Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren! Ich habe, vor Eintritt in die Tagesordnung für das Haus eine Erklärung abzugeben.
Drüben, jenseits des „Eisernen Vorhangs", geht jetzt ein neues Bauernlegen zu Ende. Man sagt den Betroffenen, man sagt uns, was getan werde, geschehe aus wirtschaftlichen Gründen, es sei ein Stück Rationalisierung der Landwirtschaft. In Wirklichkeit handelt es sich um etwas ganz anderes.
Totalitäre Machthaber haben es schwer, wenn auf ihren Gebieten Menschen wohnen, die leben können, ohne auf ihr Wohlwollen und ihre Gnade angewiesen zu sein, Menschen, deren Lebensumstände ihnen erlauben, wo es um die Dinge geht, die allein das Leben lebenswert machen, auch „nein" sagen zu können. Darum suchen sie diesen Menschen die Grundlagen ihrer Unabhängigkeit zu nehmen. Sie haben dafür eine Menge von Techniken erfunden, und sie wenden diese der Reihe nach an, denn sie halten es für unklug, den Zaun, der die Freiheit der Bürger schützt, mit einem einzigen Tritt niederzulegen.
Der Arbeiter z. B. ist ein unabhängiger Mensch, wenn und solange er Gewerkschaften hat, deren Organe aus freien Wahlen hervorgegangen und dem Staate gegenüber selbständig sind. Diese Selbständigkeit haben die Machthaber drüben gefürchtet, und so haben sie als erstes den Arbeitern die freien Gewerkschaften zerschlagen und an deren Stelle eine Staatsgewerkschaft gesetzt, die nichts anderes ist als eine Verlängerung des staatlichen Herrschaftsapparates bis in die Betriebe und Haushaltungen hinein.
Dem gewerblichen Mittelstand hat man auf weiten Strecken weggenommen, was ihm Unabhängigkeit gab und ihm möglich machen konnte, auch dem politischen Herrschaftsapparat gegenüber einen eigenen Willen zu behaupten.
Nun sind die Bauern an der Reihe. Solange ein Mensch auf seiner Scholle sitzt, der mit Sachverstand, mit Fleiß und mit der Kraft seiner Arme den Boden bebaut, braucht er sich nicht auf die Gunst der Träger der Macht angewiesen zu fühlen. Zwar können diese ihn plagen; sie können ihm Abgaben auferlegen, die er nur unter schwersten
Mühen leisten kann; aber im letzten bleibt er doch in den wesentlichen Bereichen seiner Lebensordnung ein unabhängiger Mann.
Solche Leute will man drüben nicht mehr haben. Man will, daß im Lande nichts anderes mehr sei als abhängige „Arbeitskräfte" und ihre Antreiber. Darum hat man sich jetzt ans Bauernlegen gemacht, wie dies einst vor Jahrhunderten und dann noch einmal vor Jahrzehnten in Zeiten von Krisen die damaligen Machthaber taten. Damit wird nicht nur wirtschaftlicher Schaden angerichtet: es werden seelische Kräfte vernichtet, ohne die ein Volk nicht richtig „in Verfassung" ist.
Im Jahre 1946 gab es in Mitteldeutschland 608 000 landwirtschaftliche Privatbetriebe mit über 1 ha. Am 31. März 1960, also 14 Jahre später, waren es noch 140 000. Heute sind über 90 % aller Privatbetriebe „gelegt"; morgen werden es wohl 100 % sein.
Das hat mit gerechter und sinnvoller Bodenreform nichts zu tun. Das ist schiere Vernichtung, Vernichtung, aus deren Ruinen neues Leben nicht sprießen kann. Denn die hier ihre Höfe verlieren, bringen kein freiwilliges Opfer für das Gemeinwohl, das den Menschen erhöht, sondern werden schlicht erpreßt. Das Böseste daran aber ist, daß man so tut, als freuten sie sich über die neue Ordnung. Zur Gewalt fügt man die Lüge, und man will das Volk zwingen, diese Lüge für die Wahrheit zu halten.
Was hier geschieht, erfüllt uns alle mit Trauer; denn es stirbt am Baume unseres Volkes ein wichtiger Ast ab. Zu dieser Trauer gesellt sich Empörung über diese neue Vergewaltigung der Freiheit, über dieses neue Verbrechen, mit dem man aufs neue den Namen einer großen Menschheitsidee befleckt, über diesen neuen Anschlag auf die Möglichkeiten einer Wiedervereinigung unseres Vaterlandes.
Der Bundestag, das freigewählte Parlament, durch das unserem Volke das Recht des freien Gedankens und der freien Rede, der freien Bestimmung seiner Lebensordnungen durch Entscheidungen, in die der Wille aller Bürger eingehen kann, verbürgt wird, gibt in dieser Stunde der Trauer und der Empörung des ganzen deutschen Volkes über dieses Werk der Vernichtung Ausdruck.
Er ruft die Welt auf, auf die Dinge zu achten, die hinter der stacheldrahtbewehrten Linie vor sich gehen, durch die Deutschland in zwei Hälften zerteilt wird; er ruft die Welt auf, diese Dinge als eine Sache anzusehen, die auch ihre Sache ist. Recht und Freiheit sind unteilbar, und keiner kann frei sein,
Vizepräsident Dr. Schmid
wenn nicht alle, die den Namen der Freiheit im Munde führen, die Kränkung der Freiheit und des Rechts irgendeines Menschen als Kränkung des eigenen Rechts und der eigenen Freiheit empfinden.
Unseren Brüdern drüben aber rufen wir zu: Nichts - auch nicht, was heute an euch getan wird kann auseinanderreißen, was ein gemeinsames Schicksal in seinen Höhen und in seinen Tiefen, in seinem Hellen und in seinem Dunklen, zu der Einheit verschweißt hat, die da heißt: die Deutsche Nation!
({0})
Wir treten in die Tagesordnung ein. Ich ruf. Punkt I auf:
Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Die Bundesregierung fühlt sich nicht nur berechtigt, sondern sie fühlt sich verpflichtet, sich dem Protest des Herrn Präsidenten, den er wohl im Namen des ganzen Hauses zum Ausdruck gebracht hat, anzuschließen. Sie fühlt sich berechtigt und verpflichtet, als die einzige legale deutsche Regierung, der das Wohl und Wehe jener Bevölkerung, die am Zusammenleben mit uns in Freiheit und Ordnung verhindert ist, am Herzen liegt, hier zu sprechen.
Wir würden uns einer großen Unterlassungssünde schuldig machen, wenn nicht nur dieses Haus durch den Mund des Herrn Präsidenten, sondern auch die Bundesregierung jenes usurpatorische Regime, das bis zur Stunde ohne Legitimation durch die von ihm unterdrückte Bevölkerung regiert, nicht anklagten, die Menschenrechte und auch den diesbezüglichen Artikel ihrer eigenen Verfassung, den sie sich geschaffen haben, verletzt zu haben.
Ich weise darauf hin, daß in der Verfassung der Sowjetzone vom 7. Oktober 1949 in Art. 24 Abs. 4 folgende Bestimmung steht:
Der private Großgrundbesitz, der mehr als hundert Hektar umfaßt, ist aufgelöst und wird ohne Entschädigung aufgeteilt. Nach Durchführung dieser Bodenreform wird den Bauern das Privateigentum an ihrem Boden gewährleistet.
Ich weise auf den Art. 17 Abs. 2 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1948 hin, wo es heißt:
Niemand soll willkürlich seines Eigentums beraubt werden.
Es besteht kein Zweifel darüber, daß diese beiden von mir erwähnten Bestimmungen der sowjetzonalen Verfassung und der Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen in diesen Wochen und Tagen auf das schwerste verletzt werden.
Am 1. Januar dieses Jahres waren 49,7 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche des zonalen Gebiets bereits kollektiviert.. Wir haben die erste' große Bauernlegung in den Jahren 1952 53 erlebt, die erst durch den Volksaufstand vom 17. Juni 1953 unterbrochen wurde. Seit dem Beginn dieses Jahres hat die zweite und, wie wir bekümmert feststellen müssen, die letzte Welle begonnen, um den letzten freien Bauern in dem Gebiet zwischen Lübeck, Hof und Eisenach auszulöschen.
Der Herr Präsident hat, nach meinen Informationen zutreffend, darauf hingewiesen, daß nach einwandfreien Ermittlungen bis gestern bereits über 90 Prozent der Landwirte der Zone in die Zwangskollektivierung eingebracht worden sind. Es fehlen nur noch einige Bezirke, deren Bauern vorwiegend in den Gebirgsdörfern des Thüringer Waldes und des Erzgebirges leben, wo die Zwangskollektivierung der Landwirte auf Widerstände stößt, die in der Natur der Landschaft begründet sind. Aber wir müssen befürchten, daß bis zum Zusammentreten der Gipfelkonferenz die Kollektivierung des Bauerntums in dem von der SED beherrschten Teil unseres Landes abgeschlossen sein wird, daß die SED als „Partei neuen Typus", wie sie sich selber zu nennen pflegt, diesen Bauernkrieg neuen Typus zu Ende gebracht haben wird.
Die Bundesregierung protestiert mit Ihnen aufs schärfste nicht nur gegen die Rechtsverletzung, auf die ich bereits hinweisen durfte, sondern nicht zuletzt auch gegen die Unmenschlichkeit, die in der Methode dieses Vorgangs liegt. Das Regime Ulbricht hat nicht den Mut - wozu es in der Lage wäre -, ohne jede Opposition durch ein Gesetz der von ihm zusammengesetzten Volkskammer die Kollektivierung des Bauerntums in seinem Machtbereich zu verfügen. Das würde Tausenden und aber Tausenden von Bauern die Gewissensnot ersparen. Denn wogegen sie sich wehren im Gedenken an ihre Väter und Vorväter, die vor ihnen den gleichen Hof besessen haben, das ist die Schande, durch den Akt scheinbarer Freiwilligkeit ihren Besitz preiszugeben.
({0})
Bei einer gesetzlichen Regelung wären das Leid und die Not nicht geringer. Aber die Gewissensnot - denn jedermann sei seiner Obrigkeit untertan, ob legitimiert im Sinne des freiheitlichen Rechtsstaats oder nicht - würde unzähligen Bauern erspart bleiben.
Ich will, weil es sich hier nur um eine kurze Stellungnahme der Bundesregierung handeln soll, Ihnen nicht im einzelnen die Zahlen über die Erweiterung der Fluchtbewegung nennen. Ich weise nur noch einmal vor der Öffentlichkeit der Welt darauf hin, daß, während das Bundesgebiet mit West-Berlin die Bevölkerungsgrenze von 55 Millionen nach den letzten Feststellungen des Statistischen Bundesamts überschritten hat, im Machtbereich der SED die Bevölkerung auf unter 17 Millionen abgesunken ist. Wir haben einen wachsenden Strom bäuerlicher Flüchtlinge zu verzeichnen, in absoluten Zahlen ausgedrückt scheinbar nicht allzu erheblich; aber nur deshalb - was ebenfalls vor der Welt festgestellt werden muß -, weil das Bauerntum der Zone durch polizeiliche Sicherungsmaßnahmen henneBundesminister Lemmer
tisch von Berlin abgeschlossen ist, urn ihm den Fluchtweg zu erschweren. In allen Transportmitteln nach Berlin werden die Personalausweise kontrolliert, und bei der Berufsbezeichnung „Landwirt" oder „Bauer" wird der Betreffende festgenommen und, wenn er Glück hat, in sein Dorf zurückgeschickt. Die Dörfer, die Operationsziel dieser von uns zurückgewiesenen Maßnahmen sind, werden, nachdem man hat beobachten können, wie sehr Widerstand geleistet wurde, vorher von Kräften der Volkspolizei zerniert, weil man mit allen Mitteln verhindern will, daß die landwirtschaftlichen Arbeitskräfte das ist der einzige gesellschaftliche Wert, den der bisher selbständige Bauer noch darstellt - etwa den Fluchtweg nach dem Westen antreten.
Meine Damen und Herren! Ich kann nach der dankenswerten Unterstützung durch Presse, Rundfunk und Fernsehen darauf verzichten, in diesem Zusammenhang einzelne Bilder der tausendfachen Tragödie vorzutragen. Sie lesen darüber in den Zeitungen - über die Selbstmorde, die Verzweiflungstaten, die sich drüben ereignen, während wir den Vorzug haben, hier in Furchtlosigkeit und Freiheit beieinandersitzen zu können, darüber, daß sich Menschen aus Verzweiflung das Leben nehmen, weil sie jetzt von der Scholle ihrer Vorväter verjagt und einem leninistisch-sozialistischen Kollektiv - das nichts mit ,dem demokratischen zu tun hat - unterworfen werden.
Die Bundesregierung ist mit dem ganzen deutschen Volk bedrückt darüber, daß wir nicht helfen können und daß wir nicht einmal von dieser Stelle aus den erbitterten Menschen zurufen könnten, sich zur Wehr zu setzen, weil das die Tragödie nur steigern würde. Wir stehen mit grimmigem Zorn als Zeugen da, ohne eingreifen zu können. Aber die betroffene Bevölkerung soll wissen, wie es der Herr Präsident schon ausführte, daß ihr Leid als unser Leid empfunden wird. Ich darf wohl in Ihrer aller Namen - hier gibt es in diesem Hause keine Trennungslinie -die Erklärung abgeben, daß die Bundesregierung und die Bürgerschaft des freien Deutschlands niemals anerkennen werden, was an gesellschaftlichen Strukturänderungen zur Zeit im Machtbereich des Sowjetismus vollzogen wird. Das ist für uns null und nichtig, weil die Bevölkerung nicht befragt worden ist.
({1})
Über ,die gesellschaftliche Ordnung eines in einem freiheitlichen Rechtsstaat wiedervereinigten deutschen Volkes entscheidet eines Tages nur dieses Volk selbst, und alles, was präjudiziert worden ist, kann nur einen provisorischen Charakter tragen.
Lassen Sie mich eine letzte Bemerkung machen. Landwirtschaftliche Sachverständige haben die Frage gestellt: wie ist das Regime Ulbricht auf den Gedanken gekommen, in einem Augenblick die Unruhe in die landwirtschaftliche Produktion eines minderversorgten Gebietes hineinzutragen, wo die Frühjahrsbestellung begonnen hat und der Bauer in Ruhe seine Aussaat muß vornehmen können, warum ist dieser Akt nicht nach der Ernte am Anfang des Winters vor sich gegangen? Da kann ich persönlich als der Ressortverwalter für gesamtdeutsche Fragen nur eine Vermutung aussprechen, nämlich die, daß die vierte Weltmacht, die in den nächsten Wochen über das Schicksal unseres Volkes und seiner Hauptstadt beraten will, entschlossen ist, vor Zusammentreten der Gipfelkonferenz vollendete Tatsachen zu schaffen, um den anderen Teil Deutschlands für sozialistisch-leninistisch perfektioniert erklären zu können.
Ich bin sicher, daß die Staatsmänner der uns befreundeten Mächte und ,die Öffentlichkeit der Welt wissen, daß das ein Betrug ist die Freiwilligkeit, die vorgetäuscht wird, ist erlogen - und daß die Perfektionierung dieser Art von Sozialisierung überdies nicht nur von uns, sondern auch von der betroffenen Bevölkerung abgelehnt wird.
ich habe die begründete Sorge, der ich von dieser Stelle aus Ausdruck geben darf, daß in aller Kürze auch die letzten selbständigen Existenzen des gewerblichen Mittelstandes dem gleichen Verfahren unterzogen werden.
Wenn das Regime Ulbricht glaubt, durch diese totale Veränderung der gesellschaftlichen Struktur im Widerspruch zur Tradition unseres Volkes und im Widerspruch zu einer möglichen organischen Entwicklung eine Barriere gegen die deutsche Wiedervereinigung zu errichten, um die Diskrepanz zwischen den beiden Deutschland so eklatant er- scheinen zu lassen, daß wir entmutigt werden müßten, die Sache der deutschen Wiedervereinigung noch zu verfolgen, so darf ich abschließend für die Bundesregierung und ganz gewiß auch in Ihrer aller Namen erklären, daß diese Barrieren hinweggefegt werden an dem Tage, an dem wir Deutschen endlich von dem Recht der Selbstbestimmung werden Gebrauch machen können.
({2})
Meine Damen und Herren, nach einer Vereinbarung der Fraktionen soll über diese Regierungserklärung keine Aussprache stattfinden. Wir unterbrechen die Sitzung für fünf Minuten und treten um 9.35 Uhr wieder zusammen.
({0})
Ehe wir in der unterbrochenen Sitzung fortfahren, wollen wir einiger Mitglieder des Hauses gedenken, die in den letzten Wochen Geburtstag gefeiert haben.
Am 17. März hat Frau Abgeordnete Dr. Weber Geburtstag gefeiert;
({0})
ihr gelten unsere besonderen Glückwünsche und mancher Dank für ein Täfelchen Schokolade.
({1})
Herr Dr. Pferdmenges, der schweigsame Nestor unseres Hauses, hat am 27. März seinen 80. Geburtstag gefeiert.
({2})
der Abgeordnete Bauknecht ein
junger Mann - wurde einen Tag vor dem 1. April, am 31. März, 60 Jahre alt.
({0})
Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 18. März 1960 den nachstehenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht gestellt:
Gesetz zu dem Zusatzabkommen vorn 19. Juni 1959 zum Abkommen vom 26. August 1952 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Regelung der Forderungen der Schweizerischen Eidgenossenschaft gegen das ehemalige Deutsche Reich
Drittes Gesetz zur Änderung des Soldatengesetzes
Gesetz zu dem Vertrag vom 24. August 1959 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Dänemark über Leistungen zugunsten dänischer Staatsangehöriger, die von nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen betroffen worden sind
Gesetz über eine Betriebszählung in der Land- und Forstwirtschaft ({1})
Gesetz zu dem Vertrag vom 7. August 1959 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Norwegen über Leistungen zugunsten norwegischer Staatsangehöriger, die von nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen betroffen worden sind
Gesetz zur Änderung des Beamtenrechtsrahmengesetzes und des Bundesbesoldungsgesetzes
Drittes Gesetz zur Änderung des Flüchtlings-Notleistungsgesetzes
Gesetz zur Neuordnung der Sozialversicherungsträger im Saarland ({2})
Straßenbaufinanzierungsgesetz
Zum Straßenbaufinanzierungsgesetz hat der Bundesrat eine Entschließung gefaßt, die dem Sitzungsbericht als Anlage 2 beigefügt ist.
In der gleichen Sitzung hat der Bundesrat zum
Gesetz zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes
verlangt, daß der Vermittlungsausschuß einberufen wird. Sein Schreiben ist als Drucksache 1733 verteilt.
Der Herr Staatssekretär des Auswärtigen Amts hat unter dem 18. März 1960 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Heye, Frau Dr. h. c. Weber ({3}), Frau Dr. Hubert, Blachstein und Genossen betr. Empfehlung der Westeuropäischen Union über zivile Notstandsplanung ({4}) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 1739 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Verkehr hat unter dens 22. März 1960 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Fritz ({5}), Leicht, Müller-Hermann, Dr. Aigner und Genossen betr. Hilfe für den Straßenbau in Zusammenhang mit Stillegungen von Eisenbahnnebenstrecken ({6}) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 1747 verteilt.
Der Herr Bundesminister der Justiz hat unter dem 25. März 1960 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Werber und Genossen betr. Unterhalt für unehelich geborene Kinder ({7}) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 1764 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Atomkernenergie und Wasserwirtschaft hat unter dem 23. März 1960 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Schmidt ({8}), Bading, Margulies, Dr. Schild, Geiger ({9}), Jacobi und Genossen betr. synthetische Waschmittel ({10}) ({11}) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 1765 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Verkehr hat unter dem 26. März 1960 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Kühlthau, Dr. Toussaint, Bergmann, Lange ({12}) und Genossen betr. NiveauKreuzung der B 224 in Essen-Werden ({13}) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 1766 verteilt.
Der Herr Staatssekretär des Auswärtigen Amts hat unter dens 25. März 1960 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betr. deutsche Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften ({14}) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 1767 verteilt.
Der Herr Staatssekretär des Auswärtigen Amts hat unter dem 29. März 1960 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Heye, Wienand, Dr. Mende und Genossen betr. Ratifizierung der Konvention über die Durchführung von Kontrollmaßnahmen durch das Rüstungskontrollamt der Westeuropäischen Union ({15}) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 1768 verteilt.
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 31. März 1960 die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP betr. Mehrausgaben lm Haushaltsjahr 1959 ({16}) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 1770 verteilt.
Der Herr Staatssekretär des Bundesministeriums für Verteidigung hat unter dem 31. März 1960 die Kleine Anfrage der
Fraktion der FDP bett. Vorauszahlungen aus dem Verteidigungshaushalt ({17}) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 1772 verteilt.
Der Herr Staatssekretär des Bundesministeriums für Verteidigung hat unter dem 31: März 1960 die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP betr. Einführung des Fahrtschreibers gemäß § 57a der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung bei Fahrzeugen der Bundeswehr ({18}) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 1773 verteilt.
Der Leiter der Monopolverwaltung für Branntwein beim Landesfinanzamt Berlin hat unter dein 17. März 1960 gemäß §§ 6 und 9 des Gesetzes über das Branntweinmonopol in Verbindung mit § 2 Abs. 2 Ziff. 1 des Dritten Überleitungsgesetzes vom 4. Januar 1952, § 3 Abs. 1 Ziff. 5 des Ersten Überleitungsgesetzes in der Fassung vom 21. August 1951 und § 4 Abs. 2 des Gesetzes über Errichtung und Aufgaben des Bundesrechnungshofes vom 27. November 1950 den Geschäftsbericht der Monopolverwaltung für Branntwein beim Landesfinanzamt Berlin und die Bilanz nebst Gewinn- und Verlustrechnung der Verwertungsstelle für das Geschäftsjahr 1958/1959 vorgelegt. Der Bericht ist als Drucksache 1735 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Verkehr hat unter dem 26. März 1960 auf Grund des Beschlusses des Bundestages vom 28. September 1956 über die Vergabe der Aufträge durch die Euroflma berichtet. Sein Schreiben ist als Drucksache 1759 verteilt.
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 14. März 1960 auf Grund des Beschlusses des Bundestages vom 29. August 1957 einen Erfahrungsbericht der Bundesregierung über die Durchführung des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes übersandt, der als Drucksache 1737 verteilt ist.
Der Herr Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen hat unter dem 23. März 1960 unter Bezugnahme auf § 17 Abs. 5 des Postverwaltungsgesetzes den Nachtrag zum Voranschlag der Oberpostdirektion Saarbrücken für das Rechnungsjahr 1959 übersandt. Er liegt im Archiv zur Einsichtnahme aus.
Der Herr Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen hat unter dem 30. März 1960 unter Bezugnahme auf § 17 Abs. 5 des Postverwaltungsgesetzes den Voranschlag der Deutschen Bundespost für das Rechnungsjahr 1960 übersandt. Er liegt im Archiv zur Einsichtnahme aus.
Ich rufe Punkt II der Tagesordnung auf:
Große Anfrage der Fraktion der SPD betr. deutsch-spanische Beziehungen ({19}) .
Die Anfrage wird durch den Abgeordneten Dr. Helmut Schmidt begründet. Ich erteile ihm das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir zunächst, Herr Präsident, daß ich mich in aller gebührenden Form gegen den mir nicht zustehenden akademischen Titel verwahre.
({0})
Herr Abgeordneter, ich halte diesen Titel nicht für eine Schande,
({0})
aber ich bitte Sie um Vergebung, daß ich Ihnen einen Titel zugelegt habe, ohne den Sie offenbar auskommen können.
Herr Präsident, ich halte solche Titel auch nicht für eine Schande, aber umgekehrt, würde ich glauben, ist es auch keine Schande, wenn man sie nicht führen kann.
({0})
Herr Abgeordneter, vielleicht kann das nachgeholt werden; vielleicht wird Ihnen der Doktortitel eines Tages ehrenhalber verliehen werden.
({0})
Ich darf zur Sache kommen, meine Damen und Herren, und angesichts der bisher doch nur sehr unvollkommenen Informierung der Öffentlichkeit und auch dieses Hauses den sicher ebenso unvollkommenen Versuch machen, am Beginn der Begründung unserer Großen Anfrage einmal eine zeitliche Rekonstruktion der Vorgänge vorzunehmen, die unserer Anfrage zugrunde liegen.
({0})
Die von der Bundesregierung so genannten „informativen Gespräche" in Madrid scheinen nach unseren Informationen zwischen dem 11. und 14. Januar 1960 geführt worden zu sein, von etwaigen vorherigen Besprechungen hier in Bonn zu schweigen. Nach den Eindrücken, die man aus einer Rede des Verteidigungsministers im bayerischen Rundfunk gewinnen mußte, hat der Verteidigungsrat der Bundesregierung einen entsprechenden Beschluß am 27. Januar gefaßt, also 14 Tage später. Die Öffentlichkeit wurde über diese Dinge erstmalig durch die „New York Times" am 23. Februar informiert. Am selben Tage gab das Bundespresse- und Informationsamt hier in Bonn eine kurze und trokkene Dementi-Erklärung heraus. Am gleichen Tage, an dem das offizielle Dementi gegeben wurde, sind aber inoffiziell an bestimmte Journalisten hier in Bonn persönliche Erläuterungen ausgestreut worden, die am nächsten Tage, am 24. Februar, zum Teil in der deutschen Presse ihren Niederschlag fanden und die etwas ganz anderes aussagten als das Dementi vom Vortage.
An diesem 24. Februar haben wir beantragt, im Verteidigungsausschuß möge über die Vorgänge Aufklärung gegeben werden. Das erfolgte wiederum einen Tag später, am 25. Februar, und zwar in einer geheimen Sitzung, die es uns leider verbot, mit den dort gewonnenen Erkenntnissen und mit den sich dort ergebenden Fragen im einzelnen an die Öffentlichkeit zu gehen. Im übrigen muß man feststellen, daß die in jener Geheimsitzung gegebenen Erläuterungen das zwei Tage vorher gegebene Dementi weitgehend ad absurdum geführt haben.
Wir haben dann einen Tag später die Große Anfrage angekündigt, die aus technischen Gründen erst ein paar Tage später formell eingebracht werden konnte. Es ist die Anfrage, die wir heute zu behandeln haben, genau sechs Wochen nach jenem Sturm in der Weltpresse und in der deutschen Presse. Zwischendurch hat es eine große Zahl von Stellungnahmen gegeben durch Mitglieder der Bundesregierung, z. B. im amerikanischen Fernsehen durch den Bundeskanzler, im bayerischen Rundfunk durch den Verteidigungsminister, alles Erklärungen, die sich keineswegs ganz mit dem deckten, was man uns in vertraulicher Sitzung gesagt hatte, sondern die zum Teil darüber hinausgingen, die auch eine gewisse Politik erkennen ließen. Dann haben die Pressereferenten von Ministerien, von Parteien, des Bundespresse- und Informationsamtes Erläuterungen und Erklärungen über das gegeben, was angeblich die Politik der Bundesrepublik in dieser Sache sei. Ich meine, insgesamt handelt es sich hier um eine sehr schlechte Reihenfolge von Ereignissen. Man muß wohl - ich meine, auch von seiten der Regierungsbank - zugeben, daß die deutsche Öffentlichkeit über weite Strecken an der Nase herumgeführt worden ist. Insgesamt, meine Damen und Herren, kann einen bei dieser Spielart von Parlamentarismus der Jammer packen!
({1})
Ich darf an die Damen und Herren von der Rechten und auch an die Herren von der Regierungsbank appellieren: Schauen Sie doch bitte, auch wenn es Ihnen schwerfällt, in London Vorbilder zu erkennen und zu akzeptieren, einmal nach London! Einen Tag, nachdem der britische Premier sein Gespräch mit dem amerikanischen Präsidenten Eisenhower beendet hatte- einen Tag darauf! -, stand Herr Macmillan im englischen Unterhaus Rede und Antwort. Und Sie brauchen sechs Wochen!
({2})
- Herr Rösing, das ist nicht so sehr eine Frage des geschriebenen Rechts, sondern das ist eine Frage des parlamentarischen Fingerspitzengefühls, welches hier fehlt,
({3})
wie ja überhaupt in dieser spanischen Affäre die Frage des Fingerspitzengefühls die entscheidende ist.
({4})
- Herr Majonica, ich würde nicht so früh schießen.
({5})
- Behalten Sie sich Ihr bißchen Pulver lieber für etwas später.
({6})
Ich möchte Herrn Majonica fragen, ob er wirklich der Meinung ist, daß die Klarstellung und die Erörterung solcher in der übrigen Welt draußen ganz offensichtlich als schwerwiegend empfundenen außenpolitischen Fragen zuerst in das Fernsehen eines ausländischen Staates gehören, ehe diese Fragen hier an Ort und Stelle im deutschen Parlament behandelt werden.
({7})
Der Bundestag hat nicht nur das Recht, sondern der Bundestag hat die Pflicht, seinen Vorrang bei der Diskussion derartiger Probleme zu behaupten.
Es ist nicht die Schuld der Opposition, daß diese Aussprache erst heute stattfindet. Sie wissen das. Man kann heute sagen, daß die Erregung im Ausland Gott sei Dank zu einem erheblichen Teil abgeklungen ist.
({8})
- Lieber Herr Seffrin, wir wollen uns nicht täuschen: die spanische Affäre war und bleibt - lesen
Sie einmal die „Newsweek" von der letzten Woche;
5892 Deutscher Bundestag - 3. Wahlperiode
Schmidt ({9})
sie erscheint, wie Sie wissen, nicht in England, sondern in USA - ein wesentlicher Faktor bei der derzeitig zu beobachtenden Verschlechterung des Ansehens der Bundesrepublik in der öffentlichen Meinung anderer Länder.
({10})
Gerade deswegen, gerade weil wir nicht sicher sind, gerade weil es nicht ausgeschlossen erscheint, daß solche psychologischen Fehler - ich will mich vorsichtig ausdrücken - wiederholt werden, bleibt die Debatte über diese Affäre notwendig.
Uns scheint, daß die Bundesregierung offensichtlich die politische Bedeutung ihrer spanischen Absichten nicht rechtzeitig und nicht klar erkannt hat. Es scheint, daß auch Teile der deutschen Presse, die über das Ausmaß des trouble erstaunt waren, der dann anschließend im Ausland entstanden ist, die Bedeutung dieser Vorgänge nicht richtig eingeschätzt haben. Sie waren sehr erstaunt. Der Grund für dieses Erstaunen könnte sein - so denke ich mir -, daß in Deutschland noch einige historische Irrtümer über die Entstehung der Franco-Diktatur weit verbreitet sind, historische Irrtümer, die ich teilweise durchaus verständlich finde, weil in den Jahren des spanischen Bürgerkrieges die nazistische Propaganda natürlich nur völlig verzerrte Darstellungen über die Vorgänge in Spanien zuließ und weil seither für manchen Deutschen kein unmittelbarer Anlaß gegeben gewesen sein mag, sich inzwischen mit den heute zur Verfügung stehenden Informationsquellen über die Verhältnisse in Spanien zu beschäftigen.
({11})
- Ich gebe Ihnen recht, Herr Schneider, denn ich bin überzeugt, daß sich gerade Ihre Lektüre auf trübe Quellen gestützt hat.
({12})
Manche Deutschen - und ich nehme an, Sie gehören dazu, Herr Schneider - glauben offenbar immer noch, daß Franco im spanischen Bürgerkrieg einer kommunistischen Diktatur das Ende bereitet habe.
({13})
- Herr Schneider, ich bin leider kein Geschichtslehrer, kein studierter Historiker, aber bitte seien Sie so liebenswürdig, trotzdem einige wenige historische Belehrungen aus meinem Munde entgegenzunehmen.
({14})
In Wirklichkeit spielten die Kommunisten in Spanien erst nach Ausbruch des Bürgerkrieges eine Rolle, die dann allerdings sehr schnell an Bedeutung zugenommen hat. Der Bürgerkrieg wurde durch den General Franco gegen die verfassungsmäßige republikanische Regierung ausgelöst. Man
hatte 1936 in Spanien eine Situation - ich sage es immer nur zur Information des Kollegen Schneider - ({15})
- Ich möchte nicht unterstellen, Herr Kollege Schneider, daß die Geschichtskenntnisse des ganzen Haures so mangelhaft fundiert sind wie Ihre persönlichen.
({16})
Im Jahre 1936 befand sich die spanische Republik wahrscheinlich in einem Zustand, der mit dem Zustand Deutschlands im Jahre 1932 vergleichbar war: sie war von einer Kette schwerster innenpolitischer Erschütterungen und Krisen durcheinandergeworfen.
Der Bürgerkrieg wurde von Franco mit einem Teil des Heeres entfesselt, vorwiegend zunächst, wie Sie wissen, mit den Moro-Regimentern, während Luftwaffe und Marine vorerst auf seiten der republikanischen Regierung verblieben. Der Bürgerkrieg wurde sehr schnell überaus blutig und auf beiden Seiten überaus grausam geführt. Der schließliche Sieg des Generals Franco wäre nicht möglich gewesen ohne die weitgehende nicht nur ideelle, sondern vor allen Dingen auch materiell-militärische Hilfe der beiden faschistischen Diktatoren Mussolini und Hitler. Ich nehme an, daß Sie das wenigstens wissen, Herr Schneider.
({17})
Wir besitzen darüber Zeugnisse aus dem Munde des Herrn Franco und des Herrn Hitler.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Schneider?
Gern, Herr Präsident.
Herr Kollege Schmidt, darf ich Sie fragen, ob nicht auch Sie es für besser halten, daß heute Herr Franco statt der Kommunisten in Spanien steht?
({0})
Ich muß Ihnen antworten, Herr Kollege Schneider, daß meine Sympathien für Herrn Franco ungefähr dasselbe Ausmaß erreichen wie meine Sympathien für Herrn Ulbricht.
({0})
Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?
Damit Sie verstehen, i was ich meine, meine Damen und Herren, darf ich
Schmidt ({0})
Ihnen aus jener Zeit vielleicht eine Passage aus einer Rede des Generalissimus Franco vorlesen. Am 27. Februar 1939, als jenes Regime machtpolitisch konsolidiert war, sagte Franco in einer Rede wörtlich:
Es wäre ungerecht, wenn wir in dieser Stunde des Triumphes nicht derer gedenken würden, die vom ersten Tag an an uns geglaubt haben, die ihr Blut mit dem unsrigen vergossen, die ihre Ehre uns zur Seite stellten, jener Nationen, die, stark und edel, der Tugend sich bewußt sind, der Kraft des Geistes und der Macht, Bundesgenossen, nämlich des geliebten Italiens, des befreundeten Deutschlands.
Das war der Dank Francos für die Hilfe, die ihm durch Hitler und durch die Legion Condor gewährt worden war.
({1})
- Ich habe nicht Herrn Gomez zu verteidigen, Herr Schneider.
Ein paar Tage später wurde in Deutschland anläßlich des Einzugs der Legion Condor in Berlin offiziell erklärt - ({2})
- Das ist doch kein Eklektizismus, sondern ein wörtliches Zitat, verehrter Herr!
({3}) Hitler sagte:
Gleich im Juni 1936 habe ich mich kurz entschlossen, die Bitte, die General Franco an mich richtete, zu erfüllen und ihm so lange zu helfen . . .
So sprach Hitler. Und dann weiter:
Die Legion entstand Ende Juni 1936 unter Führung der Luftwaffe. Unter verschiedenen Decknamen wurden Transporte auf dem Luft- und Seewege nach Spanien durchgeführt. Gleich zu Beginn des Bürgerkrieges erfolgte ein entscheidendes Eingreifen deutscher Luftwaffenverbände durch Überführung der marokkanischen Truppen nach dem Festland, und zwar 15 000 Mann mit vollständiger Ausrüstung und Geschützen. . Die Legion Condor war an allen entscheidenden Aktionen zu Wasser, zu Lande und in der Luft beteiligt.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Majonica?
Eine Sekunde, Herr Präsident!
Ich sage das nicht, um irgendeinen Zweifel zu säen an der Gutgläubigkeit jener jungen deutschen Soldaten, die damals der Legion Condor angehört haben. Die konnten das ganze Spiel selbstverständlich nicht durchschauen und nicht überschauen. Ich zitiere das vielmehr nur - ich hatte es mir auf Vorrat mitgebracht, Herr Kollege Schneider, für den Fall, daß Sie solche Zwischenrufe machen sollten -, damit Sie wenigstens nachträglich erkennen - damals waren Sie genau wie ich zu jung, um das durchschauen zu können -, wie außerordentlich bedeutsam die militärische Hilfe der nationalsozialistischen Führung für den Sieg Francos im spanischen Bürgerkrieg gewesen ist.
Da ich beim Zitieren bin, erlauben Sie mir noch ein letztes Zitat. Wenige Tage nach dem Einmarsch Hitlers in die Sowjetunion im Sommer 1941 befaßte sich Franco in einer Rede mit dem entsetzlichen Krieg, der sich abzeichnete. Die Diktion dieses Mannes damals im Sommer 1941 wird Sie interessieren. Nachdem die spanische Regierung erklärt hatte, Deutschland verkörpere beispielhaft die revolutionäre Form, die auch für Spanien angestrebt werde. sagte Franco persönlich:
Das kommunistische Gold und die jüdische Presse mögen vielleicht die Welt gegenüber den revolutionären Umtrieben der Komintern blind gemacht haben. In dieser Stunde, da Deutschland eine Schlacht aufnimmt, bei der auch unsere
- die spanische -Jugend zugegen ist, erneuert Spanien das feste Vertrauen auf seine Zukunft, über die die Wehrmacht und Falange gemeinsam wachen.
Es gibt eine Reihe von solchen Reden, die in der Diktion in erschreckender Weise den Gleichklang mit dem offenbar werden lassen, was damals in Deutschland gesagt wurde.
Ich will Sie damit im Augenblick - es scheint mir ja für Sie eine Behelligung zu sein, Herr Schneider ({0})
nicht weiter behelligen.
Gestatten Sie nunmehr eine Zwischenfrage des Abgeordneten Majonica?
Bitte sehr, Herr Präsident!
Der spanische Außenminister hat sich in Berlin für die Freiheit Berlins eingesetzt. Wollen Sie eine Regierung, die sich für die Freiheit Berlins einsetzt, gleichstellen mit einem Regime, das die Freiheit Berlins bedroht?
({0})
Herr Majonica, ich werde die Fragen in zwei Teilen beantworten, den zweiten Teil am Schluß meiner Bemerkungen und den ersten Teil jetzt gleich. Der spanische Außenminister hat bei seinem Aufenthalt in Deutschland die Geschmacklosigkeit besessen, Berlin mit dem Alcazar zu vergleichen.
({0})
- Das verstehe ich sogar sehr gut, Herr Majonica.
({1})
- Meine Herren Zwischenrufer von der Rechten, ich wollte mich auf zwanzig Minuten beschränken; jetzt haben Sie mir durch Zwischenrufe und Zwischenfragen mein Referat schon um mindestens fünf Minuten verlängert.
({2})
Erlauben Sie mir fortzufahren, und ich nehme an, daß auch Sie, Herr Majonica und Herr Schneider, und wer immer auf Ihrer Seite sitzt, mir zustimmen müssen, wenn ich unter Überspringung all der Jahre von 1938 bis jetzt, 1960, feststelle, daß auch heute Spanien weder eine Demokratie noch ein Rechtsstaat ist.
({3})
Diese sachliche Feststellung, nehme ich an, können Sie in Ruhe anhören, ohne ,daß Ihr Blut in Wallung gerät.
({4})
- Jawohl, das ist an und für sich eine innerspanische Angelegenheit. Aber Sie müssen einmal zuhören, um zu begreifen, wie unmittelbar das uns Deutsche etwas angeht.
Heute werden in Spanien nach wie vor Verhaftungen und politische Verfolgungen vorgenommen; sie sind dort an der Tagesordnung. Jemand, der streiken sollte, wird wegen militärischer Rebellion verurteilt, und zwar vom Militärgericht; das gilt gleicherweise für die kommunistische Opposition wie. für die sozialistische Opposition; das gilt gleicherweise für die liberale Opposition wie für die katholische Opposition in Spanien.
Die Weltmeinung, meine Herren von der deutschen Rechten, draußen über Spanien ist recht einheitlich; vielleicht kann man sie in drei Sätzen zusammenfassen. Erstens: Ich glaube, die Welt ist sich einig in der Hochachtung vor ,den bedeutenden historischen und kulturellen Leistungen der spanischen Nation. Zweitens: Die Welt ist sich einig im Mitgefühl und im Gefühl ,der Solidarität für das unterjochte spanische Volk.
({5})
Drittens: Die Welt ist sich einig in ihrer Ablehnung und weitgehend auch in ihrem Abscheu vor dem herrschenden Regime, dessen Chef sich ausdrücklich als - ich zitiere wörtlich - „nur vor Gott und der Geschichte verantwortlich" bezeichnet.
({6})
Ich brauche dazu wohl keine Belege zu zitieren, Herr Majonica; ich brauche auch nicht, was hier im Hause durch meinen Freund Menzel früher schon geschehen ,ist, den Bericht der Internationalen Juristenkommission der UNO vom vergangenen Jahr zu zitieren, und ich brauche nicht den bei Ihnen beliebten Kronzeugen Madariaga zu zitieren, der jüngst in der „Neuen Zürcher Zeitung" zu den spanischen Depotplänen von Herrn Strauß Stellung genommen und - das fällt mir dabei ein - ausdrücklich darauf hingewiesen hat, daß Spanien das notorische Refugium ehemaliger deutscher Nazis sei. Alle diese Dinge sind draußen in der Welt offenbar besser bekannt als bei uns in Bonn.
({7})
- Wir hoffen sehr, Herr Schneider, daß die draußen in der Welt geradezu automatisch entstandenen Befürchtungen in bezug auf ein erneutes politisches oder politisch-militärisches Zusammenspiel zwischen Deutschland und Franco absolut und weit hinaus übertrieben gewesen sind. Wir hoffen sehr, daß das auch für die im Ausland automatisch entstandene und laut gewordene Sorge gilt, die Bundesregierung wolle sich angeblich durch Ausweichen auf spanisches Territorium den Kontrollen der WEU für bestimmte Dinge entziehen; wir hoffen, daß auch das weit hinaus übertrieben ist.
Wir müssen trotzdem in unserer Großen Anfrage die Frage la stellen, die darauf zielt, zu erfahren, ob sich eigentlich das Auswärtige Amt unserer Bundesregierung des politischen Risikos voll bewußt gewesen ist, das in diesen spanischen Sondierungen liegen mußte. Ebenso müssen wir unter Ziffer lb fragen: Wenn man sich dieses Risikos bewußt war, weswegen hat man dann nicht wenigstens vorher in vertraulicher Sitzung z. B. mit dem Auswärtigen Ausschuß dieses Hauses seine Meinung darüber abgestimmt? Ich glaube für beide Oppositionsparteien sagen zu dürfen: wenn die Regierung diese Dinge vorher im Auswärtigen Ausschuß erörtert hätte, hätten ihr beide Oppositionsparteien mit Sicherheit gesagt, daß diese politischen Folgen eintreten müssen.
Da hilft nun auch das Lamentieren nichts, daß der Herr Strauß über die angeblich - wahrscheinlich hat er recht - „gezielte" Indiskretion gegenüber Mr. Sulzberger von der „New York Times" anstellt; denn gerade solche Aktionen waren doch vorauszusehen. Übrigens nicht die „New York Times", sondern die „New York Herald Tribune" hat dann einige Tage später, am 3. März, geschrieben:
Ein Hauptgrund für das wegen Deutschlands Annäherung an Spanien ballonartig entstehende Mißtrauen in der Welt war die Heimlichkeit gegenüber der Öffentlichkeit. Es war nicht nur, was Bonn tat, sondern es war ebenso sehr, wie Bonn das machte.
Ich habe das wörtlich zitiert. Das schrieb nicht die „New York Times", sondern die „New York Herald Tribune", die andere große Zeitung in den Vereinigten Staaten.
Und das Mißtrauen, meine Damen und Herren, mußte insbesondere diesen, wie die „New York Herald Tribune" schreibt, „ballonartigen" Umfang
Schmidt ({8})
annehmen, weil ja doch schon vorher eine ganze Kette Franco-freundlicher Äußerungen aus Bonner Kreisen vorangegangen war, angefangen bei dem Geschwätz von der Zugehörigkeit Spaniens zur sogenannten geistigen NATO und endend bei den Wallfahrten von Regierungspolitikern und Ministern nach Madrid. - Ich rede von privaten Besuchen, nicht von offiziellen Staatsbesuchen.
Auf der anderen Seite - das muß einen wundernehmen- hatten noch im Sommer 1959 eine größere Zahl von Abgeordneten in Ihren Bänken, meine Damen und Herren,
({9})
auf dem sogenannten Atlantischen Kongreß in London eine Entschließung angenommen, in der die Grundprinzipien der Gemeinschaft der NATO noch einmal formuliert worden sind. - Herr Kollege Jaeger lächelt schon im voraus; er weiß, daß er beteiligt war.
({10})
Sie haben damals in London beschlossen, Herr Kollege Jaeger - wenn ich ein paar Sätze aus dieser Entschließung zitieren darf -, daß die Grundprinzipien der Gemeinschaft u. a. in folgendem bestehen - ich lese nur einige wenige vor -: The right to an inviolate personal life; freedom of speech, conscience, opinion; freedom of belief and religion, freedom - -({11})
-Ich will die Entschließung gern übersetzen, wenn das Englisch bei Ihnen nicht reicht, meine Damen und Herren.
({12})
- Wenn der Herr Bundesverteidigungsminister in fachlichen Debatten englische Ausdrücke gebraucht, sind Sie gar nicht so empfindlich. Sie haben z. B. inzwischen „Logistik" gelernt, aber „freedom of speech" müssen Sie eben noch erst lernen!
({13})
Das Recht auf Freiheit der Rede, das Recht auf Freiheit der Religion und der Religionsausübung, das Recht auf Freiheit der Vereinigung, - das scheint Ihnen offenbar nicht so geläufig zu sein wie die militärischen Ausdrücke in englischer Sprache.
({14})
Die Herren Kollegen von Merkatz, Graf Adelmann, Freiherr zu Guttenberg, Dr. Jaeger, ich nehme an, auch Herr Majonica, ich weiß es nicht,
({15})
ich nehme Sie aus - haben damals in London beschlossen, daß - ich übersetze es jetzt vorsichtshalber ins Deutsche - das Recht das wesentliche
Instrument sei, mit dem die Prinzipien der Zivilisation in die Praxis übersetzt werden müssen.
Das war in London. Es ist nicht erstaunlich, daß ein halbes Jahr später ebenfalls in London idas Echo auf jenes Abenteuer in Spanien - ein Land, wo alle diese Prinzipien eben nicht gewährleistet sind - besonders heftig war.
Ich möchte hier einschalten: wir wollen nicht die Entschuldigung hören, Washington habe doch auch einen militärischen Pakt mit Franco.
({16})
Wir möchten nicht mehr hören, Portugal sei doch auch in der NATO. Herr Dr. Jaeger, ich weiß, Sie sind immer derjenige, der diese Argumente vorbringt. Hier gilt wirklich der Satz - ich bitte im voraus um Entschuldigung, daß ich wiederum eine Fremdsprache benutzen muß -: Quod licet Iovi, non licet bovi, oder in sehr freier deutscher Übersetzung für die Damen und Herren von der CDU/ CSU: Wenn zwei dasselbe tun, ist es nicht dasselbe.
({17})
- Wen ich mit dem Ochsen gemeint habe, das weiß ich jedenfalls.
({18})
Trotz der scheibchenweisen Enthüllungen der tatsächlichen Vorgänge wissen wir auch heute noch nicht - und das richtet sich an die Bundesregierung -, ob die Absichten des Verteidigungsministeriums in Spanien definitiv aufgegeben worden sind. Wir möchten das heute gerne erfahren. Deswegen unsere Frage 2. Die Fragestellung macht deutlich, daß wir die bestehenden Schwierigkeiten auf dem Gebiet des Nachschubs und der Schießausbildungsplätze durchaus nicht verkennen. Allerdings halten wir Nachschubeinrichtungen in Spanien auch aus militärischen Gründen für abwegig.
Ich will das hier nicht näher ausführen. Denn bei der heutigen Debatte geht es ja nicht um die Beratungsgegenstände des NATO-Rates, wo diese Fragen erörtert werden müssen. Es geht nicht darum, daß dann, wenn der NATO-Rat von der Bundesrepublik verlangt, sogenannte „Kriegsvorräte" für 90 Tage zu halten, diese, militärisch allerdings unvermeidlich, zum Teil auch im Ausland angelegt werden müssen. Es geht nicht darum, daß, wenn der Verteidigungsminister in einem solchen Falle die NATO und die benachbarten NATO-Länder wegen seiner Depots um Hilfe bittet, dieser Wunsch legitim ist, wenn vorher jene Forderungen im NATO-Rat beschlossen worden sind. Das alles ist heute nicht unser Thema.
Für uns geht es um die politische Frage, ob die Bundesrepublik über normale diplomatische Beziehungen und normale Handelsbeziehungen hinaus irgendwelche besonderen Bindungen auf was für Feldern auch immer mit Madrid eingehen sollte oder nicht. In dieser Frage möchten wir klaren Wein eingeschenkt bekommen, wobei die Äußerung des Ver5896
Schmidt ({19})
teidigungsministers, der mit rotem Kopf gesagt hat: Wir müssen da durch!, uns eher beunruhigt als erleichtert.
Zum Schluß darf ich, um wenigstens den Versuch zu machen, Sie zu befriedigen, Herr Majonica, auf den zweiten Teil meiner Antwort auf Ihre Zwischenfrage kommen und damit zugleich zu unserer formulierten Frage 3 sprechen. Unsere Frage 3 bringt zum Ausdruck, was wir meinen. Wir meinen nämlich, daß die einzige rechtmäßige Regierung des deutschen Volkes, die auf jener Bank sitzt, eine Regierung, die im Namen des ganzen deutschen Volkes und von seinen heißen Wünschen begleitet darum ringt, daß dieser Nation die vollen Menschen- und Bürgerrechte und das ungeteilte Recht auf Selbstbestimmung endlich gegeben werden, die Glaubwürdigkeit ihrer sittlichen. Überzeugungen auch nicht durch ,den Anschein irgendeiner Affinität zu jener Regierung in Madrid beeinträchtigen darf, deren sogenannter Caudillo Franco in der Welt mit Recht als eine Symbolfigur für die fortgesetzte Vorenthaltung freier Wahlen, für ,die fortgesetzte Vorenthaltung von Bürgerrechten und für die fortgesetzte Vorenthaltung von Menschenrechten angesehen wird.
({20})
Das Wort zur Beantwortung der Großen Anfrage hat der Herr Bundesminister des Auswärtigen.
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Die Große Anfrage der sozialdemokratischen Fraktion befaßt sich mit Vorgängen, die Ende Februar große Aufmerksamkeit in der öffentlichen Meinung vieler Länder und besonders in der Weltpresse gefunden haben. Es erscheint jedoch notwendig, kurz die Zusammenhänge darzustellen, die bereits geraume Zeit zurückreichen, und die Vorgeschichte dieser Fühlungnahme mit Spanien zu behandeln.
Ich kann darauf verzichten, die militärische Seite der Angelegenheit im einzelnen zu behandeln. Die Große Anfrage der SPD-Fraktion erkennt selber die aus militärischen Gründen gegebene Notwendigkeit an, daß Nachschub- und Übungseinrichtungen teilweise auch außerhalb der Bundesrepublik im westlichen Ausland untergebracht werden müssen. In diesem Punkte scheint ein gewisses Maß an Übereinstimmung zwischen Opposition und Bundesregierung zu bestehen.
Die Bundesregierung hat es im Interesse der Freiheit und der Sicherung der Bundesrepublik und in ihrer Mitverantwortung für die Sicherheit Europas übernommen, ihre Verpflichtungen aus dem NATO-Vertrag loyal zu erfüllen. Die Bundesregierung sieht darin, wie schon häufig betont, den besten Weg, um einen Beitrag zur Verhinderung des Krieges und zur Lösung politischer Probleme auf dem Verhandlungswege zu leisten. Sie hat immer die Auffassung vertreten, daß es für die einzelnen europäischen Staaten eine Verteidigung ihrer Freiheit mit nationalen Mitteln in nationaler Zuständigkeit und innerhalb
nationaler Grenzen angesichts der politischen Veränderungen und angesichts der technischen Revolution insbesondere auf dem Gebiete der Bewaffnung nicht mehr gibt. Die Bundesregierung ist deshalb immer für die volle Integration der westlichen Verteidigung eingetreten, und sie hat die gesamten Streitkräfte der Bundesrepublik in das NATO-Kommandosystem eingegliedert.
Die Bundesregierung hält es für notwendig, daß nicht nur die militärischen Kampfverbände, d. h. der ganze Bereich der Führung, in der Zuständigkeit der NATO liegen, sondern auch die Verantwortung für die Ausbildung und Versorgung dieser Verbände zu einem großen Teil in die Zuständigkeit der NATO übergeht.
Die Bundesregierung hat sich immer gegen eine Trennung von operativer und logistischer Führung und Verantwortung in verschiedene Organisationsbereiche mit unterschiedlicher Zuständigkeit ausgesprochen. Solange aber diese in ihrer Richtigkeit wohl von niemandem bezweifelte Forderung nicht erfüllt wird oder nicht erfüllt werden kann, bleibt es in der nationalen Verantwortung der einzelnen Mitgliedstaaten, die erforderliche Vorsorge auf dem Gebiet der Logistik zu treffen. Unter Logistik versteht man die Bereitstellung und Zuführung aller Versorgungsgüter, welche die Truppe zur Durchführung ihres Auftrages braucht, darüber hinaus die Erhaltung des Materials, das Transport- und Verkehrswesen, das Sanitätswesen und die Fernmeldeverbindungen, soweit nicht beides unmittelbar zu den taktischen Verbänden gehört, sowie die bodenständigen militärischen Einrichtungen, insbesondere Flugplätze, Übungsplätze, Pipelines, Depots und anderes.
Aus dieser Zusammenstellung ist ersichtlich, daß es sich bei dem Bereich der Logistik nicht nur um Depots oder ähnliche Einrichtungen handelt, sondern um eine sinnvolle Staffelung all der Einrichtungen, die sich im Frieden und besonders im Verteidigungsfall nicht ausschließlich innerhalb der Bundesrepublik befinden sollten. Insbesondere haben der Verlauf der NATO-Übungen in den letzten Jahren und die aus ihnen zu ziehenden Konsequenzen, so bei der Übung "Sidestep", deutlich gezeigt, mit welchen Problemen sich die Bundesregierung befassen muß und daß sich eine moderne Verteidigung von den technischen Maßstäben und Vorstellungen freimachen muß, die vor 25 Jahren richtig gewesen sein mögen.
Es ist nicht nur durch die Anwesenheit der sowjetischen Armee in Mitteleuropa der für die Verteidigung zur Verfügung stehende Raum Europas viel kleiner geworden, sondern dieser kleiner gewordene Raum ist auch durch die Schnelligkeit, Reichweite und Wirkung der modernen Kampfmittel noch um ein Vielfaches vermindert worden. Die Bundesregierung hatte deshalb die Pflicht und hat die Pflicht, für die Deckung der deutschen Bedürfnisse auf diesem Gebiet alle Möglichkeiten zu erforschen, die es innerhalb des NATO-Bereichs und die es in einer geographisch sinnvollen Weise an der Peripherie des NATO-Bereichs gibt. Dazu gehört auch die Prüfung der in Spanien im gegebenen Falle bestehenden Möglichkeiten.
Bundesaußenminister Dr. von Brentano
Ich möchte an dieser Stelle den Ländern danken, die uns durch die Überlassung von Depotraum und von Ausbildungseinrichtungen zur Benutzung oder Mitbenutzung durch die Bundeswehr geholfen haben, unsere Aufgaben zu erfüllen. Wir hoffen auch gerade nach dem Verlauf der Konferenz der Verteidigungsminister, die vor wenigen Tagen in Paris stattfand, daß wir auf diesem Wege noch weitere Fortschritte erzielen werden. Die Frage, ob die auf diesem Wege zu erzielenden Fortschritte ausreichen, um Ausbildung und Versorgung der Bundeswehr nach NATO-Maßstäben zu gewährleisten, muß zu gegebener Zeit geprüft und entschieden werden.
Als Ende des vergangenen Jahres der Besuch des spanischen Außenministers Castiella in der Bundesrepublik bevorstand, haben wir eingehend geprüft, ob dieser Besuch der geeignete Anlaß sei, um die spanische Regierung von unseren Erwägungen zu unterrichten. Die Bundesregierung war sich im klaren darüber, daß vor jeder offiziellen Unterrichtung der NATO bzw. wesentlicher NATO-Partner die spanische Seite auf diese Frage einer informativen Unterredung angesprochen werden müßte. Es wäre ein im internationalen Verkehr nicht übliches Verfahren, ja, ich möchte sagen, es wäre ungehörig gewesen, wenn die Bundesregierung mit ihren Verbündeten Angelegenheiten besprochen hätte, die in erster Linie die spanische Regierung selbst betreffen, ohne daß diese davon auch nur unterrichtet worden wäre.
Außerdem erschien es sinnlos, die Möglichkeit von logistischen Einrichtungen in Spanien auch nur zur Diskussion zu stellen, bevor die Bundesregierung wußte, ob überhaupt eine Aussicht bestand, daß die spanische Regierung bereit war, ein informatives Gespräch zu führen und die von der Bundesregierung vorgelegten oder vorzulegenden Fragen zu prüfen.
Bei unseren Überlegungen mußten wir auch die Stellung der Bundesrepublik und ihr Ansehen in der westlichen Welt, das Verhältnis der freien Welt zu Spanien und die aktuelle politische Lage in Betracht ziehen. Wir haben diese Fragen eingehend geprüft. Die Bundesregierung war sich durchaus bewußt, daß bei vielen Menschen in Deutschland wie in den mit ihr verbündeten und befreundeten Ländern noch schmerzliche Erinnerungen lebendig sind an jene Jahre vor dem zweiten Weltkrieg, da in Spanien der Bürgerkrieg tobte und die beiden Parteien sich unterschiedlicher Gunst erfreuten. Die Bundesregierung weiß auch sehr wohl, daß Hitler damals diesen Bürgerkrieg für seine eigensüchtigen Zwecke mißbrauchen wollte. Wir wissen wohl, daß die Ereignisse dieser vergangenen Zeit noch heute die Gefühle vieler Menschen bewegen.
Auf der anderen Seite ist sich die Bundesregierung aber dessen bewußt, daß Spanien sicherlich treu zum Westen steht. Die Vereinigten Staaten, unser stärkster NATO-Partner, stehen seit Jahren in einem engen militärischen Bündnisverhältnis mit Spanien. Andere NATO-Staaten haben ebenfalls militärische Beziehungen zu Spanien aufgenommen.
Deutschland hat mit Spanien, wie viele NATO-Staaten auch, Militärattachés ausgetauscht. Im vergangenen Jahr wurde Spanien Mitglied der OEEC. Die Stimmen mehren sich, die aus sachlichen Gründen eine Aufnahme Spaniens in die NATO fordern oder gutheißen.
Angesichts der engen Zusammenarbeit mehrerer westlicher Länder, an der Spitze die Vereinigten Staaten, mit Spanien auch auf militärischem Gebiet ist nicht zu verstehen, daß informative Gespräche von Experten der Bundesrepublik mit spanischen Dienststellen über Angelegenheiten, die ausschließlich im Interesse der deutschen NATO-Verpflichtungen liegen, ein hohes politisches Risiko für das Ansehen der Bundesrepublik enthalten sollen und damit die Position der Bundesrepublik im Hinblick auf die kommende Gipfelkonferenz gefährden könnten.
Wenn wir dem Gedanken der Aufnahme militärischer Beziehungen nähergetreten sind, so beruht dies auch auf folgenden Erwägungen: Wir wissen, daß man Politik, insbesondere in unserer Zeit, nicht ohne Risiko treiben kann. Die gewaltige Rüstung der Sowjetunion und die wiederholten Erklärungen der sowjetischen Machthaber, daß sie in der Lage seien, jeden Gegner tödlich zu treffen und zu vernichten, erfordern, wenn wir nicht von vornherein kapitulieren wollen, eine Politik, die auch bereit ist, Risiken und Gefahren auf sich zu nehmen, wenn sie nur letztlich dem uns allen gemeinsamen Ziel dient, den Frieden und die Freiheit zu sichern.
({0})
Die Mitgliedstaaten der NATO sind sich darin einig, daß unsere Politik der Abschreckung nur dann den Frieden gewährleisten kann, wenn ein möglicher Gegner weiß, daß wir nicht nur bereit, sondern auch in der Lage sind, einem etwaigen Angriff wirksam und mit allen der freien Welt zur Verfügung stehenden Mitteln entgegenzutreten.
Wir sind es gewohnt, daß uns die kommunistische Propaganda Absichten und Pläne unterschiebt, die ins Reich der Phantasie gehören, besonders dann, wenn etwa die Machthaber in Pankow Grund haben, durch ein solches Verfahren die Aufmerksamkeit der Welt von den menschenrechtswidrigen Handlungen und Vorgängen in der sowjetischen Besatzungszone abzulenken. Wir müssen auch damit rechnen, daß Menschen, die das heutige Deutschland nicht kennen oder nicht kennen wollen, uns auf Grund unserer unseligen Vergangenheit für fähig halten, in jene Geisteshaltung zurückzufallen, die im Dritten Reich herrschte. Mit Genugtuung haben wir bei den tragischen antisemitischen Ausschreitungen Anfang dieses Jahres feststellen können, daß diese Ausschreitungen nicht als typisch für Haltung und Gesinnung des deutschen Volkes von heute angesehen wurden. Der Bundestag hat damals einmütig und aus innerster Überzeugung diese Schmierereien verurteilt. Ich glaube aber, wir sollten ebenso einmütig und aus der gleichen Überzeugung der Welt dokumentieren, daß Besprechungen über die Anlage logistischer Einrichtungen in Spanien in keiner Weise mit der Politik vergleichbar sind, die das nationalsozialistische Deutschland getrieben hat. Der Vorwurf, daß die
Bundesaußenminister Dr. von Brentano
Bundesrepublik sich damit den Verpflichtungen oder Beschränkungen des WEU-Vertrages zu entziehen versuche, ist falsch; denn es handelt sich bei allen logistischen Einrichtungen der Bundesrepublik im Inland und im Ausland um Anlagen, die gemäß NATO-Planung und NATO-Verpflichtung der Bundesrepublik zu erstellen sind.
Unter diesen Umständen war die Bundesregierung nicht nur berechtigt, sondern im Interesse der Sicherheit unseres Volkes und der Glaubhaftigkeit unserer Abwehrbereitschaft auch verpflichtet, bei der spanischen Regierung anzufragen, ob sie grundsätzlich bereit sei, mit der Bundesregierung Beratungen über die Einrichtung von logistischen Anlagen und Übungsplätzen aufzunehmen. Zu diesem Zeitpunkt erster interner Überlegungen war kein Anlaß gegeben, irgendeine Stelle innerhalb oder außerhalb der Bundesrepublik hiervon zu unterrichten.
Vor dem Besuch des spanischen Außenministers Castiella habe ich den Verteidigungsminister ebenso wie andere Ressortminister gefragt, ob es auf ihrem Arbeitsgebiet besondere Besprechungspunkte mit der spanischen Seite gebe, insbesondere, ob solche Besprechungspunkte sich als Konsequenz aus der Übung „Sidestep" ergeben hätten. Im vorigen November habe ich Außenminister Castiella bei seinem Besuch über die vom Verteidigungsminister mitgeteilten Besprechungspunkte informiert und ihn gefragt, ob er einverstanden sei, daß wir zu gegebener Zeit technische Sachverständige nach Spanien entsenden. Deren Aufgabe sollte lediglich darin bestehen, den spanischen Stellen mitzuteilen, welche logistischen Bedürfnisse der Bundeswehr nach unserer Auffassung auf spanischem Boden gedeckt werden könnten. Außenminister Castiella sagte mir zu, daß er die Antwort seiner Regierung übermitteln werde.
Bei diesem Gedankenaustausch haben wir uns natürlich auch darüber geeinigt, daß es erforderlich sei, unsere engsten Freunde und Verbündeten zu unterrichten, sobald es zu einem ersten vorbereitenden Gespräch kommen sollte. Nachdem die spanische Regierung sich dankenswerterweise einige Zeit später bereit erklärt hatte, technische Sachverständige der Bundeswehr zu empfangen, und ein Termin hierfür bestimmt war, haben wir die Regierungen einiger Mitgliedstaaten der NATO sowie gewisse Stellen innerhalb der Nordatlantikpakt-Organisation von der bevorstehenden Reise der Sachverständigen nach Madrid und über den Zweck der Reise unterrichtet.
Wie der Herr Bundeskanzler bereits in seiner Presseerklärung vom 27. Februar zum Ausdruck gebracht hat, ist es von Anfang an die Absicht der Bundesregierung gewesen, vor der Aufnahme von eigentlichen Verhandlungen mit der spanischen Regierung den Nordatlantikrat zu konsultieren. Die ganze Angelegenheit war und ist hierfür noch nicht reif. Wir haben die Konsultationspflicht innerhalb der NATO, auf die wir selber größten Wert legen, zu keiner Zeit mißachtet oder vernachlässigt. Wir haben auch innerhalb der NATO und gegenüber den einzelnen Mitgliedstaaten keinen Zweifel gelassen, daß wir uns an die Konsultationspflicht gebunden fühlen.
Die Fraktion der SPD tragt, aus welchen Gründen es die Bundesregierung versäumt habe, sich vor Beginn dieser Gespräche - tatsächlich hat ja nur ein Gespräch stattgefunden - mit den zuständigen Ausschüssen des Deutschen Bundestages über ihre Absichten zu beraten. In gleicher Weise sind wir von anderer Seite gefragt worden, warum wir nicht vor Beginn dieses Gesprächs die zuständigen Stellen der NATO konsultiert hätten. Die Antwort ist klar: Die Bundesregierung hat weder damals noch heute irgendeinen Beschluß gefaßt, der Gegenstand solcher Beratungen sein konnte. Wir befanden uns in einem Stadium, das jeder internationalen Verhandlung vorausgeht, nämlich bei der Prüfung, ob der mögliche Verhandlungspartner überhaupt zu Verhandlungen bereit sei.
Entgegen allen internationalen Gepflogenheiten und offenbar auch unter Verletzung der Geheimhaltungsbestimmungen, die für die Beamten und Offiziere aller Mitgliedstaaten der NATO verbindlich sind, hat einer aus dem begrenzten Kreis der von den deutschen Erwägungen vorab unterrichteten Personen seine Kenntnisse der Presse übermittelt.
({1})
Diese Methode ist nach den Erfahrungen der letzten Monate auch in anderen Fällen angewendet worden, mit denen die Bundesregierung unmittelbar nichts zu tun hatte. Man muß feststellen, daß diese Methode leider geeignet ist, eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zu beeinträchtigen und einer Verwirrung Vorschub zu leisten, die immer dann auftritt, wenn halbe Wahrheiten veröffentlicht und obendrein noch - was Motive und Ziele betrifft - falsch interpretiert werden.
({2})
Die in der Folgezeit aufgetauchten Meldungen über deutsche Absichten zur Errichtung von Stützpunkten in Griechenland, in Ostafrika, in Irland, ja auch die Meldung über deutsche Atombasen in der Schweiz und die Meldung über die Errichtung einer deutschen Raketenfabrik in Bilbao beweisen deutlich, welche Tendenz dabei zugrunde gelegen hat.
({3})
Ich glaube sagen zu können, daß die den internationalen Gepflogenheiten und der Bündnistreue entsprechende Haltung der Bundesregierung sowie die einleuchtende und offene Vertretung ihres Standpunktes zu einer Klärung der Atmosphäre sowohl in sachlicher wie in psychologischer Hinsicht geführt hat. Nicht zuletzt muß in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen werden, daß die soeben abgeschlossene Konferenz der Verteidigungsminister ein sehr klares Bild gegeben und zu einer allgemeinen Anerkennung der schwierigen Situation der Bundesrepublik und der Richtigkeit ihrer logistischen Forderungen im Grundsätzlichen geführt hat. Unter diesen Voraussetzungen wird auch eine sachliche Prüfung der Frage möglich sein, inwie- weit die iberische Halbinsel für Zwecke der Verteidigung des Westens - und nicht zuletzt auch im Interesse der beiden dort lebenden Völker - benötigt wird.
Bundesaußenminister Dr. von Brentano
Man kann ohne Übertreibung sagen, daß bereits seit geraumer Zeit an die Stelle gehässiger und tendenziöser Meldungen ruhigere Überlegungen getreten sind, die dem deutschen Standpunkt Verständnis entgegenbringen. Daß die kommunistisch gelenkte Propaganda sich solchen Einsichten verschließt, ist wahrlich nicht verwunderlich. Das Übermaß und die Tonart der gegen die Bundesregierung erhobenen Vorwürfe zeigen den Hintergrund an, auf dem diese Beschuldigungen erhoben werden. Sie haben aber in ihrer Überspitzung und Gehässigkeit gerade dazu geführt, daß die Besinnung auf die Notwendigkeit einer guten und auf Vertrauen gegründeten Zusammenarbeit der NATO-Staaten noch rechtzeitig vor der Gipfelkonferenz wieder allgemeine Überzeugung geworden ist. Ich darf erklären, daß die Bündnistreue insbesondere der Bundesrepublik und ihre Entschlossenheit, die demokratischen Lebensformen gegen Feinde von außen und innen zu verteidigen, wohl über jeden Zweifel erhaben sein sollten. Die Bundesregierung hält es nicht für erforderlich, darüber weitere Erklärungen abzugeben. Sie kann auf die Arbeit der letzten zehn Jahre und auch auf ihren Beitrag zu Verteidigung der Freiheit seit dem Inkrafttreten der Pariser Verträge hinweisen.
({4})
Meine Damen und Herren, ich möchte zum letzten Punkt der Anfrage noch darauf hinweisen, daß zwischen Spanien und Deutschland nicht nur vor 20 Jahren, sondern seit Jahrhunderten freundschaftliche Beziehungen bestanden haben und daß die Bundesregierung Wert darauf legt, diese jahrhundertealten, traditionellen freundschaftlichen Beziehungen wieder aufzunehmen und zu pflegen.
({5})
Es ist nicht die Aufgabe der Bundesregierung, ein Werturteil über die inneren Verhältnisse in Spanien abzugeben.
Ich glaube nicht, daß mit den Ausführungen, mit den historischen Darlegungen - den höchst anfechtbaren historischen Darlegungen - des Herrn Kollegen Schmidt
({6})
diesem Verhältnis des deutschen Volkes zum spanischen Volk gedient worden ist.
({7})
Im Unterschied zum Herrn Kollegen Schmidt möchte ich als Sprecher der Bundesregierung dem Außenminister Castiella meinen Dank aussprechen dafür, daß er auf meine Bitte hin nach Berlin gefahren ist und sich das Schicksal Berlins als eigenes Anliegen zu Herzen genommen hat.
({8})
Die Bundesregierung ist aus den angeführten Gründen nicht bereit und in der Lage, eine Antwort auf die letzte Frage zu geben, da sie, wie gesagt, nicht die Absicht hat, sich mit den innenpolitischen Verhältnissen eines befreundeten Volkes zu beschäftigen. Die gewünschte und erwartete Antwort würde obendrein eine Kritik an der Haltung anderer verbündeter und befreundeter Regierungen enthalten, die wie die Vereinigten Staaten seit geraumer Zeit im Abwehrkampf gegen die Welteroberungstendenzen des Kommunismus eine enge Zusammenarbeit mit Spanien pflegen. Ich bin der Meinung, daß für die Beziehungen zu Spanien und der spanischen Regierung ein Wort des englischen Außenministers gilt, das er vor wenigen Tagen ausgesprochen hat, als er auf den Besuch des spanischen Außenministers angesprochen wurde. Er hat gesagt, daß es nun darum gehe, die Beziehungen der beiden Völker für die Zukunft zu gestalten, und nicht darum, über die Vergangenheit nachzudenken.
({9})
Immerhin ist von zahlreichen Politikern und maßgeblichen Kreisen in mehreren Ländern der NATO bereits die Aufnahme Spaniens in das Bündnis gefordert worden. Ein formeller Antrag liegt noch nicht vor und kann deshalb auch nicht erörtert werden. Für die Aufnahme eines neuen Mitglieds in die NATO bedarf es der Zustimmung sämtlicher Mitgliedstaaten. Die Bundesregierung wird ihre Haltung zu gegebener Zeit mit den anderen beteiligten Regierungen sorgfältig abstimmen.
({10})
Die Große Anfrage ist beantwortet. Es wird beantragt, in die Aussprache einzutreten. Das Wort hat der Abgeordnete Erler.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst schulden wir dem Herrn Außenminister Anerkennung dafür, daß er in dieser Eindeutigkeit die politische Verantwortung für die außenpolitische Seite des Problems übernommen hat. Worauf es bei der heutigen Debatte - das zeigt der Text unserer Großen Anfrage, das zeigt die Beantwortung durch die Bundesregierung - in erster Linie ankommt, das sind die politischen Schwierigkeiten, die sich durch den Erkundungsvorstoß, der im Auftrage der Bundesregierung und von der Bundesregierung nach Spanien hin unternommen wurde, für uns ergeben haben. Man kann wie die Regierung der Ansicht sein, eigentlich habe gar kein Anlaß zur Aufregung bestanden. Aber es ist nun einmal so, daß das Ergebnis vor uns liegt. Das Ergebnis zeigt eben eindeutig, daß leider auch im Kreise der westlichen Verbündeten und gerade dort, wo wir Vertrauen besonders notwendig brauchen, unnötig Argwohn und Verstimmung gegenüber der Bundesrepublik Deutschland aufgekommen sind. Es hat sehr vieler Anstrengungen bedurft - ich finde, gerade nach der Beantwortung unserer Großen Anfrage durch den Herrn Bundesminister fehlt noch ein entscheidender Punkt -, und es wird noch einer weiteren Anstrengung bedürfen, um das durch diese Angelegenheit geweckte Mißtrauen, um diesen Argwohn wieder aus der Welt zu schaffen.
Wir brauchen gerade kurz vor der Gipfelkonferenz, bei der es auch um unser Schicksal und um das Schicksal unserer deutschen Hauptstadt Berlin geht, die engste Solidarität mit unseren westlichen Verbündeten, von denen insbesondere eben jene
drei Mächte, mit denen die Pariser Verträge abgeschlossen worden sind, durch ihre physische Anwesenheit in Berlin die entscheidende Verantwortung für die Sicherheit und die Freiheit unserer Hauptstadt tragen. Jede Trübung des Verhältnisses zu diesen drei Mächten - ich betone: es gehören alle drei dazu und nicht nur eine, die einem vielleicht besonders symphatisch ist - beschwört für uns in der jetzt sehr prekären internationalen Lage Gefahren herauf.
Das spanische Abenteuer hat Wasser auf die Propagandamühlen des Herrn Ulbricht geleitet. Wir wollen uns mit diesen Propagandamühlen nicht weiter beschäftigen. Der Herr Bundesaußenminister hat sich bitter über die Ausbeutung dieser Dinge durch die kommunistische Propagandamaschinerie beklagt. Darin hat er sicher recht. Aber zugrunde liegt doch erst einmal ein Tatbestand, der wieder einmal völlig überflüssigerweise Herrn Ulbricht diese Möglichkeiten eröffnet hat.
({0})
Dieses Abenteuer ist ein Beispiel dafür, wohin es führt, wenn in sich logisch erscheinende, nach meiner Meinung gar nicht einmal so logisch zwingende, rein militärische Überlegungen ohne die Berücksichtigung der politischen Imponderabilien angestellt werden, die es auch heute in den Beziehungen zwischen uns und unseren westlichen Verbündeten gibt und in denen immer wieder bestimmte Teile unserer eigenen Geschichte uns selbst anklagend gegenüberstehen. Das ist nun einmal so. Damit müssen wir fertig werden. Das müssen wir redlich aufarbeiten. Politische Schwierigkeiten bedeuten unter Umständen eine stärkere Gefährdung unserer Sicherheit, ais durch rein militärische Vorschläge allein gewonnen werden könnte. Die Politik ist untrennbar mit den Sicherheitsproblemen verwoben.
Es ist nun gesagt worden, die Bundesregierung habe in einem gewissen Stadium ihrer Erwägungen einige Regierungen aus den Mitgliedstaaten der NATO verständigt. Schon diese Auswahl war für andere eindeutig kränkend. Es ist doch die Frage zu stellen, wann es eigentlich notwendig war, ein klärendes Gespräch mit unseren Partnern zu führen. Nach meiner Auffassung jedenfalls schon, bevor man jene Fühler nach Spanien ausstreckte, bei denen man sich doch darauf verlassen konnte, daß die spanische Regierung ihrerseits - sie hat es getan - unseren amerikanischen Verbündeten zu einer Zeit verständigt hat, als er von uns noch nicht ins Bild gesetzt worden war. Spätestens wäre es erforderlich gewesen, als jener formelle Beschluß im Verteidigungsrat der Bundesregierung gefaßt wurde, der doch zeigt, welche Bedeutung man diesem Problem gab; sonst hätte man nämlich den Verteidigungsrat überhaupt nicht bemüht. Zu jenem Zeitpunkt wäre es vor weiteren Erkundungen notwendig gewesen, zunächst einmal die Konsultationsprozedur innerhalb der NATO abzuschließen.
Herr Minister, ich kann mir auch hier nicht versagen, darauf hinzuweisen, daß es in derartigen Dingen, bei denen es um das außenpolitische Ansehen der Bundesrepublik geht, auch einer Exekutive wohl ansteht., sich in geeigneter Weise mil auch über weltpolitische Erfahrungen verfügenden Mitgliedern des Parlaments rechtzeitig zu unterhalten.
({1})
In welcher Weise das geschehen kann, damit nicht unter Umständen und vor der Zeit etwas zum Nachteil der Bundesrepublik ausschlägt, darüber kann man sich durchaus unterhalten. Aber die völlige Ausschaltung des Parlaments in solchen Fragen führt dazu, daß wir hier immer nur hinterher über die Probleme reden, wenn das Kind gewissermaßen in den Brunnen gefallen ist, während wir vielleicht mit dazu hätten beitragen können, daß es nicht erst in den Brunnen hineingestoßen würde.
Ich möchte hier zu einigen Zwischenrufen, die vorhin bei der Rede meines Freundes Helmut Schmidt gemacht wurden, in aller Kürze Stellung nehmen. Herr Kollege Schneider hat die Darstellung des geschichtlichen Verlaufes bestritten, die vom Kollegen Schmidt gegeben worden ist. Auch der Bundesaußenminister hat die Darstellung meines Freundes Helmut Schmidt als anfechtbar bezeichnet.
({2})
- Wir können ja hier kein Buch vortragen. Das waren die wesentlichen Züge der Entwicklung, und zwar vollkommen korrekt.
Herr Minister und Herr Kollege Majonika, Sie sind doch sonst so eifrige Leser der „Neuen Zürcher Zeitung" und Sie hören gelegentlich, was Herr de Madariaga sagt; den haben Sie doch sonst so besonders in Ihr Herz geschlossen. Warum eigentlich nur, wenn er seinen Abscheu gegen das kommunistische Regime zum Ausdruck bringt, aber nicht dann, wenn er sich schonungslos mit der Franco-Diktatur in seiner Heimat beschäftigt, die ihn aus dem Lande getrieben hat? Dann hören Sie ihm plötzlich nicht mehr zu. Für de Madariaga ist die Freiheit unteilbar. Sie sollte für uns alle unteilbar sein. Wir können uns doch die Diktatur nicht aussuchen,
({3})
so daß gewissermaßen jeder seinen Hofdiktator hat, Sie den Franco und wir den Tito.
({4})
So können wir es doch nicht halten. Vielmehr wollen wir zu beiden Regierungen, zu beiden Staaten anständige und normale Beziehungen haben. Beide sind ungeeignet, Mitglied eines Bündnisses zu sein, das nach seinem Text auf die Verteidigung der demokratischen Freiheiten eingeschworen ist.
({5})
Aber nun zurück zur „Neuen Zürcher Zeitung"! Die schreibt Ihnen, Kollege Schneider, in Vorahnung Ihres Zwischenrufes
({6})
schon vor einiger Zeit einiges ins Stammbuch, und zwar am Sonntag, dem 6. März.
({7})
- Ja, gern, es bereitet mir ein aufrichtiges Vergnügen, Ihnen dabei behilflich zu sein. Die „Neue Zürcher Zeitung" schrieb am 6. März:
Die geistig-politische Autarkie, in der Deutschland unter dem nationalsozialistischen Regime infolge der Abschließung von der Umwelt lebte, wirkt so nachhaltig, daß sich gewisse Deutsche heute wieder mit der Behauptung brüsten, die militärische Einmischung Mussolinis und Hitlers in den Bürgerkrieg habe Spanien vor dem Kommunismus bewahrt. Daß gerade diese faschistisch-nationalsozialistische Intervention den Volksfrontströmungen mächtigen Auftrieb gab, davon scheinen die in ihre nationalsozialistischen Ressentiments verbissenen Deutschen weder damals noch heute eine Vorstellung zu haben.
Leider, leider hat die „Neue Zürcher Zeitung" offenbar keine Vorstellung davon, wie weit diese Kritik auch auf Mitglieder des Deutschen Bundestages angewendet werden muß. Es tut mir aufrichtig leid, aber der Zwischenruf hat es deutlich gezeigt.
({8})
Meine Damen und Herren, wir müssen uns Klarheit über den Charakter des Staatswesens verschaffen, um das es sich hier handelt. Ich bin der Meinung, Regimefragen sollten bei der Wahrnehmung unserer außenpolitischen Interessen keine Rolle spielen. Da braucht man anständige Beziehungen. Deswegen muß man sich aber nicht gerade in einem demokratischen Bündnis verheiraten; denn das würde dem Bündnis die moralische Existenzberechtigung entziehen.
Damit wir wissen, worum es sich bei dem Regime handelt, rasch ein paar Bemerkungen über Erhebungen, die die Internationale Juristenkommission der Vereinten Nationen und da wird ja wohl Herr Dr. Jaeger als begeisterter Jurist besonders aufmerksam zuhören - über das spanische Regime angestellt hat.
({9})
In dem Bericht der Internationalen Juristenkommission der Vereinten Nationen vom März 1959 heißt es, ,daß in Spanien a) die Zusage des freien Geleits gebrochen worden sei, daß es dort b) eine Habeaskorpusakte oder etwas Ähnliches zum Schutz gegen willkürliche Verhaftung nicht gebe, daß c) bei Verhaftungen mit politischem Hintergrund die Verhöre häufig unter Anwendung brutaler Mittel durchgeführt würden.
({10})
Jetzt bitte ich, zu verstehen, daß mein Freund Helmut Schmidt das Franco-Regime nur unter diesen Gesichtspunkten mit dem Regime des Herrn Ulbricht verglichen hat; denn wenn man das liest, treibt es einem die Schamröte ins Gesicht.
({11})
- Natürlich! Es geht um die Freiheit, die beide unterdrücken, nicht nur der eine. In dem Bericht der Internationalen Juristenkommission wird festgestellt, daß d) die Verhaftung aus politischen Gründen auch im Falle des Freispruchs den Verlust von Arbeit und jeglicher öffentlicher Unterstützung zur Folge habe und daß der spanische Einparteienstaat dadurch gestützt werde, daß die Mitgliedschaft bei einer anderen Partei als der Falange als Verbrechen gelte.
Eine andere Mitteilung will ich aus Zeitgründen nicht ausführlich verlesen; wir haben heute noch eine ganze Reihe anderer Arbeiten. Bitte, lesen Sie einmal nach, was Ihr Bundestagskollege Dr. Berthold Martin über die Lage der Protestanten in Spanien berichtet hat, darüber, in welchem Maße in jenem Land die einfachsten Grundsätze der Religionsfreiheit mit Füßen getreten werden.
({12})
Ich finde, das kann uns auch nicht so ohne weiteres kalt lassen, wenn es um die Frage der Einbeziehung eines solchen Regimes in ein Bündnis und nicht lediglich um diplomatische oder wirtschaftliche Beziehungen geht.
Daß es der Bundesregierung auch um diese Einbeziehung ging, wurde in den sehr delikaten Ausführungen des Bundesministers des Äußeren klar, als er darauf hinwies, daß sich die Bundesregierung ihre Haltung dazu selbstverständlich sehr überlegen wolle, aber es ihr nicht zustehe, Kritik an denjenigen NATO-Staaten zu üben, die sich bereits für die Aufnahme Spaniens ausgesprochen hätten, was natürlich eine Kritik an denjenigen NATO-Staaten ist, die sich dagegen ausgesprochen haben.
Meine Damen und Herren, untersuchen wir kurz, wie es mit der Haltung der Verbündeten in dieser Frage aussieht. Der britische Außenminister hat im britischen Parlament, auf die Frage angesprochen, erklärt: „Ich habe die Ansicht vertreten, daß es ungeachtet der praktischen Vorteile für Deutschland klüger wäre, sich um die Errichtung der erforderlichen Anlagen in Ländern zu bemühen, die Mitglieder der NATO sind. Diese Ansicht wurde den zuständigen deutschen Stellen zur Kenntnis gebracht."
({13})
Es tut mir leid, daß das Abenteuer trotz dieser ausdrücklichen Erklärung, die uns also von der britischen Regierung zur Kenntnis gebracht worden ist, nicht einfach abgeblasen wurde, sondern immer noch seine Fortsetzung fand, teils in Besprechungen, teils in weiteren Überlegungen.
Die New York Times hat am 25. Februar einen interessanten Aufsatz gebracht, von dem es in diplomatischen Kreisen in Washington heißt, nach den ihnen vorliegenden Informationen seien die darin ausgedrückten Ansichten mit denen verantwortlicher Stellen im Außenministerium identisch. Da heißt es:
Von einem politischen Standpunkte her und sogar von dem Standpunkte nationaler und militärischer Moral ist es
- das Abenteuer nämlich -
gewiß weniger weise.
Es gehe doch davon aus, so heißt es weiter, daß
die deutsche Regierung Zweifel über die Fähigkeit
der NATO habe, Westdeutschland zu verteidigen, und infolgedessen Basen sehr weit rückwärts auf einem Territorium errichten müsse, auf dem die Vereinigten Staaten Basen geschaffen hätten. Vorwärts von ihnen!
Ein Deutschland, das noch so hart arbeiten muß, um seinen Weg zurückzuerarbeiten, das kann die Imponderabilien nicht ignorieren, die in einem solchen Plane einbegriffen sind.
Soviel zu den Amerikanern.
Die Norweger haben im Parlament ausdrücklich ihr Mißvergnügen ausgesprochen. In Dänemark hat es darüber gleichfalls eine Debatte gegeben, aus der die ablehnende Haltung der dänischen Regierung deutlich erkennbar war.
Ich habe zu meiner Überraschung gesehen, daß selbst im Parlament der Westeuropäischen Union, in dem es in Verteidigungsfragen immer eine außerordentlich erfreuliche Zusammenarbeit zwischen allen Mitgliedstaaten und auch über die Parteigrenzen hinweg gegeben hat, eine Reihe von britischen konservativen Abgeordneten dem Ministerrat eine Anzahl besorgter Fragen gestellt haben. Die Antwort liegt noch nicht vor. Die Fragen beziehen sich erstens darauf, ob der Rat verständigt worden ist, zweitens darauf, ob die deutsche Regierung die Tatsache anerkennt, daß sich solche Basen auf dem europäischen Kontinent befinden würden und infolgedessen durch Art. 9 des Protokolls 4 des geänderten Brüsseler Vertrages gedeckt würden. Die Frage ist von dem Herrn Außenminister vorhin bejaht worden, d. h. die Basen würden unter der Kontrolle ) der Westeuropäischen Union stehen. Der dritte Punkt: Die Westeuropäische Union hat doch in Spanien nichts zu sagen. Es geht nämlich um die Frage, ob unter diesen Umständen die deutsche Regierung der spanischen Regierung mitgeteilt hat, daß solche Einrichtungen der Inspektion durch das Rüstungskontrollamt der Westeuropäischen Union geöffnet werden müßten. Angesichts der Nichtzugehörigkeit Spaniens zur Westeuropäischen Union und seines Stolzes auf die unbedingte Souveränität ist es doch einigermaßen zweifelhaft, ob Spanien zu einer solchen Inspektion bereit wäre. Die vierte Frage lautet, ob die spanische Regierung bereit wäre, solche Bedingungen zu erfüllen, und die fünfte Frage, ob der Ministerrat nicht der Meinung sei, daß die Einrichtung solcher Basen in Spanien durch Deutschland oder einen anderen Mitgliedstaat der Westeuropäischen Union eine wörtliche und auch dem Geist widersprechende Verletzung der Brüsseler Verträge wäre.
Das kommt nicht von Kommunisten, Herr Außenminister, das sind wichtige britische Abgeordnete. Es ist der Admiral Hughes Hallett, den wir alle kennen, der von dieser Sorge getrieben ist.
Wir sollten hier ganz nüchtern zugeben, daß für ein gutes Funktionieren der Bundeswehr, insbesondere auf dem Gebiet der Luftwaffe, der Raum, in dem sie sich bewegen kann, etwas eng geraten ist. Es ist daher durchaus verständlich und legitim, daß die Bundesregierung sich darum bemüht hat, einige dieser Probleme innerhalb des Verbandes der
NATO durch Zusammenarbeit mit den Verbündeten zu lösen. Die Sache fängt da an, für uns politisch außerordentlich bedenklich zu werden, wo man diesen Rahmen verlassen hat. Je schneller wir nicht eine halbe, sondern eine eindeutige Erklärung dahin abgeben: wir verlassen uns darauf, daß nunmehr das, was erforderlich ist, von den Verbündeten im Rahmen der NATO gemeinsam mit der Bundesrepublik in. ihrem Bereich geschaffen wird, und sehen davon ab, das Bündnissystem nach auswärts zu verlassen und Einrichtungen für die Bundeswehr in Spanien zu schaffen, - je schneller wir eine solche Erklärung eindeutig und in aller Härte abgeben, um so eher wird der Vertrauensschwund innerhalb der westlichen Allianz, den wir erlebt haben, wettgemacht. Aber auf diese Erklärung warten wir leider heute noch.
Herr Minister, Sie beschworen den Mut zu Risiken in der Politik. Ich beglückwünsche Sie dazu. Ich meine aber, daß der Mut zu solchen Risiken nicht nur dann angebracht wäre, wenn es um die Errichtung von Basen in Spanien geht, sondern auch in den Fällen, in denen bisher gerade die Furcht vor einem Risiko die Bundesregierung dazu veranlaßt hat, all jenen Vorschlägen skeptisch gegenüberzutreten und ihnen ein schnelles Ende zu bereiten, mit denen man sich bemüht hat, die Wiedervereinigung Deutschlands auch unter Eingehen gewisser Risiken so in Gang zu bringen, daß es möglich wäre, die sowjetischen Truppen dort herauszubringen, wo sie heute stehen.
({14})
Darin liegt auch ein Risiko. Ich werde Sie beim Worte nehmen, wenn wir die nächste Debatte über Risiken führen. Ich werde dann die Frage stellen, ob nicht ein solches Risiko kleiner und unseren Lebensinteressen angemessener ist als ausgerechnet der Schritt nach Spanien.
({15})
Das Wort hat der Abgeordnete Schneider ({0}).
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Ausführungen, die der Kollege Schmidt von der sozialdemokratischen Fraktion heute morgen gemacht hat, sind nach meiner Auffassung ein erschreckender Rückfall in Zeiten, an die wir uns in diesem Haus nur ungern erinnern. Sie werden es mir nicht verübeln
({0})
- Sie bringen mich ja doch nicht aus dem Konzept -, wenn ich hier den Standpunkt meiner, nämlich der Deutschen Partei vertrete und mich nicht dem anschließe, was in gewerkschaftlichen oder sozialdemokratischen Gazetten über diese Frage gestanden hat.
Ich frage mich mit großen Teilen der deutschen Öffentlichkeit, zu wessen Nutz und Frommen wir hier überhaupt noch über diese Angelegenheit sprechen müssen.
({1})
Schneider ({2})
Ich will mich gern der Auffassung der Kollegen Schmidt und Erler anschließen, die beide beklagt haben, daß das Parlament und die Regierung auf diese Dinge nicht schnell genug reagiert hätten. Ich bekenne freimütig, daß ich zu denen hier im Hause gehöre - ich hoffe, daß ich recht viele Gesinnungsgenossen habe -, die es gerne sähen, wenn wir genau wie in Großbritannien bei aktuellen Anlässen sehr schnell mit der Regierung zu einer Diskussion kommen könnten. Vielleicht ist dies jetzt ein Anlaß, in puncto der Behandlung solcher Dinge im Hause eine Änderung herbeizuführen, wobei aber der Ordnung halber festgestellt werden muß, daß dies natürlich eine Angelegenheit des Parlaments selbst und nicht etwa der Regierung ist.
Kollege Schmidt ({3}) hat heute morgen vom Fingerspitzengefühl gesprochen. Meines Erachtens wurde hier mit Recht der Zwischenruf gemacht: Wo bleibt Ihr Fingerspitzengefühl - wenn nämlich eine solche Große Anfrage vorgelegt wird, wie es hier die sozialdemokratische Fraktion getan hat -? Denn es steht fest, daß die Vorgänge um diese sogenannte spanische Affäre nicht nur hier im Lande - oder, ich möchte sagen, hier im Lande überhaupt nicht -, sondern speziell in einem uns mehr oder minder gewogenen Ausland dazu geführt haben, daß man wieder einmal sein Mütchen an uns kühlen konnte. Herr Kollege Eder hat gesagt, der Grund zu dieser Anfrage sei, daß man die politischen Schwierigkeiten, die aus diesem Vorgehen der Bundesregierung entstanden seien, klären müsse.
Nun, meine Damen und Herren, wenn auf der einen Seite beklagt wird, daß inzwischen schon Wochen vergangen sind, wenn wir schließlich alle froh sind, daß sich die Wogen der Erregung inzwischen wieder geglättet haben, dann sollte am besten gar nicht erneut darüber gesprochen werden.
({4})
Aber es muß ja getan werden, da die Große Anfrage der Sozialdemokraten vorliegt. Ich glaube mit meinen Freunden von der DP, daß dies wieder einmal, genauso wie die sogenannten antisemitischen Schmierereien, ein gefundenes Fressen für einen gewissen Teil der Auslandspresse gewesen ist, ein gefundenes Fressen gerade in einem Augenblick, da wir uns anschicken, zu den Gipfelkonferenzen zu gehen, auf denen bekanntlich speziell um unser Schicksal gewürfelt werden wird.
Ich möchte die Gelegenheit dieser Debatte benutzen, um namens meiner Freunde ausdrücklich dagegen zu protestieren - ohne etwa ausländischen Zeitungen das Recht zu bestreiten, hierüber zu berichten -, daß bei solchen Anlässen oftmals in so gehässiger und so entstellender Form berichtet wird, wie es auch in diesem Falle wieder geschehen ist. Besonders bedauerlich finden meine Freunde es, daß bei solchen Anlässen auch die Presse unserer verbündeten Mächte oftmals eine gewisse Loyalität vermissen läßt. Ich glaube, das muß einmal deutlich ausgesprochen werden. Da wir ein Bündnis haben, muß auf diesem Gebiet Loyalität vorhanden sein.
({5})
- Wir betrachten uns jedenfalls als vollwertige Bündnispartner, und ich weiß gar nicht, was es darüber zu lachen gibt. Ich bin überzeugt, Herr Kollege Metzger, daß ich vielen Deutschen aus dem Herzen spreche, wenn ich das sage.
Im übrigen sollte sich auch die Presse unserer Verbündeten darüber im klaren sein, daß die verantwortlichen deutschen politischen Parteien es ablehnen müssen, etwa die Bundeswehr zu einem Volkssturm dadurch zu degradieren, daß sie ihr nicht die Möglichkeiten schaffen, die Schlagkraft einer Armee zu erhalten. Wenngleich Herr Kollege Erler festgestellt hat - und ich danke ihm für den verbindlichen Ton, den er dabei gefunden hat -, daß die Sozialdemokratische Partei keineswegs die Notwendigkeiten bestreite, die in puncto Landesverteidigung hier vorlägen, so muß ich ihm leider insofern widersprechen, als Punkt 2 der Großen Anfrage bekanntlich lautet:
Hat die Bundesregierung angesichts der aus militärischen Gründen gegebenen Notwendigkeit, Nachschub- und Übungseinrichtungen teilweise auch im westlichen Ausland unterzubringen, nach wie vor die Absicht, solche Einrichtungen auch in Spanien vorzusehen?
Dies ist in zweierlei Hinsicht beachtlich. Einmal wird hier sicherlich auf der einen Seite in etwa zugegeben, daß eine solche Notwendigkeit besteht; auf der anderen Seite schaut aber doch ein Pferdefuß hervor, und es werden hier politische Ressentiments den sachlichen Notwendigkeiten in einer Weise gegenübergestellt, die ich jedenfalls nicht ohne Kritik hinnehmen kann.
Ich kann es mir versagen, in aller Breite auf die militärische Notwendigkeit dieser Aktion einzugehen; sie ist in der Antwort des Bundesaußenministers in etwa enthalten gewesen, wenngleich ich es mir nicht versagen kann, darauf hinzuweisen, daß jeder Gefreite der Bundeswehr und überhaupt jeder vernünftig denkende Mensch in unserer Bundesrepublik bei Betrachtung der Landkarte und bei Betrachtung der politischen und militärischen Gegebenheiten selbstverständlich von vornherein die Einsicht hat, daß es so sein muß, wie es hier geplant wurde. Der Kollege Erler hat ja selbst auf die wehrgeographische Lage hingewiesen, in der wir uns befinden, und ich glaube, wenn wir uns des Beispiels der deutschen Flieger erinnern, die vor kurzem in die Tschechoslowakei geflogen sind, wenn wir täglich mit solchen und ähnlichen Vorfällen wieder rechnen müssen, dann ist damit zur Genüge bewiesen, daß solche Maßnahmen notwendig sind.
Ich will ganz schweigen von den Schwierigkeiten, die die Bundeswehr auf vielen anderen Gebieten, beispielsweise bei der Behandlung der Frage von Depots, der Errichtung von militärischen Einrichtungen usw. in den einzelnen Ländern hat, bei denen sich diese Länder bekanntlich sehr oft und zu Unrecht auf die Hinterbeine stellen. Andererseits ist allen Damen und Herren hier im Hause bekannt, daß die Überfüllung der Bundesrepublik mit militärischen Einrichtungen bereits sehr weit gediehen ist, was nicht ohne weiteres bedeutet, daß wir bis
Schneider ({6})
an die Zähne bewaffnet wären, sondern einfach darauf zurückzuführen ist, daß der Raum in diesem geteilten Vaterlande so eng geworden ist. Es ist doch ein ausgemachtes Unglück, meine Damen und Herren, daß auf der einen Seite die Truppen in diesem verbündeten Europa integriert geführt werden, es bisher aber noch nicht möglich war, innerhalb der NATO auch eine Integrierung des Nachschubs zu vollziehen, ganz zu schweigen von der immer noch mangelnden Standardisierung der Waffen, die speziell uns, aber auch unseren Verbündeten Kopfzerbrechen macht, wo man aber immer noch nicht den Mut gefunden hat, zu einem wirklich entscheidenden Schritt zu kommen.
Ich glaube also, meine Damen und Herren, daß das grundsätzliche Vorhaben der Bundesregierung, sich nach solchen Möglichkeiten umzusehen, um hochwertigen Nachschub einerseits und Lazarette andererseits in befreundeten Ländern, in diesem Fall also auch auf der iberischen Halbinsel, zu stationieren, ein durchaus berechtigtes Vorhaben ist und von keinem vernünftig denkenden Menschen bestritten werden kann. Man sollte sich auch hüten, es zu bestreiten, um nicht bei den Soldaten der Bundeswehr in den Verdacht zu kommen, daß man etwa den Sack prügelt und in Wirklichkeit den Esel meint.
Es kann ja wohl nicht so schlimm um die mangelnde Freiheit dort bestellt sein, wie es uns hier so hochdramatisch besonders vom Kollegen Schmidt ({7}) dargestellt worden ist. Ich möchte einmal mit Nachdruck daran erinnern, daß ja auch die Amerikaner bereits seit Jahren - und sie sind wahrhaftigen Gottes die Inkarnation der Freiheit, sie sind die Kreuzzugsapostel der Freiheit - mit den Spaniern engste Verbindung in dieser Hinsicht pflegen, daß auch die britische Flotte sich nicht scheut, militärische Manöver mit der spanischen Flotte zu machen,
({8})
und es ist ja auch kein Geheimnis, daß selbst die Franzosen gewisse Ambitionen hatten, gleiches mit Spanien zu unternehmen. Sie hätten es wahrscheinlich auch inzwischen getan, wenn nicht jene unglücklichen Indiskretionen passiert wären.
Mit Nachdruck muß bei der Behandlung dieser Frage auch festgestellt werden, daß es sich keineswegs um eine Erstellung von Lagern, Nachschubbasen usw. in Spanien handelt, sondern auf der iberischen Halbinsel schlechthin. Wenn hier in der Großen Anfrage der Sozialdemokratischen Partei und in den Ausführungen des Kollegen Schmidt einerseits und des Kollegen Erler andererseits doch gewisse Nuancen in den Auffassungen zu erkennen sind, dann kann ich einfach nicht anders, als erneut zu fragen: Meinen Sie es wirklich und zuletzt ernst mit der Landesverteidigung, wenn Sie hier die Frage eines politischen Ressentiments - ({9})
- Verzeihung, Herr Schmidt, Sie stellen uns ja
auch nicht immer sehr bequeme Fragen, und Sie
müssen schon gestatten, daß auch ich Ihnen solche Fragen stelle. Wenn Sie sie aus vollem Herzen mit Ja beantworten können, sollte es mich nur freuen. Aber die Frage drängt sich einem doch auf. Politische Ressentiments können doch in der großen Politik nicht die entscheidende Rolle spielen.
({10})
Gestatten Sie, daß eine Frage gestellt wird?
Bitte sehr.
Herr Kollege Schneider, sind Sie der Auffassung, daß die dem NATOBündnis zugehörige Bundesrepublik nur dann mit Aussicht auf Erfolg verteidigt werden kann, wenn sie Nachschubläger nicht nur auf der iberischen Halbinsel im allgemeinen, sondern insbesondere in Spanien anlegen darf?
Diese Frage beantwortete ich mit einem klaren Ja. Sie können über Spanien denken, wie Sie wollen, meine Damen und Herren, es ist jedem unbenommen, zu denken, was er will. Sie können aber von mir nicht verlangen, daß ich meine Kenntnisse alleine etwa aus den Memoiren der Roten Brigade beziehe, sondern ich habe mich auch anderweitig informiert.
({0})
Wenn manche Kollegen darauf anspielen
({1})
- lassen Sie mich eben den Satz zu Ende sprechen, Herr Erler - und wenn ich gerade aus Ihren Reihen, meine Damen und Herren, immer wieder Zwischenfragen oder Zwischenrufe erhalte, die sich auf meine Vergangenheit als aktiver Offizier beziehen -({2})
- der Ton macht ja schließlich die Musik -, dann müssen Sie schon gestatten, daß ich dies auch einmal deutlich ausspreche, was ich soeben gesagt habe. - Bitte, Herr Kollege Erler!
Herr Kollege Schneider, sind Sie der Meinung, daß auch die „Neue Zürcher Zeitung" ihr Geschichtsbild im wesentlichen aus den Memoiren der „Roten Brigade" gewonnen hat?
Die „Neue Zürcher Zeitung" ist für meine Meinungsbildung keineswegs allein ausschlaggebend. Dort sind bisher genauso gute wie schlechte Artikel erschienen. Man kann über die Auslassungen, die in dieser Frage erschienen sind, durchaus verschiedener Meinung sein. Herr Kollege, Sie werfen sich hier wahrscheinlich nicht zum Verteidiger der „Neuen Zürcher Zeitung" auf, nachdem Sie Herrn Jaeger, Herrn Majonica und andere Kollegen gerade mit dieser Zeitung gefrotzelt haben. Sie hat keineswegs die letzten Weisheiten mit Löffeln gefressen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte, Herr Kollege Schmidt! Fragestunde!
Herr Kollege Schneider, sind Sie bereit, mir zu glauben, daß unsere Anspielungen auf Sie sich keineswegs auf Ihre Vergangenheit, sondern auf Ihre schneidige Gegenwart beziehen?
Na, Gott sei Dank, daß es in der Gegenwart noch schneidige Leute gibt, Herr Kollege Schmidt.
({0})
Meine Damen und Herren, meine politischen Freunde von der Deutschen Partei lehnen es ab, sich in die inneren Angelegenheiten eines anderen Landes einzumischen, jedenfalls insoweit, als nicht eklatant und eindeutig bewiesen ist, daß dort nicht wenigstens Ansätze zu freiheitlichen Grundsätzen vorhanden sind.
({1})
- Ich habe erwartet, daß Sie lachen und dazwischenrufen würden. Ich möchte aber betonen, daß ich damit nicht Spanien im besonderen meine, sondern zugleich auch eindeutig zum Ausdruck gebracht haben möchte, daß ich in jenem Regime jenseits von Oder und Neiße und auch jenseits der Wolga keine Ansätze zu solchen freiheitlichen Gedanken erblicken kann.
Wie paßt es ferner zueinander, meine Damen und Herren, wenn Sie uns hier auf der einen Seite weismachen wollen, es sei unmöglich, sich mit den Spaniern zu arrangieren, und Sie uns auf der anderen Seite immer gleichzeitig vorhalten, daß wir mit den Sowjetrussen und auch mit Tito recht freundlich umgehen sollten? Das paßt doch einfach nicht zueinander.
({2})
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Frage des Kollegen Erler? Schneider ({0}) ({1}) : Bitte sehr!
Herr Kollege Schneider, ist Ihnen entgangen, daß ich vorhin ausdrücklich gesagt habe: Anständige Beziehungen nach beiden Seiten, auch wenn es sich um Diktaturen handelt, aber kein Bündnis mit Diktaturen?
Herr Kollege Erler, anständige Beziehungen mit beiden Seiten, einverstanden!, ein Bündnis nur insoweit, als die Frage: Diktatur oder nicht? nicht subjektiv bestimmt wird, wie es mir hier der Fall zu sein scheint.
({0})
- Meine Damen und Herren, lassen Sie mich doch einmal meine Rede halten! Sie kaufen mir meinen Schneid doch nicht ab.
Meine Damen und Herren, die Darstellung des Kollegen Schmidt ({1}) zumindest ist nach meiner und meiner Freunde Auffassung sehr einseitig gewesen. Selbst wenn es mit Spanien so wäre, wie er es dargestellt hat, würde die Tatsache, daß er es den Spaniern hier aufs Butterbrot schmiert, bedeuten, daß er den Spaniern das Recht auf politischen Irrtum aberkennt. Da wäre allerdings eine konsequente Verfolgung der sozialdemokratischen Politik der letzten Jahre.
({2})
Es ist aber nicht so, wie es der Kollege Schmidt dargestellt hat. Geschichtliche Tatsache, die nicht bestritten werden kann - Herr Kollege Schmidt, vielleicht darf ich Ihnen zum Dank für Ihre Geschichtslektion jetzt auch meinerseits eine kleine, kürzere geben -, ist doch, daß 1936 in Spanien die Anarchie herrschte. Das wird niemand bestreiten. Tatsache ist weiter, daß zumindest die Legion Condor erst eingriff, als die roten Truppen in Barcelona gelandet waren, unter denen sich bekanntlich auch russische Angehörige befanden. Das kann nicht bestritten werden.
({3})
- Nicht aus dem „Vorwärts" und nicht aus der „Welt der Arbeit".
({4})
- Meine Damen und Herren, ich habe ja auch nicht gesagt, daß diese Zeitungen dumm sind. Aber ich vermag einfach den Darstellungen, die sie oftmals geben, nicht zu folgen, Herr Kollege Menzel, und das ist doch mein gutes Recht.
({5})
- Herr Kollege Wienand, halten Sie doch am besten anschließend ebenfalls eine Rede hier und widerlegen Sie mich!
({6})
- Na gut, dann bombardieren Sie mich nicht dauernd mit Zwischenrufen.
Ich sage auch folgendes und werde auch damit Ihren Protest hervorrufen; aber ich sage es. Schließlich bin ich ja ein Politiker der Rechten und nicht der Linken. Hitler mag über seine Intervention in Spanien gedacht haben, was er will. Er mag seine Meinung später darüber geändert haben oder nicht. Für meine Freunde ist ausschließlich das Faktum ausschlaggebend, daß heute nicht die Kommunisten in Spanien das Heft in der Hand haben. Ich glaube, dazu können wir uns alle nur gratulieren. Denn die Folgen für die Freiheit Europas und für die Freiheit überhaupt, die Herr Schmidt heute morgen hier so beschworen hat, wären unübersehbar, wenn die Kommunisten heute in Spanien das Sagen hätten.
({7})
Schneider ({8})
Es kann außerdem nicht bestritten werden: Selbst wenn man bereit wäre, hier und da diktatorische Züge des spanischen Regimes zuzugeben
({9})
- ich habe ja gesagt: selbst wenn man bereit wäre; Sie müssen auch auf den hinteren Bänken genau zuhören, ich spreche doch klar genug -, könnte doch niemandem verborgen geblieben sein - wenn man sich den nötigen freien Blick bewahrt hat -, daß sich in den letzten Jahren in Spanien mehr und mehr zumindest eine freiheitlichere Auffassung in sehr vielen entscheidenden Fragen angebahnt hat.
({10})
Aber ich pflichte im übrigen durchaus dem Herrn Bundesaußenminister bei, der hier erklärt hat, daß es letzten Endes sogar eine Ungehörigkeit ist, wenn man sich in die inneren Angelegenheiten eines befreundeten Landes - und ich betrachte Spanien als ein uns befreundetes Land - einmischt.
({11})
- Ich habe doch gesagt: uns befreundetes Land, verehrter Herr Kollege. Ich bin doch nicht Mitglied der Roten Brigade gewesen. - Spanien hat immerhin inzwischen die Menschenrechte anerkannt.
({12})
Spanien ist Mitglied der OEEC. Meine Freunde betrachten Spanien schon heute als einen Verbündeten der NATO,
({13})
und meine Freunde betrachten die deutsch-spanische Freundschaft als einen wesentlichen Bestandteil der europäischen Freundschaft überhaupt.
({14})
Wir fordern im Gegensatz zu Ihnen die Bundesregierung sogar auf, alles zu tun, um diese Freundschaft zu Spanien mit allen Mitteln zu fördern.
({15})
Meine Damen und Herren, alle diejenigen, die die Indiskretionen begangen haben, welche zu der Veröffentlichung und zu den anschließenden unfreundlichen Reaktionen im In- und Ausland geführt haben, müssen sich darüber im klaren sein, daß sie damit praktisch Vorspanndienste für den Kommunismus geleistet haben.
({16})
- Was heißt hier „schon wieder mal"? Darauf können wir nicht oft genug hinweisen, Herr Kollege.
({17})
- Ja, ich sehe das von da. Ich sitze ja auch nicht bei Ihnen und werde dort auch nie sitzen.
({18})
Der Herr Kollege Erler hat - und das hat mich etwas betrübt - gesagt, wir sollten uns mit den
politischen Reaktionen in Pankow nicht weiter beschäftigen; so ähnlich, nicht im Wortlaut. Er hat gesagt: Natürlich hat das eine unfreundliche Reaktion gegeben, aber damit wollen wir uns hier nicht weiter beschäftigen. - Da sind meine Freunde von der Deutschen Partei genau entgegengesetzter Auffassung. Wir stehen im Gegenteil auf dem Standpunkt, daß wir bei allem, was wir tun und lassen, sehr viel mehr als bisher darauf Bedacht nehmen sollten, ob wir damit drüben etwa erneute Reaktionen hervorrufen, die doch immer demselben Ziel dienen, nämlich die Bundesrepublik vor allem im Ausland zu diffamieren und die Vertrauensbasis, die wir uns mühselig in zehnjähriger Arbeit aufgebaut haben, wieder zu zerstören.
Deswegen ist für uns in dieser Frage allein entscheidend, ob wir eine Möglichkeit für die Bundeswehr finden, weil, wie ich vorhin eindeutig bekannt habe, wir es für notwendig halten, uns auf der Iberischen Halbinsel zu engagieren - natürlich sofern die Spanier zustimmen; das wäre die Voraussetzung dafür. Bei der Frage des Fingerspitzengefühls muß natürlich auch bedacht werden, daß dieses sich auch dort zu bewähren hat, wo es um eine der Lebensfragen der Nation, nämlich um die Verteidigung dieses Raumes, geht.
Meine Damen und Herren und sehr geehrter Herr Kollege Erler! Ich möchte abschließend sagen: Bei der Größe der Bedrohung aus dem Osten sind wir bereit, uns mit allen zu verbünden, soweit sie im Grunde freiheitlich gesinnt sind,
({19})
auch mit den Spaniern. Wir sind aber auch bereit, uns zur Verteidigung der Freiheit mit dem Teufel zu verbünden.
({20})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Jaeger.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei der Anfrage der Sozialdemokratischen Partei sind die ersten beiden Fragen nicht nur formell, sondern auch sachlich an die Bundesregierung gerichtet. Die dritte Frage ist formell auch an die Bundesregierung gerichtet; aber hier ist ausdrücklich die Fraktion der CDU/CSU angesprochen, zum mindesten einige ihrer Mitglieder, zu denen ich mich ja wohl in besonderer Weise zählen darf. Sie werden verstehen, daß ich mich daher in erster Linie mit der Frage 3 befasse, zumal da meine Fraktion über die Antwort, die die Bundesregierung sachlich zu den Problemen gegeben hat, ihre Zufriedenheit ausdrücken kann.
Ich möchte aber zu drei Punkten der beiden ersten Fragen einige kurze Bemerkungen machen.
Das erste: Wenn der sehr unerwünschte und unglückliche Streit, der um die deutschen Basen in
Spanien in einem Teil der Weltpresse getobt hat, eine positive Folge haben sollte, dann wäre das den Streit und die Unruhe vielleicht wert gewesen, wenn er nämlich die Folge hätte, daß nunmehr in der NATO nicht nur die taktische Seite, sondern auch die Seite der Logistik, des Nachschubs, integriert, d. h. einheitlich und gemeinsam gelöst würde. Nur aus der Not heraus, nur weil entgegen unseren deutschen Vorschlägen, aber auch den Vorschlägen einiger anderer NATO-Staaten dieser Weg bisher nicht beschritten wurde, war unsere Regierung gezwungen, eigene Wege zu suchen, um ihre Verpflichtungen auf eigene Verantwortung zu erfüllen.
Das zweite: Ich habe bei einem Besuch in England und bei den Gesprächen in Königswinter den Eindruck gewonnen, daß der wesentliche Grund der Unruhe in England die Sorge war, wir Deutschen könnten die Absicht haben, durch Basen in Spanien einen Teil unserer Bundeswehr der Kontrolle der Westeuropäischen Union zu entziehen. Auch aus der Rede des Herrn Kollegen Erler ist dieser Gedanke herausgeklungen. Ich habe allen, die mich in England darauf angesprochen haben, gesagt - und habe darauf hingewiesen, daß ich ja schließlich auch als Vorsitzender des Verteidigungsausschusses sprechen kann -, daß ich auf diesen Gedanken überhaupt erst in dem Augenblick gekommen bin, als man mich danach fragte. Denn mir und meinen politischen Freunden - und von der Bundesregierung versteht sich das ebenso - liegt nichts ferner, als Verbündete, mit denen wir auf Treu und Glauben einen Vertrag geschlossen haben, von deren Unterstützung wir abhängen und denen wir selbst unsere volle Unterstützung geben, in irgendeiner Weise zu hintergehen.
({0})
Um dies aber klar und deutlich zu machen, haben wir - gerade die Mitglieder der CDU/CSU-Fraktion wie auch diejenigen der anderen Fraktionen dieses Hauses - in der Sitzung des Verteidigungsausschusses des Parlaments der Westeuropäischen Union in London erst vor kurzem einer Entschließung zugestimmt, die den Wunsch ausdrückt, daß alle Streitkräfte, die zur WEU gehören, auch wenn sie auf einem Gebiet dieses Kontinents stationiert sind, das territorial nicht zur WEU gehört, dieser Kontrolle unterliegen. Ich nehme an, daß unsere Bundesregierung das auch, sollte es nach Genehmigung des NATO-Rates noch zu speziellen Verhandlungen mit Spanien kommen, zum Inhalt dieser Verhandlungen machen wird.
Schließlich aber bedeutet die zweite Frage, die hier an uns gerichtet wird, praktisch doch wohl die Anerkennung der militärischen Überlegungen des Verteidigungsministers - von Überlegungen, die dahin gehen, daß es eben nicht möglich ist, in der Bundesrepublik, in Benelux und nicht einmal auf dem europäischen Territorium Frankreichs hinreichende Depots anzulegen.
Meine Damen und Herren! Vorhin ist hier ein Kollege gefragt worden, ob er der Meinung ist, ob es ohne Depots in Spanien gehe. Natürlich geht es militärisch auch ohne Depots in Spanien, wenn man
solche in der Sahara anlegt. Aber ich glaube, die Anlage solcher Depots in der Sahara, d. h. in Französisch-Afrika, stößt bei der deutschen Opposition auf mindestens die gleichen politischen Bedenken wie die Anlage von Depots in Spanien und stößt überdies auf militärische Bedenken. Ich teile die politischen Bedenken nicht, bin aber der Meinung, daß militärische Basen in Spanien doch um einige Grade sicherer sind als solche in einem Gebiet nichteuropäischer Bevölkerung.
Im übrigen, meine Damen und Herren, brauchen Sie nicht nur auf die Beziehungen hinzuweisen, die die Vereinigten Staaten bilateral seit langem mit Spanien haben, und dann das bekannte Sprichwort von Jupiter und dem Ochsen zu zitieren; Sie können auch darauf hinweisen, daß ,dieselben Briten, deren Presse sich in letzter Zeit teilweise erheblich wegen unserer Gespräche mit Spanien aufgeregt hat, im letzten Jahr eine Woche lang gemeinsame britischspanische Flottenmanöver abgehalten haben und in diesem Jahr an gemeinsamen NATO-Manövern mit Spanien - so etwas gibt es nämlich bereits! -teilnehmen.
({1})
Nun zum Schluß zur dritten Frage. Ich habe den Eindruck, daß diese dritte Frage nach Inhalt und Formulierung wesentlich von einem Ressentiment gegen Spanien, zum mindesten gegen das jetzige spanische System, getragen ist. Ich gehöre einer Partei an, die in diesem Hause weder zur politischen Linken noch zur politischen Rechten zählt. Ich habe - und ich glaube, ich kann das wohl für alle Freunde aus meiner Fraktion sagen - im spanischen Bürgerkrieg weder auf der linken noch auf der rechten Seite gekämpft. Ich glaube, daß diejenigen, die von deutscher Seite auf der linken Seite gekämpft haben, dies in der Überzeugung getan haben, die Freiheit, die sie meinen, gegen einen Faschismus zu verteidigen. Ich glaube, daß diejenigen, die auf der rechten Seite gekämpft haben, geglaubt haben, die Freiheit, die sie meinen, gegen einen Bolschewismus zu verteidigen. Überlassen wir der Geschichte das Werturteil! Ehrenhafte Motive wollen wir durchaus beiden Seiten zuerkennen. Nur könnte ich mir vorstellen, daß auf beiden Seiten gewisse Ressentiments zurückgeblieben sind, die nicht ganz zu einer sachlichen Beurteilung der Lage, wie ich sie namens meiner politischen Freunde wenigstens anstrebe, beitragen.
Über die Entstehung des spanischen Bürgerkrieges - der ja den Hauptinhalt oder die Grundlage der Reden der beiden Herren von der Opposition gebildet hat - gibt es nun einmal zwei Anschauungen. Die eine kann ich kurz wiedergeben, denn Herr Schmidt und Herr Erler haben sie dargelegt. Es war - heißt es dort - die Revolution der Generäle gegen eine legale demokratische Republik. Die Auffassung der anderen Seite, die hier noch nicht dargelegt wurde, muß ich mit ein paar Sätzen umreißen. Sie geht davon aus, daß die erstgenannte Auffassung formalistisch sei, daß es eine reale Republik in Spanien nie gegeben habe, daß, während die Weimarer Republik den Spartakismus niedergeschlagen hat, in der spanischen Republik
damals der Bolschewismus immer mehr überhand genommen habe und bürgerkriegsähnliche Zustände geherrscht hätten; zur Bekräftigung dessen wird auf die Ermordung des monarchistischen Abgeordneten Calvo Sotelo durch Offiziere der bereits kommunistisch durchsetzten Polizei hingewiesen. Meine Damen und Herren, diesen Leuten erschien die spanische Revolution als eine letzte Rettung vor dem Abgleiten in Bürgerkrieg und Bolschewismus.
Ich will diese Frage, Herr Kollege Erler, hier gar nicht entscheiden. Überlassen wir sie der Geschichte. Denn für uns ist die Stellungnahme zu dieser Frage gar nicht wichtig, da die Entscheidung zwischen beiden Fronten nun einmal gefallen ist. Vielleicht ist der spanische Bürgerkrieg durch eine Fülle tragischer Verwirrungen und Verknüpfungen von Umständen entstanden, wo dann Schuld auch auf beiden Seiten zu finden ist. So geht es ja im Laufe der Geschichte manchmal. Aber ganz gleich, Herr Erler: selbst wenn ich mich jetzt auf Ihren Standpunkt stellte, würde ich doch zu folgenden Gedanken kommen. Einmal: Man kann einem Staat nicht in alle Zukunft seine Entstehung nachtragen. Wieviele Staaten dieser Welt sind auf rein legitime und legale Weise entstanden und wieviele sind es nicht! Schon die Römer haben bekanntlich mit dem Raub der Sabinerinnen - der Sage nach - angefangen; und es hat Schlimmeres später in der Geschichte gegeben.
({2})
- Ich komme darauf; Sie können mir glauben, daß
ich darauf komme. Ich halte mich ja immer am liebsten an Realitäten, und besonders an die von heute.
Sodann kommt die Frage, ob wir Deutschen eigentlich. nach unserer sehr verwirrten Geschichte berufen sind, die Richter der anderen Staaten in Sachen Rechtsstaat und Demokratie zu sein.
({3})
Schließlich kommt die Überlegung, daß nach Ausbruch des spanischen Bürgerkrieges - für jeden Spanier jedenfalls - nur die Möglichkeit bestand, sich zwischen den Tatsachen, zwischen den beiden Lagern, zu entscheiden und nicht zwischen Träumen. So ist es gekommen, daß sogar einzelne Republikaner sich auf die Seite Francos glaubten schlagen zu müssen.
Aber auch das ist nicht das Entscheidende. Der entscheidende Gesichtspunkt ist vielmehr der: von einem bestimmten Zeitupnkt des spanischen Bürgerkrieges ab bedeutete der Sieg der formal legalen Republik den Sieg des Bolschewismus. In der Volksfront, die die republikanische Front dargestellt hat, hat der Bolschewismus sehr rasch die Oberhand gewonnen. Das, Herr Erler, ist sogar aus dem Artikel zu entnehmen, den Herr Madariaga geschrieben hat. Er schiebt die Schuld der anderen Seite zu. Aber man kann die Tatsache nicht bestreiten, daß von einem bestimmten Zeitpunkt des dreijährigen Bürgerkrieges ab der Sieg der Republikaner nicht mehr der Sieg der Freiheit, sondern der Sieg des Bolschewismus gewesen wäre, so daß nicht mehr Freiheit
gegen Diktatur, sondern zwei Methoden nichtdemokratischer Staatsführung gegeneinander gestanden haben; von diesen beiden Methoden wäre die der linken Seite für uns jedenfalls die einzig gefährliche gewesen.
({4})
Stellen Sie sich bitte einmal vor, wie die Landkarte aussähe, wenn auch nur Spanien - wahrscheinlich wäre es dann die ganze iberische Halbinsel - heute ein großer Flugzeugträger des Ostblocks wäre.
({5})
Ausbruch und Verlauf des spanischen Bürgerkrieges waren ein Unglück für Spanien und ein Unglück für Europa. Das Ende dieses Krieges brachte aber doch die Befreiung von einer drohenden und unvorstellbaren Gefahr.
Sie können darauf hinweisen, daß Mussolini und Hitler Herrn Franco unterstützt haben. Ich fand es nicht sehr überzeugend, eine Dankrede zu zitieren, bei der mir übrigens der Tonart nach die Herzlichkeit gegenüber dem italienischen Diktator viel größer erschien als gegenüber dem deutschen. Ich möchte in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, daß z. B. der österreichische Bundeskanzler Raab - zweifellos ein Demokrat und der Chef einer Regierung, an der die Sozialisten beteiligt sind - der Sowjetunion nach Abschluß des Staatsvertrages gedankt und gesagt hat: Warum soll ich nicht danke schön sagen, wenn mir einer hilft, auch wenn mir dessen Verfassung nicht paßt? Ich kann mir vorstellen, daß aus dem Dank des Herrn Franco gar nichts anderes als romanische Höflichkeit abzulesen ist.
Wie das auch sein mag, der entscheidende Gesichtspunkt ist folgender: Wenn Sie der einen Seite vorwerfen, daß ihr die Faschisten Mitteleuropas geholfen haben, müssen Sie der anderen Seite vorwerfen, daß sie durch Herrn Stalin unterstützt worden ist; das würde sich dann zumindest aufheben. Im übrigen glaube ich, daß die Unterstützung, die durch die Legion Condor gewährt wurde, nicht aus weltanschaulichen Gründen gegeben wurde; man nahm vielmehr eine erwünschte Gelegenheit wahr, um moderne Waffen auszuprobieren, wozu dann unglücklicherweise das spanische Territorium herhalten mußte.
Geschichtlich ist entscheidend, daß die Rechnung Hitlers 1940 nicht aufgegangen ist, daß Franco - im Gegensatz zu Mussolini - sich als ein Staatsmann erwiesen hat, der die wahren Interessen seines Volkes - zumindest außenpolitisch - zu verfolgen wußte; er hat sich nämlich aus dem Krieg herausgehalten.
({6}) - Das waren Freiwillige!
Sie können sagen: Man soll den Teufel nicht mit Beelzebub austreiben, man kann gute Beziehungen zu Spanien unterhalten, was sollen aber die Spanier in einem solchen Bündnis? Ein solches Bündnis hat nicht nur eine politische und militärische, sondern zweifellos auch eine moralische Seite. Seit Kaiser Heinrich II. Anfang dieses Jahrtausends Dr. Jaeger
es ist schon lange her - sich mit den heidnischen Liutizen gegen die christlichen Polen verbündet hat, hat dieses Problem die christliche und allgemeine Staatslehre beschäftigt. Das Problem ist jedoch nicht gelöst worden. Wir sahen im letzten Krieg die Mächte der freien Welt in einem meines Erachtens zwangsläufigen Bündnis mit einer totalitären Macht gegen eine andere. Ich glaube, sie hatten sogar recht. Wenn ich nämlich überfallen oder bedroht werde, dann frage ich den, der mir helfen will, nicht nach seinem polizeilichen Leumundszeugnis.
Ich glaube, es ist ein moralischer Grundsatz, daß es berechtigt ist, sich gegen die nähere und im Augenblick größere Gefahr mit einer ferneren Gefahr zu verbinden. Ich werde Ihnen noch nachweisen, daß Spanien gar keine Gefahr darstellt, und bräuchte das gar nicht auszuführen; ich tue es nur, um Ihnen bei den Überlegungen näherzukommen, die Sie angestellt haben und bei denen Sie Spanien den Ostblockstaaten gleichgestellt haben.
Sie sagen heute, Spanien dürfe nicht in die NATO und wir Deutsche sollten mit den Spaniern nicht irgendwie zusammenarbeiten, denn das sei sozusagen unmoralisch, das sei sozusagen eine Sünde. Sie machen hier das gleiche, was Sie bei den Atombomben tun: Für uns sehen sie diese als eine Sünde an; aber Sie hoffen darauf, daß die Amerikaner recht kräftig sündigen, damit unsere Freiheit erhalten bleibt.
({7})
Sie haben dann von den jeweiligen Hofdiktatoren Franco und Tito gesprochen. Wir haben Herrn Franco so nie betrachtet. Wenn Sie Herrn Tito so betrachten wollen, dann ist das Ihre Sache. Wenn Sie aber schon davon sprechen, dann möchte ich bemerken, daß die Vereinigten Staaten nicht nur Franco, sondern auch dem kommunistischen Tito Waffen geliefert haben, weil sie sich von diesen Waffenlieferungen - ob zu Recht oder zu Unrecht, sei dahingestellt - eine Hilfe gegen den Ostblock erhofft haben.
Sie wissen, die Probleme eines militärischen Bündnisses sind in der Geschichte und in der Gegenwart sehr vielschichtig und lassen sich moralisch ganz anders beurteilen, als das von Ihnen geschehen ist.
Im übrigen ist zu sagen, daß Spanien im Ernstfall gar nicht neutral bleiben kann, wie seine Bindungen zu den Vereinigten Staaten und deren Planungen beweisen. Das ist uns kürzlich in London bei Besprechungen, an denen auch Herr Wienand teilgenommen hat, ganz eindeutig gesagt worden. Darauf möchte ich aber nicht weiter eingehen.
Ich möchte aber an Sie folgende Frage stellen: Wenn wir in der Bundesrepublik und in der freien Welt unsere Freiheit verlören, wenn wir uns nicht auch des spanischen Territoriums bedienten, würden Sie dann auch auf die Benutzung des spanischen Territoriums verzichten und lieber die Freiheit verlieren?
({8})
Das ist die reale Frage.
Ich darf hinzufügen, daß nach meiner festen Überzeugung das, was ich von der näheren und weiteren Gefahr gesagt habe, hier gar nicht zutrifft, auch wenn Sie es glauben; dieses Spanien stellt nämlich für uns gar keine Gefahr dar. Es ist nämlich kein totalitärer Staat, sondern ein autoritärer Staat. Ich kann mich bei dieser Unterscheidung auf die Deduktionen eines Mannes stützen, der als Berliner Professor des öffentlichen Rechts und als Richter des Bundesverfassungsgerichts meines Wissens sogar Mitglied der Sozialdemokratischen Partei ist, Herrn Professor Martin Draht.
Er hat den Gedanken dargelegt, daß zwar weder ein autoritärer noch ein totalitärer Staat demokratische Freiheiten gewährt, daß aber der autoritäre Staat besteht und handelt mit Wertungen und Grundüberzeugungen, die sich frei in der Gesellschaft gebildet haben, während der totalitäre Staat der Gesellschaft mit Gewalt ein neues, eigenes und dieser Gesellschaft fremdes Wertsystem aufzwingen will. Autoritäre Staaten hat es schon viele in der Geschichte gegeben. Der übliche Fall ist die Militärdiktatur, bei der man die geistigen und sittlichen Ordnungen im Prinzip anerkennt. Dagegen propagiert der totalitäre Staat eine neue Weltanschauung als Glaubensersatz, als Grundlage des gesamten Volkslebens, und will die Doktrin der Minderheit der Mehrheit aufzwingen, wie wir das im Nationalsozialismus erlebt haben und wie wir es im bolschewistischen Staat noch heute erleben. Aus diesen grundsätzlichen Unterschieden aber ergeben sich innen- und außenpolitische Folgen: die innenpolitische Folge der möglichen Flucht ins Privatleben, die das Biedermeier ebenso gekennzeichnet hat wie Spanien, und die außenpolitische Folge, daß totalitäre Staaten, weil sie weltanschaulich bestimmt sind, einen missionarischen Drang und die Absicht haben, ihre Weltanschauung in einem Kreuzzug, oder sagen wir: Hakenkreuzzug, der ganzen Welt aufzuzwingen, während autoritäre Staaten sich mit ihrer eigenen Sicherheit und mit ihrer eigenen Innenpolitik begnügen. Sie können auch einmal ein imperialistisches Ziel verfolgen. Das tun ja gelegentlich auch Demokratien, wie das 19. Jahrhundert bewiesen hat. Grundsätzlich bleiben sie aber auf die Ziele der Staatsräson beschränkt und wollen ihre Weltanschauung nicht ausbreiten.
Es ist sehr interessant, daß in der „Süddeutschen Zeitung", die Ihnen, meine Herren Sozialdemokraten, zweifellos nähersteht als die „Neue Zürcher Zeitung"; ein Journalist mit dem Namen Kempski, dem man auch keinen Drang nach rechts oder auch nur zur Mitte nachsagen kann, gestern eine Artikelserie begonnen hat, deren Anfang zumindest auch Ihnen zu empfehlen wäre; die Fortsetzung kenne ich noch nicht. Auch er hat hier klar ausgedrückt, daß der wahre Inhalt des Systems dort in Spanien nicht mit Faschismus verwechselt werden darf. Das ist immerhin ein Zeuge, der Ihnen sehr nahesteht. Deshalb ist das Wort vom „Teufel mit dem Beelzebub austreiben" hier gar nicht angebracht.
Wir verbünden uns vielmehr innerhalb der NATO, wenn es einmal dazu kommen sollte, mit einem System, das jedenfalls geeignet ist, die Frei5910
heit der westlichen Welt, die Freiheit, wie wir sie hier haben und damit unsere Freiheit - auch wenn sie dort nicht die Freiheit des Bonner Grundgesetzes haben - mit zu verteidigen.
({9}).
Seit den Tagen der Revolution, über die hier so bewegend gesprochen wurde, sind 21 Jahre vergangen. Seither hat sich in Spanien in einer für die Geschichte dieses Landes seltenen Weise Labilität in Stabilität gewandelt. Aus dem Opfer von einer Million Menschen, die im Bürgerkrieg auf beiden Seiten umgebracht worden sind, ist ein Zeitalter der Ruhe entstanden.
({10})
Ich glaube, selbst diejenigen, die Freunde Ihrer Richtung sind und andere, die Gegner des heutigen Systems in Spanien sind, hoffen nicht auf eine Revolution, sondern würden sie fürchten, weil sie nicht die Wiederholung des schrecklichen Bürgerkrieges wünschen. Im übrigen haben sich die Vorkommnisse der ersten Jahre weitgehend nicht mehr ereignet. Selbst Herr Kempski, von dem ich sprach, muß davon berichten, daß Franco weitgehend auf Tyrannei verzichten kann. Es ist ja auch die Diktatur in einem romanischen Volk; sie wird also weder mit preußischer Exaktheit noch mit deutscher Perfektion durchgeführt, sondern eben in der etwas leichteren Lebensart dieser Völker, die die Dinge gar nicht so schlimm erscheinen läßt - jedenfalls im allgemeinen -, wie dies in unserem Lande wäre, wenn hier ein solches System bestünde.
({11})
- Nein, ich sehe die Dinge, wie sie sich inzwischen entwickelt haben, und Sie sind 1937 stehengeblieben.
({12})
Das ist für Sie sehr fortschrittlich, denn sonst sind Sie 1880 stehengeblieben.
({13})
Der spanische Herrscher ist kein Ideologe und kein Prinzipienreiter, sondern ein Mann, der pragmatisch, beinahe nach britischer Art, Außen- und Innenpolitik behandelt. Deshalb würde er trotz einsamer Entschlüsse, die ja bekanntlich nicht das Zeichen für Diktaturen sind, von Ihnen noch als durchaus erträglich bezeichnet werden müssen.
({14})
Ich will Ihnen aber offen sagen, daß mir selbstverständlich einiges an diesem System - sehr viel, wenn ich es auf Deutschland übertragen würde - auch drüben nicht von Bedenken frei erscheint. Die Sozialverhältnisse bedürfen dringend einer Reform. Das weiß jeder fortschrittliche Spanier, auch wenn er Anhänger des dortigen Systems ist. Das weiß jeder Bürger des Landes.
({15})
- Lassen Sie mich doch ausreden! Ich komme noch auf Ihre Frage 3 und auf Ihre freien Wahlen und
auf die Formulierung. Warten Sie doch nur ab, seien Sie nicht so ungeduldig!
({16})
- Ich nehme es deshalb zum Endpunkt; da paßt das sehr gut.
({17})
- Meine Damen und Herren, es ist ja erfreulich, daß Sie wenigstens in Deutschland noch bei diesem Grundsatz bleiben. Ich hatte das Gefühl, Sie wollten den Grundsatz „freie Wahlen zuerst" bei der Wiedervereinigung aufgeben. Ich bin sehr beruhigt über Ihren Zuruf.
({18})
Meine Damen und Herren, meine politischen Freunde und ich bedauern am meisten, daß in Spanien die Freiheit der religiösen Überzeugung nicht in vollem Umfange gesichert ist.
({19})
Das ist allerdings nicht nur aus den Besonderheiten des jetzigen Systems zu erklären, sondern aus einer Geschichte, in der es weder eine Reformation gegeben hat noch eine Revolution im Sinne der französischen, noch politische Auswirkungen dieser beiden geistigen Ereignisse. Die modernen philosophischen Bewegungen
({20})
- warten Sie vielleicht etwas; ich nehme an, daß ich Ihre Frage schon beantworten werde - blieben in Spanien einer kleinen Oberschicht vorbehalten und sind nicht in das Volk heruntergestiegen.
So steht die spanische Geschichte in einer in Mitteleuropa unbekannten Kontinuität vom Mittelalter her, verbunden mit der Unbedingtheit eines Volkscharakters, die für subjektive Gewissensüberzeugungen leider nur einen kleinen Raum läßt. Daraus entspringt die Devise des spanischen Staatswappens ,,España una y indivisa", was nicht nur wie in Frankreich, wo eine ähnliche Formulierung gilt, territorial, sondern vor allem geistig zu verstehen ist, so daß dort leider der Toleranzbegriff der modernen Welt weitgehend unbekannt ist.
({21})
- Bitte!
Nach dieser zutreffenden Schilderung des Toleranzbegriffes in Spanien frage ich: trifft es zu, Herr Kollege Dr. Jaeger, daß Sie mit Zustimmung des Herrn Bundespräsidenten einen Orden des Franco-Regimes angenommen haben?
({0})
Es trifft zu, daß mir der Herr Bundespräsident die Genehmigung zur Annahme des angekündigten Ordens erteilt hat und ich ihn daraufhin angenommen habe. Sie werden doch nicht von mir einen solchen Akt der UnhöfDr. Jaeger
lichkeit erwarten, daß ich die Annahme eines Ordens von einer Regierung ablehne, die die Freiheit Berlins und Deutschlands international mit vertritt.
({0})
Wir sprechen von der Freiheit der evangelischen Kirche in Spanien. Ich bedaure, wahrscheinlich noch mehr als meine evangelischen Parteifreunde, daß diese Freiheit nicht voll verwirklicht ist. Es gibt ja manche Redner - manche kommen auch aus der linken Richtung -, die die Schuld daran den Katholiken, zu denen ich zähle, zu geben belieben. Das ist heute nicht geschehen, aber ich habe solche Reden schon verschiedentlich gehört. Es ist nicht angenehm, in diesem Vorwurf zu stehen, wenn man selbst von der Gewissensfreiheit und der Freiheit der religiösen Überzeugung voll durchdrungen ist. Wir haben die Zeiten des Religionskrieges in Deutschland überwunden. Ich kann meinen evangelischen Freunden die Freiheit der katholischen Kirche ebenso anvertrauen, wie sie uns Katholiken in der Union die Freiheit des evangelischen Glaubens anvertrauen können.
({1})
Ich habe auch nicht die Absicht, eine grundsätzliche Frage wie die Glaubensfreiheit im Hinblick auf den Prozentsatz - die Zahl der Evangelischen in Spanien beträgt weniger als 1 Promille der Bevölkerung - zu verkleinern. Denn ich meine, die Freiheit ist absolut und kann nicht in Prozenten ausgedrückt werden.
({2})
Aber ich darf doch darauf hinweisen, daß die Dinge in der öffentlichen Propaganda außerhalb Spaniens mitunter auch sehr stark übertrieben werden. Unser verstorbener Parteifreund Bundesminister Lindrath hat nach seiner Rückkehr aus Spanien gesagt, daß zwar manches unerfreulich, aber doch manches auch recht anders sei, als man es hier im Westen in Zeitungen lesen könne.
Für heute genügt der Hinweis, daß der Heilige Stuhl sich seit langem für die Toleranz ausgesprochen hat, nicht zuletzt öffentlich in der Rede Papst Pius XII., daß er die Beengung der Freiheit der Evangelischen Kirche in Spanien bedauert, was Sie nicht zuletzt daran erkennen, daß er sogar mit einem Kardinal, dem Kardinal von Sevilla, Segura, in einen Konflikt kam und diesen von seinem Amt suspendieren mußte, weil er in zu intoleranter Weise aufgetreten ist, - eine Frage, die zu großen Schwierigkeiten in Spanien geführt hat und schließlich durch den Tod des Kardinals gelöst wurde.
Schließlich bin ich der Meinung, daß man diese Frage nicht mit Anfragen im Bundestag und mit Protesten internationaler Art lösen kann.
({3})
Wer den spanischen Volkscharakter kennt, der
weiß, daß man auf offizielle Demarchen hin dort
erst recht das tun würde, was wir hier nicht wünschen. Aus diesem Grunde hat auch der Weltkirchenrat auf eine besondere Aktion in dieser Angelegenheit verzichtet und friedlichere, sozusagen unauffälligere Wege gewählt, um die berechtigter Interessen, die er hat, dort zu vertreten.
Wenn meine Informationen aus Madrid zutreffen überlegt man in Spanien zur Zeit die Ausarbeitung eines neuen Edikts, das die Freiheit der evangelischen Kirche sichern soll. Ich glaube, daß hier wie auf anderen Gebieten !die Zeit für die Sache dei Freiheit arbeitet.
Im übrigen sind Beschränkungen kirchlicher Freiheit ja auch in demokratischen Staaten möglich. Ich brauche nur an das in der Schweizer Verfassung ausgesprochene Verbot von Klostergründungen zu erinnern. Ich glaube, niemand würde aus diesem Grunde enge Beziehungen mit der Schweiz ablehnen.
({4})
Meine Damen und Herren von der SPD, wenn Sie sich so stark mit der Frage der evangelischen Kirche in Spanien befassen, sollten Sie sich - das möchte ich von Ihnen wünschen - auch einmal der Frage der katholischen Kirche in Jugoslawien annehmen,
({5})
da Sie ja über viel engere Beziehungen zu Herrn Tito und seinem System verfügen als unsere Freunde zu dem Regime in Spanien.
({6})
- Gemessen an der Zahl der Reisen aber ganz bestimmt!
Glauben Sie, daß irgendein deutscher Sozialdemokrat bereits einen Orden von Herrn Tito angenommen hat?
({0})
Ich weiß nicht einmal, ob Jugoslawien überhaupt Orden verteilt. Aber ich weiß, daß eine Reihe Sozialdemokraten - zumindest weiß ich es von Herrn Wehner - von Herrn Tito schon persönlich empfangen worden sind. Ich bin beispielsweise von Herrn Franco nicht persönlich empfangen worden.
({0})
Ich sprach davon, daß sich nach meiner Meinung die Dinge auf dem Gebiet der Religionsfreiheit in Richtung auf eine größere Realisierung dieser Freiheit hin entwickeln. Der Versuch der Versöhnung zwischen den vor 21 Jahren tödlich verfeindeten Lagern hat in dem grandiosen Bau der unterirdischen Kirche des Valle de los Caidos, dem modernen Escorial des 20. Jahrhunderts, einen Ausdruck gefunden, der ein Beginn sein soll. Die Tatsache, daß die rotspanischen Kriegsversehrten genau die gleiche Rente beziehen wie die nationalspanischen, ist ein weiterer Versuch, die inneren Gegensätze auszugleichen.
Sie haben vor kurzem von der Unterhaltung gelesen, die der spanische Staatschef mit dem legitimen Anwärter der Krone gepflogen hat. Ich glaube, meine Damen und Herren, man kann ohne Übertreibung sagen, daß sich Spanien nach spanischem Recht und nach den politischen Gegebenheiten des Landes auf dem Wege zur konstitutionellen Monarchie befindet. Dieser Weg bedeutet zweifellos eine Evolution, eine Evolution, die Sie nicht dadurch hindern dürfen, daß Sie der gescheiterten wirtschaftlichen Blockade nunmehr eine moralische Blockade Spaniens beifügen.
({1})
Einer meiner politischen Freunde hatte eine Unterhaltung mit Spaniern, die Gegner des jetzigen Systems sind. Sie haben ihm gesagt: Sorgen Sie dafür, daß unser Land möglichst in die internationalen Gremien hineinkommt; denn wenn Sie es ausschließen, sind wir in unserem Nationalstolz verletzt und stellen uns hinter die Regierung. Wenn Sie Spanien in die internationalen Gremien hineinnehmen, wird die Liberalisierung Schritt für Schritt um sich greifen. Ich glaube, meine Damen und Herren, diesem Gedankengang sollten Sie wenigstens zugänglich sein.
In der spanischen Geschichte hat sich immer wieder der Pendelschlag eines Landes gezeigt, das zu Europa gehört, aber Afrika verbunden ist. 700 Jahre hat der größere Teil des Landes zum afrikanischen Gebiet, zu dem der Moslems gehört, und auf Grund der Folgewirkungen jener geschichtlichen Ereignisse bilden die Pyrenäen zweifellos eine nicht unwichtige Grenzscheide auch in geistigen Haltungen.
Wir müßten, glaube ich, die Bemühungen der gegenwärtigen spanischen Regierung, die Öffnung nach Europa anzustreben, mit allen Kräften unterstützen. Deshalb begrüßen wir den Beitritt Spaniens zur UNESCO im Jahre 1952, zur UNO im Jahre 1955 und zur OEEC im Jahre 1959. Wir glauben, daß wir in dieser Hinsicht nicht rückwärtsgehen müssen mit der deutschen Sozialdemokratie, die das ja gern tut,
({2})
sondern vorwärtsgehen müssen mit den vorbildlichen Demokraten in den Vereinigten Staaten.
({3})
Lassen Sie mich noch eines Gremiums gedenken, dessen Nennung Sie vielleicht nicht gern hören. In der Interparlamentarischen Union sitzen die Abgeordneten Spaniens beispielsweise neben denen der deutschen Sozialdemokratie, obgleich doch wohl kein Zweifel besteht, daß der Wahlmodus in Spanien nicht unter dem Gesichtspunkt des Bonner Grundgesetzes betrachtet werden kann.
({4})
- Ja, ich finde, das ist eine erstaunliche Tatsache!
({5})
Meine Damen und Herren, wenn sich die sozialdemokratischen Abgeordneten neben spanische Abgeordnete setzen,
({6})
sehe ich nicht ein, warum sich deutsche Generäle nicht neben spanische Generäle stellen sollten; denn, ich glaube, in der Generalität besteht nicht der Unterschied, der zwischen den Abgeordneten besteht.
({7})
Herr Abgeordneter Jaeger, gestatten Sie eine Frage?
Bitte!
Darf ich Sie, nachdem Sie das Beispiel der Interparlamentarischen Union brachten, fragen, ob Sie bereit sind, einer Aufnahme all derjenigen Staaten in die NATO zuzustimmen, die in der Interparlamentarischen Union durch Abgeordnete vertreten sind?
({0})
Nein, nein! Die Frage konnten Sie sich selbst beantworten. Ich glaube, das wollen Sie auch nicht.
({0}) - Da sind wir uns also sogar einig.
({1})
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch etwas sagen, was auf Ihre Politik hinzielt. Sie leben in der deutschen Sozialdemokratie doch in der Meinung, daß man durch Zusammenarbeit mit den kommunistischen Staaten deren Liberalisierung herbeiführen kann.
({2})
Es ist fraglich, ob das möglich ist. Aber warum bestreiten Sie die Zweckmäßigkeit dieses Weges gegenüber Spanien?
({3})
Im übrigen darf ich doch einmal fragen: Seit wann ist eigentlich die deutsche Sozialdemokratie die Hüterin des NATO-Geistes?
({4})
Sie haben gegen den Beitritt Deutschland zur NATO gestimmt. Sie beteiligen sich heute noch nicht an den Arbeiten der NATO-Parlamentarier-Konferenz Sie zitieren gelegentlich deren Beschlüsse - nicht wahr, Herr Kollege Schmidt -, aber Sie beteiliger sich nicht an den Beschlüssen, nicht einmal an denen, die Sie billigen.
({5})
- Der ist aber von der NATO-Parlamentarier-Konferenz einberufen worden. Da ich, sehr verehrter Kollege Schmidt, an der NATO-Parlamentarier-Konferenz wie an dieser Konferenz in London teilgenommen habe, da ich an der Beschlußfassung mitgewirkt habe, ,da mir „freedom of speech" sowohl auf englisch wie auf deutsch bekannt ist - -({6})
Ich habe aus Ihrer Bemerkung gegenüber den Kollegen, die keine Gelegenheit hatten, sich mit den Grundelementen der englischen Sprache vertraut zu machen, entnommen, daß der geistige Hochmut auch bei einem Mann vorhanden sein kann, der den Doktorhut nicht trägt.
({7})
Wieweit der Gedanke der Freiheit in Spanien auch verwirklicht sein mag oder nicht, wie sehr wir darüber auch verschiedener Meinung sind, das NATO-Bündnis als Ganzes dient der Verteidigung unserer Freiheit. Und unsere Freiheit ist jedenfalls eine volle Freiheit, die wir mit allen Mitteln zu verteidigen bereit sind.
({8})
Nun, meine Damen und Herren, zu dem Punkt der Anfrage, der mir der bedenklichste zu sein scheint. Unter Nr. 3 der Anfrage wird die sowjetisch besetzte Zone Deutschlands mit Spanien oder, wenn Sie so wollen, Spanien mit der sowjetisch besetzten Zone Deutschlands gleichgestellt. Ich halte dies für eine
Beleidigung Spaniens
({9})
und geradezu für eine Ehrenerklärung für Herrn Ulbricht. Meine Damen und Herren, wenn Sie meinen, daß die Freiheit in Spanien mit Füßen getreten wird - wie Sie es formulieren -, welchen Ausdruck wollen Sie dann für das verwenden, was in der Ostzone geschieht?
({10})
Hier versagt die Sprache, wahrscheinlich, weil bei Ihnen vorher das Denken versagt hat.
({11})
Wir können nicht an die Welt appellieren, daß sie uns in unserem Kampf für die Freiheit der sowjetisch besetzten Zone hilft, wenn wir gleichzeitig die Situation in der Zone verharmlosen und die Situation in Spanien dramatisieren.
({12})
Die Gleichsetzung Spaniens mit der sowjetisch besetzten Zone Deutschlands schädigt das deutsche Anliegen auf Selbstbestimmung in der Zone und auf freie Wiedervereinigung.
({13})
Ich will mich gar nicht bei kleinen Unterschieden aufhalten, etwa dabei, daß Sie nach Spanien ohne Visum einreisen können, während Sie die größten Schwierigkeiten haben, in deutsches Gebiet ostwärts der Elbe einzureisen. Ich könnte darauf hinweisen, daß es in Spanien keine Jugendweihen gibt, zu denen die Eltern evangelischer und katholischer Kinder gezwungen werden.
({14})
Ich brauche nur auf das Wort eines Churchill hinzuweisen, der gesagt hat, in Spanien könne er ruhig leben, in den Ostblockstaaten - und damit auch in der Sowjetzone - nicht.
Vor allem aber scheint mir bei dieser Gleichstellung eines übersehen zu sein. Das System in der sowjetisch besetzten Zone ist Fremdherrschaft, die einem Kulturvolk aufgezwungen wird. Das ist nicht eine Frage unserer inneren Ordnung.
({15})
In der Zone wird das Selbstbestimmungsrecht der Völker, das Recht, zu bestimmen, zu welchem Staat sie gehören wollen, verletzt. In Spanien handelt es sich um eine Frage des inneren Systems, die uns nichts angeht.
({16})
Mit dem traurigen System des Herrn Ulbricht, das ja Herrn Schmidt so wert ist wie das des Herrn Franco, wäre die deutsche Bevölkerung der Zone schon 1953 fertig geworden, wenn es nicht die Fremdherrschaft gäbe, gegen die wir protestieren müssen.
({17})
Diese Gleichstellung Francos mit Ulbricht, diese Beleidigung eines Mannes, der in seinem ganzen Leben nur freundschaftliche Gefühle gegenüber dem deutschen Volk geäußert hat, dessen Außenminister sich für unsere Freiheit öffentlich verwandt hat, behindert doch eine Freundschaft, auf die wir als Deutsche allen Wert legen müssen.
({18})
Wir haben in diesen zehn Jahren dank der Politik des Bundeskanzlers und seiner Regierung
({19})
manche neuen Freunde in der Welt gewonnen; aber wir wollen doch die wenigen alten Freunde, die wir in der Welt haben, darüber nicht vernachlässigen.
({20})
Ich weiß auch gar nicht, was Sie mit Ihrer Anfrage wollen. Sie können doch mit dieser Anfrage keine Stimmen gewinnen. Denn es gibt in Deutschland keinen Anti-Spanien-Affekt. Es gibt in Deutschland nur Gefühle der Freundschaft zum spanischen Volk und seiner jeweiligen Regierung.
({21})
Schließlich steht Spanien in der Welt nicht so allein, wie Sie glauben. Es hat eine moralische Schlüsselposition gegenüber Lateinamerika. Über die Brücke zu Spanien führt auch die Verbindung zu den Völkern des südamerikanischen Kontinents.
Abschließend darf ich den Herrn Kollegen Dr. Meyer zitieren, der sich ja als Botschafter der BunDr. Jaeger
desrepublik bei Nehru eine gewisse diplomatische Erfahrung zugeeignet hat. Ich will ihn nur kurz zitieren. Er hat am 2. Juli 1958 im Deutschen Bundestag erklärt - er sagte es in Zusammenhang mit den Ostblockstaaten, aber ich möchte es auf Spanien anwenden -:
... vor nichts - so wage ich zu erklären - hat sich unsere Außenpolitik in diesen ungeheuer schweren Zeiten mehr zu hüten als vor dem Verdacht auch nur eigener deutscher Einmischung in anderer Staaten Innenpolitik; niemals werden wir unsere neue deutsche Einheit fest begründet haben, wenn wir nicht jede fremde Einmischung in unsere deutschen Affären endgültig ausgeschlossen haben.
Meine Damen und Herren, den Verdacht, sich in innere Fragen spanischer Politik einzumischen, haben Sie mit Ihrer Anfrage weiß Gott heraufbeschworen.
({22})
Der spanische Außenminister hat in seiner Rede in Berlin - Herr Schmidt ({23}) hat sie offenbar nicht ganz verstanden; denn das, was ihn bedrückt, sollte in den Augen dieses Mannes eine Ehrenerklärung sein ({24})
auch etwas gesagt, dem Sie zustimmen müssen; er hat gesagt: Das Brandenburger Tor ist die geistige Grenze dieses Kontinents - meine Damen und Herren, die geistige Grenze, die den Osten trennt und den Westen. Auf unserer Seite dieser Grenze liegt auch das Land Spanien, und ich glaube, es ist eine schlechte Sache, die traditionelle Freundschaft unseres Volkes zu diesem Lande zu gefährden. Deshalb bedauern wir die Anfrage der Sozialdemokratischen Partei. Deshalb begrüßen wir die Antwort der Bundesregierung.
({25})
Das Wort hat der Abgeordnete Heinemann.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir hörten von Herrn Schneider, daß der einzig gültige Maßstab zur Beurteilung der hier erörterten Fragen der Umstand sei, daß in Madrid keine Kommunisten herrschen. Wir hörten von Herrn Dr. Jaeger, daß man politische Freunde nicht nach einem Leumundszeugnis zu fragen habe,
({0})
- nicht nach einem Leumundszeugnis zu fragen habe -, was doch wohl in diesem Zusammenhang nicht darauf abzielte, ob sie gestohlen hätten, sondern welche politische Provenienz sie hätten. Wir hörten, daß angesichts der Bedrohung aus dem Osten
- Herr Schneider sagte es - das Bündnis mit
jedem, sogar mit dem Teufel, gerechtfertigt sei. Verehrte Damen und Herren, haben Sie da, als Herr Schneider das sagte, nicht einen Augenblick den Atem angehalten?
({1})
Für mich war es der Anlaß, das Wort zu nehmen, denn irgendwo muß ja nun doch wohl noch eine Grenze sein. Wollen Sie, so frage ich, bei aller Betonung Ihrer militärischen Gründe denn nicht doch Grenzen gelten lassen, insbesondere auch stehen lassen, daß die Freiheit in Spanien wirklich eine fragwürdige Sache ist? Herr Dr. Jaeger hat es wenigstens zum Teil anklingen lassen, und dafür bin ich ihm dankbar.
({2})
Meine Damen und Herren, wenn wir hier über Spanien sprechen, geht es doch gar nicht darum, daß. wir uns in innere spanische Verhältnisse von uns aus einmischen wollen, daß wir die Spanier richten wollen in ihrem politischen System, sondern wir sind doch durch eine Maßnahme Ihrer Regierung vor dieses Spanien-Problem gezwungen worden. Wir wollen deutlichhalten, daß wir in Spanien nun eben nicht einen klassischen Verbündeten für die Verteidigung der Freiheit zu sehen vermögen, daß wir mit anderen Worten uns selbst meinen, wenn wir über Spanien sprechen.
({3})
Insbesondere meinen viele Evangelische sich selbst, wenn von Spanien gesprochen wird. Herr Dr. Jaeger, ich bin Ihnen sehr dankbar dafür, daß Sie dieses ausdrücklich angesprochen haben, und auch grundsätzlich dankbar für die Art, in der Sie es taten. Aber nehmen Sie uns bitte ab - uns, damit meine ich einen erheblichen Teil der Evangelischen in Deutschland -, daß wir es nicht gut ertragen können, wenn hier bagatellisiert wird. Uns hilft es nicht, daß Sie auf einen Unterschied zwischen autoritären und totalitären Systemen hinweisen und sogar hinzufügen, beide Systeme seien keine Demokratie. Da liegt es doch! Sie haben sich auf den Artikel des Herrn Kempski in der Süddeutschen Zeitung vom 5. April, von gestern, bezogen. Nun gut, aus diesem Artikel wäre sehr schnell mitzuteilen gewesen, daß nach der Ansicht des Herrn Kempski auf Grund seiner dort geschilderten Spanienreise 80 % der erwachsenen spanischen Bevölkerung gegen Franco stehen. Das ist aus diesem Artikel dann doch immerhin auch interessant.
({4})
Zu beurteilen, ob er nun kompetent ist oder nicht - Sie haben sich doch auf Herrn Kempski berufen!
({5})
Es ist uns auch nicht viel damit gedient, sehr verehrter Herr Dr. Jaeger, daß Sie den Gewissenszwang in Spanien so oder so interpretieren oder historisch erklären. Er besteht jedenfalls, und da eben kommen wir an den Kernpunkt: Sowohl im Ulbricht-Staat als auch im Franco-Staat gibt es Gewissenszwang, dort im Zeichen des Marxismus und
dort im Zeichen des christlichen Kreuzes, und das ist das Aufregende.
({6})
Der eine Gewissenszwang ist blanker Atheismus und zwingt z. B. die Jugend zur sogenannten Jugendweihe, der andere Gewissenszwang - erlauben Sie mir, daß ich es sage - ist ein böser Mißbrauch des Namens Christi und hindert evangelische Spanier u. a. daran, ihre Jugend einer Konfirmation zuzuführen, so wie wir es verstehen.
Ich wage nicht, darüber zu richten, und will auch gar nicht darüber urteilen, was schwerer wiegt. Es könnte sein, daß der christliche Gewissenszwang schlimmer ist. Auf jeden Fall aber, verehrte Damen und Herren, zeigt auch dies die Kirchengeschichte, daß staatlicher Vorspann für christliche Glaubens- und Gewissenshaltungen den Kommunismus, nämlich den Atheismus züchtet.
Infolgedessen sehen wir gerade in dieser spanischen Situation eine Alarmstufe höchster Beunruhigung. Denn was in Spanien gewaltsam niedergehalten wird, jene 80 %, von denen Herr Kempski spricht, könnten ja gerade durch den staatlichen Gewissenszwang in eine Haltung geführt werden, wie sie in Rußland schließlich im Bolschewismus zutage gekommen ist.
Kurzum, weshalb wir diese Anfrage gestellt haben: Wir möchten uns alle davor bewahrt sehen, daß ein Staat zur Verteidigung der Freiheit aufgerufen würde, der in sich selbst diese Grundsätze nicht praktiziert. Wenn Sie uns antworten - Herr Dr. Jaeger, ich bedauere, daß Sie in diesen Abweg hineingerieten -, wir sollten uns unsererseits bei Herrn Tito für die katholische Kirche verwenden, so nehmen Sie nur ganz schlicht, aber auch sehr eindeutig zur Kenntnis, daß wir für die Freiheit des Gewissens an jedem Ort dieser Erde stehen, im Franco-Spanien so gut wie im Tito-Jugoslowien.
({7})
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen zu diesem Punkt der Tagesordnung nicht mehr vor Anträge sind auch nicht gestellt. Damit ist die Beratung der Großen Anfrage der SPD erledigt.
Da wir noch bis zur Mittagspause um 13 Uhr einiges erledigen können, darf ich die Punkte der Tagesordnung aufrufen, zu denen nach der interfraktionellen Vereinbarung eine Beschlußfassung ohne Debatte vorgesehen ist. Ich rufe zunächst Punkt VI der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über eine Zählung im Handel sowie im Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe ({0}) ({1});
Mündlicher Bericht des Wirtschaftsausschusses ({2}) ({3})
({4}).
Der Berichterstatter verweist auf den Schriftlichen Bericht. *)
Ich rufe in zweiter Beratung nach der Ausschußdrucksache auf §§ 1, - 2, - 3, - 4, - 5, - 6, - 7,
- 7a, - 8, - 10, - Einleitung und Überschrift. - Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe damit die zweite Beratung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich darf um die Gegenprobe bitten. - Angenommen, offenbar ohne Enthaltungen und Gegenstimmen.
Wir kommen zur
dritten Lesung.
Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die dritte Beratung. Wer dem soeben in der zweiten Lesung angenommenen Gesetzentwurf zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben.
- Ich bitte um die Gegenprobe. - Danke. Es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt VII der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes ({5}) ;
Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses ({6}) ({7})
({8}).
Auf den mündlichen Bericht wird verzichtet. Ich eröffne die zweite Beratung und rufe auf Art. 1, - 2,
- 3, - Einleitung und Überschrift. Wortmeldungen liegen nicht vor. Wer dem Antrag des Ausschusses auf Drucksache 1757 zuzustimmen wünscht, den bitte um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung.
Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die dritte Beratung. Wer dem soeben in der zweiten Lesung angenommenen Entwurf zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Soweit ich sehe, ist auch dieser Gesetzenwurf einstimmig angenommen.
Ich rufe auf Punkt VIII der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Abkommen vom 7. August 1958 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Islamischen Republik Pakistan zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung bei den Steuern vom Einkommen ({9});
Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses ({10}) ({11})
({12}). *) Siehe Anlage 3.
Vizepräsident Dr. Preusker
Ich eröffne die zweite Beratung und rufe auf die Art. 1 bis 3 sowie Einleitung und Überschrift. Wer dem Entwurf zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe. - Enthaltungen? - In der zweiten Beratung einstimmig angenommen.
Ich eröffne die
dritte Beratung.
Wer dem in der zweiten Beratung gefaßten Beschluß zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Damit ist der Gesetzentwurf angenommen.
Ich rufe auf Punkt IX der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Abkommen vom 17. April 1959 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Schweden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie verschiedener anderer Steuern ({13});
Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses ({14}) ({15})
({16}).
Ich eröffne die zweite Beratung und rufe auf Art. 1 bis 3 sowie Einleitung und Überschrift. -Wer dem Gesetzentwurf zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - In zweiter Beratung einstimmig angenommen.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung.
Das Wort wird nicht gewünscht. - Ich schließe die dritte Beratung. Wer dem Gesetzentwurf zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt X der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Abkommen vom 16. Juni 1959 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie verschiedener sonstiger Steuern und zur Regelung anderer Fragen auf steuerlichem Gebiete ({17});
Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses ({18}) ({19})
({20}).
Ich eröffne die zweite Beratung und rufe auf die Art. 1 bis 3, Einleitung und Überschrift. - Ich bitte um das Handzeichen der Zustimmung. - Ich bitte
um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - In zweiter Beratung einstimmig angenommen.
Ich eröffne die
dritte Beratung.
Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Beratung und darf bitten, durch Aufstehen die Annahme in dritter Beratung zu bekunden. - Ich danke Ihnen. Auch dieser Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen.
Wir kommen zu Punkt XI der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Abkommen vom 18. März 1959 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung von Indien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung des Einkommens ({21}) ;
Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses ({22}) ({23})
({24}).
Ich eröffne die zweite Beratung und rufe auf die Art. 1 bis 3, Einleitung und Überschrift. - Ich darf um Ihre Zustimmung durch Handzeichen bitten. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung.
Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Ich bitte, durch Erheben von den Plätzen auch in dritter Beratung das Doppelbesteuerungsabkommen mit der Regierung von Indien anzunehmen. - Ich danke Ihnen; es ist so beschlossen.
Hier gilt es noch über folgenden Entschließungsantrag abzustimmen:
Die Bundesregierung wird ersucht, beim Abschluß von Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung oder bei der Revision bestehender Abkommen darauf hinzuwirken, daß in den Abkommen die Besteuerungsrechte für Einkünfte, die den Vertragstaaten als Quellenstaaten weiterhin zur Besteuerung überlassen bleiben, in ihrem Umfang eingeschränkt und fest begrenzt werden.
Wer diesem Entschließungsantrag des Ausschusses zustimmt, den bitte' ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Soweit ich sehe, einstimmig angenommen.
Ich rufe dann auf Punkt XII der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Vereinbarung vom 30. Juni 1958 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung des Königreichs der Niederlande über Gastarbeitnehmer ({25}).
Hier handelt es sich nur um eine erste Beratung.
Vorgeschlagen ist Überweisung an den Ausschuß
Vizepräsident Dr. Preusker
für Arbeit. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer ist mit der Überweisung an den Ausschuß für Arbeit einverstanden? - Ich danke Ihnen; es ist so beschlossen.
Punkt XIII der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Vereinbarung vom 4. Dezember 1957 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung des Großherzogtums Luxemburg über den Austausch von Gastarbeitnehmern ({26}).
Hier ist ebenfalls Überweisung an den Ausschuß für Arbeit beantragt. Wer zuzustimmen wünscht, den darf ich um das Handzeichen bitten. - Es ist so beschlossen.
Es folgt Punkt XIV der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Übereinkommen Nr. 111 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 25. Juni 1958 über die Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf ({27}).
Ich eröffne die erste Beratung des Gesetzentwurfs. Es ist wiederum Überweisung an den Ausschuß für Arbeit vorgeschlagen. Wer zuzustimmen wünscht, den darf ich um das Handzeichen bitten. - Danke; es ist so beschlossen.
Punkt XV der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung von Vorschriften des Lastenausgleichsrechts im Saarland ({28}) ({29}).
Auch hier ist keine Debatte vorgesehen, sondern Überweisung an den Ausschuß für den Lastenausgleich. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Es ist so beschlossen.
Wir kommen zu Punkt XVI der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Grundgesetzes ({30}).
Auch hier ist die sofortige Überweisung an den Rechtsausschuß vorgesehen. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Es ist so beschlossen.
Punkt XVII der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Sechsten Gesetzes zur Änderung und Überleitung von Vorschriften auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes ({31}).
Hier ist ebenfalls Überweisung an den Rechtsausschuß vorgesehen. Wer zuzustimmen wünscht, den darf ich um das Handzeichen bitten. - Auch hier ist so beschlossen.
Punkt XVIII der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die am 31. Oktober 1958 in Lissabon beschlossene Fassung der Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums vom 20. März 1883 und über die am 31. Oktober 1958 in Lissabon beschlossene Fassung des Madrider Abkommens vom 14. April 1891 über die Unterdrückung falscher oder irreführender Herkunftsangaben ({32}).
Hier ist ebenfalls Überweisung an den Rechtsausschuß beantragt. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Auch das ist so beschlossen.
Es folgt Punkt XIX der Tagesordnung:
Beratung der Sammelübersicht 18 des Ausschusses für Petitionen ({33}) über Anträge van Ausschüssen des Deutschen Bundestages zu Petitionen ({34}).
Wer dem Antrag des Ausschusses entsprechend die in der Sammelübersicht 18 enthaltenen Ausschußanträge annehmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Die Anträge sind einstimmig angenommen.
Es folgt Punkt XX der Tagesordnung:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Außenhandelsausschusses ({35}) über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf einer Dreiundzwanzigsten Verordnung über Zolltarifänderungen zur Durchführung des Gemeinsamen Marktes der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl ({36}) ({37}).
Es wird vorgeschlagen, die Drucksache 1641 unverändert anzunehmen. Wer das zu tun wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Es ist so beschlossen.
Sodann folgt Punkt XXI der Tagesordnung:
Beratung der Ubersicht 12 des Rechtsausschusses ({38}) über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht ({39}).
Der Antrag des Ausschusses lautet: Der Bundestag wolle beschließen, von einer Äußerung zu den in der Übersicht aufgeführten Streitsachen abzusehen. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Auch das ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt XXII der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten ({40}) über den Antrag der Abgeordne5918
Vizepräsident Dr. Preusker
ten Dr. Schmidt ({41}), Bading, Margulies, Dr. Schild und Genossen betr. Eisenbahnverkehr zwischen Breisach und Colmar ({42}).
Der Mündliche Bericht des Ausschusses Drucksache 1754 schlägt vor, den Antrag unverändert anzunehmen. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Soweit ich sehe, einstimmig angenommen!
Ich rufe auf Punkt XXIII der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses ({43}) über den Antrag der Abgeordneten Frau Strobel, Seidel ({44}), Kurlbaum, Höhne, Bazille und Genossen betr. Autobahnbau Schwabach-Heilbronn ({45}).
Der Haushaltsausschuß beantragt, den Antrag Drucksache 1631 der Bundesregierung als Material zu überweisen. Wer diesem Antrage des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Es ist so beschlossen.
Wir kommen zu Punkt XXIV der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses ({46}) über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1959 hier: Haushaltsgesetz 1959 ({47}).
Der Haushaltsausschuß beantragt, den Entschließungsantrag Umdruck 322 durch die Beschlußfassung zum Haushaltsgesetz 1960 für gegenstandslos zu erklären. Wer diesem Antrage zuzustimmen wünscht - obwohl wir noch vor der Beratung des Haushaltsgesetzes stehen -, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich danke Ihnen; es ist so beschlossen, in der optimistischen Annahme, daß die Beschlußfassung zum Haushaltsgesetz 1960 programmgemäß gelingt.
Ich rufe auf Punkt XXV der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung ({48}) - Immunitätsangelegenheiten - betr. Genehmigung zur Durchführung eines Strafverfahrens gegen den Abgeordneten Dr. Bechert gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 10. März 1960 ({49}).
,Der Ausschuß beantragt, die Genehmigung nicht zu erteilen. Wer diesem Antrage zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Soweit ich sehe, ist der Ausschußantrag einstimmig angenommen.
Punkt XXVI der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und
Geschäftsordnung ({50}) - Immunitätsangelegenheiten - betr. Genehmigung zur Durchführung eines Strafverfahrens gegen den Abgeordneten Etzenbach gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 11. März 1960 ({51}).
Der Ausschuß beantragt, die Genehmigung zu erteilen. Wer diesem Antrage zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Der Ausschußantrag ist einstimmig angenommen.
Damit, meine Damen und Herren, wären wir so weit gekommen, daß wir in die Beratung des Haushalts eintreten könnten. Da wir aber beschlossen haben, das erst um 14.30 Uhr zu tun, habe ich die Freude, Ihnen eine um eine halbe Stunde verlängerte Mittagspause gönnen zu können.
Ich unterbreche die Sitzung bis 14.30 Uhr.
({52})
Die Sitzung wird fortgesetzt.
Ich rufe Punkt IV der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1960 ({0}) ({1}) Berichte des Haushaltsausschusses ({2})
Einzelplan 01
Bundepräsident und Bundespräsidialamt ({3}).
Ich erteile das Wort der Frau Abgeordneten Rösch als Berichterstatterin.
({4})
-- Ist das Haus damit einverstanden? - Das ist der Fall.
Änderungsanträge liegen nicht vor. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer dem Einzelplan 01 - Bundespräsident und Bundespräsidialamt - zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Keine Enthaltungen; einstimmig angenommen.
Ich rufe jetzt auf:
Einzelplan 02
Deutscher Bundestag ({5}).
Berichterstatterin ist wieder Frau Abgeordnete Rösch.
({6})
- Ist das Haus damit einverstanden? - Das ist der Fall.
Hier liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 521 vor. Soll er begründet werden? - Das Wort zur Begründung hat Herr Abgordneter Ritzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte kurz den Antrag begründen, der Ihnen auf Umdruck 521 vorliegt. Er bezweckt die Einrichtung eines neuen Titels - und zwar eines Leertitels - im Haushaltsplan 1960 für die Schaffung eines Wohn- und Altersheimes zur Unterbringung alter und kranker pflegebedürftiger deutscher Emigranten, die als Opfer des Nationalsozialismus in Brüssel leben.
Uns sind Informationen darüber zugegangen, daß bei einem Kreis von etwa 20 Personen, die als Opfer Hitlers in Brüssel wohnen und niemals mehr nach Deutschland zurückkehren wollen, eine Situation gegeben ist, die die verantwortlichen Instanzen des Bundes zu einer Nachprüfung veranlassen sollte. Um eine Möglichkeit zum helfenden Eingreifen zu schaffen, soll nach unserem Vorschlag dieser Leertitel gebildet werden. Das Existenzminimum dieser 20 alten Leute ist zwar einigermaßen gesichert; aber ,sie haben kein Heim. Sie sind nicht mehr in der Lage, sich selbst zu helfen; sie sollten betreut werden. Diese Leute können aber nicht in einem belgischen Altersheim untergebracht werden, weil sie kein Französisch verstehen und weil man dort nicht deutsch spricht. Kurzum, es ist ein ähnliches, nur in viel kleinerem Umfange zutage tretendes Problem wie das, das seinerzeit den Deutschen Bundestag veranlaßt hat, eine einmalige Bewilligung für eine ähnliche Einrichtung in Paris auszusprechen.
Der vorliegende Antrag hat den Zweck, den Weg zu ebnen, damit der Haushaltsausschuß und andere Ausschüsse des Hohen Hauses sich gegebenenfalls mit der Sache auseinandersetzen können. Ich bitte u Annahme des Antrags.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Rösch.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Wir sind im Augenblick durch den Antrag der SPD-Fraktion auf Umdruck 521 überrascht worden. Selbstverständlich erkennen auch wir an, daß diesen alten und pflegebedürftigen Emigranten geholfen werden muß. Aber wir sehen keine Möglichkeit, den Leertitel zu dieser Stunde aufzunehmen, zumal damit den Leuten überhaupt nicht geholfen ist.
Wir stellen anheim, diesen Antrag bei der Beratung des Haushaltsplans 1961 neu zu stellen. Dann wird der Vorstand des Deutschen Bundestages und der Haushaltsausschuß Mittel und Wege finden, auch diesen Bedürftigen zu helfen. Ich bitte, den Antrag jetzt abzulehnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Ritzel.
Es tut mir leid, daß Frau Kollegin Rösch diesen Standpunkt eingenommen hat. Ich will die Debatte wirklich nicht unnötig erschweren, aber ich muß darauf hinweisen, daß es sich um Leute handelt, die über 70 Jahre, zum Teil bis 80 Jahre alt sind. Wenn wir in dreiviertel Jahren zur Beratung
des Haushalts 1961 kommen, kann ein Teil von ihnen schon nicht mehr am Leben sein. Der Leertitel bezweckt, eine nach dem Haushaltsrecht mögliche Plattform zu schaffen. Wir haben noch einen anderen Leertitel, nämlich für Paris. Ich möchte Sie bitten, Ihre jetzige Haltung noch einmal zu überprüfen und unserem Antrag zuzustimmen.
Wird weiter das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich lasse über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 521, der soeben diskutiert wurde, abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. Meine Damen und Herren, der Vorstand ist sich nicht einig. Ich darf diejenigen, die zuzustimmen wünschen, bitten, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das zweite ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über Einzelplan 02 - Deutscher Bundestag - als Ganzes. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Keine Enthaltungen; einstimmig angenommen.
Ich rufe auf:
Einzelplan 03
Bundesrat ({0}) .
Berichterstatter ist der Abgeordnete Dr. Schild ({1}). Ich erteile ihm das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es gehört zu den Gepflogenheiten dieses Hauses, den Einzelplan 03 - Etat des Bundesrats - nach den Wünschen des Bundesrats anzunehmen. Ich darf dazu folgendes bemerken. Wir wissen alle, daß es sich bei diesem Gesamtetat, dem Haushaltsplan 1960, um einen Überrollungsetat handelt, der insbesondere hinsichtlich der Personalfragen und der damit zusammenhängenden Unkosten keine Stellenvermehrungen, keine Stellenhebungen zuläßt, es sei denn, sie beruhen auf gesetzlicher oder tarifvertraglicher Grundlage. Während der Beratungen des Haushaltsplans hat der Bundesrat dem Haushaltsausschuß derartige Wünsche auf Stellenhebungen vorgetragen. Im Einvernehmen mit dem Präsidium des Bundesrats sind diese Wünsche bis zum Etat 1961 zurückgestellt worden. Infolgedessen ist die Ihnen vorgelegte endgültige Fassung des Haushaltsausschusses über den Etat des Bundesrates im Einvernehmen mit dem Präsidium des Bundesrates erstellt worden. Ich darf deshalb um die Annahme des Einzelplans 03 bitten.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann komme ich zur Abstimmung über den Einzelplan 03 - Bundesrat - als Ganzes. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen. - Enthaltungen? - Keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf den:
Einzelplan 04
Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes ({0}).
Das Wort als Berichterstatter hat Herr Abgeordneter Giencke.
({1})
- Ist das Haus mit einem Verzicht einverstanden?
- Das ist der Fall. Dann darf ich darauf aufmerksam machen, daß ein Änderungsantrag auf Umdruck 509 der Fraktion der SPD vorliegt.
Wir kommen zur allgemeinen Aussprache. Das Wort hat Herr Abgeordneter Rasner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für die Bundestagsfraktion der CDU/CSU darf ich erklären, daß wir dem Etat des Bundeskanzlers zustimmen werden. Das zwingt dazu, einerseits über die Leistungen des Bundeskanzlers und seiner Regierung zu sprechen, aber das darf nicht das einzige sein. Ich will diese Debatte auch in eine andere Richtung ausweiten. In meiner schleswig-holsteinischen Heimat steht dem Regierungschef der Führer der Opposition gegenüber. Hier in Bonn kennen wir diese Institution nicht; leider, wie ich sagen will.
({0})
Herr Kollege Mende möchte das nicht. Die Rolle
der FDP in diesem Hause ist ja auch nicht ganz einfach.
({1})
Aber weil es ,die Institution des Führers der Opposition nicht gibt und weil wir auch keine Großen Anfragen an die Opposition richten können, muß man sich beim Haushalt des Bundeskanzlers mit der Opposition im ganzen als dem Gegenspieler der Regierungsmehrheit auseinandersetzen, und das bedeutet nun einmal: im wesentlichen mit der SPD. Eine Personifizierung ist ,da nicht ganz einfach. De jure ist wohl der Kollege Ollenhauer Nummer 1, de facto scheint uns der Kollege Wehner Nummer 1 zu sein. Wer Nummer 1 in den Augen ides umworbenen Wählers sein soll, steht wohl auf der linken Seite noch nicht ganz fest. Im Augenblick liegen wohl Professor Schmid und Willi Brandt gut im Rennen. Bei uns ist die Situation mit Konrad Adenauer wesentlich einfacher.
({2})
Aber noch einmal: Beim Haushalt des Bundeskanzlers muß nicht nur über Konrad Adenauers Politik gesprochen werden, sondern auch über die Politik der Opposition. Ich nehme an, daß das nicht bestritten wird. Ich sage jetzt schon, daß dieses Kapitel leider nicht ganz kurz sein kann. Kritik muß in der Sache hart sein; in der Form will ich mich bemühen, kollegial Konzilianz zu üben. Für ein entsprechendes Zuhören wäre ich dankbar.
({3})
Aber zunächst noch einmal direkt zum Etat des Bundeskanzlers! Die Verlockung ist groß, zu Beginn
der Beratungen über den Haushalt Dr. Adenauers einen - dann wahrhaft stolzen - Leistungsbericht zu geben, das um so mehr, als in das vergangene Haushaltsjahr die zehnte Wiederkehr des Tages der Gründung der Bundesrepublik fiel, Alle Fraktionen im Ältestenrat haben sich darauf geeinigt, im Plenum tunlichst nicht das vorzutragen, was ohnehin nachzulesen ist. So will auch ich mich auf einige wenige Zahlen beschränken. Bei der Beratung der einzelnen Ressorts kann das dann immer noch umfangreich, wenn gewünscht, ergänzt werden.
Man kann sogar Außenpolitik in Zahlen wiedergeben. 1949 war die Bundesrepublik, wie wir uns alle noch erinnern können, außenpolitisch völlig isoliert. Heute unterhalten wir zu 73 Staaten diplomatische Beziehungen und zu weiteren 7 konsularische. Über die Bündnissysteme, an denen die Bundesrepublik zur Verteidigung der gemeinsamen Freiheit aller Vertragspartner beteiligt ist, wurde in diesem Hohen Hause schon oft gesprochen, so daß ich mir eine Aufzählung ersparen kann.
Einige innenpolitische Fakten und Zahlen! Ich mache es kurz. Das Sozialprodukt des Jahres 1950 betrug 97,2 Milliarden DM, das des Jahres 1959 236,3 Milliarden DM.
({4})
Während die Zahl der Arbeitslosen von 8,8 % der Arbeitnehmer im Jahre 1949 auf 0,9 % der Arbeitnehmer heute herunterging, stieg die Zahl der Beschäftigten von 20,1 Millionen auf 25,3 Millionen und die der Arbeitnehmer von 13,6 auf 20,1 Millionen. Nach dem heute veröffentlichten Bericht stehen 256 000 Arbeitslosen 453 000 offene Stellen gegenüber.
({5})
Der Wert der deutschen Ausfuhr betrug im Jahre 1950 8,4 Milliarden DM, im Jahre 1959 40,7 Milliarden DM. Bei der Einfuhr lauten die entsprechenden Zahlen 11,4 und 35,1 Milliarden DM.
Eindrucksvoll sind auch die Zahlen über den Gold-und Devisenbestand. Während 1950 Devisen im Werte von 1,1 Milliarden DM vorhanden waren und die Deckung der Währung durch Gold praktisch entfiel, besagen die Ziffern des jüngsten Berichtes der Deutschen Bundesbank, daß wir über Devisen in Höhe von 24,34 Milliarden DM und darüber hinaus über Gold im Werte von 11 Milliarden DM verfügen. Das bedeutet, daß der Bargeldumlauf zu reichlich 120 % gedeckt ist.
Ebenso eindrucksvoll ist das Kapitel der Sozialleistungen. Die gesamten Sozialleistungen der Bundesrepublik betrugen im Jahre 1949 9,9 Milliarden DM, im Jahre 1959 32,3 Milliarden DM.
Und hier gleich noch eine Zahl: für Leistungen aus dem Soforthilfe- bzw. dem Lastenausgleichsfonds ist bis zum März 1959 die ungewöhnliche Summe von 30 Milliarden und 913 Millionen DM ausgegeben worden.
({6})
Ich halte es in diesem Zusammenhang aber auch für nötig, die Wiedergutmachungsleistungen zu nenRasner
nen. Sie erreichten insgesamt die Höhe von 11 Milliarden und 135 Millionen DM. Die Ziffern sind errechnet auf der Basis vom 31. Dezember 1959, wobei der Hauptposten in Höhe von 7,255 Milliarden DM auf das Bundesentschädigungsgesetz entfällt, während auf den Israel-Vertrag 1,9 Milliarden DM entfallen.
Mit diesen Zahlen mag es schon sein Bewenden haben. Erinnern Sie sich aber in diesem Augenblick alle wirklich noch des Jahres 1949? Meine Damen und Herren, wir haben auch heute noch Sorgen, und wahrlich nicht geringe. Aber seien wir doch ehrlich: Was sind die Sorgen von heute, die Sorge über die Überhitzung der Konjunktur, die Sorge über den Devisenüberschuß, die Sorgen im Gefolge von Vollbeschäftigung und Mangel an Arbeitskräften, was sind diese Sorgen im Vergleich zu denen um Währungsverfall und Millionenheere von Arbeitslosen? Säße uns nicht Tag und Nacht die brennende Not des geteilten Deutschlands im Nacken, meine Damen und Herren, es wäre eine Freude, sich immer wieder neu an der Bewältigung dessen zu versuchen, was wir heute in der Bundesrepublik unsere Sorgen, unsere Nöte nennen müssen!
({7})
Meine Damen und Herren von der Opposition, räumen Sie das doch endlich auch einmal ein! Ist denn eigentlich das Anerkennen von Leistungen der Regierung einer anderen Partei wirklich so schwierig? Gehört denn wirklich so viel Mut dazu, einmal dem anderen zu sagen: Das hast du gut gemacht?
({8})
- Vom Nein zum Ja, Herr Kollege Schoettle -({9})
- Das ist keine demagogische Frage. Ich finde, das ist ein sehr positives Ansprechen. Ich räume ein, Herr Kollege Schoettle, vom Nein zum Ja ist es ein weiter und nicht einfacher Weg. Dazwischen liegen das Nörgeln, das halbe Ja und dann wieder das Bohren in Kleinigkeiten, das Sticheln, das Vor und Zurück, das Schwanken.
Dafür ein Beispiel aus der Außenpolitik. Ich spreche hier über die Ausgestaltung des deutschfranzösischen Verhältnisses durch die Regierung Adenauer und die Haltung und Einstellung der SPD zu dieser Frage. Leider muß gesagt werden, daß die verschiedenen Etappen einer deutsch-französischen Annäherung, die schließlich zur deutsch-französischen Freundschaft geführt haben, in diesem Hohen Hause nicht die geschlossene Zustimmung fanden, die sie verdient gehabt hätten. Hier hat die deutsche Sozialdemokratie eine geschichtliche Aufgabe verpaßt. Nichts hätte näher gelegen als ein Versuch der Opposition, bei dieser Politik die Führung zu übernehmen.
({10})
Statt dessen gefiel sich die SPD in der Rolle des Bremsers.
Der Eintritt der Bundesrepublik in den Europarat, die Gründung der Montanunion mußten gegen die
sozialdemokratische Opposition durchgesetzt. werden. Es ist meines Erachtens unbestreitbar, daß, wäre der EVG-Vertrag in Bonn rasch und reibungslos ratifiziert worden, Frankreich die Europäische Verteidigungsgemeinschaft nicht hätte scheitern lassen. Wie anders sähe es in Europa heute aus, wenn die militärische Integration damals vollzogen warden wäre, und wieviel weitschauender handelten die französischen, belgischen und niederländischen Sozialdemokraten als die vom Anti-Adenauer-Komplex besessene SPD!
Sagen Sie bitte nicht, meine Damen und Herren von der SPD, Sie hätten mit Ihrem Nein der Sache der Wiedervereinigung einen guten Dienst geleistet. Das Gegenteil ist wahr. Wieviel schwerer könnten die Sowjets einem vereinigten Europa das verweigern, was sie dem deutschen Volk vorenthalten zu können glauben.
({11})
- Das ist keine Neuauflage, sondern das sind genau die politischen Punkte, die beim Haushalt des Bundeskanzlers, insbesondere dann, wenn wir Veranlassung haben, auf 10 Jahre Politik zurückzublicken, ausgesprochen werden müssen, gleichgültig, ob Ihnen das schmerzhaft ist oder nicht.
({12})
Es war nach meiner Überzeugung ein folgen- schwerer Fehler der Opposition, Europa gewissermaßen zurückstellen zu wollen, statt es für die Anliegen auch des deutschen Volkes zu aktivieren. Aber nachdem die SPD wenigstens den Weg der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zunächst mit uns gegangen ist, mußte man in letzter Zeit den Eindruck haben, daß sie auch darin wieder unsicher wurde.
({13})
Lassen Sie mich aber auch zu denjenigen ein Wort sagen, die die Politik der deutsch-französischen Freundschaft, diese grundlegende Voraussetzung für eine allmähliche Einigung des freien Europas, ständig mit Karl dem Großen und dem Reich der Karolinger in Verbindung bringen, um sie abzuwerten und zu diffamieren. Das Häßliche ist, daß dabei auch immer wieder auf die Konfessionsfrage angespielt wird, und zwar nicht, um zu versöhnen, sondern im Gegenteil, um Mißtrauen zu säen und zu spalten. Ist Opposition denn eigentlich wirklich nichts anderes, als, koste es, was es wolle, die Regierung zu verdächtigen und herabzusetzen?
({14})
Mir scheint, daß wir uns die deutsche Situation zu selten so klarmachen, wie sie tatsächlich ist und wie sie übrigens von der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung instinktiv richtig gesehen wird.
Auf deutschem Boden - Herr Kollege Erler, Sie haben heute morgen auch davon gesprochen -,
nämlich in Mitteldeutschland, hat eine fremde Macht ein Bürgerkriegsregime errichtet und hält es gegen den Willen des deutschen Volkes aufrecht, Dieses Regime terrorisiert nicht nur 17 Millionen Deutsche, es ist auch fortwährend bemüht, die innere Ordnung in den freien Teilen Deutschlands zu unterminieren und zu erschüttern. Jährlich wendet es 350 Millionen Mark für seine dortigen kommunistischen Tarnorganisationen auf. Monatlich liefert es schätzungsweise 10 Millionen Druckschriften ins Bundesgebiet. Man sieht daran, daß sich die sogenannte DDR im Gegensatz zu dem Anspruch, den sie auf internationaler Ebene erhebt, selbst gar nicht als einen auf einen Teil Deutschlands beschränkten Staat ansieht, sondern als eine umstürzlerische Macht, die sich auf ganz Deutschland ausdehnen möchte.
Die neue deutsche Demokratie steht hiergegen in einem harten, unerbittlichen Existenzkampf. Sie ist fest verankert auch in den Herzen der in der sowjetisch besetzten Zone lebenden Deutschen. Provisorisch ist der Regierungssitz Bonn. Die deutsche Hauptstadt ist und bleibt Berlin. Die Bundesregierung aber hat das international in der freien Welt anerkannte Recht, als einzige deutsche Regierung mit demokratischer Legitimation für das ganze Deutschland zu sprechen. Deshalb ist es unmöglich, die Bundesregierung und die sowjetischen Satrapen von Pankow auf eine Ebene zu stellen. Ich wiederhole, daß dieses Pankower Regime ein Bürgerkriegsregime ist, mit dem die deutsche Demokratie niemals paktieren kann, es sei denn, daß sie bereit wäre, sich selber aufzugeben.
Ein Wort zur „Hallstein-Doktrin" , die es überhaupt nicht gibt. Es ist nicht wahr, daß die Bundesrepublik aus Prinzip keine Beziehungen zu den Satellitenstaaten aufnehmen könnte. Diese Staaten haben keine Handlungsfreiheit, und wir sind bereit, ihre besondere Lage in Rechnung zu stellen und zu prüfen. Wer aber die volle außenpolitische Handlungsfreiheit besitzt und trotzdem dem deutschen Volk mit der Anerkennung des Sowjetzonenregimes in den Rücken fällt, der kann nicht unser Freund sein und bleiben.
Ich komme zu einem anderen Kapitel. Dieses Hohe Haus ist hervorgegangen aus allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl und hat dann mit absoluter Mehrheit Konrad Adenauer zum Bundeskanzler gewählt. Dr. Adenauer hat darauf vor diesem Haus seinen Eid geleistet. Warum sage ich das? Weil Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, deren Partei so gern für sich in Anspruch nimmt, besser als alle anderen zu wissen, was freiheitliche Demokratie denn nun wirklich ist, sich unverändert bis zum heutigen Tag nicht abgefunden haben mit dem Wahlergebnis von 1957, nicht abgefunden haben mit der Tatsache, daß Konrad Adenauers Kanzlerschaft dem frei geäußerten Willen der Mehrheit unseres Volkes entspricht. Der Respekt aber vor diesem Willen des Volkes, von dem alle Staatsgewalt ausgeht, der Respekt auch vor dem Eid des Bundestagskollegen Dr. Adenauer sollte Sie eigentlich die Verpflichtung spüren lassen, den Regierungschef vor den Augen des Inlands wie des Auslands nicht derart teils leichtfertig, teils haßerfüllt politisch wie menschlich herabzusetzen, wie das jetzt schon seit zehn Jahren geschieht.
({15})
Als Dr. Adenauer am 5. Januar dieses Jahres seinen 84. Geburtstag feierte, da kommentierte das der offizielle Pressedienst der SPD, für den Kollege Wehner hier im Hause die presserechtliche Verantwortung trägt, mit Feststellungen wie: der Bundeskanzler ermangele jeder Achtung vor der Würde der parlamentarischen Institution, er füge dem Geist des Grundgesetzes schweren Schaden zu, er täusche das Parlament, und sogar, er trage mit die Verantwortung für die Gefahr, die heute Berlin droht.
({16})
Ich will nicht auf die menschliche Seite dieses Geburtstagsgrußes an einen 84jährigen Kollegen eingehen.
({17})
Dr. Adenauer hat am Tag nach Erscheinen dieser „Gratulation" dennoch einen Blumenstrauß der SPD angenommen. Das war die Haltung eines souveränen Staatsmannes. Ich wünsche mir selber einmal só viel Gelassenheit! Ich will hier jedoch sprechen über die politische Bedeutung giftiger Herabsetzungen des Regierungschefs am Vorabend großer internationaler Konferenzen, bei denen das Schicksal Berlins und der Bundesrepublik zur Debatte steht: Wo gibt es das in der freien Welt, daß man den Sowjets die Vokabeln zum Angriff auf die eigene Regierung so frei Haus liefert?! Man braucht schließlich nur die Leitartikel des SPD-Kollegen Behrisch zu lesen - wenn Sie wollen, ich habe die Zitate hier -, um geradezu erschreckende Parallelen zum Jargon von drüben zu finden. Tröstlich ist es allenfalls, daß es über diese Art von Journalismus auch in der SPD-Fraktion Erschrecken gibt, und gelegentlich warnt dann wohl auch einmal einer vor allerlei trojanischem Getier. Wir haben uns natürlich immer wieder nach der Ursache der Verhärtung in der parteipolitischen Auseinandersetzung gefragt.
({18})
- Ich komme darauf zurück, ich weiß gar nicht, ob Sie opponieren werden. Mit der beliebten Ausrede, der andere habe angefangen, ist gar nichts getan. Ich glaube, man muß da weit zurückgehen, und vielleicht halten Sie folgenden Gedankengang nicht für abwegig.
Nach der Kapitulation - das ist zumindest meine Meinung - hat der verstorbene erste Vorsitzende der SPD, Kollege Kurt Schumacher - aus seiner Sicht verständlich - es für eine Frage geradezu der Gerechtigkeit vor der Geschichte gehalten, daß die deutsche Sozialdemokratie von der Historie die Chance erhielt, den freien Teil Deutschlands aus dem Dreck, aus der Not herauszuführen. Hinzu kam, daß dieser bedeutende Mann, dem Krieg und Naziterror furchtbar zugesetzt hatten, wohl wußte, daß seine eigene Zeit bemessen war; eine wahrhaft tragische Situation. Als dann 1949 der Wähler gegen die traditionsreiche SPD entschied - eine
SPD, die gerade ein historisch bedeutsames Nein zur Verschmelzung von SPD und KPD zur SED in den drei Westzonen ausgesprochen hatte, ein Nein, das die Geschichtsbücher zu vermelden haben werden ({19})
- auch in der Sowjetzone -, als diese Wähler einer jungen, neuen, einer aus Trümmernot geborenen modernen Partei, der CDU/CSU, den Vorzug gaben, da wurde das innerhalb der Sozialdemokratie als ein Unrecht vor der Geschichte empfunden, und Bitternis kam auf.
({20})
Aus der Bitternis erwuchs das Nein, und als hinter dem Nein nicht mehr das politische Feuer Kurt Schumachers stand, wurde die Negation zur sturen Gewohnheit und griff vom sozialdemokratischen Nein zur Politik über zum Nein zu den Menschen in der CDU, zum pausenlosen Nein nicht nur zum Bundeskanzler, sondern auch zum Bundestagskollegen und Menschen Adenauer.
({21})
- Der Fraktionssekretäre auch. Sie bestätigen zum mindesten die Richtigkeit der These.
({22})
Von dem bösen Wort „Bundeskanzler der Alliierten" angefangen bis zum heutigen Tage wurden die Vokabeln auch im Menschlichen immer härter, zugegeben: nicht nur bei der SPD.
({23})
Ich selber bekenne mich gern zur harten politischen Auseinandersetzung. Wo gerungen wird um den richtigen Weg für unser Volk und seine Freiheit, da ist auch Härte am Platz. Aber es gibt Grenzen, wenn wir nicht wieder entweder zur Radikalisierung oder zur Parteiverdrossenheit treiben wollen. Glauben Sie mir, gerade wir Jüngeren fühlen das, und ich erinnere in diesem Zusammenhang in positivem Sinne
({24})
an den letzten Artikel des Kollegen Lohmar im „Vorwärts", der dort Dr. Adenauer unter die wünschenswerten Vorbilder für unsere Bundeswehr einreihte.
({25})
- Natürlich! Ich sagte „unter anderem", ich kann ihn verlesen.
({26})
- Ich wurde aufgefordert, die anderen wegen des Protokolls mit zu nennen. Ich zitiere den Artikel gern:
Man sollte deshalb die Männer der ersten demokratischen Revolution in Deutschland im
Jahre 1848 ebenso zu Vorbildern der Bundeswehr wählen wie die demokratischen Führer der Weimarer Republik oder die politischen Repräsentanten des 20. Juli. Wir denken dabei etwa an Friedrich Ebert, Carl Goerdeler, Dietrich Bonhoeffer, Pater Delp oder Julius Leber und Stauffenberg. Auch an Männern wie Kurt Schumacher, Ernst Reuter oder später Theodor Heuss und Konrad Adenauer kann die Bundeswehr nicht vorbeigehen.
Ich habe diesen Artikel in absolut positivem Sinne und bewußt erwähnt.
({27})
- Ich will Ihnen einmal etwas sagen: Wenn ich mich hier bemühe, darzutun, daß gerade jüngere Kräfte auf allen Seiten dieses Hauses wissen, daß man sich hart politisch auseinandersetzen muß, daß es aber eine Grenze gibt um des Ansehens unseres' Staates willen, dann hätte ich nicht - wenn ich dann noch ein Beispiel aus Ihrer Fraktion wähle - Kritik und Zwischenrufe auf Ihrer Seite erwartet, sondern Zustimmung. Aber Beifall für einen CDU-Politiker ist bei Ihnen nicht drin.
({28})
- Das war etwas ganz anderes. ({29})
Es ist überhaupt in diesen Tagen recht viel die Rede vom Generationsproblem.
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München und Regensburg sind da zwei Angelpunkte geworden. Mir scheint, daß hier im Augenblick die Gefahr besteht, die Optik von heute könne die Tatsache von gestern verdunkeln. Die CDU/CSU
- und das muß hier auch einmal gesagt werden - unternahm und unternimmt seit ihrer Gründung den großartigen Versuch, als betont christliche, als nichtsozialistische Partei, den Bogen nicht nur zu spannen über die Konfessionen und Stände, sondern auch über die Generationen, und wir christlichen Demokraten sind hier - nehmt alles nur in allem, und Ausnahmen bestätigen die Regel - weiter als die SPD. Sie, Herr Bundeskanzler, haben mit Ihren gesegneten 84 Jahren wahrlich in bedeutenden Schlüsselfunktionen Ihres Kabinetts den Vierzigjährigen die Möglichkeit zu erfolgreicher Arbeit eingeräumt,
({31})
lange bevor einige bayerische Kommunalpolitiker Ihnen das Rezept abgeguckt hatten.
({32})
Die Ressorts Inneres mit Herrn Schröder, Verteidigung mit Herrn Strauß, Wohnungsbau mit Herrn Lücke sind von Männern in den Vierzigern besetzt. Der Gefahr der Überalterung sind CDU/CSU, ist
unsere Regierung wahrlich nicht ausgesetzt, im Gegenteil. Beide waren und sind auf diesem Gebiet Wegbereiter der Zusammenarbeit zwischen der Generation des ersten und der Generation des zweiten Weltkrieges, wenn ich mich so ausdrücken darf.
({33})
- Wenn ich recht unterrichtet bin, wollten wir morgen über Herrn Oberländer sprechen. Wenn Sie wünschen, können wir es auch heute tun.
Ich habe vorhin schon einmal davon gesprochen, daß sich die SPD das Amt des Richters in Fragen der demokratischen Zuverlässigkeit, in Sachen politischer Moral und ähnlichen Bereichen anmaßt.
({34})
- Das sieht in der Praxis, Herr Kollege Erler, im allgemeinen so aus: Wenn sich die SPD mit der politischen Vergangenheit von CDU-Abgeordneten, Ministern und Staatssekretären beschäftigt, dann geschieht das „um der Sauberkeit des öffentlichen Lebens willen", geschieht „mit Rücksicht auf das Ansehen der Bundesrepublik im Ausland" und wie die Formeln heißen. Wenn die CDU das gleiche tut - und sie tut das sehr selten, wie ich hier betonen möchte -, dann ist das etwas ganz anderes. Dann ist das „Rufmord", „Niederträchtigkeit", „Zweifel an der glaubhaften Wandlung eines Kollegen". Wir kennen das Vokabular.
({35})
Das sieht im Endergebnis so aus - entschuldigen Sie, man muß es einmal aussprechen -: Jeder ehemalige Pg. in den Reihen der CDU bleibt ein schlechter Demokrat, und jeder ehemalige Pg. oder ehemalige Kommunist in den Reihen der SPD ist ein guter Demokrat. So geht das nicht.
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Ihre offiziellen Pressedienste - um ein klassisches Beispiel zu nennen - wärmen unverdrossen die gleichen Vorwürfe gegen Staatssekretär Globke auf, obwohl von jüdischen Verfolgten wie von den Kirchen, vom Ausland wie vom Inland seit Jahren Zeugnisse in großer Zahl vorliegen, die erweislich Ihre Schlußfolgerungen widerlegen. Was sollen diese Angriffe eigentlich? Wenn Sie jeden ehemaligen Nationalsozialisten, der seinen politischen Irrtum längst eingesehen hat - und dann bitte auch jeden Kommunisten -, von der Mitarbeit am Aufbau unseres neuen demokratischen und sozialen Rechtsstaates ausschließen wollen, dann sagen Sie das bitte und dann fangen Sie bei sich selber an!
({37})
Aber unterlassen Sie dieses Messen mit zweierlei Maß! Es ist undemokratisch und es verstößt gegen den Gleichheitsgrundsatz.
({38})
Und damit auch das klar ist: Im Programm der CDU/CSU steht kein neues Entnazifizierungsgesetz.
({39})
Dabei gleich noch eins: Moskau, Prag und Pankow sind seit 1945 im Besitz zahlreicher Dokumente aus der NS-Zeit. Ginge es ihnen um Recht und Gerechtigkeit, um die Aburteilung von Verbrechen, nun, sie hätten längst diese Dokumente den Justizbehörden in der Bundesrepublik zuleiten können, und unsere Gerichte - dessen sind wir doch wohl alle sicher - hätten Recht gesprochen.
({40})
- Ich greife auch gerne einen guten Gedanken von Herrn Dr. Arndt auf. - Man braucht doch kein Hellseher zu sein, um zu erkennen, warum der Osten jetzt diese Dokumente, gefälschte wie auch einige echte, in die Debatte einführt, jetzt, am Vorabend der Gipfelkonferenz, am Vorabend eines Stichtages, an dem zahlreiche Verjährungsfristen ablaufen.
Noch ist die Vergangenheit nicht bewältigt, ganz gewiß. Aber Moskau und seine Handlanger wollen, daß wir v o n unserer Vergangenheit überwältigt bleiben, weil man ,das dort für eines von den vielen Mitteln hält, uns in der Gegenwart schließlich doch noch im bolschewistischen Sinne selber über wältigen zu können.
({41})
Ich spreche beim Haushalt des Bundeskanzlers über diese Dinge, weil die Opposition auch in dieser Frage dem Bundeskanzler restaurative Politik vorwirft. Was das Böseste dabei ist: Sie wissen, daß Sie das zu Unrecht tun. Sie müssen es wissen; denn glauben Sie, daß Eisenhower und Dulles, daß Churchill und Macmillan, daß Henri Spaak und Dänemarks und Norwegens Ministerpräsidenten - um einmal sozialdemokratische ausländische Politiker zu nennen -, glauben Sie, daß David Ben Gurion sich mit diesem Bundeskanzler betont, bewußt, demonstrativ, freundschaftlich und vertrauensvoll an einen Tisch setzen würden, wenn Dr. Adenauers Politik der Restauration nazistischer Tendenzen diente?
({42})
Sie lehnen die Politik der CDU/CSU, die Politik Konrad Adenauers ,ab. Das ist Ihr gutes Recht. Haß ist aber dabei ein schlimmer Ratgeber.
In das Haushaltsjahr 1959/60 fällt der Entschluß Dr. Adenauers, nicht, wie vorher erwogen und geäußert, für das Amt des Bundespräsidenten zu kandidieren. Das waren turbulente Wochen damals, und wir alle erinnern uns noch.
({43})
- Dunkle nicht, turbulente! Ich komme darauf zurück. In diesem Zusammenhang macht es nachträglich ein gewisses Vergnügen, Herr Kollege Erler, Ihre Rede zum Haushalt des Bundeskanzlers vom vergangenen Jahr nachzulesen, in der Sie so nachdrücklich auf die Tatsache hingewiesen haben, daß der Bundeskanzler und er allein die Richtlinien der
Politik zu bestimmen habe. Aber unser Volk hat dann nach mancherlei erregten Debatten den freien, vor dem eigenen Gewissen verantworteten Entschluß Dr. Adenauers zunächst respektiert und anschließend begrüßt.
({44})
- Als Präsident Eisenhower und der Bundeskanzler
durch die Straßen von Bonn und Godesberg fuhren,
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wollen Sie anzweifeln - Sie lachen -, daß unser Volk neben Präsident Eisenhower den Regierungschef seines besonderen Vertrauens stehen sah und diesem Gefühl bewegenden Ausdruck gab?
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Und dann die vielen Versuche, Adenauer gegen Erhard, Erhard gegen Adenauer auszuspielen!
({47})
Es gab Gegensätze; aber warum denn nicht? Wir sind keine uniforme Partei gutdisziplinierter Funktionäre.
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Wir sind - ich darf das wohl sagen - eine junge Partei voller Leben und Farbe.
({49})
Und zwischen Männern kann es wohl auch gerade um der Sache willen einmal Krach geben
({50})
- und nun hören Sie zu! -, vor aller Öffentlich-knit und nicht in camera caritatis wie etwa beim Krach zwischen Wehner und Mommer, der in Ihrer Parteizentrale unter Ausschluß jeder Öffentlichkeit mühsam ausgebügelt wurde.
({51})
Sie sind beide die unseren, der Kanzler und sein Stellvertreter Erhard. Ich weiß, daß Ihre Sorgen gerade deswegen im Hinblick auf 1961 nicht geringer sind als 1957.
({52})
Dabei gleich noch eines zur inneren Struktur unserer Partei. Der sogenannte Deutschland-Plan der SPD war nach Ihrer eigenen Darstellung eine Gemeinschaftsarbeit vieler und ist von einer großen Anzahl offizieller Parteigremien geradezu spektakulär-feierlich angenommen worden. Die Beerdigung ohne Anhören dieser Gremien nahm dann allerdings ein einzelner vor und, bums, war es aus mit dem Plan. Meine Damen und Herren, so einsame Entschlüsse wie Herr Wehner faßt nicht einmal der Bundeskanzler.
({53})
- Ich wollte Sie gar nicht tief schmerzen.
({54})
Aber, Herr Bundeskanzler, in der Haushaltsrede zu Ihrem eigenen Etat kann und muß vom Sprecher der Regierungsmehrheit auch etwas Kritisches gesagt werden, wo Kritik einmal am Platz ist, insbesondere dann, wenn sich diese Kritik gleichzeitig an die Adresse der eigenen Partei, also an die CDU/CSU richtet. Ich glaube, die von uns getragene Regierung wie unsere Partei gehören, was politische Propaganda anbelangt, zu den unterentwickelten Gremien.
({55})
Ich rede jetzt nicht von der Informationsarbeit im Ausland. Aber wie sieht es eigentlich aus mit der notwendigen Aufklärung unseres eigenen Volkes über das, was geleistet wurde?
({56})
Die Regierung, Herr Bundeskanzler, kann nicht sehr gut die Trommeln rühren; da sind andere viel tüchtiger. Hätte eine sozialdemokratische Regierung geleistet, was die Regierung Adenauer geleistet hat, die SPD hätte propagandistisch etwas anderes daraus gemacht.
({57})
- Ich komme gleich darauf. - Nehmen Sie als Beispiel den Bau des neuen Stadtteils von Bremen! Na, dort baut Kaisen, dort baut die SPD; so war ja wohl der Wahlkampf angelegt. Wieviel ungezählte Millionen für dieses Objekt vom Bund kamen, Herr Kollege Lücke, das steht an keiner der Tafeln, die als Bauherrn das Land Bremen angeben und jede Firma, jeden Architekten nennen. Daß das Geld von Bund, Ländern und Gemeinden für den Wohnungsbau nur dank Ludwig Erhards Wirtschaftspolitik aufgebracht werden konnte, -({58})
- Herr Kollege Mattick, erinnern Sie sich eigentlich noch dessen, was der Kollege Nölting hier in diesem Hause uns allen an Not, Elend, Massenarbeitslosigkeit im Gefolge der Wirtschaftspolitik Ludwig Erhards prophezeit hat? ({59})
Nein, auch diese Leistungen verkünden keine Tafeln. So gesehen ist es geradezu neckisch, wenn auch raffiniert, von der SPD immer wieder Kritik über massive Regierungspropaganda aus Staatsmitteln zu hören. Herr Bundeskanzler, das können Herr Kaisen und Herr Zinn besser, von Herrn Brandts Begabung auf dem Gebiet der Public-RelationsArbeit einmal ganz abgesehen.
({60})
Die letzte Nummer des „Vorwärts" enthielt allein aus dem Raum Hessen - natürlich aus Hessen -Anzeigen im Werte von vielen Zehntausenden von Mark. Die CDU-Parteipublikationen erscheinen praktisch ohne Anzeigen.
({61})
- Schauen Sie sich doch unsere Publikationen an, das „Monatsblatt", die „Union in Deutschland"! Sie wissen doch, daß das wahr ist, was ich sage.
({62})
5926 Deutscher Bundestag -- 3. Wahlperiode Rasner
- Das ist doch keine CDU-Publikation.
({63})
Die Bundesregierung auf der einen Seite und die CDU/CSU auf der anderen Seite sollten sich vornehmen, endlich einmal bei der notwendigen Informations- und Aufklärungsarbeit mehr und Besseres zu tun.
({64})
Was haben Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, eigentlich im vergangenen Jahr zum Haushalt des Bundeskanzlers an politischen Grundsatzfragen vorgebracht? Der Herr Bundeskanzler selbst meinte damals, er sei ja sehr glimpflich davongekommen. Wenn ich einmal von den Abschiedsbemerkungen des Kollegen Erler an den Bundeskanzler absehe,
({65})
dann handelte es sich um relativ vage Berner-kungen zur Außenpolitik, insbesondere zu den Beziehungen zu Großbritannien, um die Apostrophierung des Deutschland-Planes - das werden Sie heute sicher weglassen, Herr Kollege Erler -,
({66})
um Beschwerden über die Behandlung der Opposition, um die übliche, aber deswegen nicht gehaltvoller werdende Behauptung, die öffentliche Meinung werde bei uns manipuliert - Stichwort: Reptilienfonds -, um ein paar nicht sehr tiefgehende Bemerkungen über das Parteiengesetz und um die Bitte, die erfüllt ist, die Regierung möge sich über ihre Pläne hinsichtlich der Notstandsgesetzgebung äußern. Das war alles. Wir möchten nicht, daß es Ihnen auch in diesem Jahr so an Stoff mangelt. Deshalb unsere heutigen Anregungen für den weiteren Ablauf der Debatte!
Ich sage für die Fraktion der CDU/CSU noch einmal: Wir werden dem Etat des Bundeskanzlers geschlossen zustimmen. Diese Zustimmung ist für uns keine bloße Formalität. Sie ist der Ausdruck unseres persönlichen Respekts vor der bisherigen Leistung Konrad Adenauers.
({67})
- Sehen Sie, das sind die Vokabeln und die Unterstellungen, in denen Sie groß sind. ({68})
Sie ist der Ausdruck unseres Dankes für die Arbeit im vergangenen Haushaltsjahr. Vor allem aber ist diese Zustimmung der Ausdruck unseres Vertrauens in den Bundeskanzler für die im neuen Jahr vor uns liegende Arbeit.
({69})
Das Wort hat der Abgeordnete Erler.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es tut mir aufrichtig leid, daß die Christlich-Soziale Union in Bayern
allem Anschein nach den Kollegen Rasner im dortigen Kommunalwahlkampf ungenügend hat zu Worte kommen lassen, so daß er seine Rede, die dort gut hingepaßt hätte, nun verspätet hier abgeladen hat.
({0})
Ich kann seinen Kummer verstehen. Er mußte ihn sich wohl vom Halse reden. Aber in allem Ernst, Herr Kollege Rasner: meinen Sie wirklich, daß dieser Auftakt, den Sie heute hier für die Haushaltsberatungen gegeben haben, im Einklang mit dem ist, worum der Fraktionsgeschäftsführer der CDU/CSU - ich glaube, er heißt Rasner - alle anderen Parteien gebeten hat, nämlich bei der Beratung in diesem Jahr sich Mühe zu geben, daß wir den Haushaltsplan möglichst fristgemäß verabschieden können? Ich habe nicht den Eindruck, daß die Ausweitung, die Sie versucht haben, und der Stil, in dem Sie sie versucht haben, einen Beitrag dazu geleistet haben. Wir werden auf jeden dieser Punkte eingehen, auch bei den anderen Einzelplänen. Wann der Haushaltsplan dann verabschiedet wird, das haben Sie zu verantworten, nicht wir.
({1})
Meine Damen und Herren! Die Regierung ist von einer großen Reise wieder zurückgekehrt. Ich habe bewußt nicht etwa gesagt: der Bundeskanzler und der Außenminister, sondern: die Regierung ist von der großen Reise zurückgekehrt. Denn nicht ohne Grund kann man ja wohl feststellen, daß wir es in Wahrheit mit einem Einmannkabinett zu tun haben.
({2})
Die Rückkehr der Regierung hat ja auch den Kollegen Rasner offenbar beflügelt, heute eine wieder recht „mutige" Rede zu halten.
Mir fällt dabei die Anekdote ein, die vor einigen Jahren kursierte, als der Regierungsapparat noch nicht so voll ausgebaut war, und die deshalb heute nicht mehr wörtlich angewandt werden kann, aber sicher in übertragenem Sinne immer noch eine gewisse Geltung beanspruchen kann. Damals hatten wir zwar den Bundeskanzler, aber wir hatten keinen Bundesaußenminister; dieses Amt mußte der Bundeskanzler selber wahrnehmen. Wir hatten auch noch keinen Verteidigungsminister; es gab noch nicht einmal die Dienststelle mit dem langen Namen, die dann später dem Kollegen Blank übertragen wurde. Um deren Besetzung ging es. Da stand also eines Morgens der Herr Bundeskanzler vor dem Spiegel und unterhielt sich mit seinem Außenminister
({3})
- ja, ja, mit seinem Außenminister! -, wer wohl Verteidigungsminister werden sollte,
({4})
und kam dann zu dem Entschluß: „Einer von uns beiden wird es ja wohl machen müssen."
({5})
Meine Damen und Herren, wenn das auch nicht mehr wörtlich zutrifft, in der Sache ist das leider immer noch so geblieben.
({6})
In entzückender Weise wird dieser Zustand heute in der Züricher „Tat" beschrieben.
({7})
- Die Schweiz ist ein altes demokratisches Land, von dem können wir eine ganze Menge lernen.
({8})
- Die habe ich Ihnen ja heute schon einmal vorgehalten. Offenbar waren Sie nicht dabei. Es war ein sehr ,guter Beitrag in der „Zürcher Zeitung". Es ist ja nicht alles von Luchsinger.
({9}) In der „Tat" heißt es:
Je länger desto mehr scheint die Bundesrepublik
- er schreibt: „die Bundesrepublik"; das war offenbar ein falscher Federschlag, Zungenschlag kann man da wohl nicht sagen; er meint wohl die Bundesregierung, ich will es also in das Richtige bringen:
Je länger desto mehr scheint die Bundesregierung einer riesigen Maschinenhalle zu gleichen, die ihren Strom aus einem einzigen leistungsfähigen Motor bezieht; fällt die Kraftquelle aus, dann ist sie auf schwache und bloß sporadisch arbeitende Hilfsmotoren angewiesen und droht alsobald zu erliegen.
Ich betrachte mir also nun die Bank dieser so apostrophierten Hilfsmotoren hier.
({10}) Dann heißt es in der „Tat" weiter:
Man mag diese Feststellung, die sich gerade in diesen Tagen jedem Beobachter aufdrängt, als ein Kompliment für Adenauer auffassen. Man kann darin allerdings ebensogut ein einigermaßen erschreckendes Symptom für jene tiefsitzende und überaus bedenkliche Konstruktionsschwäche sehen, die der deutschen Kanzler-Demokratie innewohnt.
Ich wollte Ihnen diesen nachdenklichen Satz nicht vorenthalten, weil ich nachher in einem anderen Zusammenhang darauf zurückkommen muß.
Meine Herren, Sie alle wissen es ja doch auch, und Sie alle sind ja nicht immer so ungebärdig wie im Plenarsaal, wenn wir uns hier gegenübersitzen. Es gibt ja viel mehr, als Herr Kollege Rasner glaubt, auch persönliche Besprechungen - erfreulicherweise -, da schüttet mancher auch einmal bei uns sein Herz aus - auch umgekehrt -, und daher wissen wir, daß nicht alles so heiß gegessen wird, wie Sie es hier kochen, auch in Ihren eigenen Betrachtungen über das Verhältnis Ihrer Partei und der Mitarbeiter des Bundeskanzlers zum Regierungschef.
Als der Außenminister einmal eine gewisse Initiative auf Auflockerung unserer Ostbeziehungen entfalten wollte, wurde er sehr rasch vom Bundeskanzler zurückgepfiffen; denn damals hatte der
Kanzler wohl den Eindruck - von Wahlen versteht er etwas, das gebe ich zu , es könnten unter Umständen doch mit Hilfe der Vertriebenenverbände allerhand Bestrebungen mobil gemacht werden, die sich möglicherweise wahlpolitisch schlecht auszahlen würden. So unterblieb etwas, was eigentlich notwendig gewesen wäre, nämlich dafür zu sorgen, daß das Wort des freien Deutschland auch in jenem Teil Europas vernehmbar ist, in dem wir heute die deutsche Stimme Herrn Ulbricht überlassen. Den Schaden tragen nur wir, sonst niemand.
({11})
Sie haben vorhin dargelegt, es gebe gar keine Hallstein-Doktrin. Sie haben ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, daß man jene Staaten, die in Wahrheit nicht über volle außenpolitische Unabhängigkeit verfügen, sondern die mehr oder weniger in einem Suzeränitätsverhältnis zu einer anderen Weltmacht stehen, anders behandeln müsse als die, die wirklich voll entscheidungsfrei sind.
({12})
- Nachdem Sie das gesagt haben, ist es mir nahezu unverständlich, warum man sich denn mit der Prüfung dieser für uns lebenswichtigen Frage so viele Jahre Zeit genommen hat, statt zu handeln, solange es noch Zeit war; dann würde nämlich manches für die Bundesrepublik Deutschland in West und Ost längst besser aussehen.
({13})
Ein zweiter Punkt, der auch zeigt, wie der Bundeskanzler eben auf Grund seiner Auslegung der Richtlinien der Politik seine Minister in jene Hilfsmotoren verwandelt, von denen in der „Tat" die Rede war: Der Herr Wirtschaftsminister beurteilt die möglichen Spannungen und Schwierigkeiten durch das Auseinanderbrechen des noch freien Europas in zwei vielleicht miteinander rivalisierende Wirtschaftsblöcke ähnlich wie wir Sozialdemokraten. Sie haben wegen unserer kritischen Anmerkungen zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und ihrem derzeitigen Kurs - nicht zum Prinzip, sondern zu ihrem derzeitigen Kurs - warnend den Finger erhoben und gesagt: „Da sieht man mal wieder die Feindschaft der Sozialdemokraten gegen Europa." Sie wissen doch genauso gut wie wir, daß das ein Problem ist, das nicht nur uns, sondern auch Ihnen bis auf die Regierungsbank hinauf Kopfschmerzen bereitet. Wer hat denn eigentlich die Inserate in den Zeitungen losgelassen, die vor einer Spaltung Europas in einen Block der Sieben und der Sechs gewarnt haben? Unter diesen Inseraten war doch der Name Erhard und nicht der Name Ollenhauer zu lesen; oder haben mich meine Augen so getrogen?
({14})
Nun ist der Bundeskanzler wieder zurückgekommen, und damit ist auch diese Auflehnung des Ressortministers in einer wirtschaftlich für uns außerordentlich wichtigen Frage ihrem Ende zugegangen. Es hat heute wieder in den Zeitungen geheißen, er habe seinen Widerstand noch nicht aufgegeben. Ich
möchte hoffen, daß die Bundesrepublik ihr Wort einlöst, das sie vielen Staatsmännern gegeben hat, die in Bonn zu Gast waren, daß sie sich nämlich ehrlich um den Brückenschlag zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Kleinen Freihandelszone, den äußeren Sieben, bemühen wird. Dieses ehrliche Bemühen kann nicht darin bestehen, daß man das von Zeit zu Zeit ausspricht, sondern nur darin, daß man dort, wo man zu handeln berufen ist, nämlich im Ministerrat der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und in den anderen Körperschaften, in denen es um die europäische Zusammenarbeit geht, sich auch entsprechend verhält.
Sie haben in diesem Zusammenhang einige weit zurückliegende außenpolitische Entscheidungen aufgegriffen. Ich muß Ihnen ganz ehrlich sagen: ich halte es nach wie vor für ungerecht, daß Sie jener Partei, die sich in der deutschen Geschichte wie keine zweite für die deutsch-französische Verständigung, für das Zusammenwachsen mit unserem Nachbarvolk eingesetzt hat, wegen der ganz konkreten Ablehnung eines bestimmten militärischen Projektes, nämlich der gescheiterten Europäischen Verteidigungsgemeinschaft, glauben nachsagen zu können, sie habe das aus grundsätzlicher Abneigung gegenüber unserem französischen Nachbarvolk und deswegen getan, weil sie nichts von der europäischen Zusammenarbeit und vom europäischen Zusammenwachsen halte. Darum geht es doch nicht. Wir haben uns der EVG widersetzt, genauso wie wir uns den Pariser Verträgen widersetzt haben. Das geschah aus einem ganz einfachen Sachverhalt heraus, den Sie bis heute auch nicht haben widerlegen können, nämlich daß mit jedem Tage, an dem die beiden Teile Deutschlands immer unlösbarer in die Militärapparaturen von Ost und West eingeschmolzen werden, daß mit jedem Tage, an dem die beiden Teile Deutschlands anfangen - der eine im Bereich der westlichen Militärorganisation und der andere im Bereich der östlichen -, eine immer wichtigere, für die jeweiligen Partner unentbehrlicher werdende Rolle zu spielen, die Chancen für die schließliche Wiedervereinigung unseres Landes in gesicherter Freiheit nicht größer, sondern immer geringer werden. Das beobachten wir doch in den letzten Jahren.
({15})
Das war der wesentliche Punkt, um den es ging.
({16})
- Sie können es Hypothese heißen; das waren unsere Motive, wir lehnen nicht etwa die Zusammenarbeit in Europa ab.
Wir haben Sie beschworen, bei der europäischen Zusammenarbeit daran zu denken, daß Europa durch den Eisernen Vorhang schon gespalten genug ist und daß man sich infolgedessen darum bemühen sollte, Formen der Zusammenarbeit zu entwickeln, welche in diesem freien Europa nicht neue Gräben aufreißen. Ist es nicht so, daß genau das heute das Problem ist, das uns bewegt? Haben wir nicht eine bemerkenswerte Trübung unseres Verhältnisses zu Großbritannien zu verzeichnen? Wir wollen gar
nicht untersuchen, ob die Verantwortung dafür immer nur die eine Seite trifft. Es ist sicherlich auch manches auf der anderen Seite bedenklich. Aber ich warne angesichts der deutschen Geschichte vor einer Unterschätzung der Wichtigkeit guter und anständiger deutsch-britischer Beziehungen. Jawohl, wir haben uns ausgesprochen für den dringend notwendigen Ausgleich unseres Volkes mit den früheren Kriegsgegnern im Westen. Wir waren der Meinung, daß es die Lage unseres Volkes nicht erleichtern würde, wenn wir diesen Ausgleich mit einer durch die Umstände nicht unbedingt gebotenen Zuspitzung unseres Verhältnisses nach Osten verbänden.
Leider ist der Weg so gegangen - gegen unseren Widerstand! Jetzt stehen wir wieder an einem ähnlichen Punkt, wo die Frage gestellt werden muß, ob die unbedingt notwendige Freundschaft zwischen zwei Völkern, die jahrhundertelang miteinander verfeindet waren, zwischen den Deutschen und den Franzosen, ob die unbedingt notwendige Zusammenführung dieser beiden Völker so gestaltet werden muß, daß wir für die deutsch-französische Freundschaft zahlen mit der Entfremdung Großbritanniens.
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Das ist ein wesentliches außenpolitisches Problem. Das sollte Ihnen mindestens genauso viel Kummer machen wie uns. Darüber können wir nicht mit einigen Floskeln über die europäische Zusammenarbeit und über Karl den Großen mit seinem langen Bart hinweggehen. Hier geht es einfach darum, daß Europa schon so klein geworden ist, daß Großbritannien und Skandinavien als blühende Teile dieses Europas in diesem Europa auch ihren Platz haben müssen, nicht nur um ihretwillen, sondern auch um unsertwillen.
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Ich halte es eben einfach nicht für auf die Dauer durchhaltbar, daß wir den Briten gegenüber in eine Position geraten, die ein britischer Politiker mir mit den dürren, etwas bösen Worten etwa so gekennzeichnet hat: Wirtschaftlich und politisch wollt ihr uns vom Kontinent wegboxen, aber unsere Soldaten sollen dableiben. Das geht auf die Dauer nicht. Hier muß man sich vielmehr überlegen, daß doch das Engagement Großbritanniens in Europa und in Deutschland in der Zeit, in der wir leben, nicht begleitet sein kann von jenem Entfremdungsprozeß, der in den letzten Monaten bedenkliche Fortschritte gemacht hat.
Doch zurück zu dem Thema der Behandlung der Minister durch den Bundeskanzler. Wir sprechen ja zunächst über den Haushalt des Bundeskanzlers. Ein weiterer Mann, der sicher in seiner Politik manchen Angriff von uns hat erdulden müssen, wenn wir anderer Meinung waren als er, der aber von uns immer als ein rechtschaffener und sachkundiger Mann geschätzt worden ist und wird, hat erleben müssen, daß der Bundeskanzler mit hoher Hand in sein Ressort eingriff, als gäbe es diesen Minister gar nicht. Ich erinnere an die Auseinandersetzungen um die Subventionen im Bundeshaushalt. Da hat der Herr Bundesfinanzminister eine sehr klare und für unsere Finanzpolitik erfreuliche HalErler
tung eingenommen. Was geschah? Es erschienen ein paar wichtige Verbandsvertreter, hinter denen sich eine gewisse geballte Wählermacht ansammelt, beim Bundeskanzler. Dann hat der Bundeskanzler so entschieden, als wäre er der Finanzminister, und die Pläne wurden entsprechend geändert. Meine Damen und Herren, glauben Sie wirklich, daß diese Art im Umgang mit nächsten Mitarbeitern dazu angetan ist - zumal wenn dann auch noch in der Öffentlichkeit vom Bundeskanzler Bemerkungen über den wirklichen Wert eines Ministeramtes fallen, wie das kürzlich in Köln geschah -,
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den Respekt vor den Einrichtungen des demokratischen Staates, von dem der Herr Kollege Rasner sprach, zu erhöhen?
Der Unterschied zwischen uns ist offenbar der, daß wir selbstverständlich akzeptieren, daß auf Grund einer klaren Wahl und einer klaren Mehrheit Sie die Regierungspartei sind und die Regierung stellen und der Bundeskanzler ihr Chef ist. Das ist selbstverständlich. Genauso selbstverständlich respektieren wir, daß zu diesem Amte, das ja eine Einrichtung des Staates ist, auch das Ansehen gehört, das damit verbunden ist. Wir respektieren aber nicht, daß der Staat und die Regierung mit einem einzigen Manne identifiziert werden, als wäre er der Staat. Auch er ist ein gewählter Vertreter der Mehrheit dieses Hauses. Aber die Volksvertretung im ganzen muß auch auf ihren Rang bedacht sein
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und darf nicht in Gefahr geraten, von einem Manne so auf die Seite geschoben zu werden, wie es nach Ihrer Rede fast den Anschein hatte. Vor diesem Wege möchte ich warnen, einfach weil es im deutschen Volk bei unserer beklagenswerten Geschichte immer noch allzu viele antiparlamentarische Ressentiments und Gefühle gibt, die wir nicht ohne Not virulent machen sollten. Deshalb muß dieses Parlament um seine Rolle auch im Bewußtsein der öffentlichen Meinung ringen. Deshalb darf es nicht einfach einem blinden Führerkult verfallen.
({21})
Damit bin ich bei dem Verhältnis des Bundeskanzlers zum Parlament. Der Bundeskanzler ist von einer großen Reise zurückgekehrt. Wir sprechen heute über seinen Haushalt. Ich hatte erwartet - ich war eigentlich darauf eingerichtet -, daß der Herr Bundeskanzler diese ihm wie von selbst zugeflogene, durch keine Verfassung oder Geschäftsordnung behinderte Möglichkeit wahrnehmen würde, urn in ein paar Sätzen der Volksvertretung die wesentlichen politischen Ergebnisse seiner Reise vorzutragen.
({22})
Dieses Ansehen haben Sie dem Parlament nicht zu verschaffen gewußt. Der Bundeskanzler ist offenbar nicht bereit, es dem Parlament zu geben, indem er dieser selbstverständlichen Verpflichtung ohne Ermahnung von sich aus nachgekommen wäre, statt zunächst einmal ans Fernsehen zu gehen.
({23})
So haben wir in Ermangelung einer Rede des Kanzlers über seine Politik zur Einbringung seines Haushalts eine Rede des Kollegen Rasner über die Politik der Opposition gehört: eine merkwürdige Verschiebung der Fronten. Aber das wird ja in diesem Hause modern. Wenn die Regierung zu bestimmten politischen Fragen keine Dokumente vorzulegen hat, wie in der Deutschlandfrage, nimmt man als Ersatz Dokumente der Opposition, damit man überhaupt über etwas zu reden hat.
({24})
Ich möchte gleich eine Sache ein bißchen geraderücken, die Sie erwähnt haben. Sie haben geglaubt, ich würde nach dem Aufsatz meines Freundes Herbert Wehner im „Vorwärts" über den Deutschlandplan kein Wort mehr sagen. Aber nachdem Sie davon gesprochen haben, bin ich gern dazu bereit. Herbert Wehner hat in seinem Artikel - ich hoffe, Sie haben ihn ganz gelesen; wenn nicht, kann ich Ihnen das nur dringend empfehlen - klargestellt, was der Deutschlandplan bedeutet hat und was nicht. Er hat klargestellt, daß vieles, was Sie und was die Kommunisten in ihn hineingelesen haben, niemals darin gestanden hat. Er hat klargestellt, daß es sich dabei um einen Beitrag zu einer ganz aktuellen außenpolitischen Situation gehandelt hat, in der eine große Partei wie die unsere verpflichtet gewesen ist, wenigstens zu versuchen, den Regierungen einige Hinweise darauf zu geben, wie man möglicherweise
({25})
fangen Sie doch nicht wieder mit dieser schäbigen Verleumdungskampagne an! - den toten Punkt in der Frage der deutschen Einheit überwinden könnte. Hören wir doch mit diesen Unterstellungen auf!
({26})
Herbert Wehner hat also klargestellt, was dazu in dem Deutschland-Plan stand und was nicht darin stand. Und wenn Sie es genau wissen wollen: ich bin der Meinung, daß einige wesentliche Grundgedanken dieses Planes auch heute noch Gültigkeit haben, so z. B. der Gedanke, daß das wiedervereinigte Deutschland, wenn es überhaupt zustande kommen soll, naturnotwendig einen anderen militärischen Status haben muß als die Teile heute; denn es ist weltpolitisch ausgeschlossen, daß sich die Bundesrepublik vom Warschauer Pakt fressen läßt oder daß die Sowjetunion die Volksarmee dem General Norstad unterstellt. Beides ist ausgeschlossen. Infolgedessen wird das wiedervereinigte Deutschland einen anderen Status haben müssen, als die Teile ihn heute haben. Dieser Gedanke wird bleiben, solange die deutsche Frage nicht gelöst ist. Wenn Sie diesen Gedanken einmal begraben müßten, weil er unerfüllbar geworden wäre, würde das die Verantwortung derer sein, die damit die Spaltung Deutschlands und das Auseinanderreißen in zwei Staaten auch für die Zukunft zementiert haben.
({27})
Übrigens - das wissen ja alle diejenigen, die sich in Ihren Reihen mit den Problemen beschäftigt haben, genauso gut wie wir - dreht es sich lediglich um den Weg dahin. Deswegen betrübt es mich immer wieder, daß selbst dieser Endzustand in Ihren Reihen in Zweifel gezogen wird. Wer aufmerksamer liest, was etwa der Verteidigungsminister Strauß über den möglichen Status eines wiedervereinigten Deutschlands gelegentlich gesagt und geschrieben hat, der wird finden, daß er in diesem Punkte zu den Nachdenklicheren gehört.
Davon abgesehen gibt es immer noch Punkte zwischen uns, in denen Diskussion und Streit sein mag. Aber daß das wiedervereinigte Deutschland nicht en bloc in die NATO marschieren kann, darüber sind sich alle, die sich mit den weltpolitischen Problemen ernsthaft befaßt haben, vollkommen klar. Wer nicht bereit ist, diese Klarheit zu akzeptieren, der hat sich eben in Wahrheit mit der Spaltung unseres Landes abgefunden.
({28})
- Nein! Bitte, Kollege Heck, ich bin bereit, über dieses Problem zu diskutieren, wenn wenigstens aus Ihren Reihen Gedanken geäußert werden, wie man den toten Punkt überwinden will, an dem die deutsche Frage steht.
({29})
Der zweite Gedanke des Deutschland-Plans, der von Bestand sein wird, ist folgender. Die beiden
Teile Deutschlands haben sich auch und gerade durch die jetzt immmer sichtbarer werdende schreckliche Unterdrückungspolitik des Ulbricht-Regimes innerlich - ich meine jetzt in ihrer innenpolitischen Verfassung, nicht in der seelischen Lage der Bevölkerung - so weit auseinanderentwickelt, daß das Wiederzusammenfügen nicht einfach ein einziger revolutionärer Donnerschlag sein kann, wenn wir dabei einen bewaffneten Konflikt ausschalten. Das heißt, es wird sich dabei um einen langwierigen Weg handeln müssen. Über die Einzelheiten kann man reden. Ich spreche jetzt in der gemeinsamen Diktion des Deutschland-Planes der Sozialdemokratischen Partei und des Friedensplanes der drei Westmächte, dem die Bundesregierung ihre Zustimmung gegeben hat.
({30})
- Lesen Sie lieber beides noch einmal nach! ({31})
Nach dieser gemeinsamen Diktion wird es sich um ein stufenweises Wiederzusammenfügen handeln müssen.
({32})
- Eben, eben! Über jede dieser Stufen, über jede
einzelne Frage kann man reden und wird man zu gegebener Zeit wieder reden müssen. Aber Sie haben sich ja gar nicht darum bemüht, ernsthaft mit uns über das ganze Problem zu sprechen, sondern
Sie haben sich lediglich darum bemüht, mit Hilfe von einzelnen aus dem Zusammenhang herausgerissenen Bruchstücken zu beweisen, worauf es Ihnen ankam: daß die Sozialdemokraten eine Art gehobener Zwillingsbruder der Kommunisten seien. Darauf kam es Ihnen an und nicht auf eine ernsthafte Auseinandersetzung mit diesem Dokument; sonst hätten Sie Gegen-Ideen vorgebracht, über die man hätte reden können. Auf die warten wir heute noch.
({33})
Lesen Sie doch einmal den Aufsatz von Herbert Wehner! Da keine Regierung bereit gewesen ist, sich mit dem Grundgedanken dieses Plans ernsthaft auseinanderzusetzen, auch die sowjetische nicht, muß man bei der schnellflüssigen internationalen Situation zu jeder neu entstehenden außenpolitischen Lage seine Gedanken anders formen. Sie wissen genauso gut wie wir, wie schnellflüssig die Außenpolitik ist. Sie wissen genauso gut wie wir, daß wir auf der kommenden Konferenzserie wieder eine andere und leider Gottes keine bessere Situation haben werden als im vergangenen Jahr.
({34})
Herr Kollege Rasner sollte etwas weniger die Bonner „Dünste" lesen, die verschiedenen „Dienste", die da fabriziert werden und die den Umgang von führenden Sozialdemokraten untereinander in der Form spannender Kriminalromane darstellen. Ich kann Ihnen versichern: Sie können gelegentlich ruhig einmal einen Besuch bei uns machen. Wir werden Ihnen keine Schau vorführen. Wenn Sie sich an einer durchaus normalen Arbeitssitzung unserer Körperschaften beteiligten, würden Sie sehen, daß es da weniger wild und weniger dramatisch zugeht, als es der Öffentlichkeit vorgestellt zu werden beliebt.
({35})
- Gut, wir werden uns über den Termin verständigen.
Zurück zu dem Verhältnis des Bundeskanzlers zum Parlament! Solange die Mehrheit dieses Parlaments nicht bereit ist, seinen Anspruch auch der Regierung gegenüber zu vertreten und notfalls durchzusetzen, nützt doch alles Geschrei über die Parlamentsreform nichts. Sie sind ja ein Spezialist und Hüter der parlamentarischen Sitten. Jedenfalls hören wir gelegentlich von Ihnen immer mal wieder
- entweder hier oder draußen in der Presse - das schöne Wort vom „parlamentarischen Stil" und von dem, was nach der Meinung des Kollegen Rasner dazu gehöre und was nicht. Entschuldigen Sie, das Kernübel können Sie doch nicht aus der Welt schaffen, indem Sie eine neue Sitzordnung oder ähnliches hier einführen. Das Problem dieses Bundestages ist vielmehr das Problem seines Selbstbewußtseins, auch der Regierung gegenüber. Die Regierung wird vom Parlament gebildet. Auch wenn sie dann ein eigenes Verfassungsorgan ist, ist sie der Kontrolle dieses Parlaments unterworfen und ihm rechenschaftspflichtig und nicht etwa umgeErler
kehrt das Parlament bzw. seine Mehrheit ein Ausführungsorgan des Willens des Regierungschefs.
Jetzt haben Sie erfreulicherweise Zustimmung bekundet. Aber Ihre Rede klang eher in die andere Richtung. Sie ging eher in die Richtung, coûte que coûte, den Willen des Regierungschefs auch in denjenigen Fragen zu vertreten, in denen in Ihrem Kreis die Meinungen noch geteilt sind.
Ich habe mich damals einmal etwas über den Mut des Kollegen Kiesinger, der leider nicht mehr in diesem Hause ist, aber ein erfreuliches Wirkungsfeld in Stuttgart gefunden hat, gefreut, mit dem er einen unguten Sachverhalt öffentlich ausgesprochen hat. Auf der anderen Seite habe ich beklagt, daß er sich so leichthin damit abfand. Er hat das Verhältnis so charakterisiert: „Den alten Herrn, den ändern wir nicht mehr. Er will eben allein regieren. Und da er es bisher gut gemacht hat, wollen wir ihm das auch nachsehen." Sehen Sie, der erste Satz war eine zutreffende Tatbestandsbeschreibung, der zweite Satz war eine Kapitulationsurkunde.
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Aber die hat er ja nicht nur für sich unterschrieben. Sie haben ja auch die Vorgänge um den Wechsel der Kandidatur für die Präsidentschaftswahl erlebt, wie der Bundeskanzler im vergangenen Jahr den Bundestag düpiert hat, hier eine Debatte über seinen Haushalt einfach abrollen ließ und in Wahrheit einigen Freunden schon gestanden hatte, daß die ganze Debatte sich im leeren Raume bewege, weil er seinen Entschluß rückgängig gemacht habe. Auch ein Zeichen dafür, wie man mit der Volksvertretung umgeht: daß solche Beschlüsse nicht hier verkündet werden, sondern abends im Restaurant des Bundeshauses zu erfahren sind!
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Weiter hat Ministerpräsident Kiesinger gesagt, bei den Vorgängen um die Wahl des Bundespräsidenten habe nicht so sehr der Bundeskanzler versagt als vielmehr die christlich-demokratische Bundestagsfraktion. Auf diesen Punkt wollte ich Sie hinweisen, weil wir hier in diesem Haus unseren Rang angesichts mancher obrigkeitsstaatlicher Anwandlungen, die immer noch in unserem Volk herumspuken, nur werden behaupten können, wenn das Parlament als die gewählte höchste Körperschaft dieser Demokratie seinen Rang gegenüber der Regierung und gegenüber der Öffentlichkeit sichtbar geltend macht. Der derzeitige Regierungsstil ist nicht bekömmlich für die Entwicklung eines demokratischen Selbstbewußtseins unserer Bürger. Sicher ist das ein schwieriger Vorgang. Warum? Wir Deutschen haben das Unglück gehabt, daß wir uns nicht im Ringen mit unseren eigenen obrigkeitsstaatlichen Gewalten die parlamentarische Demokratie erkämpft haben, sondern die parlamentarische Demokratie ist bei uns zweimal als das Ergebnis einer schweren nationalen Niederlage in Erscheinung getreten, übrigens der Niederlage gerade jenes Obrigkeitsstaates in zweifacher Auflage, der unser Volk in Katastrophen hineingestürzt hat und dessen Katastrophenpolitik unser Vaterland immer kleiner werden ließ und auch noch zur schmerzlichen Zerreißung unseres Vaterlandes geführt hat. Diese Entstehungsgeschichte unserer Demokratie hat nicht gerade dazu beigetragen, daß sich die Demokratie in unserem Volk der Wertschätzung erfreut, ,die .das Selbsterrungene nun einmal hat.
Um so wichtiger ist es, daß wir alle miteinander in einem Erziehungsprozeß .das Selbstbewußtsein der Bürger stärken, einen Beitrag dazu leisten, daß der „Untertan" überwunden und daß aus dem Untertan der Staatsbürger wird. Das geschieht natürlich nicht, wenn eine mehr oder minder autokratische Regierungsweise immer wieder die Neigungen obrigkeitsstaatlicher Art in unserem Volke begünstigt, das geschieht nicht, wenn der Regierungschef nicht ein Klima der Zusammenarbeit ausstrahlt, sondern wenn es bei ihm auf die Unterwerfung der anderen ankommt, wenn sogar gelegentlich einmal auch rechtsstaatliche Prinzipien etwas leichtherzig dadurch in Frage gestellt werden, daß man zur Selbstjustiz, zur Lynchjustiz aufruft
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und dadurch kein gutes Beispiel für die Wahrung rechtsstaatlicher Prinzipien gibt.
Diese Art führt erklärlicherweise von Zeit zu Zeit auch zu Schwierigkeiten im Umgang mit anderen Staaten.
({39})
- Entschuldigen Sie, wir haben Herrn Rasner angehört, als es um unsere Politik ging; jetzt werden Sie es ertragen müssen, einen Oppositionssprecher anzuhören, wenn es um Ihre Politik geht.
({40})
- Da kam eben der freundliche Zwischenruf „Hören Sie auf". Ich freue mich, daß die Kollegen auf den vorderen Bänken anderer Meinung sind als die dahinten.
({41})
- Schön! Die Zwischenrufe sind das Salz der Rede. Aber dann müssen Sie es sich auch gefallen lassen, daß Ihnen geantwortet wird. Man läßt doch keinen Zwischenruf ungeschoren davonkommen! Kollege Rasner tut das ja auch nicht.
Als wir lasen, wie es in Japan zu einem bedauerlichen Zwischenfall gekommen ist, haben wir daran denken müssen, daß es im Umgang mit anderen Völkern nicht immer nur darauf ankommt, die Sympathie der führenden Männer allein zu haben, sondern daß wir Freundschaft suchen müssen mit den Völkern und nicht nur mit den doch mitunter vergänglichen jeweiligen Regierungen, so wichtig es für die Regierungen auch ist, daß sie miteinander kooperieren. Deshalb bedauere ich ein wenig -Entschuldigen Sie, seit wann steht denn eigentlich der Bundeskanzler in seiner Tätigkeit unter Naturschutz? Es wird doch wohl möglich sein, eine Frage, die für das außenpolitische Ansehen des deutschen
Volkes wichtig ist., in allem Freimut anzusprechen und ein Wort der Kritik zu sagen.
({42})
Solange es einen gewissen Gleichklang der Interessen gibt, werden solche Schwierigkeiten mitunter überdeckt. Schwierig wird es, wenn dieser Gleichklang der Interessen durch objektive Umstände einmal nicht mehr in vollem Ausmaß gegeben ist. Deshalb möchte ich hier in Erinnerung rufen, wie wichtig es uns jedenfalls erscheint, daß der Bundeskanzler auch durch sein Verhalten, auch durch die Art, wie er fremde Zeitungen behandelt, durch den Hinweis, es handle sich um Drahtzieher, die das deutschenglische Verhältnis störten, und ähnliches die deutsch-britischen Beziehungen in einer unseren Interessen abträglichen Weise belastet hat. Ich möchte hoffen und richte einen Appell in diesem Sinne an den Herrn Bundeskanzler, daß er sich gerade wegen der solidarischen Gemeinschaft, die wir auf der kommenden Gipfelkonferenz brauchen, auch um ein besonders enges Vertrauensverhältnis zu Großbritannien bemüht. Ich habe Anlaß, diesen Wunsch an dieser Stelle und am heutigen Tage besonders nachdrücklich vorzutragen.
Ich möchte auch ein Wort der Warnung vor allzu plötzlichen Einfällen sagen. Man muß nicht gleich mit einem Einfall, den man am Frühstückstisch hat, an die Öffentlichkeit gehen, zumal wenn es sich um heikle, delikate Fragen handelt, die mit den Schicksalsfragen unseres Landes und unserer Hauptstadt in Verbindung stehen.
({43})
- Hier handelt es sich eben nicht darum, daß ich beim Bundeskanzler in dieser Frage Phantasielosigkeit beklage, sondern darum, daß man nicht beim Regierungschef eines befreundeten Staates ein langes Gespräch über alle wesentlichen Fragen haben kann, um es ihm dann zu überlassen, am nächsten Tag in der Zeitung zu lesen, daß einem beim Frühstück ein wichtiger Punkt nachträglich eingefallen ist. Das ist schlecht.
({44})
Meinen Sie vielleicht, es sei für das Klima in dem betreffenden Lande ein Aktivum, wenn man den Regierungschef, auf dessen Verhalten es für uns jetzt sehr ankommt, in dieser Weise behandelt? Ich bitte, auch darüber ein wenig nachzudenken und hier nicht einfach nur Weihrauch zu streuen. Es kommt uns doch darauf an, Dinge, die uns gefährlich werden können, in der Zukunft zu vermeiden. Vor allem: wenn schon wichtige Dinge der Öffentlichkeit unterbreitet werden - immer wieder, Herr Rasner, auch wenn es Sie langweilt, auch wenn Sie gesagt haben, das hätten wir jedes Jahr gesagt -, erneuern wir unsere Bitte: wesentliche Entscheidungen erörtert man, bevor sie der Öffentlichkeit unterbreitet werden, mit denen, die es angeht, und nicht hinterher. Wesentliche politische Entscheidungen, die für uns alle von Belang sind, versucht man auch mit den anderen politischen Kräften in unserem Volk zu erörtern. Sie sind es doch, die immer die Gemeinsamkeit in den Lebensfragen der Nation heraufbeschwören. Diese Gemeinsamkeit kann eben - ich wiederhole es bis zum Uberdruß - nicht bloß darin bestehen, daß ein Mann glaubt, er allein erfinde die Politik und die Gemeinsamkeit bestehe darin, daß alle anderen sich hinten anzuschließen hätten; sondern dann muß miteinander diskutiert, müssen die Meinungen ausgetauscht werden. Dann hat immer noch der Regierungschef die Vollmacht, zu entscheiden, aber nicht anders herum.
Dann haben Sie sich dem innerpolitischen Kampf zugewendet und gesagt, wir verstünden da manches besser als Ihre Partei. Sie können sich doch eigentlich nicht über einen zu sanftmütigen Bundeskanzler beschweren, der die Parole ausgegeben hat, in diesen innerpolitischen Auseinandersetzungen dürfe man im Umgang mit der Macht nicht zu „pingelig" sein. Meine Damen und Herren, Macht ist nicht gut oder böse, es kommt ganz darauf an, was man damit anfängt. Daß es in der Politik immer um Macht geht, ist selbstverständlich und wird Ihnen niemand verübeln. Dabei geht es um die Erringung und um den Gebrauch der Macht, jawohl, aber es geht dann auch darum, daß die Macht, über die man im Staate verfügt, nicht dazu gebraucht wird, um die Macht der Partei zu verlängern. Um das Verständnis bei den Wählern muß sich die Par t e i bemühen. Die Regierung hat zu informieren. Sie hat aus Steuermitteln keine Parteipropaganda zu betreiben; denn die Steuern werden nicht nur von den CDUMitgliedern, sondern von allen Staatsbürgern und auch von sozialdemokratischen Wählern erhoben.
({45})
- Das gilt für alle, selbstverständlich, und wieweit Sie es da ernst nehmen, daß man auch gerade im Bunde endlich einmal den bestehenden Mißständen ein Ende setzt, werden Sie bei der Abstimmung über unseren Umdruck 509 beweisen können.
Der Bundeskanzler hat schon im vergangenen Jahr versucht, die Parole auszugeben, es gelte nun, zum Sturm auf die Rathäuser anzusetzen. Ich kann ihm das nachfühlen; der Sturm ist nicht ganz geglückt. Inzwischen sind sogar noch ein paar andere Rathäuser für seine Partei verlorengegangen. Aber vielleicht verstärkt das nunmehr in Ihren Reihen den Versuch, die Meinungsbildung noch weiter zu gängeln. Da stehen einige Projekte zur Erörterung, über die heute Klarheit geschaffen werden sollte.
Es heißt z. B., daß die geplante - oder schon eingerichtete - Koordinierungsstelle im Bundeskanzleramt eine Idee des Bundeskanzlers selber gewesen sei. Man will dort eine zentrale Planungsstelle für Informationswesen schaffen. Als ob es kein Bundespresse- und Informationsamt gäbe, mit einem recht aufgeblähten Apparat! Ich brauche Ihnen die Zahlen nicht noch einmal vorzutragen; wir kennen sie alle. Wenn der Bundeskanzler mit Herrn von Eckardt nicht zufrieden ist, soll er ihn in die Wüste schicken und durch einen anderen Mann ersetzen, der in stärkerem Maß sein Vertrauen hat. Aber dann
geht es (loch nicht an, nunmehr einen Eckardt" zu schaffen!
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Man will nach der Reorganisation des Bundeskanzleramtes davon ausgehen, daß die Koordinierung der Regierungspolitik der Leitung von Staatssekretär Globke unterstehe, Zu allem Unglück sei nun das Bundespresse- und Informationsamt Herrn Globke nicht unterstellt, weil es dort einen anderen Staatssekretär gebe. Deshalb könne das Bundespresse- und Informationsamt diese Aufgabe nicht wahrnehmen. Mit anderen Worten: Der Herr Bundeskanzler legt Wert darauf, Herrn Globke zu einer Art Bundespressekanzler zu machen, noch über den Bundespressechef hinaus.
Meine Damen und Herren, ich möchte warnen. In unserem Staate gibt ,es allzu leicht die Tendenz, wenn irgendwo eine Dummheit passiert, dann nicht etwa dafür zu sorgen, daß die Dummheit abgestellt wird, sondern zunächst die Frage zu stellen: Wer hat gepetzt, und wie ist es herausgekommen? Das ist ein unguter Zustand. Es ist die Aufgabe einer wachen öffentlichen Meinung, Dinge, die nicht in Ordnung sind, zur Aussprache zu stellen, damit sie abgestellt werden können. Wenn einmal dieses Ventil der öffentlichen Meinung zerstört ist, werden Sie rasch merken, wie schwankend der Grund wird, auf dem wir uns bewegen, und wie unkontrolliert dann auch jene Behörden eine Tages arbeiten könnten, an deren verantwortlicher Führung auch Ihnen gelegen sein sollte.
Wir haben in der Rede des Kollegen Schneider in der Spaniengeschichte vorhin gehört, was er vom Pressewesen im allgemeinen und dem ausländischen Pressewesen im besonderen hält und was er sich von der Loyalität der Presse im Bereich der NATO verspricht. Um Gottes willen, wenn jetzt die Rezepte des Bundeskanzleramts auch noch international Mode werden, könnte man versuchen, so eine Art von internationalem NATO-Presseorgan zurechtzuschustern, um der Presse beizeiten die notwendigen Maulkörbe zu verpassen. Ich meine, daß es so nicht geht. Die Ressorts müssen die Möglichkeit haben, ihre Planungen, solange sie noch nicht endgültig spruchreif sind, auf dem normalen, bisher üblichen Wege in die öffentliche Diskussion hineinzubringen, weil wir bisher immer noch davon gelernt haben, was durch eine solche allgemeine politische und auch wissenschaftliche Auseinandersetzung herausgekommen ist.
In diesen Zusammenhang gehört auch der Versuch, rechtzeitig vor dem Bundeswahljahr 1961 das Fernsehen zu bändigen. Ich will heute keine Fernsehdebatte entfesseln, sondern nur ein Prinzip aufstellen, von dem ich jedenfalls hoffe, daß auch der Kollege Heck als Sachverständiger seiner Fraktion dafür Verständnis hat. Laßt uns also nicht über Gebühren und auch nicht über unsere Gegensätze in der Frage des Werbefernsehens reden. In dieser kulturpolitischen Frage sind wir erfreulicherweise mit den großen Religionsgemeinschaften einig, und diese müssen es mit der CDU verderben. Laßt uns vielmehr zu dem entscheidenden Punkt kommen, den man ganz einfach so umschreiben kann: Heute
ist es in Rundfunk und Fernsehen so, daß ich mich gelegentlich kräftig über den Rundfunk ärgere. Aber ich tröste mich dann damit, daß ich weiß, Herr Strauß und Herr Schröder ärgern sich über den Rundfunk ebenfalls.
({47})
- Nehmen Sie kein Bandmaß, das ist wirklich zu kleinlich.
({48})
Wenn Sie die Sendungen einmal untersuchten
und nach Regierungsfreundlichkeit und wirklicher Opposition einteilten, würden Sie rasch merken, daß Sie dabei noch über Ihre Wählerzahl hinaus gut abschneiden. Daß Sie im Verhältnis zur Sozialdemokratie so wenige Mitglieder haben, ist doch nicht unsere Schuld, und daß also mancher CDUPropaganda macht, ohne das CDU-Parteibuch in der Tasche zu haben, ist ebenfalls nicht unsere Schuld.
({49})
Meine Damen und Herren, sorgen Sie dafür, daß Sie Ihre Leute organisieren! Dann kommt der Proporz schon in Ordnung. Mir kommt es auf das folgende Prinzip an. Solange wir beide uns ärgern, ist es gut. Wenn wir beide uns nicht mehr ärgerten, wären Funk und Fernsehen so langweilig, daß die Hörer abschalten könnten. Aber wenn nur noch einer von uns beiden sich ärgern muß, dann hat unser Volk seine Freiheit verloren.
({50})
Deshalb müssen wir zäh darum kämpfen, daß Funk und Fernsehen ihre Unabhängigkeit insoweit bewahren, als sie bei der Erörterung der Probleme nicht nur eine Seite zu Wort kommen lassen dürfen, sondern immer die bunte Fülle des Lebens und die verschiedenen Ansichten unserem Volke offen vorlegen müssen.
({51}) Wir werden bei der Erörterung des Gesetzes schon sehen, wohin es führt, wenn es darum geht, der Regierung zusätzlich zur Regierungspartei eine ungebührliche Sonderstellung einzuräumen und damit die Opposition praktisch wegzudrücken. Das werden wir sehr rasch merken, wenn es um die Einzelheiten geht. Aber darauf kommt es heute nicht an, darüber reden wir noch.
Jetzt zu unserem Antrag Umdruck 509. Nach ihm sollen die Mittel, die dem Bundeskanzler zur Förderung des Informationswesens zur Verfügung stehen, von 13 Millionen DM um 5 Millionen DM auf 8 Millionen DM gekürzt werden. Wir verlangen selbstverständlich nicht die Streichung, weil ein jeder Staat über Mittel zur Förderung des Informationswesens für eine ganze Reihe von Aufgaben verfügen muß. Das ist unbestritten. Wir sind aber der Meinung, die bisherige Tätigkeit des Amtes läßt nicht darauf schließen, daß die bisher verausgabten erheblichen Beträge tatsächlich in einer an5934
gemessenen Weise nur der Information und nicht auch der Propaganda zugeführt worden sind.
Zum zweiten beantragen wir, in den Vermerk die Fassung aufzunehmen:
Die Jahresrechnung über die Ausgaben dieses Titels unterliegt der Prüfung durch den Rechnungsprüfungsausschuß des Deutschen Bundestages und durch den Präsidenten des Bundesrechnungshofes. Die Erklärung des Rechnungsprüfungsausschusses des Deutschen Bundestages und des Präsidenten des Bundesrechnungshofes bilden die Grundlage für die Entlastung der Bundesregierung.
Warum dieser Antrag? Wir wollen mit ihm erreichen, daß die Mittel aus diesem Fonds für Staat und Volk und nicht zugunsten einer Partei verausgabt werden. Da haben Sie nichts zu fürchten. Es gibt erheblich delikatere Einrichtungen in unserem Staate, bei denen eine solche Kontrolle geübt wird. Was denen recht ist, sollte diesem Propagandafonds billig sein. Falls Sie die Kürzung nicht mitmachen wollen, können wir über den Antrag Umdruck 509 notfalls auch getrennt abstimmen. Wenn Sie den Antrag wegen des Haushaltsvermerks ablehnen, müssen Sie sich den Vorwurf gefallen lassen, daß mit den Mitteln aus diesem Fonds in unkontrollierter Weise Propaganda getrieben wird.
Diesen Vorwurf können Sie nicht dadurch entkräften, daß Sie hier sagen: „Nein, nein, wir sind so edle Leute, wir tun so etwas nicht", sondern den können Sie nur dadurch entkräften, daß Sie einer Gruppe zuverlässiger Abgeordneter dieses Hauses - die doch wohl mindestens genauso zuverlässig sind wie die damit befaßte Bürokratie - Einblick in die Verwendung dieser Mittel geben. Das ist einfach ein Gebot demokratischen Anstands, meine Damen und Herren.
Wie sich das in der Praxis auswirkt, dafür hier ein Beispiel, das durch eine Kleine Anfrage der Freien Demokraten zutage gefördert worden ist. Da wurde gerade jetzt nach einer Veröffentlichung der Gemeinschaft für christlich-soziale Schulung und öffentliche Meinungsbildung e. V. „Kurz und Aktuell" gefragt. Es ging darum, ob diese Schrift direkt oder indirekt, ganz oder teilweise mit Haushaltsmitteln finanziert worden ist; danach wird man ja wohl noch fragen dürfen.
Die Antwort darauf ist geradezu schnoddrig. Darin wird erst einmal der Haushaltstitel geschildert, und dann heißt es:
Nach dem Haushaltsvermerk unterliegt die Jahresrechnung ... nur der Prüfung durch den Präsidenten des Bundesrechnungshofs. Es würde dem Sinne dieser gesetzlichen Vorschrift zuwiderlaufen, wenn die Bundesregierung über die Verwendung dieser Mittel Auskünfte an andere Stellen geben würde als an den Präsidenten des Bundesrechnungshofes. Die Bundesregierung kann deshalb eine detaillierte Auskunft zu der vorliegenden Anfrage
- meine Damen und Herren, sogar das Deutsch ist schauerlich über die direkte oder indirekte, ganz oder teil- (1 weise Finanzierung der genannten Veröffentlichung aus Haushaltsmitteln keine Auskunft erteilen.
Schon das Deutsch ist geradezu sagenhaft mit dem „kann eine detaillierte Auskunft ... keine Auskunft erteilen". Aber lassen wir das.
Hierzu nur ein paar Bemerkungen. Nach diesem Verfahren können wir also überhaupt nicht mehr erfahren, bei keinem Bereich des Bundeshaushalts, ob irgendein Vorhaben aus öffentlichen Mitteln finanziert worden ist oder nicht.
({52})
Man kann immer sagen: Da diese Mittel nicht der Auskunftspflicht unterliegen, können wir natürlich auch bei anderen keine Auskunft erteilen. Das ist ein geradezu lebensgefährliches Unterfangen. Sie können diese Praxis, dem Parlament die Anfrage darüber zu erschweren, ob irgendein Vorhaben mit öffentlichen Mitteln finanziert worden ist, nur dadurch beenden, daß Sie endlich einer kleinen Gruppe des Haushaltsausschusses Einblick geben.
Dann noch etwas zu der Art der Unterschreibung dieser Antwort.
Herr Abgeordneter Erler, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Memmel?
Herr Abgeordneter Erler, Sie haben gerade von einer Gruppe „zuverlässiger" Abgeordneter gesprochen. Ich darf doch annehmen, daß das ein lapsus linguae war? Sie meinen wahrscheinlich sachkundige Abgeordnete. Sie wollen doch nicht das Haus in zwei Gruppen einteilen, zuverlässige und unzuverlässige Abgeordnete?
Natürlich nicht, zumal es durchaus möglich ist, daß jede Fraktion in den Haushaltsausschuß und infolgedessen auch in den Rechnungsprüfungsausschuß diejenigen Mitglieder entsendet, die ihr nach der Sachkunde geeignet erscheinen; selbstverständlich.
({0})
Ich wollte nur klarstellen, daß die Abgeordneten des Bundestages wohl auch nach Ihrer Meinung mindestens ein genauso hohes Maß an staatspolitischer Zuverlässigkeit zugesprochen bekommen müssen wie die Bürokratie, die sich mit der Verwendung dieser Mittel beschäftigt. Das ist der Punkt, auf den es hier ankommt.
Aber unterschrieben ist jene Auskunft nicht etwa von dem verantwortlichen Ressortchef, vom Bundeskanzler, auch nicht von seinem Staatssekretär,
(
Um die Sachen bekümmere ich mich überhaupt nicht!)
auch nicht vom Staatssekretär im Bundespresse- und Informationsamt, sondern von einem nachgeordneten Beamten. Meine Damen und Herren, auch wenn sich der Herr Bundeskanzler um diese Sachen nicht
bekümmert, er hat Vertreter, die in solchen Fällen dem Parlament mit ihrer Unterschrift geradestehen müssen. Das kann nicht ein Beamter XY sein, der den Umgang mit der Volksvertretung in Anspruch nimmt.
({0})
Hier wird eben sichtbar, ob wir den Respekt auch für unser Haus zu erringen in der Lage sind.
Sicher wird niemand von uns, auch nicht aus der Opposition, der Person des Bundeskanzlers den Respekt vor einer großartigen physischen und geistigen Leistung versagen. Aber seine Art und Weise, zu regieren, lähmt die Entfaltung der demokratischen Kräfte in unserem Lande und schafft eine eisige Luft der Isolierung um ihn herum drinnen und draußen.
({1})
Meine Damen und Herren, das erfüllt mich mit Sorge. Und damit Sie wissen, daß auch Männer, die keine Sozialdemokraten sind, diese Sorge teilen, möchte ich Ihnen nur ein paar Sätze aus einem Aufsatz vorlesen, dessen Verfasser ich Ihnen hinterher nennen werde. Es heißt darin:
Jene Denkweise, die sich im Schlagwort von der „Kanzlerdemokratie" enthüllt, steht mit ihrem Sicherungsbedürfnis und Autoritätsverlangen offensichtlich der alten Führermentalität näher, als uns lieb war und von uns allen gewollt wurde. . . . Man hat nicht gelernt, Amt und Person auseinanderzuhalten. . . . Man darf sein Vertrauen nicht auf Menschen, auch nicht auf einen anerkannt großen Staatsmann setzen. . . . Die Verwechslung von Person und Amt ist in einem tiefen Sinne unsachlich. . . . Niemand darf die staatliche Ordnung und ihre höchsten Ämter wie einen privaten Besitz behandeln. . . . Auch der Staatsmann, der ein Recht hat, von seiner geschichtlichen Sendung hoch zu denken, darf weder vom Parlament noch vom Volk für unentbehrlich gehalten werden. . . . In einer Demokratie geht jede Entmündigung des Volkes immer auf Kasten des gesamten Staatswesens. . . . Die Gefahr der Menschenverachtung ist es, wie es scheint, ,die die Versuchung jedes großen Staatsmannes vor allem am Ende seiner Laufbahn ist . . .
({2})
Falls es Sie interessiert: es ist Bischof Lilje. - Auch mich erfüllt das alles mit Sorge.
Lassen Sie mich nun zum Abschluß auf einige Punkte eingehen, die Kollege Rasner vorhin in seiner Kommunalwahlapologetik so herausgestrichen hat und bei denen er, glaube ich, sehr einseitig verfahren ist.
Herr Kollege Rasner, niemand von uns Sozialdemokraten leugnet die großartige Wiederaufbauleistung, die in Deutschland nach dem schrecklichen Zusammenbruch des Jahres 1945 vollbracht worden ist. Aber das ist nicht ,die Privatarbeit einiger weniger Männer, auch nicht die Privatarbeit einer Fraktion; ,das ist die großartige Gemeinschaftsleistung eines ganzen Volkes, zu der alle ihren Beitrag geleistet haben.
({3})
Meine Damen und Herren, wenn Sie Ausländer durch dieses Deutschland fahren und ihnen zeigen, was da geschaffen worden ist, dann zeigen Sie auch mit Stolz die Wohnbauten, die Schulen, die Krankenhäuser, die Sportanlagen in den sozialdemokratisch geführten Städten und Ländern. Alle haben Hand .angelegt, und wir erlauben es einfach nicht, daß die Leistung der Sozialdemokraten in diesem Zusammenhang einfach verschwiegen wird, als hätten wir an dieser Arbeit keinen Anteil.
({4})
Vergessen wir doch nicht, wie es angefangen hat, wie nach 1945 eine fleißige, gut geschulte und disziplinierte Arbeiterschaft gegen einen Lohn, für den sie nichts kaufen konnte, die Grundlagen für den Produktionsapparat buchstäblich aus den Trümmern herausgekratzt und aufgebaut hat!
({5})
Da wollen wir mit unserem Dank beginnen, und dann wollen wir keinen ausschließen, der an dieser Aufbauleistung seinen Anteil gehabt hat, in Regierung und Opposition.
Herr Abgeordneter Erler, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte, ich stehe zur Verfügung.
Herr Abgeordneter Rasner zu einer Zwischenfrage!
Herr Kollege Erler, glauben Sie nicht, daß zu den großartigen Leistungen eines Volkes auch eine großartige Politik einer großartigen Regierung gehört?
({0})
Herr Kollege Rasner, glauben Sie nicht, daß nach dem Jahre 1945, als die Deutschen anfingen, nicht mehr für die Zerstörung, sondern für den Wiederaufbau zu produzieren, als wir darüber hinaus das Glück hatten, zu einer Zeit, da es noch nicht einmal eine Bundesregierung gab, nicht wie die Sowjetzone weiter ausgeblutet zu werden, sondern in einer sehr kritischen Phase unserer Geschichte eine gewisse Initialhilfe von einem früheren Kriegsgegner dankbar in Empfang nehmen konnten, - glauben Sie nicht, daß das die wesentlichen Ursachen gewesen sind, zu denen auch die Regierung durch ihre Arbeit selbstverständlich mitgewirkt hat, wir alle miteinander? Alle miteinander! Aber, meine Damen und Herren, nun kommt der entscheidende Punkt: ist es denn so, daß wirklich alle Bürger unseres Landes, alle, die einen vernünftigen Anteil daran geschaffen haben, in
gleicher Weise an den Ergebnissen dieser großartigen Aufbauleistung beteiligt worden sind?
({0})
Das können Sie ja selber nicht behaupten. Da versuchen Sie doch jetzt selber mit einigen, wie ich meine, völlig unzulänglichen und am Problem vorbeigehenden Mitteln der Bevölkerung darzutun, das wirkliche Problem sei nun, das Auseinanderklaffen in die wenigen, bei denen die Konzentration von immer mehr Vermögen und Macht anwächst, und die vielen, denen es auch besser geht, die aber nicht imstande sind, einen Anteil am volkswirtschaftlichen Produktionsvermögen zu erwerben, allmählich zu überbrücken. Glauben Sie wirklich, das dadurch bewältigen zu können, daß Sie das gesamte öffentliche Vermögen, das sich rentiert - denn die Bundesbahn und die Post will ja gar keiner kaufen -, im Gesamtbetrage von 2 Milliarden Mark an eine Minderheit verhökern? Glauben nicht auch Sie, daß Sie damit vom wirklichen Problem ablenken?
({1})
- Ja sicher! Etwas, das allen gehört, wollen Sie einer Minderheit zuführen! Glauben Sie nicht, daß Sie damit vom wirklichen Problem ablenken, nämlich von dem Problem, daß wir es Jahr für Jahr in unserer Volkswirtschaft allein in der Großwirtschaft mit einem Zuwachs an volkswirtschaftlichem Produktionsvermögen von 12 bis 15 Milliarden Mark zu tun haben, finanziert über den Preis, geschaffen aus der Arbeit aller, wobei es einfach nicht hingenommen werden kann, daß dieser ständige Vermögenszuwachs sich auch künftig allein bei denen ansammelt, die am Tage der Währungsreform zufällig Sachwertbesitzer gewesen sind?
({2}) Das ist doch das Problem.
Noch ein Wort zu einer Frage, die ja eigentlich nur - wahrscheinlich haben Sie an Landtagswahlen gedacht im Zusammenhang mit Wahlkämpfen hier angesprochen werden konnte: der Frage der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit. Auch wir Sozialdemokraten wünschen nicht eine Neuauflage der Entnazifizierung. Dazu haben wir uns völlig eindeutig ausgesprochen. Auch wir wollen niemanden von der Mitarbeit in unserem Staate ausschließen, der geirrt hat, der geglaubt hat, für eine gute Sache zu fechten.
({3})
- Entschuldigen Sie! Sie sagen: „Endlich". Kurt Schumacher ist schon so lange tot. Er ist hier vorhin beschworen worden. Er hat das schon ausgesprochen. Da haben wir doch nicht auf Herrn Schneider gewartet.
Aber das wirkliche Problem ist ja nicht dieses. Das wirkliche Problem ist nicht, ob es Barrieren allein aus der Vergangenheit geben darf. Worauf es ankommt, ist, welchen Beitrag, welchen glaubhaften Beitrag der einzelne zur Überwindung der Vergangenheit, und zwar auch seiner eigenen, geleistet hat; ob er sich der Auseinandersetzung mit den totalitären Kräften, denen er vielleicht in seiner
Jugend einmal angehangen hat, in voller Öffentlichkeit auch selber und mit Mut stellt. Das ist das wirkliche Problem. Da vermissen wir von so manchem ein eindeutiges Wort. Vielleicht will er nicht unnötig Sympathien in Bevölkerungsgruppen verlieren, auf deren Sympathien es ihm doch noch ankommt. Nicht jeder Antibolschewist ist ein guter Demokrat. Es kommt nicht allein auf das „Anti" an, sondern auf die positive Verbundenheit mit der freiheitlichen rechtsstaatlichen Demokratie.
Meine Damen und Herren, die Wahl im Jahre 1957, von der Sie gesprochen haben und die wir hinnehmen, war doch nicht für die Ewigkeit. Das war eine Wahl. Der folgen andere Wahlen. Sie kämpfen um die Bewahrung der Macht. Wir kämpfen darum, daß wir Sie aus der führenden Stellung in der Bundesrepublik verdrängen. Beides ist Ihr Recht wie unser Recht; das ist das normale Verhältnis in einer parlamentarischen Demokratie. Aber daraus können Sie doch nicht herleiten, daß der Regierungschef gewissermaßen vor allen kritischen Äußerungen gegenüber seiner Tätigkeit nun plötzlich tabu zu halten sei.
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- Richtig, weil Sie das „Wie" angesprochen haben, möchte ich Ihnen eines sagen. Dieses „Wie" hängt ganz entscheidend davon ab, .selchen Umgangston nicht nur im Parlament, sondern auch in der Öffentlichkeit und auch und gerade bei Wahlen der Mann anschlägt, der in die höchste Regierungsverantwortung berufen worden ist.
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Wer sich da hinstellt und sagt: „Im Umgang mit der Macht soll man nicht pingelig sein" und „Wer Sozialdemokraten wählt, der wählt den Untergang Deutschlands" und wer ähnliche Hunnenlegenden verbreitet, der darf sich nicht wundern, wenn die innenpolitischen Gegensätze über das Maß der sachlichen Gegensätze hinaus zugespitzt werden. Der Mann müßte Vorbild sein.
Entschuldigen Sie, wenn ich hier etwas sage, was mich innerlich heute noch wurmt. Der Herr Bundeskanzler war auf dem Heidelberger Friedhof bei der Beisetzung des verstorbenen Ministers Lindrath; den Weg zum Grabe Friedrich Eberts auf dem gleichen Friedhof hat er nicht gefunden.
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In solchen Dingen geht es auch darum, Vorbild zu sein.
Sie haben vorhin die Sache mit dem Blumenstrauß, den er angenommen hat, als ein großartiges Zeugnis der Selbstüberwindung hingestellt; die Teilnahme an dem Begräbnis Kurt Schumachers wäre Idas in glaubhafterer Weise gewesen.
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Herr Kollege Rasner, Sie haben gemeint, dadurch, daß der Kanzler Adenauer heiße, sei für die CDU eine sehr einfache Situation gegeben. Nun, so einfach ist es selbst für die Partei - nach Ihrer Meinung offenbar Führerpartei - der CDU nicht. Denn
Sie werden sich doch auch über das Problem der Nachfolge Gedanken machen müssen. Da scheint mir ,das Verhalten des Bundeskanzlers Ihre Schwierigkeiten nicht gerade erleichtert zu haben, weil er rechtzeitig jeden denkbaren Nachfolger im Bewußtsein der öffentlichen Meinung um einen Kopf kleiner macht, damit niemand in seine Nähe hinwächst.
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Das erleichtert das Problem für die CDU nicht.
Der Unterschied zu uns ist einfach der, daß wir eine demokratische Partei sind
({9})
und daß wir eine gesunde Arbeitsteilung haben. Es handelt sich bei uns um das Zusammenwirken Gleichgesinnter, nicht um Unterwerfung, sondern um Diskussion, um Freiheit der Diskussion, aber dann auch Einheit der Aktion. So wollen wir es auch weiter halten.
({10})
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.
Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Herr Kollege Erler, Sie haben eine Rede gehalten, die unter dem Motto stand: „Wer vieles bringt, wird jedem etwas bringen." Es ist deswegen sehr schwer, Ihnen zu antworten. Ich kann deshalb auch nur aus den vielen Einzelheiten, die Sie eben vorgetragen haben, hier und ,da etwas herausnehmen und darauf antworten. An Ihrer Kritik, die Ihr Recht ist, vermisse ich etwas: In Ihrer ganzen Rede war wirklich kein leitender Gedanke; ich habe ihn wenigstens nicht gefunden.
({0})
Sie haben sich in persönlichen Vorwürfen in einer Weise ergangen, die ich nicht für gut halte. Sie haben mir vorgeworfen, ich sei nicht zum Grabe Eberts gegangen. Glauben Sie mir, daß ich dem verstorbenen Präsidenten Ebert persönlich sehr nahegestanden habe. Ich wollte zu seinem Grab gehen. Ich habe mir vorher sagen lassen, wo sein Grab ist, weil ich hingehen wollte; aber durch die Menschenmenge war einfach nicht durchzukommen.
({1})
Nun, meine Damen und Herren, zu einem Vorwurf, der mich an sich schwer treffen müßte, wenn er nicht so leicht zu widerlegen wäre. Herr Kollege Erler hat behauptet, daß ich durch meine Art und Weise die Entfaltung demokratischer Kräfte lähmte. Nun, Herr Kollege Erler, wir kennen uns jetzt zehn Jahre, und ich nehme an, Sie rechnen sich doch zu den demokratischen Kräften. Ich muß Ihnen sagen, Sie haben sich in den zehn Jahren glänzend entfaltet.
({2})
Meine Damen und Herren, wie kann ich mit einem leitenden Gedanken antworten, wenn mir kein leitender Gedanke entgegengebracht wird! Das müssen Sie mir vormachen.
({3})
Ich muß mir also, genau wie er das getan hat, hier
und da etwas herauspicken; das werde ich besorgen.
({4})
Sie haben eingangs aus der „Tat" etwas über den „Konstruktionsfehler", der in der Kanzler-Demokratie liege, zitiert. Ich möchte Sie bitten, daran zu denken, daß ausgerechnet ein sozialdemokratisches Mitglied des Parlamentarischen Rates der Vater dieses Gedankens gewesen ist, und zwar Herr Katz. Alle haben dem zugestimmt.
({5})
Das können Sie mir wirklich nicht zur Last legen; ich wäre gar nicht auf den Gedanken gekommen.
({6})
Nun haben Sie von den „Hilfsmotoren" gesprochen. Ach, meine verehrten Damen und Herren, ich wünschte - das heißt, ich darf das gar nicht wünschen; also das ist irreal, was ich jetzt sage -, der Herr Kollege Erler wäre einmal Mitglied eines Bundeskabinetts. Wenn er unter Herrn Wehner als Bundeskanzler in einem Kabinett gelernt hätte würde er in vieler Beziehung ganz anders sprechen als jetzt.
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Aber natürlich kann ich das verstehen, daß zehn Jahre in der Opposition einen dazu bringen, manche Dinge ganz falsch anzusehen. Und so Gott will, bleiben Sie noch länger in der Opposition.
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Ich danke Ihnen, daß Sie mir wenigstens ein Kompliment gemacht haben. Sie haben gesagt, von Wahlen verstünde ich was. Gott sei Dank, daß ich das tue.
Einige Punkte möchte ich besonders hervorheben, damit nicht - namentlich im Ausland - falsche Eindrücke entstehen. Lesen Sie bitte nach, welche Verlautbarung heute das Wirtschaftsministerium veröffentlicht hat, lesen Sie nach, welchen Beschluß das Kabinett gestern gefaßt hat. Sie werden sehen, daß auch der Wirtschaftsminister im Prinzip mit dieser Politik absolut einverstanden ist.
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Im Laufe der Debatte wurde auch die Frage des Verdienstes um die ganze Entwicklung aufgeworfen. Verehrter Herr Erler, wenn ich daran denke, wie das seinerzeit - noch ehe der Frankfurter Wirtschaftsrat existent war - mit dem wirtschaftlichen Aufbau aussah, muß ich sagen: es war nicht viel drin, glauben Sie es mir.
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- Ich will den Namen ja gar nicht nennen, meine Damen und Herren, es könnte peinlich sein. Deswegen sage ich: es war nicht viel drin. Erst als in Frankfurt der Wirtschaftsrat unter Führung von Erhard die soziale Marktwirtschaft proklamierte, wurden die Kräfte des Volkes wirklich entfesselt; erst da konnte etwas gemacht werden.
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Keine Wirtschaftspolitik kann in einer Welt wie der unsrigen für sich allein dastehen, wenn der außenpolitische Boden nicht gegeben ist.
({12})
Ich darf Sie an eines erinnern, Herr Erler: Der Tag des Petersberger Abkommens war der entscheidende Tag.
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Das war die Nacht, in der der verstorbene Kollege Schumacher sich zu seinem Ausruf mir gegenüber hinreißen ließ, einem Ausruf, den ich nicht wiederholen will, der jedoch eine politische Bedeutung hatte. Ich darf Sie daran erinnern, daß die Sozialdemokratische Partei damals leider - leider, sage ich Ihnen - geschlossen gegen das Peters-berger Abkommen war, - ein Abkommen,
({14})
das den Demontagestop brachte, das uns den Anschluß an den Westen brachte und das uns die Möglichkeit wiedergab, ein freies Volk zu werden.
({15})
Das war die entscheidende Wende in der ganzen Politik der Bundesrepublik. Sie sagen nun - ich war wirklich tief getroffen davon, daß Sie das gesagt haben -, daß wir, die wir diese Politik betreiben, die Wiedervereinigung verhinderten. Ich will Ihnen eines darauf erwidern, Herr Erler: Wenn wir diese Politik nicht getrieben hätten, dann säßen Sie nicht mehr in diesem Saale!
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Nun zu dem Märchen von meinem Eingreifen in die Dispositionen anderer Minister. Herr Erler meinte die 97 Millionen DM Subventionen für künstliche Düngemittel. Sehen Sie, da sind Sie auch einem Märchen zum Opfer gefallen, Herr Erler. Die Sache hat sich gar nicht in meinem Zimmer abgespielt. Es hat sich gar nicht so abgespielt, daß Vertreter der Bauern zu mir gekommen sind und Forderungen aufgestellt haben. Ich will Ihnen sagen, wie sich die Sache abgespielt hat. Im Kabinett habe ich gefragt: Übernehmen Sie die Garantie dafür, meine Herren, daß, wenn wir die 97 Millionen DM streichen und dann Herr Kriedemann im Plenum den Antrag stellt, sie wiederherzustellen, Sie dann den Antrag ablehnen werden?
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Herr Abgeordneter Kriedemann, das Wort „idiotisch" ist nicht mehr parlamentarisch.
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Sie können doch auch einmal einen Anfall von Schwäche bekommen.
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- Nein?
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- Ach, Herr Kriedemann, ich würde nicht so stolz sein wie Sie.
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- Ich danke Ihnen dafür. Der eine sagt, von Wahlen versteht er etwas; der andere sagt, er kann sich so etwas nicht leisten. Im großen und ganzen, meine verehrten Damen und Herren, habe ich das Gefühl, daß das deutsche Volk und auch das Ausland der Auffassung sind, ich hätte meine Sache doch leidlich gut gemacht.
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Herr Erler, Sie haben sehr ausführlich über das deutsch-britische Verhältnis gesprochen. Ich verstehe, daß Sie davon sprechen. Das deutsch-britische Verhältnis macht auch mir Sorge. Aber Sie werden vielleicht in dem Kabinettsbeschluß von gestern gerade den Hinweis gefunden haben, daß versucht werden soll, mit der EFTA in Ordnung zu kommen. Sie dürfen aber eines nicht übersehen. Mit der Montanunion fing es an. Es kam der Gemeinsame Markt, es kam Euratom. Das alles sind Vereinigungen der Sechs, die in erster Linie einen politischen Zweck zum Ziele haben; das Wirtschaftliche kommt erst in zweiter Linie. Der politische Zweck ist der entscheidende. Wir wollen in dieser zerrissenen und gefährlichen Welt in Westeuropa einen festen Kern bilden, damit wir unsere Arbeit in Frieden tun können.
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Sie haben sich dessen gerühmt, daß Sie nur bei der EVG aus den und den Gründen dagegen gestimmt hätten. Darf ich Sie an die NATO erinnern?
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Darf ich Sie daran erinnern, daß Sie gegen unsere Aufrüstung gestimmt haben?
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- Sind Sie auch jetzt noch der Auffassung, daß diese Politik falsch war?
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- Na, das ist mir für die Wahl außerordentlich wertvoll.
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- Ich sage es Ihnen ganz offen: aus diesem Grunde habe ich Sie gefragt. Ich wollte das für die Wahl haben.
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- Nun hören Sie mal, Herr Erler, Sie sind doch ein aufrechter Demokrat. Da können Sie doch jetzt nicht sagen: Es ist leider nicht ungeschehen zu machen, deswegen machen wir mit. Das tut man als aufrechter Demokrat nicht. Dann bleibt man bei seiner Überzeugung und sagt nicht so etwas.
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- Nein, nein, Sie geben mir zuviel Material; seien Sie vorsichtig!
Nun haben Sie auf einmal den Deutschland-Plan wieder hervorgeholt. Darüber bin ich traurig. Ich hatte wirklich gehofft, der Deutschland-Plan sei von Ihnen sang- und klanglos ad acta gelegt worden. Sie haben ihn jedoch heute wieder hervorgeholt und haben damit der deutschen Sache keinen guten Dienst getan, Herr Erler. Das möchte ich Ihnen sehr nachdrücklich sagen.
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- Gut, wenn Sie auch da wieder zustimmen, ist das r mir für die Wahl sehr wertvoll! Machen Sie so weiter.
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- Natürlich, das tun Sie doch auch.
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- Also Sie arbeiten aus rein idealen Gründen? Sie arbeiten doch für Ihre Partei, weil Sie Ihre Partei für eine gute Partei halten, und ich arbeite für die Regierung und für unsere Partei, weil ich das auch für etwas Gutes halte. Und das ist mein gutes Recht.
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Sie haben aber etwas übersehen, Herr Erler. Ich habe hier vor mir die Dokumentation der Genfer Außenministerkonferenz. Ich muß auf diese Frage eingehen, weil der Herr Außenminister durch die Anwesenheit einiger dänischer Minister verhindert war, früher zu kommen, und daher Ihre Ausführungen nicht hören konnte. In dem Vorschlag, den die Westmächte mit unserer Zustimmung gemacht haben, steht doch ausdrücklich, daß sich die vier Mächte - d. h. einschließlich Sowjetrußlands - in einer gemeinsamen Erklärung, welcher beizutreten andere interessierte Staaten eingeladen wurden, verpflichten, a) jede internationale Streitigkeit mit einer anderen Partei, in die sie verwickelt werden, durch friedliche Mittel beizulegen, b) sich jeder Gewaltanwendung zu enthalten, die mit den Zielen der
Charta der Vereinten Nationen unvereinbar ist, c) einem Angreifer militärische oder wirtschaftliche Unterstützung zu verweigern.
Wenn wir eines Tages zu einer Verständigung auch mit Sowjetrußland kommen - und ich hoffe, daß wir dies mit viel Geduld erreichen werden -, werden Warschauer Pakt und NATO der Vergangenheit angehören. Das müssen Sie sich doch einmal klarmachen. Das sind doch keine Ewigkeitsinstitutionen. Aber jetzt haben wir die NATO nötig, und deswegen sind wir ihr beigetreten.
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Im Anschluß an Ihre Worte, Herr Erler, möchte ich folgendes sagen. Sicher, die Wiederzusammenfügung der beiden Teile Deutschlands wird auch innenpolitisch keine leichte Aufgabe sein. Das ist richtig. Aber ich darf im Anschluß an die Reden, die hier heute gehalten worden sind, sagen: wir sind entschlossen, jedem Bauern das, was ihm genommen worden ist, wieder zurückzugeben.
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Sie sprachen von meiner Reise. Sie übersehen, daß ich sofort am zweiten Tag über Rundfunk und Fernsehen gesprochen habe.
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- Was ist?
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- Stellen Sie mir ruhig Fragen; ich will sie gern beantworten, soweit ich dazu in der Lage bin. Ich will Ihnen aber auch etwas über meine Reise sagen, wenn das Ihre Zeit nicht zu sehr in Anspruch nimmt. Mir lag daran, vor der Gipfelkonferenz bei allen Stellen des amerikanischen Volkes dafür einzutreten, daß bei den Verhandlungen auf der Gipfelkonferenz unsere Rechte und unsere Zukunft gesichert würden. Ich habe keine Mühe gescheut.
Ich will Ihnen einmal sagen, mit wieviel Leuten ich da verhandelt habe. Ich habe mit Politikern beider Parteien verhandelt, selbstverständlich mit dem Präsidenten, selbstverständlich mit Herter. Ich habe Reden gehalten, „statements" abgegeben. Ich habe mir die denkbar größte Mühe gegeben. Das eine Empfinden habe ich: es war gut, daß ich die Reise unternahm. Ich glaube, wer ein Kommuniqué zu lesen versteht und das Kommuniqué, das Eisenhower und ich herausgegeben haben, liest, wird mir das bestätigen.
({19})
Dann haben Sie von Japan gesprochen. Sie haben hier etwas von einem Zwischenfall gesagt, von dem ich gar nichts weiß. Sie haben mir den Rat gegeben, man solle mit dem Volk in Verbindung treten, nicht nur mit den zur Zeit des Besuchs leitenden Leuten. Ich möchte Ihnen sagen: das habe ich doch getan. Ich habe doch vor dem japanischen Parlament gesprochen, vor dem Oberhaus und dem Unterhaus, die zusammen eine Sitzung abgehalten haben. Ich muß Ihnen sagen, ich bin in einem Parlament noch
niemals mit einem solchen Beifall beehrt worden
- auch von der Opposition - wie im japanischen.
({20})
Ich kam mir ganz fremdartig vor,
({21})
daß so etwas überhaupt möglich ist. Daß mich im Oberhaus und im Unterhaus auch die Opposition so herzlich begrüßten, daß sich nachher die Führer der sozialistischen japanischen Partei mir vorstellen ließen, um mit mir zu sprechen, habe ich hier noch nie erlebt.
({22})
Meine Damen und Herren, Sie wittern eine böse Sache in der Planungsstelle im Bundeskanzleramt. Nun, ich will Ihnen sagen, wie stark sie besetzt ist; dann können Sie selbst Ihre Schlüsse ziehen. Sie ist mit einem Referenten, einem Hilfsreferenten und einer Arbeitskraft, die gleichzeitig noch in einem anderen Ressort des Bundeskanzleramtes tätig ist, besetzt. Glauben Sie, daß man mit zweieinhalb Persönlichkeiten so viel Unfug anrichten kann, wie Sie sich das vorstellen?
({23})
- Sehen Sie, da fehlt Ihnen die Erfahrung; sonst würden Sie das nie für möglich halten.
Ich will Ihnen auch sagen, was diese Personen tun. Mir war gesagt worden, daß Sie mich daraufhin stellen würden. Wer mir diese Mitteilung gemacht hat, weiß ich nicht. Diese Stelle soll in Zusammenwirken mit den einzelnen Ressorts und dem Bundespresseamt auf eine rechtzeitige Unterrichtung der Öffentlichkeit über die Pläne und Arbeiten der Bundesregierung hinwirken. Sie soll die Arbeit der Bundesregierung zeitlich abstimmen, insbesondere auch mit dem Zeitplan von Bundestag und Bundesrat, - also doch eine ganz zulässige Beschäftigung, Herr Erler. Ich würde bitten, sehen Sie sich das doch gelegentlich einmal an und sprechen Sie einmal mit Herrn Globke darüber. Dann werden Sie sehen, die Sache ist eine völlig harmlose Geschichte.
Sie haben dann etwas gesagt, was mir unsympathisch ist. Sie haben gesagt, ich mache jeden, der in meine Nähe komme und der eventuell mein Nachfolger werden könne, um einen Kopf kleiner.
({24})
Herr Erler, wenn ich wirklich ein so grausamer
Mensch wäre, wie Sie das anzunehmen scheinen,
hätte ich nicht ein so großes Angebot von Ministern.
({25})
Also, meine Damen und Herren, scheint doch die Arbeit unter mir attraktiv zu sein.
({26})
Was Sie mir da unterschieben, das liegt mir wirklich völlig fern. Ich stehe mit meinen Kollegen im allgemeinen in einem sehr guten Verhältnis.
({27})
- Sie stehen untereinander auch nicht immer in einem absolut guten Verhältnis; das weiß doch jeder.
({28})
Es ist doch ganz klar: wo Männer sind, gibt es auch verschiedene Meinungen, und man muß sich auch auseinandersetzen. Wenn man klug ist, hört man auch auf eine andere Meinung, und ein bißchen klug bin ich auch und tue das deshalb auch. Aber daß jeder Minister nun eine völlig eigene Politik macht, das ist unmöglich.
({29})
- Das würden Sie auch nicht erlauben. Wenn Sie Krach im Vorstand haben - und Sie haben reichlich Krach -,
({30})
dann einigen Sie sich nachher immer auf eine offizielle einheitliche Meinung. Das ist ganz richtig; das würde ich auch an Ihrer Stelle tun. So machen wir es auch im Kabinett. Das ist doch ganz klar. Man geht doch nicht an die Öffentlichkeit und sagt: Der eine will das, der andere will das! Wo bliebe dann die Partei, und wo bliebe dann mein Kabinett.
({31})
Ich bin Gott sei Dank mit einer ziemlich dicken Haut gesegnet worden. Ich kann deswegen Kritik sehr gut vertragen, und ich nehme auch nichts übel. Herr Erler, Sie haben so allerhand gesagt, was nicht richtig ist. Ich nehme es Ihnen weiter nicht übel. Ich sage wahrscheinlich über Sie auch hier und da mal etwas, was nicht richtig ist.
({32})
- Ich bekenne wenigstens meine Sünden, Sie tun das nicht.
({33})
Und so, meine Damen und Herren, nehmen Sie mich alles in allem; ich bin so wie ich bin. Sie haben so schön vorgelesen, was der Herr Kiesinger gesagt hat: „Er hat seine Sache gut gemacht, daher braucht er sich auch nicht zu ändern." Nun gut! Wenn einer seine Sache gut gemacht hat, hat er es auch nicht nötig, sich zu ändern.
({34})
Das Wort hat der Abgeordnete Lenz ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Einzelplan 04 Kap. 01 ist finanziell von unerheblichem Interesse. Trotzdem entzünden sich daran die leidenschaftlichsten Debatten des Hohen Hauses, weil es hier um den Mann und das Amt des Regierungschefs geht. Auch wir
Lenz ({0})
wollen, da sich dies nun eingebürgert hat, diesem Brauche folgen. An sich muß man ja nicht immer etwas sagen. Sie haben heute morgen gesehen, daß wir anläßlich der Spanien-Debatte geschwiegen haben. Wir haben es getan, weil uns Anfrage und Zeitpunkt der Beantwortung nicht mehr recht opportun erschienen und weil uns - alles in allem - die Erklärung des Außenministers befriedigt hat. Aber zum Einzelplan für den Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und zum Bundsekanzler selbst soll auch von uns ein Wort gesagt werden.
Aus den Reden des Herrn Bundeskanzlers und des Herrn Kollegen Rasner war zu entnehmen, daß damit der Bundestagswahlkampf 1961 in diesem Hohen Hause begonnen hat. Er hat an sich schon längst begonnen. Aber daß der Wahlkampf nun in dieses Haus getragen wurde, braucht nicht schädlich zu sein. Es braucht keine Gefahr zu sein, wenn wir - Regierung und Opposition - miteinander streiten. Jedenfalls ist uns das viel lieber, als wenn die Verbandschefs ins Bundeskanzleramt, ins Palais Schaumburg, wandern und dort hinter den Türen des Kabinetts oder im Amtszimmer des Bundeskanzlers die Wahlschlacht geschlagen wird.
({1})
Meine Damen und Herren, ich will versuchen, so etwas wie einen Grundgedanken in meine kurzen Ausführungen zu bringen, damit der Herr Bundeskanzler vielleicht etwas dazu sagen kann.
Wir machen uns sehr viele Gedanken über die sogenannte Richtlinienpolitik des Bundeskanzlers nach Bonner Grundgesetzrezeptur. Diese Richtlinienpolitik hat ja nun - das ist kein Zweifel - in den letzten Monaten, ja in den letzten Jahren einige Stürme erlebt und scheint in eine schwere Krise bezüglich der Grundsätze geraten zu sein. Vielleicht sind die Reisen, gegen die wir an sich nichts sagen, doch ein Zeichen einer gewissen Nervosität, die sich allenthalben bemerkbar macht. Mag die Wirtschaftskonjunktur noch so sehr überschäumen, es liegt eine Malaise über der öffentlichen Stimmung; das ist nicht zu bezweifeln. Ist es ein Zeichen von Nervosität, daß nun auf einmal in der ganzen Welt Kräfte gegen uns mobilisiert werden und deshalb auch von uns etwas getan werden muß?
Herr Bundeskanzler, Sie haben diese Dinge, die gelegentlich nach draußen dringen, wie Sie es nannten, bagatellisiert. Es ist ganz unbestritten - das kann selbst von einem so ruhigen Beobachter, wie ich es bin, bemerkt werden -, daß das Kabinett und die Koalition in ihrem Zusammenhalt den Eindruck einer Erschütterung machen. Es ist nicht so, daß alles hinter den Mauern des Kabinetts bleibt. Die Differenzen dringen sehr stark nach außen, und dadurch wird ganz zweifellos eine Menge Porzellan zerschlagen. Wir erleben ständig Rücktrittsankündigungen, Kündigungen und dergleichen Dinge. Wir haben gar nicht den Eindruck, als ob eitel Frieden wäre.
Nun, die Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers im Grundgesetz war - so fassen jedenfalls wir es auf - die Flucht nach vorne aus den Erfahrungen
der Weimarer Republik; sie sollte sicher nicht die echten Auseinandersetzungen im Kabinett verhindern, sondern sollte ganz im Gegenteil die Klarheit und die Wirkung des Diskussionsergebnisses sichern. Also Diskussion und Diskussionsergebnis standen im Vordergrund.
Was ist nun daraus geworden, Herr Bundeskanzler? Schauen Sie sich den Entwurf an, den die Bundesregierung zur Krankenversicherungsneuregelung eingebracht hat! Man kann doch wirklich nicht sagen, daß die Probleme gründlich durchdiskutiert wären. Dort vermißt man jede Gemeinsamkeit mit der Front; Sie haben sie auch sonst vielfach verloren. Echte, tiefe Auseinandersetzungen über die Probleme scheinen im Kabinett nicht mehr stattzufinden, und erst wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist, beginnt man zu reparieren.
({2})
Der beste Ausdruck für diese schwelende Unsicherheit und diese Ziellosigkeit, Herr Bundeskanzler, in der Koalition - ich muß jetzt vielleicht etwas sehr Hartes sagen; Sie haben es auch vorhin mit leichter Hand weggewischt - ist die außerordentliche Indiskretion, die in Ihrem Amte herrscht, innerhalb und außerhalb des Kabinetts. Wir erfahren meistens schon nach einer Stunde, was bei Ihnen besprochen worden ist, und sind keineswegs - das möchte ich wirklich sagen - beglückt darüber. Einer der Gründe, weshalb das so ist - Herr Erler hat es viel leidenschaftlicher gesagt, als ich es je könnte -, besteht darin, daß man den Eindruck hat, daß man den Mund nicht mehr vor Ihnen aufmacht, und deshalb flüchtet man sich ständig in die Öffentlichkeit.
({3})
Ein besonders prächtiges Beispiel für diese These ist der Hallstein-Plan. Sie brachten, Herr Bundeskanzler, den Plan, bevor er überhaupt diskutiert wurde, in Washington durch und haben nachher mit harter Hand dafür gesorgt - wahrscheinlich unter Unterbindung einer Diskussion -, daß er hier ebenfalls durchkommt.
(
Ich habe in Washington kein Wort darüber gesprochen!)
Der Wirtschaftsminister hat zunächst eine schneidige Attacke geritten, und jetzt beginnt er auch, mit dem Stachel zu löcken.
So war jedenfalls die Richtlinienkompetenz nicht gedacht. Wovon war die Rede? Außenpolitik und Wahlpolitik, das sind die beiden einzigen Pole der Richtlinienpolitik geworden. In den übrigen Bereichen herrscht Verwirrung, die durch die Wahlpolitik täglich zum Nachteil des Staates gesteigert wird.
({0})
Nur in der Wirtschaftspolitik ist daneben auch noch eine starke Hand von Ihnen, Herr Bundeskanzler, zu spüren, manchmal so, als ob es den Bundeswirtschaftsminister nicht gäbe.
({1})
- Nein, das muß nicht sein.
Lenz ({2})
Im Hause des Kanzlers sind einige Veränderungen eingetreten, die wir zum Teil mit Sorge, zum Teil mit Respekt zur Kenntnis genommen haben. Das Bundeskanzleramt war nicht gut . organisiert. Es ist besser. Die Angst vor einem Überministerium haben wir tatsächlich auch nicht. Aber das Planungsbüro, das jetzt aufgetaucht ist, verdient unser aller Mißtrauen. Ich nehme an, es wird vermutlich in der gleichen Schönheit sterben wie der alte Plan meines Namensvetters Otto Lenz. In den Auseinandersetzungen und in allem, was darum herumging, war wiederum sehr bezeichnend, daß allerlei Indiskretionen festzustellen waren. Der Korpsgeist in Ihrem Amte ist nicht sehr groß.
Ein Wort zum Bundespresse- und Informationsamt! Es teilt natürlich das Schicksal aller dieser Einrichtungen, die es keinem recht machen können. Seine Mittel steigen von Jahr zu Jahr. Eine klare Konzeption ist nicht recht zu erkennen. Ob es an der Sprunghaftigkeit dieses Aufbaus liegt oder an dem mangelnden Kontakt, ich weiß es nicht. Jedenfalls, die politischen Ergebnisse im In- und Ausland, vor allem im Ausland, sprechen nicht für eine Konzeption dieses Amtes, in dem sich zweifellos sehr viele einzelne große Mühe geben.
Wir werden im übrigen dem Antrag der SPD auf Herabsetzung der Mittel bzw. auf Änderung des Vermerks zustimmen. Wir haben ebenfalls seit Jahr und Tag die Meinung vertreten, daß die Beobachtung und Ausgabe dieser Mittel durchaus von einem parlamentarischen Ausschuß - ob es nun der Rechnungsprüfungsausschuß ist oder ein eigens dafür zusammengestellter Ausschuß - notwendig ist und daß die Mittel dieser Prüfung unterliegen sollen.
Unsere Kritik am Bundeskanzler liegt in vielen Einzelheiten, vor allem auch darin, daß vielerlei Regierungsversprechen nicht oder nur teilweise eingelöst sind. Wir versagen Ihnen nicht den Respekt vor Ihrem Fleiß, vor Ihrer Zähigkeit, vor Ihrer Verantwortungsfreude. Das sei ganz unbestritten. Aber auch wir haben das Gefühl, Sie müßten sich mehr um die Diskussion kümmern, die Diskussion laufen lassen. Sie müßten Männer um sich dulden, deren Führungspielraum vielfach etwas weiter gesteckt werden könnte.
Ein ernstes Wort zum Schluß! Ich glaube, es darf gesprochen werden, und wir treten sicher Ihnen, Herr Bundeskanzler, nicht zu nahe: Die Bundesrepublik steht auf zwei Augen. Dies ist auch unsere größte Sorge.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Schneider ({0}).
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Der Bundeskanzler bestimmt die Richtlinien der Politik." Dieser Satz steht im Grundgesetz, und wir haben uns nach ihm zu richten. Natürlich steht es der Opposition frei, diese Tatsache und auch die Politik des Bundeskanzlers zu kritisieren. Ich will hier, nebenbei gesagt, nicht den Bundeskanzler verteidigen. Das kann er selbst viel besser, wie er ja gerade bewiesen hat.
Ich führe zu dem bisher Gesagten nur deswegen etwas aus, weil meine Partei auch im abgelaufenen Jahre mit in der Verantwortung, und zwar in der Regierungsverantwortung, gestanden hat. Wir huldigen nämlich nicht dem Prinzip, wie wir es leider wiederholt in verschiedenen Länderparlamenten hören müssen, daß derjenige, der in der Opposition steht, deswegen aus der Verantwortung entlassen sei. Die Opposition ist genauso ein Element der staatlichen Verantwortung, wie es die Regierung ist. Insofern können wir uns eine funktionierende Demokratie ohne eine Opposition überhaupt nicht denken.
Ich sagte, wir stünden in der Regierungsmitverantwortung. Deswegen sei es mir auch gestattet, einiges auf die Ausführungen zu erwidern, die Herr Kollege Erler in seiner Ansprache gemacht hat.
Ich will gar nicht verschweigen, daß auch wir in dieser Verantwortung in der Vergangenheit mancherlei Schwierigkeiten, sei es bei uns selbst, sei es im Rahmen unserer Koalitionspartnerschaft, zu überwinden hatten. Das wird immer wieder der Fall sein. Man muß sich menschlich und sachlich in jeder Hinsicht bemühen, solche Schwierigkeiten nach Möglichkeit zu vermeiden. Ich glaube aber, die Größe der Probleme, die wir alle miteinander im letzten Jahre wieder zu lösen hatten, bringt es nun einmal mit sich, daß hier ,und da differenzierte Auffassungen auftreten. Da wir alle nur Menschen sind, geht es manchmal auch hoch her. Ich halte das persönlich gar nicht für einen Fehler.
Alles in allem kann gesagt werden, daß wir trotz mancher Pannen, die natürlich auch einer sozialdemokratischen Regierung passieren würden, auch im letzten Jahre einen gewaltigen Fortschritt im Wiederaufbau verzeichnen können. Ich betone ausdrücklich, daß das keine selbstgefällige Feststellung sein soll. Ich unterstreiche vielmehr das, was der Kollege Erler gesagt hat: daß es letzten Endes eine Leistung aller, nicht die Leistung einer Partei oder nur einiger unserer Bürger, Stände, Klassen oder was auch immer gewesen ist, sondern daß alle Hand angelegt haben.
Gleichzeitig muß ich darauf hinweisen, daß die Unkenrufe, die von sozialdemokratischer Seite in den verflossenen Jahren gerade in puncto Außenpolitik und Wirtschaftspolitik immer wieder zu hören waren, sich Gott sei Dank nicht bewahrheitet haben.
Herr Kollege Erler hat einen Ausspruch getan, der vom Hause vielleicht nicht so intensiv aufgenommen wurde, wie er es wert gewesen wäre. Er hat gesagt: „Die Bundesregierung ist aus Japan zurückgekehrt." Dabei hat er zweifellos gemeint, daß der Bundeskanzler ein gewaltiges Maß an Verantwortung, sagen wir ruhig: an Macht in seinen Händen vereinigt.
Hier sind wir an einem Problem, mit dem wir uns alle von links bis rechts auseinanderzusetzen haben. Heute sind es keineswegs die Parteien allein, sondern speziell die Persönlichkeiten, denen
Schneider ({0})
von den Wählern Beachtung geschenkt wird. Jede Partei kann sich glücklich schätzen, wenn sie über starke Persönlichkeiten verfügt, wie beispielsweise die CDU/CSU in der Person des Herrn Bundeskanzlers eine hat.
({1})
Man hat beklagt, daß solche starken Persönlichkeiten, wie es der Herr Bundeskanzler nun einmal erwiesenermaßen ist, nicht gerade einen pingeligen Gebrauch von ihrer Macht machen. Ich möchte daran erinnern, daß hier ein Widerspruch der Sozialdemokraten vorliegt, die ja selbst gerade den Sieg ihrer Persönlichkeiten in Bayern sehr gefeiert haben. Ich sehe auch nicht, daß etwa die Demokratie in Gefahr sein sollte, wenn nicht alle mit einem krummen Buckel herumlaufen, sondern wenn es Persönlichkeiten gibt, die die Dinge im Verein mit anderen verantwortlich zu gestalten vermögen. Ich würde es bedauern, wenn nicht auch die Sozialdemokraten, falls sie einmal an die Macht kämen, einen gleichen Gebrauch von dieser ihrer Macht machten. Im übrigen, meine Damen und Herren von der sozialdemokratischen Fraktion, machen Sie ja in den Ländern, in denen Sie die absolute Mehrheit haben, schon jetzt einen nicht gerade kleinlichen Gebrauch von der Macht und dem Einfluß, den Ihnen die Wählerschaft dort gegeben hat.
Herr Erler hat beklagt, daß die sozialdemokratischen Leistungen beim Wiederaufbau immer verschwiegen würden. Darauf möchte ich Ihnen mit einem kurzen Satz antworten. Es kann doch von der Bundesregierung oder den Regierungsparteien nicht verlangt werden, daß sie Propaganda für die Opposition machen. Das ist Angelegenheit der Opposition selber. Ich möchte auch nicht, wie es der Kollege Rasner hier getan hat, davon sprechen, daß die Regierungsparteien - vielleicht hat er auch nur von einer gesprochen; ich habe es nicht genau gehört - großartig seien. Das wäre selbstüberheblich. Wir wollen ruhig bekennen, daß auch die Gunst der Zeitläufte der verflossenen Jahre das ihre dazu getan hat, daß in wirtschaftspolitischer Hinsicht alles so gut gegangen ist.
Aber nachdem Herr Kollege Erler hier einige Ausführungen zu verteidigungspolitischen Fragen gemacht hat, kann ich es mir nicht versagen, darauf eine kurze Replik zu geben. Das Haus ist offenbar sehr kaffeedurstig, und ich möchte Sie und die Zeit, die uns zur Verfügung steht, nicht zu sehr strapazieren.
Herr Kollege Erler hat - sinngemäß - gesagt, die militärische Verbindung, die wir eingegangen seien, habe uns immer tiefer in die Spaltung hineinmanövriert. - Er widerspricht nicht; ich nehme also an, daß ich es jedenfalls sinngemäß richtig verstanden habe. Ich bin auch hier wieder versucht, die Frage von heute vormittag zu stellen - ob es berechtigt ist oder nicht, das mögen die Sozialdemokraten selbst beantworten -, wieweit es ihnen ernst ist mit der Landesverteidigung.
Ich stelle die Frage deswegen erneut, weil auf einen diesbezüglichen Ausspruch des Bundeskanzlers vorhin aus den Reihen der sozialdemokratischen Fraktion ein Zwischenruf kam, der erneute
Zweifel daran aufkommen lassen konnte, ob man, wenn man schon für die Landesverteidigung ist, das auch wirklich aus vollem Herzen ist oder ob man sich nur notgedrungen, wie es offenbar der Zwischenrufer getan hat, dazu bekennt, weil die Regierungsmehrheit nun einmal diesen Weg beschlossen hat. Ich kann das, was der Herr Bundeskanzler in einem-aber sehr treffenden-Satz hier gesagt hat, nur vollauf unterstreichen, und ich muß es als Politiker einer Rechtspartei tun: daß wir nämlich hier gar nicht versammelt wären und uns nicht so freimütig die Meinung sagen könnten, wenn wir nicht im Verein mit unseren Verbündeten für den Frieden gesorgt hätten.
Natürlich wird es immer ein Streit der Theorien bleiben, Herr Kollege Erler, ob die Spaltung allein durch diese Tatsache vertieft worden ist. Immerhin kann ich Ihnen entgegenhalten, daß auf diesbezügliche Ansprachen der sowjetische Regierungschef wiederholt erklärt hat, daß auch der Aufbau der Landesverteidigung der westdeutschen Republik beziehungsweise sogar die atomare Bewaffnung keine Sinnesänderung der sowjetischen Politik in puncto Wiedervereinigung herbeiführen würde. Insofern scheint es mir sehr fraglich zu sein, ob die stets wiederholte Behauptung, daß die Konstituierung einer Landesverteidigung etwa wenigstens sehr maßgeblich dazu beigetragen habe, daß wir mit unserem deutschen Anliegen Nr. 1 immer noch nicht weitergekommen seien, berechtigt ist.
Ich möchte noch einmal daran erinnern, daß wir uns damals in dem teuflischen Dilemma befanden, entweder die Freiheit zu sichern, jene Freiheit, von der wir manchmal so leichtfertig reden, die wir so mühselig wieder errungen haben, die wir aber ebenso schnell und dann für immer wieder verlieren können, und dann auch im Verein mit unseren Bündnispartnern die entsprechenden Konsequenzen daraus zu ziehen, nämlich in erster Linie militärische Konsequenzen, oder auf diese Landesverteidigung zu verzichten und dann zu riskieren, daß unsere Bundesrepublik längst in ein Chaos gestürzt wäre oder vielleicht überhaupt nicht mehr bestünde. Es ist doch nicht unsere Schuld, meine Damen und Herren, daß der Friede dieser Welt auf den Bajonetten und nicht auf den Gebetbüchern beruht. Wenn man immer wieder der Bundesregierung und den sie tragenden Parteien Vorhaltungen wegen des Engagements in den westlichen Bündnissen macht, dann muß ich meinerseits als ein Politiker der Regierungskoalition immer wieder die Gegenfrage stellen: Warum richten Sie diese Vorwürfe nicht in erster Linie an diejenigen, die an dieser ganzen Entwicklung schuld sind, nämlich an die Sowjets? Es kann doch weiß Gott der Bundesregierung und damit natürlich auch und in erster Linie dem Bundeskanzler, der die Richtlinien dieser Politik bestimmt, nicht immer wieder unwidersprochen vorgeworfen werden, daß wir in puncto Wiedervereinigung unseres Vaterlandes in den letzten Jahren inaktiv gewesen seien. Ich meine, meine Damen und Herren, daß wir endlich aufhören sollten, uns gegenseitig zu bescheinigen, daß der eine mehr und der andere weniger für die Wiedervereinigung Deutschlands sei.
Schneider ({2})
Wenn ich überhaupt noch ein Wort dazu sage, dann nur deswegen, weil ich das, was Kollege Erler hier ausgeführt hat, einfach nicht im Raum stehenlassen kann. Ich muß erneut fragen: Wo sind die sozialdemokratischen Vorschläge, außer dem von der SPD selbst inzwischen zurückgezogenen Deutschlandplan? Ich weiß nicht, wo wir heute stünden, wenn wir damals etwa mit Hurra auf den Deutschlandplan eingegangen wären und die Konsequenzen heute auf uns zu nehmen hätten, auf jenen Deutschlandplan, den verantwortliche sozialdemokratische Politiker selber inzwischen nicht mehr als realisierbar betrachten. Und was heißt es - auch hier muß ich energisch widersprechen, Herr Kollege Erler -, wenn immer davon gesprochen wird, daß die Bundesrepublik im Falle einer Wiedervereinigung einen anderen Status erhalten müsse? Meinen Sie damit vielleicht das, was der Kollege Carlo Schmid damals, als der Deutschlandplan der Sozialdemokratischen Partei der Öffentlichkeit vorgelegt wurde, im Westdeutschen Rundfunk sagte, nämlich: Darüber müssen wir uns im klaren sein, daß im Falle einer Wiedervereinigung die Bundesrepublik sozialistischer und die Zone freiheitlicher werden müssen?
Ich glaube, es gibt bei der ganzen Sachlage keine Entscheidung in der Mitte, sondern es gibt, so bitter es ist, nur eine Alternative so oder so. Ich kann für meine Freunde hier eindeutig erklären, daß wir für das, was wir getan haben, geradezustehen gedenken, auch vor einer künftigen Geschichte. Es ist eine Illusion zu glauben, daß es einen dritten Weg gäbe. Wir sehen keinen, insoweit schon gar nicht, als ja Herr Chruschtschow in Leipizg selbst eindeutig erklärt hat, daß eine Wiedervereinigung nur in Frage käme, wenn das gesamte Deutschland sozialistisch würde. Ich weiß nicht - denn Sozialismus und Sozialismus sind zweierlei, das werden die Sozial- demokraten selbst bestätigen können, denn sie wollen ja auch nicht mit dem Sozialismus jener Kommunisten identifiziert werden, und es wäre auch ungerecht, es zu tun -, ob der Sozialismus, den Herr Chruschtschow uns als Preis für eine Wiedervereinigung anpreist, nicht letzten Endes dort endet, wohin wir allesamt unter keinen Umständen wollen, wenn wir nicht unser eigenes Schicksal und darüber hinaus das Schicksal ganz Europas riskieren wollen.
Vielleicht darf in diesem Zusammenhang auch von dieser Tribüne aus noch einmal, obwohl ich es neulich schon in einer Pressekonferenz getan habe, darauf hingewiesen werden, daß wir uns auch mit Entschiedenheit gegen solche unverantwortlichen Äußerungen wehren müssen, wie sie von Vertretern namhafter westdeutscher Firmen kürzlich auf der Leipziger Messe gemacht worden sind,
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unverantwortlichen Äußerungen, mit denen sie nicht nur der Politik der Regierung in den Rücken gefallen sind, sondern praktisch ihrem Lande einen großen Schaden vor der Gipfelkonferenz zugefügt haben.
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Ich wiederhole auch hier, meine Damen und Herren: Wenn die Politik dieser Herren, die sicher verstehen, Bilanzen zu machen, die aber von der Politik nichts verstehen, effektuiert würde, dann würden sie in einigen Jahren allenfalls noch Portiers in ihren eigenen Werken sein.
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- Jawohl, Herr Kollege, dann haben sie noch Glück gehabt.
Nach diesen kurzen Ausführungen noch ein Wort zum deutsch-britischen Verhältnis. - Auch ich muß jetzt einen Gang quer über die Felder machen, weil ich dem Kollegen Erler antworten muß. - Meine Freunde von der Deutschen Partei bedauern genauso wie sehr viele in diesem Hause, daß sich das deutsch-britische Verhältnis in den letzten Jahren so sehr abgekühlt hat, wie es zuletzt in dem deutschbritischen Gespräch in Königswinter offenbar geworden ist, wie es sich aber schon lange vorher speziell durch Äußerungen über Deutschland in der britischen Presse gezeigt hatte.
Meine Damen und Herren! Es gibt doch keinen vernünftigen Menschen in unserem Lande - das muß einmal eindeutig ausgesprochen werden -, der etwa wünschte, daß wir mit den Briten in ständiger Spannung statt in Freundschaft lebten. Daß die beiden Völker in wirtschaftlicher und politischer Hinsicht vielfach divergierende Ansichten haben, divergierende Wünsche, die sich sicherlich oftmals nur sehr schwer auf einen Nenner bringen lassen, braucht doch nicht Grund zu einer Feindschaft zu sein, wie sie sich, möchte ich fast behaupten, anzubahnen beginnt. Ich möchte davor warnen, daß in einem Moment, wo wir alle Anstrengungen machen, Europa zu einigen, die Briten etwa das Gefühl bekommen, sie sollten von Europa ausgeschlossen werden.
Ich will allerdings auch nicht verschweigen, daß die ständigen Einmischungen der britischen Presse, oder besser: einer gewissen britischen Presse in innerdeutsche Angelegenheiten - wenn sie beispielsweise eine neue Entnazifizierung für Richter und Lehrer usw. usw. fordert -, die ständigen Anfragen im Unterhaus von gewissen Abgeordneten - ich möchte sagen, es sind die berufsmäßigen Deutschenfresser -, die sich mit innerpolitischen Angelegenheiten unseres Landes befassen, zumindest eine grobe Taktlosigkeit darstellen. Ich bitte mir nicht zu verübeln, wenn ich das hier so deutlich ausspreche. Ich bin, glaube ich, nach dem, was ich vorher gesagt habe, wirklich unverdächtig, jemand zu sein, der nicht bereit ist, die Hand für eine aufrichtige Partnerschaft zu bieten. Dabei geben meine politischen Freunde und ich uns nicht dem Gedanken hin, eine solche Partnerschaft der Vernunft müsse eine Liebesehe sein und wir müßten uns jeden Tag in den Armen liegen. Das ist überhaupt ein großer Fehler unseres deutschen Volkes, daß ein solches Bündnis oder eine solche Partnerschaft immer gleich auch als eine Herzensliaison betrachtet wird. Hoffentlich lernen wir da noch einmal um.
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Es kann, glaube ich, gerade in dieser schwierigen Situation, die durch die Auseinandersetzungen um die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft und EFTA entstanden ist, trotz aller Mißhelligkeiten und Mißverständnisse und auch Unfreundlichkeiten von britischer Seite, gerade von deutscher Seite nicht oft genug betont werden, daß es notwendig ist, auch Großbritannien in diesem großen Klub der Europäer zu haben, und daß es notwendig ist, eine wirkliche Freundschaft miteinander zu pflegen, soweit sie auf beiden Seiten auf wirkliches Vertrauen gegründet ist.
Nun noch ein Wort zu dem Vorwurf, den Kollege Erler mir in bezug auf die Presse gemacht hat. Ich habe heute vormittag tatsächlich gesagt, daß ich es bedauere, daß speziell die Presse unserer Verbündeten sich bei den Angelegenheiten, die unser Land betreffen - wie gerade jetzt der Spanien-Affäre -, nicht sehr loyal verhalte und daß ich eigentlich die Erwartung aussprechen müsse, daß das anders werde. Damit habe ich keineswegs einer Pressezensur und einer Uniformität das Wort geredet. Ich habe, wie aus dem Protokoll einwandfrei ersichtlich ist, in einem Nebensatz ausdrücklich darauf hingewiesen, daß es das gute Recht der Auslandspresse genau wie der unseren ist, so zu berichten, wie sie es für richtig hält. Aber das macht es mir nicht unmöglich, hier darum zu bitten, daß in jenen diffizilen Fragen, die ja in den letzten Jahren nicht leichter, sondern noch viel diffiziler geworden sind, auch eine gewisse Loyalität obwalte - jene Loyalität, die beispielsweise die britische oder die französische Presse stets dann beobachten, wenn es um die Interessen des eigenen Landes geht. - So bitte ich diese Bemerkungen von heute vormittag zu verstehen.
Nun noch eines, meine sehr geehrten Damen und Herren. Der Herr Kollege Erler hat hier über die Frage des Rundfunks und des Fernsehens gesprochen und daran gewisse Bemerkungen geknüpft, die ich auch nicht ohne weiteres unwidersprochen lassen kann. Gewiß, er hat gesagt: „Solange der Herr Bundeskanzler und der Herr Bundesinnenminister sich genauso wie ich selbst und meine Freunde über Rundfunk und Fernsehen ärgern müssen, ist alles in Ordnung." Das ist grundsätzlich richtig, obwohl ich sagen möchte, daß es auch Dinge gibt, über die sich nicht nur prominente Politiker ärgern, sondern über die sich eine sehr breite Schicht in unserem deutschen Volke ärgert. Da wird die Sache schon etwas bedenklicher. Natürlich kann man den Leuten nicht nur Programme bringen, die allen recht sind. Wenn aber - ich greife bewußt einen ganz eklatanten Fall heraus, weil sich Tendenzen in dieser Richtung immer breiter machen und weil wir auch hier einen Warnschuß abgeben wollen - ausgerechnet in einem Augenblick, in dem wir alle Anstrengungen unternehmen, uns in dieser Hinsicht europäisch zu einigen, speziell das Fernsehen, aber manchmal auch der Rundfunk sich die Freiheit nehmen, über Fragen der Verteidigung, der Bundeswehr und last not least auch der verflossenen Wehrmacht in so abfälliger Weise zu berichten, wie das beispielsweise Herr Kuby vor einem Jahr getan hat und wie das noch in jüngster Zeit ausgerechnet das Berliner
Fernsehen mit seinem Fernsehspiel „Die besten 1 Jahre unseres Lebens" gemacht hat, dann darf man sich nicht wundern, wenn die Staatsbürger das Interesse an der Politik, besonders aber das Interesse daran verlieren, daß ihre Söhne zum Dienst in der Bundeswehr eingezogen werden.
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Wir sind, glaube ich, unverdächtig, konservativreaktionär zu sein. Wenn das jemand glauben sollte, dann möchte ich dem hier ausdrücklich widersprechen. Aber gewisse Traditionen darf man einfach nicht durch den Dreck ziehen. Meine Freunde wehren sich mit Entschiedenheit so wie eh und je auch jetzt dagegen und werden sich auch in Zukunft dagegen wehren, daß die Millionen Männer, die letzten Endes ihre Pflicht für Volk und Heimat getan haben, in ,dieser Form abgewertet werden, wie es sich einige Herren bei Rundfunk und Fernsehen herausnehmen.
Pressefreiheit auf Rundfunk und Fernsehen ausgedehnt bedeutet nicht eine zügellose Freiheit, die sich herausnehmen kann, alles herabzuziehen. Nach unserer konservativen Auffassung muß man sich bei Benutzung dieser Freiheit selber die Zügel anlegen, die die Achtung vor Tradition und vor Menschen gebietet.
Und dann der Streit um das zweite Programm! Wir wissen doch viele von Ihnen werden es gerade in diesen Tagen gelesen haben -, daß speziell die sogenannte Deutsche Demokratische Republik mit einem Riesenaufwand an Sendern von enormer Sendestärke ihre Sendungen nicht nur nach Westdeutschland, nach Europa, sondern bis nach Afrika und in Staaten anderer Kontinente ausstrahlt. Nachdem die Diktatur durch die zentrale Lenkung in diesen Fragen sowieso immer im Vorteil ist, wird in diesen Sendungen eine Propaganda gemacht, gegen die wir uns nicht zur Wehr setzen können, wenn wir weiterhin in so partikularistischen und egoistischen Formen mit unserem zweiten Programm verfahren, wie das bisher der Fall gewesen ist.
Nach Auffassung meiner Freunde wird es allerhöchste Eisenbahn, hier zu einer Änderung zu kommen. Dabei möchte ich ausdrücklich betonen - um nicht in einen entsprechenden Verdacht zu geraten -, daß wir einem Staatsrundfunk oder -fernsehen nicht das Wort reden. Wir fordern aber mit allem Nachdruck, daß ,die Verantwortlichen endlich diese lächerlichen Auseinandersetzungen, ,die in der Öffentlichkeit nicht verstanden werden, unterlassen, sich zusammenfinden und angesichts der Bedrohungen, die durch die eben von mir geschilderten Tatsachen von der anderen Seite her vor unserer Tür stehen, bald die entsprechenden wirksamen Maßnahmen treffen. Es geht nicht an, daß wir in einem Augenblick, in dem eine weltweite Auseinandersetzung stattfindet, uns die Köpfe darüber zerbrechen, welcher Parteiproporz und welcher Länderproporz bei solchen Gelegenheiten gelten soll.
Noch ein letztes Wort. Wir beklagen allesamt, daß wir, abgesehen von der Sozialdemokratischen
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Partei - keine ausgesprochene Mitgliederparteien, sondern in der Hauptsache Wählerparteien sind. Wir beklagen immer wieder, wenn wir durch die Lande ziehen, um in Wahlkämpfen aufzutreten, daß die Öffentlichkeit nicht so regen Anteil an der Politik nimmt, wie wir alle es uns wünschen müßten, und zwar nicht für uns, sondern für unseren Staat, der nicht nur - formal nach Verfassungsbestimmungen - durch die Parteien, sondern der letzten Endes durch jeden einzelnen Staatsbürger getragen wird.
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- Verehrter Herr Minister, es ist ja sehr schön, wenn die Leute alle zwei Jahre einmal zur Wahl gehen und dann ein Kreuz machen. Aber Sie werden doch nicht bestreiten, daß die aktive politische Betätigung in den Parteien zu wünschen übrigläßt. Ich wünsche Ihnen, daß es bei Ihnen anders ist; aber ich glaube es kaum.
Das rührt vielleicht weniger daher, daß die Parteien nichts taugen - das wollen uns nur böse Leute oftmals weismachen -, sondern daher, daß in dem allgemeinen Getriebe, dem heute jeder einzelne beruflich und in anderer Hinsicht ausgesetzt ist, oftmals nicht mehr genug Platz für die staatspolitischen Dinge übrigbleibt. Es bleibt die vornehmste Aufgabe der Parteien, nicht nur warnend den Finger zu erheben, wenn sich da und dort einmal Persönlichkeiten in den Parteien zeigen, die es auch verstehen - ich riskiere in Erwartung Ihres Widerspruchs das Wort -, sich zur Führung einer größeren Gemeinschaft aufzuwerfen, selbstverständlich unter Beachtung der demokratischen Spielregeln. Jeder Staatsbürger sollte sich aber auch darüber im klaren sein, daß er sich das moralische Recht zur Kritik an den Maßnahmen der Regierung, ja selbst an den Reden der Opposition, selbst verscherzt, wenn er sich nicht bereit findet, das politische Leben unseres Staates aktiv mitzugestalten.
({10})
Wird noch das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache.
Ich komme zur Abstimmung über den Änderungsantrag der SPD Umdruck 509. Herr Abgeordneter Erler, soll im ganzen oder in zwei Absätzen abgestimmt werden?
({0})
- In zwei Abstimmungen also. Ich lasse zuerst über die Herabsetzung abstimmen und dann über den letzten Absatz.
Wer der Herabsetzung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letzte ist die Mehrheit; abgelehnt.
Ich komme zum zweiten Teil, dem Absatz über die Prüfung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte
ich um das Handzeichen. -- Ich bitte um die Gegenprobe. - Das zweite ist die Mehrheit; abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über den Einzelplan 04 - Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes im ganzen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; angenommen.
Ich rufe auf:
Einzelplan 05
Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts ({1}).
Der Berichterstatter, Abgeordneter Dr. Conring, hat das Wort. - Abgeordneter Dr. Conring ist bereit zu verzichten. Ist das Haus einverstanden? - Das ist der Fall. Ich mache darauf aufmerksam, daß zwei Änderungsanträge vorliegen, einer der Fraktion der SPD auf Umdruck 527 und einer der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 532. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Majonica.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Beratungen zur zweiten Lesung des Haushalts, wie wir es heute erlebt haben, bieten immer Gelegenheiten zu grundsätzlichen Bemerkungen über die Politik des verantwortlichen Ministers und seiner Mitarbeiter. Gewöhnlich sind diese Bemerkungen Kritik. Selbstverständlich stehen wir auch als verantwortliche Regierungspartei der von uns getragenen Regierung nicht unkritisch gegenüber. Ich werde noch einiges anzumerken haben, wo auch wir vom Außenminister und seinen Mitarbeitern eine größere Aktivität erwarten.
Aber ich glaube, eine genaue Abwägung und eine gerechte Beurteilung des außenpolitisch Erreichten, unserer Situation und Position werden zur Anerkennung der Leistungen des Außenministers und seiner Mitarbeiter führen müssen. Gerade die ruhigere, sichere und nicht auf Effekthascherei eingestellte Art unseres Außenministers hat wesentlich dazu beigetragen, das zu erreichen, was wir immer als den größten Erfolg der deutschen Außenpolitik ansehen werden, die Rückkehr der Bundesrepublik in die Gemeinschaft freier Nationen.
({0})
Diese Rückkehr hat sich wesentlich über unsere Europapolitik vollzogen. Ich glaube, an dieser Europapolitik hat zuerst der Abgeordnete von Brentano und nachher der Außenminister von Brentano einen wesentlichen Anteil gehabt, vor allen Dingen an dem Kernstück dieser Europapolitik, der Aussöhnung zwischen Deutschland und Frankreich. In den Ausführungen des Herrn Kollegen Erler ist heute so etwas angeklungen, als wenn die Pflege des deutsch-englischen Verhältnisses im wesentlichen ein Privileg, eine Sache der Opposition allein sei. Nun, auch wir sind aufs stärkste an einem guten deutsch-englischen Verhältnis interessiert. Ich muß die Opposition darauf hinweisen, daß sie eine ganze Reihe von Handlungen begangen hat,
die gerade nicht zur Pflege des deutsch-englischen Verhältnisses gedient haben. Sie haben den NATOVertrag abgelehnt und haben damit abgelehnt, mit England in eine Bundesgenossenschaft zu treten. Sie haben damals gegen die Stationierungskosten polemisiert und sie abgelehnt. Ich glaube, das ist keine Handlung gewesen, die zur Pflege des deutsch-englischen Verhältnisses beigetragen hat. Wir haben das Gegenteil getan und damit eine Grundlage für ein gutes deutsch-englisches Verhältnis gelegt.
Es ist auch heute wieder unserer Außenpolitik angelastet worden, daß wir immer noch nicht unser nationales Anliegen Nummer 1 verwirklichen konnten, die deutsche Wiedervereinigung. Es ist davon gesprochen worden, daß die Chance für sie durch unsere Politik kleiner geworden sei. Nun, ich glaube, jeder, der objektiv die Situation sieht, wird zustimmen müssen, daß die deutsche Wiedervereinigung bisher einzig und allein am Nein der Sowjetunion gescheitert ist. Sie hat seit 1945 konsequent die Politik vertreten, zu halten, was ihr der zweite Weltkrieg gegeben hat, und nach Möglichkeit ihren Einflußbereich weiter auszudehnen. So liegt die Verantwortung einzig und allein bei Moskau. So ist es schwer, einzusehen, daß eine deutsche Politik bei dieser Haltung der Sowjetunion die Wiedervereinigung erreichen konnte, ohne zu einer Selbstaufgabe der deutschen Politik zu kommen.
Aber es scheint mir doch auch in dieser Frage ein Erfolg deutscher Außenpolitik zu sein, daß wir Bundesgenossen gewonnen haben, die Deutschland in seinem Recht auf Selbstbestimmung unterstützen, wie es während des Aufenthaltes des Bundeskanzlers und des Bundesaußenministers in den Vereinigten Staaten der Präsident der Vereinigten Staaten noch am 17. März dieses Jahres in seiner Pressekonferenz getan hat. Ich möchte ebenso deutlich sagen: wenn Berlin heute gehalten werden kann, wenn die Bundesrepublik gesichert ist, dann ist das einzig und allein der Bündnispolitik zu verdanken, die diese Bundesregierung bisher betrieben hat.
({1})
Ich möchte es auch einen moralisch-politischen Erfolg nennen, daß die Bundesrepublik bisher als einzig legitimierter Sprecher für ganz Deutschland von der Völkerrechtsgemeinschaft anerkannt worden ist; daß bisher der deutsche Name nicht wieder im Ausland geschändet worden ist durch Vertreter eines Regimes, die gerade in diesen Tagen mit der Vernichtung freier Bauern ihr wahres verbrecherisches Gesicht gezeigt haben.
({2})
Betrachten Sie einmal die ganzen Vorgänge im Zusammenhang mit der Republik Guinea. Ich bin der Meinung, daß das Verhalten Conakrys mehr eine Bestätigung unserer bisherigen Politik als ein Argument gegen diese Politik gewesen ist. Ich meine, daß wir .vor allen Dingen jetzt vor der Gipfelkonferenz alles daransetzen müssen, daß die ZweiStaaten-Theorie Moskaus nicht durch neutrale Staaten anerkannt wird. Ich meine, daß wir bisher
auf diesem Gebiete durch die Arbeit des Auswärtigen Amtes einen vollen Erfolg erzielt haben.
Ich möchte in diesem Zusammenhang vor allen Dingen auch den Missionschefs im Ausland danken, die auf sehr schwierigem Posten diese Aufgabe angefaßt und bisher gelöst haben. Wir wissen, daß in Außenpolitik neben dem Gewicht der Tatsachen auch die menschliche Begegnung entscheidet. Gerade hier sehen wir eine besondere Qualität unseres Außenministers. Wenn die jüngsten Gespräche in Neu Delhi so einen außerordentlichen Erfolg für die deutsche Sache gebracht haben, dann ist das gerade sein Verdienst gewesen, und dafür danken wir ihm.
({3})
Dabei ist die Aufgabe eines deutschen Außenministers von der Sache her sicherlich nicht leicht. Sie wissen, daß das Mißtrauen gegen die Deutschen in der Welt immer noch groß ist. Wir haben es jüngst erlebt.
Hinzu kommt, daß die Pflege von Auslandsbeziehungen Traditionen voraussetzt. Diese Traditionen sind nicht erst 1945, sondern schon 1933 unterbrochen worden, obwohl nicht übersehen werden darf, daß gerade im Auswärtigen Amt Kräfte am Werk waren, die sich der verbrecherischen Politik eines Ribbentrop entgegengestellt haben. Ich meine, daß es trotz dieser fehlenden Tradition gelungen ist, aus dem Auswärtigen Amt ein Instrument unserer Außenpolitik zu machen, das gute Arbeit geleistet hat. Dafür sollten wir den maßgeblichen Männern danken. Vor allen Dingen scheint mir das Auswärtige Amt auf Grund persönlicher Erfahrungen und persönlichen Erlebens eine besonders gute Hand bei der Auswahl des Nachwuchses gehabt zu haben. Gerade diejenigen, die ich als junge Diplomaten im Ausland kennengelernt habe, machten einen vorzüglichen Eindruck und haben eine vorzügliche Arbeit geleistet. Ich meine, auch das ist ein guter Schritt für unsere zukünftige Außenpolitik.
Scherzhaft ist heute schon darauf hingewiesen worden - ich möchte es noch einmal unterstreichen -, daß natürlich Stärke und auch Schwierigkeit dieses unseres Außenministers darin liegen, daß der Bundeskanzler gerade der Außenpolitik bisher seine besondere Aufmerksamkeit gewidmet hat. Wir sind aber doch der Meinung, daß hier eine sehr gute Zusammenarbeit geleistet worden ist.
Lassen Sie mich zum Schluß sagen: natürlich ist die Arbeit keines Amtes vollkommen. Deshalb wünschen wir vom Außenminister und seinen Mitarbeitern eine stärkere Koordinierung bei der Politik gegenüber den Entwicklungsländern. Hier liegt eine große moralische und politische Aufgabe vor uns, die nur bei sorgfältiger Abstimmung aller Ressorts gelöst werden kann. Ich habe den Eindruck, daß diese Abstimmung nicht immer vorhanden gewesen ist.
Zweitens wünschen wir eine Überprüfung der Kulturpolitik, vor allen Dingen hinsichtlich der Schwerpunkte.
Drittens wünschen wir eine Verstärkung unserer Public-relations-Arbeit im Ausland und vielleicht
da und dort auch ein größeres Verständnis für diese Public-relations-Arbeit.
Trotz all dieser Wünsche in diesen Wünschen
ist ja eine gewisse Kritik enthalten - müssen wir die Gesamtbilanz der Arbeit des Außenministers und seiner Mitarbeiter positiv werten. Wir müssen ihnen danken. Ich möchte ihnen vor allen Dingen auch als Mitglied des Auswärtigen Ausschusses dafür danken, daß sie immer bemüht waren, mit diesem Ausschuß einen engen Kontakt zu halten und gut zusammenzuarbeiten.
({4})
Ziehen wir eine Gesamtbilanz der Arbeit des Außenministers und seiner Mitarbeiter, so ist es keine als Selbstverständlichkeit zu erwartende Formsache, sondern eine bewußte politische Entscheidung, daß wir dem Etat des Auswärtigen Amts unsere Zustimmung geben.
({5})
Das Wort hat der Abgeordnete Ritzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist einigermaßen belustigend, daß die Redner der CDU hier bei jedem Einzelhaushalt versichern, daß sie dem Etat des in Frage kommenden Ressortministers ihre Zustimmung geben.
({0})
- So etwas versteht sich ja an sich von selbst. - Warum, wissen Sie selbst: doch nur aus propagandistischen Gründen, verbunden mit einem hohen Lob für den gerade in Frage kommenden Minister - ob verdient, ob unverdient, bleibe dahingestellt -, legen sie Wert darauf, ganz dick zu unterstreichen: Wir werden diesem Etat zustimmen. - Wir erwarten ja gar nichts anderes von Ihnen.
Bevor ich mich dem Problem zuwende, dessentwegen ich mich gemeldet habe - Entwicklungsländer -, möchte ich ganz kurz einige Bemerkungen zu zwei Problemen machen, die hier von Herrn Rasner und Herrn Majonica angesprochen worden sind. Die eine dieser Fragen ist die Einstellung der Sozialdemokratie zur Europa-Politik. Ich habe den Wunsch, dazu beizutragen, daß die Debatte nicht unnötig verlängert wird, und ich bedauere, daß Herr Rasner den Auftakt zu einer überflüssigen Verlängerung der Debatten zum Haushaltsplan 1960 gegeben hat.
({1})
Ich möchte den Herren von der CDU, die das offensichtlich nicht wissen, einen guten Rat geben: Verfolgen Sie doch bitte einmal aus Vergangenheit und Gegenwart sowohl das Schrifttum der Sozialdemokratischen Partei
({2})
als auch ihre Programme - fangen Sie beispielsweise beim Heidelberger Programm von 1925 an; ich brauche nicht weiter zurückzugehen -, als auch
die Auslassungen, die in der Presse und in Reden zu den Problemen der europäischen Einigung zu finden sind. Ich bin gern bereit, Ihnen einigen Nachhilfeunterricht zu erteilen, wenn Sie einer Unterstützung in dieser Hinsicht bedürfen, besonders um die entsprechende Literatur ausfindig zu machen.
Herr Majonica hat das deutsch-englische Verhältnis angesprochen. Er sagte, wir hätten eine gute Grundlage für ein gutes deutsch-englisches Verhältnis gelegt. Herr Kollege Majonica, wo leben Sie, in welcher Welt leben Sie eigentlich? Wissen Sie denn nicht, wie das deutsch-englische Verhältnis heute und nicht erst seit heute, sondern schon seit geraumer Zeit in England vom englischen Standpunkt aus beurteilt wird? Sie haben ungefähr im gleichen Atemzug die Missionschefs der deutschen Auslandsvertretungen gelobt. Ich könnte mir denken, daß der eine oder andere Missionschef, beispielsweise der in England, die Möglichkeit haben würde, Zweckmäßigeres, als er bis jetzt getan hat, zu einer Verbesserung der deutsch-englischen Atmosphäre beizutragen.
Als vorhin über den Einzelplan 04 abgestimmt wurde, hat die CDU-Mehrheit - selbstverständlich mit treuer Unterstützung der Deutschen Partei - das Verlangen der Sozialdemokraten nach einer parlamentarischen Kontrolle der Geheimfonds im Bereich des Einzelplans 04 - Bundeskanzler, Bundeskanzleramt, Presse- und Informationsamt - wie alle Jahre wieder abgelehnt.
({3})
- Alle Jahre wieder! Herr Barzel, Sie sind doch ein sehr wißbegieriger Mann, wie ich mir sagen ließ. Darf ich Ihnen sagen, daß es beispielsweise in einem anderen Haushalt zu einer ganz akzeptablen Verständigung gekommen ist, nämlich bei dem Haushalt Einzelplan 05, den wir im Augenblick erörtern. Auch da gibt es einen Geheimfonds. Auf Grund einer sehr vernünftigen Einstellung des Außenministers haben wir uns über eine gewisse Art von parlamentarischer Kontrolle dieses Geheimfonds verständigen können. Wo ein Wille ist, Herr Dr. Barzel, ist immer auch ein Weg. Oder ist bei Ihnen kein Wille vorhanden?
Nun einige Bemerkungen zu dem Problem der Entwicklungsländer. Ich habe am 11. Februar 1960 im Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages eine technische Zusammenfassung aller Bundesleistungen zugunsten der Entwicklungsländer verlangt. Ich freue mich, feststellen zu können, daß sowohl dem Haushaltsausschuß als auch dem Auswärtigen Ausschuß und im Anschluß daran schließlich dem Bundestag eine Ubersicht über voraussichtliche Aufwendungen der Bundesrepublik Deutschland aus dem Bundeshaushalt und dem ERP-Vermögen zugunsten entwicklungsfähiger Länder im Rechnungsjahr 1960 vorgelegt worden ist.
Meine Damen und Herren, eine genaue Durchsicht der hier gelieferten Zahlen, die sehr interessant und sehr aufschlußreich sind, zeigt, daß wir nicht nur einer Art von haushaltstechnischer Zusammenfassung, sondern auch einer weit darüber
hinausgehenden Koordinierung bei der Anwendung unserer Maßnahmen zugunsten der Entwicklungsländer bedürfen. Wir brauchen diese Koordinierung in bezug auf die Grundsätze, in bezug auf die Möglichkeiten, in bezug auf die praktische Durchführung. Ich glaube, es wird gut sein, daß wir uns darauf einstellen, mindestens im Rahmen einer in jedem Jahr wiederkehrenden Anlage zum Bundeshaushaltsplan den haushaltstechnischen Nachweis zu erfahren und im übrigen auch an ein Instrument zu denken, das die Koordinierung sicherstellt.
Wenn wir diese Zahlen einmal kurz durchsehen - ich sehe davon ab, sie hier aus dem Blatt zu entnehmen, um nicht in Einzelheiten zu verfallen -, finden wir, daß im Einzelplan 05, der im Augenblick zur Debatte steht, 110 700 000 DM und eine Bindungsermächtigung über 70 Millionen DM zugunsten der Entwicklungsländer vorhanden sind. In anderen Einzelplänen - 06, 09, 10, 11, 32 und 60 - sind andere, noch weit darüber hinausgehende Beträge enthalten.
Der Bundeshaushalt im ganzen ist nach dem Entwurf für 1960 mit 580,4 Millionen DM zugunsten der Entwicklungsländer ausgestattet; aus dem ERP-Sondervermögen kommen noch 75,8 Millionen DM hinzu. Beide Zahlen zusammen ergeben die große Leistung von 656,28 Millionen DM. Dazu kommen naturgemäß noch die Anteile, die aus den Leistungen der Bundesregierung zugunsten internationaler Organisationen in die Entwicklungsländer fließen. Das sind nach der Schätzung noch einmal 16,22 Millionen DM. Dazu kommen Ausfallbürgschaften des Bundes in Milliardenhöhe.
Hier entsteht die Frage: was machen wir eigentlich mit diesem Geld, fangen wir etwas Richtiges an? Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion war die erste Ruferin im Streit. Sie beansprucht deswegen kein Prioritätsrecht, aber es ist eine historische Tatsache, daß sie 'die erste Ruferin im Streit zugunsten von Bewilligungen zur Förderung der Lage (in den einzelnen Entwicklungsländern war. Wir sind nicht im klaren darüber, ob alles das geschehen ist und nichts unterlassen wurde, was zu einer vernünftigen und zweckmäßigen Verwendung der hier in Frage kommenden Riesenbeträge zu führen vermag.
Ich habe vor einiger Zeit mit dem Herrn Bundesaußenminister und dem Herrn Staatssekretär im Bundesaußenministerium Fühlung genommen und freue mich feststellen zu können, daß diese Fühlungnahme einen Erfolg hatte. Es gibt in der deutschen Literatur seit einiger Zeit eine Übersetzung eines von zwei amerikanischen Autoren geschriebenen Buches, das den schönen Titel trägt „Der häßliche Amerikaner". Wenn man dieses Buch liest, kommt man zu dem Ergebnis, daß jeder Diplomat und jeder Volksvertreter daraus etwas lernen kann. Es ist nicht in allen Teilen gleich guten Wertes; der zweite Teil fällt gegenüber dem ersten stark ab. Aber es ist eine interessante Lektüre. Ich stelle mit Dank fest, daß nach einer Mitteilung des Herrn Staatssekretärs van Scherpenberg das Auswärtige Amt 40 Exemplare dieses Buches an 40 Missionschefs im Ausland geschickt hat. Das ist schon geraume Zeit her. Mich würde nun interessieren, von dem Herrn Außenminister, der das Buch ja sicher gelesen haben wird, zu hören, welches Ergebnis aus den Berichten der deutschen Missionschefs zu entnehmen ist. Ich weiß, daß der eine oder andere deutsche Missionschef der Versuchung unterliegt, die Wahrung der protokollarischen Vorschriften wichtiger zu nehmen als die Wahrnehmung seiner eigentlichen Funktion. Aber ich kann mir denken, daß das Buch an der einen oder anderen Stelle nützlich sein konnte und sich auch als nützlich erwiesen hat. Deswegen bitte ich den Herrn Bundesaußenminister, uns nachher dazu etwas zu sagen.
Die praktische Verwendung der Riesenbeträge zugunsten der Entwicklungsländer, von denen ich gesprochen habe, kann nicht dadurch sichergestellt werden, daß irgendein deutscher Fachmann auf irgendeinem Gebiet für vier oder sechs Wochen in ein Entwicklungsland reist und mit seiner deutschen Ausbildung und seiner deutschen Einstellung, fernab von jedem Verständnis für die Wirtschaftslage und die psychologische Situation in dem betreffenden Gebiet - denn dieses Verständnis kann nicht rasch erworben werden -, tätig zu werden versucht. Ich kann mir nicht vorstellen, daß jemand bei einem Aufenthalt von vier oder sechs Wochen die Kenntnisse zu erwerben vermag, die man besitzen muß, wenn die Beträge, die in die Hunderte von Millionen D-Mark gehen, gut und zweckmäßig verwendet werden sollen.
Ich möchte an 'dieser Stelle anführen, daß mein persönlicher Freund, unser früherer Kollege und der heutige hessische Ministerpräsident Georg August Zinn nach einem relativ kurzen Aufenthalt in Ghana der dortigen Regierung eine größere Zahl von Ausbildungsplätzen für Ingenieure, Werkmeister und Mechaniker sowie in der hessischen Landwirtschaft zugesichert hat. ,Das ist einer ,der Wege, die nützlich sind: die Menschen hierherzuholen.
Ein anderer Weg ist der, der vor allem - und das darf bei dieser Gelegenheit mit Dank als ein rühmenswertes Beispiel hervorgehoben werden - von der Karl-Duisberg-Gesellschaft und von der Friedrich-Ebert-Stiftung in enger Zusammenarbeit mit dem Auswärtigen Amt begangen wird mit der Heranholung und Ausbildung von Praktikanten, Studenten und anderen Persönlichkeiten für praktische, weniger für wissenschaftliche Berufe, soweit nicht der Abschluß von Studien in Frage kommt.
Bei den Studenten aus den Entwicklungsländern offenbart sich hier allerdings teilweise eine recht üble Situation. Sie studieren relativ kurze Zeit hier. Man hat dann keinen Raum und kein Geld mehr für sie. Dann gehen sie in die Sowjetzone, werden dort groß willkommen geheißen, mit weit höheren Beträgen bedacht, können ihr Studium vollenden und ihre Prüfung machen. Das ist ein Problem, das uns bei der künftigen Erörterung sehr eingehend beschäftigen sollte.
Ich kann mir vorstellen, daß eine konstruktive Entwicklungshilfe vor allem auch darin liegt, daß wir unsere derzeitige wirtschaftliche Situation mit in Rechnung stellen. Wir haben heute gehört, daß eine große Anzahl von Arbeitsplätzen frei ist.
Warum sollte es nicht möglich sein, auf diesen Arbeitsplätzen in größerer Zahl Anlernlinge, Lehrlinge und Praktikanten aus Entwicklungsländern unterzubringen?
Ich darf in diesem Zusammenhang auch an einen nach meiner Auffassung sehr guten Vorschlag erinnern, den Herr Kollege Dr. Vogel vor kurzem in einer Rede zu dem Thema Entwicklungsländer gemacht hat, als er anregte, junge Handwerkersöhne in Entwicklungsländer zu schicken, sie mit den erforderlichen technischen Einrichtungen auszustatten und ihnen die Möglichkeit zu erschließen, sowohl für sich selbst als auch zum Anlernen der Menschen in den Entwicklungsländern zu wirken.
Wir werden bei dem Versuch, die Leistungen zu koordinieren, sehr viel mehr, als es bislang der Fall und möglich war, zu einer Prüfung unserer Chancen kommen können. Unsere Chancen sind relativ beschränkt. Ich erinnere an die Äußerung eines der Herren Professoren, die vor einigen Monaten vor den Fraktionen des Deutschen Bundestages gesprochen haben. Damals war die sehr bittere Feststellung erfolgt, daß wir im Bereich der deutschen Wissenschaft gar nicht in der Lage seien, so viele Wissenschaftler für die Entwicklungsländer überhaupt freizustellen, wie ihnen von der Bundesregierung zugesagt seien.
Im Kern komm es uns bei aller Bereitwilligkeit, für die Entwicklungsländer die uns möglichen Beträge zur Verfügung zu stellen, darauf an, daß sowohl durch technische Maßnahmen als auch durch eine, wenn ich so sagen darf, geistige Unterbauung
dessen, was zu tun ist, unter Mitwirkung des Parlaments eine Einrichtung geschaffen wird - und zwar ohne daß deswegen unbedingt neue Abteilungen usw. geschaffen werden müssen -, die geeignet ist, eine koordinierte Verwendung aller zur Verfügung stehenden Mittel aus den verschiedenen Fonds zu garantieren, und die darüber hinaus geeignet ist, eine wirklich nützliche Arbeit zu leisten, von der nach meinen Erfahrungen bis jetzt in bezug auf die Verwendung von Entwicklungsgeldern nicht in allen Teilen gesprochen werden kann.
Wir stellen zur zweiten Lesung keinen Antrag, bitten Sie aber, Ihre Aufmerksamkeit im ganzen diesem an sich sehr gewichtigen Probleme, dessen politische Bedeutung ich Ihnen nicht darzulegen brauche, zuzuwenden.
Das Wort hat der Abgeordnete Scheel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe zwei Zeitungsartikel vor mir liegen. Der eine ist aus der „Welt" und trägt die Überschrift: „Die Zone bildet Fachleute für Afrika und Asien aus."
Als erste Hochschule - so heißt es der Sowjetzone wird die Universität Leipzig im Herbst ein selbständiges Afrika-Institut erhalten. Ihm sollen bis 1965 20 Historiker, 24 Nationalökonomen, 10 Juristen, 4 Kunsthistoriker und 2 Philosophen zur Verfügung stehen. Das neue Institut hat die Aufgabe, die Kader für den Auswärtigen Dienst der Zone auszubilden, die später in Afrika und Asien tätig werden sollen.
Der zweite Artikel, den ich vor mir habe, ist eine entzückende Glosse aus der „Stuttgarter Zeitung" von heute, überschrieben: „Heia Safari!" Es wird berichtet, daß ein Angehöriger des Auswärtigen Amtes nach Guinea gereist ist und dort 700 km von Conakry entfernt den Versuch gemacht hat, den Ministerpräsidenten dieses Landes zu sprechen.
({0})
- Ihn zu treffen ist offensichtlich erfolgreich gewesen; ob sein Gespräch erfolgreich war, müssen wir noch abwarten.
({1})
- Bisher ist darüber nichts bekannt.
Wenn ich diese beiden Artikel nebeneinanderhalte, dann, glaube ich, ist es nicht schwer, zu sagen: Die Afrika-Politik der Bundesregierung - ich sage in Parenthese: falls es eine solche gibt - ist in der Vergangenheit nicht besonders glücklich gewesen, und das trotz des strahlenden Gesichts, das die Sekretärin von Sekou Touré auf dem Bild macht, auf dem sie neben unserem Bundestagspräsidenten abgebildet ist.
Ich will mich jetzt nicht mit Ihnen, meine Damen und Herren, über das schwierige Problem der Prioritäten in der Entwicklungshilfe unterhalten, ob etwa Afrika in diesem Gesamtkomplex den Aufgaben, die in Asien gestellt sind, vorgezogen werden sollte, sondern ich möchte mich zunächst mit einigen Problemen unserer Afrika-Politik befassen. Denn es scheint mir an der Zeit, eine Afrika-Politik zu entwickeln, weil wir ja durch den EWG-Vertrag mit diesem Kontinent ganz besondere Bindungen eingegangen sind, die vertraglich begründet sind.
Es darf vielleicht noch einmal daran erinnert werden, daß es in der Präambel dieses Vertrages heißt:
... in der Absicht, die Verbundenheit Europas mit den überseeischen Ländern zu bekräftigen, und in dem Wunsch, entsprechend den Grundsätzen der Satzung der Vereinten Nationen den Wohlstand der überseeischen Länder zu fördern, ...
schließen die Vertragspartner diesen Vertrag. Diese Präambel ist deswegen so wichtig, weil in dieser Formulierung die Ziele der Vereinten Nationen angesprochen sind. Diese Ziele sind, die noch abhängigen Länder und Gebiete zu politischer Unabhängigkeit zu führen.
Seit Inkrafttreten dieses Vertrages, durch den wir mit Afrika in gewisser Weise verbunden sind, haben sich sehr schwerwiegende verfassungsrechtliche Verschiebungen ergeben. Im schwarzen Kontinent, der ja seit einigen Monaten und Jahren in Bewegung gekommen ist, ist die Communauté Française gegründet worden, die es bei Abschluß der Verträge noch gar nicht gab. Schon bei der GrünScheel
dung der Communauté ist Guinea, von ,denn wir soeben schon gesprochen haben, aus ihr ausgeschieden, bzw. ist gar nicht in sie eingetreten. Das hat eine besondere rechtliche Situation ergeben, die, nebenbei bemerkt, auch bis heute noch nicht geklärt ist. Das Verhältnis Guineas zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft ist ebensowenig geklärt wie das Verhältnis Guineas zur Bundesrepublik. Faktisch hat Guinea im Januar vorigen Jahres die Zollbewegung, die alle anderen mitgemacht haben und die auf Grund der Verträge nötig war, nicht mitgemacht. Man hätte daraus schließen können, Guinea wolle der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft nicht angehören. Aber ich habe Herrn Sekou Touré in einem Gespräch in Bonn danach gefragt, und er hat mir gesagt: Nein, diese Frage ist absolut nicht geklärt, wir warten noch auf nähere Auskünfte, und wir werden uns dann erst entscheiden, ob wir der EWG angehören wollen, ja oder nein. - Sie sehen, der gleiche Nebel in den Beziehungen zwischen Guinea und der EWG wie in den Beziehungen zwischen Guinea und der Bundesrepublik.
Aber an Hand des Beispiels Guinea kann man, glaube ich, sehr wohl nachweisen, daß die Afrika-Politik der Bundesregierung offensichtlich nicht weit genug entwickelt ist; denn hier ist ein Versäumnis festzustellen. Das ist eine Frage, die sich in der näheren Zukunft für die afrikanische Entwicklung sehr verhängnisvoll auswirken kann. Afrika ist ein Kontinent, der der Historie nach, auch dem Willen seiner Bevölkerung und seiner politischen Führer nach sehr eng mit Europa zusammenarbeiten will.
Nun kommt es darauf an, ob es uns gelingt, die Krisenperioden in der Entwicklung dieses Kontinents zu überwinden. Wenn Sie heute in ein ehemaliges Kolonialgebiet gehen, das ein selbständiger Staat geworden ist, und dort nach der Skala der Sympathie für andere Völker fragen, werden Sie dem Phänomen begegnen, daß von wenigen Ausnahmen abgesehen die ehemaligen Kolonialherren als die sympathischsten angesehen werden. Es gibt auf dem Wege von der Kolonialherrschaft zur Selbständigkeit der ehemaligen Kolonialgebiete aber eine schwierige Periode, nämlich vom Tage, an dem sich diese Gebiete losreißen, endgültig unabhängig werden, bis zur Konsolidierung, und es kommt darauf an, welche Freunde in dieser Zeit zur Verfügung stehen.
Ich glaube, hier liegt eine Aufgabe der Bundesregierung. Durch Verhandlungen mit ,den europäischen Partnern sollten wir jetzt schon neben den juristischen Beziehungen, die zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und den assoziierten Ländern bestehen, auch bilaterale wirtschaftliche und politisch-diplomatisch-konsularische Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und den einzelnen Staaten herstellen beziehungsweise verstärken, auch solange diese Staaten noch nicht voll souverän sind, damit wir an dem Tage, an dem sie ihre volle Souveränität erreichen, als Freunde bei ihnen sind und damit nicht allein die Leute aus Ost-Berlin und aus Rußland zur Verfügung stehen, wenn sie in diesen Krisenwochen einen Rat und eine Hälfte brauchen.
Das ist um so wichtiger, als in nächster Zeit bedeutende Länder Afrikas ihre volle Unabhängigkeit erreichen werden. Kamerun ist schon unabhängig geworden. Togo wird in wenigen Wochen unabhängig werden. Somaliland unter italienischer Treuhandverwaltung wird Mitte dieses Jahres unabhängig werden. Die Föderationen Mali und Madagaskar haben ihren Status in der Communauté Française weit zur Unabhängigkeit hin entwickelt. Gerade gestern ist der Vertrag zwischen der Mali-Föderation und der Communauté Française abgeschlossen worden. Belgisch-Kongo wird Mitte des Jahres unabhängig werden. Die Wirkung dieser Entwicklung auf die benachbarten äquatorialafrikanischen Republiken ist schon zu sehen; sie haben sich zu einer Äquatorialafrikanischen Union zusammengeschlossen, um ebenfalls die Unabhängigkeit auf diesem Wege zu erreichen. Der Rest wird dem folgen, so daß wir es in absehbarer Zeit mit völlig anderen Verhältnissen zu tun haben.
Für die Bundesrepublik stellt sich die Frage: Ist der EWG-Vertrag und sind die Assoziierungsverträge dieser Entwicklung gewachsen? Sind sie elastisch genug? Man muß sich schon in diesen Tagen Gedanken darüber machen, wie das Durchführungsabkommen einmal abgelöst werden soll. Wir alle haben die Erfahrung gemacht, daß dieses Durchführungsabkommen nicht ausreichend elastisch ist, um die neue Situation zu meistern. Es müssen also neue Überlegungen angestellt werden. Die wichtigste Forderung, die es überhaupt geben kann, ist die, zwischen Afrikanern und Europäern ein bilaterales Verhältnis herzustellen; denn die jetzigen Verträge sind ja den Afrikanern, ohne daß sie gefragt worden wären, sozusagen als Geschenke gegeben worden. Aber mit diesen Geschenken allein ist es nicht getan. Ohne Zweifel müssen wir die Zusammenarbeit auf eine neue Basis stellen, nämlich auf die Basis einer gleichberechtigten Partnerschaft.
Das gilt auch für die Verhandlungen, die in der nächsten Zeit über die schwierigen Probleme EWG und EFTA geführt werden sollen; denn an der Veränderung des Außenzolls und an der Handhabung des Entwicklungsfonds sind die Afrikaner genauso wie die Europäer interessiert. Ich glaube, die Bundesregierung hat hier die Aufgabe, die Initiative zu ergreifen. Es sollte diesmal eine glückliche Initiative sein und nicht eine so unglückliche Maßnahme, wie wir sie leider trafen, als wir die Senkung des Kaffee- und Teezolls durch eine Erhöhung der Kaffee- und der Teesteuer ersetzten. Herr Bundesminister, ich nehme an, daß Sie an dieser Maßnahme damals unbeteiligt gewesen sind. Ich habe in vielen Gesprächen mit Afrikanern aus den Gebieten, die das trifft, die uns als einen nicht kolonialen Staat betrachtet haben, als ehrenhafte Leute, die den Willen haben, mit Afrikanern partnerschaftlich zusammenzuarbeiten, feststellen müssen, daß uns diese törichte steuerliche Maßnahme, die wir hier getroffen haben, im nachhinein völlig unnötigerweise noch 10 Jahre Kolonialpolitik auf den Buckel geladen hat. Ich glaube, es ist an der Zeit, daß wir
diesen Mißgriff, der vielleicht nur ein Irrtum war, bald wieder rückgängig machen.
({2})
- Es spielt keine Rolle, ob der Kaffeeverbrauch gestiegen ist, Herr Dr. Fritz. Die Afrikaner, die mit Sorge beobachtet haben, was aus den ihnen oktroyierten Verträgen zu ihren Gunsten herausspringt, haben sich natürlich ausgerechnet, daß wenigstens der Kaffeezoll auf den großen Märkten zu ihren Gunsten gesenkt wird. Daß er gesenkt wird, ist nach dem Vertrag nötig. Sie haben dann feststellen müssen, daß wir sie schlicht und einfach übers Ohr gehauen haben. Das mag juristisch möglich sein. Wir sollten es aber im Interesse einer konstruktiven Afrika-Politik sehr bald wiedergutmachen.
Die Afrika-Politik ist eben eine andere Seite der europäischen Politik. Wir hatten vor einigen Wochen in Königswinter die deutsch-englischen Gespräche. Hier hat das Problem Afrika eine besondere Rolle gespielt. Denn die Engländer und auch die Länder des Commonwealth betrachten natürlich die Assoziierungsverträge viel mißtrauischer, als wir das tun, obgleich auch innerhalb der EWG ein gewisses Mißtrauen gerade diesen Vertragswerken gegenüber bestanden hat und auch noch besteht. Ich habe mit den englischen Parlamentskollegen sehr eingehend über diese schwierigen Fragen gesprochen. Es war sehr interessant, daß sich sehr bald ein hohes Maß an Übereinstimmung in der Auffassung zwischen den englischen Kollegen und uns herausstellte. Wir waren uns darüber einig, daß es unmöglich ist, Afrika-Politik unabhängig voneinander zu betreiben, die EWG mit ihren Interessen auf der einen Seite und die übrigen europäischen Staaten, vornehmlich England mit den Commonwealth-Interessen auf der anderen Seite. Wir waren uns bald darüber einig, daß ein Weg gefunden werden muß, sich über die Grenzen hinweg miteinander über diese schwierigen Probleme zu unterhalten.
Diese Probleme sind von uns auch im einzelnen in einem Bericht genannt worden. Man muß sich zwischen der EWG, den Engländern und den übrigen europäischen Staaten über das Problem der Produktionsplanung für Afrika und das damit eng zusammenhängende Problem der Stabilisierung der Rohstoffpreise unterhalten. Ich will nicht in diese Materie einsteigen, weil sie zu behandeln hier nicht der Platz ist. Aber es ist eine wichtige Frage. Wir haben uns auch über gemeinsame Bemühungen zu unterhalten, den afrikanischen Ländern die europäischen Märkte zu öffnen. Außerdem haben die englischen Kollegen erfreulicherweise den Vorschlag gemacht, man möge doch einmal so etwas wie einen Colombo-Plan für Afrika entwickeln, d. h. Entwicklungsvorschläge für Afrika ausarbeiten, an denen sowohl die Afrikaner als auch die Europäer als auch möglicherweise die Amerikaner beteiligt sind. Der Colombo-Plan ist der einzige Entwicklungsplan, der wahrhaft funktioniert hat; ihn als Beispiel zu nehmen, wäre, glaube ich, eine gute Sache. Ich würde Sie geradezu bitten, Herr Bundesaußenminister, das, was ich hier als gemeinsame Überlegung zwischen deutschen und englischen Parlamentariern soeben vorgetragen habe, zu einer Initiative der Bundesregierung zu machen, die besonders in der Lage ist, auf diesem sehr komplizierten und auch psychologisch nicht einfach zu behandelnden Gebiet eine solche Initiative zu ergreifen. Wir sind in einer Stellung, aus der heraus wir uns eine Vermittlerrolle geradezu nehmen müssen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt viele Wege, zu einer Zusammenarbeit über die EWG-Grenzen hinaus in afrikanischen Fragen zu kommen. Ich will auf diese technischen Einzelheiten heute nicht eingehen, sondern nur noch abschließend ein allgemeines Wort zur Entwicklungspolitik sagen, über die sich ja erfreulicherweise die Fraktionen in diesem Hause offenbar sehr einig sind.
Wir stehen - diesen Eindruck habe ich manchmal - allzusehr unter dem alles beherrschenden Konflikt Ost-West und vergessen darüber, daß es eine vielleicht viel schwierigere und wichtigere Konfliktsituation in der Welt gibt, mit der wir uns zu befassen haben. Es ist ein großes Problem, wie wir die Konfliktsituation zwischen den industrialisierten Ländern und den nichtindustrialisierten Ländern lösen können. Wir hatten in diesem Hause einmal einen Unterausschuß des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten, der sich mit Fragen der Entwicklungspolitik, vielleicht in einem zu engen Rahmen, befaßt hat, unter dem verdienstvollen Vorsitz unseres leider verstorbenen Kollegen Dr. Leverkuehn. Ich würde sehr darum bitten - das ist ein Wunsch an Sie, meine sehr geehrten Kollegen -, daß diese Arbeiten, in welcher Form auch immer, bald wieder aufgenommen werden. Denn eine parlamentarischen Koordinierung auf diesem wichtigen Felde scheint mir nötig zu sein, da die Koordinierung in der Tat bei der Bundesregierung leider fehlt. Darauf hat ja Herr Kollege Majonica mit Recht hingewiesen, und Kollege Ritzel hat diese Beobachtungen hier noch einmal unterstrichen. Für uns Abgeordnete ist es in der Tat, rein haushaltsrechtlich gesehen, heute kaum möglich, sich durch die Maßnahmen durchzufinden, die auf dem Gebiet der Entwicklungspolitik schon ergriffen worden sind oder beabsichtigt sind. Es ist derartig kompliziert, daß es wünschenswert wäre, wenn wir hier einmal koordinierende Maßnahmen treffen könnten.
Es ist jetzt nicht der Platz, über das Problem der Entwicklungshilfe zu diskutieren; aber ich möchte jetzt schon an Sie die Bitte richten, daß wir recht bald eine große Parlamentsdebatte darüber führen, damit wir uns in diesen Fragen einmal einig werden. Ich glaube, das ist ein Sektor der Außenpolitik, auf dem man sich über die Grenzen von Regierungsparteien und Opposition hinweg sehr wohl einig werden kann. Es ist nötig, daß wir uns auf diesem Gebiet einig werden, und nicht nur in diesem Hause, sondern ich glaube, es ist nötig, daß wir uns in diesen Fragen auch zwischen den europäischen Nationen ganz allgemein einig werden.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Schneider ({0}).
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte die Ausführungen, die der Kollege Ritzel und der Kollege Scheel hier gemacht haben, für meine Fraktion vollinhaltlich unterstreichen. Es ist eigentlich bedauerlich, daß gerade in diesem Moment, wo ja nicht nur praktisch über Milliardenbeträge geredet wird, sondern auch über ein so wichtiges Problem, das uns noch sehr viel Kummer und Kopfzerbrechen bereiten wird, das Haus so schwach besetzt ist.
Ich bin mit den Herren Vorrednern der Auffassung, daß wir in puncto Entwicklungsländer noch sehr viel mehr hinsichtlich einer Koordinierung der Maßnahmen tun müssen. Insonderheit muß klar sein, daß diese Politik, die Entwicklungsländer zu fördern und zu unterstützen, keine Politik der Gefühle sein darf. Vor allem dürfen die Förderungsmaßnahmen nicht mit Politik verbunden werden.
Auch wir haben den Eindruck, daß in vielen Fällen nebeneinander, da und dort vielleicht sogar gegeneinander gearbeitet wird. Ich habe in Gesprächen wiederholt feststellen müssen, daß wir zwar auch in unserem Bundeshaushaltsplan hier und dort Mittel angesetzt haben, daß es aber allein schon Mühe bereitet, sich eine echte Ubersicht über das zu verschaffen, was wir in dieser Frage bisher tun.
Gedankt sei ausdrücklich dem Herrn Bundespräsidenten für seine diesbezüglichen Bemühungen. Aber wir sollten nicht übersehen, daß das ganze Problem von eminenter politischer Bedeutung ist, ja, daß die Auffassungen darüber, ob man den Entwicklungsländern überhaupt helfen soll oder nicht, eine ganze Gefühlsskala beinhalten, die von dem Gefühl, daß man unter Umständen die Natter am eigenen Busen nähre, bis zu dem Gefühl reicht, daß man sich mit Geld Freunde für immer schaffen könne.
Schon deshalb, weil die Auffassungen in bezug auf diese Frage so unterschiedlich sind - ich glaube, quer durch alle Fraktionen ist es nötig, zu einer Koordinierung zu kommen. Wir können uns selber und auch der Öffentlichkeit gar nicht nachdrücklich genug klarmachen, um was für ein Problem es sich hier handelt.
Ich erlaube mir eine Anregung. Ich bitte zu überlegen, ob wir nicht, nachdem der Unterausschuß des Auswärtigen Ausschusses, der sich mit den Fragen der Entwicklungsländer zu befassen hatte, infolge der dauernden Krankheit unseres leider verstorbenen Kollegen Leverkuehn nicht so intensiv arbeiten konnte, wie das wünschenswert gewesen wäre, ins Auge fassen sollten, einen besonderen Bundestagsausschuß für diese Fragen ins Leben zu rufen. Man kann darüber geteilter Meinung sein, Herr Kollege; ich werfe den Gedanken nur einmal in die Diskussion.
Noch ein anderes Problem im gleichen Zusammenhang. Herr Kollege Majonica hat hier - vielleicht etwas sehr nachdrücklich - das Lob des Auswärtigen Amtes gesungen und dabei durchblicken lassen,
daß auch die Auslandsvertretungen ihre Pflicht in vollstem Umfange täten und getan hätten. Ich glaube auch herausgehört zu haben, daß er damit gleichzeitig meinte, daß wir alles getan hätten, was wir propagandistisch für die Bundesrepublik zu tun haben. Meine politischen Freunde und ich sind der Ansicht, daß in dieser Hinsicht fast alles im argen liegt.
Natürlich wird dieser oder jener von Ihnen sagen: „Eine solche Propaganda kostet noch mehr Geld. Wir haben bereits erhebliche Summen ausgeworfen." Schön. Wenn wir aber die Propaganda betrachten, die die sogenannte Deutsche Demokratische Republik im Ausland macht, und damit unsere eigene Propaganda vergleichen, so müssen wir sagen: das ist kläglich. Die Meldungen, die wir allenthalben aus vielen Teilen des Auslands über diese Propaganda bekommen, sind alarmierend. Ich übertreibe nicht, wenn ich sage: sie sind alarmierend. Wer's nicht glaubt, möge sich mit Wirtschaftlern von Unternehmen unterhalten, die starke Auslandsbeziehungen pflegen. Die können ein Lied davon singen, in welch massiver und dynamischer Form die Vertretungen der sogenannten Deutschen Demokratischen Republik draußen auftreten; wiederum natürlich im Vorteil dadurch, daß es eine staatlich gelenkte Propaganda ist, die darüber hinaus keine Rücksicht darauf nimmt, welche Kosten dabei entstehen.
({0})
Wir auf der anderen Seite, Herr Kollege Conring, haben dem zur Zeit einfach nichts Gleichwertiges entgegenzusetzen. - Sie behaupten: doch. Ich behaupte: nein; und ich werde das untermauern. Nicht nur aus Afrika, nicht nur aus Indonesien, nicht nur aus Indien, auch aus anderen Ländern hören wir immer wieder die gleichen Klagen, daß personell und materiell und vor allem auch propagandistisch nicht das getan wird, was wir tun müssen, wenn wir bestehen wollen.
Und warum in erster Linie tun wir uns so schwer? Einfach deswegen, weil wir in einem demokratischen Staat leben und nicht von Staats wegen eine solche Propaganda starten können. Daß es aber die Möglichkeit gibt, bei Erkenntnis dieser Sachlage selbst die Hilfe der Opposition zu gewinnen, zeigt die Tatsache, daß bei der Populärmachung des Berliner Standpunktes im Ausland auch die sozialdemokratische Opposition bereit war, für die Bereitstellung entsprechender Mittel Sorge zu tragen. Ich entnehme den Ausführungen, die Herr Kollege Ritzel hier gemacht hat, daß auch die SPD der Meinung ist, wir müßten in dieser Hinsicht mehr tun.
Meine Damen und Herren, wir machen oft den Fehler, in Betrachtung der Summen, die wir für diese und jene Sache ausgeben, etwas selbstgefällig zu sagen: „Nun, wir haben doch weiß Gott genug getan!" Im vorliegenden Falle übersehen wir die Rücksichtslosigkeit, mit der die andere Seite arbeitet.
Wenn schon das Bundes-Presse- und Informationsamt, aus welchen Gründen auch immer, hier in der Vergangenheit vielleicht nicht das getan hat, was wir alle von ihm erwarten konnten - vielleicht
Schneider ({1})
auch deswegen nicht getan hat, weil sonst sofort wieder einige gekommen wären und die Befürchtung geäußert hätten, daß sich hier ein Propagandaministerium betätige -, dann sollten wir wenigstens den Mut haben, zu erwägen, ob wir nicht eine besondere Abteilung im Auswärtigen Amt für diese speziellen Fragen schaffen sollten.
Es ist, möchte ich sagen, beschämend, wenn die deutsche Wirtschaft, die auf staatliche Unterstützung nur sehr bedingt angewiesen ist, sich in bestimmten ausländischen Gebieten so schwer tut, d. h. praktisch auf sich selbst gestellt ist.
Ich bitte jetzt den Herrn Präsidenten um Erlaubnis, einige Ausschnitte aus einer solchen Darstellung hier im Wortlaut zur Kenntnis geben zu dürfen. Es handelt sich um fünf bremische ExportImport-Firmen, deren Vertreter seit geraumer Zeit in Indonesien sind und die an die bremischen Bundestagsabgeordneten in diesen Tagen folgenden Brief gerichtet haben, den ich auszugsweise bekanntgeben möchte. Die Herren dieser Firmen teilen zunächst mit, daß sie seit geraumer Zeit im Indonesiengeschäft seien und dort gute Erfolge erzielt hatten. Sie verweisen insbesondere auf das uns überkommene Tabakgeschäft, dessen die Holländer verlustig gegangen sind, und schreiben dann folgendes:
Während der mehrwöchigen Verhandlungen in Djakarta, in Gesprächen mit hohen Regierungsbeamten, Privatleuten, dem deutschen Botschafter von Mirbach und vielen Deutschen und Ausländern, die seit langem in Indonesien tätig sind, ist unserer Delegation, die sich aus Kaufleuten und Juristen zusammensetzte, erschreckend deutlich geworden, wie sehr die Bundesrepublik in diesem so außerordentlich deutschfreundlichen Lande von Monat zu Monat an Boden verliert. Es ist dies möglicherweise eine Folge der Tatsache, daß das Auswärtige Amt in Bonn aus unserer Ansicht nach vielleicht übertriebener Rücksichtnahme auf den holländischen Nachbar in Indonesien eine Politik betreibt, die ... mit einem von unserer Delegation empfundenen Anflug von Ironie und Galgenhumor als Politik der „vornehmen Zurückhaltung" bezeichnet wird.
Die personell etwa dreifach stärker besetzte ostzonale Handelsvertretung setzt dieser bundesdeutschen „vornehmen Zurückhaltung" eine von Tag zu Tag wirksamere dynamische Propaganda entgegen, die anerkannt geschickt gemacht wird und dazu geführt hat, daß das bei weitem Überwiegende von dem, was in Indonesien über das gegenwärtige Deutschland, seine Menschen und seine Probleme bekannt wird, aus ostzonaler Quelle stammt. Viele Beispiele, die hier zu erwähnen den Rahmen dieses Schreibens sprengen würden, demonstrieren das.
Wir halten dies für um so bedauerlicher, - schreiben die Herren der Wirtschaft als unserer Delegation von allen führenden
Staatsmännern Indonesiens in eindringlicher
Weise gesagt worden ist, wie sehr ihr Land bedrängt wird, die Ostzone diplomatisch anzuerkennen, und wieviel lieber sie mit der Bundesrepublik zusammenarbeiten. Kurz vor Ankunft unserer Delegation hatte es übrigens die indonesische Regierung erneut abgelehnt, diesem starken sowjetischen und ostzonalen Druck nachzugeben und die Handelsvertretung der Zone zunächst als Generalkonsulat anzuerkennen. Die indonesischen Staatsmänner, mit denen unsere Herren sprachen, waren u. a. die beiden engsten Berater des Präsidenten Sukarno, die Minister Roeslan Abdulgani und Professor Yamin; sie haben sehr ernst darauf hingewiesen, daß die Herren im Auswärtigen Amt in Bonn es anscheinend für eine Selbstverständlichkeit erachten, wenn Djakarta dem östlichen Druck nicht nachgebe und sich weiter zur Bundesrepublik bekenne, obwohl das amtliche Bonn in den vergangenen Jahren keine einzige Geste der Freundschaft von sich gegeben habe und Djakarta bei allen Auslandsreisen deutscher Minister aus unbekannten Gründen ausgelassen worden sei.
Die Herren fahren fort:
Auf Grund dieser starken Eindrücke in Indonesien haben nun die bremischen Firmen und Banken zur Selbsthilfe gegriffen, um zumindest in dem ihnen möglichen Rahmen zu verhindern, daß die Bundesrepublik weiterhin an Ansehen und Einfluß in Indonesien verliert. Sie haben eine Bewegung ins Leben gerufen, deren Aufgabe es sein soll, insbesondere auch durch publizistische Mittel beide Länder einander näherzubringen und enger zu verbinden. In diesem Zusammenhang haben sie einen Fonds bereitgestellt, der von ihren in Bremen erzielten Gewinnen des Tabakmarktes abgezweigt wurde, sich auch die dauernde Mitarbeit eines seit Jahren spezialisierten public-relationsExperten gesichert.
({2})
- Was meinen Sie, Herr Kollege?
({3})
- Das finde ich gar nicht, Dazu ist die Sache viel zu ernst. Wenn Sie das nicht begreifen, können Sie auch Kaffee trinken gehen.
({4})
- Das hat mit Wichtigtuerei überhaupt nichts zu tun. Ich mache hier von dem Recht der Meinungsäußerung genauso Gebrauch, wie das Ihre Kollegen auch getan haben. Dieses Recht lasse ich mir von Ihnen nicht bestreiten. Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis. Ich glaube, daß die Wichtigkeit des Themas es durchaus rechtfertigt, hier einmal ein Schreiben zu verlesen, das von fünf der bekanntesten bremischen Import-Export-Firmen verfaßt ist. Dieser Brief und zahlreiche Zeitungsartikel, die
Schneider ({5})
hier herangezogen worden sind und die Sie hoffentlich selbst auch oftmals in der Zeitung lesen, beweisen, daß wir auf diesem Gebiet einfach mehr tun müssen, wenn wir auf die Dauer nicht ins Hintertreffen geraten wollen und damit nicht nur wirtschaftlich an Boden verlieren, was vielleicht zu verkraften wäre, sondern politisch nicht wiedergutzumachenden Schaden anrichten.
Das Wort hat der Bundesminister des Auswärtigen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Ritzel hat zu Eingang seiner Ausführungen meinen Kollegen und Freund Majonica getadelt, weil er einige freundliche Worte für mich gefunden hat. Nun, Herr Kollege Ritzel, auch Ressortminister sind Menschen, und es ist ganz angenehm, wenn man hier nicht nur Kritik hört. Mir hat es ganz gut getan, und ich danke Herrn Kollegen Majonica.
({0})
Herr Kollege Ritzel hat in seinen Ausführungen - ich möchte mich auf einige kurze Bemerkungen beschränken - beanstandet, daß Herr Kollege Majonica die mangelnde Bereitschaft der SPD, an der europäischen Politik mitzuwirken, erwähnt hat. Herr Kollege Ritzel, ich muß mich dieser Kritik allerdings anschließen. Ich glaube, es reicht nicht, auf ein Programm von 1925 zu verweisen. Das ist sehr lange her. In der Zwischenzeit haben sich die Dinge geändert, und ich weiß nicht, ob die Praxis, die wir bei Ihrer Partei erlebt haben, es rechtfertigt, daß wir unterstellen, das Programm von 1925 gelte auch im Jahre 1960 noch.
({1})
Wenn wir uns aber, wie gesagt, in dieser Frage einig sind, wenn auch Sie diese Politik unterstützen - und Sie haben sie ja unterstützt, als wir die römischen Verträge ratifiziert haben -, sind wir dafür nur dankbar; denn wir sind überzeugt, daß es eine der Grundlagen unserer Außenpolitik sein und bleiben muß, die europäische Integrationspolitik mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln zu verwirklichen.
Sie haben. dann, Herr Kollege, das deutschenglische Verhältnis gestreift. Es ist auch in einem anderen Zusammenhang von Herrn Kollegen Scheel genannt worden. Ich möchte Ihnen offen sagen, daß auch wir es bedauern, daß in letzter Zeit Trübungen entstanden sind, von denen ich allerdings sagen möchte, daß sie ihren Ausdruck mehr in der Presse als in der Politik gefunden haben.
({2})
Was das Auswärtige Amt und was die Bundesregierung tun kann, um das Verhältnis zu Großbritannien gut zu gestalten, werden wir tun. Denn wir wissen sehr wohl, daß wir gerade in der heutigen Zeit auf eine ungebrochene Solidarität aller unserer Verbündeten angewiesen sind.
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In der letzten Zeit ist manches Mißverständnis entstanden, das sich gerade - ich bedauere das - an der europäischen Politik entzündet hat. Ich kann nur wiederholt sagen: ich würde es wirklich bedauern, wenn man in irgendeinem Lande, etwa in Großbritannien, unterstellte, daß diese Politik der europäischen Integration gegen irgend jemanden gerichtet sei, wenn man uns nicht glaubte, daß wir bereit sind, diese Politik mit jedem zu verwirklichen, der sich dazu bereit erklärt, und daß wir Wege, Mittel und Formen der Zusammenarbeit mit denen finden wollen, die heute aus Gründen, die wir respektieren, ihr Ja zur europäischen Integrationspolitik nicht oder noch nicht zu sagen vermögen. Ich sage: noch nicht zu sagen vermögen; denn einige Stimmen sind ja auch in Großbritannien in letzter Zeit laut geworden, die kritisch feststellen, daß Großbritannien vielleicht den Anschluß verpaßt habe, daß es ihm möglich gewesen wäre, mit uns im europäischen Bereich zusammenzuarbeiten. Ich darf an die ausgezeichnete Darstellung des früheren Unterstaatssekretärs Nutting erinnern, die dieser Tage erschienen ist.
Ich möchte in diesem Zusammenhang eine Berner-kung machen. Herr Kollege Ritzel, Sie haben gerade auf den Leiter der Deutschen Botschaft in London verwiesen und angedeutet, daß er vielleicht nicht genügend getan habe, um das Verhältnis zwischen Großbritannien und Deutschland gut zu gestalten. Ich möchte ihn ausdrücklich hier in Schutz nehmen und möchte sagen, er hat das Menschenmögliche getan. Das wird von mir und von allen Menschen in Großbritannien ohne Einschränkung anerkannt.
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Sie und die beiden anderen Redner haben sich dann auch sehr eingehend mit der Frage der Entwicklungsländer beschäftigt. Ich kann nur sagen, daß ich dafür dankbar bin und daß ich eigentlich das meiste von dem, was dazu gesagt worden ist, gerne unterstütze. Ich bin mit Ihnen, Herr Kollege Ritzel, der Überzeugung, daß wir in Zukunft noch mehr tun müssen als in der Vergangenheit, daß wir unsere Arbeit im nationalen Bereich, also zwischen den Ressorts, koordinieren müssen und daß wir sie - daran hat Herr Kollege Scheel mit Recht erinnert - mit anderen Staaten, mit europäischen und vielleicht auch mit nicht-europäischen koordinieren. müssen.
Sie wissen, daß gerade die Initiative, die wir im Dezember in Paris ergriffen haben, diesem Zweck gedient hat. Diese Initiative soll eine Reorganisation oder Reform der OEEC zum Ergebnis haben. Wir haben bei dieser Initiative, die damals von den vier Regierungschefs verabschiedet worden ist, zum Ausdruck gebracht, daß diese neue Organisation auch dazu dienen soll, die Arbeiten in den Entwicklungsländern zu koordinieren. Ich habe diese neue Organisation als eine Art Clearing-Stelle für die Entwicklungshilfe bezeichnet; denn es scheint mir wichtig zu sein, daß wir eine Stelle haben, wo wir
Bundesaußenminister Dr. von Brentano
uns über die Schwerpunktbildung und auch über eine Aufgabenverteilung zwischen den Ländern und eine Zusammenarbeit verständigen. Es gibt nämlich im Bereich der Entwicklungsländer große Aufgaben, die ein einzelnes Land gar nicht allein zu lösen vermag. Besteht dort aber die Möglichkeit, daß man Partner sucht, um diese Aufgaben zu erfüllen, dann, glaube ich, kommen wir dem Ziel näher. Damit erfüllen wir auch die vom Herrn Kollegen Scheel angedeuteten Aufgaben.
Wir kommen dann vielleicht auf einem solchen Wege zu einer Art Colombo-Plan. Sie haben mit Recht gesagt, daß das eigentlich der einzige Plan ist, der auf diesem Gebiet etwas geleistet hat. Ich hatte noch vor wenigen Wochen Gelegenheit, eine der großen Leistungen dieses Planes in Pakistan zu bewundern, wo nicht weit vom Chaiber-Paß ein gigantisches Stauwerk errichtet worden ist, eine Leistung, die nach Fertigstellung eine vielleicht entscheidende Bedeutung für einen großen Teil dieses großen Landes durch Versorgung mit elektrischer Kraft und mit Wasser haben wird, um den Boden fruchtbar zu machen.
Wir haben uns vor kurzem in Bonn mit den zuständigen Ressorts unterhalten. Wir hatten eine Besprechung mit dem Wirtschaftsminister, dem leider verstorbenen Herrn Kollegen Lindrath, dem Finanzminister und den Mitgliedern des Auswärtigen Amtes, um unsere Arbeit zu koordinieren, um auch einmal festzustellen, welche Mittel wir in diesem und in den nächsten Jahren zur Verfügung stellen können; denn wir müssen in der Entwicklungshilfe auf längere Sicht, nicht nur für ein Jahr planen können. Das ist nicht ganz leicht, weil uns Etatmittel für diesen Zweck bisher nicht zur Verfügung standen. Deswegen sind wir auf die Hermes-Kredite ausgewichen, keine befriedigende Lösung auf die Dauer, aber immerhin besser als keine Lösung. Ich erwähne das nur, um Ihnen zu sagen, daß wir alle damit beschäftigt sind, die richtigen Wege gemeinsam zu suchen und insbesondere auch eine gute Zusammenarbeit zwischen den Ressorts herzustellen. Ich glaube, ich kann heute sagen, daß diese Zusammenarbeit mit den anderen Ressorts nach gewissen Anlaufschwierigkeiten, die unvermeidlich waren, nunmehr ausgezeichnet funktioniert.
Ich bin auch für mein Ressort sehr daran interessiert - Sie haben es erwähnt, Herr Kollege Scheel -, daß der Ausschuß wieder lebendig wird, dem unser verstorbener Kollege und Freund Leverkuehn vorgesessen hat; ihm möchte ich auch hier nachträglich für seine freundschaftliche Mitarbeit danken.
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Ich glaube, es besteht nicht die Absicht, einen neuen Ausschuß zu gründen, sondern die, den bestehenden Ausschuß zu erweitern und ihn durch Mitglieder des Haushaltsausschusses und des Wirtschaftspolitischen Ausschusses zu ergänzen. Ich kann nur sagen, ich halte es für gut, daß in diesem Ausschuß auch der Haushaltsausschuß als die Verbindung zu der Stelle vertreten ist, die letzten Endes das Geld zu bewilligen hat, und ich begrüße auch die Verbindung zum Wirtschaftspolitischen Ausschuß, denn
es geht ja um Aufgaben, die ebenso in die Außenpolitik wie in die Wirtschaftspolitik hineinreichen.
Sie haben mit Recht darauf hingewiesen, Herr Kollege Scheel, daß gerade in Afrika besondere Aufgaben und besondere Probleme entstanden sind. Sie haben mich gefragt, ob das Auswärtige Amt eine Afrika-Politik entwickelt habe. Erlauben Sie mir, Ihnen zu sagen: Nein. Ich glaube nicht, daß wir für jeden Kontinent eine eigene Politik entwickeln sollten. Aber ich bin mir darüber klar, daß gerade in Afrika durch die Entwicklung, von der Sie sprachen, neue Fragen auf uns zugekommen sind, die noch nicht alle beantwortet sind.
Die Frage der Einwirkung der römischen Verträge auf die Staaten, die inzwischen ihre Selbständigkeit gewonnen haben, ist noch offen. Wir haben uns auch im Ministerrat in Brüssel neulich schon damit beschäftigt, und die Kommission versucht gerade, diesen recht harten Knochen zu nagen. Das sind ja die Fragen, die nicht nur juristisch und nicht nur politisch beantwortet werden können. Man muß auch im Einzelfall mit diesen Staaten Fühlung nehmen; denn wir können sie nicht qua Rechtsnachfolge verpflichten, und wir können sie auch nicht qua Rechtsnachfolge beschenken. Aber ich bin, wie gesagt, mit Ihnen der Meinung, daß wir diese Fragen sorgfältig prüfen und daß wir, wie Sie es gesagt haben, rechtzeitig an Ort und Stelle sein müssen. Ich glaube, Ihnen versichern zu können, meine Damen und Herrn, daß wir vom Auswärtigen Amt aus uns bemüht haben, in dieser Entwicklung nicht hintanzustehen.
Allerdings muß ich in diesem Zusammenhang Herrn Kollegen Schneider enttäuschen und ihm sagen: wir werden in diesen Bereichen niemals mit der Zone und mit dem Ostblock konkurrieren können, und zwar erstens deswegen, weil uns die Methoden, die dort angewendet werden, fremd sind, und zweitens deswegen, weil die Geldmittel, die dort verwendet werden, niemals in einem ordentlichen Haushalt aufgebracht werden können.
Ich möchte aber noch hinzufügen, daß ich es nicht gern sehen würde, wenn die diplomatischen Vertretungen der Bundesrepublik zu Propagandastellen würden. Hier sollten wir eine klare und reinliche Scheidung vornehmen. Ich glaube nicht, daß wir unserer Sache dienen, wenn wir im Ausland Propaganda treiben. Das haben wir in einer vergangenen Zeit einmal getan, und das wollen wir nicht wiederholen.
Herr Kollege Schneider, Sie haben dann einen langen Brief vorgelesen, einen Brief, den ich kenne, weil auch ich ihn bekommen habe. Erlauben Sie mir, Ihnen in aller Offenheit zu sagen - ich will dem Absender nicht zu nahetreten -: die Vorstellungen von Exporteuren und Importeuren, die an Ort und Stelle ihre Geschäfte treiben, sind nicht immer maßgeblich für die Außenpolitik. Hier gibt es gewisse Interessengegensätze oder Interessenverschiedenheiten. Ich habe von solchen Leuten schon manchen Vorwurf gehört, der von ihrem Standpunkt aus berechtigt sein mag. Aber wir haBundesaußenminister Dr. von Brentano
ben ja von der Bundesrepublik aus etwas anderes zu tun, als Kaffee einzukaufen.
({6})
- Doch, Herr Kollege, darum dreht es sich. Uns wird nämlich die vornehme Zurückhaltung gegenüber Holland vorgeworfen. Dazu möchte ich sagen: die Bundesregierung wird auch in Zukunft gegenüber ihren nächsten Verbündeten und Freunden eine sehr loyale Politik betreiben und wird eine vornehme Zurückhaltung dort zeigen, wo sie sonst in den Verdacht kommen könnte, vielleicht als Haifisch aufzutreten, also die Nachfolge eines Vertriebenen zu übernehmen. Wir wollen das nicht.
Das hat nichts mit dem Wunsch nach guten Beziehungen zu Indonesien zu tun. Ich glaube Ihnen sagen zu können, daß die Beziehungen sehr viel besser sind, als Ihnen diese Kaufleute geschrieben haben.
Ich habe noch vor wenigen Wochen in Neu Delhi unseren Botschafter aus Djakarta gesehen und lange mit ihm darüber gesprochen. Die Tatsache, die Sie selbst erwähnt haben, daß auch Indonesien wie alle Staaten dieses Bereichs heute nur die Bundesrepublik als ihren deutschen Partner anerkennt, zeigt, daß unsere Politik dort in guten Händen ist und daß sie richtig und gut vertreten wird.
Selbstverständlich werde ich auch diesem Brief nachgehen. Jeder Brief solcher Art, der an mich geht, wird auf seine Vorschläge, seine Bedenken und seine Kritik hin geprüft. Ich will dieser Prüfung nicht vorgreifen, Ihnen aber wiederholt sagen: was ein interessierter und versierter Kaufmann nach einigen Wochen in einem Land feststellt, kann die Politik der Bundesregierung noch nicht entscheidend bestimmen.
Herr Kollege Ritzel. Sie haben in diesem Zusammenhang auf das Buch „Der häßliche Amerikaner" verwiesen. Sie haben mich gefragt, ob ich es gelesen habe. Ich habe es mit Vergnügen gelesen. Ich habe es für die Missionen nicht nur angeschafft, sondern die Missionen auch gebeten, mir ihre Meinungen darüber zu sagen. Ein ganzer Stoß von Berichten ist eingegangen. Vielleicht darf ich Ihnen im Anschluß an meine kurzen Ausführungen den ersten Überblick auf sieben gedruckten Seiten überreichen, in dem das Auswärtige Amt versucht hat, die ersten Reaktionen auf das Buch „Der häßliche Amerikaner" zu Nutz und Frommen des auswärtigen Dienstes zusammenzufassen.
({7})
Das Wort hat der Abgeordnete Schneider ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß dem Herrn Bundesaußenminister, wenn auch kurz, widersprechen.
Natürlich ist unsere Politik nicht mit dem Verfolgen der Interessen der Importeure und Exporteure gleichzusetzen, gleichviel, mit welchen Waren
sie handeln. Ich lege ausdrücklich Wert auf die Feststellung - und wer Ohren hat, zu hören, konnte es dem Brief entnehmen -, daß es sich hier nicht darum handelte, daß einige bremische Exportkaufleute um das Geschäft bangten - die machen ihr Geschäft auch ohne eine Propaganda der Bundesrepublik -, sondern daß es diesen Leuten ausschließlich um die Sorge darum ging, wie uns die rücksichtslose und dynamische Propaganda der sogenannten Deutschen Demokratischen Republik überflügelt und auf längere Sicht politisch in Nachteil bringen wird. Um nichts anderes handelt es sich!
Der Herr Minister hat der Auffassung Ausdruck gegeben, daß wir uns nicht der Methoden der sogenannten DDR bedienen könnten. Das ist mir vollkommen klar. Ich habe übrigens gar nicht verlangt, daß sich die diplomatischen Vertretungen als Propagandisten für die Ziele der Bundesrepublik und für die Darstellung unseres Wollens im freiheitlichen Teil Deutschlands engagieren, sondern ich habe auf das Problem schlechthin hingewiesen. Wie diese unsere Propaganda verbessert werden kann, ist immerhin einer Überlegung wert. Ich möchte jedenfalls für meine politischen Freunde von der Deutschen Partei das Alibi haben, daß wir im Hinblick auf weitere Schwierigkeiten, wie wir sie jetzt in Guinea gehabt haben und wie wir sie wahrscheinlich in Zukunft hier und dort noch bekommen werden, unsererseits rechtzeitig darauf hingewiesen haben, daß für die Auslandspropaganda der Bundesrepublik Deutschland mehr getan werden muß, als es in der Vergangenheit der Fall gewesen ist und als zu tun wir uns im Augenblick anschicken. Wir befinden uns dabei allerdings in der angenehmen Gesellschaft nicht nur von Politikern, sondern auch von Herren der Wirtschaft, die die Verhältnisse in diesen Ländern vielfach aus sehr viel besserer Anschauung kennen, als sie uns selber - zum großen Teil - gegeben ist, da wir nicht solange in den Ländern gelebt haben bzw. nicht soviel Gelegenheit haben, die Verhältnisse dort kennenzulernen, wie sie nun einmal die wirtschaftliche Betätigung mit sich bringt.
Ich möchte abschließend noch einmal ausdrücklich sagen: Man kann diese Frage nicht mit einer Handbewegung abtun. Aus allen Kommentaren der letzten Zeit war eindeutig zu entnehmen, daß die Rücksichtslosigkeit der Zonenpropaganda den Bestrebungen der Bundesrepublik größten Abbruch zu tun droht.
Die allgemeine Aussprache zum Einzelplan 05 in der zweiten Beratung ist damit beendet. Das Wort zur Begründung des Antrags Umdruck 527 hat nunmehr der Abgeordnete Reitzner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf kurz an die Entschließung des Europarats erinnern, worin unter Hinweis auf das Weltflüchtlingsjahr die europäischen Länder und Parlamente aufgefordert wurden, einen Beitrag zu den von den Vereinten Nationen geplanten Hilfsmaßnahmen zu leisten. In der 105. Sitzung des Deutschen Bundestages am 9. März wurde festgestellt,
daß der Aufruf in der Bundesrepublik ein geringes Echo gefunden hat. Auf allen Seiten dieses Hauses herrschte Übereinstimmung darüber, daß vielfache Anstrengungen unternommen werden sollten, unseren Beitrag zu erhöhen und dadurch die Leistung zu einem materiellen und moralischen Erfolg der Bundesrepublik zu machen. Ich bitte das Hohe Haus, sich dieser am 9. März einheitlich geäußerten Meinung anzuschließen und unserem Antrag, den Beitrag für das Weltflüchtlingsjahr auf 5 Millionen DM zu erhöhen, zuzustimmen.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Vogel.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag, den die Fraktion der SPD gestellt hat und der dem Haushaltsausschuß nicht zu einer Erörterung vorgelegen hat, trifft den eigentlichen Punkt nicht. Sie haben, Herr Kollege Reitzner, in Ihren Ausführungen, denen ich im Prinzip durchaus zustimme, mit Recht darauf hingewiesen, daß es die Aufgabe einer öffentlichen Sammlung gewesen wäre, einen hinreichenden Beitrag zu erbringen. Aber die Folgerung, die Sie daraus ziehen, scheint mir nicht richtig zu sein: weil die öffentliche Sammlung nicht das gewünschte Ergebnis erbracht hat, soll der Steuerzahler mit einem Beitrag von 5 Millionen DM einspringen. Wir sollten uns im Gegenteil anstrengen - und das können wir immerhin noch tun -, durch freiwillige Beiträge noch mehr hereinzuholen.
Ich muß ganz offen auch folgendes sagen. Man kann diese Sammlung nicht allein sehen. Man muß sie in einen engen Zusammenhang mit den großen Sammlungen bringen, die gerade jetzt in der Fastenzeit von den Kirchen und darüber hinaus von vielen anderen Verbänden und Organisationen für später geplant sind und deren Erträge fast genau in die gleichen Länder gelangen sollen, denen auch die Beiträge, die im Weltflüchtlingsjahr gesammelt werden sollen, zufließen. Denn die Gebiete, wo das Flüchtlingselend in großem Maße herrscht - ich habe es selbst gesehen -, in Korea, Japan, vor allem Indien und Pakistan, sind ja sämtlich Entwicklungsländer, und die Aktionen zur Linderung der dortigen Not, die durch die Sammlungen unterstützt werden sollen, betreffen genau die gleichen Probleme.
Damit wir trotzdem unseren guten Willen zu erkennen geben, schlage ich Ihnen folgendes vor. In der Vorlage der Bundesregierung vom 4. September 1959 sind die Beiträge aufgeführt, die die anderen großen Länder dazu geleistet haben. Die Vereinigten Staaten haben dazu 700 000 Dollar, die Engländer 100 000 Pfund gegeben. Wir haben bis jetzt im vergangenen Jahr rund 800 000 DM dazu beigetragen. Wir schlagen Ihnen infolgedessen vor, einen einmaligen Beitrag von 500 000 DM - und zwar mit der Zweckbestimmung: dieser Beitrag soll dem deutschen Komitee zum Weltflüchtlingsjahr zur Verfügung gestellt werden - erneut auszubringen in der gleichen Form, wie Sie von der SPD das für die
5 Millionen DM vorgeschlagen haben. Damit kämen wir auf die gleiche Höhe, mit der sich auch England beteiligt hat, und das scheint uns ausreichend zu sein.
Ich möchte Sie bitten, diesem Antrag zuzustimmen.
Darf ich Ihnen diesen Antrag übergeben, Herr Präsident.
Danke sehr.
Meine Damen und Herren, wir kommen zur Abstimmung über die Anträge. Von dem Abgeordneten Vogel ist folgender Änderungsantrag zu Einzelplan 05 vorgelegt worden:
Der Bundestag wolle beschließen:
Zu Kap. 05 02 - Allgemeine Bewilligungen - Nach Tit. 679 wird folgende Überschrift eingefügt:
„Einmalige Ausgaben".
Darunter wird folgender neuer Tit. 950 eingefügt:
„Tit. 950 Beitrag der Bundesrepublik zum
Weltflüchtlingsjahr 500 000 DM"
Zu Tit. 950
Dieser Betrag soll dem deutschen Komitee zum Weltflüchtlingsjahr zur Verfügung gestellt werden.
Das ist ein selbständiger Antrag. Der weitergehende Antrag ist der mit 5 Millionen DM, den Herr Kollege Reitzner begründet hat. Darüber darf ich zunächst abstimmen lassen. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das zweite war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir stimmen jetzt über den Antrag ab, den Herr Abgeordneter Vogel begründet hat, dem deutschen Komitee 500 000 DM für den gleichen Zweck bei Tit. 950 zur Verfügung zu stellen. Wer hierfür ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Soweit ich sehe, ist dieser Antrag einstimmig angenommen.
Wir haben nun noch über den Änderungsantrag auf Umdruck 532 abzustimmen, in Kap. 05 02 Tit. 604 den Ansatz von 30 000 DM - Zuschuß an die Deutsche Atlantische Gesellschaft - auf 60 000 DM zu erhöhen. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Gegen zahlreiche Stimmen bei einer Enthaltung angenommen.
Wir kommen zur Gesamtabstimmung über den so geänderten Einzelplan 05 in der zweiten Beratung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. -Enthaltungen? - Mit Mehrheit - gegen die Stimmen der Opposition - angenommen.
Ich rufe jetzt auf: Einzelplan 06
Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern ({0}).
Vizepräsident Dr. Preusker
Auf Grund interfraktioneller Vereinbarung soll damit gleichzeitig Punkt V der Tagesordnung behandelt werden:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Erhöhung von Dienst- und- Versorgungsbezügen ({1}).
Außerdem soll mitbehandelt werden: Einzelplan 36
Zivile Notstandsplanung ({2})
dazu:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Heye, Frau Dr. h. c. Weber ({3}), Frau Dr. Hubert, Blachstein und Genossen betr. Gesetz über zivile Notstandsplanung ({4}).
Die drei Punkte gelten hiermit als aufgerufen. Die allgemeine Aussprache ist miteinander verbunden. Das Wort hat zunächst der Abgeordnete Stoltenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Haushalt des Bundesinnenministeriums hat in den vergangenen Jahren stets zu sehr eingehende Debatten in diesem Hause geführt. Sie erstreckten sich nicht nur auf die Probleme des Etats, sondern dienten der Opposition oft zu heftigen Polemiken gegen die politische Linie und manchmal auch ,gegen die Person des Innenministers. Wir halten es deshalb für richtig, diese Aussprache mit einer kurzen sachlichen Wertung des Erreichten' und einigen Bemerkungen über unsere Aufgaben in der nächsten Zeit zu beginnen.
Das Hohe Haus hat Mitte Februar eine mehrtägige Aussprache über kulturpolitische Fragen, insbesondere die Förderung der Wissenschaft und Forschung, geführt. Sie war meines Erachtens bemerkenswert, weil sie deutlich machte, daß die Leistungen des Staates, von Bund und Ländern vereint, sich jetzt einem Stande genähert haben, der mit den sehr weit gespannten Schätzungen und Forderungen der namhaftesten Repräsentanten unseres kulturellen und wissenschaftlichen Lebens in etwa übereinstimmt. 2 Milliarden DM in fünf Jahren für die Ausweitung und Modernisierung der Hochschulen und Universitäten, 4 Milliarden DM in der gleichen Zeit für den Ausbau des allgemeinbildenden und Fachschulwesens, fast 1,5 Milliarden DM für neue Planungen im Bereich der überregionalen Forschung, dazu die erheblichen, noch nicht genau abschätzbaren Leistungen der neuen Volkswagenstiftung - diese Zahlen, die in vielen Punkten noch der Ergänzung bedürften, zeigen bereits sehr klar, daß wir uns unserer Verantwortung für diesen Bereich voll bewußt sind. Man kann angesichts solcher Leistungen die Diskussion über Kulturpolitik und Wissenschaftsförderung in Deutschland nicht mehr mit Schlagworten vom Versagen des Staates und von der angeblichen mangelnden Aufgeschlossenheit des Bundes bestreiten.
Die Fragestellung hat sich in diesem Bezirk vielmehr grundlegend verändert. Sie lautet jetzt in den
ernsthaften Diskussionen, wie diese großen öffentlichen Mittel wirklich sinnvoll verwendet werden können, welche Folgerungen sich aus der gewandelten Situation für die Selbstverwaltungsorgane der Wissenschaft und die Organisationen im kulturellen Bereich ergeben. Weil kulturelle Aufgaben nicht allein mit Geld lösbar sind - das sollte eine Binsenwahrheit sein -, werden wir diesem Themenkreis stärker als bisher unsere Überlegungen widmen müssen.
Nun haben sicher viele Kräfte in diesem Hause und in der Öffentlichkeit an einer solchen Entwicklung mitgearbeitet; aber man sollte doch einmal anerkennen, daß die Bundesregierung bei sehr begrenzten und umstrittenen verfassungsmäßigen Kompetenzen selbst tatkräftig Mittel und Wege gesucht hat, um zu einem großzügigen konstruktiven Beitrag zu kommen. Noch sind nicht alle Einzelprobleme der Zusammenarbeit mit den Ländern gelöst, aber die Bilanz ist auch hier besser als bei unseren Debatten vor einem oder zwei Jahren. Damals verlangte die Opposition von links und auch von rechts in stundenlangen Diskussionen beispielsweise eine großzügige direkte Bundeshilfe für den Schulbau. Heute ist klargestellt und unbestritten, daß der Bund die Länder über die Finanzverfassung entlastet und daß sie imstande sind, diese vordringliche eigene Aufgabe der Verfassung gemäß zu lösen.
Herr Abgeordneter Stoltenberg, erlauben Sie eine Zwischenfrage?
Bitte!
Herr Kollege Stoltenberg, Sie geben sich so viele Mühe, durch tiefschürfende Ausführungen die Regierungspolitik, die Politik Ihres Ministers zu unterstützen. Ist Ihnen eigentlich bewußt, daß er dabei durch Abwesenheit glänzt? Wir haben ihm eine gewisse Karenzzeit eingeräumt, aber ich glaube, es wäre jetzt an der Zeit, daß er kommt.
Herr Abgeordneter Schmitt, ich bin unterrichtet worden, daß der Herr Minister bereits auf dem Wege ist. Er ist sofort herbeigerufen worden, von einer Veranstaltung des Deutschen Sportbundes.
Der Wissenschaftsrat ist zu einem wichtigen gemeinsamen Organ der Planung und Beratung geworden. Die Verhandlungen über eine wirkungsvolle Beteiligung des Bundes im Bereich der überregionalen Forschung stehen vor einem, wie wir hoffen, positiven Abschluß.
Das Erreichte ist nun sicher kein Anlaß zur Selbstzufriedenheit. Sehr vieles bleibt noch im einzelnen zu tun; aber der Bund hat doch unter Beweis gestellt, daß er seine volle Kraft zur Meisterung dieser großen Aufgaben mit einsetzt.
Die Fragen der inneren Sicherheit haben neben den kulturpolitischen Themen im vergangenen Jahr
am stärksten die Erörterungen im Arbeitsgebiet des I Innenministeriums bestimmt. Es ging dabei vor allem um die Notstandsgesetzgebung und die Notdienstpflicht. Ich will mich auf einige kurze Berner-kungen zu diesen beiden Punkten beschränken, sowohl aus zeitlichen Gründen wie auch im Hinblick auf den Stand der Meinungsbildung in diesem Hause.
Wir begrüßen, daß die Notwendigkeit zusätzlicher Bestimmungen für den Fall des Notstandes heute von der Opposition zunehmend anerkannt wird. Als der Bundesinnenminister im Herbst 1958 in mehreren Reden sehr eindringlich auf diese gefährliche Lücke in unserer Staats- und Rechtsordnung hinwies, wurde er von der linken Seite dunkler Pläne und gefährlicher Ambitionen bezichtigt, ohne daß man den Kern seines Anliegens sehr ernst nahm. Herr Kollege Menzel meinte damals im November 1958 in einem Interview mit der „Neuen Rheinzeitung", wir lebten doch in einer stabilen, gesicherten Staatsordnung, so daß der Hinweis auf einen möglichen Notstand schwer verständlich sei und deshalb tiefen Argwohn gegen die Motive der Regierung auslösen müsse. Das war ein sehr großes, wahrscheinlich ungewolltes und unbewußtes Kompliment für die Bundesregierung, aber leider ein zu großes. Denn wenige Wochen später zerstörte das Chruschtschow-Ultimatum gegen Berlin diese wie manche andere Illusion. Die Krise um Berlin und alles das, was sie ausgelöst hat, hat seitdem sicher das Nachdenken und das sachliche Gespräch über diese Fragen gefördert, genauso wie
die eindringlichen Mahnungen einiger bedeutender Verfassungsrechtler, die auch in sozialdemokratischen Kreisen nicht verdächtigt werden, der CDU/ CSU nahe zu stehen. Ich brauche nur an die aufsehenerregenden Äußerungen des Vizepräsidenten am Bundesverfassungsgericht, Dr. Katz, über die ungelösten Fragen des äußeren und inneren Notstandes zu erinnern, deren sorgfältige Lektüre jedem verantwortlichen Mitbürger nur dringend empfohlen werden kann. Herr Erler hat dann im Juni 1959 von diesem Platz aus die Bundesregierung ausdrücklich aufgefordert, ihre Pläne den gesetzgebenden Körperschaften vorzulegen. Dies ist mittlerweile geschehen.
Niemand, der Herr Bundesinnenminister am wenigsten, hat erwartet, daß seine Vorlage ohne beträchtliche Veränderungen Gesetzeskraft erlangen wird, ein Entwurf, der für die Verfassung und die Rechte der Länder so bedeutsam ist, dessen Verabschiedung nur mit der Opposition erfolgen kann. Aber ich glaube, die Bundesregierung hat ihre Pflicht getan, indem sie uns ihre Konzeption dargelegt und im einzelnen mit ernsthaften Argumenten begründet hat. Es ist doch völlig unbestritten, daß die Entscheidung bei den gesetzgebenden Körperschaften liegt. Deshalb sollte man auch draußen im Lande Schluß mit der törichten Propaganda machen, die Bundesregierung oder die CDU/CSU wollten ein Ermächtigungsgesetz durchpauken, das Recht und Freiheit gefährde.
({0})
Herr Kollege Dehler hat vor kurzem dieses Gesetz mit einem „nicht jetzt" kommentiert. Ein sozialdemokratischer Kollege erklärte noch Anfang März in Hessen, man überfordere die Bevölkerung mit den Themen „Notstand" und „Notdienstpflicht" in unverantwortlicher Weise.
Diese Begründung ist befremdend. Ein demokratischer Staat muß doch den Mut haben, seinen Bürgern die Wahrheit zu sagen, auch wenn sie unangenehm und unpopulär ist. Es wäre, wie wir glauben, eine lebensgefährliche Unterlassungssünde, wenn wir - von den Gespenstern der Vergangenheit gelähmt - jetzt nicht das Notwendige täten, um den freiheitlichen Rechtsstaat auch für Krisenzeiten zu sichern.
Ein dritter Schwerpunkt in der politischen Arbeit des Innenressorts war und ist der Bereich der Fürsorge und der sozialen Hilfen. Dieser Etat für 1960 bringt erstmals einen Ansatz für den Nachholbedarf an Krankenhäusern der freien gemeinnützigen Trägerverbände. Wir haben im Haushaltsausschuß eine Erweiterung des Programms von 100 auf 150 Millionen DM und eine Ausweitung der Zweckbestimmung vorgesehen. Auch andere Titel in diesem Einzelplan dienen den karitativen Verbänden in ihrer Arbeit. Diese Verbände gehören zu den Stillen im lande, aber ihre Funktion im sozialen Leben unseres Volkes kann kaum hoch genug veranschlagt werden.
({1})
Wir meinen deshalb, daß auch in Zukunft ihre Anliegen mit Vorrang geprüft werden müssen, vor denen mancher hutstark fordernder Gruppen. Insbesondere werden Bundesregierung und Bundestag zu erwägen haben, inwieweit sie den karitativen Trägern bei der Beseitigung von Kriegsschäden, die sich trotz großer eigener Anstrengungen immer noch auf mehr als 300 Millionen DM belaufen, verstärkt helfen können. Die Arbeit der karitativen Träger hat ihr Schwergewicht in den Kommunen. Wir würden es deshalb sehr begrüßen, wenn die sozialdemokratische Opposition gerade in den Ländern und in den Gemeinden, in denen sie bestimmend ist, zu einer positiveren, großzügigeren Einstellung gegenüber den freien Wohlfahrtsverbänden käme, als es gegenwärtig zumeist der Fall ist.
({2})
Das Thema „Ziviler Bevölkerungsschutz" wird uns sicher auch dieses Jahr eingehender beschäftigen. Hier greifen im Einzelplan 36 die Planungen mehrerer Bundesressorts zusammen. Die Aufwendungen des Bundes für die Bevorratung, die ärztliche Versorgung, die Sicherung von Nachrichten- und Verkehrsverbindungen steigen in diesem Haushaltsjahr beträchtlich; sie haben sich etwa verdoppelt.
In der Frage des baulichen Luftschutzes stehen wir allerdings immer noch im Anfangsstadium. Dies gilt allerdings mehr oder weniger für alle westlichen Länder außer Schweden und der Schweiz. Daran wird sichtbar, wie eminent schwierig die Probleme sind, um die es hier geht. Unsere Ausgangsposition in der Bundesrepublik war und ist
doppelt belastet. Zunächst bestand die Notwendigkeit, die Verteidigung gegenüber der äußeren Bedrohung aus dem Nichts aufzubauen, ohne die wir völlig schutzlos wären; eine Aufgabe, die wir noch nicht abgeschlossen haben. Allerdings ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, in dem die Frage des besonderen Schutzes der Zivilbevölkerung trotz aller materiellen und psychologischen Probleme dringlich wird. Das Notdienstpflichtgesetz wird uns einen wichtigen Schritt voranbringen können. Die baulichen Maßnahmen müssen in größerem Umfang beginnen, vor allem bei den Neubauvorhaben, auch wenn die benötigten Riesensummen eine schnelle Gesamtlösung unmöglich machen. Wir erwarten, daß uns die Bundesregierung baldmöglichst Vorschläge für die noch erforderlichen gesetzlichen Regelungen unterbreitet.
Zum Schluß möchte ich mich kurz dem Gesetzentwurf über die Besoldung im öffentlichen Dienst zuwenden. Er wird sicher noch zu einer eingehenden Aussprache in der Einzelberatung führen. Wenn man ihn politisch und insgesamt bewerten will, muß man zunächst die Größenordnungen sehen, um die es hier geht. Eine Gehaltserhöhung um 1 % allein für die Beamten kostet dem Bund einschließlich Bahn und Post - auch die Bahn müssen wir bekanntlich über den Haushalt finanzieren - 80 Millionen DM jährlich. Schon deshalb sind Verbandsforderungen, die Beamtengehälter um etwa 12 % zu erhöhen, indiskutabel. Wir halten übrigens in diesem Bereich jede Form des schematischen Indexdenkens, etwa im Hinblick auf die Kurve des Sozialprodukts, das auch bei einigen Äußerungen aus der Bundesregierung anklang, für falsch. Es bedarf einer politischen Entscheidung, um der Beamtenschaft - unter Würdigung ihrer besonderen Rechte und Pflichten - und allen Bediensteten des Staates einen Anteil am steigenden Wohlstand zu sichern. Zu dieser Notwendigkeit bekennen wir uns.
Es gibt einige neue Tatbestände gegenüber dem Zeitpunkt, als die Bundesregierung eine 4 %ige Gehaltserhöhung vorschlug. Ich denke dabei z. B. an die berichtigten, erheblich günstigeren Steuerschätzungen bei Bund, Ländern und Gemeinden. Wir werden sie in unsere Überlegungen einbeziehen müssen, um, Parlament und Regierung vereint, in den bevorstehenden Gesetzesberatungen zu einer möglichst gerechten Lösung zu kommen.
Auch hier gilt, was ich schon zum Thema „Notstandsgesetz" sagte. Wenn wir als Mehrheitspartei eine Regierungsvorlage ohne nennenswerte Abweichungen in diesem Hause übernehmen, so heißt es bei der oppositionellen Presse und dem Troß der professionellen Nichtkonformisten, die Mehrheit dieses Hauses erniedrige dieses Parlament zu einem bloßen Ausführungs- und Hilfsorgan der Bundesregierung, sie denaturiere die Volksvertretung. Ändern wir aber wichtige Einzelbestimmungen an einer Regierungsvorlage, so spricht man in den gleichen Organen von einer schweren Krise der CDU/CSU, von Krach in der Regierungspartei und von einer schweren Niederlage dieses oder jenes Ministers. Ein so negatives Schema ist
immer abwechselnd anwendbar, je nachdem wie es paßt. Aber keines trifft das Verhältnis von Regierung und Parlamentsmehrheit nach der Verfassung und in diesem Hause wirklich.
Die Themen, die ich hier kurz angesprochen habe - ihre Liste bedürfte noch in manchem der Ergänzung -, zeigen: im Bereich des Innenressorts sind besonders schwierige Aufgaben zu lösen, die von der Sache her fast immer im verfassungspolitischen Spannungsfeld von Bund und Ländern stehen. Die Opposition hat in der jüngsten Vergangenheit mehrfach konzentrische Angriffe gegen die Politik und auch gegen die Person des Innenministers gerichtet. Auch wenn sie ihre Ausgangsposition später teilweise preisgab, die persönlichen Verdächtigungen und massiven Polemiken gingen meistens weiter. Wir wissen, daß die Wahlstrategen der SPD den Verfassungsminister propagandistisch im düsteren Gewande des Polizeiministers, gleichsam als negative Symbolfigur erscheinen lassen möchten. Wir haben nicht alle offenen Fragen perfekt gelöst; das ist im harten Raum der Wirklichkeit kaum möglich. Etwas muß ja auch dem sozialistischen Zukunftsstaat vorbehalten bleiben. Aber wir stellen doch den Angriffen unbezweifelbare sachliche Leistungen, begründete Planungen und die feste Verbundenheit von CDU/CSU und Bundesregierung gegenüber.
({3})
Meine Damen und Herren! Die Ausspracheregelung wird etwas schwierig, weil die einzelnen Abgeordneten natürlich nicht immer zu dem Gesamtkomplex sprechen werden. Soweit ich weiß, will der Herr Abgeordnete Schäfer im wesentlichen zu dem gesamten Fragenkomplex sprechen. Ich darf ihm also zunächst das Wort erteilen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! An und für sich habe ich den Auftrag, von dem Umdruck 510 die Ziffer 1 zu begründen. Die Ausführungen des Herrn Kollegen Dr. Stoltenberg geben mir aber zu einigen Bemerkungen Anlaß. Soweit ich nicht dazu Stellung nehme, werden meine politischen Freunde im einzelnen die Punkte noch aufgreifen.
Zunächst zur Frage des Notstandes und der Notstandsgesetzgebung! Es sollte kein Zweifel darüber bestehen, daß alle politischen Kräfte in der Bundesrepublik verpflichtet sind, alles zu tun, um die Sicherheit dieses Staates in jeder möglichen und denkbaren Situation zu gewährleisten.
({0})
Das ist von meinen Freunden nie und in gar keiner Weise in Zweifel gezogen worden.
({1})
- Das ist nie in Zweifel gezogen worden, Herr Barzel, und wir haben uns immer bereit erklärt, über die Fragen zu diskutieren. Es ist in diesem Hause doch bekannt, daß es ohne Verfassungsänderung nicht geht. Es ist in diesem Hause auch be5962
kannt, daß die CDU/CSU-Fraktion wegen Vorbesprechungen über diese Dinge auf uns zukam, und es ist auch bekannt, daß der Herr Innenminister dann kurzerhand seinen Gesetzentwurf eingebracht und damit versucht hat, diesen Gesetzentwurf zunächst einmal zur Diskussionsgrundlage zu machen.
({2})
- Nein, das war gar keine Bitte der Opposition.
({3})
- Herr Kollege Niederalt, darauf komme ich noch zurück. - Wenn es der CDU/CSU-Fraktion ernst damit ist, mit uns darüber zu verhandeln, dann kann doch ein Minister, der dieser Regierungsmehrheit angehört, nicht anders handeln, als die CDU/CSU-Fraktion uns gegenüber erklärt. Das ist doch ganz selbstverständlich. Aber ich glaube, wir wollen heute nicht in die Notstandsdebatte im einzelnen eintreten. Sie wird ja auf uns zukommen. Nur noch einige Bemerkungen!
Die Bundesregierung begründet ihren Gesetzentwurf ausdrücklich damit, daß Art. 5 des Deutschlandvertrages das vorschreibe. Es ist nicht uninteressant, in diesem Zusammenhang auf das hinzuweisen, was 1955, als die Verträge in diesem Hause behandelt wurden, der Herr Bundeskanzler, der damalige Botschafter Grewe und der Berichterstatter, Herr Prof. Furler, im einzelnen erklärt haben. Ich will hier die Erklärung des Herrn Bundeskanzlers vorlesen, nachdem hier offenbar Zweifel entstehen. In der 61. Sitzung des 2. Bundestages hat der Bundeskanzler folgendes erklärt:
Um allen Mißverständnissen zu begegnen, stellt die Bundesregierung ausdrücklich fest, daß sie nicht die Einführung einer fast unbeschränkten Gewalt nach dem Muster des Art. 48 der Weimarer Verfassung beabsichtigt.
- Genau das ist hier vorgelegt. Was wir wollen, geht nicht über das hinaus, was auch andere NATO-Staaten in vergleichbarer strategischer Lage zum Schutze ihrer Sicherheit und der Sicherheit ihrer Streitkräfte gesetzlich vorsehen. Es handelt sich demgemäß in erster Linie um Vollmachten für den Fall einer Bedrohung der Bundesrepublik von außen oder eines Angriffs auf die Bundesrepublik.
Genau das Gegenteil steht in der Begründung des Gesetzentwurfs, den jetzt diese Bundesregierung vorlegt, und genau das Gegenteil findet sich im Inhalt dieses Gesetzentwurfs. Es sind mehr Vollmachten gefordert, als früher der Art. 48 der Weimarer Verfassung vorsah.
Nun behauptet man, der Parlamentarische Rat habe gar nicht daran gedacht, das Problem zu regeln. Das ist einfach nicht richtig. Ich habe mich mit der Materie beschäftigt. Schon der Herrenchiemseer Entwurf sieht in Art. 111 eine Notstandsgesetzgebung vor. Der Parlamentarische Rat hat das zweimal, dreimal umgestaltet, am Schluß aber einstimmig die ganze
Notstandsregelung gestrichen, mit der Begründung, man wolle nicht, daß das Parlament sich in die Verwaltungslosigkeit flüchten könne, und man wolle nicht, daß eine Regierung solche Vollmachten haben könne, die zu Verhältnissen führten, wie wir sie am 20. Juli 1932 erlebt haben.
Es ist bedauerlich, daß eine Regierung einen Gesetzentwurf vorlegt, bezüglich dessen der Innenausschuß des Bundesrates einstimmig zu der Feststellung kommt: er ist verfassungswidrig; bezüglich dessen der Rechtsausschuß des Bundesrates zu der Feststellung kommt: er ist verfassungswidrig. Es spricht doch einiges für sich selbst, wenn dann im Bundesrat trotzdem, trotz dieser Stellungnahmen der beiden Ausschüsse, eine Mehrheitsentscheidung zustande kam, daß man über diesen verfassungändernden Gesetzentwurf verhandeln will.
Ich darf noch einmal betonen: wir sind der Auffassung, daß hier eine echte Aufgabe aller politischen Kräfte vorliegt. Wir haben uns deshalb auch bereit erklärt, über die Fragen zu verhandeln, die auch nach unserer Auffassung einer Lösung bedürfen.
Ich glaube, es genügt heute, insoweit unseren Standpunkt klar abzugrenzen. Nur noch eine Bemerkung. Wenn man von Notstandsgesetzgebung spricht, kann man nicht e i n Gesetz vorlegen - oder noch ein Notdienstpflichtgesetz dazu -, während wir alle doch wissen, daß im Innenministerium 50 his 60 Gesetzentwürfe vorbereitet werden. Dann muß man doch verlangen, daß die Regierung die Gesamtkonzeption, die sie auf diesem Gebiet hat oder in der Schublade hat, dem Parlament vorlegt und daß über diese Gesamtkonzeption beraten und im einzelnen beschlossen wird, was in dem einen oder anderen Falle zu geschehen hat. Man kann doch nicht eine Generalvollmacht für einen Tag X geben.
Ich glaube, wir kommen auf diesem Gebiet nur weiter, wenn die Regierung ihren Gesetzentwurf nach den Empfehlungen, die der Bundesrat gegeben hat, noch einmal überarbeitet. Mit dem Gesetzentwurf, den Sie vorgelegt haben, Herr Innenminister, können Sie, glaube ich, nicht mit der Aussicht in diesen Bundestag kommen, daß Sie eine grundgesetzändernde Mehrheit bekommen.
Ich darf nun zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Stoltenberg bezüglich der kulturpolitischen Ausgaben Stellung nehmen. Kulturpolitik wird vom Bund nach dem Grundgesetz nur auf einem Gebiet gemacht, nämlich - nach Art. 74 Nr. 13 des Grundgesetzes - auf dem Gebiet der Förderung der wissenschaftlichen Forschung. Das darf uns aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Hauptträger der kulturpolitischen Arbeit, die Länder und die Gemeinden, auf diesem Gebiet nur dann leistungsfähig sind, wenn sie auf Grund der Gesamtverteilung der Finanzmasse von sich aus stark genug sind, diese Aufgaben wahrzunehmen. Hier bedarf es einiger Betrachtungen. Im Jahre 1957 wurden in den öffentlichen Haushalten von Bund, Ländern und Gemeinden zusammen hierfür 5,6 Milliarden DM ausgegeben, für die Rüstung 10 Milliarden. 5,6 Milliarden DM sind 8,5 % der öffentlichen AufwendunDr. Schäfer
gen oder 3,7 % des gesamten Volkseinkommens Die Vereinigten Staaten gaben für die gleichen Aufgaben 12,2 % aus. Wenn man nun vergleicht, inwieweit der Bund seinen Leistungen nachkommt, ist man überrascht über eine Mitteilung, die uns das Finanzministerium zugehen ließ, es sei nun mit 1,1 Milliarden DM an der Förderung der Bildungsaufgaben beteiligt. Es ist bedauerlich, daß ich hier in aller Offenheit feststellen muß: Die Mitteilung des Finanzministeriums ist unverständlich und sachlich falsch; denn in den 1,1 Milliarden DM sind allein 354 Millionen DM für wehrwissenschaftliche Forschung, Erprobung und Entwicklung von Waffen enthalten. 354 Millionen DM - das sind 35 % dieses Aufkommens - dienen reinen technischen Entwicklungen und Erprobungen von Waffen. Es wird doch niemand im Ernst sagen wollen, daß das kulturpolitische Aufwendungen seien, die man in diesem Zusammenhang nennen kann. Da fehlt es an der richtigen Betrachtungsweise.
Das Bundesministerium für Wirtschaft hat am 20. Januar dieses Jahres im Bulletin der Bundesregierung einen Bericht über Investitionen für soziale und kulturelle Zwecke veröffentlicht. In solchen Darstellungen ist immer kurzerhand ein Sammelposten „Kultur- und Sozialwesen" vorhanden. Das zeigt, daß man überhaupt nicht erkannt hat, um welche Investitionsfragen es sich bei den Aufwendungen für die Ausbildung der nächsten Generation tatsächlich handelt.
Man kann nicht so ohne weiteres sagen, ob beim Wissenschaftsrat 120 Millionen DM ausreichend sind oder nicht. Man muß diese Betrachtung in einen Gesamtrahmen stellen. Es ist ein besonderes Verdienst von Professor Edding - er war früher am Weltwirtschaftlichen Institut in Kiel und ist jetzt in Frankfurt -, daß er einmal auf die Notwendigkeit der volkswirtschaftlichen Betrachtung der Bildungsausgaben und der Bildungsinvestitionen hingewiesen hat. Er hat in eingehenden Untersuchungen das Verhältnis zwischen echten Investitionen für Bildungsaufgaben und wirtschaftlicher Expansion aufgezeigt und kommt zu der Feststellung, daß eine enge Beziehung zwischen dem Stand der volkswirtschaftlichen Entwicklung und den Ausgaben für Schulen und Hochschulen bestehe. Er weist nach, daß die Länder mit hohem Lebensstandard nicht nur absolut, sondern auch relativ mehr für ihr Bildungswesen aufwenden; in Indien werden dafür z. B. nur 0,9 % aufgewendet; in der Bundesrepublik waren es 1957 3,7 %, in Amerika 4,2 %, in Japan - das ist sehr interessant - 6 % und in Sowjetrußland 8 %.
Ich darf mit Zustimmung des Herrn Präsidenten die entscheidenden Sätze aus der Schrift von Professor Edding zitieren. Er kommt zu folgender Feststellung:
Wie ist es möglich, daß diese Länder so unverhältnismäßig viel von ihrem Einkommen für Bildungseinrichtungen ausgeben? Im Grunde ist dies nur dadurch erklärlich, daß die alte Auffassung, wonach diese Ausgaben vor allem als Lasten galten,
- das scheint mir auch die Auffassung der CDU zu sein; ich werde das nachher noch belegen -abgelöst worden ist durch die Überzeugung, daß es sich hier um werbende Kosten handelt, um Investitionen, die hohen Ertrag bringen. Diese moderne, in Erfahrung und Wissenschaft gut fundierte Betrachtungsweise ist auf der ganzen Welt im Vordringen. Aber sie setzt sich in den meisten Ländern nur langsam gegen die traditionelle Vorstellung durch, wonach Ausgaben für Bildungszwecke als Sozialaufwand und nicht unbedingt nötiger Konsum ... gelten, den man unter Umständen ohne nachteilige Folgen einschränken kann und den zu finanzieren bei der stets empfundenen Knappheit der Mittel als Last gilt. Wo sich die Auffassung der Bildungsausgaben als einer Investition von hohem Prioritätsgrad durchsetzt und wo sich diese Einsicht gegen die Widerstände behaupten kann, die in der Knappheit der verfügbaren Menschen und Güter begründet sind, da kommt es zu solchen absolut und relativ außerordentlichen Anstrengungen auf dem Gebiet des Bildungswesens, für die die Sowjetunion das auffallendste Beispiel ist.
Ich sagte vorhin, in der CDU scheinen andere Vorstellungen zu herrschen. Ich darf den Herrn Kollegen Dresbach zitieren, der in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und in der Deutschen Zeitung im Jahre 1958 seine Vorstellungen hierzu veröffentlicht hat. Er sagt:
Zur Zeit rüstet der oberste Verband, eben der Bund. Das Aufstellen isolierter Programme ist nicht möglich. Die These von Popitz, daß Rüstungen ein Primat haben, gilt wieder.
Er sagt weiter:
Die nachgeordneten Gebietskörperschaften, d. h. Länder, Gemeindeverbände und Gemeinden und auch selbständige Körperschaften, werden sich langsam darauf einstellen müssen, daß sie ein vollkommen pazifistisches Finanzleben, unbekümmert um die wachsenden Lasten der Verteidigung, nicht führen können.
Das ist eine vollkommene Verkennung der Wertigkeit der kulturpolitischen und der Bildungsaufgaben und -ausgaben im Verhältnis zum Militärischen. Wir sind der Auffassung, daß diese Ausgaben im Endergebnis mindestens gleichrangig, wahrscheinlich aber vorrangig vor den militärischen Ausgaben sein müssen; denn die Auseinandersetzung zwischen Ost und West wird für die Zukunft wahrscheinlich keine militärische sein, sondern sie wird eine zweifache sein, erstens die innerpolitische Durchdringung und zweitens die Stärkung der Wirtschaftskraft für die Zukunft.
Hier ,geht es um die Ausbildung des „Faktors Mensch", das ist doch unser Hauptreichtum, den wir in Deutschland haben. Hier geht es darum, daß die ideologische Ausbildung der Menschen in Angriff genommen wird, daß die nächste Generation in die Lage versetzt wird, die Auseinandersetzung auch auf wirtschaftspolitischem Goblet durchzustehen. Alles, was wir jetzt versäumen, was wir jetzt nicht
tun, ist in 15 oder 20 Jahren nicht mehr nachholbar; jeder Jahrgang, der nicht die entsprechende Ausbildung bekommt, ist verloren.
Der Wissenschaftsrat legt nun ein Programm vor: Baukosten rund 21/2 Milliarden DM. Aber damit ist es ja nicht getan. Gleichzeitig muß das Lehrpersonal vermehrt werden. Sie wissen, daß das neunte Schuljahr eingeführt werden soll. Damit entstehen Dauerbelastungen für die Gemeinden, damit entstehen Dauerbelastungen für die Länder, die viel höher sind als die vorübergehenden Belastungen, die dem Bund erwachsen. Da will der Bund sich, so hört man, mit ungefähr 1 Milliarde DM, fünfmal 200 Millionen DM, beteiligen.
Wenn man die Dinge in dem von mir soeben dargelegten Sinne betrachtet, kommt man zu der Forderung, daß wir von den derzeit 3,7 % der Aufwendungen für Kulturaufgaben im Laufe der nächsten Jahre auf 6 % unseres Volkseinkommens kommen, weil wir sonst den Anschluß verlieren. Darum geht es.
Der Wissenschaftsrat als eine vom Bundestag eingerichtete Institution hat doch die Aufgabe, das Parlament mit den notwendigen Empfehlungen zu versehen. Ich muß offen sagen, ich war in den Beratungen des Haushaltsausschusses sehr enttäuscht, welch mangelnde Kenntnis, so muß man geradezu sagen, die Vertreter des Innenministeriums auszeichnete. Die Kenntnisse waren so mangelhaft, daß der Haushaltsausschuß sich zunächst entschlossen hatte, die ganzen Mittel zu sperren, weil man nicht einmal Auskunft darüber geben konnte, wohin die Mittel im einzelnen gehen sollen. Erst vor einer Woche hat man unter diesem Druck den Nachweis erbracht, wohin das Geld gehen soll. Man macht sich offensichtlich gar keine Vorstellungen. Man rechnet offensichtlich gar nicht, sondern man findet sich damit ab, daß der Herr Finanzminister sagt: Ich kann nur 120 Millionen DM für diesen Zweck zur Verfügung stellen. Obwohl der Wissenschaftsrat mit den Ländern, mit den Universitäten und technischen Hochschulen bis ins einzelne ausgearbeitete Pläne für 205 Millionen DM vorgelegt hat, für 143 Millionen DM, die er sofort braucht, und 62 Millionen DM Bindungsermächtigungen, macht man sich gar keine Mühe, sich mit diesen Fragen auseinanderzusetzen; man streicht global. Ich bin erschüttert, Herr Finanzminister, daß Sie sich in einer unmittelbaren Aussprache zwischen Ihnen und dem Präsidenten des Wissenschaftsrates außerstande erklärten, die 23 Millionen DM, um die es hier geht, aus Ihrem Etat aufzubringen. - Herr Finanzminister, es wäre mir sehr angenehm, wenn Sie in diesem Augenblick zuhörten. Ich darf mich noch einmal an Sie wenden, nachdem Sie vorhin abgehalten waren. Ich finde es unerklärlich, daß Sie sich in einer unmittelbaren Aussprache mit dem Präsidenten des Wissenschaftsrates außerstande sahen, die 23 Millionen DM für den Wissenschaftsrat, um die es hier geht, aufzubringen. Nachdem Sie 354 Millionen DM für wehrwissenschaftliche Forschung und Erprobung aufbringen, nachdem Sie an anderer Stelle bekanntlich 800 Millionen DM einsparen konnten, nachdem der Druck dementsprechend war, nachdem Sie 130 Millionen DM Subventionszusagen des Herrn Bundeskanzlers honorieren konnten, hatten Sie offensichtlich Ihre eigenen Ausführungen, die Sie vor kurzem in Berlin gemacht haben, vollkommen vergessen. Dort hatten Sie ausdrücklich gesagt, daß Wissenschaft und Forschung und Wirtschaft unlöslich miteinander verbunden seien.
({4})
Bitte, Herr Abgeordneter!
Herr Kollege Schäfer, ist Ihnen bei dieser Kritik gegenwärtig, daß wir mit Ihrer Zustimmung beschlossen haben, die Bundesleistung auf 50 Prozent zu begrenzen und daß die Länder überhaupt nicht mehr Eigenmittel veranschlagt haben, als diesem Bundesansatz entspricht?
Entschuldigen Sie, ich habe Ihre Frage nicht ganz verstanden. Zum Wissenschaftsrat?
({0})
- Herr Kollege Stoltenberg, ich darf Ihnen dazu folgendes antworten: das hat mit der generellen Frage, wieviel insgesamt zur Verfügung gestellt werden muß, gar nichts zu tun.
({1})
Herr Kollege Stoltenberg, dieses Haus, der Bundestag als das oberste politisch verantwortliche Gremium kann vor dieser Aufgabe nicht die Augen verschließen, sondern hat die Verpflichtung, dafür zu sorgen, daß die anderen Träger genauso finanziell in der Lage sind, der Aufgabe Herr zu werden.
Herr Finanzminister, Sie hatten sehr erfreuliche Ausführungen in Berlin zu diesem Thema gemacht, aber die Tat lassen Sie Ihren Ausführungen und Ihren Erkenntnissen nicht folgen. Es handelt sich nicht allein um 23 Millionen DM, sondern - ich sagte das schon - es handelt sich offensichtlich um eine grundsätzliche Einstellung zu diesen Fragen. Wir sind deshalb der Auffassung, daß die Arbeiten des Wissenschaftsrates von vornherein honoriert werden sollten. Der Wissenschaftsrat hat mit einer enormen Arbeitsleistung jetzt angefangen, Objekte auszuarbeiten. Die Länder haben in ihre Haushaltspläne die entsprechenden Positionen aufgenommen. Da kann man doch nicht die schwere Arbeit
({2})
des Aussonderns von vornherein für die Zukunft wieder dadurch belasten, daß man den ersten Vorschlag von 143 Millionen DM nicht honoriert. Ich halte es für ein Lippenbekenntnis, Herr Kollege Stoltenberg, wenn Sie in der kulturpolitischen Debatte davon sprachen, in Zukunft sollten 200 Millionen DM angesetzt werden, heute die 143 Millionen DM nicht, später irgendwann vielleicht 200 Millionen DM. Hier besteht dann wieder das Risiko, daß der Herr Finanzminister sagt: Ich kann nicht. Es ist doch außerordentlich bedauerlich, daß man gerade bei diesem Aufgabengebiet sagt: Ich
kann nicht, während man beim Bundesverteidigungsministerium einen sogenannten Plafond hat, daß man die 10 Milliarden DM unter allen Umständen glaubt ausschöpfen zu müssen.
Betrachten wir die Bedeutung der Bildungsaufgaben insgesamt für die Zukunft unter dem Gesichtspunkt, daß angestrebt werden soll, 6% unseres Volkseinkommens für diese Aufgaben auszugeben, so ist es nur ein ganz kleiner Posten, den wir hier beantragen. Es ist sozusagen ein Anlaufposten. Ich darf, sozusagen als eine Empfehlung, das Haus noch bitten, in Zukunft ein Augenmerk darauf zu richten, daß diese Ausgaben sinnvoll gesteigert werden und daß die Kulturträger, die Kostenträger - Länder und Gemeinden - in die Lage versetzt werden, durch einen sinnvollen Finanzausgleich ihre Aufgaben zu erfüllen. Ich bitte Sie -in diesem Sinne, unserem Antrag auf Umdruck 510 Ziffer 1 zuzustimmen.
({3})
Meine Damen und Herren, Sie haben die allgemeinen Ausführungen des Herrn Abgeordneten Schäfer zum Einzelplan 06 und gleichzeitig zu dem Antrag auf Umdruck 510 Ziffer 1 gehört. Zu allgemeinen Ausführungen über den Einzelplan darf ich nunmehr dem Abgeordneten Eilers ({0}) das Wort erteilen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als vor kurzem in diesem Hohen Hause die kulturpolitische Debatte geführt wurde, war in der Aussprache die Förderung von Wissenschaft, Forschung, Bildung und Kultur in der Bundesrepublik Gegenstand von Auseinandersetzungen zwischen der Opposition und den Regierungsparteien. Für die Fraktion der Freien Demokraten darf ich heute erklären: Wir sind froh darüber, daß im Haushaltsplan des Bundesinnenministeriums etliche Millionen mehr für die Förderung von Hochschulbauten und ganz allgemein für die Förderung von Forschung, Bildung und Kultur angesetzt sind.
Allerdings muß ich auch heute noch einmal herausstellen, Herr Minister, daß das, was in der Denkschrift Ihres Hauses über die Überfüllung der Hochschulen gesagt worden ist, bisher von Ihnen in der Öffentlichkeit in keiner Weise ergänzt worden ist. Die Freien Demokraten müssen nochmals ihr Befremden darüber zum Ausdruck bringen, daß sie die einzige Möglichkeit, die Zustände an den deutschen Hochschulen zu verbessern, in der Herausprüfung jedes vierten Studenten erblicken. Wir möchten Sie dringend bitten - wir haben dies bereits in der kulturpolitischen Debatte zum Ausdruck gebracht -, gemeinsam mit der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder wirklich konstruktive Vorschläge zu erarbeiten und dann diesem Hohen Hause zur Kenntnis zu bringen, damit hier eine Aussprache darüber stattfinden kann, wie unser Nachwuchs am besten gefördert werden kann.
Herr Dr. Stoltenberg hat vorhin sehr richtig gesagt, daß Geld allein es nicht tue, sondern daß wir uns wirklich ernsthaft Gedanken darüber machen
müßten, wie wir unseren wissenschaftlichen Nachwuchs am besten fördern könnten. Wichtig ist in diesem Zusammenhang aber auch, daß der erforderliche Nachwuchs an Hochschullehrern, an Assistenten usw. rechtzeitig zur Verfügung steht.
Wegen der Geschäftslage des Hauses und angesichts der vorgeschrittenen Zeit möchte ich heute abend nur einige wenige Punkte aus dem Haushalt des Innenministeriums herausgreifen.
Von meinen Vorrednern ist bereits die Tatsache angesprochen worden, daß im Kap. 06 02 bei den allgemeinen Bewilligungen unter Tit. 571 25 Millionen DM für Zuschüsse an Krankenanstalten, die im Darlehnswege gegeben werden sollen, vorgesehen sind. Wir Freien Demokraten begrüßen es aufrichtig, daß dadurch die Deckung des Nachholbedarfs bei freien, gemeinnützigen und - nach dem Beschluß des Haushaltsausschusses - auch bei privaten Krankenanstalten ermöglicht werden soll. Wir haben jedoch die herzliche und dringende Bitte an das Hohe Haus, unserem Antrag zuzustimmen, der dahin geht, die Zweckbestimmung dieses Titels zu erweitern und vorzusehen, daß aus diesem Titel auch kommunale Krankenhäuser Mittel zur Deckung ihres Nachholbedarfs erhalten können.
Herr Minister, Sie haben im vergangenen Jahre bei der Beratung Ihres Haushaltes zum Ausdruck gebracht, die kommunalen Krankenhäuser seien noch am ehesten in der Lage, ihren Nachholbedarf aus den Haushalten der kommunalen Träger zu dekken. Wir alle, die wir uns in diesem Hohen Hause mit den Fragen der Kommunalpolitik auseinanderzusetzen haben, wissen jedoch, wie außerordentlich schwer es den Kommunen wird, neben der Erfüllung ihrer vielen anderen wichtigen Aufgaben auch diesen Nachholbedarf zu decken. Ich habe bereits vor einem Jahr auf die Gefahr hingewiesen - sie ist inzwischen in der Stadt München akut geworden -, daß kommunale Krankenhäuser möglicherweise in einen Notstand geraten würden, der dann nur mit wesentlich höheren Aufwendungen beseitigt werden könne.
Deshalb bittet die Fraktion der Freien Demokratischen Partei, die Zweckbestimmung dieses Titels auch auf kommunale Krankenhäuser auszudehnen. Wir wünschen keine Erhöhung des Ansatzes von 25 Millionen DM; denn wir sind grundsätzlich gegen eine Ausweitung des Bundeshaushalts. Einen Antrag auf Erhöhung für das nächste Jahr behalten wir uns vor.
Darüber hinaus muß ich jedoch sagen, daß sich die Freien Demokraten wegen der Vorstellungen des Bundesinnenministeriums auf dem Gebiete des Notstandsrechts, nach denen, so meinen wir, das Parlament zu weitgehend ausgeschaltet werden soll, nicht in der Lage sehen, dem Haushaltsplan des Bundesinnenministeriums zuzustimmen. Wir sind dazu auch deshalb nicht in der Lage, weil die gleichen Vorstellungen in dem Gesetzentwurf über die Notdienstpflicht, der vor kurzem dem Bundesrat zugeleitet und dort beraten wurde, offenbar werden. Das Bundesinnenministerium hat hier offensichtlich hinsichtlich der Einschaltung oder besser gesagt: der
Eilers ({0})
Ausschaltung des Parlaments die gleichen Vorstellungen wie beim Notstandsrecht.
Aus all diesen Erwägungen sind wir nicht in der Lage, dem Haushaltsplan des Bundesinnenministeriums zuzustimmen.
({1})
Meine Damen und Herren, damit wir erst in den allgemeinen Ausführungen möglichst weiter vorankommen, darf ich nunmehr vorweg die beiden Abgeordneten Matzner und Kühn aufrufen, die zu dem Problem der Beamtenbesoldung sprechen wollen. Zunächst hat der Abgeordnete Matzner das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bisher war es in diesem Hause eine, wie ich meine, sehr gute Sache, bei Gesetzentwürfen, die die Rechte dieses Personenkreises betrafen, wenigstens in der ersten Lesung keine große Debatte zu führen. Das wurde sehr oft mißverstanden, sogar von der Beamtenschaft selbst. Trotzdem war und ist es richtig, zuerst einmal alle Voraussetzungen und Gegebenheiten gründlich zu prüfen. Das ist wegen der Vielschichtigkeit der Fragen eigentlich nur in der Ausschußarbeit des Bundestages möglich, natürlich nach Vorbereitung in den Fraktionen. Diese gründlichen und der Vielschichtigkeit entsprechenden Prüfungen müssen frei von vorgefaßten Meinungen und nur .von der Sache her bestimmt sein. Wenn wir heute mit dieser Haltung brechen - und damit muß gebrochen werden, und es kann nicht geschwiegen werden -, so liegt es an dem Entwurf selbst, an Erarbeitungszeit und Form dieses Entwurfs, der nach unserer Meinung die berechtigte und scharfe Kritik der Gewerkschaften und Beamtenorganisationen geradezu herausgefordert hat.
Dazu gebe ich Ihnen nun kurz gefaßt die Stellungnahme der sozialdemokratischen Fraktion dieses Hauses.
Vor allem ist außerordentlich zu bedauern, daß eine schon längst fällige Neuregelung der Beamtenbesoldung erst jetzt, weitaus verspätet, von der Bundesregierung vorgelegt wurde. Außerdem wird - wir haben es heute erneut vom Herrn Kollegen Stoltenberg gehört - wieder einmal, und zwar diesmal in eindeutiger Klarheit, sichtbar, daß die von uns immer bekämpfte Methode, Besoldungsfragen nur unter fiskalischen Gesichtspunkten zu sehen,
({0})
hier erst recht angewandt wird. Wir waren, sind und bleiben der Meinung, daß der Staat, daß die öffentlichen Dienstgeber überhaupt in ihren Mitarbeitern vor allen Dingen den Menschen sehen müssen, den Menschen, den sie sich verpflichtet haben und dem sie als Gegenleistung ihre Fürsorgepflicht angedeihen lassen müssen.
({1})
War es deshalb notwendig, daß erst eine besondere
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ergeben mußte, in der ausgesprochen wurde, daß eine der wichtigsten Fürsorgepflichten die selbstverständliche Anerkennung und praktische Durchführung des Rechts auf angemessenen Lebensunterhalt ist? Das gilt besonders immer dann, wenn wieder eine Neuregelung wegen wesentlich veränderter Lebensverhältnisse dringlichst erforderlich wird.
Im Jahre 1957, also vor drei Jahren, haben wir bei der Beratung des Bundesbesoldungsgesetzes diese Frage überprüft. Wir müssen in die Erinnerung zurückrufen, daß wir schon damals in diesem Hause um eine Neuregelung kämpften, die eine 170 %ige Erhöhung gegenüber der Regelung von 1927 vorsah. Schon damals mußten wir unter dem Druck der Tatsachen, um eine Verschleppung der Besoldungsreform in die 3. Legislaturperiode zu verhindern, 5 v. H. abstreichen. Wir mußten sie abstreichen, obwohl uns, zumindest den meisten von uns, damals klar war, daß diese geforderten 170 % als unterste Grenze des angemessenen Lebensunterhalts anzusehen waren. Es ist notwendig, daß wir uns das in die Erinnerung zurückrufen, wenn wir dazu noch die Veränderungen in den letzten drei Jahren berücksichtigen.
Ich möchte im Interesse einer zügigen Arbeit dieses Hauses darauf verzichten, im einzelnen auf die vorliegenden Tatsachen einzugehen. Diese Tatsachen - und damit komme ich schon zum materiellen Inhalt des Regierungsentwurfs - müssen bei der Beurteilung des vorliegenden Gesetzentwurfs zugrunde gelegt werden. Gerade der Gegensatz zwischen den offenkundigen Tatsachen und der hier vorgeschlagenen Regelung muß zwingend die scharfe Kritik nicht nur des betroffenen Personenkreises, sondern auch vieler Mitglieder dieses Hauses herausfordern.
Meine Fraktion schließt sich vollinhaltlich der Stellungnahme an, die von den Ländern Hamburg und Hessen durch ihre Minister im Bundesrat beim ersten Durchgang dieser Vorlage in überzeugender Deutlichkeit vorgetragen worden ist. Diese Stellungnahme gründet sich auf drei Schwerpunkte: erstens auf die Entwicklung der Lebensverhältnisse seit 1957, zweitens auf die Erhöhung des Sozialprodukts in den letzten drei Jahren - sie können wir wirklich nicht unberücksichtigt lassen, Herr Dr. Stoltenberg, denn bei anderen Verhandlungen wird sie in den Mittelpunkt gestellt - und drittens auf die Entwicklung der Löhne und Gehälter im öffentlichen Dienst, wie sie in dem am 15. März 1960 in Bad Kreuznach abgeschlossenen Vertrag ihren Niederschlag gefunden hat. Das sogenannte Blessing-Gutachten kann und darf nicht die Grundlage sein. Das hieße nämlich, daß gerade der Personenkreis, der dem öffentlichen Dienstgeber nahesteht, einseitig für die konjunkturdämpfenden Maßnahmen Opfer bringen sollte. Es darf auch nicht übersehen werden, daß bei der Beamtenbesoldung nicht nur der Entwicklung der letzten drei Jahre Rechnung getragen werden muß. Es muß auch daran gedacht werden - das hat die Vergangenheit stets bewiesen -, daß Änderungen der Beamtenbesoldung die Neigung in sich tragen, länger wirkMatzner
sam zu bleiben als sonstige Regelungen auf dem Gebiet der Löhne und Gehälter.
Nach diesen kurzen Darlegungen wird es Sie nicht verwundern, wenn ich erkläre, daß wir die von der Bundesregierung vorgeschlagene Regelung mit aller Entschiedenheit ablehnen müssen. Sie ist sowohl nach dem Zeitpunkt des Inkrafttretens als auch nach der Höhe des Satzes unannehmbar und muß sehr wesentlich verbessert werden. Um diese Verbesserung werden wir im Ausschuß kämpfen. Wir hoffen, daß dieser Gesetzentwurf bei seiner Rückkehr ins Plenum dem Hohen Hause in einer Gestalt vorgelegt wird, die den Verhältnissen Rechnung trägt. Nur so wird die Bundesregierung und nur so wird dieses Hohe Haus seine Fürsorgepflicht gegenüber einem Personenkreis erfüllen, der treu und unermüdlich der Regierung, der gesamten staatlichen Verwaltung und damit nicht zuletzt dem ganzen Volke dient. Diesem Personenkreis müßten die gewählten Vertreter des Volkes nicht nur für die Arbeit danken, sondern sie müßten ihm durch eine Beschlußfassung, die weit über die Vorstellungen der Bundesregierung hinausgeht, auch eine angemessene Lebenshaltung ermöglichen, so daß der Fürsorgepflicht des öffentlichen Dienstherrn Genüge geleistet wird.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Kühn ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nicht in den Fehler verfallen, das, was der Herr Kollege Matzner aus historischen Überlegungen gesagt hat, zu wiederholen. Aber lassen Sie mich ein paar Worte zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung sagen.
Selten hat ein so kurzer Gesetzentwurf von vier Paragraphen die Betroffenen, d. h. den sehr großen Prozentsatz der Bevölkerung an Bundesbeamten, an Landesbeamten und an Gemeindebeamten, in solche Unruhe versetzt, ja mit Empörung, teilweise sogar, was mir noch schlimmer erscheint, mit Resignation erfüllt wie dieser Gesetzentwurf, den die Bundesregierung heute eingebracht hat.
Die Fraktion der Freien Demokraten begrüßt deshalb insbesondere den Entschluß des Ältestenrates, die Vorlage der Bundesregierung zur Anpassung - meine Damen und Herren, nicht zur Erhöhung - der Beamtenbesoldung im Rahmen der Haushaltsberatungen zu behandeln. Es hätte sonst die Gefahr bestanden, daß die Beratung dieses Gesetzentwurfs bis weit in den Mai verzögert worden wäre.
Wir Freien Demokraten sind aber - das möchte ich gleich am Anfang betonen - der Meinung, daß es unmöglich bei dem von der Bundesregierung vorgeschlagenen Satz von 4 % bleiben kann. Es ist eine wesentlich höhere Anhebung notwendig. Lassen Sie mich dazu drei Bemerkungen machen.
Erstens ist inzwischen eine Änderung der Vorausberechnung des Sozialprodukts eingetreten. Die Vorschläge der Bundesregierung beruhen auf dem
sogenannten Blessing-Gutachten, dem Gutachten, das der Herr Präsident der Deutschen Bundesbank auf Anforderung des Herrn Bundeskanzlers zur allgemeinen Konjunkturlage erstellt hat. Darin war von einer im Jahre 1960 zu erwartenden Steigerung des Sozialprodukts in Höhe von etwa 5,5 % die Rede. Mittlerweile hat aber das Bundesfinanzministerium errechnet, daß die Steigerung auf 8 % geschätzt werden muß. Der Sperrgrenze im Blessing-Gutachten ist also durch die wirtschaftliche Entwicklung der Boden entzogen worden.
Zweitens ist inzwischen eine Steigerung des Volkseinkommens eingetreten. Herr Kollege Matzner hat mit Recht darauf hingewiesen, daß seit 1957 immerhin drei Jahre vergangen sind. Nach den neuesten Berechnungen des Statistischen Bundesamtes - nicht nach irgendwelchen Berechnungen, die wir selber vorgenommen haben, meine Damen und Herren - ist das Volkseinkommen pro Kopf der erwerbstätigen Bevölkerung allein in den Jahren 1958 und 1959 um über 11 % gestiegen.
({0})
- Das ist allerdings sehr erfreulich. - Da in diesen Zahlen die Beamten einbegriffen sind, deren Einkommen sich in diesen beiden Jahren nicht verändert hat, ist meines Erachtens die Forderung der Beamtenorganisationen nach einer wesentlichen Erhöhung durchaus berechtigt.
Ich will nicht darauf eingehen, daß wir damals, vor drei Jahren, schon Schwierigkeiten hatten, als wir die letzte Besoldungsordnung mit Wirkung vom 1. April 1957 verabschiedeten und um die berühmten 5 % kämpften, die Herr Kollege Matzner hier genannt hat. Ich habe mich damals dafür eingesetzt, daß wir uns für 170 % entscheiden. Meine Damen und Herren, es wäre uns viel Kummer und Not erspart geblieben, wenn das Hohe Haus die 170 % genehmigt hätte.
Drittens darf ich folgendes sagen. Durch die Tarifabschlüsse für die Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst, die ja bei all diesen Überlegungen eine große Rolle gespielt haben, wie schon der Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen und zuvor die Vertreter Hamburgs und Hessens in der Bundesratssitzung vom 18. März festgestellt haben - Herr Kollege Matzner hat das auch schon erwähnt -, ist auch für die Beamten insofern eine neue Situation entstanden, als zumindest für die Länder und Gemeinden Erhöhungen ausgehandelt wurden, die wesentlich über dem liegen, was die Bundesregierung vorgeschlagen hat. Nach den letzten Nachrichten betragen diese Erhöhungen 6,75 bis 11 %. Nach unserer Auffassung jedenfalls ist es untragbar, im öffentlichen Dienst zweierlei Recht zu schaffen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch kurz etwas sagen, was vielleicht auch in den Rahmen dieser Betrachtungen gehört. Ich weiß nicht, ob Ihnen allen bekannt ist, daß gemäß § 94 des Bundesbeamtengesetzes die Spitzenorganisationen - und das sind der Deutsche Beamtenbund und der Deutsche Gewerkschaftsbund - gehört werden sollen. Das ist nicht geschehen, und ich kann nur sagen,
Kühn ({1})
daß uns die Erklärung, die der Herr Bundesinnenminister hierfür gegeben hat, sehr wenig befriedigt hat. Es war doch so etwas wie ein Schuß vor den Bug bei den Verhandlungen von Kreuznach, die gerade um diese Zeit stattfanden,
Nun liegt der Schwarze Peter hier bei uns im Hohen Hause. Der Bundesrat hat sich geweigert - was nicht allzu häufig vorkommt -, zu diesem kleinen Gesetzentwurf Stellung zu nehmen. Sie können im Protokoll des Bundesrates nachlesen, was insbesondere der Vertreter von Hessen gesagt hat, und man kann all das, was im Bundesrat erklärt worden ist, unterschreiben. Wir Freien Demokraten hielten es daher für richtig, wenn der Gesetzentwurf der Bundesregierung durch dieses Hohe Haus nunmehr dahin geändert würde, daß auch für die Beamten eine angemessene und gerechte Erhöhung erreicht wird, die den Anschluß an die allgemeine Einkommensentwicklung der letzten drei Jahre ermöglicht. Wir können diese Dinge natürlich nicht allein von Gesichtspunkten rein materieller Art aus betrachten. Es kommt wesentlich darauf an, daß hier eine gerechte Entscheidung getroffen wird.
Von seiten des Haushalts dürften für eine solche Erhöhung keine Schwierigkeiten bestehen, nachdem die Länder, auf denen mit die Hauptlast der Beamtenbesoldung ruht, von sich aus den Satz des Regierungsentwurfs als zu niedrig abgelehnt haben. Ich habe gerade heute morgen gehört, daß auch das Land Baden-Württemberg etwas tut, was einige andere Länder inzwischen getan haben, die schon Vorschüsse auf die zu erhöhende Beamtenbesoldung zahlen. - Herr Kollege Barzel, das scheint mir immerhin ein Grund dafür zu sein, zu sagen, daß es wohl notwendig ist.
({2})
Das zweite Argument, mit dem die Bundesregierung die Begrenzung der Besoldungsanpassung auf 4 % zu begründen versuchte, war die finanzielle Lage. Dazu ist auch etwas Neues zu sagen, und zwar insofern, als im Rechnungsjahr 1959 die Einnahmen des Bundes, der Länder und der Gemeinden 12 bis 17 % über den Einnahmen des Rechnungsjahres 1958 liegen. Die Mehreinnahmen betragen nach den bisherigen Schätzungen 4,5 Milliarden DM. Allein der Bund erwartet Steuermehreinnahmen in Höhe von mindestens 1,7 Milliarden DM gegenüber den ursprünglichen Haushaltsansätzen. Es ist mit der Fürsorgepflicht des Dienstherrn, wie sie die Freien Demokraten sehen, kaum zu vereinbaren, daß man die engsten Mitarbeiter des Bundes, seine Beamten, angesichts dieser Einnahmeergebnisse mit fiskalischen Scheinargumenten abzuspeisen versucht. Die Fraktion der Freien Demokraten drängt deshalb darauf, daß die Behandlung des Gesetzentwurfs beschleunigt wird, damit die längst fällige Anpassung der Beamtengehälter an das allgemeine Einkommensniveau baldmöglichst mit rückwirkender Kraft vom 1. Januar 1960 an eintreten kann.
Ich beantrage hiermit, den Gesetzentwurf dem Innenausschuß zur weiteren Beratung zu überweisen.
({3})
Das Wort hat nunmehr Abgeordneter Kühlthau.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In den Ausführungen meiner beiden Herren Vorredner klang durch, daß die hier zur ersten Lesung anstehende Vorlage der Bundesregierung wegen einer Anhebung der Gehälter der Beamten verspätet, zumindest spät komme. Ich glaube, man muß hierzu ein Wort sagen.
Es wird allzu leicht übersehen, wie schwierig gerade die Situation für den Bund ist, diese Frage der Besoldung der eigenen Beamten - mit den Auswirkungen auch auf Angestellte und Arbeiter - in die Debatte zu werfen und zu Vorschlägen zu kommen. Ich selbst habe in den zurückliegenden Jahren wiederholt Gelegenheit genommen, darauf hinzuweisen, daß man besoldungspolitische Maßnahmen des Bundes nicht in Überlegung ziehen kann, ohne sich über die Auswirkungen auch auf die übrigen öffentlichen Dienstherren im klaren zu sein.
Ich bitte doch einmal zu bedenken, daß vor allem die Auswirkungen im gemeindlichen Bereich sehr schwerwiegend sind, da die Gemeinden ja nicht den Vorteil haben, daß ein Teil des Mehrs an Löhnen und Gehälter in Form von vermehrten Steuern wieder zu ihnen zurückfließt. Wiederholt habe ich hier im Hause schon gehört, daß gerade aus diesem Grunde, weil ein Teil des Mehraufkommens in Form von Steuerrückflüssen an den Bund und an die Länder zurückgeht, das Problem an sich nicht so gewichtig sei. Ich habe immer wieder davor gewarnt, weil gerade auf den schwächsten der drei Partner - das waren zumindest in den letzten Jahren die Gemeinden - sehr ernst Bedacht genommen werden muß. Die Schwierigkeiten für die Bundesregierung schon bei Beginn der ganzen Überlegungen hingen auch damit zusammen, daß diese Überlegungen zu der Zeit anzustellen waren, als sich von der Konjunktursituation her gewisse Erschwerungen und Gefahren für den Bundeshaushalt und auch für die Bundesnotenbank abzeichneten.
Aus diesem Grunde ist das berühmte Blessing-Gutachten durch den Herrn Bundeskanzler angefordert worden, das zu der Feststellung kam, es sei eine preisneutrale Anhebung - darauf kommt es an: preisneutrale Anhebung - von Löhnen und Gehältern im Jahre 1960 von etwa 4 Prozent zu erwarten. Ich selbst habe hierzu wiederholt gesagt, daß ich die Bezugnahme auf das Blessing-Gutachten aus einem anderen Grunde für verkehrt halte. Herr Kollege Dr. Stoltenberg hat vorhin zu Recht gesagt, daß man die Gestaltung der Beamtenbesoldung nicht mit einem Indexdenken verbinden darf. So könnte sich allzu leicht aus der Abstellung auf Gutachten, die sich mit der zukünftigen Entwicklung der preisneutralen Gehalts- und Lohnerhöhungen beschäftigen, ein solches Indexdenken einschleichen, weil automatisch dann im nächsten Jahr die Frage auftreten würde, wie die Situation sich im Jahre 1961 entwickeln würde.
Das hat Herr Dr. Stoltenberg gemeint. Er wollte damit zweifelsfrei nicht zum Ausdruck bringen, daß der Index der verschiedenen Arten so, wie er ermittelt wird, kein Maßstab für die Prüfung des Problems sein kann. Dazu kann selbstverständlich jeder Index herangezogen werden. Aber die Veränderung irgendeiner Indexzahl „der Lebenshaltungskosten" darf nicht dazu führen, daß daraus nun die Forderung nach Lohn- und Gehaltserhöhungen hergeleitet wird.
Herr Kollege Matzner sagte, daß er sich für seine Fraktion den Ausführungen der Vertreter von Hessen und Hamburg anschließe. Hessen und Hamburg hatten im Bundesrat erklärt, daß sie die vorgeschlagene Anhebung um 4 Prozent für nicht ausreichend hielten. Ich hoffe, daß Sie die Andeutungen von Herrn Dr. Stoltenberg so verstanden haben: Auch wir sind der Meinung, daß diese 4 Prozent einer sorgfältigen Überprüfung bedürfen. Es dreht sich darum, daß man in gewissem Umfang der Entwicklung der Preise und der realen Kaufkraft seit 1957, als zum letzten Male die Beamtengehälter neu festgesetzt wurden, Rechnung tragen muß. Im Durchschnitt haben sich seit dieser Zeit die Lebenshaltungskosten in Deutschland um ungefähr 8 Prozent erhöht, und wir glauben, dort den Ausgangspunkt für das Problem der Überprüfung der Gehälter zu sehen. Ich glaube dagegen nicht, Herr Kollege Matzner, daß die Erhöhung des Sozialprodukts von Jahr zu Jahr immer der Ausgangspunkt für eine Veränderung der Beamtenbesoldung sein kann. Ich glaube, daß man die Erhöhung des Sozialprodukts nur in großen Abständen als Ausgangspunkt für die Besoldung der Beamten heranziehen kann.
Der Herr Bundesinnenminister hat bei Gelegenheit einmal gesagt, man dürfe sich in preisruhigen Zeiten nur alle fünf oder sieben Jahre einmal grundlegend mit dem Problem befassen; dann müsse man auch einer etwaigen Entwicklung des Sozialprodukts Rechnung tragen, jedenfalls die Entwicklung in die Überlegungen einbeziehen. Aber wir sollten nicht versuchen, den Stand kaufkraftmäßig ungefähr zu halten, den wir im Jahre 1957 im Hause als eine angemessene, haushaltswirtschaftlich tragbare Besoldung unserer Beamten festgelegt haben. Aus diesem Grunde wollen wir im Innenausschuß des Bundestages in Verbindung mit dem Haushaltsausschuß den Vorschlag der Bundesregierung prüfen.
Herr Dr. Stoltenberg hat gesagt, daß wir uns unserer Verpflichtung bewußt sind, dem Beamten eine seiner Stellung und den allgemeinen Lebenshaltungskosten entsprechende Besoldung einzuräumen. Das hat er klar gesagt, und das wird der Ausgangspunkt unserer Überlegungen sein. Ich glaube auch nicht, Herr Kollege Matzner, daß man es sich so einfach machen kann, zu sagen, die Stellungnahme, die Herr Dr. Stoltenberg abgegeben habe, sei wieder einmal ein Beispiel dafür, daß man die Dinge nur fiskalisch sehe. Ich glaube, Herr Kollege Matzner, wir kommen nicht daran vorbei, die Auswirkungen auf den Haushalt zu überprüfen. Man muß das, was nach unserer Auffassung getan werden müßte, immer zu den haushaltswirtschaftlichen Möglichkeiten in Beziehung setzen. Daran, meine Damen und Herren, kommt man nicht vorbei. Ich glaube, so haben es auch die Länder Hessen `und Hamburg eigentlich nicht gemeint.
Sie haben noch auf etwas anderes hingewiesen, Herr Kollege Matzner, nämlich darauf, daß die Angestelltengehälter und auch die Tariflöhne im öffentlichen Dienst inzwischen durch Tarifabreden eine wesentliche Veränderung erfahren haben. Das trifft zu. Auch das ist mit ein Anlaß. Aber lassen Sie mich dazu ruhig zumindest ein persönliches Wort sagen; ich weiß nicht, ob auch bei meinen Freunden generell diese Meinung vertreten wird.
Im Prinzip bin ich der Auffassung, daß das Niveau der Besoldung im gesamten öffentlichen Dienst seine Grundlage in der Besoldung der Beamten haben sollte, daß man möglichst in einem angemessen frühen Zeitpunkt zu einer Prüfung der Besoldungssituation der Beamten kommen sollte und auf dieser Basis auch die Besoldung der Angestellten ausrichten und die Festlegung der Löhne im öffentlichen Dienst vornehmen sollte. Darüber kann man zwar streiten. Aber ich persönlich bin, wie gesagt, der Meinung, die Höhe der Beamtenbesoldung sollte eigentlich die Gesamtbesoldung im öffentlichen Dienst bestimmen.
Wir sollten uns - und diese Bitte richte ich gerade an die Kollegen im Innenausschuß als dem für diese Frage federführenden Ausschuß - darüber einig sein, daß man möglichst schnell zu einer Klärung dieser Frage kommen sollte, nicht weil das, was schnell getan wird, vielleicht doppelt wirkt; auch das sehe ich ein. Vor allem sollten wir hier eine Entwicklung sehen, die auch Herr Kollege Kühn andeutete: daß inzwischen zwei Länder, Hamburg und Bremen, Übergangsmaßnahmen getroffen haben und daß, wie ich gerade hörte, auch BadenWürttemberg dabei ist, im Jahre 1961 irgendeine Maßnahme mit Auswirkungen auf die kommenden Gehaltserhöhungen für die Beamten zu treffen. Aus diesem Grunde sollten wir sehr bald zu einer Klärung der Verhältnisse kommen. Denn durch diese Vorauszahlungen, diese Schritte einzelner Länder, werden die Verhandlungen, die wir zu führen haben, nur noch kompliziert. Wir werden uns also sehr bald mit dieser Frage befassen müssen.
Ein Wort noch zu Herrn Kollegen Kühn. Die FDP-Fraktion hat einmal gesagt, daß sie während des Haushaltsjahres, wenn der Haushalt verabschiedet sei, keine Anträge stellen werde, wenn nicht deren Dekkung gesichert sei. Das ist, glaube ich, die Sorge, vor der wir stehen. Ich fürchte, daß unsere Kollegen vom Haushaltsausschuß auch verlangen werden, daß wir geeignete Deckungsvorschläge machen.
({0})
- Wir werden auch diese Frage im Ausschuß einmal prüfen. Vielleicht können auch wir zu den Vorschlägen beitragen. Ich wollte das nur einmal in die Erinnerung zurückrufen.
Kühltau
Sie wiesen sodann auf die Nichtbeachtung des § 94 des Bundesbeamtengesetzes hin. Mir ist bekannt, daß der Entwurf der Bundesregierung so, wie er in der Kabinettssitzung Anfang Februar vorläufig verabschiedet worden ist, Gegenstand einer Beratung mit den Spitzenorganisationen der Beamten war. Nach dem letzten Kabinettsbeschluß aus den ersten Märztagen ist eine erneute Fühlungnahme nicht erfolgt. Aber ich persönlich habe das auch gar nicht erwartet. Denn das, was das Kabinett - am 9. März, glaube ich, war es - als Kabinettsvorlage, die uns jetzt beschäftigt, beschlossen hat, geht über das, was nach der Sitzung vom 4. Februar ursprünglich vorgesehen war, hinaus. In der ursprünglichen Kabinettsvorlage war ja keine umfassende Verbesserung, keine Ausdehnung der Zuschläge auf die Ortszuschläge vorgesehen. Ich glaube nicht, daß die Beamtenorganisationen deshalb böse sind, weil ihnen nun die Verbesserungen nicht noch vorher zur Kenntnis gebracht worden sind. Ich weiß nur, daß diese Beratungen stattgefunden und alle Verbände ich habe Verständnis dafür - ihre ablehnende Meinung zu den Vorschlägen vorgebracht haben.
Ich darf Sie bitten, der Überweisung des Gesetzentwurfs an den Innenausschuß zuzustimmen. Ich bitte die Kollegen des Innenausschusses, damit einverstanden zu sein, daß wir uns sehr bald im Rahmen der Gesamtarbeit abstimmen, wann wir diese Frage beraten können, da wir doch bald zu einer Klärung kommen müssen.
Wie gesagt, auch wir sind der Meinung, daß wir die Vorlage der Bundesregierung im Hinblick auf das Ausmaß der vorgeschlagenen Anhebung ernsthaft prüfen müssen, daß sie der Verbesserung bedarf. Zahlen das haben glücklicherweise auch meine Vorgänger nicht getan - nenne ich nicht. Aber eine Zahl nenne ich doch, und das sollte ruhig auch in aller Öffentlichkeit gesagt werden: 12 e/o werden es nicht sein. Man sollte darüber Klarheit schaffen, daß es uns gar nicht möglich sein wird, der Forderung der Beamtenorganisationen in diesem Umfang Rechnung zu tragen, daß wir aber nach einer Verbesserung suchen werden, die im Rahmen des Ganzen für uns tragbar ist und doch für die Beamten eine erfreuliche Verbesserung darstellt.
Das Wort hat der Abgeordnete Schneider ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Fraktion der Deutschen Partei will ich angesichts der vorgerückten Stunde lediglich die Erklärung abgeben, daß auch wir die Frage der Neuregelung der Beamtenbezüge mit großem Interesse verfolgen. Ohne mich auf die Argumente, die hier vorgebracht worden sind, einzulassen und das Für und Wider zu wägen, möchte ich für meine Fraktion ohne Festlegung auf eine Zahl ausdrücklich feststellen, daß auch uns der bisherige Vorschlag von 4 % nicht ausreichend erscheint. Wir hoffen, daß wir zu einer baldigen abschließenden Regelung kommen werden.
({0})
Wir kommen jetzt zur Begründung der weiteren Anträge, die zum Einzelplan 06 vorliegen. Zu Umdruck 510 Ziffer 2 Herr Abgeordneter Schmitt ({0}) !
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem Antrag auf Erhöhung der Mittel in Tit. 614b will die SPD-Fraktion erreichen, daß die Arbeit der Kommission für Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, die für die Entwicklung unseres Staates von großer Bedeutung ist, nicht ins Stocken oder sogar in Schwierigkeiten gerät.
Ich darf annehmen, daß das Hohe Haus über die bisherigen Veröffentlichungen der Kommission unterrichtet ist, zumal da erst kürzlich die beiden ersten Bände über den Interfraktionellen Ausschuß 1917/18 mit Recht in der deutschen Öffentlichkeit eine große Beachtung gefunden haben. Ich verspreche mir davon, Herr Kollege Schneider ({0}), daß die Lektüre der Veröffentlichungen dieser Kommission zur Aufhellung Ihres Geschichtsbildes und auch desjenigen der Claqueure aus der CDU, die Ihnen heute morgen Beifall gegeben haben, sehr wesentlich beitragen wird. Die weiteren Arbeiten an den Bänden der Reihe „Quellen zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien" und vor allem auch die Arbeiten an der Herausgabe eines deutschen Wahlatlas werden aber entscheidend leiden, wenn die Kommission in diesem Jahr durch die Verkürzung des Haushaltsjahres nur drei Viertel des Bundeszuschusses erhält, der dann ja auch noch um 10 % gekürzt wird. Selbstverständlich wird durch jene Mittelkürzung die Vorplanung erschwert, wenn nicht unmöglich gemacht. Wir bitten daher, unseren Antrag anzunehmen.
Darüber hinaus bitten wir die Bundesregierung, für das kommende Haushaltsjahr zu überlegen, in welchem Umfange die Mittel erhöht werden können. Es wäre sehr schade, wenn bis zum Jahre 1967, wenn das deutsche Parlament sein hundertjähriges Jubiläum feiert, die Arbeiten nicht stärker vorankämen. Denn schließlich liegt der Hauptwert der Arbeiten doch darin, daß der zeitgeschichtlich und auch verfassungsrechtlich wichtige Prozeß der Parlamentarisierung durch das notwendige Grundmaterial der weiteren Forschung geöffnet wird und andererseits die historische Wahlsoziologie endlich einmal auch in Deutschland eine Förderung erfährt.
Ich möchte bei dieser Gelegenheit darauf hinweisen, daß der Rechtsstatus ,der Kommission einer Überprüfung bedarf. Ich würde vorschlagen, daß wir uns im Ausschuß für Inneres einmal mit diesen Fragen beschäftigen.
Wir haben das im letzten Jahr mit großem Erfolg bei dem Institut für Zeitgeschichte getan. Ich bin überzeugt, daß der Herr Bundesinnenminister sehr dankbar dafür war, daß wir diese Frage im letzten Bundestag zur Sprache gebracht haben. Er konnte dann in der Debatte über die antisemitischen Vorfälle mit besonderer Befriedigung gerade auf die Arbeit dieses Institutes hinweisen. Der Ausschuß hat sich ja inzwischen einstimmig geäußert, und ich
Schmitt ({1})
hoffe, daß die Bundesregierung dem Hohen Hause recht bald mitteilen wird, daß das Institut nunmehr endgültig eine Rechtsgrundlage gefunden hat und daß es vor allem auch in den kommenden Jahren die Mittel erhält, die notwendig sind, damit die Erklärung des Herrn Bundesinnenministers in der damaligen Sitzung nicht nur ein Lippenbekenntnis aus einem ganz bestimmten Anlaß war, sondern erfüllt wird durch die Unterstützung der Arbeit des Instituts im Sinne einer Verwurzelung des demokratischen Gedankens.
Meine Damen und Herren! Wir würden uns freuen, wenn der Bund im kommenden Haushaltsjahr mehr täte. Ich will hier aber nicht verschweigen, daß die Länder auch mehr tun könnten und daß der Bund einen erheblichen Anteil an der Förderung dieses Instituts hat.
Zum Schluß: Herr Kollege Kühlthau, ich habe Ihnen schon zwei Terminvorschläge für die SPDFraktion unterbreitet. An uns soll es nicht liegen, wenn der Gesetzentwurf über die Beamtenbezüge nicht so schnell wie möglich behandelt wird.
Ich bitte um Annahme unseres Antrages.
({2})
Zum Änderungsantrag Umdruck 510 Ziffer 2 Herr Abgeordneter Schneider ({0}) !
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der angenehmen Erwartung, daß auch der Herr Kollege Schmitt ({0}) und seine sozialdemokratischen Freunde aus dieser Veröffentlichung für ihre geschichtlichen Kenntnisse entsprechenden Nutzen ziehen, werde ich dem Antrag zustimmen.
({1})
Da der Änderungsantrag Umdruck 519 nicht begründet zu werden braucht, hat jetzt das Wort zur Begründung des Änderungsantrages Umdruck 510 Ziffer 3 Herr Abgeordneter Reitzner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Deutsche Künstlerhilfe im Einzelplan 06 Tit. 616, Nr. 1 g der Erläuterungen, ist geschaffen worden, um freischaffenden Schriftstellern, Künstlern und Komponisten, die in Not geraten sind, zu helfen.
Es handelt sich hier um einen Personenkreis, der nicht in die in unserer Zeit üblichen Größenordnung der Zahl fällt. Deswegen wahrscheinlich ist dieser Personenkreis auch wenig beachtet. Außerdem stehen ja geistige und kulturelle Werte nicht sehr hoch im Kurs.
({0})
- Im allgemeinen. Ich habe ja nicht bezweifelt, daß
sie bei Ihnen hoch im Kurs stehen. Im allgemeinen
muß man wohl die Feststellung treffen, daß geistige Werte nicht sehr hoch im Kurs stehen.
({1})
- Wenn sie bei Ihnen hoch im Kurs stehen, können
Sie das jederzeit bei den Beratungen und auch
durch die Zustimmung zu diesem Antrag beweisen.
({2})
- Das sehen wir dann nachher bei der Abstimmung, wie hoch sie bei Ihnen im Kurs stehen.
So kommt es, daß die landläufige Annahme dahin geht: unbekannte Schriftsteller, Künstler und Komponisten sind Nichtskönner, die eben etwas Ordentliches hätten lernen sollen. Das ist ein Irrtum.
Die Untersuchungen über die geistige und wirtschaftliche Lage der freischaffenden Künstler in der Bundesrepublik ergeben das folgende Bild. Wir haben in der Bundesrepublik sehr viele Talente. Ihnen fehlt zwar manchmal der für unsere Tage notwendige praktische Sinn. Aber auch mit diesem Sinn ausgestattet, kann ein freischaffender Künstler und Schriftsteller heute in unserer Zeit nicht leben; das heißt, dieser Beruf ist nicht in der Lage, seinen Mann zu ernähren. Alles in allem zeigt sich das Bild, daß Tausende von Künstlern und Schriftstellern in recht bescheidenen, ja oft ärmlichen Verhältnissen leben müssen und unter dem ständigen Druck wirtschaftlicher Not ihr Dasein fristen. Ich frage, meine Damen und Herren: kann man in einer solchen Lage unbelastet und schöpferisch schaffen? Ich glaube nicht. Ich möchte nur ein Beispiel, das mir zugeleitet worden ist, anführen. Es ist ein Beispiel für viele. Ich lese es wörtlich vor:
Ein Autor, der zwei viel gelesene Romane schrieb, berichtet über seine Lage:
Ein Buch, an dem ich ein Jahr lang arbeite, bringt mir erfahrungsgemäß 2500 D-Mark ein. Dieses Geld verzehre ich als Vorschuß, während ich schreibe. Man interviewt mich dann, bringt mein Bild sogar, aber am selben Tag pfändet der Gerichtsvollzieher, oder ich muß mich vor dem Gasmann verstecken.
Das ist ein Beispiel für viele.
Aber da ist ein Leitwort, das man uns gibt, das heißt: „Wie man sich bettet, so liegt man" oder: „Sicherheit über alles". Wer dieser Auffassung ist, muß sich klar sein, daß es allerdings einen Verzicht auf jede schöpferische Arbeit bedeutet.
Ich möchte abschließend, meine Damen und Herren, in vollem Freimut bekennen, daß auch mit der von meiner Fraktion beantragten Erhöhung des Ansatzes für die Deutsche Künstlerhilfe auf 1 Million DM das eigentliche Problem noch nicht gelöst wird. Für die freien Berufe, die ihr und ihrer Angehörigen Alter zu sichern wünschen, ist die Frage, wie sich die Versorgung gestalten läßt, von sehr großer Bedeutung. Der selbstverantwortlichen Vorsorge sind allerdings Grenzen gesetzt. Man kann nicht immer ein Haus bauen, man kann auch nicht immer Geld in Wertpapieren anlegen oder sich dar5972
auf verlassen, daß einem die Kinder später helfen werden. Außerdem sind innerhalb von 40 Jahren die Ersparnisse zweimal durch Inflationen vernichtet worden. Ich glaube, daß die Freischaffenden und Selbständigen ein legitimes Recht haben, in die soziale Gesetzgebung des Bundes einbezogen zu werden. Es wird sich dann auch zeigen, wie stark die Solidarität bei diesem Personenkreis der Freischaffenden, Künstler und Komponisten sein wird.
Es ist klar, daß wir einen Plan für die Altersversorgung dieses Personenkreises nicht von heute auf morgen schaffen können. Daher soll rasch eine Zwischenlösung geschaffen werden. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion beantragt sie bittet Sie um Ihre Zustimmung zu diesem Antrag -, den Fonds Deutsche Künstlerhilfe auf 1 Million DM zu erhöhen. Die im Bundespräsidialamt in den Jahren 1953 bis 1959 gesammelten Erfahrungen haben ergeben, daß man mit 1 Million DM bei weitem nicht auskommen kann.
Ich plädiere gleichzeitig dafür, den Herrn Bundespräsidenten, in dessen Amt der Fonds Deutsche Künstlerhilfe verwaltet wird, dadurch zu unterstützen, daß ein Beirat von Kollegen dieses Hauses - am besten wohl von Kollegen aus dem Kulturpolitischen Ausschuß - sich mit diesem Problem beschäftigt und dem Herrn Bundespräsidenten helfend zur Seite steht.
Das gesamte Problem der Fürsorge und Vorsorge für die Freischaffenden, Schriftsteller, Künstler und Komponisten darf man nicht nur vom sozialpolitischen Aspekt aus betrachten, sondern man muß es auch vom kulturpolitischen Aspekt und von der Wertung kultureller Leistungen her sehen. Daher bitte ich das Hohe Haus um Zustimmung zu diesem Antrag.
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Das Wort zu dem Antrag auf Umdruck 510 Ziffer 4 hat der Abgeordnete Schmitt ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Hinblick auf die vorgerückte Zeit will ich mich kurz fassen.
Der Herr Bundesminister hat zum ständigen Bestandteil seiner Reden die Aufforderungen an die Opposition gemacht, seine Arbeit und seine Vorstellungen nicht mit allzu großem Mißtrauen zu betrachten. Nun, Herr Minister, die Art und Weise, wie Sie die Notstandsvorschläge gemacht haben, und die Umstände, wie diese zustande gekommen sind, zeigen allerdings, daß ein gesundes Mißtrauen in jeder Weise gerechtfertigt ist. Nehmen Sie nur einmal die Tatsache, daß Sie eine einfache Mehrheit für die Verkündung des Notstandes vorgeschlagen haben. Dieser Vorschlag steht im Widerspruch zu allen Verfassungsgrundsätzen des Grundgesetzes.
Wenn die Zeitungen Sie richtig interpretiert haben, haben Sie hier die Balkanmethode angewandt. Sie haben in der Hoffnung, daß der Bundestag die Sache ohnehin ändern wird, einen Vorschlag gemacht, von dem Sie selber nicht der Meinung waren, daß er realisierbar sei. Das ist nicht gerade das Vertrauensklima, das wir brauchen. Ich will auf die zahlreichen anderen Punkte nicht mehr eingehen, die es nach unserer Meinung rechtfertigen, daß wir Ihnen und Ihren Vorstellungen über das Verhältnis von Regierung und Opposition mehr als reserviert gegenüberstehen.
Ich erinnere mich noch gut an einen großen Aufsatz über Ihre Person, in dem damals dargestellt wurde, daß in einem sehr langen Gespräch, das ein Journalist mit Ihnen über den demokratischen Staat und seine Ordnung geführt hat, das Wort „Opposition" überhaupt nicht vorkam. Der Verfasser meinte, auch nach meiner Meinung mit Recht, das sei für Sie bezeichnend.
Herr Minister, wir können also in den großen Fragen - ich denke dabei an die Notstandsgesetzgebung usw. - zu Ihnen kein Vertrauen haben. Sie machen es uns aber auch bei kleinen Fragen außerordentlich schwer, zu einem Verhältnis zu kommen, das für ,das Funktionieren ,der Demokratie von so entscheidender Bedeutung ist.
Dieser Antrag ist ein Testfall für ein Vertrauensverhältnis. Es handelt sich um die Überprüfung der Jahresrechnungen über die Ausgaben des Tit. 300 von Kap. 06 09. Sie wissen, daß wir keinen konkreten Anlaß haben, die Verwendung der Mittel dieses Fonds zu kritisieren. Sie wissen aber auch, daß wir als einen Teil der Gesamtverantwortung für den Schutz der Verfassung eine Beteiligung der Opposition an der Kontrolle dieses Fonds ansehen. Die Grundsätze der öffentlichen Kontrolle erfordern gerade bei den Geheimfonds, die überall anwachsen, daß das gesamte Haus beteiligt wird. Ich will nicht noch einmal wiederholen, daß der Herr Bundeskanzler ein dreiköpfiges Gremium zur Überprüfung der Mittel ,des Bundesnachrichtendienstes zugelassen hat. Sie wissen, daß der Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen ein parlamentarisches Gremium für die Kontrolle bestimmter Mittel vorgesehen hat. In der Weimarer Zeit lag die Überprüfung der Jahresrechnung über die Verwendung der Mittel zur Förderung des Nachrichtenwesens im In- und Ausland - das war damals der Reichskommissar für die Überwachung der öffentlichen Ordnung - beim Reichsschuldenausschuß, der unter dem Vorsitz des Präsidenten des Rechnungshofes tagte und dem sechs Mitglieder des Reichsrates und sechs Mitglieder des Reichstages angehörten; auf diese Weise sollte die parlamentarische Kontrolle gesichert werden. Ich möchte Sie auch bitten, auf den Hinweis zu verzichten, daß die Länder ähnliche Regelungen wie der Bund praktizieren. Ich finde, Herr Minister, der Bund sollte sich nicht auf die eine oder andere Regelung berufen, sondern durch eine beispielhafte Neuregelung, wie wir sie beantragen, mit dazu beitragen, den Verfassungsschutz zu einer Aufgabe aller Parteien dieses Hohen Hauses zu machen. Ich bitte um Annahme dieses Antrages.
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Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern,
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde die sehr wertvolle Zeit, die wir bis 21 Uhr noch vor uns haben, nicht unangemessen lange in Anspruch nehmen. Ich hatte eigentlich vor, zu den anderen Fragen erst morgen vormittag etwas zu sagen, weil wir ja heute mit meinem Haushalt doch noch nicht fertig werden. Aber Herr Kollege Schmitt ({0}) hat auf mich eine unwiderstehliche Anziehungskraft. Woran das liegt, weiß ich nicht.
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- Das kann ich nicht beurteilen; ich kann nur eine Aussage für mich machen. Was er hier gemacht hat, ist, glaube ich, nicht zulässig. Er hat seine und seiner politischen Freunde allgemeine Einstellung zu mir, die durch ein „gesundes Mißtrauen" gekennzeichnet ist darin bin ich wieder optimistischer als Sie; Ihnen gegenüber habe ich kein gesundes Mißtrauen, sondern nur kritische Wachsamkeit oder so etwas ähnliches -, auf das arme Bundesamt für Verfassungsschutz bezogen. Das ist ganz ungerecht. Sie haben sozusagen zur Aufwärmung Ihres Antrages ein Mißtrauen gegen mich ausgedrückt. Sie sollten dem Bundesamt für Verfassungsschutz gegenüber doch liebenswürdig sein, scheint mir; denn es verdient es, glaube ich, da Sie ja ausdrücklich gesagt haben, Sie könnten hier nichts anführen, was ein besonderes Bedürfnis für Ihren Antrag rechtfertige. Soviel Gutes hört das Bundesamt bekanntlich nicht so oft.
Trotzdem ist der Antrag, den Sie hier gestellt haben, ein „Alle-Jahre-wieder-Antrag". Ich will jetzt nicht die „Alle-Jahre-wieder-Rede" darauf halten, die wäre nicht mehr sehr originell. Einen Teil davon haben Sie auch schon gleich, da Sie die Argumente kennen, angedeutet, nämlich den Hinweis auf die Länder, die genauso verständig oder unverständig wie wir sind und die es genauso machen. Aus wohlerwogenen Gründen empfiehlt es sich, diese Mittel so zu behandeln, wie wir sie seit vielen Jahren behandeln und wie auch die Länder sie behandeln.
Der Hinweis auf die anderen Institutionen, die Sie gerade genannt haben, den Bundesnachrichtendienst usw., geht fehl aus Gründen, die ich hier schon häufiger auseinandergesetzt habe. Der Bundesnachrichtendienst beschäftigt sich mit jenen Dingen, die sich außerhalb unserer Grenzen abspielen. Das pflegen Themen zu sein, die nicht so kontrovers sind wie die, um die es sich hier handelt. Deswegen ist, ganz gleichgültig, wie man sonst zu der dortigen Regelung stehen mag, der Fall anders zu beurteilen. Ich bitte das Hohe Haus wie in den vergangenen Jahren, diesen Antrag abzulehnen.
Nun noch zwei Worte zu den angeblich so schlechten Absichten, die sich in der Notstandsgesetzgebung widerspiegeln sollen. Vielleicht kann ich morgen darauf noch etwas ausführlicher zurückkommen.
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- Sie wollen heute ganz und gar fertig werden? Na schön, dann muß ich zwei Minuten mehr in Anspruch nehmen.
Meine Damen und Herren, Gesetzgebung in einem parlamentarisch-demokratischen Staat hat ja das Gute, daß sie sich in voller Öffentlichkeit vollzieht; zum Teil, unter uns gesagt, geht das sogar zu weit; denn das, was erst in den Schreibstuben der Referenten, Hilfsreferenten usw. ausgedacht ist, könnte in der Tat manchmal noch sehr viel diskreter, manchmal auch fruchtbarer behandelt werden, als es bei uns geschieht. Es gibt aber nicht einen einzigen Vorschlag gesetzgeberischer Art, den wir sozusagen im Dustern machen könnten, sondern wir müssen mit jedem Projekt, das wir haben, meistens schon lange vorher vor die Öffentlichkeit treten.
Vorhin ist ausgeführt worden - das war nicht Kollege Schmitt ({3}), sondern Kollege Dr. Schäfer -, daß es bei der Notstandsgesetzgebung richtiger, ja geradezu unumgänglich gewesen wäre, vorher sozusagen ein Einvernehmen mit der Opposition zu erzielen. Das ist eine Vorstellung, die schlechthin unmöglich ist. Die Rollen sind in der Weise verteilt, daß es drei Träger der Gesetzgebungsinitiative gibt, den Bundestag, den Bundesrat und die Bundesregierung, von denen die Bundesregierung wohlgemerkt nur einer ist. Nun ist die Bundesregierung meist der aktivste Träger der Gesetzesinitiative, aber doch nur der Initiative; denn im Ergebnis wird ein Gesetz nicht von der Bundesregierung gemacht, sondern es wird in diesem Hause und in. einer bestimmten Zusammenarbeit mit (dem Bundesrat schließlich verabschiedet. Daraus folgt, daß die Bundesregierung eine ganz eigene Verantwortung hat, daß sie auch in diesem Prozeß eine durchaus selbständige Größe ist und daß sie sich natürlich nicht nur berechtigt weiß, sondern daß sie auch verpflichtet ist, ihre Auffassung von der gesetzgeberischen Lösung eines bestimmten Problems mit voller Klarheit in der Öffentlichkeit darzustellen.
Es gibt noch eine weitere, ganz legitime Möglichkeit der Bundesregierung, nämlich unter Umständen die Öffentlichkeit, die ein sehr weitgehend wirkender Faktor bei der Gesetzgebung ist, von der Richtigkeit ihrer Vorstellung zu überzeugen. Die Gesetze werden nämlich nicht nur hier, sondern sie werden sozusagen in einem Gesamtwillensbildungsprozeß des Ganzen geformt. Das ist eine Demokratie, die wir hier repräsentativ verwirklicht sehen, was aber gar nicht ausschließt, daß es eine Meinungsbildung gibt, die weit über die gesetzgebenden Körperschaften hinausgeht und die auch hier in bestimmter Weise in Betracht gezogen werden muß. Es ist also eine ganz abwegige Vorstellung, zu meinen, die Bundesregierung könne hier nur mit Gesetzesvorlagen erscheinen, für die von vornherein eine Mehrheit, sei es eine einfache, sei es eine verfassungändernde Mehrheit, gesichert ist. Das wäre falsch und entspräche nicht der Wirklichkeit. Im Gegenteil, es ist sehr gut, daß die Öffentlichkeit auch eine Chance hat, nicht erst ein Kompromißprojekt zur Kenntnis zu nehmen, sondern ganz klare und säuberliche Gegenüberstellungen von Auffassungen,
wie sie unter Umständen hüben und drüben bestehen.
Was dieses Problem angeht, so kann ich nur sagen, daß seit der ersten öffentlichen Diskussion über die Problematik der Notstandsgesetzgebung jetzt schon einige Jahre vergangen sind. Herr Kollege Stoltenberg, dem ich für seine Ausführungen herzlichen Dank sage, war so nett, einmal in Erinnerung zu rufen, wie sich auch der Standpunkt der sozialdemokratischen Fraktion in dieser Frage im Laufe der Jahre gewandelt hat. Meine Damen und Herren, warum wollen Sie einer Regierung das Recht auf Optimismus verweigern? Ich habe gewisse optimistische Erwartungen, daß sich eine gute, säuberliche Begründung, eine gute, klare und öffentliche Diskussion unserer Vorstellungen durchaus weiter so auswirken kann, daß wir Sie für Projekte gewinnen werden, für die Sie, glaube ich, nach meiner Meinung zu gewinnen sind, wenn Sie sich von ihrer Nützlichkeit und von ihrer Brauchbarkeit und, wenn Sie so wollen, auch von der Aufrichtigkeit, die dahinter steht, überzeugt haben. Lassen Sie uns also ruhig die Arbeit daran fortsetzen. Es gibt hier sicherlich einen Spielraum der Gestaltungsmöglichkeiten. Wir werden in ein paar Wochen vielleicht ausführlich darüber sprechen. Aber man sollte uns nicht zum Vorwurf machen, daß wir irgend jemanden überfahren hätten. Im Gegenteil, wir haben nach langer, sorgfältiger Vordiskussion, nach langer öffentlicher Diskussion unsere Vorstellungen präzisiert. Ich kann nur sagen: jetzt ist es an der Opposition, ihre Vorstellungen zu präzisieren. Seien Sie sicher, ich bin ein sehr sorgfältiger Leser alles dessen, was Sie schreiben, nicht jedes einzelnen, aber aller bei Ihnen relevanten politischen Kräfte auf diesem Gebiet. Bisher habe ich in der Tat nicht einmal die Grundlinien Ihrer Notstandskonzeption kennengelernt. Ich bin aber gern bereit, darauf durchaus geduldig zu warten. Sie werden damit herauskommen, Sie werden mit den Grundlinien herauskommen müssen; denn Sie können sich der öffentlichen Diskussion, Sie können sich dem Zwang, dieses Problem zu lösen, genausowenig entziehen wie wir. Wenn Ihre Vorstellungen auf dem Tisch liegen, dann findet sich möglicherweise jene Linie der Übereinstimmung, um die wir uns weiter bemühen werden.
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Das Wort zu dem Antrag auf Umdruck 510 Ziffer 5 hat Herr Abgeordneter Schäfer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister, Sie haben den Optimismus, Sie könnten uns zu Ihrer Überzeugung bekehren. Wir haben den Optimismus, daß wir in diesem Jahr mit unserem Antrag, den ich jetzt zu begründen habe, bei Ihnen mehr Erfolg haben. Letztes Jahr sind Sie, offensichtlich entgegen Ihrer eigenen Überzeugung, hier unserem Antrag entgegengetreten.
Wir sind uns darüber einig, daß die Polizeikräfte in der Bundesrepublik nicht ausreichen. Sie selber
sprachen früher schon von den dürftigen Kräften der Bereitschaftspolizei. Sie sprachen bei vielen Gelegenheiten wiederholt davon, daß die Polizeikräfte nicht ausreichten. Nach meinen Feststellungen haben Sie, Herr Minister, während des abgelaufenen Jahres gar nichts dazu beigetragen, daß die Polizeikräfte verstärkt werden. Sie haben als letztlich Verantwortlicher die Aufgabe, dafür zu sorgen, daß die Polizeikräfte so stark sind, wie es erforderlich ist. Es gelingt Ihnen nicht einmal, Ihren Bundesgrenzschutz auf 20 000 Mann aufzufüllen. Im letzten Jahr ist der Herr Kollege Niederalt hier mit der Begründung gegen unseren Antrag aufgetreten, man könne kein Geld vom Bundesgrenzschutz abziehen, denn man habe doch die gesetzliche Verpflichtung, den Bundesgrenzschutz auf 20 000 Mann aufzustocken. Wir wissen heute, daß Ihnen dies nicht gelungen ist.
Wir meinen, Herr Bundesminister, wenn es Ihnen beim Bundesgrenzschutz nicht gelingt, sollten Sie den sich anbietenden Weg gehen, die Bereitschaftspolizei zu verdoppeln. Sie sollten auf jeden Fall dafür sorgen, daß die Polizeikräfte stärker werden. Angesichts Ihrer Feststellung, die Polizeikräfte reichten nicht aus, und angesichts der Tatsache, daß Sie nichts für ihre Verstärkung tun, erscheint es uns sehr verhängnisvoll - ich will nicht noch deutlicher werden -, daß Sie die Begründung Ihres Notstandsgesetzentwurfs damit beginnen, daß Sie sagen: Wenn Art. 91 nicht ausreicht, d. h. wenn die Polizeikräfte des Landes und des Bundes nicht ausreichen, . . . Dabei sagen Sie selber, sie reichten nicht aus, und tun selber gar nichts dagegen. Diese Taktik, festzustellen, es reicht nicht, nichts zu tun, damit es besser wird, und aus der Feststellung, daß es nicht reicht, dann so gefährliche politische Konsequenzen zu ziehen, gibt zu denken, meine Damen und Herren.
Es ist einer unserer Beiträge, und zwar, glaube ich, ein sehr konkreter Beitrag, daß wir Ihnen die Möglichkeit und auch den Auftrag geben wollen, mit den Ländern mit dem Ziel zu verhandeln, die Bereitschaftspolizei zu verdoppeln. In ihrer jetzigen Stärke reichen die Bereitschaftspolizeien zwar für das Sicherheitsbedürfnis der Länder unmittelbar aus. Sie reichen aber nicht für die besondere Lage aus, in der wir uns als Bundesrepublik gerade befinden.
In dem Verwaltungsabkommen können Sie an Vorgänge aus der Zeit vor 1933 anknüpfen und vereinbaren, daß der Bund wie damals das Reich entweder globale Polizeikostenzuschüsse oder Polizeikostenzuschüsse zahlt, die sich nach der Zahl der Polizeibeamten in den einzelnen Ländern richten.
Wir nehmen an, daß die Polizei insgesamt von 10 000 auf 20 000 Mann verstärkt werden muß. Das bedeutet Mehrkosten in einer Größenordnung von rund 100 Millionen DM, weil man auf einen Polizeibeamten ungefähr 10 000 DM rechnen muß. Wir meinen, daß Sie die Mittel tatsächlich zur Verfügung haben und nicht mit leeren Händen zu kommen brauchen, sondern in ganz konkrete Verhandlungen eintreten können.
Herr Bundesinnenminister, ich weiß durch eine Auskunft des Finanzministeriums, daß allein beim Bundesgrenzschutz Reste von 130 Millionen DM vorhanden sind, daß dort nur 100 Millionen DM verplant sind. Daher können Sie, ohne den Ausbau des Bundesgrenzschutzes auch nur irgendwie zu tangieren, ohne weiteres an diese Aufgabe herangehen.
Deshalb beantragen wir diesen zusätzlichen Haushaltsvermerk, nach dem Sie das Recht haben sollen, in diesem Jahr 25 Millionen DM zu Lasten von Kap. 06 25 in Anspruch zu nehmen, um den Aufbau der Bereitschaftspolizei der Länder in Gang zu bringen. Diese Summe wird sich nach unseren Vorstellungen im Laufe von ein, zwei Jahren auf rund 100 Millionen DM erhöhen. Herr Minister und meine Damen und Herren von der CDU, wenn Sie diesem Vorschlag nicht zustimmen, werden Sie mit Ihrem Notstandsgesetzentwurf in sich selber unglaubwürdig.
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Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube nicht, daß das, was der Kollege Schäfer hier gerade vorgetragen hat, in sich logisch ist, und ich glaube auch nicht, daß der Weg, den er gehen möchte, richtig ist. Anders als in Weimar gibt es auf diesem Gebiet einen Unterschied dahin, daß die Länder Bereitschaftspolizeien haben, die mit dem Bund durch eine ganz bestimmte Art von Abkommen verbunden sind, nämlich durch ein Abkommen, nach dem der Bund die Erstausstattung mit Waffen und Gerät sowie die notwendig werdenden Ersatzbeschaffungen für die Bereitschaftspolizeien zu tragen hat.
Ich habe hier die Zahlen vor mir. Der Bund hat für diesen Zweck in den Jahren 1950 bis 1959 insgesamt rund 73 Millionen DM aufgebracht. Derzeit ist die Soll-Stärke der Bereitschaftspolizeien der Länder 12 500. Das Ist liegt nach dem, was mir gesagt wurde, etwa um 300 darunter.
Ich bin - und in dem Punkt bin ich durchaus einig mit dem Kollegen Dr. Schäfer - absoluter Anhänger einer weiteren Verstärkung der Bereitschaftspolizeien. Das habe ich sehr oft gesagt. Dafür gibt es sehr gute Gründe. Das habe ich den Innenministern zum Teil selbst gesagt, bisher dafür aber nicht sehr viel Gegenliebe gefunden, und zwar wohl aus zwei Gründen. Der eine ist ein finanzieller Grund. Zweitens ist es die zum Teil begründete Auffassung der Betreffenden von der Schwierigkeit der Ersatzlage.
Sie werfen mir sozusagen vor, Herr Kollege Dr. Schäfer, daß es mir noch nicht gelungen sei, den Bundesgrenzschutz, nachdem er einen so starken Aderlaß zugunsten der Bundeswehr gehabt hat, wieder auf seine alte Stärke zu bringen. Das liegt
nicht daran, daß wir uns nicht sehr darum bemüht hätten, z. B. die an sich hohen Tauglichkeitsanforderungen unter Umständen ein wenig zu senken, sondern einfach daran, daß es in Deutschland eine Konjunktur gibt, die es für viele, viele Hunderttausende oder zumindest für Zehntausende, die geeignet wären, sehr viel attraktiver und auch bequemer erscheinen läßt
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ich komme gleich darauf, lassen Sie mich den
Gedankengang zu Ende führen -, den jüngeren Menschen, die hier gebraucht werden, sehr viel reizvoller erscheinen läßt, ihren beruflichen Lebensweg an anderer Stelle zu beginnen. In demselben Augenblick, in dem die allgemeinen Verhältnisse nicht so gut wären, hätten wir einen viel stärkeren Zug zu diesem Bereich.
Aber das sind die Tatsachen, mit denen man rechnen muß. Es steht nirgends, daß die Länder in der Lage und weit attraktiver wären, Leute für die Bereitschaftspolizeien zu gewinnen, als wir Leute für den Bundesgrenzschutz gewinnen können.
Nun gibt es ein anderes Problem. Es handelt sich um eine gewisse Eingrenzung der möglichen Verstärkung auf der Basis der Gesamtstruktur, wie ich mich einmal ausdrücken darf. Wir haben im Einzeldienst - es sind jetzt alles sehr globale Zahlen; aber ich nenne sie, damit man sie sich leichter vorstellen kann - eine Stärke von etwa 100 000 Beamten. Davon scheiden infolge Erreichens der Altersgrenze und aus anderen Gründen jährlich rund 4 % aus; das sind rund 4000 Beamte. Wenn man nun, um unerwünschte Stauungen in den Bereitschaftspolizeien der Länder zu vermeiden, die richtige Größenordnung treffen will, so dürfen sie bei einer vierjährigen Dienstzeit dort eigentlich nur eine Größenordnung von viermal vier gleich sechzehntausend haben.
({1})
- Selbst wenn Sie diese Sache etwas erweitern wollen, so ändert sich an dem Grundsätzlichen nichts. Ich will nur einmal eine Vorstellung davon geben, daß es für die Bereitschaftspolizei nicht eine beliebige Aufstockungsquote gibt, sondern daß die Bereitschaftspolizei in einer angemessenen Relation zum Einzeldienst stehen muß.
Aber ich sage noch einmal: ich bin durchaus dafür, daß die Länder alles tun, um, wenn sie entsprechenden personellen Zuzug haben, die notwendige bzw. mögliche Aufstockung vorzunehmen. Der Bund ist durchaus bereit, auch für diese erhöhten Größenordnungen - ruhig bis, sagen wir, 20 000 - dasselbe zu leisten, was er im bisherigen Rahmen nach dem Abkommen geleistet hat, d. h. die Erstausstattung mit Waffen und Gerät sowie die notwendige Ersatzbeschaffung. Es wäre merkwürdig, wenn der Bund auch die ganzen Personal- und sonstigen Unterhaltungskosten von Länderpolizeikräften trüge, obwohl er gleichzeitig im Bundesgrenzschutz ein eigenes Sicherheitsinstrument hat. Diese Sphären sind so gegeneinander abgegrenzt, daß sie auch ihre finanzielle Entsprechung haben müssen. Es
bleibt also dabei, daß wir erstens für die Verstärkung sind und zweitens in Erweiterung unserer bisherigen Leistungen auch die entsprechenden Leistungen dafür erbringen wollen. Andernfalls würden wir etwas tun, was nach den bei den uns vorliegenden Gegebenheiten systemwidrig wäre.
Nun hat der Herr Kollege Dr. Schäfer gesagt, unsere Notstandsgesetzgebung, unsere Vorstellungen über Notstand seien unglaubwürdig, weil wir nicht auch noch die bei einer Verstärkung der Bereitschaftspolizeien der Länder entstehenden persönlichen Kosten zahlen wollten. Das ist doch mindestens eine grobe Verzerrung der Wirklichkeit. Wir sind für die Verstärkung, wir wollen uns daran beteiligen in dem bisher vorgesehenen Rahmen und Schema. Halten Sie uns also bitte nicht entgegen, unsere Notstandsgesetzgebung sei sozusagen in sich unglaubwürdig, weil wir nicht noch mehr Geld an die Länder zahlen wollten. Bund und Länder haben eine Aufgabenteilung. Sie haben zum Teil eine Aufgabenverzahnung. Aber daß hier eine Abgrenzung bleiben muß, ist ganz sicher.
Ich kann mich also, so leid es mir tut, nicht für den Vorschlag einsetzen, den Sie machen. Aber ich setze mich ein für den abgeänderten Vorschlag, den ich vorgetragen habe. Das ist eine Erklärung, die in
der Zukunft auch honoriert werden wird, wenn es zu den Verstärkungen kommt, indem wir alles das zu tragen bereit sind, was dort an Erstausstattung mit Waffen und Gerät und Ersatzbeschaffung gebraucht wird.
An sich würde jetzt Herr Abgeordneter Schütz ({0}) das Wort zur Begründung des Antrages Umdruck 510 Nr. 6 bekommen. Wir haben aber interfraktionell vereinbart, heute um Punkt 9 Uhr Schluß zu machen. Ich bin darauf hingewiesen worden, daß das unter allen Umständen eingehalten werden soll. Herr Abgeordneter Schutz, wie lange werden Sie sprechen?
({1})
- Heute also nicht mehr. Dann brechen wir an
dieser Stelle die Beratung des Einzelplans 06 ab.
Ich berufe die nächste Sitzung auf morgen, Donnerstag, den 7. April 1960, 8 Uhr, ein. Die Sitzung beginnt mit der Fragestunde. Um 9 Uhr wird die Beratung des Einzelplans 06 in Verbindung mit der Beratung des Einzelplans 36 sowie der Gesetzentwürfe Drucksachen 1734 und 1588 fortgesetzt.
Ich schließe die Sitzung.