ihrem Haus stattfindet, ist wirklich beängstigend. Wenn man die Einteilung betrachtet, dann sieht man, daß in allen großen Abteilungen dieselben Aufgaben, natürlich
jedesmal unter einem anderen Gesichtspunkt, behandelt werden. Im Führungsstab der Bundeswehr erscheint dasselbe, was in den einzelnen Führungsstäben erscheint, und auf dem zivilen Sektor erscheint das gleiche noch einmal. Das erweckt den Eindruck, daß man sich untereinander beschäftigt, Herr Minister, daß man gar keine gemeinsame Arbeit leistet. Es ist so, wie Parkinson es nachgewiesen hat: Dieses Ministerium ist in sich lebensfähig, ohne das unbedingt intensive Arbeit geleistet werden muß. Ein Ministerium mit mehr als 4000 Bediensteten ist nicht mehr überschaubar. Das bestreitet niemand; das weiß jeder.
Aber, Herr Minister, nicht nur für Ihr Ministerium gilt das. Das Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung soll beinahe verdoppelt werden. Es soll ein Amt mit 71/2 Tausend Bediensteten werden. 7556 Bedienstete sollen dort insgesamt fällig sein; eine Mammutbehörde. Man fragt sich, ob nicht mit deutscher Gründlichkeit all das, was früher schon einmal gemacht wurde, was im Bundesamt für Materialprüfung und was bei den Alliierten gemacht wird, hier noch einmal gemacht wird, ob nicht die Abteilung Technik im Ministerium mit außerordentlicher Gründlichkeit jeden Stoff noch einmal nachprüfen läßt und jede Waffe noch einmal erproben läßt und dann noch einmal erproben läßt und es besser machen will, als es die Engländer, die Amerikaner und die Franzosen tun und als die NATO-Empfehlungen es vorsehen. Das ist eine Gründlichkeit, die sich offen- sichtlich - man sieht es an den einzelnen Fehlleistungen, die doch vorliegen - nicht lohnt. Man müßte erwarten, daß wenn wir schon in der NATO sind, die Materialprüfungsergebnisse ausgetauscht werden, daß die Waffenprüfungsergebnisse ausgetauscht werden und daß man nicht bei uns noch einmal einen Riesenapparat mit 71/2 Tausend Leuten aufstellt.
Dabei ist unbestritten, daß es im Zeichen der Hochkonjunktur außerordentlich schwerfällt, die entsprechenden Fachkräfte, die entsprechenden Fachingenieure zu bekommen. Mit schlechten Diplomingenieuren ist hier nichts zu machen.
Der größte Brocken: Die Zahl der zivilen Bediensteten bei den Kommandobehörden und bei der Verwaltung soll um 51 200 Bedienstete auf 133 000 vermehrt werden.
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- Ja, Sie haben recht. - Das ist so viel, daß man es praktisch gar nicht mehr nachprüfen kann. Der Bundesrechnungshof, das Finanzministerium und das Verteidigungsministerium haben sich zehn Wochen lang Mühe gegeben, die Dinge im einzelnen zu prüfen. Auch die Berichterstatter haben sich Mühe gegeben, das System zu begreifen, nach dem es geht. Aber von Nachprüfen kann man ja überhaupt gar nicht mehr reden. Wir können bei diesem Aufbau nur fragen: Was will die Bundeswehr mit so vielen zivilen Bediensteten? Sicher, wir wissen - und wir haben das auch von unserer Seite aus immer angestrebt -, daß jede Stelle, die von einem
Zivilbediensteten ausgefüllt werden kann, von einem solchen auch eingenommen werden soll und daß die Soldaten ihren eigenen Aufgaben zugeführt und vorbehalten bleiben sollen.
Aber hier wird doch etwas in Bewegung gesetzt, was nachher niemand mehr überschaut, was nachher niemand mehr in der Hand hat. Hier wird doch eine Verwaltung ausgedehnt, hier wird doch - nach einem Plan, den man jetzt sicherlich gewissenhaft aufgestellt hat - eine Personalausstattung in Angriff genommen, die nachher über die Aufgaben selber hinauswächst. Diese Bundeswehr ist doch noch nicht so weit, daß sie eine endgültige Form gefunden hat. Diese Bundeswehr ist doch noch nicht so weit, daß man die Verwaltung endgültig formen kann. Das wird niemand bestreiten. Ich glaube sicher, daß in einem Jahr oder in anderthalb Jahren wieder Umorganisationen nötig sind.
Nehmen wir nur einmal als Beispiel das Wehrersatzwesen.Es ist jetzt vom Bundesrechnungshof überprüft worden, und man ist zu der Feststellung gekommen, daß die bis jetzt bestehende Organisation offensichtlich nicht die richtige ist, daß nicht nur das Bundeswehrersatzamt wegfallen sollte, daß man es einsparen kann, sondern daß auf Grund der bis jetzt gesammelten Erfahrungen wesentliche Einsparungen gemacht werden könnten. Das Ministerium, die Regierung aber fordern 933 Stellen mehr an, obwohl dieses Gutachten vorliegt und obwohl man noch gar nicht den Versuch gemacht hat, die Empfehlungen des Gutachtens in der Praxis, in der Umorganisation anzuwenden. - Sehen Sie, so wird es auch bei der allgemeinen Bundeswehrverwaltung gehen. In einem Jahr oder in zwei Jahren wird ein Gutachten kommen, in dem stehen wird, daß der Aufbau sich nicht bewährt hat, daß der Aufbau zu schnell gegangen ist, daß er unter ganz anderen Voraussetzungen erfolgt ist.
Deshalb sind wir der Auffassung: So global, Herr Kollege Stoltenberg - ich weiß, Ihnen fällt es auch schwer -, kann man es nicht machen.
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- Der Aufbau der Verwaltung wird, wenn die Stellen da sind, wahrscheinlich schneller gehen, als Ihnen lieb ist. Mindestens die interessanten Stellen werden blockiert sein, und die Umorganisation, die dann notwendig ist, ist sehr schwer durchzuführen. Die Vorgänge haben wir doch.
Deshalb sind wir der Auffassung, daß der Aufbau der Bundeswehr nicht gehindert wird, wenn Sie unserem Antrage zustimmen. Der Antrag Umdruck 513 geht dahin, von den neuangeforderten Beamtenstellen die Hälfte qualifiziert zu sperren, so daß sie nur mit vorheriger Zustimmung des Haushaltsausschusses besetzt werden dürfen.
Nun muß man sich die Dinge einmal im einzelnen ansehen. 7133 Beamtenstellen sind da. Nur 5600 sind besetzt. Trotzdem verlangt man 2000 mehr, ins- I gesamt als 9141. Diese Stellen können Sie gar nicht besetzen, ohne sich selbst zu übernehmen. Das kann gar nicht organisch wachsen. Daß Sie das selber
nicht glauben, daß auch die Regierung das nicht glaubt, sieht man daran, daß der Geldansatz so niedrig gehalten ist, daß Sie die Besetzung praktisch gar nicht durchführen könnten, selbst wenn Sie es wollten. Also ist es ja in sich selbst ein Widerspruch; es zeigt, daß es eigentlich nur darum geht, sich eine große globale Vollmacht geben zu lassen, obwohl man selber Zweifel hat, ob man die Dinge auf diese Weise durchführen kann.
Wir haben keinen Antrag vorbereitet für die Angestellten- und für die Arbeiterstellen, weil dort ja im Wege der Kündigung den entsprechenden Änderungen Rechnung getragen werden kann. Wir meinen aber, daß Sie auch von Ihrem Standpunkt aus, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, unserem Antrag zustimmen müßten, weil er die Sicherheit gibt, daß nicht eine Verwaltung auf die Beine gestellt wird, die im Endergebnis sich als falsch erweisen kann.
Ich darf noch eine Bemerkung zum Bauwesen machen. In Kap. 1412 sind Reste in Höhe von 2,6 Milliarden DM enthalten.
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- Ich hatte den Herrn Präsidenten gebeten, noch einige Dinge anfügen zu dürfen.
Den 2,6 Milliarden DM steht nur ein Bauvolumen von 1,1 Milliarden DM gegenüber. Ich bin erfreut darüber, daß es uns im Haushaltsausschuß wenigstens einigermaßen gelungen ist, für die Zukunft Vorsorge zu treffen, daß das Bauvolumen und die Bauten in ein geordnetes Fahrwasser kommen. Ich habe die dringende Bitte an das Finanzministerium, man möge sich daran auch gewissenhaft halten. Es dürfen keine Mittel freigegeben werden, wenn nicht die Voraussetzungen des § 14 der Reichshaushaltsordnung vorliegen, das heißt, wenn nicht die Planungen im ganzen dem Ministerium einwandfrei vorgelegt werden.
Bei den Beratungen des Haushaltsplans hat sich eine überraschende Tatsache ergeben. Das Ministerium legt seine Pläne für Beschaffungsprogramme dem Verteidigungsausschuß und dem Haushaltsausschuß vor. Die Programme werden dann bewilligt. Es besteht aber doch wohl kein Zweifel, daß sie nach der Reichshaushaltsordnung nur insoweit durchgeführt werden können, als es die Haushaltsmittel des betreffenden Jahres zulassen.
Nun besteht aber eine sehr sonderbare Verwirrung der Vorstellungen. Es wird der Standpunkt vertreten, es sei Angelegenheit des Verteidigungsministeriums, innerhalb seines 10-Milliarden-Plafond das Geld nach der einen oder anderen Seite zu verschieben. Herr Minister, das ist nicht Angelegenheit des Verteidigungsministeriums, sondern dieses Parlaments. Wenn wir beschlossen haben, für ein bestimmtes Beschaffungsprogramm 400 Millionen DM auszugeben, dann dürfen sie nicht 700 Millionen DM mehr ausgeben. Zur Begründung wird angeführt, Sie könnten innerhalb des Haushalts manipulieren und Vorgriffe auf das nächste Jahr vornehmen. Beide Argumente sind angreifbar.
Hier hat eine Vorstellung des Plafonddenkens Platz gegriffen, die zu wirklich ernster Sorge Anlaß gibt. Das Ministerium handelt nach diesem Plafonddenken. Im Januar hat der Herr Finanzminister verlauten lassen, der Bundesverteidigungsminister werde seinen Haushalt ausschöpfen. Es ist gar nicht die Frage, ob er den Haushalt ausschöpft, sondern es ist die Frage, ob er das Geld braucht und nach den Bestimmungen der Haushaltsordnung jetzt in Anspruch nehmen darf. Man hat es außerordentlich geschickt verstanden, das Geld aus diesem Haushalt in Anspruch zu nehmen und auf nächste Haushalte vorauszuschieben; formal war das in Ordnung.
Ich bin der FDP dankbar, daß sie die Kleine Anfrage gestellt hat, die vom Bundesminister für Verteidigung auf Drucksache 1772 beantwortet wurde. Aus der Antwort geht hervor, daß man 4 Milliarden DM vor sich herschiebt und daß man praktisch 4 Milliarden DM aus alten Haushalten in die folgenden Haushalte übertragen hat. Am 31. Dezember dieses Jahres, also am Ende des Haushaltsjahres, werden noch 1,76 Milliarden DM Vorauszahlungen für Waren laufen, die erst in künftiger Zeit angeliefert werden. Wir haben das auch im März letzten Jahres erlebt. Herr Finanzminister, es geht nicht, daß Sie diese Dinge durchlassen. Es ist meines Erachtens nicht nur eine Angelegenheit des Ressortministers, sondern eine echte Aufgabe für den Finanzminister, hemmend einzugreifen. Ich kenne die Überlegungen, die hier eine Rolle spielen. Man will den Plafond ausnützen, man will das Geld für zukünftige Haushalte voraus tragen und man will damit zukünftige Haushalte in gewissem Sinne schon wieder entlasten. Das ist eine andere Art des Denkens, als wir es vor einigen Jahren beim Juliusturm erlebt haben. Das ist zwar nicht angreifbar, aber vom Haushalt her falsch und nicht zulässig. Vorauszahlungen bis zu 100 % zu leisten ist nicht zulässig, auch dann nicht, wenn man 3% nachher auf die Vorauszahlungen angerechnet bekommt.
Besondere Beachtung verdienen die Vorauszahlungen im Inland. Sie machen immerhin eine halbe Milliarde D-Mark aus. Herr Bundesfinanzminister, wenn Sie von antizyklischem Verhalten, wenn Sie von der Konjunkturdämpfung sprechen, müssen Sie hier eingreifen. Dann können Sie nicht Vorauszahlungen für Leistungen zulassen, die erst in zwei und drei Jahren erbracht werden; dann dürfen Sie hier die Konjunktur nicht noch anheizen. Was Sie tun, ist nämlich gar nichts anderes als ein Anheizen der Konjunktur. Das ist ein Gebiet, auf dem Sie tatsächlich hemmend eingreifen können und meines Erachtens auch eingreifen müssen.
Noch eine kleine Bemerkung. Seit Jahren beschäftigt das Haus immer wieder der sogenannte Türken-Vertrag über die Munition. Es wäre vielleicht ganz interessant, vom Ressortminister oder vom Finanzminister zu erfahren, was sich denn zur Zeit da wieder tut. Sie wissen doch, meine Damen und Herren, es handelt sich um einen Vertrag, der über 750 Millionen DM abgeschlossen wurde, bei dem 245 Millionen DM vorausbezahlt wurden und bei dem jetzt glücklich für 45 Millionen DM geliefert wurde. Und die Türkei will jetzt schon wieder
80 Millionen DM Vorauszahlungen. Ich halte es für notwendig, daß das Parlament über diese Vorgänge informiert wird.
Und ein Letztes. Herr Bundesverteidigungsminister, ich darf in diesem Augenblick um Ihre Aufmerksamkeit bitten. In der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom 25. März dieses Jahres steht die Notiz - ich habe kein Dementi gefunden; also das war nicht am 1. April, sondern am 25. März; wenn die Notiz am 1. April erschienen wäre, hätte ich das entsprechend bewertet -, daß das Verteidigungsministerium beabsichtige, für jeden Bataillonskommandeur und die entsprechenden höheren Ränge ein Zivilfahrzeug zu beschaffen, damit sie hei Veranstaltungen repräsentativer Art nicht mit den Dienstfahrzeugen mit Wehrmachtsfarbe auftauchen müssen. Ich halte es beinahe nicht für möglich, daß solche Gedanken in Ihrem Ministerium erörtert werden. Ich sage ja: wenn das am 1. April erschienen wäre, hätte ich es richtig gewürdigt. Ich kann mir nur denken, daß es eine „Ente" ist. Aber obwohl ich sehr darauf geachtet habe, fand ich kein Dementi Ihres Hauses. Herr Minister, es wäre sehr bedenklich, wenn Sie einen solchen Weg der Repräsentationsausgaben beschritten.
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Damit kommen wir zur Begründung des Antrags Umdruck 513 Ziffer 5. Herr Abgeordneter Wienand!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die SPD-Fraktion hat Ihnen unter Umdruck 513 Ziffer 5 einen Antrag vorgelegt, dem wir zuzustimmen bitten. Wir beantragen, in die Erläuterung zu Titel 964 den Satz aufzunehmen: „Der Betrag wird nur zur Beschaffung herkömmlicher Waffen verwendet." Dieser Antrag zielt darauf ab, die atomaren Waffen, die in jüngster Zeit - durch Beschluß ist es wenigstens so zum Ausdruck gebracht worden - angeschafft werden sollten, zum Teil auch angeschafft worden sind - man hat uns klarzumachen versucht, daß es hierfür eine militärische .Notwendigkeit gebe, die wir nicht einzusehen vermögen -, nicht anzuschaffen. Wir legen Wert darauf, heute wenigstens ganz kurz, ohne die gesamte Problematik noch einmal aufzurollen, darauf hinzuweisen, warum wir dagegen sind, daß diese Waffen angeschafft werden. Immer wieder ist auf die militärisch-strategische Notwendigkeit hingewiesen worden. Dazu möchten wir sagen, daß gerade vom Militärischen her nicht sehr viel Sinn in der Anschaffung dieser recht teuren Waffen liegt, weil ja zur Zeit auf Grund der amerikanischen Gesetzgebung keine Sprengköpfe mitgeliefert werden können. Hier wird also sehr viel Geld ausgegeben, obwohl recht wenig Nutzeffekt vorhanden ist. Der eine oder andere mag auch geglaubt haben, daß man gerade auf Grund der Debatten in der WEU-Vollversammlung über ein NATO-Atomwaffenpool einen Schritt weiterkommen könnte. Heute ist doch aber schon so viel Zeit ins Land gegangen und es sind so viel Erfahrungen gesammelt worden, daß man nüchtern feststellen muß: es ist auch bei anderen Verbündeten innerhalb der NATO nicht allzu viel Interesse und keine allzu große Neigung vorhanden, wenigstens zur Zeit nicht, diesem Gedanken näherzutreten.
Wir möchten in diesem Zusammenhang auch darauf hinweisen, daß das strategische Wunschdenken des Verteidigungsministeriums in diesen Fragen nicht mit der wirklichen Lage in Einklang gebracht werden kann. Ich habe kürzlich in einer Diskussion mit großem Interesse den Hinweis entgegengenommen, daß man, wenn man solche Waffen in einem gewissen Falle zum Einsatz bringt, um z. B. damit die fünf Weichselbrücken außer Betrieb zu setzen, um die Nachschublinien eines potentiellen Gegners damit abzuschneiden, dann wohl zur gleichen Zeit mit dem Gegenschlag rechnen müsse und daß dann eben Nachschubhäfen, NATO-Häfen wie Hamburg, Bremen, Rotterdam, Le Havre und andere genausogut außer Gefecht gesetzt würden und daß das recht empfindlich, wenn nicht gar lebensbedrohend für uns wäre.
Gehen wir einmal von den militärischen Gesichtspunkten ab und berücksichtigen gerade in der heutigen Zeit die politischen Gesichtspunkte mit. Dann kann man. doch wohl feststellen - ich glaube, das kann nicht bestritten werden -, daß die atomare Bewaffnung der Bundeswehr die atomare Bewaffnung einer Reihe anderer Staaten nach sich zieht, deren Zahl mit einem guten Dutzend als wohl nicht allzu gering angesetzt ist. In Genf sind jetzt bei der Konferenz über die kontrollierte Einstellung von Kernwaffenversuchen gewisse Fortschritte erzielt worden. Es wird dort über die Kontrolle diskutiert. Immer wieder liest man in der Tagespresse und in anderen Unterlagen, die hier und da zur Verfügung gestellt werden, über die Schwierigkeiten der Kontrolle und bekommt zu hören, wie schwierig sich gerade diese Verhandlungen gestalten. Eine atomare Ausrüstung der Bundeswehr mit diesen Waffen würde die Kontrolle unmöglich machen, weil dann andere Staaten nachziehen würden und ebenfalls diese Waffen im Rahmen des Ostblocks, vielleicht auch im Westen, bekommen würden. Sieht man dieses Argument als stichhaltig an, dann muß man doch wie wir der Meinung sein, daß die Bundesregierung mit einem von ihr ausgehenden ausdrücklichen Verzicht gerade im Hinblick auf die auf uns zukommenden Gipfelkonferenzen einen guten Beitrag zur Entspannung leisten würde. Unter den Gesichtspunkten der Schwierigkeiten und des schlechten Klimas unserer Beziehungen speziell zu England gesehen, hätte ein solcher Schritt gewiß ein recht günstiges und positives Echo.
Ich wollte in diesem Zusammenhang noch auf einen nach unserem Dafürhalten recht gravierenden Gedanken aufmerksam machen. Der Wunsch der Bundesregierung nach Atomwaffen hat nicht nur die Russen in jüngster Zeit veranlaßt, eine betont sture Haltung einzunehmen, wenn es darum geht, nunmehr gewisse Positionen zu verteidigen, wenn es darauf ankam, in den Vordergrund zu stellen, warum sie sich gerade in der Frage der Entspannung in Europa, die heute auch in Genf zur Diskussion steht, so hart verhalten müssen. Dieser Wunsch der Bundesregierung hat immerhin einem Herrn Ulbricht das
Recht gegeben - oder richtiger: er hat sich das Recht genommen -, Atomwaffen zu fordern. Das ist immerhin ein Mann, der im Zweifelsfalle auch sehr schnell bereit wäre, solche Waffen einzusetzen, wenn es irgendwie in sein Kalkül paßte und wenn er glaubte, damit irgendeinen Vorteil erzielen zu können. Die Bundesrepublik liefert also einem solchen Mann noch einen Vorwand. Wir sollten uns darüber im klaren sein, daß es nicht gerade zur Entspannung beitragen kann, wenn jetzt immer mehr Staaten hinzukommen. Aus dem Schriftwechsel zwischen Chruschtschow und Eisenhower, der vor einigen Tagen der Öffentlichkeit bekanntgegeben worden ist, haben wir entnommen, daß beide nicht recht zufrieden sind, wenn durch eine Entwicklung auf der einen Seite die andere Seite von ihren Verbündeten unter Druck gesetzt würde, daß auch die Satelliten ich rede jetzt von der östlichen Seite - in den Besitz dieser Waffen kämen. Sie wären gar nicht so glücklich, wenn diese Entwicklung von irgendeiner Stelle eingeleitet würde.
Wir fordern in unserem Antrag nicht, daß die Mittel gestrichen werden, sondern wollen daß die Mittel zur Verstärkung der konventionellen Waffen verwendet werden. Wir sehen das im Hinblick auf die besondere Situation der Bundesrepublik als gerechtfertigt an.
Ich bitte noch einmal um die Zustimmung des Hauses zu unserem Antrag.
({0})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Kliesing.
Dr. Kliesing ({0}) : ({1}) : Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wer diesem Antrag zustimmen will, muß sich über folgendes im klaren sein. Wir haben ein NATO-Bündnis und eine NATO-Planung, innerhalb deren jedem Mitglied besondere Aufgaben zugewiesen sind und jedes einzelne Mitglied auch diese Aufgaben übernommen hat. Zu diesen Aufgaben gehört, was die Bundesrepublik Deutschland anlangt, die Ausstattung einiger Verbände der Bundeswehr mit taktischen Atomwaffen.
Wir wissen, daß diese Aufgabe in der Planung der NATO ihren Rang einnimmt. Wenn wir einen solchen Beschluß faßten, wie ihn die SPD anstrebt, würden wir - darüber müssen wir uns im klaren sein - gegen die Verpflichtungen verstoßen, die wir gegenüber der NATO übernommen haben, und der NATO-Planung Opposition ansagen. Das ist selbstverständlich das Recht eines jeden Politikers. Aber man muß sich dann auch über die volle Tragweite der sich daraus ergebenden Konsequenzen im klaren sein.
Ein Zweites ist dies: Herr Kollege Wienand glaubte, wir können dadurch, daß wir in diesem Augenblick einen Verzicht auf taktische Atomwaffen aussprechen, die Abrüstungsverhandlungen in Genf fördern. Ich bin genau entgegengesetzter Auffassung. Wer sich mit den Abrüstungsverhandlungen in Genf befaßt, muß davon ausgehen, daß der Westen dort einem Gegner gegenübersitzt, der, wie
es sich seit Jahren erwiesen hat, den Satz zum Prinzip seiner Verhandlungen erhoben hat: Was wir bereits haben, darf nicht zum Gegenstand einer Diskussion gemacht werden; über alles andere, was wir noch nicht haben, lassen wir mit uns reden. Mit anderen Worten heißt das: Einseitige Vorleistungen - in diesem Falle würde es sich um eine einseitige Vorleistung handeln - sind bisher niemals von der anderen Seite honoriert worden. Auch wenn wir jetzt diese Vorleistung erbrächten, würden wir damit die Abrüstungsverhandlungen nicht günstig, sondern eher ungünstig beeinflussen.
Nun zu dem Kernproblem des Antrags noch ein paar kurze Bemerkungen. Um nicht mißverstanden zu werden, möchte ich die Auffassung meiner Fraktion noch einmal klar dahin formulieren, daß wir nicht daran interessiert sind, an der Produktion irgendwelcher atomarer Waffen, insbesondere strategischer Atomwaffen, teilzunehmen.
Herr Kollege Wienand, Sie haben hier von einem strategischen Wunschdenken des Verteidigungsministers gesprochen. Wenn es sich überhaupt um ein Wunschdenken handelte, könnte es allenfalls ein taktisches, nicht aber ein strategisches Wunschdenken sein.
Nun ist die Situation die, daß wir in der Bundesrepublik in großer Sorge um den Zustand der sogenannten Schildverbände sind. Uns interessiert also besonders die Frage, ob im Falle eines sowjetischen Angriffs die auf deutschem Boden stehenden konventionell ausgerüsteten Verbände - natürlich verstärkt mit taktischen Atomwaffen - in der Lage sind, einen Durchbruch aufzuhalten. Denn falls es entgegen allen unseren Bestrebungen nicht gelingen sollte, eine Angriffshandlung in jedem Fall zu vermeiden, so ist es für uns doch lebensentscheidend, daß es nicht zu einer Besetzung größerer Teile deutschen Gebietes kommt, und zwar einfach deshalb, weil uns eine Befreiung hinterher nichts mehr helfen würde.
Zu diesem Zweck brauchen wir starke Schildstreitkräfte. Darauf haben wir uns in unserer Verteidigungspolitik zu konzentrieren. Allein aus diesem Grunde würde ich es für einen Unsinn halten, wenn wir unsere Kräfte von diesen Aufgaben fernhielten und statt dessen für die Beschaffung strategischer Atomwaffen verwendeten. Konzentrierung auf starke Schildstreitkräfte muß unser Programm sein.
Nun wissen wir ja, wie es mit diesen Schildstreitkräften aussieht und daß sie uns zur Zeit noch Anlaß zu manchen sorgenvollen Überlegungen geben. Gerade aus diesem Grunde wäre es, glaube ich, sehr verhängnisvoll, wenn wir ausgerechnet in dieser Situation die Schildstreitkräfte zusätzlich noch dadurch ernstlich schwächten, daß wir einen Verzicht auf die Ausstattung mit taktischen Atomwaffen aussprächen. Aus diesem Grunde bitte ich, den Antrag abzulehnen.
({2})
Zu Antrag Umdruck 513 Ziffer 6 hat Herr Abgeordneter Cramer das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit auf den Antrag Umdruck 513 Ziffer 6 lenken, in dem es heißt: „Zu Kap. 14 18 - Indienst- und Instandsetzung von Schiffen -". Wir beantragen darin:
In Tit. 975 - Schiffneubauten - werden im Haushaltsvermerk die Worte „4 Zerstörer" durch die Worte „kleinere Kampfschiffe" ersetzt.
Dieser Antrag nimmt auf eine Bemerkung Bezug, die auch schon in früheren Haushaltsplänen zu finden war und die lautet:
Die Freigabe übertragener Bewilligungen früherer Rechnungsjahre zur Verwendung für zwei Minenschiffe ({0}) und vier Zerstörer ({1}) bedarf der Zustimmung des Haushaltsausschusses und des Ausschusses für Verteidigung des Deutschen Bundestages.
Meine Damen und Herren, zahlreiche Aussprachen im Fachausschuß und auch mit Fachoffizieren, also mit Offizieren der Bundesmarine, haben unsere Auffassung gefestigt und gestärkt, daß die Zerstörer eine Schiffsklasse darstellen, deren Kampfwert mindestens stark umstritten ist. Unbestritten dürfte allerdings sein, daß die einzige Aufgabe eines Zerstörers in bestimmten Gewässern im Ernstfall nur darin bestehen kann, sich selbst so schnell wie möglich in Sicherheit zu bringen. Für diese Gewässer, in denen die Zerstörer auch operieren sollen, sind sie, wie uns von vielen Seiten, auch aus Kreisen der Offiziere, immer wieder bestätigt wird, zu groß, zu wenig wendig und bieten zu große Angriffsflächen, vor allem gegenüber Luftangriffen. Die Zerstörer sind also für bestimmte Gewässer zu groß und zu ungelenk. Sie sind darüber hinaus auch für die ihnen zugedachte Aufgabe, nämlich die Küsten, insbesondere die Ostseeküsten, zu schützen und Durchbrüche feindlicher Schiffseinheiten zu verhindern, zu groß.
Es mag paradox klingen, aber auf der anderen Seite wird auch immer wieder zum Ausdruck gebracht, daß die Zerstörer für die notwendige Bestückung und Ausstattung wiederum zu klein seien. Deshalb hat man ja höheren Orts beantragt, die Zahlen der uns gestatteten Tonnage zu erhöhen. Die Tonnagezahl, die heute bei 3 000 liegt, soll wesentlich erhöht werden.
Sehr interessant ist, auf welchen Betrag sich die Kosten für die Zerstörer belaufen. In der vergangenen Woche konnte man aus Anlaß des Stapellaufs des ersten Zerstörers aus dem 2. Schiffsbauprogramm auf der Stülkenwerft in der Presse lesen, daß die Kosten 85 Millionen DM betragen. Ich glaube allerdings, das bezieht sich lediglich auf die Werftkosten. Einschließlich moderner Ausstattung kommt so ein Zerstörer auf rund 120 Millionen DM.
({2})
Es sei mir hier gestattet, einige Vergleiche anzustellen, welche ungeheuren Mittel für Ausgaben vorgesehen sind, von deren Zweckmäßigkeit nicht
alle überzeugt sind, und wie diese Mittel zweckmäßiger verwendet werden könnten. Dabei will ich nicht mit dem beliebten und sicherlich nicht unberechtigten Vergleich kommen, wieviel Schulen, Kinderheime, Krankenhäuser, Altersheime usw. mit den Mitteln gebaut werden könnten. Ich will nur darauf hinweisen, daß für Zwecke des zivilen Luftschutzes - der ja immerhin mit dem hier zur Diskussion stehenden Einzelplan in Verbindung steht, wenn auch die Mittel dafür nicht in diesem Einzelplan zu finden sind - viel zu wenig Mittel angesetzt sind, so daß zu prüfen wäre, ob nicht hier Mittel freigemacht und zur Verstärkung des zivilen Bevölkerungsschutzes vorgesehen werden könnten. Die Mittel für den zivilen Bevölkerungsschutz sind im Einzelplan 06 und im Einzelplan 36 veranschlagt. Sie betragen zusammen etwa 500 Millionen DM. Das ist etwa derselbe Betrag wie die Summe, die für die zwei Zerstörer, die aus diesem Plan noch zu bauen wären, aufgewendet werden müßte. Wir wissen, daß den Gemeinden immer wieder gesagt wird, sie sollten die Mittel für den zivilen Luftschutz aufbringen. Sie können es einfach nicht, weil sie finanziell dazu nicht in der Lage sind.
Nun ist es nicht so, daß wir über keine Zerstörer verfügten. Wir haben bereits vier amerikanische sogenannte Leihzerstörer in Dienst gestellt; sie fahren auf hoher See. Ich selber habe schon Fahrten auf solch einem Zerstörer mitgemacht, kann also die Einrichtung einigermaßen beurteilen. Gerade in diesem Augenblick, wo ich spreche, wird der fünfte Zerstörer von den Amerikanern übernommen, und in der nächsten Woche soll noch ein sechster Zerstörer übernommen werden. Damit ist die Zahl der Zerstörer erreicht, die wir von den Amerikanern auf dem Leihwege erhalten sollen. Außerdem ist in der vergangenen Woche, was ich eben schon betonte, ein Neubau vom Stapel gelaufen, und ein Neubau ist auf Kiel gelegt worden. Dann haben wir also insgesamt acht Zerstörer. Wir sollten jetzt überlegen, ob wir für den Rest des Betrages, der für insgesamt zehn festgelegt worden ist, nicht kleinere Schiffseinheiten beschaffen sollten.
Vorhin habe ich dargelegt, daß die Zerstörer einerseits zu groß sind, vor allem für die Gewässer, in denen sie eingesetzt werden sollen, und zum anderen zu klein sind für die notwendige Bestückung, um ihnen wirklich einen Kampfwert zu geben. Ich bin der Meinung, daß wir mit unseren Mitteln nicht alle Schiffsgrößen bauen können, die für irgendeinen Ernstfall notwendig sind, sondern daß wir es den anderen NATO-Freunden überlassen sollten, diese großen Schiffstypen herzustellen und zur Verfügung zu stellen, während wir alle Veranlassung haben, uns auf den Bau kleinerer Einheiten zu konzentrieren. Dabei haben wir von den Schiffstypen bestimmte Vorstellungen, die wir auch schon im Verteidigungsausschuß mehrfach zum Ausdruck gebracht haben.
Wenn wir nach dem Kampfwert der Zerstörer fragen und daran die Frage knüpfen, wozu wir Zerstörer brauchen, hören wir immer wieder die einfache, lapidare Feststellung: Wir müssen sie eben haben, denn andere haben sie auch, und wir müssen
sie vor allem haben, um unserer Bundesmarine, die ja keinerlei Erfahrung mehr im Umgang mit solchen großen Schiffen hat, diese Erfahrung zu verschaffen. Ich habe eben erwähnt, wir haben bereits acht dieser Größe, und wir sollten uns auf diese acht begrenzen. Manchmal hört man auch die Zweckbegründung, daß diese Zerstörer in den letzten 24 Stunden vor dem Ernstfall noch eingesetzt werden sollten, um Minen zu legen und zu verhindern, daß gewisse Meerengen oder Kanäle von feindlichen Schiffen durchfahren werden. Nun frage ich Sie, wie weiß man überhaupt, daß die letzten 24 Stunden angefangen haben? Ist es nicht so, als wenn man sagte: das Minenlegen beginnt am letzten Sonntag vor dem ersten Schnee? Meine Damen und Herren, ich habe immer wieder die Auffassung gehört - und das gibt uns Anlaß zum Nachdenken -, daß die Zerstörer wirklich nur die eine Aufgabe haben können, so schnell wie möglich aus den gefährdeten Gewässern zu verschwinden, um sich selbst in Sicherheit zu bringen.
Die Aufgabe unserer Bundesmarine - darüber sind wir uns einig - kann nicht darin bestehen, allein und ohne Mithilfe anderer Seekräfte zu operieren, und so meine ich - ich habe das eben schon einmal zum Ausdruck gebracht -, daß unsere Aufgabe darin bestehen sollte, eine möglichst große Zahl kleinerer Schiffseinheiten zu haben. Große Schiffe, die einen gewissen Kampfwert haben, sind selbstverständlich auch erforderlich, aber die werden die anderen zur Verfügung stellen müssen.
Wir sollten unsere Etatmittel verwenden, um möglichst viele Versorgungs- und Landungsboote und eine große Zahl kleinerer Kampfschiffe, wobei wahrscheinlich die Fregatte die größte Einheit darstellen wird, zu stellen. Ich denke, daß die Tonnagezahl von 3000 wahrscheinlich noch zu hoch gegriffen ist und daß wir uns darunter bewegen sollten. Wir werden uns im Ausschuß vor der Freigabe dieser Mittel sicherlich auch darüber unterhalten können und müssen, ob wir diese Mittel freigeben und welche Gründe für ein Ja oder Nein maßgebend sein könnten. Nach meiner Meinung wäre eine Willenskundgebung des gesamten Hauses angebracht.
Nun noch eine Bemerkung zur Marine ganz allgemein. Das Ministerium sollte, so meine ich, dafür sorgen, daß bei der Besetzung internationaler Funktionen die Bundesmarine besser als bisher, d. h. ihrer Bedeutung gemäß, berücksichtigt wird.
Ich glaube, daß es zweckmäßig wäre, der Bedeutung des Nachschubes von Seeseite her für den Ernstfall mehr als bisher Beachtung zu schenken. Ich habe sehr oft das Gefühl, daß man sich zwar auf alle Eventualitäten eines Landkrieges einstellt, dabei aber die Verkehrsprobleme der Seefahrt etwas vernachlässigt.
Zum Schluß noch eine Bemerkung! Der mangelnde Kontakt der Marinebefehlshaber, der Truppenbefehlshaber, zu den höheren Kommandobehörden ist sehr oft der Anlaß zu Klagen. Immer wieder wird uns von den Truppenoffizieren gesagt, daß sie einen besseren Kontakt zu den höheren Kommandobehörden wünschen. Diesen Wunsch der Marine möchte
ich - wir sprechen ja so sehr wenig über Marinefragen - bei dieser Gelegenheit vorbringen.
Im übrigen möchte ich mich darauf beschränken, Sie zu bitten, unserem Antrag auf Umdruck 513 Ziffer 6 Ihre Zustimmung zu geben.
Jetzt ist noch der Antrag der Fraktion der FDP zu begründen. Oder wird verzichtet?
({0})
- Also bitte, Herr Abgeordneter Schultz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der FDP beantragt, in Kap. 14 03 Tit. 102 die Regierungsvorlage wiederherzustellen. Wenn Sie den Ausschußbericht zur Hand nehmen und die Beschlüsse des Ausschusses mit der Regierungsvorlage vergleichen, werden Sie feststellen, daß sechs Stellenhebungen - nämlich eine Generalmajor-Stelle und fünf Stellen für Brigadegenerale - vom Haushaltsausschuß nicht genehmigt worden sind. Wir sind der Meinung, daß die Vorlage der Regierung hier durchaus begründet war.
Bei einer der Stellen handelt es sich um eine Admiralsstelle. Der Inhaber dieser Stelle blockiert die Beförderungsmöglichkeit für einen anderen, der eigentlich in diesen Rang kommen sollte. Eine andere Stelle wurde nicht genehmigt, weil das Soll der Truppe, die er zu befehligen habe, noch nicht er- reicht sei. Wir meinen, daß gemäß § 3 des Soldatengesetzes nach Eignung und Leistung befördert werden muß und daß ein Offizier, wenn er eine entsprechende Stelle einnehmen soll, vorher schon Eignung und Leistung, gerade in der Aufstellung, ganz besonders aber bei Verhandlungen, Organisation, Ausbildung und dergleichen mehr, gezeigt haben muß. Zwei weitere Stellen wurden nicht bewilligt, weil es sich um Posten handelt, die uns bei der NATO zur Verfügung gestellt werden. Man glaubt, daß man dort mit dem zeitweiligen Rang auskäme.
Ich halte es nicht für richtig, daß der Haushaltsausschuß den Vorschlag der Regierung in diesem Fall so beschnitten hat. Ich meine vielmehr, daß der Vorschlag der Regierung begründet war. Ich will die einzelnen Gründe nicht mehr vortragen. Es hat sich erwiesen, daß es ganz zweckmäßig wäre, wenn der Verteidigungsausschuß als Fachausschuß bei der Beratung des Verteidigungshaushalts ab und zu einmal etwas mehr zur Geltung käme. Dieser Ansicht waren, glaube ich, alle Mitglieder des Verteidigungsausschusses.
Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie unserem Antrag zustimmen könnten.
Nun zu allen Anträgen Herr Abgeordneter Leicht.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Schultz, es liegt nicht am Haushaltsausschuß - ich glaube, diese Feststellung darf ich treffen -, daß der Verteidigungsausschuß
als Fachausschuß in den Fragen, die ihn bewegt haben, nicht gehört worden ist. Wir haben die Beratungen vorantreiben müssen. Ihre Beratungen haben so spät stattgefunden, daß sie zum Teil erst nach Abschluß der Beratungen im Haushaltsausschuß erfolgten.
Nun zunächst zu dem soeben von Ihnen begründeten Antrag Umdruck 564. Sie verlangen darin, daß der Tit. 102 - Dienstbezüge, Zulagen und Zuwendungen für Soldaten- in der Fassung der Regierungsvorlage wiederhergestellt wird. Der Haushaltsausschuß hat in einer eingehenden Prüfung bei allen Stellen, die in Frage kamen - es waren nicht nur diese sechs, sondern insgesamt wohl 24 Generalsstellen -, die Grundlagen beurteilt und die Voraussetzungen geprüft. Er ist dabei zu der Überzeugung gekommen, daß bei diesen sechs Stellen die Voraussetzungen noch nicht vorliegen. Die Frage, ob z. B. die Admiralsstelle bereits besetzt ist, darf uns hier nicht interessieren. Das ist eine rein personalwirtschaftliche Frage, die in der Verwaltung geregelt werden muß.
Ich darf also bitten, diesen Antrag abzulehnen.
Zu dem Antrag Umdruck 513 Ziffer 1 haben bereits Herr Kollege Lenze und Herr Kollege Kliesing Stellung genommen. Ich darf mir also Ausführungen dazu ersparen und brauche nur nochmals darauf hinzuweisen, daß wir diesen Antrag ablehnen.
Unter Ziffer 2 des Antrags Umdruck 513 beantragt die Fraktion der SPD, zusätzlich einen neuen Titel „Zinslose Darlehen an Kostenträger des Straßenbaues" einzuführen. Dazu darf ich folgendes bemerken. Herr Kollege Dröscher, wir haben im Haushaltsplan des Verteidigungsministeriums nicht nur einen, sondern drei Titel, die diese Frage betreffen. Dazu kommen noch die anderen, parallel laufenden Titel, die für die ausländischen Streitkräfte gelten. Das ist einmal der Tit. 230 in Kap. 14 02 - Abgeltung von Schadenersatzansprüchen Dritter, soweit es sich nicht um Ansprüche aus Übungsschäden handelt -. Dort steht ein höherer Betrag zur Verfügung. Zweitens gibt es in Kap. 14 03 den Tit. 306 - Ersatzleistungen für Übungsschäden -; also auch hier etwas, was Sie angesprochen haben. Darüber hinaus besteht ein dritter Titel in Kap. 14 12, nämlich Tit. 571 - Beiträge und Finanzhilfen zum Ausbau öffentlicher Verkehrseinrichtungen von militärischem Interesse -.
Gestatten Sie eine Frage, Herr Abgeordneter?
Bitte!
Herr Kollege, ist Ihnen klar, daß die Lücke zwischen dem rechtlich entschädigungsfähigen Zustandswert und dem Neubauwert der Straße, die wir mit unserem Antrag schließen wollen, mit keinem der anderen drei Titel geschlossen werden kann?
Wie sind der Meinung, daß Ihr Anliegen mit diesen drei Titeln befriedigt werden kann.
Darf ich fragen, ob Sie mit kommunalen Stellen Erfahrungen gesammelt und dabei festgestellt haben, daß das, was Sie jetzt gesagt haben, möglich ist?
Ich habe in einer Stadt, wo eine solche Straße gebaut worden ist, weil sie sehr stark von der Bundeswehr befahren wird, sogar die Erfahrung gemacht, daß am Schluß sogar etliche tausend Mark an Bewilligungen übrig waren. Auch das soll vorkommen.
Ich komme nun zu dem Antrag Umdruck 513 Ziffer 3. Dabei darf ich auch auf zwei Probleme eingehen, die Sie, Herr Kollege Dr. Schäfer, angeschnitten haben.
Lassen Sie mich aber zunächst einmal zu dem Vorschlag Stellung nehmen, der für 1129 von den etwa 2000 Beamtenstellen, die für den Bereich der Bundeswehrverwaltung und der Kommandobehörden mehr gefordert werden, eine qualifizierte Sperre vorsieht. Sie wissen, daß gerade die Beamtenstellen am weitestgehenden und am besten besetzt worden sind und daß die meisten freien Stellen bei den Angestellten und noch mehr bei den Arbeitern vorhanden sind. Im Ausschuß ist zum Ausdruck gebracht worden, daß vielleicht bei den Angestellten und Arbeitern eine qualifizierte Sperre oder eine Streichung möglich sei, aber nicht bei den Beamten.
Im Ausschuß ist auch darauf hingewiesen worden, daß Rechnungshof, Finanzministerium und Verteidigungsministerium nicht global Stellen bewilligt, sondern jede Stelle im einzelnen geprüft haben. Auch wir haben das, soweit wir es überhaupt konnten, einmal in einer Aussprache getan. Deshalb sind wir der Auffassung, daß es ruhig bei dem belassen werden kann, was die Regierung vorsieht. Wir lehnen diesen Antrag ab.
Zu Ziffer 4 des Antrags Umdruck 513 braucht man nichts zu sagen, da wir uns auf 10 DM als Durchschnittssatz der Honorare für Lehrkräfte geeinigt haben.
Zu Ziffer 6 nur eine kurze Bemerkung. Die Fraktion der SPD beantragt, im Haushaltsvermerk die Worte „4 Zerstörer" durch die Worte „kleinere Kampfschiffe" zu ersetzen.
Das Schiffsbauprogramm ist ja sowohl durch den Verteidigungsausschuß als auch durch den Haushaltsausschuß als auch insgesamt bei der Mittelbewilligung im Jahre 1957 durch dieses Parlament beschlossen worden. Wenn wir nun „kleinere Kampffahrzeuge" schreiben - was Sie wollen -, bedeutet das, daß der Haushaltsausschuß und der Verteidigungsausschuß erneut bei jedem kleinsten Boot, das zu hauen 1957 bereits beschlossen worden ist, seine Zustimmung geben muß. Das bedeutet Mehrarbeit sowohl für die Bürokratie als auch für das Parlament.
Im übrigen darf ich darauf hinweisen, daß der Haushaltsausschuß beschlossen hat, all das, was über die vier Zerstörer hinausgehen sollte, zunächst einmal zu sperren. Wenn mehr als die im AugenLeicht
blick in Auftrag gegebenen Zerstoiei gebaut wer den sollen, muß nochmals das Parlament, müssen zumindest Ausschüsse des Parlaments gehört werden, wenn diese Mittel freigegeben werden sollen. - Wir lehnen deshalb diesen Antrag ab.
Nun noch eine kurze Bemerkung zu dem, was Herr Kollege Dr. S c h ä f er gesagt hat mid was ich nicht unwidersprochen lassen kann. Herr Kollege Dr. Schäfer, Sie haben die Frage der Ausgabereste angeschnitten. Ich glaube, wir sind uns doch darüber einig, daß der Resteabbau in den letzten zwei .Jahren sehr gute Fortschritte gemacht hat. Sie haben die Frage ja nebenbei im Zusammenhang mit dem Beschaffungskomplex angesprochen. Wenn wir auf Grund der neuesten Zahl vom 1. April 1960 feststellen, daß wir auf 4,7 Milliarden angelangt sind, dann wird das eintreten, was uns im Haushaltsausschuß gesagt worden ist: Wir werden Ende dieses Rechnungsjahres Reste in Höhe von 3,5 Milliarden, vielleicht auch nur 3 Milliarden DM haben, ein Zustand, der als fast normal bezeichnet werden kann.
({0})
Sie haben auch die Frage der Vorauszahlungen angeschnitten. Ihre Ausführungen darüber dürfen nicht unwidersprochen hingenommen werden. Die Zahlen sind, wie Sie zutreffend gesagt haben, durch die Antwort auf die Kleine Anfrage der FDP bekannt. Wir haben Vorauszahlungen von rund 4 Milliarden DM geleistet. Aber wie sieht es im einzelnen aus und was waren die Gründe, die zur Leistung solcher 100%iger Vorauszahlungen geführt .haben?
Erstens einmal war es ein besonderes Entgegenkommen der US-Regierung, als Vertragspartner für die Beschaffungen aufzutreten. Das haben wir auch im Ausschuß festgestellt. Als Ausgleich hierfür verlangt sie selbstverständlich eine weitgehende finanzielle Sicherheit - ein Verlangen, das nach unserer Auffassung gerechtfertigt ist.
Mit dem Regierungsabkommen sind für die Bundesrepublik gegenüber einem unmittelbaren Kauf bei der Industrie - das haben wir auch festgestellt - wesentliche Vorteile verbunden, und die kostenlose Ausnutzung des Beschaffungsapparats der US-Streitkräfte stellt den billigsten und preisgerechtesten und schnellsten Weg dar und bietet der Bundesrepublik durch die von der amerikanischen Regierung damit übernommenen Gewährleistungen und Gütergarantien die größte Sicherheit.
Der zweite Punkt: Die sofortige volle Bezahlung durch die Bundesrepublik, wie sie auch heute noch in nach unserer Überzeugung durchaus berechtigter Weise erfolgt, ist gerechtfertigt auch aus der Tatsache, daß der Höhepunkt des Aufbaues der Bundeswehr ja noch nicht erreicht ist. Es besteht daher nach wie vor ein gesamtwirtschaftliches Interesse, die Ausgabenverteilung so zu steuern, daß die kommenden Jahre nicht zu stark belastet werden.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
.Ja, bitte schon.
Herr Kollege Leicht, sind Sie also der Auffassung, daß es der Regierung zusteht, unter Mißachtung der Bestimmungen der Reichshaushaltsordnung den Plafond von 10 Milliarden auszunützen?
Ich habe gar nicht davon gesprochen, Herr Kollege Dr. Schäfer, daß es unter Mißachtung der Reichshaushaltsordnung geschieht. Es gibt nämlich in der Reichshaushaltsordnung, zumindest in § 58 der Reichswirtschaftsbestimmungen, eine Vorschrift, wonach es möglich ist, in ganz besonderen Fällen auch diese Leistungen zu gewähren. Ich glaube, es ist Ihnen sogar bekannt, daß das möglich ist. Die Streitfrage wird dann nur sein, ob man das hier als einen solchen Fall vertreten kann; Sie sind der Meinung, das gehe nicht, und ich begründe gerade, warum das nach unserer Meinung richtig ist.
Ich darf vielleicht fortfahren. Auch die Devisenlage in der Bundesrepublik steht der sofortigen vollen Zahlung bei Staatskäufen aus den USA nicht entgegen. Sie läßt sie im Hinblick auf die Ungewißheit der Zukunft sogar zweckmäßig erscheinen.
Außer aus diesen haushaltswirtschaftlichen Gründen ist es, glaube ich, auch aus politischen Gründen gerechtfertigt, die Praxis höherer Vorauszahlungen an die USA aufrechtzuerhalten. Die Vereinigten Staaten hatten gegen Ende des Jahres 1959 die Forderung erhoben - Sie können sich entsinnen, was Kollege Dr. Vogel damals im Ausschuß auf Grund des Dillon-Besuchs berichtete -, daß wir höhere I Leistungen aufbringen. Man hat es verstanden, dadurch, daß wir höhere Vorauszahlungen leisteten - Vorauszahlungen bis zu 100 % -, diese Forderung zunächst abzubiegen. Auch aus diesem Grunde also waren diese Leistungen nach meiner Überzeugung gerechtfertigt.
Schließlich kommt noch ein vierter Punkt hinzu. Die Vorauszahlungen an die USA erscheinen bei der derzeitigen Konjunkturlage - Herr Kollege Dr. Schäfer, darüber werden wir uns einig sein - auch finanzpolitisch und volkswirtschaftlich erwünscht. Auch das Präsidium der Deutschen Bundesbank hat sich deshalb dafür ausgesprochen, daß im Hinblick auf die derzeitige innenwirtschaftliche Konjunkturlage das Schwergewicht der aus dem Verteidigungshaushalt zu leistenden Zahlungen auf das Ausland verlagert wird. Diese Gründe sind, glaube ich, überzeugend. Vielleicht kann uns der Herr Minister, wenn er nachher noch das Wort ergreift, kurz mitteilen, was ihm persönlich der Bundesbankpräsident dazu gesagt hat. Wir von der Fraktion der CDU/CSU glauben also, daß die Vorauszahlungen, auch wenn sie über das normale Maß hinausgingen und bis zu 100 % betrugen, aus den von mir angeführten Gründen zu vertreten waren, ja, daß sie in diesem Fall sogar richtig waren.
Ein kurzes Wort zur Beschaffung. Wir haben uns im Haushaltsausschuß darüber unterhalten, wie wir die Beschaffungsprogramme durchführen wollen. Sie haben die Frage des Changierens innerhalb der
einzelnen Kapitel des Verteidigungshaushalts angeschnitten. Dazu ist folgendes zu sagen. Bereits der Berichterstatter zum Verteidigungsetat - der ich im vorigen Jahre noch nicht war - wies damals darauf hin, daß es gar nicht zu umgehen sei, bei den Programmen, die vorliegen und deren Abwicklung nicht so vorangeht, wie das eigentlich geplant ist, eventuell das eine vorzuziehen, wenn es möglich ist, es schneller zu verwirklichen und das andere etwas zurückzustellen und insofern auch die Möglichkeit zu schaffen, daß Gelder verschiedener Titel eventuell einmal ausgetauscht werden bzw. im Vorgriff oder als Deckungsvorschlag durch den Finanzminister genehmigt ...
({0})
- Bitte, Sie haben doch den Programmen zugestimmt. Sollen wir die Debatte noch einmal aufrollen, die im Haushaltsausschuß stattgefunden hat? Sie kennen die Programme, Sie haben den Geldansätzen zugestimmt, und dann wird im Vorgriff etwas ausgegeben, was von Ihnen bereits als Programm genehmigt ist.
({1})
- Oder von uns; Sie sind manchmal auch dabei. Sie sagen ja nicht immer nein, Herr Kollege Dr. Schäfer, Gott sei Dank. - Wir sind also der Meinung, daß man diesen Dingen in einem gewissen Umfang selbstverständlich Rechnung tragen muß.
Wenn Sie in diesem Jahr meinen Bericht gelesen haben, dann werden Sie festgestellt haben, wie deutlich ich darin auch zum Ausdruck gebracht habe, daß wir unter keinen Umständen zulassen können, daß das Parlament in irgendeiner Form übergangen wird, wie sich das entwickeln könnte, wenn man die Gefahr nicht sähe. Aber wir glauben nicht, daß wir bisher vom Verteidigungsministerium in dieser Weise übergangen worden sind.
Ich darf noch einmal meine Bitte wiederholen, die Anträge der sozialdemokratischen Fraktion mit Ausnahme der Ziffer 4 sowie den Antrag der FDP abzulehnen.
({2})
Das Wort hat der Bundesminister für Verteidigung..
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hätte es dem Hohen Hause gern ermöglicht, noch vor oder kurz nach 13 Uhr abzustimmen. Aber ich darf mich nicht dem Vorwurf aussetzen, daß auf eine Reihe von Fragen, die gestellt worden sind, keine Antwort gegeben worden sei. Da ich nicht annehme, daß die Fragen zurückgezogen werden, bitte ich um Nachsicht dafür, daß ich auch die nach der Fragestellung von mir gedanklich konzipierten Antworten damit nicht als automatisch erteilt oder als gegenstandslos betrachten kann.
Ich möchte nicht zu den Problemen Stellung nehmen, die von den Kollegen von der FDP, von Kollegen Kreitmeyer und Kollegen Schultz, angeschnitten worden sind. Damit meine ich in keiner
Weise, daß es nicht wert wäre, sich damit ernsthaft zu beschäftigen. Nur sollten diese Probleme nicht lediglich im Zusammenhang mit dem Einzelplan 14 - wo sie ohne Zweifel erwähnt werden können -, sondern im Zusammenhang mit anderen Einzelplänen erörtert werden. Niemand ist unglücklicher darüber als ich, daß die Verteilung der Zuständigkeiten auf gewissen Gebieten nicht nur die Arbeit außerordentlich erschwert - worüber man ja nicht klagen soll -, sondern vor allen Dingen den Ablauf der Programme auf dem Gebiet der Landbeschaffung, auf dem Gebiet der Erstellung militärischer Einrichtungen, Anlagen und Bauten ungemein verlängert.
({0})
Nicht nur das. Ich darf sagen, manchmal hat die psychologisch nicht sehr geschickte Behandlung dieser Frage gerade bei den kleinen Leuten, mit denen man oft über diese Dinge verhandeln muß, naturgemäß Schwierigkeiten, Bedenken und Widerstände hervorgerufen, die bei etwas großzügiger Handhabung ohne weiteres ausgeräumt werden könnten.. - Ich bitte um Verständnis dafür, daß ich diese Frage hier und in diesem Zusammenhang behandle. An anderen Stellen schaut die Behandlung dieser Frage schon auf eine ehrwürdige Tradition mit einigen Höhepunkten der Diskussion zurück.
Ich darf mich in erster Linie mit den Anträgen befassen, die von der Sozialdemokratischen Partei gestellt worden sind.
Dem, was von meinem Vorredner zu Ziffer 2 des Antrages gesagt worden ist - wenn ich mir die Reihenfolge der Punkte einmal selbst zusammenstellen darf -, habe ich nichts hinzuzufügen. Die ausgebrachten Beträge und ihre Zweckbindungen reichen - neben den anderen Möglichkeiten - aus, um den Notwendigkeiten gerecht zu werden, die hier dargestellt werden. Es wird vermutlich so sein, daß man einen Erfahrungsfall positiver Art gegen einen Erfahrungsfall negativer Art stellen kann. Ich glaube aber nicht, daß es einer Änderung der Beschlüsse des Ausschusses bedarf, um diesen von uns in ihrer sachlichen Notwendigkeit anerkannten Bedürfnissen gerecht zu werden.
Ich bitte auf der anderen Seite aber auch um Verständnis dafür, daß der Verteidigungshaushalt nicht ein Ersatzhaushalt für alle möglichen Zwecke werden kann,
({1})
die mit der Verteidigung ursprünglich nichts zu tun haben.
Herr Minister, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten?
({0})
Herr Minister, würden Sie bereit sein, das, was Sie gesagt haben, als Anweisung an Ihre nachgeordneten Dienststellen zu geben? Dann könnte man nämlich tatsächlich die bis jetzt nicht lösbaren Fälle, die vorhanden sind, wie eine Auskunft Ihres Ministeriums ergeben hat, lösen.
Ich bitte Sie, mir einen konkreten Fall, bei dem diese Lücke aufgetreten ist, schriftlich mitzuteilen. Dann kann ich - da ich die Bilderschrift oft besser verstehe als mündliche Ausführungen - anhand des konkreten Einzelfalles eine Prüfung vornehmen und Ihnen eine Antwest zukommen lassen. Ich darf sagen, daß berechtigte Anliegen auch von uns vertreten werden. Notfalls kann man auch mit dem Finanzministerium über die Ergänzung der Zweckbestimmung oder über eine gegenseitige Deckungsfähigkeit mehrerer Titel sprechen. Ich wende mich nur dagegen - wir werden bei der dritten Lesung ja einiges zu erwarten haben -, daß der Verteidigungshaushalt sozusagen zum Rangierbahnhof für alle möglichen Züge gemacht wird, auch für solche, die mit militärischen Transporten gar nichts zu tun haben.
({0})
Zu Ziffer 3 des Antrags darf ich mich mit wenigen Sätzen äußern. Der Herr Kollege Schäfer hat hier einige Dinge gesagt, die in sich nicht ganz logisch und konsequent waren. Er hat einmal erwähnt, daß für den zivilen Sektor die Haushalte 1958 und 1959 praktisch das gewesen seien, was die Fachleute des Haushaltsrechts Überrollungshaushalte - eine mir nicht ganz verständliche Bezeichnung - nennen. Auf dem Gebiet des zivilen Personals hatten wir 1959 - mit ganz wenigen Änderungen - den Haushalt 1957 gehabt. Wir haben nämlich auch damals schon darauf hingewiesen, daß es nicht möglich sei, den Bedarf an zivilen Arbeitskräften zu decken. Selbstverständlich sind in den Haushaltsjahren 1958 und 1959 dann nur geringe Anforderungen erfolgt. Der Haushalt 1957 lieferte also praktisch die Ansätze für mehrere Jahre.
({1})
- Herr Kollege Schäfer, ich würde gern einmal zusammenhängend ein paar Probleme behandeln. Ich habe auch nicht die Möglichkeit, dauernd zu unterbrechen. Wenn ich dauernd unterbrochen werde, nehmen meine Ausführungen sehr lange Zeit in Anspruch.
Nun sind wir so weit, daß wir im Haushaltsjahr 1960 den Bedarf überblicken können, wie er etwa bis zu Beginn des Haushaltsjahrs 1962 auftreten wird. Wir haben gute Erfahrungen mit der Methode gemacht, eine gewisse Bewegungsfreiheit zu haben, um den Bedarf sinnvoll decken zu können. Darf ich Sie bitten - das gilt auch beim Kapitel Beschaffung -, davon auszugehen, daß wir weder grundsätzlich bösartig, noch von der Absicht erfüllt sind, den Steuerzahler zu schädigen, und daß wir auch nicht in Unkenntnis der Gesetze handeln oder die Absicht haben, alle gesetzlichen Ermächtigungen entweder idiotisch oder gewaltbrecherisch zu mißbrauchen. Ich bitte, den Vertrauenskredit ein bißchen zu erweitern, besonders angesichts dessen, was bisher gesagt worden ist. Wenn ich zum Beispiel das Wehrpflichtgesetz rein theoretisch nehme, dann könnten eine ganze Reihe von Jahrgängen auf einmal eingezogen werden. Das kann aber nicht dazu
führen, daß jemand annimmt, wir hätten jemals eine solche Absicht gehabt.
({2})
- Das können Sie auch nicht gut.
Sie haben aber etwas anderes auch nicht erwähnt. Es war der Wille dieses Parlaments, dem mein Vorgänger und die Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums zugestimmt haben, alle Funktionen, die im Frieden - im Krieg mag es anders sein; hoffentlich tritt die Probe aufs Exempel nie ein - nicht auf Grund der Aufgabenstellung zwangsläufig von Uniformierten, also von Soldaten ausgefüllt werden müssen, auf zivile Arbeitskräfte zu übertragen.
Das ergibt natürlich ein anderes Verhältnis zwischen zivilen Arbeitskräften und Soldaten, als wir es bei den Streitkräften gewisser Länder haben. Ich betone: gewisser Länder. Mit dem Schlüssel zwischen zivilen Bediensteten und Soldaten, den wir jetzt haben, liegen wir nämlich noch hinter den NATO-Ländern, die ebenfalls über eine beträchtliche Tradition und eine beträchtliche Erfahrung verfügen; ich nenne die USA, Großbritannien, Frankreich und ähnliche Länder. Auf der anderen Seite gibt es natürlich auch Streitkräfte, bei denen alle Funktionen - von der Depotverwaltung bis zum Rechnungswesen - von Soldaten ausgeübt werden. Das war aber nicht der Wunsch dieses Parlaments.
Ich sage das nicht nur an Ihre Adresse, Herr Kollege Schäfer, sondern auch deswegen, weil manchmal in der Presse entweder aus gewisser Absicht oder aus oberflächlicher Unkenntnis gesagt wird, auf einen Wehrbeamten kämen drei Soldaten. Ich möchte den Ausdruck „Beamter" nicht so großzügig anwenden, wie es bei diesen verallgemeinernden Überschriften geschieht; diese Überschriften sind auch irreführend. Das Verhältnis läßt sich natürlich ändern. Aber wir wollen es gar nicht ändern. Wir haben für den Mobilmachungsfall vorgesehen, daß diese Kräfte einen militärischen Status bekommen sowie unter das Wehrpflichtgesetz fallen, weil wir hier bestimmten Notwendigkeiten unterliegen, die uns in den letzten Jahren von den Alliierten in mehr als deutlicher Weise wiederum in Erinnerung gebracht worden sind. Ich darf sagen, daß die hohe Zahl der Zivilbediensteten, wie mir scheint, aus der ganzen Vorgeschichte heraus erklärt werden muß, daß sie in keiner Weise gegen die Ansätze einer normalen und vernünftigen Proportion spricht. Ich muß im Gegenteil sogar sagen, daß wir mit den zivilen Kräften etwas hinter den wirklichen Notwendigkeiten hinterdrein sind und daß wir mit den zivilen Kräften jetzt aufholen müssen, um den weiteren Aufbau der Bundeswehr vernünftig vornehmen zu können.
Gerade von Ihnen, von Ihrer Seite, Herr Kollege Schäfer - wenn ich „Ihnen" sage, meine ich nicht in jedem Falle Sie persönlich -, ist immer gesagt worden, daß der Aufbau militärischer Verbände schlecht vorbereitet gewesen sei, weil die notwendigen Einrichtungen, die vorhanden sein müssen, um Verbände aufbauen zu können, vorher nicht ge6136
Bundesverteidigungsminister Strauß
schaffen worden seien. Darum ist es unlogisch, daß
Sie uns jetzt verargen; daß wir darangehen, den
Vorlauf, der auf dem Gebiete des zivilen Personals
- Standortverwaltungen, Depots und alle möglichen Dinge - notwendig ist, einzuhalten, um die weitere Aufstellung militärischer Einheiten ruhiger, geordneter und regelmäßiger vornehmen zu können, als das bisher der Fall gewesen ist.
Ich darf noch etwas sagen. Sie waren auch insofern etwas inkonsequent, als Sie auf der einen Seite sagten: Wenn Sie jetzt diese Planstellen erhalten, werden sie alle ausgefüllt werden, und auf der andern Seite sagten: Sie sind gar nicht in der Lage, von diesen großen Bewilligungen Gebrauch zu machen. Wenn ich Sie richtig verstehe, meinen Sie, daß die Regierungsdirektoren-, Oberregierungsrats-, Regierungsratsstellen wohl besetzt werden. Das sind also die lukrativeren Stellen. Im übrigen ist das heute nicht mehr die Meinung, die unter den Verwaltungsbeamten herrscht. Sie haben die Diskussion über die Beamtengehälter und die Tatsache, daß mehr und mehr befähigte Juristen in die Wirtschaft gehen, weil der Staat heute nicht mehr die Attraktivität hat wie früher.
({3})
- Ich lege großen Wert darauf, daß meine Mitarbeiter gelegentlich auch einmal die Praxis auf der andern Seite kennenlernen, ohne daß ich weiß, ob sie wieder in meine Obhut zurückkehren werden.
({4})
Überhaupt wäre eine gewisse Austauschbarkeit zwischen Verwaltungs- oder staatlichen Stellen auf der einen Seite und Stellen der Wirtschaft auf der andern Seite manchmal recht gut. Manche Vor- oder Fehlurteile würden vermieden werden, manche Fehlentscheidungen würden nicht fallen, das gegenseitige Verständnis würde geschaffen, manche Schlagworte würden nicht gedroschen werden. Ein solcher Austausch bietet eine Menge Vorteile. Aber im Augenblick habe ich das hier nicht zu vertreten.
Die Behauptung, wir seien nicht in der Lage, den Bedarf zu decken, darf ich an Hand folgender Zahlen widerlegen. Wir haben gerade wegen der Mängel, die wir festgestellt haben, gewaltige Anstrengungen gemacht, den Bedarf auf dem zivilen Gebiet zu decken und die Lücke zwischen bewilligten Stellen auf der einen Seite und dem Ist-Bestand des Personals auf der anderen zu überbrücken. Ich darf folgende Zahlen nennen. Der Zugang hat im Rechnungsjahr 1959, das jetzt abgelaufen ist, bei den Beamten 1242 betragen, bei den Angestellten 5628 und bei den Arbeitern 8160. Das heißt, daß 15 030 Arbeitskräfte - Beamte, Angestellte und Arbeiter - im Laufe von zwölf Monaten in den Dienstbereich des Verteidigungsministeriums übergesiedelt sind.
({5})
- Sie wissen ganz genau, daß man nicht einfach theoretisch von offenen Stellen sprechen kann;
denn gerade Sie und die Mitglieder des Haushaltsausschusses verlangen, daß wir nicht mit einem Topf wirtschaften, aus dem heraus man beliebig - einmal da, einmal dort - seinen Bedarf decken kann. Sie verlangen vielmehr, daß - nach Beamten, Angestellten und Arbeitern geschieden und hier wieder geschieden nach Tätigkeitsmerkmalen oder wieder geschieden nach Laufbahnen - nur die Stellen besetzt werden, die auch tatsächlich zur Verfügung stehen. So kann es vorkommen, daß die Stellen von 20 technischen Inspektoren nicht besetzt werden können. Die dürfen wir aber nicht mit Verwaltungsinspektoren besetzen. Es kann vorkommen, daß wir keine Meteorologen bekommen, wo Regierungsratsstellen ausgeschrieben sind. Ich möchte nicht die Kritik hören, wenn wir die freien Regierungsratsstellen auf meteorologischem Gebiet oder mit. dem Gebiet der Bauräte mit Verwaltungsleuten besetzten oder umgekehrt. Diese Fragen haben wir schon lange geprüft, da habe ich in meinem Hause schon die größten Auseinandersetzungen gehabt; denn ich bin der Meinung, wir könnten rationeller wirtschaften, wenn wir das von Ihnen geforderte System, lauter Schubladen mit genau festgelegter Einzelrichtung zu bilden, im Personalwesen aufgäben und einen Topf bildeten, aus dem wir dann wirtschaften könnten. Sie haben es nicht gewollt. Ich habe mich daran gehalten. Deshalb weise ich diesen Vorwurf und diese Kritik zurück.
({6})
Ich bitte Sie auch, nachdem ich im allgemeinen um einen gewissen Vertrauenskredit gebeten habe, daß wir nicht von allen Ermächtigungen erstens sinnlos, zweitens an den Rand des Rechtsbruches gehend Gebrauch machen werden, um Verständnis dafür, daß wir natürlich ernsthafte Bedenken gegen die Sperrung der Stellen haben. Es ist ja von dem Vorredner ausgeführt worden, man soll auch nicht die Arbeit zwischen Regierung und Parlament durch so viele in sich verzahnte Einzelprobleme der Exekutive und Legislative, ich möchte sagen, überflüssigerweise, erschweren. Sie leiden doch wahrlich nicht an einem Mangel an Arbeit. Ich höre nur immer die Klagen, daß die Ausschußsitzungen so lange dauern und so oft ausgesetzt werden müssen; daß man nicht einmal dazu kommt, erstens die Managerkrankheit zu vermeiden, zweitens die Zeit für ein freies Wochenende zu haben, drittens sich der Familie zu widmen, viertens den Sonntag zu heiligen und fünftens auch noch etwas für den Wahlkreis zu tun. Wir sind ja alle Politiker.
Hier wird eine Fülle von Interventionsmöglichkeiten geschaffen, hier wird eine uferlose Diskussionsmöglichkeit geschaffen, um über jede einzelne Stelle sprechen zu können. Da ist mir eines lieber: Genehmigen Sie uns die Stellen, und wenn wir von Ihrer Ermächtigung einen nach Ihrer Meinung unangemessenen Gebrauch machen, dann kritisieren Sie uns bei der nächsten Haushaltsberatung in der Öffentlichkeit, abgesehen von den Verhandlungen im Ausschuß. Dann haben wir beiderseits weniger Arbeit und weniger Arger, schonen unsere Gesundheit und kommen eher zum Ziel, was wir hoffentlich beide wollen.
Bundesverteidigungsminister Strauß
Ich habe gar nichts dagegen einzuwenden, daß die Ansätze für Aushilfslehrer je Unterrichtsstunde von 7 auf 10 DM erhöht werden. Ich muß nur eines mit Bedauern feststellen. Ich höre, daß der Bundesgrenzschutz höhere Sätze gezahlt hat. Man wirft ja mir - es ist nur der Herr Staatssekretär des Finanzministeriums da; aber auch das gibt mir keine Ermutigung, mehr zu sagen, als ich in Anwesenheit des Ministers gesagt hätte ({7})
vor, daß ich mich im Alleingang so gerne in der Reclam-Ausgabe der einsamen Entscheidungen - die großen einsamen Entscheidungen werden ja anderswo getroffen -,
({8})
also in der Taschenausgabe der einsamen Entscheidungen bewege oder mir mit Ellenbogengewalt meinen Weg bahne. Ich habe mich genau an den Runderlaß des Bundesfinanzministeriums gehalten, wie wir überhaupt der Meinung sind, daß mein Ressort natürlich auf diesen Gebieten, wo Rechnungshof, Finanzministerium oder Ministerium für den wirtschaftlichen Besitz des Bundes die eigentliche Zuständigkeit besitzen und Runderlasse oder Vorschriften herausgeben, sich nolens volens daran halten muß. Ich muß mir nach dem, was ich hier gehört habe - unterstellt, daß es richtig ist -, einmal überlegen, wieweit das Verfahren revisionsbedürftig ist, Herr Staatssekretär.
Dann noch ein Wort zu Ziffer 5 - Feldfahrzeugwesen. Nun, Herr Kollege Wienand wird es mir nicht übelnehmen, wenn ich ihm zurufe „Si tacuisses ...". Er wäre damit nicht zum kalten Krieger geworden. Philosoph soll man im Parlament ja ohnehin nur mit gewissen Einschränkungen sein. Aber dieser Titel im Haushalt eignet sich nicht dafür, eine Atomdebatte en miniature zu führen.
({9})
Hier ist so viel - ich möchte nicht im einzelnen darauf eingehen - an Antihistorischem bis Unpolitischem gesagt worden, daß es den Rahmen Ihrer Geduld und auch der zur Verfügung stehenden Zeit überstiege, wenn man die Atomdebatte, gemessen an dem Fortschritt der letzten zwei Jahre - „Fortschritt" ist immer ein kühnes Wort, weil man damit die Vorstellung verbindet, es sei aufwärtsgegangen -, gemessen an der Weiterentwicklung der letzten zwei Jahre, noch einmal untersuchte.
Diese Probleme sind so komplex, sie sind so schwierig, sie sind so schwierig in ihren technischen Voraussetzungen, sie sind so schwierig in ihren politischen Zusammenhängen, sie sind so schwierig in ihren psychologischen und ethischen und rechtlichen Gegebenheiten und Hintergründen - von den wirtschaftlichen, finanziellen gar nicht zu reden -, daß man nicht durch die Einfügung „Beschränkung auf konventionelle Waffen" in die Erläuterung eines Titels des Haushalts den Gang einer Entwicklung aufhalten kann, die nicht durch uns entstanden ist und der wir nur mit unserem bescheidenen Beitrag eine Richtung zu geben versuchen können, wie wir sie gemeinsam wünschen. Aber man
kann nicht Weltgeschichte machen durch einschränkende Zweckbestimmungen zu einem Haushaltstitel.
({10})
Ich gebe zu, es sind Ansätze drin; ich will es sogar sagen, denn es hat gar keinen Sinn, das nicht auszusprechen: 6 Bataillone Nike, 15 Bataillone Honest John, 3 Bataillone Sergeant, 9 Bataillone Hawk. Das sind Mehrzweckewaffen. Aber ich habe den Kollegen Wienand auch nicht -
({11})
- Die Superhawk in der letzten Version kann eine Mehrzweckewaffe werden. Nach dem gegenwärtigen Stand ist sie es nicht.
({12})
- Herr Kollege, ich möchte daran erinnern: wir haben zunächst die Abschußgeräte und missiles und die Raketen gekauft. Für das, was wir bis jetzt gekauft haben, trifft das zu. Ich wäre aber ein Hypokrit, wenn ich leugnen würde, daß zu dem Hawk-System, offensichtlich aus sehr unangenehmen und zwingenden technischen Gründen in USA auch ein Lenkgeschoß entwickelt wird, bei dem ein Atomsprengkopf verwandt werden kann.
Das ist aber eine Frage, über die man heute noch keine technischen Einzelheiten sagen kann. Wir wissen auch nicht, ob diese Waffe den europäischen Verbündeten zur Verfügung gestellt wird. Ich wollte bloß nicht haben, daß später jemand sagt, man habe jemand hinters Licht geführt. - Ich sage also, daß die Möglichkeit dazu besteht. Ob sie in Wirklichkeit eintritt, vermag ich heute nach bestem Wissen und Gewissen nicht zu sagen.
Ich habe Herrn Kollegen Wienand einfach nicht verstanden, wenn er sich darüber beklagt, daß wir die Atomsprengköpfe nicht bekämen, also die ganze Anschaffung sinnlos sei. Daraus gäbe es nur zwei Schlußfolgerungen zu ziehen. Also sollen wir entweder diese Atomsprengköpfe in deutsche Kontrolle bekommen oder sie, wenn sie uns die Amerikaner nicht geben, selber produzieren, damit die Anschaffung einen Sinn hat. - Das meint doch wohl niemand!
Andererseits sollte man uns, glaube ich, auch nicht zutrauen, daß wir solche Waffen kaufen und die Frage, ob sie überhaupt verwendet werden können, in keiner Weise prüfen.
Und drittens, was ich mit „antihistorisch" meinte; das ist die Verwechslung von Ursachen und Wirkung, wenn man sagt, unsere „Forderung" - es im übrigen in einem falschen Zungenschlag sagt, was die wirkliche Vorgeschichte anbetrifft; ich sage es in Anführungszeichen: unsere „Forderung" - auf Ausstattung mit Atomwaffen habe den Gang der russischen Politik sozusagen versteift, habe die Russen zu einer starren Haltung gebracht und habe zu unangenehmen Reaktionen geführt.
Das ist doch eine ganz groteske Verdrehung von Ursache und Wirkung. Ich möchte nicht mehr im einzelnen darauf eingehen. Aber alles, was wir auf dem Gebiet der Verteidigung unternommen haben, ist ja
Bundesverteidigungsminister Strauß
eine Reaktion auf Dinge, die längst vorher in einem für uns bedrohlichen Sinne geschehen sind.
({13})
Sonst wäre ja auch Ihr ganzes Godesberger Programm nicht zu erklären; denn Sie tun es ja nicht bloß deswegen: Weil es schon so weit ist, deshalb machen wir gemeinsam weiter, sondern Sie tun es, weil auch Sie die Notwendigkeit einsehen, daß wir etwas für die gemeinsame Verteidigung tun müssen.
Und dann sagte Kollege Wienand, ein Verzicht der Bundesregierung auf Erfüllung ihrer NATO-Pflichten ich würde übrigens in Zukunft z. B. gern auf die Pflicht des Steuerzahlens verzichten; es gibt also Pflichten, auf die man gern verzichten kann - würde ein positives Echo in England hervorrufen. Ich möchte erwidern: Vielleicht noch bei Herrn Crossman - auch da bin ich mir schon nicht sicher -, vielleicht beim linksextremen Flügel der Labour-Party, die manchmal Gedankengänge vertritt, die sonst unter anderen Parteibezeichnungen vertreten werden. Aber von allem sonst, was in England unter konservativ-liberal und unter normaler Labour-Party läuft, würden wir bei Verweigerung der NATO-Pflichten mit den größten Vorwürfen überhäuft werden,
({14})
daß wir um der wirtschaftlichen Vorteile willen unter Ausnutzung unserer minderen Rüstungslasten die unangenehmen Seiten dieser ganzen Angelegenheit unseren Bündnispartnern überließen.
Ich bin jetzt bei allen NATO-Konferenzen persönlich gewesen. Ich habe die ganze Diskussion über die MC 70 mitgemacht. Ich habe mich gegen einzelne Teile Idieses Programms mit sachlichen Gründen gesträubt, weil uns die Dinge eben technisch oder finanziell nicht durchführbar erschienen. Aber ich kann nur feststellen, daß die Frage der Zuverlässigkeit der Bundesrepublik, die Frage unserer Bündnistreue, die Frage der Seriosität unserer Mitarbeit
im Bündnis nach der Erfüllung der in der MC 70 durch Beschluß sämtlicher Länder für Deutschland niedergelegten Verpflichtungen beurteilt wird. Das ist doch nicht ein Privatunternehmen des Verteidigungsministers, der von heute auf morgen umschalten kann, einmal auf diese Bewaffnungsart, dann auf jene.
Die Gesamtbewaffnung der NATO ist in einem Dokument niedergelegt. Es wurde schon oft genannt: MC 70. Darin sind die Aufgaben enthalten, die die einzelnen Länder zu übernehmen haben, und darin sind die Streitkräfte genannt, die sie dafür aufzustellen haben, die technischen Ausrüstungen, die sie dafür zu beschaffen oder selbst zu produzieren haben. Das ist minutiös bis in die letzten Einzelheiten festgelegt. Ich bin gar nicht in der Lage, selbst wenn ich der Meinung wäre, daß Herr Wienand in der Sache recht hätte, davon abzuweichen. Ich müßte so ehrlich sein und sagen: das ist mit der Position des Verteidigungsministers dieser Regierung nicht zu vereinbaren.
Wir haben bei der letzten Dezember-Konferenz und jetzt wieder bei der April-Konferenz kennengelernt - ich muß es einmal so deutlich sagen -,
daß die NATO den kriegsabschreckenden Wert des Beitrages einer Mitgliedsnation in erster Linie nach der nuklearen Kapazität ihrer Schildstreitkräfte bemißt. Wir wollen ja nicht am Schluß eines konventionellen Krieges ruhmreich mit wehenden Fahnen durch irgendein Siegestor marschieren, sondern wollen das Maximum des abschreckenden Effekts durch die gemeinsame Leistung des Bündnisses erzielen. In dieser gemeinsamen Leistung des Bündnisses ist der Ausschnitt Deutschland durch ein internationales Dokument bis in die Einzelheiten hinein mit Zustimmung aller Länder, auch Großbritanniens, angenommen worden.
({15})
Ich möchte mich auf diese Bemerkungen beschränken. Es hat keinen Sinn, hier sozusagen eine Atomdebatte per occasionem zu führen.
Ich darf auf das Gebiet der psychologischen Verteidigung zu sprechen kommen, über das man ja auch lange reden könnte. Mir scheint, daß auch die psychologische Verteidigung tatsächlich Aufgaben hat. Z. B. haben die Äußerungen des Kollegen Wienand bewiesen, daß in seinem historisch-politischen Bild doch noch einiges verbesserungsbedürftig zu sein scheint, bevor er es mit dem Anspruch auf so viel Authentizität hier im Parlament vertreten kann.
({16})
- Ja, das geht ineinander über, in diesem Fall genauso, wie ich der Meinung bin, daß ich gar nicht so kompetenzsüchtig bin, wie Sie glauben.
Ich bin durchaus der Meinung, daß die Bundeszentrale für Heimatdienst auf diesem Gebiet eine echte Aufgabe zu erfüllen hat. Ich möchte mich in keiner Weise gegen die von mir in ihrer Existenzberechtigung und ihrer Arbeitsweise nicht im mindesten bezweifelte Behörde wenden.
Erlauben Sie mir einmal, folgendes zu sagen. Sie sind nicht persönlich betroffen, Herr Kollege Berkhan, weil ich es schon wegen Ihres Geburtstages nicht so meine, zu dem auch ich herzlich gratulieren möchte. Die Bundeszentrale für Heimatdienst hat es bis jetzt noch nicht geschafft, dem Vorsitzenden einer Industriegewerkschaft beizubringen, daß der Berliner Innensenator, ein Mitglied der SPD, der auf Westberliner Boden regiert, kein Freund des Nationalsozialismus ist. Er hat es bis heute noch nicht fertiggebracht, einzusehen, daß die ({17}) „Berliner Zeitung" kein demokratisches Erzeugnis, sondern eines der Hetzorgane des Herrn Ulbricht ist, die er zur Meinungsbildung über den Westberliner Senat benützt hat.
({18})
- Da hat die Bundeszentrale so viele Aufgaben, Herr Kollege Erler, daß sie uns dieses Ziel bisher noch gar nicht geschafft zu haben scheint; da liegt noch ein reiches Betätigungsfeld.
({19})
Bundesverteidigungsminister Strauß
Ich möchte einschränkend ausdrücken. Im Herbst 1958 habe ich - zum Teil in Kenntnis gewisser Berichte, um es ganz ernst zu sagen, wie ich es meine, zum Teil, ohne daß ich ein Spökenkieker bin, in Vorahnung gewisser Dinge - von der Notwendigkeit gesprochen, daß die psychologische Verteidigung bei uns - man kann ihr ja einen anderen Namen geben - anders organisiert werden muß, als sie es ist. Sie ist nicht eine Aufgabe des Staates. Auf diesem Gebiet muß wesentlich mehr getan werden als bisher. Ich habe ausdrücklich erklärt - Sie können das Interview im Bulletin nachlesen; ich habe es bei mir -, daß die psychologische Verteidigung in ihrer Gesamtheit keine Angelegenheit des Verteidigungsministeriums sein kann, sein darf und nach meiner Zielsetzung und nach meinen Ansichten hierüber niemals sein soll. Ich habe aber gesagt: wir müssen mehr tun.
Ich bin nach dieser Äußerung mit einer Flut von Schmähungen überhäuft worden, die sich nicht zuletzt auch im „Vorwärts" niedergeschlagen haben. Es haben sogar hochmögende Politiker der SPD erklärt, es bestehe gar kein Anlaß für eine verstärkte psychologische Verteidigung, es bestehe gar keine Notwendigkeit dafür, dahinter stecke nur die Kompetenzsucht des Verteidigungsministers, oder man wolle jetzt wohl ein Amt für psychologische Kriegführung schaffen. Ich bin sehr wohl der Meinung, Kollege Berkhan - ich weiß nicht, ob Sie oder einer Ihrer Kollegen sich hierzu geäußert haben -, daß wir die Bemühungen der Bundesregierung auf
diesem Gebiet organisatorisch konzentrieren und koordinieren müssen, damit es keine Überschneidung der Zuständigkeiten oder Tätigkeiten dieses oder jenes Ressorts gibt oder noch ein viertes Ressort tätig wird. Ich bin sehr wohl dieser Meinung; aber als ich die Meinung ausdrückte, haben Ihre Freunde mich, wie gesagt damit attackiert, daß man jetzt wohl ein neues Propagandaministerium, ein Ministerium für psychologische Kriegführung schaffen wolle und daß dafür gar kein Anlaß bestehe. Lesen Sie die Presse vom Oktober 1958 nach! Heute sagen Sie mit einer Verzögerung von eineinhalb Jahren genau dasselbe wie ich: daß man die Dinge zusammenfassen müsse.
Ich habe nur Zweifel - ,das darf mir niemand übelnehmen -, ob die Bundeszentrale für Heimatdienst in ihrer berechtigten Aufgabenstellung, der sie mit bestem Wissen und Gewissen nachkommt, das richtige Organ ist, um diese Frage zu lösen. Auch ich wäre dafür, notfalls dort die Mittel zu verstärken, wenn sie sinnvoll ausgegeben werden können. Jedenfals muß ich sagen: Was sich im Laufe der letzten Monate in der Bundesrepublik und um die Bundesrepublik herum auf dem Gebiet der psychologischen Kampfführung, der Infiltration, der Zersetzung, der gezielten Hetze und Verleumdung, der Herabsetzung und der subversiven Zerstörung aller Einrichtungen, der systematischen Liquidation des Ansehens der Bundesrepublik ereignet hat, ist so erschreckend, daß man zu dem Ergebnis gelangen muß: was bisher getan worden ist, reicht nicht aus, um im Inland den Menschen die Augen zu öffnen und um im Ausland eine objektive Beurteilung der deutschen Frage herbeizuführen.
({20})
Ich habe gar nicht den Ehrgeiz, in meiner Zuständigkeit, die ohnehin reichlich ausgelastet ist, mehr zu tun, als ich tun muß. Aber ich bin nicht einig mit Ihnen, was die Höhe des von Ihnen vorgeschlagenen Ansatzes betrifft.
({21})
- Ich bin darin mit Ihnen einig, daß im allgemeinen mehr getan werden muß, so einig, daß ich schon im Oktober 1958 trotz der gegen mich vorgetragenen Attacken bei meiner Meinung geblieben bin, um heute mit Freude feststellen zu können, daß Sie sich meiner Meinung anschließen.
({22})
Ich darf zweitens sagen, daß auch ich eine gewisse Konzentration und Koordinierung für notwendig halte, weil ich immer der Meinung war, daß das Verteidigungsministerium nicht die richtige Zentrale dafür sein kann; ich brauche es nicht zu wiederholen. Aber ich muß die Frage stellen, ob die Bundeszentrale für Heimatdienst die richtige Zentrale, die richtige Koordinierungsstelle, die richtige Führungsstelle für die Lösung der Aufgaben ist, von deren Bewältigung für uns viel abhängt, nicht zuletzt die Frage, ob wir uns in fünf oder zehn Jahren, wenn Gott uns die Gesundheit schenkt, noch in Ruhe über die Probleme unterhalten können. Ob die Bundeszentrale für Heimatdienst die richtige Stelle ist, um diese Aufgabe zu lösen, das müßte einmal ernsthaft geprüft werden.
({23})
Ich habe in meinem Haushalt z. B. einen von niemandem beanstandeten Betrag von 9 Millionen DM für Nachwuchswerbung. Diese richtet sich doch nicht an die Mitglieder der Bundeswehr selber, sondern sie geht hinaus an die jungen Leute. Was wir heute auf diesem Gebiet feststellen, führt uns zu der Schlußfolgerung, daß eine Nachwuchswerbung etwa mit den Mitteln einer Werbung für Markenartikel - also: „Kommt zur Bundeswehr!" usw. - nicht ausreicht, daß es vielmehr darum geht, die psychologischen Grundlagen der Verteidigungsbereitschaft angesichts der jeweiligen, zur Zeit sehr kritischen politischen Situation zu festigen, zu stärken und dort, wo sie verlorengegangen sind, wiederherzustellen.
({24})
Ich maße mir nicht an, die Bundeswehr zu einer geistigen oder psychologischen Schule der Nation machen zu wollen. Aber ich darf Ihnen einmal einige Zahlen darüber nennen, was z. B. an Druckschriften gegen die Bundesrepublik verbreitet worden ist. Nach Ansicht der zuständigen Stellen waren es im Monatsdurchschnitt 1957 300 000, 1958 2 Millionen, 1959 5 Millionen. Im Jahre 1960 sind es nach Schätzung der staatlichen Verfassungsorgane bereits 10 Millionen Druckschriften im Monat, die zum großen Teil in die Bundeswehr eingeschleust
Bundesverteidigungsminister Strauß
werden, zum Teil auch außerhalb der Bundeswehr verbreitet werden. Es ist nur ein Teil, einen großen Teil erfaßt man ohnehin nicht.
Sie werden es mir nicht übelnehmen, wenn ich Ihnen etwas ins Gedächtnis rufen muß, was Ihnen, meine Damen und Herren von der Opposition, vielleicht nicht ganz angenehm ist. Aber wir kämpfen auch gegen manche Erscheinungen an, die nicht aufzutreten brauchten, wenn wir uns über gewisse Grundsätze einig wären und wenn Sie die Autorität hätten, bei Ihren Jugendorganisationen dafür zu sorgen, daß das Godesberger Programm nicht Lippenbekenntnis, sondern Wirklichkeit ist.
({25})
Ich habe eine Fülle von Dingen darüber; ich kümmere mich gar nicht darum. Wegen einiger Dinge habe ich Strafantrag gestellt. Ich greife einen Fall heraus, der vor vier oder fünf Wochen auf meinen Schreibtisch gekommen ist.
In einem Heim der Hamburger Jugendbehörde - Präses ist die Senatorin Karpinski, SPD - ist trotz monatelanger Beanstandung eine Wandzeitung der Falken, der Sozialistischen Jugend, ausgehängt. Ich zitiere nur ein paar Sätze; ich möchte Ihnen das Peinliche ersparen, sich alles anhören zu müssen. Da heißt es:
Du hast dich Montag Punkt 9 Uhr im Kasernenhof beim Oberfeldwebel Soldatenschinder zu melden. Oberfeldwebel Soldatenschinder ist der richtige Vorgesetzte für dich, ausgebildet bei
der SS-Standarte Grausamkeit zu einem zackigen . . .
- dann kommt's unleserlich im Blankschen Sonderbataillon. Mitzubringen hast du, wenn vorhanden, Naziorden, deinen alten Kadavergehorsam. Dein Hirn ist zu Hause zu lassen. Das Denken besorgen andere für dich.
Ein anderer Fall: das Flugblatt, das dann auf unsere Intervention hin entfernt worden ist, auf dem die Toten der Iller dargestellt wurden und ein gezielter Pfeil auf meine Person zeigt, und da heißt es: der Anstifter, d. h. praktisch der Mörder. Demnach wäre der Bundesverkehrsminister in Zukunft für alle Eisenbahnunfälle verantwortlich im Sinne einer strafrechtlichen Verantwortung, nämlich der politische Anstifter. Das ist es doch, was die Atmosphäre vergiftet, das ist es doch, was u n s mißtrauisch macht, Herr Kollege Berkhan. Dazu haben wir viel mehr Grund.
({26})
Ich bitte Sie, mir zu glauben, daß ich nur einen ganz geringen Ausschnitt, nur ein Jota aus dem ganzen Alphabet, das mir im Laufe der Zeit immer wieder zufließt, herausgegriffen habe, um Ihnen zu zeigen, wie ernst die Dinge mit dieser Art der Propaganda stehen. Ich rede gar nicht davon, ob sie sich für oder gegen die Bundeswehr, für oder gegen den militärischen Dienst richtet, aber davon, daß Organisationen innerhalb der Bundesrepublik, die sich ein gewisses Maß an politischer Verantwortung, an
politischem Mitbestimmungs- und Mitspracherecht anmaßen, in die systematische Diffamierung der Bundesrepublik, in die systematische Diffamierung ihrer Institutionen einstimmen.
Dazu gehört auch, ohne daß ich es hier breittreten möchte, die Frage der einseitigen Kontakte mit den Gewerkschaften. Kann es denn die Bundeswehr mit ihrer Selbstachtung vereinbaren, Instruktoren der Gewerkschaften zur Aufklärung zuzulassen, daß aber Bundeswehroffiziere oder Bundeswehrsoldaten als Staatsbürger minderen Grades nicht als Referenten für die Vertretung ihrer Ansicht in Gewerkschaftskreisen auftreten dürfen?
({27})
In der Nummer des „Vorwärts" von heute steht ein Artikel von F. S. G., also nicht einmal von Jesko von Puttkamer, in dem die Haltung der Gewerkschaften auf diesem Gebiet expressis verbis und mit einer ausdrücklichen Begründung noch gerechtfertigt wird. Da müßten Sie doch mit uns an einem Strange ziehen; da müßten Sie doch mit uns gemeinsam dafür sorgen, daß die Bundeswehr nicht in eine Selbstisolation hineingetrieben wird, für die nicht der leiseste Anlaß besteht.
Ich habe gar keinen Grund, mir ein Mißtrauen vorwerfen zu lassen, das in der Sache begründet wäre.
({28})
Das Mißtrauen der mangelnden Kontrolle, Kollege Berkhan, beruht ja praktisch vielleicht im Berufsrecht der Opposition oder im Recht der Berufsopposition;
({29})
aber das ist eine andere Frage.
Immerhin können Sie nicht bestreiten, daß wir unter den schlechtesten Voraussetzungen und gegen zahlreiche Widerstände, die Ihnen genauso gut bekannt sind wie uns, den Aufbau der Bundeswehr begonnen haben. Sie können nicht sagen, daß uns nicht zahlreiche Hindernisse in den Wege gelegt worden sind, daß uns nicht die übelste Prognose mit auf den Weg gegeben worden ist. Ich muß heute sagen, daß der Geist der Bundeswehr, die Grundsätze der inneren Führung, die Grundsätze der Treue zum demokratischen Staat nach dem Urteil des Inlands und des Auslands, wie zahlreiche Besichtigungen, Pressefahrten, Sonderinspektionen und Sonderartikelserien bewiesen haben, doch Gott sei Dank über jeden Zweifel erhaben sind.
({30})
Darum sollten wir nicht so sehr vom Mißtrauen reden. Siehe Falken, siehe Gewerkschaften oder Jugendorganisationen der IG Bergbau, gedeckt durch die Gesamtorganisation der IG Bergbau! Wir sollten davon sprechen, daß wir dieser Armee gemeinsam ein moralisches Fundament für die Erfüllung ihrer schweren Aufgaben geben müssen.
({31})
Aber es führt über den Rahmen dieser Debatte hinaus, dieses Thema fortzusetzen. Herr Kollege
Bundesverteidigungsminister Strauß
Schäfer, ich darf zum Schluß noch einiges zu dem sagen, was Sie ausgeführt haben. Sie haben über verschiedene Dinge gesprochen. Zunächst haben Sie von der Verschiebung zwischen den einzelnen Titeln, vom Mißbrauch des Plafonds gesprochen. Nun, Sie bezeichnen sich mit Recht als Experten auf diesem Gebiet. Wann muß der Haushalt 1961 aufgestellt werden? Der Haushalt 1961 ist in meinem Hause bereits weitgehend fertig.
({32})
Der Haushalt 1961, der, wenn es gut geht, am 1. April 1961 in Kraft tritt, reicht bis zum 31. März 1962.
({33})
- Entschuldigung! - 1960/61, - stimmt schon!
({34})
Bis zum 31. Dezember, Herr Minister!
Ich bitte, mir die drei Monate Bewährungsfrist zu gewähren.
({0})
Was ich sagte, gilt für die Vergangenheit. Angesichts der raschen Entwicklung der modernen Waffentechnik, angesichts der Tatsache, daß wir einen Faktor nicht unter unserer souveränen Kontrolle haben, nämlich den Faktor der NATO-Planung, der wir uns einzufügen haben, angesichts der Tatsache, daß die Verwirklichung mancher Programme länger als ursprünglich angesetzt dauert - das gilt im Bauwesen genauso wie bei gewissen Entwicklungs-und Produktionsprogrammen -, kann man unseren Materialhaushalt nicht mit dem Materialhaushalt der Bahn oder der Post oder mit dem einer Gemeinde, und sei sie auch noch so groß, in irgendeiner Form vergleichen.
Wir haben doch sehr sorgfältig gewirtschaftet. Wir haben doch die Möglichkeit gehabt, 2 bis 3 Milliarden DM zu verbauen. Wir haben von allen Experten die Zusage bekommen, daß für militärische Bauten bis zu 10 % des Bauhaushalts verwendet werden könnten. Wir haben 3 0/o des Bauhaushalts nie überschritten.
({1})
- Einschließlich der Tiefbauten und der Straßenbauten haben wir 3% nie überschritten. Wir haben von unseren Vollmachten einen maßvollen Gebrauch gemacht, Herr Kollege Schäfer. Wir haben von ihnen Gebrauch gemacht jeweils in Abstimmung mit dem Herrn Finanzminister, mit dem Herrn Wirtschaftsminister, mit der Bundesnotenbank und auch mit den Verbänden, die sich auf dem Gebiete der Konjunktur ein gewisses Urteil erlauben können.
Warum soll man Ausgabereste verfallen lassen, um sie dann wieder neu genehmigen zu lassen, wie Sie es auf gewissen Gebieten wollen? Wir haben doch die Lieferfristen absichtlich gestreckt, um in den Industrien, in denen ein großer Auftragsbestand vorhanden war und wo sich Erhitzungserscheinungen abzeichneten, durch Verlängerung der Auftragsfristen - auch in ein anderes Haushaltsjahr hinüber - eine dämpfende Wirkung auszuüben. - Bitte sehr, Herr Kollege Schäfer!
Herr Minister, Ihr Haushalt wird immer als letzter behandelt, und es gibt auch zu Ihrem Haushalt Nachschiebelisten für sehr unbedeutende Dinge. Ich würde es für richtig halten, daß Sie dem Haushaltsausschuß diese großen, wichtigen Projekte rechtzeitig, ungefähr vier Wochen vor der Schlußberatung, mit einer Korrektur vorlegen. Meinen Sie nicht auch, daß das richtiger wäre?
Gut, die Frage ist hinterhergekommen.
Ich darf, ohne eine neue Fragestellung provozieren zu wollen, sagen, daß ich Sie nicht ganz verstehe. Wir haben alle großen Projekte, auch wenn sich außerplanmäßige Ausgaben ergeben haben, mit entsprechenden Einsparungsvorschlägen auf anderen Gebieten den beiden beteiligten Ausschüssen in Wahrung der Usance - ich glaube nicht, in Wahrung zwingender gesetzlicher Vorschriften, aber in Wahrung der Usance - vorgelegt. Warum haben wir denn z. B. dieses erbitterte Gespräch über die F 104 gehabt? Da stand der Flugzeugtitel längst drin. Ich wollte nie diese schwierige Entscheidung treffen, ohne daß die Ausschüsse Schritt für Schritt an ihr beteiligt werden. Die Initiative kann natürlich nur der Ressortminister ergreifen.
Ich darf noch ein Wort zu den Vorauszahlungen ins Ausland sagen, Kollege Schäfer. Ich sage jetzt vielleicht Dinge, die man politisch gegen mich oder gegen unsere Politik verwenden kann, wenn man sie „kleinkariert", „engmaschig" betrachtet. Wir haben nicht gewünscht, daß die Verteidigungsausgaben in einem noch größeren Maße hinter den Lasten zurückbleiben, die wir nach allgemeinem internationalem Urteil auf uns zu nehmen haben. Wir wollen die volle Loyalität unserer Bundesgenossen, wir wollen die volle Risikobereitschaft unserer Bundesgenossen, wir wollen notfalls, daß sie bereit sind, für Berlin den Kopf alleine hinzuhalten, weil es ihre alleinige Verantwortung und Aufgabe ist.
Wir können doch nicht mit ihnen um die Mark rechten und krämern. Wir können in der Frage unserer Verteidigungslasten nicht in letzter formaler Auslegung des Haushaltsrechts mit ihnen rechten und schachern, während in Wirklichkeit große politische Dinge auf dem Spiel stehen.
Ich darf Ihnen einmal einige Zahlen nennen. Ich habe hier die Angaben aus dem Monatsbericht der Deutschen Bundesbank vom März 1960, Zahlen, die für jeden, der sie liest - vielleicht haben Sie sie schon gelesen -, hochinteressant sind. Hier steht: 4,4 Milliarden DM Verteidigungsaufwand bei einem Bruttosozialprodukt von 97,2 Milliarden DM, im Jahre 1951 6,1 Milliarden DM bei einem Bruttosozialprodukt von 116,6 Milliarden DM, im Jahre 1952
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7,5 Milliarden DM bei einem Bruttosozialprodukt von 135,6 Milliarden DM. Ich überspringe jetzt einige Jahre, nur um Zeit zu sparen. Im Jahre 1957 waren es bei einem Bruttosozialprodukt von 214 Milliarden DM 5,9 Milliarden DM, weniger, als wir im Jahre 1952 hatten. 1958 waren es bei einem Bruttosozialprodukt von 227 Milliarden DM 6,2 Milliarden DM und im Jahre 1959 bei einem Bruttosozialprodukt von 245 Milliarden DM 8,5 Milliarden DM.
Das beweist doch, daß der Anteil der Verteidigungslasten am Gesamtsozialprodukt seit der reinen Besatzungszeit bei uns zurückgegangen ist, und das trotz der Vorauszahlungen an das Ausland und in einer Zeit, wo wir allen Grund haben - wir werden, glaube ich, in diesem Jahr noch merken, daß diese Bemerkung nicht eine törichte, eitle und leere Prophezeiung ist -, durch Verteilung der Lasten mit der Übernahme eines Teils auch auf die deutschen Schultern das System der internationalen oder kollektiven Sicherheit und Verteidigungsbereitschaft auf Gegenseitigkeit zu unseren Gunsten redlich zu strapazieren. Wir sind die Hauptnutznießer dieses Systems.
({0})
In dem Zusammenhang darf ich Ihnen noch etwas ins Gedächtnis rufen, was Sie ja wissen, Herr Kollege Schäfer. Sie wissen doch, daß Amerika seit einigen Monaten - siehe die Mission von Herrn Dillon hier - ungeduldig darauf drängt, daß die Europäer größere Lasten übernehmen, mit der berechtigten Feststellung, sie könnten mehr übernehmen, wenn sie es ernst nähmen und nicht alles auf den amerikanischen Partner abschöben. Die Amerikaner haben 170 Milliarden DM Verteidigungsausgaben im Jahr, die Engländer 18,5 Milliarden DM, die Franzosen 14,5 Milliarden DM, und dann etwa werden in der absoluten Größenordnung wir kommen.
Sie wissen, daß die Frage der Stationierungskosten wieder drohend vor unserer Türe stand und daß wir durch die Vorauszahlungen an England und durch die Vorauszahlungen an Amerika einschließlich der vorzeitigen Schuldentilgung eine Lösung gefunden haben, damit nicht die Frage der Stationierungskosten zu einem neuen kontroversen Problem zwischen uns und unseren Bundesgenossen wird.
({1})
Ich glaube, dieser Weg, wo das Geld für parlamentarisch genehmigte Rüstungsprogramme, für parlamentarisch genehmigte Beschaffungsprogramme sichergestellt ist und sogar mit Zinsen arbeitet, ist sowohl rechtlich einwandfrei als auch politisch vernünftig und hinsichtlich der Verantwortung, die wir tragen, ein Weg, den wir mit gutem Gewissen verteidigen können und bei dem wir uns nicht anschuldigen zu lassen brauchen. Ich habe davon gesprochen, daß diese Gelder verzinst werden. Sie tragen mehr Zinsen in Amerika als bei der Bundesnotenbank.
Herr Kollege Schäfer, Sie tragen sich mit der Hoffnung, nächstes Jahr die Wahl zu gewinnen. Sie tragen dann die Folgen, wenn, weil wir nicht gewisse Dinge ändern, ein neuer Juliusturm alten Stils entsteht.
({2})
Wenn ein neuer Juliusturm alten Stils oder - ich glaube, auch der Name ist gefallen - ein innenpolitischer Franz-Joseph-Turm entstünde
({3})
- ich weiß, das, was ich jetzt sage, ist Angriffsmaterial gegen mich und meine politischen Freunde; ich sage es trotzdem; wir wollen die Dinge einmal ganz offen hier auf den Tisch legen -, würde ein Massenansturm all derer einsetzen, die für diese Gelder gute Verwendung wüßten, die aber spätes nicht bereit wären, dann, wenn die Spitzen für uns und für die Aufstellung der Bundeswehr kommen - für die ja auch Sie sind -, die nötigen Konsequenzen mit all ihrer Härte zu tragen.
({4})
Es gibt eine alte parlamentarische Regel, die soll ein alter aus dem Unterhaus ausscheidender britischer Parlamentarier seinem jungen Kollegen gesagt haben: „Du mußt immer für Einsparungen eintreten, du darfst nur nie sagen, wo.
({5})
Mit den Einsparungen machst du dich überall beliebt. Aber sobald du sagst, wo, ziehst du dir Feinde zu!"
({6}) ({7}) die Planung geändert werden mußte - die Gründe dafür sind bekannt -, b) weil wir selbst die Liefertermine für Bauten und Beschaffungen gestreckt haben, um mit Herrn Blessing von der Bundesbank gemeinsam die Dinge so zu betreiben, daß keine ungesunden Erscheinungen eintreten, c) sind Änderungen eingetreten, weil die NATO durch die MC 70 ihre Planung geändert hat. Das hat Einsparungen ergeben, aber keine Einsparungen, die man für andere Zwecke verwenden kann, sondern Einsparungen, die wir bitter notwendig brauchen werden, wenn die Restaufstellung der Bundeswehr gerade in den schwierigen Programmen durchgeführt werden muß. Wir werden wahrscheinlich dann ja Zeit haben, uns noch zu überlegen, ob es notwendig ist oder nicht, die Restaufstellung vorzunehmen. Ich möchte dem Erfolg eines kommenden Abrüstungsgesprächs durch meine Haushaltsrede sicherlich nicht einen Antientspannungseffekt verleihen, der mir auf Grund meiner Reden so oft unterstellt wird.
({8})
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- Antizyklisches Verhalten, in diesem Fall auf Spannung und Entspannung bezogen.
Aber es ist absolut notwendig, daß wir über diese Beträge verfügen können. Es ist notwendig, weil noch Ausgaben auftreten werden, zu deren Deckung uns die erübrigten Summen und die Vorauszahlungen sehr gut tun werden. Ich sehe nicht ein, wie man bei einmaligen Einsparungen in Zukunft Dauerausgaben begründen kann, die Jahre, 10 Jahre oder eine halbe Generation lang die ganze Finanzplanung vorwegbelasten. Wir haben hier eine Politik getrieben, die einen Mißbrauch mit diesem Geld durch eine vernünftige Verwendung, die wir ihm gegeben haben, verhindert hat, wenn ich es in dieser Deutlichkeit sagen darf,
Schließlich darf ich Ihnen noch sagen, daß wir für das Regierungsabkommen mit Amerika sehr dankbar sind. - Jetzt sage ich wieder ein Wort gegen gewisse privatwirtschaftliche Rüstungstendenzen. Die Amerikaner haben uns auf Grund des Regierungsabkommens ihre ganzen Dienste, wie Kollege Leicht angedeutet hat, zur Verfügung gestellt, z. B. die Preisprüfung. Wir sparen eine Menge Ärger, parlamentarische Anfragen, Rechnungshofbedenken usw.
Ich nenne einmal ein paar Positionen: Heeresfunkgeräte. Stückzahl: 1165. Der von den Firmen angebotene Gesamtpreis: 14 531 103,40 DM. Der von der amerikanischen Regierung für uns ausgehandelte Preis: 7 489 359,36 DM.
({9})
- Sehr interessant, durchweg. Das heißt, der Firmenmehrpreis ist beinahe 50% höher.
({10})
- Ja, 100 %, 94 % genau.
Es ist für uns fast unmöglich, im Ausland eine völlig exakte Preisprüfung vorzunehmen. Sie ist im Inland schon sehr schwierig. Bei mehreren Fällen ist es uns passiert - ({11})
- Wir verfügen eben nicht über so ausgezeichnete Experten; aber ich bin ja nicht zuständig für die Preisprüfung. Die Zuständigkeit für die Preisprüfung lag bisher bei den Ländern. Ich darf einen Fall nennen; ich sage nicht, wann, wo und mit welcher Firma er passiert ist. Wir haben einen Preis beanstandet, weil dieselbe Firma das Gerät an die Stationierungsmacht billiger geliefert hat. Wir haben die offizielle Preisprüfung eingeschaltet. Sie hat einen Schlußbericht vorgelegt, daß zu dem von uns als zu hoch bezeichneten Preis noch etwas daraufgelegt werden müsse, um den angemessenen Preis zu erreichen.
({12})
Das ist passiert, der Vorgang liegt bei den Akten.
Oder ein anderes Beispiel, ein Werkstattschiff. Firmenpreis - nach harten Verhandlungen - 1 176 000 DM; amerikanischer Regierungspreis: 588 000 DM.
({13})
- Ich bin mir mit dem Kollegen Erhard völlig einig, daß nur Leistungsvergleiche, Konkurrenz, das Ausspielen aller Faktoren, staatlicher Faktoren gegenüber der privatwirtschaftlichen Sphäre und innerhalb der privatwirtschaftlichen Sphäre das Einholen verschiedener Konkurrenzangebote und das Ausspielen der Partner gegeneinander dem Steuerzahler geringere Lasten und uns mit den uns zur Verfügung gestellten Geldern einen größeren Nutzeffekt bringt.
({14})
Daß man hier nicht absolut fehlerfrei handeln kann, ist klar. - Ich wollte ja auch einen versöhnlichen Abschluß finden.
({15})
Aber Sie können uns wirklich glauben, daß wir uns bemühen, von diesen Mitteln den sorgsamsten Gebrauch zu machen, so groß die Ansätze sind, die wir auf dem Gebiet der modernen Verteidigung bereitstellen müssen.
Noch eines, Herr Kollege Schäfer: Wenn alle NATO-Mächte so wenig Fehldispositionen getroffen hätten wie wir, solche Mächte, die nicht auf dem Nullpunkt aufbauen mußten, solche, die über eine ungetrübte Kontinuität der Erfahrungen verfügen, die über einen intakten Apparat verfügen, - glauben Sie mir, mancher Verteidigungsminister in den anderen Ländern hätte weniger Sorgen. Wir haben keine Entwicklungen unternommen, die zu keinem Ergebnis geführt haben. Ich behaupte nicht, daß alle Entwicklungen zu dem gewünschten Ergebnis geführt haben.
({16})
- Auch die Schützenpanzer laufen jetzt und sehen nicht nur schön aus.
({17})
- Ja, jetzt. Was glauben Sie, was Sie damit gespart haben, daß wir die Schützenpanzer zwei Jahre nicht in Dienst hatten, - wenn ich einmal von Ihrem Standpunkt ausgehe; aber den kann ich ja nicht als für mich gültig zugrunde legen.
Wir haben von den größeren Nationen der NATO mit einem beträchtlichen Budget - natürlich jeder im Rahmen seiner Leistungsfähigkeit - noch am wenigsten Fehldispositionen getroffen, weil wir am sorgsamsten geplant, am gründlichsten geprüft und trotz aller Mahnungen und Terminschwierigkeiten erst zugegriffen haben, wenn wir uns unserer Sache sicher zu sein glaubten. Was wird in Amerika an Entwicklungen gestrichen! Was ist in Kanada an Entwicklungen gestrichen worden! Was ist in Großbritannien an Entwicklungen gestrichen worden! Was ist in anderen Ländern an Projekten unternommen worden, die dann nach drei, vier Jahren wieder aufgegeben wurden! Ich möchte die Summen, die ich kenne, jetzt nicht im einzelnen nennen, um keinen neuen Konfliktstoff oder Gesprächsstoff zu schaffen. Aber daran gemessen darf ich sagen, daß wir trotz aller Fehler und Versäumnisse im kleinen, vor denen kein Mensch sicher ist, mit dem uns anvertrauten Geld der Steuerzahler, gemessen
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an der politischen und militärischen Aufgabe, die wir zu erfüllen hatten, einen sorgsamen und verantwortungsbewußten Gebrauch gemacht haben.
({18})
Meine Damen und Herren, ehe ich dem Herrn Abgeordneten Merten das Wort gebe, möchte ich dem Hohen Hause noch etwas bekanntgeben, was sicherlich für alle von großem Interesse ist. Es ist eine interfraktionelle Vereinbarung getroffen worden, daß angesichts der jetzt gemachten Fortschritte die dritte Lesung erst am 5. Mai stattfinden und daß auch die zweite Lesung des Einzelplans 26 bis zum 5. Mai zurückgestellt wird.
Herr Abgeordneter Merten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Obwohl der Herr Minister über eine Stunde gesprochen hat, habe ich die Absicht, nur auf einen einzigen Punkt einzugehen, weil er der Richtigstellung bedarf. Der Herr Minister hat von einem Fall in Hamburg berichtet, wo in einem Jugendheim ein Anschlag, eine Wandzeitung angebracht war, die Bilder und Texte enthielt, von denen er hier bereits Zitate vorgetragen hat, Bilder und Texte auf jeden Fall, die von niemandem, auch nicht von der SPD, gebilligt werden können. Der Herr Minister hat gesagt, trotz monatelanger Beanstandung habe diese Wandzeitung dort gehangen. Ich muß den Herrn Minister berichtigen. Die Beanstandung ist nicht monatelang erfolgt, sondern nur einmal, und auf Grund dieser Beanstandung sind die Dinge sofort in Ordnung gebracht worden, obwohl die Beanstandung alles andere als ordnungsgemäß war.
Tatsache ist, daß ein Politiker, der diese Wandzeitung beanstandete, das nicht etwa bei der dafür zuständigen Stelle tat, sondern diese Beanstandung der Presse und dpa übergab, so daß die Senatorin Karpinski, die die zuständige Stelle war, überhaupt erst auf Umwegen etwas von dieser Beanstandung erfuhr. Sofort, als sie es erfuhr, mitten in der Nacht, hat sie die Wandzeitung beseitigen lassen. Ich muß Ihnen sagen, Herr Minister, daß sich inzwischen die Jugendorganisation, die für diese Wandzeitung verantwortlich war, weil eine Untergruppe von ihr sie dort angebracht hatte, sich von diesem Verhalten ihrer Untergruppe in aller Öffentlichkeit und in aller Schärfe distanziert hat, und ich muß Ihnen weiterhin sagen, daß die Bundeswehr, die sich durch einen Vertreter des Wehrbereichskommandanten bei der Senatorin Karpinski nach dem Stand der Sache erkundigt hat, sich für befriedigt erklärt hat, als sie erfuhr, was veranlaßt worden war, und erklärt hat, der Fall sei für sie erledigt. Ich muß Ihnen weiterhin sagen, daß in der Bürgerschaft in Hamburg eine ausführliche Debatte über diese Angelegenheit stattgefunden hat und daß sie auch dort in allen Punkten klargestellt worden ist.
Ich empfinde es deswegen als reichlich merkwürdig, daß ausgerechnet heute, nachdem alles erledigt ist und Sie, Herr Minister, genau wissen, daß die
SPD sich von dieser Angelegenheit distanziert hat, daß die „Falken" sich von dieser Angelegenheit distanziert haben, daß die Bundeswehr den Fall für erledigt erklärt hat, Sie ihn nunmehr hier benutzen, um Mißtrauen gegen die Haltung der SPD zur Landesverteidigung auszusäen. Gegen diese Methode gäbe es einiges zu sagen. Ich möchte mich aber ganz kurz fassen und im Namen meiner Freunde nur erklären, daß wir diese Art und Weise, Mißtrauen gegen die Haltung meiner Partei zur Landesverteidigung in der Öffentlichkeit zu verbreiten, in aller Schärfe zurückweisen.
({0})
In diesem Falle scheint sowohl bei dem Anzeiger in Hamburg als auch bei Ihnen, Herr Minister, doch das Interesse weniger an der Beseitigung dieser Wandzeitung gelegen zu haben als an dem öffentlichen Wirbel, den man daraus hat entstehen lassen können.
({1})
Das Wort hat der Bundesverteidigungsminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf zwei Dinge klarstellen; in einem Falle, weil hier von einem Vorredner eine falsche Information verbreitet worden ist, im anderen Falle, weil Herr Kollege Merten eine offene Tür eingerannt hat.
Im ersten Falle handelt es sich um die Bezahlung für nebenberufliche Lehrer an Fachschulen beim Bundesgrenzschutz. Nach Auskunft des Fachschulreferenten des Innenministeriums beträgt die Bezahlung dort 7 DM je Stunde, wie das bisher auch beim Verteidigungsministerium der Fall war. Ich habe natürlich nicht gewagt, an der Richtigkeit einer parlamentarischen Aussage zu zweifeln.
({0})
- Nein, das hat hier ein Redner gesagt, Herr Kollege Berkhan!
({1})
- Ich habe nur gesagt: „parlamentarische Aussage"!
({2})
Ich habe nicht gewagt, an der Richtigkeit einer parlamentarischen Aussage zu zweifeln, und aus ihr gewisse Schlußfolgerungen gezogen, wie die, daß man anscheinend doch nicht so sehr der Diktatur des Finanzministeriums unterstehe, wie das Verteidigungsministerium bisher angenommen habe. Ich darf feststellen, daß diese Annahme falsch war.
Herr Kollege Merten, ich habe kein Wort des Vorwurfs an die Adresse der SPD oder an die Adresse der Fraktion gesagt. Ich habe Ihnen im Zusammenhang mit dem Thema „Psychologische Verteidigung", im Zusammenhang mit dem Thema „Aufklärung über Verteidigungsbereitschaft", im Zusammenhang mit dem Thema „Nachwuchswerbung" auf dieses Beispiel hingewiesen, bei dem es
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nicht so interessant ist - im Zusammenhang mit dem Thema -, daß die Zeitschrift wieder entfernt worden ist und wann sie entfernt worden ist - dafür danken wir der Senatorin Karpinski -, sondern bei dem interessant ist, daß so etwas überhaupt geschrieben, ausgehangen und damit der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden konnte. Die Verantwortung dafür hat doch nicht die SPD. Ich habe gesagt, ich wollte, Sie hätten mehr Kontrolle über Ihre Jugendorganisationen, als Sie sie haben. Es gibt ja hier verschiedene Beispiele; aber auf sie wollte ich gar nicht eingehen.
Ich stelle mir aber jetzt wirklich die Frage, Herr Kollege Merten: was muß bei einem solchen Mann für ein Geist herrschen, der so etwas zu Papier bringt und öffentlich aushängt? Was muß dort für eine Gesinnung vorhanden sein? Gegen eine solche Gesinnung sollten wir nicht mit gewalttätigen Maßnahmen, sondern mit gemeinsamer Aufklärung vorgehen. Ich glaube, daß das Verteidigungsministerium hier eine legitime Aufgabe hat.
Ich habe die Dinge nicht breitgetreten. Es ist doch denkbar geschmacklos und ein Abklatsch der kommunistischen Propaganda, wenn man mich als den Mörder der Iller-Opfer darstellt und ähnlichen Unsinn behauptet. Uns beunruhigt der Geist, der hier vorherrscht, und uns beunruhigt die sprachliche Formulierung - darf ich sagen -, die doch bis in Nuancen einer Diktion entspricht, deren Opfer wir beide sind.
({3})
Wir sind damit am Schluß der Rednerliste zum Einzelplan 14 angekommen. Die Abstimmung muß ich vereinbarungsgemäß bis 14.30 Uhr zurückstellen.
Ich rufe jetzt auf: Einzelplan 13
Geschäftsbereich des Bundesministers für das
Post- und Fernmeldewesen ({0}).
Es liegt ein Schriftlicher Bericht des Berichterstatters, des Herrn Abgeordneten Jürgensen vor. Ich nehme an, daß keine mündliche Berichterstattung erfolgen soll.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. - Das Wort hat der Herr Abgeordnete Cramer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur ein paar Worte zum Einzelplan 13, dem Einzelplan des Bundesministers für das Post-und Fernmeldewesen! Wir sind uns darüber im klaren, daß wir jetzt nicht über den Wirtschaftsplan der Bundespost, sondern lediglich über das Gehalt des Herrn Ministers und über das Ergebnis der Bundesdruckerei entscheiden. Die Behandlung dieses Einzelplanes ist für das Parlament die einzige Gelegenheit, überhaupt zur Bundespost Stellung zu nehmen, nachdem wir durch das Postverwaltungsgesetz die wesentliche Arbeit auf den Verwaltungsrat übertragen haben.
Wir ergreifen hier das Wort, um ein paar Wünsche vorzutragen. Unser erster und vornehmster
Wunsch ist, daß endlich das Postgeheimnis wiederhergestellt wird. Wir haben gestern in der Fragestunde einiges über dieses Problem gehört. Es wird immer noch eine gewisse Anzahl von Telefonanschlüssen überwacht. Der Herr Staatssekretär des Auswärtigen Amtes konnte nicht sagen, wieviel; er hat lediglich die Zahl 500 bestritten.
Ich glaube auch in der Annahme nicht fehl zu gehen, daß noch eine gewisse Briefzensur besteht. Wir kennen die Gründe, die dafür ins Feld geführt werden, meinen aber, daß eine Grundlage dafür nicht gegeben ist. Wir haben in der Bundesrepublik nicht den Zustand, der den Alliierten, unseren jetzigen Verbündeten, das Recht gibt, eine solche Zensur auszuüben. Wir möchten also bei dieser Gelegenheit den Wunsch aussprechen, daß der Herr Bundespostminister sich dafür einsetzt, daß die Übermittlung von Ferngesprächen, von Briefen und Postsachen völlig zensurlos erfolgt.
Wir haben vor allem den Wunsch, daß jedem Deutschen, jedem Bürger unserer Bundesrepublik die Möglichkeit gegeben wird, sich einen Fernsprechanschluß zu leisten. Wir wissen, daß das gewaltige Beträge für Investitionen erfordert. Wir wissen andererseits, daß das Geld, das im Fernsprechmeldewesen angelegt wird, sich sehr schnell amortisiert und daß wir auf diesem Gebiet gegenüber anderen Ländern noch sehr viel nachzuholen haben.
In der Zahl der Anschlüsse liegen wir noch ziemlich weit hinten.
({0})
Es wäre eine dankbare Aufgabe auch des Parlaments, dafür zu sorgen, daß dieser Zweig unserer Postverwaltung gefördert wird.
Ich möchte diese Gelegenheit dazu benutzen, den 400 000 Postbeamten den Dank für ihre wirklich aufopferungsvolle Tätigkeit auszusprechen. Wir hören sehr oft von dem Herrn Bundespostminister, daß es schwer ist, Fachpersonal zu bekommen, das den Anforderungen, die zu stellen sind, gerecht wird. Wir wissen, daß die Postfacharbeiter ihre sehr oft nicht nur körperlich, sondern auch geistig schwere Arbeit für eine Entlohnung zu vollbringen haben, die gegenüber der Entlohnung in der Industrie weit zurückgeblieben ist.
Wir möchten auch nicht, daß jede Lohnerhöhung und jede Arbeitszeitverkürzung als Begründung für eine Verschlechterung des Kundendienstes der Post benutzt wird. Wir haben erlebt, daß die Einführung der Briefkästen in den Hausfluren, die ja durch Mittel im Wirtschaftsplan der Post gefördert wird, nicht allein dazu geführt hat, daß die Post schneller zugestellt wird, sondern daß sie auch die unangenehme Begleiterscheinung hatte, daß die Postboten jetzt mehr schleppen müssen, daß ihre Bezirke vergrößert wurden und daß dadurch die Anforderungen, die an die einzelnen Bediensteten gestellt werden, erhöht wurden.
Wir wünschen, daß der Sektor Fernsprechwesen noch mehr Förderung erhält, als er bisher schon genossen hat; wir wünschen, daß die Dienste der Post nicht nur in den großen
Städten, sondern auch auf dem flachen Lande gefördert und gepflegt werden, damit die Bundespost in jeder Hinsicht auch im internationalen Postwesen ein Vorbild darstellt.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Besold.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege hat mit Recht gesagt, daß über Dinge, die in den Wirtschaftsplan der Bundespost gehören, hier nicht zu reden ist, da nach den gesetzlichen Bestimmungen hier allein der Verwaltungsrat zuständig und auch verantwortlich ist. Er ist aber doch in einigen Punkten in solche Darstellungen abgeglitten. Wir sollten uns daran gewöhnen, die Verantwortung dort zu lassen, wohin sie durch das Gesetz gelegt worden ist; denn dort können die Dinge am besten überblickt werden. Dort können die besten Erkenntnisse und auch Entscheidungsgrundlagen gefunden werden. Ich glaube, daß das auch der beste Weg zur Verwaltungsvereinfachung ist.
Sie haben, Herr Kollege, den Herrn Bundespostminister gebeten, dafür zu sorgen, daß jedem Deut- sehen ein Fernsprechanschluß gegeben und daß möglichst viel auf diesem Gebiet getan werde. Ich glaube, Sie haben hier eine unnötige Mahnung an den Herrn Postminister gerichtet; denn gerade auf diesem Gebiet hat das Postministerium seine größten Investitionen gemacht und wirklich alles nur Mögliche geleistet, sogar so viel geleistet, daß der Bundesrechnungshof deswegen den Herrn Postminister beanstandet hat; zu Unrecht, weil dort auch die größten Gewinne erzielt werden. Aber wenn Sie das schon vorbringen, so muß auch gesagt werden, daß gerade das Postministerium es verstanden hat, die Verluste in zielbewußter und zäher Arbeit abzubauen. Wir sind jetzt geradezu an einem Punkt angelangt, wo die Bundespost Gewinne hat. Die Ertragslage der Deutschen Bundespost hat sich in den letzten Jahren unter Mitwirkung des Postverwaltungsrates von Jahr zu Jahr positiver gestaltet. Das Ablieferungssoll an den Bund ist jetzt . auf eine Höhe von 330 Millionen DM jährlich gestiegen. Das sind die 62/3 %, die an den Bund abzuliefern sind: immerhin eine Entwicklung, die in den nächsten Jahren einen steigenden Beitrag zum Bundeshaushalt bringen wird.
Der Postverwaltungsrat sucht auch, das darf ich hier wohl sagen, in Zukunft überall dort einzugreifen, wo noch Verbesserungen und der . Abbau von defizitären Tendenzen möglich sind.
Das Wort hat der Herr Bundespostminister.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bedanke mich sehr, Herr Kollege Cramer, für die freundschaftlichen Mahnungen, die Sie mir für das kommende Jahr, das
Jahr 1960 und 1961, gegeben haben. Ich darf Ihnen versichern, daß es das Bestreben der Deutschen Bundespost und mein dringlichstes Anliegen sein wird, den Nachhol- und den Zuwachsbedarf gerade auf dem Gebiete des Fernsprechwesens so gut wie nur möglich zu befriedigen. Nur dürfen wir dabei nicht übersehen, daß eine ganze Reihe von Voraussetzungen gegeben sein müssen, bevor wir diese Investition in die Wirklichkeit umsetzen können.
Ich möchte erstens einmal sagen, daß der Bedarf da ist. Das ist keine Streitfrage. Ich habe im Jahre 1959 die Prognose gestellt und die Vermutung und Befürchtung ausgesprochen, daß wir im Jahre 1960 mit 80 000 unerledigten Anträgen rechnen müssen. Ich bin in dieser Befürchtung und Prognose noch in unangenehmem Sinne übertroffen worden. Wir haben heute bereits in Deutschland 110 000 Anträge liegen, die nicht erfüllt werden können. Das heißt, daß der Nachholbedarf außerordentlich groß ist. Punkt 1 der Voraussetzungen ist in jedem Falle erfüllt.
Punkt 2 ist ohne Zweifel die eigene Planungskapazität, die die Voraussetzung für eine sinnvolle Erweiterung und Ergänzung auf dem Gebiete des Fernsprechwesens schafft. Die Planung wird aber von Technikern ausgeführt, und gerade von den Technikern wissen wir, daß sie mit großen Verlockungen und besseren Angeboten in die übrige Wirtschaft abgezogen werden, Angeboten, wie sie die Bundespost als ein Betrieb der öffentlichen Hand überhaupt nicht machen könnte. Wir haben dafür Vorsorge getroffen, daß wir auf unseren eigenen Ingenieurschulen unseren Nachwuchs so weit als nur möglich fördern, weil dieser Nachwuchs für uns die zuverlässige Garantie ist, daß wir unsere Planungskapazitäten auf diesem Gebiete so ausbauen können, daß wir die Aufgaben, die auf uns zukommen, erfüllen können.
Als dritten Punkt möchte ich die Kapazität der Fernmeldeindustrie nicht unerwähnt lassen. Die Fernmeldeindustrie hat mit ihren Exportaufträgen und mit der Befriedigung des Inlandsbedarfs eine Vollbeschäftigung und ist nicht in der Lage, die Kapazität willkürlich auszuweiten. Es ist besonders wichtig, daß wir unsere Planungen auf Jahre hinaus beinahe exakt festlegen können; denn die Herstellung der hochwertigen technischen Einrichtungen, die wir im Fernmeldewesen brauchen, ist nicht von heute auf morgen, sondern nur auf Grund einer weitsichtigen Planung möglich. Ich habe im vergangenen Jahr die Verhandlungen mit der deutschen Fernmeldeindustrie geführt und erreichen können, daß die Fernmeldeindustrie die Arbeits-und Maschinenkapazitäten zur Verfügung stellt, die notwendig sind, damit wir unser Investitionsprogramm um 126 Millionen DM erweitern können.
Nicht zuletzt kommt der Punkt, der bisher sehr kritisch war: woher kommen die Mittel für diese Investitionsaufgaben? Wir haben einen Fünfjahresplan aufgestellt, der bereits im Jahre 1959 wegen der Steigerung des Verkehrsaufkommens erweitert werden mußte. Wir haben die Erweiterung so vorgenommen, daß wir die Investitionsaufgaben mit
Bundespostminister Stücklen
den Mitteln aus dem eigenen Ertrag plus Abschreibung und aus dem Kapitalmarkt erfüllen können.
Der Investitionspian für das Fernmeldewesen sieht vor, daß wir bereits im Jahre 1960 244 000 neue Anschlußeinheiten erstellen. Die Zahl der neuen Anschlußeinheiten steigert sich im Jahre 1961 auf 271 000, 1962 auf 302 000 und 1963 auf 335 000; das sind also zusätzliche neue Anschlußeinheiten.
Ich fürchte nur, daß selbst diese wesentliche Steigerung der Investitionen und damit die Möglichkeit, noch mehr Hauptanschlüsse zu schaffen, lange nicht dazu ausreicht, den Nachholbedarf und den Zuwachs zu decken. Mit größter Wahrscheinlichkeit werde ich gezwungen sein, den Investitionsplan, den wir für 1960 aufgestellt haben, am Ende des Jahres bei den Haushaltsberatungen für 1961 erneut zu erweitern. Die dazu nötigen Mittel kann ich entweder nur auf dem Kapitalmarkt bekommen -das geschieht bei uns ja zu 75 % - oder aus Abschreibung bzw. aus dem eigenen Ertrag herauswirtschaften.
Sie wissen, daß die Deutsche Bundespost seit 1956 zum erstenmal nicht mehr ein Defizit in der Bilanz hat. Wir haben bereits im Jahre 1959 mit einem Gewinn von 40 Millionen DM abgeschlossen. Im Jahre 1960 schließen wir mit einem Betriebsergebnis von plus 130 Millionen DM ab. 1961 wird das Ergebnis noch besser sein.
Ich sehe hier meinen Kollegen Stenger sitzen und muß deshalb auf die inzwischen geforderten Lohn-und Gehaltserhöhungen hinweisen. Bei den Beamten kann ich im Augenblick deshalb nicht über den endgültigen Betrag sprechen, weil die Gehaltserhöhung noch nicht eindeutig festliegt. Nach dem, was bisher errechnet werden kann, entsteht eine zusätzliche Lohn- und Gehaltsbelastung von 167 Millionen DM. Diese Summe muß ich auf dem Kapitalmarkt bzw. auf dem Geld- und Kreditmarkt besorgen.
Die dabei etwa auftretenden Schwierigkeiten werden wir überwinden müssen, weil wir davon überzeugt sind, daß, wenn nicht ein systematischer Ausbau des Fernmeldewesens erfolgt, in absehbarer Zeit mit einer so starken Verstopfung, mit einer so starken Überlastung unserer vorhandenen Leitungen zu rechnen wäre, daß man beinahe von einem Zusammenbruch des Fernmeldewesens sprechen müßte. Aus diesem Grunde werden wir auch in Zukunft die Investitionsaufgaben erweitern müssen.
Nun komme ich zu den Bemerkungen des Herrn Kollegen Cramer, wobei ich dem Herrn Kollegen Besold dafür dankbar bin, daß er die Frage der Zuständigkeiten angesprochen hat. Ich muß mich zwar an das Gesetz halten, bin aber selbstverständlich immer gern bereit - ich tue es auch immer mit Freude -, dem Parlament in der Fragestunde Antwort auf die Fragen nach den Problemen der Deutschen Bundespost zu geben. Allein die Fragen der Finanzierung, des Investitionsprogramms und der Kapazitäten sind im Vergleich zu den Personalfragen geradezu „kleine Fische". Was uns im Augenblick die größte Sorge bereitet, ist die Tatsache, daß wir nicht genügend Nachwuchs haben. Wir haben heute jährlich einen normalen Abgang durch Erreichen der Altersgrenze, Invalidität usw. von ungefähr 3,5 %. Bei einem Personalkörper von rund 400 000 Menschen bedeutet das einen Wegfall von etwa 14 000 Menschen.
Wir haben einen Verkehrszuwachs von ungefähr 7 % im Schnitt. Wir müssen deshalb nicht nur den natürlichen Abgang ersetzen, sondern darüber hinaus auch den Zuwachs des Verkehrsaufkommens auffangen, und zwar auch durch Vermehrung des Personals. Diese macht - nur auf den Verkehrszuwachs bezogen - ungefähr 2,2 % aus. Mit einer Personalvermehrung von nur 2,2 % fangen wir also 7 % des Verkehrsaufkommens auf. Das ist einmal durch die hervorragende Leistung des Personals möglich. Ich freue mich, daß Sie im Parlament den Dank an das Personal ausgesprochen haben. Es hat ihn in reichlichem Maße verdient. Zweitens ist dies auch auf die Rationalisierungserfolge zurückzuführen, die wir auf allen Gebieten erzielen mußten, damit wir mit dem geringeren Zuwachs an Personal überhaupt zurechtkamen.
Aber zurück zu dem natürlichen Abgang von 14 000 Menschen plus 2,2 % Zuwachs zur Befriedigung des jährlichen Mehrverkehrs. Das macht rund 8000 Menschen aus, so daß ich jedes Jahr, nur um diesen Bedarf zu decken, mehr als 20 000 neue Arbeitskräfte bei der Deutschen Bundespost brauche.
In diesen Tagen lesen Sie in der Statistik, daß wir im April 255 000 Arbeitslose, aber 450 000 offene Stellen haben. Wir können uns vorstellen, wie es auf dem Arbeitsmarkt im Mai, Juni, Juli, ja im September aussehen wird. Wir werden uns angesichts dieser problematischen Lage ernsthaft damit befassen müssen, auch bei der Deutschen Bundespost, die ja eine Betriebsverwaltung ist und nicht mit einer inneren Verwaltung verglichen werden kann, die Anreize zu geben, die nötig sind, damit die Arbeitskräfte zu uns kommen.
Herr Kollege Cramer, Sie haben auch etwas Kritik daran anklingen lassen, daß durch Arbeitszeitverkürzung und ähnliches der Service der Deutschen Bundespost eingeschränkt wird. Die Verkürzung des Wochenleistungsmaßes um drei Stunden bei rund 400 000 Beschäftigten bei der Deutschen Bundespost gibt zu denken. Wie soll ich diesen Ausfall von drei Stunden decken, wenn ich nicht die geeigneten oder überhaupt keine Kräfte habe? Ich bin dann eben gezwungen, gewisse Maßnahmen durchzuführen, die nichts mit Rationalisierung zu tun haben.
Daß ich die Samstagnachmittagszustellung einstellen mußte, ist eine echte Spar-, eine echte Notmaßnahme und auch eine Maßnahme im Interesse unseres Personals; denn Sie können unserem Personal ja nicht zumuten - kein Mensch wird das wollen -, bei keinesfalls höheren Löhnen und Gehältern diese Arbeit zu leisten. Dadurch, daß das Personal der Deutschen Bundespost auch noch samstags und sonntags Dienst macht, ist es ohnehin wesentlich schwerer, in ausreichendem Maße geeignetes Personal zu bekommen. Also auch aus diesen sozial- und personalwirtschaftlichen Gründen
Bundespostminister Stücklen
haben wir diese Maßnahme durchführen müssen. Sie dürfen mir glauben, daß das nicht gerade eine recht angenehme Maßnahme war, besonders nicht für den zuständigen Minister.
Nun darf ich noch zu der von Ihnen angeschnittenen Frage des Briefgeheimnisses sprechen. Bei der
Deutschen Bundespost besteht in uneingeschränktem Maße das Brief- und Fernmeldegeheimnis. Es ist in keinem einzigen Fall verletzt.
({0})
Was Sie angesprochen haben, ist gestern in der Fragestunde vom Herrn Staatssekretär des Auswärtigen Amts beantwortet worden. Das geschieht auf Grund der staatlichen Verträge mit den NATO-Verbündeten, nicht zur Freude der Deutschen Bundespost. Aber ich darf versichern, daß von diesen Bestimmungen nur in minimalem Umfang Gebrauch gemacht wird, so daß man davon nicht allzuviel Aufhebens machen sollte.
Im übrigen darf ich dem Parlament danken, daß es mir Gehör geschenkt und den Erfordernissen der Deutschen Bundespost durch sein Wohlwollen immer Rechnung getragen hat. Wir werden uns bemühen, die auf uns zukommenden Aufgaben zufriedenstellend zu lösen.
({1})
Weitere Wortmeldungen zum Einzelplan 13 liegen nicht vor. Änderungsanträge sind nicht gestellt worden. Da die Zeit über 14.30 Uhr fortgeschritten ist, können wir die Abstimmung unmittelbar anschließen.
Wer dem Einzelplan 13 in zweiter Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei Gegenstimmen angenommen.
Die Fraktion der SPD hat gebeten, die Sitzung von 15.30 bis 16.00 Uhr zu unterbrechen, damit sie eine Fraktionssitzung abhalten kann. Entsprechend der Übung des Hauses wird so verfahren.
Wir kommen nunmehr zu den Abstimmungen zu Einzelplan 14.
Wer dem Antrag Umdruck 564 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit großer Mehrheit abgelehnt.
Kann ich über den Antrag Umdruck 513 insgesamt abstimmen lassen?
({0})
- Wer also den Ziffern 1, 3, 5 und 6 des Antrags Umdruck 513 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. -- Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit Mehrheit abgelehnt. Wer Ziffer 2 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einer Enthaltung mit gleicher Mehrheit abgelehnt. Wer Ziffer 4
({1})
- in dem von Ihnen bei der Begründung vorgetragenen geänderten Wortlaut - zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. ({2})
Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Auch dieser Antrag ist abgelehnt.
Wer dem Einzelplan 14 in zweiter Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen.
- Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit der gleichen Mehrheit wie die anderen Haushalte angenommen.
Ich rufe nunmehr auf:
Einzelplan 19
Bundesverfassungsgericht ({3}).
Berichterstatter ist der Abgeordnete Jürgensen.
- Er verzichtet auf Berichterstattung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. - Das Wort wird offenbar nicht gewünscht; ich schließe die Aussprache. Änderungsanträge liegen nicht vor.
Wer dem Einzelplan 19, Bundesverfassungsgericht, in zweiter Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Soweit ich sehe, einstimmig in zweiter Beratung angenommen.
Ich rufe auf:
Einzelplan 20
Bundesrechnungshof ({4})
Berichterstatter: Abgeordneter Kisters.
Wünscht der Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall. Wird in der allgemeinen Aussprache das Wort gewünscht? - Das ist auch nicht der Fall. Ich schließe die allgemeine Aussprache. Anträge liegen nicht vor. Wer dem Einzelplan des Bundesrechnungshofs in zweiter Beratung zuzustimmen wünscht, den darf ich um das Handzeichen bitten. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Soweit ich sehe, ist auch dieser Einzelplan einstimmig in zweiter Beratung angenommen.
Ich rufe auf: Einzelplan 24
Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftlichen Besitz des Bundes ({5}).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Dr. Vogel.
({6})
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Wird das Wort gewünscht? - Das ist offenbar nicht der Fall.
Es liegt ein Änderungsantrag Umdruck 514 der Fraktion der SPD vor. Herr Abgeordneter Ritzel, bitte.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesverteidigungsminister hat vorhin eine scherzhafte Geschichte aus dem englischen Parlament erzählt. Wenn ein Abgeordneter
Eindruck machen wolle, solle er allgemeine Sparanträge stellen, aber er solle sich um Gottes willen davor hüten, spezielle, also gezielte Sparanträge zu stellen. Er meinte, die Opposition habe es leichter. Wir machen es uns nicht leichter, als Sie es sich machen. Aber wir möchten Ihnen mit diesem Umdruck 514 einen gezielten Sparantrag empfehlen und hoffen sehr auf Ihren Beifall.
Der Antrag besagt, daß sämtliche Ansätze des Einzelplans 24 erhalten bleiben sollen, nur sollen sie, um ein Ministerium einzusparen, überwiesen werden in die entsprechenden Kapitel und Titel des Einzelplans 08 - Bundesfinanzministerium - mit Ausnahme des Ansatzes für die Bezüge eines Ministers. Durch den frühen Tod des sehr geschätzten Mitglieds dieses Hauses, Herrn Ministers Lindrath, ist augenblicklich noch eine Vakanz in diesem Ministerium vorhanden. Zwar hat der Herr Bundeskanzler gestern versichert, daß sehr viele Anwärter auf alle möglichen Ministerposten vorhanden seien. Immerhin, bis zum jetzigen Augenblick ist nichts von einer Neubesetzung bekannt, und wir möchten Ihnen empfehlen, nun hier einmal auch von der von der Koalition oft bekundeten Absicht Gebrauch zu machen, möglichst zu sparen. Hier ist eine echte Sparmöglichkeit. Also man könnte in Anwendung eines berühmten Wortes in bezug auf Ihren Sparwillen sagen: hic Rhodus, hic salta.
({0})
- Hier ist Rhodus, hier tanze, - Ich bin gespannt, wie das Ergebnis ausfällt.
Wortmeldungen habe ich weiter nicht vorliegen. Also können wir gleich Ihre Spannung beheben. Wer dem Änderungsantrag auf Umdruck 514 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen.
({0})
Ich bitte um die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das zweite ist eindeutig die Mehrheit. Der Änderungsantrag ist also abgelehnt.
Damit kommen wir zur Abstimmung über den Einzelplan 24. Wer ihm in zweiter Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ist mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe auf: Einzelplan 25
Geschäftsbereich des Bundesministers für Wohnungsbau ({1}).
Die Fraktion der SPD hat mich wissen lassen, daß sie die allgemeine Aussprache in diesem Falle gleich mit der Begründung ihres Änderungsantrags auf Umdruck 515 verbinden möchte. Ich darf dem Herrn Abgeordneten Brecht das Wort geben.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir stehen in einigen Wochen vor einer grundsätzlichen wohnungspolitischen Debatte in diesem Hause, so daß es angesichts dieser schwadien Besetzung und der vorgerückten Zeit wohl angezeigt ist, nicht zu allen Problemen etwas zu sagen, die auf dem Gebiet des Wohnungswesens und insbesondere der Wohnungspolitik des Bundeswohnungsbauministers bestehen. Ich möchte deshalb über die Themen, die in der nächsten wohnungspolitischen Grundsatzdebatte anstehen werden, heute nichts sagen, also nichts zur Baulandnot, zur Bodenspekulation, zur Entwicklung der Baulandpreise und zum Stand der Wohnungsversorgung, auch nichts zur Mietpreisgestaltung und zu dem speziellen Thema, das gerade in diesen Tagen in Bonn einigen Wirbel dadurch ausgelöst hat, daß im Bundesbedienstetenwohnungsbau Mietsteigerungen nicht nur um 38 %, sondern um genau 50% vorgenommen worden sind.
({0})
Darüber werden wir also in wenigen Wochen näher sprechen.
({1})
- Sie werden ja selber die Gelegenheit haben, das bei den Beratungen darüber zu berücksichtigen.
Es wird vielleicht auch zweckmäßig sein, im Augenblick über die sogenannte Verbindung konjunkturpolitischer Maßnahmen mit Wohnungsbaumaßnahmen nichts zu sagen, sondern auch das für die spätere Debatte zurückzustellen.
Immerhin möchten wir aber sehr deutlich zum Ausdruck bringen, daß wir damit, daß wir diese Punkte jetzt nicht behandeln, nicht etwa der Politik des Herrn Bundeswohnungsbauministers und seinen Maßnahmen auf diesem Gebiete zustimmen. Wir behalten uns vielmehr sehr wohl scharfe kritische Anmerkungen vor und werden diese demnächst mit aller Deutlichkeit vorbringen.
Zu vier Punkten möchte ich im Zusammenhang mit dem Haushalt jedoch etwas sagen, bevor ich die Anträge meiner Fraktion kurz begründe.
Zunächst ist im Haushalt ein großer Posten „Mittel für den SBZ-Wohnungsbau" enthalten. In den Haushaltsberatungen ist dieser Posten von 943 Millionen auf 843 Millionen DM heruntergesetzt worden. Immerhin bleibt er auch heute noch der größte Posten im Haushalt des Bundeswohnungsbauministers. Wer streng hinsieht, wer die Begründungen sehr genau liest und die Verhältnisse kennt, wird allerdings davon ausgehen müssen, daß hier nicht Mittel für den Bau von Wohnungen für die in Zukunft auf uns zukommenden Zuwanderer eingesetzt sind, sondern daß es sich dabei mehr oder weniger weigehend um die Abdeckung von Bindungsermächtigungen der vergangenen Jahre handelt. Diese Mittel werden also nachträglich eingesetzt, um vorangegangene Verpflichtungen zu erfüllen. Insofern kann man diesem ganzen Haushalt des Bundeswohnungbauministers manchmal nur sehr kritisch entgegentreten.
Viel wichtiger ist dabei aber doch, daß die Mittel, die hier eingesetzt sind und die nach einer früheren
einmütigen Entschließung des Bundestages gleichzeitig mit den Mitteln des allgemeinen sozialen Wohnungsbaus im Dezember den Ländern zugeteilt werden sollten, den Ländern bis jetzt noch nicht zugeteilt worden sind.
({2})
- Warum, Herr Baier? Weil man es noch nicht verstanden hat, wieder eine Vereinbarung zwischen den Ländern und dem Bund herbeizuführen. Das ist nicht nur auf ein Versagen der Länder zurückzuführen. Vielmehr ist es in erster Linie eine Aufgabe des Ministeriums und des Ministers - auf dessen Geschicklichkeit es hier ankommt -, rechtzeitig d. h. frühzeitig, zu einer neuen Verständigung zu kommen, wenn es überhaupt notwendig ist, daß eine neue Vereinbarung abgeschlossen wird. Das war ja zunächst das Anliegen des Bundes, nicht das Anliegen der Länder. Derjenige, der eine solche Änderung wünschte, mußte frühzeitig und mit den entsprechenden Argumenten das Erforderliche einleiten.
Wir haben diese Frage schon vor ein paar Wochen in der Fragestunde angesprochen und darauf hingewiesen, daß diese Vereinbarung besteht. Dieser Vereinbarung, nach der die Sondermittel gleichzeitig mit den Mitteln des allgemeinen sozialen Wohnungsbaus zugeteilt werden, haben Sie seinerzeit mit zugestimmt, weil auch Sie nicht die Absicht hatten, einen neuen Rückstau im SBZ-Wohnungsbau entstehen zu Lassen. Wir erinnern uns noch sehr gut, wie hier in diesem Hause über den Rückstau im SBZ-Wohnungsbau geklagt und geschimpft wurde und daß deswegen Anklagen erhoben wurden. Wir möchten nicht, daß in kurzer Zeit wieder eine Große Anfrage kommt, weil ein neuer Rückstau bei den Ländern eingetreten ist, und den Ländern dann wieder neue Vorwürfe gemacht werden.
Deshalb wiederholen wir unsere Bitte, nunmehr alles daranzusetzen, daß die Zuteilung dieser Mittel an die Länder im Sinne unserer damaligen Entschließung beschleunigt vorgenommen wird.
Der zweite Punkt, zu dem ich allgemein etwas sagen möchte, betrifft folgendes. Seit Jahren bemühen sich die Länder und wir, meine Freunde von der SPD, immer wieder um eine Novellierung des Zweiten Wohnungsbaugesetzes. Es ist längst allgemein anerkannt - gleichgültig wie man zum Zweiten Wohnungsbaugesetz, zu der oder jener Bestimmung steht -, daß das Gesetz inzwischen in einigen Punkten reformbedürftig geworden ist und daß einige Änderungen notwendig geworden sind. In dem Gesetz gibt es gewisse starre Bindungen, die angesichts der inzwischen eingetretenen Entwicklung, der Auflockerung der ganzen Verhältnisse nicht mehr berechtigt sind und die dringend eine Anpassung notwendig machen. Ich erinnere allein - ohne daß dieser Punkt irgendwelche Mittel erfordert - an die Begrenzung etwa der Einkommen für die Bevölkerungskreise mit geringem Einkommen. Selbstverständlich ist innerhalb von vier Jahren hier eine Änderung eingetreten. Es ist gar keine Schande, dann ein Gesetz ändern zu müssen, weil
die damals festgelegten Grenzen heute nicht mehr vertretbar sind.
({3})
- Lassen Sie es doch und freuen Sie sich! Aber man muß das auch gesetzgeberisch anerkennen. Wenn Sie in der Praxis stehen, wissen Sie genau wie wir, daß diese Begrenzung heute praktisch überhaupt nicht mehr eingehalten werden kann und daß draußen in der Praxis längst daran vorbeigegangen wird. Ist das ein erfreulicher Zustand, daß alle Welt weiß: es gibt Gesetze, aber sie können nicht mehr eingehalten werden, weil die Verhältnisse sich anders entwickelt haben, und das Gesetz wird trotzdem nicht geändert?
Es ergibt sich, daß alle Anträge, die gestellt wurden, entweder hier im Hause oder von den Ländern abgelehnt wurden. Oder der Wohnungsbauminister geht um die Dinge herum und erklärt: Wir haben mit den Ländern eine Kommission gebildet, damit wir zu einer solchen Novellierung kommen. Praktisch hat man ein einziges Mal eine Stunde zusammengesessen, um über eine solche Novellierung zu sprechen, und dabei haben die Ministerialvertreter zu verstehen gegeben, daß die Regierung gar nicht gewillt ist, eine solche Änderung vorzunehmen. Wir meinen, man sollte endlich einmal eine ehrliche und saubere Politik treiben und sollte so sprechen, wie tatsächlich die Absicht ist, und sich nicht immer hinter solchen Ausflüchten verstecken, damit keine solche Änderung kommt, so unausweichlich notwendig sie ist. Sie haben uns beispielsweise in einer l Ausschußberatung gesagt: Wir sehen ein, daß wir das Gesetz ändern müssen, aber nicht jetzt, ein andermal! Jedesmal, wenn es ein andermal ist, wird wiederum dasselbe gesagt. Man muß also davon ausgehen, daß überhaupt nicht die ehrliche Absicht vorhanden ist, zu einer solchen dringend notwendigen Änderung zu kommen.
Der dritte Punkt, den ich allgemein vorbringen wollte, ist eine Sorge. Ich bitte den Herrn Wohnungsbauminister, nachher nicht zu sagen - das ist der übliche Slang-, wir hätten die Totenglocken des Wohnungsbaues geläutet. Wir läuten keine Totenglocken des Wohnungsbaues. Wir erkennen die Wohnungsbauleistung des vergangenen Jahres ebenso an, wie wir wissen, daß auch in diesem Jahr sich eine Wohnungsbauleistung von etwa 500 000 bis 510 000 Wohnungen ergeben wird, und zwar
auf der Vorleistung des vergangenen Jahres. Wir sind gar nicht der Meinung, daß außer einem etwa 10- bis 12%igen Rückgang, der sowieso konjunkturell verursacht ist, ein weiterer Rückgang in diesem Jahr eintreten wird.
Aber uns bedrückt die große Sorge, daß inner- halb der Schichtungen des Wohnungsbaues der Anteil des öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbaues, also des Wohnungsbaues mit den niedrigen Belastungen und mit den niedrigen Mieten für notleidende Bevölkerungsschichten mit geringem Einkommen, bereits erheblich zurückgegangen ist und daß nach den eigenen Meldungen des Wohnungsbauministers dieser öffentlich geförderte soDr. Brecht
ziale Wohnungsbau von Monat zu Monat weiter zurückgeht.
Wir wissen, was Sie jetzt sagen werden. Sie werden antworten: Das hängt mit dem Rückstau des SBZ-Wohnungsbaues zusammen. Das ist richtig. Aber auch wenn dieser Rückstau aufgearbeitet wird, ergibt sich ein Rückgang des Quantums des öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbaues. Die Grenze von 300 000 ist schon im vergangenen Jahr nicht mehr erreicht worden, geschweige, daß sie in diesem Jahr erreicht wird.
Wir bringen das nicht aus Kritiksucht vor, sondern weil wir wissen, daß der harte Kern der Wohnungslosen, derjenigen, die noch erst mit einer Wohnung versorgt werden müssen, von den Bevölkerungskreisen mit geringem Einkommen gebildet wird. Wer ein einigermaßen gutes oder auch nur ein mittleres Einkommen hat, der ist längst zu einer Wohnung gekommen. Diejenigen, die eben nur auf die mit öffentlichen Mitteln sozial geförderten Wohnungen angewiesen sind, müssen noch warten, nur sie haben noch keine Wohnung.
Wenn Sie zur Liberalisierung der Wohnungsversorgung übergehen, dann wollen Sie ja gerade einen möglichst großen Bestand solcher Wohnungen haben, die weiterhin preisgebunden sind, das sind also die öffentlich geförderten sozialen Wohnungen. Sie müßten deshalb tatsächlich alles tun, um dieses Quantum, diese Quote des öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbaus in jeder Wohnform zu verstärken.
({4})
Ein vierter allgemeiner Punkt ist folgender: Wenn man den Haushalt des Wohnungsbauministers ansieht, kann man feststellen, daß es eigentlich gar kein Haushalt für e i n Wohnungsbauprogramm ist, sondern es ist eine Zusammenstoppelung, ein Flickwerk von Wohnungsbauprogrammen zahlreicher Sonderprogramme. Da hapert es sogar manchmal in der Abstimmung der Programme aufeinander; sie stimmen gar nicht genau miteinander überein. Die Zahl dieser Sonderprogramme nimmt sogar von Jahr zu Jahr zu.
Mit Genehmigung des Herrn Präsidenten möchte ich zwei Sätze aus einer Rede verlesen, die der Herr Bundesfinanzminister am 9. Dezember 1958 hier gehalten und in der er ein Versprechen abgelegt hat. In dieser Rede hat der Herr Bundesfinanzminister gesagt:
Die bisherigen, zum Teil unübersichtlichen und systemlosen Formen der Wohnungsbaufinanzierung in sieben verschiedenen Programmen sollten auch nach meiner Meinung im Lauf des Jahres 1959 vereinfacht und nur in einem großen Wohnungsbauprogramm zusammengefaßt werden.
Und in dem amtlichen Protokoll, in dem dieser Satz steht, ist dann vermerkt: „Zustimmung bei der CDU/CSU."
Festzustellen ist demgegenüber, wenn Sie den Haushalt des Wohnungsbauministers zur Hand nehmen, daß im vergangenen Jahr 1959 im Sinne dieser Erklärung des Bundesfinanzministers, nichts, aber auch gar nichts geschehen ist. Es ist keine Vereinfachung und Vereinheitlichung und Zusammenfassung dieser Sonderprogramme gekommen, sondern im Gegenteil: die Sonderprogramme sind noch ausgeweitet worden.
Ferner hat sich ergeben, daß es zu jedem Sonderprogramm jetzt immer noch dadurch ein Untersonderprogramm gibt, daß das Programm in die Hergabe von Kapitalmitteln und in die Hergabe von Zinszuschüssen aufgeteilt wird. Wo wir also bisher - der Herr Bundesfinanzminister sprach von sieben; es waren immer schon mehr -, sagen wir, 12 Sonderprogramme hatten, kommen jetzt durch diese Teilung praktisch 24 Einzelmaßnahmen heraus.
Herr Minister, ich war in der vergangenen Woche auf Grund einer Einladung der israelischen Regierung bei Ihrem Kollegen in Israel. Sie werden mir zugeben, daß dort viel, viel härtere und schärfere und dringendere Probleme vorliegen, um verschiedene Bevölkerungsgruppen und Bevölkerungskreise, die aus allen möglichen Ländern zusammenkommen, mit Wohnungen zu versorgen. Nach unserem deutschen System hätte man da auch für jede dieser Bevölkerungsgruppen ein Sonderprogramm gemacht, mit Sonderrichtlinien, mit Sonderbestimmungen, mit einem Sonder-Ministerialrat und mit Sonderreferenten nur für dieses Programm. Die Leute waren jedoch in Israel viel klüger, indem sie all diese Zersplitterungen aufgaben, weil sie sich sagten: Es handelt sich um eine Aufgabe, nämlich um die Aufgabe, Menschen zur Wohnungsversorgung zu verhelfen. Man sollte sich wirklich, wenn von der Liberalisierung oder Überführung in marktwirtschaftliche Formen gesprochen wird, in erster Linie auch einmal innerhalb eines Ministeriums, auch innerhalb der amtlichen und öffentlichen Wohnungspolitik ernsthaft und nicht nur platonisch mit schönen Erklärungen um eine solche Kombinierung und Zusammenfassung der Wohnungsbauförderungsmaßnahmen in einem Programm bemühen.
({5})
Das sage ich wiederum nicht nur aus Kritiksucht. Vielmehr steckt dahinter ein menschliches Problem. Das menschliche Problem, das hinter dieser Zersplitterung in Sonderprogramme liegt, ist ein Problem, das uns alle, gleichgültig wie wir wählen und wo wir sitzen, angeht. Es gibt Menschengruppen bei uns, die bisher in der Wohnungsversorgung benachteiligt worden sind.
({6})
Das sind die Normalverbraucher, die keiner Sondergruppe angehören, und das sind die jungen Familien, die auch nicht in eine solche Gruppe hineingehören.
({7})
Der Herr Bundeswohnungsbauminister wird mir jetzt sagen, daß er am 3. August vergangenen Jahres einen Erlaß herausgegeben hat. Dieser Erlaß hat zwar Austauschmöglichkeiten geschaffen. Aber er hat die Sonderprogramme in unveränderter Form
bestehen lassen und sie nicht zusammengefaßt und vereinheitlicht.
Er wird mir vielleicht auch noch einwenden: Ich habe ein Sonderprogramm für junge Familien; was wollen Sie denn; die ganze Kritik hinsichtlich der jungen Familien stimmt nicht. - Auch das ist nicht richtig, Herr Minister, denn Sie haben zwar ein Wohnungsbauförderungsprogramm für junge Familien, aber das betrifft nur die Fälle, in denen Eigenheime gebaut werden, entweder von der jungen Familie selbst oder von einem anderen für eine solche Familie. Es gibt nun einmal Hunderte und Tausende und Hundertausende junger Familien, die seit Jahren auf eine Wohnung warten, die noch bei den Eltern wohnen müssen, die zum Teil getrennt wohnen müssen und bisher überhaupt kein Familienleben entwickeln konnten, weil es bisher in der ganzen Wohnungsversorgung kein Sonderprogramm für sie gab, weil sie nicht besonders bedacht wurden und weil ein Rückgang in der allgemeinen Förderung des sozialen Wohnungsbaues eingetreten ist.
Wir sollten deshalb einmal gemeinsam mit dem Wohnungsbauminister versuchen, über diese besorgniserregende Situation hinwegzukommen. Wir sollten versuchen, im Zuge einer kommenden Liberalisierung die Wohnungsbauprogramme aufzulokkern und sie nicht in Kästchen zu zwängen, damit allen Bevölkerungsgruppen, auch denjenigen, die bisher die notleidenden waren, geholfen werden kann.
Lassen Sie mich jetzt nur noch ein paar Worte zu den Anträgen sagen, die wir vorgelegt haben. Wahrscheinlich sind sie Ihnen schon bekannt und von Ihnen erwartet worden. Denn es sind die Anträge, die die sozialdemokratische Fraktion immer und immer wieder stellt, weil sie für die Verwirklichung der Wohnungsbauförderung unersetzlich sind.
Mit dem ersten Antrag bitten wir, dem Wohnungsbauminister seinen Propagandafonds von 100 000 DM in diesem Jahr zu streichen und diese Mittel zur Deckung eines dringenderen Bedürfnisses zu verwenden, nämlich dem Tit. 611 zuzuführen, aus dem Zuschüsse für die Baulandbeschaffung und für die Baulanderschließung gegeben werden. Die Hauptsache hierbei ist für uns die Streichung jener Propagandamittel. Der Wohnungsbauminister hat im vergangenen Jahr mit einem Husarenritt einen sehr großen Propagandafonds von über 940 000 DM bewilligt bekommen. Er hat das damals damit begründet, daß er der Öffentlichkeit im Zusammenhang mit dem Gesetz, das man gemeinhin das Lücke-Gesetz nennt. Aufklärung geben müsse, daß Filme erforderlich seien usw. Wir meinen, diese Mittel sind bisher nicht ausgegeben. Also können diese 100 000 DM in diesem Rechnungsjahr sehr wohl eingespart werden. Für solche Propaganda stehen aus der letztjährigen Zuweisung - so nehmen wir an, Herr Minister; denn wir haben an Propagandawirkungen sonst nicht allzuviel gesehen - noch genügend Mittel zur Verfügung.
Im übrigen glauben wir - und wir sagen das mit allem Ernst und mit besonderer Eindringlichkeit -, man sollte gute Gesetze machen, man sollte die Gesetze sorgfältig, gewissenhaft und überlegt beraten und nicht in Hetze durchpeitschen. Dann braucht man solche Mieterfibeln und andere Propagandamaßnahmen nicht, urn den Menschen erst klarzumachen, was in den Gesetzen steht. .Je bessere Gesetze Sie machen, desto weniger sind solche Propagandamaßnahmen erforderlich. Deshalb kann der Fonds durchaus gestrichen werden. Das wäre gleichzeitig ein erhobener Zeigefinger der Mahnung, nun wirklich auch bei der Beratung des Lücke-Gesetzes nicht in der bisherigen Art weiterzuverfahren.
Der zweite Antrag bezieht sich auf die sogenannte Degression. Wir bitten, die Degression zurückzunehmen und den Ansatz für den. sozialen Wohnungsbau auf Grund des Wohnungsbaugesetzes um 210 Millionen DM zu erhöhen, also den Betrag wieder voll auf 700 Millionen DM, der seinerzeit im Zweiten Wohnungsbaugesetz erstmals bewilligt worden ist, zu bringen.
Dabei darf ich noch besonders auf das verweisen, was ich über unsere Befürchtungen bezüglich der Gefahren sagte, die wir im Rückgang des öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbaues sehen. Wir wissen, daß mit anderen Finanzierungssystemen teilweise Ausgleiche geschaffen werden, daß man stärker auf Kapitalmarktmittel zurückgreift. Das alles bejahen und unterstützen wir. Wir sollten uns aber darüber klar sein: den harten Kern der Gruppe der Wohnungsuchenden, derjenigen, die bisher nicht zur Wohnungsversorgung gekommen sind, die Lagerinsassen usw. beseitigen wir nur durch verstärkten sozialen Wohnungsbau mit öffentlichen Mitteln.
({8})
Wir brauchen eine Wohnungsbauförderung mit verstärkten öffentlichen Mitteln, um zu Mieten zu kommen, die nicht bei 2 DM und 2,20 DM je Quadratmeter Wohnfläche liegen - oder sei es auch nur bei 1,80 DM -; ,denn das kann dieser Bevölkerungskreis nicht aufbringen.
({9})
Wir beantragen also, diese 210 Millionen DM wieder voll einzusetzen und den Haushaltsvermerk, wonach aus diesen Mitteln auch noch die Wohnungsbauprämien gespeist werden müssen, zu streichen.
Damit komme ich zu dem letzten Antrag, den unter Ziffer 4. Er betrifft wiederum die Wohnungsbauprämien. Sie wissen, im Haushalt stehen 100 Millionen DM für Wohnungsbauprämien. Das hat mit den allgemeinen Sparprämien, dem Sparprämiengesetz nichts zu tun, sondern betrifft nur das Wohnungsbauprämiengesetz. Diese 100 Millionen DM reichen schon seit Jahren nicht dazu aus, das zu bedienen, was an Sparprämien den Bevölkerungskreisen, die sparen, zugesagt ist. Im vergangenen Jahre schon sind 340 Millionen DM Sparprämien verausgabt worden; in diesem Jahr werden es vielleicht 360, 370 oder 380 Millionen DM sein. Dafür reichen die 100 Millionen DM nicht aus. Nun steht im Etat
noch ein Titel mit 46 Millionen DM. Zugegeben. Es sind also 146 Millionen DM für Wohnungsbauprämien gegenüber rund 370 oder 380 Millionen DM, die nötig sind. Die Differenz muß nach der gesetzlichen Konstruktion - die wir für falsch halten - den Mitteln entnommen werden, die für die Wohnungsbauförderung bestimmt sind.
Wir haben also einmal die Degression, die von Jahr zu Jahr die öffentlichen Mittel für die Wohnungsbauförderung vermindert, und wir haben zweitens eine von Jahr zu Jahr steigende Inanspruchnahme öffentlicher Mittel aus dem immer kleiner werdenden Fonds an öffentlichen Mitteln, der für den Wohnungsbau bestimmt ist. Das muß eines Tages zum Austrag kommen, das kann eines Tages nicht mehr stimmen. Im privaten Gespräch erkennt auch der Herr Bundeswohnungsbauminister an, daß er hier vor einer Situation steht, die gelöst werden muß.
Wir haben bereits das deutliche Beispiel im Lande Baden-Württemberg. Dieses Land geht nächstens in die Landtagswahlen. Es haben Besprechungen mit den zuständigen Ministerien stattgefunden. In Baden-Württemberg ist es bereits so, daß im vergangenen Jahr die gesamten im Bundeshaushalt für den allgemeinen sozialen Wohnungsbau eingesetzten Mittel, also die Mittel, die für die Wohnungsbauförderung bestimmt sind, in vollem Umfange - neben den Mitteln aus dem 100-Millionen-Titel - zur Deckung der Wohnungsbauprämien verwendet werden mußten. Trotzdem mußten noch rund 20 Millionen DM mehr Wohnungsbauprämienmittel gezahlt werden, als selbst diese beiden Beträge, also Zuweisung aus dem Wohnungsbauprämien-Anteil und Zuweisung aus Mitteln für die Wohnungsbauförderung, ausmachen. In diesem Jahr hat das Land ausgerechnet, daß 57 Millionen DM nicht gedeckt sind. Das hat zur Folge, daß Mitte des Jahres die Wohnungsbauprämien in diesem Land, in dem sich die Dinge häufen, nicht mehr gezahlt werden können.
Wir halten seit langem die ganze Konstruktion, die Wohnungsbauprämien aus den Wohnungsbauförderungsmitteln zu nehmen und dabei die Wohnungsbauförderungsmittel noch mehr und schneller abzubauen, für grundfalsch. Wir haben immer wieder erklärt, daß das geändert werden muß. Der Herr Bundeswohnungsbauminister sagt: Es muß versucht werden, dies im Haushalt des nächsten Jahres irgendwie zu ändern. Er will versuchen, mit dem Bundesfinanzminister zu einer besseren Regelung zu kommen.
Wir glauben, daß diese Dinge nicht auf den nächsten Bundeshaushalt verschoben werden können. Wir sehen doch, daß bereits jetzt in einem bedeutenden und in dieser Sache führenden Lande - Baden-Württemberg - eine durchaus kritische Situation gegeben ist. Dort war schon im vergangenen Jahr ein Defizit von 20 Millionen DM vorhanden. In diesem Jahre geht man dort einem weiteren echten Defizit von 57 Millionen DM entgegen. Wenn sich auf Grund einer falschen Konstruktion solche Dinge entwickelt haben, dann muß man den Mut haben, ihnen sofort zu Leibe zu rücken
und sie beizeiten zu lösen. Das ist nicht nur wegen des Landes Baden-Württemberg, sondern auch wegen der Sauberkeit und einer klaren Haushaltsregelung notwendig.
Wir bitten Sie deshalb, unserem Antrag zu entsprechen.
({10})
Das Wort hat der Abgeordnete Baier ({0}).
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es wäre natürlich sehr viel zu dem zu sagen, was Herr Kollege Dr. Brecht hier angeschnitten hat. Wir bemühen uns aber, heute keine große Wohnungsbaudebatte zu führen. Ich darf deshalb gleich in die Einzelheiten einsteigen und zu dem Antrag Stellung nehmen.
Herr Dr. Brecht, auch uns - wir haben uns darüber in diesem Jahr im Haushaltsausschuß unterhalten - gefällt der Aufbau des Einzelplans 25 nicht. Mit seinen vielen Hinweisen auf Möglichkeiten und mit den durch die Bindungsermächtigungen gesetzten Grenzen ist er tatsächlich zu einem Buch mit sieben Siegeln geworden. Der Haushaltsausschuß hat ja den Wunsch ausgesprochen, man möge sich bemühen, mehr Übersichtlichkeit hineinzubringen. Das wird aber nicht so einfach sein. Auf keinen Fall wird es möglich sein, den einen Topf zu schaffen, den Sie wollen und aus dem Sie alles nehmen wollen.
Hier unterscheiden sich unsere Auffassungen über die Wohnungsbaupolitik. Wir sind eben auch für gezielte Maßnahmen. Sie sprachen von dem harten Kern. Auch dafür sind gezielte Maßnahmen einfach notwendig.
Ich muß auch die Behauptung zurückweisen, die Sie wieder in die Welt setzen wollen, der Normalverbraucher könne nichts bekommen. Außer den öffentlichen Mitteln, Herr Dr. Brecht, die jedem entsprechend der Dringlichkeitsstufe zur Verfügung stehen und bei denen nicht nach Ausweisen gefragt wird, gibt es auch noch andere Förderungsmaßnahmen, die jeder in Anspruch nehmen kann.
({0})
- Lesen Sie doch einmal das Zweite Wohnungsbaugesetz! Denken Sie auch an den Wohnungsbau
für Sowjetzonenflüchtlinge. 50 % der Wohnungen aus diesem großen Programm kommen durch Tausch wieder den Normalverbrauchern zu. Die Möglichkeit wird von beiden Teilen begrüßt. Die Zonenflüchtlinge sind nämlich vielfach nicht in der Lage, die hohen Neubaumieten zu zahlen. Sie nehmen deshalb lieber im Tausch eine alte Wohnung. Ich möchte bitten, diese Dinge nicht zu übersehen.
Nun ein Wort zu Ihrer Klage, die Verteilung der Mittel für den SBZ-Flüchtlings-Wohnungsbau habe noch nicht stattgefunden. Woran liegt das? Am 6. Oktober 1959 wurde den Ländern ein Vorschlag des Bundeskanzlers zur Verteilung der Mittel gemacht. Herr Dr. Brecht, am 26. Februar haben die Länder geantwortet. Hoffentlich hat die Anwort
Baier ({1})
nicht wieder deshalb so lange gedauert, weil sich, wie letztenmal, einige Ministerpräsidenten nicht darüber einigen konnten, ob man den Bundeskanzler mit „sehr verehrter Herr Bundeskanzler" oder nur mit „Herr Bundeskanzler" anspricht.
({2})
- Ja bitte, eine Tatsache! Ich hoffe, daß das nicht auch diesmal wieder die Ursache war.
Nun schreiben die Länder: Dieser Vorschlag ist eine geeignete Grundlage für ein Gespräch, und machen weitere Einschränkungen. Das bedeutet praktisch, daß weitere Verhandlungen nötig sind und damit weitere Verzögerungen eintreten. Hier können Sie doch beim besten Willen die Schuld nicht dem Herrn Wohnungsbauminister in die Schuhe schieben; denn zur Einigung gehören eben zwei, und die zweiten sind die Länder.
Immerhin ist die Situation auch nicht tragisch zu nehmen. Im Augenblick ist noch sehr viel fertigzustellen. Wir haben für den Zonenflüchtlingsbau ein Wohnungs-Soll für die Zeit von 1953 bis zum 31. Dezember 1959 von 327 510 Wohnungen. Davon sind etwa 106 000 Wohnungen noch nicht fertiggestellt, fertiggestellt sind 220 000. Gott sei Dank ist hier der Stau zurückgegangen. Hier wird weiter gebaut, und wenn die Länder sich geeinigt haben und mitmachen, werden auch die Mittel für dieses Jahr alsbald verteilt sein.
Zu Ihrem Antrag darf ich zunächst folgendes sagen. Sie wollen den Titel „Veröffentlichungen des Ministeriums" streichen. Herr Dr. Brecht, Sie sprachen vom „Propagandafonds". Mir lag sehr auf der Zunge, zu fragen, was für einen Fonds der sozialistische Bausenator Nevermann hat, der allein für den Stadtstaat Hamburg 90 000 DM zur Verfügung hat.
({3})
Wir haben im letzten Jahr 940 000 DM für Veröffentlichungen des Ministeriums bereitgestellt, und es wurde damit wirklich gute Arbeit geleistet. Ich habe mir einmal einige Schriften, die verteilt wurden, genommen. Sie tragen etwa die Überschriften: „Es geht um Ihre neue Küche!", „Baut ruhige Wohnungen!", „Nein, auch im Winter bauen!", „Wärmeschutz", „Das Eigentum in der Etage" oder „Das Familienheim kein Wunschtraum mehr". Herr Dr. Brecht, ich habe mich bei den Sparkassen erkundigt: wie warme Semmeln gingen diese Broschüren weg, weil den Bauinteressenten daran liegt, die Dinge in die Hand zu bekommen und aufgeklärt zu werden. Ich möchte den Herrn Bundeswohnungsbauminister bitten, diese aufklärenden Broschüren recht bald wieder herauszugeben. Es wurde sehr viel getan. Eines aber, was Sie angekündigt haben, daß wir nämlich Propaganda machten, statt Wohnungen zu bauen, wurde nicht getan. Wir haben Wohnungen gebaut, und wir haben über die Baumöglichkeiten aufgeklärt.
Die noch zur Verfügung stehenden Restmittel sollen dazu verwendet werden, noch weitere Aufklärung auch über Versuchs- und Vergleichsbauvorhaben zu geben und u. a. eine Broschüre herauszubringen, die Mieter und Vermieter über die Maßnahmen des Gesetzes über den Abbau der Wohnungszwangswirtschaft, sobald es in Kraft ist, aufklären soll. Daß dieses Gesetz nicht in Kraft ist und daß die Mittel noch nicht verbraucht wurden, liegt nicht an uns. Das können Sie nicht uns in die Schuhe schieben.
Der Herr Wohnungsbauminister hat diesen Fonds auf den normalen Haushaltstitel der letzten Jahre zurückgeführt. Warum wollen Sie das unterbinden? Warum wollen Sie hier verschiedene Maßstäbe an den Stadtstaat Hamburg und die Bundesrepublik anlegen. Wenn Sie allein für die Stadt Hamburg 90 000 DM billigen, müßten Sie dem Herrn Wohnungsbauminister mindestens 900 000 DM, das Zehnfache, für die gesamte Bundesrepublik zubilligen. Aber Ihnen geht es eben nicht um die haushaltsmäßige Einsparung, Ihnen geht es doch letztlich darum, unsere Wohnungsbaupolitik jeder Kritik schonungslos preiszugeben.
({4})
Dagegen werden wir uns wehren, und deshalb lehnen wir Ihren Streichungsantrag ab.
({5})
- Das soll heißen, Sie wollen verhindern, daß eine Aufklärung über die Maßnahmen, die gesetzlich getroffen werden, gegeben wird. Sie wollen jede noch so maßlose Kritik auf uns zukommen lassen und wollen, daß man sich nicht dagegen wehrt und aufklärt.
Nun zu den anderen Positionen, zunächst zu den Wohnungsbauprämien. Wir sehen die Entwicklung auf dem Gebiete der Prämien mit einem lachenden und einem weinenden Auge, zweifellos. Wir wissen, daß Baden-Württemberg 1959 noch 20 Millionen DM und 1960 noch 59 Millionen DM benötigt, die ungedeckt sind. Wer diese Differenzbeträge aufzubringen hat, darüber muß baldigst eine Einigung herbeigeführt werden. Ich weiß, daß 1961 noch weitere Länder in die gleiche Situation kommen werden. Es ist klar: hier die Degression, dort das Ansteigen der Prämiensparer. Wir stellen fest, daß das Wohnungsbau-Prämiensparen eine klassische Form der Eigentumsbildung ist, so wie wir sie wollen. Das wird gerade für die Zukunft vom Finanzminister berücksichtigt werden müssen.
Im Augenblick geht es um die Situation in den Jahren 1959 und 1960. Herr Dr. Brecht, Sie haben den gleichen Brief wie ich vom Herrn Innenminister Renner bekommen, aus dem ich eine Stelle mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren darf. Herr Minister Renner schreibt, daß die Besprechung mit Herrn Finanzminister Etzel in durchaus freundlicher Atmosphäre stattfand. Die Rechtsfrage, ob der Bund die Prämien in voller Höhe aufzubringen habe, sei eingehend erörtert worden. Weiter heißt es:
Der Herr Finanzminister will unsere Rechtsauffassung, die wir ihm zum erstenmal ausführlich erläutern konnten, in seinem Hause nachprüfen lassen und unter Umständen auch eine Äußerung des Bundesjustizministeriums einholen. Danach soll etwa im Mai eine zweite
Baier ({6})
Besprechung stattfinden. Alle Beteiligten waren sich darüber einig, wenn eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes nach dieser zweiten Besprechung für notwendig gehalten werden sollte, muß sie im besten Einvernehmen beider Teile beschleunigt herbeigeführt werden.
Nachdem ich diesen Brief gelesen habe, frage ich mich, warum der Herr Innenminister Renner im Lande Baden-Württemberg so unfreundliche Töne anschlägt. Tägliche Pressemeldungen in der Zeitung darüber, daß das Geld nur bis Juni ausreiche, daß der Bund nichts mehr gebe und daß Baden-Württemberg klagen werde! Damit wird dort jetzt Unruhe in die Bevölkerung hineingetragen.
({7})
Ich unterstelle dem Stuttgarter Innenministerium nicht, daß es die Einigung verzögert hat. Ich weiß, daß hier echte Bemühungen waren. Aber ich muß an die Adresse des Herrn Innenministers Renner auch sagen, daß die Wohnungsbauprämien ein untaugliches Mittel für den Landtagswahlkampf der SPD in Baden-Württemberg sind.
({8})
Das Innenministerium in Stuttgart sollte sich an das halten, was uns Herr Renner in diesem Brief geschrieben hat, und die Entscheidung dort im besten Einvernehmen herbeiführen.
Die Wohnungsbauprämiensparer in Baden-Württemberg können beruhigt sein. Das Gesetz, daß sie die Prämie zu bekommen haben, besteht, und sie werden ihre Prämie bekommen. Wir fordern eine rasche Klärung, wer diese restlichen Prämien bezahlen soll. Das ist vorgesehen, das wird durchgeführt. Deshalb besteht auch kein Anlaß, Ihrem Antrag zuzustimmen.
Nun ein letztes, nämlich die Forderung, die jedes Jahr öfter vertreten wurde, doch die Degression, d. h. die jährliche Verminderung der vom Bund für den Wohnungsbau bereitgestellten öffentlichen Mittel im Zweiten Wohnungsbaugesetz, zu beseitigen. Das ist ein ständiger Gegenstand Ihrer Kritik. Sie haben immer prophezeit, daß der soziale Wohnungsbau darunter sehr leiden werde. Bis jetzt ist doch die Situation folgende. Es ist Tatsache, daß in den vergangenen Jahren auch im Sozialblock mehr gebaut wurde, als wir alle zusammen überhaupt anzunehmen wagten, so daß Ihre Kritik und Ihre Vorwürfe eigentlich verstummen müßten; sie ist durch die Tatsachen einfach unglaubwürdig geworden.
Nehmen Sie die Zahlen: 1955 290 000 Wohnungen im öffentlich geförderten Wohnungsbau, 1956 307 000, 1957 295 000, 1958 269 000, 1959 313 000 Wohnungen! Außer im Jahre 1958 lag also der Jahresdurchschnitt bei 300 000 öffentlich geförderten Wohnungen. In den letzten Jahren sind außerdem 40- bis 50 000 Wohnungen gebaut worden, die nach Größe, Ausstattung und Miete dazugerechnet werden können. Dabei müssen wir beachten, daß im Laufe dieser erfreulichen Entwicklung die Wohnungen besser wurden, daß die Wohnflächen größer wurden und daß die Wohnungen auch im Sozialblock mehr Räume erhielten. 1952 betrug die Wohnfläche 55 qm im Durchschnitt, 1959 70 qm. 1952 hatten 37 % der Wohnungen vier und mehr Räume; 1959 waren es 67 %. Wenn Sie vorhin meinten, daß ein gewisser Rückgang vorhanden sei, so muß dem entgegengehalten werden, daß bei dem Bau der Wohnungen ein Mehrbedarf an Mitteln vorhanden war.
Ich möchte mich nun nicht mit den Maßnahmen zur Dämpfung der Konjunktur befassen. Sie sagten, wir wollten uns das für später vorbehalten. Einige Grundsätze darf ich aber aufstellen. Ziel wird nach wie vor sein, daß wir in der Bundesrepublik jährlich etwa 500 000 Wohnungen erstellen. Gleichzeitig haben wir die Aufgabe, dabei mitzuhelfen, daß der Wohnungsbau nicht die Konjunktur überhitzt, zumal da letztlich durch eine ungünstige Preisentwicklung die Bausparer betroffen würden. Der soziale Wohnungsbau darf keine Konjunkturreserve darstellen. Aber meine Freunde und ich stehen hinter dem Minister, der die Formel geprägt hat: Preisstabilität geht vor Quantität im Wohnungsbau.
Heute wird von manchen Seiten versucht, den Wohnungsbau zum Schwarzen Peter der Konjunkturpolitik zu machen. Wir glauben, daß, wenn die Baulust gezügelt werden muß, zuerst versucht werden muß, das Bauen der öffentlichen Hand und in der Industrie und im Gewerbe etwas einzuschränken, wo wir Amtsgebäude, Versicherungspaläste und Luxusbauten entstehen sehen. Bisher war es so: wenn der Wohnungsbau zurückging, zog das Bauen in den anderen Sektoren an, so daß wir immer auf die gleiche Bauleistung kamen.
Zum Schluß ein Wort zur Finanzierung! Herr Dr. Brecht, Sie fordern in Ihrem Antrag, die Degression zu beseitigen und 210 Millionen DM mehr hineinzugeben. Auch wir meinen, daß weiter gebaut werden muß, daß auch der soziale Wohnungsbau, der öffentlich geförderte Wohnungsbau durchgeführt werden muß; aber darin unterscheiden wir uns: es muß nicht immer in den alten Schemen und Formen geschehen. Wir glauben, daß die Zeit für eine Wende in der Wohnungsbaufinanzierung gekommen ist. Ich fahre täglich von Bad Godesberg nach Bonn und lese immer wieder an Ihrem Hauptquartier das Schild: „Geh mit der Zeit!" Ich möchte sagen: hier im Wohnungsbau gehen w i r mit der Zeit.
({9})
Wir glauben, daß in der Wohnungsbaupolitik eine Wende in der Finanzierung nötig ist. Ja, ich meine, daß wir schon mitten in der Wende stehen unid daß wir mit unseren Zinssubventionen einen sehr bedeutenden Effekt erzielen. Das ist ja unserer Kapitalwirtschaft angepaßt. Wir halten es für falsch, in den öffentlichen Förderungsmitteln das einzige Heil zu erblicken. Für uns als Christlich-Demokratische Union ist die entscheidende Grundlage für die Wohnungsbaufinanzierung, daß bei dem öffentlich geförderten, bei dem steuerbegünstigten und beim frei finanzierten Wohnungsbau letztlich der einzelne private Ersparnisse einsetzt und nicht allein nach den Darlehensmitteln des Staates gerufen wird. Das
Baier ({10})
war in den Jahren nach dem Zusammenbruch anders. Heute müssen wir Stück für Stück davon abkommen. Diese Entwicklung stellen wir heute erfreulicherweise durch die vielen Bausparverträge fest.
Mit den gezielten Maßnahmen der Zinssubventionen, auch mit dem Flüchtlingswohnungsbau, mit dem Facharbeiterwohnungsbau, mit dem neuen Programm, das die Räumung von Wohnlagern der Altvertriebenen betrifft - Sie mögen es Töpfchenwirtschaft nennen, aber hier haben Sie eben eine Möglichkeit, einem bestimmten, hart getroffenen Personenkreis besonders zu helfen -, erreichen wir doch ein Bauvolumen, das in keiner Weise dem nachsteht, was wir bisher hatten.
Ich nenne nur drei Zahlen zur Finanzierung. Der Haushaltsansatz 1957 betrug im Wohnungsbauetat 1127 Millionen DM. Er beträgt 1960 915 Millionen DM. Gegenüber 1957, wo keine Kapitalmarktmittel durch Zinssubventionen herangezogen werden konnten, wurden 1960 707 Millionen DM am Kapitalmarkt mobilisiert und damit zusätzlich bereitgestellt. Wenn Sie die Degression berücksichtigen, so kommen Sie zu dem Ergebnis, daß hier den Bauherren praktisch 495 Millionen DM mehr an verbilligtem Kapital bereitstehen. Das müssen Sie mitsehen. Sie dürfen die Dinge doch nicht so einseitig betrachten, wie Sie das Jahr für Jahr tun, sondern müssen den ganzen Strauß von Maßnahmen sehen. In den aufgezeigten Ergebnissen liegt der beste Beweis für die Wirksamkeit der neuen Methoden, die wir in der Wohnungsbauwirtschaft einführen.
Dazu der Lücke-Plan mit dem sozialen Mietrecht, dazu das Bundesbaugesetz! Das alles zusammen sind großartige Leistungen unserer Wohnungsbauwirtschaft, und ich möchte dafür unserem Wohnungsbauminister ein herzliches Wort des Dankes sagen.
({11})
Er treibt mit voller Tatkraft und mit neuen Ideen den Wohnungsbau zum Wohle des Volkes vorwärts. Auf diesem Wege finden die beherrschenden Grundsätze unserer staats-, wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Konzeption auch im Wohnungsbau volle Geltung. Auch hier gilt: nur so viel Staat als nötig.
Ich beantrage, den Antrag der SPD abzulehnen.
({12})
Meine Damen und Herren, es besteht Übereinstimmung darüber, daß nunmehr die Sitzung für eine halbe Stunde unterbrochen wird. Die Fraktionen der SPD und der CDU/CSU haben Fraktionssitzungen. Die Sitzung wird um 16 Uhr wiedereröffnet.
({0})
Die Sitzung wird fortgesetzt.
Wir fahren fort in der Beratung des Einzelplans 25. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Will.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach dieser unvorhergesehenen kurzen Unterbrechung, die die erfreuliche Folge hat, daß das Haus wesentlich voller ist, als es vorher war, darf ich zu Einzelplan 25 zurückkehren und mich mit dem Haushalt des Wohnungsbauministeriums beschäftigen.
Hier taucht die Versuchung auf, vorwegzunehmen, was wir in wenigen Wochen, nämlich am 18. und am 20. Mai, zu diskutieren haben, das Bundesbaugesetz mit seinen weitreichenden Auswirkungen und den sogenannten Abbauplan, bekannter unter dem Namen Lücke-Plan. Dabei handelt es sich um weitreichende Maßnahmen von einschneidender Bedeutung für die gesamte Bevölkerung. Ich möchte gerade deshalb davon absehen, in diese Details einzutreten, weil sie heute nicht hierhergehören, und mich auf Bemerkungen beschränken, die die Freie Demokratische Partei bei der Stellungnahme zu dem Einzelplan 25, dem Haushalt des Wohnungsbauministeriums, zu machen hat.
Ich darf zur allgemeinen Aussprache einige grundsätzliche Bemerkungen vorausschicken. Nach unserer Auffassung ist der Wohnungsbau nicht eine Angelegenheit des Staates. Infolgedessen sind wir gegen ein Wohnungsbauministerium, weil es unserer Auffassung von der freien Marktwirtschaft widerspricht. Es wird von uns aber nicht verkannt, daß in der Situation, in der wir uns immer noch befinden, in dieser Wohnungsnot ein Kompromiß mit der Realität erforderlich ist. Aus diesem Grunde werden wir uns damit abfinden, daß es ein Wohnungsbauministerium gibt und noch eine Reihe von Jahren geben muß.
Es hat einmal - das liegt schon ein bißchen zurück - einen Wohnungsbauminister gegeben, der erklärt hat: „Gebt mir vier Jahre Zeit, und ich habe mich selber überflüssig gemacht." Das war eine leere Versprechng, die sich nicht hat halten lassen. Das Wohnungsbauministerium besteht, und wir werden eine Reihe von Jahren - ({0}) - Ja.
Die Stellungnahme zum Wohnungsbauministerium hängt aber davon ab, ob dieses Ministerium seinen Zweck erfüllt hat, ob es Leistungen aufweisen kann, die seine Daseinsberechtigung unterstreichen, ob es Wohnungen gebaut hat, ob es mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln so gewirtschaftet hat, wie es dieses Haus verlangt hat.
Nun, wir wissen alle, wir können für das abgelaufene Jahr immerhin mit einer Wohnungsbauleistung von beinahe 600 000 Wohnungen rechnen; eine Leistung, die sich sehen lassen kann und die zweifellos noch größer war als die, die wir früher hatten. Wir haben die sichere Aussicht, daß sich die Wohnungsbauleistung im laufenden Jahre, wenn sie auch nicht ganz so hoch sein wird, immerhin wiederum zwischen 530 000 und 550 000 Wohnungen bewegen wird was durchaus nicht etwa eine optimistische Betrachtung ist, wenn man überlegt, daß wir mit einem Überhang von 435 000 Wohnungen in
das neue Jahr hineingegangen sind. Es ist also effektiv so, daß das mögliche Maximum im Hinblick auf die Kapazität der Bauwirtschaft überhaupt erreicht worden ist. Im Rahmen der Möglichkeiten ist also das Äußerste erreicht worden. Das muß man bei einer neutralen und sachlichen Betrachtung unbedingt zugeben. Deshalb wird man dem Wohnungsbauministerium bestätigen müssen, daß es im abgelaufenen Jahr mindestens seine Verpflichtungen erfüllt und die auf es gesetzten Erwartungen nicht enttäuscht hat.
Wenn man nun aber etwas näher in die Details geht, ist es doch erforderlich, eine Anzahl Bemerkungen zu machen, wie das insbesondere auch Herr Kollege Dr. Brecht in seinen ersten Ausführungen schon getan hat.
Ich möchte ausdrücklich sagen, daß die Freie Demokratische Partei diesen Dingen absolut sachlich gegenübersteht. Das liegt in der Natur der Dinge. Sie ist auf Grund ihrer eigenen Prüfung zu einem Urteil gekommen, daß ich Ihnen im folgenden kurz darstellen möchte.
Die Bedeutung der Bauwirtschaft - die ja häufig verkannt wird, deshalb möchte ich sie hier doch einmal aufzeigen - ist immerhin so beachtlich, daß wir mit einer Größenordnung von jährlich über 30 Milliarden DM - ich wiederhole: über 30 Milliarden DM - zu rechnen haben. Davon entfällt die Hälfte oder doch nicht sehr viel weniger als die Hälfte, also 15 Milliarden DM, auf die Bauwirtschaft, und zwar etwa 9 Milliarden DM auf den Sozialen Wohnungsbau und 6 Milliarden DM auf den nicht mit öffentlichen Mitteln geförderten Wohnungsbau. Diese Größenordnung muß man sich vor Augen halten, um zu wissen, worum es bei diesen Dingen eigentlich geht.
Es ist hier beanstandet worden, daß die Mittel, die von der öffentlichen Hand, insbesondere vom Bund, zur Verfügung gestellt werden, nicht ausreichend seien. Wenn dem so wäre, wäre natürlich ein Antrag, wie er hier vorliegt, auf Erhöhung der Mittel begründet. Die Dinge liegen aber so, daß es an den erforderlichen Mitteln, an der Finanzierung effektiv auch für das nächste Jahr nicht fehlt. Nun hat man, Sie wissen das, inzwischen eine andere Methode gefunden; man ist von der Subventionierung durch reine Kapitalgewährung abgekommen und zu einer Mischsubvention übergegangen, die heute immerhin beinahe mehr als die Hälfte ausmacht. Das heißt, man verwendet die öffentlichen Mittel nicht nur in Form von Kapitalhergabe, sondern zur Übernahme der Zinsen. Die Förderung besteht meist in voller Übernahme der Zinsen. Das bedeutet, daß mit einem gegebenen Betrage bei einem Zinssatz von 5 % der zwanzigfache Effekt erreicht werden kann, allerdings zunächst einmal zeitlich begrenzt.
Voraussetzung dafür ist, daß der Kapitalmarkt ergiebig genug ist. Daß die Hypothekenzinsen so viel teurer geworden sind, kann keine Rolle spielen, wenn die volle Zinslast von der öffentlichen Hand übernommen worden ist. Soweit das nicht der Fall ist, werden wir, befürchte ich, im Herbst mit einer nicht zu übersehenden Stauung auf dem Gebiet des frei finanzierten Wohnungsbaues rechnen müssen, weil eben die ersten Hypotheken erheblich teurer als bisher werden. Die 490 Millionen DM, die im außerordentlichen Haushalt enthalten sind, sind hier kritisiert worden. Bekanntlich sind wir ursprünglich von 700 Millionen DM ausgegangen. Infolge der Degression sind wir jetzt bei 490 Millionen DM angekommen. Wenn dadurch der Umfang des sozialen Wohnungsbaues leiden müßte, wäre zu überlegen, ob nicht schon jetzt eine entscheidende Änderung eintreten müßte. Eine solche Gefahr besteht aber mindestens für das gegenwärtige Etatjahr nicht. Deshalb scheint mir die Forderung, die hier erhoben worden ist, jedenfalls im Augenblick nicht begründet zu sein.
Anders verhält es sich mit dem, was auch bereits angesprochen worden ist: Aus diesen Mitteln sollen auch noch die Wohnungsbauprämien gedeckt werden. Der vom Finanzministerium vorgesehene Ansatz in Höhe von nur 100 Millionen DM für Wohnungsbauprämien ist in der Tat zu gering. Auch wir sind der Meinung, daß hier eine wesentliche Änderung eintreten muß. Soweit ich unterrichtet bin, haben diese Wohnungsbauprämien im abgelaufenen Jahr die Summe von etwa 340 Millionen DM erreicht. Mit dieser Größenordnung haben wir vor zwei Jahren, als wir die Wohnungsbauprämien einführten, nicht gerechnet.
Wenn das so ist, dann ist es unerträglich, daß die 490 Millionen DM - sie sind ja schon eine Verminderung des ursprünglichen Betrages - in dieser Weise aufgezehrt werden. Wir glauben, daß es die Aufgabe des Wohnungsbauministers ist, dafür zu sorgen, daß es so bald wie möglich zu einer anderen Lastenverteilung und zu einer stärkeren Heranziehung der allgemeinen Etatmittel kommt, damit ein größerer Teil der Wohnungsbauprämien abgedeckt werden kann.
Im übrigen haben wir bei diesem Einzelplan nur eine mäßige Steigerung zu verzeichnen. Im vorigen Jahr waren es 1730 Millionen DM, in diesem Jahr sind es 1860 Millionen DM. Die Steigerung ergibt sich daraus, daß die im vorigen Jahr und die vor zwei Jahren erteilten Bindungsermächtigungen einmal im Etat realisiert werden müssen. Daraus erklären sich die Mehranforderungen im Einzelplan 25.
Ich habe mit Interesse festgestellt, daß das Wohnungsbauministerium keine neuen Planstellen an- gefordert hat. Es hat sich nicht vergrößert und ist mit seinen 116 Personen an sich mäßig besetzt. Das ist eine erfreuliche Erscheinung, an der man nicht ohne weiteres vorübergehen sollte. Bekanntlich können wir das nicht überall feststellen.
Was uns betrübt, ist, daß für den Althausbesitz, für die Instandsetzung und insbesondere für die Modernisierung, nicht noch mehr geschieht. Wir wollen nicht vergessen, daß der Althausbesitz schon jetzt in einer schwierigen Lage ist. In einer nicht sehr fernen Zukunft wird er sich in einer außerordentlich trüben Situation befinden, wenn ihm nicht in großem Umfange eine Modernisierung und eine Anpassung an die gestiegenen Anforderungen der Mieterschaft ermöglicht wird. Ich möchte mich aber über dieses Thema nicht verbreiten; denn wir
werden uns gerade darüber im nächsten Monat ausführlich unterhalten können. Ich kann mich heute bei der Besprechung des Einzelplans 25 mit diesen grundsätzlichen Bemerkungen begnügen, denn wir werden uns in wenigen Wochen zu den einzelnen Problemen eingehend äußern können.
Die Fraktion der FDP glaubt, daß das Wohnungsbauministerium im abgelaufenen Jahr seine Pflicht erfüllt hat. Der Einzelplan 25 entspricht zwar nicht in allen Teilen unseren Vorstellungen. Er läßt aber im wesentlichen erkennen, daß man nicht daran zu zweifeln braucht, daß der soziale Wohnungsbau in dem bisherigen Umfange fortgesetzt wird. In einer nahen Zukunft kann man deshalb weitere Verbesserungen und eine weitere Beseitigung der da und dort - wenn auch nicht überall - noch vorhandenen Wohnungsnot erwarten. Aus diesem Grunde werden wir dem Einzelplan 25 unsere Zustimmung geben.
({1})
Wird weiter das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Dr. Brecht!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren: Ich möchte ein paar Bemerkungen zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Baier von vorhin machen. Zunächst eines: Die 90 000 DM, die der sozialdemokratische Bausenator Nevermann in Hamburg für Propagandazwecke hat, haben Sie mir letztes Jahr schon an der gleichen Stelle entgegengehalten. Inzwischen hätten Sie Gelegenheit gehabt, das zu untersuchen. Sie hätten dabei festgestellt, was der Bausenator in Hamburg mit diesen 90 000 DM gemacht hat. Damit wird die gesamte Städtebauplanung der Öffentlichkeit dargestellt, damit werden die gesamten Modelle gemacht, damit wird die Aufklärung der Bevölkerung bezahlt, damit wird der- gesamte Bebauungsplan der Stadt Hamburg veröffentlicht. Diese Form der unmittelbaren Darstellungen mit Modellen usw. ist etwas ganz anderes, als wenn Schriften herausgegeben werden.
({0})
- Entschuldigen Sie mal, wieso können Sie jetzt bezüglich Hamburg wieder sagen „für seine Mietskasernen"? Sehen Sie, das ist der Stil, den wir nicht lieben bei dieser Debatte,
({1})
daß hier immer bei der schwierigen Situation solche Dinge herausgestellt und gleich derartige Seitenhiebe verteilt werden, die an der Sache vorbeigehen. Soll ich Ihnen andere Dinge nennen? In Hamburg werden so viele Eigenheime und Kleinsiedlungen und Einfamilienhäuser gebaut wie irgendwo anders auch, und man sollte endlich mit dieser blödsinnigen These dieses Gegensatzes aufhören.
({2})
Wir haben nur gesagt: Sie haben noch genug Propagandamittel vom letzten Jahr, und deshalb wollen wir Ihnen in diesem Jahre keine weiteren Mittel zugestehen. Sie haben ja noch unendlich viel Propagandamittel wie das Bulletin oder alle die anderen Organe. Wenn man einmal die Informations- und Propagandamittel in allen Haushalten im einzelnen zusammenrechnete, käme man auf gigantische Beträge.
Zu der These von den Wohnungsbauprämien möchte ich, da wieder der Fall Baden-Württemberg angeschnitten worden ist, folgendes sagen. Ich gebe zu, Sie haben zugestimmt, daß hier wirklich ein Problem vorliegt, das gelöst werden muß. Sie haben sogar mit Recht - ich betone das ausdrücklich - gesagt, das, was bereits jetzt im Lande Baden-Württemberg krisenhaft sei, daß nämlich die Wohnungsbauprämien aus den vorgesehenen Mitteln nicht mehr geleistet werden könnten, werde im nächsten Jahr auf andere Länder zukommen. Dann aber haben Sie weiter gesagt: Man kann das aber nicht in den Wahlkampf hineinbringen.
Was der Minister Renner tut, habe ich an sich nicht zu verteidigen. Aber ich bin der Meinung, es ist durchaus eine legale Aufgabe und eine sinnvolle Tätigkeit eines Fachministers, in einem Wahlkampf
({3})
bei der Landespolitik auch darzulegen, wie das Verhältnis hinsichtlich der Wohnungsbauprämie ist, die auf den Haushalt des Landes Baden-Württemberg sehr entscheidend einwirkt. Es ist eine legale Möglichkeit, darüber zu sprechen.
Den Brief des Herrn Ministers Renner habe ich übrigens auch. Ich habe ihn aber aus folgendem Grunde nicht zitiert. Da steht zwar sehr schön drin, daß wunderbar, in einer Atmosphäre der freundschaftlichen Beziehungen, verhandelt worden ist und daß keine Schärfen gewesen sind; aber damit ist noch nicht gesagt, daß das Problem gelöst ist und daß man das Geld gegeben hat. Baden-Württemberg hat das Geld nicht. Sie, Herr Baier, haben darauf gesagt: Das Geld wird gezahlt. Ja, nun muß ich Sie einmal fragen: woher sollen die 56 Millionen, die für die Wohnungsbauprämien des Landes Baden-Württemberg in diesem Jahre fehlen, kommen? Und aus welchem Haushaltstitel sollen die 20 Millionen DM, die im vergangenen Jahre fehlten, gezahlt werden? Bitte, vielleicht äußern Sie sich dazu; ich habe ja die Frage gestellt und gesagt, hier müsse eine Klärung herbeigeführt werden. Deshalb haben wir unseren Antrag gestellt.
Dann haben Sie plötzlich gesagt - das war für mich etwas überraschend -, daß Sie für gezielte Maßnahmen und damit für die Sonderprogramme seien. Ich habe den sehr klassischen Satz des Herrn Bundesfinanzministers aus seiner Haushaltsrede vom 9. Dezember 1958 zitiert, wo der Herr Bundesfinanzminister - Ihr Kollege und Ihr Finanzminister - dafür eingetreten ist, daß die zersplitterten Sonderprogramme aufgehoben und ein einheitliches Programm gemacht werden sollte. Nun kommen Sie wieder und sagen indirekt: was mein Minister geDr. Brecht
sagt hat, ist doch falsch; ich will Sonderprogramme haben.
({4})
Dann haben Sie gesagt, meine Hinweise hinsichtlich des Rückgangs des Wohnungsbaus stimmten nicht, und ich sei damit nicht glaubwürdig. Ich möchte von mir aus gar nichts weiter an einzelnen Zahlen anführen. Ich darf vielmehr mit Zustimmung des Herrn Präsidenten vielleicht einige Sätze aus dem offiziösen Monatsbericht des Bundesministers für Wohnungsbau Januar/Februar 1960 im amtlichen Teil des Bundesbaublattes, Heft 3, verlesen. Darauf stütze ich mich. Da steht:
Im Zusammenhang hiermit blieben auch seit Anfang des neuen Jahres die Bewilligungen im sozialen Wohnungsbau erheblich unter denen des Vorjahres, die damals freilich durch die Abdeckung des Rückstaus im SBZ-Wohnungsbau besonders hoch gewesen waren. Im Januar 1960 sind im Bundesgebiet durch Erteilung von Einzelbewilligungsbescheiden nur 18 900 Wohnungen gefördert worden, gegenüber 27 100 im Dezember und 27 000 im Januar 1959. Die Abnahme beträgt gegenüber dem Vorjahr rund 30 %, während sie schon in der zweiten Jahreshälfte mehr als ein Fünftel gegenüber dem zweiten Halbjahr 1958 betragen hatte.
Darauf habe ich mich gestützt. Daraufhin habe ich erklärt, ,daß ein Rückgang vorliegt, der uns mit Sorge erfüllt, nicht daß der Wohnungsbau im ganzen zurückgeht, sondern daß speziell der Wohnungsbau für die Bevölkerungskreise mit geringen Einkommen zurückgeht, für den wir zu sorgen haben.
Lassen Sie mich zum Schluß nur noch eine Bemerkung machen. Sie haben dem Herrn Bundeswohnungsbauminister Ihren Dank und Ihre Anerkennung ausgesprochen. Das ist Ihr gutes Recht, das können Sie tun. Auch wir sind mit manchen Dingen vielleicht einverstanden, aber wir haben sehr viel Kritik und andere Auffassungen gegenüber dem Wohnungsbauminister und seiner Politik. Das wird man nächstens in der größeren wohnungspolitischen Debatte durchaus sehen. Aber ich meine immer folgendes: man sollte doch mit solchen Dankeserklärungen und Sympathiekundgebungen
({5})
- hat er verdient, schön - etwas vorsichtiger sein. Es klingt immer so, wenn Sie das sagen oder wenn es der Herr Bundeswohnungsbauminister in verschiedenen Dokumenten zum Ausdruck bringt, als ob die 592 000 Wohnungen ,des vergangenen Jahres ausschließlich vom Herrn Bundeswohnungsbauminister, seinem Staatssekretär und seinen Ministerialräten gemauert und gezimmert worden wären
({6})
und als ob es keine Bauhandwerker, keine Bauunternehmer und keine Bauherren gegeben hätte.
({7})
Letzten Endes hätte er die 592 000 Wohnungen und das, was Sie ihm so groß als Lob und als Ergebnis zusprechen, nicht geschafft ohne die Mithilfe z. B. der sozialdemokratisch geleiteten Länder oder der Länder mit Koalitionen, in denen auch die Sozialdemokraten sitzen, oder der Gemeinden unter sozialdemokratischer Leitung und - ich nehme das für uns in Anspruch - auch mit Hilfe der konstruktiven Politik, die wir von der Sozialdemokratischen Partei bei den Beratungen immer wieder vertreten haben.
({8})
Wird weiter das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung. Es liegt der Umdruck 515, Änderungsantrag der Fraktion der SPD vor. Der Änderungsantrag ist begründet. Ich darf wohl über ihn als Ganzes abstimmen lassen?
({0})
- Dann lasse ich zuerst über Ziffer 1 und 3 gemeinsam abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das zweite ist die Mehrheit; abgelehnt.
Ich komme zu Ziffer 2. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das zweite ist die Mehrheit; abgelehnt.
Ich komme zu Ziffer 4. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letztere ist die Mehrheit; abgelehnt.
Ich lasse jetzt über den Einzelplan 25 - Geschäftsbereich des Bundesministers für Wohnungsbau - als Ganzes abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. -- Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Mit Gegenstimmen und zahlreichen Enthaltungen links angenommen.
Der Einzelplan 26 ist abgesetzt. Ich rufe auf:
Einzelplan 27
Geschäftsbereich des Bundesministers für gesamtdeutsche Fragen ({1}) .
Ich erteile dem Berichterstatter, Abgeordneten Hermsdorf, das Wort.
({2})
- Verzichtet das Haus auf einen Bericht? - Das Haus verzichtet auf einen Bericht.
Änderungsanträge liegen nicht vor. Wir kommen zur allgemeinen Aussprache.
Bitte sehr, Herr Abgeordneter Mattick.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Heren! Im Namen der sozialdemokratischen Fraktion möchte ich an den Minister für gesamtdeutsche Fragen die besondere Bitte richten, sich eines menschlichen Problems anzunehmen, das aus der Tragödie der deutschen Spaltung entstanden ist.
Wir haben festgestellt, daß in der Bundesrepublik zur Zeit ca. 100 politische Häftlinge, die ihren letzten Wohnsitz außerhalb des Bereichs des Grundgesetzes hatten, einsitzen. Gegen 190 läuft zur Zeit ein Verfahren. Es handelt sich fast ausschlleßlich um Beauftragte des Staatssicherheitsdienstes oder der SED. Ein Teil der Häftlinge ist vom Bundesgerichtshof in Karlsruhe verurteilt worden, so daß sie dem Gnadenrecht des Herrn Bundespräsidenten unterstehen; andere sind auf Landesebene verurteilt.
Auf der anderen Seite befinden sich in den Gefängnissen und Zuchthäusern des Zonenregimes immer noch mehr als 200 Bürger aus der Bundesrepublik einschließlich West-Berlins, die zum Teil verschleppt, zum Teil auf dem Wege von und nach Berlin, auf der Interzonenstraße oder auch beim Besuch des Ostsektors von Berlin verhaftet worden sind.
({0})
Sie sind meistens unter dem Vorwurf, Agenten, Spione oder Diversanten zu sein, zu hohen Gefängnis- oder Zuchthausstrafen verurteilt worden. Die Not dieser Menschen ist unsagbar.
Ohne auf Einzelfälle einzugehen, möchte ich sagen, daß das Leben von manchen, die hinter Zuchthausmauern sitzen, wahrscheinlich davon abhängt, ob ihre Haftzeit abgekürzt werden kann. Wir bitten nun den Herrn Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen, dem Herrn Bundespräsidenten einmal nahezubringen und mit den Länderregierungen zu erörtern, ob es nicht eine gute menschliche Sache wäre, wenn man die Entlassung der in der Bundesrepublik einsitzenden Kommunisten, die auf dem Gnadenwege erfolgen müßte, unter der Voraussetzung anbieten würde, daß die Inhaftierten aus der Bundesrepublik einschließlich West-Berlins drüben ebenfalls entlassen werden; nur unter dieser Voraussetzung. Das würde vielen Menschen unsagbares Leid ersparen. Das wäre schon dann der Mühe wert, wenn es uns gelänge, auch nur einige aus den Zuchthäusern und Gefängnissen dort drüben herauszuholen.
Meine Damen und Herren, wir können annehmen, daß es den Machthabern der Sowjetzone gerade jetzt, vor der Gipfelkonferenz, angesichts ihrer vielen Reden über Entspannung, Beruhigung und Verständigung schwerfallen dürfte, eine solche gegenseitige menschliche Tat einfach abzulehnen. Unser Bemühen sollte es jedenfalls sein, um jedes einzelne Menschenleben, das durch die Tragödie der deutschen Spaltung in eine besonders schwere Lage gekommen ist, zu ringen.
({1})
Wird weiterhin das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung. Änderungsanträge liegen nicht vor. Wer dem Einzelplan 27 - Geschäftsbereich des Bundesministers für gesamtdeutsche Fragen - zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen links ohne Gegenstimmen angenommen.
Ich rufe auf: Einzelplan 28
Geschäftsbereich des Bundesministers für Angelegenheiten des Bundesrates und der Länder ({0}).
Verzichtet das Haus auf einen Bericht? - Das ist der Fall.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat Frau Abgeordnete Kalinke.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich könnte beginnen: Alle Jahre wieder kommt nicht nur im Frühling die Schwalbe und zu Weihnachten das Christuskind, sondern auch der Antrag der Sozialdemokratischen Partei, den Einzelplan 28 zu streichen. Ich wende mich an die Kollegen der sozialdemokratischen Fraktion und meine, sie sollten mit mir doch darin einig sein, daß ein Antrag durch Wiederholung
nicht interessanter wird, wie eine Suppe nicht besser wird, wenn sie so oft aufgewärmt wird.
({0})
- Das ist sicher nicht der Fall.
Die Opposition sollte sich besser davon überzeugen lassen, daß man Opposition nicht nur der Opposition wegen machen sollte. Ich kann mir nicht vorstellen, daß es sachliche Gründe gibt, dieses Ministerium abzulehnen; sonst hätten Sie solche in der Diskussion längst deutlich gemacht.
Ich glaube, daß die Ablehnung auch ein geringes Maß an Respekt vor der Verfassungswirklichkeit zeigt, in der Bundestag und Bundesrat im Interesse unseres Volkes und der Verfassung gemeinsame Aufgaben zu erfüllen haben.
({1})
- Nicht im Interesse der Koalition, sondern im Interesse unseres Staates, für den wir alle gemeinsam Verantwortung tragen. Sie alle kennen die geschichtlichen Voraussetzungen für den Geschäftsbereich des Bundesministers für Angelegenheiten des Bundesrates und der Länder und wissen sehr genau, daß sowohl im Bundesrat der Reichsverfassung von 1871 wie im Reichsrat der Weimarer Verfassung die gleichen Voraussetzungen für das Funktionieren der staatlichen Verantwortlichkeiten, aber auch für die Zusammenarbeit zwischen der Bundesregierung und den Ländern wie damals zwischen der Reichsregierung und den Ländern bestanden, wie
sie heute für die Zusammenarbeit der Bundesregierung mit den Ländern notwendig sind.
Der Unterschied, der heute gegeben ist, besteht darin, daß der Bundesrat seinen eigenen Präsidenten wählt. Bundesrat und Bundesregierung sprechen miteinander durch einen Minister, also wie in der Vergangenheit durch ein Mitglied der Regierung. Gerade die Tatsache einer fast zehnjährigen Praxis sollte deutlich gemacht haben, wie notwendig dieser Kontakt zwischen der Bundesregierung und den Ländern ist.
Ich habe in diesen Tagen Gelegenheit gehabt, mich mit einer ausgezeichneten Kollegin der Sozialdemokratischen Partei, mit der Staatssekretärin Frau Bähnisch, gerade über das Funktionieren der Arbeit zwischen Bund und Ländern zu unterhalten. Ich glaube, es wäre nützlich, wenn sich die Initiatoren dieses alle Jahre wiederkehrenden Antrags einmal Gedanken darüber machten und sich unterrichten ließen, wie wichtig es ist, daß die vielfältigen Aufgaben, die der Bundesrat in der Koordinierung mit den Landesregierungen zum Bundestag und zur Bundesregierung zu erfüllen hat, mehr Beachtung fänden.
({2})
- Das hat ungeheuer viel damit zu tun, denn auch früher hat ein Minister die Aufgabe wahrgenommen. Ein Beamter, der nicht Mitglied des Kabinetts ist, könnte sie gewiß nicht lösen! Die Tatsache, daß der Minister diese Aufgabe geräuschlos wahrnimmt, sollte auch von der Opposition anerkannt werden.
({3})
- Ich habe noch keine Klagebriefe gesehen und gelesen.
Die Spannungen, die sich aus solchen Anträgen und Diskussionen unnötigerweise ergeben, bedauere ich besonders im Interesse der Sozialdemokratischen Partei, die sich ja anschickt und das legitime Anliegen vertritt, einmal selber in diesem Hause zu regieren. Ich glaube nicht, daß die Sozialdemokratische Partei es sich leisten könnte, auf die Koordinierung der Aufgaben zwischen Bund und Ländern zu verzichten, wie sie es sich jetzt ja erfreulicherweise auch nicht leistet, darauf zu verzichten, einen ihrer besten Kollegen damit zu betrauen, daß er sich mit den Angelegenheiten des Bundesrates und der Länder befaßt. Eine Reform-Bewegung hat Ihre Partei erfaßt; die SPD ist auf dem Wege, viel Ballast der Vergangenheit abzuwerfen. Es wäre erfreulich, wenn Sie von nun an auch den Ballast des alljährlich wiederkehrenden Antrags, den Haushalt des Ministers für Angelegenheiten des Bundesrates und der Länder zu streichen, abwürfen. Ich bitte Sie darum, und ich bitte das Hohe Haus, den Antrag der Sozialdemokratischen Partei abzulehnen.
({4})
Das Wort hat der Abgeordnete Schmitt ({0}).
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die verehrte Kollegin Kalinke hat mit beredten Worten, ich muß schon sagen: mit großem Pathos versucht, das Ministerium für Bundesratsangelegenheiten aufzupolieren. Was sie gesagt hat, stimmt leider mit der politischen Wirklichkeit in keiner Weise überein. Wenn Sie dann noch so weit gehen, verehrte Frau Kollegin Kalinke, zu sagen, der Antrag auf Streichung dieses Ministeriums sei gewissermaßen ein Angriff auf die bundesstaatliche Ordnung in der Bundesrepublik Deutschland, dann kann man zu dieser Übertreibung nur den Kopf schütteln.
Es gibt dieses Ministerium schon eine Reihe von Jahren. In diesem Jahr haben wir einen Zeugen für die Berechtigung unseres Streichungsantrages. Auf Wunsch des Hohen Hauses ist eine Sachverständigenkommission für die Vereinfachung der Verwaltung eingesetzt worden. Wenn sie nicht nur für Michel Bergmeyer oder für Michel Brese eingesetzt worden ist, dann müssen wir ihre Ergebnisse durch konstruktive Vorschläge auswerten. Eine der Möglichkeiten der Auswertung liegt unseres Erachtens darin, unserem Streichungsantrag zu folgen.
Nun muß ich Ihnen noch etwas zu dem Ministerium selbst sagen. Es heißt im Vorwort zum Einzelplan 28 des Haushaltsentwurfs 1960:
Das Bundesministerium für Angelegenheiten des Bundesrates und der Länder hat die Aufgabe, dem föderativen Charakter des Grundgesetzes in seiner Anwendung Geltung zu verschaffen und die Rechte der Länder zu wahren.
Dann folgt die Aufzählung der Aufgaben, denen sich das Ministerium widmen muß. Unter Nr. 4 und Nr. 5 heißt es:
die Wünsche der Länder und deren Informationen über ihre eigenen Angelegenheiten für die Bundesregierung entgegenzunehmen und auszuwerten,
die widerstreitenden Interessen des Bundes und der Länder rechtzeitig zu erkennen und nach einem Ausgleich zwischen den gegenseitigen Auffassungen zu suchen. Dies gilt insbesondere auf dem Gebiete der Gesetzgebung des Bundes. auf dem es ihm obliegt, die Tätigkeit des Bundesrates mit der Arbeit der übrigen Organe in Einklang zu bringen.
So und ähnlich soll also das Hellwege-Merkatz-Ministerium arbeiten.
Nun, ich glaube, die Behauptung, das Ministerium „wahre die Rechte der Länder", „erkenne widerstreitende Interessen rechtzeitig" und „suche nach einem Ausgleich", ist für das, was das Ministerium in der Vergangenheit getan hat, entschuldigen Sie, man kann schon sagen, eine dreiste Anmaßung. Das Verhältnis Bund und Länder ist im elften Jahr der Bundesrepublik so gespannt wie noch nie. Seit Monaten wird um die Zuständigkeit auf dem Gebiet der Rundfunkgesetzgebung gekämpft, der Bundesinnenminister hat sich sogar dazu hinreißen lassen, zu sagen: Es gibt keine Kulturhoheit der Länder. Der Bundeskanzler hat die Säge an den Bundesstaat ge6162
Schmitt ({0})
setzt mit der Behauptung, die Stühle der Ministerpräsidenten gehörten ins Museum, und der zuständige Ressortminister schweigt zu allem. Als Herr Minister Schröder die Länder bei den Zusammenlegung der Landtagswahlen gleichschalten, als er mit der Notstandsgesetzgebung den Bundesrat überfahren wollte, da hat der Bundesminister für die Bundesratsangelegenheiten zu diesen Fragen geschwiegen.
Der Mißerfolg seines Bemühens ist also klar, so daß ich mich fragen muß: Was soll denn dieser Minister? Und, meine Damen und Herren, der Bundesrat hat ja auch längst die Konsequenzen aus dieser Tatsache gezogen. Vor mir liegt das Protokoll der 216. Sitzung vom 18. März 1960, als sich der Bundesrat wieder einmal über das Vorgehen des Herrn Bundesministers beklagen mußte, der den Bundesrat überrollen wollte. Da sagte Bundesratspräsident Röder im Beisein von Herrn v. Merkatz:
Also das muß anders werden, ich werde mal mit dem Herrn Bundeskanzler über diese Sachen sprechen.
Wozu dient also dieses Ministerium? Das berechtigt uns, diesen Streichungsantrag zu stellen.
Und nun ein ernstes Wort an Sie persönlich, Frau Kalinke.
({1})
- Das waren alles sehr ernste Worte; ich glaube, Sie haben sie nur in ihrer ganzen Tragweite noch nicht erfaßt.
({2})
Ich muß Ihnen sagen: Sie haben davon gesprochen, wir machten Opposition um der Opposition willen, und wir hätten nicht genug Respekt vor der Verfassung. Meine Damen und Herren, wenn der ganze Respekt vor der Verfassung darin besteht, ob in einer Koalition eine kleine Partei einen Ministersessel mehr oder weniger hat - diese Art von Respekt allerdings haben wir nicht. Aber wir haben die Achtung vor der Ordnung des Grundgesetzes, und darin werden wir uns auch von Ihnen nicht irremachen lassen.
({3})
Das Wort hat der Bundesminister für Angelegenheiten des Bundesrates und der Länder.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nun kann ich ja einfach nicht schweigen, obwohl ich mich im Interesse der Ökonomie der Zeit so kurz fassen möchte wie nur irgend möglich.
Lieber Herr Kollege Schmitt, ich verüble es Ihnen nicht, daß Sie als Vertreter der Opposition mein Ministerium angreifen. Wenn Sie sagen, daß ein gewisses Spannungselement zwischen Bund und Ländern in der Luft liegt - und diese Spannung ist tatsächlich ernster geworden, als das in den Anfängen der Fall war -, so muß ich Ihnen zustimmen. Wenn Sie aber nun glauben, daß ich 'Erklärungen etwa im Bundesrat oder auch woanders gegen meine Kollegen im Kabinett abgeben sollte, dann überfordern Sie mich; vor allen Dingen überfordern Sie mein Gefühl für Loyalität. Bisher war immer noch in diesen Dingen eine stille Arbeit vielleicht die bessere. Natürlich ist das keine spektakuläre Angelegenheit, und in Deutschland hat man wenig Gefühl für das, was man Koordinierungskontakte nennt. Seitdem die Bundesregierung - so wie die Reichsregierung - nicht mehr den Vorsitz im Bundesrat, dem Föderativorgan, hat, muß sich eben ein Minister mit diesen Dingen beschäftigen, um auch zu beobachten, was in den Ländern vorgeht. Sie waren ja schließlich nicht dabei, wenn ich mit dem Herrn Bundeskanzler und mit meinen Kollegen im Kabinett die Interessen der Länder vertreten, auf Gefahrenpunkte hingewiesen und nach Entspannungsmöglichkeiten gesucht habe. Nennen Sie mich meinetwegen einen Beschwichtigungshofrat. Von der Linie, die ich verfolgt habe, kann ich nicht abgehen, und ich halte sie für vernünftig und nützlich.
({0})
Das Wort wird weiter nicht gewünscht. Ich schließe die Aussprache.
Meine Damen und Herren, wir müssen uns über die Methode der Abstimmung klarwerden. Es ist beantragt, den Einzelplan 28 zu streichen. Bei Haushaltsberatungen zweiter Lesung werden die Einzelpläne wie Paragraphen eines Gesetzes behandelt. Es ist hier üblich, nicht Streichungsanträge zu verabschieden, sondern gegen den jeweiligen Paragraphen, in diesem Falle den Einzelplan, zu stimmen, wenn man eine Streichung wünscht. Diesem Gebrauch gemäß wird also formell nicht über den Änderungsantrag abgestimmt, sondern ich lasse über den Einzelplan abstimmen. Wer die Streichung wünscht, stimmt gegen den Einzelplan. Ich lasse also abstimmen über den Einzelplan 28. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ihm nicht zuzustimmen, sondern die Streichung wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Das erste war die Mehrheit; der Einzelplan ist angenommen, die Streichung ist also abgelehnt.
({0})
- Es ging mir nicht um die Zeit, sondern darum, die Meinung der Beisitzer festzustellen, die mir gerade in diesem Fall wertvoll war.
Ich rufe auf Einzelplan 29
Geschäftsbereich des Bundesministers für Familien- und Jugendfragen ({1}).
Das Wort als Berichterstatter hat der Abgeordnete Dr. Aigner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir als Berichterstatter nur ein paar kurze Bemerkungen. Eine Diskussion über die Aufgabenstellung des MinisteDr. Aigner
riums und die sich daraus ergebende Organisationsform wurde in diesem Jahr nicht geführt. Das Gutachten des Präsidenten des Bundesrechnungshofes in seiner Eigenschaft als Bundesbeauftragter für die Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung über dieses Ministerium wurde nur am Rande berührt. Kritik wurde aber insbesondere daran geübt, daß in den zahlreichen Ausschüssen, Beiräten und Kommissionen - z. B. hinsichtlich des Bundesjugendplanes - zahlreiche Vertreter der Zuwendungsempfänger sitzen und die Gefahr der Interessenkollision deshalb nicht auszuschließen ist. Dem Ministerium wird deshalb empfohlen, die beratende Funktion der Beiräte und Kommissionen selbst stärker zu beachten und bezüglich der Entwicklung des Bundesjugendplanes selbständiger und unabhängiger zu werden.
Hinsichtlich der einzelnen Beschlüsse des Haushaltsausschusses darf ich auf meinen Bericht in Drucksache 1721 verweisen. Ihre besondere Aufmerksamkeit darf ich aber auf den Bundesjugendplan - Kap. 29 01 Tit. 571 - lenken. Der Bundesjugendplan wurde in diesem Jahr wiederum erheblich aufgestockt, und zwar von 45,2 Millionen DM ordentlicher Haushaltsmittel und 10 Millionen DM Bindungsermächtigungen im Jahre 1959 auf insgesamt 60 230 000 DM ordentlicher Haushaltsmittel und 8 Millionen DM Bindungsermächtigungen im Jahr 1960.
Im einzelnen wurden hierbei im 11. Bundesjugendplan folgende Positionen erhöht: Für Wohnheime der Jugendhilfe stehen in diesem Jahr insgesamt 5 130 000 DM zur Verfügung. Auch für den Bau und die Einrichtung von Studentenwohnheimen stehen in diesem Jahr insgesamt 12 Millionen DM zur Verfügung. Der Titel allein im Bundesjugendplan wurde von 5 Millionen auf 6,5 Millionen DM erhöht; in Ergänzung dazu stehen im Wohnungsbauministerium noch einmal 5,5 Millionen DM zur Verfügung, insgesamt also 12 Millionen DM im Gegensatz zu 8 Millionen DM im Jahre 1959. Der Haushaltsausschuß war außerdem der Meinung, daß diese 12 Millionen DM mit der Auflage vergeben werden sollten, daß sich die Träger der Heime verpflichten, einen gewissen Prozentsatz von farbigen und ausländischen Studenten in diese Heime mit aufzunehmen, und zwar im selben Verhältnis, in dem die ausländischen zu den einheimischen Studenten an den einzelnen Hochschulen stehen. Die Bundesregierung wird ersucht, diesem Anliegen bei der Vergabe der Mittel Rechnung zu tragen.
Auch der Titel für Tutoren in Studentenwohnheimen wurde auf insgesamt 200 000 DM erhöht. Die Mittel für den Ring politischer Jugend und die Arbeitsgemeinschaft politischer Studentenverbände wurden um 100 000 bzw. 50 000 DM aufgestockt.
Im einzelnen wurden weiter erhöht die Mittel für die Gruppenfahrten nach Berlin, für das Jugendschrifttum, für Film, Funk und Fernsehen, für die Bildung der Mädchen und für die Erziehung der Jugend für die Ehe und die Familie. Der Ansatz für den Bau und die Haltung von Jugendherbergen und Jugendfreizeitstätten usw. wurde entgegen der
Regierungsvorlage wieder auf den alten Satz in i Höhe von 7,5 Millionen DM gebracht.
Der Ausschuß war ursprünglich der Meinung, der Fonds für die politische Bildung der Jugend in Höhe von 5 Millionen DM sollte mit 0,5 Millionen DM auf die Erhöhung der vorher angeführten Ausgabenposition verlagert werden. Da aber inzwischen sowohl die Fraktion der SPD auf Umdruck 517 wie die Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 530 den Antrag gestellt haben, den Ansatz in Höhe von 5 Millionen DM, wie er in der Regierungsvorlage enthalten war, wiederherzustellen, dürfte dieser alte Ansatz auch wieder erreicht werden.
Zum Schluß darf ich noch besonders über das Problem des sogenannten Garantiefonds berichten. Die Mittel hierzu wurden im Tit. 571 Buchstabe c von 7,5 Millionen auf 15,3 Millionen DM erhöht. Dem Anliegen der jugendlichen Zuwanderer, für ihre Schul- und Berufsausbildung Überbrückungsbeihilfe zu bekommen, ist damit Rechnung getragen. Der Haushaltsausschuß stimmte auch der Forderung der Bundesregierung zu, die Länder an dieser Aufgabe mit einer Interessenquote in Höhe von 25 % zu beteiligen, da es sich doch, zumindest in der Zielsetzung dieser Beihilfegewährung, um eine Länderangelegenheit handelt. Die Schul- und Berufsausbildung liegt in der Kulturhoheit der Länder. Die Erhöhung dieser Mittel läßt die Vermutung zu, daß eine außerplanmäßige Erhöhung dieser Mittel, wie sie vor allem im letzten Jahr laufend erforderlich wurde, für die nächsten Jahre vermieden werden kann.
Zusammenfassend darf festgestellt werden, daß in der Steigerung der Förderungsmittel und der Gesamtausgaben innerhalb dieses Etats - sie stiegen allein gegenüber dem Vorjahr um mehr als 20 Millionen DM - der Wille der Bundesregierung und dieses Hauses zum Ausdruck kommt, durch finanzielle Hilfe, vor allem als Hilfe zur Selbsthilfe gedacht - besonders beim Bundesjugendplan -, die Betreuungsmaßnahmen für Jugend und Familie verstärkt fortzusetzen.
Im Namen des Haushaltsausschusses empfehle ich deshalb die Annahme dieses Etats.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Es liegen vor ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 517 und ein Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Aigner, Kemmer und Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 530.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Lüders.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren. Zu dem Etat ließe sich manches und mehreres sagen. Über die Verwaltung des Ministeriums ließe sich ebenfalls manches und mehreres sagen. Sie werden nicht daran zweifeln, daß man diese Gelegeheit gut wahrnehmen könnte. Aber wir sind entschlossen, diese Gelegenheit nicht wahrzunehmen, weil wir finden, daß es nicht ganz loyal ist, jemanden anzugreifen, der seit vielen
Wochen krank ist und der nicht anwesend sein kann, um selber das zu verteidigen, was hier eventuell kritisch beleuchtet wird, und weil wir meinen, daß er - das ist einer der Mängel dieses Ministeriums - auch niemanden hat, der hier die Rolle eines wirklich verantwortlichen Vertreters übernehmen kann. Deshalb meinen wir, es ist besser, daß wir uns an einer Polemik in dieser Debatte nicht im besonderen beteiligen.
Sie werden nicht daran zweifeln, daß es mir, wenn das Befinden des Herrn Ministers nicht so unerfreulich wäre, ein Vergnügen wäre, einiges zu sagen, was eigentlich gesagt werden müßte. Aber ich verzichte darauf und ich nehme an, daß die Kollegen aller Fraktionen diesen Standpunkt verstehen werden.
({0})
Das Wort zur Begründung des Artrags Umdruck 517 hat Frau Abgeordnete Krappe.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf Umdruck 517 beantragt die sozialdemokratische Fraktion zweierlei. Zu dem Antrag unter Ziffer 3, den Ansatz für die politische Bildung der Jugend in Höhe von 5 Millionen DM wiederherzustellen, brauche ich nicht viele Worte zu verlieren, weil die CDU den gleichen Antrag gestellt hat. Ich begrüße, daß der alte Ansatz bleibt.
Unter der Ziffer 2, die den Bau und die Einrichtung von Studentenwohnheimen betrifft, wiederholen wir einen Antrag, den wir im Haushaltsausschuß gestellt haben, dort aber nicht haben durchbringen können. Ich hoffe, daß hier mehr Verständnis für diesen Antrag dasein wird, und möchte ihn noch einmal kurz begründen.
In Tit. 571 B. II. Nr. 3 befand sich ein Ansatz von 5,5 Millionen DM für Studentenwohnheime. Das Wohnungsbauministerium hatte zugesagt - der Ansatz ist allerdings im Etat nicht erkennbar -, 3,5 Millionen DM zur Verfügung zu stellen. Wir hatten dann im Haushaltsausschuß den Antrag gestellt - der Ausschuß für Familien- und Jugendfragen hatte es am 28. Januar dem Haushaltsausschuß anheimgestellt und befürwortet -, den Betrag um 4 Millionen DM zu erhöhen. Lediglich 1 Million DM wurde davon im Haushaltsausschuß anerkannt, so daß wir also die restlichen 3 Millionen heute noch einmal beantragen.
Über das Gesamtproblem möchte ich nicht sehr viele Worte verlieren, weil wir im vorigen Jahr bei der Haushaltsdebatte die Gründe ausführlich dargelegt haben. Ich möchte nur noch einmal für die, die sich mit der Materie nicht so befassen, ins Gedächtnis zurückrufen, daß zur Zeit Wohnheime nur für 9% aller Studierenden vorhanden sind und daß die Wohnraumnot sehr groß ist. Das war mit der Grund, daß im November 1958 der sogenannte Düsseldorfer Plan aufgestellt wurde. Man hatte seinerzeit bei Erhebungen festgestellt, daß mindestens 30 °/o der Studenten an Wohnheimen interessiert sind. Dementsprechend wurde der Plan ausgearbeitet.
Wenn aber in dem Tempo weitergebaut würde, wie es bis jetzt geschah, würde dieser Wohnraum im Jahre 1963 erst für 11,2% der Studenten zur Verfügung stehen.
Inzwischen sind jedoch weitere Erhebungen angestellt worden, und man hat jetzt festgestellt, daß sich der Bedarf sogar auf 50 °/o erhöht, also der Bedarf an Studentenwohnheimen noch wesentlich größer ist. Der Verband der deutschen Studentenschaften hat sämtlichen Fraktionen ein neues Programm und Material zur Verfügung gestellt und dabei errechnet, daß, wenn für 30 % aller Studierenden - immerhin nur ein sehr geringer Anteil - Studentenwohnheime erstellt werden sollen, dazu ungefähr 619 Millionen DM benötigt werden würden. Würde man für 50 % der Studenten - was also der Verband der deutschen Studentenschaften für richtig hält - Wohnraum erstellen, würde dafür über 1 Milliarde benötigt.
Wir sind daher der Meinung, daß es unmöglich bei diesen kleinen Ansätzen bleiben kann. Schon die von uns jetzt beantragte Erhöhung des Betrages für dieses Etatjahr um 3 Millionen auf insgesamt 13 Millionen ist in Anbetracht des Problems, das zur Debatte steht, lächerlich gering. Wir sind aber der Meinung, daß sich wenigstens mit diesem kleinen Betrag - in Anbetracht des Projektes kleinen Betrag - etwas größere Möglichkeiten in diesem Jahr erschließen, den Bau für solche Heime anlaufen zu lassen.
Bei der dritten Lesung werden wir sowieso noch einmal zu dieser Frage Stellung nehmen - wir haben ja einen Antrag eingereicht - und die Erarbeitung eines Fünfjahresprogramms beantragen. Wir werden uns auch für eine andere Schlüsselung der Kostenträger einsetzen. Wir sind der Meinung, daß es sich hier um die Lösung eines sehr dringenden Problems handelt. Es ist auch zu berücksichtigen, daß man bei den genannten Zahlen nur von den zur Zeit vorhandenen Studenten ausgeht. Wir sind aber doch alle der Meinung, daß sich ihre Zahl in den nächsten Jahren erhöhen wird; automatisch wird dann das Problem des Wohnraums immer dringender werden. Die Studentenschaften sind wegen dieser Angelegenheit sehr besorgt und richten an alle den dringenden Appell, hier helfend einzugreifen. Ich bitte Sie wirklich, wenigstens die 3 Millionen zu bewilligen.
({0})
Das Wort zur Begründung des Antrags Umdruck 530 hat der Abgeordnete Dr. Aigner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf zunächst darauf hinweisen, daß sich unser Änderungsantrag und die Ziffer 3 des Änderungsantrags der Fraktion der SPD betreffend die Aufstockung der Mittel für die politische Bildung decken. Die Ziffern i und 2 des SPD-Antrags bitte ich aus folgender Überlegung abzulehnen. Wir haben in diesem Jahr zum ersten Male 2 Millionen DM mehr zur Verfügung als im vorigen Jahr. Ich glaube, die Länder können gar nicht mehr
verkraften als die ausgewiesenen 12 Millionen DM. Das Wohnungsbauministerium hat uns versichert, alle Anträge, die bisher vorlägen, könnten bedient werden. Es ist also nicht nötig, die Mittel, die auf Grund der gestellten Anträge zur Verfügung stehen, zu erhöhen.
Außerdem glaube ich, daß, wenn eine gesetzliche Regelung des Wohnungmarktes auf Grund der Gesetze, die diesem Hause in Kürze vorgelegt werden, erfolgt sein wird, wir auch den Engpaß auf dem Gebiet des Studentenwohnraums, der vielleicht da und dort heute vorhanden ist, sicher überwinden werden.
Aus diesen Gründen bitte ich darum, es bei der für dieses Jahr vorgesehenen Erhöhung von 2 Millionen DM zu belassen und den Antrag der SPD abzulehnen.
Wird weiter das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich darf zuerst fragen, ob ich den Antrag Umdruck 517 der Fraktion der SPD als Ganzes oder einzeln zur Abstimmung stellen soll.
({0})
- Besteht damit Einverständnis? - Also stimmen wir zunächst über den Antrag Umdruck 530 ab. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Eine Gegenstimme. Enthaltungen? - Keine Enthaltungen.
({1})
- Der Antrag Umdruck 517 Ziffer 3 ist damit also gegenstandslos. Es bleiben die Anträge unter den Ziffern 1 und 2 übrig, über die auf Wunsch der Antragsteller gemeinsam abgestimmt werden soll. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letzte ist die Mehrheit; abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 29, Geschäftsbereich des Bundesministers für Familien- und Jugendfragen, mit der einen vorhin beschlossenen Änderung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen und einigen Gegenstimmen angenommen.
Ich rufe auf: Einzelplan 31
Geschäftsbereich des Bundesministers für Atomkernenergie und Wasserwirtschaft ({2}).
Berichterstatter ist der Abgeordnete Dr. Gleissner ({3}). Ich erteile ihm das Wort.
({4})
- Das Haus verzichtet auf einen Mündlichen Bericht.
Ich darf darauf aufmerksam machen, daß der Änderungsantrag der Abgeordneten Memmel, Dr. Bechert, Dr. Dehler, Dr. Schneider ({5}) und Genossen auf Umdruck 507 vorliegt.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Memmel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem Antrag Umdruck 507 werden Sie gebeten, einen vorhandenen Leertitel mit 6 Millionen DM aufzufüllen. Zur Begründung darf ich folgendes vortragen.
Im Jahre 1958 rief der Bundesminister für Atomkernenergie und Wasserwirtschaft eine einmalige Aktion ins Leben, die den rund 1500 höheren Schulen im Bundesgebiet die Möglichkeit geben sollte, ihren Physik- und Chemieunterricht zu modernisieren und dem Stand der heutigen Zeit anzupassen. Der Haushaltsausschuß und das Plenum bewilligten dann auch im Jahre 1958 6 Millionen DM für diesen Zweck. Die insgesamt vorgesehenen 18 Millionen DM - 12 000 DM für jede der 1500 Schulen
- sollten aus haushaltsrechtlichen Gründen und auch wegen Lieferschwierigkeiten nicht auf einmal, sondern in drei Raten ausgegeben werden. Dieser eisten Bewilligung von 6 Millionen DM folgte im Jahre 1959 die zweite Rate mit 3 Millionen DM. Insgesamt wurden bis zum 31. März 1960 7 757 925 DM ausgezahlt und durch Bewilligungen bis zum 31. März 1960 noch 1 242 000 DM festgelegt.
Im Haushaltsplan 1960 ist ein Leertitel ausgebracht. Die Aktion, die für drei Jahre geplant und auf drei Jahre verteilt worden war, soll also im letzten Drittel abgestoppt werden. Diese Handhabung ist nach meiner Meinung ungerecht. Die Schulen, die auf das dritte Jahr vertröstet wurden, gehen jetzt nämlich leer aus, nachdem die Schulen, die in den ersten zwei Jahren bedacht wurden, ihren Anteil bekommen haben.
Sie wissen selber, meine Damen und Herren, daß es heute noch Physik- und Chemiesäle gibt, die so ähnlich ausschauen wie die Räume, in denen wir auf der Schulbank saßen. Es ist also dringend notwendig, auf diesem Gebiet etwas zu tun. Ich finde, es ist keine gute Sache, eine solche Aktion aus Gründen der Systematik des Haushalts oder mit sonstigen Begründungen abzustoppen;
({0})
denn das hätte man vor zwei Jahren auch tun können.
({1})
Da muß man dann nicht im letzten Jahr sagen, die Systematik des Haushalts sei gefährdet.
Ich darf vielleicht noch eines sagen, weil der Kollege Niederalt mich soeben angesprochen hat. Wenn Sie diesen Antrag ablehnen, dann wird es draußen nicht heißen, daß die Systematik des Haushalts die Ablehnung erfordert hat, sondern es wird heißen: wenn es darum geht, für die Förderung des tech6166
nischen Nachwuchses und der technischen Entwicklung etwas zu tun, dann ist es mit der Bewilligungsfreudigkeit nicht so weit her wie sonst.
({2})
Ich bitte Sie, meine Damen und Zierren, diesem Antrag zuzustimmen. Diejenigen, die aus Gründen der Zuständigkeit Bedenken haben, können sich damit trösten, daß es heuer die letzte dieser drei Raten ist, daß es also das letzte Mal ist, daß ein solcher Betrag bewilligt werden soll.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Gleissner.
Dr. Gleissner ({0}) : Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag Umdruck 507 bezweckt die Förderung des Unterrichts auf dem Gebiete der Kernphysik, Kernchemie und Kerntechnik in den höheren Schulen. Zunächst muß festgestellt werden, daß es sich bei den höheren Schulen und beim Physikunterricht um eine ausgesprochene Länderaufgabe handelt, um eine Aufgabe, die der Kulturhoheit der Länder ex officio zukommt. Dennoch hat die Bundesregierung diese Aktion im Jahre 1958 mit 6 Millionen DM als Starthilfe eingeleitet, aber mit dem Wunsche und mit dem Sinn, daß sie von den Ländern weitergeführt wird. Im Haushaltsausschuß bestanden schon damals Bedenken. Die Aktion wurde dann ein zweites Jahr weitergeführt, nämlich 1959 mit 3 Millionen DM, aber ausdrücklich mit dem Auftrag, sie in diesem Jahr auslaufen zu lassen, weil die Weiterführung als Aufgabe der Länder bzw. Schulträger angesehen wird.
({1})
Die Länder wußten also schon vor einem Jahr, daß die Aktion, die wir sachlich begrüßen, die eine große Bedeutung hat und um die sich der Herr Bundesminister für Atomkernenergie und Wasserwirtschaft verdient gemacht hat, mit eigenen Mitteln weitergeführt werden sollte. Dem entspricht auch die Sachbehandlung im Haushaltsausschuß, der, wie gesagt, die Mittel im Jahre 1959 auf 3 Millionen DM gekürzt hat, um eben die Starthilfe auslaufen zu lassen.
Der vorliegende Antrag wurde heuer dennoch im Fachausschuß und im Haushaltsausschuß gestellt. Beantragt wurden zunächst 3 Millionen DM. Inzwischen ist diese Summe im vorliegenden Antrag auf 6 Millionen DM angewachsen. Meine Damen und Herren, es geht nicht um die Summe allein. Wir sind uns über die Bedeutung der Förderung des technischen Nachwuchses und der technischen Entwicklung alle einig. Aber es gibt hier Abstimmungen und Aufgabenteilungen, die eingehalten werden müssen. Diese waren vielleicht vor drei, vier oder fünf Jahren noch nicht so deutlich wie in den letzten Jahren. Ich bitte daher, diese Abstimmung zwischen den Ländern und dem Bund - gerade im Hinblick auf Volksschulen und höhere Schulen -zu sehen.
Ich darf noch folgendes hinzufügen. Wir haben uns im Haushaltsausschuß und auch im Plenum wiederholt darüber unterhalten, daß wir keine neuen „Töpfchen" schaffen, vielmehr alte „Töpfchen" da und dort eingehen lassen wollen. Ohne eine gewisse Ordnung - ich betone das, weil es vorhin geheißen hat, Haushaltsprinzipien dürften keine Rolle spielen - kann man nun einmal an die Tausende von Titeln nicht herangehen.
Herr Abgeordneter Dr. Gleissner, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Memmel?
Dr. Gleissner ({0}) : Bitte schön!
Herr Abgeordneter Memmel!
Herr Kollege Dr. Gleissner, ist Ihnen nicht bekannt, daß es außer den Ländern auch andere Schulträger gibt, wie z. B. Gemeinden und private Institutionen, die sich diese Maßnahme einfach nicht leisten können?
Lieber Kollege, von 1500 höheren Schulen ist die Zahl derer, die Sie da nennen, nur ein ganz geringer Teil. In der Zwischenzeit sind sehr viele dieser Schulen entweder vom Staat übernommen worden, oder sie haben vom Staat Teilförderung bekommen.
Meine Damen und Herren, es könnte bei den Ländern auch der Eindruck entstehen - vielleicht nicht bei den Referenten der Kultusministerien, aber bei den Finanzministern -, daß wir großzügig Geld zu verteilen oder anzubieten haben.
({0})
Ich bitte Sie aus diesen Gründen, den Antrag abzulehnen, vor allem im Hinblick auf die einfachsten Haushaltsprinzipien, auf die ich nur kurz hinzuweisen mir erlaubt habe.
({1})
Das Wort hat Frau Abgeordnete Geisendörfer. - Verzeihung, ich habe die Meldung des Herrn Ministers übersehen. Bitte schön!
({0})
- Die Höflichkeit ist auf allen Seiten!
Ich bedanke mich sehr, gnädige Frau. - Ich möchte dem Antrage meines Herrn Vorredners nachdrücklich beitreten. Ich glaube - schon aus Gründen der Sauberkeit in der Aufbringung der Mittel -, daß das hier wirklich eine echte Länderaufgabe ist, Und die Länder haben den Gemeinden zu helfen. Herr Kollege, sollte man nicht den Versuch machen, diesen Topf hier abzubauen? Es ist einmal etwas getan worden, aber mit der feierlichen Verpflichtung, es sei das letzte Mal. Aber es scheint hier so zu sein, als ob hinter das letzte Mal immer noch ein unwiderruflich allerletztes Mal gesetzt werden sollte. Ich glaube, das ist keine gute Finanzpolitik.
Bundesfinanzminister Etzel
Es wird hier argumentiert, die Gemeinden könnten nicht. Mein Gott, es gibt sehr viele echte und saubere Wünsche - in der Familie, in der Gemeinde, im Land und im Bund -, die man nicht erfüllen kann. Man kann nicht so argumentieren: Hier ist eine echte und gute Aufgabe, die müssen wir erfüllen. Schauen Sie einmal in Ihre Familie! Da gibt es auch viele Dinge, die Sie nicht erfüllen können und zu denen Sie aus Gründen der Sauberkeit ein Nein sagen. In meiner Heimat gibt es ein Wort, das heißt: „Alle Betsches batten". Alle Bißchen helfen.
Hier ist es so, daß auch kleinere Summen auf die Dauer dem Bundesfinanzminister den Ausgleich des Haushalts unmöglich machen. Ein ausgeglichener Haushalt ist aber eine wesentliche Voraussetzung für eine stabile Preispolitik.
Ich bin etwas erschüttert, wie in den vergangenen drei Tagen hier, ganz unbekümmert um die Frage, wo die Mittel herkommen, einer nach dem anderen aufgetreten ist und gesagt hat: „Hier ist zu wenig geschehen".
({0})
Wo soll denn das hinführen? Amüsant ist auch der Szenenwechsel. Es kann passieren, daß sich ein Vertreter einer Fraktion hinstellt und sagt: „Der Finanzminister hat recht; er muß die und die Wünsche zurückdrängen." Dann verschwindet dieser Herr. Eine halbe Stunde später steht ein anderer aus derselben Fraktion da und geht ganz unbekümmert über die Linie und verlangt 20 Millionen oder gar 1 Milliarde DM. Das hat dann nichts mehr mit dem zu tun, was sein Fraktionskollege vorher gesagt hat. Schlagen wir uns also an unsere Brust: So können die Dinge wirklich nicht gemacht werden.
({1})
Bevor ich das Wort weiter erteile, möchte ich mitteilen, daß nach interfraktioneller Vereinbarung Punkt 30 - das Haushaltsgesetz - ebenso wie vorher der Punkt 26 abgesetzt werden soll. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Ich erteile das Wort der Frau Abgeorneten Geisendörfer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich respektiere die Grundsätze der Systematik und die haushaltsrechtlichen Gesichtspunkte, die der Herr Bundesfinanzminister soeben vorgetragen hat. Ich möchte aber in aller Kürze noch ein Wort dazu sagen.
In diesem Falle handelt es sich nicht darum, „ein letztes oder allerletztes Mal" die gleiche Summe einzusetzen. Es handelt sich vielmehr um eine zusammenhängende Maßnahme, die in drei aufeinanderfolgenden Jahren durchgeführt werden soll.
({0})
Herr Abgeordneter Niederalt, Sie können sich nachher zu Wort melden. Seien Sie galant gegenüber einer Dame!
Ich möchte nicht wiederholen, was der Kollege Memmel bereits gesagt hat. Der größere Teil der Schulen ist bedacht worden. Der letzte Teil steht noch aus. In der Summe, die in dem Antrag genannt wird, steckt noch ein Rest aus dem vergangenen Jahr. In diesem Jahr werden gar keine 6 Millionen neu eingesetzt.
Ich möchte aber auch noch einen grundsätzlichen Gesichtspunkt betonen. Die Einrichtung dieser Arbeitsgemeinschaften geschieht aus guten und sauberen pädagogischen Gründen.
({0})
Die Schüler der Oberklassen sollen durch die Teilnahme an diesen Arbeitsgemeinschaften für die Gebiete der Kernphysik, Kernchemie und Kerntechnik interessiert werden. Sie sollen nicht, wie es in anderen Ländern geschieht, durch finanzielle Versprechungen angereizt und „verführt" werden. Wir hoffen, daß wir mit der von uns vorgesehenen Methode auch den großen Bedarf an Nachwuchs auf diesen Gebieten decken können.
Ich möchte Sie daher bitten, dem Antrag auf Umdruck 507 zuzustimmen.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Schäfer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf zunächst zu den Ausführungen des Herrn Finanzministers etwas sagen. Herr Finanzminister, wir haben eine andere Vorstellung von der Wertigkeit der Maßnahmen und davon, wie die Mittel für die entsprechenden politischen Maßnahmen verwendet werden sollen. Deshalb vertritt einer meiner Kollegen den Standpunkt, daß man bei einer bestimmten Sache kürzer treten soll, während ein anderer - entsprechend unserer politischen Konzeption - die Auffassung vertritt, daß auf einem anderen Gebiet mehr getan werden soll. Dafür müssen Sie doch Verständnis haben und können doch nicht sagen, es sei unlogisch, daß der eine mehr verlangt und der andere weniger. Darin besteht ja gerade das andere Beurteilen.
({0})
Auf jeden Fall hätte ich es gern gesehen, Herr Finanzminister, wenn Sie sich zu meiner Frage von heute nachmittag zu Einzelplan 14 geäußert hätten. Die war viel schwerwiegender. Ich bin überrascht, daß Sie wegen dieser Sache ans Podium treten, aber heute nachmittag keine Veranlassung hatten, zu den sehr schwerwiegenderen Dingen zu sprechen, die dann der Verteidigungsminister von seinem Ressortstandpunkt aus - ({1})
- Ich sage gerade, daß der Herr Minister Strauß von seinem Ressortstandpunkt aus Antwort gegeben hat, aber nicht vom finanzpolitischen Standpunkt, auf den ich eingegangen war.
Im Haushaltsausschuß hat man sich über den vor- liegenden Antrag Umdruck 507 unterhalten. Der Antrag ist damals mit Stimmengleichheit abgelehnt worden.
({2})
- Das ist eine Frage, über die ich mich nicht äußern will.
({3})
Der Antrag wurde bei Stimmengleichheit abgelehnt. Aber die Entscheidung ist eigentlich nicht jetzt zu treffen, sie war vor zwei Jahren zu treffen. Herr Finanzminister und meine Damen und Herren von der CDU/CSU, die Sie offensichtlich nicht willens sind zuzustimmen oder die Sie Bedenken haben, es ist kein Zweifel, daß es eigentlich nicht eine Aufgabe für den Bundeshaushalt ist. Wenn man sich aber vor zwei Jahren entschlossen hat, eine einmalige Aktion zu machen, und wenn die Größenordnung von 18 Millionen DM damals schon bekannt war, ist es einfach ungerecht, ist es eine nicht gleichmäßige Behandlung - und das kann man nicht schlucken -, wenn man zwischendurch abbricht. Ich darf an die Beratungen erinnern, die vor einem Jahr stattgefunden haben.
Damals war ein Kulturabkommen zwischen Bund und Ländern, ein Abgrenzungsabkommen in der Verhandlung. Man hat damals im Haushaltsausschuß beschlossen, 3 Millionen DM letztmalig zur Verfügung zu stellen. Ich hatte damals ausdrücklich - Herr Kollege Dr. Conring, Sie werden sich erinnern - Wert auf die Feststellung gelegt - auch Sie haben das getan -, daß die Länder das übernehmen und daß es im Verwaltungsabkommen mit drinstehen sollte.
({4})
Das Verwaltungsabkommen, das Abgrenzungsabkommen, ist bis jetzt nicht zustande gekommen. Dann muß man aber die Aktion durchführen, sonst ist der eine Teil der Ausstattung veraltet, ehe der andere kommt. Ich glaube, daß das nur ein Akt der Gerechtigkeit ist. Herr Finanzminister, diese 6 Millionen sind nicht eine Frage des Ausgleichs. Ich bin erstaunt, daß Sie das zu einer hochwichtigen Frage des Ausgleichs machen. Ich bin darüber so überrascht wie über Ihre Feststellung betreffend die 23 Millionen DM für den Wissenschaftsrat, als Sie sagten, das könnten Sie nicht tragen. Milliardenbeträge, die können dann doch getragen werden. Der Bundeskanzler kann 130 Millionen DM zusagen, die werden honoriert, und hier bei 6 Millionen DM hat man Bedenken bezüglich der Ausgleichung des Haushalts. Es ist nur ein Akt der Gerechtigkeit, die einen so zu behandeln wie die andern.
({5})
Meine Damen und Herren, die Anträge sind begründet. Wer dem Antrag Umdruck 507 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe.
Ich darf die Abstimmung wiederholen, um die schwierige Frage der Mehrheit zu klären. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Meine Damen und Herren, das Präsidium ist sich leider noch nicht ganz darüber einig. Ich bedaure es.
({0})
Ich darf jetzt noch einmal diejenigen bitten, die dagegen sind, sich zu setzen, und diejenigen, die dafür sind, noch einmal aufzustehen. Ich hoffe, daß es dann gelingt. - Die Einigkeit im Präsidium ist jetzt hergestellt: das letzte war die Mehrheit; der Antrag ist also abgelehnt.
({1})
Ich muß es in den Zusammenhang bringen, wie ich es ursprünglich habe machen lassen; das eben war nur noch eine Gegenprobe, um das Ergebnis noch einmal klarzustellen. Wenn Sie es von der letzten Abstimmung her jetzt eben betrachten, war das erste die Mehrheit; aber da ich nur noch einmal eine Gegenprobe habe machen lassen, bedeutet es im Endeffekt dasselbe, nämlich daß der Antrag abgelehnt ist. Darüber ist also Einigkeit.
Dann stimmen wir über den Einzelplan 31 in der zweiten Beratung ab. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Ich darf ,dann aufrufen:
Einzelplan 32
Bundesschuld ({2}).
Dazu liegen Änderungsanträge nicht vor. Wird in der allgemeinen Aussprache das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann darf ich diejenigen, die dem Einzelplan 32 - Bundesschuld - in zweiter Beratung zuzustimmen wünschen, um das Handzeichen bitten. - Ich bitte um die Gegenprobe. -Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen angenommen.
Ich darf aufrufen:
Einzelplan 33
Versorgung ({3}).
Auch hierzu liegen keine Änderungsanträge vor. Wird in der allgemeinen Aussprache das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer in zweiter Beratung dem Einzelplan 33 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Offenbar einstimmig angenommen.
Einzelplan 35
Verteidigungslasten im Zusammenhang mit dem Aufenthalt ausländischer Streitkräfte ({0}).
Änderungsanträge liegen nicht vor. Wird in der allgemeinen Aussprache das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Darf ich diejenigen bitten, die zuzustimmen wünschen, das Handzeichen zu geben.
- Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen?
- Offenbar auch einstimmig in zweiter Beratung angenommen.
Einzelplan 36 ist bereits bei der Beratung des Einzelplans 06 erledigt worden.
Ich rufe auf: Einzelplan 40
Soziale Kriegsfolgeleistungen ({1}).
Es liegt ebenfalls kein Änderungsantrag vor. Wird in der allgemeinen Aussprache das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer in zweiter Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte urn die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Soweit ich sehe - ich darf wohl annehmen, Herr Abgeordneter Storch, daß Sie nur zur Zustimmung die Hand gehoben hatten -, keine Gegenstimmen, keine Enthaltungen; einstimmig angenommen.
Ich rufe auf: Einzelplan 60
Allgemeine Finanzverwaltung ({2}).
Hierzu liegt zur zweiten Beratung ein Änderungsantrag der Fraktion der FDP vor. Allgemeine Aussprache. Wird dazu das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Lenz, bitte.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich ein paar Worte zur Systematik oder - wenn Sie so wollen - zur Unsystematik des Einzelplanes 60 sagen.
Sie wissen, der Haushalt ist im wesentlichen nach dem Organisationsprinzip oder, wie man auch sagt, nach dem Ministerialprinzip aufgebaut. Danach ist jedem Verwaltungszweig ein besonderer Einzelplan zugeteilt. Daneben gibt es aber auch Pläne, die ausschließlich oder überwiegend nach dem sogenannten Realprinzip aufgestellt sind. Hierzu gehören vor allem die Einzelpläne für Versorgung, für zivile Notstandsplanung, soziale Kriegsfolgeleistungen, Bundesschuld und der hier zur Debatte stehende Einzelplan 60, der Plan der Allgemeinen Finanzverwaltung. Dieser Einzelplan rangiert seiner Nummer nach regelmäßig an letzter Stelle, sowohl bei den Ausschußberatungen als auch hier im Plenum. Er steht immer dann zur Beratung an, wenn die Helden bereits müde und abgekämpft sind. So wird er gewöhnlich im Handgalopp durch die Beratung gepeitscht. Das halten wir nicht für gut. Gerade dieser
Einzelplan sollte wegen seiner allgemeinen Bedeutung im Mittelpunkt des Interesses stehen; denn er enthält über 95 % aller Deckungsmittel des Bundes und ist so einer der wichtigsten Einzelpläne. Auch die Ausgabeseite dieses Einzelplanes mit rund 10 % des gesamten Ausgabevolumens ist finanziell wichtig und bedeutend, Dieser Einzelplan ist nach dem Einzelplan für die Verteidigung und nach dem Sozialhaushalt der drittgrößte.
Jeder, der sich einen Oberblick über die Finanzpolitik verschaffen will, wird an dem eingehenden Studium dieses Planes nicht vorbeikommen. Erst recht sollte sich das Parlament mit diesem Plan mehr befassen als bisher. Wir sollten uns ernsthaft überlegen, ob es wirklich richtig ist, diesen Einzelplan am Schluß der Haushaltsberatungen zu beraten. Das gilt nicht nur für die Plenarberatung, sondern erst recht im Ausschuß sollten wir die Allgemeine Finanzverwaltung an den Anfang unserer Beratung stellen. Wir sollten nicht in dem alten Fehler beharren, erst die Ausgaben zu beschließen und dann nach der Deckung zu suchen oder zu warten, welche Ausgleichsvorschläge der Finanzminister im Köcher hat. Ich weiß, daß es eben im Staat so ist, daß sich die Einnahmen nach den Ausgaben zu richten haben. Aber ob wir das auf die Dauer werden durchhalten können, ist doch wirklich sehr die Frage.
Zur Charakteristik der diesjährigen Ausschußberatungen lassen Sie sich, meine Damen und Herren, sagen, daß der Bundesfinanzminister den Haushaltsausschuß im Laufe der Beratungen durch die berüchtigten Nachschiebelisten um zusätzliche Bewilligungen von nicht weniger als 866 Millionen DM gebeten hat, davon allein 736 Millionen DM am letzten Beratungstage. Das war aber nicht alles! Am letzten Beratungstag des Haushaltsausschusses wurde außerdem der außerordentliche Haushalt von 3 Milliarden DM auf die Hälfte verringert. Bisher im außerordentlichen Haushalt veranschlagte außerordentliche Ausgaben in der Größenordnung von 1,5 Milliarden DM wurden in den ordentlichen Haushalt verlagert. Für über 2,3 Milliarden DM bot der Bundesfinanzminister Platz im ordentlichen Haushalt an.
Diese gewaltige Transaktion wurde den Mitgliedern des Haushaltsausschusses am Morgen des letzten Beratungstages auf einem Blatt Papier von zwei Schreibmaschinenseiten in die Hand gegeben. Dieses Papiers hätte es aber noch nicht einmal bedurft; denn man hätte nur die Tageszeitungen aufzuschlagen brauchen; dort stand es bereits in fast allen Einzelheiten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Behandlung des Ausschusses und damit des Parlaments sollten wir, glaube ich, nicht weiter hinnehmen. Herr Bundesfinanzminister, Sie wissen selbst, wie sehr ich Sie schätze. Ich habe Ihnen das oft versichert. Aber das war nun nicht gut. Ich will Ihnen ganz offen sagen: es hat mir die Arbeit im Haushaltsausschuß vergällt, daß nach so viel Tagen und Monaten der Arbeit nun auf einmal an einem Morgen das ganze Gebäude, das wir mühselig aufgebaut hatten, einfach umgestoßen wurde.
Lenz ({0})
Der Haushaltsausschuß hat sich in monatelangen Beratungen bemüht, hie und' da bei den Ansätzen etwas abzustreichen. Er hat zwar auch einige Titel erhöht, die er zu gering dotiert glaubte, aber per Saldo kam er auf Ausgabekürzungen von zusammen rund 51,5 Millionen DM und auf Einnahmeverbesserungen von rund 10 Millionen DM. Dann kommt der Bundesfinanzminister am letzten Tage und kann mit einem Schlag 2,3 Milliarden DM im ordentlichen Haushalt zusätzlich decken. Bei einem solchen Verfahren werden die Haushaltsberatungen nichtig. Es hat gar keinen Sinn, in diesem alten Stil weiterzumachen. Sorgen wir dafür, meine Damen und Herren, daß wir nicht zu Befehlsempfängern der Regierung werden.
({1})
Ich wiederhole daher meinen Appell an das Hohe Haus mit aller Eindringlichkeit: lassen Sie uns künftig die Beratung des Haushalts der Allgemeinen Finanzverwaltung an den Anfang stellen! Prüfen wir erst die Einnahmen und die Deckungsmittel der Regierungsvorlage in aller Gründlichkeit! Wir müssen erst wissen, wie hoch die Einnahmen sind, erst dann können wir die Ausgaben prüfen; denn bei einer guten Haushaltspolitik müssen die Ausgaben nach den Einnahmen eingerichtet werden, nicht umgekehrt. Dulden wir auch nicht länger, daß der Bundesfinanzminister den Haushaltsausschuß um die Aufnahme von neuen oder höheren Ausgaben in letzter Minute oder überhaupt nach Einbringung der Regierungsvorlage nachsucht. Hierfür schreibt das deutsche Haushaltsrecht eindeutig den Weg einer Ergänzungsvorlage oder eines Nachtrags vor. Diesen Weg sind wir nach meinem Empfinden auch dem Bundesrat gegenüber schuldig.
Lassen Sie mich noch einige allgemeine Bemerkungen zum Einzelplan 60 - Allgemeine Finanzverwaltung -, insbesondere zur Ausgabenseite machen. Der äußere Rahmen dieses Plans ist sehr weit gespannt. Die Bedeutung lag im früheren Reich noch stärker als heute auf der Einnahmeseite; denn alle Steuereinnahmen flossen zunächst in die Reichskasse und wurden im Plan der Allgemeinen Finanzverwaltung nachgewiesen. Die Länder erhielten aus dem Steueraufkommen Finanzzuweisungen, die als Ausgaben im gleichen Plan veranschlagt waren. Im Laufe der Jahrzehnte wurde aber die Ausgabenseite zum Sammelbecken für alle möglichen Ausgabezwecke, die in anderen Einzelplänen nicht oder nicht ohne Widerstände der betreffenden Minister unterzubringen waren.
Außerdem wurden in Einzelfällen Haushaltsmittel für bestimmte Zwecke zentral veranschlagt und vom Bundesminister der Finanzen dem Ministerium in Teilbeträgen zur Bewirtschaftung zugewiesen. Das letztere Verfahren kann unter Umständen sehr zweckmäßig sein und bei straffer Haushaltsführung zu einer sparsameren Verwendung der Haushaltsmittel führen.
Eine andere Gruppe von Ausgaben hat sich aber im Laufe der Jahre in diesem Einzelplan zusammengefunden, die meiner Ansicht nach nicht zu dem Aufgabenbereich der Allgemeinen Finanzverwaltung gehört. Ich meine .die Ausgabengruppe, die
man unter dem Begriff der Wiedergutmachungsleistungen zusammenfassen kann und die zur Zeit in Kap. 60 04 etatisiert sind. Diese Aufwendungen als unmittelbare Kriegsfolgen und zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts sind Schulden des Bundes, die wir auch äußerlich im Einzelplan der Bundesschuld als solche ausweisen sollten. Sie gehören zu den in Kap. 32 09 zusammengefaßten sogenannten politischen Schulden des Bundes, die nicht der Bundesschuldenverwaltung unterliegen. Ich darf daran erinnern, daß dieses Kapitel im Jahre 1955 von uns eingeführt wurde. Früher waren diese politischen Schulden ebenfalls im Einzelplan der Allgemeinen Finanzverwaltung veranschlagt.
Es erscheint mir an der Zeit, eine neue „Flurbereinigung" vorzunehmen. Bei dieser Gelegenheit sollte geprüft werden, ob die Beibehaltung des Einzelplans 35 - Verteidigungslasten in Zusammenhang mit dem Aufenthalt ausländischer Streitkräfte - und der Einzelplan 40 - Soziale Kriegsfolgeleistungen - noch sinnvoll und zweckmäßig ist. Für den Einzelplan 35 bietet sich die Überführung in den Verteidigungshaushalt an; in dem Funktionsquerschnitt sind diese Ausgaben schon seit langer Zeit in einer Summe zusammengefaßt. Einzelplan 40 ist praktisch nur noch ein Torso. Die Aufwendungen nach dem 131er-Gesetz wurden schon vor Jahren in den Einzelplan Versorgung, die Aufwendungen für die Kriegsopferversorgung in den Sozialhaushalt überführt. Geblieben sind nur die Ausgaben für Kriegsfolgenhilfe, Umsiedlung und Auswanderung, die ohne Schwierigkeiten in den Haushalt des Innenministers eingestellt werden könnten, der diese Mittel schon von jeher bewirtschaftet.
Die übrigen Ansätze beziehen sich ausschließlich auf Leistungen an den Lastenausgleichsfonds, insbesondere die Abführung der den Haushalt nur durchlaufenden Lastenausgleichsausgaben, die bisher schon als Einnahmen bei der Allgemeinen Finanzverwaltung nachgewiesen werden.
Dagegen scheint es mir zweckmäßig zu sein, daß die jetzt bei einem anderen Kapitel des Einzelplans 60, Kap. 60 06, veranschlagten Mittel für die europäischen Zusammenschlüsse und die in vielen Einzelplänen steckenden Aufwendungen für die sogenannten Entwicklungsländer künftig in einem besonderen Einzelplan veranschlagt werden. Die Zusammenfassung dieser Ausgaben an einer Stelle erscheint dringend geboten.
Zum Schluß möchte ich ihr Augenmerk noch auf einen Ansatz der Allgemeinen Finanzverwaltung lenken, nämlich auf Kap. 60 02 Tit. 699, Minderausgaben auf Grund der Prozentsperre im Haushaltsgesetz. Dieser Ansatz ist zwar nicht neu. Neu und zugleich beängstigend ist aber seine Höhe. Durch die diesjährige 10 %-Sperre des Haushaltsgesetzes sollen über 1,2 Milliarden DM eingespart werden. Dies ist ein absoluter Rekord. Ob dieser Betrag tatsächlich eingespart werden kann, weiß ich nicht. Der Bundesminister der Finanzen hat diese Frage jedenfalls bejaht, und er muß es ja wissen. Ich will mich hier nicht mit der Zweckmäßigkeit einer derartigen globalen Kürzung als Maßnahme des
Lenz ({2})
Haushaltsausgleichs auseinandersetzen, die ich für meine Freunde und mich als einen Fehler ablehne. Im übrigen halte ich mich an die eindeutigen Erklärungen des Bundesministers der Finanzen, der im Plenum und im Haushaltsausschuß wiederholt versichert hat, daß er den Haushaltsentwurf für 1961 ohne solche allgemeinen Kürzungen ausgleichen will. Trotzdem möchte ich bezweifeln, ob es ihm gelingt, die Anforderungen seiner Ressortkollegen für 1961 so weit zu kürzen, daß die Ansätze um insgesamt 1,2 Milliarden DM unter die diesjährigen Ansätze gedrückt werden können. Bisher hatten wir nicht den Eindruck, daß der Bundesfinanzminister über die notwendige Härte verfügt, um diese Einsparungen bei den übrigen Ressorts durchzusetzen. Aber ich lasse mich gern überraschen. Jedenfalls haben wir das Wort des Bundesministers der Finanzen, und zunächst besteht noch kein Anlaß, daran zu zweifeln. Aber wir werden ihn zu gegebener Zeit daran erinnern.
({3})
Das Wort hat der Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst einige allgemeine Bemerkungen zum Einzelplan 60 machen. Ich möchte mich bei Herrn Kollegen Lenz dafür entschuldigen, daß er in der Tat - er war der einzige - erst in der Sitzung, in der der Haushaltsplan 60 beraten wurde, dieses sogenannte Nachschiebepapier gesehen hat.
({0})
- Aber als Gruppe. Ich bin nicht bei allen einzelnen gewesen, aber ich habe die Gruppen informiert, welche Änderungen ich vorzutragen beabsichtige. Ich bin auch an der Tür von Herrn Kollegen Lenz gewesen, bin aber nachher nicht mehr zu ihm gekommen. Ich bitte das also zu entschuldigen. Es sollte keine Schlechterbehandlung der FDP sein. Ich bitte auch zu berücksichtigen, daß ich in der Zeit vorher krank gewesen war und dann mit Arbeit überlastet war, so daß mir nur beschränkte Zeit zur Verfügung stand. Aber ich bitte ausdrücklich um Entschuldigung, Herr Kollege Lenz. Es würde mir persönlich ganz besonders leid tun, wenn Ihnen durch dieses Vorkommnis Ihre Mitarbeit im Haushaltsausschuß vergällt worden wäre.
In der Sache selbst stellt sich natürlich das Problem der zeitlichen Behandlung des Haushaltsplans 60. Der Haushaltsplan 60, der gewisse Zusammenhänge enthält, muß wohl seiner Natur nach am Ende behandelt werden. Das ergibt sich ganz einfach aus dem Ablauf der Behandlung. Vielleicht könnte man etwas anderes tun, um dem Haushaltsausschuß entgegenzukommen. Ich habe mit Ihnen, Herr Kollege Schäfer, darüber ja schon in der letzten Sitzung gesprochen: Wir sollten während der Haushaltsberatungen im Haushaltsausschuß von Zeit zu Zeit, aber laufend die grundsätzlichen Veränderungen diskutieren. Ich würde sagen, wenn wir sechs Monate verhandeln, sollte der Bundesfinanzminister einmal im Monat kommen und mit Ihnen über diese Dinge diskutieren. Vielleicht würden Sie, Herr Kollege Schoettle, das als Vorsitzender des Haushaltsausschusses mit in die Hand nehmen. Ich bin sehr gern bereit, diesen Weg zu gehen. Ich glaube, dann werden solche Ärgernisse, wie sie heute durch die Rede des Herrn Kollegen Lenz offenkundig geworden sind, vermieden.
Nun die Frage, warum der Haushaltsplan 60 geändert worden ist. Herr Kollege Lenz hat die Mehranforderungen des Haushaltsplans 60 richtig mit 866 Millionen DM, wovon 806 Millionen DM auf den ordentlichen und 60 Millionen DM auf den außerordentlichen Haushalt entfallen, angegeben. Die einzelnen Positionen waren der Öffentlichkeit vorher weitgehend bekannt und standen zur Diskussion. Es war die landwirtschaftliche Altershilfe; sie war weitgehend diskutiert. Das Problem der 100 Millionen Düngemittelsubvention war ganz besonders laut diskutiert und war bekannt. Daß sich aus dem Straßenbauplan infolge der Mineralölsteuer gewisse Änderungen in der Zahl ergaben, scheint mir auch natürlich zu sein. Kleinere Positionen sind nicht wichtig. Ebenfalls ist die Tilgung der Ausgleichsforderungen in der Öffentlichkeit sehr breit diskutiert worden. Es war das bekannte Karlsruher Urteil, und es waren neue Verhandlungen mit den Ländern, auf Grund deren wir 115 Millionen werden zahlen müssen. Es entsprach ja dem Urteilsspruch. Finanzhilfe Berlin und Saarland waren vielleicht nicht bekannt. Dann die 350 Millionen, die sich aus der Erhöhung der Gehälter für Beamte, Angestellte und Arbeiter ergaben, waren vielleicht in der Zahl nicht so bekannt; aber daß hier ein Problem anstand, war ja klar. Bei der Addition ergab sich der Betrag von 866 Millionen DM für beide Haushalte. Der Minderbedarf, Herr Kollege Lenze, ist, wenn ich recht hingehört habe - ich kann etwas überhört haben -, glaube ich, nicht behandelt worden.
Ich habe ja Einsparungen vorgeschlagen. Diese Einsparungen konnten vorher natürlich nicht bekannt sein; das gebe ich Ihnen zu. Sie sind erst an dem Morgen des 22. und 23. März behandelt worden. Es sind Einsparungen von 821 Millionen DM, so daß sich der Haushaltsausgleich im Endabschluß ja nicht um sehr große Beträge, sondern, wenn ich jetzt flüchtig sehe, um eine Differenz von 45 Millionen erhöht hat.
Ich habe also den Versuch gemacht, das gesamte Volumen des Haushalts nicht an sich erhöhen zu lassen, sondern das Haushaltsvolumen insgesamt in der Waage zu halten, also das, was nach der Einbringung mehr gekommen war, durch entsprechende Kürzungen und Einsparungen auch auszugleichen. Ich glaube, das ist gelungen.
Das nächste, was zur Diskussion stand, war die Frage, ob es gelingen würde, auf das ganze Jahr gesehen, im außerordentlichen Haushalt 3 Milliarden DM zu decken. Dieses Problem, das im November nach gewissen Rücksprachen mit dem Bundesbank-Anleihekonsortium zum mindesten nicht ausgeschlossen erschien, sondern eine begründete Hoff6172
Bundesfinanzminister Etzel
nung gab - ich habe damals schon gesagt: sicher ist das alles natürlich nicht -, hatte sich in dem hektischen Rhythmus im Ablauf der Konjunktur bis jetzt Ende März, doch so geändert und so gezeigt, daß wir glaubten, hier noch eine besondere Maßnahme ergreifen zu müssen. Das haben wir getan. Wir haben die das Einkommen und den Steuerzuwachs zu schätzenden Institute und Ressorts noch einmal zusammengerufen. Das ist in der Woche vor der Beratung des Einzelplans 60 geschehen. Damals sind zusammengekommen das Finanzministerium, das Wirtschaftsministerium, das Statistische ,Bundesamt, die Bundesbank und die drei Finanzwissenschaftlichen Institute. Sie alle waren nun diesmal in einer besonderen Lage gegenüber der Vorschätzung des Sozialprodukts, weil man sehr nahe an den entscheidenden Zeitraum herangekommen war. Dieser Zeitpunkt war ja sonst immer so: Der Haushalt wird sehr früh eingebracht, und der wirkliche Zuwachs tritt erst für das am nächsten 1. April beginnende Hauhaltsjahr in Kraft. Diese letzte Schätzung war im März für das bereits wenige Wochen darauf beginnende Haushaltsjahr, nämlich 1. April, und diesmal auch nur für neun Monate. Deswegen war die Übersicht, weil man zeitnäher war, realer als vorher.
Aus dieser besonderen Situation der realeren Nähe gab es nun eine Diskussion, und das Ergebnis war auch für mich überraschend -, daß man erklärte: Wir können mit einem Zuwachs des Bruttosozialprodukts von 8% rechnen. Das ergab das Bild, daß wir praktisch die Steuerschätzungen um 1,342 Milliarden berichtigen konnten. Das war nun vorausgeschätzt dasselbe, was wir für 1959 ja auch gemacht haben, wo wir die drei Milliarden Deckung im außerordentlichen Haushalt nur in Höhe von 1,2 Milliarden echt durchgeführt haben und 1,8 Milliarden Steuerzuwachs noch auf dieselbe Seite gebracht haben. Das wird nun vorweggenommen. Wir haben 1,342 Milliarden mehr, und wir haben außerdem das Bundesbahndarlehen, von dem wir geglaubt haben, wir würden es früher erhalten, noch nicht bekommen; wir bekommen es. So waren l'/2 Milliarden Mehreinnahmen vorauszuschätzen, und hier war nun die zwangsläufige Notwendigkeit, wenn man sieht, daß man die drei Milliarden im außerordentlichen Haushalt nicht bekommt, für den entsprechenden Ausgleich zu sorgen, d. h. die Deckung im außerordentlichen Haushalt nur noch mit 11/2 Milliarden vorzusehen und dafür die erhöhte Steuerschätzung und die Rückzahlung des Bundesdarlehens zu antizipieren. Auf diese Art und Weise sind wir dann zu der Überführung von rund der Hälfte des außerordentlichen Haushalts wieder in den ordentlichen Haushalt gekommen. Das war die Grundlage.
Aber diese ganzen Überlegungen waren auch für mich in der Präzision, mit der ich sie Ihnen am 22. März und heute vortragen konnte, erst sehr kurze Zeit vor der Beratung des Einzelplans 60 klar. Daher wäre ich auch zwei Monate vorher nicht in der Lage gewesen - ich hatte ganz andere innere Vorstellungen --, Ihnen diese Ziffern auf den Tisch zu legen. Ich bitte daher, Verständnis dafür zu haben, daß das eben sehr spät erfolgt ist. Ich glaube, auch wenn wir jetzt zu der anderen Methode der ständigen Abstimmungen über die Veränderungen im Haushalt kommen, wird sich während der Beratungszeit eine ständige Verschiebung ergeben. Das werden wir nicht am ersten Tage wissen. Der Kollege Schäfer sagte mir bei unserem Gespräch: Tun Sie das aber; es nimmt viel unnützes Mißtrauen und viel schlechte Atmosphäre weg. - Ich bin sehr damit einverstanden und will gern diesen Weg gehen. Im übrigen bitte ich, den Einzelplan 60 jetzt so zu genehmigen, wie wir ihn vorgeschlagen haben.
({1})
Wird sonst in der allgemeinen Aussprache noch das Wort gewünscht? - Das ist, soweit ich sehe, nicht der Fall.
Dann hat nunmehr Herr Abgeordneter Atzenroth das Wort zu dem Antrag auf Umdruck 561.
Meine Damen und Herren! Ich habe diesen Antrag schon bei der Beratung des Einzelplans 08 begründet. Ich habe angekündigt, daß wir einen Entschließungsantrag vorlegen würden, durch den die Bundesregierung aufgefordert werden soll, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die Senkung der Umsatzsteuer um 1 Milliarde DM vorsieht.
Unser Antrag auf Umdruck 561 hat zum Inhalt die Heraufsetzung der Schätzung des Steueraufkommens um zusammen 1 Milliarde DM.
({0})
Es handelt sich hier nicht um Zahlen, sondern es handelt sich - ich habe es hier schon gestern zum Ausdruck gebracht - darum, den Bundesfinanzminister, wie er es selbst gewünscht hat, an den Rand des Defizits zu bringen. Er soll nur mit den Geldern wirtschaften können, die er unbedingt brauchen wird. Das ist das Ziel, das ist die Absicht, die diesem Antrag zugrunde liegt.
Sie werden mir einwenden, daß die Schätzungen des Aufkommens von einer Kommission vorgenommen worden sind, auf die sich der Herr Bundesfinanzminister verlassen soll. Diese Kommission hat auch im Jahre 1959 geschätzt, und trotz ihrer unzweifelhaft sachverständigen Schätzung hat der Herr Bundesfinanzminister am Schluß des Jahres etwa 1,7 Milliarden DM Mehreinnahmen gehabt. Betrachten wir nun als Wirtschaftler das Verhältnis der Wirtschaft im Jahre 1959 zu der des Jahres 1960, so müssen wir erwarten, daß die Schätzungen mit großer Wahrscheinlichkeit im Jahre 1960 noch weiter unter der Wirklichkeit bleiben werden, als es im Jahre 1959 der Fall gewesen ist.
({1})
- Ja, ich habe dabei noch ein Weiteres bedacht:
daß das, was uns im Jahre 1960 bevorsteht, gerade
die guten Monate sind, bei denen die Schätzung noch höher hätte lauten müssen. Aber selbst wenn wir diese Zahlen nicht erreichen, soll das Defizit dasein, und ein Mehraufkommen soll nicht dem Bundesfinanzminister für die Zustimmung zu neuen Ausgaben zur Verfügung stehen, die Sie ja auch nicht wollen. Also müssen wir ihn knapp halten; denn sonst wird das Mehraufkommen wie im Jahre 1959 zu höheren Ausgaben verwendet. Und das wollen wir nicht.
({2})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Aigner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Dr. Atzenroth, Ihre Art der Schätzung kommt einem Jongleurakt sehr nahe. Das ist keine reale Schätzung. Die eine Milliarde DM mehr haben Sie heute praktisch aus dem Handgelenk geschätzt.
({0})
Sie sagen: Weil die Schätzung im Haushaltsjahr 1959 zu niedrig war, können wir heute ruhig eine Milliarde höher schätzen. Sie machen dabei einen Fehler. Sie bedenken nämlich nicht, daß diese neue Schätzung bereits auf der Berichtigung der alten Schätzung, nämlich auf der Ist-Rechnung des Rechnungsjahres 1959, basiert. Wir haben im Jahre 1959 Mehreinnahmen von 1,8 Milliarden DM. Diese IstRechnung haben wir der Schätzung für das Jahr 1960 zugrunde gelegt. Sämtliche beteiligten Institute haben auf Grund der neuen Entwicklung unserer wirtschaftlichen Expansion eine Zuwachsrate von 8 °/o angenommen. Das ist die optimistischste Grenze, die sachlich überhaupt noch zu vertreten ist. Mehreinnahmen von 1 Milliarde DM würden von einer Zuwachsrate von fast 11 % ausgehen. Sie werden mir zugeben, Herr Dr. Atzenroth, daß i 1 % sachlich nicht mehr gerechtfertigt sind. 1% Zuwachsrate ergibt rund 400 Millionen DM. Wir gehen in der Schätzung von einer Zuwachsrate von 8% aus. 1 Milliarde DM Mehreinnahmen entsprechen einem Zuwachs von 21/2%. Das ergibt zusammen eine Zuwachsrate von rund 10,5 oder fast 11%. Das ist selbst bei optimistischer Schätzung zu hoch gegriffen.
Herr Dr. Atzenroth, man muß eigentlich unterstellen, daß Sie damit etwas anderes sagen wollen, nämlich daß Sie mehr Spielraum für die Tarifpartner haben wollen, um in Preissteigerungen und damit Lohnsteigerungen größere Freiheit zu haben; denn Sie müssen ja, wenn Sie so hoch schätzen, praktisch nicht von der Nettozuwachsrate, sondern von der Bruttozuwachsrate ausgehen, in der Preis- und Lohnsteigerungen mit enthalten sind. Das aber ist eine schlechte Sache. Ich bitte deshalb, den Antrag abzulehnen.
Das Wort hat der Herr Abgeordneter Dr. Vogel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zu den Argumenten, die soeben hier vorgetragen worden sind, nur ein einziges hinzufügen. Was Sie vorgetragen haben, Herr Dr. Atzenroth, hätte einen Sinn, wenn es vor zwei oder drei Jahren gesagt worden wäre. Überlegen Sie sich einmal eines. Sie sind mit uns völlig einig in der Auffassung, daß der Bundesfinanzminister kaum die Chance haben wird, die im Haushalt zur Deckung des Defizits, das ja an sich da ist, aufzunehmende 1 Milliarde DM zu bekommen. Gerade Sie sind ja diejenigen, die immer abgeraten haben, in dieser Situation an den Kapitalmarkt zu gehen.
Wenn der Finanzminister die 1 Milliarde DM nicht bekommt - und kein Mensch kann ihm die Garantie geben, daß er sie bekommt -, wird er ohnehin Gott auf den Knien danken müssen, wenn er tatsächlich ein wenig mehr Steuern einnimmt, als vorgesehen ist. Aber dann wird er diese Mehreinnahme brauchen, um die allernotwendigsten Ausgaben zu decken, Vergessen Sie nicht die 10-Prozent-Klausel, die im Haushalt schon vorgesehen ist!
Ich muß wirklich sagen: Ich sehe in Ihrem Antrag keine Logik. Tut mir leid.
Das Wort hat der Abgeordnete Schoettle.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will gleich vorweg sagen, daß wir dem Antrag der FDP-Fraktion nicht zustimmen werden. Es scheint uns, daß die Einnahmeschätzungen keineswegs hier in diesem Hause vorgenommen werden können. Das ist nun wirklich eine Sache, die in die Verantwortung der Regierung fällt.
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Wir wissen ja auch, daß die Erhöhung der Einnahmepositionen im Einzelplan 60 wie sie dem Haushaltsausschuß vorgelegt worden ist, nach einer sorgfältigen Prüfung durch eine Reihe von Körperschaften und Personen, darunter auch die Wirtschaftswissenschaftlichen Institute, erfolgte. Da muß man, glaube ich, einen Punkt machen.
Herr Kollege Atzenroth, ich habe den Eindruck, Ihre Absicht ist aber eine ganz andere als die, dem Finanzminister den Spielraum zu nehmen. Ihre Absicht ist, auf jeden Fall jeden Anspruch der Regierung an den Kapitalmarkt abzuwehren, und da habe ich den Verdacht, daß das rein privatwirtschaftlichen Interessen entspringt.
({1})
Das Spiel wollen wir doch nicht mitmachen.
Ich will in diesem Zusammenhang nur mit zwei Sätzen sagen, daß ich überhaupt die Einstellung zur Inanspruchnahme des Kapitalmarkts, soweit sie leider auch der Herr Bundesfinanzminister praktiziert hat, für falsch halte, und zwar angesichts des Wandels der Funktion des öffentlichen Haushalts gegenüber früher. Das Recht der Inanspruchnahme des Kapitalmarkts durch die öffentliche Hand ist minde6174
ij stens dem gleich, das die Privatwirtschaft haben muß.
({2})
Hier muß man auch einmal umdenken.
Meine Fraktion ist aus diesem Grunde mit mir gegen diesen Antrag.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir können dann über den Antrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 561 abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Mit großer Mehrheit abgelehnt.
Damit kommen wir in zweiter Beratung zur Abstimmung über Einzelplan 60. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Gegen zahlreiche Stimmen angenommen.
Meine Damen und Herren, den noch auf der Tagesordnung stehenden Punkt 30 - Haushaltsgesetz 1960 - kann ich in zweiter Beratung nicht mehr aufrufen, da wir den Einzelplan 26 ausgeklammert haben.
Wir sind damit am Ende der heutigen Tagesordnung angekommen und können für den 5. Mai dieses Jahres die Fortsetzung der zweiten Beratung - Einzelplan 26 und Haushaltsgesetz 1960 - in Aussicht nehmen.
Ich habe noch einige formale Dinge bekanntzugeben: Die Präsenzpflicht, die ursprünglich für morgen, den 9. April, bestanden hat, wird den Umständen entsprechend aufgehoben.
Ich darf dem Hohen Hause nach diesen anstrengenden Tagen ein recht erholsames Osterfest wünschen und berufe die nächste Sitzung ein auf Mittwoch, den 4. Mai 1960, 9 Uhr.
Ich schließe die heutige Sitzung.