Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Heute bringen wir als Fortschrittkoalition zu einem guten Ende,
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was die unionsgeführte Vorgängerregierung in der letzten Wahlperiode nicht mehr geschafft hat. Denn eigentlich hätte die europäische Hinweisgeberrichtlinie bereits bis zum 17. Dezember 2021, also morgen vor einem Jahr, umgesetzt werden müssen. Heute beschließen wir als Deutscher Bundestag das Gesetz für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen und schaffen dadurch endlich mehr Rechtssicherheit, meine Damen und Herren.
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Denn Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber leisten einen wichtigen Beitrag zur Aufdeckung und Ahndung von Missständen und gesetzlichen Verstößen, sind aber bislang oft nur sehr unzureichend geschützt. Die allermeisten Unternehmen handeln natürlich ohnehin nach Recht und Gesetz, schaffen Arbeitsplätze, sorgen für Wohlstand im Land, und sie haben zudem selbst ein Interesse daran, dass Missstände im eigenen Unternehmen erkannt und angezeigt werden, um sie selbst schnellstmöglich zu beheben. Ein effektives Meldeverfahren und ein entsprechendes Compliance-Management sind daher keine Schikane, sondern eine echte Chance für Unternehmen, noch besser zu werden, meine Damen und Herren.
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Viele Unternehmen haben das schon längst selbst erkannt und entsprechende Vorkehrungen getroffen, haben bereits Compliance-Abteilungen und Hinweisgebersysteme geschaffen. Mit dem heute vorliegenden Gesetzentwurf sorgen wir für den notwendigen Schutz hinweisgebender Personen, ohne dabei Unternehmen unnötig zu belasten.
Rechtssicherheit und Praxistauglichkeit – das waren die größten Herausforderungen bei der Umsetzung der europäischen Richtlinie. Der Bundesjustizminister und sein Haus haben aus der Richtlinie schon einen sehr, sehr guten Gesetzentwurf gemacht. Vielen Dank für die Vorarbeiten hierfür! In der Koalition haben wir den Entwurf noch einmal intensiv und sehr konzentriert beraten und noch an einigen Stellen ein paar weitere Verbesserungen vornehmen können. Dafür auch meinen Dank an meinen Berichterstatterkollegen Fiedler und Kollegen Dr. Steffen!
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Auf ein paar Punkte, die mir wichtig sind, möchte ich jetzt noch kurz eingehen:
Erstens. Wir ermöglichen Konzernmeldewege. Das ist extrem wichtig und in der Sache auch völlig richtig. Natürlich macht es Sinn, dass in einem Konzern, aber auch bei Organisationen wie dem Deutschen Roten Kreuz nicht jede kleinste Einheit mit gerade mal 50 Mitarbeitern eine eigene Meldestelle einrichten muss. Es ist doch die Konzernzentrale, die Leitung des Ganzen, die wissen muss, was bei ihren Tochterunternehmen vor sich geht, um hier Abhilfe zu schaffen.
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Zweitens. Wir schaffen Anreize dafür, dass sich der Hinweisgeber zunächst an den internen Meldeweg halten soll.
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Denn eigentliches Ziel ist es doch nicht, dass jemand extern und öffentlich angeprangert wird, sondern dass intern bekannt wird: Wir haben bei uns im Unternehmen Missstände. Und die wollen wir selbst abstellen.
Drittens. Wir sehen nun vor, dass auch anonyme Meldungen bearbeitet werden müssen, und zwar nicht nachrangig zu nicht anonymen Meldungen. Denn es macht doch keinen Sinn, wenn ein Unternehmen zum Beispiel auf anonymem Wege von gravierenden Missständen Kenntnis erhält, das aber zurückstellen muss, weil andere, nicht anonym gemeldete Bagatellen zunächst einmal bearbeitet werden müssen.
Viertens. Gerade nach den Erkenntnissen über rechtsextreme Chatgruppen in Behörden und im Zusammenhang mit den Razzien in der Reichsbürgerszene ist es doch absolut richtig, dass Hinweisgeber auch geschützt werden müssen, wenn sie Verstöße gegen die Pflicht zur Verfassungstreue in Behörden melden. Extremisten, Reichsbürger, Faschisten, Neonazis haben in unseren Behörden einfach nichts verloren, meine Damen und Herren.
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Lassen Sie mich abschließend noch Stellung nehmen zu einigen Befürchtungen, die in der Öffentlichkeit geschürt worden sind:
Erstens. Das Hinweisgeberschutzgesetz fördert kein Denunziantentum. Es schürt auch keinen Generalverdacht gegen Unternehmen. Vielmehr schafft das Gesetz die rechtlichen Voraussetzungen dafür, dass zunächst Unternehmen selbst von Fehlentwicklungen und Missständen Kenntnis erhalten und selber die Möglichkeit haben, diese Missstände abzustellen.
Der Hinweisgeberschutz greift dann nicht, wenn Hinweisgeber bewusst Falschmeldungen nach außen geben. Die Unternehmen selber sagen uns doch: Wir gehen ja ohnehin allen Hinweisen nach, völlig egal, ob sie im Anwendungsbereich des Gesetzes liegen oder außerhalb; denn für uns Unternehmen ist einzig entscheidend, ob es sich um substantiierte Hinweise handelt.
Ein abschließendes Wort an die Union. Was ich mir gewünscht hätte, wäre gewesen, dass die Union dieses Vorhaben konstruktiver, positiver begleitet hätte.
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Denn wir bringen hier zu Ende, was Sie in Ihrer Zeit nicht geschafft haben.
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Schade, dass wir auf Ihre Hilfe nicht vertrauen konnten!
Mein Dank geht an den Justizminister, an das Ministerium und an die Kolleginnen und Kollegen der anderen Fraktionen der Koalition für die wertvolle Mitarbeit. Ich bedanke mich und freue mich, dass wir heute dieses Gesetz verabschieden können.
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Nächster Redner: für die CDU/CSU-Fraktion Dr. Martin Plum.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die heutige Debatte bietet einen guten Anlass, mit einigen Aussagen aus dem Reich der Märchen-, Sagen- und Fabelwelt aufzuräumen. Ausgesprochen oder geschrieben haben sie nicht etwa die Gebrüder Grimm, sondern die Brüder und Schwestern Ampelkoalitionäre.
Erste Aussage: „Wir setzen die EU-Whistleblower-Richtlinie rechtssicher und praktikabel um.“
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Dieses Stück Prosa findet sich in Ihrem Koalitionsvertrag. Der vorliegende Gesetzentwurf ist weder das eine noch das andere.
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Er wimmelt von unbestimmten Rechtsbegriffen. Er klärt sein Verhältnis zu bestehenden Meldesystemen, etwa nach dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, nicht. Er schafft keinerlei Anreize für die sinnvolle Nutzung interner Meldewege. Aufgaben und Befugnisse der Meldestellen bleiben schwammig. Das Verhältnis der externen Meldestellen zu anderen Behörden bleibt unabgestimmt. Das ist rechtsunsicher, das ist unpraktikabel, und das ist in Summe ein großes Beschäftigungsprogramm für unsere ohnehin überlasteten Gerichte.
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Zweite Aussage: „Hinweisgeberschutz ist Unternehmensschutz.“ Dreimal haben Sie, lieber Herr Bundesminister Buschmann, diese drei Worte in der ersten Beratung des Gesetzentwurfs am 29. September gesagt,
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dreimal zu viel; denn das Gegenteil ist der Fall. 90 000 Unternehmen in unserem Land belasten Sie durch dieses Gesetz mit zusätzlichen Kosten und neuer Bürokratie und schenken ihnen noch nicht mal reinen Wein ein. Sie haben hier am 29. September behauptet – ich zitiere –, „70 Prozent der Großunternehmen und etwa 40 Prozent der KMUs“ hätten heute schon Meldestellen. Eine Studie vom 22. September, eine Woche zuvor, kommt zu einem ganz anderen Ergebnis: 19 Prozent der Unternehmen haben danach gerade mal „Hinweisgebersysteme vollständig implementiert“.
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Die kleinen und mittelständischen Unternehmen in Ihren Wahlkreisen werden sich sicher über dieses Weihnachtsgeschenk in ihrem Hausaufgabenheft freuen, liebe Ampelkoalitionäre.
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Dritte Aussage: „Wir nutzen alle Flexibilitätsspielräume der Richtlinie aus“. Auch das haben Sie, lieber Herr Bundesminister Buschmann, hier am 29. September gesagt. Und das führt Ihre Koalition mit Ihren Änderungsanträgen jetzt endgültig ad absurdum. Während die Richtlinie die Entscheidung, ob anonyme Meldungen möglich sind, den Mitgliedstaaten überlässt, satteln Sie an diesem Punkt munter drauf. Sie entscheiden sich nicht nur für anonyme Meldungen, sondern verpflichten 90 000 Unternehmen in unserem Land künftig dazu, anonyme Meldekanäle einzurichten. Und Sie tun das im vollen Bewusstsein, dass damit zusätzliche Kosten und Belastungen für die Unternehmen verbunden sind.
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In der Begründung Ihrer Änderungsanträge heißt es: Anonyme Meldekanäle – ich zitiere – „sind mit Zusatzkosten für die notwendigen technischen Vorrichtungen oder die Einschaltung einer Ombudsperson verbunden sowie mit einer zusätzlichen Belastung durch den erhöhten Aufwand für die Einrichtung der Meldestelle“. Erklären Sie auch das gerne mal persönlich in Ihren Wahlkreisen. Und vor allem, Herr Thomae, sagen Sie dann bitte auch, dass das keine unnötige Bürokratie für unsere Unternehmen ist.
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Vierte Aussage: „Uns ist es gelungen, die Rechtsansicht der Kommission zum Wohle der Unternehmen zu ändern“. Auch das haben Sie, lieber Herr Bundesminister Buschmann, hier am 29. September gesagt. Fragt man Ihr Ministerium, welche konkreten Änderungen das denn sein sollen, herrscht Schweigen im Wald. In der Antwort auf meine Frage heißt es – ich zitiere wieder –:
Das Bundesministerium der Justiz nimmt regelmäßig an den Treffen einer Expertengruppe teil … und bringt dort seine Rechtsansichten ein.
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Aha! Von Änderungen zum Wohle der Unternehmen keine Spur!
Fragt man dann gezielt nach der von Ihnen ausdrücklich in Bezug genommenen Konzernlösung – wieder Schweigen im Wald. Ich zitiere:
Der Austausch mit der ... Kommission zu dieser Frage ist noch nicht abgeschlossen.
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Aha! Von Änderungen zum Wohle der Unternehmen keine Spur! Fakt ist damit: Die sinnvolle Konzernlösung ist bis heute nicht europarechtlich abgesichert, und Sie lassen alle Konzernunternehmen damit im Regen der Rechtsunsicherheit stehen.
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Fünfte Aussage:
Es wird sorgfältig darauf geachtet, dass während der Krise keine unverhältnismäßigen zusätzlichen Bürokratielasten die Wirtschaft beeinträchtigen.
Das haben Sie, lieber Herr Bundesminister Buschmann, ausnahmsweise einmal nicht in der ersten Beratung gesagt. Es stammt aber vom selben Tag: Es ist Ihr groß postuliertes Belastungsmoratorium. Dass Sie das mit diesem Gesetz vollkommen ad absurdum führen, dürfte inzwischen jedem hier im Saal klar geworden sein. Aber gerne noch ein paar Zahlen: 90 000 Unternehmen in unserem Land belasten Sie schon nach der ursprünglichen Begründung Ihres Gesetzentwurfs mit einmaligen Kosten von rund 200 Millionen Euro und Folgekosten von weiteren 200 Millionen Euro Jahr für Jahr. Legt man realistischere Berechnungen zugrunde, sind es sogar 400 Millionen Euro Jahr für Jahr. Und die Zusatzkosten durch Ihre Änderungsanträge kommen noch on top. Fast eine halbe Milliarde Euro stellen Sie unseren Unternehmen damit jedes Jahr in Rechnung. Stellen Sie diese Rechnungen bitte vor Weihnachten persönlich den betroffenen Unternehmen in Ihren Wahlkreisen zu!
Fazit: Ihre Koalition verbindet nur ein Motto: Mehr Bürokratie wagen. Das ist die Formel, auf die Sie sich immer wieder gerne und genüsslich einigen, und das zeigt eines deutlich: Sie sind keine Regierungskoalition – Sie sind eine Regulierungskoalition.
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Nächster Redner: für die SPD-Fraktion Sebastian Fiedler.
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Liebe Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Interessierte! Das ist eigentlich eine ganz gute Gelegenheit, ein paar Dinge noch mal zurechtzurücken und sozusagen das Gesamtbild noch einmal zu schärfen. Denn es ist ja so: Wir stehen deswegen erst heute hier, weil in der letzten Legislatur mit der Union leider nichts hingekriegt worden ist. Wir hätten eigentlich schon vor anderthalb Jahren ein Gesetz haben können, wenn das mit Ihnen gegangen wäre.
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Dazu habe ich aber von Ihnen gar nichts gehört.
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Bürokratie war das Hauptthema.
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Ich finde, wir haben ein ganz gutes Gesetz hingekriegt. Das gibt mir jetzt die Gelegenheit, das noch einmal auch für alle Interessierten, die sich nicht mit allen Details beschäftigt haben, in den gesamten gesellschaftlichen Rahmen einzuordnen. Ich glaube, das ist nämlich wichtig. Denn man muss erklären: Wir haben uns in der Gesellschaft gewissen Normen und Werten verschrieben. Gesetze kommen demokratisch zustande. Normengerechtes Verhalten der Menschen trägt dazu bei, dass wir im gesellschaftlichen Frieden leben können, und das ist eigentlich etwas, was insgesamt zu selten diskutiert wird. Wir sprechen viel über gesellschaftlichen Zusammenhalt, und das eine hat mit dem anderen schon sehr viel zu tun.
Wir haben ganz viele Regulative in der Gesellschaft. Wir haben das im ganz Kleinen, in der Familie; da nennt man das „Erziehung“, wenn Verstöße gegen Normen passieren. Wir haben das in Organisationsformen: Wir kennen Schiedsgerichte bei Parteien oder bei Vereinen. Und wir kennen das auch hier im Raum: Die Frau Präsidentin kann Ordnungsmaßnahmen erlassen. Ich bin heute, ehrlich gesagt, ganz froh, dass ich nicht vor 50 Jahren geredet habe; denn, wie ich gehört habe, vor 50 Jahren hätte ich einen Ordnungsruf gekriegt, weil ich keine Krawatte trage.
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Also ist es offenbar so: Normen und Werte ändern sich auch.
Warum ich das alles erzähle? Das ist deswegen wichtig, weil – und das müssen wir noch einmal herausschärfen – es eben bestimmte Normen und Werte gibt, wo der Unrechtsgehalt so hoch ist, dass wir sagen: Wir haben Ordnungswidrigkeiten, Straftatenbestände definiert, und wir haben das Gewaltmonopol des Staates, also die staatlichen Organisationen damit betraut, diese entsprechend zu ahnden. Aber der Punkt, über den wir heute sprechen, ist die Frage der Aufdeckung, also: Wie kommt es überhaupt zur Aufdeckung? Es ist eben wichtig, dass diese Aufdeckung aus der Gesellschaft heraus kommt, weil wir das gerade nicht dem Gewaltmonopol überlassen wollen. Dann wären wir in einem Überwachungsstaat, so wie in China. Und das wollen wir eben alle nicht.
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Wenn wir jetzt über Hinweisgeber sprechen – „Whistleblower“ ist der englische Begriff –, dann ist das etwas aus der Normalität der Gesellschaft, aus der Normalität des Alltages. Eine Zahl: Etwa 90 Prozent der Strafverfahren, die bei der Polizei bearbeitet werden, kommen nur deswegen zustande, weil es Anzeigen und Hinweise gibt, und nicht etwa, weil die Ermittlungsbehörden etwas aufgedeckt haben. Zu den größten Skandalen, über die wir hier zu diskutieren hatten, ein paar Stichworte: Panama Papers, Paradise Papers, LuxLeaks, Suisse Secrets – also die größten Steuerfälle; unser Genosse Norbert Walter-Borjans könnte ein Lied davon singen, was das bedeutet.
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Da gibt es mehr Erfolge zu verzeichnen, als die größten internationalen Strafverfolgungsermittlungen überhaupt zu Tage gefördert hatten.
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Deswegen ist das sehr wichtig, und wir sollten die Gelegenheit nutzen. Lieber Herr Dr. Plum, dazu haben Sie keine Silbe verloren, dass es eben diesen mutigen Menschen und der Courage dieser Menschen zu verdanken ist. Sie genießen unseren Respekt und unsere Anerkennung und unseren allerhöchsten Dank, und ihnen gebührt ein großer Applaus an der Stelle.
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Sie haben nur über Bürokratie geredet, keine Silbe darüber verloren, welchen wertvollen Beitrag Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber leisten.
Und wir müssen deswegen ein Gesetz machen, weil es eben Schwächen gibt, weil es immer mal wieder passiert, dass hinweisgebenden Personen Repressalien drohen; Sie werden zu Unrecht entlassen aus dem Unternehmen. Deswegen geht es im Prinzip in diesem Gesetz um zweierlei Dinge: Auf der einen Seite schützen wir hinweisgebende Personen vor Repressalien, und auf der anderen Seite verpflichten wir Organisationen dazu, entsprechende Stellen einzurichten, die professionell mit diesen Hinweisen umgehen können. Das ist ein wichtiger Punkt. Im Übrigen muss ich dem Bundesjustizminister selbstverständlich recht geben: Die unternehmensinterne Aufdeckung solcher Themen, solcher Korruptionsverfahren oder ähnlicher Straftaten dient natürlich der Wirtschaft, und das schützt die Wirtschaft. Es verhindert größere Skandale, und das ist doch eigentlich, finde ich, außerordentlich klar.
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Und, liebe Union, das hätten wir alles schon haben können.
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Christine Lambrecht hatte einen sehr guten Vorschlag gemacht und hatte schon Kompromisse vorgelegt, aber Sie wollten nur eine Eins-zu-eins-Umsetzung der EU-Regeln.
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Das hätte dazu geführt, dass selbst Meldungen zu Straftaten, zu Dingen, die wir hier als besonders verwerflich erachten, nicht zum Schutz von hinweisgebenden Personen geführt hatten.
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Sie machen da nach meiner Einschätzung offenbar ein paar Denkfehler. Deswegen ist es gut, dass das Struckʼsche Gesetz dazu beigetragen hat, dass jetzt gerade auch anonyme Meldungen verpflichtend bearbeitet werden müssen. Wenn Sie sich mit Unternehmensvertretern unterhalten hätten, hätten Sie gewusst, dass sie sowieso dort bearbeitet werden. Es gibt zahlreiche andere rechtliche Hintergründe, warum das – –
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– Mit allen Unternehmen, also wirklich, auch mit Mittelständlern. Ich weiß nicht, wo Sie unterwegs gewesen sind; Sie haben vielleicht nur in die Argumente in der alten Legislatur geguckt, sich aber nicht mit Praktikern unterhalten. Das haben wir getan. Wir haben sehr viel Arbeit investiert.
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Wir schützen – das hat der Kollege Thomae zu Recht gesagt – gerade in diesen Tagen natürlich auch – und das hätten Sie schon dreimal nicht gewollt – hinweisgebende Personen, die Hinweise auf verfassungsuntreue Beamte geben. Also, muss ich das tatsächlich ernsthaft noch erklären in diesen Tagen, warum das von Bedeutung ist, dass wir Staatsdiener in Uniform – –
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– Herr Brandner, dass Sie sich trauen, angesichts dieser Themen hier überhaupt den Mund aufzumachen! Da gehören schon wirklich Mut und Courage zu!
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Sie sind doch hier der Brandstifter! „Nomen est omen“, kann ich nur sagen. Ohne Ihre rechte Grundlage hätten wir diese ganzen Verschwörungsextremisten wahrscheinlich gar nicht so.
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– Hass und Hetze – genau! – aus dieser Fraktion hören wir hier jeden Tag im Plenum.
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Also, halten Sie sich lieber ein bisschen zurück!
Es ist an der Stelle gut und richtig, dass wir hinweisgebende Personen schützen, die Hinweise auf Beamte geben, auf die Sie mit Ihren rechten Strategien abzielen. Es ist auch deswegen wichtig, weil wir das Vertrauen in die Sicherheitsbehörden stärken müssen. Das Vertrauen in die Sicherheitsbehörden ist außerordentlich gut, aber es sind Durchschnittswerte. Und man muss mal sagen: Wenn Sie sich in einen Stadtteil begeben, wo Menschen und Familien mit einer Einwanderungsgeschichte leben, dann können Sie feststellen: Das Vertrauen in die Sicherheitsbehörden ist dort nicht gut. Deswegen ist das eine von vielen Maßnahmen und Mosaiksteinen, mit denen wir das Vertrauen in die Sicherheitsbehörden stärken. Das ist im Interesse der Sicherheitsbehörden.
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Lassen Sie sich das ausgerechnet von mir gesagt sein; das ist wichtig. Deswegen müssen wir auch diesen Teil schützen. Den hätten Sie in der Vergangenheit nie mitgetragen.
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Das ist ein gutes Gesetz. Stimmen Sie dem zu, dann tun Sie etwas Gutes.
Glück auf! Schöne Feiertage!
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Nächster Redner: für die AfD-Fraktion Fabian Jacobi.
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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir behandeln den Entwurf der Bundesregierung für ein Hinweisgeberschutzgesetz. Dieses Stichwort findet sich auch im Wahlprogramm der AfD. Dort heißt es – Zitat –:
So bleiben oftmals nur noch alternative Medien und Whistleblower zur Aufdeckung und Offenlegung regierungsamtlichen Unrechts. Aus diesem Grund sind anonyme Hinweisgeber zur Aufdeckung von Korruption, Machtmissbrauch und ... Straftaten … unverzichtbar.
Wir stehen also dem Gedanken des Hinweisgeberschutzes nicht nur offen gegenüber, sondern fordern diesen ausdrücklich ein. Dennoch werden wir dieses Gesetz gleich ablehnen. Wie passt das zusammen? Wenn wir von Hinweisgeberschutz sprechen, dann stehen uns Personen wie Julian Assange oder Edward Snowden vor Augen – jene, die aus dem Inneren Leviathans Dinge ans Licht holen, von denen die Mächtigen nicht wollen, dass sie gesehen werden.
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Um die geht es bei diesem Gesetz hier aber eher nicht.
Angesprochen ist hier der normale Mitarbeiter irgendeines Unternehmens, der Dinge melden soll, Vorgänge in seinem Unternehmen: zunächst einmal rechtswidrige Vorgänge, also Gesetzesverstöße – so weit, so gut –, dann aber auch Dinge, die gerade nicht rechtswidrig sind, im Umkehrschluss also legal sind, die aber dem Ziel irgendwelcher Vorschriften widersprechen. Da wird es dann schon mulmig. Denn das bedeutet, dass man, wenn etwa die herrschenden Parteien hier neue Gesetze machen, sich nicht nur an das halten soll, was diese Gesetze explizit vorschreiben, sondern auch erspüren muss, was vielleicht noch alles dem Ziel eines Gesetzes zuwiderlaufen könnte, anderenfalls man gewärtigen muss, gemeldet und gegebenenfalls sanktionsfrei öffentlich angeprangert zu werden. Da bekommt dieses Gesetz ganz schnell eine ganz andere Tendenz, nämlich die einer allgemeinen gegenseitigen Überwachung der Bürger, ob der andere, ob der Arbeitgeber auch brav den Zielen der Regierung folgt.
Besonders hervorgehoben wird der Bereich des Steuerrechts. Da sollen nicht nur strafbare Dinge, also Steuerhinterziehung, gemeldet werden, sondern jeglicher Verstoß gegen steuerliche Vorschriften oder wiederum gegen das Ziel steuerlicher Vorschriften. Sieht man dann noch, dass das Gesetz zwar die Verschwiegenheitspflichten der Ärzte und der Rechtsanwälte berücksichtigt, aber die Verschwiegenheitspflicht der Steuerberater und ihrer Mitarbeiter ganz bewusst nicht einbezieht, dann hört man die sprichwörtliche Nachtigall hier recht laut trapsen.
Was ist aber nun mit den Aufdeckern von Korruption und Machtmissbrauch aus dem Inneren des Staates? Sind die denn wenigstens auch gemeint von diesem Gesetz? Nicht wirklich. Denn eine staatliche Stelle muss etwas nur zur Verschlusssache erklären – und schon ist dieses Gesetz darauf nicht mehr anwendbar.
Gleichwohl erfährt auch der innerstaatliche Bereich Aufmerksamkeit. Offenbar in der Annahme, dass die Gelegenheit angesichts der aktuellen dramatischen Berichte über sogenannte Reichsbürger gerade günstig sei, wurde im Ausschuss noch ein Passus eingefügt. Staatsbedienstete sollen danach insbesondere Meldung machen, wenn ihre Kollegen etwas äußern, das gegen die Pflicht zur Verfassungstreue verstößt. Dagegen wäre nun gar nichts zu sagen, solange es dabei um das herkömmliche Verständnis von Verfassungstreue und – spiegelbildlich – Verfassungsfeindlichkeit ginge,
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also um die Abschaffung von Demokratie und Rechtsstaat. Dass Menschen, die solches befürworten, aus dem Staatsdienst entfernt werden müssen, das unterliegt ja gar keinem Zweifel.
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Leider leben wir aber in Zeiten, in denen dieses überkommene Verständnis von Verfassungstreue zunehmend überlagert wird von einem neuen Verständnis, wonach schon die Kritik an den Inhabern staatlicher Ämter den Staat selbst delegitimieren und damit verfassungsfeindlich sein soll. Damit bekommt das Gesetz auch hier einen ganz ominösen Beigeschmack.
Das Sahnehäubchen ist dann die beigestellte Entschließung der Koalitionsfraktionen, in der unter anderem von finanziellen Vergünstigungen die Rede ist, also von Meldeprämien. Das weckt dann Erinnerungen an einen anderen Staat und eine andere Gesellschaftsordnung, von der wir annahmen, sie sei 1990 auf den Müllhaufen der Geschichte geflogen.
Vielen Dank.
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Nächster Redner: für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Dr. Till Steffen.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nach dieser sehr verschwurbelten Rede
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ist es an der Zeit, noch mal deutlich zu machen, worum es bei diesem Gesetz wirklich geht. Es geht darum, dass es viele große Skandale gibt, wirklich mit großem Ausmaß, die ohne Hinweisgeberinnen oder Hinweisgeber von innen niemals ans Tageslicht gekommen wären.
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Es sind ja schon einige Beispiele von Sebastian Fiedler genannt worden. Nehmen wir das Thema Cum-ex, den größten Steuerraub unserer Geschichte, wie viele bereits gesagt haben. So etwas ist nur ans Tageslicht gekommen, weil irgendjemand irgendwann von innen gesagt hat: Hier passiert etwas, wo durch sehr trickreiche Gestaltung ganz gezielt Steuern hinterzogen werden sollen. – Man sieht ja: Es ist gar keine Bagatelle. Derjenige, der das Ganze erfunden hat, Hanno Berger, ist ja dieser Tage zu acht Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden. Das Wirken von Strafgerichten mit einschneidenden Sanktionen steht am Ende. Am Anfang steht der Hinweis von Menschen, die tatsächlich wissen, was innen passiert, und einen entsprechenden Hinweis geben und überhaupt solche Ermittlungen anstoßen können, damit der Staat dann tatsächlich entsprechend handeln kann.
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Worum geht es also im Kern? Es geht darum, ob das, was wir hier im Deutschen Bundestag an Gesetzen beschließen, für alle gilt oder ob das nicht gilt für Leute, die einfach nur mit ausreichend großen Beträgen hantieren oder die genug Ressourcen haben, um ihr kriminelles Handeln mit ganz komplizierten Konstruktionen zu verschleiern, während der einzelne einfache Gewerbetreibende jederzeit das Finanzamt im Nacken hat. Es geht also wirklich um Gerechtigkeit. Es geht um die Frage, ob unser Rechtsstaat wirklich für alle gilt.
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Deswegen müssen wir ein großes Interesse daran haben, dass dieses Gesetz in einer wirksamen Weise auch angewendet wird.
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Es ist tatsächlich auch ganz wichtig, dass wir eingefügt haben, dass verfassungsfeindliche Äußerungen von Beamtinnen und Beamten auch zum Gegenstand von Hinweisen gemacht werden können. Es ist ja ganz klar: Polizistinnen und Polizisten leisten einen Eid auf das Grundgesetz, auf unsere Verfassung. Ich nehme mal den Fall, dass ein Polizeibeamter feststellt: Irgendwie kommt mir das hier komisch vor. Hier reden Kolleginnen und Kollegen in einer Weise, die mit der Verfassung nicht vereinbar ist, machen zum Beispiel rassistische Äußerungen, die die Sorge begründet erscheinen lassen, dass sich das auch im polizeilichen Handeln niederschlägt. – Dass dieser Beamte dann Bescheid sagt und dafür sorgt, dass dem im frühen Stadium entgegengewirkt wird, das ist absolut richtig. Das macht ja auch die Razzia deutlich, die wir vor wenigen Tagen hatten.
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Wollen wir wirklich so lange warten, bis Leute tatsächlich Dienstwaffen entwenden und sich gegen den Staat wenden, oder wollen wir früher intervenieren? Ich wäre eindeutig für Letzteres.
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Ein ganz wichtiger Bereich, wo Whistleblowing auch eine große Rolle spielt, ist der Tierschutz. Wir haben es ja in Zeiten von Corona erlebt, wo in großen Fleischfabriken die Coronaauflagen missachtet wurden, Menschen zu Schaden kamen, weil entsprechende Vorkehrungen nicht eingehalten wurden. Da muss es natürlich zum Schutz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die da harte Arbeit leisten, möglich sein, darauf hinzuweisen, ohne dass das einschneidende persönliche Konsequenzen hat.
Wir haben an der Stelle einen weiteren Punkt ergänzt. Wir haben es auch ermöglicht, dass Tierärzte, die im gewerblichen Bereich tätig sind, auch Hinweise geben können. Wir haben vor wenigen Wochen über die massenhafte Gabe von Antibiotika gesprochen. Da stellt sich die Frage: Wie soll das denn eigentlich bekannt werden, außer durch einen Tierarzt, der natürlich weiß, was eine vernünftige Gabe von Antibiotika ist und was unvernünftig ist? Dass darauf hingewiesen werden kann, ist auch ein wichtiger Schritt, den wir mit diesem Gesetz machen.
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Weil es ja auch einer der Punkte ist, die angesprochen wurden: Wir haben sehr ausführlich mit Compliance-Stellen großer Unternehmen gesprochen: mit der Telekom, mit thyssenkrupp, mit Aurubis in Hamburg. Und die haben ganz klar gesagt: Natürlich bearbeiten wir auch anonyme Hinweise. Wir wären ja schön blöd, wenn nicht. Natürlich wollen wir Missständen auf den Grund gehen. Manchmal sind die anonymen Hinweise gerade die interessantesten. – Und alle haben gesagt: Wenn man sich für die Bearbeitung dieser Vorgänge eine entsprechende Software zulegt, dann bietet schon das Standardprodukt die Möglichkeit, auch anonyme Hinweise zu verarbeiten. – Ihr Argument von Mehrkosten kann ich an der Stelle nicht nachvollziehen.
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Es gibt ein paar Punkte, die wir meiner Meinung nach in diesem Gesetz noch nicht ausreichend abgebildet haben. Das betrifft die Frage, ob auch Meldungen von Verstößen gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz ausreichend abgebildet sind. Das wird in der Entschließung entsprechend angesprochen. Auch Fälle, in denen es Meldungen geben kann, die im öffentlichen Interesse liegen, haben wir nicht unbedingt ausreichend abgebildet. Ich verweise auf das Beispiel von Brigitte Heinisch, der Berliner Whistleblowerin, die auf Missstände in Pflegeheimen hinwies.
Dennoch machen wir einen großen Schritt nach vorne für den Schutz von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern, nachdem die CDU/CSU dies in der letzten Wahlperiode erfolgreich ausgesessen hat.
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Deswegen finde ich Ihre Kritik hier auch sehr, sehr kleinteilig.
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Ich finde es bedauerlich, dass der Bundesrat dieses Thema heute nicht aufgesetzt hat.
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Wir werden dieses Gesetz natürlich durchsetzen; das ist auch notwendig zum Schutz von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern und – noch viel wichtiger – zum Schutz unseres Rechtsstaates
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und zur gleichmäßigen Durchsetzung von Gesetzen für alle.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
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Nächste Rednerin: für die Fraktion Die Linke Clara Bünger.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mit einem kleinen persönlichen Erlebnis beginnen. 2014 durfte ich im Rahmen meiner Ausbildung bei der Menschenrechtsorganisation ECCHR mit Edward Snowden sprechen – leider nur digital, weil er ohne die Gefahr der Auslieferung an die USA, wo ihm eine hohe Strafe droht, nicht nach Deutschland reisen konnte. Für mich war sein Handeln sehr beeindruckend, als er im Jahr 2013 die weltweite Massenüberwachung durch die NSA aufdeckte und mit seinen Enthüllungen das Ausmaß der Überwachungs- und Spionagepraktiken von US-Geheimdiensten der Öffentlichkeit zugänglich machte. Denn nur durch diese Kenntnis – das haben auch Sie gesagt, Herr Fiedler – und durch die geleakten Informationen war es möglich, eine breite Diskussion in der Gesellschaft zu führen.
Ich finde, es ist ein Riesenskandal, dass Sie, Herr Jacobi, den Namen Edward Snowden auch nur in den Mund nehmen
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und für Ihre rechte Hetze verwenden. Das ist wirklich ein Riesenskandal. Schämen Sie sich!
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Wenn er das wüsste! Er würde nie ein Wort mit Ihnen wechseln.
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Viele Menschen – auch mich – hat sein Mut, sein Wissen über die massiven Eingriffe in Grundrechte mit der Welt zu teilen
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und damit seine eigene Freiheit aufs Spiel zu setzen, sehr bewegt; er hat einen immensen Eindruck bei mir hinterlassen.
Whistleblower/-innen verdienen unsere Anerkennung und unseren Schutz,
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weil sie eben nicht zu ihrem eigenen Vorteil Missstände aufdecken,
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sondern weil sie dies für unsere Demokratie und unsere Rechtsstaatlichkeit tun.
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Ohne dieses Insiderwissen wären viele Straftaten und Skandale niemals aufgedeckt worden.
Die EU-Hinweisgeberrichtlinie wird nun endlich – ein Jahr nach Ablauf der Frist – in nationales Recht umgesetzt. Das ist gut, und das begrüßen wir auch. Es wurden noch einige Punkte nach der Sachverständigenanhörung aufgenommen – das ist gut –, wie zum Beispiel die Pflicht zur Bearbeitung anonymer Meldungen. Erhebliche Lücken bestehen aber weiterhin im staatlichen Bereich. Zwar können jetzt auch Verstöße von Beamtinnen und Beamten gegen die Verfassungstreuepflicht gemeldet werden. Das ist richtig und gerade nach der Reichsbürger-Razzia – es wurde gesagt – auch dringend notwendig. Der Entwurf versagt aber gerade bei Whistleblowerinnen und Whistleblowern; denn ein deutscher Edward Snowden wäre nach dem geplanten Gesetz nicht geschützt.
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Denn Geheimdienste sind komplett ausgenommen, und Behörden können Hinweise einfach unter den Teppich kehren, indem sie sie als Verschlusssache einstufen.
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Dabei wäre das doch ein wichtiger Schritt, Herr Fiedler, wenn man auch Personen in diesen Institutionen miteinbeziehen würde.
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Das Gesetz schützt außerdem nur bei bestimmten Rechtsverstößen. Hinweise auf sonstiges Fehlverhalten wie Machtmissbrauch oder Verstöße gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz sind weiterhin nicht erfasst; Sie haben es selbst angemerkt. Dabei steht das auch so in Ihrem Koalitionsvertrag. Wir würden uns wünschen, dass Sie wirklich zeitnah nachbessern.
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Die Entschließung greift zwar einige Punkte auf; diese müssen jetzt aber auch, Herr Steffen, schnell umgesetzt werden.
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Nächste Rednerin: für die SPD-Fraktion Carmen Wegge.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen!
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Sehr geehrte Damen und Herren! Der Dieselskandal im Automobilsektor, die Bilanzmanipulation des Wirecard-Konzerns, diese Wirtschaftsskandale aus der jüngsten Zeit hätten wahrscheinlich verhindert werden können, wenn Staat und Öffentlichkeit rechtzeitig über das notwendige Insiderwissen verfügt hätten – Insiderwissen, das vor allem die Beschäftigten dieser Unternehmen haben. Aber warum haben sie ihr Wissen nicht geteilt? Ganz einfach: Hinweisgeber/-innen
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werden in ihren Unternehmen drangsaliert, ihnen wird gekündigt und sie müssen um ihre wirtschaftliche Existenz fürchten. Dem schieben wir nun einen Riegel vor.
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Mit dem Hinweisgeberschutzgesetz schlagen wir ein neues Kapitel beim Schutz von Whistleblowerinnen und Whistleblowern auf. Im Gesetzgebungsverfahren haben wir hart gerungen, und wir haben viel Gutes erreicht. Ich möchte drei Erfolge nennen:
Erstens. Wir haben ein eigenes Hinweisgeberschutzgesetz. Wir hätten die EU-Richtlinie auch durch Änderungen mehrerer Einzelgesetze umsetzen können. Aber wir wollten Rechtssicherheit für Whistleblower/-innen. Wenn sie noch zögern, einen Missstand öffentlich zu machen, sollen sie in nur ein Gesetz schauen müssen. Dann wissen sie, was für sie gilt.
Zweitens. Wir schützen auch Menschen, die Verstöße gegen nationales Recht anzeigen. Laut Richtlinie hätten wir den Schutz der Whistleblower/-innen nur einführen müssen, wenn die Personen Verstöße gegen EU-Recht melden, zum Beispiel Verstöße gegen das Datenschutzrecht. Dieser Schutz hätte viele Lücken gelassen. So jedoch wird hinweisgebenden Personen mehr Rechtssicherheit gegeben; mein Kollege Sebastian Fiedler hat das schon ausgeführt.
Drittens. Nicht zuletzt haben wir in den Verhandlungen einen neuen Schutzbereich für Beamtinnen und Beamte geschaffen; das wurde hier heute schon häufiger gesagt. Beamtinnen und Beamte sind nun vor dienstrechtlichen Konsequenzen geschützt, wenn sie Hinweise auf Äußerungen von Kolleginnen und Kollegen melden, die an deren Pflicht zur Verfassungstreue zweifeln lassen. Das können insbesondere auch Nachrichten oder Bilder in Chatgruppen sein, in denen Beamtinnen und Beamte Umsturzfantasien und Staatsfeindlichkeit äußern. Leider sind solche Chatgruppen kein Einzelfall. Umso wichtiger ist es, dass wir davon erfahren.
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Von heute an hat der alte Korpsgeist ausgedient, wenn es um die Treue zur Verfassung geht.
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Stattdessen stehen die Demokratinnen und Demokraten wieder einmal geschlossen zusammen.
Mit der heutigen Verabschiedung des Hinweisgeberschutzgesetzes ist unsere Arbeit als Gesetzgeber noch nicht abgeschlossen. Unsere Entschließung macht sehr deutlich, an welchen Bereichen in künftigen Gesetzen wir arbeiten wollen, um den Schutz von Whistleblowerinnen und Whistleblowern weiter zu stärken. Auch hier möchte ich drei Punkte nennen:
Erstens: Staatsgeheimnisse. Wir wollen den Hinweisgeberschutz in den Bereichen der nationalen Sicherheit, der Nachrichtendienste, der Wehrbeauftragten und im Bereich der Verschlusssachen modernisieren. Gerade hier ist die Abwägung zwischen dem Aufdeckungsinteresse und dem Schutz der nationalen Sicherheit besonders heikel; das stimmt schon. Trotzdem müssen wir diese Abwägung vornehmen und Hinweisgeber/-innen unter festen Schutz stellen.
Zweitens. Im Bereich der Verschlusssachen wollen wir prüfen, wie wir zügig eine unabhängige Kontrollinstanz aufbauen, die für Streitfragen hinsichtlich der materiellen Einstufung von Verschlusssachen zuständig ist. Dies wird auch im Hinblick auf das neue Bundestransparenzgesetz wichtig sein.
Drittens. Nicht zuletzt werden wir beobachten, ob hinreichend gewährleistet ist, dass hinweisgebende Personen bei der Meldung von Verstößen gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz geschützt sind, genauso wenn sie sonstiges erhebliches Fehlverhalten melden, dessen Aufdecken in besonderem öffentlichen Interesse liegt.
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Ich will abschließend ganz deutlich werden: Wer die Hinweisgeber/-innen als Denunziantinnen und Denunzianten verunglimpft, hat noch nichts verstanden.
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Whistleblower/-innen leisten einen Dienst an unserer Gesellschaft.
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Ihnen rufe ich zu: Habt Mut! Der Staat wird euren Mut von heute an schützen.
Vielen Dank.
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Nächste Rednerin: für die CDU/CSU-Fraktion Susanne Hierl.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei meiner Rede zur ersten Lesung des Hinweisgeberschutzgesetzes hatte ich Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Ampel, darum gebeten, die Zeit bis zur zweiten und dritten Lesung zu nutzen, um die Anregungen aus der Praxis, also der Unternehmen, die die Regelungen umsetzen sollen, und der Hinweisgeber, die durch die Regelungen geschützt werden sollen, in das Gesetz mit einfließen zu lassen – so wie Sie es sich in Ihrem Koalitionsvertrag auch vorgegeben haben. Lassen Sie uns überprüfen, was sich im Vergleich zum ersten Gesetzentwurf getan hat und ob sich Verbesserungen für die Praxis ergeben.
Wir versetzen uns dafür in die Lage eines potenziellen Hinweisgebers, also eines Arbeitnehmers in einer Behörde oder einem Unternehmen, der einen Verstoß entdeckt und überlegt, diesen zu melden. Für den Hinweisgeber stellt sich heute noch immer die Frage, ob der Verstoß, den er melden will, überhaupt in den Anwendungsbereich des Gesetzes fällt und er dadurch geschützt ist. Sie lassen den Hinweisgeber weiterhin mit der Klärung dieser Frage und den unbestimmten Rechtsbegriffen alleine. Das ist kein Hinweisgeberschutz.
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Hat der Hinweisgeber entschieden, dass er den Verstoß meldet, hat er zu überlegen, wo er die Meldung erstattet. Dies kann er entweder intern bei seinem Arbeitgeber tun oder sich an eine externe Meldestelle wenden. Entgegen der sinnvollen Empfehlung der EU-Richtlinie, die interne der externen Meldung vorzuziehen,
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sah der bisherige Gesetzentwurf keine Rangfolge der Meldungen vor. Diesen Punkt haben viele Sachverständige bereits in der Verbändeanhörung und auch in der Sachverständigenanhörung bemängelt.
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Im Änderungsantrag unternehmen Sie nun den zaghaften Versuch, der internen Meldung den Vorzug zu geben. Leider bleibt es bei einem Versuch. Es gibt lediglich eine halbherzige Aufforderung an die Unternehmen, Anreize für die interne Meldung zu schaffen.
Auch die Regelung, nach der die externe Meldestelle den Hinweisgeber in geeigneten Fällen auf die Möglichkeit einer internen Meldung hinweisen soll, wirft mehr Fragen auf, als sie beantwortet: Ist mit dem Hinweis das externe Verfahren beendet? Was passiert, wenn der Hinweisgeber auf diesen Hinweis hin den Verstoß zusätzlich intern meldet? Wird dann doppelt bearbeitet? Durch den Umweg über die externe Meldestelle geht weiterhin viel Zeit verloren. Diese Zeit hätte das Unternehmen nutzen können, um den Missstand abzustellen. Denn genau darauf kommt es doch an: die Missstände zu erkennen und schnell abzustellen.
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Ich hoffe nicht, dass das der Unternehmensschutz ist, von dem Sie, Herr Minister Buschmann, in Ihren Ausführungen zur ersten Lesung gesprochen haben.
Unser Hinweisgeber will nun den Verstoß anonym melden; denn er ist selbst Beteiligter. Bisher war im Gesetzentwurf nicht verpflichtend vorgesehen, dass eine Meldung auch anonym abgegeben werden kann. Das hätte den Hinweisgeber in unserem Fall davon abgehalten, zu melden. Die Möglichkeit der anonymen Meldung haben Sie entgegen anfänglicher vehementer Ablehnung in der ersten Debatte nun in das Gesetz mit aufgenommen und machen die Möglichkeit zur Abgabe einer anonymen Meldung verpflichtend. Außerdem können die Meldestellen nun selbst entscheiden, welchen Hinweisen sie zuerst nachgehen. Die Priorisierung der Bearbeitung der nicht anonymen Meldungen vor den anonymen Meldungen wurde aufgehoben. Das ist einmal ein großer Schritt hin zu mehr Praxisnähe.
Es bleibt festzuhalten, dass zwar einige gute, praxisrelevante Änderungen aufgenommen wurden. Jedoch bleibt der Gesetzentwurf weit hinter den Erwartungen für ein gutes und vor allem praxistaugliches Gesetz zurück. Fortschritt, meine liebe Kolleginnen und Kollegen von der Ampel, sieht anders aus.
Herzlichen Dank.
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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bundespolizei schützt unsere Freiheit und unsere Demokratie. Sie verteidigt gegen Extremismus von rechts und links, gegen Islamismus, gegen Clankriminalität, gegen Chaoten, Hooligans oder gewaltbereite Einzeltäter. Ihr Einsatz ist zudem unverzichtbar zum Schutz unserer Außengrenzen. Im Namen der CDU/CSU und sicherlich auch im Namen des ganzen Hauses möchte ich dafür den Polizistinnen und Polizisten im Einsatz den Respekt des ganzen Deutschen Bundestages aussprechen.
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Innenminister der Union haben die größte Modernisierung und Stärkung der Bundespolizei ihrer Geschichte verantwortet. Es wurden allein von 2017 bis 2021 über 8 000 neue Stellen geschaffen, die Besoldung und die Polizeizulage verbessert und die Bundespolizei auf insgesamt 54 000 Personen gestärkt. Heute müssen wir feststellen: Die erste SPD-Innenministerin dreht die Zeit zurück. Die Bundespolizei wird wieder auf Kante genäht, Personal wird abgebaut.
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– Hören Sie zu! – 2023 kommt es zu einer Personalkürzung um 1,5 Prozent in der Verwaltung,
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obwohl es seit 2016 einen Aufwuchs an Einsatzkräften von über 30 Prozent gab. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das kann in keiner Organisation funktionieren. Wenn Sie der Opposition nicht glauben, dann hören Sie auf die Gewerkschaft.
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Die versprochene Ruhegehaltsfähigkeit, Frau Faeser: Fehlanzeige; bis heute ist nichts passiert. IT-gestützter Grenzschutz, Stichwort „Smart Border“: Die aktuellen Mittel im Haushalt sind unzureichend, um selbst die eigenen EU-Verpflichtungen einzuhalten. Und obwohl wir wegen des massiven Anstiegs von Migration dringend weiteres Personal an unseren Grenzen benötigen, wird dies verweigert. Von zehn Einsatzhundertschaften zur Unterstützung völlig überlasteter Beamter hat Frau Faeser gerade mal vier bewilligt. Kein Wunder, dass angesichts dieser Entwicklung und der Enttäuschung selbst junge Beamte inzwischen über den Ausstieg aus der Bundespolizei nachdenken. Ich habe diese Telefonate diese Woche geführt mit Beamten, die an der Grenze im Einsatz sind. Das sind alarmierende, ja, besorgniserregende Anzeichen.
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Besorgniserregend ist auch, dass nun ausgerechnet die verantwortliche Ministerin die Anerkennung der Realität verweigert, ja, sogar davon spricht, dass es gar keine Migrationskrise gebe – hier im Deutschen Bundestag am 24. November. Wenn Sie alle, die hier an den Rand der Belastungsgrenze kommen – von der Bundespolizei an der Grenze über die Länder bis hin zu den Kommunen –, so massiv im Stich lassen, schaden Sie unserem Gemeinwesen.
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Sie wollen wie wir Extremismus bekämpfen. Dann achten Sie bitte darauf, keine Anlässe zur Erstarkung von Extremismus zu liefern. Stärken wir gemeinsam diejenigen, die mit der doppelten Migration aus der Ukraine und aus anderen Ländern vor gewaltigen Herausforderungen stehen! Lassen Sie unser Land in dieser Lage nicht im Stich!
Eine moderne Bundespolizei braucht einen modernen Rahmen für ihre Arbeit. Für diesen Rahmen legen wir als CDU/CSU heute einen umfassenden Antrag mit konkreten Vorschlägen vor. Dazu zählen, erstens, ausreichendes Personal, zweitens, moderne Ausstattung und, drittens – sehr wichtig –, zeitgemäße Befugnisse und Zuständigkeiten im Hinblick auf effektive Verbrechensbekämpfung und Strafverfolgung.
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Organisierte Kriminalität ist ein ganz komplexes Phänomen: Rauschgift, Geldwäsche, Waffenhandel, Menschenhandel.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, statt des kleinsten gemeinsamen Nenners in der Ampel, statt Blockaden braucht es Reformen, statt leerer Worte und Entwürfe einen großen Entwurf.
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In der letzten Koalition hatten wir gemeinsam erreicht, dass der Bundestag eine breite Modernisierung des Bundespolizeigesetzes von 1994 auf den Weg brachte. Niemand konnte erwarten, dass die abgestimmten Kompromisse auf der Zielgerade im Bundesrat gekippt würden.
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Diese Blockade bleibt eine große Fehlleistung und auch ein Schaden für die innere Sicherheit unseres Landes.
Umso wichtiger bleibt es, einen neuen Anlauf zu unternehmen. Im Ringen mit den Ländern dürfen nicht wieder Kompetenzstreit oder Ideologie notwendige Reformen für Bundespolizei und innere Sicherheit blockieren.
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Vor diesem Hintergrund ist es falsch und auch politisch feige, Frau Ministerin Faeser, einen ziemlich inhaltsleeren Entwurf für ein Gesetz vorzulegen, der nur minimale Anpassungen beinhaltet und aus dem die Angst vor den notwendigen Reformen spricht. Es kann ja sein, dass die hessische Wahlkämpferin ein schnelles Gesetz will, selbst ohne Substanz,
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aber das hilft der Bundespolizei nicht.
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Zu Kompetenzen bei Cyberangriffen: kein Wort. Und gefährlich: Auch nach dem Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt vor genau sechs Jahren, dem brutalen Fall Amri, soll die Bundespolizei auch weiter keine Haft zur Sicherung der Abschiebung vornehmen können. Liebe Kolleginnen und Kollegen der Ampel, das darf so nicht bleiben.
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Nicht Zaghaftigkeit, sondern Mut brauchen die Reformen, gerade in so einer unsicheren Zeit. Lassen Sie uns die Bundespolizei, diesen wichtigen Pfeiler unserer Demokratie, gemeinsam stärken!
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Nächster Redner: für die SPD-Fraktion Uli Grötsch.
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Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich am Anfang dieser Debatte eine Sache sagen, die ich für sehr wichtig halte und die uns alle angeht: Lassen Sie uns in Zeiten wie diesen nicht die Sicherheitsbehörden instrumentalisieren! Lassen Sie die Sicherheitsbehörden raus aus parteipolitischen Spielchen!
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Tragen Sie den hessischen Landtagswahlkampf nicht in den Deutschen Bundestag – schon gar nicht, wenn es um unsere Sicherheitsbehörden geht!
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Wir haben alle gesehen, dass das Thema, dass die Zeiten dafür viel zu ernst sind.
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Sie alle wissen, auch wenn Sie es womöglich in der folgenden Debatte negieren werden, dass keine Behörde des Bundes, und somit auch keine Sicherheitsbehörde, in den letzten Jahren einen so großen Aufwuchs erfahren hat, wie das bei der Bundespolizei der Fall war.
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Ich sage: Zu Recht, liebe Kolleginnen und Kollegen.
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Die Herausforderungen werden Jahr für Jahr größer, für alle Sicherheitsbehörden und damit natürlich auch für die Bundespolizei.
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Und – das ist mir wichtig zu sagen – dieser Aufwuchs war der Beginn eines Weges, einer Entwicklung, die auch in der Zukunft ihre Fortsetzung finden wird; denn als Nächstes steht sehr zeitnah die Schaffung eines modernen Rechtsrahmens für die Bundespolizei an: ein neues Bundespolizeigesetz.
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Lassen Sie mich an die Adresse der Bundesinnenministerin sagen: Ich bin froh und dankbar, Frau Ministerin, dass Sie wissen, welch zentrale Rolle die Bundespolizei im Sicherheitsgefüge der Bundesrepublik Deutschland einnimmt, und – das ist ja sogar noch wichtiger – dass Sie auch entsprechend handeln.
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist vor allem in Zeiten wie diesen von elementarer Wichtigkeit.
Ich sage auch an die Adresse der Antragsteller: Sie hatten 16 Jahre lang Zeit; so lange haben Sie das Bundesinnenministerium geführt.
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Sie hatten mehr als genug Zeit, das alles umzusetzen, was Sie in Ihrem Antrag noch mal aufgeschrieben haben.
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Das ist wohl eine Art Revival, wenn man so möchte. Ich sage Ihnen: Seien Sie auch froh darüber,
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dass Sie in den Jahren 2013 bis 2021 in der Großen Koalition die SPD-Bundestagsfraktion an Ihrer Seite hatten, wenn es um die Bundespolizei ging. Ich nehme dich beim nächsten Satz ausdrücklich aus, lieber Michael Brand: Man hat schon gemerkt, dass Ihr Verständnis für die Bundespolizei ein sehr wackliges ist.
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Wir werden hier in Kürze den neuen Entwurf für das Bundespolizeigesetz, für ein Update des Rechtsrahmens, wenn man so möchte, den es übrigens – das wissen einige – seit sage und schreibe 1994 unverändert so gibt, beraten. Sie alle sind aufgefordert, dem Gesetz dann zuzustimmen und sich somit mit uns, mit der Ampelkoalition, auf den Weg zu machen.
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Ich sage Ihnen auch: Mehr als 50 000 Beschäftigte bei der Bundespolizei würden es wohl gut finden, wenn mit Blick auf dieses Gesetz nicht gestritten und polemisiert wird, so wie Sie es eben versucht haben und, so glaube ich, in der Debatte auch noch weiter tun werden. Vielmehr sollten sich alle – ich sage es noch mal – gerade in Zeiten wie diesen hinter den Sicherheitsbehörden versammeln und für sie arbeiten.
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Denn ohne Bundespolizei ist Sicherheit in Deutschland nicht denkbar. Dafür können wir allen Beschäftigten dort dankbar sein.
Ganz aktuell: Wir wissen, dass für die Arbeit bei der Enttarnung des Reichsbürgerterrornetzwerkes letzte Woche 450 Bundespolizistinnen und ‑polizisten zum Gelingen des Antiterroreinsatzes beigetragen haben. Das war Teamwork der Sicherheitsbehörden vom Allerfeinsten, und dieses Teamwork wird auch noch eine Weile weitergehen; denn die Auswertung der Daten – wir haben das am Montag in der Sondersitzung des Innenausschusses gehört – hat ja erst begonnen. Ich bin gespannt, wer und was da im Zuge der weiteren Ermittlungen noch alles zum Vorschein kommt, beispielsweise am Ende auch, welchen Gruppierungen und Parteien diese Leute angehören.
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Wir haben auch im Haushalt 2023 die Bundespolizei weiter gestärkt. So bekommt die Bundespolizei zum Beispiel 1 000 neue Stellen, um die Anwärterinnen und Anwärter übernehmen zu können. Das Bundeskriminalamt wächst weiter auf um 180 Stellen zur Bekämpfung von Organisierter Kriminalität und Extremismus, und das alles trotz auslaufender Coronakonjunkturmittel. Ich glaube, wir sind uns alle einig: Das ist die richtige Prioritätensetzung für die Zukunft.
Dazu gehört aber auch, dass wir alles dafür tun, die schwarzen Schafe und Verfassungsfeinde unter ihnen, also diejenigen, die nicht auf dem Boden des Grundgesetzes stehen, die das negative Potenzial haben, den Ruf der ganzen Behörde zu gefährden, aus dem Staatsdienst zu entfernen, und zwar schnell und konsequent.
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich am Ende sagen: Unsere Polizeien genießen in Deutschland zu Recht sehr hohes Ansehen. Das hat eine aktuelle Erhebung des Bundeskriminalamtes wieder ergeben, in der über 80 Prozent der Befragten sagen, dass sie den Polizeien in Deutschland vertrauen. Auch das zeigt uns: Wir sind auf einem guten Weg. Ihr Antrag – so nehme ich ihn wahr – ist eher wohl als Schaufensterantrag kurz vor Weihnachten gedacht. Wir brauchen ihn nicht; das wissen Sie. Wir lehnen ihn deshalb auch ab.
Vielen Dank.
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Nächster Redner: für die AfD-Fraktion Steffen Janich.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Grötsch, die Bundespolizei nicht politisch zu instrumentalisieren – wir nehmen Sie und die Regierung beim Wort; immer wieder gern.
Die Beschäftigung mit der inneren Sicherheit darf für die Politik niemals zum Selbstzweck werden. Vor fast sechs Jahren, am 19. Dezember 2016, tötete der polizei- und nachrichtendienstlich bekannte islamistische Attentäter Anis Amri auf dem Berliner Breitscheidplatz insgesamt 13 Menschen und verletzte 67 Personen. Solche Gräueltaten dürfen sich nie wieder wiederholen. In drei Tagen werden wir wieder in angemessener Form der Opfer dieser schrecklichen Tat gedenken. Ich bin in Gedanken bei den Verwandten der Opfer.
({0})
Ein unverzichtbarer Bestandteil des Schutzes der öffentlichen Sicherheit, aber tatsächlich auch des Schutzes der nationalen Grenzen, der Schienenwege und der Flughäfen ist unsere Bundespolizei. Circa 54 000 Mitarbeiter sind in diesem Bereich tätig. Von 2017 bis 2021 hat sich die Anzahl der Planstellen bei der Bundespolizei von 42 000 auf circa 50 000 erhöht, der jährliche Haushalt ist im selben Zeitraum von 3,3 Milliarden auf 4,7 Milliarden Euro angehoben worden. Jeder einzelne Cent, den wir in unsere Bundespolizei investiert haben, ist gut angelegtes Geld für die Zukunft Deutschlands. Die Bundespolizei muss auch zukünftig weiter gestärkt und ausgebaut werden.
({1})
Aber es bleibt nach wie vor viel zu tun. Als Abgeordneter habe ich in den sitzungsfreien Wochen mehrfach Polizeidienststellen aufgesucht und mich mit Dienststellenleitern und Beamten des Polizeivollzugsdienstes unterhalten.
({2})
– So fleißig sind wir. – Hierbei konnte ich mir ein eigenes Bild von den Gegebenheiten und den Anforderungen in den täglichen Abläufen bei der Bundespolizei machen. Einzelne Schwerpunkte sind dabei immer wieder zur Sprache gekommen:
Zur Bekämpfung der Schleuserkriminalität und zur Ahndung der Einreisestraftaten sollte es den Beamten zukünftig möglich sein, auch außerhalb der 30-Kilometer-Zone im gesamten Bundesgebiet eigenständig ermitteln zu dürfen.
Auch die Endsachbearbeitung der von der Bundespolizei zuerst festgestellten Straftaten ist ein wichtiger Beitrag, um behördliche Ressourcen zu bündeln. Die derzeit noch gängige Praxis, eine Strafakte quasi für die Staatsanwaltschaft komplett vorzubereiten, um sie dann der Landespolizei zu übergeben, widerspricht modernen Effektivitätsgrundsätzen. Hier müssen dringend rechtliche Rahmenbedingungen geändert werden.
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Die Privatisierung der Autobahnen hat insbesondere in Grenzregionen dazu geführt, dass die Einrichtung von größeren Kontrollstellen nicht mehr unangekündigt möglich ist, sondern zuvor bei der privaten Betreibergesellschaft angemeldet werden muss. Die darauf folgenden Stauanzeigen auf den Navigationsgeräten der Fahrzeuge leiten den zu kontrollierenden Verkehr dann regelmäßig an der Kontrollstelle vorbei. Die Nutzung des Überraschungseffekts wird hierdurch deutlich eingeschränkt.
Es bräuchte auch vermehrt sogenannte Verkehrstrichter, um die Geschwindigkeit des Fahrverkehrs bei derartigen Kontrollen des Verkehrs auf der Bundesautobahn zu verlangsamen. Eine solche Mittelbeschaffung wäre ein wichtiger Beitrag zum Arbeitsschutz unserer eingesetzten Beamten.
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Bei für einen längeren Zeitraum eingerichteten Kontrollstellen, beispielsweise auf Autobahnen, benötigen die Beamten insbesondere an kalten Wintertagen, aber auch zum Schutz vor Regen und Nässe mobile Kontrollstellen mit entsprechender Ausstattung. Praxisbezogene Bedarfe sind beispielsweise sogenannte Agrarzelte, welche als Überdachung bei Kontrollen von Reisebussen erforderlich sind, damit die Fahrgäste und Beamten bei Wind und Wetter nicht im Freien stehen. Summa summarum benötigt die Bundespolizei zukünftig vermehrt lageangepasste Einsatzmittel, um Arbeitsweisen optimieren zu können.
Eines der größten Probleme im Dienstalltag der Bundespolizei bleibt aber die viel zu geringe Zahl an Rückführungen von Personen, die sich unerlaubt in Deutschland aufhalten. Im Jahr 2021 waren 33 600 Rückführungen von Ausländern vorgesehen. Allerdings wurde davon nur die Hälfte, also rund 15 000 Rückführungen, auch wirklich vollzogen. Der Jahresbericht der Bundespolizei sagt aus: Für die Diskrepanz an Rückführungen war hauptursächlich, dass die zur Abschiebung vorgesehenen Personen der Bundespolizei am Flugtag nicht zur Rückführung übergeben werden konnten. – Hier müssten Sie, Frau Innenministerin, ansetzen und endlich eine wirksame Abschiebeoffensive einleiten,
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anstatt Ihre Energie für die Jagd auf Phantombedrohungen zu verschwenden.
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Während die Anzahl der im Jahr 2021 im Zuständigkeitsbereich der Bundespolizei festgestellten Straftaten in vielen Bereichen rückläufig war, lagen die größten Zunahmen im Bereich Betrug und bei Verstößen gegen das Aufenthaltsgesetz. Sage und schreibe 171 000 Verstöße gegen das Aufenthaltsgesetz hat allein die Bundespolizei im Jahr 2021 festgestellt. Dies ist nicht zuletzt auf die Politik der offenen Grenzen unserer Bundesregierung zurückzuführen.
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Leider schweigt sich der Antrag der CDU dazu aus, wie Sie die genaue Zuständigkeitsverteilung bei der Strafverfolgung durch Land und Bund voneinander abgrenzen wollen. Eine Doppelzuständigkeit von Bundes- und Landespolizei zur Durchführung eines strafprozessualen Ermittlungsverfahrens etwa bei Taten, die an Bahnhöfen begangen werden, würde zu einem unüberschaubaren Behördenchaos führen. Das Thema Strafverfolgung ist aber zu bedeutend, als dass man es hier schaufensterartig in nur drei Zeilen abschließend darstellen könnte.
Zum Schluss sei noch gesagt: Beamte, insbesondere Polizeibeamte, sind Recht und Gesetz verpflichtet und dürfen nicht den politischen Fantasien der jeweiligen Regierung unterliegen. Nicht nur die Bundespolizisten gehören vor dem Generalverdacht geschützt, sondern auch neue Bewerber für den Polizeivollzugsdienst. Einen weiteren politischen Gesinnungs-TÜV von Nancy Faesers Gnaden lehnen wir entschieden ab.
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Ich wünsche allen Deutschen einen friedlichen vierten Advent und frohe Weihnachten.
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Nächster Redner: für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Marcel Emmerich.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Zum Antrag der Union will ich zunächst sagen: Das Ansinnen, die Bundespolizei zu stärken und zu unterstützen, teilen wir natürlich. Die Angehörigen der Sicherheitsbehörden insgesamt und der Bundespolizei im Speziellen, die rund um die Uhr für Sicherheit sorgen und uns bei der Verteidigung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung unterstützen, verdienen Respekt und Anerkennung. Das Jahr 2022 war für die Bundespolizei mit Blick auf das 50‑jährige Jubiläum der GSG 9 – an dieser Stelle noch mal herzlichen Glückwunsch! –, den Einsatz beim G‑7-Gipfel in Elmau, die bundesweite Razzia gegen die Reichsbürger letzte Woche und den normalen Arbeitsalltag ein mehr als ereignisreiches Jahr. Vielen Dank an die Polizistinnen und Polizisten für die professionelle Arbeit und das hohe Engagement!
({0})
Zu den wichtigsten Aufgaben einer guten Innenpolitik gehört es, die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten. Um Gefahren abzuwehren und Straftaten verfolgen zu können, muss die Polizei folgerichtig handlungsfähig aufgestellt sein. Es braucht dafür vor allem gute technische Ausstattung und genug Personal, und dafür sorgen wir als Ampelkoalition auch, konkret zum Beispiel bei der personellen Ausstattung mit einem kontinuierlichen Stellenzuwachs für die nächsten Jahre. Für eine bessere technische Ausstattung nehmen wir Geld für Boote und neue Drohnen in die Hand. Durch die Verbesserung der Arbeitsbedingungen stärken wir ganz konkret die Bundespolizei.
({1})
Wenn man sich Ihren Antrag weiter anschaut, liebe Union, dann stellt man fest, dass es vor allem ein Katalog voller Gesetzesverschärfungen ist. Nichts haben Sie ausgelassen: Quellen-TKÜ, Onlinedurchsuchungen, Gesichtserkennung, Wohnraumüberwachung; ohne jede Balance. Da bleibt wirklich kein Schäfchen im Trockenen, und das ist problematisch.
({2})
Wenn wir über die Polizei reden, dann reden wir immer auch über das Verhältnis zwischen Staat und Gesellschaft, zwischen Bürgerinnen und Bürgern und dem Staat. Dabei gilt es nun mal, die Grundrechte gegen unverhältnismäßige Eingriffe des Staates zu schützen. Wir leben in einem der sichersten Länder dieser Welt, in dem es zugleich die Freiheit des Einzelnen so gering wie möglich einzuschränken gilt.
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Diese Balance aufrechtzuerhalten, ist unser Ziel. Es gilt immer noch der Grundsatz: Immer schärfere Gesetze führen nicht automatisch zu mehr Sicherheit. Deswegen ist es elementar, jede Maßnahme auf Verhältnismäßigkeit, auf Wirksamkeit und Rechtsstaatlichkeit zu prüfen, und genau das tun wir.
({4})
Sie tun das nicht. Mit Ihrer Forderung nach Quellen-TKÜ und Onlinedurchsuchungen ignorieren Sie die hohen Anforderungen, die das Bundesverfassungsgericht daran in der Vergangenheit zu Recht gestellt hat. Immer mehr vom immer Gleichen hat in den letzten Jahren vor allem das Bundesverfassungsgericht auf Trab gehalten. Folgt man solchen rechtsunsicheren Vorschlägen, die am Ende wieder in Karlsruhe landen, verlieren alle Bürgerinnen und Bürger die Freiheit und am Ende auch die Sicherheit.
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Sie fordern vor allem Dinge, die rechtsunsicher sind – und ob sie zur Sicherheit beitragen, ist fraglich –,
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und lehnen stattdessen Dinge ab, die das Vertrauen in die Polizei stärken, zum Beispiel den Polizeibeauftragten oder die Pflicht zur pseudonymen Kennzeichnung.
({7})
Ich will Ihnen noch mal was zum Thema „Verhältnis zwischen Staat und Gesellschaft“ sagen; denn darum geht es auch bei der Pflicht zur pseudonymen Kennzeichnung. Es ist so: Die Polizei übt das Gewaltmonopol des Staates aus und kann mit ihren Maßnahmen in die Grundrechte aller Menschen eingreifen. Es ist deshalb unerlässlich, in jedem Fall ein transparentes und rechtsstaatliches Handeln sicherzustellen.
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Dazu trägt die Einführung einer Kennzeichnungspflicht bei. Das hat das Bundesverwaltungsgericht schon 2019 bestätigt. Die Pflicht zur pseudonymen Kennzeichnung dient demnach zum einen der Stärkung der Transparenz und der Bürgernähe der Polizei.
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Zum anderen gewährleistet sie die leichtere Aufklärarbeit bei Fehlverhalten. Damit berücksichtigt sie außerdem die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Mit Ihrer Ablehnung dessen sind Sie nicht mehr auf der Höhe der Zeit.
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Sie ist mittlerweile Standard in der Mehrheit der Bundesländer. Außer in Bayern und dem Saarland ist sie überall beschlossen oder auf den Weg gebracht, in vielen unionsmitregierten Ländern.
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Deswegen ist das im Endeffekt auch im Sinne einer konsistenten bundesweiten Polizeipolitik.
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Sie sehen: Wir haben einen klaren Kompass. Wir haben die Sicherheit der Menschen und den demokratischen Rechtsstaat fest im Blick, und wir schaffen Rahmenbedingungen für eine handlungsfähige und transparente Polizei.
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Das bringen wir auch mit dem Bundespolizeigesetz auf den Weg. Das werden Sie noch sehen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
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Nächster Redner: für die Fraktion Die Linke Dr. André Hahn.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es war ja irgendwie schon zu erwarten, dass CDU und CSU passend zur Weihnachtszeit noch ein paar Wünsche für den Law-and-Order-Geschenkekorb präsentieren würden.
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Mit dem vorliegenden Antrag hat die Union nun tatsächlich geliefert. Akzeptabel sind die allermeisten der darin enthaltenen Forderungen aus Sicht der Linken allerdings nicht.
Fangen wir mal mit dem unabhängigen Polizeibeauftragten an, den Sie immer wieder leidenschaftlich ablehnen. Wovor haben Sie eigentlich Angst, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union?
({1})
Eigentlich müssten doch alle Demokraten ein Interesse daran haben, dass die übergroße Mehrheit der Polizisten, die verantwortungsbewusst ihren Dienst versehen, dadurch geschützt wird, dass schwarze Schafe mit übergriffigem oder gar rechtswidrigem Verhalten möglichst schnell aus dem Dienst entfernt werden können.
({2})
In dieser Woche antwortete das Innenministerium auf unsere Anfrage zu den Zahlen über Beschwerden, die entlang von Racial-Profiling-Vorwürfen eingegangen sind. Vom Januar 2021 bis Ende November 2022 wurden danach 100 Beschwerden eingereicht. Darunter ist allerdings nicht eine einzige Beschwerde, die nach Prüfung als begründet eingestuft worden wäre; acht Fälle seien nicht aufklärbar, drei noch in Bearbeitung.
Nun will ich den Einsatzkräften und der Bundespolizei keine Falschmeldungen oder Beschwerdeunterdrückung unterstellen. Aber schon rein statistisch gesehen ist es höchst unwahrscheinlich, dass nicht eine einzige begründete Beschwerde in einem Zeitraum von zwei Jahren dabei gewesen sein soll. Mir sagt das: Wir brauchen mehr denn je einen unabhängigen Polizeibeauftragten.
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Kollege Throm von der Union beklagt in der aktuellen Ausgabe des Lobbymagazins „Moderne Polizei“ das angeblich zu große Misstrauen gegenüber Polizisten.
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Wir müssen uns – gerade jetzt in der Weihnachtszeit – auch gar nicht streiten, wie die vorliegenden Zahlen auszulegen sind, wer recht hat mit seiner Wahrnehmung und wer falsch liegt.
Zwei Dinge allerdings geben mir schon zu denken: Zahlreiche zivilgesellschaftliche Initiativen nehmen ein Problem wahr, das sich dann aber nicht mal ansatzweise in den Aufklärungsraten widerspiegelt. Dass sich nur wenige von Racial Profiling betroffene Menschen überhaupt dazu durchringen, eine offizielle Beschwerde einzureichen, ist angesichts dieser Zahlen nicht verwunderlich. Ich könnte Ihnen jetzt hier einige persönliche Erfahrungen berichten, die ich in den letzten Jahren im Zug von der tschechischen Grenze bei Bad Schandau auf dem Weg nach Berlin erlebt habe; aber dafür fehlt mir leider die Zeit.
Die Fakten machen aber deutlich, lieber Kollege Throm, dass Sie doch eigentlich genau jetzt einen unabhängigen Polizeibeauftragten begrüßen müssten. Wenn Sie dann recht behalten und sich nahezu alle Beschwerden als unbegründet erweisen würden, dann schaffen wir den Beauftragten eben wieder ab. Aber für Ihre komplette Verweigerungshaltung habe ich keinerlei Verständnis.
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Meine Damen und Herren, auch sonst ist der Antrag voll von Geschenken an die Bundespolizei, die die Union verteilen will. Gummigeschosse und Taser sollen eingeführt werden,
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ohne dass überhaupt belegbar ist, dass dadurch der Einsatz von Schusswaffen wirklich vermieden werden kann.
Und natürlich ist die Union auch weiterhin gegen eine Pflicht zur anonymisierten Kennzeichnung für Polizistinnen und Polizisten. Haben Sie sich eigentlich mal im Rest von Europa oder in den USA umgeschaut? Da ist diese Kennzeichnung längst etabliert, und das ist auch gut so. Geben Sie endlich Ihren Widerstand dagegen auf!
({7})
Meine Damen und Herren, als vom Bundestag gewähltes Mitglied des Gremiums, das die Eingriffe in die Unverletzlichkeit der Wohnung nach Artikel 13 Grundgesetz überprüfen soll,
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muss ich einer entsprechenden Befugnis für die Bundespolizei eine klare Absage erteilen. Für die Abwehr einer dringenden Gefahr für Leib und Leben ist der Lauschangriff auf den privaten Wohnraum ebenso ungeeignet wie der Einsatz von Staatstrojanern, den die Union jetzt für die Bundespolizei fordert. Wir als Linke lehnen das ab.
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Abschließend sage ich in Richtung Koalition: Legen Sie endlich einen eigenen Gesetzentwurf für ein neues Bundespolizeigesetz vor. Dann könnten Sie sich erstmals innenpolitisch als sogenannte Fortschrittskoalition beweisen.
Vielen Dank und frohe Weihnachten.
({10})
Nächster Redner: für die FDP-Fraktion Manuel Höferlin.
({0})
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vor Kurzem war ich zu Hause in Mainz wieder mal bei der Bundespolizei am Hauptbahnhof. Dort müssen rund 70 Bundespolizistinnen und Bundespolizisten ihren Dienst tun. Es gibt wenig Platz für die wichtige Arbeit, zu wenig Platz für Akten, für Geräte. Die Umkleiden dort sind inzwischen ausgelagert, ein ganzes Stück vom Gebäude weg, und auf einen Neubau, auf eine neue, größere Unterkunft warten die Kolleginnen und Kollegen dort schon seit Jahren.
Der Hauptbahnhof in Mainz ist nur ein Beispiel. Viele Polizeidienststellen, gerade an den Bahnhöfen, sind ganz ähnlich aufgestellt. Dabei verdanken wir die Sicherheit an den Bahnhöfen, an den Flughäfen genau diesen Beamten, die trotz dieser Umstände ein hohes Maß an Motivation und Leistungsbereitschaft zeigen, und das jeden Tag. Dafür möchte ich einmal herzlichen Dank sagen!
({0})
Eine moderne, gut ausgestattete Polizei ist deshalb für mich eines der wichtigsten Themen und ein zentrales Vorhaben dieser Koalition in der Innenpolitik. Daran arbeiten wir intensiv, um die Arbeit unserer Bundespolizistinnen und Bundespolizisten besser, effizienter zu gestalten. Denn vor allen Dingen damit machen wir Deutschland sicherer, meine Damen und Herren.
Der Antrag der Union zeigt jedoch, dass Sie dieser Aufgabe nicht gewachsen sind und auch in den letzten 16 Jahren nicht gewachsen waren. Denn Ihr Antrag ist nichts anderes als eine Liste dessen, was Sie 16 Jahre in der Innenpolitik selbst nicht geschafft haben. Es ist eine Dokumentation Ihrer Versäumnisse.
({1})
Das Bundespolizeigesetz ist ein gutes Beispiel; denn nicht einmal das haben Sie in der letzten Legislatur durchgekriegt. Deshalb ist es gut, dass sich die Fortschrittskoalition jetzt um die Bundespolizei kümmert, meine Damen und Herren.
({2})
Es geht Ihnen in Wirklichkeit auch gar nicht um die Beamten; das zeigt Ihr Antrag deutlich. Sondern es geht Ihnen einmal mehr um mehr Überwachung der Telekommunikation, um die Onlinedurchsuchung, die Wohnraumüberwachung, die automatische Gesichtserkennung usw. Ihre fragwürdigen Projekte, mit denen Sie die Bürger immer wieder drangsalieren wollen, sind krachend vor den Verfassungsgerichten gescheitert, weil sie einfach nicht verfassungsfest waren, zuletzt die Vorratsdatenspeicherung.
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Sie begreifen eines nicht: Mehr Überwachung bedeutet nicht automatisch mehr Sicherheit, meine Damen und Herren.
({4})
Unsere Polizistinnen und Polizisten brauchen andere Dinge viel dringender. Sie brauchen bessere Ausrüstung, auch bessere Unterkünfte, auf die sie seit Jahren warten. Sie brauchen klare Zuständigkeitsregelungen, und sie brauchen eine verlässliche Politik. Im Gegensatz zu Ihnen werden wir das liefern.
({5})
Sie machen in Ihrem Antrag auch ein paar gute Vorschläge,
({6})
zum Beispiel zum Einsatz von Distanz-Elektroimpulsgeräten, sogenannten Tasern, oder Bodycams. Das kommt leider viel zu spät, weil hierzu teilweise Pilotprojekte laufen,
({7})
sie teilweise aber immer noch nicht ausgerollt sind. Dagegen wollen Sie jetzt noch mehr. Sie wollen die Bundespolizei mit Gummigeschossen ausrüsten. Dabei haben Sie es in den vielen Jahren noch nicht einmal geschafft, die Taser-Pilotprojekte ordentlich auszurollen. Sie wollen sozusagen wieder mit der Kanone auf Spatzen schießen.
({8})
Sie fordern jetzt eine Sicherheitsüberprüfung bei Neueinstellungen. Ein guter Vorschlag, den die FDP-Fraktion in der letzten Wahlperiode bereits gefordert hat. Sie haben es versäumt, das einzuführen. Wir gehen das jetzt mit dem neuen Bundespolizeigesetz an.
({9})
Die Arbeit der Polizei im Täglichen wird auch verbessert, indem wir das erfolgreiche Pilotprojekt P20 weiterentwickeln. Die Polizeien in Deutschland, die Länderpolizeien, die Bundespolizei, das BKA, das Zollkriminalamt und die Polizei des Bundestages werden damit überall und jederzeit Zugriff auf die wichtigen Informationen haben, die sie täglich in ihrem Polizeigeschäft brauchen. Das verbessert die Einsatzmöglichkeiten, die Effizienz der Polizei, und das verbessert die Arbeitsumstände der Beamtinnen und Beamten vor Ort, meine Damen und Herren.
Wir sorgen für mehr Digitalisierung, die auch einen echten Nutzen hat. Wir setzen uns für eine flächendeckende Ausstattung mit mobilen Endgeräten ein: benutzerfreundlich, Direktzugriff auf die relevanten Daten. Damit stärken wir die Bundespolizei und sorgen auch für moderne Sicherheitsbehörden, meine Damen und Herren.
({10})
Weil Ihr Antrag vor allen Dingen eines aufzeigt, nämlich was Sie in den letzten Jahren versäumt haben umzusetzen, was Sie nicht geschafft haben durchzusetzen, ist es auch gut, dass die schwarzen Jahre im Innenministerium vorbei sind.
({11})
Die Sicherheitspolitik ist jetzt evidenzbasiert und grundrechtsschonend. Wir schaffen verlässliche Instrumente für die tägliche Arbeit der Polizistinnen und Polizisten vor Ort. Das dürfen, finde ich, auch diejenigen erwarten, die im wahrsten Sinne des Wortes jeden Tag ihren Kopf für uns hinhalten. Das werden wir leisten.
Vielen Dank.
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Nächster Rednerin: für die CDU/CSU-Fraktion Petra Nicolaisen.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich würde die Gelegenheit gerne nutzen, um darüber zu sprechen, wie die alltägliche Arbeit der 54 000 Bundespolizistinnen und Bundespolizisten in unserem Lande eigentlich aussieht.
({0})
Die Bundespolizei führt jährlich unzählige Amtshandlungen aus. Das wissen Sie. Objektschutz, Grenzkontrollen, Fahndung, Festnahmen und auch der Kampf gegen die Organisierte Kriminalität sind einige der vielfältigen Aufgaben, die Tag für Tag gewissenhaft erfüllt werden. Das sind Aufgaben, die unserer Sicherheit dienen.
({1})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, unsere Aufgabe ist es, die Bundespolizei zu stärken. Dazu müssen die Herausforderungen endlich angegangen werden. Dabei bin ich sicher: Der Bundesregierung sind diese Herausforderungen und Belastungen hinlänglich bekannt, und doch passiert zu wenig.
Die Zahl der Aufgaben wächst, der Aufgabendruck ist enorm und die Gefahrenlage hoch. Wir beobachten eine neue Qualität der Aggression gegen die Polizei, geringere Hemmschwellen, die Festnahme bewaffneter Reichsbürger und die Polizistenmorde, zum Beispiel in Kusel. Wir erleben hochprofessionalisierte Strukturen im Bereich der Schleusungskriminalität und neue mögliche Gefahren durch Cyberangriffe, Sabotage und Drohnen. Darauf muss die Bundespolizei vorbereitet werden, weil wir alle eine zuverlässige, funktionsfähige und gut ausgestattete Bundespolizei erwarten und auch brauchen.
({2})
Mir ist es wichtig, Revue passieren zu lassen, was bisher alleine in diesem Jahr an Aufgaben hinzukam. Zu Beginn dieses Jahres waren es die Montagsdemonstrationen und Drohaufläufe, Coronademos und die vielen Schutzsuchenden aus der Ukraine, im Sommer dann Flughafenchaos. Wer musste helfen? Die Bundespolizei. Einsatzlagen bei Fußballspielen und der Reiseverkehr der Fans – die Bundespolizei ist auch hier gefordert. Und so kamen 2021 und 2022 mehr als 400 000 Einsatzstunden zusammen. In diesem Herbst Klimaaktivisten am Berliner Flughafen – Einsätze für die Bundespolizei. Und nun weiter zunehmende Migrationsbewegungen – die Bundespolizei sichert die Grenzen.
Genau deshalb haben wir diesen Antrag gestellt und eingebracht, weil wir als CDU/CSU-Fraktion den Ernst der Lage erkennen und konkrete Vorschläge machen. Wir fordern Sie, liebe Bundesregierung, in unserem Antrag hier und heute auf:
Erstens. Sorgen Sie für mehr Personal bei angemessener Bezahlung.
Zweitens. Statten Sie die Einsatzkräfte sicherer und moderner aus, um neue Herausforderungen anzugehen und das Personal gut zu schützen. Dazu gehört auch, dass Sie die Situation der Dienststellen und der Unterbringung der Bundespolizei verbessern.
Drittens. Greifen Sie unsere Vorschläge zu zeitgemäßen Handlungsbefugnissen bitte auf.
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Die Bundespolizei braucht Möglichkeiten, um neuen Gefahren zu begegnen und besser ermitteln zu können. Und, Kollege Emmerich, der Polizeibeauftragte trägt nicht zu mehr Bürgernähe bei.
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Abschließend möchte ich auf die künftige finanzielle Situation zu sprechen kommen. Ich kann beim besten Willen nicht nachvollziehen, warum die Bundesregierung ausgerechnet jetzt bei der Bundespolizei sparen will.
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Ihnen muss doch auch bewusst sein, dass das vollkommen unvernünftig ist und natürlich auch realitätsfern.
Wir als unionsgeführte Bundesregierung haben seit 2016 in diese Behörde mehr investiert als in allen anderen Bereichen der inneren Sicherheit. Lieber Kollege Uli Grötsch, Sie wissen es besser als das, was Sie eben kundgetan haben: Wir haben in der Großen Koalition dort viel investiert. Das Polizeigesetz ist im Bundesrat an einem Ministerpräsidenten der SPD gescheitert.
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Was wir mühevoll aufgebaut haben – eine höhere Personaldecke, die Erhöhung der Polizeizulage und viele weitere Verbesserungen –, bauen Sie jetzt sukzessive wieder ab und machen den Erfolg der letzten sechs Jahre zunichte. Das ist eher Wagnis als Fortschritt, was hier gerade passiert. Sie sparen an Befugnissen und an Kosten und das zulasten unserer Sicherheit und der Sicherheit der Einsatzkräfte. Das ist absoluter Rückschritt. Ich muss doch schwer hoffen, dass Sie sich zeitnah besinnen.
Herzlichen Dank.
({7})
Nächste Rednerin: für die SPD-Fraktion Carmen Wegge.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Bundespolizei ist aktuell sehr stark und vielfältig gefordert. In diesem Jahr sind es vor allem die Auswirkungen des russischen Angriffskrieges, sei es der Schutz kritischer Infrastruktur – auch zur See – oder die Unterstützung bei der Ankunft von Geflüchteten aus der Ukraine. Hier möchte ich besonders erwähnen, dass die Bundespolizei dankenswerterweise schnell reagiert hat, als nach den ersten Ankünften von ukrainischen Frauen und Kindern Berichte über Menschenhandel und sexualisierte Übergriffe die Runde machten.
({0})
Die Präsenz wurde verstärkt, und vor Ort wurde sensibilisiert; genau so muss es laufen.
({1})
Aber auch die Razzia gegen Reichsbürger/-innen in der vergangenen Woche kann man nicht unerwähnt lassen. Die Bundespolizei unterstützt immer häufiger bei der Abwehr der großen Bedrohung durch Rechtsextremismus. Auch bei dieser bundesweiten Razzia war sie mit Hunderten Beamtinnen und Beamten beteiligt, darunter auch viele Spezialkräfte. Wir haben den Rechtsextremismus als die aktuell größte Gefahr für unsere Demokratie identifiziert, und für den Kampf gegen rechts brauchen wir starke Sicherheitsbehörden. Auf die Bundespolizei können und müssen wir uns an dieser Stelle verlassen.
Zur Erfüllung ihres wichtigsten Auftrags benötigt die Bundespolizei nicht, wie Sie in Ihrem Antrag schreiben, drei, sondern aus meiner Sicht sogar fünf Dinge. Eine starke Bundespolizei braucht ausreichend Personal, gutes Material, gute Arbeitsbedingungen, Anerkennung für die Arbeit der Beamtinnen und Beamten und schließlich eine moderne gesetzliche Arbeitsgrundlage.
({2})
All das schaffen wir, all das schafft unsere Innenministerin Nancy Faeser, all das schafft die Ampel.
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Ich möchte Ihnen auch konkret erläutern, wie wir in diesen fünf Bereichen jetzt aktiv werden oder bereits aktiv geworden sind:
Erstens: mehr Personal. Wir haben durch die Haushaltsberatungen 1 000 neue Stellen bei der Bundespolizei ermöglicht.
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Diese neuen Beamtinnen und Beamten werden unter anderem zum Schutz von Flug- und Seehäfen und im Grenzschutz eingesetzt.
Zweitens: neues Material. Wir investieren ganz gezielt in die Bedarfe der Bundespolizei. Wir schaffen das an, was wegen der verstärkten Herausforderungen gebraucht wird. Die Bundespolizei See hat beispielsweise ein Verfahrenstrainingszentrum mit dem modernsten Schiffsführungssimulator Europas eröffnet – ein absolutes Alleinstellungsmerkmal. Mit Blick auf die aktuellen Herausforderungen im maritimen Raum ist dies eine dringend notwendige Weiterentwicklung. Ein weiteres Beispiel: Im Haushalt für 2023 haben wir 21 Millionen Euro zur Beschaffung neuer Kontroll- und Streifenboote für die Bundespolizei See sowie von Mehrzweckbooten für die GSG 9 vereinbart.
Drittens: gute Arbeitsbedingungen. Für mehr Sicherheit in Deutschland kommt es auf eine motivierte und gut ausgebildete Bundespolizei an. Genau deshalb stärken wir Supervision sowie Fort- und Weiterbildungen. Nur so kann man eine attraktive Arbeitgeberin bleiben.
({5})
Viertens: Wertschätzung für Polizistinnen und Polizisten. In dieser Legislaturperiode werden wir endlich die Polizeizulage wieder ruhegehaltsfähig gestalten können.
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Das ist uns als SPD seit vielen Jahren ein großes Anliegen. Liebe Union, bei Ihnen habe ich das jetzt noch nicht so häufig gehört. Mit der Wiedereinführung der Ruhegehaltsfähigkeit werden die Leistungen der Beamtinnen und Beamten endlich auch finanziell anerkannt – eine gute Nachricht für die Kolleginnen und Kollegen.
({7})
Fünftens: Modernisierung des Bundespolizeigesetzes. Das stammt in großen Teilen noch aus dem Jahr 1994. Deswegen werden wir selbstverständlich einen Gesetzentwurf vorlegen.
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Der Versuch einer Modernisierung der Rechtsgrundlagen ist, wie bereits bekannt, im Bundesrat gescheitert.
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Wir schaffen nun ein neues und zeitgemäßes Gesetz, das für eine moderne und bürgernahe Polizei stehen wird.
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– Ja, bürgernah. Das ist für Sie vielleicht komisch, Herr Amthor; für uns ist das selbstverständlich.
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Für dieses Ziel braucht es in unseren Augen klar geregelte Kompetenzen. Sie sind die Grundvoraussetzung für ein verfassungsfestes Gesetz. Wir wägen genau ab, welche Handlungsbefugnisse für die Bundespolizei notwendig sind und welche eben nicht.
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Unser Credo ist dabei nicht – wie in Ihrem Antrag – „Mehr ist immer besser“. Diese Haltung würde ich als einen konservativen Reflex bezeichnen, den wir als SPD endlich nicht mehr mittragen müssen.
({13})
Stattdessen wollen wir die Bundespolizei als bürgernahe Polizei stärken. Dafür ist das Vertrauen in unsere Sicherheitsbehörden ein zentraler Schlüssel.
({14})
Gerade deswegen werden wir die Kennzeichnungspflicht und einen unabhängigen Polizeibeauftragten einführen. Beide Maßnahmen sind Ausdruck einer modernen, professionell und vor allem rechtsstaatlich arbeitenden Polizei.
({15})
Sie sind Ausdruck eines offenen und transparent auftretenden Staates gegenüber seinen Bürgerinnen und Bürgern. Das Vertrauen der Bürger/-innen in die Polizei wird damit gestärkt.
({16})
Mit Blick in die Zukunft ist die Bundespolizei also gut aufgestellt. Und besonders gut ist, dass wir jetzt die Innenministerin stellen.
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Vielen Dank.
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Nächste Rednerin: für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Dr. Irene Mihalic.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Die Bundespolizei ist ein Eckpfeiler und Garant für die innere Sicherheit unseres Landes. Sie zu stärken, auf hohem Niveau auszustatten und einsatzbereit zu halten, ist unser aller Verpflichtung, meine Damen und Herren.
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Nicht zuletzt in diesen schwierigen Zeiten von allgegenwärtigen Krisen und des Krieges in der Ukraine verdienen die Beschäftigten der Bundespolizei unseren besonderen Dank und unsere Wertschätzung. Deshalb hätte es mich umso mehr gefreut, wenn wir inzwischen die Ruhegehaltsfähigkeit der Polizeizulage wieder eingeführt hätten, genauso wie wir es auch im Koalitionsvertrag vereinbart haben.
({1})
Leider hängt der bereits fertige Gesetzentwurf der Innenministerin noch im Bundesfinanzministerium zur Freigabe fest.
({2})
Ich appelliere an dieser Stelle aber auch ausdrücklich an unseren Koalitionspartner: Es ist wichtig, dass wir in dieser wichtigen Frage vorankommen.
({3})
Denn gerade für die zahlreichen Beschäftigten der Bundespolizei im mittleren Dienst wäre das ein so wichtiges Signal in diesen schwierigen Zeiten. Wir dürfen sie nicht im Regen stehen lassen, meine Damen und Herren.
({4})
Nun komme ich zu Ihrem Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union. Sie haben ja durchaus ein paar vernünftige Dinge aufgeschrieben. Aber mit dem meisten, was Sie da vorschlagen, sind Sie ja schon in der letzten Wahlperiode krachend gescheitert.
({5})
Nach diesem völlig verkorksten Gesetzgebungsverfahren ist es gut, dass die Ampel jetzt anpackt, was Sie damals verbockt haben.
({6})
Nach fast 30 Jahren Stillstand werden wir das Bundespolizeigesetz endlich novellieren.
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Damit treffen wir eine Richtungsentscheidung für die Zukunft der Bundespolizei. Wir werden darauf achten, dass die Bundespolizei moderne und vor allen Dingen rechtssicher ausgestaltete Rechtsgrundlagen erhält, so wie es für ihre wichtige Arbeit erforderlich ist.
({8})
Dazu gehört auch, die Debatte darüber zu führen, dass die Bundespolizei die Zuständigkeit für die Bearbeitung von Verbrechenstatbeständen bekommt. Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der Union – das haben Sie sich hier schon öfter anhören müssen –, fordern hingegen die Nutzung automatischer Gesichtserkennung, sie wollen die Quellen-TKÜ für die Bundespolizei
({9})
und die Wohnraumüberwachung.
({10})
Damit laufen Sie nicht nur meilenweit am tatsächlichen Bedarf vorbei, sondern Sie würden auch noch einen ganzen Berg voller verfassungsrechtlicher Unsicherheiten schaffen.
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Was wir aber brauchen, ist gut ausgebildetes, gut ausgestattetes Personal, das kriminalistisch arbeitet,
({12})
und keine Rechtsunsicherheiten, meine Damen und Herren.
({13})
Ein sehr wichtiges Thema ist zudem eine professionelle und vor allem diskriminierungsfreie Arbeit der Bundespolizei. Seit Jahren wird Deutschland – auch unter der unionsgeführten Bundesregierung war das so – von europäischen Institutionen dazu aufgefordert, wirksam gegen das sogenannte Racial Profiling vorzugehen. Die Novelle des Bundespolizeigesetzes bietet nun eine echte Chance dafür, mehr Rechtssicherheit für Personenkontrollen zu schaffen und gleichzeitig Diskriminierung vorzubeugen. Hierzu möchten wir zusammen mit unseren Koalitionspartnern an der Entwicklung von alltagstauglichen und praktikablen Lösungen arbeiten, wie zum Beispiel die flächendeckende Ausstattung der Beamtinnen und Beamten mit Bodycams, die auf Verlangen eingeschaltet werden, oder die Ausstellung von Kontrollquittungen. Das sind wichtige Maßnahmen, für die wir uns einsetzen wollen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen der Union, um uns allen hier Ihre Plattitüden zu ersparen: Nein, diese Maßnahmen drücken nicht mangelndes Vertrauen in die Arbeit der Polizei aus. Im Gegenteil: Wir schaffen Vertrauen, meine Damen und Herren.
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Denn die allermeisten Polizistinnen und Polizisten machen eine hervorragende und professionelle Arbeit für uns alle. Wir wollen sie darin unterstützen und ihnen die Rechtsgrundlagen an die Hand geben, die sie für ein professionelles Einschreiten so dringend brauchen.
({15})
Wer immer nur nichts tut und sagt: „Die Polizei macht immer alles richtig“,
({16})
der zerstört in Wahrheit das Vertrauen in diese so wichtige Institution unserer Gesellschaft. Das muss sich dringend ändern.
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Deshalb ist es auch so wichtig, dass wir demnächst auch einen Gesetzentwurf zur Schaffung eines unabhängigen Polizeibeauftragten vorlegen werden. Wir wollen eine unabhängige Ansprechperson für Polizistinnen und Polizisten und für Bürgerinnen und Bürger hier beim Deutschen Bundestag installieren. Aber auch dagegen polemisieren Sie ja immer gerne; Entsprechendes schreiben Sie in Ihrem Antrag. Aber Ihr Konservativismus ist eben nach dem Motto gestrickt: Einfach immer dasselbe sagen, egal wie die Welt sich verändert.
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Wir als Ampel werden aber dafür sorgen, dass sich etwas ändert, und zwar zum Positiven. Denn es geht um eine Kultur des Vertrauens und der Wertschätzung, der wir uns verpflichtet fühlen: Vertrauen in die Polizeibeamtinnen und ‑beamten des Bundes, die wir mit neuen, modernen Kompetenzen ausstatten wollen, Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Sicherheitsbehörden unseres demokratischen Rechtsstaats und Wertschätzung, die mehr ist als eine hohle Phrase. Unsere Polizistinnen und Polizisten brauchen kein Mitleid oder Schulterklopfen. Sie verdienen aufrichtige Anerkennung ihrer Arbeit, die sich in vielen Maßnahmen ausdrückt.
In diesem Sinne wünsche ich uns allen eine gute und besinnliche Weihnachtszeit; denn in der Ruhe liegt die Kraft, die wir auch für die anstehenden sicherheitspolitischen Reformdebatten so dringend brauchen.
Ganz herzlichen Dank.
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Nächster Redner: für die FDP-Fraktion Stephan Thomae.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wenn man sich den Antrag der Union so durchliest, dann fühlt man sich, jedenfalls an ein paar Stellen, als wäre man in eine Kammer des Schreckens grenzenloser Überwachungs- und Eingriffsbefugnisse hineingeraten;
({0})
denn Sie machen keinen Hehl daraus, dass Sie alle auch nur irgendwie denkbaren Befugnisse einführen und weitergeben würden, wenn man Sie nur lassen würde. Dabei sind Ihrer Fantasie keine Grenzen gesetzt: von der Befugnis zum Einsatz moderner Technik über die Nutzung von Gesichtserkennung an Bahnhöfen und Flughäfen bis hin zur Wohnraumüberwachung
({1})
und schließlich – fast schon erwartungsgemäß, wie auf ein Stichwort im Theater – die Befugnis zur Telekommunikationsüberwachung sowie die Befugnis zur sogenannten Quellen-TKÜ und zur Onlinedurchsuchung. Da fehlt nichts aus dem Szenario.
Aber es ist vieles dabei, was man sich in Bezug auf die Ausweitung von bundespolizeilichen Befugnissen gerade nicht wünscht. Denn der freiheitliche Verfassungsstaat macht von Eingriffsbefugnissen und Überwachungsbefugnissen wirklich nur sehr zurückhaltenden und maßvollen Gebrauch. Zudem verkennen Sie in Ihrem Antrag den Stellenwert, die Möglichkeiten, die Chancen, die Optionen eines unabhängigen Polizeibeauftragten, den Sie in Ihrem Antrag als überflüssig erachten.
So macht Ihr Antrag eines deutlich: Es ist gut, dass die FDP in Regierungsverantwortung ist zusammen mit den Grünen und der SPD.
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Denn mit uns wird es einen solchen rücksichtslosen und übrigens auch weitestgehend unnötigen Generalangriff auf die Bürgerrechte und auf unsere IT-Sicherheit, wie Sie ihn hier vorhaben, gerade nicht geben.
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Mit diesem Antrag wird die Union einer vernünftigen Reform des Bundespolizeigesetzes nicht einmal im Ansatz gerecht. Es ist interessant, wie selbstbewusst die Union hier die Stärkung der Bundespolizei fordert;
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denn die wesentlichen Elemente des Bundespolizeigesetzes stammen aus dem Jahr 1994.
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Damals hieß die Truppe noch „Bundesgrenzschutz“. Eigentlich wollte die letzte Große Koalition das Gesetz modernisieren,
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ist damit aber im Jahr 2021 gescheitert, nur zwei Monate vor der Bundestagswahl.
({7})
Das heißt, damit, dass Sie das jetzt zu Ihrem Thema machen, zeigen Sie, wo Sie zuletzt stecken geblieben sind.
Während Sie die Bundespolizei in ihrer veralteten Gesetzesgrundlage zurückgelassen haben, werden wir die Modernisierung des Bundespolizeigesetzes jetzt anpacken.
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Denn die Koalition hat die Überarbeitung des Bundespolizeigesetzes
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zu einem ihrer wichtigsten Vorhaben gemacht. Wir wollen für eine gute Personal- und Sachausstattung sorgen, den Zustand der Liegenschaften verbessern und den Abbau von Überstunden fördern.
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Vor allem der Zustand vieler Liegenschaften, die die Bundespolizei gerade in Bahnhöfen nutzt, ist für die Polizeibeamtinnen und ‑beamten untragbar. Wir müssen dafür sorgen, dass die notwendige Ausstattung und angemessene Unterbringung gewährleistet werden.
Einen letzten Punkt will ich noch anfügen; denn wir als FDP-Fraktion halten es für einen wichtigen Punkt, die Kompetenzen der Bundespolizei in Bezug auf Rückführungen dort zu stärken, wo Bundespolizeibeamte in ihrem Zuständigkeitsbereich, vor allem an Bahnhöfen, den unrechtmäßigen Aufenthalt einer Person feststellen. Dann sollte sie auch für die Rückführung zuständig sein.
({11})
Da sind Zuständigkeitsfragen zwischen Bund und Ländern zu klären. Aber es ist sinnvoll und auch notwendig, dass dort, wo ausreisepflichtige Ausländer angetroffen werden, die Bundespolizei für die Rückführung sorgen kann. Das ist noch ein Punkt, den wir angehen wollen. Ansonsten werden wir dieses Thema im nächsten Jahr beherzt angehen.
Vielen Dank und Ihnen allen frohe Weihnachten und einen guten Start ins neue Jahr.
({12})
Nächste Rednerin: für die CDU/CSU-Fraktion Dr. Silke Launert.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! „Alles Reden ist sinnlos, wenn das Vertrauen fehlt“ – Worte des Philosophen Kafka, die zum Ausdruck bringen, worauf es am Ende wirklich ankommt: nicht auf ausschweifende Reden, Beteuerungen, Versprechungen, sondern schlichtweg auf eines: Vertrauen. Nur derjenige, welcher das Gefühl hat, dass ihm vertraut wird, der fühlt sich auch wertgeschätzt. Vom Vertrauen der Bundesregierung in unsere Polizei, in all die Männer und Frauen, die unsere Sicherheit garantieren – Tag und Nacht, 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr –, muss ich sagen, spüre ich eher wenig.
Im Koalitionsvertrag hieß es noch so toll – schöne Worte –:
Die Wertschätzung für unsere Polizistinnen und Polizisten drückt sich auch durch eine gute Personal- und Sachausstattung, den Zustand der Liegenschaften, den Abbau von Überstunden und die Wiedereinführung der … Polizeizulage aus.
Wie sieht die Realität aus? Wir erkennen an, dass Sie die Bundespolizei stärken wollen und dort keine pauschale Kürzung von 1,5 Prozent vorgenommen haben.
({0})
Dafür haben wir uns ausgesprochen, das erkennen wir an. Allerdings trifft die Personalkürzung von 1,5 Prozent die Verwaltung. Da hören wir Stimmen, die sagen: Das macht uns den Laden kaputt; denn wir haben gerade in den letzten Jahren viel ausgebaut. Diese Einsparung wäre drastisch.
({1})
Wir haben Sachmittelkürzungen. Wir haben die geplante Kennzeichnungspflicht – Stichwort „Bürgernähe“; das ist abstrus, aber diesen Begriff hat ja jemand anders in dem Zusammenhang gebraucht. Wir haben die Pläne zur Ernennung eines Polizeibeauftragten.
Interessant, was unter Wertschätzung zu verstehen ist. Es ist eben nicht so, wie Frau Mihalic sagt, dass das nichts mit Vertrauen zu tun hat. Ich unterhalte mich nicht nur mit Soldaten, sondern auch mit Polizisten. Ich war erst letzte Woche bei meiner Bundespolizei vor Ort. Die Reden in der vorhergehenden Debatte haben es gezeigt: In fast allen Beiträgen von links-grün wurden die Polizisten angegriffen und wurde gesagt, wie wichtig es ist, sie genau zu kontrollieren, um die vielen schwarzen Schafe herauszufiltern.
({2})
Das ist genau das Gegenteil von Wertschätzung.
({3})
Sicherheit, liebe Kolleginnen und Kollegen, gibt es nicht zum Nulltarif. Sie kostet. 54 000 Männer und Frauen arbeiten für unsere Sicherheit. So bitter es ist, ein schwarzes Schaf zu haben – das ist nicht entschuldbar –, so sehr müssen wir die anderen Männer und Frauen der Bundespolizei sehen, die jeden Tag ihren Kopf hinhalten und bereit sind, in Gefahrensituationen vielleicht sogar ihr Leben zu lassen. Für diese Personen trägt die Bundesregierung die Verantwortung. Diese Personen haben unser Vertrauen und unsere Wertschätzung verdient. Wir brauchen sie!
({4})
Die Rückendeckung, die diese brauchen, haben wir in der letzten Periode gegeben. Frau Mihalic, Sie sagten, wir hätten 16 Jahre nichts gemacht. Haben Sie in der letzten Periode geschlafen? Kurzzusammenfassung: 8 300 neue Stellen – Erhöhung um fast ein Fünftel –,
({5})
Besoldungserhöhung um 10 Prozent, Polizeizulage, Einstiegsgehalt wurde angehoben. Also, wer sich hierhinstellt und hohle Phrasen bemüht wie: „16 Jahre nichts gemacht“, der hat offensichtlich nicht aufgepasst.
({6})
Das Signal, das wir ausgesendet haben, ist klar: Wir sehen, welche wichtige Aufgabe ihr für uns alle erledigt. – Vielen Dank, Herr Grötsch, dass Sie das angesprochen haben; Sie waren der Einzige, der die 450 Bundespolizisten, die in dem Einsatz letzte Woche aktiv dabei waren, die ihren Job gemacht und unsere Demokratie verteidigt haben, erwähnt hat. – Wir sehen, was ihr leistet. Wir stehen an eurer Seite. Wir unterstützen euch. Und vor allem: Wir vertrauen euch.
({7})
Das ist genau das Gegenteil von dem, was die Ampel macht. Wir hören immer nur, was alles falsch läuft, wie man kontrollieren muss, wie man alle möglichen Leute rausbringen muss.
(Dr. Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was haben Sie denn gemacht? Was hat Horst Seehofer gemacht?
Schaffen Sie die nötigen Rahmenbedingungen! Machen Sie den Weg frei für die Erweiterung der Zuständigkeit der Bundespolizei. Machen Sie den Weg frei für die Befugnisse zur Telekommunikationsüberwachung, zur Quellen-TKÜ,
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zur Onlinedurchsuchung. Kurzum: Schenken Sie unseren Leuten bei der Bundespolizei Vertrauen!
({9})
Sie haben es verdient.
({10})
Nächste Rednerin: für die SPD-Fraktion Simona Koß.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! „Die Bundespolizei weiter stärken“, so der Titel des Antrags der Union. Und wer mag dem widersprechen? Was die Ampelkoalition für die Stärkung der Bundespolizei tut und im Haushalt 2023 verankert ist, haben wir schon von einigen Kolleginnen und Kollegen der Koalition gehört. Ich möchte es trotzdem noch mal wiederholen: 1 000 neue Stellen, acht neue Stellen für dringend gebrauchte Sozialarbeitende und Psychologinnen und Psychologen für die Aus- und Fortbildungszentren der Bundespolizei, 21,1 Millionen Euro für die Beschaffung neuer Kontroll- und Streifenboote und neuer Mehrzweckboote der GSG 9, 3,9 Millionen Euro für die Beschaffung von Drohnen zum Schutz kritischer Infrastruktur.
Die Ausstattung der Bundespolizei im Haushalt 2023 ist dank Ampelkoalition und Bundesinnenministerin Nancy Faeser in guten Händen.
({0})
Wir nehmen den Titel Ihres Antrages ernst: Wir stärken die Bundespolizei!
In diesem Jahr habe ich insgesamt dreimal den Standort Blumberg der Bundespolizei besucht, zuletzt am 11. November gemeinsam mit meinem Kollegen Uli Grötsch. Die Kolleginnen und Kollegen dort sind zuständig für den „Grenzschutz Migrationsarbeit“ an den Grenzen zu Polen, Österreich, Tschechien und der Schweiz, und wir wissen, meine sehr verehrten Damen und Herren, wie die Situation an den Grenzen ist. Sie sind zuständig für die Sicherung von Bahnhöfen und Gleisanlagen, für Einsätze zur Unterstützung bei Versammlungen in den Bundesländern Berlin, Brandenburg und Sachsen sowie für Einsätze zur Unterstützung des BKA, unter anderem beim G-7-Gipfel.
Bei unserem Besuch waren wir tief davon beeindruckt, mit welch großem Engagement die Kolleginnen und Kollegen der Bundespolizei unter schwierigen Bedingungen ihre Arbeit leisten. Falls es Sie interessiert, werte Kolleginnen und Kollegen von der Union, dann machen Sie sich doch einmal die Mühe und schauen Sie sich an, unter welchen Bedingungen die Kolleginnen und Kollegen der Bundespolizei dort arbeiten müssen.
({1})
Sie werden Häuser in Bausubstanz aus den 80er-Jahren vorfinden, die den Anforderungen, die wir und Sie an die Bundespolizei stellen, nicht mehr gerecht werden.
({2})
Werte Kolleginnen und Kollegen von der Union, bevor Sie jetzt mit dem Finger auf die Ampel zeigen: Diese Rahmenbedingungen herrschen dort, in Blumberg, seit Jahren.
({3})
Dringend, wirklich dringend müssen jetzt folgende Bauvorhaben umgesetzt werden: der Bau einer Befehlsstelle, die Bereitstellung eines Führungsraums, die Erweiterung von Trainingsmöglichkeiten, neue Unterkünfte für die Kolleginnen und Kollegen und eine neue Mensa. Es gibt einen Masterplan über 15 Jahre mit fünf Bauabschnitten. Wichtig ist, dass endlich mit der konkreten Umsetzung begonnen wird.
Wir werden jetzt das in Angriff nehmen, was der Innenminister Seehofer mit seinem bayerischen Blick möglicherweise nicht hat sehen können oder sehen wollen.
({4})
Wir werden – und ich persönlich werde mich dafür einsetzen – den Standort so ertüchtigen, dass er einer modernen Bundespolizei entspricht.
({5})
Ich danke allen Kolleginnen und Kollegen in Zivil und in Uniform für ihr Engagement und ihren Einsatz; denn sie leisten unter schwierigen Bedingungen eine erstklassige Arbeit.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir schauen nach vorne, wir packen an.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen ein schönes Weihnachtsfest und einen guten Rutsch.
({6})
Nächster Redner: für die CDU/CSU-Fraktion Philipp Amthor.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Debatte, die wir jetzt in der zurückliegenden Stunde über die Bundespolizei geführt haben, hat sehr deutlich gezeigt – und ich hoffe, dass das viele Bundespolizisten in unserem Land zur Kenntnis nehmen –, wo die einzelnen Fraktionen dieses Parlaments ihre Schwerpunkte setzen. Die einen, wir, haben in den vergangenen Jahren dafür gesorgt, dass es einen beispiellosen Aufwuchs bei der Bundespolizei gab.
({0})
Sie haben stattdessen den Gesamtpersonalansatz der Bundespolizei reduziert, und man hat den Eindruck: Die wichtigste Zukunftsbaustelle für die Bundespolizei sind bei Ihnen nicht neue Einsatzhundertschaften, die es dringend bräuchte, sondern ein Polizeibeauftragter, liebe Kolleginnen und Kollegen.
({1})
Wir haben uns in den vergangenen Jahren – und wir tun es auch in dieser Debatte – sehr klar dafür eingesetzt, dass die Bundespolizei Instrumente und Befugnisse auf der Höhe der Zeit bekommt.
({2})
Statt neuer Befugnisse und Instrumente gibt es von Ihnen eine Kennzeichnungspflicht für Polizistinnen und Polizisten. Das ist zu wenig, liebe Kolleginnen und Kollegen.
({3})
Man hat den Eindruck: In Ihren Vorträgen ist das Hauptthema eine sogenannte bürgernahe Bundespolizei.
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Das scheint Ihr Wunsch zu sein. Ich sage Ihnen: Das ist auch die Realität in unserem Land, eine Realität, die Sie verkennen.
({5})
Das wichtigste Ziel, das erreicht werden muss, ist eine Bundespolizei, die wirksam gegen Straftäter und Extremisten vorgehen kann. Dafür braucht es unseren Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen.
({6})
In einer wirklich beispiellosen gemeinsamen Erfolgsgeschichte der personellen Stärkung, die wir nicht alleine, sondern mit der SPD, die sich zum Teil nicht mehr daran erinnern kann und glaubt, die letzten 16 Jahren seien schlecht gewesen, vollbracht haben, haben wir dafür gesorgt, dass 54 000 Bundespolizisten unsere innere Sicherheit stärken, unsere Freiheit verteidigen. Diese Menschen brauchen einen rechtlichen Instrumentenkasten auf der Höhe der Zeit. Wir haben es gehört: Das Bundespolizeigesetz ist 30 Jahre alt. Es braucht einen Neuanlauf. Ich sage gerade Ihnen, da Sie uns immer vorwerfen, wir würden hier nur meckern, wir würden nur kritisieren: Wir haben konkrete Vorschläge gemacht. Sie kündigen nur an. Wo ist denn Ihr Gesetzentwurf zum Bundespolizeigesetz?
({7})
Ich fände es übrigens toll – die Spatzen pfeifen es von den Dächern: es gibt ja einen Referentenentwurf; wir haben gehört, der steckt jetzt im Finanzministerium fest –, und es wäre übrigens auch ein tolles Zeichen des Parlamentarismus, wenn wir die Dinge nicht irgendwo in der Öffentlichkeit diskutiert fänden, sondern hier im Parlament.
({8})
Trotzdem wissen wir natürlich: Was Sie vorschlagen, ist ungenügend. Einführung von Tasern, den sogenannten Distanzelektroimpulsgeräten: Fehlanzeige! Quellen-Telekommunikationsüberwachung: Fehlanzeige!
({9})
Onlinedurchsuchung: Fehlanzeige! Stattdessen: Kennzeichnungspflicht und Polizeibeauftragte.
({10})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Ihr Entwurf trägt den Namen „Bundespolizeigesetz“, ist in der Sache aber keine notwendige Stärkung der Bundespolizei. Die gibt es stattdessen von uns.
({11})
Ich will Ihnen auch noch sagen: Sie, insbesondere die Kolleginnen und Kollegen von der SPD, fallen deutlich hinter das zurück, was wir in der vergangenen Wahlperiode gemeinsam beschlossen haben. Das Bundespolizeigesetz, das im Bundesrat gescheitert ist, war nicht irgendwie mal eine unverbindliche Willenserklärung der Union, sondern es war ein Beschluss dieses Parlaments. Und es ist auch maßgeblich an der SPD gescheitert, an Boris Pistorius und am Bundesrat, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das dürfen wir auch nicht vergessen.
({12})
Frau Faeser, ich sage Ihnen: Sie müssen auch liefern und sollten sich im Bundesrat etwas zutrauen und jetzt nicht das Bundespolizeigesetz so lieblos ausgestalten, dass all die Dinge, die eine Zustimmungspflicht im Bundesrat auslösen, gestrichen werden, weil Sie es sich nicht zutrauen, die Ministerpräsidenten zu überzeugen.
({13})
Ich finde, wer andere Ministerpräsidenten nicht überzeugen kann,
({14})
ein gutes Bundespolizeigesetz zu machen, der sollte auch selbst nicht das Amt der Ministerpräsidentin anstreben. Das ist bei Boris Rhein deutlich besser aufgehoben.
Frohe Weihnachten, liebe Kolleginnen und Kollegen.
({15})
Nächster Redner: für die SPD-Fraktion Sebastian Fiedler.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin heilfroh, dass ich vorher keine Rede geschrieben habe, sonst könnte ich gar nicht auf alles eingehen, was jetzt aufgeräumt werden muss. Lieber Kollege Amthor und Kollegen der Union, ich empfinde das, offen gestanden, auch als persönliche Beleidigung.
({0})
Ich habe mich jahrelang ehrenamtlich und hauptamtlich für die Belange der Polizeibeamten eingesetzt.
({1})
Glauben Sie eigentlich, die SPD und die Ampelkoalition wären mit dem Klammerbeutel gepudert? Ich bin keine Ausnahme, sondern ich rede hier für die Ampelfraktion, für die Fortschrittskoalition.
({2})
Natürlich stehen wir hinter unseren Sicherheitsbehörden. Nur weil Sie jetzt kurz vor Weihnachten noch mal einen Schaufensterantrag einbringen und meinen, jetzt das gesamte Repertoire der Law-and-Order-Politik reinbringen zu müssen, entsteht daraus ja kein Gegenpol zu uns. Sie tun so, als stünde die Bundespolizei mit all ihren vielfältigen Aufgaben – viele sind schon genannt worden: Sicherung der Grenzen, Flughäfen, Spezialeinheiten, Hubschrauber, Wasserfahrzeuge, ein paar Tausend Leute, die dort Kripoarbeit machen, Auslandseinsätze, Botschaften werden bewacht – im luftleeren Raum.
Ich finde das auch bemerkenswert, wenn Sie auf die Überstunden hinweisen. Ich gucke mal nach Hessen: Wissen Sie eigentlich, wie viele der Überstunden dadurch zustande kommen, dass die Bundespolizei die Länder unterstützen muss?
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Ja, wo sind denn die ganzen Polizeibeamten in Hessen? Warum müssen die Bundespolizisten denn jedes Wochenende dahinfahren? Haben Sie mal abgefragt, wie viele Überstunden auf dieses Konto gehen?
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Also, lassen Sie uns doch auch mal über die Personalausstattung reden!
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– Hören Sie lieber zu, es ist nicht zu Ihrem Nachteil.
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Genauso verhält es sich, was Befugnisse angeht. Die Länder hatten ja gute Gründe. Ich war zwar nicht dabei, aber ich höre auch Sachen zu Bayern. Hatten Sie die vergessen? War das Ergebnis irgendwie fünfzehn zu eins im Bundesrat? Gibt es da jetzt Vetos?
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Ich habe leider nicht so viel Redezeit, um mit allen Geschichten aufzuräumen. Ich will daher vor allen Dingen einen Punkt noch mal herausstellen. Mir ist dieser Punkt sehr wichtig; das meine ich wirklich ernst. Wir haben vorhin eine Debatte über das Hinweisgeberschutzgesetz geführt, und das steht in einem direkten Zusammenhang. Nehmen Sie sich das mal zu Herzen: Natürlich ist es gut und richtig, dass das Vertrauen der Bevölkerung in die Sicherheitsbehörden außerordentlich groß ist. Aber ich wiederhole noch mal einen Teil von gerade: Das ist nicht in allen Bevölkerungsschichten gleich. Unterhalten Sie sich mal mit Familien, die eine Einwanderungsgeschichte haben!
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Ich bin neulich nach dem Vorfall in Dortmund auf einer Veranstaltung gewesen. Da sagen Ihnen Lehrerinnen und Lehrer: Kleine Kinder haben Angst vor der Polizei. Nehmen Sie das ernst! Sie können das nicht einfach wegwischen und sagen: Da haben wir kein Problem. Wir nehmen Durchschnittswerte. Damit haben wir nichts zu tun. – Und spielen Sie das um Himmels willen nicht gegen die vermeintliche Position aus, das sei gegen die Sicherheitsbehörden gerichtet!
Ich frage mich wirklich allen Ernstes: Wo bleibt Ihr Antrag zur Abschaffung der Wehrbeauftragten?
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Finden Sie, dass das Quatsch ist? Es geht darum, ein unabhängiges Gremium für die Polizei zu schaffen. Ich verstehe das Gegenargument gar nicht. Sie müssten einen Antrag einbringen, in dem Sie die Abschaffung des Amts der Wehrbeauftragten fordern, wenn Sie gegen einen Polizeibeauftragten sind.
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Sie haben sich offenbar gar nicht damit beschäftigt. Das ist vollkommener Unsinn.
Zum Thema Kennzeichnungspflicht. Ich bin gelernter Kriminalbeamter. Wissen Sie eigentlich, dass bei Ermittlungen gegen die Organisierte Kriminalität auch jeder Kriminalbeamte mit Vor- und Nachnamen in der Ermittlungsakte steht? Ist Ihnen das eigentlich klar? Wir reden doch hier nur über pseudonymisierte Kennzeichnung. Versuchen Sie doch nicht, die ganze Polizei zu verunsichern!
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Das Thema Sicherheitsüberprüfung ist schon angesprochen worden.
Was ich sagen will: Wir müssen natürlich weiter dafür sorgen, dass das Vertrauen in allen Teilen der Bevölkerung so groß ist, wie es das im Durchschnitt ist. Das ist leider Gottes noch ein Problem.
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Dazu bringen wir ein ganzes Bündel von unterschiedlichen Maßnahmen ein. Ich selbst habe eine geradezu abwegige Diskussion mit Horst Seehofer darüber geführt, ob wir der Wissenschaft verbieten dürfen, die Polizei zu untersuchen; daran kann ich mich noch sehr gut erinnern.
Also, wir tun sehr viel, um die personelle Situation der Polizei zu verbessern; das ist schon gesagt worden, unter anderem von Carmen Wegge. Wir kümmern uns um die technische Ausstattung; hierfür sind die Mittel aufgestockt worden. Natürlich stehen wir mit allem, was wir haben, hinter unseren Sicherheitsbehörden.
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Ich bin froh, dass die Bundesinnenministerin ein sehr modernes Bundespolizeigesetz vorlegen wird.
Frohe Weihnachten!
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Und vor allem: Liebe Menschen, die diese Debatte auf den Tribünen verfolgen! Rund 29 Millionen Menschen engagieren sich in Deutschland jeden Tag ehrenamtlich. 29 Millionen Menschen, das ist eine beeindruckende Zahl. All diese Menschen sind Motor und Herz unserer Demokratie. Ihr Engagement ist der Kitt, der unsere Gesellschaft zusammenhält. Jeder und jedem Einzelnen von diesen 29 Millionen Menschen möchte ich im Namen der Bundesregierung und sicher auch im Namen des gesamten Hauses meinen aufrichtigen Dank aussprechen,
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all den Freiwilligen, die Hunderttausenden geflüchteten Menschen aus der Ukraine die Ankunft in Deutschland erleichtern, all den Engagierten, die in Sportvereinen, in der freiwilligen Feuerwehr oder in Kirchengemeinden jeden Tag für andere da sind, all denen, die täglich Zusammenhalt leben, erst recht in diesen herausfordernden Zeiten.
Der vorliegende Dritte Engagementbericht ist einer von insgesamt fünf Berichten. Das Thema dieses Berichtes ist hochaktuell: „Junges Engagement im digitalen Zeitalter“. Drei Ergebnisse sind dabei zentral: Erstens. Die Digitalisierung eröffnet neue Wege, sich einzubringen und zu engagieren. Zweitens. Digitale Plattformen werden dabei immer wichtiger. Drittens. Digitales Engagement schafft mehr Flexibilität. So nutzen etwa mehr als 40 Prozent der Jugendlichen auch oder sogar ausschließlich digitale Medien für ihr Engagement.
Der Bericht zeigt uns also wichtige Trends auf; er gibt uns aber auch einen ganzen Strauß an Aufgaben mit: Wir sollen Menschen und Vereine beim Einstieg in das digitale Engagement besser unterstützen. Wir sollen helfen, nichtdigitales und digitales Engagement besser miteinander zu verbinden. Und wir sollen das Engagement von Jugendlichen stärker würdigen.
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Wir im Bundesfamilienministerium, das ja auch das Engagementministerium ist, wollen den 29 Millionen Engagierten den Rücken stärken, zum Beispiel zusammen mit der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt. Seit ihrer Gründung vor zwei Jahren hat die Stiftung bereits mehr als 7 000 Vereine und Organisationen mit rund 70 Millionen Euro unterstützt. Außerdem arbeiten wir gerade an einer neuen Engagementstrategie, damit Engagement so einfach wie möglich gemacht wird.
Gerade in dieser Woche haben wir einen weiteren Meilenstein erreicht: Die Bundesregierung hat das erste Demokratiefördergesetz auf den Weg gebracht.
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Mit diesem Gesetz schaffen wir mehr Planungssicherheit für diejenigen, die sich täglich für andere und für unsere Werte einsetzen. Ihre wichtige Arbeit stellen wir auf eine stabile und nachhaltige Grundlage. Denn je mehr Menschen sich gesellschaftlich engagieren, desto stärker ist der Zusammenhalt in der Gesellschaft und desto stärker ist die Wehrhaftigkeit gegen die, die unsere Demokratie gefährden wollen.
Engagement zu fördern, ist also ein aktiver Beitrag, Demokratie und Zusammenhalt zu stärken. Deswegen danke ich den Expertinnen und Experten für diesen wertvollen Bericht und freue mich jetzt sehr auf die Debatte dazu.
Vielen Dank.
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Das Wort erhält Ralph Edelhäußer für die CDU/CSU-Fraktion.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Dritte Engagementbericht namens „Zukunft Zivilgesellschaft: Junges Engagement im digitalen Zeitalter“ ist für mich zuallererst ein Grund für freudigen Optimismus; denn er zeigt, dass die Jugend, die oftmals als orientierungslos und schwer zu begeistern bezeichnet wird, durchaus engagiert ist und das Leben entsprechend meistert.
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Etwa zwei Drittel der 14- bis 27-Jährigen gaben an, dass sie sich gesellschaftlich einbringen. Ich finde diese Zahl wirklich beeindruckend. Deswegen möchte ich – Sie werden mir wahrscheinlich alle zustimmen – diesen Jugendlichen und jungen Erwachsenen einfach mal Danke sagen.
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Nicht erst seit der Coronapandemie hat sich das ehrenamtliche Engagement verändert, gerade das der jungen Menschen. Die Welt ist digitaler geworden; das wirkt sich natürlich auch auf das Ehrenamt aus. Es gibt neue Formate, es gibt neue Strukturen.
Die aktive Mitgestaltung der Gesellschaft und bei relevanten Themen unserer Zeit ist den jungen Menschen ein besonderes Anliegen. Idealerweise müssen sich die Rahmenbedingungen den Anforderungen der Engagierten anpassen; es dürfen sich nicht die Engagierten den Anforderungen anpassen müssen. Das ist, glaube ich, ganz wichtig. Deshalb ist es erforderlich, dass die Strukturen des Ehrenamtes angepasst werden.
In den letzten Jahren kannten wir das Ehrenamt ja eigentlich nur in physischer Form; denn es wurde in den Vereinen, den Verbänden, den Feuerwehren und den Kirchen gelebt. Jetzt hat sich vieles in die digitale Welt verlagert. Für mich gehört aber beides ganz klar zusammen: das traditionelle Ehrenamt und das digitale Ehrenamt. Beides müssen wir entsprechend stärken.
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Die Jugend von heute will Verantwortung übernehmen. Das will sie aber nicht mehr in starren Strukturen. Wer mal in einem Verein war, kennt den Formalismus mit Satzung, Satzungsänderungen, Notar usw. Nein, den wollen die jungen Leute nicht mehr. Sie wollen Optionen haben; sie wollen etwas ausprobieren, und das wollen sie auch im Ehrenamt. Das projektbezogene Ehrenamt wird einfach immer wichtiger. Sie wollen sich mit unserer Gesellschaft auseinandersetzen und sich einbringen. Wir als Gesellschaft können nicht darauf verzichten, dass sich die jungen Leute einbringen. Darauf müssen wir als Parlament auch reagieren.
Was muss also gemacht werden? Zum Beispiel muss die Definition vom gemeinnützigen Zweck in der Abgabenordnung geändert werden. Sie muss angepasst werden an die neuen Formate, die wir in der heutigen Zeit sehen. Wir brauchen mehr Kompetenzzentren, die bundesweit beraten und entsprechend vernetzen, um Synergien zu schaffen, aber auch um mögliche Hemmschwellen, die es dem digitalen Engagement gegenüber vielleicht noch gibt, herabzusetzen.
Man sieht, dass sich einige Vereine und Verbände, die es schon seit vielen Jahren gibt, bereits auf die Digitalisierung eingelassen haben. Ich nenne hier als Beispiel den Bayerischen Landes-Sportverband. Aber auch andere Vereine haben in der Coronapandemie auf digital umgestellt und angefangen, etwas online zu machen. Sie haben einen Quantensprung gemacht und die Digitalisierung in der Realität schon vollzogen.
Wir müssen alle zusammen die Bedingungen für die Ausübung des digitalen Ehrenamtes und Engagements schaffen. Dazu brauchen wir ein stabiles Datennetz, vor allem im ländlichen Raum. Der Zugang zu digitaler Bildung muss überregional gleichermaßen realisierbar sein, und zwar unabhängig vom Bildungsgrad. Deshalb ist es notwendig, dass bereits in Schulen umfassend auf das digitale Mitgestalten vorbereitet wird und entsprechende Kompetenzen vermittelt werden.
Wir hatten in der Vergangenheit viele Einschränkungen. Es war aber so, dass die Jugendzentren, die Jugendhäuser Wege gesucht haben, Neues auszuprobieren, und das dann auch umgesetzt haben. Ich glaube, es ist ganz entscheidend, dass das geklappt hat. Jetzt geht es darum, dass die Digitalisierung auch im Ehrenamt Raum bekommt; das ist überfällig. Wir können stolz sein, dass die Jugend dabei ist, dass sie sich einbringt. Wir müssen jetzt dafür sorgen, dass wir diese jungen Menschen nicht verlieren. Wir brauchen jeden, egal ob digital oder im realen Leben.
Vielen herzlichen Dank. Schöne Weihnachten!
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Als Nächstes erhält Ariane Fäscher das Wort für die SPD-Fraktion.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Demokraten! Liebe Engagierte! Mit Erlaubnis der Präsidentin zitiere ich Regine Hildebrandt: Sach mir doch nich, dasset nich jeht, sach mir, wie et jeht.
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Das zivilgesellschaftliche Engagement in Deutschland verändert sich. Mit dem Fokus „Junges Engagement im digitalen Zeitalter“ hat sich der Dritte Engagementbericht befasst. Er zeigt auf, dass Engagement im Umbruch ist. Es wird in Teilen spontaner, agiler und digitaler, auch in der Vereinsarbeit. Durch die Digitalisierung entstehen neue Formen des Engagements: basisdemokratische Bewegungen ohne feste Struktur, aber mit großer politischer Kraft – jedoch ohne Rechtsform. Damit fallen sie aus unseren Förderkulissen weitgehend heraus; unsere Förderinstrumente sind nämlich momentan auf eine analoge Welt ausgerichtet. Unsere Instrumente passen also noch nicht zum realen und künftigen Engagement, übrigens nicht nur von jungen Menschen.
Jetzt ist also die Frage, wie „et in Zukunft jeht“. Wie ein Kollege neulich auf einem Podium desillusionierend, wie ich fand, einwarf: „Eher ändern Sie die Zehn Gebote als die Bundeshaushaltsordnung“.
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Wir stecken da wohl in einem Dilemma.
Rund 29 Millionen Menschen in Deutschland – wir haben das schon gehört – engagieren sich ehrenamtlich; davon sind rund 6 Millionen unter 30 Jahre alt. Ihr Engagement ist anders, jedenfalls teilweise. Wie kommen wir aber zu einem einfachen, handhabbaren Instrumentenkoffer der staatlichen Unterstützung, der den Bedarfen der Engagierten auch dient? Die Koalition steht im Startblock, um in diesem Sinne bis Ende 2024 die Engagementstrategie des Bundes neu aufzulegen. Darin fordert der Unterausschuss „Bürgerschaftliches Engagement“ neben Ministerien, dem Engagementnetzwerk BBE und der Bundesstiftung DSEE eine gestaltende Rolle ein; denn wir Parlamentarier sind in unseren Wahlkreisen an den realen Bedarfen vor Ort nah dran.
Die Ehrenamtlichen sagen uns: zu bürokratisch, zu kompliziert, viel Aufwand. – Es geht um Fragen wie Förderperioden, Versicherungen, Haftung, Gemeinnützigkeit oder Fahrtkosten. Für Vereine finden sich weniger Vorstände. Menschen wollen sich kurzfristiger in Projekten oder spontan in der Katastrophenhilfe engagieren. Und Engagement ist immer noch privilegiert, weil sich zum Beispiel ärmere Familien den Freiwilligendienst des Kindes, den Laptop oder auch die Fahrt zur Jugendkonferenz schlicht nicht leisten können. Wir wollen deshalb, dass nicht nur Verbände, sondern auch Engagierte und vor allem noch nicht Engagierte die Strategie aktiv mitgestalten können, in dezentralen Veranstaltungsformaten und auf der bereits freigeschalteten Onlineplattform, bei der alle mitmachen können.
Die Zivilgesellschaft ist eine tragende Säule der Demokratie und wird immer stärker eine Zukunftsfrage für die Stabilität von Staat und Gesellschaft sein. Dort wird Demokratie positiv erlebt, als Gegengewicht zu Ohnmacht, Hass und, wie wir kürzlich erst erlebt haben, Umsturzfantasien. Digital aktive junge Menschen fühlen sich politisch und gesellschaftlich wirksamer. Gerade im ländlichen Raum wird das digitale Engagement als Alternative für vielleicht fehlende reale Beteiligungsmöglichkeiten erlebt. So wie wir die wehrhafte Demokratie mit dem Demokratiefördergesetz absichern, müssen wir auch das zivilgesellschaftliche Engagement in Zukunft mit einem Engagementfördergesetz flankieren.
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Wir, liebe Kolleginnen und Kollegen, können eine lebendige Partnerschaft zwischen Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft mit direkten, zukunftsweisend flexiblen und unbürokratischen Instrumenten ermöglichen. Die Bundesengagementstrategie wird zeigen, „wie et jeht“.
In diesem Sinne: Frohe Weihnachten und ein gesundes neues Jahr!
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Nächste Rednerin ist für die AfD-Fraktion Gerrit Huy.
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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Dritte Engagementbericht handelt von engagierten Jugendlichen und dem Internet. Und – Überraschung – die Jugend nutzt gerne das Internet. Sie nutzt es heute gelegentlich auch für Engagement – ein neues Wort, das das frühere Ehrenamt einschließt und um spontanes und weitgehend unorganisiertes Engagement erweitert ist. Prototyp dafür sind die Fridays-for-Future-Hüpfer, die sich bei der Ampel großer Beliebtheit erfreuen. Dabei wird unterstellt, dass diese und ähnliche Gruppen für einen guten Zweck eintreten.
Im Bericht wird dafür der politisch korrekte Begriff „ziviles Engagement“ genutzt. Falls Sie es noch nicht wussten: Es gibt auch unziviles Engagement. Der Prototyp dafür wiederum ist die Querdenkerszene. Man spricht auch von „dunklem Engagement“. Anders als die Hüpfer gehören die Querdenker folglich auch nicht zur Zivilgesellschaft, sondern zur unzivilen Gesellschaft.
Diese Worte sind sicherlich sehr bewusst gewählt; denn die Linken argumentieren seit Jahrzehnten, dass es unsere Sprache ist, die unser Denken bestimmt. Was mit „un-“ anfängt, ist eigentlich immer schlecht. Aus unserer Sicht müssten wir dann formulieren: Was die Ampel macht, ist Unpolitik. Zumindest ist sie unzivil; denn sie schadet ja mehrheitlich unseren Bürgern.
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Aber ganz offenbar zählt aus Ampelsicht längst nicht mehr jeder Bürger zur Zivilgesellschaft.
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Das mutet wirklich schon Orwell’sch an.
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Die Jugend nutzt gerne das Internet für gesellschaftliches Engagement; sie startet auch schnell mal einen Shitstorm, der dann schnell unzivil werden kann. Es soll natürlich nur das „zivile“ jugendliche Engagement unterstützt und gefördert werden. Dafür steht bereits eine Stiftung bereit, die jährlich 30 Millionen Euro vergeben kann.
Meine Damen und Herren, wir alle wissen, dass die Tugend der Politik nicht der Anstand ist, sondern die Angepasstheit.
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Wollen wir die jetzt wirklich auch ins Ehrenamt tragen? Es liegt nur ein verdammt schmaler Grat dazwischen, Ehrenamtliche uneigennützig in ihrem Tun zu unterstützen oder sie samt Ehrenamt zu kapern und für Staatszwecke zu missbrauchen,
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indem man sie anfüttert und auf diese Weise allmählich abhängig macht vom Staat
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und dann vielleicht die Anforderungen für die Unterstützung hochschraubt. Vielleicht müssen die jungen Engagierten dann erst mal unser neues Glaubensbekenntnis ablegen: „Ich glaube an den menschengemachten Klimawandel“ oder: „Ich gelobe, mit all meiner Kraft künftig gegen rechts zu kämpfen.“
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Das können Sie sich nicht vorstellen? Dann haben Sie sich noch nicht mit dem neuen Demokratiefördergesetz beschäftigt. Mit diesem Instrument soll zukünftig sogar nachhaltig, also dauerhaft, belohnt werden, was gegen rechts ist.
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Die in Ampelkreisen geschätzte Aktivistin Anetta Kahane schreibt bei der Bundeszentrale für politische Bildung – ich zitiere –:
Einer der Gründe für das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte und ihrer verheerenden Folgen, der Siegeszug des Nationalsozialismus und damit für Krieg und Holocaust, war ohne Zweifel die Schwäche der deutschen Zivilgesellschaft… Das Zivile unterlag, die Gesellschaft mitsamt ihrer Eliten wandte sich dem Nationalsozialismus zu und wurde zum Teil seines Systems.
Es wurde zum Teil des staatlichen Systems, meine Damen und Herren. Das war nicht nur damals verheerend, das ist immer gefährlich. Deswegen brauchen wir auch keine angepasste Zivilgesellschaft, sondern genau das Gegenteil, eine wehrhafte Zivilgesellschaft,
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die sich nicht staatlich vereinnahmen lässt, eine Gesellschaft, die die Bürger nicht einmal mehr spaltet in „zivil“ und „unzivil“, eine wirklich inklusive Bürgergesellschaft also.
Danke.
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Für die FDP-Fraktion erhält das Wort Martin Gassner-Herz.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Schade, dass wir gerade so eine Rede zu diesem tollen Thema hören mussten.
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Für uns Freie Demokraten sind die Teilhabe an der Gesellschaft, deren Mitgestaltung und ihr Zusammenhalt Ausdruck stolzer Bürgerlichkeit. Sie gehören zu einer selbstbestimmten und freien Zivilgesellschaft und sind entscheidend für unsere Lebensqualität. Das Engagement ist so vielfältig wie die Themen, die unsere Gesellschaft prägen – von Sport, Sozialem und Kultur bis hin zu Umwelt, Gesundheit und Sicherheit in der Blaulichtfamilie und vieles mehr.
Mit Blick auf die Zukunft der Zivilgesellschaft sind Mitwirkung und Einbindung gerade junger Menschen besonders wichtig. Dazu gehört insbesondere, wie dies auch aus dem Bericht hervorgeht, das Potenzial von digitalen Lösungen zur Stärkung des Ehrenamts auszuschöpfen. Dieses Potenzial wurde durch die vorherigen Bundesregierungen kaum gefördert. Ein Beispiel hierfür ist das Fehlen einer Anwendungssoftware für die erleichterte Steuerabführung für zivilgesellschaftliche Organisationen. Genau da wollen wir anpacken und für Lösungen sorgen.
Die Bundesregierung hat eine Digitalstrategie entwickelt. Teil dieser Strategie ist die vernetzte Gesellschaft. So sollen unter anderem bis 2025 in Deutschland die Zivilgesellschaft durch die Civic-Coding-Initiative gestärkt und neue KI-Projekte angeschoben werden. Außerdem sollen Beratungs- und Informationszentren für KI wie das ZVKI ausgebaut und neue geschaffen werden. Darüber hinaus planen wir, durch das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ diejenigen Initiativen und Akteure zu stärken, die digitale Kompetenzen und ein Engagement gegen Hass im Netz fördern. Aber auch mit der nationalen Engagementstrategie, die heute schon öfter angesprochen wurde und aktuell von uns gemeinsam mit der Zivilgesellschaft erarbeitet wird, soll das Ehrenamt von seinen Fesseln gelöst werden.
Eine gute Nachricht ist – auch das haben wir heute schon mehrfach gehört –, dass sich aus diesem Bericht ableiten lässt, dass das Engagement junger Menschen hoch ist, mitzuwirken. Insbesondere junge Menschen erfinden zahlreiche neue digitale Formate, wodurch ein neues Engagementfeld entsteht.
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Allerdings profitieren Engagierte von diesen Vorteilen nur dann, wenn sie auch die Möglichkeit haben, sie in Anspruch zu nehmen. Besonders Bewohnerinnen und Bewohner ländlicher Regionen werden von den Vorteilen des digitalen Wandels wegen des schleppenden Netzausbaus in Deutschland immer noch ausgeschlossen.
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Genau deshalb legen wir bei der Breitbandfinanzierung noch Mittel obendrauf. Wir werden so 2023 beinahe das Dreifache im Vergleich zu dem ausreichen, was 2021 noch gelungen ist.
Meine Damen und Herren, Ehrenamt bedeutet, dass Menschen aus freien Stücken und Liebe zum Nächsten füreinander da sind und gemeinsam Berge versetzen. Ich finde, ein weihnachtlicheres Thema kann es eigentlich nicht geben.
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In diesem Sinne wünsche ich Ihnen besinnliche Festtage und einen erholsamen Jahresausklang im Kreise Ihrer Liebsten.
Vielen Dank.
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Nächste Rednerin ist für die Fraktion Die Linke Gökay Akbulut.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir debattieren über den Dritten Engagementbericht, der bereits am 21. Januar 2020 offiziell dem Familienministerium vorgelegt wurde. Erst knapp drei Jahre später findet die Debatte im Bundestag dazu statt. Das verdeutlicht die mangelnde Wertschätzung der Bundesregierungen gegenüber den rund 29 Millionen ehrenamtlich engagierten Menschen in unserer Gesellschaft.
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Den Menschen, die sich tagtäglich neben Beruf, Familie und anderen Verpflichtungen in vielen Bereichen ehrenamtlich engagieren, gilt mein großer Dank.
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Vielen Dank auch an die Sachverständigenkommission, die diesen Bericht verfasst hat.
Ohne das bürgerschaftliche Engagement würde so einiges in Deutschland nicht mehr laufen, beispielsweise die ehrenamtliche Flüchtlingshilfe. Ohne sie hätte der Staat bei der Aufnahme von ukrainischen Kriegsflüchtlingen voll versagt. Defizite bei der Erfüllung der öffentlichen Aufgaben sollten aber nicht dauerhaft durch das Ehrenamt und Freiwilligendienste kompensiert werden.
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Im Dritten Engagementbericht geht es um die Zukunft der Zivilgesellschaft, um junges Engagement im digitalen Zeitalter. Über 43 Prozent der befragten jungen Engagierten beschreiben sich als digital Engagierte. Dadurch verändern sich die Rahmenbedingungen des Ehrenamts. Besonders das Thema „soziale Ungerechtigkeit im digitalen Engagement von Jugendlichen“ sollte uns allen zu denken geben.
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Laut dem Bericht sind Hauptschüler/-innen mit 47 Prozent deutlich seltener gesellschaftlich engagiert als Gymnasiastinnen und Gymnasiasten mit 73 Prozent. Außerdem mangelt es deutlich mehr Hauptschülerinnen und ‑schülern an Medienkompetenz als Gymnasiastinnen und Gymnasiasten.
Im Bericht wird belegt, dass die Digitalisierung die bestehenden Formen der sozialen Ungerechtigkeit nicht durchbrechen kann. Deshalb appelliere ich an die Bundesregierung: Die Engagementstrategie muss gezielt für benachteiligte Jugendliche angepasst werden.
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Vor allem muss die Medienkompetenz der Jugendlichen gestärkt werden. Hierfür sind dringend Investitionen in die digitale Infrastruktur der Schulen und der Jugendeinrichtungen notwendig und nicht Kürzungen, wie wir dies beim Familienministerium mitverfolgt haben.
Engagement von Jugendlichen bedeutet Mitbestimmung und trägt zu demokratischer Bildung bei. Die Digitalisierung muss hier als eine Chance begriffen werden, um die demokratische Teilhabe für alle Jugendlichen zu ermöglichen.
Vielen Dank.
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Das Wort erhält Emilia Fester für Bündnis 90/Die Grünen.
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Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen des demokratischen Hauses! Der Bericht, den wir hier heute debattieren, ist aus dem Jahr 2020. Er berichtet schon von sehr großen Veränderungen des Ehrenamts während der Coronapandemie und auch von neuen Formen von Engagement, zum Beispiel in der Klimagerechtigkeitsbewegung. Was er aber noch nicht verrät und auch nicht verraten kann, ist, inwiefern sich Engagement seit dem Kriegsbeginn erneut verändert hat.
Engagement entwickelt sich stetig fort. Wenn die Welt sich verändert, dann verändert sich auch das Engagement. Das gilt aber auch umgekehrt: Wenn das Engagement sich verändert, dann verändert sich die Welt. Das wohl aktuellste und gewaltigste Beispiel dafür ist die Revolution der mutigen Frauen und Männer im Iran. Natürlich können wir uns nicht mit ihnen vergleichen. Und doch steckt im Kern genau das, was allem Engagement gemein ist: Engagement ist, wofür unser Herz abseits von Lohnjobs oder Familie schlägt. Es ist das Einsetzen für das, was uns in dieser Gesellschaft etwas bedeutet. Ob es der eigene Sportverein ist, in dem wir zusammenkommen, die freiwillige Feuerwehr oder das Seenotrettungsschiff, um unseren Mitmenschen zu helfen, der demokratische Protestzug für das eigene Recht auf Zukunft, ob auf der Kinderkrankenstation, im Altersheim, in Sprachkursen, in der Schülervertretung, bei der Tafel, in Museen, im Netz – die Orte für Engagement sind zahllos, vielfältig und so unterschiedlich. Und doch haben Engagierte eben alle eines gemein: Sie stützen unser Zusammenleben, wollen im Kleinen wie im Großen etwas Gutes beitragen. Auch an dieser Stelle von mir noch einmal herzlichen Dank dafür!
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Das Schöne ist, dass Engagement nicht nur der Gesellschaft etwas gibt, sondern auch denen, die es ausführen. Sich einzusetzen und sich starkzumachen, ist gerade für die vielen jungen Menschen, die sich engagieren, ein riesiger Teil ihres Wachstumsprozesses. Es sensibilisiert für gesellschaftliche Herausforderungen, stärkt die Selbstverantwortung, zeigt ihnen, dass sie wirksam sein und etwas verändern können. Maßgeblich dafür ist aber ihre intrinsische Motivation. Deswegen ist mir wichtig, das hier noch einmal zu betonen: Ein soziales Pflichtjahr wird junge Menschen nicht langfristig zu engagierten Demokratinnen und Demokraten machen.
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Es wird unsere Gesellschaft nicht in ihrem Zusammenhalt stärken. Auch den Fachkräftemangel, der nach 16 Jahren Misswirtschaft entstanden ist, kann ein „Deutschlandjahr“, liebe Union, nicht kitten.
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Verpflichtete und unausgebildete junge Menschen sind nämlich keine Fachkräfte. Das Ganze ist übrigens auch noch irre teuer und dazu wahrscheinlich verfassungswidrig. Was Sie hier versuchen, ist mal wieder nichts anderes, als über den Kopf junger Menschen hinweg zu entscheiden. Und das nennt man – da habe ich noch mal ein neues Hasswort für Ihr Woke-Vokabelheft – „Adultismus“.
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Wir als Ampel gehen das zum Glück ein bisschen anders an. Gegen den Fachkräftemangel gehen wir in die Offensive. Junge Menschen unterstützen wir mit der Weiterentwicklung von Freiwilligendienst und anderen Beteiligungsformen.
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Für den Bereich der Engagementpolitik erarbeiten wir Hand in Hand mit der Zivilgesellschaft, mit Verbänden, Wissenschaft und Wirtschaft die neue Engagementstrategie des Bundes. Wir wollen neue Formen von Engagement absichern, klare Kante gegen Demokratiefeinde zeigen und für Krisenfestigkeit sorgen;
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denn wir finden: Wir tun als Staat sehr gut daran, die Engagierten in ihrer Freiwilligkeit zu unterstützen.
Danke schön.
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Ich bin noch mit dem Wort „Adultismus“ beschäftigt.
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Nächste Rednerin ist für die CDU/CSU-Fraktion Petra Nicolaisen.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte die Kürze der Zeit nutzen, um auf einen Aspekt einzugehen, der mir sehr am Herzen liegt, und zwar ist das das Engagement im strukturschwachen und im ländlichen Raum sowie in kleineren Gemeinden.
Laut dem Dritten Engagementbericht profitieren junge Leute in kleineren Gemeinden natürlich besonders von digitalen Engagementangeboten. Digitales Engagement ist nämlich unabhängig von langen Anfahrtswegen, von engen Zeitfenstern, von engen Themen und Organisationsvorgaben und einem meist kleineren lokalen Angebot an Möglichkeiten, um sich überhaupt zu engagieren. Auch deshalb nimmt die Bedeutung digitaler Angebote zu. Davon profitiert wiederum auch das Engagement.
Und auch das ist eine Erkenntnis des Berichts: Digitales Engagement ersetzt nicht klassische Organisationsformen. Im Gegenteil: Digitales und nichtdigitales Engagement ergänzen sich; denn wo es vielfältige regionale Angebote gibt, werden diese auch von digital Engagierten genutzt. Das Engagement profitiert auch, weil Digitalisierung selbst zum Thema wird, wenn beispielsweise Jugendliche digitale Lösungen entwickeln, um Impftermine zu machen.
Um Digitalisierung mit Blick auf kleinere Organisationen zu stärken, braucht es aber nicht nur Geld für Ausstattung und Software im IT‑Bereich. Es braucht zunehmend Wissen, Zeit, Praxiserfahrung, zum Beispiel im Umgang mit Plattformen und Datenschutz. Für die kleinen Strukturen ist es häufig am schwierigsten, sich Gehör zu verschaffen. Hier müssen wir ansetzen und die Rahmenbedingungen weiter verbessern.
Der Dritte Engagementbericht hat dazu Vorschläge unterbreitet. Viele sind in die Arbeit der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt schon eingeflossen.
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Als zentrale Anlaufstelle für Ehrenamt und Engagement leistet die Stiftung seit ihrer Gründung im Jahr 2020 jedoch viel mehr: mit Informations-, Beratungs- und Förderangeboten und eigenen Förderprogrammen, die sich verstärkt auch an Organisationen in ländlichen Räumen richten. Da kann ich nur alle auffordern: Nutzen Sie diese Stiftung, und holen auch Sie sie in Ihren Wahlkreis.
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Mit der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt hat die vergangene Bundesregierung einen entscheidenden Schlüssel für eine gezielte und strukturelle Ehrenamtsförderung geschaffen. An diesem Instrument müssen wir festhalten. Die Stiftung muss dauerhaft institutionell wie auch finanziell gestärkt werden, um noch mehr in der Breite wirken zu können. Ich bin mir sicher: Das wird auch ein Vierter Engagementbericht erkennen.
Abschließend möchte ich Ihnen mit auf den Weg geben: Als gemeinschaftliche Aufgabe muss die Bundesregierung bei ihren kommenden engagementpolitischen Vorhaben, der Engagementstrategie und dem Demokratiefördergesetz den ländlichen Raum noch viel stärker in den Blick nehmen als bisher; denn seine Bedeutung für Engagement, Ehrenamt und Zivilgesellschaft wird weiter wachsen.
Herzlichen Dank und eine schöne Weihnachtszeit.
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Nächster Redner ist für die SPD-Fraktion Erik von Malottki.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Wir erleben in den letzten Jahren, dass unsere Gesellschaft weiter auseinanderdriftet. Der Austausch, die Verständigung zwischen Jung und Alt, zwischen Stadt und Land, zwischen Arm und Reich werden weniger. Wir stellen uns deshalb zu Recht die Frage, welchen Kitt wir für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft brauchen. Meine Hoffnung liegt auf dem Engagement von jungen Menschen und einer Stärkung der Zivilgesellschaft.
Der vorliegende Dritte Engagementbericht zeigt hierfür enorme Chancen auf; denn junge Menschen wollen sich engagieren und tun dies immer mehr digital und nonformal. Sie mischen sich ein und werden für unsere Demokratie gewonnen. Gleichzeitig liegt im immer stärker werdenden digitalen Engagement ein Risiko, weil dies noch stärker vom Bildungshintergrund der Eltern abhängig ist. Wir dürfen diese steigende Bildungsungleichheit der Engagierenden nicht ignorieren, sondern wir müssen reagieren.
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Der Engagementbericht macht hierfür gute Vorschläge, wie zum Beispiel das bessere Erlernen von digitalem Engagement in den Schulen. Aus meiner Sicht kann dies aber angesichts der Größe des Problems nicht ausreichen. Ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin den Bundespräsidenten:
Man bleibt gerne und oft unter sich … Man umgibt sich mit Menschen, die einen ähnlichen Lebensstil pflegen, ähnliche politische oder religiöse Überzeugungen haben, die gleichen Kulturveranstaltungen besuchen, die gleichen Medien nutzen …
Eine sehr richtige Analyse!
Aber was ist die richtige Antwort auf diese Entwicklung? Aus meiner Sicht kann die Antwort nur lauten: Freiwilligendienste ausbauen und massiv stärken! So haben wir es im Koalitionsvertrag festgehalten.
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Wir müssen ein Freiwilliges Jahr schaffen, das so attraktiv ist, dass jede und jeder es machen will. Was brauchen wir konkret für einen solchen Freiwilligendienst?
Erstens. Mehr finanzielle Sicherheit. Aktuell liegt die Aufwandsentschädigung in einem Freiwilligen Sozialen Jahr teilweise bei 330 Euro im Monat. Zum Vergleich: Beim Freiwilligen Wehrdienst sind es 1 500 Euro.
Zweitens. Wir brauchen mehr Plätze. Beim Freiwilligen Ökologischen Jahr gab es im letzten Jahr auf 3 258 Plätze fast 13 000 Bewerbungen. Wir brauchen einen Ausbau der Platzkapazitäten.
Drittens. Wir brauchen mehr Anerkennung. Es muss für Freiwilligendienstleistende Vorteile für eine spätere Ausbildung und ein Studium geben.
Viertens. Wir brauchen mehr Tätigkeitsbereiche. Wir brauchen ein Freiwilliges Digitales Jahr, und wir brauchen ein Freiwilliges Jahr im Handwerk.
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Abschließend fünftens. Wir brauchen mehr Verbindlichkeit. Es braucht einen Rechtsanspruch auf einen Freiwilligendienst.
Ich bin überzeugt: Wenn wir einen solchen Freiwilligendienst schaffen, dann werden wir die so dringend notwendigen Begegnungen zwischen Menschen verschiedener Milieus ermöglichen und werden gleichzeitig Interesse an einem lebenslangen Engagement wecken.
Packen wir es an!
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Das Wort erhält Nico Tippelt für die FDP-Fraktion.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Digitalisierung erfasst alle Lebensbereiche. Sie bringt grundlegende Veränderungen für uns alle mit, auch etwa, wie wir uns in die Gesellschaft einbringen. Das gilt erst recht für die jungen Menschen. Denn ohne Engagement gibt es keinen Zusammenhalt. Das war immer so, und das wird auch immer so bleiben. Wie wir uns einbringen, unterliegt jedoch einem Wandel.
Der Bericht mit dem Schwerpunkt „Zukunft Zivilgesellschaft: Junges Engagement im digitalen Zeitalter“ hat für uns zwei positive Botschaften: Zum einen gibt es erfreulicherweise eine Zunahme des Engagements insgesamt. Zum anderen hat vor allem das informelle Engagement zugenommen. Diese Erkenntnis ist für die Politik folgenreich; denn bei „Engagement“ denken wir meistens an Vereine. Die Digitalisierung jedoch verändert die Zusammenarbeit wie auch die Ansprüche der Engagierten. Die Menschen arbeiten inzwischen häufiger ortsunabhängig und eher projekt- und themenzentriert zusammen.
Feststellen lässt sich bei den jungen Leuten eine Vorliebe für flache Hierarchien, kurze Kommunikations- und Entscheidungswege und der Wunsch, politisch wirksam zu sein. Gleichzeitig werden formelle Mitgliedschaften und Ämter eher gemieden. Immer häufiger engagieren sich Nichtmitglieder. Die Niedrigschwelligkeit für Engagement ist folglich sehr viel wichtiger geworden. Aufhorchen lassen muss uns Parlamentarier: Junge Menschen schließen immer häufiger die Mitgliedschaft in einer politischen Partei aus. Gerade wenn der Trend zum informellen Engagement geht, dann müssen wir uns Gedanken machen, wie wir engagierten Bürgern Teilhabe ermöglichen.
Hier spielt das Digitale eine immer größere Rolle: Erstens. Die Digitalisierung sollte für mehr Menschen verständlicher sein; denn wir dürfen nicht vergessen, dass Engagement in der Freizeit stattfindet und die Digitalisierung eben kein Selbstzweck ist. Zweitens. Digitale Plattformen werden wichtiger, weil sie gute Rahmenbedingungen schaffen können und vieles einfacher machen. Drittens. Der Bürokratieabbau ist gerade auch für das Ehrenamt wichtig, getreu dem Motto „Einfach machen!“.
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Ich freue mich auf zukünftige Debatten und wünsche Ihnen allen ein gesegnetes Weihnachtsfest.
Danke.
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Es folgt Nadine Heselhaus für die SPD-Fraktion.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Wir haben jetzt schon gehört, wie wichtig das ehrenamtliche Engagement für unsere Gesellschaft ist. Es liegt an uns, genau das zu unterstützen, den Menschen dabei die Arbeit zu erleichtern und für die passenden Rahmenbedingungen zu sorgen.
In der Vergangenheit war es mit der CDU/CSU leider nicht möglich, das Gemeinnützigkeitsrecht ernsthaft zu modernisieren und zeitgemäß zu gestalten. Wir werden das jetzt in der Ampelkoalition in Angriff nehmen; denn wir wollen an der Stelle etwas bewegen.
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Es geht auch hier um die Wertschätzung dieser Arbeit, und dazu braucht es wirkliche Veränderungen, die zeitnah umgesetzt werden.
Die Gemeinnützigkeit sorgt bei den Organisationen dafür, dass sie Steuervorteile erhalten. Was genau gemeinnützig ist, ist im Zweckkatalog der Abgabenordnung festgehalten. Dieser Katalog ist historisch gewachsen, und wir müssen ihn dringend an die heutige Zeit anpassen.
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Nicht nur das: Es geht für gemeinnützige Organisationen auch um die Frage der rechtlichen Unsicherheit. Denn inwieweit darf eine gemeinnützige Organisation eigentlich politisch tätig werden? Und wie sehr? Wo hört das eigentlich auf? Darf sie zu einer Demo aufrufen? Darf sie sich in den sozialen Medien politisch äußern? Oder droht ihr dann Gefahr, die Gemeinnützigkeit zu verlieren? Meine Damen und Herren, wir müssen klarstellen, dass ein Sportverein zu einer Demo gegen Rechts- und Fremdenfeindlichkeit aufrufen darf, ohne dass die Gemeinnützigkeit dadurch verloren geht.
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Wir werden dabei für klare Regeln sorgen und auch dafür, dass sie einheitlich umgesetzt werden können; denn die Menschen sollen sich auf ihr Engagement konzentrieren können. Das ist ganz wichtig. Wir wollen ihnen an dieser Stelle das Leben leichter machen.
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Herzlichen Dank. Ihnen eine gute Zeit! Wir sehen uns im neuen Jahr.
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Es folgt Anne Janssen für die CDU/CSU-Fraktion.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich heute an dieser Stelle einmal bei allen ehrenamtlich Engagierten und besonders beim THW in meinem Wahlkreis bedanken. Denn in der vergangenen Woche durfte ich mal wieder bei einem Übungsabend dabei sein und miterleben, wie die vielen Ehrenamtlichen dort ihren Dienst tun. Sie lassen sich ausbilden oder bilden selbst aus und machen sich für den Einsatz fit. 100 Stunden Grundausbildung, die ihren Abschluss in einer theoretischen und in einer praktischen Prüfung finden, gilt es in der Freizeit abzuleisten. Am Ende geht es um Menschenleben, und da muss jeder Handgriff sitzen.
Bei den Gesprächen, die ich immer wieder führe, wird eins besonders deutlich: das Herzblut, mit dem sich die Menschen einbringen. Sie brennen für ihre Sache. Und wir können es nicht oft genug sagen: Ehrenamtliches Engagement ist unbezahlbar und unverzichtbar, gerade für uns in den ländlichen Gebieten.
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Die Art, wie sich Menschen engagieren, hat sich in den vergangenen Jahren verändert. So sagt uns der Bericht, dass sich zwei Drittel der befragten Jugendlichen ehrenamtlich einbringen, aber nicht mehr unbedingt in einem Sportverein, sondern vermehrt in Form von Projekten. Zur Vernetzung und dem Austausch nutzen sie dabei oft die digitalen Medien.
Grundlegend für diese neue Form der Beteiligung ist jedoch eine ausreichende Medienkompetenz. Und hier schließe ich mich der berechtigten Frage der Kommission nach der Rolle der Schulen an. Die Vermittlung von Medienkompetenz ist vor dem Hintergrund problematischer Kommunikations- und Informationskulturen im Internet unbedingt zu stärken; denn wem Grundlagen fehlen, dem bleiben Entwicklungschancen verwehrt.
Laut Bericht engagiert sich die Mehrheit der Jugendlichen aber nach wie vor im Bereich Bewegung und Sport. Und nach zwei Pandemiejahren sind die Strukturen im Vereinssport massiv ausgedünnt. Das belegt auch die aktuelle Bestandsaufnahme des Gesundheitsministeriums. Das Zukunftspaket für unsere Kinder und Jugendlichen soll dem Bewegungsmangel entgegenwirken. Aber wo, wenn Turnhallen und Schwimmbäder wegen des Sanierungsbedarfs schließen müssen? Die Einstellung des Programms „Investitionspakt Sportstätten“ stützt das Vorhaben jedenfalls nicht; denn Sportstätten sind Grundvoraussetzung für Bewegung.
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Liebe Regierungsfraktionen, Engagement ist wichtig, und darum werden wir Ihres in diesem Bereich auch gut im Blick behalten.
Vielen Dank. Ich wünsche Ihnen eine gesegnete Weihnachtszeit. Wir sehen uns im nächsten Jahr an dieser Stelle wieder.
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Zum Abschluss dieser Debatte erhält Helge Lindh das Wort für die SPD-Fraktion.
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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Engagement und Ehrenamt sind Stammzellen von Respekt und Aufmerksamkeit in unserer Gesellschaft; das meine ich ganz buchstäblich. Wir haben das bei den Fluchtbewegungen aus Syrien und aus der Ukraine erlebt. Wir sehen es daran, dass ohne Engagement die Aufmerksamkeit für den Klimawandel keine vergleichbar große, wirklich wache Aufmerksamkeit wäre. Wir erleben es im Einsatz gegen Rassismus durch – oft sehr junge, digital organisierte – Bürgerrechtsinitiativen, oder wir erleben es bei Bürgerinnen- und Bürgervereinen, die in Stadtteilen Heimat schenken, gerade einsamen Menschen.
Das ist übrigens auch der Kern des Demokratiefördergesetzes: dass wir diejenigen verstetigt und auch längerfristig unterstützen, die oft angefeindet, oft alleingelassen werden, dass wir gerade Menschen Respekt zeigen, die durch Feinde der Demokratie von Verfolgung bedroht sind, und ihnen unter die Arme greifen. Das ist der Kern dieses Demokratiefördergesetzes.
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Respekt und Anerkennung bedeutet aber auch, wahrzunehmen, dass Ehrenamt häufig nicht inklusiv ist und – wie der Engagementbericht auch zeigt – eine Unausgewogenheit in Bezug auf Diversität, in Bezug auf Inklusion, auf Menschen mit Behinderung aufweist. Auch da ist der politische Auftrag, die Bedingungen zu verbessern, damit Engagement wirklich inklusiv sein kann.
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Abschließend: Respekt und Aufmerksamkeit bedeuten, denke ich, auch, hier eine oft unerzählte Geschichte zu erzählen. In diesem Parlament sprechen wir oft von Menschen mit Migrationshintergrund, mit nicht deutscher Staatsangehörigkeit als Objekt unserer Debatte: über ihre Integrationsfähigkeit, ihre Einbürgerung, ihre Abschiebung und Sonstiges. Wir vergessen dabei aber, dass sich Selbstorganisationen von Migrantinnen und Migranten und jetzt auch jüngere Initiativen seit Jahrzehnten oft außerhalb von Vereinen tagtäglich für Respekt und Aufmerksamkeit, für Anerkennung in dieser Gesellschaft einsetzen. Die Leistung dieser vielen Vereine und Initiativen, auf die wir viel zu wenig gucken, verdient besonders unseren Respekt und unsere Aufmerksamkeit.
Vielen Dank.
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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In wenigen Tagen werden wir wieder Weihnachten feiern – das Fest, das Sie den Menschen in den vergangenen zwei Jahren am liebsten verboten hätten,
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das Fest, das viele ein letztes Mal erlebten – in Einsamkeit, um danach einsam zu sterben und einsam beerdigt zu werden. Dieses Bild steht stellvertretend für das ganze Leid, das Sie den Menschen in diesen zwei Jahren angetan haben.
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Die von Ihnen beschlossenen Zwangsmaßnahmen haben so unglaublich viel Tränen und Schmerz über unser Land gebracht, dass diese Zeit niemand vergessen wird.
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Kinder wurden unter Masken gezwungen und von ihren Schulkameraden getrennt in eine Ecke gesetzt. Sie mussten am offenen Fenster frieren, nur weil sie aus gesundheitlichen Gründen keine Maske tragen konnten. Unter Schmerzen wurden ihnen die Teststäbchen in die Nase geschoben, und jedes Mal schlug ihr Puls schneller,
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aus Angst vor einem positiven Ergebnis mit anschließender Isolation. Eine Mutter schrieb allen Abgeordneten, dass ihre Tochter morgens gar nicht mehr aufwachen wolle, weil die Schule die Hölle sei.
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So wie das meine Kollegen im Landtag kaltgelassen hat, hat auch Sie im Bundestag das Leid der Menschen nicht erreicht.
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Und so wie Sie bei diesen Maßnahmen falsch lagen, liegen Sie auch bei Ihrer Impfverherrlichung falsch.
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Aus dem verniedlichenden kleinen Piks, der einen jahrelangen vollen Schutz
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ohne Nebenwirkungen garantieren sollte,
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wurde eine Injektion, die weder den Fremd- noch den Eigenschutz noch einen Schutz vor einem schweren Verlauf garantiert,
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dafür aber schwerwiegende Nebenwirkungen bis hin zum Tod mit sich bringen kann.
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Ich zitiere Dr. Beate Jäger, Internistin, aus einem ZDF-Bericht vom 4. Dezember 2022:
Ich habe hier Kinder behandelt, die konnten nicht mehr den Kopf heben,
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die konnten nicht sprechen. Ich habe gestern die Mutter eines Mädchens gesehen, die seit 8 Monaten die Decke anstarrt und gefüttert werden muss. Vorher völlig gesund war ...
Das sind nur wenige Fälle von Zigtausenden, die völlig unnötig geimpft wurden, weil für sie Corona niemals ein Risiko dargestellt hätte.
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Sie alle hier, von ganz links bis zur CDU, sind verantwortlich für das, was geschehen ist und auch für das, was immer noch geschieht.
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Um weiteren Schaden abzuwenden, bitte ich Sie deshalb eindringlich: Entschädigen und rehabilitieren Sie die Opfer, und schützen Sie unsere Kinder,
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indem Sie dieses gefährliche Impfexperiment endgültig beenden!
Und hören Sie auch mit diesem Maskenwahnsinn auf! Ich zitiere Florian Hoffmann, Oberarzt auf einer Kinderintensivstation in München: In vielen deutschen Kinderkliniken herrschen derzeit Zustände, welche an die Dritte Welt erinnern. Die Stationen sind brechend voll, und Eltern mit schwerkranken Kindern müssen teilweise auf Pritschen in der Notaufnahme nächtigen. – Verantwortlich für das gehäufte Auftreten von schweren RSV-Fällen sind laut Hoffmann und anderen Medizinern Maskenzwang, Kitaschließungen und Kontaktverbote.
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Jeder Einzelne von Ihnen sollte sich wirklich sehr genau überlegen, ob er weitere Schuld auf sich laden möchte. Stimmen Sie unseren Anträgen zu!
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Das wäre ein Anfang.
Vielen Dank.
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Für die SPD-Fraktion erhält das Wort Nezahat Baradari.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! „Und täglich grüßt das Murmeltier“: Wieder einmal dürfen wir uns heute mit einem Antrag der AfD beschäftigen, der jeglicher Grundlage entbehrt und allein das Ziel hat, die Bevölkerung zu verunsichern und ihre Gesundheit zu schädigen.
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Man kann das inzwischen nicht mehr als „verantwortungslos“ bezeichnen, sondern nur noch als „bewusst destruktiv“.
Heute steht auf dem Menü ein raunender Antrag, versehen mit ein paar Fußnoten von überwiegend etablierten Organisationen, die dem Ganzen einen Anschein von Wissenschaftlichkeit verleihen sollen. Zwar führen Sie teils die richtigen Quellen an, verkehren aber deren Inhalt für Ihre eingeschränkte Sicht der Dinge vollkommen.
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Nun wollen Sie also die Impfung von Kindern aussetzen. Mal ganz abgesehen davon, dass es in Ihrer Fraktion gänzlich an der medizinischen Expertise mangelt, um solche Forderungen aufstellen zu können, mangelt es Ihnen offensichtlich obendrein auch noch an der politischen. Es gibt in Deutschland aus guten Gründen eine Ständige Impfkommission, STIKO genannt,
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die damit befasst ist, zu beschließen, welche Impfungen in Deutschland für welche Altersgruppe empfohlen werden. Es ist nicht die Aufgabe dieses Hauses, an der STIKO vorbei solche Entscheidungen zu treffen oder sie auch nur zu bewerten.
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Es geht Ihnen nicht um die Kinder. Denn ginge es Ihnen um die Kinder, hätten Sie sich einmal ernsthaft mit den Ergebnissen der Studien zu Covid-Impfungen bei Kindern und Jugendlichen beschäftigt.
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Erst einmal: Ja, das Risiko bei Kindern und Jugendlichen, schwer an Covid zu erkranken, ist im Vergleich zu Erwachsenen deutlich geringer.
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Das bestreitet niemand ernsthaft.
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Die Krankheitsbelastung nahm mit den verschiedenen Varianten des Coronavirus ab. Aber es gibt Kinder mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen, die daran weiterhin ernsthaft erkranken können.
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Laut Markus Hufnagel, Pädiatrischer Infektiologe am Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin des Universitätsklinikums Freiburg,
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wird – jetzt aufpassen, bitte! – „durch die Lockerungen der Maßnahmen mit mehr Betroffenen mit meist diffusen, länger anhaltenden gesundheitlichen Problemen“ sogar gerechnet.
Studien an Children’s Hospitals in Texas und Philadelphia zeigten und zeigen, dass es durch das sogenannte postinflammatorische Syndrom bei Kindern schwere Entzündungen an Gefäßen und Geweben gibt, die mit Herz-Kreislauf-Kollaps und Mikrothrombosen mit tödlichem Ausgang einhergehen können.
Deutsche Mediziner nehmen die mögliche Gefahr von Covid-19-Langzeitfolgen für Kinder und Jugendliche ebenfalls sehr ernst. Für die Studie „Augsburg Plus“ am Klinikum Augsburg sollen circa 500 Kinder – Mädchen und Jungen aus Kindergärten, Grundschulen und weiterführenden Schulen – mehrfach getestet und begleitet werden. All das sind Fakten, die es ernst zu nehmen gilt.
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Deswegen hat es sich die STIKO auch nicht leicht gemacht und sehr vorsichtig agiert. Erst wurde die Impfung nur Jugendlichen zwischen zwölf und 17 Jahren mit Vorerkrankungen empfohlen. Bei einer Rate von postvakzinaler Myokarditis, also Herzmuskelentzündung, mit einer Häufigkeit von maximal 69 Fällen auf 1 Million Impfdosen bei männlichen Jugendlichen und maximal 10 Fällen bei weiblichen Jugendlichen erfolgte erst im August 2021 die allgemeine Impfempfehlung für diese Altersgruppe. Seit Januar 2022 wird auch eine Auffrischimpfung empfohlen.
Die wissenschaftlichen Erkenntnisse sind nicht in Stein gemeißelt. Die Kommission evaluiert ihre eigene Impfempfehlung ständig und reagiert auf neue Studien und Entwicklungen. Darauf vertrauen die Menschen in Deutschland, und darauf können auch Sie vertrauen.
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Dieses Vertrauen haben wir im Parlament nicht zu untergraben, auch wenn wir uns vielleicht manchmal gewünscht hätten, dass diese schwierige Arbeit schneller vonstattengeht. Aber Gründlichkeit kommt vor Schnelligkeit.
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Am meisten Sorgen macht mir aber der Gedanke daran, was Ihre pseudowissenschaftlichen Anträge und Veröffentlichungen in der realen Welt anrichten können.
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Schon jetzt hat die Pandemie im Hinblick auf verschiedene Impfungen dazu geführt, dass die Impfquote bei den Jüngsten zurückgegangen ist. Der DAK-Kinder- und Jugendreport 2022 zeigt sinkende Impfquoten, vor allem bei der Gesamtimpfung und Auffrischimpfung gegen Diphtherie, Tetanus, Keuchhusten und Kinderlähmung.
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Aber auch bei der Impfung gegen HPV, der weltweit zweiten Impfung gegen Krebs, speziell gegen Gebärmutterhalskrebs und Peniskrebs, sind die Zahlen zurückgegangen und alarmierend.
Ihr unsachliches und unwissenschaftliches Vorgehen gegen die Covid-Impfung wärmt alte Ressentiments gegen Impfungen im Allgemeinen auf – zu einem Zeitpunkt, an dem wir bei vielen Krankheiten schon nah an der Ausrottung waren.
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In ihrer Angst vor Bedeutungsverlust in der Coronapandemie haben Sie dieses Gift in weite Teile der Gesellschaft getragen. Da können Sie noch so viele Anträge stellen und Aktuelle Stunden anberaumen: Wir werden Ihnen weiterhin lautstark und immer wieder aufs Neue wissenschaftlich fundiert und sachlich widersprechen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
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Das Wort erhält Dr. Georg Kippels für die CDU/CSU Fraktion.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Unwahrheiten werden nicht durch ständiges Wiederholen zu Tatsachen.
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Das haben wir gerade eben sehr eindrücklich erlebt. Mit Hartnäckigkeit, Ignoranz, Desinformation und Verkürzungen von Zitaten werden Ängste geschürt, Befürchtungen hervorgerufen. Sie dienen dem einzigen Zweck, die Bevölkerung gegen den Staat und seine Institutionen aufzubringen.
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Widmen wir uns aber aus besonderem Anlass den Kindern. Zur Weihnachtszeit gilt ihnen unser besonderes Interesse, und wir schenken ihnen viel Zuwendung. Vor allen Dingen sorgen wir uns um ihre Gesundheit. Deshalb: Wenn die Debatte an diesem Mittag nur irgendeinen Sinn haben soll, kann man sie dazu nutzen, den Eltern vernünftige Hinweise zu geben, wo sie sich sachlich über die Impfung ihrer Kinder informieren können.
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Gerade am gestrigen Tag, am 15. Dezember, hat die STIKO eine wiederum überarbeitete Impfempfehlung veröffentlicht; die letzte ist vom 7. Dezember. Man ist dort also dicht am Geschehen und bemüht sich, alle Veränderungen, Entwicklungen und Erkenntnisse einfließen zu lassen. Die wesentliche Unterscheidung bei der Impfempfehlung ist eine Einteilung in vier Altersgruppen. Es wird unterschieden zwischen Kindern von sechs Monaten bis vier Jahren, Kindern von fünf bis elf und zwölf bis 17 Jahren und Volljährigen. Ein weiteres wesentliches Unterscheidungskriterium für die Impfentscheidung ist, ob es sich um gesunde Kinder handelt oder Kinder mit Vorerkrankungen. Diese sind in der Impfempfehlung im Einzelnen in elf Unterpunkten erwähnt und beschrieben. Dann gibt es die Gruppe der Kinder mit Kontakten zu Risikopersonen, und es geht natürlich auch entscheidend um die Frage der jeweiligen Auffrischungen, vor allen Dingen bei bereits durchlebter Infektion. Ebenso genau angewiesen und unterschieden wird bei der Frage der Dosis und insbesondere bei der Anwendung des speziellen Kinderimpfstoffs.
Dieser ganze Prozess wird von Anfang an verantwortungsvoll durch RKI und PEI begleitet,
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und es gibt eine ununterbrochene Anpassung dieser für die Eltern wichtigen Informationen. Letztlich kann immer nur empfohlen werden, dass das Gespräch mit dem Arzt, dem Kinderarzt des Vertrauens gesucht wird,
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um die individuellen Bedürfnisse der Kinder zu berücksichtigen.
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Das ist wissenschaftlich belegt, das ist internationaler Konsens, und das ist vor allen Dingen in der jetzigen Zeit bei der Überlagerung durch RSV und weitere Infektionserkrankungen, deren Auftreten sich zeitlich verschoben hat, außerordentlich wichtig, um die richtige Entscheidung und vor allen Dingen auch die richtige Begleitung für die Eltern zu finden.
Wir alle hier ringen seit über zwei Jahren mit den richtigen Maßnahmen. Aber es ist gerade zu Recht gesagt worden: Die STIKO ist eine unabhängige Institution, und der schenken wir Vertrauen, weil wir wissen, dass dort Fachkunde und das notwendige Interesse am Schutz unserer Kinder gegeneinander abgewogen werden.
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Grundsätzlich brauchen wir aber – insbesondere hier und heute – keine Verunsicherung. Wir brauchen keinen verantwortungslosen Unsinn. Wir brauchen keine Desinformation. Wir brauchen im Grunde genommen das, was tagtäglich hier im Hause und im Hause des RKI geschieht: Wir brauchen die Bemühungen um das Wohlbefinden unserer Kinder, und das ist mit einer verantwortungsvollen Impfung zu erreichen. Deshalb ist diese Botschaft vom heutigen Tage wahrscheinlich die einzig nützliche Reaktion auf diesen vollkommen verfehlten Antrag.
Ich wünsche allen eine frohe Adventszeit. Bleiben Sie bitte gesund!
Vielen Dank.
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Das Wort erhält Professor Dr. Armin Grau für Bündnis 90/Die Grünen.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen von den demokratischen Parteien!
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Es ist ungeheuerlich, wie die Coronapandemie hier in diesem Haus zum wiederholten Male von der AfD komplett umgedeutet wird. Nicht die Pandemie, nicht das Virus sei das Gefährliche, sondern die Maßnahmen dagegen. Das ist eine unsägliche Verkehrung der Wahrheit. Sie verkaufen die Menschen hier im Haus und die, die uns draußen zuhören, allesamt für dumm.
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Wir haben es hier wieder einmal mit Anträgen der AfD zu tun, die zumindest in der Begründung deutlich machen, dass diese Partei nicht an einem seriösen und faktenbasierten Dialog interessiert ist. Noch immer sterben fast jeden Tag deutlich über 100 Menschen im Zusammenhang mit Covid-19. Auch Minderjährige können schwer an der Krankheit erkranken und auch daran versterben. Selbst Menschen und Kinder, die zum Glück von einem schweren Verlauf verschont geblieben sind, laufen Gefahr, später an Long Covid zu leiden. Corona ist und bleibt gegen Ihre Einschätzung von der AfD eine wirklich gefährliche Erkrankung.
Sicherlich gilt es, ständig zu evaluieren, welche Maßnahmen zu welchem Zeitpunkt zur Eindämmung der Pandemie verhältnismäßig und notwendig sind. Hier muss man auch inhaltlich nicht immer derselben Meinung sein. Aber dieser Diskurs muss sachlich geführt werden.
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Sie schwurbeln, dass die Maskenpflicht negative Auswirkungen auf die Volksgesundheit habe,
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und streuen gegen alle wissenschaftliche Evidenz Zweifel am Wert der Masken. Deren Wert ist aber in großen Studien eindeutig und ohne Zweifel belegt. Es gibt erhebliche Schutzwirkung durch Masken, da gibt es wissenschaftliche Einigkeit.
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Jetzt kann man zwar sagen: Wer sich selber schützen will, der kann das ja tun. Aber auch da gibt es ganz klare Zusammenhänge. Wenn ich mich selber mit einer Maske schütze, ist es gut. Aber wenn mein Gegenüber zusätzlich eine Maske trägt, hilft das gegen die Übertragung des Virus natürlich noch viel besser. Es verstärkt die Schutzwirkung, die gerade für vulnerable Gruppen so wichtig ist.
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Das ist auf langen Zugreisen sehr entscheidend, wo man ohne großen Abstand zusammensitzt. Solidarität ist eben der Kitt, der diese Gesellschaft zusammenhält.
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Das ist etwas, was Sie von der AfD nie verstanden haben.
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Wir sitzen eben alle im selben Boot oder – hier besser – im Zug.
Ich weiß nicht, ob Sie gestern in der Debatte mitbekommen haben, wie es um die Versorgung der Kinder bei uns steht. Jetzt ist es so wichtig, dass sich zu den RSV- und Influenzavirus-Erkrankungen nicht auch noch eine erhöhte Zahl an Coronaerkrankungen dazugesellt.
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Wir müssen unsere Kinder und andere vulnerable Gruppen vor weiteren Ansteckungen dringend schützen. Da ist es klug, dass wir jetzt über den Winter die Schutzmaßnahmen, zum Beispiel die Maskenpflicht im Fernverkehr, beibehalten.
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Natürlich werden wir das Pandemiegeschehen weiter genauestens beobachten und evaluieren, wann auf welche Maßnahmen verzichtet werden kann oder eben auch nicht. Grundlage dafür ist aber eine auf wissenschaftlicher Evidenz basierende Debatte, die sich, anders als die Falschbehauptungen und die Hetze der AfD, um Ernsthaftigkeit und Gewissenhaftigkeit bemüht.
Ich wünsche Ihnen allen schöne Weihnachten und dann auch einen guten Start im neuen Jahr.
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Das Wort erhält Kathrin Vogler für die Fraktion Die Linke.
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Verehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Die Allgemeine Fake-Partei Deutschlands, kurz AfD,
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verlangt heute allen Ernstes, dass der Bundestag per Beschluss die Impfung von Minderjährigen gegen das SARS-CoV-2-Virus aussetzen soll. Ich will Ihnen mal was erklären: In Deutschland ist es zum Glück nicht so, dass Juristen und Kaufleute, von denen es speziell in Ihrer Fraktion für meinen Geschmack viel zu viele gibt, nach politischen Vorstellungen darüber entscheiden, welche Impfungen für welche Personengruppen empfohlen werden, sondern das tun bei uns Medizinerinnen und Mediziner auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse. Die Linke streitet dafür, dass das so bleibt.
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Natürlich berufen Sie sich bei Ihren Forderungen auch immer wieder auf Studien. Aber jedes Mal, wenn man genauer hinschaut, stellt man fest: Da ist irgendwas schräg. Ich zitiere jetzt mal den Kardiologen Dr. Daniel Messroghli – da können Sie ruhig zuhören, Herr Baumann – vom Deutschen Herzzentrum, der genau an der Studie mitwirkt, deren Ergebnisse Sie abwarten wollen, bevor Kinder und Jugendliche nach Ihrer Auffassung wieder Zugang zu Impfstoffen bekommen dürfen.
Er sagt:
Mit unserer Kooperation mit dem Paul-Ehrlich-Institut wollen wir einen Beitrag zur umfassenden Erforschung der Nebenwirkungen von mRNA-Impfstoffen gegen eine Corona-Infektion leisten, aber damit keinesfalls den Nutzen dieser Impfung infrage stellen; denn es darf längst als absolut gesichert gelten, dass die mit einer COVID-19-Erkrankung verbundenen Gefahren bei Weitem die Risiken einer Impfung überwiegen, auch bei Kindern über zwölf Jahren und bei Jugendlichen.
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Für die nicht ganz so schnellen Denker/-innen wiederhole ich das noch mal: „Die mit einer COVID-19-Erkrankung verbundenen Gefahren“ überwiegen „bei Weitem die Risiken einer Impfung“,
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auch bei Kindern und Jugendlichen ab zwölf Jahren.
Ausgerechnet die AfD, die sonst immer den Elternwillen betont und sich gegen staatliche Einmischung in die Familien verwahrt,
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will Eltern nun ein Instrument zum Schutz ihrer Kinder aus der Hand nehmen, aus rein politischem Kalkül und nicht aus Sorge um das Kindeswohl. Spüren Sie sich eigentlich noch?
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Noch mal zum Thema Masken: Ich wäre ja sehr für eine sofortige Aufhebung der Maskenpflicht in Verkehrsmitteln, wenn das sinnvoll wäre. Aber – ich weiß nicht, ob Sie das mitbekommen haben – es läuft gerade eine wahre Infektionswelle durch das Land, und es gibt in vielen Apotheken nicht einmal mehr Fiebersenker oder Hustensäfte.
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Betroffen sind diesmal ganz besonders die Kinder, die in der Coronapandemie alle Präventionsmaßnahmen mitmachen mussten, um uns Erwachsene zu schützen. Also, ich finde es nur fair, wenn wir das jetzt mal andersherum machen.
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Die Kinder und ihre Familien waren in den letzten drei Jahren die größten Verlierer der Krise. Die Politik hat es versäumt, die Schulen und Kitas zu den sicheren Orten zu machen, die sie eigentlich sein sollen, mit Luftfiltern, kleineren Lerngruppen und allem anderen, was nötig ist. Da ist viel wiedergutzumachen. Aber Ihre Anträge leisten dazu gar keinen sinnvollen Beitrag.
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Das Wort erhält Christine Aschenberg-Dugnus für die FDP-Fraktion.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bezüglich des vorliegenden Antrags „Covid-19-Impfungen … bei Minderjährigen aussetzen“ versuche ich es im Gegensatz zur antragstellenden Fraktion jetzt mal mit belegbaren Fakten.
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Seit gut zwei Jahren steht uns der Coronaimpfstoff in Deutschland zur Verfügung. Diesen Blick nach hinten müssen wir uns noch mal gestatten: Am Anfang hatten wir zu wenig Impfstoffe, und es musste eine Priorisierung vorgenommen werden. Die Ständige Impfkommission beim Robert-Koch-Institut, der Deutsche Ethikrat und die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina haben seinerzeit ein Positionspapier für eine solche Priorisierung vorgelegt. Darauf aufbauend, wurde dann eine Impfstrategie entwickelt, die eine Priorisierung bestimmter Gruppen, vulnerabler Menschen, vorsah.
Inzwischen haben wir Gott sei Dank – darüber können wir doch sehr froh sein – keine Impfstoffknappheit mehr in Deutschland. Ganz im Gegenteil: Jeder Mann, jede Frau, jedes Kind kann sich beim Arzt oder bei der Ärztin seines Vertrauens eine Impfung mit unterschiedlichen Impfstoffen abholen. Das ist doch etwas, worüber wir froh sein müssen, meine Damen und Herren.
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Was mir in diesem Zusammenhang ganz besonders wichtig ist: Wir als FDP-Bundestagsfraktion haben auch zu Oppositionszeiten immer auf die Einschätzung der Ständigen Impfkommission Bezug genommen; denn die unabhängige Ständige Impfkommission orientiert sich an den Kriterien der evidenzbasierten Medizin – etwas, was in diesem Antrag leider überhaupt nicht vorkommt.
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Sie ist es auch, die aus diesen evidenzbasierten Erkenntnissen Impfempfehlungen entwickelt – Impfempfehlungen! Diese Impfempfehlung gab es lange Zeit nicht für die minderjährige Bevölkerung. Aber im November 2021 wurde dann endlich der Coronaimpfstoff für die Fünf- bis Elfjährigen in Europa zugelassen. Ein Jahr später, im November 2022, wurde von der STIKO nun auch eine Impfempfehlung für kleinere Kinder ab einem Alter von sechs Monaten ausgesprochen. Das war und ist eine wunderbare Nachricht für alle Familien mit Kindern hier in Deutschland, meine Damen und Herren, und darauf sind wir auch stolz.
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Für die Gruppe der Fünf- bis Elfjährigen empfiehlt die STIKO zunächst eine Coronaschutzimpfung mit einem mRNA-Impfstoff, um eine gute Basisimmunität aufzubauen. Bei Kindern mit bestimmten Vorerkrankungen oder einem Immundefizit empfiehlt die STIKO zwei Impfungen sowie zwei Auffrischungsimpfungen. Kinder ohne Vorerkrankungen, die aber Kontakt zu vulnerablen Gruppen haben, sollten ebenfalls zwei Impfungen für eine Grundimmunisierung erhalten. Für vorerkrankte kleinere Kinder ab sechs Monaten bis vier Jahren empfiehlt die STIKO eine Grundimmunisierung mit drei Impfdosen.
Warum erzähle ich Ihnen das, meine Damen und Herren? Das ist eine differenzierte Impfempfehlung, an der sich die Eltern orientieren können, gemeinsam mit ihrem Kinderarzt oder ihrer Kinderärztin. Wir brauchen solche schwachsinnigen Anträge nicht.
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Denn die Eltern wissen sehr gut, wie es um die Gesundheit ihrer Kinder steht und wo sie Empfehlungen abholen können. Das sind die Fakten.
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Und jetzt kommen Sie mit so einem Antrag, mit dem Sie eine Impfmöglichkeit aussetzen wollen. Das ist doch unglaublich. Diese Entscheidung treffen Eltern für ihre Kinder. So ist es richtig. So habe ich es auch immer mit unserer Tochter gemacht, die gegen alles geimpft ist, was es gab, zum Beispiel auch gegen HPV. Das ist der richtige Weg. Ich persönlich habe es auch so gemacht: Ich bin doppelt geimpft, ich bin doppelt geboostert. Das war meine Entscheidung, und dazu braucht es nur einen guten Arzt, der darüber aufklärt.
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Meine Damen und Herren, wir wollen diese Entscheidung den Sorgeberechtigten überlassen und nicht der Politik. Deswegen ist dieser Antrag – ich will jetzt mal höflich sein – nicht weiterführend. Er trägt zumindest in keiner Weise den wissenschaftlichen Erkenntnissen Rechnung.
Ich bin froh, dass die Wissenschaft Impfstoffe auf den Markt gebracht hat, die allen Menschen zur Verfügung stehen. Ich bin froh, dass die Impfentscheidungen für Kinder von den Eltern getroffen werden und von niemand anderem. Und ich bin froh, dass die Mehrheit der Bevölkerung sich nicht von abwegigen Fake News irritieren lässt.
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Meine Hoffnung, dass sich evidenzbasierte Erkenntnisse, unter anderem von der Ständigen Impfkommission, auch bei Ihnen von der AfD durchsetzen, geht leider gen null.
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Aber es ist Weihnachten, und die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt. Vielleicht bringt das Christkind ja auch bei Ihnen mal etwas Erleuchtung.
Vielen Dank.
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Das Wort erhält für die AfD-Fraktion Fabian Jacobi.
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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Maskenzwang wackelt und fällt. Bayern und Sachsen-Anhalt sind vorangegangen, Schleswig-Holstein folgt. Gut so.
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Für Fernzüge hat der Gesetzgeber den Maskenzwang ins Gesetz geschrieben. Die Ankündigung des Ministers Buschmann, alle Maßnahmen endeten im April 2022, war wertlos.
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Der Bundestag hat mit den Stimmen der FDP die Maskenregelung verlängert. Das war falsch.
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Die Fortsetzung des Maskenzwangs in Zügen trotz Abschaffung in Flugzeugen legt die Willkür der Maßnahmen offen. Der Sachverständigenausschuss kam schon im Juni zu dem Ergebnis, dass ein Nutzen der Maskerade unter Realbedingungen nicht belegt sei.
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Damit ist ihre Fortführung nicht zu rechtfertigen.
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Zum Glück gibt es einen Ausweg: Die Bundesregierung kann die Maskenpflicht in Fernzügen sofort aussetzen, ohne erst das Gesetz zu ändern. Herr Lindner hat getwittert, er hoffe, dass der bayerische Entschluss „bundesweit Schule“ macht. Bitte schön, Herr Lindner, hier ist Ihre Chance. Nach der Ankündigung ihres Vorsitzenden erwarte ich die Zustimmung der FDP-Fraktion zu unserem Antrag.
Vielen Dank.
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Das Wort erhält Dr. med. – das erlaube ich mir jetzt mal – Herbert Wollmann für die SPD-Fraktion.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, „Dr. med.“ stimmt. – Ich frage mich erneut an einem Freitagnachmittag: Wie oft sollen wir uns hier noch mit den querdenkenden Anträgen der AfD herumschlagen?
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Immer wieder das Gleiche: Mit pseudowissenschaftlichen Zitaten unklarer Quellen – das muss man so sagen – werden seitens der AfD Unwahrheiten in die Welt gesetzt, nur um die Bevölkerung zu verunsichern und sich hier in Szene zu setzen. Denken Sie an die Anhörungen in Bezug auf Corona. Immer wieder wird dieser ominöse Herr Lausen seitens der AfD für abstruse Stellungnahmen herangezogen,
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ein Mann, der aus der Querdenkerszene stammt. Er nennt sich Datenanalyst. Ich sage bewusst: Er ist ein Datenverfälscher.
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Auf keinem medizinischen Kongress dürften solche Pseudosachverständigen mehr als einmal ihre Show abziehen. Es ist in den Ausschüssen zwar üblich, Anhörungen grundsätzlich zuzustimmen; aber ich denke, es wird Zeit, von dieser Vorgehensweise irgendwann mal abzurücken. Es kann nicht sein, dass wir als Gesundheitspolitiker ständig so viel Zeit mit überflüssigen Anhörungen und Anträgen der AfD verbringen.
({3})
– Das habe ich nicht gesagt. Ich habe nur gesagt, dass wir querdenkenden Leuten hier nicht unbedingt eine Plattform bieten müssen.
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Von Anfang an hat die AfD die Covid-Impfungen verteufelt und die Coronamaßnahmen abgelehnt.
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Dabei zeichnet sich immer mehr ab, dass Deutschland die Coronapandemie besser bewältigt hat als fast alle anderen Länder auf dieser Welt. Aber das will die AfD nicht wahrhaben.
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Dass die großen Impferfolge in der Allgemeinbevölkerung, aber auch in einigen Fachkreisen leider oft infrage gestellt werden, ist im Prinzip nichts Neues. Das hat vor 300, 400 Jahren mit der Pockenimpfung angefangen, ging mit der Diphterie und den Masern weiter und erreicht mit den Querdenkern leider auch die Gegenwart. Immer gab es Gegnerschaft. Immer setzte sich am Ende der Nutzen der Impfungen durch – immer.
Wie kommt diese in einigen Kreisen verbreitete Ablehnung zustande? Auf der einen Seite liegt es daran, dass gerade wegen des Impferfolges viele Erkrankungen den Menschen unbekannt geworden sind und deshalb die Notwendigkeit eines Impfschutzes leider nicht mehr eingesehen wird.
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Bei der AfD hat die Ablehnung aber ganz andere, weiter reichende Gründe. Man kennt zwar die Erkrankung Covid-19, aber man will die Ernsthaftigkeit der Covid-19-Erkrankung seitens der AfD einfach nicht anerkennen. Wegen ihrer grundlegenden Fehleinschätzung hinsichtlich der Schwere der Covid-Erkrankung stellt die AfD sämtliche Maßnahmen in Bezug auf Coronastrategien infrage. Da die Impfung in der Überwindung der Coronapandemie eine ganz entscheidende Rolle gespielt hat und noch spielt, werden von der AfD logischerweise auch die Impfungen als unnütz angesehen. Das könnte man ja noch hinnehmen. Aber das Perfide am Vorgehen der AfD ist die immer wiederkehrende Behauptung, die Impfungen seien nicht nur nutzlos, sondern auch schädlich. Und das wird behauptet, ohne irgendwelche Tatsachen beizubringen.
Gehen wir doch nur mal von dem Hohen Haus hier aus. Es ist sehr wahrscheinlich, dass von uns 80 Prozent mehrfach Covid-geimpft sind. Würden die Behauptungen der AfD in Bezug auf die Gefährlichkeit der Impfung stimmen, so wären wir andauernd beschlussunfähig, was den Vorteil hätte, dass wir Verbliebenden schon auf dem Weg in den Weihnachtsurlaub wären.
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Nun schlägt die AfD ein neues Kapitel auf und versucht, sich in Kinder- und Jugendmedizin zu profilieren. Auch das ist zum Scheitern verurteilt, weil es wie immer unsachlich ist. Meine Kollegin Frau Baradari ist Kinderärztin und hat viel kompetenter als ich die Sachlage der Kinder- und Jugendmedizin dargelegt, auch sehr viel kompetenter als Sie, Frau Kollegin Dr. Baum.
({9})
Es gibt derzeit keinen einzigen Grund, von den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission abzuweichen. Ich warne dringend davor – und leider ist es vor einigen Wochen oder Monaten schon geschehen –, dass vom Bundestag direkt auf die Ständige Impfkommission eingewirkt wird.
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Statt Impfungen zu verteufeln, müssen wir alles daransetzen, der zunehmenden Impfmüdigkeit entgegenzuwirken.
Die Anträge der AfD schaden der Gesundheit. Sie sind daher abzulehnen.
Danke.
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Das Wort erhält Emmi Zeulner für die CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die AfD legt heute verschiedene Anträge vor, und wieder einmal hat die AfD gefordert, in Bezug auf die Impfungen ein unabhängiges Expertengremium einzurichten, das das so richtig gut bewerten könne. Jetzt frage ich: Wer sollte in diesem unabhängigen Expertengremium eigentlich sitzen? Natürlich am besten medizinisch Vorgebildete, jemand mit jahrelanger Praxiserfahrung, am besten noch aktiv im Beruf stehend, also immer wieder aktuell mit der Praxis auch zu tun habend, Leute, die ein Standing in der Gesellschaft haben, aber auch in der Wissenschaft und unter den Kollegen, Leute, die unabhängig sind, am besten solche, die auch ehrenamtlich tätig sind, also nicht bezahlt werden für das, was sie tun, die keine finanziellen Interessen haben – wenn sie doch welche haben, müssen sie diese auf jeden Fall offenlegen –, die renommiert und selbstbewusst genug sind, eben auch Parteivertretern und Ministern zu widersprechen. Und jetzt kommt die Überraschung: Dieses Gremium haben wir in unserem Land; es nennt sich Ständige Impfkommission.
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Es gilt heute in der letzten Sitzung des Deutschen Bundestages, den diesem Gremium angehörenden Mitgliedern herzlichen Dank zu sagen; denn diese Menschen haben über Jahre schwierige Debatten geführt. Sie wollten wahrscheinlich gar nicht so richtig in die Öffentlichkeit und haben aus innerer Motivation heraus ihre Arbeit gemacht, weil sie gewusst haben: Es braucht eben mehr als einen Einsatz von 8 bis 16 Uhr. Wir müssen nach unserem regulären Arbeitstag noch für die Gesellschaft, für die Gemeinschaft arbeiten, und wir sind auch bereit, uns öffentlich zu bestimmten Dingen zu bekennen und in die Auseinandersetzung zu gehen. – Ein großer Dank an die Verantwortlichen, an die ehrenamtlich Tätigen in der Ständigen Impfkommission!
({1})
Die Entscheidung, ob ein Kind geimpft werden soll oder nicht, sollte durch die Eltern – zusammen mit Medizinern und insbesondere mit Kinderärzten – gefällt werden. Deswegen ist es auch nicht in Ordnung und nicht korrekt, dass jetzt die AfD versucht, das auszuhebeln, und in ihrem Antrag diese Entscheidungsmöglichkeit wegnimmt. Die Entscheidung, was passieren soll, sollte in einem geschützten Raum – Kinderarzt/Eltern/Kind – getroffen werden und nirgendwo sonst.
Entschuldigung, Frau Kollegin, erlauben Sie eine Zwischenfrage aus der AfD-Fraktion?
Ja, natürlich.
Vielen Dank. – Ist Ihnen bekannt, dass Eltern bzw. dem verantwortlichen Elternteil das Kind weggenommen wurde, weil die Mutter nicht wollte, dass das Kind geimpft wird? Es wurde der Mutter vom Jugendamt weggenommen. Ist Ihnen das bekannt? Weil Sie sagten, die Eltern sollten die Verantwortung übernehmen: Es ist leider nicht so.
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– Es ist leider nicht so.
Mir ist kein Fall bekannt, in dem das Jugendamt eingeschritten ist, weil eine Mutter und der andere für das Kind verantwortliche Elternteil zu unterschiedlichen Entscheidungen bei der Impfung gekommen sind. Ein solcher Fall ist mir tatsächlich nicht bekannt.
({0})
– Ich kenne einen solchen Fall nicht. Ich kenne ganz viele Kinderärzte und Familien, die das miteinander abgewogen und entschieden haben.
Kein Elternteil – so erlebe ich das in der Praxis – macht es sich leicht, eine solche Entscheidung zu treffen. Da wird sich informiert, da wird sich abgesprochen. Mir ist der Fall, den Sie schildern, nicht bekannt.
({1})
Um einen Ausblick auf das nächste Jahr zu geben: Wir sollten uns nicht einschüchtern lassen und keine Sorge haben, uns mit dem Thema Corona noch mal zu beschäftigen. Mein Anliegen wäre, eine Enquete-Kommission einzurichten; dafür werbe ich. Sie wäre der wünschenswerte Rahmen, um folgende Fragen zu beantworten: Was haben wir aus Corona gelernt? Welche Konsequenzen hat es für die Versorgung im ambulanten Bereich, dass man beispielsweise eben nicht einfach ein Antibiotikum verschreibt, sondern vorher über ein Antibiogramm testet, welches Antibiotikum sinnvoll ist? Wie gehen wir mit Kindern und Kitas um? Was machen wir in den Altenpflegeheimen?
Ich werbe um Unterstützung für eine Enquete-Kommission, in der wir uns austauschen können. Wir müssen definitiv Lehren aus Corona ziehen und dürfen nicht zulassen, dass neue Erkenntnisse nur tröpfchenweise bekannt werden. Ich wünsche mir, dass wir Erkenntnisse bündeln, sodass wir dann in den nächsten Jahren gut informiert und selbstbewusst entscheiden können, falls wieder eine solche Situation eintreten sollte.
Vielen Dank.
({2})
Das Wort erhält Linda Heitmann für Bündnis 90/Die Grünen.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen und liebe AfD-Fraktion! Als ich mir Ihren Antrag durchgelesen habe, hatte ich ein Déjà-vu der ungefähr 30 letzten Sitzungen des Gesundheitsausschusses. Regelmäßig zitieren Sie einzelne Studien aus der medizinischen Forschung. Sie picken sich Einzelaspekte heraus,
({0})
bringen Ihre eigene Interpretation hinein und versuchen dann, das Ganze zu skandalisieren.
Der Parlamentarische Staatssekretär hat es vorletzte Sitzung ziemlich gut auf den Punkt gebracht, als er sagte: Eine einzelne Studie bringt uns in der Medizin selten echte Erkenntnisse. Man braucht mehrere, die man miteinander in Beziehung setzt, und erst dann kommt man in der Forschung wirklich weiter. – Aber mehrere Dinge wirklich sinnvoll miteinander in Beziehung zu setzen, das ist von Ihnen offenbar zu viel verlangt.
({1})
Was die medizinische Forschung angeht – Frau Baradari hat es schon betont –: Es ist einfach nicht unsere Aufgabe als Politik, Nebenwirkungen von Impfstoffen oder Medikamenten zu erforschen, und es ist auch nicht unsere Aufgabe als Politik, über deren Zulassung oder Empfehlung zu entscheiden. Darüber, dass das nicht unsere Aufgabe als Politik ist, bin ich offen gestanden auch sehr froh.
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Aber es ist unsere Aufgabe als Politik, den Gesundheitszustand unserer Bevölkerung gut im Auge zu behalten und entsprechend darüber zu entscheiden, welche erforschten und zugelassenen Medikamente und Therapien möglicherweise Sinn machen und wo man vielleicht auch noch mehr Geld in Forschung und Entwicklung stecken sollte, um wirklich zu guten Ergebnissen zu kommen. Deshalb haben wir im letzten Haushalt speziell auch noch mal Geld in die Forschung für Therapien gegen Long Covid gesteckt, und das finde ich einen sehr wichtigen Aspekt in dieser Debatte.
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Was wir wirklich wissen, ist, dass die Impfung das Risiko, an Long Covid zu erkranken, nachgewiesenermaßen senkt.
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Aber wir stehen in der Forschung, was die Behandlung dieses Erkrankungsbildes und auch die Diagnostik angeht, leider noch am Anfang. Da müssen wir noch viel besser werden.
Aber ja, es ist ein Problem. Die Techniker Krankenkasse hat ihre Zahlen 2020 und 2021 ausgewertet. 1 Prozent ihrer Versicherten waren in diesem Zeitraum mit der Diagnose „Long Covid“ ausgefallen, und zwar im Schnitt für 83 Tage. Ich finde, das muss uns wirklich zeigen: Wir müssen hier mehr forschen, wie wir dieser Krankheit wirksam begegnen können, und wir müssen hier die Versorgung für die Betroffenen wirklich dringend verbessern.
Deshalb: Hören Sie bitte auf mit Ihrem billigen Populismus, und arbeiten Sie mit uns gemeinsam konstruktiv daran, Wege zu finden, wie wir die Versorgung und die Forschung im Bereich von Long Covid wirklich voranbringen, um hier sinnvoll etwas zu bewegen!
Vielen Dank.
({5})
Abschließend erhält das Wort Erwin Rüddel für die CDU/CSU-Fraktion.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Den Antrag der AfD-Fraktion halte ich nicht für zielführend. Wir haben in einigen Reden sehr deutlich vernommen, wie differenziert die STIKO hier Empfehlungen gibt. Wir sollten froh und stolz sein, dass wir eine unabhängige STIKO haben, die wissenschaftlich basiert den Eltern diese Empfehlungen gibt.
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Für immungesunde Kinder ohne Vorerkrankungen wird keine Impfung empfohlen, weil schwere Verläufe eher selten sind. Schließlich rät die STIKO mit Blick auf den Schutz von Angehörigen und weiteren Kontaktpersonen für alle Kinder unter zwölf Jahren, die Eltern entscheiden zu lassen, ob geimpft werden soll oder nicht.
Meine Damen und Herren, ich weiß wirklich nicht, was es an diesen Empfehlungen auszusetzen gibt.
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Es wird hier kein Zwang ausgeübt. Es handelt sich stets um eine freie Entscheidung der Eltern, beraten durch Kinderärztinnen und ‑ärzte, orientiert an der unabhängigen Entscheidung der STIKO.
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Es geht hier um den Gesundheitsschutz von vulnerablen Gruppen, und als positiver Nebeneffekt werden die Kliniken, die derzeit bekanntlich eh unter Druck sind, entlastet.
Und falls im vorliegenden Antrag Misstrauen gegenüber Impfungen mitschwingen sollte, kann ich nur feststellen, dass Impfschutz der beste Schutz gegen Infektionskrankheiten ist, den wir haben. Impfungen gehören zu den effektivsten Präventionsmaßnahmen zum Schutz vor Infektionskrankheiten.
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Nicht zuletzt den zur Verfügung stehenden Impfstoffen haben wir es zu verdanken, dass wir heute in einer ganz anderen Situation sind als noch vor zwei Jahren, als es diesen Impfstoff nicht gab, und wir über das Impfen den Weg zurück in die Normalität gefunden haben.
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Ein paar Worte noch zum Tragen von Masken. Maßnahmen zum Tragen von Masken im Gesundheitsbereich sollten wir diskutieren und im Einzelfall bewerten. Ansonsten würde ich mir wünschen, die restlichen Maßnahmen wie eine Maskenpflicht in der Bahn und im ÖPNV abzubauen. Jedem steht dabei frei – wir sehen das auch hier im Plenum –, sich persönlich für das Tragen einer Maske zu entscheiden.
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Die Erfahrungen anderer Länder zeigen uns aber auch, dass mit Maskenverzicht kein signifikanter Anstieg an Infektionen verbunden ist – genauso wie Menschen im Fall einer Erkrankung zu Hause bleiben sollten, auch unabhängig von Corona; das sollte selbstverständlich sein und nicht gesetzgeberisch geregelt.
Wir müssen als Gesellschaft wieder den Weg zurück zu mehr Eigenverantwortung finden
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und nicht immer darauf drängen, dass jedes Detail unseres Lebens durch staatliche Vorgaben geregelt wird.
Vielen Dank.
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Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! „In dem Moment, in dem wir keine freie Presse mehr haben, kann alles passieren“, sagte Hannah Arendt 1974 in einem Interview. In dem Moment fehlt Wissen, und Journalistinnen und Journalisten leben gefährlich. Uninformiertheit war für Hannah Arendt ein Weg zum Totalitarismus und zur Unterdrückung. Folglich ist eine starke unabhängige Presse die Voraussetzung für das Funktionieren von Demokratie. Das galt 1974, und das gilt erst recht auch heute.
Hannah Arendt setzte auf den einzelnen Menschen, auf seinen Willen, wissen zu wollen, auf seine Fähigkeit, selbst zu denken, auf Informationsfreiheit als Bollwerk gegen Diktaturen. Aus genau diesem Grund bekämpfen Diktaturen die freie Presse.
„Reporter ohne Grenzen“ berichtet aktuell, dass so viele Journalistinnen und Journalisten in Haft sind wie noch niemals zuvor. 533 inhaftierte Journalistinnen und Journalisten sind ein neuer Negativrekord. Zwei Drittel sitzen ohne Verfahren ein. Auf den traurigen Spitzenplätzen stehen China, Myanmar und der Iran.
Russland greift seit dem Angriff auf die Menschen in der Ukraine zu immer drakonischeren Strafen. Unabhängige Medien werden von der russischen Regierung mit größter Härte verfolgt, die freien arbeiten nur noch im Untergrund; sie arbeiten weiter trotz der Bedrohung. Der Journalist Iwan Safronow ist zu 22 Jahren Straflager verurteilt worden, weil er über Unfälle beim russischen Militär geschrieben hat.
Im Frühjahr 2022 wurde die Deutsche Welle in Russland zum ausländischen Agenten erklärt und verboten, ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter folglich mit drakonischen Strafen bedroht; offiziell als Reaktion auf den Ausstrahlungsstopp des russischen Fernsehkanals RT. Tatsächlich wurde die Deutsche Welle verboten, weil Putins Regime die Tatsachen über den Kriegsverlauf mit allen Mitteln unterdrücken muss. Die Moskauer Büros der Deutschen Welle wurden geschlossen. Den Journalistinnen und Journalisten wurde die Akkreditierung entzogen. Die Verbreitung des russischsprachigen Programms der Deutschen Welle über Satellit und alle anderen Übertragungswege wurde verboten. Die Reputation der Deutschen Welle und ihre Bedeutung ist für das russische Regime Anlass, sie zu verfolgen.
Denn, ja, die Deutsche Welle ist ein wichtiger globaler Player in der Medienwelt geworden. Ihre Geschichte ist zweifellos eine Erfolgsstory. Heute verfügt sie über Redaktionen weltweit. Sie sendet in 34 Sprachen. Wo sie arbeitet, trägt sie entscheidend zur Diversifizierung des Medienangebots bei, besonders in Ländern mit restriktiver staatlicher Medienpolitik. Gerade dort, wo Repression und Desinformation regieren, ist sie oft der einzige Fixstern für die Pressefreiheit und die faktenbasierte Meinungsbildung. Dafür möchte ich den Journalistinnen und Journalisten der Deutschen Welle weltweit unsere Hochachtung aussprechen.
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Für die Zukunft hat die Deutsche Welle viel vor. Sie wird ihr Informationsangebot ausbauen; so sieht es die Aufgabenplanung bis 2025 vor. Sie wird etwa der russischen Propaganda ihre russischsprachigen Angebote entgegensetzen und sie weiter ausbauen. Sie wird sich technisch weiterentwickeln, digitaler werden und sich fit machen, um repressive technische Blockaden zu überwinden. Stärker werden soll auch die Deutsche Welle Akademie, und das gerade dort, wo rechtsstaatliche Grundsätze missachtet werden. Die Akademie soll zum Zentrum internationaler Medienentwicklung werden, verstärkt Aus- und Fortbildung bieten, ein Ort der Wissensvermittlung sein und so die Voraussetzungen für eine freie, kritische und unabhängige Berichterstattung stärken.
Im eigenen Haus muss die Deutsche Welle einiges tun. Es geht darum, die Zahl der Festangestellten zu erhöhen; denn solide berufliche Perspektiven sichern Qualität und kritische Berichterstattung.
Ein wichtiges Thema bleibt dabei die weitere Prüfung der antisemitischen Vorfälle in der Nahostredaktion der Deutschen Welle. Hier steht die gutachterliche Prüfung noch aus. Bisher liegt bereits ein Maßnahmenplan zur Bekämpfung von Antisemitismus vor. Danach wurde der Code of Conduct aktualisiert und unterstrichen, dass Diskriminierung wie Sexismus, Rassismus und Antisemitismus nicht toleriert wird. Das ist entscheidend; denn als deutscher Auslandssender steht die Deutsche Welle weltweit für die Werte unserer freiheitlichen Demokratie. Sie kooperiert dabei mit Mittlerorganisationen wie den Goethe-Instituten und den Deutschen Auslandsschulen, und das ist wichtig.
Angesichts der Tatsache, dass der Fachkräftemangel unseren Wohlstand gefährdet und angesichts der Tatsache, dass wir gerade für den Erhalt unserer Wirtschaftskraft mehr Zuwanderung brauchen, kommt auch der Deutschen Welle eine noch stärkere Bedeutung zu; denn die Einwanderung von Arbeitskräften ist ein wichtiger Baustein für ein modernes Einwanderungsland. Umso wichtiger ist es, dass die Deutsche Welle ein aktuelles realistisches Deutschlandbild vermittelt, dass sie ein Bild der Arbeitsrealität vermittelt, dass sie klare Einblicke gibt in Sprache, Kultur und Leben in Deutschland, dass sie ein Bild unserer freiheitlichen Demokratie vermittelt, das sich durch eine Vielfalt von Lebensentwürfen auszeichnet.
Demokratie – daran erinnert Hannah Arendt immer wieder – will gelebt werden, muss gewollt werden und muss verteidigt werden. Demokratie braucht mündige Bürgerinnen und Bürger, die eine Haltung haben, eben weil sie durch eine freie Presse informiert sind.
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Eine starke Stimme ist dabei die Deutsche Welle, die mit ihrer Vorhabenplanung auf der Höhe der Zeit ist.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
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Das Wort erhält Marco Wanderwitz für die CDU/CSU-Fraktion.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Staatsministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Alles das, was Kollege Grundl ausgeführt hat, will ich zunächst einmal eins zu eins unterschreiben und mir zu eigen machen.
Auch ich will mit dem Thema Iran beginnen. Am 14. Dezember, also vor zwei Tagen, war in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ ein interessanter, aber gleichwohl erschütternder Artikel über die Bedrängungen und Bedrohungen zu lesen, denen die Journalistinnen und Journalisten im Iran ausgesetzt sind. Der Titel lautete: „Das Regime verfolgt uns überall“. Frau Präsidentin, mit Ihrer Zustimmung würde ich gern einige Sätze aus diesem Artikel zitieren:
Groß ist auch der Druck auf ausländische Sender wie die Deutsche Welle, die seit sechzig Jahren auf Persisch berichtet – früher per Radio, heute multimedial über die Website, Youtube oder soziale Medien wie einen Instagram-Kanal mit 1,6 Millionen Followern. Die Angebote, die eine vierzigköpfige Redaktion in Bonn und Berlin produziert, sind seit Beginn der Proteste trotz Internetblockade
– darauf komme ich später noch mal zurück –
gefragt wie nie. Und das Regime reagiert. Es wirft der Redaktion die Unterstützung von „Terroristen“ vor und schüchtert in Iran lebende Freunde und die Familien von Mitarbeitern des Senders ein. „Wir haben schon viel erlebt“, sagt die Redaktionsleiterin …, „aber noch nicht in diesem Ausmaß“. Kann man Beispiele nennen? … eines der bekanntesten Gesichter der Redaktion will uns zumindest von den Einschüchterungsversuchen erzählen, die er seit Beginn seiner Arbeit für die Deutsche Welle vor einem Jahr erlebt. Wobei er schon vorher bedroht worden sei: „Ich berichte seit vielen Jahren kritisch über Themen wie die Revolutionsgarde oder Korruption. Das war nicht möglich, als ich noch im Iran lebte, aber es wurde möglich, als ich ins Ausland ging.“ Die Folgen bekamen seine in der Heimat verbliebenen Verwandten zu spüren. Sie wurden als Reaktion auf einzelne Beiträge und einen offenen Brief, den er mit dreißig Regimekritikern unterzeichnete, zu den Sicherheitsbehörden zitiert. Man befragte sie und drängte sie …
Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, das, was die Journalistinnen und Journalisten der Deutschen Welle, wie auch viele ihrer Kolleginnen und Kollegen, leisten, ist unheimlich wichtig, und deswegen sollten wir hier im Deutschen Bundestag die heutige Gelegenheit der Debatte über die Aufgabenplanung nutzen, ihnen zu danken, ihnen den Rücken zu stärken und ihnen zuzurufen: Sie tun das auch in unser aller Namen.
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Und zwar nicht nur im Iran, sondern genauso in Russland, in China und in all den anderen Ländern, die sich anders als wir Europäer nicht in den oberen, sondern in den unteren Regionen der Liste der Pressefreiheit, die regelmäßig „Reporter ohne Grenzen“ und andere aufstellen, wiederfinden.
Ich habe es vorhin schon angesprochen, es kam auch im Artikel vor: Diese Länder versuchen natürlich, die freie Presse, insbesondere die Auslandspresse der freien Welt, aus ihren Kanälen herauszuhalten. Es gibt Zensur, es gibt Blockaden. Diese Blockaden und diese Zensur zu umgehen, ist eine neue wichtige Aufgabe der Deutschen Welle geworden, die sie mit Bravour meistert, aber die eine tägliche Herausforderung ist und bei der sie insbesondere auch in enger Zusammenarbeit mit anderen Auslandssendern der freien Welt, wie beispielsweise BBC oder Voice of America, immer wieder herausgefordert ist, ihre Inhalte zugänglich zu machen. Die Inhalte werden von Millionen von Menschen gewünscht und abgefragt, die keine Möglichkeit haben, in ihrem Land eine freie Berichterstattung zu bekommen. Deswegen ist es wichtig, dass wir als Deutscher Bundestag die Deutsche Welle auch an dieser Stelle so ausstatten, dass sie das leisten kann.
Ich will noch einige wenige Sätze zum Thema Finanzen im Lichte des Haushaltsjahres 2023 sagen. Der Koalitionsvertrag der Ampel ist auch an dieser Stelle sehr ambitioniert. Ich denke, wir sollten uns gemeinsam vornehmen, dass das in 2024 und folgenden Haushaltsjahren auch im Haushalt deutlicher zum Ausdruck kommt, als das für 2023 der Fall war. Die Deutsche Welle hat über die Jahre immer Aufwüchse erlebt, berechtigterweise. Dieses Jahr war es nur ein sehr kleiner Schluck aus der Pulle. Mir ist klar, dass das nicht einfach ist in Zeiten wie diesen, aber an dieser Stelle sollten wir künftig noch mal nachlegen, damit insbesondere auch das Thema „freie Mitarbeiter“ ein Stück weit besser gelöst werden kann, so wie das auch im Antrag der Ampel abgebildet ist, aber explizit auch das Thema der Zensurumgehung vernünftig weiterbetrieben werden kann.
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Es ist schön, wenn Regieanweisungen von der anderen Seite des Hauses an die Fraktion kommen. Das ist auch mal schön zu hören.
Das Wort erhält Helge Lindh für die SPD-Fraktion.
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Auch ohne Regie: Schön Sie zu sehen, Frau Präsidentin! – Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Drei, drei, drei – Demokratie“: Ich möchte, dass Sie sich das merken. Wenn Sie sich gar nichts von dieser Rede merken, möge wenigstens das hängen bleiben als Assoziation mit der Deutschen Welle. Sie werden nachher noch mitbekommen, warum. Ich sehe Herrn Limbourg auf der Tribüne – Frau Massing wird sicher auch zugucken –: Sie dürfen das auch in der internen und externen Kommunikation verwenden, Sie müssen es aber nicht.
Wenn wir von der Deutschen Welle reden, ist es, glaube ich, wichtig, sich mit zwei Bildern, zwei Impressionen klarzumachen, welche Bedeutung sie hat. Gegenwärtig befassen sich mehrere Studien damit, deutlich zu machen, wie unterschiedlich mediale Kommunikation in Russland und in der Ukraine läuft. Russische Sender: Propaganda, hierarchisch, Verkündung von Kriegsergebnissen. Im Vergleich dazu kreative, natürlich strategische Kommunikation, aber demokratisch-partizipativ, modern-westlich orientiert in der Ukraine.
({0})
– Das freut natürlich die AfD, die sich ja als Unterstützerin des russischen Angriffskrieges bewährt hat. Sie sind ein Grund, warum wir dankbar sein können, dass es die Deutsche Welle gibt; denn die Deutsche Welle ist so was wie die Gegenthese zur AfD. Gut, dass sie das ist!
({1})
Die Art und Weise, wie in der Ukraine mit Medien umgegangen wird, und die Botschaft, gerade auch solche Medien wie die Deutsche Welle im Rundfunk haben zu wollen, machen deutlich, welche Bedeutung das für eine demokratische Öffentlichkeit und partizipative Gesellschaft hat.
Ich will noch ein zweites Bild nennen. Wir haben ja manchmal ein schlechtes Gedächtnis und vergessen viel. In der Vergangenheit, erst recht in der NS-Zeit, im Dritten Reich, waren deutsche Medien solche, die den Terror unterstützten und verkündeten, die für andere Länder damit verbunden waren, dass sie Kriegssender waren, die schon im Kaiserreich nach dem Prinzip „Am deutschen Wesen soll die Welt genesen“ funktionierten.
({2})
Ich glaube, wir können zutiefst dankbar und auch mit Demut erfüllt sein, dass sich das so fundamental geändert hat.
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Und vergessen wir nicht, dass die Deutsche Welle eben genau ein Gegenentwurf dazu ist, dass sie ein vielfältiges, auch in seinen Brüchen gezeichnetes Deutschland darstellt – nicht propagandistisch, sondern als freies, unabhängiges Medium – und dass sie zugleich auch nicht erzieherisch auftritt,
({4})
sondern uns deutlich macht, wie vielfältig die Welt ist, wie unterschiedlich die Menschen sind und dass es uns nicht erlaubt sein darf, herablassend zu reagieren. Das ist eine herausragende Leistung ebendieser Deutschen Welle. Wir sollten all denjenigen, die im Backoffice, aber auch an der Front des Journalismus tagtäglich dafür arbeiten, danken. Das verdient, glaube ich, auch einen großen Applaus.
({5})
Der Umstand, dass die von Ihnen teilweise gar nicht gehörten Zwischenrufe der AfD, die man alle mal mitschreiben sollte,
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so wütend und so gehässig sind, zeigt ja, dass die Deutsche Welle ihre Arbeit verdammt gut macht.
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Das ist die größte Würdigung ihrer Erfolge, und ich wünsche mir, dass sie weiter so unnachgiebig ist.
Schon vor Beginn des Angriffskrieges – der hat ja viel früher begonnen, wenn wir ehrlich sind, vor vielen Jahren in den ersten Stufen – wurden Journalistinnen und Journalisten der Deutschen Welle drangsaliert. Dass sie trotzdem Wege gefunden haben – auch neue Wege über andere Plattformen –, denjenigen, die in Russland tatsächlich informiert werden wollen, die sich nicht mit diesem Regime abfinden, die nicht wie die AfD ticken, sondern die Demokratie in diesem Land wollen, beizustehen, das ist pur demokratisch, und das zeigt, wie fundamental sich die Bundesrepublik von den Zeiten davor unterscheidet. Ein Zeichen dafür ist die Existenz der Deutschen Welle.
({8})
Kommen wir jetzt zu dem Merkspruch – nicht nur für die AfD, sondern für uns alle – „Drei, drei, drei – Demokratie“. Ich verdanke ihn dem Konzept der Deutschen Welle selbst; denn sie hat sich zunächst einmal drei Ziele gegeben, nämlich erstens eine Reichweitensteigerung auf bis zu 400 Millionen Nutzendenkontakte bis 2025, zweitens eine Steigerung der Relevanz in Bezug auf Adressaten und Zielgruppen und drittens die Steigerung des Dialogs, des Formats „Dialog“. Sie hat diese dann wiederum in drei Schwerpunkten operationalisiert, nämlich erstens in Bezug auf regionale Kompetenz und Präsenz, gerade um Relevanz herzustellen, zweitens mit einem klaren Akzent auf und einer klaren Entscheidung für „on demand first“ – denn heutige, weit über die Welt verstreute Nutzergruppen brauchen nonlineare Angebote, und sie sind gerade in Zeiten wichtig, in denen die Autokratien immer weiter wachsen – und zum Dritten – das ist in all unseren Debatten über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk auch nicht zu vernachlässigen – hinsichtlich effizienter, nachhaltiger Nutzung der Ressourcen.
Jetzt komme ich zum dritten Dreierschritt. Unsere Aufgabe wird jetzt erstens sein, entsprechend dem Koalitionsvertrag den Ausbau der Deutschen Welle und der Deutschen Welle Akademie erfolgreich und kontinuierlich fortzusetzen. Die Aufgabe wird zweitens sein, gerade jetzt, wo die BBC nicht mehr die Stimme Europas ist, dazu beizutragen, dass die Deutsche Welle zusammen mit der französischen Schwester genau das sein kann: ein solches europäisches Narrativ in einer multipolaren Welt mit einem akuten, dringenden Systemwettbewerb. Drittens – vergessen wir das nicht –: Wir wollen doch ein Einwanderungsland sein, jedenfalls viele von uns wollen das. Ein Teil dieses Parlaments will es nicht, aber die meisten wollen es. Ein solches Einwanderungsland, das ja Einwanderinnen und Einwanderer und Fachkräfte will, braucht Brücken. Und wer, wenn nicht die Deutsche Welle, kann eine solche Brücke sein und einen solchen Kontakt herstellen?
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Ich danke Ihnen bei der Deutschen Welle, dass Sie Menschen unabhängig informieren, mit Daten ausstatten, dass Sie dafür sorgen, dass Menschen mündige Bürgerinnen und Bürger sind. Und danke, dass Sie jeden Tag ein Stachel im Fleisch der AfD sind!
Ich danke Ihnen allen und wünsche Ihnen eine frohe Weihnachtszeit. Vor allem bin ich dankbar für die gemeinsame parlamentarische Arbeit. Ich danke Ihnen allen, mit denen man konstruktiv zusammenarbeiten kann. Und ich danke Ihnen von rechts, weil Sie mich täglich daran erinnern, warum ich gerne Politik mache – nämlich gegen Sie.
Vielen Dank.
({10})
Das Wort erhält Martin Renner für die AfD-Fraktion.
({0})
Sehr verehrtes Präsidium! Der vorliegende Antrag der Koalition
({0})
lobt die Deutsche Welle als Schaufenster und Leuchtturm unseres Landes in der Welt. Schaufenster unseres Landes in der Welt zu sein, ja, das wäre genau der gesetzliche Auftrag der Deutschen Welle. In Wirklichkeit aber zeigt sich die Deutsche Welle zunehmend als Mitsänger im Chor der internationalen kulturmarxistischen Wokismus-Ideologie,
({1})
ein Chor, der getragen wird von links-grünen, ökosozialistischen Regierungen, von internationalen politischen Institutionen, NGOs,
({2})
Organisationen und Stiftungen und von milliardenschweren angeblichen Philanthropen und gekauften Beeinflussungs- und Agitationsblockflöten.
({3})
Dieser Chor vermischt und panscht die unterschiedlichen nationalstaatlichen kulturellen Werte und Identitäten zusammen. Aber, meine Damen und Herren, das ist beileibe nicht kulturschaffend, das ist kulturzerstörend.
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Dieser globalistisch orchestrierte Wokismus trompetet unentwegt seine angebliche moralische Überlegenheit in alle Welt hinaus mit dem Anspruch, das Klima zu retten, nein, gleich die ganze Welt zu retten, um eine bessere Welt zu schaffen, mit besseren Weltbürgern. Dieser missionarische Eifer und diese vermeintlich moralische Überlegenheit ist nichts anderes als ein dominantes, herrschen wollendes Werteimperialismusgehabe. Es führt zu Bevormundung und zur erzieherischen Beeinflussung und Belehrung der anderen.
({5})
Und klar: Da ist dann oft auch ein gehöriger Anteil antisemitischer und antizionistischer Agitation und Propaganda im Orchestersound.
({6})
„Aber wir sind doch eigentlich und selbstverständlich die Guten!“ – genau das ist die Linie unserer links-grünen, ökosozialistischen Regierung,
({7})
das ist der Anspruch der EU, das sind die Ziele der globalistischen Wokismus-Bewegung. Und das soll jetzt auch Aufgabe der opportunistischen, an diesem kranken Zeitgeist orientierten Deutschen Welle sein? Da schreibt die Koalition doch allen Ernstes – ich zitiere –: „Sie“ – die Deutsche Welle – „repräsentiert Deutschland und wirbt für … die Vielfalt von Lebensentwürfen.“ Damit repräsentiert die Deutsche Welle „gewachsene europäische Werte“. Wenn das unser Schaufenster in der Welt sein soll, dann gehört dieser Schaufenster gestaltende Dekorateur dringend gefeuert!
({8})
Doch es kommt noch schlimmer. Der Deutschen Welle soll mit diesem Antrag auch eine Blankovollmacht zur aktivistischen außenpolitischen Agitation und Einflussnahme erteilt werden. Eine solche Ermächtigung steht niemals der Intendantur der Deutschen Welle zu, es sei denn, sie handelt immer in Absprache mit der Regierung. Dann aber ist die angebliche Staatsferne nicht das Papier wert, auf dem diese Staatsferne behauptet wird.
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Die Alternative für Deutschland lehnt diesen wertezerstörenden, identitätsvernichtenden und kollektivistischen linken Zeitgeist entschieden ab. Die Deutsche Welle täte gut daran, zu ihrem gesetzlichen Auftrag zurückzufinden, nämlich unser deutsches Schaufenster in der Welt zu sein, nicht aber die missionarische Brechstange für die Planung einer gottlosen, links-grünen, kulturmarxistischen Dystopie mit einer erschreckenden und nicht wünschenswerten Gesellschaftsordnung.
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Friede sei mit euch! Eine schöne Weihnachtszeit!
Danke schön.
({11})
Der Kollege Thomas Hacker hat das Wort für die FDP-Fraktion.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor wenigen Wochen hat das iranische Außenministerium Sanktionen gegen mehrere europäische Politiker und Journalisten verhängt. Neben der „Bild“-Zeitung war auch die Farsi-Redaktion der Deutschen Welle betroffen. Der Vorwurf lautet: Unterstützung von Terrorismus. Lieber Herr Limbourg, den Kolleginnen und Kollegen der Redaktion gilt unsere volle Solidarität. Machen Sie weiter, und unterstützen Sie so den Weg des iranischen Volkes in die Freiheit!
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Wir stehen an Ihrer Seite. Wir stehen an der Seite des iranischen Volkes.
Die weltweiten Entwicklungen zeigen uns gerade so eindrucksvoll, warum die Arbeit der Deutschen Welle so wichtig ist. Sie ist das unverzichtbare Informationsangebot dort, wo unabhängige Medien noch nicht oder nicht mehr vorhanden sind. Sie ist das Fenster in eine Welt jenseits von Unterdrückung, Angst und staatlicher Propaganda, die wir in autoritären und totalitären Systemen so oft erleben.
Die Deutsche Welle, die im kommenden Jahr ihren 70. Geburtstag feiern kann, hat sich durch seriösen Journalismus, überzeugende Reporterarbeit und absolute Glaubwürdigkeit weltweit Renommee erarbeitet. 289 Millionen wöchentliche Nutzerkontakte erreicht man gerade in diesen Zeiten nicht durch Fake News und Filterblasen, sondern durch Beharren auf den Grundsätzen des Journalismus: Aktualität, Faktizität und Relevanz.
Dieses Vertrauen bei den Menschen vor Ort oder in der Diaspora wollen wir als Ampelregierungskoalition stärken und unterstützen. Die vorgestellte Aufgabenplanung 2022 bis 2025 ist nicht nur die Reaktion auf das gewandelte Mediennutzungsverhalten, eine neue Medienlandschaft und gesellschaftliche Veränderungen, sondern sie unterliegt auch den Herausforderungen einer Welt im Wandel.
Dafür braucht es Vernetzung vor Ort, interkulturelle Kompetenz und zugleich die redaktionellen Voraussetzungen, diesen Herausforderungen auch gerecht werden zu können. Dafür braucht es die technischen Voraussetzungen, Zensur und repressive Blockaden auch umgehen zu können.
Natürlich ist in einer weltweiten Senderfamilie nicht alles perfekt. Entscheidend ist jedoch, dass man sich Problemen verantwortungsvoll stellt, diese aufarbeitet und daraus lernt. Ein professioneller Umgang mit den Problemfällen seit dem vergangenen November hätte nicht anders aussehen können: Aus der aufrichtigen Aufarbeitung folgten Konsequenzen. Auch darüber sprechen wir heute und demnächst im Ausschuss. Bei der Prävention von Antisemitismus muss die Deutsche Welle auch externe Expertise nutzen und die eingeleiteten Veränderungen konsequent fortsetzen.
Wenn wir die Stärkung von Meinungsfreiheit und Demokratie weltweit ernst nehmen, dann müssen wir vor allem die Menschen vor Ort dazu befähigen, diese Werte auch selbst vermitteln zu können. Die Arbeit der DW Akademie als Lern-, Fortbildungs- und Schutzraum ist daher unverzichtbar. Auch das gehört zur Stärkung und zu den Stärken unseres Auslandssenders.
Der Aufbau von Strukturen insbesondere in ländlichen Regionen und ein stärkerer Fokus auf Frauen, Mädchen und Jugendliche brauchen ein Budget, das Aufbau und Unterhalt auch zulässt. Als Ampel haben wir uns dazu verpflichtet und werden unseren Beitrag dazu leisten.
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Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine hat die Welt verändert. Und wenn die aktuelle Lage in Russland und Belarus die Arbeit der Deutschen Welle vor Ort erheblich erschwert, dürfen wir sie keinesfalls aufgeben, ganz im Gegenteil. Der Ausbau der russischsprachigen Angebote im digitalen Raum ist unverzichtbar, wenn wir im Kampf gegen Desinformation bestehen wollen. Den angestrebten Aufbau von freien russischsprachigen Medien und Medieninhalten in Zusammenarbeit mit der Ukraine und anderen europäischen Partnern können wir als Deutscher Bundestag daher nur entschieden begrüßen.
Russlands und Chinas expansives globales Handeln macht es darüber hinaus notwendig, künftig gerade in Afrika und Asien präsenter zu sein. Wenn nach dem jüngsten Militärputsch in Burkina Faso Demonstranten russische Flaggen schwenken, dann müssen wir als freie Welt alarmiert sein. Wie beschrieb es „Zeit Online“ kürzlich so treffend:
RT geht nach Südafrika, Wagner dreht einen Film über Zentralafrika und Diplomaten machen Twitter-Propaganda: Die prorussische Stimmung auf dem Kontinent ist kein Zufall.
Wenn wir mit Fakten gegen Fake News bestehen wollen, dann müssen wir feststellen, dass es in dieser Zeit nicht im nationalen Alleingang geht. Es braucht eine Strategie medialer Partnerschaften und gemeinsamer Angebote. Eine Zusammenarbeit mit Auslandssendern unserer demokratischen Freunde ist unabdingbar.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns gemeinsam die Deutsche Welle für die Aufgaben der nächsten Jahre stärken und unterstützen – für unsere Demokratie, für unsere Freiheit.
Vielen Dank.
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Das war eine Punktlandung, sogar eine Sekunde Redezeit gespart. Das ist sozusagen der Beitrag zur adventlichen Fastenzeit, dass Sie auf eine Sekunde verzichtet haben. Sehr gut.
Dr. Petra Sitte hat das Wort für die Fraktion Die Linke.
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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist noch nicht so lange her, dass wir hier mehrfach über Pressefreiheit und über die Deutsche Welle und ihre Bedeutung gesprochen haben. Ich will daher nur wenige Punkte in der mir verbleibenden Zeit ansprechen.
Erstens. Die Debatten, die wir in den letzten Monaten zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk geführt haben, sollten auch die Deutsche Welle mit einschließen. Mithin gibt es durchaus strukturelle Parallelen: Transparenz, Aufsicht und Beteiligung müssen natürlich auch Anspruch der Deutschen Welle sein. Dafür sollten auch die jüngsten Skandale beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk Anlass geben und als Impulse aufgenommen werden.
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Zweitens. Insbesondere die Frage der Unabhängigkeit der Deutschen Welle ist für ihre Glaubwürdigkeit zentral. Insofern ist nicht klar, warum immer noch mit zweierlei Maß gemessen wird. So sollten beispielsweise auch die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts als Vorbild für die Staatsferne der Aufsicht genommen werden.
Drittens. Eine Stärkung der Deutschen Welle ist zu begrüßen – ohne Wenn und Aber.
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Angesichts weltweiter Bedrohung der Pressefreiheit – die Kollegen haben es ausgeführt – muss in der Tat ein Schwerpunkt auf Länder und Regionen gelegt werden, in denen es eben keine freie und vielfältige Presse gibt. Dazu gehört sehr wohl, Bemühungen zur Umgehung von Zensurmaßnahmen durch Diktatoren und Autokraten auszuweiten. Und natürlich müssen Mitarbeitende insbesondere im Ausland besonders angemessen und effektiv geschützt werden.
Damit sind – viertens – auch die Mitarbeitenden der Deutschen Welle angesprochen, die ihr Angebot ja erst schaffen. Diese brauchen gute Arbeitsbedingungen und verlässliche Beschäftigungsperspektiven.
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Da steht die Bundesregierung als Geldgeberin natürlich in besonderer Verantwortung.
Schließlich, meine Damen und Herren, müssen die Mitarbeitenden an den anstehenden Entscheidungen zur Weiterentwicklung der Deutschen Welle nicht nur mitwirken, sondern sie auch mitbestimmen können. Es gibt angesichts der Entwicklungen und Darstellungen, die wir von den Vertreterinnen und Vertretern der Deutschen Welle unlängst im Ausschuss geschildert bekommen haben, genügend Anlass, anzunehmen, dass das auch geschieht.
Besten Dank und frohe Weihnachten.
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Ich zähle jetzt die Adventsfastenzeitsekunden, die wir an Redezeit einsparen. Jetzt sind wir schon bei 20 Sekunden, also eine Sekunde von eben und jetzt 19 Sekunden.
Katrin Budde hat das Wort für die SPD-Fraktion.
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Frau Präsidentin, jetzt fühle ich mich unter Druck gesetzt, auch Zeit einzusparen. –
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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wissen Sie, Herr Renner, da war selbst „Der schwarze Kanal“ mit Karl-Eduard von Schnitzler besser als Sie mit Ihrer Rede eben. Das will schon viel heißen, wenn man das schafft.
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Wann immer ich für den Ausschuss für Kultur und Medien in der Welt unterwegs bin, besuche ich die Kolleginnen und Kollegen der Deutschen Welle vor Ort. Mal sind es direkt Sendestationen der Deutschen Welle, mal sind es Kooperationspartner der Deutschen Welle Akademie, mal sind es Projekte der Hannah-Arendt-Initiative. Wir waren als Ausschuss gerade wieder in Georgien vor Ort und haben dort die Kolleginnen und Kollegen, die zusammenarbeiten, getroffen.
Immer treffe ich auf hochengagierte, gesellschaftspolitisch fitte Menschen, deren Ziel eine gut recherchierte und unabhängige Information der Menschen in der Region ist, in die sie ihre Sendungen ausstrahlen. Manchmal sind sie in der Region auch die einzigen wirklich unabhängigen Medien. Oft kämpfen sie zudem von ihren Standorten in demokratischen Ländern aus gegen die Einflussnahme durch von autokratischen Staatssendern oder Oligarchen finanzierte Berichterstattung, gegen Falschinformationen und Fake News, und das in den Sprachen, die in diesen Regionen auch verstanden werden.
Dabei geht es neben der Vermittlung der deutschen Sprache und Informationen über die deutsche Politik, Kultur, das deutsche Alltagsleben, über Wirtschaft und Wissenschaft aber auch immer mehr darum, einen elementaren Baustein unserer Demokratie, unserer freien Gesellschaft, der Grundlage unseres Zusammenlebens und unseres wirtschaftlichen Erfolges, nämlich die freie und unabhängige Berichterstattung, zu ermöglichen. Dies muss längst nicht mehr nur und darf auch gar nicht mehr nur in deutscher Sprache erfolgen. Aber – auch das erfahre ich überall in der Welt – die Zusammenarbeit der Deutschen Welle mit den deutschen Mittlerorganisationen ist super. Deshalb setzt die Deutsche Welle ihren Auftrag nach § 4 Satz 3 des Deutsche-Welle-Gesetzes auch hervorragend um.
Meine Damen und Herren, alle Punkte in dem Ampelantrag sind wichtig, und keiner darf gering geschätzt werden. Dennoch will ich mich auf einige konzentrieren: auf die, die helfen – eine unabhängige, faktenbasierte Berichterstattung –, die Meinungsfreiheit und die Bildung einer eigenen Meinung auf Grundlage freier Medienberichterstattung zu ermöglichen.
Ich bin im Kalten Krieg aufgewachsen. Ich war selber in der Friedlichen Revolution aktiv. Ich habe die deutsche Wiedervereinigung mit allen guten und schwierigen Situationen miterlebt. Ich habe die Strukturbrüche in Ostdeutschland erlebt und abzufangen versucht. Ich habe Neues aufgebaut und nicht nur zugesehen, als ein neues, großes Europa entstanden ist, ein Europa mit auch sehr vielen inneren Unterschieden. Ich war während der Finanzkrise politisch aktiv, habe den Krieg im ehemaligen Jugoslawien und den Zerfall miterlebt. Ich habe mit Bewunderung beobachtet, wie aus ehemaligen Sowjetrepubliken eigene, unabhängige Staaten wurden, die Teil der EU geworden sind oder ihren Weg in die EU suchen. Und ich habe mit Schrecken gesehen, wie einige von ihnen wieder Satelliten eines immer autokratischer werdenden Russlands geworden sind. Ich habe mit Schrecken gesehen, wie der Arabische Frühling in eine Katastrophe mündete. Wir haben die globale Pandemie erlebt und den Überfall Russlands auf die Ukraine. Es herrscht wieder Krieg in Europa.
Ich habe aber auch – nach all diesen Veränderungen in den 30 Jahren – noch nie so viel Autokratie, Diktatur und Unfreiheit auf der Welt erlebt. Die Welt von heute ist nicht mehr einfach und klar begreifbar. Da gibt es nicht mehr hier böse, da gut. Da gibt es nicht mehr – wie im Kalten Krieg – hier Kommunismus, da Kapitalismus. Da gibt es nicht mehr Osten und Westen. Die Welt ist verdammt kompliziert, differenziert und auch beängstigend geworden, auch für die Menschen, die auf dieser Welt leben. Da wird gerne mal zur vermeintlich einfachen Antwort gegriffen, da werden Fake News und anderes zur Wahrheit.
In einer solchen Welt ist eine freie, unabhängige, faktenbasierte Presselandschaft, solch eine Medienlandschaft extrem wichtig.
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Sie muss die Menschen überall auf der Welt in deren Sprache erreichen. Die Deutsche Welle leistet hier einen unersetzbaren Beitrag. Ich danke auch noch mal allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf der Welt.
Ich persönlich finde diesen Auftrag in der Gegenwart sogar wichtiger als das Vermitteln der deutschen Sprache, obwohl ich meine Sprache liebe. Es ist verdammt wichtig, starke mediale Antworten zu finden und die zu unterstützen, die für Freiheit und Selbstbestimmung kämpfen. Die Deutsche Welle wird im nächsten Jahr 70 Jahre alt und ist dabei immer jung geblieben. Helfen wir als Parlamentarier dabei, dass sie so bleibt.
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Ha, 26 Sekunden!
Vielen Dank. Nur keinen Druck bei der Redezeit. – Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren! Lieber Herr Limbourg, Sie haben das Wesentliche der Debatte, das Übermitteln des Dankes, und zwar nicht nur in vorweihnachtlicher Freude, sondern ganz ernst gemeint auch für die im ganzen Jahresverlauf geleistete Arbeit an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, und zwar an alle, nämlich feste und freie – Sie wissen, was ich meine –, mitzuteilen. Vielen herzlichen Dank an dieser Stelle auch von uns als Unionsfraktion!
Liebe Kollegen von der Ampel, ja, wir hatten uns fast gefreut, als wir im Koalitionsvertrag von Planungen für ein sehr ambitioniertes Aufwachsen der Deutschen Welle gelesen hatten. Die Aufgabenplanung, die für den Zeitraum von 2022 bis 2025 im Hinblick auf Reichweitenerweiterung, auf Dialog, auf den Ausbau der regionalen Kompetenzen, auf On-Demand-Programme vorgelegt worden ist, ist beeindruckend. Allein die Balance zu den Mitteln, die fehlt. Es ist nicht so, dass das jetzt überraschend kommt. Die gesetzten Aufgaben müssten anhand dessen, was Sie wollten, als Sie den Koalitionsvertrag formuliert hatten, eigentlich wesentlich höher sein.
Sie müssen vor allem höher sein, weil wir im Augenblick auf noch größere Schwierigkeiten treffen. Wir haben jetzt des Öfteren etwas zum Thema gehört, dem Reichweitenverlust aufgrund von Blockaden entgegenzutreten, Grenzen zu überwinden, neue technische Möglichkeiten zu nutzen. Das gibt es seltsamerweise auch für die Deutsche Welle nicht ganz umsonst. Deshalb muss man sagen: Es muss irgendwann mal ein Gleichlauf zwischen den Fragen „Was wollen und erwarten wir?“ und „Was soll und darf es dafür an Mitteln geben?“ bestehen. Dieser kleine Schluck aus der Pulle – das ist euphemistisch ausgedrückt –, der wird an dieser Stelle sicherlich nicht reichen.
Die Frau Staatsministerin hat sich immer auch als Kämpferin für die Deutsche Welle verstanden und versteht sich, glaube ich, heute noch so. Man muss nur sagen: Die Pressemitteilung zum Kultur- und Medienetat – sehr schön formuliert übrigens, muss man wirklich sagen; kann man lesen – besteht aus drei Seiten, aber kein einziges Mal geht es um die Deutsche Welle. Im vorweihnachtlichen Frieden, Frau Staatsministerin, wäre es nicht schlecht, bei nächster Gelegenheit auch mal deutlich zu machen, dass man das will. Für freie Meinungsbildung zu sorgen, heißt eben auch, das finanziell zu untermauern, indem man für die Aufgaben und Ziele, die man weltweit bewältigen und erreichen will, die entsprechenden Mittel bereitstellt. Ohne Mittel funktioniert dies nicht.
Ich will das an einem Beispiel deutlich machen. Wir waren alle der Meinung, dass ein ukrainisch-russisches Angebot – nicht nur sprachlich, sondern auch inhaltlich – als Information extrem wichtig ist. Allein bei der Verstetigung dieses Programmes, das, wie wir gelernt haben, aus Gründen der Zeitenwende notwendig ist, muss man fragen: Ist die Zeitenwende jetzt abgeblasen oder Ähnliches? Denn auch dieses Programm lässt sich mit den zur Verfügung gestellten Mitteln leider Gottes nicht so einfach verstetigen und ausbauen. Liebe Kollegen, man würde dem Thema Aufgabenplanung gern unterstützend beispringen; aber es bedarf eben dazu auch der Ernsthaftigkeit bei den Zahlen.
Für die Geschichtsbücher will ich noch sagen – weil Sie immer so gern die 16 Jahre bemühen –: Vielleicht erinnern sich die Herrschaften, die bei der rot-grünen Regierung dabei waren, noch daran, dass der Raubbau damals zu 700 Stellen weniger bei der Deutschen Welle geführt hat. Dann haben 16 Jahre mühsamste, kleinteilige Aufbauarbeiten ein Aufblühen, einen Aufwuchs ermöglicht, sodass wir jetzt da sind, wo wir sind. Ich will nicht sagen, dass Sie es nicht auf dem Schirm haben – das hat dieser Etat auch gezeigt –; aber es wird an dieser Stelle nicht reichen.
Nächstes Jahr feiern wir 70 Jahre Deutsche Welle. Das wäre das Jahr, in dem man dann den Worten auch Taten folgen lassen kann, indem man sagt: Wir haben es angekündigt, und jetzt, im Jahr 2023, ist es so weit. – Den Mitarbeitern der Deutschen Welle alles Gute! Ihnen alles Gute! – 42 Sekunden, Frau Präsidentin.
Vielen Dank.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist mir wirklich eine sehr große Freude, heute unseren Antrag zum Thema „Global Gateway“ einzubringen, und ich sage Ihnen auch, warum. Ich halte es für absolut notwendig, dass wir als Europäerinnen und Europäer unseren Way of Life verteidigen und uns aktiv und selbstbewusst in der Systemkonkurrenz gerade gegenüber China positionieren.
Wir von der CDU/CSU-Fraktion haben uns in den letzten Monaten immer wieder gefragt, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Ampel, ob Sie die Notwendigkeit, zu handeln, auch endlich sehen. Und ich muss wirklich sagen: Als ich am Montag ins „Handelsblatt“ geschaut habe, war ich – das möchte ich mal sagen – positiv überrascht. Da bringen wir unseren Antrag zu Global Gateway ein – in der letzten Woche haben wir ihn aufgesetzt –, und – zack! – wenige Tage vor der Debatte landet ein Geheimpapier von Ihnen dazu in der Presse. Endlich äußern Sie sich hier konkret und öffentlich; das ist wirklich ein wichtiger Prozess.
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Vielleicht darf man das vor Weihnachten auch einmal sagen: Das ist wirklich ein vernünftiger und demokratischer Prozess.
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Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, man darf auch noch Wünsche haben vor Weihnachten. Bitte – und das meine ich ernst – beschleunigen Sie Ihre Prozesse, wenn es um das wichtige Feld der Außen- und Sicherheitspolitik geht! Das ist uns wirklich ein ganz großes Anliegen.
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Wenn man mal zurückblickt: Sie haben sich wirklich Zeit gelassen. Schon vor über einem Jahr hat die Europäische Kommission die Initiative „Global Gateway“ vorgestellt. Ziel ist es hierbei, 300 Milliarden Euro an öffentlichen und privaten Geldern bereitzustellen und damit Europas Rolle bei der Weiterentwicklung der globalen Infrastruktur zu stärken. Das ist ein richtig guter Plan von der Europäischen Union.
Bisher – das muss ich hier niemandem groß erklären – dominiert China das Feld mit der Seidenstraßeninitiative; über 1 Billion US-Dollar sind schon investiert. Im Gegenzug sitzen chinesische Politkommissare in den wichtigen Häfen, zum Beispiel in Dschibuti. Diese Häfen werden dann über Straßen, die natürlich auch die Chinesen gebaut haben, mit Ressourcen aus dem Hinterland versorgt. Kurz gesagt: China hat es bereits lange geschafft, Infrastruktur global zu denken und daraus ganz klare Vorteile für sich zu ziehen.
Wo, liebe Kolleginnen und Kollegen, stehen wir in diesem Wettbewerb? Im Sommer dieses Jahres haben wir zu diesem Thema – wie es sich für die Opposition gehört – eine Kleine Anfrage gestellt. Wir hatten Sie unter anderem nach konkreten Projekten gefragt, die die Bundesregierung im Rahmen von Global Gateway unterstützen würde. Wir hatten gefragt, welche Projekte Sie aktiv einbringen wollen. Ihre Antwort darauf war damals wirklich – Sie können es nachlesen –: nichts. Es gab leere Phrasen, es gab Verweise aus Gesprächsrunden, aber wirklich konkrete Projekte oder eigene Initiativen: komplette Fehlanzeige.
Aber dafür gibt es ja uns. Immerhin: Sie scheinen daraus – das ist die frohe Botschaft vor Weihnachten – gelernt zu haben. Nachdem wir diese Kleine Anfrage gestellt und diese Plenardebatte nachgeschoben haben, bewegt sich endlich etwas. Es gibt endlich konkrete Vorschläge; das finden wir gut. Und es gibt auch einen Fokus auf Leuchtturmprojekte, damit nicht immer nur die 2, 3 Kilometer chinesische Autobahn im Vordergrund stehen. Da kann man zum Jahreswechsel feststellen: Der Druck aus der Opposition wirkt.
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Doch, liebe Kolleginnen und Kollegen, eine Schwalbe – oder ein Artikel im „Handelsblatt“ – macht natürlich noch keinen Sommer. Wir versprechen, an dem Thema dranzubleiben; uns ist das sehr, sehr wichtig. Bitte machen Sie entsprechend Druck in Brüssel, und setzen Sie die Projekte, die Sie jetzt angekündigt haben, um! In diesem Sinne: Frohe Weihnachten!
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Das Wort hat Nadja Sthamer für die SPD-Fraktion.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Debatten mit EU-Bezug werden von einigen Leuten ja nur dann geführt, wenn sie was zu meckern haben. Leider merkt man das bei uns im Hause auch immer wieder. Ich denke da besonders an die Fraktion, die hier ganz rechts sitzt.
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Deshalb freue ich mich heute umso mehr, dass wir zusammen eine EU-Initiative debattieren, deren Ansatz wir alle gemeinsam loben können. Denn Global Gateway steht ja im Grundsatz für etwas, was uns allen bewusst ist – wenn wir mal ganz ehrlich sind –: Wenn wir alle zusammen für unsere europäischen Interessen eintreten, haben wir Gewicht in der Welt, und wenn wir alle nur unser eigenes Süppchen kochen und darin schwimmen, dann eben nicht.
Wir sehen seit einiger Zeit, wie beispielsweise China – das hat die Kollegin gerade auch schon gesagt – massiv in den Ländern des Globalen Südens unterwegs ist und in seine geopolitischen Interessen investiert. Dabei wird den Ländern jedoch nicht auf Augenhöhe begegnet – ganz im Gegenteil. Sie werden in schädliche Abhängigkeiten gedrängt und ihrer Ressourcen beraubt. Menschenrechte und entwicklungspolitische Grundsätze werden dabei völlig übergangen.
In Ihrem Antrag schreiben Sie – das will ich hier lobend hervorheben –, man solle den „Partnerländern die Vorteile einer ... Kooperation mit liberalen Demokratien aufzeigen“. Aber was bedeutet das denn konkret? Für mich bedeutet das, einen respektvollen Umgang mit unseren Partnerinnen und Partnern vor Ort in den Ländern des Globalen Südens auf Augenhöhe und im Miteinander zu finden.
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Wir müssen die Bedürfnisse, die vor Ort geäußert werden, berücksichtigen und dann gemeinsam nachhaltige Ideen umsetzen.
Wenn ich mir jetzt aber Ihren Antrag anschaue, dann sehe ich, dass da viel von Investitionsmöglichkeiten und Abmilderung von Investitionsrisiken für deutsche Unternehmen zu lesen ist. Aber es geht doch hier nicht zuallererst darum, die deutsche Wirtschaft anzukurbeln und neue Absatzmärkte zu erschließen. Es sind doch gerade die kolonialen Abhängigkeiten und die wirtschaftliche Ausbeutung, die viele Länder des Globalen Südens überhaupt erst in diese Lage gebracht haben.
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Das müssen wir doch jetzt bitte nicht noch mit einem europäischen Update versehen.
Es geht um partnerschaftliche Zusammenarbeit, die in beiderseitigem Interesse ist. Es geht darum, die Verbindung zwischen EU und den Partnerländern zu vertiefen, und es geht darum, den Einfluss autoritärer Regime zurückzudrängen.
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Mir fehlt da vor allen Dingen ein Aspekt, liebe Union. Der vorliegende Antrag wurde ja unter Federführung Ihrer Entwicklungspolitiker verfasst. Was ist denn eigentlich mit den SDGs? Haben Sie die vergessen, oder waren die Ihnen einfach zu unwichtig, um sie zu erwähnen? Ich als Entwicklungspolitikerin finde jedenfalls, dass bei Global Gateway die SDGs in den fünf definierten Bereichen „Digitales“, „Klima und Energie“, „Transport“, „Gesundheit“ sowie „Bildung und Forschung“ immer mitbedacht werden müssen.
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Die EU-Kommission hat ihrerseits schon im Dezember 2021 versichert, dass Global Gateway vollständig auf die Agenda 2030 und auch auf das Klimaabkommen von Paris abgestimmt ist. Darauf müssen wir auch weiter beharren; das ist klar. Der Bundesregierung, insbesondere Bundesministerin Schulze, ist das sehr, sehr bewusst. Gemeinsam als Ampelkoalition setzen wir uns für eine zügige Umsetzung von Global Gateway ein.
Tatsächlich geht es bei Global Gateway ja bereits voran. Die ersten fünf Leuchtturmprojekte in Zentralasien, Lateinamerika und Afrika wurden schon in diesem September angekündigt. Die Bundesregierung bringt sich aktiv ein und arbeitet zusammen mit unseren Partnerinnen und Partnern in der EU daran, dass Global Gateway ein gemeinsamer Erfolg wird.
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Mir persönlich ist es aber auch wichtig, dass die EU-Kommission transparent agiert, was die Global-Gateway-Initiativen angeht. Den Aspekt Transparenz vermisse ich übrigens auch in Ihrem Antrag.
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Global-Gateway-Initiativen sollten eben nicht nur zwischen Rat und Kommission beschlossen werden; das Europäische Parlament muss hier mit einbezogen werden. Eine parlamentarische Kontrolle ist wichtig, wenn die EU gegenüber Partnerstaaten die Vorzüge von Zusammenarbeit mit Demokratien glaubhaft vermitteln möchte.
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Ich bin sicher: Die Bundesregierung wird sich dafür einsetzen, dass Global Gateway ein Erfolg wird. So wird die EU geostrategisch gestärkt, und gleichzeitig wird eine damit verbundene Entwicklungszusammenarbeit auf Augenhöhe und zum Nutzen unserer Partnerländer und der Menschen vor Ort umgesetzt.
Ich danke Ihnen für Ihre Vorschläge in dem Antrag, den wir aus den genannten Gründen ablehnen werden. Aber ich hoffe, dass Sie, genauso wie Sie uns auffordern, uns bei der EU starkzumachen, sich auch starkmachen; denn ich glaube, Sie haben da einen ganz guten Draht gerade zur Kommissionspräsidentin. Ich hoffe, dass Sie ihn auch weiterhin gut nutzen werden.
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Danke schön.
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Professor Harald Weyel hat jetzt das Wort für die AfD-Fraktion.
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Frau Präsidentin! Sehr geehrtes vorweihnachtliches Publikum! Es wurden ja hier jetzt schon Sachen gesagt, die gar nicht im Antrag drinstehen. Von wegen „die deutsche Wirtschaft“! Bei der Forderung 16 geht es um die Förderung von Projektausschreibungen für die mittelständischen Unternehmen. Dass die CDU/CSU damit deutsche Unternehmen gemeint haben könnte, muss da noch mal extra bestätigt werden.
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Davon steht auf jeden Fall nichts drin.
Dafür steht aber bei Punkt 11, dass bei Global Gateway auch genügend Mittel für eine Medienstrategie und Öffentlichkeitsarbeit bereitstehen, mit denen welche missratenen Projekte auch immer im Nachhinein offenbar schöngeredet werden sollen, so wie mit dem Anteil für Öffentlichkeitsarbeit im Budget der Europäischen Union.
Um was geht es denn eigentlich? Zwischen 2000 und 2018 haben allein afrikanische Staaten 150 Milliarden Dollar Schulden bei China aufgenommen. Es hat also schon vor der Belt and Road Initiative von 2013 erhebliche Investitionen gegeben. China verfolgt diesen Ansatz auch in Asien, Europa, Lateinamerika und im Pazifikraum. Stand Juli 2020 standen die afrikanischen Länder im Durchschnitt mit 22 Prozent ihrer Gesamtschulden bei China in der Kreide. Als weitere Hauptgläubiger kommen dann auch schon die Weltbank und der IWF, die multilateralen regionalen Entwicklungsbanken und schließlich Einzelstaaten und Privatinstitute.
Man fragt sich jetzt erst mal: Was machen die eigentlich? Was macht die Asiatische Entwicklungsbank? Was machen die Europäische Entwicklungsbank, die Entwicklungsbank für Osteuropa? Was macht die Afrikanische Entwicklungsbank etc.? Sie sehen hier: Das ist hochgradig redundant. Welches Praktikanten-Brainstorming hat dieses Papier gezeugt? Es ist eine einzige Redundanz. Es gibt die Gelder, es gibt die Initiativen anderer Leute, es gibt Aberdutzende eigene Institutionen, auch im EU-Rahmen, auch im internationalen Rahmen. Wieso machen Sie den deutschen Einfluss nicht in diesen Gremien von Weltbank über IWF, Entwicklungsbanken geltend, vielleicht sogar so, dass auch deutsche Unternehmen, sogar mittelständische Unternehmen was davon haben? Davon ist bei Ihnen nichts zu finden.
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So, nun will die nachweislich auch schon zu Hause nicht besonders lernfähige EU noch mal die Hälfte der 300 Milliarden Euro von 2021 bis 2027 nach Afrika transferieren – 150 Milliarden Euro! Man sieht auch hier: Die Chinesen sind Taktgeber. Da müssen wir 150 Milliarden Euro entgegensetzen. Die Amerikaner machen so was Ähnliches, die Japaner machen so was Ähnliches. Ich glaube, sogar Luxemburg und Liechtenstein machen auch so was Ähnliches. Das ist eine klassische Me-too-Geschichte, und es fehlt jede Kreativität und auch jeder Hinweis auf eine Lernkurve.
„Investieren“ kann man da vieles gar nicht nennen. Das ist eher eine zusätzliche Fehlinvestitionsrampe, zusätzlich zu allem UNO-Gemache und rund um die Dauerbrenner: Entwicklungshilfe, Klimareligion, Pariser Übereinkommen und untaugliche Erneuerbaren-Rettungsprojekte.
Ein Beispiel: Die Schwierigkeiten, die die Regierung oder die Bevölkerung in Sri Lanka haben, haben diese nicht, weil Chinesen dort den Hafenbau erfolgreich betreiben, sozusagen im altenglischen Stil mit 99 Jahren Pachtzeit und Kreditbesicherung etc., sondern Schwierigkeiten hat Sri Lanka, weil es unter anderem auf Brüsseler Spitzenberatung gesetzt hat und seine Landwirtschaft und Energiepolitik auf Klima- und Ökodogmatik umstellte – mit der Folge von Ertragseinbrüchen, Ernährungskrise und stets gesteigerter erneuerbarer Verschuldungsproblematik.
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Die Suizidhegemonialmacht EU aber will sich mit dieser Me-too-Politik zum Global Player aufspielen bei Dingen, die sie nicht mal regional schafft.
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Einen „Global Popanz“ nenne ich das doch eher. Allein in Osteuropa schafft man das nicht, im eigenen Vorhof, auch auf dem Balkan nicht. Da wurden keine Dinge positiv beeinflusst, nicht von Deutschland, nicht von der EU – alles too little, too late und auch nur im Gefolge anderer Leute.
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International werden westlicherseits ja bereits jährlich – nicht über einen Fünfjahreszeitraum; jährlich! – 150 Milliarden Dollar in die Entwicklungsgeschichte gepumpt, –
Sie kommen zum Ende, bitte.
– seit 2015 durch CO2-Planwirtschaft und Pariser Abkommen auch noch mal 100 Milliarden.
Sie kommen zum Ende, bitte.
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Und die 200 Teilnehmer freuen sich über zusätzliches Geld.
So, und vor diesem Hintergrund – –
Herr Kollege.
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Ich komme zum Ende.
Ihre Redezeit war bereits abgelaufen.
Deshalb müssen keine weiteren Geldschleudervehikel mehr her, –
Herr Kollege.
– sondern Sie müssen auf das, was bereits da ist, zurückgreifen.
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Ihre Redezeit ist abgelaufen gewesen.
Streichen Sie die Mittel! Ordnen Sie ein!
Ich wünsche allen eine vorweihnachtliche Umkehr und einen guten Start ins neue Jahr, –
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Herr Kollege, Ihre Redezeit ist bereits seit längerer Zeit abgelaufen.
– mit neuer Vernunft, meine Damen und Herren.
Danke, liebes Publikum. Frohe Weihnachten!
Ich muss Ihnen sonst das Mikrofon komplett abstellen.
Danke, Frau Präsidentin. Auch Ihnen noch mal ganz persönliche Weihnachtsgrüße, –
Ich bitte Sie, jetzt das Pult zu verlassen.
– protestantisch-lutherische Weihnachtsgrüße.
Danke schön.
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Ich bitte Sie, das Pult zu verlassen, Herr Kollege. – Die nächste Rednerin ist Kathrin Henneberger für Bündnis 90/Die Grünen.
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Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ja, wir brauchen globale Investitionen für eine sozial-ökologische Transformation. Allerdings sollte hier die Entwicklungszusammenarbeit auf partnerschaftlicher Augenhöhe im Vordergrund stehen. Das sind unsere Leitlinien, die Leitlinien der Bundesregierung. Leider finde ich diese nicht im Antrag der Union.
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Im Antrag der Union wird nicht die Einhaltung von Menschenrechten eingefordert, von Indigenenrechten, der Sustainable Development Goals oder des Paris Agreement. Eine Ausrichtung auf feministische Entwicklungspolitik bei der Umsetzung der Vorhaben wird ebenfalls nicht beachtet. Deshalb ist der Antrag leider in der Vergangenheit stecken geblieben und verpasst die Chance, zu zeigen, dass auch die Union die Wichtigkeit von gendersensibler Investition ernst nimmt.
Global Gateway soll aktuelle finanzielle Lücken für die Umsetzung von Entwicklungszielen schließen. Ein Problem ist jedoch, dass dadurch oft nur Investitionen in bereits stärkere Wirtschaftsregionen getätigt werden, wodurch die Länder, die Unterstützung am nötigsten haben, wenig bis gar nicht davon profitieren.
Außerdem besteht die Gefahr, dass man in den Bereichen „Bildung“ und „Gesundheitsvorsorge“ besonders auf private Investitionen setzt und öffentliche Einrichtungen privatisiert, die dadurch teurer werden und somit nicht mehr für alle Teile der Bevölkerung zugänglich sind.
Deshalb ist es wichtig, dass Investitionen immer in Einklang mit den Zielen für nachhaltige Entwicklung stehen und das Ziel haben, ein gutes Leben für alle Bevölkerungsgruppen zu ermöglichen.
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So soll die Initiative auch Transport- und Infrastrukturprojekte finanzieren, wie beispielsweise Autobahnausbau in Kenia und Liberia.
Ziel muss für uns aber sein, nicht nur unsere industrielle und überwiegend autofreundliche Infrastruktur in andere Länder zu transportieren, sondern Mobilität zu unterstützen, welche den Menschen vor Ort nützt, die gemeinwohlorientiert aufgestellt ist und außerdem Klima- und Umweltschutz einbezieht. Mobilität ist eine integrale Aufgabe von Stadt- und Raumplanung, und auch hier ist es eine feministische Mobilitätspolitik, die den Weg ebnet, um den Bedürfnissen aller Menschen gerecht zu werden.
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Damit die Initiative keinen neokolonialen Beigeschmack bekommt, ist es wichtig, auf eine gleichberechtigte Partnerschaft mit den Ländern zu setzen. Zudem muss Transparenz bei der Auswahl der Projekte hergestellt werden, sowie bei der Überwachung von Menschenrechten, Umweltschutz und Klimaschutz. Außerdem muss eine Konsultation mit der lokalen Bevölkerung erfolgen.
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Diese Punkte werden im Unionsantrag nicht ausreichend behandelt; sie sind aber Grundlage unserer Arbeit.
Vielen Dank.
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Für Die Linke hat das Wort der Kollege Alexander Ulrich.
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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor rund einem Jahr hat die Europäische Kommission dieses Programm vorgestellt. Wenn man jetzt nach einem Jahr ein erstes Zwischenfazit ziehen will, muss man schon sagen: Es ist kaum etwas passiert. – Das ist nicht nur ein Problem der deutschen Bundesregierung, sondern auch ein Problem der anderen EU-Länder, was darauf zurückschließen lässt, dass die Europäische Kommission offensichtlich ein Programm vorgestellt hat, das nicht schon mit den Mitgliedsländern upgedatet wurde, und das ist jetzt auch schwer nachzuholen. Die Enttäuschung ist schon riesengroß, dass da kaum was passiert. Man kann ja auch wirklich feststellen: Außer dass man große Sprüche klopft und eine Riesensumme ins Schaufenster stellt, ist noch nichts passiert. Mit dieser Geschwindigkeit werden wir dem, was andere Länder tun – China oder auch die USA –, nicht begegnen können.
Insoweit muss ich schon sagen: Es ist gut, dass die Union diesen Antrag heute hier einbringt. Ob jetzt das Geheimpapier, das an die Öffentlichkeit geraten ist, mit diesem Antrag zu tun hat, bezweifele ich zwar; aber dass man sich zumindest in der Bundesregierung so langsam mal auf den Weg macht, das eine oder andere zu diskutieren, ist schon mal ein guter Schritt.
Aber, Frau Leikert, das kann ich jetzt schon sagen: Es geht bei Global Gateway nicht darum, einfach nur geopolitische Strategien gegen China oder gegen die USA zu verfolgen. Wenn wir das zum Erfolg führen wollen, wenn wir die sozial-ökologische Transformation auch im Globalen Süden voranbringen wollen, dann geht das nur mit Win-win-Situationen,
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in denen diese Länder nicht das Gefühl haben, ausgebeutet zu werden, sondern Entwicklungsfortschritte machen. Bei dem, was Sie in Ihrem Papier beschreiben, geht es Ihnen doch um nichts anderes als darum, wirtschaftliche Interessen der deutschen Industrie zu vertreten.
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Darum soll es bei Global Gateway gerade nicht gehen. Wir werden die Herausforderungen so nicht beantworten können.
Ganz nebenbei: Ich glaube auch nicht, dass es bei den Partnerländern gut ankommt, wenn man immer nur gesagt bekommt: Wir brauchen eine europäische Antwort auf die Neue-Seidenstraße-Initiative. – Noch einmal: Diese Länder fragen nicht danach, ob wir eine liberale Demokratie sind und ob die Chinesen was anderes haben. Die fragen danach: Wer kann uns unterstützen, wer will mit uns partnerschaftlich zusammenarbeiten? Tut mir leid, da sind die Chinesen anscheinend ein bisschen schneller. In dieser Woche hat es einen Gipfel der USA mit afrikanischen Ländern gegeben. Auch da passiert mehr als in der Europäischen Union.
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Insoweit, glaube ich, sind wir viel zu langsam unterwegs und müssen da auch noch das eine oder andere nachholen.
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Im September gab es eine Studie von eurodad. Auch da wurde gesagt: Es geht hauptsächlich darum, private Investitionen zu erleichtern und europäische Wirtschaftsinteressen zu befördern. – Wenn dies das Hauptziel von Global Gateway ist, dann wird dieses Instrument scheitern, dann werden wir keine großen Fortschritte machen.
Deshalb: Die Linke sagt Ja zum sozial-ökologischen Umbau auch des Globalen Südens und dazu, dass die Europäische Union und auch die deutsche Bundesregierung eine Verantwortung haben, da mitzumachen. Aber es geht nur partnerschaftlich, auf Augenhöhe und klappt nicht, wenn wir den Eindruck hinterlassen, wir wollten diese Länder nur ausbeuten.
Vielen Dank.
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Till Mansmann hat jetzt das Wort für die FDP-Fraktion.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, Sie haben es ganz richtig geschrieben: Der globale Investitionsbedarf ist immens – 13 Billionen Euro, 13 000 Milliarden Euro, die wir bis 2040 global investieren müssen, wenn uns die Transformation gelingen soll. Daran muss auch die Europäische Union mitwirken, und das unterstützen wir. Deswegen sind ganz viele Punkte, die Sie in Ihrem Antrag haben, richtig. Aber ich sage Ihnen klipp und klar: Sie tragen da Eulen nach Athen. Sie fordern viele Sachen, an denen wir längst dran sind.
Ich beginne zum Beispiel mit der Forderung nach mehr internationalen Wirtschaftsabkommen. Wir haben gerade CETA verabschiedet.
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Wir sind in konstruktiven Gesprächen zu Mercosur. Dass wir mit den Vereinigten Staaten von Amerika im Moment schwierige Diskussionen haben, liegt nicht nur an uns; das liegt natürlich auch an der Struktur des Inflation Reduction Act, die etwas problematisch ist. Aber auch da sind wir jetzt in Gesprächen, und dies alles ist, was Sie in den letzten 16 Jahren nicht hinbekommen haben.
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Es stehen im Antrag aber auch andere Sachen, die durchaus richtig und wichtig sind. Sie sprechen auch von Rohstoffen. Das unterstreichen wir ganz eindeutig; das ist gut so.
Aber worum geht es eigentlich im Wesentlichen? Es geht nicht nur darum, dass wir uns im Vergleich zu den autoritären Regimen geostrategisch aufstellen, sondern eben auch darum, die Klimaziele global einzuhalten. Es geht also darum, das Energiesystem der Welt umzustellen. Was macht erneuerbare Energien transportabel, und was macht sie speicherbar? Das ist Wasserstoff. Und Sie legen uns einen Antrag auf mehr als drei Seiten mit 19 Punkten vor, in dem kein einziges Mal das Wort „Wasserstoff“ auftaucht.
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– Da steht aber nicht „Wasserstoff“ drin. Da sind drei Wasserstoffderivate genannt, oder?
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– Ja, Frau Leikert. – Es ist schon einfach erstaunlich, dass Sie das Zentrum nicht erfasst haben. Und es wundert Sie jetzt nicht, dass ich als Innovationsbeauftragter „Grüner Wasserstoff“ im Bundesministerium für Bildung und Forschung diesen Punkt hier mal ganz kurz erwähne.
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Ich bin übrigens auch froh, dass eine Sache in Ihrem Antrag nicht drinsteht. Das ist das, was Sie in der letzten Legislaturperiode meiner Ansicht nach die ganze Zeit auf ein wenig problematische Art und Weise gemacht haben, nämlich die Herstellung einer Verbindung zur Migration in einer etwas schiefen Form.
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Das ist jetzt weitgehend raus, das ist jetzt viel vernünftiger. Da haben Sie auch dazugelernt. Insofern ist das im Großen und Ganzen ein interessanter Antrag, über den wir im Ausschuss sehr gerne noch mal intensiv diskutieren.
Ich möchte zusammenfassen, worum es bei dem, was wir uns jetzt hier gemeinsam vorgenommen haben, im Wesentlichen geht. Da möchte ich unsere Außenministerin, Annalena Baerbock, zitieren, weil man manchmal ja richtige Sachen vor allen Dingen ganz unaufgeregt formulieren kann. Sie hat gesagt:
Im Systemwettbewerb genügt es nicht, gute Argumente für unser liberal-demokratisches Modell zu haben. Wir müssen anderen Ländern auch zeigen, dass wir als EU die besseren Angebote machen können – transparent, auf Augenhöhe, ohne Knebelverträge.
Genau das werden wir tun.
Vielen Dank.
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Tobias Winkler hat das Wort für die CDU/CSU-Fraktion.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag „Global Gateway der Europäischen Union zu einem Erfolg machen“ ist ein guter Antrag. Ich glaube, auch die Kollegen von der FDP, Herr Mansmann, müssen zugeben:
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Alles, was da drinsteht, kann man so stehen lassen. Wir hätten den Antrag heute direkt beschließen können.
Sie sagen: Wasserstoff fehlt darin. – Das haben wir, glaube ich, gerade schon ausgeräumt; es ist drin. Wir haben darin nicht die Global-Gateway-Strategie formuliert, sondern uns geht es darum, dass das, was in Brüssel beschlossen ist, jetzt auch zügig zur Umsetzung kommt. Das ist die Forderung, und das ist der Kern dieses Antrags. Sonst würden Sie noch viel mehr finden, was Sie da vielleicht vermissen.
Ich möchte auch darauf hinweisen, dass ein Erfolg des Global Gateway weit mehr ist als ein wirtschaftlicher Erfolg, weit mehr als das Sichern deutscher Industrieinteressen. Dabei geht es um unser Lebensmodell, so wie es Katja Leikert formuliert hat, das europäische Lebensmodell, das uns unterscheidet von anderen Wettbewerbern oder – wie im Falle von China oder Russland – von Rivalen, die, wie schon dargestellt, versuchen, ihr Modell in alle Welt zu exportieren.
Herr Ulrich, es ist nicht so, dass die Länder Verträge mit China eingehen, weil China schneller ist, oder dass die Länder nicht darauf schauen, was dahintersteckt, sondern sie haben kein anderes Angebot. Das ist es. Sie werden in diese Lage gezwungen. Deshalb ist es für uns als Europäische Union wichtig, diesen Ländern ein attraktives Angebot zu machen, damit sie sich entwickeln können.
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Wir müssen hier zusammenarbeiten. Da, muss ich sagen, wundert es mich schon, wenn auf der einen Seite der Wirtschaftsminister, wenn er nach Namibia reist und dort auch über Grüne Energie und Grünen Wasserstoff spricht, mit keinem einzigen Wort, weder in der Pressemitteilung noch während seines Besuchs, Global Gateway erwähnt, auf der anderen Seite die zuständige Kommissarin aber sagt: Grüner Wasserstoff in Namibia ist ein Leuchtturmprojekt des Global Gateway. – Hier passt also nichts zusammen. Es sind sogar zwei grüne Ministerien, die sich hier noch etwas besser absprechen müssen. Wenn wir Global Gateway ernst nehmen, dann muss die deutsche Regierung mit der Europäischen Kommission als Team Europe zusammenarbeiten und so auftreten in der Welt, dass man dort auch versteht: Das ist eine europäische Initiative.
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Global Gateway gibt auch die Chance, Vertrauen zurückzugewinnen, Vertrauen, das wir bei unseren europäischen Partnern in beeindruckender Weise innerhalb eines Jahres verloren haben, ob das im Osten ist, ob das im Westen ist, bei den kleineren Ländern. Da waren wir früher in Europa ein Garant. Dieses Vertrauen ist massiv beschädigt worden. Jetzt können wir zeigen, dass wir in dieser Initiative zusammenarbeiten und das verlorengegangene Vertrauen wiedergewinnen wollen.
Global Gateway ist nicht nur ein Instrument für die Menschen vor Ort, um ihnen in ihren Ländern ein besseres Leben zu ermöglichen. Es ist nicht nur ein Instrument, um die europäische Wirtschaft in der Welt ausbreiten zu können. Global Gateway ist auch ein Projekt, um verlorengegangenes Vertrauen zurückzugewinnen. Dafür setzen wir uns ein, und dafür hoffen wir bei der Bundesregierung Gehör und die entsprechende Unterstützung zu finden.
Herr Kollege.
Herzlichen Dank, auch dass um diese Uhrzeit noch so viele zuhören.
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Mitten am Tag, um diese Uhrzeit. – Das Wort hat der Kollege Jörg Nürnberger für die SPD-Fraktion.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Am Mittwoch dieser Woche haben wir hier im Bundestag mit Zustimmung der CDU/CSU-Fraktion einen von uns eingebrachten Antrag zur Unterstützung der Republik Moldau beschlossen. Das war eine gute Entscheidung.
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Das Beispiel der Republik Moldau, eines kleinen osteuropäischen Landes, zeigt ganz eindrücklich, worum es auch bei Global Gateway gehen muss: Wir müssen Staaten und Gesellschaften auf Augenhöhe Entwicklungsmöglichkeiten geben, die sie auf ihrem Weg zur Schaffung oder zur Stabilisierung einer freiheitlichen Demokratie unterstützen.
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Seit dem Zerfall der Sowjetunion schwankte die Republik Moldau zwischen einer Ausrichtung auf Russland und dem Weg zu einer westlichen Demokratie. Angesichts des Kriegs im Nachbarland Ukraine hat sich Moldau für unseren Weg entschieden. Wir unterstützen Moldau bereits heute dabei.
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Was in Europa für Länder wie Moldau, die Ukraine, Georgien oder den Westbalkan gilt, gilt umso mehr für die Staaten Lateinamerikas, Afrikas und Asiens. Autoritär geführte Staaten wie China und Russland versuchen, sich in den genannten Ländern langfristig Einfluss zu verschaffen. China hat – und das Projekt wurde öfters erwähnt – mit der Neuen Seidenstraße bereits Fakten geschaffen, die der Westen nicht ignorieren darf. Unsere gemeinsame Antwort darauf lautet: Initiative Global Gateway.
Der Antrag der CDU/CSU hält diesen Konsens zwischen den demokratischen Parteien hier im Haus richtig fest. Allerdings klingt an manchen Stellen im Antrag auch durch, dass sich die CDU/CSU-Fraktion sehr auf bestimmte Interessen ihr nahestehender Gruppen wie der Wirtschaftsverbände fokussiert, wenn hier der Staat zu erheblichen Teilen für Investitionsrisiken haften soll,
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aber der Antrag gleichzeitig gar kein einziges Wort darüber verliert, dass bei solchen Investitionen auch die Rechte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gewahrt werden müssen.
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Als bayerischer Abgeordneter erlaube ich mir noch eine Anmerkung zum Punkt 12. Der enthält nämlich die Formulierung, dass gezielt auf öffentlichkeitswirksame Leuchtturmprojekte gesetzt werden muss. Da spricht einiges für die Vermutung, dass der Autor dieses Punktes enge Verbindungen zur Bayerischen Staatskanzlei hat. Wir haben nämlich in Bayern in der Landesentwicklung in den letzten Jahren trotz der 10‑H-Regelung bereits eine derart unübersichtliche Anzahl von Leuchttürmen gebaut, dass man in Bayern eigentlich noch mehr Seen bräuchte, um die ganzen Leuchttürme unterzubringen.
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Hätte man in Bayern mal lieber mehr Windräder gebaut als Leuchttürme, wäre das sinnvoller gewesen. Es geht nämlich auch bei der Initiative Global Gateway nicht um Symbolik, sondern um Vernetzung und Nachhaltigkeit. Hierin besteht der Mehrwert für unsere Partnerstaaten außerhalb der EU.
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Dem trägt der Antrag der CDU/CSU nicht ausreichend Rechnung. Es besteht Beratungsbedarf. Wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten und als Teil der Ampelkoalition wünschen uns auch mehr Tempo von der EU-Kommission bei der Umsetzung. Wir werden in jedem Fall alles daransetzen, dass diese Initiative ein Erfolg wird, und unterstützen daher die Bundesregierung bei ihrer Arbeit mit der Kommission, um die ersten bereits ausgewählten konkreten Projekte zu verwirklichen.
Ihnen allen frohe Weihnachtstage! Und vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
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Dr. Anton Hofreiter hat das Wort für Bündnis 90/Die Grünen.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, das Beste, was man über den Antrag sagen kann, ist, dass es eine Gelegenheit ist, über das wichtige Thema „Global Gateway der Europäischen Union“ zu sprechen. Sonst – schauen Sie sich den Antrag noch mal an – wirkt halt manches doch arg aus der Zeit gefallen. Ich glaube, so nicht ganz unwichtige Dinge wie Klimaschutz kommen bei Ihnen gar nicht vor.
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Aber das kann ja, wie gesagt, alles noch besser werden.
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Der entscheidende Punkt ist allerdings, dass die Europäische Union endlich eine solche Strategie hat; denn wir als Europäer haben über viele Jahre zu lange gewartet, haben zum Teil mit großen Augen zugeschaut, was China weltweit treibt, und haben es sogar bei Ländern bei uns in der Nachbarschaft, wie zum Beispiel Montenegro, zugelassen, dass sie sich in die Schuldenfalle von China begeben. Jetzt braucht es dringend eine Alternative dazu. Diese Alternative ist Global Gateway, und deshalb bin ich sehr froh, dass die EU-Kommission das auf den Weg gebracht hat.
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Jetzt ist davon die Rede, dass es ein Geheimpapier der Bundesregierung gibt. Man kann durchaus manchmal etwas Kritisches zur Bundesregierung sagen; aber das ist kein Geheimpapier, sondern die Bundesregierung macht schlichtweg ihren Job
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und hat deshalb gegenüber der EU-Kommission das gemacht, was Exekutive macht: in dem Zusammenhang nämlich klargemacht, was aus Sicht der Bundesregierung Projekte sind, die schnell umzusetzen sind, die man jetzt angehen muss und die die EU-Kommission jetzt angehen sollte mit deutscher Unterstützung. Das ist das sogenannte Geheimpapier. Das ist das, was man von einer Bundesregierung erwarten kann, die verstanden hat, dass China ein systemischer Rivale ist. Deshalb kann man schlichtweg nur loben, dass das zum Glück passiert ist.
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Wenn man auf die EU-Kommission blickt, muss man allerdings schon sagen: Da muss deutlich mehr passieren. Das Konzept ist gut. Die EU-Kommission gibt sich auch Mühe, aber sie ist halt ganz arg zerstritten in ihrer eigenen Bürokratie: Auf der einen Seite versucht die Entwicklungsabteilung der EU-Kommission, das Ganze allein für sich zu reklamieren. Auf der anderen Seite möchte die Präsidentin, dass es eine geostrategische Komponente bekommt, und so geht halt viel zu wenig voran.
Deshalb ist es richtig, dass wir vom Parlament aus Druck machen. Ja, es ist wichtig, dass das entwicklungspolitisch sauber läuft, aber es ist auch wichtig, dass wir die geopolitische Komponente erkennen, die dahintersteckt: China hat viel zu viele Länder in seine Abhängigkeit gebracht, und es ist de facto eine Diktatur geworden.
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Deshalb müssen wir diesen Ländern von demokratischer Seite ein Angebot machen. Wir haben in der Auseinandersetzung um den Ukrainekrieg gesehen, wie viele Länder unsicher sind, auf welcher Seite sie sich positionieren sollten, und all diesen Ländern müssen wir ein vernünftiges Angebot machen. Das kann Global Gateway sein, und da müssen wir noch deutlich mehr tun, dass es das am Ende auch wird.
Vielen Dank.
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Frank Müller-Rosentritt hat das Wort für die FDP-Fraktion.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Diejenigen, die glaubten, dass die Freiheit und die offene Gesellschaft automatisch die Geschichte auf ihrer Seite haben, werden durch das Regierungshandeln der Kommunistischen Partei Chinas seit Jahren eines Besseren belehrt. Der größte Feind der offenen Gesellschaft ist in diesen Tagen die Kommunistische Partei Chinas, nicht nur für die Gesellschaft in China selbst, sondern auch für zahlreiche Länder auf der Welt, denen die Kommunisten unter dem Deckmantel der chinesischen Weisheit auf charmante Art den eiskalten Atem der Unfreiheit einhauchen.
Mit der Belt and Road Initiative, Xi Jinpings wichtigstem außenwirtschaftlichem Projekt,
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schafft China seit mehr als zehn Jahren in 140 Ländern ein System von Abhängigkeiten, getreu dem Motto: „Loan-to-own“. Während China mit der BRI seit Jahren Tatsachen schafft, blieben unsere Antworten – da haben alle hier recht – viel zu lange viel zu vage. Während wir noch über die richtige Balance zwischen den drei Dimensionen – Partner, systemischer Rivale oder wirtschaftlicher Konkurrent – diskutieren, hat die KPCh diese Frage schon vor Jahren glasklar beantwortet: Für sie geht die größte Bedrohung von der offenen Gesellschaft des globalen Westens aus. – Auf meinen Reisen in den ASEAN-Staaten ist die am meisten gestellte Frage an mich: Wo ist Deutschland? Wir wollen nicht auf China angewiesen sein.
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Wie können wir mit Deutschland und Europa mehr zusammenarbeiten?
Das zeigt doch eindrucksvoll, dass die Länder ganz stark auf ein starkes Engagement Deutschlands und der EU warten. Unsere Partner brauchen verlässliche Alternativen zu Xis ausbeuterischer BRI. Deshalb ist es absolut richtig und wichtig, dass die EU mit ihrem Global-Gateway-Programm unseren Partnern eine demokratische und vor allem rechtsstaatliche Alternative anbietet. Während allerdings China bis 2027 weltweit 1,3 Billionen Dollar für die Belt and Road Initiative ausgeben will, planen wir nicht mal ein Viertel davon.
Doch neben den dringend notwendigen Mehrgeldern für Global Gateway braucht es vor allem – und da gebe ich euch zu hundert Prozent recht – viel mehr Geschwindigkeit. Jetzt muss endlich Fahrt aufgenommen werden. Deshalb war es richtig und wichtig, dass die Bundesregierung nun konkrete Investitionsvorschläge an die Kommission gemacht hat. Nun muss die Kommission aber auch liefern. Da habt ihr herausragende Kontakte. Wir brauchen ein extremes Feuerwerk der Diplomatie in den ASEAN-Ländern, in Afrika, damit Global Gateway wirklich ein Erfolg wird. Die offene Gesellschaft und die Freiheit weltweit werden es uns danken.
Vielen Dank. Und fröhliche Weihnachten!
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Volkmar Klein hat das Wort für die CDU/CSU-Fraktion.
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Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gegen Ende der Debatte kann man jedenfalls schon mal feststellen: Unser Antrag hat sein Ziel erreicht. Der herannahende Termin hat Bewegung und Aktivität ausgelöst. Und das war lange ganz anders, weil – wir haben es schon gehört – als Antwort auf unsere Kleine Anfrage dazu noch vor wenigen Wochen überhaupt nichts zu vermelden war. Aber offensichtlich waren diese Anfrage und der jetzige Termin ein Weckruf.
Lieber Kollege Hofreiter, wir kritisieren doch nicht, dass die Regierung jetzt etwas tut. Wir stellen allerdings etwas amüsiert die Frage: Wieso weiß das „Handelsblatt“, das selber von einer „geheimen Liste“ spricht, jetzt Bescheid, obwohl das Parlament von der Regierung bisher noch nicht informiert worden ist?
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Aber das liegt ja quasi auf einer Linie damit, dass auch noch nicht alle Minister informiert worden sind, sonst hätte ja der oft gelobte Minister Habeck bei seiner Namibia-Reise davon gewusst. Aber selbst vor einem Minister ist das geheim gehalten worden. Und das eine passt eben mit dem anderen nicht zusammen.
Wir müssen aber mehr Erfolg haben. Es wurde mehrfach gesagt, wir würden hier deutsche Interessen in den Mittelpunkt stellen. Das muss aber von Leuten gesagt worden sein, die den Antrag gar nicht gelesen haben. Unter Punkt 8 steht – vielleicht hat man dafür noch Zeit –, dass sich Initiativen „partnerschaftlich an gemeinsamen Werten und der nachhaltigen Entwicklung“ orientieren müssen; das steht alles dadrin. Und an anderer Stelle – es wurde hier ja auch noch verlautet, Klima hätte keine Rolle gespielt – steht: Wir brauchen nachhaltige, inklusive, klimaresistente und hochwertige Infrastrukturinvestitionen. – Das wird von afrikanischer Seite auch überall verlangt. Ich habe letzte Woche noch mit der ghanaischen Außenministerin reden können. Sie betont: Wir brauchen – mehr als alles andere – mehr Investitionen, um eine sich selbst tragende Entwicklung anzustoßen.
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Wenn wir dann feststellen, dass wir im Vergleich zu China bisher weniger Angebote machen können, weil es kein Level Playing Field gibt, weil die Chinesen mit dieser Verwobenheit von Privatem und Staatlichem ganz andere Angebote machen können, dann brauchen wir Global Gateway ganz dringend, auch aus strategischen Überlegungen heraus.
Jetzt wird es so sein, dass Sie diesen Antrag ablehnen. Uns ist das Papier aber nicht so wichtig.
Herr Kollege.
Uns geht es darum, dass mit Leben erfüllt wird, –
Herr Kollege.
– was wir dort aufgeschrieben haben.
Herr Kollege.
Vielleicht können Sie uns nächstes Jahr Weihnachten rückblickend herzlich für diese Initiative danken.
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Herr Kollege, über nächstes Jahr müssen wir später sprechen, weil Ihre Redezeit zu Ende ist.
Ich wünsche Ihnen jetzt frohe und gesegnete Weihnachten.
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Immer diese Weihnachtsgrüße, wenn die Redezeit so weit fortgeschritten ist. Es ist immer schade, dass ich dann reinquatschen muss.
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Das Wort hat Kevin Leiser für die SPD-Fraktion.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger! Wenn sich China verändert, muss sich auch unser Umgang mit diesem Land verändern. Gefragt sind Augenmaß und Pragmatismus. China ist und bleibt ein wichtiger Partner. Aufgrund der Systemkonkurrenz dürfen wir China aber auch in der Entwicklungszusammenarbeit nicht das Feld überlassen.
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China hat sich inzwischen zum größten Geber der Süd-Süd-Kooperation und zum Dreieckskooperationspartner gewandelt. Mit der Neuen Seidenstraße fördert China aber Projekte, die vordringlich im eigenen Interesse liegen. Die Global Gateway Initiative der Europäischen Union ist hierzu ein wichtiges Gegengewicht. Sie zeigt, dass Entwicklungszusammenarbeit in einer regelbasierten internationalen Ordnung auch ohne Knebelverträge und einseitige Abhängigkeiten möglich ist.
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Denn im Kontrast zur Neuen Seidenstraße bieten wir – wie Kollegin Sthamer angemerkt hatte – eine Kooperation auf Augenhöhe.
Insbesondere der Themenkomplex Digitalisierung und die dazugehörige Infrastruktur dürfen nicht zu kurz kommen. Die Verbindung zu und der sichere, schnelle Informationsaustausch mit unseren Partnern im Globalen Süden ist wichtig. Wir müssen dafür sorgen, dass unsere Partnerländer nicht in separate Wirtschafts- oder Technologiesphären gezwängt werden.
Ich bin Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze sehr dankbar, dass sie die Digitalpolitik des BMZ neu ausrichtet. Für uns als Fortschrittskoalition ist das Internet – anders als für Altkanzlerin Merkel und CDU/CSU – kein Neuland. Wir denken Entwicklungspolitik und Digitalpolitik zusammen.
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Bundeskanzler Olaf Scholz hat in seiner Regierungserklärung hervorgehoben, dass wir uns global mit der Europäischen Union für eine regelbasierte internationale Ordnung starkmachen. Diesem Ziel dient auch das Engagement unserer Fortschrittskoalition zur zügigen Umsetzung der Global Gateway Initiative. In deren Rahmen betten wir die deutsche Entwicklungszusammenarbeit in eine europäische Entwicklungszusammenarbeit ein.
Der vorliegende Antrag zeigt jedoch die übliche Herangehensweise der CDU/CSU. Es werden Allgemeinplätze wiederholt, konkrete Vorschläge sucht man vergeblich. Der Antrag beinhaltet auch keine Bezüge zu relevanten Schwerpunkten unserer Entwicklungspolitik. Der Antrag bietet keinen konstruktiven Mehrwert.
Frau Leikert sprach eingangs von Weihnachtswünschen. Als letzter Redner in dieser Debatte habe ich auch einen Weihnachtswunsch dabei: Ich wünsche mir zu Weihnachten, dass die CDU/CSU im kommenden Jahr endlich ihre Rolle als glaubhafte, konstruktive
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und staatstragende Opposition findet. Wir brauchen sie in unserer lebhaften und wehrhaften Demokratie.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Über 60 Millionen Menschen in Deutschland haben sich im Vertrauen darauf, dass es nur ein kleiner Piks ist, wie es die Regierung versprochen hat, impfen lassen.
Diese 60 Millionen Menschen waren davon ausgegangen, dass die Regierung alles unternimmt, um ihre Gesundheit zu schützen, dass sämtliche zur Verfügung stehende Daten zeitnah ausgewertet werden und dass sie im Fall eines Impfschadens schnell und unbürokratisch Hilfe bekommen. All das ist nicht geschehen – ganz im Gegenteil: In dieser Woche wurde jedem öffentlich vorgeführt, wie desolat der Umgang öffentlicher Stellen mit den Coronaimpfstoffen ist.
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung behauptet, sie wisse, dass es eine Übersterblichkeit gebe, habe aber keine Ahnung, woher die Übersterblichkeit komme, und man möge bitte nicht darüber spekulieren, aber einen Zusammenhang mit der Impfung könne sie kategorisch ausschließen. Das ist dieselbe KBV, die entgegen ihrem gesetzlichen Auftrag seit zwei Jahren nicht in der Lage ist, ihre Daten an das Robert-Koch-Institut und das Paul-Ehrlich-Institut weiterzuleiten – angeblich wegen einer fehlenden Schnittstelle. Selbst vor 100 Jahren wurden Informationen schneller übermittelt.
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Offensichtlich ist der Bundesregierung sowohl der Schutz der Bevölkerung als auch ihr gesetzlicher Auftrag völlig egal. Die Bundesregierung gab zwar in zwei Jahren über 100 Milliarden Euro im Gesundheitsbereich aus. Für Impfstoffe, Masken und Werbung war Geld in nahezu unbegrenzter Höhe vorhanden. Ein paar Tausend Euro auszugeben, damit sich ein Programmierer ein paar Tage hinsetzt, um eine popelige Schnittstelle zum Datenimport zu programmieren, dazu war die Bundesregierung hingegen nicht bereit.
Dass bis heute der klare gesetzliche Auftrag aus § 13 Absatz 5 Infektionsschutzgesetz zur regelmäßigen Übergabe und Analyse der Daten ignoriert wird, lässt nur einen Schluss zu: Herr Lauterbach hat mehr Angst vor den Daten zu möglichen Impfnebenwirkungen als vor Corona selbst. Das sieht man auch wunderbar daran, dass er sich als Gesundheitsminister heute vor dieser wichtigen Debatte drückt.
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Die Daten der KBV, die so widerwillig herausgegeben wurden, dass ich sie erst auf mehrfaches Drängen überhaupt bekommen habe, zeigen diverse deutliche Risikosignale. Während andere Todesursachen von 2016 bis 2022 relativ konstant sind, explodieren Todesursachen wie „Sonstiger plötzlicher Tod unbekannter Ursache“ im Jahr 2021 auf das Zehnfache. Die Zahl der Impfreaktionen und Impfnebenwirkungen ist im Jahr 2021 gar auf das 30-Fache gegenüber jedem der Vorjahre angestiegen.
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Die Zahl einer ganzen Reihe schwerer Erkrankungen wie verschiedene Krebsarten oder Herzmuskelentzündung ist 2021 ebenfalls deutlich angestiegen. Neben den Daten der KBV sagt der berühmte Pathologieprofessor Schirmacher, dass Obduktionen von bis zu zwei Wochen nach der Impfung Verstorbenen gezeigt haben, dass bei 30 bis 40 Prozent die Impfung die Todesursache war.
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Das alles ist nichts, was man auf die leichte Schulter nehmen sollte.
Wir sagen weder, dass die massive Zunahme von Herzmuskelentzündungen, noch, dass die unerklärte Übersterblichkeit dieses Jahr oder die Steigerung von unerwarteten Todesfällen eindeutig auf die Impfung zurückzuführen ist.
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Aber wir sagen, dass das deutliche Risikosignale sind, denen sämtliche offiziellen Stellen umgehend ergebnisoffen nachgehen müssen.
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Wir brauchen endlich Aufklärung.
Ich habe diese Woche Daten der KBV an alle Abgeordneten geschickt. Kollegen von der SPD haben sie mir postwendend zurückgeschickt. Das zeigt: Sie wollen sich gar nicht damit befassen.
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Es ist beschämend, wie Sie, die bedenkenlos eine Impfpflicht forderten, die Augen vor möglichen Impfnebenwirkungen verschließen.
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Und es schockiert mich, wie seitens der offiziellen Stellen mit den Risikosignalen umgegangen wird. Anstatt ergebnisoffen die Daten zu analysieren, übertreffen sich die offiziellen Stellen gegenseitig in Verschleierungstaktik.
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Daher freut es mich sehr, dass Herr Sorge von der Union diese Woche erklärt hat, dass Impfnebenwirkungen ernst zu nehmen sind. Herr Kubicki von der FDP ging sogar noch weiter und forderte Obduktionen.
Ich möchte an dieser Stelle daran erinnern, dass FDP, Union und AfD zusammen im Bundestag eine Mehrheit haben.
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Zeigen Sie von der FDP, zeigen Sie von der Union, dass Ihre Worte nicht nur leere Worthülsen sind, sondern sorgen Sie gemeinsam mit uns dafür, dass den Ursachen für den Anstieg verschiedener schwerer Erkrankungen und für die Übersterblichkeit endlich nachgegangen wird!
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Sorgen wir gemeinsam dafür, dass Impfnebenwirkungen und Impfgeschädigte endlich ernst genommen werden! Wir können das gemeinsam. Die Unterstützung der AfD ist Ihnen an dieser Stelle sicher.
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Das Wort hat Matthias Mieves für die SPD-Fraktion.
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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen! Die AfD versucht schon die ganze Woche, einen Zusammenhang zu konstruieren zwischen Impfung und Todesfällen.
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Allerdings entbehrt diese Konstruktion, diese Herleitung jeglicher Grundlage.
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Die AfD macht das, was sie immer tut: Sie verbreitet Fake News,
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und sie schadet damit den Menschen in Deutschland.
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Die Zahlen, auf die sich die AfD beruft, gibt es wirklich. Allerdings sind sie nicht aussagekräftig für das Thema, das wir heute behandeln. Im Übrigen: Genau dieses Thema hat unser Minister Karl Lauterbach vor zwei Tagen im Gesundheitsausschuss aufgeklärt. Er war mit allen Zahlen, Daten und Fakten vor Ort, hat uns Rede und Antwort gestanden, und ich danke ihm ausdrücklich dafür, dass er seine Zeit in diesem Moment nicht in diesem Saal verschwendet,
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sondern dass er das tut, wofür er bezahlt wird, nämlich für die Gesundheit der Menschen in Deutschland zu sorgen. Und das tut er hervorragend.
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Jetzt wollen wir aber trotzdem auch an dieser Stelle noch einmal aufklären, was die sogenannten Datenexperten hier auf der rechten Seite eigentlich gemacht haben.
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Grundsätzlich ist es so, dass man sich, wenn man eine Stichprobe zusammenstellt, allein durch die Konstruktion der Stichprobe Ergebnisse schaffen kann, wie man sie sich wünscht.
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Ein Beispiel: Schauen wir uns einmal diesen Saal an, und nehmen wir die Menschen, die sich aktuell in diesem Saal befinden, als Stichprobe. Wenn ich jetzt auswerten will, auf welche Berufsfelder sich diese Menschen verteilen, dann prophezeie ich Ihnen, dass ein übergroßer Anteil der Menschen in diesem Raum
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Bundestagsabgeordnete sind und damit einen höheren Anteil abbilden als im Durchschnitt der Bevölkerung. Überraschend, oder?
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Jetzt kommen wir zu dem, was auf der rechten Seite gemacht wird. Die Datengrundlage, die die AfD nutzt, bezieht sich auf eine Stichprobe, die alle Menschen umfasst, die im Jahr 2021 bei einem Arzt oder einer Ärztin waren. Um diese Menschen geht es. Dann wurde sich angeschaut, wie viele von diesen Menschen im Jahr 2021 gestorben sind, also in dem Jahr, in dem sie beim Arzt waren. Was die AfD dann auch noch ausgewertet hat, ist, wie viele Menschen von denen, die 2021 beim Arzt waren, im Jahr vorher, im Jahr 2020, gestorben sind.
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Was glauben Sie? Wie viele Menschen sind im Jahr 2020 gestorben? Wir gucken uns da nur die Menschen an, die ein Jahr später noch beim Arzt waren.
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Die Auswertung der AfD ergibt: Es waren 18 pro Tag. Also: 18 Menschen pro Tag sind ein Jahr vorher gestorben – bevor sie zum Arzt gegangen sind.
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Jetzt müssen wir mal ganz kurz überlegen; ich bitte um Konzentration.
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Es gibt zwei mögliche Erklärungen dafür:
Die erste Erklärung ist, dass Menschen, die gestorben sind, ein Jahr später wieder leben und zum Arzt gehen können. Solche Fälle sind mir allerdings aus dem Jahr 2020 nicht bekannt. Ich kenne einen übermittelten Fall.
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Der liegt allerdings schon gut 2 000 Jahre zurück. Weitere belegte Fälle sind mir nicht bekannt.
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Die zweite mögliche Erklärung ist, dass Fehler im Datensatz vorhanden sind. Und das ist der Fall. Wie findet man das heraus? Ich habe diese Woche noch einmal intensiv mit dem Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung gesprochen;
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dort kommen nämlich die Zahlen her. Die Menschen, die diese Daten erhoben haben, haben selbst gesagt: Leute, passt bitte auf! Da sind Fehler drin. – Es gibt sogar eine plausible Erklärung dafür. Es sind nämlich Eingabefehler.
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Es werden jährlich Hunderte Millionen Codes eingetippt – oft in großer Eile, oft unter sehr großem Druck in den Praxen. Bei Hunderten Millionen Eingaben passieren auch Fehler,
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und die führen dazu, dass einzelne Daten in diesem Datensatz fehlerhaft sind. Das ist eine ganz einfache Erklärung.
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Wer sich einmal zwei Minuten Zeit nimmt, das herauszufinden,
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findet es auch heraus.
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Ich liebe Daten. Der Minister liebt Daten. Wir arbeiten mit Daten. Man muss sie allerdings auch einen Tick richtig interpretieren.
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In diesem Sinne gebe ich Ihnen mit auf den Weg: Denken Sie daran: Die Geschenke, die Sie dieses Jahr bekommen, bekommen Sie dieses Jahr.
Ich wünsche schöne Feiertage. Bis bald!
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Vielen Dank, lieber Herr Kollege Mieves. Sehr beeindruckend, wie Sie es geschafft haben, kurz vor Weihnachten den Blick gen Ostern zu richten.
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Das wird nicht in jedem Gottesdienst gelingen, befürchte ich.
Stephan Pilsinger hat das Wort für die CDU/CSU-Fraktion.
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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! „Die falschen Horrorzahlen der AfD“ titelt „Die Welt“ am 15. Dezember über die Pressekonferenz des AfD-Kollegen Martin Sichert vom 12. Dezember. „Corona-Impfung: Kein Anstieg von Todesfällen abzuleiten“, resümiert aktuell die „FAZ“. „Plötzliche Todesfälle: Warum die AfD-Darstellung laut Fachleuten haltlos ist“ erklärt das Onlinemagazin „Telepolis“ vom 14. Dezember.
Erneut glaubt die AfD, einen investigativen Coup zu landen und ihren unerklärlichen Hass auf die Coronaimpfung in eine Impfskepsis der Bevölkerung ummünzen zu können. Dass Sie dabei stets seriöse Daten seriöser Institutionen missbrauchen wollen, ist eine absolute Unverfrorenheit.
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So nutzen Sie in diesem Fall Abrechnungsdaten der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, die Sie für Ihre Spielchen missbrauchen wollen. Dabei haben die KBV,
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selbst das ihr angeschlossene Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung und andere echte Experten schnell und klar feststellen können, dass Sie wohl bewusst eine falsche Kausalität zwischen den Coronaimpfungen und angeblich exorbitant gestiegenen Todesfällen herstellen wollten.
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So kann es unter anderem gar keinen punktuellen Anstieg von vermeintlich plötzlich verstorbenen Impftoten um mehr als 1 000 Prozent in den Jahren 2021 und 2022 gegeben haben. Das ist eigentlich völlig logisch, da die Impfungen ja nicht zu einem einzigen Zeitpunkt bundesweit gleichzeitig allen Bundesbürgern verabreicht worden sind, sondern bekanntermaßen schrittweise. Wenn die behauptete Kausalität stimmen würde, hätte der Anstieg von unerwartet verstorbenen Geimpften konstant nach oben gehen müssen.
Schließlich muss man auch wissen, dass die von den Ärzten herangezogenen Diagnosecodes nicht unterscheiden zwischen verstorbenen Patienten, die geimpft waren, und solchen, die nicht geimpft waren.
Alles in allem kommt das Zi zum Ergebnis: Die Aufregung um eine möglicherweise gestiegene Zahl von Todesfällen im Jahr 2021 entbehrt jeglicher Grundlage. – Die KBV kommt auch zu dem Schluss: Aufgrund der von der KBV an die AfD übermittelten Abrechnungsdaten lassen sich keine Kausalzusammenhänge zwischen Covid-19-Schutzimpfung und Todesfällen herstellen.
Statt sich jetzt demütig zurückzuziehen und einfach mal die Klappe zu halten, sind Sie dennoch so unverfroren, heute, am Nachmittag des letzten Sitzungstages vor der Weihnachtspause, eine Aktuelle Stunde zu diesen queren Verwirrungen anzuberaumen. Viele Menschen fragen sich da: Haben Sie eigentlich noch alle Tassen im Schrank?
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Uns als Union ist bewusst, dass es durchaus nicht wenige Fälle von Long-Covid- und von Post-Vac-Patienten gibt. Diese oft noch jungen Menschen, die stark geschwächt sind und ihren Alltag oft nicht mehr bewältigen können, müssen ernst genommen werden.
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Das sind keine queren AfD-Spinner, sondern Patienten, die unser Mitgefühl und unsere Hilfe brauchen.
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Die Politik steht in der Pflicht, die Forschung rund um die Problematik Long Covid und Post Vac vehement voranzubringen und entsprechende Mittel für Therapiemöglichkeiten zu beschaffen. Diesen Bereich im Rahmen des Bundeshaushalts 2023 mit nur 21,5 Millionen Euro für reine Beratungsleistungen für Betroffene abzuspeisen, ist ein Schlag ins Gesicht der Betroffenen.
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Wir als Unionsfraktion nehmen die Betroffenen ernst, stehen mit ihnen im direkten Dialog und machen Druck auf die Bundesregierung, hier endlich mehr zu tun, um das Leiden der Patienten zu minimieren.
Werte Kolleginnen und Kollegen der AfD, da Sie sich eher mit altgermanischen als mit christlichen Bräuchen auskennen, habe ich für die anstehende Weihnachtszeit einen Tipp für Sie: Wie Sie sicherlich wissen, ist am 21. Dezember das Fest der Wintersonnenwende, das Fest der aufgehenden Sonne. Nutzen Sie dieses Fest für einen Neuanfang, für klügere Anträge und Initiativen, damit wir Sie zukünftig zumindest inhaltlich ernster nehmen können!
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich wünsche Ihnen nun ein gesegnetes Weihnachtsfest und einen guten Rutsch ins neue Jahr.
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Vielen Dank für die gute Zusammenarbeit.
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Dr. Janosch Dahmen hat das Wort für Bündnis 90/Die Grünen.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Sehr geehrte Damen und Herren als Zuschauer! Meine beiden Vorredner haben schon sehr eloquent vorgetragen, warum diese Aktuelle Stunde in der Form und im Inhalt eine Zumutung für alle Menschen in diesem Land ist.
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Sie ist eine besonders große Zumutung für alle Menschen im Gesundheitswesen, die aktuell aufgrund einer großen Anzahl an gleichzeitigen Atemwegserkrankungen – an RSV, Influenza, Corona und weiteren Viren – wirklich unter Hochdruck daran arbeiten, Menschen gesund zu erhalten, das Gesundheitssystem am Laufen zu halten.
Ich kann Ihnen eines sagen: Pflegerinnen und Pfleger, Ärztinnen und Ärzte, Menschen aus anderen Gesundheitsberufen empfinden eine Politik der Verleugnung, der Unwahrheiten, der Fake News, die sich im Bundestag in Redundanz wie eine gesprungene Schallplatte diese ganze Woche mit diesem Schwachsinn von Ihnen auf der rechten Seite entfaltet, als Zumutung.
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Ihre Politik ist eine Zumutung für das Land. Sie ignoriert die Herausforderung. Sie ignoriert den Einsatz der Leute und die echten Probleme.
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Die Antwort darauf – das kann ich Ihnen nur sagen – muss sein: Denken Sie doch wirklich mal darüber nach, was für einen Unfug Sie hier verbreiten. Die Kollegen haben schon erklärt, was ein Selection Bias ist, wie Sie ausgewählte Daten zu Unwahrheiten verdrehen. Man kann den Eindruck erhalten: Ihre Telegram-Kanäle scheinen leer zu sein, Ihnen scheinen keine Bilder mehr einzufallen, und deswegen produzieren Sie hier am laufenden Band scheinbar neue Skandale, die keine Skandale sind.
Ich will Ihnen auch sagen, warum. Sie haben hier einen Vortrag gehalten und ihn diese Woche an verschiedenen anderen Stellen offensichtlich auch schon erläutert, in dem Sie sagen, Sie hätten einen Skandal aufgedeckt anhand von Daten, die belegen würden, die Impfung bringe Menschen um.
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Ich kann Ihnen sagen: Anstelle einer ernstgemeinten Diskussion über Nebenwirkungen und Wirkungen, die es bei jedem Medikament – auch bei dieser Impfung – gibt, stiften Sie Verunsicherung,
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weil Sie noch nicht mal wissen, mit welchen Daten Ihrer dubiosen Experten Sie hier hantieren. Sie meinen, aus Abrechnungsdaten, die der Liquidation ärztlicher Leistung dienen, irgendwelche Kausalitäten im Zusammenhang mit medizinischen Daten herzustellen. Was für ein Unfug!
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Sie können nicht unterscheiden zwischen dem, was Abrechnung ist, und dem, was medizinische Dokumentation ist.
Das sei Ihnen auch noch gesagt: Neben Abrechnung und medizinischer Dokumentation gibt es noch eine Sterbefallstatistik. Das ist ein dritter Bereich, der völlig unabhängig von dem ist, was Sie analysiert haben. Sie analysieren also einen Teich, in dem es den Fisch, den Sie fangen wollen, gar nicht gibt. Sie nehmen falsche Daten, ziehen falsche Schlüsse, und es ist unerträglich, wie Sie damit Verunsicherung stiften.
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Ein letzter Punkt. Auch das scheint für Sie offensichtlich ein Problem bei der Analyse von Daten und dem Verständnis wissenschaftlicher Fakten zu sein: Der Unterschied zwischen Korrelation und Kausalität scheint Ihnen wiederholt, auch in diesem Zusammenhang, in keinster Weise geläufig zu sein. Eine Korrelation könnte zum Beispiel vorliegen, wenn man sagt: Dort, wo die Umfrageergebnisse Ihrer Partei am rechten Rand besonders hoch sind, ist die Impfrate niedrig, und dort, wo die Impfrate niedrig ist, da sind viele Menschen gestorben – mehr Menschen als in anderen Teilen des Landes, wo viele Menschen geimpft waren. – Das wäre eine Korrelation, bei der man den Eindruck gewinnen könnte: Möglicherweise könnte da ein Zusammenhang bestehen.
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Zu dem Unterschied zwischen einer solchen Korrelation – die keine Kausalität ist – und einer Kausalität kann ich Ihnen sagen: Die Wissenschaft hat eindeutig bewiesen, dass diese Impfung schützt, dass diese Impfung mehr Nutzen bringt,
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dass diese Impfung, obwohl es Impfnebenwirkungen gibt, obwohl es Impfreaktionen gibt, in der Nutzen-und-Risiko-Abwägung ein wichtiges, ein entscheidendes und das beste Instrument ist, das uns aus der Pandemie rausgeführt hat, das viele Tausend Menschenleben geschützt hat.
Sie scheinen nicht bereit zu sein, diese entscheidenden wissenschaftlichen Fakten anzuerkennen.
({9})
Sie versuchen zu Ihrem eigenen Vorteil, auf dem Rücken aller Menschen und nicht zum Wohl dieses Landes Fake News und falsche Daten zu verbreiten. Das ist schändlich, und ich will ganz deutlich sagen: Lassen Sie uns zurückkehren zu wichtigen Debatten in diesem Parlament über die Zukunft und Ausrichtung unseres Gesundheitswesens, darüber, wie wir den Fachkräftemangel bewältigen, wie wir die Krisen unserer Zeit gemeinsam bekämpfen!
({10})
Lassen Sie uns die politische Arbeit in diesem Parlament nicht durch falsche Informationen aufhalten!
Vielen Dank.
({11})
Kathrin Vogler hat das Wort für die Fraktion Die Linke.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Über die Stimmungsmache der AfD mit fehlinterpretierten und manipulierten Daten haben wir ja vorhin schon gesprochen. Ja, Impfnebenwirkungen existieren. Es gibt auch schwere Impfschäden in sehr, sehr seltenen Fällen.
({0})
Aber das ist kein Grund, deswegen auf eine Impfung gegen das SARS-CoV-2-Virus zu verzichten. Denn die Risiken einer Coronaerkrankung überwiegen die Risiken einer Coronaimpfung bei Weitem.
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Allein gestern starben wieder 143 Menschen im Zusammenhang mit Covid-19.
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Zehntausende leiden an Long Covid oder Post Covid. Das Virus greift offenbar ganz unterschiedliche Organe an, und wir verstehen immer noch viel zu wenig, wie es das eigentlich tut und was man dagegen tun kann.
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Aber anstatt darüber zu sprechen, wie wir Menschenleben und die Gesundheit der Bevölkerung schützen können, vergeudet die AfD hier wieder unsere Zeit damit, gegen die Impfung zu polemisieren und die Verunsicherung in der Bevölkerung zu schüren. Das ist eine Schande!
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Kolleginnen und Kollegen, ich habe da mal was vorbereitet. Ich habe eine Grafik mitgebracht.
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Das ist eine Grafik, die den Zusammenhang zwischen Impfquote und Übersterblichkeit herstellt.
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Denn an dem ganzen falschen Zeug, was Sie erzählen, ist ja eins richtig: Wir haben eine deutliche Übersterblichkeit in einigen Bundesländern.
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Das sind aber genau die Bundesländer, in denen Ihre Propaganda auf fruchtbaren Boden gefallen ist und wo Sie mit der Verunsicherung der Menschen dazu beigetragen haben, dass nur wenige sich haben impfen lassen.
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Die sind nämlich hier oben auf der Grafik für die Übersterblichkeit. Ganz am unteren Ende der Grafik sieht man das kleine Bundesland Bremen, wo es die linke Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard geschafft hat,
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mit einer vorbildlichen Aufklärungskampagne für eine außerordentlich hohe Impfquote zu sorgen.
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Jetzt reden wir mal ein bisschen über Logik. Ich weiß, dass ich bei Ihnen da wahrscheinlich keine offenen Scheunentore einrenne. Mir erscheint Folgendes logisch: Wenn in Bundesländern mit niedriger Impfquote die Übersterblichkeit hoch ist und in Bundesländern mit hoher Impfquote die Übersterblichkeit niedrig ist, dann könnte es da einen Zusammenhang geben, der aber genau das Gegenteil von dem zeigt, was Sie die Leute glauben machen wollen.
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Nun wissen wir ja, dass die AfD davon ausgeht: Wenn es Deutschland schlecht geht, dann geht es der AfD gut.
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Das heißt, ihr Ziel ist es, Menschen so zu verunsichern, dass sie das, was ihnen persönlich und ihrer Umgebung guttun würde, nicht mehr machen, nämlich sich impfen zu lassen,
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sich vor einer Infektion zu schützen und damit auch vor möglichen langanhaltenden Gesundheitsfolgen.
Jetzt will ich aber nicht nur über die AfD reden. Ich habe noch zwei Minuten. Die muss ich leider noch mal den anderen Parteien hier im Haus widmen. Warum schafft die AfD es denn so einfach, Menschen zu verunsichern? Da müssen wir wirklich mal über die Ökonomisierung unseres Gesundheitswesens und über die Profitorientierung im Gesundheitswesen reden,
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die nämlich dazu führen, dass viele Menschen den Institutionen in diesem Land nicht mehr vertrauen. Es ist einfach, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zu unterstellen, dass sie nur Mietmäuler sind und sich nur an dem orientieren, womit sie das meiste Geld verdienen können. Wenn die Leute sehen, dass mit Steuergeldern Forschung finanziert wird, deren Erträge dann in die Taschen von Privatleuten fließen, Klinikkonzerne aus Versichertengeldern Dividenden in dreistelliger Millionenhöhe
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in private Taschen schaufeln, dann verunsichert das schon.
Deswegen finde ich, Herr Lauterbach hat vollkommen recht, wenn er sagt: Wir müssen die Ökonomisierung im Gesundheitswesen zurückdrängen.
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Wenn er das wirklich angeht, dann wird er die Unterstützung der Linken haben. Aber da ich bestimmte Zweifel habe, werden wir ihm auch ganz genau auf die Finger gucken und Druck machen, dass auch wirklich etwas passiert; denn wir brauchen eine Revolution im Gesundheitswesen.
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Ich möchte an dieser Stelle allen Menschen, die über die Feiertage in Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen, in den Rettungsstellen, in Notarztpraxen dafür sorgen, dass kranke Menschen, Menschen mit Pflegebedarf unterstützt, gepflegt und geheilt werden, gute Weihnachten wünschen. Ich wünsche Ihnen friedliche Weihnachtstage und meinen Kolleginnen und Kollegen hier auf der rechten Seite bessere Erkenntnisse.
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Das Wort hat die Kollegin Christine Aschenberg-Dugnus für die FDP-Fraktion.
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Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, es macht mich wirklich fassungslos und auch wütend, in welcher Art und Weise wir uns in dieser Aktuellen Stunde mit dieser an sich wichtigen Thematik beschäftigen. Allein der Titel suggeriert ein völlig falsches Bild einerseits über die Impfzulassungen und andererseits über den Umgang mit Impfnebenwirkungen. Sie von der AfD bewirken damit nur eins: Sie befeuern weiter Verschwörungstheoretiker. Wahrscheinlich ist es das, was Sie erreichen wollen. Das finde ich einfach nur schäbig.
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Deutschland und auch Europa sehen die Transparenz als sehr wichtigen Baustein in der Gesundheitsversorgung. Nur so kann Vertrauen in medizinische Produkte erlangt werden. Das gilt ganz besonders auch für Impfungen. Aus diesem Grund müssen nicht nur während des Zulassungsprozesses für einen Impfstoff umfängliche Daten über die Wirkungsweise und die Sicherheit erhoben werden, sondern auch weit darüber hinaus.
Dabei ist die Nutzen-Risiko-Abschätzung der zentrale Entscheidungspunkt, ob ein Impfstoff eine Zulassung erhält oder nicht. Erhält der Impfstoff dann die Zulassung für den deutschen Arzneimittelmarkt, werden neben der pharmazeutischen Qualität natürlich auch die Daten über unerwünschte Nebenwirkungen erfasst. Diese Daten sind übrigens für jeden Bürger auf der Internetseite des Paul-Ehrlich-Instituts frei einsehbar. Das nenne ich die richtige und wichtige Transparenz in unserem Gesundheitssystem, meine Damen und Herren.
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Zusätzlich sind die Zulassungsinhaber des Impfstoffes gesetzlich aufgefordert, in regelmäßigen Abständen aktualisierte Unbedenklichkeitsberichte anzufertigen und sie dem Paul-Ehrlich-Institut zu übermitteln. In diesen Berichten müssen aktuell verfügbare Sicherheitsdaten enthalten sein, aus denen sich weiterhin eine positive Nutzen-Risiko-Abschätzung ableiten lässt. Ist das nicht möglich oder beeinflussen die aktuellen Daten die Nutzen-Risiko-Abschätzung negativ, kann selbstverständlich auch die Zulassung widerrufen werden. Das wäre beispielsweise der Fall bei verstärkt auftretenden hochgradigen Impfnebenwirkungen, ist aber bisher noch nie eingetreten.
Sowohl niedergelassene Ärzte als auch der Öffentliche Gesundheitsdienst melden Impfnebenwirkungen an das Paul-Ehrlich-Institut sowie an das Robert-Koch-Institut – wieder die notwendige Transparenz. So soll es sein, so läuft es auch. Wir können der Bevölkerung immer wieder sagen: Diese Impfstoffe sind sicher.
Bereits im Sommer 2022 hat die AfD-Fraktion ja für Aufregung gesorgt, als sie von 2,5 Millionen Fällen gemeldeter Impfnebenwirkungen bei Coronaimpfungen berichtete. Leider haben Sie es versäumt, das zu den tatsächlich durchgeführten Impfungen – das sind nämlich über 154 Millionen – ins Verhältnis zu setzen. Zum anderen haben Sie auch vergessen, zu erwähnen, dass als häufigste Impfnebenwirkung die Schmerzen an der Injektionsstelle kodiert werden, nämlich bei 92 Prozent der Teilnehmer.
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Das ist eine Kodierung.
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Wie wir aber alle wissen, ist das keine Impfnebenwirkung. Sie wird zwar als solche aufgeschrieben, aber keiner, der sich hat impfen lassen, egal ob gegen Grippe oder Corona, lässt sich doch wegen eines zwei Tage schmerzenden Arms nicht impfen. Das muss man doch mal ganz klar sagen. Also, das Nicht-ins-Verhältnis-Setzen dieser Zahlen, wie Sie es hier tun, ist völlig daneben.
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Außerdem – ich habe es gerade schon gesagt –: Diese Schmerzen an der Impfstelle sind kein neues Phänomen. Jeder, der sich gegen Grippe impfen lässt, so wie ich das auch jedes Jahr mache, kennt es.
Diese Daten dafür zu instrumentalisieren, Sorge und Angst in der Bevölkerung zu schüren, das finde ich einfach nur widerlich; das muss man hier ganz deutlich sagen.
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Vor wenigen Tagen sorgte die AfD dann erneut für Furore, indem sie eine dramatische Zunahme der Sterbefälle auf den Tisch brachte. Fachleute aus dem Wissenschaftlichen Institut der AOK sowie dem Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung kamen aber zu einem völlig anderen Ergebnis. Ich zitiere aus dem Statement des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung:
Die Aufregung um möglicherweise gestiegene Todesfälle 2021 entbehrt jeder Grundlage.
Es ist kein Anstieg plötzlicher Todesfälle unbekannter Ursache festzustellen.
Meine Damen und Herren, erneut instrumentalisiert die AfD Daten, um Angst und Schrecken in der Bevölkerung zu verbreiten. Das ist nicht nur verachtend; das ist auch ein Schlag ins Gesicht derjenigen Menschen, die tatsächliche Impfnebenwirkungen haben. Das muss man ganz klar sagen.
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Anstatt hier eine sachliche Debatte zum Umgang mit Impfnebenwirkungen anzustoßen, werden einfach nur Katastrophenszenarien heraufbeschworen, die auf gar keinen Fall der Realität entsprechen. Ich bitte Sie eindringlich, dass Sie uns künftig von dieser Art Debatten verschonen. Die Gesundheit der Bevölkerung ist zu wichtig, um dazu Fake News in einer Aktuellen Stunde zu verbreiten.
Ich danke Ihnen und wünsche allen Kolleginnen und Kollegen ein schönes Weihnachtsfest. Ich hoffe, wir sehen uns alle gesund und munter im neuen Jahr wieder.
Vielen Dank.
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Für die AfD spricht jetzt Dr. Christina Baum.
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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In Anbetracht der nun bekannt gewordenen vielen, teils schweren Nebenwirkungen und Todesfälle durch die Coronainjektion
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stellen sich viele Menschen die Frage: Wie konnte es überhaupt dazu kommen? Wie konnte es dazu kommen, dass sich so viele Menschen ein Medikament haben verabreichen lassen, das unzureichend erforscht ist und zudem auf einem ganz neuen Wirkungsmechanismus beruhte, sodass man es niemals hätte „Impfung“ nennen dürfen?
Die Antwort: Erinnern Sie sich an das Strategiepapier aus dem Bundesinnenministerium, das im März 2020 veröffentlicht wurde? Darin hieß es unter anderem, um die „gewünschte Schockwirkung“ zu erzielen, solle man Kindern Schuld am Tod ihrer Angehörigen zuschreiben. Die Existenz dieses Papieres wurde im Gesundheitsausschuss sogar geleugnet. Man will von dieser Ungeheuerlichkeit nun nichts mehr wissen.
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Bereits im April 2020 wies ich darauf hin, dass durch diese gebetsmühlenartige Wiederholung, dass Menschen massenhaft sterben, die Bürger durch Angst gelähmt werden und damit für den nächsten Schritt bereit gemacht werden sollen: die Zwangsimpfung. Diese systematische Angst- und Panikmache wurde gezielt eingesetzt, um selbst eine der schwersten Verletzungen unserer Freiheitsrechte durchzusetzen: des Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit.
Ein nicht unerheblicher Teil der Bevölkerung hat Herrn Lauterbach allerdings auch vertraut. Dabei sagte Herr Lauterbach selbst in einem Interview mit der Harvard School of Public Health im Juni 2020 – hören Sie bitte genau zu –,
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dass mRNA-Impfstoffe vielleicht funktionieren. Doch bis jetzt haben sie am Menschen verabreicht noch nie funktioniert. Sie kamen niemals zum Einsatz. Herr Lauterbach hat also die Menschen bewusst getäuscht, indem er eine Sicherheit vorgegaukelt hat, die es so niemals gab.
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Die Folgen der sogenannten Impfung sind jetzt jedenfalls nicht mehr zu leugnen. Selbst die regierungstreue Presse kommt nicht mehr umhin, davon zu berichten.
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Auf zwei neue Studien möchte ich Sie noch aufmerksam machen. Ein interdisziplinäres Forschungsteam der Uni Basel untersuchte die Auswirkungen der Moderna-Impfungen auf den Herzmuskel. Das Ergebnis: Knapp 3 Prozent der Studienteilnehmer erlitten eine leichte Herzmuskelentzündung, die damit also 1 000‑mal häufiger vorkommt, als bisher mit 0,003 Prozent angegeben.
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Es wurde auch zugegeben, dass es keine Regeneration eines geschädigten Herzmuskels gibt, auch nicht bei leichter Entzündung. Das bedeutet, dass die Betroffenen irreversibel für ihr ganzes Leben schwer geschädigt sind. 3 Prozent!
Die zweite Studie, die Herr Lauterbach in einem Twitter-Beitrag selbst erwähnte, stammt aus den USA. Sie bestätigt, dass das Risiko von Langzeitschäden nach einer Coronainfektion mit jeder weiteren ansteigt, gerade auch für geimpfte Personen. Das bedeutet nichts anderes, als dass nun auch die letzte der drei Begründungen für eine Impfung wegfällt: die des Schutzes vor schweren Verläufen. Es gibt ihn nicht, so wie es auch keinen Eigen- und keinen Fremdschutz gibt.
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Man muss deshalb von einem vollständigen Versagen dieser mRNA-Injektion sprechen.
Aus diesen Fakten ergeben sich mindestens folgende vier Forderungen:
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Erstens. Diese unwirksame, aber in vielen Fällen schädliche Impfung muss bis zum Beweis des Gegenteils sofort eingestellt werden.
Zweitens. Alle kritischen Ärzte und Wissenschaftler, die dies vorher gesagt haben, müssen nun endlich rehabilitiert und entschädigt werden für den Rufmord, den man an ihnen begangen hat.
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Drittens. Die Verfehlungen der verantwortlichen Politiker und Behörden müssen in einem Untersuchungsausschuss aufgearbeitet und einer juristischen Bewertung zugeführt werden.
Viertens und letztens. Herr Lauterbach sollte lieber seinen Stuhl als Gesundheitsminister räumen; denn er ist eine Gefahr für die Bevölkerung.
Vielen Dank.
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Heike Engelhardt hat das Wort für die SPD-Fraktion.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Dr. Christinas Märchenstunde: sehr dünnes Eis, auf dem die Antragstellerin sich hier bewegt. Sehr, sehr dünnes Eis! Wenn sie da nicht mal gleich einbricht.
Sie sagen hier, dass wir endlich anfangen müssen, Nebenwirkungen bei Impfungen ernst zu nehmen. Damit fordern Sie etwas, was wir schon immer so machen. Wie bei jedem Medizinprodukt, das wir in Deutschland zulassen, werden Nutzen und Risiken sehr genau abgewogen und Nebenwirkungen sehr ernst genommen. Nicht ohne Grund wurden die Impfstoffe in Deutschland erst deutlich später zugelassen als zum Beispiel in Israel,
({0})
damit wir zunächst weitere Informationen sammeln konnten. Auch wurden nicht alle Impfstoffe immer auch für alle Gruppen freigegeben. Sie können sich sicher sein, meine Damen und Herren von der AfD, dass die Ständige Impfkommission hier eine gute und gewissenhafte Arbeit leistet.
({1})
Was Sie allerdings mit Ihren komplett unwissenschaftlich zusammenkopierten Zahlen behaupten, das sind glatte Lügen; sie entbehren jeglicher Ernsthaftigkeit und Vertrauenswürdigkeit.
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Sie versuchen einmal mehr, die Menschen zu beunruhigen. Sie spielen mit der Gesundheit der Menschen, ganz getreu Ihrem Motto „Den Menschen in Deutschland muss es schlecht gehen, damit die AfD Erfolg hat“. Aber den Gefallen tun wir Ihnen nicht.
Frau Baum, Sie haben gestern in einem Interview Verständnis für die Reichsbürger geäußert.
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Wir werden alles dafür tun, dass Sie als parlamentarischer Arm der Reichsbürger und Nazis schnell wieder in der Versenkung verschwinden.
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Sie sind schuld am Tod von Walter Lübcke. Sie sind schuld an dem Attentat von Halle. Ihre Kollegin wollte dieses Haus bewaffnet stürmen,
Dr. Götz Frömming [AfD]: Ganz dünnes Eis, Frau Kollegin! Ganz dünnes Eis! – Gegenruf des Abg. Christian Petry [SPD]: Hören Sie genau zu!)
und ich weiß nicht, wie viele Ihrer Kolleginnen und Kollegen Ähnliches vorhaben.
Jetzt noch ein Wort zu Ihnen, Herr Sichert. Sie können doch nicht einfach irgendwelche Querdenkerfreunde als Sachverständige einladen und dann deren Auftritte im Bundestag oder im Ausschuss als Nachweis für eine Bedeutung dieser Personen anführen.
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Ihr sogenannter Datenanalyst Tom Lausen ist nicht mehr als ein Scharlatan. Sie und Ihre Partei sind einfach nur peinlich!
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Mehr Zeit verschwende ich auf Ihren Antrag nicht.
Ich wünsche allen Demokratinnen und Demokraten hier im Haus schöne Weihnachten und alles Gute fürs neue Jahr.
Vielen Dank.
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Der Kollege Dr. Georg Kippels hat jetzt das Wort für die CDU/CSU-Fraktion.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als ich gestern Nachmittag den Aufsetzungsantrag der AfD mit dem Titel „Nebenwirkungen der Coronaimpfung sofort ernst nehmen“ zu Gesicht bekam, kam mir auch sofort in den Sinn, dass man wirklich etwas ernst nehmen müsse, und zwar den Umstand, dass wahrscheinlich bei der AfD ein massiver Anfall von Amnesie vorliegt.
({0})
Oder erinnern Sie sich nicht mehr an die Debatte im vergangenen Juli zu einem Antrag, der den Titel trug „Impfnebenwirkungen aufklären und ernst nehmen“ – Drucksache 20/2567 –, in der wir alle hier mit großer Ernsthaftigkeit versucht haben, dem Thema Rechnung zu tragen und Ihnen mit Blick auf Ihre damals schon abstrusen Gedanken zu erläutern, was der Unterschied zwischen Impfreaktionen und Impfkomplikationen ist und dass die Interpretation der ICDs von Ihnen geradezu an den Haaren herbeigezogen war und jeder Grundlage entbehrte?
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Okay, ich muss einräumen: Diese Erklärungsversuche sind gescheitert. Das wundert uns nicht wirklich, weil Sie gar nicht bereit sind, sich mit diesen Fragen auseinanderzusetzen.
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Nun gibt es hier und heute in der Tat etwas Aktuelles, was diese Aktuelle Stunde rechtfertigen würde – das zeigt der Blick in die Entwicklung seit Juli –, allerdings nichts, was Sie begeistern würde. Ich spreche aber nicht von den Phantasien, die Sie jetzt wiederum auf die ICD-Interpretation verwendet haben, sondern – und das ist vielleicht eine interessante Botschaft für die Bürgerinnen und Bürger zu Hause – von dem Umstand, dass sich das PEI sehr gewissenhaft mit den Impfnebenwirkungen, möglichen Impfwirkungen und damit mit den Interessen der Geimpften beschäftigt. Das PEI hat eine App aufgelegt, die App SafeVac 2.0, mit der eine Beobachtungsstudie ins Leben gerufen worden ist. Die Rekrutierungsphase der Interessierten lief am 30. September 2022 ab. Immerhin 730 000 Interessierte haben sich dort registrieren lassen und geben auf freiwilliger Basis Angaben zur Verträglichkeit der Impfung bei ihnen ab.
Es gibt eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass ein möglicher Impfgeschädigter nicht ankündigungslos umfällt und verstirbt, sondern dass es im Vorfeld Ankündigungen in der Befindlichkeit geben könnte. Insofern ist diese Untersuchung überaus nützlich, und sie kann für die weitere Betrachtung der Verträglichkeit der Impfung hervorragende Informationen liefern.
Die App bleibt in den nächsten zwölf Monaten geöffnet. Sie wird vor allen Dingen ununterbrochen in die Nebenwirkungsdatenbank des Paul-Ehrlich-Instituts eingepflegt, und dort wiederum werden auch die akuten Erkenntnisse bzw. Verdachtsmeldungen in den Sicherheitsberichten veröffentlicht; der nächste steht jetzt zum Ende dieses Jahres an.
Wie schon mehrfach geäußert: Das Paul-Ehrlich-Institut arbeitet mit höchster Transparenz und Nachvollziehbarkeit. Jeder, der nur ansatzweise den Eindruck hat, ein dauerhaftes Unwohlsein durch die Impfung erlitten zu haben, kann dies über www.nebenwirkungen.bund.de an das Paul-Ehrlich-Institut melden. Es wird dort unverzüglich verarbeitet.
Trotz aller Bemühungen, Professor Cichutek in irgendeiner Form Vermutungen oder Spekulationen in den Mund zu legen, hat dieser in seiner bekannten wissenschaftlichen Sachlichkeit in allen Anhörungen und bei allen Fragestellungen den Unterstellungsversuchen der AfD erfolgreich gekontert und hat immer wieder zum Ausdruck gebracht, dass eine seriöse wissenschaftliche Analyse der uns allen weltweit durch die WHO vorliegenden Erkenntnisse die Vermutung einer atypischen Entwicklung, insbesondere einer Übersterblichkeit aufgrund der Impfung, überhaupt nicht rechtfertigt.
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Dies ist für uns eine solide Basis der Analyse des Impfgeschehens. An dieser Form der Aufarbeitung und der weiteren Begleitung werden wir uns verantwortlich orientieren, und wir werden uns im Ausschuss mit Sicherheit ununterbrochen darüber informieren lassen.
Mit Rücksicht auf das Bedürfnis aller Anwesenden, möglichst schnell zu den Angehörigen zurückzukehren, spende ich den Rest meiner Redezeit den demokratischen Parteien in diesem Haus.
Vielen herzlichen Dank und ein frohes Weihnachtsfest!
({4})
Ich grüße Sie alle zum Endspurt hier in diesem Jahr. – Das Wort erhält Maria Klein-Schmeink für Bündnis 90/Die Grünen.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen hier im Haus! Ich bin sehr dankbar für den Verlauf dieser Aktuellen Stunde. Alle Rednerinnen und Redner aus den demokratischen Parteien
({0})
haben sehr, sehr deutlich gemacht, dass das, was die AfD hier wieder erneut versucht, insgesamt keinerlei Basis hat, es nicht schafft, Fuß zu fassen. Sie versuchen auf ganz perfide Art und Weise, verschiedenste Daten so zu verknüpfen, dass sie Ihre These, die Sie propagieren, dass nämlich das Impfen schädlich sei, untermauern. Das einzige Ziel, um das es Ihnen geht, ist, Angst zu schüren
({1})
und gleichzeitig gegen diesen Staat zu mobilisieren. Das ist Ihr Interesse, und alle hier sind vereint darin, dass wir Ihnen das nicht durchgehen lassen.
({2})
Gucken wir doch mal ein bisschen zurück – Januar 2020, der Beginn der Coronakrise –, darauf, was wir erlebt haben, welche Bilder wir gesehen haben. Wir haben Menschen sterben sehen, haben überforderte Krankenhäuser gesehen, mussten aber auch erleben, dass viele Menschen, die uns anvertraut waren, die sehr verletzlich waren, insbesondere alte Menschen in Einrichtungen, verstorben sind.
({3})
Wenn Sie sich anschauen, was dann passiert ist, dass in so kurzer Zeit Impfstoffe entwickelt worden sind, die dazu geführt haben, dass wir am Ende des gleichen Jahres erstmals einen Lichtblick hatten, erstmals darauf vertrauen konnten, dass es Hilfe gibt, dass wir da rauskommen können, und wenn Sie sich gleichzeitig anschauen, wie viele Leben gerettet worden sind, beispielsweise von Menschen in Alteneinrichtungen, dann sehen Sie, wie wertvoll es war, dass wir diesen Weg beschreiten konnten. Das ging nur mit einer gemeinschaftlichen Anstrengung aller in dieser Gesellschaft – hier, aber auch weltweit. Alleine schon das infrage zu stellen, ist etwas, wofür Sie sich verantworten müssen.
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Das Zweite ist: Wenn Sie sich heute anschauen, was wir insgesamt geschafft haben, dann stellen Sie fest: Wir haben alle keine durchgreifende Angst mehr vor Corona.
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Wir wissen, dass es Medikamente gibt. Wir wissen, dass es den Coronaimpfschutz gibt. Und wir wissen auch, welche Regeln wir einhalten müssen, um mit dieser Pandemie leben zu können. Auch das ist ein ganz, ganz wichtiger Schritt, der auch wieder Normalität in diese Gesellschaft gebracht hat.
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Genau das versuchen Sie immer wieder zu hintertreiben. Sie versuchen, aus der Angst vor Corona,
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aber auch aus der Ablehnung von Maßnahmen Ihr politisches Kapital zu schlagen, und genau das macht keiner hier im Raum mit.
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Ich will jetzt die restliche Zeit nicht für Ihren Mist nutzen,
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sondern dahin gucken, was wir tun müssen; denn natürlich haben wir noch große Probleme. Wir haben eine Vielzahl von Menschen, die an Long Covid erkrankt sind, wo wir noch nicht wirklich wissen, wie wir zu einer durchgreifenden Hilfe kommen können. Darauf müssen wir unsere Anstrengungen richten. Da müssen wir etwas tun, und das werden wir als Ampel auch tun. Das werden wir mit dem nächsten Versorgungsgesetz anpacken, genauso wie wir schon die Forschung in diesen Bereichen ausgebaut haben. In diese Richtung muss es gehen und nicht rückwärts, wie Sie das machen, und in Richtung Angst.
Natürlich muss es auch darum gehen, wie wir mit den wenigen Fällen, die es gibt, wo Menschen tatsächlich einen Schaden aus einer Impfung erlitten haben, umgehen, dass wir genau wie bei Long Covid danach schauen, wie wir zu ausreichender Therapie und Hilfe kommen können. Auch das ist natürlich eine Aufgabe.
Auf dieser Grundlage, in dieser Art und Weise muss es weitergehen: wissenschaftsbasiert, sehr gewissenhaft und immer mit dem Ziel vor Augen, dass wir allen nützen wollen. Gleichzeitig will ich allen danken, die sich hier in diesen zwei Jahren so massiv für das Wohl aller eingesetzt haben. In dem Sinne, denke ich, drücken wir den Dank an alle im Gesundheitswesen an dieser Stelle noch mal besonders aus.
Ansonsten wünsche ich Ihnen ein friedliches Weihnachtsfest.
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Vielen Dank. – Das Wort erhält Lars Friedrich Lindemann für die FDP-Fraktion.
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Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte, nachdem Sie, liebe Kollegen von der AfD, hier gefordert haben, man möge sich sofort mit den Folgen der Impfung beschäftigen, und uns hier auch vorgeworfen haben, das würde in Deutschland nicht ergebnisoffen stattfinden, vielleicht noch mal eine dritte Dimension einführen, nachdem, glaube ich, alle Vorredner hier zu den Daten und deren Bewertung ausreichend gesprochen haben.
Sie, Frau Dr. Baum, diskreditieren mit der Art, wie Sie hier vorgehen, 400 000 Ärzte, 100 000 Medizinstudenten, die jeden Tag mit ihren Lehrenden genau über dieses Problem sprechen, die in diesem Land leben, Familie haben, sich mit dem Thema, welche Folgen diese Pandemie für uns hat, jeden Tag auseinandersetzen.
({0})
36 Universitätskliniken, 108 Universitäten, 422 Hochschulen und 5 000 Wissenschaftler pro 1 Million Einwohner in Deutschland beschäftigen sich mit der Frage, und Sie wollen hier unterstellen, dass diese Gesamtheit nicht in der Lage ist, sich mit den Folgen einer solchen Impfung vernünftig auseinanderzusetzen. Wie verrückt ist das eigentlich?
({1})
Ich will Ihnen genau zu diesem Thema noch was sagen, Frau Baum. Sie sind nicht nur Abgeordnete, tragen ein freies Mandat und sind hier nur Ihrem Gewissen unterworfen; Sie sind auch Ärztin.
({2})
Sie sind nicht nur Ihren Patienten verpflichtet, sondern eben auch dem Gemeinwohl. Da es in diesem Land so ist, dass Ärzte nicht nur dem Patienten, nämlich einem Dritten, sondern auch dem Gemeinwohl verpflichtet sind, sollten Sie sich sehr gut überlegen, wie Sie die Dinge hier vortragen.
In dem Zusammenhang will ich hier auch noch mal darauf hinweisen, dass es gut ist, dass wir in diesem Land unser Gesundheitssystem so konstruiert haben, dass es von Freiberuflern getragen wird, die genau diese Gemeinwohlbindung und die Konzentration – –
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– Das glaube ich Ihnen. Aber ganz offensichtlich hat das nicht dazu geführt, dass Sie in der Lage sind, diese Verantwortung auch wahrzunehmen.
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Wenn man darauf schaut, dann will ich an dieser Stelle sehr deutlich sagen: Es ist nach Auffassung meiner Fraktion in Ordnung und gut, dass unser Gesundheitssystem genau so organisiert ist, dass Freiberufler, die ausschließlich ihren Patienten, ihrem Gewissen und eben auch dem Gemeinwesen verpflichtet sind – das vergessen immer viele; in ihrer Berufsordnung steht, dass sie dem Gemeinwesen verpflichtet sind –, sich mit diesen Fragen in dieser Breite beschäftigen. Das gelingt am allerbesten – das ist in Deutschland in den letzten 30, 40 Jahren auch geglückt –, wenn das Ärzte im Wesentlichen auch in einer gewissen ökonomischen Unabhängigkeit tun.
An dieser Stelle möchte ich, wenn Sie mir das in meinen letzten zwei Minuten erlauben, vielleicht noch einen Satz sagen. Das ist im Übrigen auch der Grund, warum wir uns gesundheitspolitisch zum Beispiel mit solchen Fragen beschäftigen sollten wie: Wann gibt es in diesem Land endlich eine modernisierte GOÄ, damit das weiterhin funktioniert? Bei dieser Gelegenheit möchte ich die Beteiligten der Verhandlungen auffordern, zügig einen Vorschlag vorzulegen, und deutlich sagen, dass wir in diesem Zusammenhang in erster Linie auf diejenigen schauen sollten, die den Patienten verpflichtet sind, und in zweiter Linie auf diejenigen, die in dieser Debatte für Kostensicherheit sorgen wollen.
Am Ende meiner Rede wünsche ich Ihnen gesegnete Weihnachten. Denjenigen, die Weihnachten nicht feiern, wünsche ich eine ruhige Zeit. Schließen Sie all diejenigen in Ihre Gebete oder Überlegungen ein, die nicht, wie wir, in einer so sicheren Welt leben und nicht über Dinge nachdenken können, über die wir heute auch haben sprechen müssen.
Gesegnete Weihnachten und alles Gute!
({5})
Beim letzten Mal durfte ich eine persönliche Erklärung vom Rednerpult abgeben.
Das ist aber nicht üblich. Wir machen es vom Platz.
Gut, okay. – Ich möchte die Aussage, die in Bezug auf meine Person zu den Reichsbürgern abgegeben wurde,
({0})
nicht so stehen lassen. Die ist nämlich falsch.
Ich habe gestern in einem Interview gesagt, dass auch diese Menschen zu unserer Gesellschaft gehören und dass niemand aus unserer Gesellschaft auszugrenzen ist, dass wir uns im Gegensatz dazu mit den Meinungen auseinandersetzen müssen, so wie sich das in einer demokratischen Gesellschaft gehört.
({1})
Denn die Gedanken sind nicht weg, nur weil wir sie ausgrenzen oder nicht hören oder nicht sehen wollen. Die rote Linie ist die Anwendung von Gewalt. All das habe ich gesagt und dazu stehe ich.
Danke schön.
({2})
Dann fahren wir in unserer Debatte fort.
Der nächste Redner ist Tino Sorge für die CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Vielen Dank, liebe Frau Kollegin. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist ja im Vorfeld auch von meinem – –
Also, als Kollegin, das kann ich jetzt nicht ganz durchgehen lassen.
Oh!
Wir sind zwar Kollegen.
Liebe, sehr geehrte Frau Präsidentin!
Vielen Dank.
Ich bitte das zu entschuldigen. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Also, der weihnachtliche Übermut ist bei mir ein bisschen durchgekommen.
Wir haben von den Vorrednern, auch von meinem Kollegen Georg Kippels, schon gehört: Das Thema Lebenszeit ist für uns alle ein ganz wichtiges. Insofern können wir jetzt darüber diskutieren, ob uns diese Debatte nicht eine Menge Lebenszeit stiehlt.
({0})
Deshalb will ich gar nicht darüber sprechen, was Sie alles wieder zum Besten gegeben haben, sondern ich will darüber sprechen, was Sie hätten tun können. Ich hätte gern hier in diesem Plenum darüber diskutiert, wie wir Menschen helfen können, die Impfnebenwirkungen, die Impfreaktionen, die Impfschäden haben. Wir hätten darüber sprechen können, wie Daten besser genutzt werden können. Wir hätten darüber sprechen können, wie diese Daten besser aggregiert, zusammengeführt werden können. Wir hätten darüber sprechen können, wie wir Strukturen verbessern und aufbauen können, die genau diesen Menschen helfen, die sagen: Ich habe das Gefühl, einen Impfschaden, eine Impfkomplikation, Impfnebenwirkungen von dieser Impfung zu haben, aber ich habe das Gefühl, mir hilft keiner.
({1})
Liebe Kolleginnen und Kollegen der AfD: Sie helfen niemandem, Sie stehlen uns nur die Zeit.
({2})
Ich will noch einmal auf eines eingehen – der ein oder andere Kollege oder die eine oder andere Kollegin hat im Vorfeld schon darauf hingewiesen –: Man kann natürlich aus diversen Statistiken alles herauslesen. Sie greifen sich irgendeine Kleinstkohorte heraus, extrapolieren sie und vergleichen sie mit irgendeiner Bezugsgröße. De facto können Sie alles irgendwie kommunizieren, aber es wird in der Sache nicht richtiger. Wenn Sie einmal zugehört hätten, was die KBV gesagt hat, was das PEI gesagt hat, dann hätten Sie doch erkennen müssen, dass das, was Sie hier wieder einmal skandalisieren wollen, überhaupt kein Skandal ist, sondern dass die Daten, Fakten, Zahlen, die Sie hier bringen, einfach falsch sind, falsch interpretiert sind. Das nehmen Sie leider nicht zur Kenntnis.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, deshalb finde ich es auch immer so bemerkenswert, dass Sie für diese Nachweise der angeblich skandalösen Dinge, die Sie hier vortragen, immer nur – Sie nennen ihn, glaube ich, Datenanalysten – Herrn Lausen anführen. Er selbst nennt sich Datenanalyst, für mich ist das ein Datensalafist. Nehmen Sie es mir nicht übel, liebe Kolleginnen und Kollegen.
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Insofern würde ich gern – das können wir zukünftig auch machen – verstärkt über diese Themen sprechen. Ich gebe zu: Wir müssen alle besser werden, auch bei der Kommunikation nach außen. Wir müssen solche Befindlichkeiten, solche Probleme ernst nehmen. Es geht nicht darum, dass wir eine Gruppe gegen die andere ausspielen, indem wir sagen: Diejenigen, die sagen, sie hätten Impfschäden erlitten, gibt es nicht. Insofern war es überhaupt nicht hilfreich – das will ich hier auch sagen –, dass einige Kolleginnen und Kollegen und auch unser Gesundheitsminister gesagt haben, diese Impfung sei nebenwirkungsfrei.
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Insofern sollten wir in der Diskussion ein bisschen abrüsten und sollten sagen: Natürlich hat jede Impfung Nebenwirkungen, aber die Chancen einer Impfung überwiegen bei Weitem. Impfungen sind ein Segen für die Menschheit; das ist hier angesprochen worden. Ob das bei den Pocken oder bei der Kinderlähmung war, sie sind ein Segen für die Menschheit. Deshalb sollten wir sie nicht schlechtreden und sollten auch nicht den Eindruck erwecken, als liefe hier etwas gegen den Baum im wahrsten Sinne des Wortes.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will es meinem Vorrednerkollegen Georg Kippels gleichtun und die Lebenszeit, die uns durch diese mehr oder weniger fragwürdige Debatte gestohlen worden ist, an Sie zurückgeben. Ich wünsche Ihnen allen eine schöne Weihnachtszeit, ein paar besinnliche, ruhige Tage. Ich hoffe, Sie können viel Zeit mit Ihren Lieben, mit Ihren Familien verbringen, und ich hoffe, Sie alle im nächsten Jahr gesund und munter wiederzusehen.
In diesem Sinne: Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
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Den Abschluss dieser Aktuellen Stunde bildet Ruppert Stüwe von der SPD-Fraktion.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer auf der Tribüne! Als letzter Redner in der letzten Debatte dieses Jahres kann man ein bisschen über seine besten Erlebnisse in diesem Parlament berichten. Eins davon ist, dass Sie wieder hier oben auf der Tribüne sitzen können und unseren Debatten folgen können. Ich fand es beeindruckend, als ich hier zum ersten Mal gesprochen habe, dass Sie tatsächlich da sitzen, zuschauen und unsere Debatten wieder mitverfolgen können. Wenn wir hier über Wirkungen reden, dann sage ich: Auch das ist eine Wirkung der Impfung, eine Wirkung der Masken,
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eine Wirkung davon, dass wir in großer Anzahl in diesem Lande wegen der Pandemie aufeinander Rücksicht genommen haben. Deswegen ist es ein gutes Zeichen, dass Sie in dieser letzten Debatte dieses Jahres in diesem Plenum auch auf der Tribüne mit dabei sind.
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Dann will ich noch etwas sagen: Eigentlich wollte ich nicht viel zur Wirkung Ihres Antrags sagen, aber mein Wahlkreis ist der Wahlkreis, in dem auch Frau Malsack-Winkemann kandidiert hat. Ich saß mit ihr im Wahlkampf auf unterschiedlichen Schulpodien.
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Ihre Partei wollte, dass diese Verschwörerin wieder in den Bundestag einzieht, dass sie hier wieder im Gesundheitsausschuss sitzt. Ich finde es im Rückblick bedrohlich, mit ihr auf zahlreichen Schulpodien gesessen zu haben. Insofern finde ich es bedrohlich, wenn die Verschwörung der Reichsbürgerinnen und Reichsbürger aus Ihren Reihen immer noch – ja –
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verharmlost wird.
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Lassen Sie mich als letzter Redner in dieser Debatte noch etwas sagen. Ich habe mir angeguckt, wie das Jahr 2022 eigentlich angefangen hat. In der ersten Plenarwoche haben wir über das Thema Corona geredet. Ich finde, das zeigt eines: Dieses Jahr war natürlich von der Pandemie geprägt. Der Deutsche Bundestag hat sich in seiner ganz, ganz großen Mehrheit kontrovers auf Fakten gestützt und ernsthaft mit diesem Thema auseinandergesetzt. Da ich Forschungspolitiker bin und nicht im Gesundheitsausschuss sitze, möchte ich mich bei den Kolleginnen und Kollegen aus dem Gesundheitsausschuss bedanken, dass sie das das ganze Jahr so gemacht haben.
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Ich finde es richtig, dass Sie das in weiten Teilen auf Grundlage von wissenschaftlichen Fakten gemacht haben.
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Natürlich hat Corona eine Wirkung. Wir sehen das gerade, wenn wir uns mit Long Covid und Post Covid beschäftigen, wenn wir darüber reden, wie wir die Forschung zu ME/CFS und zu Long Covid unterstützen und beschleunigen können. Wir haben das übrigens im letzten Jahr gemacht, und auch für die nächsten beiden Jahre haben wir dazu Programme aufgestellt. Natürlich hat die Impfung eine Wirkung. Wenn wir uns die ernsthaften wissenschaftlichen Studien angucken, dann ist nicht zu bestreiten, dass die Impfung eine Wirkung hat, und zwar eine positive Wirkung für dieses Land. Natürlich – auch das ist gesagt worden – gibt es Impffolgen und ‑nebenwirkungen, übrigens: 0,3 Meldungen von schweren Nebenwirkungen pro 1 000 Impfungen werden an das Paul-Ehrlich-Institut gemeldet.
Weil dies die letzte Debatte ist und ich Ihnen noch ein paar Minuten schenken möchte – 30 Sekunden noch –, habe ich einen Nikolaus mitgebracht. Ich finde nämlich, dass das Thema Impfen auch etwas mit dem Thema Weihnachten zu tun hat.
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Ich würde ihn – stellvertretend für alle anderen hier – der Präsidentin schenken.
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– Ja. – Beim Impfen ist es so wie in dieser Zeit: Manchmal geht es um die kleine Geste, und manchmal geht es nicht um einen selber. So eine kleine Geste wie das Impfen hat auch eine große Wirkung auf andere.
Insofern wünsche ich uns allen gemeinsam eine gute Weihnachtszeit. Kommen Sie gut ins neue Jahr! Ich freue mich darauf, Sie im nächsten Jahr wiederzusehen.
Vielen Dank.
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