Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung hat gestern dem Hohen Hause und der Öffentlichkeit eine Ubersicht über die antisemitischen und nazistischen Vorfälle in der Bundesrepublik in der Zeit vom 25. Dezember bis 28. Januar vorgelegt. Ich setze bei den Ausführungen, die ich jetzt machen möchte, den Inhalt dieses Weißbuches als mehr oder weniger bekannt voraus. Das Hohe Haus wird wahrscheinlich über das Weißbuch hinaus wissen wollen, wie die Entwicklung zwischen dem 28. Januar und dem 15. Februar gewesen ist. Ich darf die Tatsachen kurz zusammenfassen:
Seitdem sind 148 weitere Taten erfaßt worden, die allerdings größtenteils schon vor dem 28. Januar verübt worden sind. Auch darunter finden sich wieder 31 Kinderkritzeleien.
Die im Weißbuch geschilderten Vorkommnisse waren über das ganze Bundesgebiet verteilt. Die Aufschlüsselung nach Ländern ließ keine besonderen Schlußfolgerungen zu. Die Häufung der Fälle in Berlin - es waren bis zum 28. Januar 123 von 685 und bis zum 15. Februar 160 von 833 - erklärt sich, wie ich meine, am ehestens wohl daraus, daß hier die Verbindungslinien zu sowjetzonalen Drahtziehern eine besondere Rolle spielen. Die Schichtung hinsichtlich des Alters der Täter - es sind jetzt 321 ermittelt - hält sich im Rahmen der bisherigen Erkenntnisse.
Auch hinsichtlich der Gliederung der Täter nach Berufen und nach ihren Tatmotiven hat sich nichts bemerkenswert Neues ergeben.
Die Bundesregierung behält sich vor, das Tatsachenbild zu ergänzen, sobald es sich einigermaßen abschließend übersehen läßt. Ein zusätzliches
Schlaglicht auf die kommunistische Beteiligung an den Vorkommnissen wirft ein weiterer Vorgang, der im Weißbuch noch nicht verwertet ist. Ende Januar 1960 bemalten Täter, von denen zwei im vergangenen Jahre in einem FDJ-Lager in der Sowjetzone waren, in Tennenbronn bei St. Georgen ({0}) ein Gebäude mit einem Hakenkreuz. Bei der Hausdurchsuchung wurden Exemplare der Zeitung „Neues Deutschland" gefunden, deren Ausgabe vom 5. Januar 1960 eine Karikatur enthielt, auf der die Bundesregierung mit Hakenkreuzen abgebildet war.
Dies vorausgeschickt, möchte ich nunmehr den Versuch machen, einige der durch die öffentliche Diskussion im In- und Ausland aufgeworfenen Fragen zu beantworten und einige Folgerungen aufzuzeichnen, die sich nach Meinung der Bundesregierung ergeben.
Zunächst möchte ich noch einmal feststellen, daß die Bevölkerung der Bundesrepublik auf die Hakenkreuzschmierereien sofort mit Abscheu und Empörung reagiert hat. Die Bevölkerung hat, wo es ihr möglich war, die Fahndung der Polizei bereitwillig unterstützt. Die Täter traf die ganze Verachtung ihrer Mitbürger. Nirgends gab es ein Wort der Entschuldigung, es gab vielmehr nur einhellige Ablehnung und die moralische Isolierung der Täter. In Kundgebungen, in Leserzuschriften an die Zeitungen, in Gesprächen und vielen einzelnen Handlungen kam dies zum Ausdruck. Die deutsche Offentlichkeit sieht in den Sudeleien nicht nur üble Ausschreitungen einzelner unbelehrbarer Fanatiker und zum weitaus größten Teil eine Gassenjungengesinnung, die etwa allein die Polizei und den Strafrichter angingen. Vielmehr empfindet sie die Schmierereien als einen bösen Verstoß gegen ihren durch Taten bewiesenen Willen zur Wiedergutmachung, zur Versöhnung und zur Toleranz.
Das Aufsehen, das die Vorfälle in der Weltöffentlichkeit erregten, wurde von einer kommunistischen Propagandakampagne ausgenutzt, die die Bundesrepublik als faschistisch, militaristisch und revanchistisch zu diffamieren unternahm. Darüber ist im Weißbuch mehr gesagt. Nicht mit diesem Versuch einer Diskriminierung der Bundesrepublik will ich mich hier beschäftigen, sondern mit jenen teils aus Betroffenheit und Sorge, teils aus neuerwachtem Mißtrauen geborenen Erwägungen, ob die Mehrzahl der Vorfälle auf Grund eines politischen Nährbodens ermöglicht wurde, dessen Schichten tief in die NS-Vergangenheit hinabreichen. Den Blick auf die jugendliche Täter gerichtet, lauteten die Fragen:
Was wurde versäumt bei der Unterrichtung der deutschen Jugend über Schuld und Verhängnis des Dritten Reiches? Was weiß sie überhaupt von Hitler und was von den Juden? Was ist an Aufklärung bisher geschehen? Berechtigte Fragen, die nicht nur das Ausland stellt, die sich vielmehr auch im Inland alle Verantwortlichen vorlegten: Regierungen und Parteien, Schulen und Kirchen, Gewerkschaften und Verbände. Freilich, Rowdies -- und um sie handelt es sich vor allem bei den Tätern - werden auch durch Unterweisung über politisches und zeitgeschichtliches Geschehen nicht von Rüpeleien abgehalten. Darauf komme ich noch zu sprechen. Ihre Taten aber gaben den Anlaß zu den eben genannten Fragen, die mit aller Eindringlichkeit bei uns selbst und vom Ausland an uns gestellt worden sind.
Lassen Sie mich zunächst darlegen, was an Aufklärung vom Bund geschehen ist, dem zwar keine unmittelbaren Einwirkungsmöglichkeiten auf Schule und Erziehung gegeben sind, der aber mit der Bundeszentrale für Heimatdienst und dem Institut für Zeitgeschichte aller politischen Bildungsarbeit wertvollen Beistand leistet.
Die Bundeszentrale für Heimatdienst hat sich seit ihrer Errichtung der Bekämpfung des Antisemitismus und der Aufklärung über die Judenverfolgungen intensiv angenommen. Grundlegend für ihre Arbeit waren die Ergebnisse zweier Tagungen mit Historikern und Soziologen, Theologen und Psychologen in den Jahren 1952 und 1953. Die Bundeszentrale
3) für Heimatdienst hat seither eine ganze Reihe von Arbeitsgemeinschaften, von Kursen und Seminaren an den Evangelischen Akademien, an den Katholischen Sozialinstituten und anderen Bildungszentren gefördert. Sie nahm sich der Themen Antisemitismus und Rechtsradikalismus auch in zahlreichen Publikationen an, sei es wissenschaftlichen, sei es mehr populären Charakters. Als Beispiele für Massenveröffentlichungen nenne ich: Sonderbeilagen - besonders in Kunden- und Sportzeitschriften - über die Geschichte des Judentums in einer Auflage von rd. 1 Million, Sonderseiten des „Kath. Lesebogens" und der „Neuen Bildpost" in Auflagen bis zu 1/2 Million, Lesezirkel-Veröffentlichungen zum Thema „Vorurteile" in Auflagen bis zu 300 000 Stück, Herstellung und Verbreitung der Broschüre der Friedrich-Ebert-Stiftung zum Thema „Reichskristallnacht" in einer Auflage von 50 000 Stück.
Von den durch die Bundeszentrale für Heimatdienst finanzierten Büchern - es ist eine stattliche Reihe - weise ich vor allem auf Reitlingers „Die Endlösung" und Eva Reichmanns „Flucht in den Haß" hin. Man kann wohl sagen, daß eigentlich alle auf diesem Gebiet beachtlichen Bücher überhaupt erst durch die Unterstützung des Bundes herausgebracht werden konnten.
In den Beilagen der Wochenzeitschrift „Das Parlament", das in einer Auflage von 80 000 Exemplaren erscheint und den Schulen aller Art zugestellt wird, wurden Dokumente zur Judenpolitik des Dritten Reiches, Augenzeugenberichte aus den Konzentrationslagern und instruktive Darstellungen veröffentlicht. In der „Schriftenreihe der Bundeszentrale für Heimatdienst" kamen diese Beiträge zusätzlich, und zwar in sehr hohen Auflagen heraus.
Selbstverständlich wurde auch der Film in den Dienst der Aufklärungsarbeit gestellt. Die Dokumentarfilme „Nacht und Nebel" und „KZ-Schergen" - letzterer ein Bericht über den Sorge-Schubert-Prozeß - wurden in je über 100 Kopien verbreitet. Von den Spielfilmen, die für die kostenlose nichtgewerbliche Verbreitung zur Verfügung stehen, sei „In jenen Tagen" erwähnt, ein Spielfilm, der eine längere Episode enthält, die darstellt, wie ein älteres Ehepaar - die Frau Jüdin - im Dritten Reich durch Kristallnacht, Geschäftsboykott usw. zum Selbstmord getrieben wird. Der Dokumentarfilm „Land und Volk Israel" wirkt dem vom Antisemitismus propagierten Zerrbild entgegen.
Auch der in einer Auflage von 65 000 Exemplaren an die Schulen versandte Wandkalender und das Große Weihnachtspreisausschreiben für die Schulen, an dem mehr als 40 000 Klassen jährlich teilnehmen, standen im Dienst der Aufklärungsarbeit. Den Schulen galt die besondere Aufmerksamkeit der Bundes- und der Landeszentralen für Heimatdienst. Um nur ein Beispiel zu geben: den Geschichtslehrern sämtlicher höherer Schulen wurde vor einigen Monaten die Biographie „Hitler" des Oxforder Historikers Alan Bullock zugestellt.
Meine Damen und Herren! Ich darf an dieser Stelle und in diesem Zusammenhang auch auf die Tätigkeit des von Bund und Ländern der Bundesrepublik getragenen Instituts für Zeitgeschichte in München hinweisen, das sich in den zehn Jahren seines Bestehens zur wissenschaftlichen Zentralstelle der Erforschung des Nationalsozialismus entwickelt hat. Im Rahmen dieser Gesamtaufgabe dient seine Arbeit auch der Aufklärung über den modernen Antisemitismus. Sie vollzieht sich in der wissenschaftlichen Erforschung und Darstellung der nationalsozialistischen Judenpolitik, ihrer geistigen Voraussetzungen, ihrer Methoden und Auswirkungen. Als bisheriges Ergebnis hat das Institut rund 25 Einzelstudien vor allem über die nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen im Reichsgebiet und in den besetzten Ländern vorlegen können. Seine Forschungen und Publikationen enthalten u. a. eine grundlegende Untersuchung der Vorgänge des als Reichskristallnacht bekannten Progroms vom 9. November 1938, dokumentarische Berichte zu den Massenvergasungen im Osten, darunter die in letzter Zeit publizierten handschriftlichen Aufzeichnungen des Kommandanten Höss über die Geschehnisse in Auschwitz. In Vorbereitung sind weitere Veröffentlichungen, teils wissenschaftlichen, teils mehr populären Charakters, über die Verfolgung der Juden, das Schicksal der jüdischen Gemeinden in Deutschland und die Organisation der Deportationen. Eine bereits erschienene vorläufige Abhandlung über die Zahl der jüdischen Opfer des Nationalsozialismus wird zur Zeit durch Erarbeitung möglichst exakter Zahlen wissenschaftlich präzisiert.
Mit seiner notwendigen Grundlagenforschung dient das Institut für Zeitgeschichte über den BeBundesminister Dr. Schröder
reich der Wissenschaft hinaus mittelbar und unmittelbar der politischen Erziehungs- und Bildungsarbeit. In ständiger Zusammenarbeit mit den hierfür zuständigen Institutionen, wie etwa der Bundeszentrale und den Landeszentralen für Heimatdienst, werden die dafür geeigneten Veröffentlichungen breiten Kreisen zugänglich gemacht. Durch Auskünfte, Prüfung von Manuskripten, Förderung von Ausstellungen, Bereitstellung von Anschauungsmaterial, Beratung von Schulbuchverlagen und Schulfunksendungen liefert das Institut den Trägern der staatsbürgerlichen Schulerziehung und Erwachsenenbildung die nötigen sachlichen Unterlagen. Mit Vorträgen bei zeitgeschichtlichen Kursen von Landeszentralen, Volkshochschulen, Dozentenseminaren, evangelischen und katholischen Akademien usw. sowie durch eigene Tagungen beteiligen sich die Mitarbeiter des Instituts in steigendem Maße auch unmittelbar an der Aufklärung über die nationalsozialistische Zeit. Im Dienste der praktischen Auswertung seiner Arbeit steht vor allem auch die ausgedehnte Gutachtertätigkeit. Im Rahmen einschlägiger Rechts- und Entschädigungsfälle hat das Institut für Zeitgeschichte in den letzten Jahren rund 1000 Auskünfte und Gutachten allein zu Fragen der Judenverfolgung für Behörden und Gerichte erstattet, von denen die wichtigsten veröffentlicht worden sind.
Meine Damen und Herren! Nach diesem Arbeitsbericht, der sehr viel heißes Bemühen erkennen läßt, erhebt sich die Frage nach dem Erfolg der Aufklärungarbeit. Es geht nicht an, ihn dadurch in Frage zu stellen, daß man etwa auf die Antworten verweist, die zehn- bis zwanzigjährige den Fernsehreportern und Meinungsforschern gegeben haben. Von Hitler, so heißt es, wußten sie angeblich nichts weiter, als daß er die Autobahnen gebaut und die Arbeitslosigkeit beseitigt habe; von der Weimarer Republik kannten sie nur die Zahl ihrer Jahre, und auf die Fragen „Wie wählen wir heute?", „Wer macht die Gesetze?" begann stockend und unsicher ein tastendes Raten. Kein Zweifel: Ein betrübliches Ergebnis!
Aber ich glaube, es ist falsch, daraus nun ganz allgemein die von vielen Seiten geleistete Aufklärungsarbeit als vergeblich zu bezeichnen und alle Schulen schwerer Versäumnisse zu beschuldigen, vielleich gar der absichtlichen, feindseligen Vernachlässigung des zeitgeschichtlichen Unterrichts. Das wäre - um es ganz klar auszusprechen - unzutreffend und ungerecht. Denn wer dürfte sagen, er habe einen „repräsentativen Durchschnitt" unserer Jugendlichen befragt! Diejenigen, die Schulen und Lehrer pauschal beschuldigen, verlassen sich auf ihre Stichproben, sie verlassen sich auch weitgehend auf die Aussagen der von ihnen Examinierten: „Das haben wir noch nicht gehabt. Soweit sind wir im Unterricht noch nicht gekommen. Die Ereignisse der früheren Jahrhunderte kennen wir weit besser."
Wie aber sieht es mit den Kenntnissen über die früheren Jahrhunderte aus? Die Frankfurter Allgemeine Zeitung veröffentlichte am 9. Mai 1959 Erfahrungen, die darüber bei Volks- und Oberschülern sowie bei Abiturienten von sachkundiger Seite gemacht worden sind. Das von der Zeitung veröffentlichte Material beansprucht nicht eine unanfechtbare Repräsentanz, aber es erscheint mir wertvoll durch die überregionale Streuung und die einheitliche Auswertung. Die für uns interessanten Ergebnisse aus diesem Material sagen folgendes:
Verhältnismäßig gut werden von den Schülern aller Gattungen Fragen messenden und technischen Inhalts beantwortet. Wesentlich schwächer schneidet das geographische Wissen ab. Ganz auffallend aber wird der Einbruch in den Wissensbestand bei Fragen historischen Inhalts, und zwar - wenn auch graduell verschieden - bei allen Alters- und Schulstufen. Man denke nicht, so heißt es an der angeführten Stelle, daß etwa Caesar für jeden Abiturienten ein selbstverständlicher Begriff sei. Ganze Prüfgruppen anderer Schulabgänge bezeichneten Luther als Evangelisten, Kant als Dichter. Schüler mit „mittlerer Reife" lassen den Apostel Paulus im 3. Jahrhundert und Friedrich den Großen um 1300 leben und bezeichnen Napoleon als römischen Kaiser.
Dieses Material läßt nicht den Schluß zu, daß sowohl über die früheren Epochen wie über die zeitgenössische Geschichte in den Schulen nichts gelehrt werde. Die Wissenslücken unserer Jugendlichen erlauben zunächst einmal nur den Schluß, daß heutzutage, was ja bekannt war, technische Dinge größeres Interesse finden als die Historie, die Geistesgeschichte und die Gegenwartskunde. Diese Verarmung der Interessen ist aber offenbar nicht auf Deutschland beschränkt.
Auch die Engländer - um nur diese zu nennen - haben ihren Kummer mit dem Unterricht in Zeitgeschichte, wie der „Manchester Guardian" erkennen läßt. Ich zitiere ihn, um die Situation auch in anderen Ländern zu beleuchten, und nicht, um mit einem Hinweis auf die englische Schuljugend die deutsche zu entschuldigen. Das genannte Blatt schrieb vor einigen Wochen:
Wo die Deutschen ihre „Mauer des Schweigens" haben sollen, scheinen wir unseren „Wall der Unwissenheit" zu haben... Die meisten Jungen und Mädchen, die von unseren Schulen abgehen, wissen am wenigsten über die Zeit der Geschichte, die wahrscheinlich für sie am wichtigsten ist. Es ist nicht überraschend, wenn Schüler in der Oberklasse nichts über die Schlacht um Großbritannien während des letzten Krieges wissen, außer, daß es irgendeine Art Jahrestag ist, der gefeiert wird ... Belsen und Buchenwald bedeutet ihnen nicht mehr als jedem deutschen Durchschnittskind, obgleich dieses Wissen für beide gleich wichtig ist, wenn auch vielleicht in anderer Hinsicht.
Ich möchte hinzufügen, daß dieses Wissen für unsere Jugend nicht nur „wichtig", sondern eine moralische Verpflichtung und eine politische Notwendigkeit ist. Und viele unserer Jugendlichen haben das auch erkannt. Es gibt, wie uns berichtet wird, Lehrer, die sich ihrer Aufgabe geradezu mit „Leidenschaft" widmen. Über dem abwertenden
Urteil, das heute allzuoft Jugend und Lehrer trifft, wird auch vergessen, daß die weit überwiegende Zahl der jungen Wähler bei allen Bundes- und Landtagswahlen den extremen Parolen ihr Ohr verschlossen haben,
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daß unsere Jugendlichen dem Schicksal der Anne Frank ihr Herz öffneten, wie die hohen Auflagen des Buches und die Besucherzahlen des Theaterstückes beweisen, und daß es darüber hinaus viele andere sehr erfreuliche Zeichen der Aufgeschlossenheit gibt. Daran hat die Schule, daran hat die Aufklärungsarbeit unserer Einrichtungen doch gewiß auch ihren Anteil! Diese Bemerkungen, meine Damen und Herren, erschienen mir notwendig, um zunächst das allgemeinene Bild zu korrigieren.
Dabei will ich gar nicht leugnen, daß die Frage nach dem Geschichtsunterricht und nach der politischen Bildung, sei es als Unterrichtsfach, sei es als Unterrichtsprinzip, in der Tat eine empfindliche Stelle trifft. Aber die vielschichtigen Schwierigkeiten, mit denen es dieser Unterricht zu tun hat, scheinen weithin unbekannt zu sein. Die Zeit wird hier heute nicht reichen, die gesamte Problematik darzulegen. Ich will mich auf eine stichwortartige Aufzählung einiger Schwierigkeiten beschränken. Diese sind:
1. das Fehlen eines allgemeingültigen deutschen Geschichtsbildes. Es liegt kein gesicherter Maßstab vor, an den der Lehrer sich halten kann. Daher wird die eigene Unsicherheit des Lehrers vielfach spürbar werden.
2. Es fehlt ein allgemeinverbindliches pädagogisches Leitbild. Das macht die größte Unsicherheit des heutigen deutschen Schulwesens aus und wirkt erschwerend auch im geschichtlichen und politischen Unterricht. Angesichts der scheinbaren Überlegenheit des Ostens, der der Vielfalt des Westens mit einer einzigen, angeblich wissenschaftlich bewiesenen Daseins- und Lebensordnung, seiner „Ideologie", entgegentritt, meldet sich bei manchem Pädagogen die bange Frage: Wofür erzieht der Westen? Haben wir keine sogenannte Gegenideologie? - Man muß hier den Erziehern klarmachen, daß der seit dem 15. Jahrhundert sichtbar gewordene Differenzierungsprozeß nicht nur eine Schwäche bedeutet, sondern auch Fülle und Reichtum.
3. Von den Lehrern wird für die ihnen gestellte politische Aufgabe sehr viel verlangt. Die kritische Auseinandersetzung mit Hitler, mit Schuld und Verhängnis des „Dritten Reiches" ist noch nicht so weit aufgearbeitet, daß der Stoff in der Schulstunde stets in der gewünschten Klarheit vermittelt werden könnte - ich erwähne als einziges Ereignis nur den Reichstagsbrand -, obwohl die Forschung wenigstens in großen Zügen sich um eine wissenschaftliche Klärung der politischen und geschichtlichen Zusammenhänge bemüht hat.
Das Fach „Politische Bildung", auch Bürgerkunde, Gemeinschaftskunde, Sozialkunde genannt, hat im übrigen noch mit drei weiteren erschwerenden Umständen zu rechnen. Von diesen ist der erste folgender. Die politische Bildung in der Bundesrepublik kann nicht im luftleeren Raum erfolgen. Sie muß von dem bestehenden deutschen Staat ausgehen. Die deutsche Demokratie hat mit der ungewöhnlichen Schwierigkeit zu tun, daß sie zweimal in der Stunde eines deutschen Zusammenbruchs ins Leben tritt, während in den angelsächsischen Ländern, vor allem in Amerika, die Höhepunkte der nationalen Geschichte zugleich die Höhepunkte des demokratischen Lebens sind. Im Weimarer Staat hat die deutsche Demokratie trotz aller Bemühungen einzelner hervorragender Männer und Frauen leider kein überzeugendes Gesicht gewinnen können.
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Warum die Ansatzpunkte demokratischer Entwicklung in der deutschen Geschichte gescheitert sind, ist bisher von der Geschichtswissenschaft zuwenig erörtert worden. - Frau Kollegin Weber, Sie haben Ihren offenen Widerspruch angemeldet. Das gibt mir Gelegenheit, zu sagen, daß ich Ihrer gedacht hatte, als ich von den Bemühungen einzelner hervorragender Männer und Frauen sprach.
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Der zweite Umstand ist der, daß der Umfang einer politischen Bildung - wie der Bildung in jedem anderen Fach - abhängig vom Alter des Kindes ist. Entsprechend seinem Alter muß von der lebendigen Vermittlung des Anschaulichen ausgegangen werden; erst bei höherer Altersstufe kann zu der abstrakten Kenntnis von Verwaltung und Regierung fortgeschritten werden. Solange die Volksschule noch eine achtjährige Schule bleibt, wird in ihr politische Bildung nur in den Abschlußklassen und im übrigen nur im Ansatz vermittelt werden können.
Der dritte Umstand ist der, daß Erziehung zur Demokratie Erziehung zur menschenwürdigsten, aber auch schwierigsten Staatsform ist. Sie ist Erziehung zu Freiheit und Toleranz, Wahrheit und Gerechtigkeit. Aber den Begriff der Freiheit, selbst den Begriff der staatsbürgerlichen Freiheit, im Schulunterricht zu verlebendigen, ist leider mehr als schwierig. - Das sind nur einige der Schwierigkeiten; von zwei anderen Erschwernissen werde ich gleich noch sprechen.
Diese Schwierigkeiten sollten uns davor warnen, an die Schule Forderungen zu stellen, die sie nicht erfüllen kann. Selbstverständlich ist zu wünschen, das Zeitgeschichte und politische Bildung sehr intensiv gelehrt und vor allem gelernt werden, damit Unwahrheiten und die noch verhängnisvolleren Halbwahrheiten im Geschichtsbild der Jugend bald getilgt sind. Aber vergessen wir nicht, daß politische Kenntnisse noch keine politische Einsicht verbürgen. Geschichtsunterricht und Gegenwartskunde werden nur die Voraussetzungen zur politischen Urteilsbildung schaffen können. Um den jungen Menschen gegen die Verführung zur Intoleranz, zur politischen Maßlosigkeit und Unmenschlichkeit des nazistischen und kommunistischen Totalitarismus zu schützen, bedarf es vor allem auch der Prägekraft der moralischen und religiösen Erziehung. Sie kann nicht allein von der Schule ausgehen. Sie kann es
schon deshalb nicht, weil Jugend ja nicht nur aus Schülern besteht, sondern auch aus Lehrlingen in Fabriken, bei Handwerksmeistern und in Büros.
Mit Recht heißt es deshalb in der jüngsten Erklärung des Deutschen Ausschusses für Erziehungs- und Bildungswesen, die ich Ihnen allen zum Nachlesen empfehlen darf:
Die Lehrerschaft wird nicht gelten lassen, daß man ihr eine Verantwortung zuschiebt, die sie in Wahrheit mit der Schulverwaltung, den Sprechern der öffentlichen Meinung, den Kirchen, vor allem aber mit den Eltern und den Politikern teilt.
Selbstverständlich ist dieses Wort keineswegs eine Entschuldigung für diejenigen Schulen und für diejenigen Lehrer, die in der Tat ihre Aufgabe vernachlässigt haben. Die soeben zitierte Erklärung nennt als mögliche Gründe: Bequemlichkeit, Mangel an Mut oder Einsicht, heimliche Sympathie mit dem Nationalsozialismus, fragwürdige „Objektivität". Die Kultusminister der Länder, die seit vielen Jahren die Schulen aller Art auf die Dringlichkeit politischer Bildung hingewiesen haben, werden zweifellos überall dort, wo ein Versagen auf Sabotage beruht, unnachsichtig eingreifen.
In der erwähnten Erklärung des Deutschen Ausschusses heißt es ferner:
Viele Lehrer stehen unter dem Druck von Eltern, die es nicht wünschen, daß ihre Kinder die Wahrheit über den Nationalsozialismus erfahren.
Dieses Problem ist eines der allerschwierigsten, und in diesem Zusammenhang erscheinen mir zwei Dinge wichtig: Die Abwehr manchen Elternhauses gegen die vermeintliche Aufforderung der Schule an die Kinder, mit ihren Vätern unerbittlich ins Gericht zu gehen; das Vergessen-Wollen und das Verdrängen-Wollen der älteren Generation, die übrigens nicht nur das Kapitel „Drittes Reich" in ihrer Erinnerung löschte, sondern die Historie überhaupt. Friedrich Sieburg hat das in epigrammatischer Schärfe einmal so formuliert: „Da alles Vergangene befleckt erschien, entschloß sich der Deutsche, keine Vergangenheit zu haben."
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Die Abwehr manchen Elternhauses führt dazu, daß - wie ein Geschichtslehrer gesagt hat - die Ergebnisse des Unterrichts in Zeitgeschichte zu Hause wieder demontiert werden.
Heute zeigt sich, wie durch ein Ereignis die Erinerung an das Vergangene wach wird. Dieser Augenblick sollte genutzt werden.
Von dem Tübinger Historiker Hans R o t h f e 1 s stammt das Wort, daß „Vergessen-Wollen und Verdrängen-Wollen ... noch nie ein Weg zur Gesundung gewesen" sei. „Wir können", so sagt er, „aus der Zeitgeschichte nicht desertieren, wenn wir uns selbst verstehen und einen Standort gegenüber dem Kommenden gewinnen wollen." Dazu müssen wir die Geschichte aufarbeiten mit, wie er sagt, „disziplinierter Wahrheitssuche", aber nicht mit „Neutralität in Fragen, die. uns wesenhaft betreffen und in
menschliche Entscheidungen hineinführen". Eine Geschichtswissenschaft, ganz dem Geiste der Wahrhaftigkeit verpflichtet, kann beitragen zur Wiederherstellung eines ausgewogenen nationalen Selbstbewußtseins durch die unbestechliche, aber maßvoll behutsame Klärung des geschichtlichen Selbstverständnisses der Deutschen.
Die jüdische Emigrantin Hannah Arendt, in gleicher Weise ausgezeichnet durch ihre geistige Leistung und durch ihr schweres persönliches Erleben, sprach Ende des vergangenen Jahres bei der Entgegennahme des Lessing-Preises der Stadt Hamburg u. a. auch von der in Deutschland verbreiteten Neigung, so zu tun, als habe es die Jahre von 1933 bis 1945 gar nicht gegeben; sie meinte:
Hinter all dem steckt vermutlich viel weniger böser Wille, als man im Ausland glaubt, und sehr viel mehr echte Ratlosigkeit. Aber gerade diese Ratlosigkeit könnte ein direktes Erbe aus der inneren Emigration sein, wie sie zweifellos zu einem guten Teil noch direkter eine Folge der Hitlerherrschaft ist, nämlich der
- meine Damen und Herren, und nun kommt eine nach meiner Ansicht sehr tiefe Einsicht organisierten Schuld, in welche die Nazis alle Bewohner des deutschen Territoriums zu verstricken verstanden, die inneren Emigranten nicht weniger als die Mitläufer und Parteimitglieder. Hier hat natürlich auch die dem Außenstehenden so auffällige tiefe Ungeschicklichkeit ihren Grund, sich in einem Gespräch über die Fragen der Vergangenheit überhaupt zu bewegen. Wie schwer es sein muß, hier einen Weg zu finden, scheint mir am deutlichsten sich darin zu äußern, daß man glaubt, das Vergangene sei noch unbewältigt und man müsse darangehen, es zu „bewältigen". Dies kann man wahrscheinlich überhaupt mit keiner Vergangenheit, sicher aber nicht mit dieser. Das Höchste, was man erreichen kann, ist, zu wissen und auszuhalten, daß es so und nicht anders gewesen ist, und dann sehen, was sich daraus ergibt ...
Ich glaube, meine Damen und Herren, daß dies Gedanken sind, die das Nachdenken in der Tat verlohnen.
Den Weg in dieser Situation zu weisen, meine Damen und Herren, ist schwer. Niemand wird es wagen, unbekümmert und leichthin in diese oder jene Richtung zu weisen und die Gangart zu bestimmen. Wir denken deshalb daran, uns in manchen Einzelfragen des Rates einer Kommission zu bedienen, die sich aus Pädagogen und Theologen, Philosophen, Historikern und Vertretern der politischen Wissenschaft zusammensetzt.
Die Bundesregierung hat die Absicht, sobald die noch laufenden Vorarbeiten abgeschlossen sind, eine solche Kommission zu berufen. Es ist beabsichtigt, einige wenige hervorragende Männer für diese Aufgabe zu gewinnen. Wir versprechen uns von ihrem Rat Hinweise darauf, auf welche Schwerpunkte die politische Bildung angesichts unserer jüngsten Vergangenheit am besten konzentriert wird und welche Methoden sich dafür besonders
anbieten. In diesen Zusammenhang gehören auf jeden Fall zwei Themen: Die richtige Vermittlung des Wissens über die Judenverfolgungen und über den totalitären Mißbrauch der Gewalt im Dritten Reich. Angesichts der engen Grenzen, die offenbar der Vermittlung zeitgeschichtlichen Wissens und zeitgeschichtlicher Erfahrung gesetzt sind, bedarf es hier des kundigen Blicks für das Wesentliche und die beste Methode der Einprägung.
Der Schwerpunkt dessen, was zu tun ist, liegt am stärksten auf dem Gebiet staatsbürgerlicher Erziehung und politischer Bildung. Diese Aufgaben fallen sicherlich zu einem großen Teil der Schule, vielleicht aber zu einem noch wichtigeren den Eltern zu. Sie können erfolgreich nur erfüllt werden, wenn sich alle Instrumente, die der Ausdruck öffentlicher Meinung sind und die gleichzeitig zur Bildung der öffentlichen Meinung beitragen, daran beteiligen. Selbstverständlich trifft eine besondere Verantwortung auch die Politiker.
Sie werden nun, meine Damen und Herren, vielleicht die Frage stellen: Was geschieht auf dem sogenannten repressiven Gebiet? In diesem Zusammenhang verweise ich zunächst auf die prompte Arbeit der Polizei und der Strafverfolgungsbehörden. Zwar ist, wie wir wissen, in einigen Fällen Kritik an zu langsamer Aburteilung der Täter geübt worden, aus der Auffassung heraus, daß schnelle Urteile am wirksamsten seien. Man wird jedoch, wie mir scheint, einräumen müssen, daß es Fälle und Zusammenhänge gibt, die teils aus prozessualen, teils aus anderen Gründen einer umfassenderen Aufklärung bedürfen und deshalb auch zeitaufwendiger sind. Insgesamt muß die Beurteilung nach meiner Meinung aber dahin lauten, daß die Taten einer schnellen angemessenen Sühne zugeführt worden sind, unter Vermeidung von Übertreibungen im Strafmaß, die möglicherweise ganz unerwünschte Gegenwirkungen hervorrufen könnten. Die Wirkung der Urteile wird dann am günstigsten sein, wenn die Allgemeinheit - und das wird man hier sagen dürfen - den Eindruck angemessener Sühne hat. Die Bundesregierung hat bereits an anderer Stelle hervorgehoben, daß die Zusammenarbeit zwischen Bundes- und Länderbehörden bei der Behandlung dieser Vorkommnisse gut war. Die Bundesregierung hat die Überzeugung, daß auch die noch nicht abgeschlossenen Fälle in derselben Weise erledigt werden und daß die Ergreifung der noch nicht ermittelten Täter mit allem Nachdruck betrieben wird. Das Hohe Haus ist sich gewiß darüber klar, daß die Hauptlast der polizeilichen Ermittlungen und der Strafverfahren bei den Ländern liegt. Wir haben keinen Zweifel daran, daß dort die Dinge ebenso beurteilt werden wie hier.
Natürlich taucht in diesem Zusammenhang die Frage auf, ob es noch Vereinigungen oder gar Parteien gibt, die verboten werden müßten. Ich darf hier die beiden Hauptgrundsätze, die sich in unserer Verfassung finden, ins Gedächtnis zurückrufen. Wir müssen zwischen dem Verbot von Vereinigungen und dem Verbot von Parteien unterscheiden. Nach Art. 9 des Grundgesetzes sind
Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, verboten.
Wohlgemerkt, meine Damen und Herren, solche Vereinigungen sind verboten. Sie können also kurzerhand polizeilich aufgelöst werden, wenn die angegebenen Voraussetzungen zutreffen. Das gehört zu der Zuständigkeit der Länder. Davon ist, wie Sie wissen, in einigen Ländern bereits Gebrauch gemacht worden. Die Fragen des Parteiverbots nach Art. 21 des Grundgesetzes liegen bekanntlich etwas schwieriger. Ich darf die einschlägigen Bestimmungen hier zitieren:
Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig. Über die Frage der Verfassungswidrigkeit entscheidet das Bundesverfassungsgericht.
Die Parteien genießen also das Privileg, so lange agieren zu können, bis das Bundesverfassungsgericht ihre Verfassungswidrigkeit festgestellt hat. Wie Sie wissen, ist das bisher in zwei Fällen geschehen, nämlich in dem Urteil gegen die Sozialistische Reichspartei 1952 und im Urteil gegen die Kommunistische Partei 1956. Beide Anträge sind übrigens im Jahr 1951 beinahe gleichzeitig gestellt worden. Das Hohe Haus kennt darüber hinaus den Standpunkt der Bundesregierung, daß die Frage eines Verbotsprozesses nicht nach opportunistischen Gesichtspunkten beurteilt werden darf, sondern daß die Bundesregierung sich für verpflichtet hält, einen Verbotsantrag dann zu stellen, wenn die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 gegeben sind. Wir halten es nicht für zulässig - und ich habe guten Anlaß, meine Damen und Herren, das erneut mit Nachdruck hervorzuheben -, zwischen der Auflösung von Vereinigungen und dem Verbot von Parteien opportunistische Unterschiede zu machen. Damit würde dem Gedanken des Rechtsstaats schwerer Schaden zugefügt. Man mag unter anderen Rechtssystemen und in anderen Verfassungsbereichen darüber streiten können, ob die genannten Bestimmungen unseres Grundgesetzes zweckmäßig sind. Wir halten uns jedenfalls auf dem Boden des Grundgesetzes nicht für befugt, in diesen beiden Fällen Zweckmäßigkeitserwägungen anzustellen, wie sie uns - ich möchte das unterstreichen - überraschenderweise von manchen Seiten immer wieder nahegelegt werden. Selbstverständlich wird eine Regierung ihre Autorität nicht unnötig verschleißen, indem sie Verfahren anstrengt, die mit einem hohen Beweisrisiko belastet wären. Es wäre aber falsch, wollte man daraus folgern, daß existierende Parteien, die möglicherweise in die Verbotskategorie gehören, sich hiernach sicher fühlen dürften. Über dem potentiellen Staatsfeind schwebt ständig das Damoklesschwert. Man erwarte aber nicht von der Bundesregierung, daß sie alle paar Tage eine Erklärung darüber abBundesminister Dr. Schröder
gibt, ob sie diese oder jene Gruppe für verbotsreif hält und welche Absichten sie in dieser Beziehung hat. Ein Verbotsprozeß spielt sich in voller Offentlichkeit ab. Es ist dagegen nicht erforderlich, daß die Vorerwägungen der Bundesregierung öffentlich geführt werden.
Ich komme zu einem anderen Kapitel. In den vergangenen Jahren sind von verschiedenen Seiten immer wieder Klagen über eine bestimmte Art rechtsextremistischen Schrifttums laut geworden. Wir haben, wie Sie wissen, meine Damen und Herren, in zwei Fällen unter Einschaltung der Bundesanwaltschaft eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs über antisemitische Pamphlete - ich erinnere an die Fälle Lenz und Nieland - herbeigeführt. Ich bin mir mit dem Hohen Hause darin einig, daß es eine Reihe von Publikationen gibt, besonders aus einigen nicht sonderlich bedeutenden Verlagen, die wir alle miteinander als höchst unerwünscht empfinden. Ein näheres Studium dieser Publikationen bestätigt zwar den Charakter des durchaus Unerwünschten, läßt aber berechtigte Zweifel daran, ob es sich tatsächlich um verfassungsfeindliche und damit verbotene Literatur handelt. Wir werden in Verbindung mit den Ländern dafür Sorge tragen, daß allseits ein wachsames Auge auf diese Art von Publikationen gerichtet wird und gerichtet bleibt. Ich nehme an, daß wir alle in dem Grundsatz übereinstimmen, daß es bei uns keine Freiheit für die Feinde der Freiheit geben darf.
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Trotzdem, meine Damen und Herren, kann in unserem liberalen Rechtsstaat - und das muß man sich wirklich einmal deutlich sagen - offenbar noch allerhand Unkraut gedeihen. Hier sehe ich nur die Möglichkeit, diesem Unkraut den Nährboden zu entziehen. Praktisch gesprochen bedeutet das, mit allen anderen geeigneten Mitteln dafür zu sorgen, daß sich die Produktion und der Konsum dieses Artikels in engen Grenzen halten. Eins der wirksamsten Mittel hier ist sicherlich das Totschweigen. Deswegen, meine Damen und Herren, sehe ich mit Bedauern, wenn bisher völlig unbekannte Publikationen durch allzu laute Hinweise erst einmal bekanntgemacht werden.
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Aber auch hier möchte ich unmißverständlich zum Ausdruck bringen, daß verbotsreife Publikationen nicht etwa unter Hinweis auf ihre geringe Bedeutung geduldet werden sollten, sondern möglichst rasch und geräuschlos zum Verschwinden gebracht werden. Im übrigen werden wir in diesem Zusammenhang noch einmal prüfen, welche weitere Hilfestellung hier durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften geleistet werden kann, um diese Dinge wenigstens auf dem Jugendsektor auszuräumen.
Meine Damen und Herren, ich komme nun zu einigen zusammenfassenden Bemerkungen. Der Kölner Fall und die nachfolgende Welle im Inland und im Ausland hat uns sicher alle zum Nachdenken darüber gebracht, ob wir die uns heute gestellten Aufgaben richtig erkannt haben und ob unsere
Methoden geeignet sind, sie zu lösen. Über den kommunistischen Hintergrund eines Teils der Vorkommnisse sind wir uns völlig im klaren. Es liegt zum Greifen nahe, daß der konzentrische Angriff, den der Kommunismus auf die Bundesrepublik als den Hort der Freiheit in Deutschland und die einzige Hoffnung für die Freiheit aller Deutschen macht, jedes nur denkbare Kapital aus den Ereignissen seit der Weihnachtsnacht in Köln zu schlagen versucht. Dabei ist er selbstverständlich bemüht, die Spuren seiner Mitwirkung mit aller Hinterlist zu verwischen und in aller Welt Angst und Abscheugefühle gegen die Bundesrepublik zu organisieren. Daß der Kommunismus dabei zahlreiche Helfershelfer gefunden hat und findet, die ihn bei seinem Vorhaben aus mannigfachen Gründen unterstützen, liegt ebenso auf der Hand. Dieses Kapitel, so wichtig es ist, will ich heute nicht weiter vertiefen.
Wir stellen uns ernsthaft der Frage, ob wir den nach 1945, insbesondere seit der Bildung der Bundesrepublik 1949, eingeschlagenen neuen Weg ohne Beeinträchtigung fortsetzen können. Wir sind uns darüber klar, daß wir das nur dann können, wenn wir tatsächlich der breiten Masse unseres Volkes die Notwendigkeit, den Sinn und das Ziel dieses Weges unentwegt klarmachen und die Zustimmung dafür finden können. Es ist eine ganz außergewöhnliche Aufgabe, nach einer voraufgegangenen umwühlenden Gewaltherrschaft, wenn sie auch nur von relativ kurzer Dauer war, und nach einem totalen Zusammenbruch mit bedingungsloser Kapitulation ein neues Kapitel der deutschen Geschichte zu beginnen. Vom 30. Januar 1933 trennen uns nunmehr 27 Jahre, vom Zeitpunkt des Zusammenbruchs 1945 beinahe 15 Jahre. 15 Jahre, das sind bereits drei Jahre mehr, als das ganze sogenannte tausendjährige Reich gedauert hat. Es ist, wie mir scheint, an der Zeit, daß wir nun endlich ein ausgeglicheneres Verhältnis zur Vergangenheit gewinnen. Wir werden heute nicht von neuem vor die persönlichen Entscheidungen der Jahre 1933 bis 1945 gestellt, sondern wir haben 15 Jahre eines konsequent anderen Weges hinter uns. Dabei stehen wir vor der Frage, wie wir morgen und übermorgen diesen Weg fortsetzen können angesichts der tödlichen Bedrohung durch den Kommunismus, der 17 Millionen unserer Landsleute in seiner Hand hat. Unter uns kann es und darf es nicht den Maßstab wirklichen oder angeblichen Versagens unter dem allen auferlegten kaudinischen Joch des totalitären Nationalsozialismus geben, sondern nur einen einzigen Prüfstein: Den entschlossenen Willen, den seit 15 Jahren verfolgten neuen Weg unbeirrt fortzusetzen. Wenn wir die neu gesteckten Ziele erreichen wollen, so wird uns das nur möglich sein, wenn wir folgende vier Grundsätze beachten:
1. Unbedingter Respekt für Verfassung und Gesetze.
2. Rückhaltlose Einsicht in verbrecherische Handlungen des vergangenen Regimes.
3. Abschluß aller noch nicht gesühnten Straftaten aus jener Zeit, und zwar in kürzester Frist.
4. Engültige Rechtssicherheit für alle verfassungstreuen und redlich am Aufbau mitarbeitenden Kräfte.
Wir brauchen Versöhnung und Toleranz nicht nur im Verhältnis zu unseren jüdischen Mitbürgern, sondern innerhalb des gesamten Volkes. Wir brauchen das Zusammenstehen aller in der Verteidigung und Wahrung des freiheitlichen Rechtsstaats.
Ich komme zum Schluß. Wir haben in den vergangenen Wochen sehr sorgfältig auf die Stimmen im Ausland geachtet. Viele Äußerungen von dort verrieten, daß viele trotz aller Schriften über das „Dritte Reich" und trotz der totalitären Wirklichkeiten unserer Tage in den kommunistisch beherrschten Ländern noch immer keine Ahnung davon haben, was es heißt, unter einem totalitären Regime existieren zu müssen. Wir haben aber auch Stimmen des Verständnisses gehört für die Situation, die wir zu meistern haben. Fine Stimme, die wir in der Erinnerung behalten wollen, ist die des Erzbischofs von Canterbury, mit der ich schließen möchte. Ich zitiere ihn nach „Times" vom 20. Januar 1960:
Ich empfinde stets ein lebhaftes Gefühl der Anteilnahme für die deutschen Behörden, denn sie haben nicht nur das Problem der Bekämpfung des Antisemitismus zu lösen, sondern müssen sich gleichzeitig mit der Frage auseinandersetzen, wie die Selbstachtung einer Nation wiederhergestellt werden kann, die eine so demütigende Niederlage im Kriege erlitten hat. Diese beiden Dinge verwirren sich in unserer Vorstellung ebenso wie in der Vorstellung anderer Menschen. Ich habe hier bei uns und an anderen Orten eine Tendenz festgestellt, auf
diese Äußerung des Antisemitismus mit einer antideutschen Haltung zu reagieren, und dies ist gerade das, was wir nicht tun sollen, weil es gefährlich ist. Wir können nur dankbar sein, anerkennen und bewundern, daß Dr. Adenauer sich so bemüht, dieses Übel, das die Deutschen ebenso wie wir erkannt haben, im Keime zu ersticken und auszurotten.
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Sie haben die Erklärung der Bundesregierung gehört. Wir treten in die Aussprache ein. Das Wort hat Herr Professor Dr. Schmid.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sollten beim Bedenken alles dessen, was in diesem Weißbuch niedergelegt ist, durchaus auch die Stimmen hören, die vom Ausland zu uns herüberdringen, auf die anklagenden und auf die verstehenden. Es wäre aber verkehrt, wenn wir, wie manche tun, uns über diese Dinge hauptsächlich deswegen entrüsteten, weil uns dadurch in der öffentlichen Meinung des Auslands Schaden zugefügt wird. Daß uns dadurch ein ungemeiner Schaden zugefügt worden ist, zeigt jeder Blick in die Presse und zeigen denen, die sie bekommen, die Berichte unserer ausländischen Missionen.
Aber ich glaube, daß die Reaktion des Auslands auf diese Dinge für uns nicht das wesentliche Kriterium sein sollte. Wir sollten sie zum Anlaß nehmen, nicht so sehr nach außen hin zu denken, als nach innen zu denken, uns selber vorzunehmen und uns zu fragen, ob durch diese Schmierereien, Rüpeleien nicht schlicht etwas ans Tageslicht gekommen ist, das wir, mit gutem Gewissen vielleicht, ausgelöscht glaubten und das doch nur unter den Teppich gekehrt worden ist. Wir sollten auch versuchen, uns Klarheit darüber zu verschaffen, was sich in jenen Vorgängen - trotz des einmütigen Nein der größten Zahl der Deutschen dagegen - ausdrückt, ausdrückt vor allem in den Bezirken des Unbewußten.
Durch das Weißbuch wissen wir im einzelnen, was bei uns in Deutschland geschehen ist, und wir wissen aus der Presse, daß im Anschluß an die Kölner Vorfälle auch im Ausland Ähnliches geschehen ist. Der Antisemitismus hat sich überall in der Welt wieder einmal ausgerüpelt.
Man hat die Frage aufgeworfen, ob es sich hier um ein gesteuertes Tun handle. Ich weiß es nicht. Vielleicht ist es der Fall. Vielleicht ist es bei einem Teil dieser Lumpen der Fall, vielleicht liegt überhaupt keine Steuerung vor, - ich weiß es nicht. Auf jeden Fall war nicht alles gesteuert, was geschehen ist.
Man sagt, es seien bei uns in Deutschland nur ein paar hundert Fälle gewesen und davon sei ein großer Teil bloße Pöbelei, Rüpelei, Kritzelei, Eselei. Nun, daß nur ein kleiner Bruchteil der Übeltäter aus politischen Gründen gehandelt hat, mag manchen trösten. Aber gerade das scheint mir das Bedenkliche zu sein. Hätten diese Burschen alle auf Grund eines Verschwörungsbefehles gehandelt, dann wäre das ganze eine Sache deis Polizei, und die Polizei könnte es erledigen und könnte ausräumen, was auszuräumen ist.
Es ist aber nicht so. Ich gestehe Ihnen, daß ich froh bin, daß die Kölner Halbstarken diese sogenannte „Welle" ausgelöst haben. Nun sehen wir besser und vollständiger und tiefer in den trüben Spiegel einer Vergangenheit, von der offenbar noch einige Narren glauben, sie habe eine Zukunft. Offenbar glaubten doch die Täter und ihre Gesinnungsgenossen - denn die hatten sie und die haben sie -, im deutschen Volk eine Resonanz erwarten zu dürfen.
Man spricht von Halbstarken. Halbstarke gibt es überall. Daß bei uns aber die Halbstarken statt Autos umzuwerfen und Zoten an die Wände zu malen, ihr Ungenügen an sich selbst glauben mit der größten Wirkung in antisemitischen Expektorationen entladen zu sollen - das erscheint mir das Bedenkliche und das weist mit dem Finger auf einen Abszeß, der uns einmal vergiften könnte.
Man hat - und mit Recht - die Vernehmungen dieser Kölner Angeklagten veröffentlicht. Jeder von uns, der sie gelesen hat, weiß, daß die Sudler ganz und gar dumme, primitive Kerle sind. Aber, Herr Präsident, ein Sepp Dietrich von 1922 hat nicht sehr viel intelligenter dahergeredet, als diese Burschen in Köln dahergeredet haben!
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Dr. Schmid ({1})
Und aus diesen Leuten hat man einmal die Garde gemacht, die schließlich die Schande über unser Volk brachte, von der uns freizumachen schwer sein wird.
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Demokratie muß sich schützen. Demokratie muß auf sich achten. Die Menschen, die in einer Demokratie leben wollen, müssen sich „in acht nehmen", vielleicht mehr in acht nehmen als anderswo; denn wohin es führt, wenn man den Feinden der Demokratie den kleinen Finger gibt oder wenn man diesen Feinden erlaubt, unseren kleinen Finger zu fassen, das haben wir und das hat die Welt zu spüren bekommen. Wir haben da eine besondere Verantwortung.
Die rund 171/4 Millionen Deutscher, die am 5. März 1933 ihre Stimme der NSDAP gegeben haben, wollten damit nicht bekunden, daß die Juden zu ermorden seien, jedenfalls nur zum allerkleinsten Teil. Diese Leute haben aber durch das, was sie in ihrer Verblendung taten, es möglich gemacht, daß 6 Millionen Juden ermordet werden konnten und ermordet worden sind. Sie haben sich blind gemacht, zuerst politisch blind und dann moralisch blind. Aus moralischer Blindheit, aus moralischer Trägheit, aus Steuerlosigkeit des Gedankens ist wahrscheinlich Schlimmeres über die Welt gekommen als durch das Walten von bösem Willem allein; denn dieser böse Wille braucht diese Trägheit und diese Blindheit, um zum Zuge zu kommen.
Es handelt sich bei dem Thema - es ist ein Thema -, das wir heute behandeln, nicht um Antisemitismus als ein politisches Sonderproblem in Deutschland. Ich glaube, daß die Zahl der bewußten politischen Antisemiten bei uns in Deutschland relativ gering ist. Es gibt keinen Freiherrn von Schönerer mehr, keinen Rosenberg, keinen Hitler, auch der Graf Gobineau ist ausgestanden. Es gibt nur noch „Kränzchen", zum Beispiel Kränzchen, die sich im Zeichen der Gotteserkenntnis versuchen, die von Mathilde Ludendorff von Tutzing aus den „Lichtmenschen" gepredigt wird. Das sind Formen des Manichäismus, und der Manichäismus ist eine Pseudo-Religion, die sich zu allen Zeiten in irgendeiner Weise ausgedrückt hat.
Das eigentliche Thema, um das es sich handelt, lautet: Wie machen wir denn eigentlich Ernst mit der Demokratie? Für manche ist die Antwort leicht. Sie sagen: Demokratie heißt schlicht: Mehrheit gilt. Nun, wenn Demokratie nichts anderes wäre, dann verlohnte es sich nicht sehr, darum zu kämpfen; denn auch mit Mehrheitsbeschlüssen kann man Böses in die Welt setzen.
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Demokratie heißt mehr. Es heißt, jenseits aller Fragen nach der besten Technik der Willensbildung im Staate davon überzeugt sein, daß jedem Bewohner unseres Landes das gleiche Recht auf Achtung und Würde zusteht wie jedem anderen und daß diese Würde nur gewahrt ist, wenn ihm unverzichtbare Rechte nicht nur formal zustehen, sondern auch in
der gesellschaftlichen Umwelt, in der er lebt, zu Wirklichkeiten werden.
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Demokratie ist die Form, in der sich ein Volk aus dem Verfallensein an das Nur-Geschichtliche, Nur-Biologische, Nur-Naturalistische löst und sich und alle, die zu ihm gehören wollen, emanzipiert. Emanzipieren heißt aber, sich und andere in die Freiheit der Eigenständigkeit der Gestaltung der Lebensordnung zu. führen.
Als die Emanzipation der Juden - um nur von ihnen zu sprechen - noch nicht durchgeführt war, sagte eine Elite in Europa: „Es ist nicht recht, daß die Juden nicht die gleichen Rechte haben wie wir; sie sind ja Menschen wie wir, und darum gehören ihnen die gleichen Rechte." - Die bekamen sie, und da entstand in breiten Bevölkerungskreisen eine merkwürdige Umkehrung dieses Satzes: „Die Juden haben gleiche Rechte, und sie sind doch nicht so wie wir". Ich habe in den letzten Wochen einen ganzen Packen von Zuschriften bekommen nach der Erklärung, die ich hier im Bundestag abzugeben die Ehre hatte. Die Betreffenden haben mir gesagt: Gewiß, es ist scheußlich, daß man die Juden vergast hat, es ist eine Schmach und eine Schande; aber sie sind doch nun einmal nicht so wie wir, und daraus müssen wir doch gewisse Konsequenzen ziehen. - Wer so denkt, hat nicht begriffen, was Demokratie ist.
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Demokrat ist man dann, wenn man gerade dem, der als „anderer" empfunden wird, den Raum mit schaffen will, in dem er nach seinen Vorstellungen von sich selber sich frei entfalten kann, vorausgesetzt, daß er die für alle geltenden Gesetze achtet und jedem anderen dieselbe Freiheit gibt.
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Nun gibt es - wir wissen das alle - das böse Zwar-Aber. Wer mit einem solchen Zwar-Aber glaubt Differenzierungen rechtfertigen zu können, der will gewiß nicht den Mord, aber er billigt -in individueller Abstufung - die Voraussetzungen. die einmal zur Entrechtung, zur Vertreibung und schließlich zur Gaskammer führen können. In diesen Dingen gibt es kein Zwar-Aber, da gibt es nur ein Entweder-Oder!
Ich glaube, daß es verkehrt wäre, wenn wir das Problem so sähen, als hätten wir gewissen Minderheitengruppen Toleranz zu gewähren, etwa einer Minderheitengruppe der Juden. Darum handelt es sich nicht. Es handelt sich darum, daß jeder, der bei uns wohnt, leben kann, wie er glaubt leben zu sollen, und daß er alles in sich entfalten kann, was in ihm nach Entfaltung drängt. Man spreche deshalb nicht davon, daß es darum gehe, die 30 000 Juden, die bei uns in Deutschland leben, zu schützen. Sie sollen nicht geschützt werden, sondern sie sollen leb e n können, so leben wie jeder andere Mensch, der bei uns wohnt und die Gesetze, die dieses Leben verbürgen, sollen für alle gleich sein.
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Dr. Schmid ({8})
Aber dies darf keine bloße formale Gleichheit sein, es muß eine reale Gleichheit sein - sonst wird die reale Ungleichheit eines Tages die formale Rechtsgleichheit überwuchern. Wir haben es erlebt!
Ich halte es nicht für gut, daß in letzter Zeit in der Offentlichkeit von verschiedenen Stellen die Versicherung abgegeben worden ist, die 30 000 Juden in Deutschland würden „geschützt" werden. Ich hätte es lieber gesehen, wenn gesagt worden wäre: Wir Deutsche wollen mit der Demokratie in der ganzen Breite, in der ganzen Tiefe ihrer Postulate ernst machen.
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Ich glaube auch nicht, daß es gut war, daß eine bedeutende jüdische Persönlichkeit vor wenigen Tagen gesagt hat, solange Bundeskanzler Adenauer da sei, sei für die Juden nichts zu fürchten. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Demokratie in Deutschland ruht nicht nur auf seinen zwei Augen!
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Die Sicherheit der Menschen in Deutschland, das Lebensrecht aller Bewohner unseres Landes haben wir alle zusammen zu garantieren ({11})
zu garantieren, indem wir mit der Demokratie ernst machen, und das beginnt damit, daß man bösen Anfängen wehrt!
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Es hat gewiß - jeder weiß das - seit Jahrhunderten an vielen Orten der Welt Antisemitismus gegeben: privaten Antisemitismus, religiösen Antisemitismus, Konkurrenz-Antisemitismus, gesellschaftlichen Antisemitismus, militanten Kulturantisemitismus - davon will ich hier nicht weiter reden. Daß es das gibt, ist überall, wo es auftritt, schlimm. Bei uns in Deutschland aber liegt auf diesem Schlimmen ein besonderer Akzent. Bei uns ist jede Art von Antisemitismus schlimm, weil der Antisemitismus bei uns nun einmal nach Auschwitz geführt hat und weil letzten Endes auch die Schmierereien der Dummköpfe der letzten Wochen - wenn man genau hinhorcht - nichts anderes sind, als eine Aufforderung, in irgendeiner Weise wieder, vielleicht auf Umwegen wieder, nach Auschwitz zu gehen.
Bei uns in Deutschland ist Antisemitismus immer auch ein Zeichen dafür gewesen, daß man an den Fundamenten der Demokratie rütteln will. Es mag Despotien gegeben haben oder geben ohne Antisemitismus. Aber es gibt bei uns keinen Antisemitismus ohne eine Tendenz auf den menschenverachtenden Despotismus hin! Er ist das Mistbeet, auf dem die Saat der Unmenschlichkeit gedeiht und in das diese Saat gestreut zu werden pflegt.
Da gibt es polizeiliche Probleme, Probleme, die die Gerichte zu lösen haben. Ich glaube, daß diese Probleme einfach zu lösen sind, wenn wir das wollen.
Aber daneben gibt es auch ein anderes Problem, eine Frage, die wir an uns richten müssen: Wären diese Dinge geschehen, wenn die Täter nicht geglaubt hätten, es gäbe gewisse Anzeichen dafür, daß das, was sie tun, auf eine gleichartige Resonanz in unserem Volke hoffen lassen könnte? Das ist die entscheidende Frage, die Frage, die mich dabei am meisten bewegt. Es genügt eben nicht, daß man als Volk, als einzelner, als Regierung, wie man so schön sagt: „dagegen ist". Man muß die Voraussetzungen solcher Hoffnung auf Resonanz beseitigen.
Welche Rolle dabei den Eltern zukommt, wissen wir alle; darüber verliere ich kein Wort. Wir wissen auch, was die Schule dabei zu tun hat; auch darüber will ich nicht im einzelnen sprechen. Doch eines möchte ich dazu sagen: Man sollte nicht alles auf die Lehrer abwälzen. Die Lehrer sind im Schnitt so gut wie die Gesellschaft, in deren Mitte sie wirken.
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Wenn man auf die Lehrer hinweist mit dem Vorwurf, sie hätten die Jugend, die Hakenkreuze schmiert, zu dem werden lassen, was sie wurde, so sollte man doch nicht d i e Lehrer vergessen, die ihre Schuljugend so erzogen haben, daß sie spontan zu den Mahnmälern nach Bergen-Belsen pilgert.
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Nun ein weiteres. Nur eine Demokratie, die sich verteidigt, wird von ihren Feinden geachtet.
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Affekten gegenüber kann man meistens nicht mit Vernunftgründen wirken, sondern indem man Gegenaffekte setzt, also nur mit Strenge. Die Lehre ist alt. Strenge schafft der Demokratie diesen Leuten gegenüber Respekt, und nur Respekt entzieht diesen bösen Affekten den Boden.
Wer einen Juden glaubt verächtlich behandeln zu können, nur weil er Jude ist, wer einen NichtJuden glaubt verächtlich behandeln zu können, weil er das ist, was er ist, den sollte man nicht wegen Bleidigung bestrafen, sondern bestrafen, weil er die moralischen Grundlagen mit Füßen getreten hat, auf denen wir unseren Staat errichtet haben und deren Postulate wir durch diesen Staat verwirklichen wollen.
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Wer so handelt, der hat ein Staatsverbrechen begangen, und demgemäß sollte man auch mit ihm verfahren. Gerade die Demokratie muß sich auch - ich betone: auch - mit dem Liktorenbündel Respekt verschaffen.
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Diesen Dingen entgegenzuwirken setzt voraus, daß man in unserem staatlichen Gefüge keine Situation schafft, durch die die Feinde der Demokratie, auch die Antisemiten, sich gerechtfertigt fühlen könnten. Sie könnten sich sonst z. B. durch den Hinweis darauf gerechtfertigt fühlen, daß in der Regierung Leute sitzen, die nicht nur formell Mitglieder der NSDAP gewesen sind, sondern die sehr oder gar besonders intensiv deren Ideologie vertreDr. Schmid ({18})
ten und verbreitet haben. Von mehr als dem spreche ich nicht. Auch wenn solche Personen das Entsetzliche, das geschah, nicht gewollt haben, so müssen sie doch heute wissen, daß das, was sie vertraten, was sie taten, um die Ideologie des Nationalsozialismus zu verbreiten, objektiv nach Auschwitz geführt hat! Sie sollten, meine ich, den Mut haben, daraus Konsequenzen zu ziehen. Es gibt auch ein Gebot, das da heißt, daß man nicht Ärgernis geben solle; und da ist Ärgernis gegeben worden!
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Was ich jetzt sagen werde, hätte ich gern in Anwesenheit des Herrn Bundeskanzlers gesagt. Er ist krank und kann unserer Sitzung nicht beiwohnen. Ich glaube - wenn ich auch kein Mandat von Ihnen habe -, im Namen des ganzen Hauses ihm die guten Wünsche des Hauses für eine baldige Genesung aussprechen zu dürfen.
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Der Bundeskanzler ist gewiß alles andere als ein Antisemit. Das hat er zu wiederholten Malen gezeigt. Er hat gezeigt, daß er weiß, daß unser Volk Verpflichtungen hat, vor allen Dingen die Verpflichtung zur Wiedergutmachung, und er hat das Seinige getan - die Sozialdemokratie hat ihm gegen manche seiner Freunde dabei geholfen -, z. B. den Israel-Vertrag ins Leben rufen zu helfen.
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Aber er sollte mehr tun. Er sollte dafür sorgen, daß in seiner Regierung niemand sitzt -, daß in
hohen, sichtbaren Amtsstellen niemand sitzt -, dessen Dasein irgendeinem zum Vorwand dienen könnte, zu sagen: Durch das Weiterwirken dieser Menschen, durch ihre Bestätigung durch Verleihung eines hohen Amtes sind wir im letzten doch gerechtfertigt!
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Er sollte das tun, nicht weil die SED das verlangt - die würde sich freuen, wenn möglichst viele ehemalige prominente Nazis in der Regierung säßen,
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schon um uns leichter verleumden zu können -, sondern er sollte es tun, weil die Selbstachtung eines demokratischen Staates dies erfordert!
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Ich meine, er sollte noch ein anderes tun. Zur Konsequenz einer Politik, die einst zum Israel-Vertrag geführt hat, wird es auch gehören, daß man, nachdem der Staat Israel bereit ist, seine Beziehungen zur Bundesrepublik von sich aus zu normalisieren, alles tut, um diese Beziehungen auch von uns aus zu normalisieren, d. h. diplomatische Beziehungen zu diesem Staate herzustellen.
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Auch das gehört zur Wiedergutmachung, meine ich, und für diese Wiedergutmachung sollte man denselben Mut aufbringen, den man einst für den Israel-Vertrag aufgebracht hat; denn es war Mut, diesen Vertrag abzuschließen. Ich weiß, welche Gründe alle dagegen angeführt werden. Aber auch
in der Politik besteht gelegentlich Klugheit darin, das moralisch Notwendige zu tun; es bringt oft mehr ein als Gewitztheit.
Wer mich so verstanden haben sollte, als redete ich einer neuen Denazifizierung das Wort, würde mich gründlich mißverstanden haben. Zu meinem 60. Geburtstag schenkte mir die Regierung von Baden-Württemberg das Protokoll der ersten Sitzung der Regierung des kleinen Ländchens, der ich angehörte. Punkt 1 der Tagesordnung lautete: Erklärung gegenüber der Besatzungsmacht, daß wir die Denazifizierungsbestimmungen, die sie vorschreibt, nicht durchführen werden. - Ich hielt sie schlicht für dumm.
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Es besteht kein Zweifel, daß viele Leute aus Hitlerjugend und NSDAP und KP eine innere Umkehr durchgemacht haben, daß sie sich unter Schmerzen zu dem Bewußtsein durchgerungen haben, daß sie einer schlimmen Sache dienten, Menschen, die heute wissen, was Demokratie ist, und die bereit sind, in ihr und für sie zu leben. Viele haben dafür durch die Tat Zeugnis abgelegt. Wer sich in dieser Weise gewandelt hat, der gehört zu uns, auch wenn er vor Jahrzehnten auf der anderen Seite stand, es sei denn, er habe ein Verbrechen begangen. Das Entscheidende aber ist dabei - das bitte ich nicht zu überhören , daß einer öffentlich zum Ausdruck bringt: er ist sich bewußt, daß er durch sein Denken, sein Tun und Reden objektiv die Drachensaat mit gesät hat; und er muß durch die Tat beweisen - das Bekennen ist auch eine Tat -, daß er heute als ein Gewandelter mithilft, i n diesem Staat und du r c h diesen Staat zu verwirklichen, was die Würde des Menschen ausmacht, wie das Grundgesetz diese Würde umreißt und begreift.
Seien wir da doch ehrlich voreinander: in unserem Staat stimmt einiges nicht. Es gibt da manches, das mir Angst macht. Es ist eine schlimme Sache und war nicht nur ein Kavaliersdelikt, daß im Falle Heyde - dieses Arztes, der beschuldigt ist, ein Massenmörder zu sein - mehr als 20 hochgestellte Beamte diesen Mann gedeckt haben und daß sie das sogar noch für eine ehrbare Handlung hielten. Das ist vielleicht noch kein militanter Nationalsozialismus,
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aber es verrät doch, daß offensichtlich bei diesen Leuten kein Verhältnis zur Demokratie besteht, sonst hätten sie nicht glauben können, sich so zu verhalten sei lediglich eine Weigerung, zum Denunzianten zu werden.
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Daß man gerade Leute gedeckt hat, die in dem Verdacht stehen, Judenmorde begangen zu haben, gibt diesem „Kavaliersdelikt" - „Ich bin ja kein Denunziant, nicht wahr" - einen besonders bösen Akzent!
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Ich wiederhole: was wir heute in diesem Hause zu erledigen haben, haben wir nicht in erster Linie wegen der bösen Wirkung der Untaten und Dumm5586
Dr. Schmid ({30})
heiten der letzten Wochen auf das Ausland zu leisten. Wir haben es zu tun um der Verwirklichung der Demokratie willen, Demokratie verstanden als Sicherung der Würde und der Lebensrechte jedes einzelnen, der in unserem Lande haust. Da jeder von uns ein Stück dieses Staates ist, ist, was wir tun, Selbstschutz, und darum geht, was heute in diesem Hause in Frage steht, jeden einzelnen in unserem Volke an.
Es ist ganz einleuchtend und versteht sich, daß es nach den Ereignissen des „Dritten Reiches" und dem Schock der Niederlage den einzelnen und den Gruppen in unserem Volke nicht immer leicht werden konnte, die notwendige Besinnung vorzunehmen. In dieser Hungerzeit, in dieser Zeit der Ungeklärtheit aller Verhältnisse wurde vom einzelnen zu viel gefordert. Ich weiß das. Aber inzwischen sind fünfzehn Jahre vergangen. Ich glaube, wir sollten uns alle gegenseitig auffordern - jeder jeden -, doch alles zu tun, um der Versuchung zu widerstehen, der Gleichgültigkeit nachzugeben, der Trägheit des Herzens zu folgen, die Bequemlichkeit zu üben, auf Little Rock und die Apardheitspolitik in Südafrika zu verweisen! Alles, was wir hier reden, wäre in die Luft gesprochen, wenn wir nicht so weit gingen, vor uns selber und der Welt zu bekennen - und mit diesem Zitat aus dem Buche Eva Reichmanns „Die Flucht in den Haß" möchte ich schließen -:
Viel schwerer als die selbstherrliche Abwehr kapitaler Verbrechen ist die Prüfung der eigenen Schwäche, die etwa zu solchem Ergebnis führt: „Wir waren bequem und gleichgültig. Der Wille zur Freiheit lebte nicht in uns, und wir wußten nicht mehr, was Recht ist. Wir fühlen, daß unser Leben verarmt ist, weil wir unsere jüdischen Mitbürger entbehren: wir vermissen sie als Anreger im Geistigen und Wirtschaftlichen, als Menschen, die schon dadurch, daß sie wie wir und doch andersartig waren, uns eine ständige Mahnung hätten bedeuten sollen zum Fortschritt in der Gestaltung menschlicher Beziehungen, zu Rechtlichkeit und Menschlichkeit. Wir haben die Mahnung damals nicht gehört zu unserer Schande und zu unserem Schaden. Daß wir sie nicht mehr in unserer Mitte hören dürfen, beklagen wir als schmerzlichen Verlust."
Der Tag,
- fährt Eva Reichmann weiter fort an dem in solchen Aussagen die Gedanken der Mehrheit aller Deutschen zutreffend wiedergegeben werden, würde die Zuversicht begründen, daß sie von der Krankheit des Hasses genesen sind.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Wilhelmi.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist, glaube ich, gut gewesen, daß der Herr Kollege Professor Schmid, das, was uns heute bewegt, vom Menschlichen her gesehen' und uns vor Augen geführt hat, daß wir alle in diesem Hohen Hause die Pflicht haben, uns anläßlich dessen, was uns im Weißbuch vorgelegt worden ist, mit dem Problem des Antisemitismus und all dem, was damit zusammenhängt, vom Menschlichen her, ein jeder für sich, und damit letztlich auch vom Politischen her auseinanderzusetzen. Wenn man die Geschichte des Antisemitismus verfolgt, sieht man, daß sie eine Geschichte der Isolierung und Verfolgung des Juden in allen Ländern ist, in denen der Jude in Gemeinschaft mit anderen lebte. Für uns Deutsche liegen die Dinge aber deshalb so grundlegend anders als in jedem anderen Land, weil bei uns der Antisemitismus in den Jahren des Nazi-Reiches zu den schrecklichsten Morden geführt hat, die die neuere Geschichte kennt. Wir müssen daraus - ein jeder für sich und das ganze Volk - die Konsequenz ziehen, die nur darin liegen kann, daß wir, die wir fürchterlichste Verbrechen an unseren jüdischen Mitbürgern und an vielen Juden außerhalb unseres Landes erlebt haben, Vorkämpfer gegen den Antisemitismus werden. Wir müssen den jüdischen Mitbürger nicht nur schützen, wie es Herr Professor Schmid schon ganz richtig gesagt hat. Ich bin der Meinung, ein jeder von uns und ein jeder im Deutschen Volk müßte in unseren Mitbürgern das Gefühl und die Sicherheit erwecken, daß jede Verletzung und jeder Angriff gegen einen jüdischen Mitbürgern von uns als ein unmittelbarer Angriff auf jeden einzelnen von uns angesehen wird.
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Meine Damen und Herren, ich habe viele Freunde gehabt, die vor der Frage standen, ob sie hier in der bösen Zeit ausharren sollten, und viele, die aus der Emigration zurückgekommen sind und sich überlegt hatten, ob sie wieder zu uns kommen können. In schwierigen Gesprächen ging es darum, ob sie wohl wieder Vertrauen zu uns fassen könnten. Ich bin jedesmal erfreut gewesen, wenn es gelungen ist, dem einen oder anderen wieder Mut zu machen, bei uns zu bleiben. Das ist nicht bei allen so gewesen, viele sind wieder in die Emigration gegangen. Aber den wenigen, die gekommen sind, und denen, die geblieben sind, sind wir es schuldig, daß wir uns nun vor sie stellen und daß es nicht nur ein Schützen, sondern auch ein Mitleiden gibt, wenn irgendeiner sie angreift.
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Herr Professor Schmid hat schon sehr deutlich ausgeführt - besser, als ich es kann; denn er ist Professor für Politik -, daß es zum Wesen des demokratischen Staates gehört, den Antisemitismus auszuscheiden, umgekehrt gesagt: daß der Antisemitismus in seinem Wesen antidemokratisch ist. Das ist der eine, und zwar ein ganz simpler und sachlicher Grund, warum wir jeden Angriff gegen unsere jüdischen Mitbürger als einen Angriff auch gegen uns als Demokraten auffassen müssen.
Wir Alteren aus der Weimarer Zeit wissen, wie sich der rechtsradikale Antisemitismus mit dem linksradikalen Kommunismus verbunden hat, um das demokratische Deutschland der Weimarer Zeit
zu vernichten. Gewiß, das war zunächst ein Bündnis, um den Machthaber zu beseitigen und dann selbst die Macht zu erreichen. Jeder wollte einen totalitären Staat nach seinem Muster und unter seinem Vorzeichen errichten.
Wenn man diesen Dingen etwas mehr nachgeht, findet man, glaube ich, hier eine gemeinsame geistige Wurzel. Bei demjenigen, der der Rassenlehre huldigt und den Rassenhaß lehrt, und bei demjenigen, der einem totalitären Staatsbegriff, also der Unterdrückung der politischen und geistigen Freiheit nachjagt, scheint mir die gemeinsame geistige Wurzel letztlich die menschliche Selbstherrlichkeit zu sein, die keine höhere Autorität über sich kennt.
Wir wissen, daß sich der Antisemitismus nicht nur gegen uns als Demokraten, sondern zutiefst auch gegen uns als Christen richtet. Wir haben es alle in der Nazizeit erlebt, wie man zunächst den jüdischen Menschen verächtlich machte. Das war der erste Schritt. Dann kam der zweite Schritt, daß seine Religion als artfremde Religion bezeichnet wurde. Damit war man mitten im Angriff gegen das Christentum, gegen die Bibel. Es ist nicht nur vorgekommen, sondern war ein Prinzip des Nationalsozialismus und des Antisemitismus, daß das Alte Testament schlechtgemacht und versucht wurde, es abzuschaffen. Wenn auch die Kirchen beider Konfessionen einen erfolgreichen Kampf dagegen führten, so konnten sie doch dem Mörder nicht in den Arm fallen und nicht die furchtbaren Taten gegen das jüdische Volk verhindern.
Wir müssen deshalb immer wieder sagen, daß wir uns dessen schämen, was in unserem Volk in jenen Jahren geschehen ist. Wir schämen uns unabhängig davon, was wir getan, welchen Widerstand oder ob wir gar keinen Widerstand geleistet haben. Wir müssen es auch in dieser Stunde tun, in der wir über neue Taten sprechen, die gewiß nicht denen vergleichbar sind, die im nationalsozialistischen Reich geschehen sind; und sie haben auch nicht diese politische Bedeutung; das anzunehmen, wäre grundfalsch. Aber die Taten sind nun einmal geschehen, so daß es den Anschein haben kann, daß der Ungeist des Antisemitismus, der sich gegen die Demokratie und gegen das Christentum richtet, wieder aufflackere.
Da müssen wir es verstehen, wenn uns aus dem Ausland eine Kritik entgegenschallt, die für uns mitunter schwer zu ertragen ist. Aber ich bitte das Ausland, auch Verständnis dafür zu haben, daß wir, die gewählten Vertreter unseres Volkes, die Auswüchse dieser Kritik zurückweisen. Diese Auswüchse sind leicht festzustellen; sie sind immer vorhanden, wo man die Vorfälle gewissermaßen wieder kollektiv dem deutschen Volke vorhält. Das ist immer falsch; es ist genauso falsch wie der kollektive Antisemitismus. Es ist falsch, wenn man auf Grund solcher Vorfälle dem deutschen Volk eine Geisteshaltung unterstellt, die es nun wirklich überwunden hat, was wir daran erkennen können, wie das deutsche Volk auf diese Schmierereien und Lumpereien einmütig reagiert hat; das war das Gute daran.
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Was mich aber viel mehr als diese Straftaten bewegt, das ist die in dem uns vorgelegten Weißbuch aufgezeigte Tatsache, daß die Ereignisse, die zur Erörterung stehen, zum großen Teil nicht auf einer politischen Einstellung, nicht auf einer Aufhetzung, nicht auf einer Organisierung, sondern auf dem so unseligen Nicht-wissen-Wollen und Schweigen beruhen. Darum ist der Kampf so schwierig, den wir mit den paar Leuten zu führen haben. Herr Professor Schmid sagte es schon: es wird keine große Zahl sein, die echte Antisemiten sind, und es ist politisch kein Problem in der Bundesrepublik.
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Ein echtes Problem liegt darin, das Nicht-wissenWollen und Schweigen zu überwinden.
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Wir haben von dem Herrn Bundesminister des Innern gehört, daß sehr viele Dinge in dieser Richtung geschehen sind, und wir freuen uns darüber, daß das auch in Zukunft geschehen soll. Wir freuen uns darüber, daß eine Kommission gebildet werden soll, die die Regierung beraten und unterstützen wird. Das ist sicher einer der entscheidenden Wege. Er soll und muß nicht nur von der Bundesregierung, sondern auch von den für den kulturellen Bereich zuständigen Länderregierungen gegangen werden.
Aber das ist nicht genug. Ich glaube, es ist notwendig, daß wir als die gewählten Vertreter des Volkes unser ganzes Volk, jeden einzelnen auffordern, sich zu ändern. Er soll sich nicht so ändern, daß er die Vergangenheit abwirft. Das kann man in der Tat nicht. Man kann die Vergangenheit nicht dadurch bewältigen, daß man sie hinter sich wirft und sagt: das ist vorbei. Man kann sie aber dadurch bewältigen, daß man sich für unseren Staat, für unseren demokratischen Staat, aktiv einsetzt und vor allem - das gilt nur für uns Ältere - dafür Sorge trägt, daß die Jugend durch Beispiele, Aufklärungen und Erläuterungen in der richtigen politischen Richtung erzogen wird. Dafür sind wir als Politiker an erster Stelle berufen.
Herr Professor Schmid hat bereits gesagt, daß wir keine neue Entnazifizierung wollen. Ich bin dankbar, daß dieses Wort gesagt worden ist. Die vergangene Entnazifizierung, die unser Volk zerriß und einen kleinen Teil zu Richtern über die große Masse unseres Volkes einsetzte, war in der Tat ein Unding. Wir wollen das nicht wieder haben. Nachdem 15 Jahre vergangen sind, wollen wir nicht mehr, daß der eine Deutsche auf den anderen Deutschen zeigt und sagt: Du hast mehr Schuld als ich; du warst mehr am Dritten Reich beteiligt als ich. Ich glaube, das ist alles viel zu weit zurück. Es werden Gespenster beschworen, wenn man diese Fragen in irgendeiner Form wieder aufrollen will. Ich nehme selbstverständlich die Straftaten aus, die einfach unter die Strafgesetze fallen. Aber ich möchte vor einem neuen Riß durch das deutsche Volk warnen. Es kommt nicht darauf an, ob dieser oder jener ein „Gerechter" oder „Ungerechter" war. Das zu sagen, ziemt sich besonders für Christen
nicht. Es kommt vielmehr darauf an, daß der eine dem anderen hilft, die Vergangenheit zu überwinden und ihn zu einem diesen demokratischen Staat voll und ganz bejahenden Menschen zu machen.
({5})
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch ein paar Worte zu dem sagen, was wir aus der sowjetisch besetzten Zone hören. Ich sagte vorhin schon, daß wir Kritik sowohl im Inland wie im Ausland hören und aufmerksam hören müssen; dazu sind wir verpflichtet. Ist aber das, was wir aus der sowjetisch besetzten Zone hören, wirklich Kritik? Ist das nicht einfach eine üble Hetze gegen das deutsche Volk, gegen das ganze deutsche Volk? Sollten wir nicht die Hoffnung haben, daß alle, die unter einer demokratisch-freien Regierung in politischer und geistiger Freiheit hier und in der ganzen Welt leben, ein Gefühl dafür bekommen, daß es unangemessen ist, wenn die Zwingherren, die die politische und geistige Freiheit untergraben und die Teile unseres Volkes unterdrücken, sich dazu aufschwingen, Hüter der Freiheit zu sein, Hüter eines wesentlichen Gutes der Freiheit, nämlich der Gleichbehandlung aller Menschen! Ich hoffe, daß das Ausland dies erkennt und die Hetze, die von dieser Seite kommt, zurückweist und nicht uns fühlen läßt.
Es ist in dieser Stunde notwendig, jedem Deutschen zuzurufen, er möge sich mit allen Deutschen zusammenfinden, um damit der Demokratie zu bekunden, daß er dem Antisemitismus entgegentritt. Wenn er dazu bereit ist und sich von innen
heraus die Gesinnung eines jeden Deutschen zum demokratischen Staat entwickelt, dann haben wir automatisch den Ungeist des Antisemitismus für alle Zeiten aus unserem Volke verbannt.
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Das Wort hat die Frau Abgeordnete Dr. Lüders.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist schwer, es ist sogar sehr schwer, hier heute überhaupt zu sprechen. Für jeden von uns ist es schwer, es ist doppelt schwer für Menschen wie ich, die sich ohne Übertreibung in der Erinnerung zu den entronnenen Opfern zählen können und die sich gleichzeitig daran erinnern, wie schwer, ja leider in vielen Fällen unmöglich es war, denjenigen zu helfen, denen wir ohne Rücksicht auf unsere eigene Gefährdung helfen wollten. Meine Damen und Herren, liebe Freunde von allen Parteien! Sie werden es verstehen können; denn jeder von Ihnen hat aus jenen furchtbaren Jahren das eine oder andere Opfer zu beklagen. Ich muß vor Ihnen gestehen, daß ich aus meiner Verwandtschaft, meiner nächsten Freundschaft, aus unseren zahllosen Mitarbeitern nicht weniger als 40 Menschen verloren habe, für die unsere Hilfe zu spät kam, für die unsere Hilfe durchkreuzt wurde, für die unsere Hilfe deshalb zu spät kam, weil jene uns nicht glauben wollten, und zwar aus Liebe zu Deutschland nicht glauben wollten. Wir sollten nicht vergessen, was es für uns Alte bedeutet hat, diesen
(C Kampt hoffnungslos und hundertmal ergebnislos geführt zu haben.
Was uns heute bewegt und erneut erschüttert, sind nicht allein die bösen Ausschreitungen selber der vergangenen Wochen; es ist vielmehr auch die Erkenntnis über das, was wir selber in den vergangenen Jahren - trotz aller Bemühungen - versäumt haben durch die leichtfertige Neigung, uns und andere glauben machen zu wollen, daß etwas nicht vorhanden ist, weil wir es nicht sehen, weil wir es nicht glauben und nicht wahrhaben wollen. Der Grund dafür ist nicht Feigheit, sondern der Grund dafür ist nach meinem, ich sage offen: Gefühl - der Verstand hat mit diesen Dingen wenig zu tun - eine tiefe Scham, ist eine erklärliche, aber unbeschreibbare innere Scheu.
Aber heute immer noch die Augen zu schließen, weil wir uns vor dem Anblick unseres eigenen verzerrten Spiegelbildes früherer Jahre fürchten, löscht das Gestern nicht aus. Was wir an uns nicht sehen und nicht wahrhaben wollen - viele, wie ich andeutete, sicher aus Scham -, das sehen andere. Ihre Erinnerung läßt sich durch unser Nicht-wissenWollen nicht täuschen. Darüber sollten w i r uns nicht täuschen! Es war schon lange an der Zeit, unsere eigenen Züge daraufhin zu prüfen, ob sie wirklich den Ausdruck humaner, toleranter, die Menschenwürde unbedingt achtender Gesinnung tragen, anstatt uns vor allem in unseren materiellen Erfolgen zu sonnen, anstatt über der Freude am Reichtum irdischer Güter die traurige und klägliche Armut nur zu vieler Seelen zu übersehen.
Das festzustellen bedeutet nicht etwa, eine deutsche Kollektivschuld konstruieren zu wollen. Es heißt auch nicht, uns kurzerhand mit den Übeltätern identifizieren zu lassen, wie das von mancher Seite versucht wird. Es heißt nicht etwa, in ihnen d i e Deutschen zu sehen, denn davon kann, Gott sei Dank, keine Rede sein. Es heißt auch nicht, das Geschehene als Alarmzeichen einer unmittelbar drohenden Gefahr aus einer überkommenen und bei uns allgemein nicht überwundenen Vergangenheit zu werten. Aber - und das scheinen wir zu unserem eigenen Schaden so oft zu übersehen - Antisemitismus in Deutschland muß auch in unserem eigenen Urteil anders und ernster beurteilt werden als Antisemitismus außerhalb unserer Landesgrenzen.
({0})
Das einzusehen war schon lange notwendig, und die aus furchtbaren Erinnerungsbildern aufsteigenden gefühlsmäßigen Reaktionen anderer zeigen nur zu deutlich, daß die Vertrauensdecke, auf der wir stehen, vorerst noch ziemlich dünn ist. Wir selber haben - viele sicher aus bester Absicht - versucht, ein Kompromiß zwischen Verstand und Gefühl zu schließen, bei dem der Verstand das Gefühl zum Schweigen bringen sollte, bei dem die Gegenwart die Vergangenheit als nicht vorhanden werten wollte. Wir geben uns, verehrte Freunde, einem ganz gefährlichen Irrtum hin, wenn wir glauben, daß die Umwelt bereit ist, diesen Weg mit uns zu gehen.
Noch eins, was wir nicht übersehen dürfen: Mit ihrer Furcht vor neu aufsteigendem Antisemitismus verbindet sich bei vielen außerhalb unseres Landes aus tragischer Erfahrung die Furcht vor kriegerischen Ambitionen. Diese Ideenverbindung ist meines Erachtens heute sachlich ein unbegründeter Kurzschluß, aber verehrte Anwesende, sie besteht eben und wirkt alarmierend, auch unter Hinweis auf die Duldung weitverbreiteter Erzeugnisse unverantwortlicher Hetzschriften.
({1})
Ich darf heute noch einmal an die eindrucksvolle Erklärung erinnern, die am 20. Januar 1960 im Auftrage aller Fraktionen dieses Hauses hier abgegeben worden ist. Hiernach erhebt sich nach Ansicht meiner Freunde doch die Frage, ob es richtig ist, schon heute an Hand eines sehr unvollständigen Weißbuches über die jüngsten antisemitischen Vorfälle in der Bundesrepublik in diesem Hohen Hause zu diskutieren. Darum wollen meine Freunde und ich auch nicht die generelle Schuldfrage heute aufrollen. Wir glauben, daß diese Schuldfrage nur in einem größeren geistesgeschichtlichen Zusammenhang in Zukunft zu klareren geschichtlichen Erkenntnissen führen kann, als das heute schon möglich ist.
Aber diese Erkenntnisse werden, so hoffen wir, auch dazu beitragen, daß man nicht heute oder morgen - und das ist eine dritte Gefahr - wieder glaubt, nach dem sogenannten „gesunden Volksempfinden" generell urteilen oder aburteilen zu
3) können.
Verehrte Anwesende, nichts ist aber im Leben eines jeden wohl so schlimm und so schlecht, daß er nicht fühlte, daß es gleichzeitig auch etwas Gutes bewirkt. Wir meinen damit die betrübliche, notwendige Erkenntnis, daß eine wahrhaft schaurige Vergangenheit alles andere als schon bei uns allgemein überwunden ist. Wir Freien Demokraten glauben daher, man sollte mahnend an alle, die es angeht -das ist das ganze Volk, das sind auch wir alle -, die Aufforderung richten: Wehret den Anfängen! Paßt auf, seid wachsam! Aus unserer liberalen Grundhaltung lehnen wir jede Diskriminierung von Menschen anderer Rasse oder anderen Glaubens, wie Ihnen bekannt ist, ab. Darüber hinaus erwarten wir aber von jedem einzelnen, daß er endlich den moralischen Mut findet, diese Überzeugung jederzeit zu vertreten.
({2})
Mit dem moralischen Mut ist es ja im Gegensatz zu dem körperlichen Mut und zu dem Aufwand an Muskelkräften gegebenenfalls nicht überaus gut bestellt.
({3})
Diese Aufforderung, liebe Freunde, richtet sich nicht zuletzt - davon sind ja nur wenige in einem Deutschen Bundestag - an die Frauen und an die Mütter in Deutschland. Nicht zuletzt! Denn sie sind es - und das müßten sie viel mehr bedenken, als sie es bisher getan haben -, die jahrelang die ganze geistig-seelische Führung, Beeinflussung und Entwicklung der Jugend in ihren Händen haben. Es sind nicht allein die Schulen; sie kommen erst hinterher. Erst, liebe Frauen, kommen wir. Wir sind die ersten, die sich jahrelang, auch während die Kinder in der Schule sind, noch für ihre zukünftige geistig-seelische Haltung für das ganze Leben mitverantwortlich fühlen müssen. Wir haben viele Jahre tagtäglich Gelegenheit, die geistig-seelische Entwicklung der Kinder zu pflegen. Wir Frauen sollten bedenken, daß Toleranz und Achtung vor dem Menschen von uns in die jungen Seelen gepflanzt werden können und gepflanzt werden müssen, schon früher, als die Kinder überhaupt in die Schule kommen. Das alles ist selbstverständlich in keiner Weise Sache der Polizei. Sie geht es gar nichts an; denn sie versteht nichts davon. Aber es ist Sache aller Demokraten. Wer sich für einen Demokraten hält, der erinnere sich an diese Aufgabe.
Nun zu dem Hinweis, es gebe in der ganzen Welt einen latenten Antisemitismus. Dieser etwas leichtfertige Hinweis kann und darf keine billige Entschuldigung für uns sein. Wenn der eine übeltut, kann sich der andere nicht darauf berufen, daß eben der eine es getan hat.
Das gleiche gilt für den ebenso billigen Versuch, andere, die im politischen Gegensatz zu uns stehen, als Anstifter oder Urheber vorzuschieben. Das ist sehr einfach. Man muß es aber erst beweisen. Die Millionen Opfer des Hitlerismus, an denen die jüdischen Mitbürger den schwersten Anteil zu tragen hatten, lasten auf uns allen, moralisch auch auf uns, die wir nicht in der Weise beteiligt waren wie andere. Uns von dieser moralischen Last für andere glaubwürdig zu befreien, ist die ernste Aufgabe jedes einzelnen, ist eine Aufgabe des ganzen Volkes.
Die Reaktion in der Welt auf die jüngsten antisemitischen Vorfälle bei uns sollte uns auch mahnen, die Geldleistungen für die Betroffenen und deren Hinterbliebene nicht etwa überzubewerten oder gar zu glauben, Geldleistungen allein vermöchten unsere Schuld abzutragen und unser Ansehen wiederherzustellen. Es bedarf vielmehr der Bereitschaft aller, die Vergangenheit gerade innerlich zu überwinden.
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Wir können in niemandes Kopf, in niemandes Herz sehen, aber wir können den Appell an ihn richten: Schau dir einmal selber in dein Inneres! Sei ehrlich dir gegenüber, dann wirst du auch anderen gegenüber in dieser Frage ehrlich sein!
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Erst wenn das geschieht, wird uns die aufs neue tief erschreckte Welt Glauben schenken, und auf den Glauben des einen an den anderen kommt es an.
Wir begrüßen deshalb auch, daß die letzte Länderkultusministerkonferenz in Hamburg in der Erkenntnis einig war, weit mehr für die Aufklärung an unseren Lehranstalten zu sorgen, als dies in der Vergangenheit geschehen ist. Hier ist erwähnt worden: Dieses und jenes Material haben die Lehrer, die Geistlichen und wer sonst noch alles, bekommen, und dieses und jenes Material werden sie
noch bekommen. Ich möchte einmal die Frage stellen: Brauchen wir denn eigentlich gedrucktes Material, um uns über unsere Verpflichtung auf diesem Gebiet klarzuwerden? Brauchen wir gedrucktes Material zu der Erkenntnis, was wir der Menschenwürde jedes einzelnen auf der ganzen Welt schuldig sind? Ich glaube nein.
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Ebenso wichtig wie die Mitarbeit der Lehrer erscheint uns aber die Bereitschaft der Elternhäuser und der älteren Menschen überhaupt, unsere Jugend gegen neue Rückfälle unbedingt immun zu machen. Niemand denkt gern - und ich verstehe es - an die grauenhafte Vergangenheit, und wir möchten zur Ehre vieler annehmen, daß es die eigene Scham ist, die sie gegenüber ihren Kindern so oft verstummen läßt. Es ist für jeden Menschen schwer, sich zu seiner Schuld vor seinen eigenen Kindern, sei es in dieser oder jener Form, zu bekennen.
Wir sind auch den führenden Frauen und Männern jüdischer Organisationen in aller Welt, nicht zuletzt auch dem Ministerpräsidenten des Staates Israel David Ben Gurion, dankbar für die ruhigen Erklärungen, die die tatsächlichen Grenzen des Vorgefallenen, wie uns scheint, besser abstecken konnten, als es uns selber, den Betroffenen, möglich ist.
Ich möchte aber nicht schließen, ohne namens meiner Freunde auf das ernsteste auch auf die hohe Verantwortung hinzuweisen, die vornehmlich die Bundesregierung für den eigenen Kreis ihrer Mitglieder, für die Verwaltung und besonders für die auswärtigen Vertretungen trägt. Häufig geht es um nichts weiter als um Fingerspitzengefühl, um Takt der Berufenden und der Berufenen. Liebe Freunde, es gibt ein altes Wort: „Nenne mir deinen Freund, und ich will dir sagen, wer du bist".
({7})
Es scheint mir an der Zeit zu sein, das zu bedenken; denn es ist nicht nur in der Vergangenheit leider mehrfach übersehen worden.
An uns selber ergeht dieselbe Mahnung, ergeht dieselbe Forderung. Die Parteien, die an der politischen Willensbildung mitwirken - und das sind wir alle -, sind von der gleichen Verpflichtung keineswegs befreit.
Lassen Sie mich schließen, meine Damen und Herren. Es sind fünfzehn Jahre nach dem Grauen, und ich hoffe, daß es das letzte, das allerletzte Mal ist, daß irgend jemand von uns in die Lage kommt, hierüber vor diesem Hohen Hause sprechen zu müssen.
({8})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schneider ({0}).
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit Ihnen allen zusammen bedauern meine politischen Freunde und ich, daß wir heute Anlaß zu einer solchen Debatte haben. Ich gebe zu, es ist sehr schwer, eine solche Aussprache nur unter politischen Gesichtspunkten zu führen. Es wäre aber auch verkehrt, sie nur unter gefühlsmäßigen Gesichtspunkten zu führen. Es sind die Schatten einer wahrhaft unseligen Vergangenheit, die heute in diesem Hohen Hause beschworen werden beschworen werden müssen, weil einige unverantwortliche junge Menschen Weltpolitik gemacht haben, was sie zu der Stunde, da sie ihre schändliche Tat ausführten, vielleicht selbst nicht einmal gewußt haben. Die Tatsache, daß die Mitteilung über diese schändliche Tat so schnell um die Erde gelangen konnte, und die Reaktion in der ganzen Welt zeigen uns auf der anderen Seite die ganze Labilität unserer Gesellschaftsordnung und die Labilität, die durch die technischen Einrichtungen hervorgerufen wird, die wir uns selbst geschaffen haben. Diese Labilität aber zeigt uns auch, daß der demokratische Staat in einer solchen Welt mehr, ja viel mehr aufpassen muß, damit nicht Dinge geschehen, die ihm selbst und die letzten Endes anderen Staaten oder ganzen Gruppen von Menschen Schaden zufügen können.
Diese Debatte, die ich in demselben sachlichen Stil fortzuführen gedenke, wie meine Vorredner sie begonnen haben, hat uns alle noch einmal daran erinnert, wieviel Leid und Not durch eine verbrecherische Regierung nicht nur über unser eigenes Vaterland, sondern über die ganze Welt ausgeschüttet wurde. Mit Ihnen zusammen, mit Ihnen allen von links bis rechts, verurteilen meine politischen Freunde jene Vorfälle auf das schärfste, die nicht nur geeignet sind, das Ansehen Deutschlands und der Deutschen zu schädigen, sondern darüber hinaus dazu geeignet sind, einen falschen Eindruck im Ausland über die Gesinnung im deutschen Volke hervorzurufen. Wir stehen als Deutsche Partei in einer Front mit allen anderen demokratischen Parteien und in einer Front mit allen anständigen Deutschen und das ist die weit überwiegende Zahl in unserem Volke - zur Abwehr künftiger solcher Vorfälle.
Ich möchte vorweg sagen, daß die Reaktion der deutschen Öffentlichkeit allein schon auf die Nachricht von der Synagogenschändung in Köln, so bitter die Nachricht als solche war, uns insofern befreit hat aufatmen lassen, als - wie ich ohne Übertreibung sagen kann - eine überwältigende Ablehnung in der gesamten deutschen Offentlichkeit dieser Tat entgegenschlug.
({0})
Ich glaube auch, daß die Reaktion, die die deutsche Öffentlichkeit gezeigt hat, ein Beweis dafür ist, daß das Inferno des Krieges, daß die Spaltung unseres Vaterlandes und der Verlust weiter Gebietsteile, daß der Verlust von Millionen Menschen an der Front und in Konzentrationslagern das deutsche Volk haben nachdenklicher werden lassen.
Ich bin auf der anderen Seite überzeugt, ja ich habe die Gewißheit, daß viele Auslandsreaktionen, die der Beurteilung dieser Vorfälle dienten, an der Wahrheit der Dinge vorbeigehen. Natürlich spielen verständliche und auch unverständliche Ressentiments bei der Beurteilung dieser Dinge eine entscheidende Rolle. Ich will gar nicht von jenen beSchneider ({1})
rufsmäßigen Deutschenhassern sprechen, die ihre Hauptaufgabe darin sehen, die Deutschen und ihr Vaterland immer und immer wieder in ein schlechtes Licht in der Weltöffentlichkeit zu rücken. Viel gefährlicher sind jene anderen Reaktionen, die wahrhaftig geeignet sind, das Vertrauen zu stören, jenes Vertrauen, das wir uns alle gemeinsam erworben haben in der Welt, das Vertrauen zu stören, das wir dringend brauchen, das Vertrauen zu stören, das wir in unserem eigenen Vaterlande, in der Innenpolitik, und auch im Ausland nicht missen können. Aber die Reaktion ist verständlich, weil Erinnerungen geweckt werden, deren wir uns alle selbst, leider muß ich das von hier bekennen, schämen müssen.
Ich weiß auch, daß es sehr schwierig ist, allein durch Worte, und seien sie auch von dieser Stelle gesprochen, allein durch Beteuerungen manches wieder gutzumachen, was da geschehen ist, vor allem wieder gutzumachen den Eindruck, der bei denjenigen entstanden ist, die es in erster Linie betrifft.
Wenn auch die Motive, die zu diesen Taten der letzten Zeit geführt haben, verschieden gewesen sein mögen - wie es im Weißbuch der Bundesregierung ausgewiesen ist -, so möchte ich doch mit aller Deutlichkeit feststellen, daß diese Taten deshalb so gemein und niederträchtig sind, weil sie den ehrlichen Willen von Millionen gutwilliger Deutscher mit Füßen getreten haben
({2})
und damit eine momentane Gefahr für den innen- und außenpolitischen Frieden sind.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist mir ein besonderes Bedürfnis, von dieser Stelle aus denjenigen Stimmen im Ausland, der Presse und dem Rundfunk und nicht zuletzt den führenden Juden Dank zu sagen, die inmitten einer Kampagne, die plötzlich gegen uns entfesselt wurde, Vernunft, Ruhe und Sachlichkeit bewahrt haben.
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Hier gilt mein ganz besonderer Dank dem Generalsekretär der deutschen Juden, Herrn van Dam, den ich persönlich kenne, und auch dem Vorsitzenden des Jüdischen Weltkongresses, Herrn Goldmann. Ihre Besonnenheit in jenen Tagen, als die Wogen der Erregung besonders hoch gingen, steht - das muß ich allerdings ehrlich aussprechen; das ist ein politisches Faktum - im umgekehrten Verhältnis zu mancher Hysterie jener Tage.
Aber ich darf, glaube ich, auch sagen - und ich möchte von dieser Stelle aus, wenn ich auch nur eine kleinere Fraktion zu vertreten habe, an die Juden und an das Ausland appellieren -: es gibt keinen Antisemitismus in Deutschland. In unserem Lande soll sich jeder frei fühlen können und wohlfühlen können. Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, daß es keinen Antisemitismus gibt, zumindest keinen Antisemitismus, der in der Lage wäre, etwa politische Verhältnisse mit allen ihren Folgen herbeizuführen, wie wir sie einmal gehabt haben, dann ist er durch das Weißbuch der Bundesregierung erbracht worden. Ich will der Wahrheit die Ehre geben und nichts beschönigen, wenn ich noch einmal feststelle, daß es von 234 aufgeklärten Fällen nur 17 sind, die erwiesenermaßen einen politischen Hintergrund haben. Aber selbst wenn ich 234 derartige Fälle hier erwähnen muß, darf nicht übersehen werden, daß bei einer Gesamtbevölkerung von insgesamt über 50 Millionen Menschen auch diese Zahl kein Grund zum Alarm, wohl aber ein gewisser Grund zur Sorge ist.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn wir uns noch einmal vergegenwärtigen wollen, wie es zu der Kettenreaktion in dieser Frage gekommen ist, dann lohnt es sich, einen Blick in das Weißbuch zu werfen und festzustellen, daß vom 10. bis 28. Januar eine steil abfallende Kurve zu verzeichnen ist, d. h. daß unter dem Eindruck der ersten Schändungen und vor allem der ersten Schändung in Köln sich jene Optik zeigte, die wir bei so vielen anderen Gelegenheiten in einer Massengesellschaft beobachten, nämlich eine Massenpsychose, die solche Kettenreaktionen auszulösen imstande ist. Ich betone ausdrücklich: ich will nichts beschönigen, ich will nichts verniedlichen, ich will nicht die Schuld von uns abwälzen, ich will sie nicht bei anderen suchen. Das haben meine Herren Vorredner schon so trefflich ausgeführt, daß es sich kaum verlohnt, dem noch ein Wort hinzuzufügen. Aber die überempfindliche Reaktion der deutschen Presse und des deutschen Rundfunks haben sicherlich - das Weißbuch spricht auch darüber - das ihre dazu getan, daß es zu einer solchen Kettenreaktion kommen konnte. Mit Recht hat diese überempfindliche Reaktion der deutschen Publikationsorgane Unwillen in der deutschen Öffentlichkeit hervorgerufen, weil das Volk sich mit diesen Dingen von vornherein nie identifiziert hatte und sich auch nie identifizieren wird.
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Wenn es noch eines Beweises dafür bedürfte, dann könnte ich auf die Wahlergebnisse seit 1949 verweisen, seit es eine Bundesregierung gibt, ja auf die Wahlergebnisse seit 1946/47, nach denen alle Bürger demokratischen Parteien ihre Stimme gegeben haben und keinen nennenswerten Raum Belasse haben für links- oder rechtsradikale Kräfte, die eventuell dazu antreten könnten, unseren Staat in ein Unglück zu stürzen. Ich verweise Sie auch darauf - das sage ich mit aller Bescheidenheit -, daß die materiellen Wiedergutmachungsanstrengungen des deutschen Volkes mit ein Beweis dafür sind. Die Tatsache, daß sie als moralisch gerechtfertigt von allen Parteien beschlossen worden sind, trägt ebenfalls dazu bei, dem Ausland und auch den Juden vor Augen zu stellen, wie es wirklich in unserem Lande und unserem Volke aussieht.
Noch ein weiteres Moment! Sie werden das Weißbuch gelesen und auch festgestellt haben, daß von 61 Fällen, in denen es sich um antisemitische Äußerungen oder Absingen nationalsozialistischer Lieder gehandelt hat, es in 59 Fällen gelungen ist, durch Hinweise aus der Bevölkerung Aufklärung zu schaffen. Das ist, wenn auch nur ein kleines Moment, so doch ein bezeichnendes Moment für die Gesinnung und für die Beurteilung solcher Taten
Schneider ({5})
in unserem Volke. Jeden Tag, jede Stunde ist nicht nur jeder Deutsche aufgerufen, sondern jeden Tag und jede Stunde denkt jeder Deutsche selber daran, was einmal war, wenn er auf die Arbeit blickt, die er in den letzten Jahren, seit wir wieder eine Regierung und ein intaktes Land haben, geleistet hat. Er denkt daran, wohin uns ein bestimmter Weg geführt hat. Es können also nur Narren und Verrückte sein, die sich etwa einen solchen Weg wieder wünschen.
Ich will aber loyalerweise anerkennen, daß die überempfindliche Reaktion der deutschen Presse und des Rundfunks auch ihre guten Seiten gehabt hat. Das Ausland konnte sich sofort orientieren über das, was man in diesem Land zu den Dingen wirklich sagt und denkt. Vielleicht wurde auch mancher, der in unserem Wirtschaftswunder allzu schläfrig dahindämmert, durch diese Meldungen aufgerüttelt und erhielt wieder Gelegenheit, sich zu erinnern, was einmal war und wohin es trieb.
Daß bei einer solchen Diskussion natürlich auch gewisse Entgleisungen nicht fehlen, ist nur zu verständlich. Ein französischer Journalist erklärte beispielsweise zu dem antiantisemitischen Beschluß eines großen westdeutschen Theaters, das Shakespeares „Kaufmann von Venedig" aufführen wollte:
Im Hochmut wie in der Demut sind die Deutschen immer gleich hundertprozentig. Am liebsten würden sie Shakespeare vor ein Entnazifizierungsgericht stellen. Traurig ist, daß es in Deutschland offensichtlich niemanden gibt, der auf ein solches Kuriosum aus allen Rohren des Spottes schießt.
Ich möchte diesem Journalisten den Gefallen tun und das hiermit getan haben.
Meine Freunde und ich bedauern auch, daß, nachdem jene bekannte Tat in Köln nun einmal im Lande Nordrhein-Westfalen passiert war, der Herr Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen in unseres Erachtens übertriebener Weise zu den Dingen Stellung genommen und sicherlich mit dazu beigetragen hat, daß mancher falsche Akzent in die Angelegenheit gekommen ist. Ich will die Details jener Fernsehaktionen nicht mehr aufrühren. Sie standen in einem großen deutschen Nachrichtenmagazin zu lesen. Ich meine nur, wenn man gerade bei solch diffizilen und pikanten Fragen nicht das notwendige Maß zu bewahren versteht, erweist man der eigenen Sache eher einen Bärendienst denn einen guten Dienst. Das ist im vorliegenden Fall zweifellos geschehen.
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Bei der Frage nach den Hintergründen der Aktionen finden Sie auf Seite 24 des Weißbuches einen Hinweis, in dem es heißt:
Unmittelbarer Anlaß zum Handeln waren hier sehr unterschiedliche Faktoren. Ressentiments aus unbewältigter NS-Vergangenheit, Konkurrenzneid oder persönliche Differenzen mit jüdischen Mitbürgern und Mißgunst gegenüber den Empfängern von Wiedergutmachungsleistungen spielen eine ebenso große Rolle wie
eine allgemein asoziale oder antidemokratische
Einstellung.
Hierzu muß ich sagen, daß also die Propaganda des In- und Auslandes, die von einem wirklichen Aufleben eines echten Antisemitismus spricht, nicht stimmen kann. Es ist offenbar der Bodensatz der Masse jedes Volkes, der sich hier zu Wort gemeldet hatte, und ich wage zu bezweifeln, daß bei einem Teil dieser Menschen eine Aufklärung überhaupt etwas nützen würde. Andererseits sollte man nicht übersehen, daß gerade in diesem Bodensatz die Gefolgschaft für radikale politische Strömungen ihre besondere Nahrung findet und daß insofern eine besondere Wachsamkeit geboten ist.
Natürlich haben nicht die Stimmen gefehlt, die sofort bei Auftauchen dieser Aktionen die Sache in zwei Lager spalteten. Die einen riefen: Rechts sitzt der Feind, und die anderen riefen: Links sitzt der Feind! Die einen verdächtigten die antibolschewistischen Emigranten in der Bundesrepublik, von denen bekanntlich nur drei solcher Dinge geziehen wurden, womit dieser Vorwurf - zur Ehre auch dieser Menschen muß das von hier aus gesagt werden - sich ad absurdum führt.
Nicht übersehen werden kann allerdings die besonders große Zahl von Aktionen in West-Berlin. Ich glaube, daß hier ein entscheidender Punkt ist. Wenn auch das Weißbuch zur Stunde hierüber noch unvollständig ist und keinen letzten Aufschluß zu geben vermag, so zweifeln meine Freunde und ich doch nicht daran, daß es im Laufe der Zeit möglich sein wird, auch die Drahtzieher zu erkennen, die auf der linksradikalen Seite sitzen und ihre Finger wie immer bei solchen Dingen mit im Spiele haben.
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Meine politischen Freunde von der Deutschen Partei sind der Meinung, daß die Wahrheit zwischen der Verdächtigung Es war links, Es war rechts wie so oft gerade in der Politik in der Mitte liegt.
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-- Womit ich nicht sagen will, daß ich mich etwa nicht mehr zur Rechten zähle, Herr Kollege Schoettle.
({9})
- Es bezog sich ja nur auf diesen speziellen Fall und nicht etwa auf die grundsätzlichen politischen Richtlinien.
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Es hat meine Freunde immerhin beruhigt, aus dem Weißbuch zu erfahren, daß es sich nicht um gesteuerte Aktionen handelt, wobei ich bewußt vermeide zu sagen, daß es uns etwa befriedigt hätte, zu erfahren, daß es nicht von rechtsradikalen Kreisen gesteuert sei. Denn das Weißbuch weist andererseits eindeutig aus, daß gerade in rechtsradikalen Kreisen politische Vorstellungen bestehen - und ich habe sie wiederholt erfahren, zuletzt im Herbst letzten Jahres im bremischen Landtagswahlkampf -, die durchaus geeignet sind, solche Vorstellungen zu nähren, die dann letzten Endes in derartige
Schneider ({11})
Aktionen einmünden. Aber es ware wohl der sogenannten Deutschen Reichspartei zuviel Ehre angetan, wenn jemand behaupten wollte, daß sie über Außenstellen in Italien, Kanada, Australien und Amerika verfügt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, erlauben Sie mir bitte in diesem Zusammenhang ein kurzes Wort zu der Frage, ob es selbst bei Vorliegen des notwendigen Materials opportun wäre, diese rechtsradikale Partei zu verbieten. Meine persönliche Auffassung ist: Es wäre ebenso falsch wie im Falle der Kommunistischen Partei.
({12})
- Herr Minister Dr. Schröder, warum sollen wir beide nicht einmal anderer Meinung sein, wo wir so oft einer Meinung sind!
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Ich brauche die Gründe dafür nicht zu sagen. Ich glaube, die Meinungen darüber gehen quer durch alle Fraktionen. Ich will damit nicht etwa die Warnung aussprechen - ich möchte nicht mißverstanden werden -, in dieser Hinsicht nicht tätig zu werden. Ich glaube nur, daß es besser ist, mit offenem Visier auch mit diesen Leuten zu kämpfen, und ich kann es mir an dieser Stelle versagen, jene Berührungspunkte zu nennen, die sich zwischen Links- und Rechtsradikalen seit eh und je besonders in außenpolitischen Fragen gezeigt haben.
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Meine Damen und Herren, die Schuld jener Drahtzieher, die in Pankow und auch in Moskau sitzen, ist - das muß zugegeben werden - in dem Weißbuch zwar nur in etwas generellerer Form dargestellt. Aber wer zu lesen versteht und wer insonderheit die Meldungen des Ostblocks verfolgt - wir sind alle in die angenehme Lage versetzt, hierüber ständig unterrichtet zu werden -, kann nicht darüber hinwegsehen, daß alle Verlautbarungen und Beschlüsse, nicht nur in der jüngsten Zeit, sondern auch schon vorher, immer darauf gerichtet waren, die Bundesrepublik auch in diesen Fragen zu diffamieren. Es ist vollkommen richtig, wenn gesagt wurde, daß zwar ein strafrechtlicher Tatbestand nicht festgestellt werden könne, aber der politische Tatbestand der Diffamierung uns praktisch täglich aus allen Presseorganen und dem Rundfunk der Zone entgegenschlage.
Ich meine, daß Moskau bei dem ursprünglichen Verlauf der Diskussion über die antisemitischen Schmierereien zufrieden sein konnte, und zwar deshalb, weil es weiß, daß alles, was darüber gesprochen wurde und noch wird, letzten Endes als eine Diffamierung im Ausland nachklingen muß, und weil es weiß, daß es durch diese Vorfälle eine vielleicht ungeahnte, vielleicht ungewollte Hilfe unmittelbar vor den entscheidenden Konferenzen bekommen hat. Das wird es uns - die Zukunft wird es erst zeigen - hier und da vielleicht schwieriger machen, als wir es erwarten.
Aber trotzdem, meine Damen und Herrn, müssen wir diesem Terrorregime - auch das muß in diesem Zusammenhang hier heute gesagt werden -, das die Menschenwürde täglich mit dem Kommißstiefel tritt, jede Berechtigung zu moralischer Entrüstung über diese Vorfälle absprechen.
Ich möchte für das, was ich eben ausgesprochen habe - erlauben Sie mir bitte auch diese persönliche Bemerkung -, meinen eigenen Vater zum Kronzeugen anrufen, der insgesamt fünf Jahre in russischen KZs - in Mühlberg, Torgau und Buchenwald -- gesessen hat, ohne jemals Mitglied der NSDAP gewesen zu sein oder irgendein Verbrechen begangen zu haben, sondern lediglich auf Grund einer Denunziation diese Jahre in ehemals nationalsozialistischen Konzentrationslagern zubrachte und als an Leib und Seele gebrochener Mann wieder heimgekehrt ist.
Wenn an den Vorfällen, die wir in der verflossenen Ara zu verzeichnen hatten und die uns so schrecklich in Erinnerung gerufen werden, und wenn an den Vorfällen, von denen ich soeben einen aus persönlicher Sicht schilderte, und wenn an der Tatsache, daß diese Vorfälle plötzlich wieder vor uns stehen, etwas Gutes ist, dann ist es das, daß sie einen Appell nicht nur an jeden einzelnen, sondern an die Masse bedeuten, gegen die Gemeinheit, den Menschen zu foltern und zu morden, ihn seelisch und körperlich zu zerbrechen, aufzustehen, und daß sie ein Appell an jeden einzelnen und an die Masse sind, gegen jene unbelehrbaren Wirrköpfe, die gegen das Heiligste, was uns Gott gegeben hat, nämlich das Leben und die Gesetze des Lebens, verstoßen, so vorzugehen, daß sie von der Menschlichkeit zermalmt werden. Auch die wenigen Wichte und Narren, die jene antisemitischen Schmierereien besonders aus politischen Gründen begangen haben, sollen wissen, daß sie in unserem Volk moralisch geächtet sind.
Meine Damen und Herren, wenn wir uns darüber einig sind, können wir getrost auf die Belehrungen und Kommentare aus Pankow verzichten. Wir haben im Gegenteil die Pflicht, die Lügner, die versuchen, aus diesen Dingen Kapital zu schlagen, zu entlarven. Ihr Ziel ist es allein - auch das muß hier gesagt werden -, die Bundesrepublik von ihren westlichen Verbündeten zu trennen. Ihr Ziel ist es allein, zu erreichen, daß sich Westdeutschland von seinen Verbündeten enttäuscht abwendet, und jener Meinung Nahrung zu geben, daß es letzten Endes doch allein der Osten sei, der ungebunden und ohne Rücksicht auf alle anderen uns eines Tages die Wiedervereinigung geben könne, wobei man geschickterweise natürlich nicht gleich alles fordert, sondern erst einmal die Leimrute der Neutralität in der Hoffnung auswirft, daß die Zeit und der kalte Krieg das Ihre täten. Auch die Reden des sowjetischen Regierungschefs, der dem Bundeskanzler und der Bundesregierung immer wieder Militarismus, Faschismus, Revanchismus usw. vorwirft, sind eindeutig darauf abgestellt, ein ganz bestimmtes Echo im Westen hervorzubringen, nämlich eine erneute Umerziehung des Volkes und eine erneute Entnazifizierung zu verlangen. Nicht umsonst posaunen die Funktionäre
Schneider ({15})
des Herrn Chruschtschow in alle Welt, welche Minister unserer legitimen Regierung und andere hohen Beamten entfernt werden müßten. Aber, meine Damen und Herren, Gott sei Dank bestimmen wir ja noch selbst im eigenen Hause. Ich hoffe, es wird nie dazu kommen, daß wir auch nur in einem einzigen Fall den Forderungen der Kommunisten nachgeben, wenn es um die Frage geht, ob ein Minister in der Bundesrepublik im Amt bleiben soll oder
nicht.
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Indem man diese Personen diffamiert, will man letzten Endes die Politik der Bundesregierung und auch
ihres Regierungschefs treffen. Wer das Gebäude der westdeutschen Politik, ja, der westlichen Politik, zum Einsturz bringen will, muß notgedrungen damit beginnen, die Vertrauenswürdigkeit unserer Regierung im Ausland in Zweifel zu ziehen und zu zerstören. Hier liegt der Angelpunkt für das, was Herr Chruschtschow und seine Funktionäre und Vasallen über uns aussagen.
Ich bedauere in dem Zusammenhang, ganz offen gesprochen, daß in unseren Reihen, d. h. nicht in denen meiner eigenen Fraktion, sondern in den Reihen anderer Fraktionen des Hohen Hauses, hier und da diese Aktionen gestützt oder gleiche verlangt werden. Als Vertreter einer Partei des Rechten kann ich gar nicht anders, als es hier kategorisch abzulehnen, daß uns irgend jemand von außen in unsere souveränen Rechte hineinredet.
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Beim Lesen des Weißbuches haben meine Freunde und ich die Geschicklichkeit bewundert, mit der es der östlichen Seite bisher gelungen ist, ihre Urheberschaft zu vertuschen. Aber ich sagte schon, die Häufigkeit der Vorkommnisse in West-Berlin gibt uns einen vorerst zwar kleinen, aber ganz bestimmten Hinweis. Wenn man hinzunimmt, daß sich in rechtsradikalen Westberliner Organisationen besonders viele SED-Agenten aufgemacht haben, ist auch dies ein Hinweis für uns alle.
Mehr Klarheit über die wirklichen Hintergründe hätte es vielleicht gegeben, wenn im Prozeß gegen die Kölner Synagogenschänder - das soll kein Vorwurf sein, den ich an die Adresse des Kölner Gerichts richte, ganz im Gegenteil - dieser Frage etwas mehr Raum gegeben worden wäre.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die sogenannten antisemitischen Vorfälle haben vielfältige Fragen und Diskussionen ausgelöst. Ich möchte ein Wort des Senatspräsidenten Rauschning gebrauchen, wie es kürzlich im „Spiegel" zitiert wurde: „Nur die Wahrheit wird uns frei machen", und ein ausgezeichnetes Wort eines schleswig-holsteinischen Oberbeamten, der zur Frage der Darstellung der Geschichte der Vergangenheit erklärt hat, wir würden dieser volkspädagogischen Aufgabe einen verhängnisvollen Dienst erweisen, wenn wir für wissenschaftliche Beiträge die Wahrheit und für zeitgeschichtliche die Opportunität zur Richtschnur setzen würden.
Ich glaube, daß in der Frage der historischen Wahrheit - seien wir ehrlich - seit 1945 viel gesündigt worden ist. Jeder, jede politische Partei, jede Organisation, die mit den Dingen befaßt war, wollte nur ihre eigene Meinung gelten lassen. Einzelfälle wurden aufgebauscht und verallgemeinert. Manche Tugendwächter der Demokratie haben dabei zweifellos in die falsche Richtung geschlagen. Wir sollten uns gerade heute bei dieser ernsten Debatte alle darüber im klaren sein, daß uns nur eine echte und wahrhaftige Auseinandersetzung mit dem, was war und was jetzt ist, weiterbringen wird und daß jedes andere Verfahren, das etwa unter dem Aspekt von Ressentiments vor sich geht, die echte Auseinandersetzung auf der Strecke lassen muß. Die jüngsten Vorfälle sind alle Aufruf, sind Aufruf an uns alle, uns echt, wahrhaftig und mutig mit unserer Vergangenheit auseinanderzusetzen.
Nach 1945 hatten wir die Verpflichtung, keine neuen Gräben aufzureißen. Wir hatten die Verpflichtung, statt zum Haß, zur Rache und Verfolgung aufzurufen, uns um Versöhnung und Mitarbeit zu bemühen. Ich kann namens der Deutschen Partei erklären, daß wir diesen Dingen heute nichts hinzuzuzufügen und nichts von ihnen wegzunehmen haben, weil wir seit 15 Jahren das Recht auf den politischen Irrtum für alle gepredigt haben und weil wir nicht nachlassen werden, es immer wieder zu predigen. Schließlich auch deswegen, weil wir die Menschen guten Willens und sauberer Haltung - ungeachtet ihrer früheren politischen Vergangenheit - zur Mitarbeit aufgerufen haben.
Wir haben uns stets gegen eine Aufspaltung der Staatsbürger in Staatsbürger verschiedenen Rechts gewehrt. Wir haben uns oft erfolglos dagegen gewehrt. Aber ich will ehrlich zugeben, daß diese Welle heute im Abebben begriffen ist, weil auch bei anderen politischen Gruppen eine größere Einsicht Platz greift. Es ist wohl überflüssig zu sagen, daß wir uns selbstverständlich niemals vor Verbrecher irgendwelcher Art gestellt haben. Es ist unsere Hauptaufgabe, die Hauptaufgabe aller von rechts bis links, auch diejenigen Gutwilligen zu gewinnen, die heute noch abseits stehen; denn meine politischen Freunde von der Deutschen Partei glauben, daß, je mehr es der Demokratie gelingt, Belehrbare zu gewinnen, sie ein um so größeres moralisches Recht hat, die Unbelehrbaren zu Räson zu rufen. Ich glaube, die Demokratie, die ausschließlich mit der Waffe der geistigen Überzeugung arbeiten kann, hat es dabei gleichzeitig leicht und schwer. Sie wird es sich aber unendlich viel schwerer machen, wenn sie nicht berücksichtigt, daß auch heute noch alle politischen Parteien über eine gewisse politische Müdigkeit und Resignation in unserem Volke klagen. Das ist einer der Gründe dafür.
Unser Anliegen ist es deshalb, keine Dauerinquisition zu erhalten, sondern wirklich Mitarbeit und Versöhnung in den Vordergrund zu stellen, Mitarbeit und Versöhnung, damit die Wahrheit über das, was war und was ist, nicht auf der Strecke bleibt. Meine Damen und Herren, ich appelliere an Sie, darüber hinaus zu bedenken, daß es nicht um politische Ansichten geht. Diese spielen vielleicht
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für manchen erst in zweiter Linie eine Rolle. Es geht in allererster Linie um Menschenschicksale. Da es aber um Menschenschicksale geht, kann das entscheidende Kriterium für die Beurteilung eines Menschen nicht das falsche oder richtige Parteibuch sein, sondern ausschließlich seine Haltung und Gesinnung. Wenn es wirklich um Menschenschicksale geht, dann muß, ich wiederhole es, gleiches Recht für alle gelten, gleiches Recht für den ehemaligen NS-Funktionär wie für den ehemaligen KPD-Funktionär, wenn sie sich inzwischen zum demokratischen Staate und zur Mitarbeit bekannt haben.
Das ist im übrigen schon einmal praktiziert worden. Ich erinnere Sie alle an die Lösung dieser Probleme im Saarland, wo die ehemaligen Anhänger der Hoffmann-Partei auch ihr Domizil in einer großen Partei gefunden haben und wo man einen Schlußstrich unter die Vergangenheit gezogen hat. Nach dem Wunsch des Bundesministers für gesamtdeutsche Fragen, Herrn Lemmer, soll auch ein Schlußstrich gezogen werden, wenn es einmal darum gehen sollte, ob eine Ent-SED-fizierung stattfinden soll oder nicht. Was dem einen recht ist, ist dem anderen billig.
Heilen und Zusammenfügen sollte unsere Aufgabe gerade nach den Signalen sein, die wir in den letzten Monaten vernommen haben, nicht aber, neue Klüfte aufzureißen. Herr Bundesminister Schröder hat das in trefflicher Weise dadurch ausgedrückt, daß er gesagt hat: Wir müssen ein ausgeglicheneres Verhältnis zur Vergangenheit finden. Weil wir das wollen meine Damen und Herren, ich hoffe, daß Sie es mit uns wollen -, deswegen lehnen meine Freunde die in- und ausländischen Forderungen nach einer neuen Entnazifierung in deutschen Landen ab. Wer die Deutschen als ernsthafte Verbündete gegen die Gefahren der Gegenwart und Zukunft wünscht und wer nicht wünscht, daß erneute Unruhe in unser Volk getragen wird, der soll die Deutschen getrost sich selbst überlassen. Sie werden sich selbst erziehen.
Im Zusammenhang mit den Schrecken des „Dritten Reiches" dürfen wir auch daran denken, wie sehr jedem einzelnen diese Dinge zu Herzen gegangen sind, wieviel Familien unter ihnen haben leiden müssen. Aber die Gerechtigkeit gebietet auch zu sagen, daß die Abkehr von dem Grundsatz Nulla poena sine lege" nach 1945 wiederum mancherlei Leid in unser Volk hineingebracht hat. Mit alledem muß einmal Schluß sein.
Ich will nicht verschweigen, daß die Forderungen gewisser Persönlichkeiten im Auslande nach einer neuen Entnazifizierung und nach Überprüfung der deutschen Richterschaft, Lehrerschaft usw. - ja, manche von ihnen gingen so weit, sogar eine Überprüfung der Angehörigen der Bundesregierung und ihrer höheren Beamten zu fordern - von meinen Freunden ebenfalls eindeutig abgelehnt wird. Dies ist eine deutsche innenpolitische Angelegenheit, die wir selbst zu regeln haben. Die Heißsporne, die draußen solche Forderungen aufgestellt haben, haben Gott sei Dank nicht die Auffassung ihrer Regierungen hinter sich.
Ich gebe ehrlich zu - es ist ein gewagtes Wort; aber ich bin es gewohnt, auch heiße Eisen anzufassen -, daß das Auftreten des Direktors des Jüdischen Weltkongresses Mr. Easterman auch bei den Gutwilligsten, nun, ich will sagen, nicht sehr gut angekommen ist. Denn wir glauben, daß die Maßnahmen, die Mr. Easterman der Bundesregierung vorgeschlagen hat, nicht das richtige .Mittel sind, um den Heilungsprozeß zu fördern, sondern daß sie genau das Gegenteil auslösen würden.
Gerade diese Tatsache verpflichtet uns zu doppeltem Dank gegenüber jenen führenden Juden aus Deutschland und dem Ausland, die das nüchtern beurteilt haben. Alle dürfen versichert sein, daß das, was wir in der Vergangenheit zur Auflockerung der politischen Gesinnung und auch in materieller Hinsicht getan haben, weiterhin, wenn Sie so wollen, eines unserer Steckenpferde sein wird.
Ich möchte hier der Kollegin Frau Dr. Lüders beitreten, die andere prominente Vertreter der Juden genannt und in diesem Zusammenhang davon gesprochen hat, daß das Verhalten gerade dieser Vertreter ein Akt der Toleranz und der Brüderlichkeit war, die durch die bekannten Vorfälle wieder einen Augenblick gestört erschienen. Dies ist die Basis, die diese prominenten Juden aufgezeigt haben, als sie jenen Vorfällen besonnen und nüchtern gegenübertraten und insonderheit dafür sorgten, daß im Ausland nicht noch mehr Porzellan zerschlagen wurde. Diese Juden und die Politiker in diesem Hause, die von dieser Stelle aus Versöhnung und Brüderlichkeit predigen, eingeschlossen auch alle diejenigen, die dieser Politik zustimmen, werden eine Basis schaffen, die letzten Endes zu einer wirklichen Versöhnung führen kann. Ich vermerke dankbar, daß es auch hier wieder der Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland, Herr van Dam, gewesen ist, der in ausgezeichneter Form zu den Fragen der Brüderlichkeit Stellung genommen hat.
In Zusammenhang mit den Prozessen sind verschiedene Urteile kritisiert worden. Wenn ich recht unterrichtet bin, hat die Bundesregierung eine solche Kritik am Kölner Urteil ausgesprochen. Es sind hier und dort aber auch von politischen Parteien die Urteile der Richter kritisiert worden. Dazu möchte ich folgendes sagen. Meine politischen Freunde von der Deutschen Partei lehnen nach wie vor aus guten Gründen, die wir bei der Debatte über das Gesetz gegen Volksverhetzung dargelegt haben, jeden Sonderschutz und jedes Sondergesetz ab. Wir stimmen dem Kollegen Dr. Arndt von der Sozialdemokratischen Partei voll zu, der am 3. Februar 1960 im SPD- Pressedienst geschrieben hat:
Daher wird in der von mir zusammen mit Held ausgegebenen Erklärung von der gemeinsamen Überzeugung gesprochen, daß Ausschreitungen des Antisemitismus sich in Wahrheit gegen die Würde eines jeden Menschen und gegen die Gleichberechtigung aller Bürger richten.
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Hinzugefügt ist, daß solche Ausschreitungen gerecht durch Anwendung der rechtsstaatlichen Gesetze zu sühnen sind.
Ich bin besonders glücklich, daß ich in einer so prekären Frage, wie wir sie hier zu erörtern haben, mit einem prominenten Kollegen der sozialdemokratischen Fraktion übereinstimme. Ich möchte erklären, daß die vielfältigen Kritiken an den Gerichten und ihren Urteilen und die daran geknüpften Forderungen genau das Gegenteil von dem begünstigen werden, was diejenigen, die diese Kritiken und Forderungen aufstellen, erreichen möchten.
Es kommt nicht darauf an, daß Landtag und Politiker die Gerichte und die Richter kritisieren. Es kommt ausschließlich darauf an, daß wir besonnene Richter haben, Richter, die nicht nach den Gesichtspunkten der Rache, sondern, wie es in einem Rechtsstaat sein muß, ausschließlich nach den Gesichtspunkten des Rechts und des Gesetzes Recht sprechen, die die Angeklagten nicht nach den Tatfolgen, sondern ausschließlich nach der Schuld beurteilen.
Vorhin ist von einer Kollegin ein sehr wahres Wort gesprochen worden. Sie sagte: Ich warne vor dem „gesunden Volksempfinden". Die Warnung mag sicher nicht in allen Fällen berechtigt sein. Aber ich möchte für die Deutsche Partei davor warnen, den Richtern, die dazu berufen sind, nach Recht und Gesetz zu urteilen, den Geist der Verfassung oder das gesunde Volksempfinden als Maßstab nahezulegen. Ich darf nur darauf hinweisen, daß der Geist der Verfassung und das gesunde Volksempfinden durchaus zwei völlig verschiedene Dinge sein können. Ich darf nur einmal an die Frage der Todesstrafe erinnern. Ich bin überzeugt, daß das gesunde Volksempfinden sich mit überwältigender Mehrheit für die Einführung der Todesstrafe aussprechen würde. Der Geist der Verfassung aber läßt sie nicht zu, und wir achten diesen Geist der Verfassung, da er nun einmal gesetzt ist.
Die Beschwörung des Geistes der Verfassung oder des gesunden Volksempfindens rückt nicht nur die Richter, sondern rückt auch jene, die danach rufen, in bedenkliche Nähe einer Justiz, die wir alle zusammen nicht wollen. Wir wollen, daß die Richter richten, wie das Gesetz es befahl, mit Distanz, Abgewogenheit und Besonnenheit, weil wir der Meinung sind, daß - um ein bekanntes Wort zu wiederholen - die Justiz nicht zur Dirne der Politik herabgewürdigt werden darf und der Rechtsstaat damit nicht in Gefahr gebracht werden darf. Es ist einem Politiker sicher erlaubt, dann und wann einmal über das Ziel hinauszuschießen, ja, ein richtiger Politiker muß das an sich ab und zu sogar einmal tun. Dem Richter ist das nicht erlaubt, abgesehen davon daß, wie eine große deutsche Tageszeitung neulich sehr richtig schrieb, unser schlechtes Gewissen nicht mit den Mitteln der Justiz zu heilen ist. Es ist ausgerechnet wieder ein Jude, der dieselben Auffassungen äußert und sich in dieser Weise ausspricht.
Wenn ich diese Auffassungen hier vertrete, darf ich, glaube ich, nicht unterlassen, mit Genehmigung des Herrn Präsidenten - ich komme dann gleich zum Schluß - ein Wort unseres allseits so sehr verehrten und leider zu früh dahingegangenen ,Bundestagspräsidenten Dr. Ehlers zu zitieren. Herr Dr. Ehlers hat vor einigen Jahren schon in den „Salzburger Nachrichten" folgende treffende Worte geschrieben:
Wir müssen wieder endlich dazu kommen, Vorgänge der älteren und jüngeren Vergangenheit in einem objektiven Lichte zu sehen. Es hat sich die Übung eingebürgert, Vorgänge, die in irgendeiner Weise mit dem Nationalsozialismus im Zusammenhang stehen, nur unter diesem Vorzeichen und damit sofort negativ zu beurteilen. Jeder, der die Geschichte des Hitlerreiches verfolgt, weiß, daß sich in ihr viele Ideen niedergeschlagen haben, die legitimer-weise Jahrzehnte hindurch in der deutschen politischen und Geistesgeschichte wirksam waren. Daß diese Ideen durch den Mißbrauch der Gewalt und durch die Art und Weise, in der der Hitlerstaat sie handhabte, in ihr Gegenteil verkehrt worden sind, rechtfertigt nicht, die Ideen als solche zu vergessen oder ohne weiteres zu verurteilen. Ich halte die Ressentiments innerhalb und außerhalb der Völker für eine der größten Belastungen für die Herstellung normaler politischer Beziehungen zwischen den europäischen Nationen.
Ich glaube, es fällt schwer, diesen Worten noch etwas hinzuzufügen.
Es wird viel von der Bewältigung unserer Vergangenheit gesprochen, seit Monaten, seit Jahren. Aber wie sollen wir sie bewältigen, wenn wir uns nicht freimütig, so wie wir es heute an sich das erste Mal getan haben, darüber aussprechen? Wie sollen wir sie bewältigen, wenn, teilweise bewußt, teilweise unbewußt, schon in der Schule eine Geschichtslücke bestehenbleibt, die nicht ausgefüllt wird? Und wie soll die Jugend Zusammenhänge und Entwicklungen beurteilen können, von denen sie oftmals die einfachsten Stichworte auch nicht in einem Lexikon findet?
Meine Damen und Herren, wir alle, alle gutwilligen und anständigen Deutschen sind aufgerufen, hier den Anfang zu machen, den Anfang im Elternhaus, den Anfang in der Schule, den Anfang in der Politik, weil nach einem zweimaligen so grausamen Völkermorden endlich Versöhnung einziehen muß; denn Gerechtigkeit, Versöhnung und Brüderlichkeit erhöhen ein Volk.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr .Heinemann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn alle die angemalten Hakenkreuze wieder abgekratzt sein werden, wenn möglichst alle Täter ermittelt und möglichst gerecht bestraft sein werden, wenn alle Proteste über die Vorgänge der letzten Wochen verhallt sein werden, wenn die Parlamente dieses Thema zu Ende diskuDr. Dr. Heinemann
tiert haben werden, erst dann werden wir mitten in der Aufgabe stehen, die uns der Antisemitismus stellt. Herr Schneider, ich möchte jetzt nicht mit Ihnen darüber streiten, ob es in unserem Volk viel oder wenig Antisemitismus gibt, ob er gesteuert oder nicht gesteuert ist, ob Publizistik die Vorgänge der letzten Wochen gefördert hat oder nicht. Antisemitismus ist niemals ein punktueller Vorgang, sondern eine ständige, unüberhörbare Frage an uns alle, an die politischen und gesellschaftlichen Ordnungen in unserem Volk -- nicht bei den Kommunisten -, ist eine ständige, unüberhörbare Frage nach dem Verhältnis zu unserer eigenen Vergangenheit, nach unserem Umgang mit der Jugend in Deutschland und nicht zuletzt auch eine ständige, dringliche Frage an die Verkündigung der christlichen Kirchen in Deutschland.
Über die Bewandtnis des Antisemitismus haben wir nun viel gehört. Herr Wilhelmi hat ausgesprochen, daß der Angriff auf den Juden immer auch auf die Kirchen übergreift. Aber damit ist dieses Thema noch nicht erschöpft. Wir kommen nicht umhin, in einem noch strengeren Sinne von der Bezogenheit zwischen Kirche und Synagoge zu sprechen und auch von daher ein Stück unserer Aufgabe in der Gegenwart richtig zu erkennen.
Christen und Juden verbindet und trennt der Jude Jesus Christus am Kreuz. Christenglaube und Judenhaß sind unvereinbar in einem sehr speziellen Sinn, leider nicht faktisch unvereinbar; denn es hat immer wieder pseudotheologische Argumente für einen Judenhaß gegeben, und volle tausend Jahre christlicher Kirchengeschichte sind ausgefüllt mit schrecklichen Untaten an den Juden. Alles das liegt längst schon vor einem „Dritten Reich".
Ich sage: Christenglaube und Judenhaß sind unvereinbar in einem letzten, sehr speziellen Sinn. Um deutlich zu machen, was ich meine, erinnere ich an eine Anekdote, die man Friedrich dem Großen zuschreibt. Er soll eines Tages seinen Leibarzt gefragt haben, ob es einen Beweis für die Existenz Gottes gebe, und dieser Leibarzt soll schlankweg geantwortet haben: „Majestät, die Juden!"
Juden sind und bleiben Gottes Volk in einem besonderen Sinn, auch wenn sie auf den Messias noch warten, von dem die Christen sagen, daß er in Jesus Christus gekommen sei. Es ist eines der verhängnisvollsten Mißverständnisse in Theologie und Kirchengeschichte, daß man den Juden allein die Kreuzigung Christi glaubt anlasten zu können, während sie in Wahrheit das Zeichen unserer aller Auflehnung gegen Gott ist. So wie damals der Volljude Kaiphas, der Halbjude Herodes und der Arier Pilatus gemeinsam am Werke waren, so sind auch heute Glaube und Unglaube nicht nach Völkern oder sogenannten Rassen aufzuteilen, sondern sie sind in diesem Zusammenhang immer wieder gemeinsam anzusprechen.
Am 25. Januar dieses Jahres hat in Marl in Westfalen eine öffentliche Diskussion über das Thema stattgefunden: „Wie schützen wir uns vor Antisemitismus?" ln dieser Diskussion hat Erich Lüth darauf hingewiesen, daß in den Oberammergauer Passionsspielen - er fügte aber hinzu, daß das auch in protestantischen Mysterienspielen vorkomme - Christus und seine Jünger, obgleich sie Juden sind, arisiert worden sind - alle waren blond -, daß aber die zweite Gruppe der Juden in Kostüm und Maske karikiert, verzerrt und untermenschlich - sie alle waren schwarz und häßlich - dargestellt worden ist. Was aus solcher Art von Auffassung herausspringt - Lüth sagt es an einem Beispiel -, ist dann dies: daß sich ein Verfasser antijüdischer Karikaturen als ein Lehrer an der Oberammergauer Schnitzschule und Regisseur der Passionsspiele herausgestellt hat.
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Das ist es, was ich meine, wenn ich von den pseudotheologischen Argumenten in Zusammenhang mit dem Antisemitismus spreche.
Die Juden werden fortexistieren, so wahr Gott existiert. Keine Assimilation saugt sie auf, keine Verfolgung rottet sie aus. Sie existieren in der Zerstreuung, ohne gemeinschaftliche Geschichte, ohne gemeinschaftliche Kultur, ohne gemeinschaftliche Sprache. Auch wenn wir den Staat Israel ansehen und ihn in seinem Aufbau bewundern, bleibt das jüdische Volk ein Sonderfall. Dessen müssen wir uns bei den Vorgängen, die wir hier behandeln, immer wieder bewußt sein. Denn über der jüdischen Geschichte steht das alttestamentliche Wort: „Wer euch antastet, tastet meinen Augapfel an" - ein Wort Gottes.
Von da her, verehrte Damen und Herren, ergibt sich die Besonderheit der Aufgabe, die uns gestellt ist. Antisemitismus ist mehr als Intoleranz, ist auch mehr und noch etwas anderes als Angriff auf Demokratie. Antisemitismus hat in letztem Zusammenhang etwas zu tun mit den Dingen unseres christlichen Glaubens, und von da her müssen wir auch unsere Aufgabe einer politischen Erörterung wie hier in diesem Parlament ansehen. Antisemitismus ist immer höchste Alarmstufe, nicht weil ein Ausland sich aufregt, nicht nur weil eine Demokratie gefährdet wäre, sondern weil mit dem Antisemitismus Bezirke betreten werden, vor denen die Warntafel steht: Gott läßt sich nicht spotten!
Verehrte Damen und Herren! Wir haben in unserer politischen Arbeit je und dann Anreden der Kirchen an uns erfahren, sie haben uns je und dann auf unsere Verantwortung gestellt. Hier ist einmal ein Umgekehrtes unumgänglich. Ich für meinen Teil muß sagen, daß dem Antisemitismus zu begegnen nicht allein die Aufgabe einer politischen Führung sein kann, mit all den großen Möglichkeiten, die sie zweifellos hat und anwenden muß, sondern daß wir hier einmal, so meine ich, auch als Politiker eine Frage an die Kirchen zu richten haben, ob sie denn alles tun, was hier geboten ist, ob sie also insbesondere jener Pseudotheologie zu Leibe gehen, die in der Kirchengeschichte dieses Unheil angerichtet hat.
Diese Frage ist nicht unnütz, obwohl eine Bekennende Kirche im Dritten Reich sich an der Judenrage entzündete und obwohl gerade auch aus christlicher Gemeinde manche Hilfe bis zum letzten Einsatz für verfolgte Juden geschah und manch
einer aus der christlichen Gemeinde darüber im Konzentrationslager landete. Auch die Erklärungen der Kirchen nach dem Kriege im Hinblick auf das, was sie versäumt hätten, genügen hier nicht, sondern es muß die Frage erhoben werden, ob es denn durchgedrungen ist, was da erklärt worden ist, ob sich die Unterweisung wirklich nach dem ausrichtet, was man als notwendig erkannt hat.
Ich verfolge deshalb mit besonderem Interesse, was in diesen Wochen im Hinblick auf die Vorgänge, die uns hier beschäftigt haben, in den theologischen oder christlichen Zeitschriften darüber zu lesen ist, und ich stelle gern und dankbar fest, daß man die besondere Verantwortung empfindet. Möge sie jetzt wahrgenommen werden und dazu beitragen, daß das, was wir uns vornehmen, die Ergänzung von jener Seite erfährt.
Verehrte Damen und Herren, erlauben Sie mir bitte, nun noch auf etwas zu sprechen zu kommen. Am Antisemitismus sehen wir, wo verführtes Denken enden kann. Deshalb müssen uns diese letzten Vorgänge so wachrütteln und empfindlich machen gegen verführerisches Denken, von welcher Seite auch immer es kommt.
Im vergangenen Monat hat die Äußerung eines Mannes, der in unser aller Namen spricht, größtes Aufsehen erregt, vornehmlich im Ausland, und zwar sowohl bei den östlichen wie bei den westlichen Nachbarn, und ich muß im Hinblick auf diese Äußerung - die ich gleich wörtlich zitieren werde - fragen, ob sich in ihr nicht ein verführerisches Denken darstellt.
Was ich meine, sehr verehrte Damen und Herren, ist die Erklärung, die der Herr Bundeskanzler Dr. Adenauer am 22. Januar vor dem Papst in Rom abgegeben hat.
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Er sagte:
Ich glaube, daß Gott dem deutschen Volk in den jetzigen stürmischen Zeitläufen eine besondere Aufgabe gegeben hat, Hüter zu sein für den Westen gegen jene mächtigen Einflüsse, die von Osten her auf uns einwirken.
Diese in feierlicher Audienz abgegebene Erklärung ist im Bulletin der Bundesregierung amtlich veröffentlicht.
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Verehrte Damen und Herren! Wenn Ihnen nicht entgangen sein sollte, was darüber etwa in der Londoner Times oder im „Manchester Guardian" oder in holländischen oder in schweizerischen Zeitungen zu lesen war, dann verstehe ich nicht, warum Sie überhaupt einen Unwillen dagegen empfinden, daß ich von dieser Sache spreche.
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Was heute morgen in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" zu lesen war, dürfte doch uns alle nötigen, uns diesem Vorgang mit Ernst zu stellen. Der Warschauer Korrespondent der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" schreibt - ich lese jetzt wörtlich -:
Zum ersten Male hat ein Sprecher der katholischen Abgeordnetengruppe „ZNAK" einen direkten Angriff gegen Bundeskanzler Adenauer und die Politik der Bundesregierung gerichtet.
Und ferner in Gänsefüßchen:
„Gegenüber unserer höchsten religiösen Autorität wurden Worte gesprochen, welche die Gefühle der Gläubigen in aller Welt erregen müssen. Wir haben erfahren, daß Gott dem deutschen Volke eine besondere Mission im Kampf zwischen Osten und Westen anvertraut habe."
Verehrte Damen und Herren, ich habe die herzliche Bitte, daß Sie diesen Vorgang mit dem Ernst einmal ansehen möchten, der ihm im Ausland zugemessen wird und den er meines Erachtens seiner Sache nach wahrhaftig hat. Selbstachtung unseres Volkes: ja. Aber daß wieder ein Sendungsbewußtsein aufklingt, das macht mich unruhig,
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und daß es aufklingt, das geht uns alle an.
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- Sehr verehrte Frau Helene Weber, bitte stellen Sie klar, was es ist und stellen Sie vor allem klar, wie Sie zu dem stehen, was doch in unser aller Namen gesprochen wurde. Ich erkläre Ihnen rundheraus, daß ich mich in diese Aussage des Bundeskanzlers nicht eingeschlossen fühlen kann.
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Ich will jetzt lediglich noch dieses sagen: das verführerische Denken ist ein Boden für mancherlei Ungutes, wie wir in unserer Geschichte erlebt haben. Es führt nicht nur zu Diffamierungen einer Opposition, sondern, verehrte Damen und Herren, es kann auch Antisemitismus fördern.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Krone.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe den Worten des Herrn Kollegen Heinemann mit großer Aufmerksamkeit zugehört, insbesondere dem ersten Teil, in dem er von der tiefen Verpflichtung sprach, die der Christ auch gegenüber dem Juden haben müsse, und in dem er das mit einer theologischen Tiefe begründet hat, zu der ich nur ja sagen kann.
Ein Zweites. Ich habe mit großer Aufmerksamkeit gehört, wie er von einem verführerischen Denken gesprochen hat. Das kann ich auch noch hinnehmen. Es gibt ein Denken, das verführen kann.
Daß Sie, Herr Dr. Heinemann, dann allerdings geglaubt haben, Sie könnten den Sprung tun von der tiefen Verpflichtung, von der Sie im ersten Teil Ihrer Rede gesprochen haben, zu dem Wort des Bundeskanzlers, das hat mich doch tief beunruhigt und beleidigt.
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- Meine verehrten Kollegen, ich habe ja Ihrem Kollegen Heinemann sehr aufmerksam und sehr ruhig zugehört.
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- Sie sagen, Herr Kollege, ich solle nicht darauf eingehen. Dann soll man mich aber nicht erst unterbrechen. Also gut, ich will nicht darauf eingehen.
Was hat der Kanzler gesagt? Daß wir, die wir hier in diesem geteilten Deutschland leben, wo in der Hälfte unseres Vaterlandes der Osten steht mit all dem, was Sie und wir ablehnen als Deutsche, als Menschen, die die Freiheit lieben, und, Herr Heinemann, Sie und ich und die meisten hier als Christenmenschen ablehnen, - daß wir hier eine Aufgabe haben, die nämlich, hier standzuhalten. D a s ist das Wort des Kanzlers gewesen. Unterstellen Sie ihm doch nicht, daß er irgendwie ein Wort der Sendung, wenn Sie wollen, in den Ostraum hinein habe sagen wollen, gar noch mit Mitteln, die Sie, Herr Heinemann, und ich ablehnen. Diese Aufgabe, die, glaube ich, wir alle haben, Sie und wir, hier standzuhalten gegenüber einer Welt, die wir ablehnen,
- d a s war der Sinn seines Wortes und nicht der, den Sie hier zum Ausdruck gebracht haben.
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Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte mich bereits zu Wort gemeldet, als der Kollege Dr. Krone das Wort erhielt. Nachdem er gesprochen hat, habe ich seinen Ausführungen eigentlich nicht viel hinzuzufügen. Sie werden verstehen, daß ich mich selbstverständlich gemeldet habe, um einen Abwesenden, nämlich den zur Zeit kranken Herrn Bundeskanzler, in einer solchen Sache gegen einen, wie ich glaube, ganz ungerechtfertigten und, wie ich bedauere sagen zu müssen, Herr Kollege Heinemann, bösartigen Angriff zu verteidigen.
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Dem Herrn Bundeskanzler liegt wie uns allen völlig fern, was man als ein Sendungsbewußtsein, als einen Sendungsglauben des deutschen Volkes bezeichnen könnte. Er hat vielmehr an einer Stelle, wo sehr wohl ein geeigneter Anlaß dazu bestand, aus der Verpflichtung gesprochen, aus der heraus ein christlicher Staatsmann das durchaus sagen konnte, wie es der Kollege Dr. Krone zutreffend gekennzeichnet hat.
Wir leben in einem Land, meine Damen und Herren, das zu dem Kommunismus nicht das Verhältnis hat, als ob es - wie man so sagt - fern in der Türkei wäre; wir haben ihm gegenüber - ich lasse jetzt ganz offen, ob mit oder ohne Schuld - das Verhältnis nicht nur eines unmittelbaren Nachbarn, sondern wir haben ihn als den Bedrükker von 17 Millionen Deutschen mitten in unserem Land.
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Das veranlaßt uns in der Tat, darüber nachzudenken, welches denn die Kräfte in Deutschland und in der Welt sind, die letztlich die eigentliche Antwort auf den Kommunismus darstellen. Ich will das jetzt hier nicht des längeren ausführen. Wir haben aber die Überzeugung, daß der Kommunismus letztlich nur christlich überwunden werden kann,
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und wir glauben, daß das auch ein Stück unseres praktischen politischen Wirkens zu sein hat. So und nicht anders ist der heute hier leider nicht anwesende Herr Bundeskanzler in diesem Zusammenhang zu verstehen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kopf.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die nazistischen und antisemitischen Vorfälle seit Weihnachten 1959 drängen die Frage auf, ob es wirklich wahr ist, daß heute, 15 Jahre nach einer totalen Katastrophe, die Gespenster einer unheimlichen Vergangenheit wieder Leben gewonnen haben. Sollen alle die Prüfungen und bitteren Erfahrungen umsonst gewesen sein? Soll alles Erlebte und Erlittene vergessen sein, um neuen Verwirrungen alter Art wieder Raum zu schaffen? Sollte ein beachtlicher Teil unseres Volkes nichts gelernt und alles vergessen haben?
Die Denkschrift der Bundesregierung hat das Verdienst, den Umfang und das Ausmaß der verwerflichen und bedauerlichen Vorkommnisse zu beschreiben, den Täterkreis aus seiner Anonymität hervorzuheben und manifeste und unterschwellige Beweggründe der Täter bloßzulegen. Aber das, was uns zutiefst erschreckt liegt, nicht so sehr im Ausmaß der festgestellten Fälle, nicht in ihrem Verlauf, der mit einer anschwellenden und sodann verebbenden Welle verglichen werden könnte, sondern im Zustandekommen des Einzelfalles selber. Mag der einzelne Fall wie ein Ansteckungsherd ähnlich gelagerte Fälle hervorrufen, in ihm kommt das Untergründige, das Abgründige der menschlichen Natur zum Vorschein.
In einem anerkannten Handbuch der Politik kann man die verschiedenen Erscheinungsformen nachlesen, in denen sich Antisemitismus in langen Jahrhunderten manifestiert hat, aber man kann nichts über die irrationalen Beweggründe dieser Erscheinungen finden.
„In jedem Falle", schreibt das in Tel Aviv erscheinende Blatt ”Olej Merkas Europa”, „offenbart sich das Vorhandensein unkontrollierter Kräfte im Menschen, die auf primitive und darum essentielle Schichten zurückgehen." Das sind gerade solche Schichten, an deren Vorhandensein wir nach den schmerzlichen Erfahrungen durchlittener Jahre nicht mehr glaubten.
Herr Dr. Heinemann hat darauf hingewiesen, daß sich in vergangenen Jahrhunderten unter dem Deckmantel pseudotheologischer Argumente Formen des Antisemitismus geäußert hätten. Ich bin nicht davon überzeugt, daß Mißbräuche unter pseudotheologischen Argumenten erfolgt sind. Ich kann mir aber sehr wohl vorstellen, daß sich trotz einer eindeutigen und konsequenten Stellungnahme der theologischen Lehre zahlreiche Fälle ereignet haben, die wir als bedauerliche menschliche Verirrungen brandmarken müssen.
Jede Würdigung der Vorkommnisse, die in der Denkschrift der Bundesregierung geschildert sind, muß sich in gleicher Weise von Bagatellisierung wie von Übertreibung freihalten. Jeder einzelne Vorfall, bei dem es sich nicht um eine bloße Kinderkritzelei handelt, kann nicht ernst genug genommen werden. Aber eine politische Bewertung wird diese Vorfälle als Exzesse weniger einzelner innerhalb des politischen Gesamtlebens des Volkes verstehen. Unser Volk lehnt den Antisemitismus und seine Bekundungen als unchristlich ab, weil er dem Gebot der Nächstenliebe widerstreitet. Dies ist auch der Grund dafür, daß jede Erscheinungsform des Christentums ihrem Wesen nach den Antisemitismus ablehnt. Unser Volk lehnt ihn ab als undemokratisch, weil er den Grundsatz der Gleichheit verletzt, und als unmenschlich, weil er die Würde des Menschen mißachtet.
Das deutsche Volk hat in den letzten Jahren positive Beiträge erbracht, in denen es seine Ablehnung des Antisemitismus zum Ausdruck brachte. In dem Wiedergutmachungsgesetz und dem Vertrag mit Israel hat es seinen Wiedergutmachungswillen bekundet. Die Bemühungen um eine christlichjüdische Zusammenarbeit haben in den letzten Jahren beachtliche Erfolge erzielt. In einer bekannten Zeitschrift ist mit Erfolg der Versuch unternommen worden, das Verbindende und das Trennende, die gemeinsame Wurzel und das Auseinandergehen der Zweige von Judentum und Christentum darzulegen.
Die in der Denkschrift beschriebenen Vorgänge tragen aber dazu bei, Mißverständnisse des Auslandes zu begründen. Jeder Vorgang, der sich in einem Lande abspielt, hat eine Innen- und eine Außenansicht. Wie wenig hat das Ausland in der nazistischen Zeit idas Wesen des totalitären Staates verstanden, dessen Staatsvolk mit einer Beteiligung von 99 % ,den dirigierten Vorgang der Wahlen vollzog, obwohl ein großer Teil dieses Volkes dieses System ,ablehnte oder ihm gar Widerstand leistete! Wie sehr läuft das Ausland heute Gefahr, die in der Denkschrift geschilderten Vorgänge zu verallgemeinern oder als Manifestationen einer verbreiteten Grundhaltung auszulegen, auch wenn alle Bürger mit Ausnahme der wenigen Übeltäter und weniger Unbelehrbarer diese Vorgänge verabscheuen! Zu dieser Fehlbeurteilung des 'deutschen Verhaltens bedarf es nicht einmal des böswilligen Propagandafeldzugs kommunistischer Kreise, die die Bundesrepublik als einen Hort des Militarismus, des Faschismus und Revanchismus, die Mitglieder der Bundesregierung als Inspiratoren der antisemitischen Aktion verunglimpfen.
Welche Maßnahmen aber können zur Abhilfe dienen? Für die ältere Generation mag die eigene leidvolle Vergangenheit der unerbittliche Lehrmeister sein. Aber sind wir sicher, daß alle, die Zeitgenossen dieser schrecklichen Jahre waren, sie nicht nur überlebt, sondern auch mit dem gesunden und kritischen Urteilsvermögen überstanden haben, das einer Generation, die diese Jahre nicht miterlebt hat, den richtigen Weg zu weisen vermag? Für diese Jugend, die über kein eigenes Erinnerungs-
und Erfahrungsbild verfügt, muß das wirkliche Bild der von ihr nicht erlebten Zeit herausgestellt werden. Ihre Unkenntnis muß durch Kenntnis, ihr Nichtwissen durch Wissen ersetzt werden. Hier gilt der Satz, daß die Wahrheit frei zu machen vermag. Die Kenntnis der Tatsachen, so furchtbar sie waren, vermag jene gleiche Wirkung auszuüben, die der griechischen Tragödie zugeschrieben wurde, die Wirkung der inneren Erschütterung. Nur die schonungslose Kenntnisnahme der Fakten, grausamer, aber unbestreitbarer Tatbestände kann den Abwehrwillen des einzelnen stärken. Hier liegen unausgeschöpfte Aufgaben der Schulen, insbesondere des Geschichtsunterrichts, und der zeitgeschichtlichen Forschung. Für die heranwachsende Generation ist Zeitgeschichte bereits Vergangenheit geworden.
Aber dieser Aufklärung durch Findung der Wahrheit stellen sich mannigfache Hindernisse entgegen. Ihre Problematik ist bereits von Herrn Minister Sehräder gekennzeichnet worden. Die Eltern sind vielfach abgeneigt, noch einmal ihre eigene Vergangenheit, die ein Stück von ihnen darstellt, zu durchleben. Die Eltern und Erzieher sind vielfach unfähig, in einer abgewogenen, ausgeglichenen und objektiven Weise die Tatsachen der jüngsten Vergangenheit zu betrachten.
In einem freien Land ergibt sich aber eine weitere Schwierigkeit. Der geistige Nährboden zweifelhaften und politisch verhängnisvollen Schrifttums, das wie Unkraut emporschießt, unterliegt keiner anderen Zensurschranke ,als derjenigen, die in den allgemeinen Gesetzen enthalten ist. Darum genügt die Aufklärung durch die Darbietung der Wahrheit nicht. Es bedarf der Stärkung der Urteilskraft, der politischen und staatsbürgerlichen Erziehung und einer religiös, ethisch und ideell fundierten Haltung gegenüber dem Staat und den Mitmenschen.
Auf Strafjustiz und Verbotsgesetzgebung kann nicht verzichtet werden. Aber sie allein vermögen nicht dem Unheil zu wehren. Es soll jedoch anerkannt werden, daß die notwendige Reaktion der Strafjustiz rasch und empfindlich war.
Ich will nicht unterlassen, darauf hinzuweisen, daß sich auch die christlichen Kirchen beider Konfessionen nachdrücklich und nachhaltig gegen die
antisemitischen Vorfälle ausgesprochen haben. Die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland hat bereits am 27. April 1950 auf ihrer Tagung in Weißensee alle Christen aufgefordert, sich von jedem Antisemitismus loszusagen und ihm, wo er sich neu regt, mit Ernst zu widerstehen und den Juden und Judenchristen in brüderlichem Geist zu begegnen.
Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken hat in einer Verlautbarung unter anderem ausgeführt:
Wir erblicken in der gegenwärtigen Stunde eine der vornehmsten Verpflichtungen darin, unseren jüdischen Mitbürgern das Bewußtsein uneingeschränkt gleichen Heimatrechts in unserer deutschen Gesellschaft wieder zurückzugeben.
Es soll aber aus der großen Zahl von Stellungnahmen aus der Mitte der christlichen Kirchen ein Wort wiedergegeben werden, das in der Maienblüte des Antisemitismus Papst Pius XII. in seiner Rundfunkansprache zum Weihnachtsfest 1942 ausgesprochen hat:
Die Rechtsordnung hat weiterhin die hohe und schwere Aufgabe, den Ausgleich zu sichern zwischen den einzelnen sowie zwischen den Gemeinschaftsgliederungen und in diesen selbst. Erreicht wird dieses Ziel dann, wenn die Gesetzgeber sich fernhalten von jenen bedenklichen, gemeinschaftschädlichen und aufspaltenden Rechtslehren und Rechtsübungen, die ihr Entstehen und ihre Verbreitung einer
Reihe irriger Voraussetzungen verdanken. Zu ihnen zählt die Auffassung, die ausschließlich einer bestimmten Nation oder Menschenart oder Klasse das Rechtsempfinden zuerkennt und dies als letzte Rechtsquelle und Rechtsnorm bezeichnet, gegen die es keine Berufung gibt.
Der Gedanke der religiös und staatsbürgerlich begründeten Toleranz ist alt; aber er allein genügt nicht. Er allein hat nicht genügt, das Aufkommen einem der intolerantesten Staatssysteme zu verhindern. In entscheidenden Stunden der Menschheitsgeschichte ist die Forderung der Gleichheit alles dessen, was Menschenantlitz trägt, verkündet worden, und doch hat die allgemeine Anerkennung und Geltung des Gleichheitsgrundsatzes nicht verhindern können, daß dieser Grundsatz mit Füßen getreten wurde, daß bestimmte Volksteile diskriminiert, ja liquidiert wurden. Es war aber notwendig und richtig, diesen fundamentalen Satz erneut in unserem Grundgesetz und in der Konvention der Menschenrechte zu verankern.
Der Humanismus der Antike hat die Unterscheidung zwischen Barbaren und Nichtbarbaren nicht überwunden. Der Humanismus der Renaissance hat den Kampf der staatlichen Leviathane gegeneinander nicht verhindert. Der christlich begründete Humanismus achtet die Würde des Menschen in jedem Menschen und erklärt sie als unverletzlich und unantastbar.
Die Untaten weniger stellen einen atavistischen Rückfall in eine Geisteshaltung dar, die das Volk als Ganzes in der weitaus größten Mehrzahl seiner
Glieder längst überwunden hat. Ihre besondere Gefahr liegt darin, daß sie das Erscheinungsbild unseres Volkes in der Welt verfälschen, unser Volk diskreditieren und in Verruf bringen. Darum muß alles getan werden, um auch den Schein des Zurückgleitens in eine überwundene Vergangenheit zu vermeiden.
Die Aussichten hierfür erscheinen auf lange Sicht nicht ungünstig. Im Zeitalter internationaler Zusammenarbeit und übernationaler Organisationen erscheint ein überspitzter Nationalismus überholt.
Der Antisemitismus, der sich herausgebildet hat in der Distanzierung von einem festumrissenen Personenkreis, ,der sich nur gegen einen Kreis von Angehörigen einer bestimmten Religionsgemeinschaft oder eines bestimmten Volkes richtet, hat innerhalb des globalen Geschichtsablaufs, an dessen Vollzug alle Nationen und alle Rassen, nicht zuletzt die in die politische Geschichte neu eingetretenen, beteiligt sind, an Bedeutung eingebüßt. Wo immer aber die Rechtsordnung in frivoler Weise gestört wird, muß sie durch strafendes und sicherndes Einschreiten wiederhergestellt werden. Alle unsere Kräfte müssen vereinigt werden, um die Wiederkehr des Verhängnisses, das durch Mißbrauch der Macht, durch Mißbrauch des Gedankens, ja sogar durch den Mißbrauch des guten Willens uns allen Unheil gebracht hat, für immer zu verhindern.
Lassen wir daher in unserer Wachsamkeit nicht nach! Aber vertrauen wir zugleich auf die helfenden und heilenden Kräfte eines durch leidvolle Erfahrungen geprüften Volkes.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Friedensburg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie in dieser späten Stunde. noch einige nachdenkliche Worte, für die ich um Ihre Aufmerksamkeit bitte.
Ich bitte, mir zunächst als ein Mitglied, das in der Evangelischen Kirche ein hohes Amt einnimmt, zu gestatten, unserem Kollegen Heinemann, der sich in vergleichbarer Situation befindet, zu antworten. Herr Kollege Heinemann hat dem Bundeskanzler vorgeworfen, er habe durch seine Bemerkung gegenüber seiner Heiligkeit dem Papst ein Sendungsbewußtsein offenbart, ein Sendungsbewußtsein, das in höchst fataler Weise - ich fürchte, es ist nicht unabsichtlich gewesen - an machtpolitische Außerungen und Gedanken einer völlig unchristlichen Erscheinung in der Vergangenheit erinnere.
({0})
Herr Kollege Heinemann, wenn wir schon einmal als Christen sprechen - und Sie haben es als solcher getan -; so ungern ich mich in diesem Hause auf solchem Gebiet bewege, muß es nun doch geschehen. Der Christ, der seine Stellung gegenüber dem Höchsten überhaupt ernst nimmt, wird doch als Ausdruck seiner inneren Zugehörigkeit, vielleicht als tiefsten Ausdruck dieser Zugehörigkeit die Gotteskindschaft empfinden. Man kann es ihm nicht
vorwerfen, wenn er gelegentlich einmal, aus der nüchternen Welt des Alltags heraustretend und seine Stellung in dieser Welt betrachtend, sich dieser Gotteskindschaft erinnert und sich als Werkzeug, als Beauftragter fühlt. Eine solche Auffassung liegt vom christlichen Standpunkt aus betrachtet doch besonders nahe, wenn ich mich mit dem Oberhaupt meiner Kirche im Gedankenaustausch befinde.
Ich möchte wiederholen: Es ist eigentlich ein Zeichen einer tiefen Demut und nicht eines Übermutes, wenn ich mich in einer weltgeschichtlichen Situation als von Gott selbst beauftragt empfinde. Es läßt sich doch nicht bestreiten, daß wir am Rande eines Abgrundes leben und daß ein besonderer Mut dazu gehört, am Rande dieses Abgrundes standzuhalten und sich zu widersetzen, wenn andere versuchen, uns in diesen Abgrund hineinzustürzen oder hineinzuziehen. Ich kann mir denken, daß ein Staatsmann, der in dieser wirren, bösen Zeit von Sorgen überwältigt ist, eine Zuflucht darin findet, daß er sagt: Ich fühle mich in diese Situation als von Gott hineingestellt und dazu berufen, meine Pflicht zu tun.
({1})
Das kann doch auch von Ihrem Standpunkt aus, Herr Kollege Heinemann, nur als ein sehr schöner und ernster Ausdruck für das Pflichtbewußtsein des Betreffenden angesehen werden.
({2})
Die Haltung in dieser besonderen Lage und Verantwortung durch eine - nehmen Sie mir das bitte
nicht übel - doch etwas schillernde Überleitung
mit dem Sendungsbewußtsein vergangener Zeiten zu vergleichen, das, Herr Kollege Heinemann, ist nicht zulässig.
({3})
Da Sie uns nun einmal als Christen angesprochen haben, gestatten Sie mir, Herr Kollege Heinemann, die Bemerkung: Haß ist kein guter Ratgeber, und der allerschlechteste für einen Christen.
({4})
Ich weiß nicht, ob Sie unserer allgemeinen Sache - von dem Austragen Ihrer Gefühle gegenüber dem Bundeskanzler einmal ganz abgesehen - durch eine solche verzerrende Einseitigkeit einen Dienst erweisen. Ich weiß nicht einmal, ob Sie unserer christlichen Auffassung einen Dienst erwiesen haben.
({5})
Ich möchte auch noch einige Gedanken zu einem anderen Punkte ausführen, den Sie behandelt haben. Sie haben von Oberammergau gesprochen. Mir liegt als Protestant dieses Spiel dort auch nicht recht. Aber dort sind in der naiven Gläubigkeit einer bäuerlichen Bevölkerung gewisse Vorstellungen, gewisse Bilder aus dem Mittelalter noch heute erhalten. Man mag sagen: das ist vorbei. Wenn man das aber nun als ein Zeichen des noch in unserem Volke virulenten Antisemitismus werten will - das war Ihre Auffassung, das haben Sie andeuten wollen -, dann, man lieber Kollege Heinemann, tun Sie Unrecht auch gegenüber den braven
Bauern, die dort ihrem Gott in ihrer Weise zu dienen glauben.
({6})
Wir wollen uns doch klar sein, daß wir bei aller Deutlichkeit, die wir den konfessionellen Unterschieden auch heute noch beimessen wollen, doch gerade in diesem Hause und in dieser Stunde die Gemeinschaft brauchen und nicht in dieser doch etwas giftigen Weise uns gegeneinander ausspielen sollten.
({7})
Ich möchte nun einen Augenblick zu unserem Thema kommen. Es ist viel dazu gesagt worden. Ich kann mir wohl denken, daß hier im Saal ähnlich, wie wir es draußen gelegentlich antreffen, die Meinung vorherrscht, man solle doch diese Dinge endlich einmal ruhen lassen. Das Gefühl ist menschlich begreiflich. Ich glaube aber nicht, daß das gut ist. Es ist nicht gut, weil die Wirkungen der damaligen schrecklichen Zeit heute noch andauern und uns heute noch belasten. Das Blut von nun im ganzen über 30 Millionen Menschen ist geflossen. Unser Vaterland ist zerstört. Der vierte Teil unseres Volkes lebt in der Unfreiheit. Wir selbst wissen noch heute nicht, wie lange wir uns behaupten können. Wir können mit dieser Zeit nicht fertig werden, indem wir stillschweigen, verharmlosen, die Augen schließen, sondern es muß gelegentlich in großem Ernst und mit großer Offenheit darüber gesprochen werden. Und wenn wir selbst unserem leider viel zu starken Bedürfnis nach Ruhe, Amüsement und Geldverdienen nachgeben wollten: die Welt vergißt das doch nicht. Wir kommen heute hier doch vor allem auch deshalb zusammen, weil die Welt von uns, von der Vertretung des deutschen Volkes, ein Wort zu diesen Dingen erwartet, ein Wort der Empörung, der Ablehnung, des Abscheus gegen das, was sich hier wieder offenbart hat.
({8})
Wir wollen die Vorkommnisse, die vielleicht nicht viel mehr sind als Dumme-Jungen-Streiche, nun nicht aufbauschen. Aber wehe uns, wenn wir die Flammenzeichen, seien es auch nur Schmierereien an der Wand, nicht zur rechten Zeit erkennen wollten! Als wir vor 30, 40 Jahren zuerst mit antisemitischen Vorfällen zu tun hatten, haben wir auch geglaubt: nun, was ist das wichtig, das sind dumme Jungen, die braucht man nicht ernst zu nehmen. Es hat sich erwiesen, daß sie sehr ernst genommen werden müssen. Dieses Haus würde eine Pflicht versäumen, wenn es sich nicht mit großer Gründlichkeit und großer Strenge der hier neu auf uns zudrängenden Probleme annehmen wollte.
Ich erinnere an das, was ich eben in bezug auf unsere Stellung in dieser Welt gesagt habe. Meine verehrten Damen und Herren, wir leben am Abgrunde, und niemand von uns kann sagen, ob es uns gelingen wird, uns an diesem Rande zu behaupten und vielleicht sogar unsere Brüder und Schwestern, die drüben schon vom Abgrund verschlungen sind, wieder zu uns hereinzuretten. Wir wissen, daß uns diese geschichtliche Leistung nur
gelingen kann, wenn wir uns der Achtung, des Wohlwollens und des Vertrauens der Völker neben und hinter uns erfreuen und wenn wir nicht die Sorge haben müssen, daß diese Nachbarvölker anfangen an uns zu zweifeln. Dann wäre unter Umständen die Grundlage unserer ganzen Existenz in dieser Zeit und in dieser Welt in Frage gestellt. Deshalb müssen wir uns, auch wenn wir vielleicht glauben, daß das doch alles nicht so schlimm und nicht so wichtig ist, damit auseinandersetzen, damit die anderen - ich wiederhole es - das Wohlwollen und die Achtung und das Vertrauen zu uns behalten und damit wir, soweit es erschüttert zu sein scheint - und es ist in der Tat einige Erschütterung eingetreten -, wiedergewinnen.
Da sind wir auch und gerade in diesem Hause ein Wort über die Tatsache schuldig, daß das Volk, unser liebes deutsches Volk in seiner ganz überwältigenden Mehrheit jedes Wiederaufleben des Antisemitismus tief verabscheut, ablehnt und sich darüber empört.
({9})
Es will daran mitwirken und dafür sorgen, daß diese Vorgänge sich nicht wiederholen. Wir sehen die Schmierereien an der Wand; aber das, was in den braven, treuen Seelen unserer Menschen lebt, darf man darüber nicht übersehen. Auch ohne tiefsinnige demoskopische Umfrage können wir uns auf viele Zeichen dafür berufen, daß in unserem Volke in der Tat hinsichtlich des Antisemitismus eine
3) Wandlung eingetreten ist. Meine Damen und Herren, in Berlin ist das Theaterstück „Das Tagebuch der Anne Frank" 137mal vor überfülltem Hause gespielt worden. Es will schon etwas heißen-die meisten von Ihnen werden das Stück gesehen haben; es ist ja durchaus nicht nur eine Freude, es anzusehen -, daß das mit den beliebtesten und meistgespielten Operetten und Singspielen konkurrieren kann. Mehr als 50 000 Menschen haben es sich allein in Berlin angesehen, und ich habe mir sagen lassen, daß es in 70 deutschen Städten gespielt worden ist, also praktisch in allen deutschen Städten, die überhaupt über ein vernünftiges Theater verfügen. So etwas wäre doch nicht möglich, wenn in unserem Volk nicht ein starkes Bedürfnis bestände, die Vergangenheit wirklich zu bewältigen, sich mit ihr bekanntzumachen, auch dem Grausigen, dem Medusenhaupt darin nicht auszuweichen und die Augen nicht davor zuzumachen.
Und wenn Sie einmal gesehen hätten, wie Ernst Deutsch zum erstenmal wieder auf die Bühne kam! Er hat minutenlang nicht sprechen können, so brauste ihm die Freude des Publikums entgegen. Er hat dann hinterher noch ein paar Minuten gebraucht, um sich zu sammeln, so tief hat es ihn gerührt. Ein Fritz Kortner zieht von Bühne zu Bühne, von Stadt zu Stadt, von Erfolg zu Erfolg; und er macht es seinen Hörern und Mitarbeitern nicht immer leicht.
({10})
- Bitte, Kollege Arndt!
Herr Abgeordneter Arndt zu einer Zwischenfrage.
Herr Kollege Friedensburg, ist Ihnen bekannt, wieviel antisemitische Zuschriften Fritz Kortner dauernd bekommt?
Lieber Kollege Arndt, das ist mir bekannt. Ich verstehe Fritz Kortner, den ich persönlich sehr gut kenne und mit dem ich mich freundschaftlich verbunden weiß, wenn in ihm eine besondere Empfindlichkeit vorhanden ist. Wer das durchgemacht hat - ({0})
- Entschuldigen Sie! Ich will Ihnen ja ruhig und brav antworten. - Drei, vier, fünf Zuschriften wirken im Augenblick in ihrer Peinlichkeit vielleicht heftiger als der Jubel der Tausende und Zehntausende, die die Leistung Kortners anerkennen.
Gestatten Sie, daß ich einmal an die Heilige Schrift erinnere. Im Buch Moses, Kollege Arndt, ringt Abraham mit Gott um das Schicksal der sündigen Städte Sodom und Gomorra, und Gott ist bereit, Sodom und Gomorra zu schonen, wenn sich nur sieben Gerechte finden. Es wäre schlecht um die göttliche Gerechtigkeit bestellt, wenn jetzt Köln und Berlin und München und Bonn verurteilt würden, weil sich sieben Ungerechte darin befinden. So ungefähr wird das Zahlenverhältnis sein. Dashalb wollen wir uns auch durch diese tief bedauerlichen und verabscheuungswürdigen Einzelfälle nicht darüber hinwegtäuschen lassen - und vor allen Dingen wollen wir das unseren Freunden im Ausland sagen -, daß die große Stimmung unseres Volkes eine völlig andere ist, als sie in diesen Schmierereien zum Ausdruck kommt.
({1})
Gewiß, wir wissen, das, was angerichtet worden ist, läßt sich durch materielle Sühne nicht wieder gutmachen. Aber - ich habe das genau feststellen lassen - die 10,3 Milliarden DM, die wir bisher für die Wiedergutmachung gegenüber den Juden gezahlt haben, sind doch nicht möglich, ohne daß das deutsche Volk in seinen Parteien, aber auch in allen seinen Gruppen hinter der Regierung gestanden hätte.
({2})
Diese Leistung ist immerhin das Doppelte der Marshallplan-Hilfe. Ich weiß nicht, ob man das nicht doch auch ein wenig auf die Waagschale legen sollte, wenn man einmal die bedauerlichen Fehler auf der einen Seite und das, was wir anderen tun, abwägt.
Wir sehen diese Wandlung des deutschen Volkes auch im öffentlichen Leben. Sie wissen, Herr Arndt, meine Damen und Herren, der Alterspräsident des Berliner Abgeordnetenhauses ist ein Jude, ein guter Freund von mir, der lange Zeit die jüdische Gemeinde gegenüber dem Senat vertreten hat. Er ist nicht etwa auf irgendeiner Liste mitgeschleppt worden, sondern er hat in einem ausgesprochen bür5604
gerlichen Wahlkreis, in Wannsee, hei der letzten Wahl die große Mehrheit errungen.
Denken Sie, wie die Künstler, die von draußen zurückkamen, aufgenommen worden sind. Ich habe das Come-back von Elisabeth Bergner und das Come-back von Bruno Walter erlebt. Viele andere Namen vermissen wir schmerzlich. Der Verlust, den die Hitlerzeit in unserem geistigen, künstlerischen und wirtschaftlichen Leben verursacht hat, ist vielleicht in Generationen nicht wieder gutzumachen. Aber wenn dann der eine oder andere zurückkommt, dann wird er doch nicht bloß als verlorener Sohn, sondern als lieber Freund empfangen, nach dem man sich gesehnt hat und bei dem man von Herzen froh ist, wenn er bei uns ist. Das wäre doch nicht ohne Widerspruch möglich, wenn das deutsche Volk nicht in seiner großen Mehrheit eingesehen hätte, daß die Vergangenheit überwunden werden muß.
({3})
Nun noch ein Wort zu der anderen Seite. Wer wie ich die ärgerliche Pflicht hat, täglich die Zeitungen aus der Zone zu lesen, der sieht, wie uns dauernd um die Ohren geschlagen wird, was da einige Schmierfinken angerichtet haben. Natürlich gibt es in der Zone etwas Ähnliches. Aber es ist sehr bezeichnend - vielleicht interessiert Sie das -, daß man in Berlin-Weißensee denjenigen, die solche Hakenkreuz-Schmierereien festgestellt hatten, gesagt hat: Wenn Ihr das nach draußen mitteilt, werdet ihr wegen Boykotthetze verurteilt. Man möchte sich in seiner Propaganda gegen die Bundesrepublik
nicht dadurch stören lassen, daß andere darauf hinweisen können, daß dort etwas Ähnliches geschieht. Ich glaube, das ist ein sehr, sehr bezeichnender Vorgang.
Vielleicht noch beweiskräftiger ist eine statistische Zahl. Wir haben in der Bundesrepublik noch etwa 25 000 Glaubensjuden. In der Zone sind es 2000. Das Verhältnis ist also wie 1 : 12, aber das Bevölkerungsverhältnis ist wie 1 : 3. Das kommt doch nicht von ungefähr. Der einzige noch wirklich militante Antisemitismus in der Zeit nach dem Kriege findet sich doch nicht bei uns, sondern in den kommunistischen Ländern.
({4})
Wer mitten im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen.
Es genügt nicht, daß wir uns nicht ohne Dankbarkeit der Wandlung in unserem Volk bewußt werden. In der Tat bleibt noch viel zu tun, und den Anfängen zu wehren, wird die große, wichtige Aufgabe unseres Volkes sein.
Ich weiß nicht, ob man dabei die Personalienfrage so leicht und billig erledigen kann, wie es Kollege Heinemann angedeutet hat. Sie kennen meinen sehr dezidierten Standpunkt. Ich bin nicht geneigt, ihn zu korrigieren. Herr Kollege Heinemann, Sie wissen aber doch, wie kompliziert die Fälle liegen, je mehr man sich mit Personalien befaßt, und wie viele gute Gegenargumente angeführt werden können.
Das hat, Herr Kollege Schneider -- er ist wohl nicht mehr hier -, mit den kommunistischen Angriffen nichts zu tun. Ich lasse mir von den Kommunisten nicht vorschreiben, wen ich angreife, ich lasse mir von ihnen aber auch nicht vorschreiben, wen ich nicht angreife. Das ist eine völlig falsche Betrachtungsweise. Ein Übel wird nicht dadurch erträglich, daß die Kommunisten es zur Zeit angreifen. Vielmehr haben wir selbstverständlich die Pflicht, es zu beseitigen. Unser Bundestagsvizepräsident Schmid hat einmal sehr richtig gesagt: Es sind noch Kehrichthaufen da, und man beseitigt sie nicht dadurch, daß man sie unter den Teppich schiebt.
Diese große Aufgabe, die noch vor uns liegt und die wahrscheinlich auch unsere Nachfolger in diesem Raum, hoffentlich einmal in Berlin, noch viel beschäftigen wird, können wir nur im gemeinsamen Vertrauen und in gemeinsamer Anstrengung lösen. Eine Vergangenheit bewältigen heißt nicht sie ignorieren, heißt nicht die Augen vor ihr verschließen, sondern heißt sie herzhaft anpacken, der Wahrheit ins Auge schauen und alles tun, damit sich das Unheil nicht wiederholt.
({5})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Arndt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Keiner von uns, wohl kein Mensch überhaupt, ist sich seiner so sicher, daß er nicht in seinem Denken oder von seinem Denken verführt werden könnte. Wenn ich auf die Jahre meines eigenen Lebens zurückblicke, muß ich mit aller Freimütigkeit gestehen, daß ich mich in meinem Denken und von meinem Denken gar nicht selten habe verführen lassen. Das braucht kein Vorwurf zu sein, wenn man dessen innewird, und es braucht kein Vorwurf zu sein, daß der eine den anderen darauf aufmerksam macht, und nichts anderes ist hier vorhin durch meinen Freund Heinemann geschehen.
({0})
Wir haben, jeder für sich, nicht nur die Verpflichtung, daß wir uns immer auf unser eigenes Denken hin befragen, sondern gerade in einem Parlament haben wir untereinander uns gegenseitig den Dienst zu leisten, den anderen in aller Redlichkeit darauf aufmerksam zu machen, inwieweit sich bei ihm solche Anzeichen zeigen.
({1})
Wenn das Wort von der Bösartigkeit fällt - ({2})
- Ja, wiederholen Sie es nur ruhig, aber hören Sie dann auch an, was ich Ihnen dazu sage. Ich will Ihnen nicht Bösartigkeit unterstellen. Ich will nur darauf hinweisen, daß Sie dann, wenn Sie sagen: Bösartigkeit oder wenn der Herr Kollege Friedensburg leider sogar so weit geht, von Haß zu reden, diese Pflicht verkennen, sich gegenseitig auf Gefahren im Denken und auf die Versuchung, im
DL Arndt
Denken verfuhrt zu werden, aufmerksam zu machen. Das verkennen Sie dann durchaus. Und daß ein Politiker, der sich als gläubiger Christ weiß, der sich auch seiner Gotteskindschaft bewußt ist, daß überhaupt ein Politiker, der gläubig ist - er muß nicht einmal Christ sein, er kann auch einem anderen Gottesglauben anhangen, kann der mosaischen Kultusgemeinde angehören -, sich in seinem Tun von Gott berufen oder, möchte ich lieber sagen, gefordert weiß, das steht doch überhaupt nicht in Frage, das hat doch kein Mensch und am allerletzten mein Freund Heinemann in Zweifel gezogen.
Noch weniger stand zur Diskussion, daß wir alle miteinander die schwere Bürde zu tragen haben, uns politisch und geistig mit dem, was vom Bolschewismus im Osten her droht, auseinanderzusetzen und ihm standzuhalten. Das steht politisch völlig außerhalb der Diskussion. Man wird über die Einzelheiten diskutieren können. Es ist auch absolut klar, daß sich ein Politiker, der ein gläubiger Christ ist, auch von seinem Glauben her dazu verpflichtet weiß. Aber das alles ist ja nicht das, was mein Freund Heinemann gesagt hat, und darum ist in dem, was er gesagt hat, nichts, was Sie veranlassen könnte, ihm Bösartigkeit und Haß vorzuwerfen.
Meine Damen und Herren, Sie wissen doch, daß Herr Dr. Adenauer es uns Sozialdemokraten weiß Gott nicht sehr leicht macht.
({3})
- Nein, ich meine jetzt: sittlich nicht leicht macht.
({4})
Politisch wollen wir uns gern auseinandersetzen; aber er macht es uns im Sittlichen, im Seelischen und im Menschlichen schwer, und es ist sehr schwer, dann immer seiner Denkweise Herr zu sein gegenüber Angriffen, wie Sie sie ja aus Adenauers Munde kennen. Aber wenn sich jemand - und da stehe ich für meinen Freund Heinemann - so sehr wie Heinemann seinem Glauben verpflichtet weiß, dann haben Sie kein Recht, ihm hier Haß nachzusagen.
({5})
Dann können Sie vor allen Dingen der Frage, die
hier gestellt wurde, nicht damit ausweichen, daß
Sie die Äußerung, die Heinemann zitiert hat - und, wie ich glaube, deshalb zitiert hat, weil sie ihm auf dem Gewissen brennt und weil wir uns alle einmal davor gestellt sehen sollen -, gar nicht richtig wiedergegeben haben. Das hat weder Herr Krone getan noch Herr Friedensburg. Es geht nicht um die christliche Verpflichtung des gläubigen Politikers, es geht nicht um seine Gotteskindschaft,
({6})
es geht nicht um seinen Auftrag, den er glaubt ausführen zu müssen, sondern es ist vom Volk die Rede, vom deutschen Volk
({7})
und vom besonderen Auftrag, den dieses Volk hat.
({8})
„Ich glaube, daß Gott dem deutschen Volk in den jetzigen stürmischen Zeitläuften eine besondere Aufgabe gegeben hat, Hüter zu sein für den Westen gegen jene mächtigen Einflüsse, die vom Osten her auf uns einwirken."
({9})
- Sie mögen dieses Wort für nicht bedenklich halten, Sie mögen es für gut halten. Dann sind wir in unseren Meinungen getrennt. Aber Sie müssen uns, die wir anderer Ansicht sind, dann erlauben, auf das Bedenkliche einer solchen Äußerung hinzuweisen. Das hat mein Freund Heinemann mit Recht getan; deshalb mit Recht getan, weil - wenn ich diese Debatte jetzt zusammenfassen darf - hier doch - entschuldigen Sie, wenn ich Ihnen das sage - zu viel Selbstlab zu hören war. Es ist durchaus richtig, es ist unendlich erfreulich, daß starke Kräfte, stärkste Kräfte im deutschen Volke sich ganz anders verhalten, als das in der Weimarer Zeit leider war. Wir haben in den letzten Wochen und Monaten einen wirklich elementaren und spontanen Widerstand aus der Bevölkerung gesehen, haben gesehen, daß die Menschen sich diese Schmutzfinkereien einfach nicht mehr gefallen lassen wollen. Darum haben wir keinen Grund, unser Licht unter den Scheffel zu stellen.
Aber deswegen können wir leider noch lange nicht sagen - wie es Herr Dr. Kopf getan hat -, daß nun sozusagen das ganze deutsche Volk gefeit sei gegen derlei Dinge und daß nicht noch sehr viel an Rückstand zurückgeblieben ist von einer jahrelangen Demoralisierung vor 1933 und in den bitteren Jahren nach 1933.
Ich muß dabei Herrn Kollegen Friedensburg in aller Verehrung leider auch eines sagen. Ich muß es immer als etwas peinlich empfinden, wenn man dann Zahlen und Geldleistungen nennt und sagt: „10,3 Milliarden, das ist doch nun schon eine sehr ansehnliche Leistung." Meine Damen und Herren, das deutsche Volk gibt im Laufe eines Jahres mehr als 17 Milliarden für Alkohol und Tabak aus. Ich glaube, dann sollte man sich also nicht so in die Brust werfen mit den 10,3 Milliarden, die bisher geleistet worden sind.
({10})
Ich warne davor, daß wir uns so rühmen.
Das Wort von Kollegen Heinemann hat den Sinn, daß wir uns der Vergangenheit stellen sollen, auch den ganzen Überwertigkeits- und Sendungsideen der Vergangenheit,
({11})
daß wir beim leisesten Anlaß mißtrauisch werden sollen gegen uns selbst und daß wir vor allen Dingen nicht - was in dieser Debatte so viel geschehen ist - das Ausweichen versuchen: „Na ja, da ist also so viel vom Osten her infiltriert." Liest man dann das Weißbuch der Bundesregierung oder folgt man der Debatte, so endet letzten Endes alles wieder beim Antikommunismus. Ein kluger Mann
hat neulich einmal darauf aufmerksam gemacht, daß der leere, der formale Antikommunismus weitgehend die Rolle des Antisemitismus übernommen hat und eine Überdeckung dessen ist, woran man nicht gern erinnert wird. Unser Stehen gegen den Kommunismus ist eine klare Sache; darüber haben wir auch andere Male hier zu sprechen. Aber das ist keine Entschuldigung für das, was in unserer Vergangenheit liegt, und das, was sich in unserer Gegenwart ereignet hat.
({12})
Da sollten wir uns in Zukunft diesen Dingen mehr stellen und sollten nach meiner Überzeugung, die ich mit meinem Freunde Heinemann teile, gewarnt sein davor, daß wir unserem Volke besondere religiöse Aufträge zuerkennen. Wenn uns einer gegeben ist, dann heißt es vor allen Dingen: Nachdenken und das einsehen, was in den letzten Jahren und Jahrzehnten geschehen ist.
({13})
Das Wort hat der Abgeordnete Gontrum.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, wir reden etwas aneinander vorbei. Aber die Sache, um die es geht, ist so ernst und geht uns allen so
nahe, daß wir von dieser Sache richtig reden müssen, um uns nicht folgenschwer mißzuverstehen.
Herr Dr. Heinemann hat in dem ersten Teil seiner Rede sehr ernste Dinge gesagt, die alle die angehen, die sich mit Ernst Christen nennen und in der Geschichte genannt haben, die fragen, wieweit sie es gewesen sind. Wahrscheinlich wäre an Pogromen nichts geschehen, wenn das Mißverständnis des Kreuzes sich nicht leider immer wieder vollzogen hätte, und ich behaupte, daß auch der Antisemitismus, soweit er sich in der Geschichte christlich firmierte, in der Moderne wiederum ein neues Mißverständnis des Kreuzes war.
Aber so ernst wir auch davon reden mögen, um unsere Position zu beziehen, so haben wir doch nicht die ganze Wahrheit gesagt, um die es heute geht und die sicherlich unser Herr Bundeskanzler gemeint hat, als er von dem Auftrag sprach, den wir hätten, nicht nur in Rom, auch in Wittenberg,
({0}).
in aller Christenheit auf Erden. Dieser Auftrag, die christliche Position, ist zugleich in allen Zeiten eine absolute Negation.
Herr Dr. Heinemann hat an dieser Stelle einmal gesagt, Christus sei nicht gegen Karl Marx gestorben, sondern für alle. Das ist völlig richtig. Aber es muß auch gesagt werden, daß Karl Marx gegen Christus gelebt hat,
({1})
und dies ist die Position des dialektischen Materialismus, des modernen Atheismus.
({2})
Dieses Antichristentum ist heute in dieser Welt
mit einer so ungeheuerlichen Totalität angetreten,
({3})
daß die Christenheit vor eine Bewährungsprobe gestellt ist, vor die sie umfassender noch nie gestellt war.
({4})
Wenn also irgendwo in dieser Welt, ob in Warschau oder in London, das Wort des Bundeskanzlers mißverstanden wurde, dann nur deswegen, weil man anscheinend immer noch nicht weiß, aus welchen Gründen ein christlicher Mensch heute überhaupt reden muß, wenn er von einem Auftrag spricht.
({5})
Wir werden den Antisemitismus mit politischen oder mit humanitären Ideologien nicht niederringen, wenn wir ihn nicht mit dem Geist und der Wahrheit der christlichen Liebe niederringen.
({6})
Wir werden keinen Eisernen Vorhang beseitigen, wenn nicht durch die Kraft unter dem Kreuz, die bereit ist, auch dort zu lieben, wo andere nur hassen können.
({7})
Deswegen kann man von diesen Dingen überhaupt nicht sprechen, und man wird die geschichtliche Stunde nicht meistern, wenn wir nicht darüber reden, was sich hier und je in der Welt überhaupt gegenübergestanden hat: die Wahrheit und die Lüge.
({8})
Trotz allem Abfalls sogenannter Christen in der Bewährung dieser Welt ist das Kleinod der christlichen Wahrheit noch niemals so leuchtend vor der Menschheit gestanden wie in diesen Tagen. Das scheint mir auch der letzte Grund dafür zu sein, daß sich nicht nur in unserem Volke gegenüber antisemitischen oder sonstigen lieblosen Schmierereien eine Masse von anständigen Menschen so eindeutig erhoben haben, die endlich Frieden möchten in einer friedlosen Welt.
({9})
Das Wort hat der Abgeordnete Jahn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann zwar nicht mit in die wissenschaftlich-theologische Diskussion eintreten, aber ich glaube, es ist doch notwendig, dem verehrten Herrn Kollegen Gontrum einmal etwas zu sagen. Warum versuchen Sie, wie das die Vorredner Ihrer Fraktion getan haben, eigentlich ständig,
Jahn ({0})
die Diskussion auf ein Gebiet zu verschieben, von dem niemand von uns geredet hat.?
({1})
- Wir werden heute abend vielleicht noch häufiger den Versuch machen müssen, meine Damen und Herren, uns in Ruhe zu verständigen.
Auch dann, wenn einmal ein kritisches Wort gegen den Bundeskanzler gesagt wird, bricht diese Bundesrepublik noch nicht zusammen.
({2})
Sie sollten etwas mehr Bereitschaft zeigen, über diese Dinge allen Ernstes zu diskutieren, statt jedesmal, wenn hier ein kritisches Wort gesagt wird, gleich in allerlautesten Unmut auszubrechen.
({3})
Das, was mein Freund Dr. Heinemann hier hat sagen wollen
({4})
und was Sie, meine Damen und Herren, wenn Sie beredt wären, in Ruhe zuzuhören, auch durchaus hätten verstehen können, war die Kritik an zwei Worten. Es war die Kritik an den beiden Worten in der Erklärung des Bundeskanzlers, daß Gott dem
deutschen Volk eine besondere Aufgabe gegeben habe.
({5})
Wenn hier von einer Aufgabe die Rede ist, dann kann es nur eine Aufgabe der ganzen freien Welt sein.
({6})
Es kann aber nicht die Rede davon sein, daß in besonderer Weise gerade dem deutschen Volk von Gott eine besondere Aufgabe gegeben sei.
({7})
Wir wenden uns dagegen - um es noch einmal zu sagen, mit der Bitte, daß Sie das einmal in Ruhe anhören und nicht gleich wieder in Raserei verfallen -,
({8})
daß hier wieder von einer besonderen Mission des deutschen Volkes geredet wird.
({9})
- Sie können natürlich, wenn Sie wollen, verehrter Herr Kollege, auch Zusammenhänge konstruieren und suchen, wo keine sind. - Das und nichts
anderes hat der Kollege Dr. Heinemann hier sagen wollen, und das hätten Sie verstehen können.
({10})
Ich wollte aber noch von einigen anderen Dingen reden, und das scheint mir gerade nach dieser Diskussion noch notwendiger zu sein. Wir haben uns in einer fast vollständigen Übereinstimmung und in erfreulicher Weise einmütig gegen die Exzesse, gegen die Schmierereien ,der letzten Wochen und Monate in unserem Lande gewandt. Wir haben hier von allen Seiten fast übereinstimmende Beteuerungen und grundsätzliche Erklärungen gehört, daß wir uns in der Ablehnung dieser Dinge einig seien und daß wir weiter darum kämpfen wollen, diese Einigkeit in der Abwehr und Ablehnung zu bewahren. So weit, so gut. Ich hoffe, daß es dabei bleibt und daß wir mit diesen Grundsätzen zu einer sehr viel stärkeren Einigkeit und Übereinstimmung kommen, als sie sich in der täglichen Praxis ergibt. Denn, meine sehr verehrten Damen und Herren, es kommt nicht nur auf die Grundsätze an, sondern es kommt auch darauf an, was man aus diesen Grundsätzen macht und wie man sie in der täglichen Praxis anwendet.
({11})
Ich möchte mich nicht sehr eingehend mit dem beschäftigen, was Herr Kollege Schneider von der DP gesagt hat, weil das für mein Gefühl nicht mehr in das hineingehört, was uns hier eint, weil hier in allzu deutlicher Form der Versuch gemacht wird, die Verantwortung von sich abzuwälzen, sie bei anderen zu suchen und sich zu entlasten. Ich glaube, so einfach kommen wir aus diesen Dingen nicht heraus. Dazu ist mehr notwendig. Es ist vor allen Dingen notwendig, sich einmal zu fragen, ob wir nicht in diesem Land in mancher Beziehung ein Klima haben, das dazu beigetragen hat, daß so manche der Erscheinungen, die wir heute hier verurteilen, sich in dieser Form haben wieder breitmachen können. Es ist die Frage aufzuwerfen, ob wir von den ersten Stunden dieser Bundesrepublik Deutschland an bis heute genug getan haben, um diese Abwehr, von der heute so sehr viel die Rede war, zielbewußt und mit innerer Überzeugung zu führen.
Hier sind in einer Reihe von Punkten einige kritische Anmerkungen zu machen. Ich möchte Sie sehr herzlich darum bitten, daß wir uns einmal gemeinsam überlegen, ob nicht so manche Entscheidung und so manche Haltung der Bundesregierung in den vergangenen zehn Jahren dazu beigetragen hat, daß in unserem Volke vielfach ein hohes Maß an innerer Unsicherheit gegenüber der Vergangenheit und der Stellung, die wir heute einnehmen müssen, vorhanden ist. Wenn das Wort des Grundgesetzes, der Bundeskanzler bestimme die Richtlinien der Politik, einen Sinn haben soll, dann muß man sich auch fragen, ob alles, was in den letzten Jahren geschehen ist, entweder unter diese Richtlinien paßt oder ob diese Richtlinien auf das, worüber wir heute sprechen, zu wenig Rücksicht genommen haben.
5608 Deutscher Bundestag -- 3. Wahlperiode Jahn ({12})
Ich habe mir vor einigen Tagen noch einmal die Protokolle des 1. Bundestages vorgenommen und habe sehr aufmerksam nachgelesen, was in der ersten Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers steht. Meine Damen und Herren, es ist ganz interessant, der Diskussion, die wir heute hier geführt haben, einmal die Tatsache gegenüberzustellen, daß in jener ersten Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers kein Wort davon zu finden war, wo eigentlich die Stellung unseres Volkes gegenüber seiner Vergangenheit ist. In dieser Regierungserklärung hat beispielsweise kein Wort des Dankes an jene Männer und Frauen gestanden, die - das ist hier gesagt worden - in den zwölf Jahren des Unrechts dafür gesorgt und dafür gekämpft haben und dafür gestorben sind, daß der Name unseres Landes nicht völlig in den Dreck gezogen wurde.
({13})
Es ist dem Sprecher der Opposition, unserem verstorbenen Kurt Schumacher, überlassen geblieben, das an Stelle des Regierungschefs nach dessen erster Regierungserklärung zu sagen.
Eine zweite Frage: Warum hat der Herr Bundeskanzler zehn Jahre gebraucht, um zum erstenmal den Weg nach Bergen-Belsen zu finden?
({14})
Weil es im Jahre 1960 gerade einmal einen akuten
Anlaß gab, der es zweckmäßig erscheinen ließ.
({15})
- Sie sagen, das sei eine ehrenrührige Unterstellung. Das ist eine Feststellung, Herr Kollege Höfler, eine Feststellung und eine Frage an Sie bzw. an den Herrn Bundeskanzler, warum er nicht viel eher dorthin gegangen ist.
({16})
Wenn es nämlich darum geht, in unserem Volk ein Bewußtsein dafür zu schaffen, daß wir gegenüber der Vergangenheit eine klare Haltung aufkommen lassen müssen und keine unklare Haltung aufkommen lassen dürfen, dann ist es notwendig, gelegentlich auch einmal ohne Not Bekenntnisse abzulegen, um überzeugend zu wirken.
({17})
Mein Fraktionsfreund Professor Schmid ist vorhin dafür gerühmt worden, daß er in so friedfertiger und eleganter Form seine Kritik gegenüber der Tätigkeit so mancher führender Männer in dieser Bundesregierung angemeldet hat. Meine Damen und Herren, Sie brauchen keine Bedenken zu haben. Ich werde hier keine Debatte „Oberländer" machen.
({18})
--i Herr Rasner, seien Sie vorsichtig mit dem Wort von der Wehner-Debatte!
({19})
- Meine Damen und Herren, es scheint mir aber doch notwendig zu sein, - ({20})
Es scheint mir notwendig zu sein, in diesem Zusammenhang etwas zu der Art der Behandlung dieser Angelegenheit zu sagen.
({21})
Meine Damen und Herren, ich darf Sie bitten, diese Debatte doch in dem Ton und in dem Stil ausklingen zu lassen, in dem sie so schön begonnen hat.
({0})
Halten Sie es wirklich für eine sehr überzeugende Art der Diskussion und der Haltung der Bundesregierung, wie seit Wochen und Monaten an dieser Affäre Oberländer herummanipuliert wird?
({0})
Halten Sie es für eine überzeugende Haltung der Bundesregierung, daß sie es dabei bewenden läßt, daß sich Herr Oberländer zunächst einen privaten Ausschuß bestellt und daß dann schließlich ein Ehrenrat seiner Fraktion die Dinge klären soll?
({1})
Meine Damen und Herren, es geht hier weniger um die Ehre und das Ansehen von Herrn Minister Oberländer als um die Ehre und das Ansehen der deutschen Demokratie. Eine solche Sache bereinigt man nicht durch Ehrenräte und ähnliche Ausschüsse.
({2})
Deswegen meine ich, daß diese Art der Behandlung auch kennzeichnend dafür ist, in welcher Form und mit welcher inneren Überzeugung wir diese Auseinandersetzung und die Bereinigung der Vergangenheit führen.
In diesem Zusammenhang hat es Herr Rasner für richtig befunden, die Bemerkung in die Debatte zu werfen: Dann kriegen wir auch keine Debatte Wehner! Herr Rasner, dazu möchte ich Ihnen ganz kurz
Deutscher Bundestag -- 3. Wahlperiode Jahn ({3})
folgendes sagen. Eine Debatte Wehner können Sie an der Debatte Oberländer ebensowenig aufhängen wie an etwas anderem; Sie können überhaupt keinen Anlaß dafür finden.
({4})
Sie können meinem Partei- und Fraktionsfreund Wehner nicht nachweisen, daß er sich in irgendeiner Weise an den Unrechtshandlungen der Nazis beteiligt hat.
({5})
Sie können meinem Freund Wehner nicht nachsagen, daß er in irgendeiner Weise eine verbrecherische Politik wie die der Volkstumspolitik der Nazis unterstützt und gefördert habe.
({6})
Sie können unserem Freund Wehner nicht nachsagen, daß er sich an zweifelhaften Aktionen in einer Form, die heute noch nicht geklärt ist, beteiligt habe.
({7})
Von Herbert Wehner wissen wir eines mit Sicherheit: an seinen Händen klebt kein Blut. Ob wir das von Herrn Oberländer mit derselben Klarheit sagen können, meine Damen und Herren, das ist immer noch offen.
({8})
Von unserem Freund Wehner wissen wir, daß er sich von seiner politischen Vergangenheit aus innerer Überzeugung abgewandt hat.
({9})
Von unserem Freund Herbert Wehner wissen wir, daß er mehr als ein positives Bekenntnis zur Demokratie abgelegt hat.
({10})
Von unserem Freund Wehner wissen wir, daß er mit allem Ernst und aus Selbsterkenntnis in aller Deutlichkeit gesagt hat: Ich habe meine Erfahrungen gemacht, ich bin gebrannt. Er hat in der Sozialdemokratischen Partei in einer großartigen Form den Kampf gegen die Kommunisten geführt; und er hat ihn mit Erfolg geführt. Sehen Sie sich doch einmal die Wahlergebnisse bei den hamburgischen Betrieben an, in denen die Betriebsräte in den ersten Jahren nach dem Kriege noch mit Kommunisten durchsetzt waren - zum Teil hatten sie sogar die absolute Mehrheit -, und sehen Sie sich die politische Zusammensetzung dieser Betriebsräte heute an! Wenn das das Verdienst eines Mannes um die deutsche Demokratie ist, dann das Verdienst Herbert Wehners.
({11})
Und wo ist das Bekenntnis des Herrn Oberländer zu dieser Demokratie? Wo ist die Abkehr des Herrn Oberländer von seiner Vergangenheit? Jedem, der etwas dazu sagt, schickt er Rechtfertigungsschriftsätze ins Haus. Er versucht, mit seinen Manipulationen darzutun, daß alles nicht so schlimm gewesen sei.
({12})
Wo hat dieser Mann denn jemals den Mut aufgebracht, sich in derselben deutlichen und klaren Weise zu seiner Vergangenheit zu bekennen, sich von ihr abzuwenden und sich zur Demokratie zu bekennen und für sie zu kämpfen?
({13})
Solange das nicht geschehen ist, meine Damen und Herren, scheint es mir nicht nur höchst unpassend, sondern einfach perfide zu sein, hier einen derartigen erbärmlichen Versuch der Aufrechnung machen zu wollen.
({14})
Aber dieser Versuch der Reinwaschung ist ja nicht nur in diesem Fall gemacht worden.. Wie oft haben wir hier zu hören bekommen, daß Herr Globke im Grunde ja gar kein so schlimmer Mann gewesen sei. Herr Globke sei derjenige gewesen, der einen Kommentar geschrieben habe, welcher den von den Nürnberger Gesetzen Betroffenen eine entscheidende Hilfestellung gegeben habe.
({15})
- Diejenigen, Herr Kollege Höfler, die nicht mehr reden können, können keine Anerkennungsschreiben mehr geben.
({16})
Kommt es denn wirklich darauf an, daß hier ein
Packen Persilscheine auf den Tisch gelegt wird?
({17})
Müssen wir nicht vielmehr einmal in aller Deutlichkeit sagen, daß jemand, der einen Beitrag zu dem Unrechtsystem in unserer Vergangenheit geleistet hat, nicht der richtige Mann ist, an verantwortlicher Stelle in unserem Staat zu stehen und Verantwortung zu tragen? Lesen Sie doch einmal den Kommentar; lesen Sie doch einmal, was Herr Globke dort geschrieben hat; lesen Sie einmal nach, in welch spitzfindiger Weise er diese Gesetze noch ausgelegt hat, um sie erst richtg zur Geltung zu bringen.
({18})
Ich bin bereit, meine Damen und Herren, Ihnen darüber eine kleine Vorlesung zu halten, wenn Sie nicht bereit sind, die Dinge so zu nehmen, wie sie sich tatsächlich anbieten.
Das gleiche gilt für eine so fragwürdige Person wie Herrn Bräutigam, einen Mann, der ebenfalls mit einem Packen Persilscheine aufgewartet hat und der sich neulich noch in einer Leserzuschrift an „Die Zeit" auf diese Persilscheine berufen hat. Ich frage Sie allen Ernstes, meine Damen und Herren, und bitte Sie, diese Frage einmal zu durchdenken: Glauben Sie im Ernst, daß damit die Beteili5610
Jahn ({19})
gung des Herrn Bräutigam an den Judenaktionen der Nazis ausgewischt werden kann? Glauben Sie wirklich im Ernst, daß dieser Mann dadurch, daß er sich ein Teilalibi verschafft hat, ein würdiger Repräsentant unseres Staates, unseres Landes im Ausland sein kann? Ist das wirklich Ihre ernsthafte Überzeugung? Sollten Sie wirklich noch Zweifel haben, lesen Sie doch einmal den Leserbrief, den er in der letzten Nummer der „Zeit" geschrieben hat. Das ist genau die rüpelhaft anmaßende Sprache des Faustrechts der Nazis, wenn er einem Journalisten, der ein kritisches Wort gegen ihn sagte, Prügel androht. Und dieser Mann wurde noch mit einem Orden dieses Landes ausgezeichnet.
({20})
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie noch einmal, diese Dinge in Ruhe zu durchdenken. Glauben Sie nicht, daß es richtig ist, daß wir mit diesem fragwürdigen Menschen in unserem Volk nichts zu tun haben wollen?
Die Bundesregierung oder ein ihr unterstelltes Amt haben es für richtig gehalten, sich einen erklärten Gegner der Demokratie - das ist durch das Bundesverfassungsgericht festgestellt worden - anzuheuern, um ihn, nämlich Herrn Doris, als Spitzel nach Ägypten zu schicken. Meinen Sie, das sei für die Haltung unseres Landes überzeugend? Wollen Sie uns das im Ernst erzählen? Meinen Sie wirklich, daß es ein guter Stil in unserem politischen Leben ist, wenn in einer Kundgebung eines Soldatenverbandes, in dem der SS-General Sepp Dietrich das Wort gegen unsere Demokratie führt, ein General unserer jungen Bundeswehr ebenfalls auftritt? Meinen Sie, daß das überzeugend ist? Glauben Sie im Ernst, daß es eine überzeugende Haltung ist, wenn sich die Bundesregierung einen ehemaligen Generalfeldmarschall der Nationalsozialisten zum Fachgutachter in Wehrfragen heranholt, wie den Herrn Manstein,
({21})
von dem die bemerkenswerten Worte stammen: „Das jüdisch-bolschewistische System muß ein für allemal ausgerottet werden. Für die Notwendigkeit der harten Sühne am Judentum muß der Soldat Verständnis aufbringen."
({22})
- Ach, verehrter Herr Kollege, machen Sie es sich doch nicht so billig!
({23})
Glauben Sie denn im Ernst, daß Argumente-ich
weiß gar nicht, ob es in diesem Falle zutrifft hier nicht mehr ernsthaft gesagt und geprüft zu werden brauchten nur deshalb, weil die Kommunisten
sie mißbrauchen? So billig und so einfach kommen
Sie an dieser Auseinandersetzung doch nicht vorbei.
({24})
Glauben Sie, daß es ein überzeugender Beweis für das ernsthafte Bemühen der Bundesregierung gewesen ist, einmal mit der Vergangenheit ins Reine zu kommen, wenn sie seinerzeit Schritte unternommen hat, um die Aufführung des Films „Nacht und Nebel" deshalb zu verhindern, weil er das Ansehen der Bundesrepublik schädigen könne?
Herr Kollege Jahn, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte schön!
Herr Kollege Jahn, Sie haben soeben kritisiert, daß der Verteidigungsausschuß seinerzeit den ehemaligen Generalfeldmarschall von Manstein geladen hat. Ist Ihnen bekannt, daß dies im Einverständnis mit den Ausschußmitgliedern der SPD geschehen ist?
Ich gehöre dem Verteidigungsausschuß nicht an.
({0})
Ich nehme an, meine Freunde aus dem Verteidigungsausschuß werden Ihnen dazu etwas zu sagen haben.
({1})
Meine Damen und Herren, ich habe noch eine Reihe von Fragen an sie zu stellen.
({2})
Ich möchte einmal fragen - ({3})
Ja was kann ich dafür, wenn Sie vorhin, als ich begann, nicht dagewesen sind oder nicht zugehört haben! Ich glaube, es ist notwendig, diese Dinge hier nun einmal endgültig anzupacken und nicht bei Grundsatzerklärungen stehenzubleiben. Deshalb meine Frage danach, ob die Bundesregierung ihrerseits die notwendigen Beiträge zu dieser Auseinandersetzung geleistet hat.
Ich möchte einmal fragen, ob Sie wissen, in welcher inneren Not sich diejenigen Menschen befinden, die als ehemals Verfolgte Bedienstete der Bundesregierung in so manchen Ämtern der Bundesrepublik sind. Haben Sie schon einmal gehört, wie bitterlich diese Menschen sich darüber beklagen, daß sie das deutliche Gefühl haben, schon längst überrundet worden zu sein von denen, die sie in jenen berühmten zwölf Jahren auf ihre Weise schon damals verfolgt haben?
Oder meinen Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß gewisse Reden gewisser Minister dazu beitragen, überzeugend darzutun, daß in dieser Bundesregierung auch nicht der Funke eines antisemitischen Gedankens wach sein könnte? Ich habe in der Justizdebatte Anfang vorigen Jahres Herrn Justizminister Schäffer einige Dinge vorgehalten, die er dann hinterher damit abgetan hat,
Jahn ({4})
daß er sagte, das seien nichts anderes als giftige
Pfeile, die ich aus Gehässigkeit abgeschossen hätte.
({5})
Ich habe mir noch einmal angesehen, was die westdeutsche Presse über die Versammlungen berichtet hat, die Herr Bundesjustizminister Schäffer vom Dezember 1957 bis März 1958 geführt hat, und was er dort gesagt hat. Herr Schäffer glaubte, er müsse sich gerade die Wiedergutmachungsleistungen aussuchen, um zu sagen, daß unsere Währung gefährdet sei.
({6})
- Ja, Herr Kollege, dann lesen Sie es doch einmal nach!
({7})
- Nun, dann möchte ich Ihnen doch einmal zitieren, was Herr Schäffer laut der „Westdeutschen Allgemeinen" vom 16. Dezember 1957 wörtlich gesagt hat:
({8})
„Die Wiedergutmachung führt zu einer Entwertung der D-Mark." Laut dem „Wiesbadener Kurier"
({9})
vom 16. Dezember 1957 hat Herr Schäffer dann die
Erklärung von Regierungsseite, an der Wiedergutmachung werde nichts geändert, als bedauerlich und eilfertig bezeichnet.
({10})
Der Herr Bundesjustizminister hat seine Äußerungen so weit getrieben, daß er laut „Telegraf" vom 4. März 1958 gesagt hat - ich darf wieder zitieren - ({11})
- Ja, wo anders her soll ich es denn wissen als aus der Zeitung?!
({12})
- Seit wann wird in öffentlichen Versammlungen Protokoll geführt, verehrte Kollegin Weber?!
Nun möchte ich Ihnen noch etwas sagen. Wir warten ja heute noch auf die Dementis von Herrn Schäffer. Sie sind nicht erfolgt. Die Dinge stehen immer noch unbeantwortet im Raum wie auch jenes Wort: „Die Kaufkraft der D-Mark sinkt auf Grund der Wiedergutmachungsleistungen, und es kann mir keine Rasse der Welt übelnehmen, wenn ich diesen Standpunkt vertrete." Was ist das, so muß ich nun doch schon fragen, für eine außerordentlich merkwürdige und fragwürdige Haltung eines Mitgliedes des Bundeskabinetts, des Kabinetts Adenauer, von dem ständig gesagt wird, es sei eigentlich unzulässig und ehrenrührig, wenn wir hier mit Bezug auf dieses Kabinett Fragen dieser Art aufwerfen?!
Ich meine, Sie werden heute abend auf die Fragen, die ich Ihnen hier gestellt habe, sicher nicht antworten sollen.
({13})
- Nein, ich habe nicht davon gesprochen, daß Sie es nicht können. Ich glaube gern, daß Sie es können. Aber mir liegt gar nicht daran, daß Sie jetzt daherkommen und sofort in irgendeiner Form sagen, das sei so oder so anders gewesen oder das sei nicht so gemeint gewesen oder das seien Mißverständnisse, oder was Sie sonst zur Entlastung bringen wollen. Worum es uns geht, ist - und ich mache selbst dann, wenn es aussichtslos zu sein scheint, noch einmal den Versuch, Sie darum zu bitten -, daß Sie einmal prüfen, ob die Dinge, von denen ich hier gesprochen habe, in Ordnung sind, ob diese Dinge, von denen ich hier gesprochen habe, notwendig waren, und daß wir versuchen, gemeinsam eine Antwort darauf zu finden, wie wir gemeinsam einen Beitrag dazu leisten können, das Ansehen und die Glaubwürdigkeit unseres Landes stärker zu machen als bisher.
({14})
- Herr Memmel, was kann ich schließlich dafür, wenn Sie es ablehnen, darüber zu diskutieren?
({15})
Was können wir schließlich dafür, wenn Sie jedes Wort der Kritik als Gift und Galle bezeichnen und es damit von vornherein ablehnen, über diese Dinge zu diskutieren?
({16})
Meine Damen und Herren, wenn Sie über diese Frage nicht diskutieren wollen, muß ich natürlich fragen - und das möchte ich gerne wissen -, wie Sie sich dazu stellen wollen und ob diese mangelnde Bereitschaft zur Diskussion nicht im Grunde ein Mangel an Willen zur Bereinigung dieser Dinge ist.
Allein damit, daß Sie das hier als eine Art Diffamierung bezeichnen und daß Sie sich lauthals dagegen wehren, werden die Dinge nicht ausgeräumt. Wenn sie vom Tische sollen, wird es notwendig sein, daß wir eine Wiederholung solcher Dinge nicht zulassen, daß Sie sich gemeinsam mit uns - und seien Sie gewiß, daß Sie unsere volle Unterstützung dabei haben - gegen diese Dinge wehren und daß wir gemeinsam einen Beitrag dazu leisten, nicht nur das Problem des Antisemitismus, sondern das ganze Problem der Bewältigung unserer Demokratie und das Problem ihrer Glaubwürdigkeit so zu lösen, daß das Parlament und diese Regierung die Rolle einnehmen und einhalten, die sie in dieser Demokratie haben, nämlich in der Gesamtheit des Volkes eine Führung zu übernehmen, eine Führung weg von der Vergangenheit und zu einer ernstgenommenen und geliebten Demokratie.
({17})
Das Wort hat der Bundesminister des Innern.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß ehrlich gestehen, es tut mir eigentlich etwas leid, daß die Debatte heute in dieser Weise abzuschließen scheint,
({0})
nachdem wir uns auf einem sehr viel besseren Weg befunden haben. Trotzdem nötigt mich die Verpflichtung meines Amtes, zu einigem Stellung zu nehmen, was gerade ausgeführt worden ist. Ich tue das in wenigen Punkten.
Der Kollege Jahn hat damit begonnen, daß er das Klima aus zehn Jahren zu schildern versuchte. Ich kann das nicht als eine sehr fundierte Betrachtung des Klimas aus jener Zeit empfinden. Seine Methode war bereits unzulänglich. Er hat etwas getan, was jemandem leichter fiele, der auch die ersten vier Jahre, nämlich den Auftakt, in diesem Hause miterlebt hat.
Er hat die Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers nachgelesen, aber es ist ihm ganz entgangen und das könnte er sehr leicht feststellen, wenn er die Protokolle aus dem Anfang nachsieht , in wie eindrucksvoller Weise zur Vergangenheit gemeinsam und für alle Stellung genommen worden ist. Er soll nur einmal die Rede des damaligen Alterspräsidenten Löbe nachlesen, eine Erklärung, die ja im Einvernehmen mit dem ganzen Hause abgegeben wurde.
({1})
- Herr Kollege Blachstein, ich komme gleich darauf zurück. Dann wird er sehen, daß wir uns von Anfang an darum bemüht haben, ein richtiges Verhältnis zur Vergangenheit zu finden. Ich habe mir vorhin erlaubt, auszuführen, wo die Schwierigkeiten dafür liegen.
Nun sagen Sie etwas darüber - entschuldigen Sie, ich kann es nur kleinlich finden; es ist vielleicht nur zu verstehen, wenn jemand es nicht von Anfang an miterlebt hat -, wie sich in diesem Hause Konstituierung des Hauses und Wahl des Bundespräsidenten, Rede des Bundespräsidenten usw. abgespielt haben. Das waren doch damals ganz allgemeine und gemeinsame Erklärungen des Hauses. Man soll nun nicht untersuchen, ob die Regierungserklärung wieder alles aufgezählt hat, was schon wenige Tage vorher ganz allgemein, mit Billigung aller und für alle gesagt worden ist. Man muß zur Ehre des Hohen Hauses sagen, daß es damals in der Betrachtung der Vergangenheit offensichtlich nicht so viele Differenzen gegeben hat wie heute.
({2})
Das ist das erste, was ich sagen möchte, und was ich sage, läßt sich sehr leicht durch ein Studium dieser ersten Protokolle erhärten.
Das zweite ist ein Angriff auf den Herrn Bundeskanzler, den ich wirklich nur als unfair bezeichnen kann, er ist wirklich ausgesprochen unfair.
({3})
Sie haben gesagt, der Bundeskanzler sei jetzt zum erstenmal sozusagen wohlberechnend nach Bergen-Belsen gegangen. Anscheinend stellen wir alle den Typ des wahlberechnenden Politikers dar, die Idealisten sitzen offenbar irgendwo anders. Nun, Herr Kollege Jahn, andere sind sicherlich sehr gern bereit - und das ist in der Debatte z. B. durch den Kollegen Schmid geschehen -, dem Bundeskanzler zu bezeugen, daß er gerade auf dem Gebiet der richtigen Politik gegenüber ,den jüdischen Emigranten, den Wiederzurückgekehrten, unseren jüdischen Mitbürgern und darüber hinaus gegenüber dem Staat Israel geradezu ein Vorkämpfer gewesen ist.
({4})
Sie können ganz sicher sein, meine Damen und Herren, daß der Herr Bundeskanzler über jenen Vorfall in der Weihnachtsnacht in Köln nicht nur ebenso empört war wie wir alle - ich sage ausdrücklich: wie wir alle -, sondern ganz besonders deswegen, weil er wenige Wochen vorher ein Redner bei der Einweihungsfeier der Synagoge gewesen ist. Er hielt den Vorfall geradezu für auch gegen sich, nicht nur gegen unsere jüdischen Mitbürger gerichtet; er fühlte sich, da er sich so mit ihnen identifiziert hat, auch selbst im Persönlichsten getroffen. Einen solchen Mann - ich habe jetzt keine Veranlassung, noch weiter über die jüdischen Freunde des Herrn Bundeskanzlers zu sprechen -, der ein so klar vor aller Welt liegendes record hat, um es einmal englisch auszudrücken, den sollte man nicht in der Weise angreifen, wie Sie das gerade mit dem Hinweis auf Bergen-Belsen getan haben.
({5})
Ich komme zum dritten Punkt. Sie werden verstehen, daß ich darüber nicht mit der Autorität des Herrn Bundeskanzlers sprechen kann. Aber der Herr Bundeskanzler hat erst vor wenigen Tagen in einer öffentlichen Versammlung zu den von Ihnen in bezug auf meinen Kabinettskollegen Professor Oberländer aufgeworfenen Fragen Stellung genommen. Ich nehme lediglich Bezug darauf und möchte dem nichts hinzufügen.
({6})
- Es fällt schwer, bei Ihnen nicht auf Abwege geführt zu werden, aber Sie werden mich von meinem Gedankengang nicht abbringen.
Der Herr Kollege Heiland hat soeben den Zwischenruf gemacht, der Herr Bundeskanzler habe dort gesagt: Was ist schon ein Minister? Welch falsche Darstellung!
({7})
- Ich meine natürlich: falsche Darstellung des Kollegen Heiland, damit wir uns hier richtig verstehen.
({8})
- Nein, er hat es eben nicht gesagt, sondern er hat dort ausgedrückt - ich habe es übrigens nachher noch einmal aus seinem eigenen Munde gehört, als er die Szene der Versammlung noch einmal ausführlich schilderte , daß man die Bedeutung eines Ministers nicht überschätzen solle. Wie Sie wissen, war er, als die Zwischenrufe kamen, mit dem Satz nicht zu Ende, und er sagte 'dann, daß Sie hier, der eine oder andere Vorsitzende einer großen Partei, unter Umständen viel einflußreicher seien als Minister.
({9}) Nun, ich führe ein solches Amt.
({10})
- Warum wollen Sie Ihren Einfluß eigentlich so klein machen, das kann ich nun überhaupt nicht verstehen.
Was der Bundeskanzler gesagt hat, ist doch ganz sicher zutreffend, wenn man es nicht - und das ist leider heute schon mehrfach geschehen - einfach mißdeuten will. Sollten wir uns nicht angewöhnen, den Versuch zu machen, Erklärungen, die vielleicht aufs erste nicht ganz eindeutig zu sein scheinen, nicht immer nach der negativsten Seite, sondern zum Guten, zum Besseren und zum Besten auszulegen?
Ich bleibe dabei, daß der Herr Bundeskanzler völlig recht hat: Die Rolle des Vorsitzenden oder stellvertretenden Vorsitzenden einer großen oder auch einer mittleren oder kleineren Partei muß in der
B) parlamentarischen Demokratie genauso wichtig sein wie die eines Ministers, ja, wie der Bundeskanzler meint, unter Umständen wichtiger. Ich bin der festen Überzeugung, in ihnen gibt es viele Vorsitzende aus der ersten Reihe, die gar nicht die Absicht haben, mit einem Minister zu tauschen.
({11})
Aber nun noch einmal zurück zu dem Kernpunkt in dieser Frage! Der Bundeskanzler hat dort in der öffentlichen Erörterung, wenn ich nicht irre, klar auseinandergesetzt - und das entspricht auch einer Erklärung, wie ich Ihnen in Parenthese sagen kann, die der Bundesparteivorstand der CDU abgegeben hat -, daß Minister Oberländer, lange bevor er nach Bonn kam, Staatssekretär in einem Kabinett der großen Koalition in Bayern war, und ausgerechnet Staatssekretär in dem Ressort des früheren Ministerpräsidenten und Staatsministers Hoegner, von dem ich ganz sicher bin, daß er alles getan haben wird, seine eigene politische Verantwortlichkeit wahrzunehmen. Meine Damen und Herren, ich glaube, wir sollten doch, wenn wir nun schon historische Betrachtungen anstellen, ein wenig auch die Verantwortlichkeiten ins Spiel und ins Bild bringen. Es ist ja furchtbar leicht, sich immer wieder von Dingen zu trennen, die man sonst politisch ganz richtig gefunden hat.
({12})
Das sollte man nicht tun. Das Ganze ist geschehen
auf Grund eines, wie ich annehme, in der amerikanischen Zone sogar besonders scharfen Entnazifizierungsverfahrens. Wenn gegen irgend jemand Umstände vorgebracht werden können, die wirklich völlig neu sind, die bisher völlig unbekannt waren, die nicht alle aus der Zusammenarbeit von früher kannten, dann mag sehr wohl ein Anlaß sein, etwas neu zu prüfen, und Sie wissen, mit welchem Bemühen Professor Oberländer dabei ist, gerade die sehr, sehr üblen Vorwürfe hinsichtlich Lembergs in einer einwandfreien Weise aus der Welt zu räumen. Man sollte ihn dabei nicht stören, sondern sollte ihm dabei die nötige Ruhe lassen und die nötige Hilfestellung geben.
({13})
- Ja, das meine ich im Ernst. Wer von Ihnen - und das wissen Sie ja schließlich auch - kann nicht in die Lage kommen, schweren Angriffen ausgesetzt zu werden, und wer erwartet dann nicht, daß man ihm Ruhe und Gelegenheit gibt, derartige Vorwürfe auszuräumen?
({14})
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte sehr!
Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß Herr Dr. Oberländer auf ausdrücklichen Wunsch der CSU in das damalige bayerische Koalitionskabinett aufgenommen wurde?
({0})
Herr Kollege Jaksch, ich bin kein besonderer Kenner bayerischer Politik, das werden Sie mir sicherlich gern abnehmen; aber soviel ist für mich ganz sicher, daß man damals - man schrieb das Jahr 1950 -über jeden, der in dieses Kabinett eintreten sollte, sehr eingehend überlegt und gesprochen hat.
({0})
- Ich weiß gar nicht, woher die Anregung kam, ob sie vom BHE oder von der CSU kam.
({1})
Aber, Herr Kollege Jaksch, das ist nun einmal das Wesen der Verantwortung, daß man, wenn man sich einmal entschlossen hat, etwas zu tun, ganz gleich, ob man es vorgeschlagen hat oder nicht, dann auch die Verpflichtung hat, dazu zu stehen, bis sich etwa ganz neue Dinge ergeben.
({2})
- Es ist sehr einfach zu erklären, warum ich in dem Zusammenhang Hoegner nannte: weil Hoegner aus jenem Kabinett - ich weiß nicht, wer jenes Kabinett damals geführt hat - ({3})
A) Bundesminister Dr. Schröder
- Nun gut! Kommen Sie bitte nicht auf die Idee, meine Damen und Herren, ich sei jetzt dabei, irgendeine Personalie der SPD anzulasten.
({4})
- Dann wollen wir den Eindruck völlig ausräumen. Ich spreche vielmehr von Verantwortlichkeiten, die man übernimmt, und wer in einer Koalitionsregierung ist, der trägt für das, was dort geschehen ist, auch dann eine Verantwortung, wenn die Koalition nicht mehr bestehen sollte. Ich glaube aber, auf diese Sache brauche ich im Augenblick nicht weiter einzugehen.
Es sind dann noch - das ist mein nächster Punkt - einige ganz falsche Dinge gesagt worden.
Ein Lieblingsschlager sozialdemokratischer Publikationen ist immer wieder Herr Dorls als Spitzel. Herr Dorls als Spitzel! Als ob wir auf Herrn Dorls angewiesen wären!
({5})
- Warum Sie das erheitert, weiß ich gar nicht. Ich kann Ihnen versichern: wir sind in gar keiner Weise auf Herrn Dorls angewiesen. Herr Doris wurde hier damals in einem wichtigen Verfahren als ein Zeuge benötigt, und Sie werden - das habe ich im Ausschuß für Verfassung, ich glaube, mehrfach ausgeführt - ({6})
- Was die Staatsanwaltschaften und Untersuchungsbehörden tun, um Zeugen zu honorieren, liegt ganz außerhalb meines Bereichs. Jedenfalls: er wurde nicht als Spitzel, sondern als Zeuge zur Überprüfung einer Zeugenaussage benötigt. Aber daß sich Herr Dorls in die heutige Antisemitismus-Debatte verirren sollte, das hätte ich wahrlich nicht gedacht.
({7})
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Herr Bundesinnenminister, warum verschweigen Sie, daß nach den Akten im gerichtlichen Verfahren gegen Herrn Hertslet feststeht, daß Herr Dorls nicht als Zeuge gebraucht wurde und auch nicht als Zeuge nach Ägypten geschickt wurde, sondern daß er vor Beginn des staatsanwaltschaftlichen Verfahrens im Auftrage des Bundesamtes für Verfassungsschutz zweimal nach Ägypten geschickt wurde, auf Steuerkosten, einmal zwei Wochen und einmal drei Wochen, um dort überhaupt erst Material gegen einen anderen Staatsbürger, Herrn Hertslet, zu beschaffen, um dann, falls dieses Material stechen würde, erst ein Verfahren zu beginnen?
Herr Kollege Menzel, ich weiß, Sie haben sich zu einer Art Spezialisten für den Fall Doris entwickelt. Ich
bin in dem Falle nicht ein solcher Spezialist wie Sie. Aber ich kann Ihnen nur noch einmal sagen:
({0})
Herr Doris wurde nicht als Spitzel verwendet, sondern er wurde, um eine ganz bestimmte Aussage - so habe ich jedenfalls die Sache in Erinnerung - eines ganz bestimmten anderen Mannes zu erhärten, nach Ägypten geschickt.
({1})
- Sie wollen mich hoffentlich nicht der Unwahrheit zeihen!
({2})
Ich bin sehr weit gegangen in der Zulassung von Ausführungen, die vom Thema ziemlich abweichen. Der Fall Oberländer gehört meines Erachtens noch dazu; ob es zweckmäßig ist, ihn heute oder bei der Etatdebatte anzusprechen, ist eine Frage, die ich nicht zu entscheiden habe. Aber wenn wir den Fall Doris und was weiß ich sonst noch alles hier durchhecheln, kommen wir vom Hundertsten ins Tausendste. Ich muß also bitten, doch zum Thema zurückzukehren.
({0})
Herr Präsident, ich füge mich gern Ihrer Anregung, gestatte mir aber zu sagen, daß ich nur auf etwas geantwortet habe, was vorher vorgetragen worden
war
({0})
Sie haben mich mißverstanden, Herr Minister. Ich habe diese Worte nicht an Ihre Adresse gerichtet, sondern an alle.
Meine Damen und Herren, ich kann den Fall Dorls nun wirklich ohne Schwierigkeiten verlassen. Mit Herrn Kollegen Menzel werde ich mich über die Sache bestimmt nicht einigen können.
Aber nun kommt ein Punkt, über den wir uns vielleicht sehr viel schneller verständigen werden. Herr Kollege Jahn hat hier behauptet, daß wir den Film „Nacht und Nebel" - in der Tat ein sehr eindrucksvolles Filmwerk - hätten verhindern wollen. Herr Kollege Jahn, ich habe vorhin vorgetragen, daß wir weit über 100 Kopien des Films unter die Leute gebracht haben. Es besteht also kein Anlaß, zu behaupten, wir hätten ihn verhindert.
({0})
Im Gegenteil, wir haben ihn kräftig verbreitet.
Sie haben dann etwas gesagt, was ich sehr ernst nehme und wo ich Sie bitte, mit Roß und Reiter, Mann und Namen herauszukommen. Sie haben gesagt, es säßen in den Bundesbehörden - wenn ich es richtig in Erinnerung habe; für die Länder kann ich natürlich nicht sprechen - Verfolgte, die sich schlecht behandelt fühlten. Ich resümiere etwas
kurz. Dann machen Sie uns bitte - die Diskretion ist Ihnen zugesichert - konkrete Angaben; dann werden wir sehen, ob es wirklich berechtigte Beschwerden sind, denen man abhelfen kann und muß.
Ein Wort muß ich noch für meinen Kollegen Schäffer sagen, der leider heute nicht hier ist. Er würde es sehr viel eindrucksvoller tun können als ich. Aber Herr Jahn hat mir das Stichwort selbst geliefert. Er hat mitgeteilt, daß Herr Schäffer dieselben Ausführungen schon einmal als „giftige Pfeile" gegen ihn bezeichnet habe. Nun kann ich nicht beurteilen, ob die Pfeile wirklich ganz giftig waren. Wenn Herr Schäffer sie jedoch als solche empfunden hat, dann wird das, möchte ich meinen, von der Wahrheit nicht sehr weit entfernt sein.
({1})
Meine Damen und Herren! Daß Herr Schäffer ein Mann ist, der auch nach seinem Ausscheiden als Bundesminister der Finanzen ein ganz berechtigtes und nach seiner historischen Stellung auch sehr persönliches Interesse an der Sicherheit der Währung nimmt, ist ganz sicher, und er ist so gut wie jeder andere von uns berechtigt, auf Gefahren aufmerksam zu machen, die sich aus finanziellen Gestaltungen ergeben. Aber damit Herrn Schäffer als einen Gegner der Wiedergutmachung hinzustellen - und darauf läuft das Ganze doch wohl heraus -, wäre ganz sicher nicht richtig. Das muß ich, ohne von ihm eine Vollmacht dazu zu haben, sozusagen in seinem Namen nachdrücklich zurückweisen.
({2})
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte.
Herr Minister, sind Sie nicht auch der Meinung, daß es außer der Wiedergutmachung noch eine Menge von Gebieten gibt, auf denen wir teilweise erheblich höhere Leistungen erbringen, so daß der Einwand, die Währung sei gefährdet, dort mindestens ebensosehr, wenn nicht noch viel mehr, berechtigt ist?
({0})
Diese Zwischenfrage lasse ich nicht zu; sie liegt außerhalb des Themas.
Sie machen es mir schwer, Herr Präsident. Ich darf also auch nicht antworten.
Darf ich vielleicht in meinem Gedankengang fortfahren. Ich 'bin mit Ihnen der Überzeugung, daß Wiedergutmachung nicht etwa erörtert werden kann in einem Sinne, als ob sie finanziell sozusagen der Nagel zu unserem Sarg wäre. Das wäre sicherlich nicht richtig.
({0})
Aber wenn wir über die großen Verpflichtungen sprechen, die wir allmählich zusammenkontrahiert haben, dann wird man das zu jeder Position tun dürfen, ohne damit in den Ruf zu kommen, gegen die Wiedergutmachung zu sein.
Damit, meine Damen und Herren, möchte ich schließen. Ich habe sonst der Debatte nicht mehr viel nachzutragen. Ich glaube, insgesamt ist heute doch zum Ausdruck gekommen, daß wir eine gemeinsame Grundlinie in der Betrachtung des Problems haben, das durch die Vorgänge in Köln nicht als neues Problem entstanden ist, mit dem wir aber von neuem konfrontiert worden sind. Ohne optimistisch zu sein, glaube ich doch, meine Damen und Herren, daß das Gesamtergebnis der heutigen Debatte dem Anliegen, um das es geht, im letzten doch nützen wird.
({1})
Meine Damen und Herren, ich muß einen Augenblick unterbrechen.
Ich muß auf den Zwischenfall von vorhin zurückkommen. Das unkorrigierte Protokoll liegt mir jetzt vor. Es hat sich folgendes ereignet. Der Kollege Jahn hat in seiner Rede gesagt:
Ich werde hier keine Debatte „Oberländer" machen.
Zwischenruf des Abgeordneten Rasner:
Dann kriegen wir auch keine Wehner-Debatte! Herr Jahn fährt fort:
Herr Rasner, seien Sie vorsichtig mit dem Wort von der Wehner-Debatte!
Im unkorrigierten Protokoll heißt es dann weiter:
Abg. Wehner: Sie sind ein Strolch, Herr Rasner! Nehmen Sie das zur Kenntnis! - Gegenruf des Abg. Rasner: Ich glaube Ihnen auch das nicht! - Zurufe von der SPD: Unerhört! - Abg. Wehner: Lasse ich mich von diesen Leuten beschimpfen, besudeln?
Weitere Zurufe und Gegenrufe sind im einzelnen von den Stenographen nicht verstanden worden.
Der Zuruf „Dann kriegen wir auch keine Wehner-Debatte!" geht über den Rahmen dessen, was zulässig ist, nicht hinaus, ist aber im Zusammenhang mit verschiedenen früheren Bemerkungen usw. immerhin aufreizend. Ich hätte also, wenn der Kollege Wehner hier im Saale wäre, ihn, weil er gereizt war, gefragt, ob er die Bezeichnung „Strolch", die zweifellos über die Grenzen des Zulässigen hinausgeht, zurückzunehmen in der Lage sei. Er ist nicht anwesend; ich kann die Frage nicht an ihn stellen. Ich rufe ihn wegen seiner Äußerung zur Ordnung.
Der Zwischenfall ist erledigt.
Das Wort hat der Abgeordnete Brück.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte doch dem
Hohen Hause einmal folgendes zur Kenntnis bringen. In der 150. Sitzung des Deutschen Bundestags vom 20. Juli 1956 hat der Kollege Neumann von der Sozialdemokratischen Partei ähnliche Ausführungen zu der Person des Herrn Staatssekretärs Dr. Globke gemacht, wie sie Herr Jahn heute gemacht hat. Auf Grund dieser Ausführungen habe ich mich damals an einen Mann gewandt, von dem ich glaubte, daß er in der Lage sei, zur Person des Herrn Staatssekretärs in bezug auf seine Vergangenheit etwas zu sagen. Der Mann, an den ich mich gewandt habe,
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ist der Präsident des Deutschen Roten Kreuzes, Herr Dr. Weitz. Herr Dr. Weitz hat mir auf meinen Brief am 12. Februar 1957 folgendes mitgeteilt - Herr Präsident, gestatten Sie mir, daß ich das dem Hohen Hause wörtlich mitteile -:
Betrifft: Herrn Staatssekretär Dr. Hans Globke. Ich kenne Herrn Dr. Globke schon seit der Zeit, als er noch junger Assessor war, als einen besonders befähigten Juristen und Verwaltungsbeamten. Nach 1933 war er Stadtkämmerer in Aachen. Da ich mich für ihn wegen seiner seltenen fachlichen und menschlichen Eigenschaften sehr interessierte, habe ich die gegen ihn aus der Nazizeit erhobenen Vorwürfe besonders sorgsam geprüft.
Wichtig war vor allem die Frage, ob gegen ihn als Verfasser eines Kommentars über die nationalsozialistischen Judengesetze Vorwürfe erhoben werden konnten. Es haben mir mehrere Zeugnisse aus der Zeit vorgelegen, als Dr. Globke den Entschluß faßte, den Kommentar zu verfassen, unter anderem meiner Erinnerung nach auch von Deutschen jüdischer Abstammung. Diese Aussagen gingen klar dahin, daß Dr. Globke den Kommentar verfaßt hat, um den Juden zu helfen.
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Dies ist auch ganz zweifellos durch den Kommentar möglich gewesen. Der klassischste Kronzeuge hierfür war mein früherer Kollege in der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen, Innenminister Dr. Menzel, MdB, der mir bei aller kritischen Einstellung gegen Dr. Globke wörtlich sagte: „Der Kommentar ist für mich als Verteidiger von Juden in der Nazizeit eine Fundgrube für die Verteidigung gewesen."
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Im übrigen weiß ich aus persönlichen Erfahrungen, daß Dr. Globke niemals mit den Nazi-Ideen sympathisiert hat.
Auf Grund der genauen Kenntnis der fachlichen und persönlichen Eigenschaften von Dr. Globke habe ich seinerzeit in der Landesregierung von NRW vorgeschlagen, Herrn Dr. Globke als Vizepräsident des Landesrechnungshofes zu berufen. In der Kabinettssitzung ist die politische Vergangenheit von Dr. Globke ebenfalls
besprochen und für ihn so positiv geklärt worden, daß meiner Erinnerung nach die Landesregierung seine Berufung einstimmig
- unterstrichen beschlossen hat usw.
gez. Dr. Weitz
Ich wollte dem Hohen Hause das nur mitteilen,
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Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
-- damit Sie wissen, wie der Präsident des Deutschen Roten Kreuzes über Herrn Dr. Globke gedacht hat.
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- Bitte, Herr Jahn!
Verzeihung, das ist vorbei!
Das Wort hat der Abgeordnete Deist.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir, daß ich namens der sozialdemokratischen Fraktion zu dem eben durch einen Ordnungsruf abgeschlossenen Zwischenfall Rasner/ Wehner in drei Sätzen eine kurze Erklärung abgebe.
Jedes Mitglied unserer Fraktion empfindet die
durch Herrn Rasner vorgenommene Gleichstellung
des Falles Oberländer mit unserem Freunde Herbert Wehner als eine unerträgliche Beleidigung. ({0})
- Wir dürfen doch wohl unsere Auffassung hier im Parlament noch sagen.
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Ich bitte doch, den
Redner nicht immer zu unterbrechen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir wissen aus jahrelanger Zusammenarbeit und intensiver Kenntnis der Arbeit unseres Freundes Herbert Wehner, daß es nicht sehr viele Menschen in Deutschland gibt, die, geläutert
durch bittere Erfahrungen, so überzeugte Demokraten sind wie Herbert Wehner
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und die in ihrer praktischen Arbeit so leidenschaftlich für eine Demokratisierung unseres öffentlichen Lebens eintreten wie er.
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Darum wird sich jedes Mitglied unserer Fraktion gegen derartige Gleichstellungen mit derselben Leidenschaft wehren, wie das Herbert Wehner heute selbst getan hat.
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Das Wort hat der Abgeordnete Rasner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich vermag nicht zu verstehen, was, wenn ich die Frage aufwerfe, ob wir auch einmal über den Kollegen Wehner und, so füge ich jetzt hinzu, seine politische Vergangenheit debattieren wollen, daran beleidigend sein soll. Es ist ja doch wohl anscheinend - -({0}) Es ist ja doch wohl anscheinend so -
Einen Augenblick, jetzt spricht der Präsident! Nach § 40 der Geschäftsordnung ist der Ordnungsruf und der Anlaß dazu nicht von nachfolgenden Rednern zum Gegenstand der Debatte zu machen, Herr Kollege.
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- Jetzt lassen Sie mich doch den Satz zu Ende sprechen! Sind Sie denn so aufgeregt?
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Ich habe das bei Herrn Deist zugelassen und habe die ersten Sätze bei Herrn Rasner auch zugelassen. Ich möchte es aber nicht weiter ausgesponnen sehen, sonst kommen wir zu sehr in einen Verstoß gegen den § 40 hinein.
Ich will versuchen, in drei oder vier Sätzen abzuschließen. Mein Zwischenruf hatte den Sinn, darzustellen, daß ich es nicht für fair halte, wenn man über jemand, der einer totalitären Weltanschauung verhaftet war,
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- einer totalitären Weltanschauung verhaftet war und jetzt bei der SPD ist, anscheinend nicht sprechen darf, daß man aber über jemand, der einmal
einer totalitären Weltanschauung nahestand und jetzt bei uns ist, pausenlos sprechen darf. Meine Herren, das ist zweierlei Maß.
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Im übrigen: von mir ist keine Behauptung aufgestellt, sondern lediglich gesagt worden - nun komme ich noch auf ein Weiteres zurück -: wenn hier über Personalien gesprochen wird - und es war nicht der Sinn der heutigen Debatte, über Personalien zu sprechen -, dann bitte über Personalien nicht nur aus den Reihen der CDU, sondern auch aus den Reihen der SPD. Ist es aber nicht unser gutes Recht, dies zu sagen?
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Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Debatte ist geschlossen.
Mir ist mitgeteilt worden, daß im Hause allgemein eine Abrede dahin getroffen ist, den nächsten Punkt der Tagesordnung - Erste Beratung des von der SPD eingebrachten Entwurfs eines .Bundesurlaubsgesetzes, Drucksache 1376 - heute nicht zu behandeln. Die Beratung soll auf morgen vormittag verschoben werden.
Zu einer persönlichen Erklärung Herr Abgeordneter Menzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Während ich außerhalb des Sitzungssaales war, soll Herr Kollege Brück aus einem Brief
- soweit ich höre, von Herrn Dr. Weitz - eine Stellungnahme von mir über den Kommentar des Staatssekretärs Globke zitiert haben. Ich habe soeben versucht, den Brief zu erhalten; das ist mir nicht gelungen.
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- Sie können gewiß sein, ich hätte Ihnen diesen Brief nicht gestohlen. - Ich bin also nicht in die Lage versetzt, festzustellen, was Herr Weitz wann an wen geschrieben haben soll. Ich darf aber feststellen, daß das, was hier vorgetragen worden sein soll - ich hätte den Kommentar von Herrn Globke gelobt -, nicht den Tatsachen entspricht.
Das war eine persönliche Erklärung. Die Debatte ist geschlossen.
Ich habe Ihnen schon mitgeteilt, daß die Absicht besteht, den nächsten Punkt der Tagesordnung erst morgen zu verhandeln. Wir sind damit am Ende der heutigen Sitzung angekommen.
Ich berufe die nächste Sitzung auf morgen vormittag, 9 Uhr.
Die Sitzung ist geschlossen.