Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 9/9/2022

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

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Danke schön, Frau Präsidentin. – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Abgeordnete des Deutschen Bundestages! Es fällt nicht ganz leicht, nach dem Gedenken an Queen Elizabeth II. hier weiterzumachen. Ich möchte aber noch einmal hervorheben, dass gerade sie es war, die in sieben Jahrzehnten auch immer für den gesellschaftlichen Zusammenhalt geworben hat. Darüber können wir, glaube ich, die Brücke ins Innenministerium schlagen, weil der gesellschaftliche Zusammenhalt gerade dieser Tage wichtiger denn je ist. ({0}) Meine Damen und Herren, der Krieg in der Ukraine hat dramatische Auswirkungen, in erster Linie natürlich für die Menschen dort; ich konnte mich vor wenigen Wochen ja auch selbst davon überzeugen, wie schwierig es ist. Aber auch in Deutschland wirkt sich der Krieg massiv aus. Ich kann gut verstehen, dass viele Menschen in Deutschland dieser Tage verunsichert sind: steigende Lebensmittelpreise, hohe Energiepreise, Energiemangel und, ja, natürlich auch durch neue Bedrohungen der inneren Sicherheit. Wir erleben, wie die russische Regierung gezielt Desinformationen verbreitet, um gerade auch unsere Gesellschaft zu spalten. Ich werbe an dieser Stelle dafür, sich bei verschiedenen Quellen zu informieren und nicht auf das hereinzufallen, was im Internet oft zu lesen ist. ({1}) Wir sehen ein erhöhtes Risiko für Cyberangriffe auf Unternehmen, Behörden und kritische Infrastruktur in unserem Land. Und wir erleben natürlich schmerzlich, dass unsere Sicherheit in Deutschland eben nicht selbstverständlich ist, sondern dass wir dafür auch etwas tun müssen. Die Herausforderungen im Bereich der inneren Sicherheit sind sehr groß, und klar ist: Wir als Bundesregierung stellen uns diesen Herausforderungen. Wir handeln. Wir investieren in die Sicherheit der Menschen in Deutschland, meine Damen und Herren! ({2}) Für mich steht fest: Auch und gerade in schwierigen Zeiten muss unsere Sicherheit absolute Priorität haben. Dafür steht der vorliegende Haushaltsentwurf auch ein. Er sieht für den Einzelplan des Bundesministeriums des Innern ein Gesamtvolumen von rund 12,76 Milliarden Euro vor; das sind 1,5 Milliarden Euro mehr als in der ursprünglichen Finanzplanung, meine Damen und Herren. Auch das sollte man dieser Tage zur Kenntnis nehmen. ({3}) In den Jahren 2020 bis 2022 hatten wir durch die Konjunkturpakete während der Coronapandemie sehr große Aufwüchse für das BMI. Die haben wir für vorgezogene Investitionen insbesondere im Bereich der Sicherheitsbehörden und für den Bevölkerungsschutz genutzt; und das war auch richtig. Das war aber nur möglich, weil die Schuldenbremse ausgesetzt war; ich will das ausdrücklich noch mal hervorheben. Der Haushalt 2023 hält die Schuldenbremse nun wieder ein. Und auch das – das will ich an dieser Stelle hervorheben – ist in Zeiten der Unsicherheit eine Form der Stabilität, die gut und richtig ist. ({4}) Im Einzelplan des Innenministeriums macht der Sicherheitsbereich mehr als die Hälfte des Budgets aus. Wir reden hier von 6,5 Milliarden Euro; das sind fast 200 Millionen Euro mehr als in der ursprünglichen Finanzplanung. Besonders wichtig ist mir, dass das Technische Hilfswerk und das BSI sowie das Vollzugspersonal der Bundespolizei und des BKA von den pauschalen Stellenkürzungen im Personalbereich ausgenommen sind. Ich denke, bei den Verwaltungsbeamtinnen und ‑beamten müssen wir noch ein wenig nachbessern; denn auch das hat Auswirkungen auf die Vollzugsbeamten, meine Damen und Herren. ({5}) Es gibt selbst in dieser schwierigen Situation Stellenaufwüchse im Sicherheitsbereich. Die Bundespolizei erhält 1 000 zusätzliche Stellen, das BKA 180. Das ist ein großer Erfolg und eine wichtige Investition in unsere gemeinsame Sicherheit, meine Damen und Herren. Ich bin dem Finanzminister ausdrücklich dankbar dafür, dass er diesen Weg mitgegangen ist. ({6}) Wem aber dieser Tage angesichts der neuen Bedrohungslagen, der veränderten Sicherheitslage mein größtes Dankeschön gilt, das sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Sicherheitsbehörden, und zwar aller Sicherheitsbehörden: beim BSI angefangen über das Bundesamt für Verfassungsschutz, natürlich der Bundespolizei, aber auch gerade dem BKA. Herzlichen Dank für das, was Sie in schweren Zeiten leisten. Sie sorgen für die Sicherheit in unserem Land, und wir stehen voll hinter Ihnen. ({7}) Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine hat sich natürlich besonders die Bedrohungslage im Cyberraum erheblich erhöht. Das nehmen wir sehr ernst und haben alle Schutzmaßnahmen massiv hochgefahren. Ich bin deshalb sehr froh, dass die Behörden, die für Cybersicherheit zuständig sind, mit dem Haushalt 2023 gut ausgestattet werden. Hervorheben möchte ich, dass das BMI für die Härtung der Netze des Bundes jährlich 300 Millionen Euro zusätzlich erhält. Für Digitalisierung und Cybersicherheit stehen insgesamt rund 1,6 Milliarden Euro bereit. Damit machen wir im Bereich der Cybersicherheit einen großen Schritt nach vorne. Aber ja, wir müssen noch mehr tun, und mit unserer Cybersicherheitsagenda haben wir uns viel für die Zukunft vorgenommen. Wir werden in den nächsten zehn Jahren insgesamt etwa 20 Milliarden Euro investieren müssen. Das ist viel Geld, sehr viel Geld; aber Sicherheit gibt es auch in dem Bereich nicht zum Nulltarif, meine Damen und Herren. ({8}) Ich will das ausdrücklich betonen: Die Bedrohung durch Putin und die Folgen des furchtbaren Krieges in der Ukraine haben natürlich massive Auswirkungen auf die innere Sicherheit. Deswegen erleben wir auch eine Zeitenwende in der inneren Sicherheit. Das weiß auch der Finanzminister, meine Damen und Herren. In der aktuellen Lage steht das Thema Bevölkerungsschutz zu Recht besonders im Fokus. Es ist völlig klar: Wir müssen unser Land krisenfester machen. Wir müssen uns besser gegen Bedrohungen, aber auch gegen Klimafolgen wappnen. Und wir müssen die Bevölkerung besser schützen. Der Bevölkerungs- und Katastrophenschutz wird deshalb gegenüber der Finanzplanung um rund 145 Millionen Euro gestärkt, und es werden 146 neue Stellen für das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe geschaffen. Das ist ein großer Schritt nach vorne, meine Damen und Herren. ({9}) Aber es ist auch klar: Wir müssen hier weiter sehr viel in den nächsten Jahren investieren. Da gilt das Gleiche wie für die Cybersicherheit. Das ist der Bereich, der sich natürlich durch einen Krieg mitten in Europa verändert hat, was erhebliche Investitionen in der Zukunft nach sich ziehen wird. Aber an dieser Stelle werbe ich auch noch einmal dafür, dass es eine Gemeinschaftsleistung aller Bundesländer und des Bundes ist und nicht alleine beim Bund abgeladen werden darf, meine Damen und Herren. ({10}) THW und BBK stehen im Regierungsentwurf 2023 über eine halbe Milliarde Euro zur Verfügung. Damit werden wir die Warnstrukturen in den Ländern weiter modernisieren. Wir werden den Schutz vor chemischen, biologischen und nuklearen Gefahren erhöhen. Wir werden die Notstromversorgung der kritischen Infrastruktur verbessern und auch in das Projekt „Labor Betreuung 5.000“ weiter investieren, weil es so wichtig ist, für die verschiedenen Krisenlagen auch unterschiedlich gewappnet zu sein. ({11}) Die Mittel für das Technische Hilfswerk sollen vor allen Dingen der Unterstützung der THW-Ortskräfte dienen. Wir modernisieren die Ausstattung des THW weiter und stärken seine operativen Fähigkeiten. Außerdem investieren wir in den Auf- und Ausbau der THW-Logistikzentren. All das dient der inneren Sicherheit in unserem Land, meine Damen und Herren. Mein besonderes Dankeschön gilt all denjenigen, die mit dem THW beim größten Einsatz seiner Geschichte in der Bundesrepublik Deutschland im Ahrtal unterwegs waren, aber natürlich auch jetzt an unmittelbarer Hilfe für die Ukraine beteiligt sind. Herzlichen Dank an die vielen, vielen Tausend ehrenamtlich Tätigen, aber auch an die Hauptamtlichen des THW! ({12}) Es gibt einen Bereich, der sehr wichtig für den gesellschaftlichen Zusammenhalt ist, und das ist der Sport. Deswegen werden wir in diesem Jahr noch mal mit unserem Sportprogramm „ReStart“ massiv dafür werben, die örtlichen Sportvereine zu unterstützen, aber natürlich auch mit einem Bewegungsgipfel, der die Zukunft des Sports noch mal besonders hervorheben wird. Ich bin dafür dankbar, dass die Haushaltspolitiker/-innen diesen Weg mitgegangen sind. Vielen Dank dafür. Vor uns liegen große Herausforderungen, meine Damen und Herren. Das spornt mein Haus an. Der Haushaltsentwurf für das Jahr 2023 stärkt die innere Sicherheit, und er bietet eine gute Grundlage, um die Vorhaben des BMI in allen Politikbereichen voranzubringen, auch unter Einhaltung der Schuldenbremse. Zuletzt bedanke ich mich noch mal ganz herzlich bei den Haushaltspolitikerinnen und ‑politikern insbesondere der Koalition, bei Jamila Schäfer, bei Dr. Thorsten Lieb und bei Martin Gerster. Herzlichen Dank für die gute Zusammenarbeit. Ich bedanke mich aber auch bei Herrn Dr. Berghegger von der CDU und Herrn Perli von der Linkspartei. Vielen Dank für dieses gemeinsame Unterstützen der inneren Sicherheit. ({13})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächster Redner: für die CDU/CSU-Fraktion Alexander Throm. ({0})

Alexander Throm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004917, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wenn man über den Haushalt des Innenministeriums etwas Positives sagen will, dann das, dass er aus finanzpolitischer Sicht ein Sparhaushalt ist. Aber genau das ist das Problem. Aus innenpolitischer Sicht ist er eine Katastrophe. Frau Ministerin, Sie haben gesagt, wir hätten eine Zeitenwende. Ja, wir haben eine Zeitenwende, nur ist davon in Ihrem Haushalt nichts zu merken. Sie kürzen den Etat des Innern von fast 15 Milliarden Euro um 2,3 Milliarden Euro auf 12,7 Milliarden Euro. ({0}) Das ist innenpolitisch ein Offenbarungseid. ({1}) Sie fallen damit auf den Stand von 2017 zurück und nicht auf den Stand von 2020, als die Gelder für die Konjunkturpakete eingestellt wurden. 2017 – das war weit vor dem Krieg in der Ukraine, weit vor Corona, weit vor den Fluten. Ihr Vergleich mit der Finanzplanung, Frau Ministerin, wirkt schlicht hilflos. Ich bin mir sicher, Sie haben beim Finanzminister für mehr geworben, aber verloren. Ihre Amtsvorgänger haben jeweils steigende Ansätze für ihre Haushalte einwerben können. Offensichtlich ist bei der Ampel die Innenpolitik, die innere Sicherheit nicht so hoch angesehen. Nein, Frau Ministerin, Sie sind das letzte Jahr durch das Land gereist, haben viele Ankündigungen gemacht, aber von Umsetzung keine Spur. Sie können mit diesen Zahlen nicht das halten, was Sie versprochen haben. ({2}) Wir haben natürlich eine Zeitenwende seit dem 24. Februar, sodass wir die Sicherheitsbehörden auch entsprechend aufstellen müssen und auch aufrüsten. Wer hat das gesagt? Das waren Sie, Frau Faeser. Am 8. August sagten Sie in einem Interview in der „Welt“, dass wir die Sicherheitsbehörden auch aufrüsten müssten. Aufrüsten heißt für Sie: ein Minus im Sicherheitsbereich von über 1,4 Milliarden Euro. ({3}) Allein bei der Bundespolizei 400 Millionen Euro weniger! Und das in Zeiten einer Migrationskrise, von Flutgefahren und anderem. So kündigen Sie ja an, dass wir einen schwierigen Winter vor uns haben. Frau Ministerin, das passt nicht zusammen. Dann gibt es weitere Ankündigungen von Ihnen, auch in der „Bild“-Zeitung. So wollen Sie – das haben Sie heute auch gesagt – Hass und Hetze und insbesondere Kinderpornografie und Kindesmissbrauch bekämpfen. Hier ist überhaupt noch nichts umgesetzt. Auch beim BKA sparen Sie, zwar nur 25 Millionen Euro, aber Sie kürzen dort. Diese Kürzungen passen mit Ihren Versprechungen nicht zusammen. Sie sind schlicht eine Ankündigungsministerin. ({4}) Sie sprechen dann auch von einem Neustart im Bevölkerungsschutz, so jedenfalls die Erfindung Ihrer PR-Abteilung. Sie haben dabei bloß übersehen, dass der Neustart bereits 2019 begonnen hat. Ihr Neustart ist ein Fehlstart; ({5}) denn Sie kürzen die Mittel für das THW um 40 Prozent und für das BBK um 30 Prozent. Das passt nicht zusammen. ({6}) Sie waren in diesem Frühjahr auf der Innenministerkonferenz. Die Innenminister haben dort 10 Milliarden Euro in zehn Jahren für Bevölkerungs- und Zivilschutz gefordert, und Sie haben dem zugestimmt. ({7}) Jedenfalls haben die Innenminister Sie so verstanden, dass diese Forderung von Ihnen unterstützt wird. Nun gehen Sie aber mehr zurück als nach vorne. Das ist nicht in Ordnung und nicht verantwortbar, meine Kolleginnen und Kollegen. ({8}) Nur ein kleines Beispiel. Sie haben irgendwann in diesem Sommer davon gesprochen, dass Ehrenamtliche früher in Rente gehen können sollten. Aber bei den Mitteln für die Helfergewinnung, also wo es darum geht, Ehrenamtliche zu gewinnen, beispielsweise beim THW, machen Sie eine Vollbremsung praktisch auf null: von 7,6 Millionen Euro auf 0,6 Millionen Euro im nächsten Jahr. ({9}) Damit kann die Helfergewinnung nicht mehr in dem Maße stattfinden, wie sie für das THW und für einen resilienten Bevölkerungsschutz notwendig ist. Frau Ministerin, Ihnen war die Schlagzeile wichtiger, als tatsächlich Ehrenamtliche zu fördern und zu gewinnen. ({10}) In der Migrationspolitik sieht es ähnlich aus. Sie sprechen immer so schön von einem Paradigmenwechsel, den Sie vornehmen wollen. Dazu sollen die Integrationskurse für alle von Anfang an geöffnet werden. Der Haushalt sagt da aber etwas anderes: Da werden die Mittel für Integrationskurse um 10 Prozent gekürzt und die für Migrationsberatung für Erwachsene gar um 23 Prozent. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Ampel, insbesondere von den Grünen, das hätte sich ein Unionsinnenminister einmal trauen sollen in einer Situation, in der wir in Deutschland mehr Zuwanderung mit Fluchthintergrund haben als jemals zuvor! ({11}) Dann, Frau Ministerin, verkünden Sie einen Durchbruch in der europäischen Migrationspolitik beim Gipfel der Innenminister im Juni. Ehrlich gesagt war ich zunächst durchaus beeindruckt, allerdings sozusagen im negativen Sinne, weil ich Schlimmes befürchtet habe. ({12}) Ein paar Tage später nach Ihrer großen Pressemeldung sickerte dann durch, dass sich die Innenminister Europas auf ganze 10 000 Menschen geeinigt haben, die sie verteilen wollen. Liebe Frau Ministerin, das ist kein Durchbruch, das ist schlicht eine Luftnummer angesichts der Quantität. ({13}) – Herr Kollege, hören Sie zu! ({14}) Wir haben jeden Monat 10 000 Menschen, die nach Deutschland kommen, aus Syrien, aus Afghanistan, aus dem Irak. Im August waren es 16 000 Erstanträge, und die Zahl wächst, insgesamt sind es 2022 schon 132 000. ({15}) – Ich habe noch gar nicht angefangen, bleiben Sie doch mal ruhig. – Und da sind die Menschen aus der Ukraine noch gar nicht dabei. Die Länder, die Kommunen schreien Alarm, ({16}) die ersten Turnhallen werden belegt. Sie in der Ampel und auch Sie, Frau Ministerin, sind sich dieser Realität offensichtlich nicht bewusst. Sie schreiben Presseerklärungen, in denen Sie in blumigen Worten den Kommunen Danke sagen. Die Kommunen aber brauchen Hilfe, sie brauchen Unterstützung, sie brauchen vor allem eine Migrationssteuerung, durch die dafür gesorgt wird, dass sie entlastet werden und der Zuzug nicht täglich stärker wird. ({17}) Noch etwas. Sie haben im Zusammenhang mit diesem angeblichen Durchbruch gesagt, dass sich die Länder, die sich bei der Aufnahme nicht beteiligen wollen, finanziell entsprechend engagieren sollen. Ich habe Sie in diesem Sommer über eine Abgeordnetenanfrage dazu gefragt. Da musste Ihr Ministerium antworten, dass es im Ministerium über diese Zahlungen keinerlei Erkenntnisse gebe. Frau Ministerin, Sie sind mehr an der großen Schlagzeile interessiert als an der tatsächlichen Problemlösung. ({18}) Ungeachtet der Zeitenwende halten Sie an Ihrem Paradigmenwechsel in der Migrationspolitik fest, als ob wir nicht das Jahr mit der höchsten Zuwanderung in Deutschland hätten, als ob wir nicht den Krieg in der Ukraine hätten. Dass Sie mich nicht falsch verstehen: Wir wollen den Ukrainerinnen und Ukrainern helfen. ({19}) Aber beenden Sie Ihre migrationspolitische Geisterfahrt! ({20}) Sie fahren in eine andere Richtung als alle anderen europäischen Länder. Dort wird nämlich illegale Migration begrenzt. ({21}) Sie dagegen öffnen der illegalen Migration durch Anreize und Pull-Effekte Tür und Tor. Sie begehen damit einen Sonderweg in Europa, ({22}) und das ist in diesen Zeiten nicht richtig. ({23}) Zum Schluss ein kleiner Tipp für Ihren Sparhaushalt. Wenn Sie schon neun Monate das Amt des Sonderbevollmächtigten für Rückführungsabkommen und auch das Amt des Migrationsstaatssekretärs nicht besetzen, ({24}) dann streichen Sie diese Stellen doch einfach im Haushalt – und Sie sind weiter lieb Kind beim Finanzminister. Herzlichen Dank. ({25})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächste Rednerin: für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Jamila Schäfer. ({0})

Jamila Schäfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005200, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Innenministerin Faeser! Vor 50 Jahren wurden elf israelische Sportler und ein bayerischer Polizist von der palästinensischen Terrorgruppe Schwarzer September bei den Olympischen Spielen in München 1972 ermordet. Die Fehler der deutschen Behörden sind gravierend. Weder das Ausmaß noch der antisemitische Kontext der Tat wurden bis heute verstanden oder ausreichend aufgearbeitet. Deshalb bin ich Frau Innenministerin Faeser sehr dankbar, dass sie das Versagen unserer Gesellschaft und unserer Behörden klar benannt hat, dass sie eine unabhängige Kommission zur Untersuchung dieser Fehler einberufen hat und dass sie mit uns gemeinsam im Haushaltsausschuss nun endlich die Entschädigungszahlungen für die Opfer auf den Weg gebracht hat. ({0}) Für diese klare Haltung vielen Dank. Das möchte ich ganz herzlich als Münchnerin an dieser Stelle sagen. Auch in der Vergangenheit haben wir schon gut an dem Haushalt zusammengearbeitet. Und ich will es ehrlich sagen: Wir müssen jetzt auch wieder gut an diesem Haushalt zusammenarbeiten; denn es gibt noch parlamentarischen Nachbesserungsbedarf. ({1}) Leider wurde die Abmachung in der Bundesregierung nicht eingehalten, dass wir Cyberabwehr und Zivilschutz ausreichend ausfinanzieren, weil es nicht im Sondervermögen mit abgebildet ist. Es wurde versprochen, es im Haushalt zu machen; da gibt es aber noch Nachbesserungsbedarf. Das ist notwendig, weil wir nicht nur unsere Soldatinnen und Soldaten besser ausrüsten wollen, sondern natürlich auch diejenigen, die in Katastrophen- oder Kriegsfällen unsere eigene Bevölkerung schützen. Auch das Hochwasser im Ahrtal hat gezeigt: Probleme bei der Bahninfrastruktur oder bei den Meldeketten können verheerend, sie können tödlich sein. Die Klimakrise zeigt doch: Extreme Trockenheit, Waldbrände, Flutkatastrophen werden zunehmen. Darum können wir es uns jetzt nicht leisten, massiv am Zivilschutz zu sparen. Wenn wir die Investitionsstaus jetzt nicht abbauen, dann wird uns das am Ende doch noch viel teurer zu stehen kommen. ({2}) Es ist wichtiger denn je, auch die Cyberresilienz und die kritische Infrastruktur zu stärken. Denn viel wahrscheinlicher, als dass Putin uns jetzt mit konventionellen Waffen angreift, ist es doch, dass er beispielsweise unsere Krankenhäuser oder unsere Wasserinfrastruktur hacken wird. Wir dürfen Investitionen hier nicht zurückhalten; daher müssen wir diesen Bereich noch mal stärker in den Blick nehmen. Im Sinne von Krisenprävention ist es auch, die Integration weiter zu stärken. Wir brauchen Integrationskurse und gut ausgestattetes Fachpersonal in dem Bereich – nicht nur aus moralischen Gründen, sondern auch, um den Fachkräftemangel in diesem Land zu bekämpfen und unsere Kommunen zu stärken. Ich möchte noch einen letzten Punkt ansprechen, der mir besonders wichtig ist. Im Koalitionsvertrag haben wir ein Bundesaufnahmeprogramm für besonders gefährdete Menschen aus Afghanistan vereinbart. Ein Jahr nach dem katastrophalen Abzug der Truppen sitzen noch immer viele Menschen fest und verstecken sich vor den Taliban. Wir sollten unser Versprechen, sie zu schützen, nun endlich einlösen. Dafür zähle ich auf Ihre Unterstützung, Frau Faeser, und Sie können auch auf unsere Unterstützung hier im Parlament zählen. ({3}) Die Aufgaben sind groß; aber wir haben schon im letzten parlamentarischen Verfahren viel gewuppt. Dafür auch noch mal vielen Dank an meine Mitberichterstatter, insbesondere an Thorsten Lieb und Martin Gerster. Ich freue mich auf die konstruktive Zusammenarbeit, auch mit dem Bundesinnenministerium. Vielen Dank. ({4})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächster Redner: für die AfD-Fraktion Martin Hess. ({0})

Martin Hess (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004749, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein Innenminister, der seiner wichtigsten Aufgabe nachkommen und Sicherheit und Schutz für die Bürger in unserem Land gewährleisten will, muss zwingend eine ideologiefreie Lageanalyse betreiben und dann alle zur Stärkung der inneren Sicherheit erforderlichen Maßnahmen treffen. Aber Sie, Frau Innenministerin, tun ständig und beharrlich das Gegenteil. Wenn man Ihr Handeln betrachtet, muss man ganz klar feststellen: Noch nie zuvor war das Amt des Bundesinnenministers von einer dermaßen ideologisch bornierten und die Realität nahezu vollständig ignorierenden Person besetzt. ({0}) Beispiel Islamismus. Es kann niemand ernsthaft bezweifeln, dass der politische Islam und der islamistische Terror eine massive Sicherheitsgefahr für unser Land darstellen, die hart und entschlossen bekämpft werden muss. ({1}) Aber was tut die Innenministerin? Sie stellt ernsthaft die Arbeit des Expertenkreises Politischer Islamismus beim BMI ein. Wer bisher immer dachte, dass Sie lediglich unfähig, dilettantisch oder schlicht mit Ihrem Amt auf andere Weise überfordert wären, wird nun eines Besseren belehrt. Sie verweigern mit Wissen und Wollen die effektive Bekämpfung des Islamismus in unserem Land. Das kommt einer Kapitulation vor islamistischen Verbrechern gleich, und damit sind Sie als Innenministerin völlig untragbar. ({2}) Genauso unverantwortlich und im Grunde widersinnig ist Ihr Handeln im Bereich der Migrationspolitik. Sie beklagen – völlig zu Recht – ständig die Gewalt gegen, wie Sie es nennen, queere Personen, aber lassen Jahr für Jahr Zehntausende Menschen in unser Land, die aufgrund ihrer meist islamistischen Sozialisation genau diesen Hass mitbringen und in unserem Land auch umsetzen. Erst jüngst wurde der Transmann Malte ermordet. Der Täter war – das ist inzwischen ja in unserem Land zu einem Muster geworden – ein wegen Gewaltdelikten verurteilter muslimischer Flüchtling. Hätten Sie diesen Gewaltverbrecher nie ins Land gelassen oder ihn wenigstens abgeschoben, dann wäre Malte heute noch am Leben. Nehmen Sie das endlich zur Kenntnis. ({3}) Auch die explodierende Messerkriminalität in unserem Land wird von Ihnen moniert. Was Sie aber beharrlich ignorieren, ist, dass der Anteil ausländischer Tatverdächtiger exorbitant hoch ist und zum Beispiel in Baden-Württemberg schon seit Jahren über 50 Prozent liegt. Fakt ist: Ihre Migrationspolitik verschlechtert die Sicherheitslage in unserem Land von Tag zu Tag. Effektiver Grenzschutz und Abschiebungen sind das Gebot der Stunde, und das muss jetzt endlich umgesetzt werden. ({4}) Hören Sie auf, ständig legitimen Bürgerprotest zu diffamieren. Dass durch die Einführung des Phänomenbereichs „Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“ ({5}) jetzt nahezu jeder Bürger, der die Regierung hart und überspitzt kritisiert, in Gefahr geraten kann, vom Verfassungsschutz beobachtet zu werden, ist für überzeugte und aufrechte Demokraten nicht hinnehmbar und muss schnellstens korrigiert werden. ({6}) Denn die Begründung, dass durch allzu scharf formulierte Kritik an der Regierung das Vertrauen in den Staat verloren geht, ist ja hanebüchen. Merken Sie sich eins: Vertrauen in den Staat geht nicht durch Kritik an der Regierung verloren, sondern durch Ihre desaströse Politik, die katastrophale Folgen für die Bürger unseres Landes hat. ({7}) Wenn durch Ihre fatalen Fehlentscheidungen im Herbst und Winter für Tausende Bürger das Leben unbezahlbar wird, unzählige Firmen pleitegehen und die Arbeitslosigkeit explodiert, ({8}) dann ist es das grundgesetzlich verbriefte Recht eines jeden Bürgers unseres Landes, auf die Straße zu gehen und der Regierung auch und gerade in schonungsloser und direkter Form die Rote Karte zu zeigen. ({9}) Wer diese berechtigten Proteste, wie Sie das ständig tun, als „rechtsextrem“ diffamiert und das sogar präventiv, aber gleichzeitig Aktionen von Fridays for Future oder Black Lives Matter aus ideologischen Gründen ausdrücklich begrüßt, beschädigt unsere Demokratie und verhält sich eines Innenministers unwürdig. ({10}) Frau Ministerin, Sie sind nicht nur eine ideologisch verblendete sicherheitspolitische Geisterfahrerin und damit eine glatte Fehlbesetzung in unserem Land, nein, Sie sind wesentlich mehr: Sie sind eine massive Gefahr für die innere Sicherheit und die Demokratie in unserem Land. ({11}) Je früher Sie abtreten, desto besser für uns alle. ({12})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächster Redner: für die FDP-Fraktion Dr. Thorsten Lieb. ({0})

Dr. Thorsten Lieb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005129, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Frau Bundesministerin Faeser! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde es einfach unfassbar, welche Propaganda man sich hier von diesem Rednerpult in diesem Hohen Hause anhören muss. Das war ein neuer Tiefpunkt der Haushaltsdebatte in dieser Woche. ({0}) Wir beraten in einer denkwürdigen Woche heute über den Einzelplan des Bundesministeriums des Innern und für Heimat. ({1}) – Es ist ja gut; ich habe es verstanden. – Diesen Montag wurde endlich und überfällig – – ({2}) – Haben wir es gleich? Danke. – Diesen Montag wurde endlich und überfällig eine Vereinbarung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den israelischen Hinterbliebenen des Olympiaattentats – – ({3}) – Wissen Sie, ich rede über ein Attentat von vor 50 Jahren, und Sie haben nichts Besseres zu tun, als reinzureden. Das nenne ich mal eine respektvolle Debatte, verehrte Kolleginnen und Kollegen. ({4}) Die Anerkennungsleistung in Höhe von 28 Millionen Euro war überfällig, und es war Zeit. Nach 50 Jahren gibt es eine Lösung, und ich habe dieser gerne im Haushaltsausschuss zugestimmt, sodass wir das gemeinsam auf den Weg bringen konnten. ({5}) Am Dienstag hat – wir erinnern uns alle – der israelische Staatspräsident in einer denkwürdigen und bewegenden Rede hier im Hause dazu aufgerufen, die Partnerschaft zwischen Deutschland und Israel weiter zu vertiefen. Diese Partnerschaft wird in Anbetracht der Geschichte, die wir niemals vergessen dürfen und werden, immer eine besondere sein. Niemals, liebe Kolleginnen und Kollegen, darf das Gedenken daran aufhören. ({6}) Leider ist Antisemitismus immer noch ein Thema. Die Anzahl antisemitischer Straftaten in Deutschland hat sich nach aktuellen Zahlen im Jahr 2021 um 29 Prozent gegenüber dem Vorjahr auf über 3 000 Delikte erhöht. Ich bleibe dabei, was ich bereits bei den Haushaltsberatungen für dieses Jahr formuliert hatte: Wir dürfen nie nachlassen, Antisemitismus in diesem Land mit aller Konsequenz zu bekämpfen, solange irgendeine jüdische Einrichtung in diesem Land unter Polizeischutz stehen muss, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({7}) Deswegen halte ich es für wichtig und notwendig, dass wir weiterhin im Haushalt einen besonderen Schwerpunkt auf dieses wichtige Thema legen. ({8}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Einzelplanberatungen werden schwierig in diesem Jahr; wir haben mehrfach darüber gesprochen. Wir wollen und wir werden als Koalition die Schuldenbremse einhalten. Sie ist nicht nur Vorgabe der Verfassung, sie dämpft Inflation, und sie schützt nachfolgende Generationen vor übermäßigen Schulden. Deutschland muss in finanzpolitischer Hinsicht Stabilitätsanker in der Europäischen Union bleiben. Und nicht zu vergessen: In Zeiten von Krise ist haushaltspolitische Solidität auch die Sicherstellung von Handlungsspielraum in der Zukunft, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({9}) Im innenpolitischen Bereich mit den Kernbereichen innere Sicherheit – das ist angesprochen worden –, Cybersicherheit und Bevölkerungsschutz spüren wir diese Herausforderung besonders. Als Haushälter werden wir uns diesen Entwurf natürlich sehr genau anschauen und prüfen, ob und wo – auch tagesaktuell – noch Handlungsbedarf besteht. Schon daher, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, greift es völlig zu kurz, wenn Sie wie der Kollege Kiesewetter vorgestern oder heute der Kollege Throm von einer Schwächung wichtiger Säulen unserer Sicherheitsarchitektur sprechen oder gar von einem Offenbarungseid in der Innen- und Sicherheitspolitik. Im Gegenteil: Das zeugt von Ihrer Unkenntnis der Zahlen. Sie haben Äpfel mit Birnen verglichen, nämlich einen Haushalt mit Bauministeriumsanteil verglichen mit einem ohne. ({10}) Denn bei Berücksichtigung des Auslaufens der Konjunkturmittel ist, wie schon erwähnt, ein klarer Aufwuchs im Etat festzustellen. Das ist ein wichtiges Signal für die innere Sicherheit in diesem Land. ({11}) Wie schon angesprochen, werden alleine im Bereich des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe 146 neue Stellen geschaffen. Wir schlagen als FDP in Umsetzung des Koalitionsvertrages vor, dass wir auch endlich verfassungsrechtlich verankern, dass das Bundesamt eine Zentralstellenfunktion erhält. Aber nicht nur dort setzen wir als Koalition Schwerpunkte. Das BSI erfährt einen enormen Mittelaufwuchs auf über 250 Millionen Euro, damit die dringend notwendige Stärkung des BSI erfolgen kann. Dort insbesondere sind die Mittel zur Bekämpfung von Cyberkriminalität und zur Abwehr von Cyberangriffen hinterlegt. Auch im Bereich der IT- und Netzpolitik verdoppeln wir unter Berücksichtigung von Sondereffekten fast die Mittelansätze. Das ist ein starkes Zeichen der Handlungsfähigkeit dieser Koalition in schwierigen Zeiten. Deswegen sind wir als Koalition gespannt, welche konkreten Vorschläge von Ihrer Seite in den Beratungen kommen werden. Ich freue mich jedenfalls darauf. Das werden spannende Beratungen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielen Dank. ({12})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächster Redner: für die Fraktion Die Linke Dr. André Hahn. ({0})

Dr. André Hahn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004288, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Coronapandemie, Russlands Krieg gegen die Ukraine, Klimawandel und Energiekrise – all das hat auch Folgen für die Zuständigkeiten des Bundesministeriums des Inneren und für Heimat sowie für den Sport, auch wenn „Sport“ leider immer noch nicht im Namen des Ministeriums enthalten ist. Der vorliegende Haushaltsentwurf wird der sich daraus ergebenden Verantwortung aus meiner Sicht leider nicht in allen Bereichen gerecht. Das beginnt beim Schutz der Bevölkerung vor zivilen Katastrophen und geht weiter bis zum Sport. Frau Ministerin, ich kann Ihre Begeisterung für unsere Fußballnationalmannschaft der Frauen durchaus verstehen. ({0}) Aber muss man deshalb gleich dreimal binnen weniger Tage auf Kosten der Steuerzahler zu Spielen unseres Teams während der Europameisterschaft nach London fliegen? Müssen wir, und hier meine ich den Bund, das Land Bayern und die Stadt München, die vor wenigen Tagen stattgefundenen und durchaus beeindruckenden European Championships mit rund 100 Millionen Euro unterstützen? Und muss der Bund die Fußballeuropameisterschaft 2024 der UEFA mit einem zweistelligen Millionenbetrag fördern? ({1}) Das alles wird die Zustimmung der Bevölkerung für weitere Olympiabewerbungen in Deutschland kaum befördern. Das gilt im Übrigen auch für das Militärsportfest Invictus Games, für die im Verteidigungshaushalt 35 Millionen Euro eingeplant sind. Gleichzeitig – und darauf kommt es an, Frau Ministerin – warten die 90 000 Sportvereine, die für den Schulsport und Schwimmunterricht Verantwortlichen, die Betreiber von Fitnessstudios oder Gesundheitssportseinrichtungen bislang vergeblich auf jede Unterstützung, die zwingend erforderlich ist, damit angesichts der Energieknappheit und der schon jetzt spürbaren Preissteigerungen nicht wieder Schwimmbäder und Sportstätten geschlossen werden wie schon in der Coronapandemie. Fakt ist: In den drei Entlastungspäckchen der Bundesregierung kommt der Sport wieder einmal nicht vor. Wo waren Sie eigentlich in diesen Verhandlungen, Frau Ministerin Faeser? ({2}) Die vor sechs Jahren von der Bundesregierung und dem DOSB beschlossene Spitzensportreform erweist sich zunehmend als gescheitert. Statt endlich dem Sanierungsstau bei den Sportstätten und Schwimmbädern mit einem überfälligen vierten Goldenen Plan Sport zu begegnen, wollen Sie die schon jetzt viel zu mickrigen Förderprogramme des Bundes 2023 abfinanzieren, sprich: zukünftig kürzen. Dafür sind Sie, Frau Faeser, gemeinsam mit der Bundesbauministerin verantwortlich. Für Die Linke ist das der eindeutig falsche Weg. ({3}) Zu kritisieren sind zudem weitere Kürzungen im Innenministerium. Bei uns leben aktuell circa 3 Millionen Geflüchtete – darunter auch Geflüchtete aus der Ukraine –, und dennoch sollen bei den Integrationskursen 71 Millionen Euro eingespart und bei der Migrationsberatung 16 Millionen Euro abgezogen werden. Das Bundesaufnahmeprogramm für aus politischen Gründen Verfolgte oder auch ehemalige Ortskräfte aus Afghanistan steht in den Sternen und ist nicht ausfinanziert. ({4}) „Der Schutz unserer Bevölkerung bekommt nun endlich die Priorität, die er schon längst hätte haben müssen.“ Das waren Ihre großen Worte, Frau Faeser, als Sie zum Jahrestag der Flutkatastrophe im Ahrtal im Juli von einem Neustart sprachen. Im Haushaltsentwurf ist davon nicht viel zu sehen. Ganz im Gegenteil: Sie ziehen Gelder beim Technischen Hilfswerk und beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe ab, statt den Etat aufzustocken. Vor allem bei den ehrenamtlich Tätigen setzen Sie den Rotstift an. Das ist völlig inakzeptabel. ({5}) Und wenn hierzulande gerade Waldbrände zum Teil wochenlang wüten, auch bei mir im Nationalpark Sächsische Schweiz, kürzen Sie ausgerechnet Gelder bei den wasserwirtschaftlichen Vorsorgemaßnahmen, bei denen es auch um Löschwasser geht. Das ist absurd. ({6}) Die Feuerwehren und die weiteren Einsatzkräfte verdienen unser aller Dank, aber eben auch unsere Unterstützung. Die Realität sieht leider anders aus: Löschhubschrauber fehlen, Löschflugzeuge wollen Sie gar nicht beschaffen. 100 Milliarden Euro für die Rüstung machen Sie dagegen binnen weniger Wochen locker. Diese Politik geht in die absolut falsche Richtung. ({7}) Sie wollen nicht nur immer mehr Personal beim Verfassungsschutz, sondern vor allem beim Bundeskriminalamt und der Bundespolizei, obwohl dort sage und schreibe derzeit fast 10 000 Stellen unbesetzt sind. Sie wollen immer noch mehr Stellen, die Sie aber gar nicht besetzen können. Auch das können wir nicht unterstützen. ({8}) Abschließend noch einen Satz zum öffentlichen Dienst. Zigtausend Beschäftigte in den unteren und mittleren Gehaltsgruppen spüren schon jetzt die Auswirkungen der Preisentwicklungen. Der aktuelle Tarifvertrag endet dieses Jahr am 31. Dezember. In Ihrem Haushalt gibt es keine Vorsorge für die absehbaren Tariferhöhungen, die wir unterstützen. Auch das wäre Ihre Verantwortung gewesen, dort entsprechend Geld einzustellen. Herzlichen Dank. ({9})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächster Redner: für die SPD-Fraktion Martin Gerster. ({0})

Martin Gerster (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003758, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin Nancy Faeser! Die Folgen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine, die Coronapandemie und die Auswirkungen des Klimawandels, ja, das sind schon riesengroße Herausforderungen – keine leichte Aufgabe unter Einhaltung der Schuldenbremse einen Haushaltsentwurf für das Jahr 2023 aufzustellen. Das gilt insbesondere für die Innenpolitik; denn Sicherheit, Integration, Zusammenhalt, Digitalisierung, politische Bildung und auch der Sport sind wichtiger denn je. Ich verstehe ja: Es ist Aufgabe der Opposition, Sachverhalte zuzuspitzen, zu übertreiben, zu dramatisieren. Aber ich finde, angesichts der multiplen Krisen, die uns zu schaffen machen, darf man in politischen Debatten schon ein wenig mehr Redlichkeit erwarten, gerade in diesen schwierigen Zeiten. ({0}) Es ist, finde ich, auch von einer Opposition nicht zu viel verlangt, etwas mehr zu differenzieren und genauer hinzusehen, anstatt nur zwei Zahlen miteinander zu vergleichen. ({1}) Diesen Anspruch habe ich vor allem – das muss ich ehrlich sagen – auch an unseren früheren Koalitionspartner, die CDU/CSU. Einerseits heißt es da nämlich immer, die Schuldenbremse müsse eingehalten werden. Andererseits wird bei jedem Bereich, insbesondere der Innenpolitik, kritisiert, dass der Haushaltsansatz ja viel zu niedrig sei. Das passt, finde ich, schon mal überhaupt gar nicht zusammen. ({2}) Dann wird landauf, landab über angeblich skandalöse Kürzungen im Etat der Bundesinnenministerin hergezogen. Verschwiegen wird, dass der Baubereich in ein neues Ministerium überführt wurde. Verschwiegen wird auch, dass mit den Corona-Konjunkturpaketen wir ja ganz bewusst Investitionen in die innere Sicherheit vorgezogen haben, und das in der erheblichen Summe von 2 Milliarden Euro. Von vornherein war doch klar, dass diese zusätzlichen Sondermittel zeitlich befristet sind und nun, wie geplant, auch zum Jahresende auslaufen. Keine Überraschung und erst recht keine Katastrophe und kein Skandal. ({3}) Vielmehr muss man doch sagen: Gut, dass wir es gemacht haben. Denn wenn man sich anschaut, was wir jetzt zur Verfügung haben, dann sind wir doch froh, dass wir beispielsweise 700 Millionen Euro bei der Bundespolizei vorab investiert haben, dass wir bei der Bundespolizei neue Schiffe in der Ostsee haben, wie ich mit der Kollegin Bettina Hagedorn neulich in Neustadt in Ostholstein betrachten konnte, und das ist wichtig in Anbetracht der neuen Lage in der Ostsee. Wenn ich daran denke, dass das THW in den letzten zweieinhalb Jahren 2 500 neue Fahrzeuge für die 668 Ortsverbände erhalten hat, dann muss ich sagen: Zum Glück haben wir das vorgezogen; denn sonst hätten wir diese Fahrzeuge gar nicht gehabt bei den großen Krisenlagen in den letzten paar Monaten. ({4}) Auch das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe hat von Sondermitteln in Höhe von 300 Millionen Euro profitiert, beispielsweise für die Beschaffung von modernen Sirenen, um den Ländern zu helfen, weil diese ja ihrer eigentlichen Aufgabe nicht nachkommen. Und da finde ich es schon ziemlich unverfroren – herzliche Grüße nach Stuttgart und Düsseldorf! –, wenn die dortigen Landesinnenminister jetzt den Bund kritisieren, dass wir das nicht dauerhaft machen, sondern diese hohen Sondermittel jetzt, wie geplant, etwas zurückführen. ({5}) Ich bin der Meinung: Darüber müssen wir reden. Jedenfalls glaube ich, dass der Haushaltsentwurf in Ordnung ist. Er ist eine gute Arbeitsgrundlage. Es stehen gute Dinge drin. ({6}) Im Vergleich zur Finanzplanung gibt es auch 1,5 Milliarden Euro zusätzlich, bei der Bundespolizei plus 1 000 zusätzliche Stellen, beim BKA plus 180, beim BBK 146. ({7}) Also, ich kann die Liste noch lange fortsetzen. Viel Gutes ist drin. Selbstverständlich ist der Haushaltsentwurf nicht perfekt. Hier und da merkt man schon: Die Decke ist knapp, vielleicht viel zu knapp. Aber dafür gibt es ja uns Haushälter. Ich freue mich auf die Beratungen in den nächsten paar Wochen, insbesondere mit Jamila Schäfer und mit Thorsten Lieb. Das hat ja letztes Mal ganz hervorragend geklappt, wenn wir uns anschauen, wie viel wir umgeschichtet und noch mal zusätzlich mobilisiert haben. Jedenfalls freue ich mich auf die Diskussionen. Ich bin mir sicher, dass wir diesen Haushaltsentwurf schon noch mal ein ganzes Stück besser machen können. Aus Gutem kann man immer noch was Besseres machen. Das ist das Motto für den Einzelplan 06 in den nächsten Wochen. Herzlichen Dank. ({8})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächste Rednerin: für die Fraktion CDU/CSU Mechthilde Wittmann. ({0})

Mechthilde Wittmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005261, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich eines voranstellen, weil ich glaube, dass es wichtig ist, dies zu erwähnen, wenn wir über die Zahlen, die ich jetzt gleich anführen werde, reden: Selbstverständlich, Herr Dr. Lieb, hat die Unionsfraktion das Bauministerium in sämtlichen Betrachtungen herausgerechnet. ({0}) Herr Dr. Lieb, ich kann Ihnen nur eines sagen: Diese Behauptung, die Sie vorhin aufgestellt haben, in der Hoffnung, zu retten, was hier bei diesem Haushalt noch zu retten ist, ist schlicht unseriös, ({1}) und sie erinnert mich an das unseriöse Verhalten Ihres Finanzministers bei dem entglittenen Haushalt 2023. ({2}) Frau Bundesministerin Faeser, Sie haben vor drei Tagen beim Empfang der Sicherheitsbehörden gesagt: Sicherheit kostet. – Da sind wir vollkommen an Ihrer Seite. Sie haben jetzt gesagt: Sicherheit ist nicht selbstverständlich. – Und auch da sind wir an Ihrer Seite. Ich sehe Ihr Bestreben, etwas zu tun, was auch von uns mitgetragen wird, nämlich in irgendeiner Form Haushaltsdisziplin zu wahren. Seriosität macht sich auch daran fest. Es ist bedauerlich genug, dass sowohl die Kollegin Schäfer als auch der Kollege Gerster von sich aus gesagt haben, welchen Nachbesserungsbedarf denn der Haushalt des Innenministeriums noch hat. Ich habe das Gefühl, Sie werden im Stich gelassen von Ihren eigenen Leuten, nicht nur von den FDP-Ministern Buschmann und Lindner. ({3}) Tatsächlich ist es so, dass dieser Haushalt natürlich um 2,2 Milliarden Euro gekürzt wird. Und tatsächlich ist es so, dass Mammutaufgaben vor uns stehen, nicht nur im Bereich der Migration und Integration, sondern vor allem im Bereich der Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger. Unsere Bürgerinnen und Bürger fühlen sich unsicher angesichts von Straftaten und Kriminalität – das wissen wir –, trotz des tatsächlich gestiegenen Sicherheitsstandards bei uns in der Bundesrepublik Deutschland. Aber sie fühlen sich auch unsicher angesichts von Naturkatastrophen, die diese Zeit mit sich bringt, und von vielen Dingen, mit denen sie nicht gerechnet haben. Lassen Sie mich zum ersten Bereich kommen. Wir hatten im Jahr 2015 1,5 Millionen Flüchtlinge, die zu uns kamen. Im Jahr 2022 verzeichnen wir jetzt schon 1 Million Flüchtlinge aus der Ukraine und einen weiteren Anstieg aus anderen Ländern. Insgesamt sind knapp 3 Millionen Flüchtlinge im Land. Und dennoch kürzen Sie im so wichtigen Bereich der Integrationskurse um mehr als 70 Millionen Euro, und Sie kürzen bei den Migrationsberatungen ebenfalls noch mal um 13 Millionen Euro. Meine Damen und Herren, allein der bayerische Haushalt hat ein höheres Volumen im Bereich Migration und Integration als der Bundeshaushalt. Er ist um 200 Millionen Euro höher als der Bundeshaushalt. ({4}) Das zeigt die Bedarfe, die wir hier haben. Aber stattdessen stecken Sie 20 Millionen Euro neu in behördenunabhängige Asylverfahrensberatung. Die Ergebnisse, die so etwas bringt, sehen wir verzweifelt vor Ort. Wissen Sie, wo Sie noch kürzen? Es wurde noch gar nicht erwähnt: Im Bereich der Leistungen im Rahmen der humanitären Aufnahme, für die sich diese Bundesregierung so gerne rühmt, kürzen Sie um 60 Prozent – um 60 Prozent! Ich kann Sie nicht verstehen. Das Chancen-Aufenthaltsrecht, das Sie so rühmen, hat einen Mittelbedarf von über 70 Millionen Euro. Kein einziger Euro ist in Ihrem Haushalt dafür ausgewiesen – kein einziger! Lassen Sie mich vielleicht rein inhaltlich noch etwas sagen: Wenn wir Menschen, die fünf Jahre da sind, darin stützen wollen, dass sie eventuell jetzt mal anfangen, ihre Identität zu klären, dann, glaube ich, geht hier etwas vollkommen in die falsche Richtung. Dafür hatten sie Zeit in fünf Jahren. ({5}) Lassen Sie mich weitergehen zum Thema des Extremismus. Ja, beim Rechtsextremismus passt kein Blatt zwischen uns. Wir werden fest an Ihrer Seite stehen, um diesen massiv zu bekämpfen. Aber wieder einmal, auch in diesem Haushalt, ist Ihr Auge blind vor den Gefahren des Linksextremismus. Ich sage es Ihnen noch mal, wie schon die letzten Male: Der Linksextremismus richtet sich gegen die staatliche Ordnung und ihre Vollzugsorgane und dabei in erster Linie gegen unsere Polizistinnen und Polizisten, die nichts davon haben, wenn wir sie da nicht stützen, selbst wenn Sie sagen, Sie würden hinter ihnen stehen. ({6}) Der Stellenaufwuchs bei Bundespolizei und Bundeskriminalamt ist richtig. Da sind wir an Ihrer Seite. Aber was hilft es dem Polizisten, wenn eine halbe Milliarde Euro bei der Ausrüstung fehlt? Sie können sie doch nicht blank gehen lassen in eine teilweise hohe Bedrohungslage. Sie lassen sie im Stich, wenn Sie sie nicht ausreichend ausrüsten. Und auch hier hat dieser Haushalt seine Fehler. ({7}) Sie sprechen von Bevölkerungsschutz, und Sie sagen, auch hier würden Sie entsprechend stützen. Schon Frau Schäfer hat gesagt, dass hier erheblicher Nachholbedarf besteht. Und es klingt geradezu zynisch, wenn Sie mir sagen, dass dies alles – ich habe den Zuruf aus der FDP gehört – ein Selbstzweck wäre. Sagen Sie mal, wo leben Sie eigentlich? ({8}) Es ist nicht Selbstzweck, unsere Bevölkerung zu schützen. Es ist nicht Selbstzweck, im Katastrophenfall zu helfen. Deswegen kann es nicht sein, dass wir hier in diesem Maße kürzen: 30 Prozent beim THW, 40 Prozent beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe. ({9}) Nur dass wir uns noch mal erinnern: Dieses wurde einst von Rot-Grün aufgelöst und musste unter der Unionsführung wieder entsprechend aufgebaut werden, und das ist uns gelungen. ({10}) Lassen Sie mich hier noch einmal ein ganzes Stück weitergehen. Sie wollen das Ehrenamt stützen. Das ist unser aller Bedürfnis; das wollen auch wir. Gleichzeitig streichen Sie allein beim Ehrenamt im Bereich des BBK eine Viertelmillion Euro. Und ähnlich sieht es aus beim THW; denn dort haben Sie die Mittel, wenn es um das Ehrenamt geht, von 7,6 Millionen auf 0,6 Millionen Euro gestrichen. Das ist ein Schlag ins Gesicht all derer, die wir brauchen, damit sie uns vor Ort helfen, all derer, die zuerst da sind, wenn die Katastrophe passiert, und die unsere gesamte Unterstützung brauchen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, bei diesem Haushalt besteht – Frau Schäfer und Herr Gerster, ich kann Ihnen nur zustimmen – erheblicher Nachholbedarf. Wir sind an Ihrer Seite. Bewegen Sie sich! Setzen Sie sich gegen die Kollegen von der FDP durch! Vielen Dank. ({11})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächste Rednerin: für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Lamya Kaddor. ({0})

Lamya Kaddor (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005095, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Danke für die Mahnung und das Gedenken an den schrecklichen Terror vor 50 Jahren in München. Ich möchte aber auch noch daran erinnern, dass heute vor 22 Jahren Enver Şimşek vom NSU ermordet worden ist und diese Tat erst 11 Jahre später tatsächlich aufgeklärt werden konnte. Wir befinden uns in der Haushaltsdebatte, begleitet von hochangespannten und auch sehr dynamischen Entwicklungen. Sie bereiten, übrigens wie schon zur Coronakrise, den Boden für extremistische Bestrebungen. Akteurinnen und Akteure nutzen diese für das hehre Mittel des Protests. Ich sage es hier ganz deutlich: Solche unterwanderten Proteste sind zu einem Booster der extremen Rechten geworden, der nicht unterschätzt und vor allem nicht als Spaziergang oder freie Meinungsäußerung, wie wir es hier zum Teil ja gerade gehört haben, verharmlost werden darf. ({0}) Als Staat ist es unsere Aufgabe – ja, da lachen Sie jetzt –, dieses Unterlaufen berechtigter Protestanliegen besonders im Blick zu behalten. ({1}) Liebe Frau Bundesinnenministerin, vor zwölf Monaten haben wir die Bundestagswahlen gewonnen, und vor zehn Monaten hat diese Koalition ihre Arbeit aufgenommen. Seitdem, so behaupten böse Zungen, wäre in der Innenpolitik wenig bis nichts passiert, und Herr Seehofers Geist würde durch die Flure des Bundesinnenministeriums wabern. Das ist so nicht richtig. Ich war ja des Öfteren da. ({2}) Wir Grüne stehen bereit: ({3}) Wir haben einen ambitionierten Koalitionsvertrag, um eine liberale, humane und den Sicherheitsinteressen unseres Landes entsprechende zielgenaue Politik anzugehen, sei es beim Staatsbürgerschaftsrecht, bei der Konkretisierung des Aktionsplans gegen Rechtsextremismus oder dem Demokratiefördergesetz genauso wie bei der Novellierung des Bundespolizeigesetzes. Wir setzen auf Prävention gegen jeglichen Extremismus, auch den Islamismus übrigens – ja, auch den, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition. Doch wer wie ich gegen Islamismus kämpft, der muss wissen und weiß in der Regel auch: Islamfeindlichkeit ist die andere Seite dieser Medaille. ({4}) Der Einzelplan 06, über den wir hier sprechen, hat die meisten Kürzungen zu verzeichnen; aber an Prävention dürfen wir nicht sparen. ({5}) Sehr geehrte Damen und Herren, im Sommer war ich in Euskirchen. Allein dort starben 26 Menschen bei der schlimmsten Hochwasserkatastrophe seit Langem, 182 Personen insgesamt. Was sollen wir den Menschen vor Ort sagen, wenn die Warnungen vor Hochwasser oder Stromausfall das nächste Mal wieder nicht oder zu spät ankommen sollten? Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz soll eine Steuerungsfunktion haben, und dass wir dafür Geld in den Haushalt einstellen, war eine Verabredung. Doch blicke ich in den aktuellen Haushaltsentwurf – das muss ich kritisch anmerken –, kann ich das nicht finden. Da müssen wir gemeinsame Wege finden, hier zu einem Aufwuchs zu kommen. ({6}) Aber auch andere Bedrohungsszenarien müssen rechtzeitig erfasst werden können. Ich werde mir heute das Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum in Treptow anschauen. Ich bin überzeugt, dass die Beamtinnen und Beamten dort hervorragende Arbeit leisten. Nur ist ihr Auftraggeber, abgekürzt GTAZ, formal keine eigenständige Behörde, sondern nur eine Kooperationsplattform der mit der Terrorismusbekämpfung befassten Bundes- und Landesbehörden, die unter faktischer Führung des BKA für eine verbesserte Koordinierung und damit für Kontrolle sorgen soll. Seit Jahren wissen wir aber, dass die von Otto Schily im Jahre 2004 als Behelfslösung eingeführte Stelle endlich eine Rechtsgrundlage braucht, schon allein zur Abgrenzung zwischen Polizei und Sicherheitsbehörden. Ich erinnere Sie auch hier gerne an unseren Koalitionsvertrag. Sehr geehrte Damen und Herren, wir erleben eine Verdichtung und Gleichzeitigkeit der Krisen – Migrationskrise, Klimakrise, Coronakrise, Energiekrise –, und diese Koalition muss alles dafür tun, um Zusammenhalt und Sicherheit in unserem Land weiterhin zu gewährleisten. Wenn eine Militärmacht wie Russland ein Land mitten in Europa überfällt, wenn Cyberangriffe ausländischer Dienste Normalität sind, wenn Stresstests gefahren werden müssen, der Gaspreis explodiert, wird der politische und monetäre Handlungsspielraum eng. Wir stehen hier aber im Wort gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern, für ihre innere und äußere Sicherheit weiterhin zu sorgen. Der Zusammenhang zwischen gelungener Außenpolitik und kluger Innenpolitik war immer schon groß; er war vielleicht nie größer als heute. Deshalb lassen Sie uns mit Verstand, Herzblut und großem Mut in diesen Winter und auch in diese Haushaltsverhandlungen gehen. Vielen Dank. ({7})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächster Redner: für die AfD-Fraktion Marcus Bühl. ({0})

Marcus Bühl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004687, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte meine Rede mit einem großen Dankeschön beginnen. Unser Dank gilt den Feuerwehren, dem THW, der Bundeswehr, der Bundespolizei und allen weiteren Kräften bei der Bekämpfung zahlreicher Waldbrände in diesem Sommer, zum Beispiel in Sachsen oder in Berlin. Die Einsatzkräfte zeigen vollen Einsatz und geben ihr Bestes. Vielen Dank dafür! ({0}) Jetzt komme ich zum unerfreulichen Teil, dem Haushaltsentwurf der links-gelben Bundesregierung. Während durch die explodierenden Energiepreise Milliarden an Steuergeldern zusätzlich in die Staatskasse gespült werden und die vereinnahmten Steuern unter anderem dafür verwendet werden sollen, um für andere Länder die Folgen des Ukrainekrieges abzumildern, will Links-Gelb an der Sicherheit der eigenen Bürger sparen. So erhalten laut Haushaltsentwurf für 2023 das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe 112 Millionen Euro und das Technische Hilfswerk 158 Millionen Euro weniger, und das vor dem Hintergrund der vielen Brandeinsätze in diesem Jahr. „Entsetzen und völliges Unverständnis“, so kommentiert der Deutsche Feuerwehrverband die Höhe der zugeschriebenen Mittel. Frau Ministerin, das kann ja wohl alles nicht wahr sein. Aber nicht mit uns! ({1}) Die Sicherheit unserer Bürger hat für uns oberste Priorität. Sparpotenziale sehen wir an ganz anderen Stellen, zum Beispiel bei Hunderttausenden ausreisepflichtiger Asylbewerber und einer völlig gescheiterten Energiewende, aber garantiert nicht beim Bevölkerungsschutz. ({2}) Für die Brandbekämpfung brauchen wir moderne Löschhubschrauber in ausreichender Anzahl. Da kann es nicht angehen, dass der Bundestag 2019 zwar die Beschaffung neuer Transporthubschrauber für die Bundespolizei und damit den Ersatz der circa 40 Jahre alten Maschinen beschlossen hat, aber nach drei Jahren noch nicht einmal die Auftragsvergabe erfolgt ist. Und noch immer funktioniert der Digitalfunk in Einsatzlagen an vielen Stellen nicht störungsfrei. Die Einsatzkräfte in Tunneln oder Funktionsgebäuden wissen, was ich meine. Bei Vor-Ort-Besuchen habe ich mir von der Situation ein ausführliches Bild machen können. So wie wir unsere Einsatz- und Rettungskräfte optimal ausstatten müssen, so gilt es auch, Opfern von Katastrophen schnell und unbürokratisch zu helfen. Das Versagen vieler politisch Verantwortlicher während der Flutkatastrophe im Ahrtal hat schon fassungslos gemacht. Dass von den versprochenen Hilfsgeldern nach inzwischen über einem Jahr bisher nur ein Bruchteil ausgezahlt wurde, reiht sich in diese Kette ein. Die Betroffenen brauchen jetzt ihre Hilfen ausgezahlt, statt gelegentlich vorbeischauende Politiker Ihrer Parteien, die betroffen gucken und ein paar beschwichtigende Worte dalassen. ({3}) Ich sehe gerade, die Ministerin ist gar nicht im Saal. – Jetzt kommt sie wieder. Das ist schade. – Vielleicht können Sie es sich ja nachträglich im Fernsehen angucken. Das wäre sehr schön, würde mich freuen. Abschließend. Die ohnehin schon desolate Sicherheitslage in unserem Land wird durch den links-gelben Haushaltsentwurf nochmals verschlechtert. Während für links-grüne Ideologieprojekte üppig Steuergeld angefasst wird, kreist an sicherheitsrelevanten Stellen der Rotstift. Wichtige Projekte etwa bei der Bundespolizei und den dringend benötigten Transporthubschraubern kommen nicht voran. Mit unseren Änderungsanträgen werden wir der Regierungskoalition Druck machen; denn für uns gilt: Unser Land zuerst! Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. ({4})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächster Redner: für die FDP-Fraktion Manuel Höferlin. ({0})

Manuel Höferlin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004057, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Herausforderungen sind groß: von Katastrophen über Extremismus im Inneren, bei Analogem, bei Digitalem. Ich glaube, selten stand die innere Verfasstheit unseres Landes, die Freiheit unter größerem Druck, und sie ist nicht gut vorbereitet durch das 16 Jahre von der Union geführte Ministerium. ({0}) Der Haushalt zeigt aber, dass wir den Herausforderungen unter den schwierigen Voraussetzungen, unter dem Druck, unter dem wir angesichts der jetzigen veränderten Situation stehen, kraftvoll begegnen können. ({1}) Der Entwurf zeigt auch, dass wir die Sicherheit der Menschen und ihre Freiheit gleichermaßen gewährleisten können, und das, obwohl die Zeiten schwieriger sind, obwohl wir penibler auf die Steuergelder schauen müssen, als das in den letzten 16 Jahren der Fall war, meine Damen und Herren. ({2}) Wir haben verschiedene Punkte anzugehen. Ich kann wegen der Kürze der Zeit nur wenige herausgreifen. Deshalb möchte ich sagen: Die Fortschrittskoalition tut sehr viel mehr für die Cybersicherheit. ({3}) Die Cybersicherheit ist ein Gebiet, das in den letzten Jahren stark vernachlässigt wurde, und obwohl die Bedrohungslage ständig stieg, hat der Staat selbst an vielen Punkten nicht für Sicherheit im Cyberraum gesorgt. ({4}) Deshalb investieren wir in ein echtes Schwachstellenmanagement. Wir wollen, dass Sicherheitslücken geschlossen werden. Denn wenn die letzten Wochen und Monate mit den vielen Vorfällen etwas gezeigt haben, dann das, dass die Sicherheit und damit auch die Gesellschaft, die Unternehmen extrem durch Schwachstellen gefährdet sind. Deswegen investieren wir in die digitale Infrastruktur des BKAs und in zusätzliche Ausstattung der Bundespolizei; denn der Staat muss dort mehr investieren, meine Damen und Herren. ({5}) Wir haben auch vereinbart, dass das BSI Zentralstelle für die Cybersicherheit wird; das werden wir vorantreiben. Denn es kann nicht sein, dass Maßnahmen zur Erhöhung der Cybersicherheit nicht koordiniert vorangetrieben werden. Deswegen soll das BSI als zentrale Stelle für Cybersicherheit agieren, in dem alles zusammen mit den Ländern koordiniert werden kann. Wir werden dafür sorgen, dass der Staat trotzdem Eingriffsbefugnisse hat und sie effektiv anwenden kann. Denn es geht im Gegensatz zu früher nicht immer darum, mehr und mehr Befugnisse auf den Weg zu bringen, sondern es geht darum, diese effektiv einzusetzen, und dafür steht diese Koalition. ({6}) Lassen Sie mich noch kurz ein paar Sätze zum Bevölkerungsschutz sagen. Dieser Haushalt zeigt, dass wir in den Bevölkerungsschutz mehr investieren. Zum Beispiel erhält das THW deutlich mehr Geld, 35 Prozent mehr als 2019. In der Zwischenzeit – das hat Herr Gerster ausgeführt – gab es Sondereffekte. ({7}) Es ist wichtig, dass wir beim Katastrophenschutz vorangehen. ({8}) Es geht eben nicht wie in der Vergangenheit immer darum, mehr Geld draufzuschütten, wie Sie bei der Union das immer machen, sondern darum, Strukturen anzupacken. Das unterscheidet diese Koalition von Ihnen. Man kann nicht alles in der Politik mit Geld zuschütten und warten, bis die Zeit vorüber ist, sondern man muss Dinge ändern, und das machen wir mit der Strukturreform im Katastrophen- und Zivilschutz. ({9}) Eine Kollegin sagte gerade so schön: Ihr Minister Seehofer hat am Ende seiner Amtszeit entdeckt: Ach, da gibt es ja das BBK. Und er wusste gar nicht so richtig, was er damit anfangen soll. ({10}) Hätte man die Strukturen vielleicht mal etwas früher angefasst, dann wären wir heute weiter. Das erwarten die Menschen im Ahrtal von uns und nicht, immer nur mit dem Geld rumzuwerfen. ({11}) Herzlichen Dank, meine Damen und Herren. ({12})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächste Rednerin: für die SPD-Fraktion Elisabeth Kaiser. ({0})

Elisabeth Kaiser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004771, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Bürgerinnen und Bürger! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die andauernden Krisen haben bei den Menschen Spuren hinterlassen und sorgen weiterhin für Verunsicherungen bis hin zu Ängsten. Das wissen wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sehr genau, und wir steuern dagegen: mit umfassenden Hilfen für Bürgerinnen und Bürger und für Unternehmen. Drei Entlastungspakete mit einem Volumen von 95 Milliarden Euro sind eine klare Botschaft. Wir halten als Koalition, was wir versprechen. Gleichwohl ist es nötig, in solchen Zeiten auch Diskussionsräume zu haben. Es ist gut, wenn am Sonntag in Thüringen ein breites demokratisches Bündnis von Gewerkschaften, Betriebsräten, Kirchen und Jugendverbänden in Erfurt solch einen Ort schafft. Es beunruhigt mich aber, wie Rechtsextremisten die Sorgen der Menschen ausnutzen. Sie hetzen und versuchen, unsere Gesellschaft zu spalten. Das zeigt sich auch in den zunehmenden Hassbotschaften und Falschinformationen, Verschwörungserzählungen, Angriffen auf die Polizei bis hin zu rechtsterroristischen Anschlagsplänen. Das ist mit ein Grund dafür, wieso wir die Finanzmittel der Sicherheitsbehörden im Haushalt des Bundesinnenministeriums in den vergangenen Jahren kontinuierlich aufgestockt haben. Im Haushaltsentwurf für 2023 liegen sie bei insgesamt 5,6 Milliarden Euro; das ist ein Plus von über 850 Millionen Euro gegenüber dem Budget aus Vor-Corona-Zeiten. Zugleich schaffen wir insgesamt 1 300 neue Stellen für Bundespolizei, Bundeskriminalamt und das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe. ({0}) Es freut mich besonders, dass, um den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu fördern, die Bundeszentrale für politische Bildung in den vergangenen Haushaltsjahren massiv ausgebaut wurde und um einen dritten Standort – in meiner Heimatstadt Gera – gewachsen ist. Damit sich dieser Trend auch fortsetzt, sollen die Personalmittel auf mehr als 23 Millionen Euro steigen. Der Gesamtansatz für die Bundeszentrale liegt im Jahr 2023 mit 87,8 Millionen Euro um ein Drittel über dem Budget von vor vier Jahren. So wird die Rolle der bpb als kompetenter Träger von Bildungsprojekten gerade auch im Rahmen des Aktionsplans gegen Rechtsextremismus noch einmal untermauert. ({1}) Gleichwohl ist es wichtig, dass die Förderungen für bereits laufende Projekte gegen Rechtsextremismus und Rassismus im Zuge des Kabinettsbeschlusses auf bisherigem Niveau fortgeführt werden können. Denn: Nur zusammen sind wir stark für unsere Demokratie. Die bewährte Arbeit der bpb, ihre Kooperationen und Initiativen mit Vereinen erzeugen wertvolle Synergieeffekte, auch mit dem Bundesprogramm „Demokratie leben!“, deren Mittel an anderer Stelle im Haushalt auch aufgestockt werden. Somit unterstützen wir ressortübergreifend zivilgesellschaftliches Engagement. ({2}) Vom Engagement vieler ehren- und hauptamtlicher Helferinnen und Helfer lebt auch das Technische Hilfswerk. Das THW ist die tragende Säule im bundesweiten Zivil- und Katastrophenschutz. Als Vorstandsmitglied der THW-Landeshelfervereinigung Sachsen und Thüringen bin ich dankbar für die massiven Investitionen der letzten Jahre, auch aus dem nun endenden Konjunkturprogramm der Coronahilfen. ({3}) Die Anschaffung von 1 000 neuen Fahrzeugen macht deutlich, dass der Katastrophenschutz für die Bundesregierung höchste Priorität hat. Das hat die Bundesinnenministerin auch noch mal sehr deutlich gemacht. Ich denke, das ist ein wichtiges Signal an die Helferinnen und Helfer sowie Kameradinnen und Kameraden. ({4}) Das zeigt sich auch im Betrieb von vier neuen THW-Logistikzentren, unter anderem im Altenburger Land, aber auch an den Investitionen in die Ortsverbände. Es ist schön, zu sehen, dass nach langem Warten der Neubau in Gera nun auch zu einem Ende kommt und finalisiert wird. ({5}) Gleichwohl wissen wir, dass diese Bausteine nur in einem Gesamtensemble wirken können. Daher müssen wir sicherstellen, dass die Selbstbewirtschaftungsmittel der Ortsverbände und die Ausbildung unserer Heldinnen und Helden im zivilen Katastrophenschutz vollumfänglich abgesichert werden. ({6}) Daran müssen wir arbeiten; aber ich habe da sehr großes Vertrauen in unseren Haushälter Martin Gerster und die Kolleginnen und Kollegen. Ich danke Ihnen. ({7})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächster Redner: für die CDU/CSU-Fraktion Stephan Mayer. ({0})

Stephan Mayer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003589, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Frau Ministerin, Sie haben den gesellschaftlichen Zusammenhalt in den Mittelpunkt Ihrer Rede gestellt. Ich glaube, das ist richtig. Im Bereich des gesellschaftlichen Zusammenhaltes spielt natürlich der Sport eine ganz entscheidende Rolle. Im Bereich des Sports gab es in den vergangenen Wochen aus meiner Sicht zwei erfreuliche Ereignisse. Das eine Ereignis haben die Kollegin Schäfer und der Kollege Dr. Lieb bereits erwähnt: die aus meiner Sicht sehr erfreuliche Einigung der Bundesregierung, des Freistaats Bayern und der Landeshauptstadt München mit den Opferfamilien des islamistischen Terroranschlags vom 5. September 1972, auch wenn es sehr lange gedauert hat. Ich möchte betonen, dass die 28 Millionen Euro Entschädigungszahlung zwar in keiner Weise das Leid, den Schmerz, die Trauer der Opfer und insbesondere deren Angehörigen tilgen können, aber diese Einigung ist ein wichtiges Signal und hat aus meiner Sicht – den Eindruck hatte ich auch am vergangenen Montag bei der Gedenkveranstaltung – eine befriedende Wirkung. ({0}) Ich möchte auch betonen, dass sich insbesondere die Bayerische Staatsregierung sehr konstruktiv diesbezüglich mit engagiert hat. Das zweite sehr erfreuliche Ereignis waren die European Championships: elf Tage große Begeisterung, begeisterte, friedlich feiernde Zuschauerinnen und Zuschauer in München aus nah und fern, aus dem Inland und aus dem Ausland, schönes Wetter, große Erfolge, auch der deutschen Sportlerinnen und Sportler. Nur, meine sehr verehrte Frau Ministerin: Wenn wir weiterhin an der Spitze in Europa stehen wollen, was die Leistungen im Spitzensport anbelangt, dann müssen wir auch investieren. Dann brauchen wir vor allem auch moderne und zeitgemäße Sportstätten. Wenn ich mir jetzt den Haushalt des Bundesinnenministeriums ansehe, dann stelle ich fest: Es wird genau das Gegenteil gemacht. Wir haben laut Deutschem Olympischen Sportbund in Deutschland einen Investitionsstau im Bereich der Sportstätten in Höhe von ungefähr 31 Milliarden Euro. In der letzten Legislaturperiode haben wir als CDU/CSU-geführte Bundesregierung und vor allem im Bundesinnenministerium den Goldenen Plan wiederaufgelegt, den Investitionspakt Sportstätten, mit 370 Millionen Euro im letzten Jahr und in diesem Jahr und einer Ausgabeverpflichtung für das kommende Jahr in Höhe von 121 Millionen Euro. Leider haben Sie, Frau Faeser, jetzt entschieden, dass dieses Programm komplett eingestellt wird. Das ist, sage ich ganz offen, ein Schlag ins Gesicht von 90 000 Sportvereinen, von 27 Millionen Sportlerinnen und Sportlern in Deutschland und von 8 Millionen Ehrenamtlichen im Sport. ({1}) Diese Vollbremsung ist absolut kontraproduktiv. Denn selbst die 370 Millionen Euro, die der Bund im letzten und in diesem Jahr zur Verfügung gestellt hat, tragen in keiner Weise dazu bei, den Investitionsstau im Bereich von maroden Schwimmhallen, von verfallenen, von nicht modernen Turnhallen zu beenden. Das ist ein wichtiger Aspekt. ({2}) Vor dem Hintergrund kann ich Sie nur dringend auffordern, diese Entscheidung zu revidieren. Es herrscht große Enttäuschung bei den Sportvereinen und in den Kommunen in Deutschland über diese Entscheidung. Ich kann Ihnen aber eines zusagen: Wir als CDU/CSU, als die Parteien des Sports und des Ehrenamtes in Deutschland, werden nicht müde werden, auf dieses Defizit weiter hinzuweisen. ({3}) Meine Kolleginnen und Kollegen, Sie haben Ihren Neustart im Bereich des Sports groß gelobt. Frau Ministerin, dieses Programm ist vom Grundsatz her richtig, es ist nur völlig unzureichend finanziert. ({4}) Sie haben vergessen, zu erwähnen: Dieses Programm ist mit gerade mal 25 Millionen Euro dotiert, davon gehen 5 Millionen Euro in eine Werbekampagne, 1,3 Millionen Euro entfallen auf Verwaltungsausgaben, sodass letzten Endes weniger als 20 Millionen Euro zur Verfügung stehen. Wenn man dies auf 90 000 Sportvereine in Deutschland runterbricht, stellt man fest: Bei einem Sportverein kommen gerade einmal 200 Euro an. ({5}) Ich sage es offen: Das ist lächerlich. Es ist völlig unzureichend. ({6}) Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, wir als CDU/CSU werden weiterhin die Parteien sein, die sich für den Sport in Deutschland stark machen, die auf diese Defizite der Bundesregierung hinweisen. Wir werden es weiterhin nicht dabei bewenden lassen, nur darauf hinzuweisen, dass der Sport in Deutschland von der jetzigen Bundesregierung stiefmütterlich behandelt wird. Wir werden uns dort, wo wir Entscheidungen beeinflussen können, aktiv und konstruktiv für den Sport und für die Sporttreibenden in Deutschland einsetzen. ({7})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächster Redner: für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Marcel Emmerich. ({0})

Marcel Emmerich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004969, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Herr Mayer, der vorliegende Entwurf des Bundeshaushalts zeigt eindeutig, dass der Regierungskoalition der Sport sehr wichtig ist. Die Ausgaben dafür sind sehr stabil. Wenn man sich anschaut, wie es um den Sport in Deutschland steht, und angesichts der Tatsache, dass über die Hälfte der Bevölkerung als unsichere Schwimmerinnen und Schwimmer gilt und wir in Deutschland auch viel zu wenig Schwimmbäder haben, dann stellt man fest: Das liegt an der gescheiterten Investitionspolitik und an der gescheiterten Sportpolitik von 16 Jahren unionsgeführtem Bundesinnenministerium. ({0}) Wir investieren in den Sport. Wir bringen jetzt unter anderem das Zentrum für Safe Sport auf den Weg. Das ist ein richtiges Zeichen gegen sexualisierte Gewalt im Sport. Dass es wichtig ist, zeigen die Vorfälle im Deutschen Schwimm-Verband. Es ist dringend notwendig, dass wir hier etwas machen. ({1}) Und egal zu welchem Thema man diese Woche hier im Parlament saß: Ihre Redebeiträge waren geprägt vom U in CDU im Sinne von: unseriös, undurchdacht und unglaubwürdig. ({2}) Man kann nicht auf der einen Seite bei allen Titeln mehr Geld fordern und auf der anderen Seite in der Finanzdebatte meckern und die Schuldenbremse nicht im Geringsten anrühren wollen und keine eigenen alternativen Finanzierungsvorschläge vorlegen. Das ist einfach unglaubwürdig. ({3}) Was haben Sie in den letzten 16 Jahren eigentlich gemacht? Bei der Ruhegehaltsfähigkeit der Polizeizulage ist nichts passiert. Dass die IT‑Sicherheit so marode dasteht, liegt in Ihrer Verantwortung. Ihr ehemaliger Minister Seehofer wusste nicht einmal, für was die Abkürzung BBK steht. Das ist doch die Realität, mit der wir es hier zu tun haben. ({4}) Wir räumen jetzt auf und holen diese Versäumnisse auf. Wir investieren in die Cybersicherheit, wir sorgen für eine Härtung der IT‑Infrastruktur, und wir sorgen auch dafür, dass Rechtsextremismus konsequent bekämpft wird. Das sind alles Punkte, die uns sehr wichtig sind. Vielleicht gibt es einige Punkte, bei denen wir als Fraktion im Zuge der weiteren Haushaltsberatungen an der einen oder anderen Stelle nachsteuern werden und nachsteuern müssen, gerade beim Thema Bevölkerungsschutz zum Beispiel, aber auch, wenn es um die Beschäftigten geht, die sich um die Bekämpfung von digitaler Kriminalität etc. kümmern. Hier gibt es in meinen Augen noch großen Nachholbedarf. Auch bei den Integrationskursen. Aber ich glaube, das ist eine Art und Weise der Politik, die Sie gar nicht kennen, dass man sich in einem Haushaltsberatungsverfahren konstruktiv und selbstbewusst als Parlamentarier oder Parlamentarierin einbringt. So verstehen wir aber unsere Rolle als Koalitionsabgeordnete sehr wohl. ({5}) Und jetzt noch einen Satz zu Ihnen da drüben am rechten Rand. Ich finde es beschämend, dass Sie sich überhaupt zum Tod von Malte C. äußern. Denn es ist Ihre Politik, es sind eindeutig Ihre Störche, ({6}) die diese queerfeindliche Politik vorantreiben und diesen Hass säen. Und das ist dann auch häufig das Ergebnis. ({7}) Sehr geehrte Frau Ministerin, ich bin Ihnen und auch dem Queer-Beauftragten der Bundesregierung sehr dankbar, dass Sie sich hier so klar und deutlich geäußert haben, dass Sie ein Expertengremium einführen, das sich mit der Bekämpfung von Homophobie und Queerfeindlichkeit auseinandersetzt. Das zeigt, dass diese Regierung da ein klares Zeichen setzt. Das ist etwas, was der frühere Innenminister bei diesem Thema leider nicht so gemacht hat. Das ist ein großer Paradigmenwechsel. Das zeigt einfach, dass unser Begriff von innerer Sicherheit beinhaltet: Wir müssen alle Menschen beschützen. ({8}) Sicherheit ist für alle Menschen. Es ist egal, wen man liebt, wo man herkommt oder an was man glaubt. Das ist unser Ansatz. So machen wir unsere Politik. So gehen wir auch die Haushaltsberatungen an. Vielen Dank. ({9})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächster Redner: für die AfD-Fraktion Jörn König. ({0})

Jörn König (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004788, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegen! Und vor allem: Liebe Sportler! Das Parlament hat den Sporthaushalt fast verdoppelt, seitdem die AfD in den Bundestag eingezogen ist. ({0}) So viel zum Thema, welche Partei sich hier für den Sport einsetzt. Im Kernbereich sind es heute 300 Millionen Euro. Damit wurde der Spitzensport aber gerade mal vor dem Zusammenbruch gerettet. Inzwischen sind die Warnsignale aber überdeutlich. Im zweiten Jahr hintereinander wurden im zentralen Haushaltstitel etwa 30 Millionen Euro nicht verbraucht. Es gibt also nach Jahrzehnten der Vernachlässigung des Spitzensports und des Sports gar keine Sportler, Trainer und Strukturen mehr, welche das Geld vollständig verbrauchen können. Es gab sogar Verbände, die hatten mehr hauptamtliche Funktionäre als Olympia- und Perspektivkader. Es fehlt also an Nachwuchs. Diese Fehlentwicklung muss gestoppt werden. Mehr Geld vom Bund allein wird das aber nicht ändern. Hier sind die Bundesländer gefragt; denn Sport ist in der Hauptsache Ländersache. Die Sport- und Kultusminister müssen jetzt die Eliteschulen des Sports, die sportorientierten Schulen und die Kooperationen von Sportvereinen mit Normalschulen massiv ausbauen. Jeder in den Sport investierte Euro hilft den Jugendlichen in ihrer Persönlichkeitsentwicklung, holt sie von der Straße, hilft bei der Integration in die deutsche Gesellschaft und zahlt sich über die bessere Gesundheit mehrfach aus. Ein System, das Menschen nicht zu mehr Leistung motiviert, geht garantiert unter. Wenn man sich aber die Politik von heute anschaut, könnte man meinen, dieser Untergang wird billigend in Kauf genommen. Denn uferloses Gelddrucken, bedingungsloses Grundeinkommen und sanktionsloses Hartz IV sind doch der garantierte Weg in den beispiellosen Untergang. ({1}) Wir Sportsfreunde von der AfD werden insgesamt sieben Änderungsanträge vorlegen, vornehmlich, um die Trainer- und Athletenfinanzierung zu verbessern. Immer noch gehen in Deutschland beim Übergang von Schule zur Ausbildung und von der Ausbildung zum Beruf viel zu viele Talente verloren. Sport frei! Wir freuen uns auf die Beratung im Sportausschuss. ({2})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächster Redner: für die FDP-Fraktion Philipp Hartewig. ({0})

Philipp Hartewig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005075, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sind im Einzelplan 06, und da geht es in der Titelgruppe 02 in erster Linie um den Spitzensport. Angesichts der allgemeinen Haushaltslage haben wir natürlich auch für diesen Bereich keinen unbegrenzten Handlungsspielraum. Wir haben aber, im Vergleich zu anderen Bereichen, eine solide Basis, um auf der Grundlage den Spitzensport weiterentwickeln zu können. ({0}) Der Spitzensport ist vielseitig und bringt großen Mehrwert für die Sportlandschaft, für die Athletinnen und Athleten sowie unsere gesamte Gesellschaft. Und so viele Facetten der Sport hat, so viele Akteure und Partner sind enorm wichtig für erfolgreichen Spitzensport – vom DOSB über den Behindertensportverband, die Olympiastützpunkte, die Athleten Deutschland, FES und IAT, die Trainer, die Deutsche Sporthilfe, die Bundespolizei, Zoll und Bundeswehr bis hin zu den wichtigsten Akteuren von allen, den Sportlerinnen und Sportlern. So freue ich mich darauf, mit Ihnen, mit euch über die Zukunft des Spitzensports in Deutschland zu sprechen. Dazu gehören Höchstleistungen, Leidenschaft und Begeisterung. Dazu gehören die Integrität des Sports durch Kampf gegen Doping, sexualisierte Gewalt und Spielmanipulation. Dazu gehört aber auch, Europa oder die Welt bei uns zu Gast in Deutschland zu haben. Und wir können Sportgroßveranstaltungen. Von Sportereignissen wie der gerade stattfindenden Basketball-EM, der Kanu-WM in Augsburg oder den European Championships in München lassen sich ganze Städte, Regionen, das ganze Land begeistern. Deutschland kann sich auch in den nächsten Jahren auf vieles freuen, unter anderem auf die Special Olympics World Games, die Handballweltmeisterschaften der Frauen und Männer, die Universiade, die Invictus Games oder die Fußball-EM 2024 der Männer. ({1}) Ich bin überzeugt, uns würde etwas noch Größeres – und eine Debatte darüber – guttun: Das sind Olympische Spiele und Paralympics in Deutschland. ({2}) Wir können eine große Sportbewegung allein mit dem mehrjährigen Bewerbungsprozess ins Rollen bringen, eine Vorbildrolle in Sachen Nachhaltigkeit, Einbindung der Bevölkerung, Stärkung der Infrastruktur und Wahrung der Menschenrechte einnehmen und allein mit dem Bewerbungsprozess eine Einladung an Sportbegeisterte in der ganzen Welt senden, die Faszination des Sports bei uns hier gemeinsam zu erleben. ({3}) Ein breiter Diskussionsprozess, der allein einige Jahre dauert, kann der erste Schritt zu großer gesellschaftlicher Akzeptanz sein. Dabei können wir auf den Erfahrungen und der Euphorie der European Championships oder den Erfahrungen bislang gescheiterter Olympiabewerbungen aufbauen. Haben wir den Mut, den Spitzensport auch dadurch zu stärken, indem wir einen weiteren Bewerbungsprozess in Deutschland anstoßen! Ich freue mich auf die Debatten darüber, auf die Debatten über die Zukunft des Spitzensports, auf die weiteren Haushaltsverhandlungen und auf die Rede unseres Ausschussvorsitzenden gleich. Vielen Dank. ({4})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächster Redner: für die SPD-Fraktion Frank Ullrich. ({0})

Frank Ullrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005243, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Gäste! Es ist für mich neu und auch etwas ganz Besonderes, dass ich heute hier im Hohen Haus vor euch reden darf, und – ich muss es wirklich gestehen – tatsächlich ist meine Herzfrequenz etwas erhöht, ähnlich wie früher beim Biathlon. ({0}) Ja, der Sport bewegt uns, und wir bringen mit 300 Millionen Euro mehr Bewegung in den Sport. Gegenwärtig befinden wir uns in einer sehr, sehr schwierigen Lage – ich glaube, da sind wir uns alle einig –, doch gerade in Krisenzeiten kommt dem Sport eine besondere Bedeutung zu. ({1}) Der Sport lebt von Fairness, von Respekt und fördert das gesellschaftliche Miteinander. An dieser Stelle möchte ich deutlich sagen: Wer den Sport stärkt, investiert in eine nachhaltige Zukunft. Jeder geförderte Euro in den Sport kommt unserer Gesellschaft, Wirtschaft und auch der Gesundheit zugute. ({2}) Der Sport ist eine Schule fürs Leben. Gut ausgebildete Trainer, Übungsleiter, Pädagogen sind eine wertvolle Stütze in unserem System. Jede effektive Investition potenziert am Ende den Erfolg der gesamten Gesellschaft. ({3}) Meine Damen und Herren, ja, der Bundeshaushalt ist sportlich. Wir gestalten das Heute für ein noch besseres Morgen. Deswegen finde ich es gut und wichtig, dass wir unsere Kommunen bei einer Sanierung von Sportstätten unterstützen. 476 Millionen Euro stehen hier zur Verfügung. In diesem Zusammenhang möchte ich unseren Haushältern für ihre sportliche Einsatzbereitschaft danken und würde mich freuen, wenn wir perspektivisch noch eine Schippe drauflegen könnten. ({4}) Die Energiekrise ist für uns alle sehr herausfordernd. Erst letzte Woche haben wir als SPD-Fraktion in Dresden ein starkes Papier beschlossen. Für uns ist klar: Wir wollen den Betrieb von Sportanlagen und Schwimmbädern möglichst aufrechterhalten. Sportdeutschland braucht klimafreundliche Sportstätten, starke Vereine, Spitzenleistungen, aber auch Visionen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns gemeinsam mehr Mut wagen! Lassen Sie uns gemeinsam, über Parteigrenzen hinweg, für Olympische und Paralympische Spiele vor der eigenen Haustür werben! ({5}) Die Bundesregierung bekennt sich ausdrücklich zu Sportgroßveranstaltungen. Dieses Bekenntnis findet sich auch im Einzelplan 06 wieder. Egal ob Sommer oder Winter, Weltmeisterschaften in Oberhof oder European Championships in München, von denen wir alle sehr begeistert waren: Wir können Sportgroßveranstaltungen. ({6}) Sehr geehrte Frau Ministerin, vielen Dank, dass Sie den Sport zur Chefinnensache gemacht haben und das auch weiterhin machen wollen. Für mich ist der Sport eine – das muss ich wirklich sagen – Herzensangelegenheit. Ich persönlich durfte insgesamt an zwölf Olympischen Spielen teilnehmen. Wenn internationale Sportgroßveranstaltungen strikt an die Beachtung von UN-Leitprinzipien für Wirtschaft, Menschenrechte ({7}) und Nachhaltigkeit geknüpft sind, dann sind sie eine Win-win-Situation für uns. Es geht darum, eine Flamme zu entzünden, die uns als Gesellschaft noch näher zusammenbringt. Die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes möchten nicht wissen, was nicht geht, sondern sie möchten wissen, was möglich ist. Ich sage: In jeder Krise steckt auch eine Chance. Wir sollten sie gemeinsam nutzen; denn zusammen sind wir stärker. Wenn wir mal wieder groß denken wollen, müssen wir alle im Kleinen beginnen. Das Engagement – das wurde bereits angedeutet – von über 90 000 Vereinen in Deutschland ist unbezahlbar. 24 Millionen Vereinsmitglieder – die Zahl ist ja doch etwas geschrumpft – und unzählige Ehrenamtliche bilden den Kitt in unserer Gesellschaft. Mit dem ReStart-Programm setzen wir im Bund ein wichtiges Zeichen. ({8}) Hier bin ich unserer Ministerin Nancy Faeser sehr, sehr dankbar, dass wir gemeinsam mit dem DOSB und dem Gesundheitsministerium im Dezember zeitnah den Bewegungsgipfel gestalten. Die Spitze braucht die Breite, und die Breite braucht die Spitze. Wer erfolgreich sein möchte, braucht starke Partner. Der DOSB, seine Spitzenverbände, der Deutsche Behindertensportverband, die Athleten Deutschland, die Sportministerkonferenz, der Sportausschuss des Städtetages und der Sportausschuss des Deutschen Bundestages sowie auch das BMI: Wir alle brennen für den Sport und teilen die Gemeinsamkeit, Sportdeutschland weiter voranzubringen. Deswegen gehört aus meiner Sicht – ähnlich, wie es auch in vielen anderen Ländern erfolgreich praktiziert wird – der Sport ins Grundgesetz. ({9}) Sehr geehrte Damen und Herren, lassen Sie uns motiviert dieses Jahrzehnt mit Wumms gestalten! Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. – Entschuldigung fürs Überziehen. ({10})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Lieber Kollege Ullrich, ich lasse das Überziehen der Redezeit heute mal durchgehen. Ihr Puls hat gezeigt, dass Sie als Leistungssportler noch an der Zeit arbeiten müssen. ({0}) Aber zu Ihrer ersten Rede hier im Deutschen Bundestag gratuliere ich Ihnen recht herzlich. ({1}) Nächster Redner: für die CDU/CSU-Fraktion Marc Henrichmann. ({2})

Marc Henrichmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004744, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor zwei Tagen beim Parlamentarischen Abend der Reserve der Bundeswehr hat die Verteidigungsministerin den Satz geprägt, der Haushalt sei der Test, ob eine Regierung nicht nur redet, sondern auch handelt. Aus ihrem Mund entbehrt das nicht einer gewissen Ironie, weil, so glaube ich, mancher in ihrem Ministerium oder in der Ukraine froh wäre, wenn sie wenigstens mal mit ihnen reden würde. ({0}) Aber der Satz ist ja richtig. Im Resümee müssen wir festhalten, dass auch Sie, Frau Faeser, diesen Test leider nicht bestehen – ganz im Gegenteil. Sie legen Ihrem Hause mit diesem Entwurf Handschellen in zentralen Feldern wie Integration und Migration an. Diese Kürzungen in einer Zeit, in der die Migrationszahlen dramatisch ansteigen, sind sicherlich ein falsches Signal, genauso wie die Auflösung des Expertenkreises Politischer Islamismus. Beim Thema THW hätten einige hier aus den Koalitionsfraktionen den Tonfall etwas drosseln sollen; denn die Kürzungen beim THW – insgesamt fast 160 Millionen Euro – werden ja im Wesentlichen beim Ehrenamt und bei der Ausbildung der Ehrenamtlichen spürbar sein. ({1}) Darüber besteht in der Ampel keine Einigkeit. Vielmehr ist es so, dass von THW-Ortsverbänden zu vernehmen ist, dass aus der SPD das Signal kommt, man hätte ja mehr getan, aber der böse Finanzminister habe das nicht zugelassen; hier ist die Einigkeit groß. Aber wenn wir alle der Meinung sind, Bevölkerungs- und Katastrophenschutz hat in diesen Zeiten oberste Priorität, dann erwarten wir, glaube ich, alle zu Recht, dass die Innenministerin auch zum Finanzminister geht – wenn er das dann nicht versteht –, breitschultrig auftritt und sagt: Wir brauchen das Geld für das Ehrenamt im Bevölkerungsschutz. ({2}) Frau Faeser, Sie haben ja auch viele richtige Ansätze; mit der Cybersicherheitsagenda haben Sie wichtige Punkte gesetzt. Es ist richtig, Unternehmen vor erpresserischen Hackern zu schützen; es ist richtig, die KRITIS vor dem Kollaps zu bewahren, Bürger sicher im Netz surfen zu lassen. Dann kommt der Haushalt, und dann sage nicht nur ich: „Das ist ambitionslos“, sondern dann schreibt zum Beispiel der „Tagesspiegel“, es sei ein ambitionierter Plan, aber im Haushalt sei davon wenig zu sehen – oder aber: „Viel Agenda, wenig Stellen“. Wenig Stellen: Das BSI ist hier genannt. Das BSI soll eine Zentralstelle werden und deutschlandweit federführend agieren. Die Abstimmungsprozesse werden ein Ausmaß annehmen, das wahrscheinlich nicht mal eben zu bewältigen ist. Stellenzuwachs in diesem Bereich? Fehlanzeige. Null. So wird man den Herausforderungen hier sicherlich nicht gerecht. ({3}) Und auch wenn es beim BKA 167 neue Stellen geben soll, heißt es aus den Reihen des BKA: Mensch, wir wissen noch gar nicht, ob die Stellen für die Aufgaben, die wir im Bereich Cybercrime leisten sollen, überhaupt reichen. Das Bild, was sich hier abzeichnet, ist: Da wird einfach eine Zahl für Personal rausgerotzt, und keiner weiß, ob sie ausreicht, was dieses Personal machen soll. Das ist ein Blindflug. Sie wissen nicht, wo Sie hinwollen, und genau das sagt leider dieser Haushalt. ({4}) Ich will mal zwei Beispiele kurz anreißen. Die Verkehrsdatenspeicherung: Wir sind uns einig – jedenfalls die Union mit Ihnen, glaube ich –, dass wir diesen ekelhaften Sumpf der Kinderschänder in Deutschland endlich trockenlegen wollen. Genau das haben Sie im April dieses Jahres gesagt: Wir brauchen – Zitat sogar – die Vorratsdatenspeicherung. Ihr Zitat. Dann haben die Ampelfraktionen innerlich getobt; und danach haben Sie das irgendwann aufgeweicht und gesagt: Ja, so habe ich es vielleicht gar nicht gemeint. – Dann schrieb die Presse: Nur noch bestimmte IP‑Adressen sollten gespeichert werden. Wenn wir aber der Meinung sind, dass wir gegen Kinderschänderei in Deutschland aktiv vorgehen wollen, dass wir den Ermittlungsbehörden auch die Instrumente an die Hand geben wollen, dann haben wir einen Weg hier geboten. Wir als Union haben am 24. Juni im Deutschen Bundestag einen Antrag vorgelegt; der ist aber kategorisch abgelehnt worden. ({5}) Man könnte ja meinen: Okay, bekehrt, anderer Weg, alles gut. – Stattdessen kam vor wenigen Tagen beim Herbstfest der Sicherheitsbehörden die Aussage: Die Wiedereinführung sei im Kampf gegen Kindesmissbrauch unbedingt erforderlich, ({6}) und es müssen den Ermittlern die Instrumente an die Hand gegeben werden. ({7}) Frau Innenministerin, ich erwarte jetzt mal, dass den Worten Taten folgen und dass Sie auch Ihre Fraktion mal auf Linie bringen. Wo wollen Sie denn eigentlich hin? Das ist kein Kurs, und das hilft auch nicht unseren Ermittlungsbehörden. ({8}) Im Bereich aktiver Cyberabwehr haben wir das gleiche Thema; da wird immer von „Hackbacks“ geredet. Ich bin ein bisschen verwirrt, weil, ehrlich gesagt, aktive Cyberabwehr mehr ist als der Hackback. Aber aus Ihrem Mund soll gekommen sein – im April haben Sie das Interview gegeben –, dass Hackbacks – Zitat – „unvermeidbar“ seien und man Fragen der Sicherheit nicht ideologisch angehen dürfe. Im Juli berichtete die Presse: Frau Faeser lehnt Hackbacks ab. – So. Im April haben Sie bei der Beratung der Grundgesetzänderung angekündigt, die notwendig war ({9}) – Stichwort: Zentralstelle BSI –, dass Sie zügig auf die Union zugehen wollen, um die Zweidrittelmehrheit zu beschaffen. ({10}) Jetzt ist fraglich, ob die Grundgesetzänderung uns da irgendwie hilft. Ich weiß, es gibt viele Skeptiker. Aber wenn Sie im April sagen, Sie wollen schnell auf die Union zugehen und es bis heute offenbar nicht passiert ist, dann frage ich mich: Was ist denn Ihre Definition von „schnell“ im Bereich Kriminalitätsbekämpfung im Netz? ({11}) Ob Verkehrsdatenspeicherung oder Cybercrime: Sie haben jede Position mittlerweile mindestens einmal geändert und wieder zurück, und eine Umsetzung ist bis heute kategorisch Fehlanzeige. Wenn man sich informieren möchte, liest man oft: Cyber, die unsichtbare Gefahr. – Ich glaube, die größte Gefahr für die Menschen und die Sicherheit in diesem Lande ist in diesem Feld eine unsichtbare Innenministerin. ({12}) Es ist ja ein offenes Geheimnis, Frau Faeser, dass Sie dieses Ressort nicht gewollt haben, dass es nicht Ihre Leidenschaft war und dass Ihr Ziel vielleicht etwas weiter südlich, in Hessen, liegt. ({13}) Der Haushalt des Bundesinnenministeriums sinkt um 2,2 Milliarden Euro. Da kann man sagen: Klar, wir leben in Zeiten, wo man sparen muss. – Aber ich erwarte jetzt eine Schwerpunktsetzung. Ich erwarte Durchsetzung, Autorität und auch die Einnordung der Ampelfraktionen oder zumindest Kompromisse, die wir mit Blick auf die Sicherheit in diesem Land brauchen. Wenn der Haushalt der Test der Handlungsfähigkeit war, dann haben Sie ihn auf jeden Fall nicht bestanden. Und das ist schlecht für die Sicherheit in diesem Land. Es gibt sehr viel nachzubessern an diesem Haushalt. Vielen Dank. ({14})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächster Redner ist der Abgeordnete Stefan Seidler. ({0})

Stefan Seidler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005219

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Moin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor der Sommerpause haben wir hier im Plenum und im Innenausschuss über die Konsequenzen der Flutkatastrophe im Ahrtal beraten. Dort traf die Kraft des Wassers auf einen überforderten Bevölkerungsschutz, eine Kraft und eine Gefahr, die die Menschen von Nord- und Ostsee nur allzu gut kennen. Deshalb vermisse ich als Vertreter einer Küstenregion im Bereich Bevölkerungsschutz einen wichtigen Teil, nämlich den Küstenschutz. Deiche, Dämme, Schleusen, aber auch Katastrophenhilfe und Ausrüstung schützen Land und Leute. Küstenschutz ist immer auch Bevölkerungsschutz. ({0}) Wir wissen, dass aufgrund des weltweiten Temperaturanstiegs die Häufigkeit von Hochwasser stetig steigen wird – in 80 Jahren auf 110 Hochwasser jährlich an unserer Ostküste und an der Westküste auf 30 im Jahr. Unsere Kinder werden mit dieser massiven Bedrohung leben müssen. Der Meeresspiegel an der Ostküste wird um einen halben Meter ansteigen. Wenn wir nicht in Ausrüstung, Küstenschutz und Bevölkerungsschutz investieren, dann brauchen Sie bald nicht mehr nach Venedig zu reisen. Städte wie Flensburg, Schleswig, Rendsburg und auch Kiel tun es dann auch. Ob sie dann noch so sehenswert sind, bezweifle ich sehr. Entschuldigen Sie meinen norddeutschen Galgenhumor, aber er unterstreicht die zunehmende Angst der Menschen in meiner Heimat. Liebe Kolleginnen und Kollegen, unsere Nachbarländer machen es uns vor. Während dort gerade ordentlich gebaggert, nachgeschaufelt und ausgebildet wird, machen wir leider zu wenig in diesem Bereich. Liebe Ministerin Faeser, wenn ich diese Gefahr gerade in Ihrem Einzelplan anspreche, dann, weil die Zuständigkeit der Bundesregierung in dieser Frage unklar ist; denn bei Ihnen im Innenministerium liegt der Bevölkerungsschutz, und im Landwirtschaftsministerium liegen Teile des Küstenschutzes. Ich fordere Sie auf: Machen Sie jetzt klare Kante! Sorgen Sie für Zusammenarbeitsstrukturen! Später werden wir keine Zeit für Kompetenzgerangel haben. Denn eines ist gewiss: Das nächste Hochwasser wird kommen. Ja, wir müssen weiter auf die Kompetenzen der Menschen vor Ort zugreifen. Die dringlichen Investitionen können sie aber nicht alleine stemmen. Es kann auch nicht sein, dass reiche Kommunen an unserer Westküste sich neue Klimadeiche, Küstenschutz und Bevölkerungsschutz leisten können, während der ärmere Nachbar absäuft. Ich erwarte von der Bundesregierung in Zukunft mehr, ausreichende Investitionen und eine klare Aufgabenverteilung in den Bereichen Bevölkerungsschutz und Küstenschutz. Die Menschen im Norden setzen auf Sie. Vielen Dank. ({1})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächster Redner: für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Leon Eckert. ({0})

Leon Eckert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005047, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger! In Europa herrscht Krieg. Auch wir merken die Auswirkungen dieses Krieges jeden Tag. Wir erleben die Auswirkungen ökonomisch, durch Angriffe auf unsere kritische Infrastruktur und durch gezielte Desinformation in unserer Gesellschaft. Für diese hybriden Bedrohungsszenarien brauchen wir den Zivilschutz. Angesichts der Situation in Europa bin ich der festen Überzeugung, dass wir deshalb jetzt unseren Zivilschutz, das THW und unser Bundesamt für Bevölkerungsschutz, finanziell noch mehr stärken müssen; ({0}) denn wir wissen nicht, was noch kommt. Eine breite und gute Vorbereitung lässt uns handlungsbereit sein, egal welche Herausforderungen auf uns warten. Wenn es zur Ultima Ratio kommt, müssen wir vorbereitet sein. Für diese Vorbereitung müssen wir jetzt mehr investieren. Dazu einige kurze Beispiele. Im Haushaltsentwurf kürzen wir unter anderem die Mittel für die Krisenkommunikation und die Selbsthilfe. Selbsthilfe und Empowerment – das kann Ängste abbauen, die aus Unsicherheit resultieren, und jeder Einzelne von uns kann souveräner in der Krise handeln. Geschickte Krisenkommunikation ermöglicht Solidarität auch in der Krise. Niemandem ist geholfen, wenn lokal das Stromnetz zusammenbricht, weil jeder dachte: Jetzt den Heizlüfter einschalten, das ist eine super Idee. Deshalb sind diese beiden Haushaltspunkte entscheidend für eine gute Vorbereitung auf diesen Winter. Da müssen wir nachbessern. Stichwort „Hubschrauber“. Dem Zivilschutz fehlen adäquate Luftfähigkeiten, Kranken- und Materialtransport werden dringend notwendig. Derzeit verlassen wir uns oft auf die Bundeswehr. Doch was ist, wenn die Hubschrauber der Bundeswehr andere Aufgaben erledigen müssen? Deshalb müssen wir ganz konkret über mittlere Transporthubschrauber für den Zivilschutz diskutieren. Wie weit die Szenarien reichen können, das zeigt die Situation am größten europäischen Atomkraftwerk, wo keiner weiß, wie es weitergeht, während die Kugeln um den Meiler fliegen. Gerade für diese Szenarien müssen wir unsere chemische, biologische, radioaktive und nukleare Abwehr stärken, sollte es zu einem Zwischenfall kommen. Jetzt rächt sich unser verkürzter, kleinkarierter Blick auf das Thema Verteidigung. Die Ausrüstung der Bundeswehr ist wichtig und richtig, aber jetzt, in diesem hybriden Bedrohungsszenario, brauchen wir doch die Fähigkeiten des Zivilschutzes. ({1}) Und wer hat den Zivilschutz aus dem Sondervermögen rausverhandelt? Die Union! Und die Union hat damit der Sicherheit des Landes einen Bärendienst erwiesen. ({2}) Jetzt gilt es, unseren eigenen Ansprüchen als Parlament, die wir ins Gesetz zum Sondervermögen hineingeschrieben haben, nachzukommen. Wir sind der Budgetgeber; wir entscheiden am Ende. Und weil hier einige wild alle Kompetenzen durcheinanderwürfeln, sage ich es noch einmal: Katastrophenschutz liegt bei Feuerwehr, Kommunen, Land. Wir als Bund machen den Zivilschutz, und auf diese Aufgabe sollten wir uns konzentrieren. ({3}) Wir wollen uns handlungsfähig den Bedrohungen entgegenstellen und brauchen deswegen einen starken Zivilschutzhaushalt. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, darum bitte ich um Ihre Unterstützung im Verfahren. Vielen Dank. ({4})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächster Redner ist der Abgeordnete Matthias Helferich. ({0})

Matthias Helferich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005079

Vielen Dank, Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! „Scheiß Lesben“ – diese Worte veranlassten Malte, zwei Frauen am Rande des Münsteraner CSDs zu Hilfe zu eilen. Seine Zivilcourage bedeutete für ihn den Tod. Der Täter, ein erprobter Kampfsportler, schlug ihm gezielt gegen den Kopf. Er ging zu Boden und verstarb später im Krankenhaus. Der CSD-Killer Nuradi A. ist muslimischer Tschetschene, vorbestraft und ausreisepflichtig. ({0}) Wenige Wochen zuvor erschoss die Dortmunder Polizei einen vermeintlich 16-jährigen Senegalesen, der sich und die Polizisten mit einem Messer bedrohte. Der Unterschied zwischen beiden Fällen ist die „Hierarchie der Opfer“, wie es der Autor Martin Lichtmesz nannte. ({1}) Während sich schnell eine politmediale Welle der Empörung über die Erschießung des Senegalesen formierte, man der Polizei strukturellen Rassismus attestierte und antiweiße Kundgebungen organisierte, schwieg das Establishment zur Ermordung von Malte. Wenn Deutsche Opfer und Fremde Täter sind, vernimmt man nur ohrenbetäubendes Schweigen. ({2}) Wofür haben wir eigentlich einen Queer-Beauftragten in der Bundesregierung? Sie hätten es gerade mal sehen sollen, als Herr Hess vortrug: Da hat er nur mit dem Kopf geschüttelt! ({3}) Ich erwarte von Ihnen mal eine Stellungnahme! Kein millionenschweres Integrationsprogramm, keine Millionenförderung der Deutschen Islam Konferenz, keine millionenschwere Kampagne zur Förderung des Ansehens unserer Sicherheitskräfte wird ein gesellschaftliches Kunstgebilde wie Ihre bunte Republik zusammenhalten. Entwurzelt, fragmentiert, von gegenseitiger Fremdheit geprägt und auch gewalttätig – diese unsichere, zerfallende Gesellschaft ist das Produkt Ihrer großen, experimentellen Anordnung oder, wie Sie es nennen, Ihrer großen Transformation. Ohne Ihre große Transformation wäre dieser haushalterische Kitt überhaupt nicht notwendig. Deutschland will keine staatlich verordnete Öffnung der Aufnahmegesellschaft, kein Resettlement-Programm für Afghanen, kein Schlachthaus für Tschetschenen werden. ({4}) Wenn Sie Ihr multikulturelles Projekt weiterverfolgen wollen, dann sollten Sie wenigstens so ehrlich sein – auch Sie, Herr Emmerich – und Ihre Regenbogenfahnen um die Farbe Blutrot ergänzen. Vielen Dank. ({5})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Herr Helferich, für die Formulierung, dass wir hier ein Schlachthaus sind – so habe ich es zumindest verstanden –, rüge ich Sie. ({0}) Nächste Rednerin: für die SPD-Fraktion Peggy Schierenbeck. ({1})

Peggy Schierenbeck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005206, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin Nancy Faeser! Sehr geehrte Damen und Herren! Dieser Haushalt, dieser Einzelplan 06, ist richtig und wichtig. Er ist das richtige Mittel, um eine moderne und fortschrittsgewandte Innenpolitik zu betreiben. Wir stärken die Bundespolizei mit 1 000 neuen Stellen. ({0}) Wir stärken das BKA mit 180 neuen Stellen. Wir investieren in die Sicherheit aller Menschen in unserem Land. Wir investieren auch in die Cybersicherheit. Dieser Bereich ist in den vergangenen Wochen und Monaten so wichtig geworden wie nie zuvor. Im digitalen Raum bestmöglich geschützt zu sein, ist so wichtig geworden wie nie zuvor. Ministerin Faeser hat es bereits betont: Wir fördern unseren Bevölkerungs- und Katastrophenschutz. Aus Katastrophen zu lernen, ist essenziell. Jede Flut, jeder Brand, jede Dürre sollte uns Anlass geben, mehr in uns schützende Kräfte zu investieren, ({1}) besser noch, es gar nicht erst so weit kommen zu lassen. Wir investieren auch mehr in Prävention. Es sollte uns allen klar sein, aber ich sage es gerne noch einmal: Prävention verhindert mehr Kosten, als sie verursacht. ({2}) Die politische Bildung ist Schlüsselmaßnahme im Kampf gegen rechts. Die Statistiken zeigen es uns: Das ist momentan die größte innergesellschaftliche Bedrohung, gegen die wir mit allen Mitteln vorgehen müssen. ({3}) Lassen Sie uns auch weiterhin in Prävention, in kluge und langfristige Maßnahmen investieren. Mit diesem Haushaltsentwurf zeigen wir, wie viel Fortschritt in der Sicherheits- und Migrationspolitik möglich ist. Wir machen einen großen Schritt in Richtung Zukunft. Wir machen Deutschland zu einer modernen Gesellschaft. Mit diesem Haushaltsentwurf beweisen wir, was alles möglich ist und in welchem Land wir leben wollen. Wir beweisen, dass wir zusammen stark sind. Meine Damen und Herren! Der Haushaltsplan für das Bundesministerium des Innern und für Heimat zeigt uns auf, dass eine wirksame Innenpolitik auch funktionieren kann, wenn Konjunkturmittel auslaufen und die Schuldenbremse wieder greift. – Danke, lieber Martin. – Wir sprechen hier von Sicherheit für alle: Cybersicherheit, Katastrophenschutz, politische Bildung, behördenunabhängige Asylverfahrensberatung, Sportförderung, Präventionsarbeit. Wir geben Sicherheit. Wir halten die Gesellschaft zusammen. Wir schützen unsere Freiheit und unsere Demokratie. Vielen Dank. ({4})

Karsten Klein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004780, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP hat uns einen Haushaltsentwurf 2023 mit Ausgaben in Höhe von 445 Milliarden Euro vorgelegt. 445 Milliarden Euro sind circa 50 Milliarden Euro weniger als im laufenden Jahr 2022. Aber das liegt vor allem daran, dass große Maßnahmenpakete, Hilfsprogramme aufgrund der Coronakrise auslaufen. 445 Milliarden Euro ist aber auch deutlich mehr als im Vorkrisenjahr 2019. Das ist auch deutlich mehr als alle Finanzpläne vor der Krise und auch der letzte der Großen Koalition aus 2021 vorgesehen haben, zwischen 40 und 70 Milliarden Euro mehr. Das zeigt noch einmal, dass diese Bundesregierung – der Bundesfinanzminister konsolidiert; das ist richtig – in keinem Fall von einem Sparhaushalt redet, was der eine oder andere ja tun möchte. ({0}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, in diesem Haushalt stecken 58,4 Milliarden Euro Investitionen. 18,7 Milliarden Euro für militärische Beschaffung kommen noch einmal obendrauf. Wir investieren in den Klimaschutz, in Digitalisierung, in Bildung und Forschung und in die Verteidigungsfähigkeit dieses Landes. Was in diesem Haushalt aber auch steckt, sind die enorm gestiegenen Zinsausgaben. 2021 waren es noch 3,9 Milliarden Euro Zinsausgaben. Für nächstes Jahr plant der Bundesfinanzminister mit 29 Milliarden Euro. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das zeigt noch einmal mehr: Gott sei Dank – Gott sei Dank im Sinne der zukünftigen Generationen – haben wir nicht auf die Ratgeber gehört, die uns aufgrund von Niedrigzinsen oder Negativzinsen eine weitere Staatsverschuldung schmackhaft machen wollten. Das war gut. ({1}) Deshalb ist es auch richtig, dass wir mit diesem Haushaltsentwurf die Schuldenbremse einhalten. Ja, die Schuldenbremse steht in der Verfassung. Daran muss man in diesem Haus leider ab und zu erinnern. Aber es ist vor allem ein Instrument der Generationengerechtigkeit. ({2}) Die Schuldenbremse atmet mit der wirtschaftlichen Entwicklung. Sie gibt uns die Möglichkeit, auf schwierige Wirtschaftslagen zu reagieren, im Übrigen auch auf technische Rezessionen. Sie ermöglicht es, in Ausnahmesituationen zu agieren; Sie kennen das aus den letzten Jahren. Aber sie macht vor allem eines: Sie gewährleistet die Handlungsfähigkeit der Bundesregierung und dieses Landes, um den dauerhaften Herausforderungen gerecht zu werden. Da reden wir über den demografischen Wandel. Da reden wir über die Chancengerechtigkeit in der Bildung, den Sozialstaat, aber vor allem auch über das Thema Klimaschutz. ({3}) Das sind dauerhafte Aufgaben, die sich auch in diesem Haushalt wiederfinden. ({4}) Diesen dauerhaften Aufgaben werden wir nur gerecht werden können, wenn wir auf finanzielle Solidität setzen, wie das diese Bundesregierung tut, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({5}) Unsere Devise darf nicht sein, dass wir unsere Probleme mit dem Geld zukünftiger Generationen lösen. Das müssen wir schon aus eigener Kraft schaffen. ({6}) Die Schuldenbremse ist aber auch ein Instrument, um die Inflation zu bekämpfen. Dafür haben wir im dritten Entlastungspaket Bausteine gegen die kalte Progression eingebaut. Wir haben aber auch Bausteine wie Einmalzahlungen und die Absenkung der Mehrwertsteuer auf Gas eingebaut, um auf die aktuelle Lage, das aggressive Vorgehen von Wladimir Putin zu reagieren. Aber zur Wahrheit gehört: Wir können nicht alles abfedern, was aus dieser Energieproblematik resultiert. Wir wollen Not lindern und Insolvenzen verhindern. Und wir wollen, dass Strom und Gas verfügbar und bezahlbar bleiben. Deshalb ist es, liebe Kolleginnen und Kollegen, umso beängstigender, wenn der Ministerpräsident des bevölkerungsreichsten Bundeslandes den Menschen in diesem Land diese Hilfen nicht zukommen lassen will. Es ist ein Skandal, wenn er diese Hilfen infrage stellt. ({7}) Deshalb möchte ich noch einmal alle auffordern – beide Koalitionspartner, aber auch die Union –, noch einmal für dieses Paket zu werben. Starke Schultern müssen in der Krise auch mehr tragen. Die Länder haben starke Schultern. ({8})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Kollege Klein, kommen Sie bitte zum Schluss.

Karsten Klein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004780, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich komme zum Schluss. Die Bundesregierung hat einen guten Haushaltsentwurf vorgelegt. Aber es gibt keinen Grund, diesen Entwurf nicht noch besser zu machen.

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Herr Kollege!

Karsten Klein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004780, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich freue mich auf die Haushaltsberatungen. ({0})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Herr Kollege Klein. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Dr. Ingeborg Gräßle, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Dr. Ingeborg Gräßle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005069, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bundesregierung! Ich möchte noch einmal darlegen, was uns als CDU/CSU in dieser Haushaltsdebatte wichtig war. Uns ist wichtig, dass wir alle Maßnahmen ergreifen, um die Inflation, die Energiekrise und die kommende Wirtschafts- und Finanzkrise zu bewältigen, die Bürgerinnen und Bürger zu entlasten und die Wirtschaft zu stützen. Das ist für uns die Hauptsache. ({0}) Wenn man sich nun Ihr drittes Entlastungspaket anschaut, das bisher nur als Pressemitteilung vorliegt – eigentlich ein Unding –, ist klar, dass für die Mittelschicht nichts drin ist. Die Mittelschicht schaut mit Ihnen in die Röhre, und auch die Firmen schauen in die Röhre. Dieses Paket ist wieder nicht auf der Höhe der Zeit und wieder nicht auf der Höhe der Probleme. Nach dem, was in Ihrer Pressemitteilung steht, fällt dieses dritte Entlastungspaket durch. Mir hat ein Vater geschrieben. Sein Sohn macht eine Ausbildung in der Gastronomie, verdient 1 200 Euro und hat jetzt den Abschlag für Gas erhalten: 580 Euro im Monat. Mit der Miete macht das zusammen 1 000 Euro. Die Einmalzahlungen, die Sie vorschlagen, lösen das Problem überhaupt nicht und helfen nicht wirklich. Ein anderer Fall. Eine große Firma bezahlt bislang 30 Millionen Euro für Gas im Monat. Jetzt sind es 160 Millionen Euro pro Monat. Das gibt kein Geschäftsmodell her. Wir alle machen uns große Sorgen. Auch den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern helfen Ihre 200 Euro bzw. 300 Euro Abschlagszahlung nicht. Sie sind nicht auf der Höhe der Probleme. Das ist für uns als CDU/CSU ein großes Problem; denn wir sehen, dass Sie keine Antworten auf die wirklichen Probleme dieses Landes haben, auf die ganz akute Krise. ({1}) Sie kündigen viel an und setzen wenig um. Ich nenne als Beispiel das Energiekostendämpfungsprogramm. Es sind 3 200 Anträge gestellt, nur 24 davon sind bislang positiv beschieden. Übrigens erlaubt dieses Programm nur den Ausgleich von Kostensteigerungen bis maximal 2 Millionen Euro. Das ist wichtig für den Mittelstand, aber es gibt noch eine große Kluft, einen großen Bereich, der nicht bedient wird. Stattdessen hören wir viel Symbolpolitik, viel Klamauk, viel Selbstlob und ziemlich viel unsägliche Propaganda, die mich empört, weil Sie die Sorgen und Nöte der Menschen nicht ernst nehmen. Wann fangen Sie endlich an, zu arbeiten? Soforthilfe ist möglich. Soforthilfe ist nötig. ({2}) – Ja, Sie sind am Zug, Sie regieren. Das ist jetzt wirklich dumm gelaufen. Sie regieren, Sie müssen die Antworten finden. Wir brauchen hier schnellstens Gesetzentwürfe und wirkliche Unterlagen. Einmal mehr haben wir jetzt drei Tage lang einen Haushaltsentwurf diskutiert, der Makulatur ist, in dem die wesentlichen Dinge wieder nicht drinstehen. Ich empfinde es als beklemmend, dass wir das getan haben. Ich empfinde es als beklemmend, dass Sie am Sonntag vor den Haushaltsberatungen ein Entlastungspaket vorgestellt haben, das den Haushalt massiv verändert und das wir nicht besprechen können, weil es wieder nicht enthalten ist. ({3}) Es tut mir leid: Ich kann mich nur wundern über die Koalitionsfraktionen. Sie bejubeln einen Haushalt, der hinfällig ist. Sie bejubeln ein Vorgehen der Regierung, das den Deutschen Bundestag brüskiert, das den Deutschen Bundestag nicht ernst nimmt. ({4}) Ich habe es schon beim letzten Mal gesagt: Sagen Sie, wann Sie die entsprechenden Texte vorlegen! Sagen Sie auch, ob die Länder mitmachen, über deren Köpfe Sie einfach bestimmt haben, und sagen Sie auch, wann Sie den Bürgerinnen und Bürgern endlich den Übergewinn zurückgeben, den der Finanzminister durch die hohen Preise an der Zapfsäule und der Gasuhr erzielt. ({5}) Uns ist wichtig, Spielräume für künftige Haushalte zu erhalten. Deswegen reden wir auch über die Nettokreditaufnahme; ({6}) das hat gestern der Kollege Haase getan. ({7}) Der Rechnungshof spricht in seiner Analyse der Schuldentragfähigkeit von einer versteinerten Finanzlage des Bundes und rechnet vor: Die Nettokreditaufnahme liegt tatsächlich bei 78 Milliarden Euro und eben nicht bei 17 Milliarden Euro, wie es uns gestern der Finanzminister wieder mit seinem alten Manuskript versucht hat zu verkaufen – 78 Milliarden Euro, nicht 17 Milliarden Euro. Kollege Klein hat heute ganz tolle Dinge in Sachen Schuldenbremse von sich gegeben. Hier haben Sie die volle Unterstützung der Union. Aber in den Koalitionsreihen sieht es da, glaube ich, schlecht aus. Wo steht die Koalition bei der Einhaltung der Schuldenbremse tatsächlich? Nach dem, was wir hier sehen, können wir nur sagen: Sie stehen nicht dahinter. Es wäre vielleicht auch wichtig, dass der Finanzminister seine Ideen noch mal bekräftigt. Das letzte Mal hat er über die Planungsbeschleunigung gesprochen. Wir alle wissen, dass unser Land unabhängig davon, wer regiert, an den langen Verzögerungen bei Planungsverfahren krankt. Zuletzt hieß es, es gebe eine Arbeitsgruppe. Wo ist diese Arbeitsgruppe? Und wo sind Ergebnisse? Ich glaube, wenn man nicht mit Schlagzeilen regiert, sondern mit seriöser Politik, dann muss man hier vor dem Deutschen Bundestag darlegen, was man sich vorstellt, statt nur vor der Presse. ({8}) Damit komme ich zum Bundesfinanzkriminalamt. Das Bundesfinanzkriminalamt hat er vor der Presse vorgestellt, aber hier mit keinem Wort. Wie kann so etwas sein? Wie kann es sein, dass wir über diese Dinge hier nicht sprechen und die wesentlichen Inhalte der Presse entnehmen müssen? Ich wäre übrigens nach 15 Jahren Betrugsbekämpfung auf europäischer Ebene nicht auf die Idee gekommen, dass in diesem Land Behörden oder Ämter fehlen. Hier fehlen Kompetenzen für die entscheidenden Dinge. ({9})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Frau Kollegin, kommen Sie zum Schluss, bitte.

Dr. Ingeborg Gräßle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005069, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

In der Krise zeigt sich, wer ihr gewachsen ist. Wir als Union haben seit dem Bestehen der Bundesrepublik gezeigt, dass wir der Krise gewachsen sind, dass wir mehr können als Schuldzuweisungen. ({0}) Von Ihnen habe ich in dieser Woche nur Schuldzuweisungen gehört. ({1}) Es gibt noch ganz viel Luft nach oben bei der Frage, wie man dieses Land aus der Krise führt, wie man diesem Land und seinen Bürgerinnen und Bürgern am besten hilft. – Danke, Herr Präsident. ({2})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Ich möchte darauf hinweisen, Frau Kollegin: Ich war jetzt zweimal höflich, aber werde demnächst wieder darauf achten, dass die Redezeiten exakt eingehalten werden, und zwar gegenüber jedem Mann, jeder Frau, jeder Person. Nächster Redner ist der Kollege Achim Post, SPD-Fraktion. ({0})

Achim Post (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004378, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Wir dürfen in diesem Hause – das ist das Gute, Frau Kollegin – über alles reden, und wir reden über alles. Ich habe die ganze Woche verfolgt, wie die Kolleginnen und Kollegen in diesem Hause diesen Haushaltsentwurf besprochen haben. Und ich finde, dass sie sich alle – fast alle – sehr viel Mühe gegeben haben, dass sie diesen Haushalt sehr ernsthaft diskutiert, sehr ernsthaft geprüft haben. Wir haben kontrovers diskutiert, wir haben teilweise sehr heftig diskutiert. Ich bin, ehrlich gesagt, stolz darauf, dass das in diesem Lande möglich ist und weiter möglich sein wird, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({0}) Das ist dringender denn je; denn wir führen eine Haushaltsdebatte in Zeiten des Krieges und sich überlappender Krisen: Putins brutaler Angriffskrieg, die sich zuspitzende Klimakrise und Corona, das nicht weg ist, nur weil wir uns wünschen, dass es weg ist. Das heißt, wir haben eine Menge zu tun. Wir alle wissen – das haben die meisten gesagt –: Das hat Auswirkungen auch auf uns, auf die Bürgerinnen und Bürger, auf die Beschäftigten, auf die Betriebe, auf die Sicherheitspolitik der Bundesrepublik Deutschland, auf unsere Energieversorgung. Nicht alle haben sich an der ernsthaften Debatte in dieser Woche beteiligt. Es gab eine Fraktion, die wieder mal ein Lied gespielt hat, das wir alle seit vielen, vielen Jahren kennen. Das Lied heißt: Deutschland geht unter – ({1}) erst wegen des Euro, dann wegen Corona, dann wegen der Maßnahmen, die wir jetzt bezogen auf Russland unternehmen. Es gibt immer irgendeinen neuen Grund. Ich sage Ihnen: Deutschland wird nicht untergehen, liebe Kolleginnen und Kollegen; denn Deutschland ist stark, sozial und demokratisch. ({2}) Ich muss es mal sagen: Diese Bundesregierung und dieser Bundesfinanzminister haben einen Haushaltsentwurf vorgelegt, über den es sich lohnt zu reden. Wir haben ein Entlastungspaket vorgelegt, über das es sich lohnt zu reden. Und wir werden eine Politik betreiben, über die es sich lohnt, weiter zu reden, die krisenreaktionsfähig ist und die Zukunftsinvestitionen tätigt wie noch nie zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. ({3}) Deshalb muss ich mich schon wundern, dass Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU, weiter versuchen, die schwäbische Hausfrau zu spielen – das ist sehr ehrenhaft –, aber gleichzeitig eine Mehrausgabe nach der anderen fordern. Wie das zusammenpassen soll, ist mir schleierhaft. ({4}) Sie fordern, die Gasumlage zurückzunehmen. Das kann man fordern, bedeutet aber für den Bundeshalt ein Minus von 34 Milliarden Euro. ({5}) Sie fordern, auf die Rücklage zu verzichten. Das kann man fordern, bedeutet aber für den Bundeshalt 2023 40 Milliarden Euro weniger. Wenn ich das zusammenrechne und mir ansehe, was Sie auf der Zugspitze beschlossen haben – da kommen locker noch mal mindestens 40 Milliarden Euro dazu –, sind wir alles in allem bei mehr als 100 Milliarden Euro. ({6}) Ich kann Ihnen nur sagen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Der Weg vom Kanzleramt ins Wolkenkuckucksheim war verdammt kurz bei Ihnen. ({7}) Dann gibt es noch etwas: Man darf in einer Haushaltsdebatte auch über die Einnahmeseite reden. Das ist erlaubt; das verstößt nicht gegen das Grundgesetz. Diese Ampelkoalition macht Vorschläge, wie die Einnahmeseite weiter gestärkt werden kann – die ({8}) kennen Sie alle –: starke Politik gegen Geldwäsche, die globale Mindestbesteuerung. ({9}) – Ja, los geht’s, genau. Das machen wir alles. – Diese Ampel ist der Garant dafür, dass wir die Dinge, die lange liegen geblieben sind, endlich anpacken. ({10}) Zu Europa – darüber müssen wir auch reden –: Die Bundesregierung ist wie viele Bundesregierungen vor ihr der Garant dafür, dass Deutschland stark bleibt und Europa stärker wird, liebe Kolleginnen und Kollegen; denn nur zusammen kriegen wir was hin. Dafür braucht man proeuropäische Regierungen. Dafür braucht man nicht nur eine starke Kommission oder eine starke Kommissionspräsidentin, sondern proeuropäische Regierungen. Deshalb muss ich mich schon sehr wundern. In zwei Wochen wird in Italien gewählt. Vor der Tür stehen die Erben Mussolinis, eine Koalition, angeführt von Giorgia Meloni, einer Rechtsextremistin, ({11}) von Salvini, einem Rechtspopulisten, unterstützt von Berlusconi, gestärkt von Manfred Weber, liebe Kolleginnen und Kollegen, ({12}) dem Fraktions- und Parteichef der EVP, Ihrer Parteienfamilie. Ich bin erschüttert, dass eine proeuropäische Partei wie die CDU so was zulässt. ({13}) Unterm Strich: Diskutieren wir weiter ernsthaft, auch kontrovers, auch wenn es wehtut, auch wenn es Ihnen wehtut, über die Dinge, um die es geht! Dieser Entwurf des Bundeshaushalts ist eine gute Grundlage. Das ist nicht das Ende der Debatte; es ist der Anfang der Debatte, liebe Kolleginnen und Kollegen. Schönen Dank. ({14})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Herr Kollege Post. – Nächster Redner ist der Kollege Peter Boehringer, AfD-Fraktion. ({0})

Peter Boehringer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004675, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Herr Präsident! Wir haben in dieser Woche nun schon einiges über die Schwachstellen des Haushalts gehört, aber viel schlauer sind wir nicht geworden. Zu den großen Rätseln gehört immer noch, wie die Ampelkoalition ihr mythenumranktes Entlastungspaket denn finanzieren will oder wie sie die angekündigte Strompreisbremse operativ bekommen will, wenn die betroffenen Stadtwerke noch nicht einmal die Daten dafür haben und das auch ganz laut sagen. Ohnehin löst nichts davon die Energieprobleme ursächlich; es wird einfach nur sozialistisch-planwirtschaftlich umverteilt. ({0}) Wissen Sie eigentlich, dass es die Mittelschicht, die das alles bezahlen soll, bald gar nicht mehr geben wird? Und Herr Post, wenn Sie das, wie eben geschehen, ins Lächerliche ziehen, dann zeigt das einfach nur, wie unglaublich arrogant die SPD ist und wie weit sie von der Mittelschicht inzwischen entrückt ist. ({1}) Die Insolvenzwelle ist schon unterwegs. Dennoch unterstellt der Regierungsentwurf ernsthaft im Jahr 2023 wieder Überschüsse im Haushalt der Bundesagentur für Arbeit und eine Rückzahlung der Mittel in den Haushalt. Wie weltfremd kann eine Regierung angesichts einer direkt vor der Tür stehenden schweren Wirtschaftsdepression Deutschlands sein, wie faktenresistent ein FDP-Finanzminister gegenüber der Realität? ({2}) Anstatt die Probleme dieses Landes an der Wurzel zu packen, regieren Filz und Ideologie. Der Coronaminister Lauterbach twittert ernsthaft – Zitat –: „Den größten Solidarbeitrag“ zur Krankenversicherung „leistet die Pharmaindustrie. Ihre Umsätze stiegen sehr stark.“ ({3}) Das mit den Umsätzen stimmt. Aber die weiteren Fakten: Bei Pfizer wurde bestens verdient. Hier forderte der Bundesimpfminister jedoch keinerlei Übergewinnsteuer. Er macht stattdessen eine Dauerwerbesendung für Pfizers Paxlovid. Die GKV dagegen benötigt 2023 wegen der verheerenden Coronamaßnahmen-Folgekosten einen Bundeszuschuss von 17 Milliarden Euro. Und mit dem angekündigten Solidarbeitrag der Pharmakonzerne von 1 Milliarde Euro hätten – ja, hätten! – diese Pharmakonzerne gerade mal 5 Prozent ihrer Gewinne abgegeben. Selbst diese Milliarde wurde am Ende entgegen Lauterbachs Lügen-Tweet wieder zurückgenommen. Ganz zufällig entspricht diese nun fehlende Milliarde Euro, die Herr Lauterbach seinen Pharmafirmen erspart hat, genau dem Darlehen, das der Bund nun neuerdings der GKV aus dem Haushalt gewähren muss. Das lässt einen doch sprachlos zurück. ({4}) Aber reden wir auch ein wenig über den grünen Filz. Wenn die radikale Klimasekte der Letzten Generation – das sind die, die sich immer wieder auf die Autobahnen kleben – tatsächlich Hunderttausende Steuer-Euros aus dem Etat des Wirtschaftsministeriums bekommt, ({5}) dann ist auch das ein Skandal. ({6}) Auch wenn das Wirtschaftsministerium heute offensichtlich nicht vertreten ist, bleibt es ein Skandal. ({7}) Gleiches gilt, wenn eine grüne Klüngel-NGO namens Zentrum Liberale Moderne unter anderem mit einer Auftragsarbeit für das Kanzleramt namens „Gegneranalyse“ mehr als 1 Million Euro erhält, um die Opposition im Netz zu beobachten und Verteidigungsstrategien aufzuzeigen. Die grüne NGO allerdings arbeitete für das damals schwarze Kanzleramt. Und nicht zu vergessen: die – Zitat – „Leuchtturminitiative“ des Entwicklungshilfeministeriums und der EU namens „Stärkung der Bürgerbeteiligung an guter Regierungsführung“ in Laos. Wem dieser Imperialismus im Rahmen der Agenda 2030 der UN als Begründung immer noch nicht genügt, der sollte in den Projektbericht schauen. Dann erfährt er, dass es dabei auch um „die Vernetzung und Beteiligung aller gesellschaftlichen Gruppen“ geht, wobei auch immer, in jedem Fall aber unter expliziter Berücksichtigung aller 60 Geschlechteridentitäten und selbstverständlich bei – Zitat – „Inklusion … von … transgender Personen“, also genau das, was das Entwicklungsland Laos so braucht. Deutsches Steuergeld in allerbester Verwendung! ({8}) In Deutschland, bei uns also, verweigert das Finanzministerium dagegen den Menschen jede inflationsadäquate Erhöhung des steuerlichen Existenzminimums. Die AfD fordert hier seit Monaten eine Erhöhung auf 12 600 Euro. ({9}) – Warten wir es mal ab! – Für deutsche Verbraucher gibt es stattdessen die Gasumlage, mit der faktisch zwei große Gaseinkäufer, die sich verzockt haben – seit heute ist es noch ein dritter; auch der wird Milliarden brauchen –, gerettet werden sollen. Für den eigentlich finnischen Konzern Uniper steht der finnische Staat nicht gerade. Der deutsche Bürger rettet ihn nun. ({10}) Dann könnte man das aber auch so gestalten, dass das wenigstens auf Kreditbasis geschieht, sodass Uniper die über 20 Milliarden, die es letztlich aus der Gasumlage erhalten soll, in ruhigeren Zeiten wieder zurückzahlen muss. ({11}) Es kann nicht sein, dass hier wieder einmal Gewinne bei wenigen Konzernen privatisiert, die Verluste aber über alle Steuerbürger sozialisiert werden. ({12}) Letzter Satz, Herr Präsident. – Die AfD-Fraktion wird zu diesem Thema in der nächsten Plenarwoche eine Debatte erzwingen. Sie ist überfällig. Vielen Dank. ({13})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Herr Kollege Boehringer. – Als Nächster erhält das Wort der Kollege Bruno Hönel, Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Bruno Hönel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005086, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die erste Lesung des Haushalts in dieser Woche hat sehr deutlich gezeigt: Die Rahmenbedingungen, mit denen es diese Regierung zu tun hat, sind wahrlich herausfordernd. Nun schauen wir in der Schlussrunde immer auch ein bisschen auf die vergangene Woche zurück. Ich habe die Debatten zum Haushalt sehr aufmerksam verfolgt und muss in Richtung der Union schon sagen: So langsam habe ich den Eindruck: Sie sind in der Oppositionsrolle wirklich angekommen. ({0}) Anders kann ich mir Ihre Debattenbeiträge nicht erklären. ({1}) Der Kollege Post hat es hier schon erläutert; ich will es hier noch einmal verstärken: In Sonntagsreden predigen Sie die schwarze Null, hier machen Sie wie am Fließband neue Ausgabenvorschläge. – Ich habe schon am Anfang dieser Woche gesagt: Die Grundrechenarten reichen, um zu wissen, dass das nicht zusammenpasst. Mit einer verantwortungsvollen Haushaltspolitik in dieser schwierigen Zeit, wo wir gemeinsam in der Verantwortung stehen, hat das überhaupt nichts zu tun, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union. ({2}) Gleichzeitig war schon auffällig, dass für die Unionsabgeordneten die Atomkraft auf einmal auch im Einzelplan 11 oder in anderen Einzelplänen steckt. ({3}) Immer wieder haben Sie hier in dieser Woche die Atomkraft beschönigt und beschworen ({4}) und damit einmal mehr bewiesen, dass Sie unfähig sind, aus den eigenen Fehlern der Vergangenheit zu lernen. ({5}) Ich möchte Sie erinnern: Sie haben in Ihrer Energiepolitik historisch versagt. Sie haben uns abhängig gemacht von Putins russischem Gas. ({6}) Sie haben gegen jede Windkraftanlage gekämpft. ({7}) Sie haben bis zum Schluss Nord Stream 2 verteidigt, ({8}) obwohl wir Sie immer wieder gewarnt haben vor den energiepolitischen Konsequenzen, vor den geopolitischen Konsequenzen, vor der Erpressbarkeit. Nun warnen wir Sie erneut: Die Kernkraft wird die Preise nicht senken. Sie ist ein unkalkulierbares Risiko, sie trägt nicht zur Netzstabilität bei, ({9}) und sie ist eine unbezahlbare Hypothek für künftige Generationen, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({10}) Ihre Altlasten, liebe Union, sind mitverantwortlich für die Preissteigerungen, mit denen wir es jetzt zu tun haben. Während Sie in Ihrer Fraktion Pro-Atom-Narrative entwickelt haben, ({11}) hat Robert Habeck die Gasspeicher gefüllt, die Sie uns leer hinterlassen haben. Sie tragen Verantwortung. Fangen Sie endlich damit an, Ihre Energiepolitik an der Wirklichkeit zu orientieren und nicht an blinder Ideologie! ({12}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wissen um die Zumutungen in dieser Zeit. Deswegen haben wir ein Entlastungspaket geschnürt, das die ganze Breite der Bevölkerung abdeckt. ({13}) Die Maßnahmen des dritten Entlastungspakets greifen zum Teil auch schon kurzfristig, ({14}) beispielsweise die Energiepreispauschale oder der Heizkostenzuschuss II, beides noch in diesem Jahr. Andere Maßnahmen wie das höhere Bürgergeld, die Wohngeldreform oder die Kindergeldsteigerung greifen dann im neuen Jahr. ({15}) Insgesamt haben wir die Menschen in unserem Land in der Krise dann um beinahe 100 Milliarden Euro entlastet. Das zeigt doch klar und deutlich: Die Ampelkoalition nimmt ihre Verantwortung wahr in dieser krisenbehafteten Zeit. ({16}) Wir Grüne werden natürlich weiterhin darauf achten, dass besonders die Menschen entlastet werden, die es dringend nötig haben. Das sind die Menschen mit kleinem und mittlerem Einkommen. Niemand darf unverschuldet auf der Strecke bleiben in dieser Zeit. Das ist für uns die Handlungsmaxime. ({17}) Deswegen bin ich dem Finanzminister Christian Lindner auch sehr dankbar, ({18}) dass er jüngst in der „Süddeutschen“ klargestellt hat, dass er unter bestimmten Umständen das Aussetzen der Schuldenbremse nicht ausschließt, dass es für ihn kein Dogma ist. Das ist natürlich richtig; denn es ist zutiefst pragmatisch. Die Schuldenbremse ist kein Selbstzweck. Wir werden uns aus der Krise nicht heraussparen können. Dafür braucht es eine aktive Haushaltspolitik, gerade vor dem Hintergrund rezessiver Tendenzen, ({19}) und dazu sind wir bereit, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({20}) Der Blick auf den Haushalt zeigt: Wir müssen auch grundsätzlich über Finanzierungsfragen sprechen. Die Abschöpfung von Zufallsgewinnen ist aktuell ein richtiger und notwendiger Schritt, für den wir Grüne uns auch sehr, sehr stark eingesetzt haben. Wir sollten darüber hinaus aber schon auch konstruktiv über die Frage debattieren, wie wir Haushaltsspielräume erweitern können. Da möchte ich auf die Summe der 65 Milliarden Euro für das Entlastungspaket zurückkommen. 65 Milliarden Euro, das ist nämlich auch die Größenordnung – ich verweise da auf einen Bericht des Umweltbundesamtes aus dem Jahr 2021 –, auf die das Finanzministerium jedes Jahr verzichtet zugunsten fossiler Subventionen. Das ist eine gewaltige Summe Geld. Ich sage ganz klar und unmissverständlich: Wir können diese Subventionen in dieser Phase natürlich nicht von jetzt auf gleich abschaffen; das wäre preistreibend und fatal in dieser Situation. Was wir aber brauchen – diesen Impuls will ich hier schon auch setzen –, ist ein Fahrplan für den sukzessiven Abbau von klimaschädlichen Subventionen. ({21}) Das ist nicht nur der einzig logische Schritt im Sinne des Klimaschutzes, ({22}) sondern damit können wir auch für neue Finanzierungsspielräume sorgen: für gute Sozial- und Klimapolitik, für die Vorhaben dieser Regierung. Lieber Herr Präsident, ein letzter Satz.

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Ja, aber wirklich der letzte Satz.

Bruno Hönel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005086, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich freue mich auf die Haushaltsberatungen. Wir haben Spielräume, und wir werden sie nutzen. Herzlichen Dank. ({0})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Herr Kollege. – Ich freue mich auch auf die Haushaltsberatungen. Nächste Rednerin ist die Kollegin Janine Wissler, Fraktion Die Linke. ({0})

Janine Wissler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005260, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Energiepreise sind allein im August um 35 Prozent gestiegen. Die Lebensmittel werden teurer. Das 9‑Euro-Ticket ist ersatzlos ausgelaufen. ({0}) Für viele Menschen spitzt sich die Lage immer weiter zu: für die 14 Millionen Menschen, die in Armut leben, die zu Niedriglöhnen arbeiten oder die auf Grundsicherung angewiesen sind und zunehmend auch für Normalverdienende. Nun hat die Bundesregierung nach langem Hin und Her ein drittes Entlastungspaket beschlossen, in dem sie zumindest korrigiert hat, dass Rentnerinnen und Rentner und Studierende bei der Energiepauschale zunächst leer ausgingen, was im Übrigen eine Ungerechtigkeit sondergleichen war. ({1}) Eine Einmalzahlung ist sicher besser als nichts, aber sie verpufft. Viele Menschen werden damit nicht über den Winter kommen. Deswegen brauchen wir für kleine und mittlere Einkommen ein monatliches Inflationsgeld. Das ist nötig, und nicht die weitere steuerliche Entlastung für Besserverdienende. ({2}) Sinnvoller, als den Kreis der Wohngeldberechtigten auszuweiten, wäre ein bundesweiter Mietendeckel; denn dann könnte man Mietsteigerungen verhindern, statt sie auf Kosten der Allgemeinheit auszugleichen, meine Damen und Herren. ({3}) Das wäre eine wirklich sinnvolle Maßnahme. Da würden Sie auf einen Schlag Millionen von Mieterinnen und Mietern entlasten. Unterm Strich ist Ihr Entlastungspaket enttäuschend. Es ist sozial unausgewogen; es ist nicht nachhaltig, und das kritisieren ja auch Sozialverbände und Gewerkschaften. Menschen, die auf Grundsicherung angewiesen sind, bekommen in diesem Jahr überhaupt keinen Cent mehr, gar keine Hilfe mehr. ({4}) Der Hartz-IV-Regelsatz soll erst ab Januar steigen – um 50 Euro! Notwendig wären mindestens 200 Euro pro Monat, ({5}) damit die Menschen nicht in Armut leben. Viele Menschen sind auf die Tafeln angewiesen. Von 5,19 Euro pro Tag für Lebensmittel kann man doch nicht leben, meine Damen und Herren. Diese Menschen empfinden Spartipps wie die Benutzung von Waschlappen zu Recht als absolut zynisch, und das ist es auch, vor allem, solange man mit 200 Stundenkilometern über deutsche Autobahnen fahren kann, weil die FDP ein Tempolimit für Teufelszeug hält. Ersparen Sie uns bitte solche absurden Spartipps, die die Menschen beleidigen! ({6}) Die wichtigste Frage, nämlich die der explodierenden Gaspreise, klammern Sie einfach aus: kein Preisdeckel, kein kostengünstiges Grundkontingent, keine Maßnahmen gegen die Spekulation. Stattdessen führt die Ampel eine Gasumlage ein, die Verbraucherinnen und Verbraucher zahlen sollen, die mit Gas heizen, worauf der normale Mieter überhaupt keinen Einfluss hat. Wir sagen: Die Gasumlage muss weg! ({7}) Wir brauchen ein Verbot von Strom- und Gassperren, damit niemand im Dunkeln sitzt oder frieren muss, weil er oder sie die Rechnung nicht bezahlen kann. An der Gasumlage haben offensichtlich die Konzerne fleißig mitgeschrieben, und dabei kam heraus, dass nicht nur notleidende Konzerne sie bekommen sollen, sondern auch Unternehmen, die richtig gut verdienen, die sich gerade dumm und dusselig in dieser Krise verdienen. Denn es ist nicht so, dass alle gerade ärmer werden. Allein die Mineralölkonzerne haben im letzten Quartal einen Übergewinn von 38 Milliarden Euro gemacht, und auch Konzerne wie RWE verdienen gerade gut. Andere Länder schöpfen diese Übergewinne ab, Spanien zum Beispiel. Sie haben gerade eine Übergewinnsteuer für Energiekonzerne und Banken eingeführt, und damit finanzieren sie den kostenfreien ÖPNV. Das, meine Damen und Herren, ist sozial gerecht und klimafreundlich, ({8}) nicht aber die deutsche Bundesregierung. Nun ist allgemein bekannt, dass die FDP die Schutzpatronin der Konzerne ist. Aber, liebe SPD und liebe Grüne, Sie können sich nicht bei jeder Frage und bei jeder sinnvollen Reform hinter Christian Lindner verstecken und die FDP als Grund anführen, warum das alles nicht möglich ist. Die SPD stellt den Kanzler, und nicht die FDP. Und wenn Sie die Übergewinnsteuer für sinnvoll halten, dann führen Sie sie bitte ein! ({9}) Aber an eine ernsthafte Übergewinnsteuer, die nämlich die bereits jetzt aufgelaufenen Übergewinne abschöpft, trauen Sie sich nicht heran. Sie könnte bis zu 100 Milliarden Euro einbringen, die wir brauchen, um die Menschen zu entlasten, und auch, um das 9‑Euro-Ticket zu verlängern. Der Kanzler sagte selbst, dass das 9‑Euro-Ticket eine der besten Ideen sei, die die Ampel je gehabt habe. Da sage ich Ihnen: Stampfen Sie doch bitte Ihre schlechten Ideen wie die Gasumlage ein und nicht die wenigen guten, meine Damen und Herren! Sie wollen die Schuldenbremse einhalten und verhindern gleichzeitig eine sozial gerechte Steuerpolitik. Damit verhindern Sie Investitionen, und das ist unverantwortlich. Die Gaskrise ist auch eine Folge einer verfehlten Energiepolitik der letzten Jahre. Sehenden Auges hat man sich von fossilen Energien und damit auch von russischen Importen abhängig gemacht, statt die Energiewende voranzubringen. ({10}) Das kritisieren wir. Wir brauchen die Energiewende und nicht das Festhalten an fossilen Energien. ({11}) Herr Präsident, ich komme zum Schluss. Letzter Satz: Wir brauchen Druck in diesem Land. In Großbritannien haben Gewerkschaften und Aktive gesagt: „Enough is enough“ – genug ist genug –, und streiken und kämpfen und protestieren für Entlastung, für soziale Gerechtigkeit. Druck und soziale Proteste sind auch in diesem Land notwendig, damit sich etwas zum Guten ändert, damit niemand im Winter frieren muss oder Mahlzeiten ausfallen lässt. Vielen Dank. ({12})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Frau Kollegin Wissler. – Als nächster Redner hat das Wort der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Florian Toncar. ({0})

Dr. Florian Toncar (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003856

Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Koalition schlägt mit diesem Haushalt einen Dreiklang für die Zeitenwende vor. Wir investieren auf Rekordniveau: 51 Milliarden Euro plus Klima- und Transformationsfonds. Wir entlasten im Umfang von über 95 Milliarden Euro, wenn man die Entlastungspakete, die dieses Jahr beschlossen worden sind, zusammenrechnet, und wir konsolidieren den Haushalt, indem wir 2023/2024 die Schuldenbremse wieder einhalten. Damit geben wir die Antwort auf die Inflation, wir geben die Antwort auf sich abschwächendes Wachstum, und wir geben die Antwort auf steigende Zinsen. Frau Kollegin Gräßle, wenn Sie bei Entlastungspaketen von insgesamt 95 Milliarden Euro fragen: „Wo bleibt da die Mittelschicht?“, dann frage ich Sie: Wer gehört denn aus Ihrer Sicht eigentlich zur Mittelschicht? Sind Rentner keine Mittelschicht? Sind Studierende keine Mittelschicht? ({0}) Sind die Menschen, die die kalte Progression bezahlen müssen, keine Mittelschicht? Das ist doch ein völlig falsches Verständnis von Mittelschicht. ({1}) So etwas habe ich überhaupt noch nie gehört. Dieses Paket richtet sich an alle, die betroffen sind, und selbstverständlich auch in ganz starkem Maße an die Mittelschicht. Wir haben – auch darauf muss hingewiesen werden – steigende Zinsen – wir müssen 30 Milliarden Euro im nächsten Jahr dafür bezahlen –, was zeigt, dass Verschuldung heute, in der Zeitenwende, nicht mehr gratis zu haben ist. Dafür, allein für die steigenden Zinskosten der nächsten Jahre, muss man übrigens im Grunde die Rücklage einsetzen – das ist volumenmäßig etwa der Betrag –, die Sie in der Vorgängerregierung noch für ganz andere Dinge eingeplant haben. Das zeigt schon, dass wir unter viel schwierigeren Bedingungen heute gestaltende, vorwärtsgewandte Haushaltspolitik machen, und das ist auch richtig so. ({2}) Die eigentliche Erkenntnis der Zeitenwende – und damit tut sich insbesondere die Union sehr schwer; ich komme noch darauf – ist doch: Man kann auf absehbare Zeit nur neue Schwerpunkte setzen, wenn man dafür auch andere Dinge sein lässt, ({3}) oder wenn man etwas in Zukunft verbessern möchte, dann wird man sich auch mal mit der Frage beschäftigen müssen: Kann man eigentlich fürs gleiche Geld bessere Ergebnisse bekommen? Das ist doch die entscheidende Lehre aus der Zeitenwende, aus den neuen Rahmenbedingungen im Haushalt, die wir haben, und genau der verweigern Sie sich systematisch, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union! ({4}) Denn ich habe diese Woche bei 35 Stunden Beratungszeit zum Haushalt etwa 30 Stunden hier in diesem Plenum verbracht und sehr aufmerksam zugehört. Ich kann nur eines berichten – das wissen Sie wahrscheinlich nicht alle hier –: Die Union fordert in jedem einzelnen Einzelplan Mehrausgaben – Innen, Außen, Verteidigung, Verkehr, Soziales, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung –, in jedem Einzelplan mehr Geld; aber es kommt kein einziger Finanzierungsvorschlag. Jeder weiß, dass das nicht geht, was Sie hier vortragen. Sie tun es trotzdem, und das ist hohem Maße unredlich, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({5}) Ich muss übrigens zu Ihrer Verteidigung sagen: Es gab einen Einsparvorschlag. Heute Morgen wollte der Kollege Throm einen Staatssekretärsposten im Innenministerium streichen, der zurzeit gar nicht besetzt ist – im Grunde Kategorie „Albernheiten“. In der Tat, das muss ich Ihnen zugestehen. Aber in Wahrheit ist das, was wir diese Woche gerade von Ihnen als der seriösen, demokratischen Opposition in diesem Haus erlebt haben, eigentlich das beste Zeugnis dafür, dass dieser Haushalt grundlegend in die richtige Richtung geht. Es gibt keine grundlegend anderen Vorschläge, wie man das Geld in diesem Land anders ausgeben könnte, außer „mehr für alle“, und das ist sicherlich nicht genug, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({6}) Da muss man fast noch die Linkspartei in Schutz nehmen. Die wollen nämlich auch mehr für alle; aber die sagen wenigstens, dass sie dafür mehr Schulden machen oder höhere Steuern erheben wollen. ({7}) Das halte ich für falsch, aber ehrlicher ist das allemal als das, was ich von Ihnen von der CDU diese Woche gehört habe. ({8}) Wir stellen uns jetzt in der Zeitenwende unserer Verantwortung. Wir treffen Entscheidungen, beispielsweise im Koalitionsausschuss vom letzten Sonntag. Weitere Entscheidungen werden folgen. Der Energieminister ist heute in Europa im Kreis seiner Kollegen mit wichtigen Themen befasst. Wir kommunizieren offen; wir sagen auch: Selbstverständlich gibt es hier nicht die einfache Lösung. – Wer einfache Lösungen in dieser Krise propagiert, der hat nicht die Lösung eines Problems im Sinn; der hat ein ganz anderes Spiel im Kopf. Davor kann ich im Sinne unserer Demokratie nur warnen. Ich freue mich auf die Haushaltsberatungen. ({9})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Herr Kollege Toncar. – Nächster Redner ist der Kollege Alois Rainer, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Alois Rainer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004384, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Woche wurde der Haushalt 2023 eingebracht – wahrlich keine einfache Aufgabe in einer schwierigen Zeit. Aber ich vermisse Ideen und Innovationen für die Zukunft unseres Landes. Dabei haben Sie auch vergessen, dass einen starken Staat eine geeinte Regierung ausmacht. ({0}) Liebe Kolleginnen und Kollegen der Ampel, von Einigkeit habe ich in den letzten Tagen und Wochen bei Ihnen wenig gespürt. ({1}) – Zum Entlastungspaket, Herr Kollege, komme ich gleich noch. – Die Entscheidung zu Atomkraftverlängerungen ist in meinen Augen ein Witz. Das gleiche gilt für die Entscheidung, den Biogasdeckel nicht aufzuheben. Wenn aus teils ideologischen Gründen nicht gehandelt wird, dann kann man sagen: Sie bringen unser Land nicht voran. ({2}) Wenn Sie jetzt wieder mit der altbewährten Leier kommen, wir wären ja 16 Jahre in der Regierungsverantwortung gewesen, dann kann ich nur sagen: Ja, das stimmt. Es waren gute Jahre für Deutschland; ({3}) denn vor diesen 16 Jahren waren wir das Schlusslicht in Europa. Wir sind in diesen 16 Jahren zur Lokomotive Europas geworden, ({4}) und das mit einem ausgeglichenen Haushalt, mit einer schwarzen Null und beispielsweise dem regelmäßigen Abbau der kalten Progression. ({5}) Auch jetzt in der Opposition haben wir schon viele Vorschläge gemacht, die Sie leider Gottes immer wieder abgelehnt haben. Eines muss man auch dazusagen: In den 16 Jahren war 12 Jahre die SPD mit führenden Häusern mit dabei und 4 Jahre auch die FDP. Das wollen wir nicht vergessen. ({6}) Meine Damen und Herren, am Wochenende wurde ein – Sie verzeihen mir den Ausdruck – „Ausbesserungsentlastungspaket“ mit vielen Ankündigungen vorgelegt. ({7}) Es sind einige gute Vorschläge dabei. Bloß, wenn ich höre, dass dies ein Volumen von 65 Milliarden Euro hat, muss man der Ehrlichkeit halber auch sagen, dass davon den Bund gut 30 Milliarden Euro betreffen. ({8}) Über den Rest müssen Sie noch mit den Ländern und zum Teil mit den Kommunen verhandeln. ({9}) Das hätten Sie schon längst machen müssen. Das haben Sie versäumt. Sie machen den Bürgern in unserem Land mit den Entlastungen etwas vor. ({10}) Ich bin gespannt, was herauskommt. Ein Beispiel: das 9‑Euro-Ticket. In drei Monaten haben Sie es nicht geschafft, mit den Ländern ein Nachfolgeprogramm auszuhandeln. Die Kosten waren für drei Monate circa 2,5 Milliarden Euro. Über das 9‑Euro-Ticket kann man streiten oder nicht. ({11}) Neu eingeplant sind 1,5 Milliarden Euro auf Bundesseite, und dann wollen Sie vielleicht noch die gleiche Summe auf Länderseite, also noch einmal 1,5 Milliarden Euro. Dann sind wir 3 Milliarden Euro. Wollen Sie damit noch weitere drei oder dreieinhalb Monate eine Entlastung bringen, oder wie soll das am Ende laufen? Ich sage Ihnen eines: Dabei sind Ihnen die Menschen im ländlichen Raum egal, die nicht die Möglichkeit haben, den ÖPNV wie die Menschen in den städtischen Gebieten zu nutzen. Wie soll es eine Krankenschwester denn machen, wenn sie um fünf Uhr morgens im Krankenhaus anfangen muss zu arbeiten? So geht es nicht, meine Damen und Herren. Sie vernachlässigen in diesem Entlastungspaket voll und ganz den ländlichen Raum. Ich an Ihrer Stelle würde mich schämen. ({12}) – Unsere Vorschläge, liebe Kollegin, lagen auf dem Tisch. ({13}) Jetzt musste ich gerade vorhin hören, dass die Mittelschicht bzw. der Mittelstand entlastet werde. Klar kann man dem Vorschlag des Bundeswirtschaftsministers folgen und kann als Bäcker und Metzger aufhören, zu produzieren, und in den Winterschlaf gehen, aber ob das der richtige Weg ist, sei dahingestellt. ({14}) Ich glaube, so wird das nicht gehen. Wir müssen die hart arbeitende Mittelschicht genauso entlasten. Dazu lese ich in Ihrem Programm relativ wenig bis gar nichts. Der Mittelstand, die tragende Säule unserer wirtschaftlichen Entwicklung, ist in diesem Programm zu null Komma null erwähnt. ({15}) Ich bin gespannt, was da am Ende des Tages kommen wird. ({16}) Ich gebe dem Staatssekretär, der das Thema Inflation angesprochen hat, recht: Ja, die Geldentwertung in unserem Land ist eines unserer größten Probleme. Aber, meine Damen und Herren, was machen wir dagegen? Es gibt die Ankündigung, das Merit-Order-System ändern zu wollen. Das hätte man schon längst machen müssen. Wir wissen doch, dass der Strompreis durch die Decke geht. Das Hauptthema bei der überbordenden Inflation sind einfach die Energiepreise. Hier muss man auch die Lebensmittelpreise hinzunehmen, schließlich hängt an jedem Lebensmittel ein Stück weit auch Energie. Sie hätten das schon längst anpacken müssen. Sie haben das nicht getan. Sie haben das versäumt. Ich hoffe, Sie hören in den Haushaltsberatungen auf die Vorschläge der Union. Die Vorschläge werden gut sein. Ich habe größtes Vertrauen in die Haushälter; ich habe selbst einige Jahre dazugehört. Ich wünsche alles Gute für die Verhandlungen. Tun Sie es – nicht um Ihre Ideologie zu befriedigen, tun Sie es für die Menschen in unserem Land. Danke schön. ({17})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Herr Kollege Rainer. – Als Nächstes hat das Wort die Kollegin Bettina Hagedorn, SPD-Fraktion. ({0})

Bettina Hagedorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003545, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Liebe Zuschauer! Ich bin seit 21 Jahren im Haushaltsausschuss und dachte, ich hätte schon alles an Krisen erlebt, vor allen Dingen mit der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009, aber auch mit der Flüchtlingskrise und mit Corona. Es gab Zeiten, da habe ich mir gar nicht vorstellen können, dass es noch ärger kommen könnte. Aber das erleben wir genau jetzt. Die multiplen Krisen haben diese Regierung vor immense Herausforderungen gestellt, als sie noch nicht einmal 100 Jahre – –100 Tage im Amt war. ({0}) Diese hat sie hervorragend gemeistert. Lieber Alois Rainer, du warst in dieser Woche nicht so viel im Plenum wie ich; ich weiß nicht, wo du von Streit in der Koalition gehört haben willst. Ich war, genau wie der Herr Staatssekretär Toncar, über 20 Stunden hier, habe den Debatten gelauscht und muss sagen: Es waren faire, es waren gute Beratungen. Außerdem erwecken Sie bitte nicht den Eindruck, wir würden hier über einen fertigen Haushalt beraten. Wir fangen mit den Beratungen erst an! ({1}) Meine Vorredner haben schon darauf hingewiesen, dass wir vonseiten der größten Oppositionsfraktion, der CDU/CSU, leider wieder eine relativ faktenfreie Debatte erleben mussten. Damit werden Sie Ihrer Verantwortung als größter Oppositionsfraktion in dieser Krise ganz bestimmt nicht gerecht. ({2}) Wir brauchen eine starke, aber auch eine seriöse und eine ernstzunehmende Opposition. Die letzten Haushaltsberatungen waren mit der Union im Haushaltsausschuss, na ja, ein relativer Ausfall. ({3}) Ich hoffe, dass es dieses Mal besser wird, und ich hoffe, dass die Ankündigung von Alois Rainer, dass Sie spannende Vorschläge einbringen werden, auch der Wahrheit entspricht. Wenn ich mir die Debatte dieser Woche anhöre, dann muss ich feststellen, dass es ein Thema gab, das jetzt nicht so ganz viel mit dem Haushalt zu tun hat, das Sie so richtig geritten hatten, nämlich das Thema Atomkraft. Ich freue mich, dass mein Kollege Bruno Hönel schon so viel dazu gesagt hat – das könnte ich alles unterschreiben –, und will noch ein Faktum hinzufügen. Der Ausstieg aus der Atomkraft durch Rot-Grün – das ist ungefähr 20 Jahre her – lief über einen Vertrag. Diesen haben die Energiekonzerne unterschrieben. Dadurch, dass sie das getan haben und Rot-Grün das so klug verhandelt hat, wäre es ihnen nicht möglich gewesen, Regress auf Kosten der Steuerzahler zu fordern. ({4}) Dann – dann! – kam die CDU/FDP-Regierung und hat im Oktober 2010 die Verlängerung der Laufzeit beschlossen – und hat damit die Verträge aufgehoben. Nur fünf Monate später kam Fukushima, und Hals über Kopf hat sie das, was sie fünf Monate vorher beschlossen hat, wieder rückgängig gemacht. Wissen Sie, wozu das geführt hat? Das wissen Sie natürlich, aber ich will es noch einmal für die Öffentlichkeit sagen: Dadurch hatten die Stromkonzerne, die Atomkraftbetreiber einen Regressanspruch. Den haben sie eingeklagt und hatten vor dem Bundesverfassungsgericht 2016 Erfolg. Wer musste die Suppe auslöffeln? In der letzten Koalition, unserer gemeinsamen Koalition, ein Finanzminister Olaf Scholz. ({5}) Er musste aus Steuermitteln 2,4 Milliarden Euro an Regress an die Stromkonzerne bezahlen. ({6}) Vattenfall hat 1,4 Milliarden Euro erhalten, RWE 880 Millionen Euro, EnBW 80 Millionen Euro und EON/PreussenElektra 42,5 Millionen Euro. ({7}) Das war das Ergebnis Ihrer völlig unverantwortlichen Politik. Auch vor diesem Hintergrund müssen wir da keine Ratschläge von Ihnen bekommen. ({8}) Sie haben in allen Bereichen Mehrausgaben gefordert; ich will mir einmal zwei Bereiche herauspicken. Das eine ist die Bundeswehr. Da tut es Ihnen vielleicht weh – hoffe ich jedenfalls –, wenn ich Ihre Erinnerung etwas auffrische. ({9}) Es war auch eine von CDU und FDP geführte Regierung, die bei der Bundeswehr sage und schreibe 8 Milliarden Euro gekürzt hat – 8 Milliarden Euro! Dieses Erbe haben wir dann in unserer zweiten Großen Koalition erhalten. ({10}) Wir haben allein in den ersten vier Jahren, von 2013 bis 2017, den Haushalt für die Bundeswehr gemeinsam von knapp 33 Milliarden auf 37 Milliarden Euro erhöht, also um 4 Milliarden Euro in vier Jahren. ({11}) Dann kam die nächste GroKo, und es waren konjunkturell gute Zeiten. Wir haben in dieser Zeit mit einem Finanzminister Olaf Scholz bis 2019 noch 6 Milliarden Euro obendrauf gepackt. Dann kamen die beiden Konjunkturpaketjahre; da wurde es noch einmal gestärkt. Wir sind jetzt bei dauerhaft über 50 Milliarden Euro für den Verteidigungsetat. ({12}) Davon hätten Sie nicht einmal geträumt. Dann haben wir noch das 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen beschlossen. ({13}) Also das, was diese Ampelregierung in diesem Bereich – zur Sicherheit auch der Soldatinnen und Soldaten und den Aufgaben angemessen, für die wir sie wappnen müssen – geleistet hat, haben wir mit Ihnen so nicht hingekriegt. ({14}) Ich will noch sagen – diese Zahlen habe ich hier schon vor zwei Tagen vorgetragen –: Das Gleiche gilt für das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Dieses ist nämlich in Ihrer Regierungszeit, in der CDU/FDP-Regierungszeit, konstant bei 6 Milliarden Euro geblieben; da ist sogar noch gekürzt worden. Wir haben den Etat in der Großen Koalition auf Initiative der SPD – nicht auf Initiative des damaligen Ministers Gerd Müller – schrittweise erhöht. Wir haben dafür gesorgt, dass der Etat mehr als verdoppelt worden ist; darauf sind wir stolz. ({15})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Schluss.

Bettina Hagedorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003545, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Darum geht diese Regierung verantwortungsbewusst, auch in außenpolitischen Fragen, mit dem Haushalt in dieser schwierigen Zeit um. Alle haben gesagt, sie freuen sich auf die Beratungen. Ich bin noch nicht ganz sicher, ob ich mich freuen soll; aber wir werden sie meistern. ({0})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank. Vielleicht können Sie sich das nächste Mal 20 Sekunden früher freuen. ({0}) Als nächster Redner kommt der Kollege Kay Gottschalk, AfD-Fraktion. ({1})

Kay Gottschalk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004731, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren hier im Hause! Liebe Zuschauer! Der Vertrag Ihrer Koalition hieß „Mehr Fortschritt wagen“; ich empfehle Ihnen, den Abtritt zu wagen. Das wäre für Deutschland gut. Was ich jetzt in Richtung Union sage, hätte ich ja niemals gedacht: Weniger Fortschritt, nein, mehr Rückschritt in allen gesellschaftlichen, finanziellen und wirtschaftlichen Bereichen hatten wir nicht mal unter der Merkel-CDU, meine Damen und Herren. Die Krisen beuteln inzwischen Deutschland. Ich adressiere gerne mal an den Finanzminister und den Wirtschaftsminister – er ist jetzt nicht da, aber sein Staatssekretär ist angekommen. Die Wirtschaftsinstitute prognostizieren eine Rezession, die Deutschland 150 Milliarden Euro kosten wird – so schreibt es das „Handelsblatt“ gerade. Sie wollen also ernsthaft an der schwarzen Null festhalten und im nächsten Jahr an einem ausgeglichenen Haushalt? ({0}) Wir werden Sie da an Ihren Worten messen, aber das wird ein blanker Traum bleiben, meine Damen und Herren. ({1}) Die Politik der letzten Jahrzehnte schlägt nun vollends ins Kontor. Alles, wovor unsere Partei, die AfD, gewarnt hat – eine verfehlte Energiepolitik, eine verfehlte Migrationspolitik, eine verfehlte Außenpolitik und eine verfehlte Steuer- und Wirtschaftspolitik –, schlägt nun voll zu Buche. Zur EZB will ich gar nichts sagen. Strom und Gas und das Einkaufen im Supermarkt sind so teuer geworden, dass wir mittlerweile diese Krise bis tief in den Mittelstand spüren. Mittelstandsentlastung? Fehlanzeige. Unternehmensteuerreform? Fehlanzeige. Da kam auch nichts von Ihnen, meine Damen und Herren von der Union. Diese 300 Euro, die Sie dann auch noch versteuern dürfen, die Sie einmalig bekommen, die sind für mich ein Almosen und ein Hohn, aber keine Hilfe. ({2}) Zum Umgang mit anderen Meinungen – da vielleicht an Frau Faeser adressiert und die anderen Damen und Herren, die hier im Haushalt so andere Projekte propagieren –: Ich kann mich noch sehr gut an die Bundestagswahl erinnern. Da gab es ein Plakat mit der Aufschrift: „Grüner Mist: Mieterhöhung. Spritpreiskrise. Strompreisexplosion“. Ich will Ihnen mit diesem schönen Plakat noch mal auf die Sprünge helfen. ({3}) Diese Wahrheit wurde natürlich von Ihnen hier im Hause als Hetze bezeichnet. Es ist blanke Realität. Das zeigt aber, wie Sie mit Andersdenkenden und vor allen Dingen mit der Wissenschaft inzwischen umgehen, meine Damen und Herren. ({4}) – Alles böse Hetzer; ich weiß. Meine Damen und Herren, eine wuchtige Entlastung soll das sein? Herausgekommen ist ein laues Lüftchen: 95 Milliarden Euro in drei Entlastungspaketen. Die „Bild“-Zeitung – sie hat den Weg zur Tugend zurückgefunden; sie hat ja auch den Greta-Jüngern und anderen Dingen wie dem Atomausstieg gefrönt; übrigens vielen Dank für die Krisenbewältigung, Frau Hagedorn – sagte: „Der Fleißige ist der Dumme“. Niemals hat ein Wort mehr das Brennglas auf Ihre Politik gelegt, meine Damen und Herren. ({5}) Kein Geld der Welt wird das abfedern, was Sie anrichten. Diese Regierungsbank ist inzwischen die größte Bad Bank der Welt geworden, meine Damen und Herren; das ist mal Fakt! ({6}) Herr Scholz, Ihr Handeln als Bundeskanzler – er ist auch nicht hier – ist bestenfalls genauso lückenhaft und schlecht wie Ihre Erinnerung im Fall Warburg und Cum-ex. Als Lehrer würde man sagen: glatte Sechs, hinsetzen, Versetzung gefährdet. Während in Russland die Öl- und Gasverkäufe mehr als die Kriegskosten einbringen – Gazprom hat 2,5 Billionen Rubel bilanziert, das sind etwa 41,3 Milliarden Euro, meine Damen und Herren –, halten wir an diesen unsinnigen Sanktionen fest, die unserer Wirtschaft, den Menschen und unserer Demokratie schaden, meine Damen und Herren. Das beste Entlastungspaket ist der Stopp dieser unsinnigen Sanktionen, und das ist auch Ihre Schuld, der Bad Bank. ({7}) Meine Damen und Herren, kommen wir aber auch noch mal zu Herrn Lindner; denn Sie tragen die Hauptverantwortung. Dass Sie sich hier als Mittäter und Helfer sozusagen beteiligen, ist schon skandalös. Der Bundesrechnungshof sagt völlig zu Recht: Die wahre Belastung sind nicht Schulden von 17,2 Milliarden, sondern 78 Milliarden Euro. Sie verschleiern, Sie tricksen, meine Damen und Herren. Insoweit kann man unseren Finanzminister mittlerweile als den größten Trickbetrüger der Bundesrepublik bezeichnen. Er ist besser als Jan Marsalek, der hat es nur auf 20 Milliarden gebracht, meine Damen und Herren. ({8}) Spannend wird also insoweit sein, wo Sie sprudelnde Steuereinnahmen in den nächsten Jahren bei diesen Insolvenzen finden wollen. Nun ist Herr Habeck nicht da, ich hätte ihm an dieser Stelle gerne ein bisschen Nachhilfe gegeben. Bei dieser Insolvenzwelle werden Sie keine sprudelnden Steuereinnahmen ernten. Hören Sie also auf mit der grünen Transformation! Sie ist ein Rohrkrepierer. Herr Habeck kann es nicht. Kleine Empfehlung an die jüngeren Zuschauer: Gehen Sie mal bei Youtube in das Format „Jung & Naiv“ – hier könnte man sagen: alt und naiv –: Da stammelt dieser Bundeswirtschaftsminister völlig wirres Zeugs wie zu Basel III: Keine Ahnung. Bei Wirecard wusste er genau, dass die BaFin Handwerkerrechnungen prüft – na, herzlichen Glückwunsch! Dagegen ist diese Insolvenzentgleisung ja noch harmlos, meine Damen und Herren. Insoweit ist der beste Schritt für unser Land: Machen Sie den Platz frei für eine vernünftige Regierung, und treten Sie zurück! ({9})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Herr Gottschalk, kommen Sie bitte zum Schluss.

Kay Gottschalk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004731, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Acht Sekunden, sofort.

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Das meine ich ernst.

Kay Gottschalk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004731, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Ansonsten verstehe ich jeden Bürger, der auf die Straße geht und gegen diese unsinnige Politik demonstriert. Das ist ihr Recht, und sie sind deshalb keine Rechten, weil sie ihr Recht wahrnehmen, meine Damen und Herren. ({0}) Wir freuen uns auf die Beratungen.

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Herr Kollege, kommen Sie jetzt zum Schluss bitte.

Kay Gottschalk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004731, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Es ist schon vorbei, ist doch alles gut. – Bei uns sind Sie immer sehr genau. ({0})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Also wenn ich mit 28 Sekunden drüber sehr genau bin, dann ist es etwas, was Sie vielleicht noch lernen sollten. Ich will nur darauf hinweisen, dass ich es zumindest für unparlamentarisch halte, ein Mitglied der Bundesregierung zum „Trickbetrüger“ zu ernennen. Ich denke noch mal darüber nach. Ich behalte mir eine Ordnungsmaßnahme vor. ({0}) Nächster Redner ist der Kollege Felix Banaszak, Bündnis 90/Die Grünen. ({1})

Felix Banaszak (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005016, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Rainer, es ist in jeder Beziehung gut, wenn man auch einmal Fragen stellt. Aber Sie haben nur Fragen gestellt und keine einzige Antwort gegeben, und das von einer Opposition, die so lange regiert hat. ({0}) Frau Gräßle, Sie haben gesagt: Sie erwarten, dass diese Regierung Gesetzentwürfe vorlegt; das wäre als Opposition nicht Ihre Aufgabe. Ich will Sie einmal daran erinnern: Es gab hier 16 Jahre lang eine Opposition, die sogar Gesetzentwürfe vorgelegt hat. Man kann nicht nur unterschiedlich gut regieren, man kann offensichtlich auch unterschiedlich gut opponieren. ({1}) Frau Wissler, Sie haben gerade ein paar Punkte angesprochen, was die sozialen Fragen dieser Zeit angeht, auf die ich gleich noch genauer eingehen werde. Aber Sie haben spannenderweise auch ein paar Punkte in Ihrer Rede ausgelassen, beispielsweise warum Sie hier sagen, man müsse doch viel schneller aus den fossilen Energien, aus den fossilen Abhängigkeiten aussteigen, während Ihre Fraktion sich gestern entschieden hat – Sarah Wagenknecht hat es gesagt –, den Einstieg in neue fossile Abhängigkeiten faktisch durch das Ende der Sanktionen und damit durch die Inbetriebnahme von Nord Stream 2 zu fordern. Was wollen Sie denn jetzt, fossile Abhängigkeiten überwinden oder fossile Abhängigkeiten forcieren und uns damit noch weiter vom Kriegsverbrecher Wladimir Putin treiben lassen? Das ist die Frage, die Sie beantworten müssen. ({2}) Ich hatte gestern an dieser Stelle einen Wortwechsel mit Frau Wagenknecht und Herrn Ernst. Seitdem häufen sich in den sozialen Medien bei mir die Hasskommentare, die Bedrohungen: Wenn ich mal wieder mit dem Fahrrad in Nordrhein-Westfalen unterwegs sei, könnte es zu einem Unfall kommen. – Jetzt sagen Sie vermutlich, das wäre unfair, das wäre unredlich, Sie mit diesen Dingen in Verbindung zu setzen, nur weil das zufälligerweise passiert, nachdem Sarah Wagenknecht und ich miteinander gesprochen haben. ({3}) Ich möchte Sie fragen: Wie kann es sein, dass Ihre Fraktionskollegin Sevim Dağdelen vor der Parteizentrale der Grünen demonstriert und sagt, die eigentlichen Aggressoren in dieser Zeit seien Annalena Baerbock und Robert Habeck? Diese wirklich irrlichternde, beschämende Relativierung der Kriegsverbrechen Russlands können Sie doch nicht hinnehmen. Wenn Sie das Leid der Menschen, wenn Sie die berechtigten Sorgen der Menschen, ob sie sich die Stromrechnung noch leisten können, instrumentalisieren für diese außenpolitische Irrfahrt, dann haben Sie Ihre Verantwortung nicht ernst genommen. ({4}) Meine Damen und Herren, ich mache mir sehr große Sorgen. ({5}) Ich mache mir sehr viele Gedanken über die sozialen Fragen dieser Zeit. Ich weiß nicht – keiner kann das heute wissen –, ob die Entlastungspakete I, II, III ausreichen werden, um alle Probleme, die die Menschen haben, zu bewältigen. Ich kann Ihnen aber eins sagen: Diese Bundesregierung wird nicht aufhören, sich über diese Fragen Gedanken zu machen und, wenn es notwendig ist, daraus auch die Konsequenzen zu ziehen und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Wenn dieses dritte Entlastungspaket nicht die letzten Fragen beantwortet, dann wird es auch nicht die letzte Entlastung von dieser Bundesregierung gewesen sein. ({6}) In der aktuellen Situation, in der die Inflation eine unbestreitbare Tatsache und eine große Gefahr ist, für Menschen mit wenig Einkommen, aber am Ende für alle, die natürlich auch ein volkswirtschaftliches Risiko mit sich bringt, möchte ich trotzdem die Aufmerksamkeit auf eine andere Gefahr lenken. Wir haben heute überall gelesen, dass die EZB ihren Leitzins erhöht hat. Das bedeutet geldpolitisch, dass Rezessionsdynamiken wahrscheinlicher werden. Und wenn wir uns als Haushaltsgesetzgeber jetzt fragen, was unsere Aufgabe in dieser Situation ist, dann müssen wir uns auch die Frage stellen: Was können wir tun, um Rezessionsdynamiken ein bisschen weniger wahrscheinlich zu machen? Das bedeutet, dass wir unsere Wirtschaftspolitik, unsere Fiskalpolitik diesen veränderten Realitäten anpassen werden. ({7}) Meine Damen und Herren, in dieser Situation, in der nicht nur viele Menschen mit dem Rücken zur Wand stehen, sondern auch viele Unternehmen sich fragen: „Können wir demnächst noch produzieren? Sind die Produktionskosten wegen der Strompreise und der Gaspreisexplosion eigentlich noch ausreichend zu bewältigen?“, ist doch vollkommen klar, dass eine soziale Antwort und eine ökonomisch kluge Antwort auf dieses multiple Krisenszenario mit Inflations- und Rezessionsgefahren eine Konjunkturpolitik sein muss, die am Ende dazu führt, dass Unternehmen noch produzieren können. Wenn Unternehmen produzieren, zahlen sie Steuern. Wenn Unternehmen produzieren, gibt es Menschen, die in Unternehmen arbeiten; diese Menschen zahlen dann wiederum Steuern. Wenn wir auch in Zukunft einen ausgeglichenen, einen stabilen Haushalt haben wollen, dann brauchen wir auch die wirtschaftliche Basis, die auf der Einnahmenseite dafür sorgt, dass die Ausgaben, die notwendig sind, auch finanziert werden können. ({8}) In diesem Sinne freue ich mich darauf, dass wir konstruktive Haushaltsberatungen, auch dieses Mal, bei dieser Ampel, haben werden. Ich bin gespannt, ob die Opposition diesmal kreativer, origineller ist als beim letzten Mal und vielleicht auch ein bisschen mehr gegenfinanzierte Vorschläge einbringt. Vielen Dank. ({9})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Herr Kollege. – Herr Kollege Fricke, bisher war es üblich, dass man aufgerufen wird, bevor man nach vorne kommt. Sie haben jetzt das Wort. Herr Kollege Fricke, FDP-Fraktion. ({0})

Otto Fricke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003530, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich habe gespürt, geschätzter Herr Präsident, dass Sie um Eile gebeten haben. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Schlussrunde – Ausblick auf die Haushaltsberatungen: Da hat noch nichts angefangen. Deswegen: Was da vonseiten der CDU/CSU zu der Frage der Haushaltsberatungen kommt, ist eigentlich eine Selbstentmachtung, weil man meint, das Parlament sei nicht der Gesetzgeber. ({0}) Ich will auf einen Punkt ganz deutlich hinaus, nämlich auf das Thema Inflation. Inflation ist ein falscher Freund des Haushaltes. Wir glauben jetzt: Da kommen massenhaft Einnahmen. Wir erkennen als Haushälter gleichzeitig aber auch: Da kommen ganz schön viele Ausgaben auf uns zu. Deswegen die Rettungspakete und vieles andere mehr. Aber ich will die Inflation auch noch ins Verhältnis zum Thema Schulden stellen. Bei einer steigenden Inflation mit entsprechenden Auswirkungen auf die Zinsen kommt der falsche Freund Inflation ganz schnell angetrabt, und das werden wir in den nächsten Jahren noch erleben. Deswegen ist es auch eine Aufgabe, sparsam zu sein, aber eben nicht geizig. Das gehört zur Haushaltspolitik dazu. Ich möchte uns alle noch mal ermahnen, dass wir „sparsam“ nicht als „geizig“ verstehen, sondern als „vernünftig“ und gleichzeitig – wenn wir uns die Schuldenbremse angucken – auch als etwas, das – da gebe ich dem Kollegen Banaszak recht – gleichzeitig Rezession bekämpft. Deswegen hat diese Schuldenbremse, von der alle immer behaupten, sie sei statisch – andere sprechen davon, jemand habe einen Schwarze-Null-Fetisch –, eine Konjunkturkomponente. Ich sage auch noch mal für diese Koalition: Da steht nicht: Es bleibt bei der Neuverschuldung, wie sie im Entwurf steht. Vielmehr bleibt es bei der Neuverschuldung, die uns die Schuldenbremse erlaubt. Und wenn die Konjunktur noch weiter runtergeht, wird das auch Auswirkungen auf die Schuldenbremse haben. Ich bin mir sicher, dass wir dann auch genau sehen werden, wo die jeweiligen Auswirkungen sind. Denn das habe ich in diesen Debatten – bei aller Kritik an der CDU/CSU in der Frage der Gegenvorschläge – dann doch erlebt: dass uns die Menschen wichtig sind, dass sie uns am Herzen liegen, dass wir spüren, welche Ängste da sind. Das bezweifle ich für diese vier Fraktionen überhaupt nicht. Das ist das, was uns treibt. Das ist das, was übrigens uns allen Angst macht. Das trifft, glaube ich, auch auf Linke und Rechte zu; ich glaube nur, dass sie andere Profitpläne haben. Zum Schluss, meine Damen und Herren. Ich freue mich auf die weiteren Haushaltsberatungen. Und weil ich heute wegen Queen Elizabeth nicht mit Shakespeare enden will, tue ich es lieber mit Goethe und habe noch eine Bitte an die CDU/CSU-Fraktion: ({1}) Seht doch einmal eure Reden hintereinander. Gerade eben in der Debatte zum Innenministerium fordert jemand 2 Milliarden Euro Mehrausgaben. Der nächste Redner der CDU/CSU sagt: Ihr gebt aber zu viel Geld aus. – Bringt es in eine Linie. Sonst ist es wie beim Chor von „Faust II“: „Das Unzulängliche, Hier wird’s Ereignis“. Herzlichen Dank. ({2})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Herr Kollege Fricke. – Der Kollege Florian Oßner, CDU/CSU-Fraktion, kann darauf ja gleich antworten. ({0})

Florian Oßner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004366, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte Otto Fricke so antworten: Es ist echt mutig, es ist schon wirklich mutig, was uns der Herr Bundesfinanzminister, heute in Stellvertretung hier der Herr Staatssekretär Florian Toncar, ({0}) als Haushaltsentwurf vorlegt. Mutig deshalb, weil man sich verwundert die Augen reibt, was hier alles nicht zusammenpasst. So ruft die Bundesregierung seit Wochen die Bürgerinnen und Bürger auf zum Verzicht: weniger duschen, weniger heizen, weniger Auto fahren und, und, und. Und was machen Sie im Gegenzug? 10 000 zusätzliche Posten in den Ministerien, eine ungezügelte Verschuldung und eine desaströse Krisenpolitik. ({1}) Es ist daher mehr als zweifelhaft, wie Sie, liebe Ampel, versprochene Leitlinien, also keine Steuererhöhungen und Einhalten der Schuldenbremse, am Ende einhalten wollen. Spätere Erinnerungslücken à la Herr Bundeskanzler erlauben wir hier als Haushälter und als Unionsfraktion nicht. Also, mehr Wasser predigen und Wein trinken, geht wahrlich nicht. Stoppen Sie diesen Wahnsinn! ({2}) Bestes Beispiel, auf welch wackligem Fundament der gesamte Haushalt gebaut ist, ist das sogenannte dritte Entlastungspaket. Es ist überhaupt nicht im Haushalt eingepreist. 65 Milliarden Euro – eine gigantische Summe – soll es kosten; keiner weiß jedoch, wie sich diese gigantische Summe zusammensetzt. ({3}) Entlastung von Normalverdienern und von mittelständischen Betrieben – Fehlanzeige. ({4}) Wieder einmal hat die Regierung die Selbstständigen, die Handwerker, die Freiberufler und die kleinen und mittleren Unternehmen, vor allem auch im ländlichen Raum, vergessen. ({5}) Jeden Tag wird von der rot-grün-gelben Ampel Erleichterung versprochen. Die Realität sieht jedoch völlig anders aus. Das Leben wird von Tag zu Tag teurer in unserem Land. Wir steuern auf eine zweistellige Inflation zu. Statt „rechte Tasche, linke Tasche“ wäre es besser gewesen, wirklich bedürftigen Haushalten zu helfen. Der Bundeskanzler zitiert in diesem Zusammenhang häufig die Liedzeile: „You’ll never walk alone“. Ich antworte Ihnen gerne mit einem anderen Lied: „Let it be“. Lassen Sie die leeren Versprechungen sein, und gehen Sie an die wirklichen Ursachen ran! ({6}) Priorität hat jetzt, gegen die horrenden Strompreise vorzugehen und für Netzstabilität zu sorgen. Da ist der weitere schnelle Ausbau regenerativer Energien und der Wasserstoffinfrastruktur notwendig sowie der dafür notwendigen Netze, vor allem der Mittelspannungsnetze, aber da ist eben auch die Kernenergie notwendig. Das erreicht man aber nicht, indem man zwei von drei verbleibenden Kernkraftwerken in den Notbetrieb schickt. Das ist nicht nur ökonomischer, sondern auch ökologischer Unsinn, verschärft die Lage noch zusätzlich und treibt die Strompreise weiter hoch. ({7}) Also wenn selbst die Grünen aus Schweden in Richtung des Bundeswirtschaftsministers Habeck – heute nachzulesen in allen Gazetten – kritisieren – ich zitiere –: „Solidarität funktioniert nur, solange sich niemand selbst Schaden zufügt“, und damit hart die Kernenergiepolitik der Grünen in Deutschland in die Kritik stellen, sieht man eines: Selbst im Ausland wird von den eigenen Parteikollegen die Energiepolitik der Grünen – gemeinsam mit Roten und Gelben in der Bundesregierung – zerlegt. ({8}) Die rot-grün-gelbe Bundesregierung wird damit zum eklatanten Inflationstreiber Deutschlands. ({9}) In meiner Heimatregion Landshut-Kelheim steht mit Isar 2 eines der letzten Kernkraftwerke – eines der sichersten und zuverlässigsten Kernkraftwerke der Welt. Und ich kann Ihnen versichern: Die gesamte Mannschaft vor Ort in Essenbach steht bereit, um die Energieversorgung Deutschlands sicherzustellen. Sie braucht jedoch jetzt Planungssicherheit. Der Ball liegt in Ihrem Spielfeld, liebe Ampel. Lassen Sie Ihre ideologischen Scheuklappen fallen, ({10}) und machen Sie das Tor! Wir als Union unterstützen Sie da gerne. ({11}) Der Staat ist momentan krasser Inflationsgewinner. Um den Bürgerinnen und Bürgern wirklich zu helfen, fordern wir als CDU und CSU ein, dass die Steuermehreinnahmen des Staates auch an die Steuerzahler zurückgegeben werden. Es gebietet der Anstand, diejenigen in den Fokus zu nehmen, die jeden Tag zur Arbeit gehen und unser Land am Laufen halten. Zudem werden in allen Branchen mittlerweile Arbeitskräfte gesucht. Um diese Mehrarbeit überhaupt zu packen, müssten wir beispielsweise freiwillige Überstunden steuerfrei stellen. Leistung muss sich wieder lohnen in unserem Land – dafür kämpfen wir. ({12}) Die Schuldenbremse ist kein Spielball. Sie steht im Grundgesetz. Nur in Ausnahmesituationen darf sie außer Kraft gesetzt werden. Der Finanzminister nimmt sich fürs nächste Jahr bereits satte 40,5 Milliarden Euro aus der Rücklage. Ursprünglich waren 28 Milliarden Euro geplant. Die langfristige Einhaltung der Schuldenbremse wird damit noch schwieriger. So sieht Problemlösung à la Ampel aus: Statt Probleme sofort anzugehen, verlagert man diese in die Zukunft. ({13}) Auch der Blick auf die mittelfristige Finanzplanung zeigt, dass die Koalition weiterhin den Schuldenpfad beschreitet. Im Zeitraum 2023 bis 2026 sind jetzt schon zusätzliche Schulden über 56 Milliarden Euro eingeplant. Und leider ist nicht erkennbar, dass die Ampel beim Sparen an der richtigen Stelle besonderen Ehrgeiz entwickelt. Herr Präsident, ich komme zum Schluss. – Die Ampel darf am Ende die Realität nicht aus den Augen verlieren. Eine Schuldenexplosion, wie sie sie momentan betreibt, ist mit uns als Union nicht zu machen. Der Ampel ist deshalb anzuraten, –

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Herr Kollege, bitte.

Florian Oßner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004366, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

– schnellstmöglich ihren Koalitionsvertrag zu überarbeiten und neu zu priorisieren. Herzliches „Vergelts Gott!“ fürs Zuhören. ({0})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Herr Kollege Oßner. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Dr. Wiebke Esdar, SPD-Fraktion. ({0})

Dr. Wiebke Esdar (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004710, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich wollte eigentlich meine Rede damit beginnen, aufzulisten, welche Entlastungsmaßnahmen wir alle schon auf den Weg gebracht haben; aber das hätte zu viel Redezeit gekostet. ({0}) Darum: Alle Interessierten finden die Auflistung ganz einfach auf der Homepage der Bundesregierung. – Dass es so viele Maßnahmen sind – so mokieren sich jetzt einige Kritiker –, würde das Ganze unübersichtlich machen. Aber ich sage: Das passt zum Motto der Bundesregierung, nämlich „You’ll never walk alone“ – wir lassen niemanden in dieser Krise allein. ({1}) Das ist mit der Herausforderung verbunden – das haben wir in dieser Woche erlebt –, dass die eine oder andere Person der Opposition die Situation vielleicht etwas kritischer darstellt, weil sie vergisst, welche weiteren Maßnahmen es gibt, wenn sie Beispiele individueller Belastung nennt. Ich wünsche mir, dass wir in den nächsten Wochen damit ehrlich umgehen. Klar ist darum für mich: Diese Regierung hat geliefert. Wir entlasten alle Menschen, und wir entlasten diejenigen, die mehr Entlastung brauchen, auch mit mehr Hilfen. ({2}) Es gibt in dieser Debatte – das hat die Woche gezeigt – natürlich immer diejenigen, die noch mehr fordern. Ich habe wirklich oft Verständnis für die Vorschläge, die von linker Seite kommen, auch wenn Sie dabei Teile weiterer Maßnahmen vergessen. ({3}) Ich kann das oft nachvollziehen. Es ist nur immer die Frage, wie viel Realitätscheck man machen muss, wenn man als Teil einer Koalition in den Haushaltsverhandlungen steht. Mir fällt es aber – dieses Beispiel möchte ich doch noch ausführen – an der ein oder anderen Stelle schwer, Verständnis für Forderungen nach einem Mehr aufzubringen. So will ich herausgreifen den Vorsitzenden der Ministerpräsidentenkonferenz, den Ministerpräsidenten des größten Bundeslandes, der in der Generaldebatte am Mittwoch auch hier war – einen Teil der Debatte hat er sich angeguckt; zu Wort gemeldet hat er sich nicht –, und das ist Hendrik Wüst. Die Union ist ja nun auch in Regierungsverantwortung, und ich bin an der Stelle doch verwundert. Er ist dann früher gegangen, ({4}) aufs Boot gegangen, um ein bisschen Presse zu machen und dann mit einem Nein im Bundesrat zu drohen. Wenn er als Landespolitiker mit dem Finger auf die Bundespolitik zeigt, dann erlaube ich mir als Bundespolitikerin doch mal die Frage: Welche Hausaufgaben hat der Ministerpräsident denn eigentlich in seiner Landesregierung in Nordrhein-Westfalen gemacht? ({5}) Ich sage das auch deswegen – es ist vielen oft nicht so präsent –, weil 52 Prozent der Steuereinnahmen dieses Staates an die Länder gehen. ({6}) Es ist nicht so, dass wir hier die Mehrheit des Steueraufkommens zu verteilen haben, sondern die Mehrheit geht an die Länder. Als Bildungspolitikerin will ich mal die Frage stellen: Was trifft eigentlich für die Bildungspolitik in den Ländern zu? Die Bildungspolitik, von Kita über Schule bis zur Hochschule, ist ja nun mal originäre Landesaufgabe. Die Träger der Kitas in NRW haben keine Rücklagen, weil die Gesetzeslage vorsieht, dass sie gar keine Rücklagen machen dürfen; so steht es im Kinderbildungsgesetz. Aber eine Antwort der Landesregierung auf die Kostensteigerungen in den Kitas, die dramatisch sind und deren Existenz bedrohen, ist bisher nicht vorhanden. ({7}) Ich gehe weiter zum Thema Schule. Es gibt die sogenannten Ersatzschulen, die Berufskollegs. In Bielefeld wird voraussichtlich eins geschlossen werden müssen, weil der Träger, obwohl er dort jedes Jahr eine halbe Million Euro Eigenmittel einsetzt, weil die Berufskollegs nicht auskömmlich finanziert sind, das alles nicht weiter leisten kann. Und die Antwort der Landesregierung auf die Kostensteigerungen der Schulen: keine Antwort aus dem Schulministerium, keine Antwort aus der Landesregierung. Wir können weitergehen zu den Hochschulen. Die Studierendenwerke, die Zuschüsse des Landes bekommen, haben bereits Mitte August gefordert, dass diese Zuschüsse erhöht werden müssen, wenn sie für die Studierenden weiter günstiges Essen in den Mensen austeilen sollen. Gibt es eine Antwort aus dem Wissenschaftsministerium? Für mich nicht ersichtlich! ({8}) Darum sage ich: Wir müssen an der Stelle doch alle Verantwortung tragen und unserer Verantwortung gerecht werden; denn dafür sind wir gewählt. Es ist jetzt nicht die Zeit, Herr Wüst, mit dem Finger auf andere zu zeigen. Denn wenn Sie mit dem Finger auf andere zeigen, dann zeigen drei Finger – der Finger des Kitaministeriums, des Schulministeriums und des Wissenschaftsministeriums – auf Sie zurück. ({9}) Ich will das einbetten: Es bekümmert mich wirklich, dass, obwohl die CDU mit Hendrik Wüst als Ministerpräsidenten in einer Landesregierung Verantwortung trägt – das haben einige meiner Vorredner bereits angeführt –, wir heute in allen drei Beiträgen von Abgeordneten der CDU/CSU, die wir gehört haben, nicht einen konkreten Vorschlag gehört haben, nicht einen Verbesserungsvorschlag, mit dem man arbeiten kann. ({10}) Es reicht nicht, sich als größte demokratische Oppositionsfraktion einfach nur hierhinzustellen und zu rufen: Mehr für den Mittelstand! – Es müssen schon konkrete Vorschläge sein. ({11}) Die Zeiten sind doch zu ernst, als dass wir uns auf solch einem Populismus und auf einfachen Vorschlägen, die nur laut dahergerufen werden und nicht konstruktiv sind, ausruhen könnten. Wenn es so ist, wie Otto Fricke eben gesagt hat – ich teile das –, ({12}) dass wir hier alle die Sorgen der Menschen teilen und uns sehr darum bemühen, die Probleme zu lösen, dann hoffe ich und wünsche ich mir für die anstehenden Haushaltsberatungen, dass alle, die in Regierungsverantwortung gewählt worden sind, ihrer Verantwortung auch gerecht werden, und dass alle, die nicht in Regierungsverantwortung gewählt worden sind, konstruktive Oppositionspolitik betreiben. Das wünsche ich mir, und dann freue ich mich auch auf die Beratungen. ({13})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Frau Kollegin Esdar. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Jamila Schäfer, Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Jamila Schäfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005200, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Man muss nüchterne, geduldige Menschen schaffen, die nicht verzweifeln angesichts der schlimmsten Schrecken und sich nicht an jeder Dummheit begeistern. Pessimismus des Verstandes, Optimismus des Willens.“ Diese klugen Sätze stammen von Antonio Gramsci. Ich finde, sie könnten kaum besser in diese Zeit passen. Momentan haben wir doch alle als Politikerinnen und Politiker sehr große Probleme zu lösen, mit nüchternem Blick auf die Notwendigkeiten. Und was ist notwendig? Notwendig ist, dass wir Menschenrechte, Demokratie und das Völkerrecht gegen Putins Großmachtfantasien und seine Kriegsverbrechen verteidigen. ({0}) Notwendig ist, dass wir das Leid bekämpfen, das dieser Krieg über andere Weltregionen bringt – aus moralischen Gründen, aber auch, um ein verlässlicherer und glaubwürdigerer Partner zu sein, und zwar glaubwürdiger als die Autokraten in dieser Welt. ({1}) Und notwendig ist auch, dass wir unserer Wirtschaft durch diese schwere Zeit helfen und eine Rezession abfedern, weil unter ihr weltweit und hierzulande die Ärmsten der Armen besonders leiden werden. Der Kampf gegen Putins Faschismus wird gleichzeitig innen- und außenpolitisch ausgefochten. Je schneller wir das begreifen, desto erfolgreicher werden wir kämpfen können. ({2}) Deshalb dürfen wir auch nicht zulassen, dass die Opfer der Kriegsverbrechen in der Ukraine gegen die ausgespielt werden, die jetzt unter den hohen Energiepreisen leiden. Es geht um Solidarität, und genau das ist eben auch die Idee, die in diesem Entlastungspaket steckt, das wir gemeinsam auf den Weg gebracht haben, das zum Beispiel durch das Verhindern von Gas- oder Stromsperren dafür sorgt, dass im Winter niemand im Kalten sitzen muss. Aber eins ist eben auch klar: Putins Angriff zielt auch auf unsere Wirtschaft. Er nutzt unsere Abhängigkeit von Öl und Gas, um die Inflation nach oben zu treiben. Denn die Inflation kommt nämlich nicht, wie das oft behauptet wird, einfach von zu hohen Krediten oder der Geldmenge, sondern von der hohen Abhängigkeit von Öl und Gas. ({3}) Darum können wir uns auch nicht einfach aus dieser Krise heraussparen. Wir müssen die Unternehmen dabei unterstützen, ihre Energiepreise bezahlen zu können. Wir müssen sie dabei unterstützen, auf menschenrechtsbasierte und resiliente Lieferketten umzusteigen, und wir müssen sie dabei unterstützen, für ein nachhaltiges Wirtschaften auch in klimaneutrale erneuerbare Energien zu investieren. Dieser Gang darf nicht ins Stocken geraten, weil Putin es will. ({4}) Dafür brauchen wir einen handlungsfähigen Staat mit einer aktiven Wirtschafts- und Fiskalpolitik. Durch Unternehmenshilfen, durch kluge Entlastungen vor allem der kleinen und mittleren Einkommen können wir diese drohende Rezession bekämpfen. Und das werden wir auch. ({5}) Das Ziel ist doch, einen klimagerechten Wohlstand in einer regelbasierten Welt zu schaffen, in der nicht das Recht des Stärkeren, sondern die Stärke des Rechts gilt. ({6}) Ich möchte, dass meine Kinder einmal in einer solchen Welt aufwachsen, und ich glaube, dass es vielen von Ihnen ganz genauso geht. Also lasst uns doch gemeinsam das Notwendige dafür tun, mit dem Pessimismus des Verstandes und dem Optimismus des Willens. Vielen Dank. ({7})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Nächster Redner ist der Kollege Yannick Bury, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Yannick Bury (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005035, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine Bemerkung vorab: Bei der Redezeit, die Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der Ampel, auf die Unionsfraktion verwenden, kann man schnell den Eindruck gewinnen, dass dies das einzig Einigende ist, ({0}) was es gerade in Ihrem Haushalt, was es gerade in Ihrer Politik noch gibt. ({1}) Herr Kollege Banaszak, Sie haben die Zinsentscheidung der EZB und die Notwendigkeit angesprochen, dass wir fiskalpolitisch die Konjunktur im Blick behalten. Sie haben da im Grundsatz vollkommen recht. Ich will aber betonen: Wir müssen gleichzeitig darauf achten, die Zinsentscheidung der EZB damit nicht zu konterkarieren, und das ist nämlich die Gefahr, die in vielen Vorschlägen lauert, die wir seitens der Ampel momentan sehen. Dieser Bundeshaushalt hat zwei zentrale Herausforderungen, denen wir mit ihm begegnen müssen: Er muss auf der einen Seite die Inflation bremsen, und er muss gleichzeitig die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen in den Blick nehmen. Beides ist dringend geboten; beides ist notwendig, weil die Inflation Existenzen gefährdet, von der Industrie über den Mittelstand und das Handwerk bis hin zu den Privathaushalten. Nach der Pandemie ist es gleichzeitig auch notwendig, zu tragfähigen Finanzen zurückzukommen, damit wir überhaupt die Möglichkeit haben, auf künftige Herausforderungen, beispielsweise die Fragen der Sozialversicherungen, noch Antworten zu geben. Beides, die Inflation zu bremsen und Tragfähigkeit sicherzustellen, fordert eine Kurskorrektur weg von der bisherigen Politik dieser Regierung, die auf Rekordschulden setzt, hin zu soliden Haushalten. ({2})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage aus der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen? ({0})

Yannick Bury (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005035, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Gerne.

Felix Banaszak (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005016, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Herr Bury, für die Möglichkeit der Nachfrage. – Sie sind ja Wirtschaftswissenschaftler. Deswegen möchte ich Sie Folgendes fragen. Es gab schon mal in der Geschichte – und Robert Habeck hat gestern darauf hingewiesen – eine Inflationsentwicklung in der Bundesrepublik, die auf ein Energieproblem zurückzuführen war, nämlich die Ölkrise in den 70ern. Die Entscheidung der damaligen Bundesbank war, die Zinsen sehr deutlich zu erhöhen, um dann auf die damals tatsächlich sehr stark gestiegene Lohnentwicklung zu reagieren und sozusagen eine Art Schocktherapie, wie es damals genannt wurde, zu verabreichen. Das mag in der konkreten Situation damals erst einmal richtig gewesen sein. Jetzt haben wir ein komplexeres Krisenszenario. Und die Frage ist: Wie wollen Sie mit dem, was Sie gerade gesagt haben, mit dieser fiskalpolitischen Agenda, für die Sie werben, verhindern, dass das passiert, was dann Ende der 70er und Anfang der 80er passiert ist, nämlich eine Welle massenhafter Arbeitslosigkeit, dadurch sinkende Steuereinnahmen, dadurch angespanntere Haushalte und dringend notwendigere Sparmaßnahmen, als es ohne dies nötig gewesen wäre? Deswegen ist meine Position nicht – ich weiß nicht, ob Sie es so verstanden haben –, dass die Zinsentscheidung der EZB falsch war, sondern dass sie fiskalpolitisch klug begleitet werden muss, damit die Rezession nicht schlimmer wird, als sie unbedingt sein muss. ({0})

Yannick Bury (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005035, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sie haben die Ölkrise der 70er-Jahre angesprochen. Ich glaube, der entscheidende Punkt war – auch im Vergleich mit anderen Volkswirtschaften damals –, dass das Zusammenspiel in Deutschland, in Europa deutlich besser geklappt hat als in anderen Regionen der Welt. Und deswegen, wie ich es eben gesagt habe: konjunkturpolitisch begleiten, ja; aber dazu, mit zusätzlichen Fiskalimpulsen das Dämpfen der Inflation zu konterkarieren, ein ganz klares Nein. Denn am Ende landen Sie in einem Szenario, in dem Sie nicht die Frage „5 Prozent Inflation oder 5 Prozent Arbeitslosigkeit?“ haben, sondern am Ende vom Tag beides. Es gibt wenig, was sozial ungerechter ist, was eine stärkere Verteilungswirkung von kleinen zu großen Einkommen hat als eine um sich greifende Inflation. Das ist das, was wir im Land momentan gerade erleben. ({0}) Deswegen muss das Bremsen der Inflation die oberste Priorität in der Geldpolitik haben und auch fiskalpolitisch begleitet werden. Alles andere wäre verantwortungslos. ({1}) Herr Kollege, meine Damen und Herren, genau das haben zumindest Teile Ihrer Koalition auch verstanden – den Eindruck habe ich –: dass Sie zur Schuldenbremse zurückkehren müssen, dass in einer Situation, in der die Inflation daher kommt, dass das Angebot deutlich unter der volkswirtschaftlichen Nachfrage liegt, wir nicht mit Fiskalimpulsen die Nachfrage noch zusätzlich anheizen dürfen. ({2}) Das Problem ist aber: Teile Ihrer Koalition haben genau diesen Zusammenhang bislang aber noch nicht verstanden. Das führt dann dazu, dass wir auf der einen Seite den Bundesfinanzminister haben, der nicht müde wird, diese notwendige Kehrtwende in der Haushaltspolitik der Ampel zu betonen, sie einzufordern, dabei gleichzeitig aber ein Stück weit zunehmend hilflos wird, weil er sich damit offenbar in einer Minderheitsposition innerhalb der eigenen Koalition befindet, und auf der anderen Seite weite Teile der Koalition fordern, weiter auf dem bisherigen Kurs von Verschuldung, von zusätzlichen Fiskalimpulsen zu bleiben. ({3}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich war, ehrlich gesagt, diese Woche erschrocken über das, was an ökonomischer Unkenntnis nicht nur in Talkshows, sondern auch seitens mancher Redner der Koalition hier geäußert wurde, dass in einer Situation, in der aufgrund immer höherer Preise Betriebe in diesem Land schließen müssen, viele Menschen Existenzsorgen haben, viele Familien nicht wissen, wie es im Winter weitergehen soll, weiterhin die Position vertreten wird, beispielsweise das Energieangebot nicht auszuweiten, weiterhin vorgeschlagen wird, die Inflation nicht an den Wurzeln zu packen, sondern mit zusätzlichen Schulden zu kaschieren. Das, meine Damen und Herren, ist schlicht verantwortungslos. ({4}) Herr Staatssekretär Toncar, der Finanzminister hat vor einiger Zeit einmal gesagt: „Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren.“ Ich halte diesen Satz damals wie heute für richtig. Sie müssen im Moment nur aufpassen, dass Sie nicht gleichzeitig nicht regieren und falsch regieren, ({5}) weil es die anderen sind, die in Ihrer Koalition auch finanz- und haushaltspolitisch den Ton angeben. Das sieht man in Ihrem Haushalt, wo Sie vorgeben, die Schuldenbremse einzuhalten, wenn man ein bisschen unter die Oberfläche schaut, relativ schnell: wenn Sie Dinge als Darlehen statt als Zuschuss verbuchen und damit so tun, als wären es keine Ausgaben, wenn Sie in die Rücklage greifen ({6}) und wenn Sie Ihre Ausgaben zu erheblichen Teilen dadurch finanzieren wollen, dass Sie sagen, Länder und Kommunen sollten bezahlen, ohne vorher mit ihnen gesprochen zu haben. ({7}) Damit wir uns richtig verstehen: Dass die Länder ihren verfassungsmäßigen Aufgaben nachkommen müssen, dass die Länder in Zukunft da auch mehr beitragen müssen, darüber sind wir uns vollkommen einig. ({8}) Aber Finanzierungsanforderungen bzw. Finanzierungszusagen einfach in Ihr Papier aufzunehmen, ohne mit den Ländern vorher gesprochen zu haben, das ist respektlos gegenüber unserer föderalen Ordnung, das ist dreist. ({9}) Und, meine Damen und Herren, das zeigt, auf was für wackligen Füßen Ihr Haushaltsentwurf tatsächlich steht. ({10}) Frau Kollegin Esdar, die Ministerpräsidentin Rehlinger hat seitens der Länder bereits angekündigt, dieses Spiel nicht mitzumachen. Also klären Sie das mal in Ihrer eigenen Partei. ({11}) Herr Staatssekretär, ich sage das auch in dieser Deutlichkeit, weil ich die Bemühungen Ihres Hauses durchaus sehe, die notwendige Kurskorrektur in Sachen Inflation, in Sachen Schuldenfinanzierung der Haushalte in Angriff zu nehmen und zu einer Haushaltspolitik zu kommen, die die Inflation nicht noch weiter anheizt. Ich habe nur die dringende Bitte an Sie: Seien Sie dabei auch konsequent innerhalb Ihrer eigenen Koalition! Setzen Sie sich damit auch durch! Die Union werden Sie dabei an Ihrer Seite haben, wenn Sie nicht mehr nur den Anschein erwecken, solide Haushaltspolitik zu machen, sondern tatsächlich auch diesen Kurswechsel vollziehen. Daran werden wir Sie in den anstehenden Haushaltsberatungen messen. Vielen Dank. ({12})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Herr Kollege. – Letzter Redner des heutigen Tages und damit der Debatte ist der Kollege Dennis Rohde, SPD-Fraktion. ({0})

Dennis Rohde (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004388, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dass die Formulierung „Schlussrunde Haushaltsgesetz 2023“ zumindest verwirrend ist, hat die ein oder andere Rede aus der Opposition gerade gezeigt. Wir sind nicht am Schluss der Haushaltsverhandlungen; wir als Parlament fangen gerade erst an. ({0}) Das, was wir in dieser Woche diskutiert haben, sind die Vorschläge der Ministerien, sind die Vorschläge des Bundesfinanzministers. Das sind aber nicht automatisch die Vorschläge des Parlaments. Wir verabschieden am Ende den Haushalt, und wir werden als selbstbewusstes Parlament viele Veränderungen vornehmen, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({1}) Wir führen diese Haushaltsverhandlungen in Zeiten, wo, glaube ich, auf alle von uns eine besondere Verantwortung zukommt. Ja, Russland führt einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Aber Russland führt auch einen Krieg mit Energie und Nahrungsmitteln gegen uns alle. Und ich ertrage diese Täter-Opfer-Umkehr nicht, die einige hier betreiben. Der Aggressor sitzt in Moskau und nirgendwo anders, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({2}) Bisher steht unser Kontinent geschlossen im Kampf gegen Putin; bisher ist die Unterstützung in unserem Land groß. Ich glaube, wir alle tragen, egal was uns trennt, auch eine Verantwortung dafür, dass das so bleibt. Ich finde, wir alle sollten uns überlegen, welche Rhetorik wir in diesen Debatten nutzen. Denn wenn am Ende die Unterstützung in der Bevölkerung verloren geht, dann zahlt das nur bei einem ein, und das ist Wladimir Putin. Wir haben eine Verantwortung, dass das nicht passiert, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({3}) Dafür tragen wir alle Verantwortung, auch die Kolleginnen und Kollegen aus der Opposition. Wir werden in einen wahrscheinlich wesentlich schwierigeren Winter gehen als in den letzten Jahren. Unser Land – das ist unsere Aufgabe – muss zusammenstehen und stark bleiben. Der Bundeskanzler hat es gesagt: Unterschätzen wir unser Land nicht! Unterschätzen wir die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes nicht! Wir haben in den letzten Krisen gesehen: Wenn es drauf ankommt, dann rücken wir zusammen. – Ich bin mir sicher: Das wird auch diesmal der Fall sein, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({4}) Wir helfen, indem wir die Bürgerinnen und Bürger entlasten, indem wir versuchen, den Strompreis zu dämpfen, indem wir viele Maßnahmen ergreifen, um das, was gerade an Mehrkosten auf die Bürgerinnen und Bürger zukommt, abzufedern. Aber ja, natürlich, zur Wahrheit gehört auch, dass wir nach diesem Angebotsschock, für den nur Putin verantwortlich ist, neue Märkte erschließen müssen, um am Ende Angebot und Nachfrage wieder in Einklang zu bringen. Und da gibt es welche, die handeln, und da gibt es welche, die fordern andere auf, sie könnten doch mal handeln. Ich will deutlich machen: Der Norden stellt gerade die Energieversorgung der Zukunft für die gesamte Bundesrepublik sicher. Das, was gerade in Norddeutschland passiert, wird dazu beitragen, dass überall in Deutschland Energiesicherheit gewährleistet werden kann. Wir bauen gerade LNG-Terminals. Wir bauen die LNG-Terminals in einem Riesentempo nicht nur aus, sondern wir schließen sie auch an das Netz an. So schnell wie in den letzten Jahren sind Infrastrukturvorhaben nie umgesetzt worden. Ich finde, das ist etwas, worauf wir stolz sein können, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({5}) Das ist die Antwort auf den Aggressor: neue Märkte zu erschließen. Aber wir machen ja nicht nur das. Wir bauen Windkraft an Land, und wir bauen Windkraft auf See, und wir bauen die Stromleitungen, damit die Energie auch in ganz Deutschland ankommt. Ich würde mir wünschen, dass man das, was dort im Norden passiert, was in Niedersachsen unter Stephan Weil passiert, nicht nur anschaut, wenn man aus Bayern kommt, sondern dass man selbst auch mal anfängt, zu handeln, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({6}) Wir bekommen diese Krise nur in den Griff, wenn wir schnell und entschlossen die Alternativen ausbauen. Diese Bundesregierung geht das an. Diese Bundesregierung legt den Grundstein dafür, dass wir den Angebotsschock in den nächsten Jahren abarbeiten können, dass wir bereits im Dezember LNG-Gas in Deutschland anlanden können, dass dann hoffentlich im Frühjahr auch die Preise wieder runtergehen. Das ist verantwortliches Handeln, und das erwarte ich von allen statt Sonntagsreden hier an diesem Mikro. ({7}) Das ist auch entscheidend für die Haushaltsverhandlungen. Es ist mehrfach gesagt worden: Wir haben drei Entlastungspakete auf den Weg gebracht, und wir sind natürlich bereit – wenn wir merken, die Krise spitzt sich zu –, wieder zu handeln, nicht nur mit einem Nachtragshaushalt, den vielleicht einige fordern, sondern ganz konkret in den nächsten Monaten. Dieses Parlament ist jetzt am Zug. Wir werden, bis wir in der zweiten, dritten Lesung, in der richtigen Schlussrunde hier sind, das Haushaltsgesetz intensiv debattieren. Wir sind auch bereit, am Ende des Tages zu handeln. ({8}) Wir haben schwierige Beratungen vor uns. Aber wir haben eins vor: Wir werden als Ampel in diesen Verhandlungen das tun, was wir auch in den letzten Haushaltsverhandlungen getan haben. Wir haben nicht geguckt, dass jeder so sein Projekt bekommt, sondern wir haben geguckt: Was eint uns? Wo haben wir gemeinsame Vorstellungen? Diese gemeinsamen Vorstellungen haben wir in den Haushalt gegossen. Das werden wir auch diesmal tun; das ist verantwortungsvolle Haushaltspolitik. Ich freue mich auf die Verhandlungen. ({9})